Die Vorabinformationspflicht des öffentlichen Auftraggebers: Effektiver Rechtsschutz gegen Zuschlagsentscheidung und Aufhebung der Ausschreibung im europäischen und deutschen Vergaberecht [1 ed.] 9783428518708, 9783428118700

Matthias H. Klingner diskutiert in der vorliegenden Untersuchung zum einen, ob der Rechtsschutz der Bieter gegen die Zus

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German Pages 721 Year 2005

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Die Vorabinformationspflicht des öffentlichen Auftraggebers: Effektiver Rechtsschutz gegen Zuschlagsentscheidung und Aufhebung der Ausschreibung im europäischen und deutschen Vergaberecht [1 ed.]
 9783428518708, 9783428118700

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Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 35

Die Vorabinformationspflicht des öffentlichen Auftraggebers Effektiver Rechtsschutz gegen Zuschlagsentscheidung und Aufhebung der Ausschreibung im europäischen und deutschen Vergaberecht

Von

Matthias H. Klingner

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MATTHIAS H. KLINGNER

Die Vorabinformationspflicht des öffentlichen Auftraggebers

Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nürnberg durch Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider

Band 35

Die Vorabinformationspflicht des öffentlichen Auftraggebers Effektiver Rechtsschutz gegen Zuschlagsentscheidung und Aufhebung der Ausschreibung im europäischen und deutschen Vergaberecht

Von

Matthias H. Klingner

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 29 Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 3-428-11870-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit, die mit der Vorabinformationsregelung des § 13 der Vergabeverordnung (VgV) die Schlüsselnorm des vergaberechtlichen Rechtsschutzes behandelt, wurde im Sommersemester 2004 von der Juristischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurden Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur bis 1.2.2005 berücksichtigt. Darüber hinaus konnte der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zur Verschlankung des Vergaberechts vom 8.2.2005 einbezogen werden. Dieses Konzept zur Neuregelung des Vergaberechts ist zwar durch die voraussichtlich im Herbst 2005 anstehende Neuwahl des Bundestages vorerst gestoppt worden, jedoch soll es von Seiten der für das Vergaberecht zuständigen Abteilung I B im BMWA nach der Neukonstituierung des Bundestages weiterverfolgt werden. Danken möchte ich zunächst ganz herzlich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Heinrich de Wall, für die Betreuung der Arbeit. Er hat mich bei der Erstellung und Publikation der Arbeit stets hervorragend unterstützt und gefördert und auch das Erstgutachten angefertigt. Weiter hat auch seine jederzeit vorhandene Gesprächsbereitschaft zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Herrn Prof. Dr. Max-Emanuel Geis danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens im Rahmen des Promotionsverfahrens. Für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der „Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht“ danke ich dem Herausgeber Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider. Bedanken möchte ich mich auch bei Regierungsdirektorin Frau Dr. Kirstin Pukall, Leiterin des Referats Öffentliches Auftragswesen im Bundeswirtschaftsministerium, und Frau Gabriele Soth-Schulz, Vorsitzende der 1. Vergabekammer des Landes Berlin, bei denen ich jeweils dreimonatige Referendarstationen absolvierte. Die Einblicke, die ich hier gewinnen konnte, und die mit Frau Dr. Pukall und Frau Soth-Schulz geführten Gespräche haben die Arbeit noch einmal sehr bereichert. In institutioneller Hinsicht möchte ich das forum vergabe e. V. hervorheben. Ohne das von diesem Forum herausgegebene „Monatsinfo forum vergabe e. V.“ und die vom Forum organisierten Vortragsveranstaltungen hätte die Arbeit nicht mit dieser umfassenden Auswertung auch der Vergabekam-

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Vorwort

merentscheidungen und diesem starken Bezug zur Praxis sowie in dieser Aktualität entstehen können. Weiterhin gilt mein Dank der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Förderung der Arbeit durch ein Promotionsstipendium. Für die Gespräche über Inhalt und Aufbau der Arbeit möchte ich Frau Steffi Kindler danken. Darüber hinaus hat sie die Arbeit mit großem Einsatz gelesen. Ganz besonders herzlich danke ich meiner Freundin Daniela Strauß für ihre Unterstützung und die Kraft, die sie mir während der gesamten Zeit der Promotion gespendet hat. Sie hat mir auch durch zahlreiche Diskussionen und Gespräche über die Arbeit sehr geholfen und die Arbeit Korrektur gelesen. Weiter hat sie mich in der aufwendigen Phase der Drucklegung der Arbeit nachhaltig unterstützt. Meinen Eltern und Großeltern möchte ich an dieser Stelle für ihre stetige Förderung meiner universitären Ausbildung und der Promotion danken. In Dankbarkeit für die vielfältige und umfassende Unterstützung nicht nur in der Entstehungszeit dieser Arbeit, sondern während meines gesamten Lebensweges widme ich diese Dissertation meinen Eltern. Berlin, im Juni 2005

Matthias H. Klingner

Inhaltsübersicht

Problemdarstellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

1. Teil Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

37

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Die wirtschaftliche Bedeutung des Vergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 III. Die wachsende Bedeutung des Vergaberechts als Rechtsgebiet . . . . . . . . . 41 IV. Besonderheiten der staatlichen Marktteilnahme und aus diesen Besonderheiten folgende Funktionen des Vergaberechts und des Vergaberechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 V. Überblick über die historische Entwicklung des Vergaberechts . . . . . . . . . 56 VI. Überblick über die gegenwärtigen Rechtsquellen des Vergaberechts . . . . 59 VII. Ausblick auf das Vergaberecht de lege ferenda: Die zukünftige Struktur des deutschen Vergaberechts nach Umsetzung des Legislativpakets der Europäischen Gemeinschaft und Verschlankung des Vergaberechts . . . . . . 112 B. Die Ausgestaltung des Primärrechtsschutzes oberhalb der Schwellenwerte in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. Begriffspaar: „Primärrechtsschutz“/„Sekundärrechtsschutz“ . . . . . . . . . . . . 118 II. Überblick über den Primärrechtsschutz nach der kartellrechtlichen Lösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 III. Das Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern – §§ 104–114 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 IV. Die 2. Instanz – Die sofortige Beschwerde zum OLG, § 116–123 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 V. Gesamtwürdigung des neuen Rechtsschutzes – Bisherige Erfahrungen . . 144 VI. Sonstige Primärrechtsschutzmöglichkeiten oberhalb der Schwellenwerte außerhalb des Vergabenachprüfungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 C. Rechtsbehelfsmöglichkeiten auf europäischer Ebene – Anrufung der Gemeinschaftsinstanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

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Inhaltsübersicht 2. Teil Der Primärrechtsschutz oberhalb der Schwellenwerte in Deutschland im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung nach der Einführung der Vorabinformationspflicht durch § 13 VgV 151

A. Die Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. 1. Konstellation – Beginn des Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die 2. Konstellation im Hinblick auf die Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung: Der Nachprüfungsantrag wird vor Zuschlagserteilung an die Vergabestelle zugestellt . . . . . III. Zur 3. Konstellation: Zuschlagserteilung erst nach Einreichung des Nachprüfungsantrags, aber vor Zustellung des Nachprüfungsantrags. . . . B. Auswirkungen der Abhängigkeit des Rechtsschutzes von der Zuschlagserteilung auf die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen die Vergabeentscheidung – Situation vor Einführung des § 13 VgV . . . . . . . . . I. Fehlender Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung vor Einführung von § 13 VgV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fehlender Rechtsschutz gegen andere Entscheidungen des Auftraggebers (neben der Zuschlagsentscheidung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Europarechtswidrigkeit der Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung vor der Einführung der Vorabinformationspflicht durch § 13 VgV C. Die Effektivität des Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung nach der Einführung der Vorabinformationspflicht durch § 13 VgV . . . . . . I. Grundsatz: Mit § 13 VgV ist die Sicherstellung von effektivem Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung möglich. . . . . . . . . . . . . . . II. Der Regelungsgehalt von § 13 VgV im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Endergebnis für den Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung nach der Einführung von § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Folgen der Erteilung der Vorabinformation durch den öffentlichen Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Vorgaben des Europarechts an das Zuschlagssystem insgesamt. . . . . VI. Alternativen zur Einführung der Vorabinformationspflicht bzw. zur jetzigen Ausgestaltung der Vorabinformationspflicht für die Schaffung effektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Wegen der Einführung von § 13 VgV notwendig gewordene Änderungen der Vergaberechtslage de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

152 152

167 168

170 170 199 200 256 256 264 438 441 464

477 490

D. Anhang zum 2. Teil: Checklist – Zusammenfassung der Pflichten bzw. von Handlungsempfehlungen, die sich für Auftraggeber und Auftragnehmer aus § 13 VgV ergeben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 I. Handlungsempfehlungen für den Bieter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 II. Pflichten bzw. Handlungsempfehlungen für den Auftraggeber . . . . . . . . . 523

Inhaltsübersicht

11

3. Teil Der Primärrechtsschutz oberhalb der Schwellenwerte im Hinblick auf die Aufhebung des Vergabeverfahrens – Vorabinformationspflicht vor der Aufhebung?

524

A. Voraussetzungen für die Aufhebung des Vergabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . 525 I. Regelungen in VOB/A und VOL/A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 II. Die Aufhebung in der VOF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 B. Die Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung der Ausschreibung nach der bisherigen Entscheidungspraxis – Rechtslage vor der EuGH-Entscheidung v. 18.6.2002 in der Rs. Hospital Ingenieure . . . . . 527 I. Der Primärrechtsschutz nach der Aufhebung des Vergabeverfahrens . . . . 527 II. Rechtsschutz vor der Aufhebung – Vorbeugender Rechtsschutz gegen eine bevorstehende rechtswidrige Aufhebungsentscheidung . . . . . . . . . . . . 533 III. Folgen der Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung des Vergabeverfahrens für die Überprüfungsmöglichkeit der Aufhebungsentscheidung – Der mangelnde Primärrechtsschutz gegen die Aufhebungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 IV. Praktische Folgen des Rechtsschutzausschlusses nach Aufhebung. . . . . . . 540 C. Vereinbarkeit des Ausschlusses des Primärrechtsschutzes für die Aufhebungsentscheidung mit dem Europäischen Vergaberecht? . . . . . . . . . 544 I. Meinungsstand vor dem EuGH-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 II. Das Urteil des EuGH vom 18.6.2002 – C 92/00 – „Hospital Ingenieure“ . 546 III. Folge für das deutsche und österreichische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 IV. Möglichkeiten, um den gemeinschaftsrechtswidrigen Zustand zu beseitigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 D. Ergebnis für den 3. Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583

4. Teil Der Primärrechtsschutz in Deutschland unterhalb der Schwellenwerte – Absicherung durch einen Vorabinformationsanspruch?

584

A. Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte . . . . . . . . . . . 587 I. Einführung zu den herkömmlichen Möglichkeiten des Primärrechtsschutzes unterhalb der Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 II. Darstellung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Bieter im Einzelnen . . . . 591 III. Ergebnis für den Primärrechtsschutz unter den Schwellenwerten . . . . . . . 617 IV. Gründe für den Ausschluss des Primärrechtsschutzes im Bereich unterhalb der Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 V. Der Sekundärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte. . . . . . . . . . . . . . . 619

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Inhaltsübersicht VI. Ausblick auf die geplante Neuregelung der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte durch das Verschlankungskonzept der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620

C. Kritik am Ausschluss des Primärrechtsschutzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Argumente für die Vereinheitlichung, die sich aus den praktischen Folgen der Zweiteilung ergeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Argumente gegen die Zweiteilung des Vergaberechts und den Ausschluss des Primärrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Auswirkungen der Einführung von Vorabinformationspflichten auf die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Neuregelung der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte durch den Freistaat Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Einführung der Vorabinformationspflicht in Schleswig Holstein . . . . III. Vorabinformationspflicht durch die Neuregelung der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte in Niedersachsen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Landesvergabegesetze in den anderen Bundesländern . . . . . . . . . . . . . V. Auswirkungen der Vorabinformationsregelung in Sachsen und Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Exkurs: Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer für die Einführung einer Vorabinformationspflicht unterhalb der Schwellenwerte . . . . .

622 622 625 635 637 637 642 644 647 648 653

E. Ergebnis zu den Auswirkungen der Vorabinformationspflichten unterhalb der Schwellenwerte und Ausblick auf die geplante Neuregelung der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte durch das Verschlankungskonzept der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 5. Teil Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick A. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Primärrechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Primärrechtsschutz gegen die Entscheidung des Auftraggebers, das Vergabeverfahren aufzuheben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regelungsvorschlag für die Vorabinformationspflichten vor Zuschlagsentscheidung und vor Aufhebung der Ausschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die aktuellen Entwicklungen in einigen Bundesländern unterhalb der Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

659 659 659 667 669 670

B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673 I. Zu den begrenzten Möglichkeiten des Vergaberechtsschutzes . . . . . . . . . . 675 II. Die Grenzen für die Steigerung der grenzüberschreitenden Vergabe . . . . 678 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716

Inhaltsverzeichnis Problemdarstellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Teil Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Öffentliches Auftragswesen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Vergaberecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die wirtschaftliche Bedeutung des Vergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die wachsende Bedeutung des Vergaberechts als Rechtsgebiet . . . . . . . . . IV. Besonderheiten der staatlichen Marktteilnahme und aus diesen Besonderheiten folgende Funktionen des Vergaberechts und des Vergaberechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besonderheiten der staatlichen Marktteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erhöhte Gefahr der unwirtschaftlichen Beschaffung . . . . . . . . . . . . . b) Unflexibler Bedarf der Beschaffungsstelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aus diesen Besonderheiten folgende Funktionen des Vergaberechts und des Vergaberechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gründe für die Schaffung von Vergabeverfahrensrecht . . . . . . . . . . aa) Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Beschaffung . . . . . . . bb) Sicherung der Wettbewerbsneutralität des Staates . . . . . . . . . . . cc) Kompensation des Machtgefälles zwischen staatlichem Nachfrager und Bietern – Kontrolle der Nachfragemacht . . . . dd) Entscheidungslegitimation durch Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Verhinderung von Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Ausgleich der fehlenden Marktkenntnis der Vergabestelle . . . b) Funktion der Einräumung von Vergaberechtsschutzmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Überblick über die historische Entwicklung des Vergaberechts . . . . . . . . . VI. Überblick über die gegenwärtigen Rechtsquellen des Vergaberechts . . . . 1. Rechtsquellen auf internationaler Ebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Government Procurement Agreement (GPA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) UNCITRAL-Mustergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vergaberegeln internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere internationale Abkommen auf regionaler Ebene . . . . . . . . .

37 37 37 37 38 38 41

46 46 47 49 50 50 50 51 51 52 52 53 53 56 59 59 59 61 62 62

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Inhaltsverzeichnis 2. Europarechtliche Vorgaben – Überblick über die Gemeinschaftsvorschriften für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen . . . . . . . . . . . a) Europäisches Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sekundärrecht – Die Vergaberichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick über die Genese der Vergaberichtlinien . . . . . . . . . . (1) 70er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entwicklung ab 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Entwicklung ab Mitte der 90er Jahre. . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Zusammenfassung der Koordinierungsrichtlinien durch das Legislativpaket . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien – Die Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gründe der EG für die unionsweite Öffnung der mitgliedsstaatlichen Beschaffungsmärkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verwirklichung des Binnenmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wettbewerbsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schaffung von Einsparmöglichkeiten für die öffentlichen Auftraggeber durch die Liberalisierung der mitgliedsstaatlichen Beschaffungsmärkte . . . . . . . . . . . . . . (4) Abbau von technischen Handelshemmnissen und Verbesserung der Chancen von kleinen und mittleren Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mittel der Vergaberichtlinien, um diese Ziele zu erreichen . . c) Weitere Maßnahmen der EG zur Öffnung der Beschaffungsmärkte neben den beschriebenen Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Regelungen für die Auftragsvergabe in Deutschland . . . . . . . . . . . a) Die Zweiteilung des nationalen Vergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Deutschland – Das nationale Vergaberecht oberhalb der Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der 1. Umsetzungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der 2. Umsetzungsversuch – Die so genannte haushaltsrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zur Rechtslage heute: Das Vergaberechtsänderungsgesetz als 3. Umsetzungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wesentliche Neuerungen durch das Vergaberechtsänderungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das GWB als Standort des Vergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Kaskadenprinzip oberhalb der Schwellenwerte . . . . . . . . . dd) Zu den einzelnen Stufen der Rechtskaskade . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das GWB = erste Stufe der Rechtskaskade. . . . . . . . . . . . (a) Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Schwellenwertregelung im GWB . . . . . . . . . . . . . .

63 63 66 67 67 68 71 71 74 75 75 76

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(2) Die Vergabeverordnung als zweite Stufe der Rechtskaskade. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (a) Die Genese der neuen VgV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (b) Funktion der neuen VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (c) Überblick über die Einzelregelungen der VgV. . . . . . 103 (d) Die Änderungen der VgV seit ihrem Erlass . . . . . . . . 106 (3) Die Verdingungsordnungen als dritte Stufe der Rechtskaskade. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 VII. Ausblick auf das Vergaberecht de lege ferenda: Die zukünftige Struktur des deutschen Vergaberechts nach Umsetzung des Legislativpakets der Europäischen Gemeinschaft und Verschlankung des Vergaberechts . . 112 1. Überblick über die geplante Struktur des Vergaberechts . . . . . . . . . . . . 113 2. Entstehungsgeschichte des Referentenentwurfs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Ausblick auf den weiteren Fortgang der Vergaberechtsreform . . . . . . . 115 4. Überblick über einzelne Neuerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 B. Die Ausgestaltung des Primärrechtsschutzes oberhalb der Schwellenwerte in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. Begriffspaar: „Primärrechtsschutz“/„Sekundärrechtsschutz“ . . . . . . . . . . . . 118 II. Überblick über den Primärrechtsschutz nach der kartellrechtlichen Lösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 III. Das Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern – §§ 104–114 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Überblick über die Antragsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Antragsbefugnis – 107 II GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Rügepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 c) Befristetheit des Nachprüfungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Ablauf des Verfahrens vor der Vergabekammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Wirkung des Antrags auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Anrufung anderer Vergabekammer unzulässig . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Akteneinsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Suspensiveffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4. Vorläufiger Rechtsschutz im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Vorzeitige Gestattung der Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Antrag auf Wiederherstellung des Zuschlagsverbotes . . . . . . . . . . . . 133 5. Die Entscheidung der Vergabekammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 6. Vollstreckung der Vergabekammerentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 7. Die Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer . . . . . . . . . . . . . 136 IV. Die 2. Instanz – Die sofortige Beschwerde zum OLG, § 116–123 GWB. 138 1. Weiterwirken des Suspensiveffektes während der sofortigen Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Vorläufiger Rechtsschutz beim Verfahren vor dem OLG . . . . . . . . . . . . 141

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Inhaltsverzeichnis 3. Zur Entscheidung des OLG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 124 II GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kostenregelung für das Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gesamtwürdigung des neuen Rechtsschutzes – Bisherige Erfahrungen . . VI. Sonstige Primärrechtsschutzmöglichkeiten oberhalb der Schwellenwerte außerhalb des Vergabenachprüfungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Rechtsbehelfsmöglichkeiten auf europäischer Ebene – Anrufung der Gemeinschaftsinstanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

2. Teil Der Primärrechtsschutz oberhalb der Schwellenwerte in Deutschland im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung nach der Einführung der Vorabinformationspflicht durch § 13 VgV A. Die Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. 1. Konstellation – Beginn des Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wann ist der Zuschlag erteilt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Definition des Zuschlags = Das Verhältnis von Zuschlag und Vertragsschluss in Deutschland (Zuschlagssystem). . . . . . . . . . . . . . aa) Herkunft des Begriffs „Zuschlag“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnis von Zuschlag als Angebotsannahme zum Vertragsschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Wirksamkeit des Zuschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einigung über wesentlichen Vertragsinhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Willensbildung muss endgültig abgeschlossen sein . . . . . . . . . cc) Vertretungsmacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine Heilung durch Genehmigung nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens (nach Eintritt der Wirkungen des § 115 I GWB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine Heilung durch Genehmigung nach Ablauf der Bindefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zuschlag muss rechtzeitig erteilt sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Form des Zuschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Bestimmung des Zuschlagszeitpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wirksamkeit erst ab Zugang der Zuschlagserteilung . . . . . . . . bb) Zeitpunkt der Zuschlagserteilung bei „ändernder Annahme“. 2. Der Beginn des Nachprüfungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grund für Ausschluss des Primärrechtsschutzes nach Zuschlagserteilung durch den deutschen Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Europarechtskonformität des Ausschlusses von Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 5. Rechtsvergleich hinsichtlich der Möglichkeit von Primärrechtsschutz nach dem Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Die 2. Konstellation im Hinblick auf die Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung: Der Nachprüfungsantrag wird vor Zuschlagserteilung an die Vergabestelle zugestellt. . . . . . 167 III. Zur 3. Konstellation: Zuschlagserteilung erst nach Einreichung des Nachprüfungsantrags, aber vor Zustellung des Nachprüfungsantrags . . . . 168 B. Auswirkungen der Abhängigkeit des Rechtsschutzes von der Zuschlagserteilung auf die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen die Vergabeentscheidung – Situation vor Einführung des § 13 VgV . . . . . . . . . . 170 I. Fehlender Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung vor Einführung von § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Ausgangspunkt – Das Nachprüfungsrecht steht einer Überprüfung der Zuschlagsentscheidung nicht entgegen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Praktisch (tatsächlich) aber Zuschlagsentscheidung nicht überprüfbar. 170 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4. Verschärfung der negativen Folgen der mangelnden Primärrechtsschutzmöglichkeiten gegen die Zuschlagsentscheidung durch den ungenügenden Sekundärrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) § 126 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Sonstige Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 aa) §§ 311 II i. V. m. 241 II, 280 I BGB (Culpa in Contrahendo) . 178 (1) Der Schadensersatzanspruch aus cic unterliegt aber folgenden Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (a) Begrenzter Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (b) Schwierigkeit des Nachweises der Pflichtverletzung . 181 (c) Unter Umständen auch Schwierigkeit des Verschuldensnachweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (d) Schwieriger Kausalitätsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (2) Umfang des Schadensersatzes nach der cic . . . . . . . . . . . . 190 (3) Weitere Schwäche des Sekundärrechtsschutzes selbst bei dessen Eingreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Deliktische Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (1) Deliktische Inanspruchnahme des öffentlichen Auftraggebers selbst (Staatshaftung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (2) Persönliche Inanspruchnahme des rechtswidrig handelnden Mitarbeiters der Vergabestelle. . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (3) Aber weder Ansprüche gegen Auftraggeber noch gegen handelnden Mitarbeiter aus Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 193 (a) § 823 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (b) § 823 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (c) § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

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Inhaltsverzeichnis cc) Schadensersatzansprüche aus § 1 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zunächst wird es oft an einer Wettbewerbsförderungsabsicht des Auftraggebers fehlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sittenverstoß? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schadensersatzanspruch nach §§ 20 GWB i. V. m. 33 I GWB c) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fehlender Rechtsschutz gegen andere Entscheidungen des Auftraggebers (neben der Zuschlagsentscheidung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Europarechtswidrigkeit der Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung vor der Einführung der Vorabinformationspflicht durch § 13 VgV 1. Die Vorgaben der Vergaberichtlinien an den Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Meinungsstand vor der Alcatel-Entscheidung des EuGH . . . . b) Einführung zur Alcatel-Entscheidung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick über das österreichische Vergaberecht und den Vergaberechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überblick über die Entwicklung des Vergaberechts in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Bundesvergabegesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Landesvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Landesregelungen vor dem Erlass des BVergG 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Landesregelungen nach dem Erlass des BVergG 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Überblick über die Ausgestaltung des Vergaberechtsschutzes in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Rechtsschutz nach dem Bundesvergabegesetz . . (b) Der Rechtsschutz nach den Landesvergabegesetzen (c) Zur Inanspruchnahme der Rechtsschutzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) BVergG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Landesvergabegesetz Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die mangelnde Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung in Österreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Sachverhalt der Alcatel-Entscheidung des EuGH . . . . . . . . . . . d) Die Stellungnahmen zur Notwendigkeit der Überprüfung der Zuschlagsentscheidung (Vorlagefrage 1) im Alcatel-Verfahren . . . aa) Die Stellungnahme der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Stellungnahme der österreichischen Bundesregierung . . . cc) Die Schlussanträge des Generalanwaltes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Aussagen des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zur Zulässigkeit der Vorlage an den EuGH . . . . . . . . . . . . . . . .

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bb) Die Entscheidung des EuGH in der Sache (zu Vorlagefrage 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 f) Verlangt die Rechtsmittelrichtlinie neben der Überprüfung der Zuschlagsentscheidung auch die Aufhebbarkeit der Zuschlagserteilung selbst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Exkurs: Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Konsequenzen aus der europarechtlichen Notwendigkeit des effektiven Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Sicherstellung der Gemeinschaftskonformität über die richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 233 aa) Das Verhältnis von Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung – Terminologische Klarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 bb) Herleitung einer Vorabinformationspflicht im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Rechts – Die Entscheidungspraxis nach der Münzplättchen-II-Entscheidung der 1. Vergabekammer des Bundes . . . . . . . . . . . . . . 239 (1) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (2) Inhalt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (3) Stellungnahme zur Möglichkeit der Herleitung einer Vorabinformationspflicht durch richtlinienkonforme Auslegung der Nachinformationspflichten in § 27 a VOL/A und VOB/A, § 17 IV VOF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 cc) Selbst bei Bejahung einer Vorabinformationspflicht aus dem deutschen Recht blieb dieses europarechtswidrig . . . . . . . 246 dd) Endergebnis für die richtlinienkonforme Auslegung. . . . . . . . . 248 ee) Exkurs: Keine Europarechtskonformität durch Einräumung einer nachträglichen Feststellungsmöglichkeit nach § 114 II 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 b) Zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Rechtsmittelrichtlinien . . . . 251 c) Schadensersatz gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen mangelhafter Umsetzung der RMRL – Gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 C. Die Effektivität des Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung nach der Einführung der Vorabinformationspflicht durch § 13 VgV. . . . . . . 256 I. Grundsatz: Mit § 13 VgV ist die Sicherstellung von effektivem Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung möglich . . . . . . . . . . . . . . . 256 1. Der Regelungsmechanismus von § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 2. Ausblick auf die geplante Regelung der Vorabinformationspflicht nach dem Verschlankungskonzept der Bundesregierung (Referentenentwurf vom 8.2.2005). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 II. Der Regelungsgehalt von § 13 VgV im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Der Anwendungsbereich von § 13 VgV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 a) Informationspflicht nur oberhalb der Schwellenwerte und gegenüber öffentlichen Auftraggebern nach § 98 GWB . . . . . . . . . . . . . . . 265

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Inhaltsverzeichnis b) Welche Bieter sind zu informieren? – Adressat der Vorabinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Information auch an erfolgreichen Bieter? . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Pflicht zur Information der erfolgreichen Bieter de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Rechtslage in Österreich als Vergleichsmaßstab, Argumentations- und Entscheidungshilfe . . . . . . . . . . . . . . (3) Überblick über die österreichischen Vorabinformationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Vorabinformationspflicht in Wien . . . . . . . . . . . . . (b) Oberösterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Bundesebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Sonstige Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorabinformation an den teilweise berücksichtigten Bieter? . cc) Anwendbarkeit von § 13 VgV auch im Verhandlungsverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vorabinformation an ausgeschlossene Bieter? . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vertragssperrfrist – Genügt die 14-tägige Vertragssperrfrist zur Sicherung der Effektivität des Rechtsschutzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beurteilung der Frist aus der Sicht der öffentlichen Auftraggeber aa) Wann erfolgt der „Vertragsschluss“ innerhalb der Vertragssperrfrist? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verkürzung der Entscheidungsfrist des Auftraggebers durch die Einführung der Vorabinformationspflicht. . . . . . . . . . . . . . . (1) Situation bei der VOB/A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Situation nach der VOL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Situation nach der VOF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beurteilung der Länge der Frist aus der Sicht der Bieter . . . . . . . . aa) Zustellung des Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer an die Vergabestelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rügepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beginn der Stillhaltefrist – Tag der Absendung oder des Zugangs der Information? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Rechtslage de lege lata – Beginn am Tag der Absendung der Vorabinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigener Vorschlag de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Folgeprobleme, die sich aus dem vorgeschlagenen Fristbeginn bei Zugang der Information ergeben . . . . . . . . . . . . . . . (1) Beginn des Laufs der Stillhaltefrist erst nach dem Zugang beim letzten Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beweis des Zugangs und dessen Zeitpunkt schwierig . . . (3) Keine Verkürzung der Entscheidungsfristen des Auftraggebers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

266 266 267 268 269 269 270 270 271 271 272 275 278 280 280 281 281 285 285 285 286 287 295 295 297 302 302 303 303

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bb) Lösung der Probleme, die beim Fristbeginn bei Zugang der Information entstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (1) Die Zusendung der Information per Einschreiben = Möglichkeit des Beweises des Zugangs überhaupt und des Zugangszeitpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (2) Die Zusendung der Vorabinformation durch Telefax und E-Mail – Die Form der Vorabinformation. . . . . . . . . . 307 (a) Die Zulässigkeit der Informationsversendung per E-Mail und Fax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 (b) Der Zeitpunkt des Zugangs eines Telefaxes und dessen Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (c) Der Zeitpunkt des Zugangs einer E-Mail und dessen Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 cc) Gesamtwürdigung der Zusendung der Vorabinformation per Fax und E-Mail – Ergebnis für die Folgeprobleme, die sich aus dem Fristbeginn bei Zugang der Information ergeben . . . 312 d) Berechnung der Vertragssperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 e) Zusammenfassende Gesamtbeurteilung der Länge der Vertragssperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 g) Exkurs: Weitere Folge der Wartefrist im Hinblick auf die Effektivität des Rechtsschutzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 h) Auswirkungen eines Nachprüfungsantrags auf den Lauf der Stillhaltefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 aa) Variante 1: Abweisung des Nachprüfungsantrags . . . . . . . . . . . 319 bb) Variante 2: Rücknahme des Nachprüfungsantrages. . . . . . . . . . 320 cc) Variante 3: Anordnung der Neubewertung durch die Nachprüfungsinstanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 3. Der Inhalt der Vorabinformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 a) Gegenstand der Vorabinformation – Die Information über die feststehende Zuschlagsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 b) Auswirkungen von § 13 VgV mit der Information über die Zuschlagsentscheidung auf die rechtliche Relevanz dieser Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 c) Die notwendigen Angaben in der Vorabinformation . . . . . . . . . . . . . 327 aa) Ausgangspunkt – Wortlaut des § 13 VgV ist nicht aussagekräftig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 bb) Keine Standardtexte ohne Einzelfallbezug. . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 cc) Weitere Anforderungen an den Informationsinhalt . . . . . . . . . . 329 dd) Stellungnahme zur Nutzung von Formblättern in der Vergabepraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 e) Die Heilung eines Informationsmangels vor Zuschlagserteilung . . 340

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Inhaltsverzeichnis 4. Rechtsfolge des Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht, wenn die Zuschlagserteilung bereits erfolgt ist – Die Nichtigkeit des Vertrages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Verfassungswidrigkeit der Anordnung der Nichtigkeitsfolge in § 13 S. 6 VgV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Folgen der Nichtigkeit des Vertrages bei Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wer kann die Nichtigkeitsfolge geltend machen? . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geltendmachung im Nachprüfungsverfahren nur durch Teilnehmer am Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geltendmachung der Nichtigkeit durch den erfolgreichen Unternehmer selbst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Geltendmachung der Nichtigkeit durch den Auftraggeber? . . dd) Geltendmachung eines Informationsverstoßes gegenüber anderen Bietern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausblick auf die geplante Regelung der Rechtsfolge nach dem Referentenentwurf des BMWA vom 8.2.2005 in § 101 b GWB-E. 5. Besondere Probleme im Hinblick auf die Geltung der Nichtigkeitsfolge bei Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsfolgen bei inhaltlich unzureichender Information . . . . . . . . . aa) Die Durchsetzung der korrekten Vorabinformation im Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . (1) Subjektives Recht auf korrekte Vorabinformation . . . . . . (2) Vorgehen, um noch vor Zuschlagserteilung hinreichende Information zu erlangen – Rüge . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Entscheidung der Vergabekammer bei unzureichender Vorabinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Kosten für das Nachprüfungsverfahren bei ungenügender Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsfolgen einer unzureichenden Information, wenn die Zuschlagserteilung bereits erfolgt ist – Die Nichtigkeitsfolge bei inhaltlich unzureichender Vorabinformation . . . . . . . cc) Konsequenzen für das Bestehen der Nichtigkeitsfolge bei anderen Informationsverstößen außerhalb von Begründungsmängeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorabinformation erfolgte nicht in Textform. . . . . . . . . . . (2) Durchsetzung der Informationsverpflichtung vor Zuschlagserteilung bei gänzlichem Ausbleiben der Information. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Nichtigkeit des Vertrages, wenn der Verstoß gegen Informationspflicht der einzige Verstoß in einem ansonsten rechtmäßigen Vergabeverfahren ist? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abgrenzung zu anderen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zur mangelnden Antragsbefugnis, wenn der Informationsmangel der einzige Vergaberechtsverstoß ist. . . . . . .

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(3) Zur Nichtigkeitsfolge, wenn der Informationsmangel der einzige Vergaberechtsverstoß im Vergabeverfahren ist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 b) Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB auch bei de-facto-Vergaben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 aa) Ursachen für das rechtswidrige Unterlassen der Durchführung eines Vergabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 bb) Die Bestimmung des Rechtsverstoßes bei der de-factoVergabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 cc) Die für den Primärrechtsschutz gegen die de-facto-Vergabe zu unterscheidenden Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 dd) Die Bedeutung der Sicherung des Primärrechtsschutzes bei der de-facto-Vergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 (1) Die europarechtliche (und verfassungsrechtliche) Notwendigkeit von effektiven Primärrechtsschutzmöglichkeiten bei der de-facto-Vergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 (2) Fehlende Schadensersatzansprüche bei der de-factoVergabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 (a) Schadensersatzanspruch aus § 126 GWB bei de-facto-Vergaben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 (b) Schadensersatzanspruch aus cic bei rechtswidrig unterlassenem Vergabeverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 (c) Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. § 101 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 (d) Schadensersatzanspruch aus §§ 33, 20 GWB . . . . . . . 385 ee) Rechtsschutz gegen de-facto-Vergabe vor Zuschlagserteilung . 385 (1) Zulässigkeit dieses Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 (a) Einschlägigkeit des Rechtsweges zur Vergabekammer?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 (b) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen bei einem Nachprüfungsverfahren gegen eine schon begonnene de-facto-Vergabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 (aa) Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 (bb) Rügeverpflichtung bei der de-facto-Vergabe? . . 393 (2) Folge der Rechtsschutzeröffnung bei de-facto-Vergaben . 398 (3) Sonstige Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die de-facto-Vergabe außerhalb des vergabespezifischen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 (4) Ergebnis für den Rechtsschutz gegen die de-facto-Vergabe vor Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 (a) Keine Verhinderung des Kenntnisproblems bei defacto-Vergaben durch die Vorabinformationspflicht nach § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 (aa) Keine direkte Anwendung von § 13 VgV zur Begründung einer Vorabinformationspflicht . . . 400

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Inhaltsverzeichnis (bb) Keine analoge Anwendung von § 13 VgV zur Begründung einer Vorabinformationspflicht . . . ff) Rechtsschutz gegen de-facto-Vergaben nach Zuschlagserteilung – Nichtigkeitsfolge bei unterbliebenem Vergabeverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Nichtigkeit nach § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) § 97 I, II GWB als Verbotsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verbotsgesetz aus Art. 3 I GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nichtigkeit aus § 138 BGB, wenn ganz ohne Vergabeverfahren beschafft wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Einführung in den Meinungsstand zur Nichtigkeit eines ohne Vergabeverfahren geschlossenen Vertrages nach § 13 S. 6 VgV bzw. nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Stellungnahme: Keine direkte Anwendung der Nichtigkeitsfolge von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB . . . . . . (a) Die Systematik des Vergabenachprüfungsrechts steht der Anwendung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB nicht entgegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Dennoch keine direkte Anwendbarkeit der Nichtigkeitsfolge – Der Regelungszusammenhang von 13 S. 5 VgV mit § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Analoge Anwendung der Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) § 13 S. 5 VgV (i. V. m. § 134 BGB) als nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift? . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Planwidrigkeit der Regelungslücke. . . . . . . . . . . . . . . . (d) Vergleichbarer Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Ergebnis für die analoge Anwendung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Konsequenzen aus der Bejahung der Nichtigkeit des Vertrages eines nach de-facto-Vergabe erteilten Zuschlages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Auftragsabwicklung hat noch nicht begonnen . . (b) Der Auftrag ist schon teilweise abgewickelt . . . . . . . (c) Auftrag vollständig abgewickelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Ausblick auf die Rechtsfolge bei de-facto-Vergaben nach der geplanten Neuregelung des Vergaberechts durch den Referentenentwurf des BMWA vom 8.2.2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Geltung der Nichtigkeitsfolge von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB, wenn zwar ein förmliches Vergabeverfahren

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durchgeführt wurde, dies aber rechtswidrig nur national und nicht europaweit erfolgte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 (1) Zuschlag noch nicht erteilt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 (2) Zuschlag schon erteilt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 (a) Variante 1: Keine Vorabinformation nach § 13 VgV an die teilnehmenden Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 (b) Variante 2: Vorabinformation nach § 13 VgV erfolgte an die teilnehmenden Bieter, obwohl ein nur nationales Vergabeverfahren durchgeführt wurde. . . . 436 hh) Die Geltung der Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB bei Durchführung eines Verhandlungsverfahrens rechtswidrig ohne Teilnahmewettbewerb bzw. ohne Vergabebekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 III. Endergebnis für den Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung nach der Einführung von § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 IV. Folgen der Erteilung der Vorabinformation durch den öffentlichen Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 1. Abweichung von der ursprünglich mitgeteilten Zuschlagsentscheidung möglich?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 a) Frage der Rechtsnatur der Zuschlagsentscheidung und der darüber erteilten Vorabinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 aa) Rechtsnatur der Vorabinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 bb) Rechtsnatur der Zuschlagsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 aa) Anerkennung der Rücknehmbarkeit in der Entscheidungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 bb) Anerkennung der Rücknehmbarkeit im VHB 2002 des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 c) Folgen der Rücknahme der Zuschlagsentscheidung . . . . . . . . . . . . . 448 aa) Unumkehrbarkeit der Rücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 bb) Information über die neue Zuschlagsentscheidung erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 cc) Auswirkungen auf ein Nachprüfungsverfahren, das gegen die ursprüngliche, jetzt geänderte Zuschlagsentscheidung eingelegt wurde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 (1) Die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens . . . . . . . . . . . 448 (2) Folge der Erledigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 (a) Kosten der Nachprüfungsinstanzen . . . . . . . . . . . . . . . . 450 (b) Erstattung der Aufwendungen bei Antragssteller und Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 dd) Ansprüche des ursprünglich begünstigten Bieters nach Rücknahme der Zuschlagsentscheidung – Folge der Vorabinformation für die Rechtsstellung des zunächst ausgewählten Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

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Inhaltsverzeichnis 2. Einfluss der Einführung der Vorabinformationspflicht auf den sekundären Rechtsschutz – Verbot des „Dulde und Liquidiere“? . . . . a) Schadensersatz nach Versäumen der Primärrechtsschutzmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausschluss der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen schon von vornherein?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Modifikation des Schadensumfangs nach § 254 BGB?. . . . . . b) Schadensersatz trotz vorherigem Unterliegen im Nachprüfungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückwirkungen der Vorabinformationspflicht auf die Voraussetzungen für die Einleitung und den Ablauf des Nachprüfungsverfahrens a) Einfluss der Vorabinformation auf die Rügepflicht . . . . . . . . . . . . . aa) Einfluss auf den Zeitpunkt und den Umfang der Rüge . . . . . . bb) Noch parallele Einlegung von Rüge und Nachprüfungsantrag möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die parallele Einlegung der Rüge vor der Einführung von § 13 VgV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die parallele Einlegung von Rüge und Nachprüfungsantrag nach der Einführung von § 13 VgV . . . . . . . . . . . . b) § 13 VgV und seine Wirkung auf die Beiladung nach § 109 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen von § 13 VgV auf die Antragsbefugnis?. . . . . . . . . d) Die Prüfung der offensichtlichen Unzulässigkeit bzw. Unbegründetheit nach § 110 II GWB durch die VK innerhalb der Stillhaltefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Vorgaben des Europarechts an das Zuschlagssystem insgesamt. . . . . 1. Vorgaben für das Verhältnis von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss und für eine andere dogmatische Einordnung des Vergabeverfahrens in der Alcatel-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbot des Zusammenfallens von Zuschlag(serteilung) und Vertragsschluss durch die Rechtsmittelrichtlinie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis für V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Alternativen zur Einführung der Vorabinformationspflicht bzw. zur jetzigen Ausgestaltung der Vorabinformationspflicht für die Schaffung effektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schwebende Unwirksamkeit der Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Alternative 2: Zwar Wirksamkeit der Zuschlagserteilung, diese wird aber vom Vertragsschluss getrennt und selbstständig anfechtbar gemacht (Vertragsschluss bleibt weiter unanfechtbar). . . . . . . . . . . 3. Alternative 3: Nicht nur die Zuschlagserteilung, sondern auch der abgeschlossene Vertrag kann nachträglich noch aufgehoben werden. 4. Alternative 4: Vorbild Österreich? – Antragserfordernis für die Mitteilung der Gründe der Nichtberücksichtigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII. Wegen der Einführung von § 13 VgV notwendig gewordene Änderungen der Vergaberechtslage de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 1. Verhältnis von § 13 VgV zu den in den Verdingungsordnungen geregelten Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 a) Verhältnis des § 13 VgV zur Nachinformationspflicht über die Zuschlagserteilung nach §§ 27 a VOB/A, § 27 a VOL/A, § 17 IV VOF. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 b) Verhältnis der Informationspflicht nach § 27 Nr. 1 VOB/A zu § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 2. Anpassung der Regelung des Schadensersatzes wegen Rechtsmissbrauch nach § 125 GWB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 3. Verkürzung der Entscheidungsfristen der Vergabekammer bei jetzt durch § 13 VgV ermöglichtem Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 4. Begrenzung des Entscheidungsumfangs der Vergabekammer? . . . . . . . 498 5. Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist durch die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 6. Standort der Vorabinformationspflicht – Plädoyer für ein eigenständiges Vergabegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 a) Begründung für die Notwendigkeit eines eigenständigen und einheitlichen Vergabegesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 aa) Zur Undurchschaubarkeit des Vergaberechts (Kaskadenprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 (1) Die praktischen Schwierigkeiten mit der Unübersichtlichkeit der deutschen Vergaberechtslage. . . . . . . . . . . . . . . 502 (2) Rechtliche Folge der Unübersichtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 506 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 bb) Zur Verfassungswidrigkeit des Kaskadenprinzips wegen des Verweises auf private Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 cc) Weitere Zweifel an der Verfassungswidrigkeit des Kaskadenprinzips (unabhängig von der Frage der privaten Rechtssetzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 (1) Gefahr der Verkürzung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates (Art 80 II GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 (2) Bedenken im Hinblick auf die Wesentlichkeitstheorie . . . 516 b) Ergebnis und Ausblick auf die geplante Neuregelung des Vergaberechts durch das Verschlankungskonzept der Bundesregierung . 516 D. Anhang zum 2. Teil: Checklist – Zusammenfassung der Pflichten bzw. von Handlungsempfehlungen, die sich für Auftraggeber und Auftragnehmer aus § 13 VgV ergeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 I. Handlungsempfehlungen für den Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 II. Pflichten bzw. Handlungsempfehlungen für den Auftraggeber . . . . . . . . . . 523

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Inhaltsverzeichnis 3. Teil Der Primärrechtsschutz oberhalb der Schwellenwerte im Hinblick auf die Aufhebung des Vergabeverfahrens – Vorabinformationspflicht vor der Aufhebung?

524

A. Voraussetzungen für die Aufhebung des Vergabeverfahrens . . . . . . . . . . . . 525 I. Regelungen in VOB/A und VOL/A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 II. Die Aufhebung in der VOF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 B. Die Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung der Ausschreibung nach der bisherigen Entscheidungspraxis – Rechtslage vor der EuGH-Entscheidung v. 18.6.2002 in der Rs. Hospital Ingenieure . . . . . I. Der Primärrechtsschutz nach der Aufhebung des Vergabeverfahrens . . . . 1. Grundsätzlich kein Primärrechtsschutz nach Aufhebung des Vergabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begründung für den Ausschluss des Primärrechtsschutzes durch die Entscheidungspraxis vor der Hospital-Entscheidung des EuGH . . . . . a) Kein Rechtsschutz nach dem Ende des Vergabeverfahrens . . . . . . b) Auch die Aufhebung beendet das Vergabeverfahren, unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewährung von Primärrechtsschutz aber in Ausnahmefällen. . . . . . . . a) Unwirksamkeit der Aufhebung bei sog. Scheinaufhebungen . . . . . b) Wirksamkeit der Aufhebung erst ab deren Bekanntgabe an die Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsschutz vor der Aufhebung – Vorbeugender Rechtsschutz gegen eine bevorstehende rechtswidrige Aufhebungsentscheidung . . . . . . . . . . . . III. Folgen der Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung des Vergabeverfahrens für die Überprüfungsmöglichkeit der Aufhebungsentscheidung – Der mangelnde Primärrechtsschutz gegen die Aufhebungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nur Nachinformationspflichten aus § 26 a VOB, § 26 a VOL/A, § 17 V S. 2 VOF. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorabinformation über § 13 VgV? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folge der fehlenden Vorabinformationspflicht für den Rechtsschutz gegen die Aufhebungsentscheidung selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Folge des Primärrechtsschutzausschlusses nach Aufhebung für den Rechtsschutz gegen andere Auftraggeberhandlungen als die Aufhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Praktische Folgen des Rechtsschutzausschlusses nach Aufhebung . . . . . .

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C. Vereinbarkeit des Ausschlusses des Primärrechtsschutzes für die Aufhebungsentscheidung mit dem Europäischen Vergaberecht? . . . . . . . . 544 I. Meinungsstand vor dem EuGH-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 II. Das Urteil des EuGH vom 18.6.2002 – C 92/00 – „Hospital Ingenieure“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546

Inhaltsverzeichnis 1. 2. 3. 4.

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Sachverhalt der Hospital-Entscheidung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 Die Entscheidung des EuGH zur ersten Vorlagefrage . . . . . . . . . . . . . . . 548 Die Entscheidung des EuGH zur zweiten Vorlagefrage . . . . . . . . . . . . . 551 Die Entscheidung des EuGH zur 3. Vorlagefrage – Zum Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung. . . . . . . . . . . . . 553 III. Folge für das deutsche und österreichische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 IV. Möglichkeiten, um den gemeinschaftsrechtswidrigen Zustand zu beseitigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 1. Änderung der bisherigen Auslegung des deutschen Rechts, so dass schon de lege lata die Überprüf- und Aufhebbarkeit der Zuschlagsentscheidung sichergestellt werden kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 a) 1. Ansicht – Nachträgliche Aufhebung der Aufhebung nicht über richtlinienkonforme Auslegung möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 b) 2. Ansicht – Nachträgliche Überprüfung der Aufhebung ist über richtlinienkonforme Auslegung möglich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 d) Folgen der Überprüfbarkeit der Aufhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 aa) Die Entscheidung der Nachprüfungsinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . 560 (1) Zur Begründetheit des Nachprüfungsantrags gegen die Aufhebung des Vergabeverfahrens – Der Beurteilungsmaßstab der Nachprüfungsinstanz für die Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 (2) Zum Umfang der Befugnisse der Nachprüfungsinstanz . . 564 bb) Erhöhte Bedeutung der Nachinformationspflicht über die Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 cc) Auswirkungen der Primärrechtsschutzmöglichkeit auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . 571 dd) Zu den weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Antrags auf Aufhebung der Aufhebung des Vergabeverfahrens . 571 (1) Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 (2) Rügepflicht nach Aufhebung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 2. Lösungsmöglichkeit zur Beseitigung des Rechtsschutzdefizits – Einführung einer Vorabinformationspflicht vor der beabsichtigten Aufhebung des Vergabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 a) De lege lata schafft § 13 VgV auch nach der Hospital-Entscheidung des EuGH keine Vorabinformationspflicht vor Aufhebung der Ausschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 aa) Keine unmittelbare Anwendung von § 13 VgV zur Herleitung einer Information vor Aufhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 bb) Keine analoge Anwendung des § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 b) De lege ferenda: Vorteile der Einführung einer Vorabinformationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575

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Inhaltsverzeichnis aa) Gefahr des Rechtsschutzausschlusses, wenn nach Aufhebung im anschließenden freihändigen Vergabeverfahren der Zuschlag bereits erteilt ist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vermeidung überflüssiger Vergabeverfahrenshandlungen . . . . cc) Weiteres Folgeproblem der nachträglichen Aufhebbarkeit der Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausgestaltung der Vorabinformation über die Aufhebung de lege ferenda im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

576 577 577 579

D. Ergebnis für den 3. Teil der Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 4. Teil Der Primärrechtsschutz in Deutschland unterhalb der Schwellenwerte – Absicherung durch einen Vorabinformationsanspruch?

584

A. Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte. . . . . . . . . . . I. Einführung zu den herkömmlichen Möglichkeiten des Primärrechtsschutzes unterhalb der Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Darstellung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Bieter im Einzelnen . . . 1. Zuständigkeit der Zivilgerichte für die Unterlassungsansprüche . . . . . 2. Unterlassungsansprüche aus Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) §§ 823 II, 1004 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzgesetzcharakter der Verdingungsordnungen . . . . . . . . . . (1) Fehlende Gesetzesqualität der Verdingungsordnungen . . (2) Fehlende Drittschutzqualität der Verdingungsordnungen bb) Schutzgesetzcharakter der Vorschriften des Haushaltsrechts . cc) Art. 3 I GG als Schutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schutzgesetze aus den Grundfreiheiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) §§ 1004, 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 839 BGB – Amtshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) §§ 1004, 823 I BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterlassungsansprüche aus dem Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterlassungsansprüche aus Wettbewerbsrecht – § 1 UWG. . . . . . . . . 5. Unterlassungsansprüche aus cic (§§ 311 II i. V. m. 241 II, 280 I BGB)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis für die Geltendmachung von Primärrechtsschutz über Unterlassungsansprüche vor den Zivilgerichten – Das Informationsdefizit des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Primärrechtsschutz außerhalb von Unterlassungsansprüchen über eine Nichtigkeitsklage nach §§ 134 oder 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

587 591 591 592 593 593 593 593 594 595 595 598 601 601 601 601 602 604

605 606 606 608

Inhaltsverzeichnis

III. IV. V.

VI.

31

8. Außergerichtliche „Rechtsschutzmöglichkeiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 a) Anrufung der Nachprüfungsstellen (= Rechtskontrolle durch die Aufsichtsbehörden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 b) Auftragsberatungsstellen (VOB-Beratungsstellen) . . . . . . . . . . . . . . . 615 c) Vergabekontrolle über die Rechnungshöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Ergebnis für den Primärrechtsschutz unter den Schwellenwerten . . . . . . . 617 Gründe für den Ausschluss des Primärrechtsschutzes im Bereich unterhalb der Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 Der Sekundärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte. . . . . . . . . . . . . . . 619 1. Amtshaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620 2. § 823 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620 Ausblick auf die geplante Neuregelung der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte durch das Verschlankungskonzept der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620

C. Kritik am Ausschluss des Primärrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 I. Argumente für die Vereinheitlichung, die sich aus den praktischen Folgen der Zweiteilung ergeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 1. Auswahl zwischen den beiden Vergaberegimes schwierig . . . . . . . . . . . 622 2. Rechtspolitische Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 3. Kritik am wechselnden Normcharakter der Verdingungsordnungen . . 623 4. Neue Argumente aus der Einführung der elektronischen Beschaffung/Ausschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 5. Keine Bagatellfälle unterhalb der Schwellenwerte. . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 6. Keine drohende unerträgliche Verzögerung der Vergabeverfahren. . . . 625 II. Rechtliche Argumente gegen die Zweiteilung des Vergaberechts und den Ausschluss des Primärrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 1. Notwendigkeit des Rechtsschutzes wg. Verletzung von Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 2. Verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer effektiven Rechtsschutzmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626 a) Art. 19 IV GG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626 b) Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses von Rechtsschutz wegen der Verletzung von Art. 3 I GG durch die Ungleichbehandlung der Bieter über und unter den Schwellenwerten . . . . . 628 c) Verfassungswidrigkeit der Aufteilung des Vergaberechts wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 d) Verfassungswidrigkeit der Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte wegen Verstoßes gegen die Wesentlichkeitstheorie . . . . . . . . 633 aa) Verstoß wegen großer Bedeutung der Auftragsvergabe . . . . . . 633 bb) Verstoß gegen Wesentlichkeitstheorie durch Bestimmungsmöglichkeit des Anwendungsbereiches des Kartellvergaberechts durch den Verordnungsgeber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633

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Inhaltsverzeichnis (1) Bestimmung des Anwendungsbereiches des Kartellvergaberechts durch den Verordnungsgeber über die Festlegung der Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 (2) Bestimmung des Anwendungsbereiches des Kartellvergaberechts durch die Normierung der Berechnungsvorschriften für die Errechnung des Auftragswertes . . . . 634 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635

D. Auswirkungen der Einführung von Vorabinformationspflichten auf die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Neuregelung der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte durch den Freistaat Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Neuregelung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Vorabinformationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Einführung der Vorabinformationspflicht in Schleswig-Holstein . . . . III. Vorabinformationspflicht durch die Neuregelung der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte in Niedersachsen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Landesvergabegesetze in den anderen Bundesländern . . . . . . . . . . . . . V. Auswirkungen der Vorabinformationsregelung in Sachsen und Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Exkurs: Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer für die Einführung einer Vorabinformationspflicht unterhalb der Schwellenwerte . . . . .

637 637 637 638 642 644 647 648 653

E. Ergebnis zu den Auswirkungen der Vorabinformationspflichten unterhalb der Schwellenwerte und Ausblick auf die geplante Neuregelung der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte durch das Verschlankungskonzept der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 5. Teil Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick A. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Primärrechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Primärrechtsschutz gegen die Entscheidung des Auftraggebers, das Vergabeverfahren aufzuheben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regelungsvorschlag für die Vorabinformationspflichten vor Zuschlagsentscheidung und vor Aufhebung der Ausschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die aktuellen Entwicklungen in einigen Bundesländern unterhalb der Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

659 659 659 667 669 670

B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673 I. Zu den begrenzten Möglichkeiten des Vergaberechtsschutzes . . . . . . . . . . 675 II. Die Grenzen für die Steigerung der grenzüberschreitenden Vergabe . . . . 678 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716

Problemdarstellung und Gang der Untersuchung Das deutsche Vergaberecht ist durch das Vergaberechtsänderungsgesetz vom 26.8.19981, das am 1.1.1999 in Kraft getreten ist, grundlegend umgestaltet worden. Damit sollte vor allem den Bedenken entsprochen werden, die in Bezug auf die Europarechtskonformität der vorher geltenden Rechtslage bestanden. Doch auch nach der Umgestaltung des Vergaberechts blieben nach wie vor Zweifel hinsichtlich der vom Gemeinschaftsvergaberecht geforderten Effektivität des Rechtsschutzes der Bieter im Vergabeverfahren, die durch mehrere Entscheidungen des EuGH noch erheblich an Brisanz gewonnen haben. Auch das Vergaberechtsänderungsgesetz brachte damit keine Ruhe für das sich stürmisch fortentwickelnde Vergaberecht: Zum einen entstanden Zweifel an der Europarechtskonformität der neu geschaffenen deutschen Vergaberechtslage in Bezug auf die Effektivität des Rechtsschutzes gegen die Entscheidung des Auftraggebers, welchem Bieter er den Auftrag erteilen will (Zuschlagsentscheidung). Zum anderen begann etwas später die mit gleicher Intensität geführte Diskussion, ob der in Deutschland gewährleistete Rechtsschutz in Bezug auf die Entscheidung des Auftraggebers, die Ausschreibung aufzuheben bzw. das Vergabeverfahren einzustellen (Aufhebungsentscheidung), den Vorgaben des Europarechts entspricht und hinreichend effektiv ist. Zur Frage des Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung hat der EuGH im November 1999 in der Rechtssache Alcatel eine richtungweisende Entscheidung getroffen. Aus dieser ergab sich, dass der in Deutschland bestehende Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung als der wichtigsten und fehleranfälligsten Entscheidung des Auftraggebers ungenügend war und gegen das Gemeinschaftsrecht verstieß. Der deutsche Gesetzgeber hat zum 1.2.2001 auf dieses Rechtsschutzdefizit mit dem Erlass von § 13 der Vergabeverordnung reagiert. Die Effektivität des Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung soll mit einem Anspruch der Bieter auf Information über diese Zuschlagsentscheidung abgesichert werden. Diese Vorabinformationspflicht, die Schlüsselnorm für die Sicherung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Bieter gegen rechtswidrige Vergabepraktiken ist, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.2 1

BGBl. I Nr. 59 v. 2.9.1998, S. 2512. Dementsprechend wurde die Bedeutung von § 13 VgV auch von der Fachöffentlichkeit erkannt: Vgl. nur Wegmann, NZBau 2001, 475: „Eine der dogmatisch 2

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Problemdarstellung und Gang der Untersuchung

Auch zur Frage des Rechtsschutzes gegen die Aufhebung der Ausschreibung hat der EuGH in einer Entscheidung vom 18.6.2002 Stellung genommen. Hieraus folgte, dass ebenso gegen die Aufhebung der Ausschreibung effektiver Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss. Wie der damit geforderte Rechtsschutz nach der deutschen Vergaberechtslage gewährleist werden kann und ob dies wie bei der Zuschlagsentscheidung über eine Verpflichtung des Auftraggebers zur Vorabinformation geschehen muss, ist problematisch. Für den Gang der Untersuchung ergibt sich daher Folgendes: Im Teil 1 der Arbeit wird zunächst ein Überblick über die Vergaberechtslage nach dem Vergaberechtsänderungsgesetz gegeben. Ausgangspunkt sind dabei die Funktion und die (wirtschaftliche) Bedeutung des Vergaberechts. Sodann sind die Vorgaben des Europarechts für das deutsche Vergaberecht darzustellen. Im Anschluss wird dann die deutsche Umsetzung dieser Vorgaben durch das Vergaberechtsänderungsgesetz erörtert, wobei ein Überblick über den Vergaberechtsschutz im Mittelpunkt steht. Mit diesen Darstellungen in Teil 1 sollen die Grundlagen für das Verständnis der späteren Ausführungen geschaffen werden. Der 2. Teil der Untersuchung hat den Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung zum Gegenstand. Nachdem das vor Einführung des § 13 VgV bestehende Rechtsschutzdefizit in Bezug auf die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung herausgearbeitet wurde, ist zu untersuchen, ob durch § 13 VgV wirklich lückenloser effektiver Rechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung sichergestellt und insoweit ein gemeinschaftsrechtskonformer Zustand hergestellt worden ist. Dazu wird die Neuregelung des § 13 VgV in der Gestalt, die sie durch die 2. Änderungsverordnung zur VgV vom 15.2. 20033 erhalten hat, einer umfassenden Würdigung unterzogen. Die sich aus der Einführung des Vorabinformationsanspruchs4 in § 13 VgV ergebenden zahlreichen und intensiv diskutierten praxisrelevanten Probleme, die Rückwirkungen auf das Verständnis des gesamten deutschen interessantesten und zugleich praktisch bedeutendsten Neuregelungen findet sich in § 13 VgV.“; Ingenstau/Korbion – Portz, § 13 VgV Rn. 1 und ders., VergabeR 2002, 211: § 13 sei „sowohl rechtlich als auch in der Praxis die bedeutsamste Vorschrift der Vergabeverordnung.“; Höfler, NJW 2001, 950: „Die äußerst wichtige Vorschrift“. 3 BGBl I Nr. 6 v. 14.2.2003, S. 168. 4 In terminologischer Hinsicht muss beachtet werden, dass die Vorabinformation nach § 13 VgV nicht verwechselt werden darf mit der „Vorinformation“ nach § 17 a Nr. 1 VOB/A, § 17 a Nr. 2 VOL/A, § 9 Abs. 1 VOF, die die Vergabeabsicht des Auftraggebers bekannt macht. Diese wird (zumindest in Österreich) auch als Vorabinformation bezeichnet, vgl. Gutknecht, in: Gutknecht/Korinek/Holoubek, S. 9, 41 und Korinek, in: Gutknecht/Korinek/Holoubek, S. 43.

Problemdarstellung und Gang der Untersuchung

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Vergaberechtssystems haben, werden Schwerpunkt der Arbeit sein. Sie werden ausführlich systematisch aufgearbeitet und bewertet. Obwohl zur Klärung der Anwendungsfragen von § 13 VgV schon eine nahezu unüberschaubare Vielzahl von Entscheidung ergangen sind, bleiben auch knapp 5 Jahre nach seiner Einführung noch (oder auch gerade deswegen) zahlreiche Fragen offen. Die Auslegung und Anwendung des § 13 VgV birgt nach wie vor vielfältigen Zündstoff und wird die Nachprüfungsinstanzen weiterhin beschäftigen.5 So vertritt etwa Byok die Auffassung, dass mit der Einführung von § 13 VgV das Vergaberecht „zu einer extrem unsicheren Sache geworden“ sei.6 Für Wolfgang Jaeger, Vorsitzender Richter am Vergabesenat des OLG Düsseldorf a. D., sind einzelne Teile dieser Vorschrift, etwa die Fristenregelung, an „Tücke nicht zu überbieten.“7 Vor diesem Hintergrund sollen zu den Anwendungsproblemen des § 13 VgV unter umfassender Berücksichtigung der bisherigen Entscheidungspraxis8 und Literatur fundierte Lösungen entwickelt werden, die den Erfordernissen der Praxis Rechnung tragen. So wird beispielsweise zu untersuchen sein, ob die in § 13 VgV vorgesehene Länge der Wartefrist und der vorausgesetzte Umfang der Vorabinformation für einen vom Gemeinschaftsrecht vorausgesetzten effektiven Rechtsschutz genügen. Weiter ist etwa darauf einzugehen, ob § 13 VgV auch bei gänzlich unterlassenem Vergabeverfahren (de-facto-Vergabe) effektiven Rechtsschutz sichern kann. Mit dem Rechtsschutz gegen die Aufhebung der Ausschreibung beschäftigt sich der 3. Teil der Arbeit. Hier wird insbesondere darauf einzugehen sein, inwieweit auch hier die Einführung eines Vorabinformationsanspruchs zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes fruchtbar gemacht werden kann. Der 4. Teil der Arbeit wird sich – in einem Ausschnitt – der Effektivität des Rechtsschutzes unterhalb der Schwellenwerte, d.h. unterhalb bestimmter Auftragswerte9, zuwenden: In Teil 2 und 3 spielte die Vorabinformationspflicht nur für die Rechtslage oberhalb der Schwellenwerte eine Rolle. 5 Richter am BayObLG Rojahn, NZBau 2004, 382 f.; Weyand, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 22.4.2002 – Verg 8/02, IBR 2002, 374. 6 So Byok auf einer Veranstaltung der Regionalgruppe NRW des forum vergabe e. V. am 10.5.2001 in Düsseldorf, zit. nach Drey, Behördenspiegel 6/2001, B. I. 7 So Jaeger auf einer Veranstaltung der Regionalgruppe NRW des forum vergabe e. V. am 10.5.2001 in Düsseldorf, zit. nach Drey, Behördenspiegel 6/2001, B I; Kus, Anm. zu OLG Jena, Beschl. v. 9.9.2002, VergabeR 2002, 634, spricht von einem „Strauß einer ganzen Reihe von Problemen, die die Vorabinformationsvorschrift des § 13 VgV in der aktuellen Vergaberechtsdiskussion ausgelöst hat“. 8 Viele der in der Arbeit ausgewerteten Entscheidungen der Nachprüfungsinstanzen, insbesondere der Vergabekammern, sind nicht in Zeitschriften veröffentlicht. Sie können allerdings (kostenpflichtig) über die vergaberechtliche Datenbank Veris (www.vergabedatenbank.de) oder über eine Mitgliedschaft im forum vergabe e. V. (www.forum-vergabe.de) abgerufen werden.

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Problemdarstellung und Gang der Untersuchung

Durch Neuregelungen der Vergaberechtslage zum 1.1.2003 in Sachsen und Niedersachsen wurden Vorabinformationspflichten auch für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte eingeführt. Die Auswirkungen und die Bedeutung dieser Regelungsinitiativen für die Rechtslage in diesem Bereich sollen im Teil 4 analysiert werden. Bei der Lösung der in der Arbeit behandelten Vergaberechtsprobleme wird das österreichische Vergaberecht an verschiedenen Stellen als Argumentationshilfe und als mögliches Vorbild für eine eigene Lösung herangezogen. Das dortige Vergaberecht entspricht im System und auch in den vielen Einzelheiten dem deutschen Vergaberechtsmodell. Daher stellen sich viele der rechtlichen Probleme, die in Deutschland diskutiert werden, gleichfalls in Österreich. Bei der Lösung der Probleme ist die österreichische Rechtslage der Deutschen oft um einige Monate voraus, so dass die dort gemachten Erfahrungen herangezogen werden können. Dies gilt umso mehr, als das Vergaberecht in Österreich aus kompetenzrechtlichen Gründen in ein Bundes- und neun Landesvergabegesetze zersplittert ist, die jeweils in Teilbereichen für die sich stellenden Probleme eigene Lösungsansätze enthalten. Die möglichen verschiedenen rechtlichen Ausgestaltungen können also miteinander in einen „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ treten. Daraus folgt, dass hier fruchtbare Modelle für die Reform der vergleichbaren deutschen Rechtslage zur Verfügung stehen.10 Entscheidende Impulse für das deutsche Vergaberecht gehen aber auch deshalb von Österreich aus, weil zum dortigen Vergaberecht einige richtungweisende Entscheidungen des EuGH ergingen, die auch auf die deutsche Rechtslage übertragbar sind. Österreich hat sich durch die Vielzahl der Vorabentscheidungsersuchen der dortigen Entscheidungsinstanzen als Motor für die Rechtsentwicklung auch in Deutschland erwiesen.11 Die Dissertation befindet sich auf dem Stand vom 1.2.2005. Darüber hinaus konnte der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft v. 8.2.2005 zur Verschlankung des Vergaberechts berücksichtigt werden.12 9

Zu den Schwellenwerten unten näher unter A. VI. 2. b) bb); A. VI. 3. a) und c) dd) (1). 10 Während die Entwicklung des deutschen Vergaberechts in Österreich sehr aufmerksam verfolgt wird, wurde umgekehrt die österreichische Rechtslage als Quelle für Anregungen für das deutsche Vergaberecht bisher oft nur stiefmütterlich behandelt (anders aber inzwischen etwa Freise, NZBau 2004, 83). 11 Von Österreich gehen in Europa die meisten Vorabentscheidungsersuchen für den Bereich des Vergaberechts aus – Houlobek, in: Rill/Griller, S. 237 f.; ZVB 2001, 4 (Editorial); dazu auch Kargl, S. 43. 12 Dieses Konzept zur Neuregelung des Vergaberechts ist zwar durch die voraussichtlich im Herbst 2005 anstehende Neuwahl des Bundestages vorerst gestoppt worden, soll aber seitens der federführenden Abteilung I B im BMWA nach der Neukonstituierung des BT weiterverfolgt werden.

1. Teil

Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland A. Einleitung I. Begriffe 1. „Öffentliches Auftragswesen“ Die Begriffe Öffentliches Auftragswesen1, Öffentliches Vergabewesen und Öffentliches Beschaffungswesen werden synonym verwendet. Darunter ist traditionell die Bedarfsdeckung der öffentlichen Hand2 am Markt durch privatrechtlichen Vertrag zu verstehen.3 Nach einer anderen Umschreibung umfasst das öffentliche Auftragswesen das Verfahren des Erwerbes4 von 1 Da wegen der Vorgaben der Sektorenrichtlinie auch bestimmte Unternehmen an das Vergaberecht gebunden sind, ist der Begriff „Öffentliches Auftragswesen“ in die Kritik geraten. Er sei irreführend, da das Vergaberecht auch bestimmte private Vergabestellen erfasse. Daher sei vielmehr von „Regulierter Vergabe“ zu sprechen – vgl. die Nachweise bei Wittig, S. 131. Ebenso wird im englischsprachigen Raum argumentiert. Hier wird das Öffentliche Auftragswesen traditionell unter dem Begriff „Public Procurement (Law)“ behandelt. Anstatt dessen wird der Begriff „Regulated Procurement“ vorgeschlagen und benutzt – Arrowsmith, The Law of Public and Utilities Procurement, 1996, S. 1. 2 Kompetenzrechtlich ist für die Auftragsvergabe zuständig, wer für die Wahrnehmung der zugrunde liegenden Verwaltungsaufgabe zuständig ist. Die Kompetenz zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben umfasst auch die Kompetenz zur Vergabe solcher Aufträge, die der Bewältigung dieser Aufgaben dienen. Die Vergabekompetenz ist in diesem Sinne eine Annexkompetenz zur Verwaltungskompetenz. Teilweise bestehen auch ausdrückliche Kompetenzzuweisungen, z. B. in Art. 87 b Abs. 1 S. 2 GG für die Bundeswehrverwaltung, vgl. auch Art. 86 S. 2 GG – Pietzcker, Der Staatsauftrag, S. 264; Gusy, JA 1989, 26, 27; Sterner, S. 79. Ausführlich zur öffentlichen Bedarfsdeckung in der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung, Wallerath, S. 181 ff., der sich zur vorstehenden Herleitung der Kompetenz kritisch äußert. Die bei der Auftragsvergabe entstehenden Kosten/Ausgaben tragen Bund und Länder für die ihnen übertragene Verwaltungsausgabe selbst, Art. 104 a GG. 3 Vgl. Daub/Eberstein – Eberstein, Einf. Rn. 50. Nach der aktuellen Entscheidungspraxis fällt aber auch der öffentlich-rechtliche Beschaffungsvertrag unter das Vergaberecht. 4 Zur Eigenproduktion bei der öffentlichen Bedarfsdeckung, Wallerath, S. 114 ff. und S. 341 ff.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Waren oder Leistungen gegen Entgelt durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts von einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts.5 Der Kreis der öffentlichen Auftraggeber hat sich allerdings durch die Einflüsse des Gemeinschaftsvergaberechts erheblich ausgeweitet, so dass jetzt etwa auch bestimmte private Auftraggeber in den Bereich des öffentlichen Auftragswesens fallen. Der Öffentliche Auftrag hat nichts zu tun mit dem zivilrechtlichen Auftrag nach § 662 ff. BGB, der als unentgeltliche Geschäftsbesorgung für einen anderen verstanden wird.6 2. „Vergaberecht“ Das Recht der Vergabe7 öffentlicher Aufträge hat die „Einkaufsregeln des Staates“8 zum Gegenstand. Es enthält rechtliche Vorgaben dafür, wie öffentliche und bestimmte private Auftraggeber ihre Aufträge zu vergeben haben. Vergaberecht sind also alle Normen, die den öffentlichen Auftraggebern eine bestimmte Vorgehensweise bei der Vergabe von entgeltlichen Aufträgen vorschreiben.

II. Die wirtschaftliche Bedeutung des Vergaberechts Das Vergaberecht hat eine immense wirtschaftliche Bedeutung. Denn die Vergabe öffentlicher Aufträge stellt europaweit und national einen bedeutsamen Wirtschaftsfaktor dar9: Die Europäische Kommission geht davon aus, dass die öffentliche Hand im EU-Wirtschaftsraum öffentliche Aufträge im Wert von 1,5 Billionen Euro jährlich vergibt.10 Die von der öffentlichen 5

Vgl. Haase, S. 21. Pache, DVBl 2001, 1781, 1782. 7 Kritisch zum Begriff der „Vergabe“, Marx, in: Jestaedt/Kemper/Marx/Prieß, S. 2. Den Begriff „Vergaberecht“ kritisiert Waldner, S. 22. 8 Däubler-Gmelin, EuZW 1997, 709, 710 unter Verweis auf Marx, in: Deutsches Anwaltsinstitut (Hrsg.), Veröffentlichung der Fachtagung v. 23.11.1995, S. 1; zur Definition des Vergaberechts auch Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 24. 9 Das Volumen für öffentliche Beschaffungen weltweit beträgt geschätzte 1.600 Mrd. US $. – Kunnert, S. 363 m. w. N.; vgl. auch Pache, DVBl 2001, 1781, 1782 unter Verweis auf Schätzungen der WTO: 15% der jährlichen Weltwirtschaftsleistung. 10 Statistik der Kommission vom 1.12.2003: „Indikatoren des öffentlichen Auftragswesens 2002“; dazu Monatsinfo forum vergabe e. V. 12/2003, 196. Vgl. auch Broschüre der EU-Kommission zum 10. Jahrestag der Binnenmarktvollendung („The Internal Market – Ten Years without Frontiers“), 2003, Ziff. 5 (1,3 Bio. Euro). Im Jahr 1998 betrug der Wert der öffentlichen Aufträge auf europäischer 6

A. Einleitung

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Hand vergebenen Aufträge im Bau-, Liefer- und Dienstleistungsbereich machen inzwischen sogar 16,3% des BIP der Gemeinschaft aus.11 Betrachtet man die nationale Ebene in Deutschland, so wird geschätzt12, dass durch die 35.000 Vergabestellen in Bund, Ländern und Gemeinden Aufträge im Wert ca. 360 Milliarden Euro vergeben werden.13 In bestimmten Bereichen ist eine wirtschaftliche Betätigung ohne öffentliche Aufträge unmöglich. Dies gilt etwa für den Brückenbau. Im Bauwesen insgesamt vergibt die öffentliche Hand 30 Prozent der Aufträge.14 Die wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Auftragsvergabe und des Vergaberechts lässt sich auch an der Größe einzelner Aufträge verdeutlichen: So ging es bei der Planung des Berliner Großflughafens um eine Bausumme von ca. 5 Mrd. Euro.15 Dieses Großprojekt musste nach der Ebene nach einem Bericht der Kommission noch 1.054 Mrd. Euro – näher dazu Büchl, S. 7 f.; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 45 ff. Von mehr als 720 Milliarden ECU geht aus: Mitteilung der Kommission „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union“ v. 11.3.1998, KOM (98) 143, S. 1 (abgedr. in BR-Drs. 296/98). 11 Statistik der Kommission „Indikatoren des öffentlichen Auftragswesens 2002“, a. a. O. Im Jahr 1996 ging man von 11%, im Jahr 2000 von 14% aus (Mitteilung der Kommission „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union“ v. 11.3.1998, a. a. O. und IP/00/461 Brüssel, den 10. Mai 2000). Die Zahlen hängen auch davon ab, ob man die Sektorenauftraggeber mit in die Berechnung einbezieht. 12 Bei der Beurteilung dieser Zahlen zum Auftragsvolumen muss beachtet werden, dass es für das Auftragswesen kaum verlässliche Statistiken gibt (vgl. aber die Statistikpflichten in Art. 31 II LKLR; 34 II BKRL, 39 II DKRL, die z. T. auch den Bereich unterhalb der Schwellenwerte erfassen). Deswegen muss man mit den Zahlen vorsichtig umgehen. Zum mangelnden Wert der Zahlen über das Auftragsvolumen vgl. Meyer, in: Schwarze, S. 47, 48 und 57 f. und Puhl, 2. Bericht zur Staatsrechtslehrertagung 2000 zum Beratungsgegenstand „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber“, VVDStRL 60, S. 456, 458. 13 Statistik der Kommission „Indikatoren des öffentlichen Auftragswesens 2002“, a. a. O.; vgl. auch: Byok NJW 1998, 2774 (200 Mrd. Euro); Puhl, a. a. O., S. 456, 458 f., der aber auch auf eine Statistik der Europäischen Kommission verweist, wonach 1998 in Deutschland öffentliche Aufträge im Wert von ca. 280 Mrd. Euro vergeben worden sind. Däubler-Gmelin, SZ vom 29.9.1997, S. 26 und FAZ vom 30.9.1997, S. 20 – zitiert nach Erdl, S. 2. Vgl. auch die Statistiken des BMWA zu Anzahl und Volumen der Auftragsvergaben in Deutschland, die nach den Statistikpflichten der Verdingungsordnungen für die Jahre 2000, 2001 und 2002 erstellt worden sind, näher dazu Monatsinfo forum vergabe e. V. 1/2003, S. 4 f. und 3/2004, 48 f. 14 Mader, EuZW 1999, 331, 332 unter Verweis auf eine Mitteilung der Kommission; Puhl, a. a. O., S. 456, 505. 15 Der Auftragswert lässt sich allerdings schwieriger bestimmen, da es hier um eine Konzessionsvergabe ging (Betrieb der Flughäfen). Der Wert der Konzession (berechnet nach den Gesamteinnahmen beim Betrieb der Flughäfen in der Vertragslaufzeit von 50 Jahren) wird vom OLG Brandenburg, das sich mit dieser Vergabe zu beschäftigen hatte, mit ca. 8 Mrd. Euro angegeben – OLG Brandenburg, Beschl.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Entscheidung der Nachprüfungsinstanzen16 in einen früheren Verfahrensstand zurückversetzt werden, in dem die Konzepte der neuen Bieter erneut bewertet werden mussten.17 Das Vergabeverfahren ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Ein weiteres Beispiel aus jüngerer Zeit ist die Ausschreibung im Zusammenhang mit der Einführung der LKW-Maut auf Bundesautobahnen nach dem Autobahnmautgesetz vom 5.4.200218. Das Projekt sieht die Errichtung, Finanzierung und Betrieb eines satellitengestützten Mauterfassungssystems für schwere Lkw vor. Der Vertrag mit dem Betreiber soll über 12 Jahre laufen. Die Bundesregierung geht von einem Auftragsvolumen über die gesamte Laufzeit von 7,73 Milliarden Euro aus.19 Auch in diesem Vergabeverfahren wurde die Bedeutung des Vergaberechtsschutzes deutlich, da sich hier beispielsweise das Bieterkonsortium „AGES“20 durch ein Nachprüfungsverfahren erfolgreich gegen seinen Ausschluss aus dem Vergabeverfahren gewehrt hatte.21 v. 3.8.1999 – 6 Verg 1/99 „Flughafen Berlin-Schönefeld“, NVwZ 1999, 1142 = BauR 1999, 1175, 1178. 16 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999, a. a. O. Zu den Hintergründen vgl. Handelsblatt Nr. 143 v. 28.07.99, Seite 18; Nr. 148 v. 4.8.99, Seite 13; Nr. 148 v. 04.08.99, Seite 1 und Nr. 161 v. 23.08.99, Seite 43. 17 Zum weiteren Fortgang vgl. auch Behördenspiegel, März 2001, B I. 18 Näher zu den neu geschaffenen Rechtsgrundlagen für die Nutzungsfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur: Neumann/Müller, NVwZ 2002, 1295; Uechteritz/ Deutsch, DVBl. 2003, 575; Monatsinfo forum vergabe, 5/2003, 76. Zu Fragen der Mauterhebung aus EG-Sicht, Otte, EuZW 2004, 513 und Monatsinfo forum vergabe, 4/2003, 68. 19 Zum Gegenstand der Ausschreibung (Dienstleistungsauftrag), näher OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2001 – Verg 42/01, NZBau 2002, 287. Zur Mautpflicht und ihrer Durchsetzung, Neumann/Müller, NVwZ 2002, 1295. Näher zum Sinn der Einführung des Mautsystems und zu den erwarteten Einnahmen: Handelsblatt Nr. 122 vom 28.06.02, Seite 5. Diese Großvergabe ist auch ein Musterbeispiel für die Erteilung der Vorabinformation nach § 13 VgV, dazu Teil 2, C. I. 20 An AGES waren unter anderem der britische Mobilfunkkonzern Vodafone sowie Aral und Shell Transport & Trading Co beteiligt. 21 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2001 – Verg 42/01, NZBau 2002, 287; vgl. dazu auch Handelsblatt Nr. 246 vom 20.12.01, Seite 1 und Nr. 201 vom 18.10.01, Seite 5. Der damalige Rechtsstreit hatte dazu geführt, dass die für Januar 2003 geplante Einführung der Lkw-Maut verschoben werden musste. Nach Expertenschätzung musste der Bund für die vom Verkehrsministerium verursachte Panne Einnahmeausfälle in Höhe von 1,7 Milliarden Euro verbuchen, näher Handelsblatt Nr. 123 vom 01.07.02, Seite 16. Zu weiteren Nachprüfungsverfahren im Zusammenhang mit der Mauteinführung vgl. VK Bund, Beschl. v. 4.9.2002 – VK 2 – 58/02, NZBau 2003, 110 und den Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 2001/2002, BT-Drs. 15/1226, S. 253 ff. Zum weiteren Fortgang des Vergabeverfahrens bis zum Zuschlag: Teil 2, C. I.

A. Einleitung

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Eine demnächst anstehende Großvergabe ist auch der zentrale Aufbau und Betrieb des bundeseinheitlichen Digitalfunknetzes für Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste, das bis zur Fußballweltmeisterschaft 2006 eingeführt sein soll. In der Industrie werden Netz-Aufbaukosten von 4 bis 5 Mrd. Euro genannt.22 Das Vergaberecht ist nicht zuletzt auch deshalb bedeutsam, weil – die öffentliche Hand in ihren Zuwendungsbescheiden häufig23 in den Nebenbestimmungen vom Begünstigten verlangt, dass die Verdingungsordnungen, also ein Teil des materiellen Vergaberechts, bei der geförderten Maßnahme angewendet wird. Wird gegen diese Nebenbestimmung verstoßen, ist ein Widerruf des Zuwendungsbescheides möglich; – es nicht nur für die klassischen staatlichen Auftraggeber, sondern auch für bestimmte private Auftraggeber gilt. So enthält es auch Vorgaben für die so genannten Sektorenauftraggeber. Es gilt also ebenfalls für die umfangreichen Auftragsvergaben der Energieversorger.

III. Die wachsende Bedeutung des Vergaberechts als Rechtsgebiet Trotz dieser enormen wirtschaftlichen Bedeutung hat sich die Verfassungs- und die Verwaltungslehre lange Zeit der staatlichen Auftragsvergabe kaum gewidmet.24 Das Vergaberecht stand trotz seiner wirtschaftlichen und politischen Bedeutung lange Zeit in einem toten Winkel zwischen öffentlichem und privatem Recht.25 Es hat in Deutschland „als Teil des Finanzund Haushaltsrechts der öffentlichen Hand einen tiefen und ungestörten Dornröschenschlaf gehalten.“26 Für diese lang andauernde mangelnde rechtliche Durchdringung des Vergabewesens gab es verschiedene Gründe:27 22 Die Innenminister von Bund und Ländern gehen von bis zu doppelt so hohen Kosten aus, da zeitweise das neue und alte System parallel betrieben werden müssen – Handelsblatt Nr. 107 vom 07.06.02, Seite 20. Zur Bedeutung des Vergaberechts für den Bau der Stadien für die Fußball-WM, Vieweg, in: Sportstätten, Recht und Sport, 32, 2004, S. 45 ff. 23 Näher Kraft-Lehner, S. 74 ff. In Sachsen-Anhalt ist der Erlass dieser Nebenbestimmung in Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet. 24 So auch 1988 die Einschätzung von Rittner, Rn. 9. 25 Ausnahmen davon waren insbesondere die Monographien von Pietzcker, (1978), Walthelm, (1979), und Rittner (1982). 26 Pache, DVBl 2001, 1781. 27 Dazu auch Wittig, S. 6.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Zum einen war das „rechtliche Halbdunkel, in dem das öffentliche Auftragswesen traditionell belassen wurde, . . . nicht zuletzt auf seine rechtssystematische Zwischenstellung im Grenzbereich zwischen öffentlichem und Privatrecht28 zurückzuführen. Aus öffentlich-rechtlicher Sicht handelt es sich um fiskalisches Handeln, das in den Kompetenzbereich des Privatrechts fällt. Aus zivilrechtlicher Sicht stören die öffentlich-rechtlichen Einflüsse, da hier die Behörden selbst auftreten.“29 Sein rechtliches Kümmerdasein war aber auch der mangelnden Möglichkeit von Rechtsschutz geschuldet30, die mit der traditionellen Stellung des Vergaberechts als Haushaltsrecht (Innenrecht)31 zusammenhing. Deswegen entwickelte auch die Anwaltschaft kein Interesse an diesem Rechtsgebiet. Eine weitere wichtige Ursache für die mangelnde rechtswissenschaftliche Durchdringung des Vergabewesens ist, dass „das klassische Vergaberecht vorwiegend von Nichtjuristen, Beamten, Technikern und Kaufleuten gehandhabt, ja weitgehend auch von ihnen geschaffen wurde und [es] sich dadurch von vielen Zweigen des Wirtschaftsrechts unterscheidet.“32 Inzwischen ist die Bedeutung des Vergaberechts aber anerkannt: In den letzten Jahrzehnten hat sich das Vergaberecht nicht nur in der Europäischen Gemeinschaft, sondern weltweit durch nationale und internationale Regelungen stürmisch weiterentwickelt. Es wird mithin von einer „globalen Revolution“ des Vergaberechts gesprochen.33 Auch in Deutschland hat das Vergaberecht in den letzten Jahren eine enorm dynamische Entwicklung durchlaufen. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass bei den die Vergabe öffentlicher Aufträge regelnden Rechtsvorschriften eine Gemengelage von internationalem, europäischem und nationalem Recht besteht34, Impulse also von mehreren Ebenen ausgehen. Besonders das Euro28

Zu deren Abgrenzung vgl. nur de Wall, S. 6 ff. Sterner, S. 34. 30 Pietzcker, NVwZ 1996, 313; so auch Waldner, S. 24. Weiterer Grund für die mangelnde rechtliche Durchdringung des Öffentlichen Auftragswesens war nach Wallerath, S. 13 ff. auch die Verengung des juristischen Betrachtungsgegenstandes, der mit dem Verlust der Einheit der Staatswissenschaften (verursacht v. a. durch die staatswissenschaftliche Betrachtungsweise und „juristische Methode“ (von Otto Mayer)) einherging. 31 Marx, in: Jestaedt/Kemper/Marx/Prieß, S. 3. Dies geht zurück auf ein Verständnis des Staates (Staatszweck) als Ordnungsstaat – Funk, JRP 1999, 251, 252. 32 Rittner, Das öffentliche Auftragswesen im Spannungsfeld zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht, S. 7, 19, der dies allerdings als Grund für die Anpassungsschwierigkeiten der nationalen Vergaberechtsordnung an das europäische Recht anführt; Frank, S. 282 ff. 33 Dazu Arrowsmith, in: Arrowsmith/Davis (ed.), Public procurement: global revolution, 1998, S. 3. ff. (Hier auch ausf. zu den Gründen für diese Entwicklung und zum Verhältnis der nationalen zu den internationalen Regelungen). 29

A. Einleitung

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parecht hatte hier eine Katalysatorfunktion35 für das nationale Recht, hat es also aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Insgesamt ist damit das Vergaberecht ein Paradebeispiel für eine vom Gemeinschaftsrecht angestoßene Revolution eines Rechtsgebietes.36 Wenige deutsche Rechtsgebiete haben unter dem Einfluss des Europarechts eine so umwälzende Veränderung erfahren wie das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe.37 Durch die zahlreichen Rechtssetzungsaktivitäten auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene wurde zunehmend das Interesse der Rechtswissenschaft am Vergaberecht geweckt.38 Den entscheidenden Schub bekam das Vergaberecht in Deutschland dabei durch die Einräumung gerichtlich durchsetzbarer Rechtspositionen der Bieter (Rechtsschutz als Triebfeder) und darüber hinaus durch die zahlreichen, über Jahrzehnte und mehrere Umsetzungsversuche bestehenden Bedenken an der Gemeinschaftskonformität des deutschen Vergaberechts39. Erst dadurch schlug die enorme wirtschaftliche Bedeutung des Auftragswesens auch auf die rechtliche Ebene (stärker) durch. Insbesondere durch diese Einräumung subjektiver Rechte hat sich das Vergaberecht inzwischen zu einem eigenständigen abgrenzbaren Rechtsgebiet entwickelt, „das von seiner wirtschaftlichen Bedeutung her kaum überschätzt werden kann.“40 Es wird auch davon gesprochen, dass erst durch die Einräumung durchsetzbarer Rechte der Übergang vom bloßen „Vergabewesen“ zum echten „Vergaberecht“ erfolgte. Verstärkte Aufmerksamkeit bekam das Vergaberecht bzw. der Vergaberechtsschutz aber auch dadurch, dass durch dessen Anwendung große Infrastrukturprojekte wie der Großflughafen Berlin-Brandenburg und die Einführung des LKW-Mautsystems auf deutschen Autobahnen verzögert worden sind.41 Nicht zuletzt hieran zeigt sich exemplarisch, dass es sich um ein Rechtsgebiet mit enorm starkem Bezug zum täglichen Wirtschaftsleben 34

Schwarze, EuZW 2000, 133. Faber, DÖV 1995, 403, 404. 36 Roebling, Jura 2000, 453. Nach Huber, Kampf um den öffentlichen Auftrag, S. 37 war Europa für Deutschland „Bannerträger des rechtsstaatlichen Fortschritts.“ 37 Dörr, JZ 2004, 703. 38 Latzenhofer, in: Potacs, Beiträge zum Kärntner Vergaberecht, 2000, S. 96; Binder, ZZP, 113. Band (2000), 195, 216. Dies gilt aber nicht nur für das juristische, sondern auch für das finanz- und wirtschaftswissenschaftliche Schrifttum, vgl. die Nachw. bei Wallerath, S. 15 Fn. 29. Da das Interesse der Fachöffentlichkeit am Vergaberecht nun geweckt ist, geht Dörr, JZ 2004, 703, 712 davon aus, dass die „geweckten Hunde nicht mehr einzuschläfern sein werden.“ 39 Vgl. auch Waldner, S. 66. 40 Prieß, Hdb. d. europ. Vergaberechts, S. VII (Vorwort) und S. 1; Waldner, S. 24; Byok, NJW 2001, 2295; vgl. auch Ullrich, ZVgR 2000, 115: Vergaberecht ist „neues Rechtsgebiet“. 41 Vgl. auch Mosbacher, DÖV 2001, 573. Zu diesen Großvergaben bereits unter II. 35

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

handelt.42 Antworten auf die sich stellenden Fragen haben erhebliche praktische (wirtschaftliche) Auswirkungen. Seither hat sich dementsprechend zum Vergaberecht ein breites Schrifttum herausgebildet. Die Anzahl der Publikationen zum Vergaberecht ist enorm.43 So sind nicht nur in Deutschland zahlreiche neue Fachzeitschriften erschienen, die schwerpunktmäßig das Vergaberecht zum Gegenstand haben.44 Es ist aber festzustellen, dass die vergaberechtliche Diskussion nicht von der Wissenschaft, sondern von Praktikern bestimmt wird. Dennoch gibt es aber auch hier nur wenige ausgewiesene Vergaberechtspezialisten, obwohl sich die Anwaltschaft in letzter Zeit verstärkt dem Vergaberecht zuwendet. Viele Kanzleien haben erkannt, wie groß der Beratungsbedarf auf Unternehmer- und auf der Auftraggeberseite ist.45 Mit dem neuen Vergaberecht hat sich auch die Rolle der Anwälte im Vergabebereich gewandelt. Waren sie vor einiger Zeit vornehmlich gefragt, um nachträglich die Erfolgsaussichten von Schadensersatzansprüchen bei vermeintlichen Vergabefehlern zu prüfen, so besteht heute vermehrt Bedarf an begleitender Rechtsberatung, um die Vergabe rechtlich abzusichern.46 Aber auch die Inanspruchnahme der neuen Rechtsschutzmöglichkeiten ist neues Feld anwaltlicher 42

Vgl. Brinker/Punz/Roniger/Vock, S. III (Vorwort). Nach Brinker/Punz/Roniger/Vock, S. III (Vorwort) ist in Österreich „zu kaum einem Rechtsgebiet . . . in den letzten vier Jahren soviel publiziert worden wie zum Vergaberecht.“ Wegen der hohen Zahl an Gerichtsentscheidungen, veröffentlichter wissenschaftlicher Arbeiten und Aktivitäten der Gesetzgeber das Vergaberecht auch als europäischer „Hitlistenstürmer“ bezeichnet – Brenner, Neuere Entwicklungen im Vergaberecht der europ. Union (1997), S. 13 f. 44 In Deutschland sind zu nennen: Die Zeitschrift Vergaberecht (VergabeR), die NZBau und die Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht (ZfBR). Hinzu kommen der Informationsdienst „Vergabe News“ und das Monatsinfo forum vergabe e. V. Seit kurzem gibt es sogar eine eigene vergaberechtliche Datenbank (VERIS), die umfassend die Recherche nach vergaberechtlichen Entscheidungen ermöglichen soll. Sie ist zu finden unter www.vergabedatenbank.de. Auch in Österreich ist der Bedeutung des neuen Rechtsgebietes „Vergaberecht“ durch das Erscheinen neuer speziell vergaberechtlicher Fachzeitschriften Rechnung getragen worden. So erscheinen hier seit Anfang 2001 die „Zeitschrift für das gesamte Vergaberecht und die gesamte Beschaffungspraxis“ (ZVB) vom Verlag Manz und die „Recht und Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe“ (RPA) vom „Verlag Österreich“. In Frankreich sind zu nennen: „Bulletin juridique des contrats publics“ (seit 11/1998) und „Contrats et marchés publics“ (seit 11/2000). Als Fachzeitschrift, die sich mit dem Vergaberecht weltweit beschäftigt, erscheint die durchgängig englischsprachige Public Procurement Law Review. 45 Die Inanspruchnahme vergaberechtlicher Beratung sei aber wenig geliebt und habe einen „ähnlichen Beliebtheitsgrad . . . wie Zahnarztbesuche!“ – Kemper, NJ 2001, 403, 408. Bleibt man bei diesem Vergleich, so lässt sich aber der Gang zum Zahnarzt trotz seiner Unbeliebtheit nicht vermeiden. 43

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Betätigung.47 Beim Vergaberecht handelt es sich zudem um ein sehr lohnenswertes Rechtsgebiet. Die hohen Auftragswerte (oberhalb der Schwellenwerte) führen auch unter Berücksichtigung der zum 1.7.2004 mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz neu eingeführten Wertgrenzen für die Gebührenberechnung48 zu hohen Anwaltshonoraren: Der Gegenstandswert des Verfahrens vor der Vergabekammer wird mit 5% der Brutto-Auftragssumme angesetzt, was nach dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz inzwischen ausdrücklich in § 50 II GKG geregelt ist.49 Wegen der Schwierigkeit des Vergaberechts50 kann der RA den Gebührenrahmen voll ausschöpfen (nach dem Gebührenrecht vor dem 1.7.2004: 10/10 Gebühr nach § 118 I i. V. m. § 12 I BRAGO; nach neuem RVG-Gebührenrecht: Ausschöpfung des Gebührensatzrahmens von Nr. 2400 VV und ggf. 2401 VV).51 46 Bei dieser muss der Anwalt oft interdisziplinär mit anderen Beratern im Vergabeverfahren (etwa Ingenieurbüros) zusammenarbeiten. Zum Ganzen Höfler, ZVgR 1999, Heft 1, S. I (Editorial); vgl. auch Alexander, WRP 2004, 700. 47 Das deutsche Vergaberecht ist auch schon als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen bezeichnet worden (Behördenspiegel, Januar 1996, B I, für die haushaltsrechtlichen Lösung), obwohl vor den Vergabekammern selbst kein Anwaltszwang besteht. Zu den anwaltlichen Aufgaben im Vergabebereich auch: Stickler, SächsVBl. 2002, 263 ff. 48 §§ 39 II GKG und 22 II RVG, näher Rojahn, VergabeR 2004, 454 f. 49 Dazu Rojahn, VergabeR 2004, 454; näher zur gleichlautenden Rspr. vor Einführung des § 50 II GKG: OLG Thüringen, Beschl. v. 13.9.2001 – 6 Verg 1/01, VergabeR 2002, 202; BayObLG, Beschl. v. 28.9.2001 – Verg 13/01, VergabeR 2002, 204; Kaiser, NZBau 2002, 315 ff. 50 Die beschriebene Dynamik der Fortentwicklung des Vergaberechts und die Gemengelage von völkerrechtlichen, europarechtlichen und nationalen Einflüssen auf das Vergaberecht machen diese Schwierigkeit des Vergaberechts aus. Hinzu kommt, dass zu diesem jungen Rechtsgebiet eine durchweg gesicherte Rechtsprechungspraxis nicht existiert. – so auch OLG Dresden, Beschl. v. 11.12.2001 – Wverg 10/00, VergabeR 2002, 314 und Beschl. v. 25.3.2002 – Wverg 0001/02, VergabeR 2002, 418, 419 für den Rechtszustand im Frühjahr 2001); OLG Naumburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 1 Verg 3/02, S. 4; Schoch, in: Schwarze, S. 9. Dass das Vergaberecht eine „außerordentlich komplizierte Materie“ (OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.7.2000 – 2 Verg 4/00) ist, liegt auch daran, dass es an der Schnittstelle zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht steht (Vorwort, S. V in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 1. Aufl., Köln 2000) und seine Herkunft im Innenrecht hat. Denn weder das Innenrecht noch der Grenzbereich zwischen Privat- und öffentlichem Recht sind dogmatisch so erschlossen, wie die Bereiche der klassischen Hoheitsverwaltung (H.-U. Gallwas, VergabeR 2001, 2). Auch für das österreichische Vergaberecht wurde festgestellt, dass „kaum eine Rechtsmaterie in Österreich so schnelllebig, umstritten und schwer berechenbar ist, wie das Vergaberecht.“ – ZVB 2001, 4 (Editorial). 51 OLG Dresden, Beschl. v. 25.3.2002 – Wverg 0001/02, VergabeR 2002, 418 f.; vgl. auch OLG Naumburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 1 Verg 3/02, S. 4; zu den Rechtsanwaltsgebühren nach neuem Gebührenrecht, Diemer/Maier, NZBau 2004, 536; Gatawis, NZBau 2004, 380; Rojahn, VergabeR 2004, 454; Schneider, IBR 2004, 725; zum alten Recht auch, Bär, NZBau 2002, 63 ff.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Der gestiegenen Bedeutung des Vergaberechts trägt inzwischen aber auch vielfach die Lehre an den Universitäten Rechnung. So werden nicht nur Seminare zum Vergaberecht veranstaltet, sondern ebenso Vorlesungen dazu gehalten, die teilweise auch Bestandteil der Schwerpunktbereichsprüfungen nach der reformierten Juristenausbildung sind (so etwa in Bochum52 und Mainz).53 Die entstandene Aufmerksamkeit für das junge Rechtsgebiet „Vergaberecht“ wird auch in Zukunft nicht abnehmen. Denn das Vergaberecht befindet sich nach wie vor auf allen Rechtssetzungsebenen (International, EG und national) im Umbruch, entwickelt sich also weiter dynamisch fort.54

IV. Besonderheiten der staatlichen Marktteilnahme und aus diesen Besonderheiten folgende Funktionen des Vergaberechts und des Vergaberechtsschutzes Im Folgenden ist auf die Besonderheiten der staatlichen Marktteilnahme (1.) und auf die aus diesen Besonderheiten folgenden Funktionen des Vergaberechts und des Vergaberechtsschutzes einzugehen (2.). 1. Besonderheiten der staatlichen Marktteilnahme Auch wenn die öffentliche Hand zur Bedarfsdeckung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, handelt es sich bei ihr nicht um einen „typischen“ Marktteilnehmer. Die öffentliche Beschaffungstätigkeit ist im Gegensatz zur privaten Nachfrage durch eine Reihe von Besonderheiten55 gekennzeichnet:

52 Hier wurde die Forschungsstelle für Verwaltungsmodernisierung und Vergaberecht errichtet, deren Leiter Prof. Martin Burgi ist, dazu VergabeR 2004, 272. 53 Auch an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer gibt es verschiedene (gut angenommene) Lehrveranstaltungen zum Vergaberecht – Behördenspiegel 1/2002, 17; krit. zur bisherigen Außenseiterrolle des Vergaberechts in der juristischen Ausbildung, Röhl, JuS 2002, 1053 f. Der Bedeutung des öffentlichen Auftragswesens hat auch die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Rechnung getragen. Auf deren Jahrestagung 2000 vom 4. bis 7. Oktober im Leipziger Gewandhaus beschäftigte sie sich mit dem Thema „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber“ als einem von 3 Beratungsgegenständen – dazu VVDStRL 60, 416 ff. und der Bericht von Lepsius, AöR Band 126 (2001), S. 441 ff., insbes. 459 ff. 54 Dazu näher beim Ausblick nach dem Endergebnis der Arbeit (Teil 5, B.). 55 Kunnert, S. 12, der auch von „Funktionsdefiziten“ spricht.

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a) Erhöhte Gefahr der unwirtschaftlichen Beschaffung Ohne ein formalisiertes Vergabeverfahren besteht die Gefahr, dass öffentliche Haushaltsgelder bei der Beschaffung unwirtschaftlich eingesetzt werden. Dafür gibt es mehrere Gründe: – Einmal haben die Beamten der Vergabestelle keinen adäquaten Anreiz, mit den ihnen anvertrauten Mitteln sparsam umzugehen.56 Sie unterliegen weder einem Gewinnanreiz noch müssen sie sich gegenüber Konkurrenz behaupten, so dass etwa Fehlentscheidungen nicht zum Konkurs führen.57 Die Wirtschaftlichkeitskontrolle über den Markterfolg funktioniert also bei der öffentlichen Hand nicht.58 Sie ist nicht der Sanktionierung von Fehlverhalten am Markt durch den Markt unterworfen.59 Bei der Finanzierung der Vergabe durch Steuergelder und nicht durch eigenes Angebotsverhalten auf dem Markt hat die Vergabe des Auftrags nicht an das wirtschaftlichste Angebot keine Auswirkungen auf die eigene Wirtschaftlichkeit, sondern kann durch neue Steuereinnahmen „unsichtbar“ wieder korrigiert werden.60 Den Staat „bedrohen weder Konkurs noch Liquidation, noch Tod und Alter. Seine Katastrophen sind, was er selbst ist: politisch, nicht aber ökonomisch, biologisch oder geistig. Er hat einen anderen Auftrag als jedes Unternehmen und andere existentielle Ziele als jeder Mensch . . .“.61 Im Ergebnis ist beim öffentlichen Einkauf ein wirtschaftlicher Erfolg nicht messbar, so dass es den Auftraggebern an einem wichtigen Steuerungselement fehlt, an dem sich Unternehmer ständig zu orientieren haben.62 Dieser Gesichtspunkt wird noch weiter dadurch verschärft, dass eine Behörde bei der Rückgabe der durch Sparen nicht verbrauchten Finanzmittel nicht belohnt, sondern möglicherweise durch eine Kürzung der Mittel für das kommende Jahr noch bestraft wird.63 56 Puhl, Leitsätze zur Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer vom 4. bis 6. Oktober 2000 in Leipzig, Bericht, DVBl 2000, 1751, 1757. 57 Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/Rill, S. 195, 207 f.; Walthelm, S. 30; Öhler, S. 39 m. w. N.; Kunnert, S. 12 f.; Wittig, S. 4 f.; Pietzcker, Der Staatsauftrag, S. 250 ff. 58 Korinek, ecolex 1999, 523. 59 Elverfeld, S. 43 m. w. N.; Ullrich, Hans, Besprechung von Drügemöller, Vergaberecht und Rechtsschutz, Berlin 1999, in: ZVgR 2000, 115, 116. 60 Ullrich, Hans, Besprechung von Drügemöller, Vergaberecht und Rechtsschutz, Berlin 1999, in: ZVgR 2000, 115, 116. 61 Rittner, ZHR 152 (1988), 318, 323; Daub/Eberstein – Eberstein, Einf. Rn. 58 m. w. N.; Walthelm, S. 30; Kunnert, S. 12 f.; Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/ Rill, S. 195, 207. 62 Walthelm, S. 30. 63 Wittig, S. 4.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

– Neben der erhöhten Gefahr des unwirtschaftlichen Einkaufs ergibt sich aus Vorstehendem ein weiterer Grund für die Regelungsbedürftigkeit des Vergabeverfahrens: Die öffentliche Hand verfügt bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht über eigenes Geld, sondern gleichsam treuhänderisch über Finanzmittel der Bürger, ist diesen gegenüber daher zur Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verpflichtet.64 – Die Auftragsvergabe als Mittel der Politik Oft verfolgt der Auftraggeber nicht nur sein Beschaffungsziel, sondern will gleichzeitig auch noch andere Zwecke erreichen.65 Da hier also nicht ausschließlich auf möglichst wirtschaftliche Beschaffung Wert gelegt wird, folgt daraus die Gefahr der Unwirtschaftlichkeit: Vorrangiger Zweck der staatlichen Auftragsvergabe ist zwar nicht die Wirtschaftsförderung bzw. -beeinflussung, sondern die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen für den Staat. Allerdings kann auch hier Wirtschaftslenkung intendiert sein.66 Es erfolgt daher nicht selten eine politische Einflussnahme auf den Beschaffungsprozess.67 Die Vergabe öffentlicher Aufträge wird vom Staat oft als Mittel der Wirtschaftspolitik68 eingesetzt. So wird das Beschaffungswesen zur konjunkturpolitischen Beeinflussung genutzt. Konjunkturschwankungen sollen (entsprechend dem Gedankengut von John Maynard Keynes) durch gezielte Steuerung der Beschaffungsmaßnahmen ausgeglichen werden (antizyklische Beschaffungspolitik, deren Wirksamkeit nicht unumstritten ist69). 64 Puhl, Leitsätze zur Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer vom 4. bis 6. Oktober 2000 in Leipzig, Bericht, DVBl 2000, 1751, 1757; vgl. auch Waldner, S. 22. 65 Näher dazu Walthelm, S. 31 ff.; zur Geschichte der Verfolgung sozialpolit. Zwecke mit dem Beschaffungswesen, vgl. Kunnert, S. 36 f. 66 Gusy, JA 1989, 26 f.; Bultmann, S. 93 ff. 67 Gerade in Kommunen sind die demokratischen Entscheidungsgremien oft an der Vergabe beteiligt, bzw. entscheiden darüber. Hier besteht dann oft (etwa aus regionalpolitischen Gründen) der Wunsch, eine bestimmte Entscheidung durchzusetzen, auch wenn sie nicht vergaberechtskonform ist. – Schäfer, S. 107 f. 68 Zum politischen Charakter der öffentlichen Auftragsvergabe und zur Bedarfsdeckung als Gegenstand und Mittel der Politik Wallerath, S. 140 ff. und Kunnert, S. 22 ff.; Schäfer, S. 19 ff. 69 Die Verfolgung konjunktur-, regional- oder strukturpolitischer Ziele ist vor allem von der wirtschaftswissenschaftlichen Seite erheblicher Kritik ausgesetzt, vgl. die Nachweise bei Grundmann, 5.22–5.25, Rn. 3 Fn. 8; vgl. auch Bultmann, S. 326 ff.; Kunnert, S. 40 ff.; Scherling, S. 84 f.; Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/Rill, S. 195, 327 ff.; Wallerath, S. 146 ff. Hauptproblem ist, den richtigen Zeitpunkt für die Beschaffung zu treffen. Zum einen haben Beschaffungsprojekte häufig eine lange Vorlaufzeit, zum anderen weiß man nicht exakt, in welcher Phase des Konjunkturzyklus man sich befindet. Außerdem ist die Investitionstätigkeit der verschiedenen Auftraggeber unzureichend koordiniert (Rossmann, S. 55 ff. Dazu auch

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Außerdem besteht die Tendenz des öffentlichen Auftraggebers, regionale bzw. nationale Unternehmen zu bevorzugen. Oft wird aus politischen Gründen bewusst der Auftrag an einen anderen Bieter als an den Günstigsten vergeben. Vorrangig ist hier die Bevorzugung von lokalen, regionalen und nationalen Unternehmen.70 Weiter dient die Vergabe öffentlicher Aufträge der Wettbewerbs-, der Regional- und Strukturpolitik, der Arbeitsmarkt-, Tarifvertrags- und Ausbildungsförderungspolitik, der Sozial- sowie der Umweltpolitik (sog. vergabefremde Zwecke71).72 Es besteht damit ein Zielkonflikt zwischen den zuletzt genannten politischen Zielen auf der einen und der Haushaltspolitik auf der anderen Seite. b) Unflexibler Bedarf der Beschaffungsstelle Eine weitere Besonderheit der staatlichen Marktteilnahme ist, dass beim öffentlichen Nachfrager oft ein Zwangsbedarf dadurch besteht, dass sein Bedarf nach Art, Umfang und in zeitlicher Hinsicht nur wenig disponibel ist. Die Unflexibilität rührt auch daher, dass der Bedarf schon vor Beginn des jeweiligen Haushaltsjahres durch die Vorausplanung des Haushalts anzusetzen und zu genehmigen ist.73 Der Auftraggeber kann also nur schwierig eine günstige Marktsituation abwarten, so dass das staatliche Nachfrageverhalten insgesamt als „relativ starr und unelastisch bezeichnet werden“ kann.74 Da Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/Rill, S. 195, 328 ff.; Hopfmüller, S. 7 ff.: Problematisch ist, dass Bestell- und Zahlungsrhythmus nicht übereinstimmen.). Zu den Auswirkungen öffentlicher Bauaufträge auf die Beschäftigung ausf. Rossmann, S. 23 ff.: Er untersucht ausführlich aus volkswirtschaftlicher Sicht, wie groß die Beschäftigungseffekte einer Bauinvestitionsmilliarde sind. 70 Dies liegt oft auch daran, dass die Entscheidungsträger in den Vergabestellen erheblichem Druck nicht nur durch die öffentliche Meinung (Schäfer, S. 19 ff.), sondern auch durch die heimischen Anbieter, die dort als bedeutende Arbeitgeber und Steuerzahler selbstbewusst auftreten, ausgesetzt sind – näher Rüßmann/Diedrich, in: Ranieri (Hrsg.), Die Europäisierung der Rechtswissenschaft, S. 145, 168 f. Zu den weiteren Gründen für dieses Vergabe an lokale Auftragnehmer unten bei VI. 2. b) cc) (2). 71 Vergabefremd sind diese Auswahlgesichtspunkte, weil sie nicht auftragsbezogen sind und sich nicht auf den eigentlichen Beschaffungszweck beziehen, zum Begriff näher Schäfer, S. 49 ff. 72 Ausführlich dazu und zur Zulässigkeit der Berücksichtigung vergabefremder Zwecke Wallerath, S. 156 ff.; Schardt, S. 34 ff. und Schäfer, S. 47 ff. Zum Einfluss des Legislativpaketes: Opitz, VergabeR 2004, 421. 73 Haase, S. 28 f., die weiter darauf hinweist, dass auch oft die Verwaltungsstruktur Ursache mangelnder Flexibilität ist. 74 Elverfeld, S. 43 m. w. N. Die Besonderheit des Zwangsbedarfes hält Wallerath, S. 51 für überschätzt.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

durch diesen unelastischen Zwangsbedarf eine freie willensgesteuerte Ausübung der Marktmacht erschwert wird, wird aber auch die in einigen Bereichen bestehende Marktmacht75 der staatlichen Nachfrager kompensiert.76 2. Aus diesen Besonderheiten folgende Funktionen des Vergaberechts und des Vergaberechtsschutzes a) Gründe für die Schaffung von Vergabeverfahrensrecht Aus den dargestellten Besonderheiten ergeben sich folgende Gründe für das Bedürfnis nach einem formalisierten Vergabeverfahren: aa) Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Beschaffung Wie gezeigt, unterliegt der Staat bei der Beschaffung einer erhöhten Gefahr des unwirtschaftlichen Einkaufs (zu überhöhten Kosten). Der Entscheidungsspielraum der Vergabestelle ist nicht durch den Wettbewerbsdruck begrenzt. Dieser Gefahr soll das Vergaberecht begegnen. Das formalisierte Vergabeverfahren dient dazu, den Auftraggeber zu zwingen, die Anbieter ein Modell „organisierter Konkurrenz“ durchlaufen zu lassen.77 Es soll die öffentliche Hand an das typische, wettbewerbsorientierte Verhalten eines regulären Marktteilnehmers annähern.78 Das Vergaberecht übernimmt damit die Kontroll- und Steuerungsfunktion des Wettbewerbs79, soll damit die Sparsamkeit der Haushaltsführung der öffentlichen Hand sicherstellen. Dies ist die klassische Funktion des Vergaberechts. Im Ergebnis kommt es durch 75

Zur Marktmacht der öffentlichen Auftraggeber näher im Teil 2, B. I. 4. b) dd). Elverfeld, S. 43 f. m. w. N.; Daub/Eberstein – Eberstein, Einf. Rn. 55. Daneben existieren noch zahlreiche weitere Gesichtspunkte, die bei der Auswahlentscheidung eine kritisch zu beobachtende Rolle spielen. So werden etwa in bestimmten Bereichen Aufträge auch nach Zugehörigkeit des Auftragnehmers zu einer politischen Richtung vergeben, etwa im Bereich der Vergabe juristischer Gutachtenaufträge, vgl. dazu Versteyl, NJW 2004, 1985. 77 Aicher, in: Korinek/Rill, S. 111 ff.: Je mehr Bieter an diesem Modell teilnehmen, umso niedriger wird der Preis sein, je wirtschaftlicher ist also der staatliche Einkauf. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427, 432 f. sieht darin eine Paradoxie: Die starren Regeln zur Kompensation der politischen Einflüsse und fehlenden Marktkräfte verhindern gleichzeitig einen flexiblen, marktangepassten Einkauf. Ein Privatunternehmer würde sich nicht aus wirtschaftlichen Überlegungen einem so starren Einkaufsregime unterwerfen. 78 Vgl. Wittig, S. 288. 79 Rüßmann/Diedrich, in: Ranieri (Hrsg.), Die Europäisierung der Rechtswissenschaft, S. 145, 167. 76

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die Beschaffung von Leistungen im Wettbewerb über die Mechanismen der gesetzlichen Vergabeverfahren zu erheblichen Preiseinsparungen gegenüber informellen Direktvergaben.80 Diese Kostenminimierung kommt dann auch dem Bürger unmittelbar zugute. bb) Sicherung der Wettbewerbsneutralität des Staates Mit der Sicherung des wirtschaftlichen Einkaufs dient das Vergaberecht auch dem Gebot des wettbewerblich neutralen Staates. Denn in der Vergabe eines Auftrags an ein Unternehmen, das einen höheren als den Marktpreis für eine Gegenleistung fordert, kann eine faktische Subventionierung dieses (unwirtschaftlichen) Unternehmens gesehen werden.81 Dies kann sich volkswirtschaftlich nachteilig auswirken und stellt unter Umständen einen Eingriff in die Berufsfreiheit des Konkurrenten dar.82 cc) Kompensation des Machtgefälles zwischen staatlichem Nachfrager und Bietern – Kontrolle der Nachfragemacht Der Bereich der Auftragsvergabe wird wegen des oft bestehenden Machtgefälles zwischen staatlichem Nachfrager und Bietern und der damit drohenden Beeinträchtigung der Bieterrechte der autonomen Gestaltung entzogen. Durch den formalisierten Vergabeprozess wird ein Missbrauch von Marktmacht verhindert.83

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So auch Portz, in: Schwarze, S. 119 mit Beispielen aus dem Kommunalbereich. Zu den möglichen Einsparungen durch die europaweite Öffnung der Vergabemärkte unten unter A. VI. 2. b) cc) (3). In Österreich wird bei einer konsequenten Liberalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens nach Schätzungen kurzfristig mit jährlichen Einsparungen in der Höhe von 1% des Gesamtauftragswertes gerechnet, das langfristige Sparpotential wird auf 2% des Gesamtauftragswertes geschätzt – Ziff. A 7.3 der Begründung zur Regierungsvorlage des BVergG 2002; vgl. auch Scherling, S. 79 ff. 81 Roebling, Jura 2000, 453, 454 und 456; Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 1. 82 Roebling, Jura 2000, 453, 454; BVerfGE 46, 120; Pieroth/Schlink, Rn. 815. 83 Aicher, in: Korinek/Rill, S. 111 ff.; Hattenberger, ZVB 2001, 93, 95; Mikolasch, S. 6; Latzenhofer, in: Potacs, Beiträge zum Kärntner Vergaberecht, 2000, S. 98, der dies als „rechtsstaatliches Schutzobjekt des Vergaberechts“ bezeichnet. Nach einer anderen Auffassung ist diese Funktion des Vergaberechts, die Kontrolle der Nachfragemacht, ein Klischee, das das Vergaberecht in seiner ganzen Breite nicht zu tragen vermag, Ullrich, ZVgR 2000, 115, 116.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

dd) Entscheidungslegitimation durch Verfahren Bei der Auftragsvergabe bestehen sehr viele (zumindest faktische) Entscheidungsspielräume der Vergabestelle (etwa bei Leistungsbeschreibung, Beurteilung des Bieters und der Angebote). Dort wo aber das Ergebnis der Entscheidung (zumindest faktisch) nur beschränkt objektiv überprüfbar ist, muss „Entscheidungslegitimation durch Verfahren“ sichergestellt werden.84 Dadurch wird auch das öffentliche Vertrauen in die Fairness und Richtigkeit des Beschaffungsvorgangs gestärkt.85 ee) Verhinderung von Korruption Das formalisierte Vergabeverfahren soll auch der Korruption Einhalt gebieten. Die Gefahr der Korruption ist bei der öffentlichen Auftragsvergabe im Vergleich zur Privatwirtschaft größer, da es hier – wie beschrieben – an der ökonomischen Wirtschaftlichkeitskontrolle fehlt.86 Korruption muss verhindert87 werden, da sie die Pflicht zum wirtschaftlichsten Einkauf und 84 Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/Rill, S. 195, 435 f., der von einem „dezisionistischen Übergewicht“ des Auftraggebers beim Vergabeverfahren spricht; vgl. auch Rüßmann/Diedrich, in: Ranieri (Hrsg.), Die Europäisierung der Rechtswissenschaft, S. 145, 171. 85 So ausdrücklich die Präambel des UNCITRAL-Mustergesetzes; vgl. auch Arrowsmith, in: Arrowsmith/Davis (ed.), Public procurement: global revolution, 1998, S. 3, 6 ff. 86 Zur Korruption und Korruptionsprävention bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (und den sehr großen Schwierigkeiten der Strafverfolgungsbehörden: insbes. Dunkelziffer bei 95 Prozent; Annahme von Gefälligkeiten gilt als Kavaliersdelikt) die sehr anschauliche praxisnahe Darstellung von Wiesemann, in: Ipsen, S. 105 ff. (vgl. auch S. 114 ff.); Rosenzweig, in: Ipsen, S. 100, 103 f.; Focus 30/2001, S. 49 und 52 f.; zu den (bescheidenen) Ergebnissen der Aufklärung von Korruption im Zusammenhang mit dem Bau von Müllverbrennungsanlagen in NRW, Die Zeit v. 10.7.2003, Nr. 29, S. 3. 87 Zu möglichen Präventionsmaßnahmen der Behörden gegen Korruption in ihren Reihen (Mehr-Augen-Prinzip, Transparenz, Rotation von Personal; Sensibilisierung der Beschäftigten; Grundsatz der Öffentliche Ausschreibung; Konsequente Aufsicht,. . .): Schäfer, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/ A, Syst VII, Rn. 6 ff.; Portz, ZVgR 1998, 596, 600 f.; ders. in Behördenspiegel 6/2003, S. 22 mit Abdruck des 10-Punkte-Katalogs zur Präventionsbekämpfung, der vom Deutschen Städte- und Gemeindebund herausgegeben wird. Zur Korruptionsprävention war ergänzend auf Bundesebene die Einführung eines sog. Korruptionsregisters geplant, indem alle unzuverlässigen Unternehmen registriert werden sollen. Das Vorhaben ist aber am Ende der letzten Legislaturperiode im Bundesrat gescheitert. Allerdings sind schon neue Gesetzgebungsinitiativen angekündigt. Strafrechtlich wird die Korruption bei der Auftragsvergabe vor allem über die §§ 298 ff. StGB bekämpft. Möglich ist aber auch eine Strafbarkeit wegen Untreue

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zur Gleichbehandlung der Bewerber verletzt.88 Wird ein Auftrag durch Korruption vergeben, so führt dies weiter zu einem finanziellen Mehraufwand für den öffentlichen Auftraggeber, denn der Aufwand für die Schmiergelder wird meist in den Auftragspreis eingerechnet.89 Außerdem führen Korruptionsfälle auch durch den Vertrauensverlust der Bürger in die Verwaltung und der darauf folgenden „Staatsverdrossenheit“ zu einem immateriellen Schaden.90 ff) Ausgleich der fehlenden Marktkenntnis der Vergabestelle Die Durchführung des Vergabeverfahrens (in Form der öffentlichen Ausschreibung) soll auch die oft fehlende Marktkenntnis der Beschaffungsstelle über das ausgeschriebene Produkt ausgleichen.91 Außerdem spricht für die Schaffung von Vergabeverfahrensrecht auch das organisationswirtschaftliche Argument, dass bei ständig wiederkehrenden Vorgängen in größeren Organisationseinheiten standardisierte Regeln über das Vorgehen benötigt werden.92 Insgesamt hat daher das Vergaberecht viele Funktionen und sieht sich daher hohen Erwartungen ausgesetzt. Es muss den obigen Fehlentwicklungen vorbeugen, darf aber eine zügige Beschaffung nicht verhindern. Ob das Vergaberecht dem gerecht werden kann, ist eine andere, später zu erörternde Frage. b) Funktion der Einräumung von Vergaberechtsschutzmöglichkeiten Der Vergaberechtsschutz hat das Ziel, für die Durchsetzung des Vergabeverfahrensrechtes zu sorgen.93 Das Vergaberecht wird nur beachtet, die dar(§ 266 StGB) oder etwa Geheimnisverrat (§ 203 II StGB) – näher, Schäfer, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst VII, Rn. 23 ff. 88 Pietzcker, Der Staatsauftrag, S. 251 f. Es ist auch auf § 2 Nr. 2 VOL/A und § 2 Nr. 2 VOB/A zu verweisen, wonach unlautere bzw. ungesunde Begleiterscheidungen des Wettbewerbs von der Vergabestelle zu bekämpfen sind. 89 Nach einer Schätzung des Oberstaatsanwalts Schaupensteiner verliert der Staat allein bei öffentlichen Bauaufträgen 5 Milliarden Euro im Jahr. Zu den volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden durch Korruption vgl. auch Schäfer, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst VII, Rn. 4 f. 90 Vgl. Mitteilung der Kommission „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union“ v. 11.3.1998, KOM (98) 143, S. 1. 91 Pietzcker, Der Staatsauftrag, S. 251. 92 Gast, S. 2. 93 Durchsetzbare Rechte im Vergaberecht erhöhen auch die Intensität des Bieterwettbewerbs: Ist der Bieter nicht schutzloses Objekt eines für ihn intransparenten

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

gestellten, damit verbundenen Ziele94 nur erreicht, wenn die Bieter eine hinreichend effektive Möglichkeit haben, das Vergabeverfahrensrecht durchzusetzen.95 Aus der beschriebenen großen Bedeutung des Vergabeverfahrensrechtes folgt damit auch die große Wichtigkeit des Vergaberechtsschutzes. Die soeben angesprochene Funktion der Durchsetzung des materiellen Rechts haben allgemein alle Rechtsschutzvorschriften, also auch aus anderen Bereichen der Rechtsordnung. Allerdings ist im Bereich des Öffentlichen Auftragswesens diese Durchsetzungsfunktion des Rechtsschutzes besonders wichtig. Denn ein Charakteristikum des Öffentlichen Auftragswesens ist traditionell die Kluft zwischen Vergabe(verfahrens)recht und Vergabepraxis.96 In der Vergangenheit ist das Vergaberecht von vielen Auftraggebern einfach (z. T. vollständig) ignoriert worden. Aufträge wurden ohne Ausschreibung an „Hoflieferanten“ aus der Region bzw. dem Land des Auftraggebers vergeben.97 Stehen den Bietern aber Möglichkeiten zur Verfügung, das Vergabeverfahrensrecht durchzusetzen, so kann diese Kluft verkleinert werden. Dafür, dass im Vergabebereich diese Kluft zwischen Recht und Praxis erheblich größer98 ist als in anderen Rechtsgebieten gibt es verschiedene Ursachen: Eine Ursache dafür ist die mangelnde Akzeptanz des Vergaberechts bei den öffentlichen Auftraggebern.99 Viele Vergabestellen sehen es als wichtigste Frage an, wie sie den Regeln des Vergaberechts entkommen können.100 Für diese Umgehungsabsicht gibt es verschiedene Gründe. Oft will Vergabeverfahrens beteiligt er sich eher am Vergabewettbewerb. – 3. und 4. Erwägungsgrund der RL 89/665; vgl. auch Büchl, S. 5 und 52; Rüßmann/Diedrich, in: Ranieri (Hrsg.), Die Europäisierung der Rechtswissenschaft, S. 145, 169 f. 94 Der Vergaberechtsschutz dient damit nicht nur dem Unternehmen zur Erhaltung seiner Zuschlagschance, sondern eine möglichst effektive Überprüfung von öffentlichen Auftragsvergaben liegt auch im Interesse des Auftraggebers bzw. des Staates, da mit einer rechtswidrigen Vergabe zumeist zu teuer eingekauft wird, vgl. die Gesetzesbegründung zu 106 I, BT-Drs. 13/9340 und Höfler, Anm. zu VK Bund v. 29.4.1999, ZVgR 1999, 75. 95 Dazu auch unten näher A. VI. 2. b) dd). 96 Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427, 431 ff. 97 Näher Schäfer, S. 29 ff., der zu Recht deutlich macht, dass dies europaweit so der Fall war. Sehr gut veranschaulicht ist dies dort durch den Ausspruch eines Unternehmers: „We don’t need engineers to break into Europe’s public market, we need lawyers.“ Eine instruktive Darstellung der tatsächlichen Vergabepraxis findet sich bei Schäfer, S. 81 ff. 98 So die Einschätzung von Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427, 431 f. 99 Dazu auch im Teil 5, B. II. 100 Vorrangige Frage für die Mitarbeiter der Vergabestellen (auch bei Seminaren und Weiterbildungsmaßnahmen) ist oft, wie sie den Anwendungsbereich der Richtlinien legal umgehen können (Frank, S. 236). Auch Zourek, Stv. Generaldirektor

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der Auftraggeber unzulässigerweise lokale Anbieter bevorzugen oder vergabefremde Gesichtspunkte101 berücksichtigen. In vielen Fällen sollen auch die Vorschriften der europaweiten Vergabe (oberhalb der Schwellenwerte) umgangen werden, da die Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte weniger aufwendig sind.102 Weiter besteht das Interesse, durch Nichtanwendung der offenen oder beschränkten Ausschreibung das bei diesen Vergabeverfahrensarten bestehende Nachverhandlungsverbot zu vermeiden. So wird zu häufig das Verhandlungsverfahren angewandt. Die Vergabestellen sind nämlich weitgehend der Ansicht, über Preisverhandlungen einen günstigeren Preis zu erreichen als über eine bloße öffentliche Ausschreibung.103 Es fehlt bei den Vergabestellen oft das Bewusstsein der Vorteile eines möglichst breiten Wettbewerbs104 und es wird an den beschriebenen105 Einsparmöglichkeiten gezweifelt.106 Oft sind die Mitarbeiter der Vergabestellen bei der Generaldirektion „Markt“ der EG-Kommission, sieht diese Umgehungsabsicht als eine der Konstanten im Bereich des Vergaberechts an, in: forum vergabe 2000 – Badenweiler Gespräche, 2000, S. 73, 75. Deshalb wird das Vergaberecht auch als „Vermeidungsrecht“ bezeichnet, vgl. Rüßmann/Diedrich, in: Ranieri (Hrsg.), Die Europäisierung der Rechtswissenschaft, S. 145, 166 m. w. N. 101 Dazu bereits ausführlich unter A. IV. 1. Zu den Gründen für dieses Verhalten und unten bei VI. 2. b) cc) (2). 102 Zu den Erleichterungen unterhalb der Schwellenwerte im Teil 4, B. III. Eine Strategie zur Erreichung dieses Ziels ist, dass der Auftrag nicht nach Verdingungsordnung für Leistungen ausgenommen Bauleistungen (VOL), sondern nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) ausgeschrieben wird, da dort höhere Schwellenwerte gelten [näher zu den Verdingungsordnungen unten – A. VI. 3. c) dd) (3)]. 103 Dazu Rosenzweig, in: Ipsen, S. 100, 101 f.; vgl. die Diskussion bei der Tagung des Forum Öffentliches Auftragswesen, abgedruckt in Ipsen, Teil 1 der Diskuss. (S. 59 ff., insbes. 61 f. und 65 f.) und Teil 3 der Diskuss. (S. 110 ff.). Weiterer Grund für die (rechtswidrige) Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ist, dass oft Haushaltsmittel noch im Haushaltsjahr verbraucht werden müssen. Wegen des Zeitdrucks wird dann oft auf die zeitaufwendige Ausschreibung verzichtet. Häufig sind die Vergabestellen auch mit der Öffentlichen Ausschreibung überfordert. Diese verlangt nämlich eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibungen. Die dafür erforderlichen Fachkenntnisse sind oft nicht vorhanden – Wallerath, S. 56 f.; Schäfer, S. 108. 104 Frank, S. 20. 105 Dazu oben unter A. IV. 2. a) und VI. 2. b) cc) (3). 106 So liegen nach Auffassung eines Vertreters der Auftraggeber für den Bereich der Energieversorgungsunternehmen die Beschaffungskosten bei Beachtung der Vergaberegeln um ca. 20–30% höher als bei nicht reglementierter Vergabe. Er führt dies vor allem zurück auf die durch den höheren Arbeitsaufwand ansteigenden Personalkosten – Wölfel, in: forum vergabe 2000 – Badenweiler Gespräche, 2000, S. 91, 93. Dem widerspricht unmittelbar Zourek aus der Sicht der EU-Kommission. Er bekräftigt deren Einschätzung, dass die Beachtung der Vergaberegeln zu Kosteneinsparungen führe (Zourek, in: forum vergabe 2000 – Badenweiler Gespräche, 2000, S. 99).

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

aber auch einfach nicht ausreichend ausgebildet, um anhand des komplizierten Vergaberechts ein fehlerfreies Beschaffungsvorhaben durchzuführen.107 Weitere Ursache für die Kluft zwischen Vergaberecht und Vergabepraxis war die lange Zeit fehlende Möglichkeit von Gerichtsschutz, so dass für die Praxis die Notwendigkeit fehlte, Vergaberecht und Vergabepraxis in Einklang zu bringen.108

V. Überblick über die historische Entwicklung des Vergaberechts Die Struktur des heute geltenden Vergaberechts ist nur vor dem Hintergrund des historisch gewachsenen Vergaberechts verständlich.109 Daher soll die Entwicklung des Vergaberechts im Überblick kurz dargestellt werden. Seit es organisierte Staatswesen gibt, werden auch öffentliche Aufträge vergeben.110 Ansätze eines Vergabewesens finden sich etwa bereits in der römischen „licitatio“111. Dabei wurde beim Bau von Tempeln, Wasserleitungen und Kloaken sowie anderen, der Öffentlichkeit dienenden Projekten, von einem vorgegebenen Preis ausgegangen und dann nach unten „lizitiert“.112 Die Angebotsabgabe erfolgte öffentlich, vergleichbar mit einer mündlichen Versteigerung. Die Bieter unterboten sich so lange, bis das niedrigste Angebot festgestellt wurde, das dann auch den Zuschlag erhielt.113 Im 17 Jh. war dann die Durchführung eines formalisierten Vergabeverfahrens bei den von der öffentlichen Hand vergebenen Aufträgen bekannt und allgemein üblich.114 Zu dieser Zeit fanden sich Vergaberegelungen 107 Diesen Befund bestätigt auch die empirische Untersuchung „Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe – Anspruch und Realität“, dazu Monatsinfo forum vergabe e. V. 11/2003, 173; Bartl, Rn. 48. 108 Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427, 432. 109 So auch Hermes, JZ 1997, 909, 910. 110 Langer, S. 1. 111 Licitatio (lat.) = Das Bieten. 112 Langer, S. 1; Huber, in: Fruhmann/Gölles, u. a., BVergG, 2. Aufl., S. 9. 113 Waldner, S. 28; dazu näher auch Walthelm, S. 58 f. Die Versteigerung als Allokationsmechanismus ist heute noch aktuell bei der Versteigerung von Mobilfunklizenzen (Stichwort UMTS; zu den entsprechenden verfassungsrechtl. Fragen ausf. Selmer, NVwZ 2003, 1305) und von Emissionslizenzen. Zu verschiedenen Möglichkeiten der Verteilung knapper öffentlicher Güter und der (auch verfassungs-)rechtlichen Zulässigkeit des Höchstgebotsverfahrens: Faber, GewArch 2002, 264 ff.; Leist, Versteigerungen als Regulierungsinstrument, Berlin 2004; vgl. auch Ritgen, AöR Band 127 (2002), 351, 372 ff.; Helmedag, WuW 2004, 1000. Auch für die Vergabe öffentlicher Aufträge erlangen Versteigerungen über Internetauktionen zunehmend an Bedeutung – vgl. näher bei A. VI. 3. c) dd) (2) (c).

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auch bereits in den Bauinstruktionen deutscher Städte.115 Die Auftragsvergabe fand auch hier in der Regel durch die sog. Lizitation statt. Wegen der bei der Lizitation auftretenden Schwierigkeiten – oft wurden in der „Hitze“ der mündlichen Verhandlung unüberlegte oder unvollständige Angebote abgegeben, die dann im Ergebnis zu minderwertigen Leistungen führten116 – ging man Mitte des 19 Jh. zum Submissions117verfahren über.118 Dieses hatte mit der schriftlichen Angebotsabgabe und der Geheimhaltung dieser Angebote schon große Ähnlichkeit119 mit dem noch heute üblichen Verfahren. Das Submissionsverfahren hatte im Vergleich zur Lizitation den Vorteil, dass es größeren Wettbewerb eröffnete, da die persönliche Anwesenheit bei der Vergabe (bei der damaligen Verkehrssituation) nicht mehr erforderlich war.120 Die Verdingungsordnungen von Bayern (1833) und Preußen (1834)121 sahen daher als Prinzip die öffentliche und schriftliche Ausschreibung vor.122 Bis Anfang des 20. Jh. war das Verdingungswesen in Länderverordnungen geregelt,123 es war also ein Zustand der Rechtszersplitterung im Vergabewesen zu verzeichnen. Wegen des Bedürfnisses einer reichseinheitlichen Regelung wurde 1921124 im Reichstag ein Antrag auf Einbringung eines Reichsverdingungsgesetzes gestellt.125 Allerdings scheiterte dieser Antrag 114 Glahs, in: Reidt/Stickler/Glahs, Einl. Rn. 1 m. w. N.; vgl. auch Riese, S. 2 ff. m. w. N. 115 Vgl. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 97 Rn. 139 und Huber, in: Fruhmann/Gölles, u. a., BVergG, 2. Aufl., S. 9 f. 116 Huber, Das Submissionswesen in Deutschland, 1907, S. 19: „Unzweifelhaft wird durch die Lizitation, das mündliche Unterbieten, die billigste Forderung ermittelt; aber man ist allseits davon abgekommen, weil die persönliche Leidenschaft der Bieter, die Aufregung des Augenblicks, die Kürze der Zeit die reifliche Überlegung beschränkt.“ – zit. nach Noelle, NZBau 2002, 197, 198; dazu auch Waldner, S. 28. 117 Submission kommt vom lateinischen „submittere“ und kann im vorliegenden Zusammenhang mit „(ein Angebot) vorlegen“ oder aber auch mit „sich unterwerfen“ übersetzt werden – A. Huber, in: Fruhmann/Gölles, u. a., BVergG, 2. Aufl., S. 12. 118 Glahs, in: Reidt/Stickler/Glahs, Einl. Rn. 1 m. w. N.; Waldner, S. 28. 119 Es stellte allerdings anfangs für die Auswahl des erfolgreichen Angebotes allein auf das Kriterium des niedrigsten Preises ab. Die nachteiligen Erfahrungen, die man damit machte, führten dazu, dass dies in den zeitlich folgenden Vergaberegelungen geändert wurde (dazu Waldner, S. 29). So war ab 1885 in Preußen nicht mehr das niedrigste, sondern das wirtschaftlichste Angebot erfolgreich – Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 97 Rn. 100; Riese, S. 3; vgl. auch Walthelm, S. 59. 120 Noelle, NZBau 2002, 197, 198. 121 Einen Überblick über den Inhalt der seit 1889 in Köln geltenden Vergabeordnungen gibt Jagenburg, BauR 1989, 17. 122 Nach Walthelm, S. 59 war aber auch noch das Lizitationsprinzip vorgesehen. 123 Glahs, in: Reidt/Stickler/Glahs, Einl. Rn. 1.

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an der Überzeugung der Abgeordneten, dass die Vergabe von Bauaufträgen durch die öffentliche Hand nicht der hoheitlichen Tätigkeit zuzuordnen sei, sondern der Staat hier ebenso wie eine Privatperson tätig werde. Schon hier wurde also die Weiche zur späteren Ausgestaltung des Vergaberechts als reines Innenrecht gestellt.126 Außerdem war auch die Praxis daran interessiert, anstatt einer gesetzgeberischen Regelung eine durch die Praxis selbst geschaffene Vergaberegelung (private Regelbildung) zur Geltung zu bringen.127 Daher wurde die Reichsregierung ersucht, einen Ausschuss zu bilden, der für die öffentliche Auftragsvergabe einheitliche Regelungen für Reich und Länder schaffen sollte. Der daraufhin eingesetzte Reichsverdingungsausschuss, der sich aus Vertretern der Auftraggeber- und Auftragnehmerseite zusammensetzte, schuf die Verdingungsordnungen. 1926 verabschiedete er zuerst die für vordringlich gehaltene Verdingungsordnung für Bauleistungen, die vom Reichsfinanzminister als Dienstvorschrift eingeführt wurde128, 1932/36129 die Verdingungsordnung für sonstige Leistungen. Sie unterscheiden also erstmals130 nach Auftragsgegenständen. Die Gründe, warum für die verschiedenen Auftragsarten zwei selbstständige parallel geltende Regelungen geschaffen wurden, lassen sich heute nicht mehr zweifelsfrei nachvollziehen. Man wollte wohl für die mit zahlreichen Eigenarten beschaffenen Bauaufträge spezifische Sonderregelungen schaffen.131 Die hier eingeführte Trennung dieser Bereiche wirkt auch heute noch fort. Nach der Zeit des Nationalsozialismus, in der die Verdingungsordnungen durch den 1936 allgemein eingeführten Preisstopp faktisch außer Kraft gesetzt und durch ein Selbstkostenpreissystem ersetzt worden waren132, übernahmen 1947 der Deutsche Verdingungsausschuss für Bauleistungen (DVA) und der Deutsche Verdingungsausschuss für Leistungen – ausgenommen Bauleistungen die Weiterentwicklung der Verdingungsordnungen.133 Beide Verdingungsausschüsse waren nach wie vor private Gremien, die sich aus Vertretern der Auftraggeber- und der Auftragnehmerseite zusammensetzten. 124 Zu früheren Bestrebungen, die wegen des 1. Weltkrieges scheiterten, Waldner, S. 30 m. w. N. und Rittner, Rn. 21. 125 Dazu auch Waldner, S. 30 m. w. N. 126 Glahs, in: Reidt/Stickler/Glahs, Einl. Rn. 1 m. w. N. 127 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 33. 128 Näher Walthelm, S. 60. 129 Der Teil B der VOL wurde bereits am 1.11.1932 eingeführt, während dies für Teil A erst am 1.4.1936 erfolgte – Walthelm, S. 60 m. w. N. 130 Daub/Eberstein – Eberstein, Einf. Rn. 9. 131 Näher zur Differenzierung nach Auftragsarten, Walthelm, S. 70; Daub/Eberstein – Eberstein, Einf. Rn. 11. Die Aufteilung nach Auftragsarten war nach Pietzcker, Der Staatsauftrag, S. 240 m. w. N. „historischer Zufall“. 132 Dazu Rittner, Rn. 24. 133 Waldner, S. 31; zum Preisrecht nach 1945 vgl. Rittner, Rn. 25 ff.

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Eine breitere gesetzliche Verankerung des Vergaberechts existierte in Deutschland bis 1994 jedoch nicht. Es sind zwar immer wieder Forderungen nach einer gesetzlichen Regelung erhoben worden. Diese konnten sich aber nicht durchsetzen.134 Nur im öffentlichen Haushaltsrecht fanden sich einige gesetzliche Vorschriften über die Auftragsvergabe. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, vor dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen, eine Ausschreibung durchzuführen, in § 55 I BHO bzw. in den Landeshaushaltsordnungen geregelt. Nach § 55 II BHO ist beim Abschluss dieser Verträge nach einheitlichen Richtlinien zu verfahren.135 Als solche wurden die Vorschriften der Verdingungsordnungen verstanden. Motor bzw. Katalysator136 für die dann folgende dynamische Fortentwicklung des Vergaberechts war das Europarecht. Zum einen durch die Regelungen des EG-Vertrages, insbes. der Grundfreiheiten und des Diskriminierungsverbotes (und der dazu ergangenen Rspr. des EuGH), vor allem aber durch die sukzessive geschaffenen Vergaberichtlinien. Letztere verhalfen dem Primärrecht erst zu Geltung, stellten das Vergaberecht in den Dienst der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten und des europarechtlichen Diskriminierungsverbots.137 Da die hier angesprochenen europäischen Regelungen heute noch gelten, sollen sie nicht hier – im historischen Rückblick –, sondern im Folgenden bei den gegenwärtigen Rechtsquellen des Vergaberechts dargestellt werden.

VI. Überblick über die gegenwärtigen Rechtsquellen des Vergaberechts Das Vergaberecht besteht aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Rechtsquellen. Zu unterscheiden sind völkerrechtliche Normen, gemeinschaftsrechtliche Regelungen und nationale Normen. 1. Rechtsquellen auf internationaler Ebene a) Government Procurement Agreement (GPA) Zu den wesentlichen Rechtsquellen auf globaler Ebene gehört das im Rahmen der Uruquay-Runde ausgehandelte WTO-Beschaffungsübereinkom134

Kunert, S. 140; vgl. dazu auch Pietzcker, in: Ipsen, S. 43. Näher Teil 4, B. 136 Faber, DÖV 1995, 403, 404. 137 H.-U. Gallwas, VergabeR 2001, 2, 3, der durch die Vergaberichtlinien von einer „kopernikanischen Wende“ spricht. 135

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men (Government Procurement Agreement GPA138) vom 15.4.1994, das am 1.1.1996 in Kraft trat. Es löst das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen v. 12.4.1979139 (= GATT-Vergabekodex140) ab, dessen Regelungen durch das GPA enorm erweitert wurden. Als Vorbild für das GPA galten die europäischen Vergaberichtlinien, die zum Teil141 wörtlich in das GPA übernommen wurden und so – mit einigen Einschränkungen – weltweite Geltung erlangten.142 Es erfasste im Jahre 1996 ungefähr ein Marktvolumen von 450 Mrd. ECU.143 Dem GPA sind bisher 27 Staaten beigetreten. Für die Staaten der Gemeinschaft hat die EU das Abkommen signiert.144 Es hat für die europäischen Unternehmen herausragende Bedeutung, da es ihnen Zugang zu den großen Beschaffungsmärkten der Vertragspartner USA und Japan sichert.145 Das GPA schafft für die Unternehmen aus dem Signatarstaat insbesondere Ansprüche auf Inländergleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz.146 Bewerber aus Staaten, die das GPA unterzeichnet haben147, 138 Englischer Text: Abl. EG 1994 Nr. L 336, S. 273 ff.; Quellen in Deutsch (authentisch sind nur die englische, die französische und die spanische Fassung, vgl. Art. XXIV Abs. 15 GPA) u. a. in: ABl. EG Nr. C 256 vom 3.9.1996, S. 1 ff.; Beck’sche Textausgaben, Die Welthandelsorganisation (WTO), 1998, Nr. 23, S. 495 ff. Bei Kunnert, S. 489 ff. findet sich eine nichtamtliche eigene Übersetzung, die in Auszügen auch die Anlagen umfasst. Kritisch dazu, dass das gesamte GPA noch nicht auf deutsch im BGBl veröffentlicht wurde: Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 124 Fn. 227, vgl. auch Griller, in: Rill/Griller, S. 79, 138 f. 139 Ausgehandelt im Rahmen der Tokio-Runde; In-Kraft-Treten am 1.1.1981. 140 Dt. Text: Abl. EG Nr. L 71/44 v. 17.3.1980 (Berichtigung Abl EG 1981 L 281, 19); weitere Quellen bei Kunnert, S. 2 Fn. 7; näher zu diesem Abkommen: Kunnert, S. 89 ff.; Schwarzer, in: Korinek/Rill, S. 39 ff.; Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/Rill, S. 195, 226 ff.; Arrowsmith, in: Arrowsmith/Davis (ed.), Public procurement: global revolution, 1998, S. 3, 12 ff. 141 Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen RL und GPA: Fruhmann, ecolex 1996, 64, 65 ff.; Frank, Teil E. und H. Den Inhalt von GPA, NAFTA, EG-Recht, UNCITRAL-Mustergesetz, US-amerikanischem-, deutschem und französischem Vergaberecht, der Richtlinien der Weltbank und der KfW vergleicht Haase, S. 93 ff. im Hinblick auf Vergabearten und Vergabeverfahren. 142 Daub/Eberstein – Eberstein, Einf. Rn. 49; Schwarze, EuZW 2000, 133, 134 m. w. N. 143 So Berechnungen der Europäischen Kommission, Grünbuch der EG-Kommission „Das Öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union – Überlegungen für die Zukunft“ KOM 96, 583 v. 27.11.1996, S. 58; vgl. auch Schwarze, EuZW 2000, 133, 134; Meyer, in: Schwarze, S. 47; zu anderen Schätzungen Kunnert, S. 363 f. und Fruhmann, ecolex 1996, 64, 67. 144 Zu den Außenkompetenzen der Gemeinschaft in Bezug auf das Vergaberecht, Prieß in Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst I, Rn. 72 ff.; Prieß, EuZW 1997, 391, 392. 145 Prieß, Hdb. d. europ. Vergaberechts, S. 30 f.

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sind bei Vergabeverfahren wie Bewerber aus Mitgliedstaaten der EU und des EWR zu behandeln.148 An der Fortentwicklung des WTO-Vergaberechts (GPA) wird stetig gearbeitet.149 b) UNCITRAL-Mustergesetz150 Die in Wien ansässige Kommission der Vereinten Nationen für Internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law, UNCITRAL151) hat am 16.7.1993 das „Mustergesetz über die Beschaffung von Waren und Bauleistungen“ (Model Law on Procurement of Goods and Construction) angenommen.152 1994 wurde eine weitere Fassung des Mustergesetzes beschlossen, das auch den Dienstleistungsbereich erfasst.153 Die danach konsolidierte Textfassung154 bedeutet aber keine Ablösung des Mustergesetzes von 1993, sondern Letzteres soll auch für sich genommen weiterhin herangezogen werden.155 146

Meyer, in: Schwarze, S. 47 ff.; Griller, in: Rill/Griller, S. 79, 82 f. Zum Inhalt des GPA: Prieß, Hdb. d. europ. Vergaberechts, S. 31 ff.; Scheuer, RiA 2000, 271, 272 f.; Fruhmann, ecolex 1996, 64 ff.; Griller, in: Rill/Griller, S. 79, 80 ff.; Prieß in Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst I, Rn. 101 ff.; Büchl, S. 19 ff.; Meyer, in: Schwarze, S. 47 ff.; zum WTO-Vergaberecht insgesamt, vgl. Kunnert, S. 63 ff. 147 Vertragspartner sind etwa die USA, Kanada, Israel, Korea, Norwegen. Zu weiteren Mitgliedern und solchen Staaten mit Beobachterstatus vgl. Schwarze, EuZW 2000, 133, 134 und Prieß, Hdb. d. europ. Vergaberechts, S. 31 Fn. 149. 148 Schaller, RiA 2000, 130. 149 Den gegenwärtigen Stand der Gesprächsrunden im GPA-Ausschuss für das öffentliche Beschaffungswesen wurde zuletzt vom WTO-Sekretariat in einem Dokument vom 28.10.2004 zusammengefasst – vgl. Monatsinfo forum vergabe e. V., 11/ 2004, S. 185. Zu neuen Entwicklungen auf WTO-Ebene auch – Monatsinfo forum vergabe e. V. 12/2001, S. 166 und 1/2002, S. 183 f. 150 Dazu ausf. Kunnert, 435 ff. und Haase, S. 58 ff. und 81; aus dem englischsprachigen Raum: Hunja, in: Arrowsmith/Davis (ed.), Public procurement: global revolution, 1998, S. 97 ff. 151 Allg. zur UNCITRAL, Kunnert, S. 535. 152 Zu den Fundstellen des Mustergesetzes und des dazu auf derselben Tagung angenommenen Handbuchs, Kunnert, S. 438. 153 Dazu wurde ein Kapitel IV an den bisherigen Text angefügt – zu weiteren Neuerungen Kunnert, S. 439. 154 Engl. Text: Official Records of the General Assambly, Fourty-ninth Session, Supplement No 17, (A/49/17) Annex I, 58 bis 96, abgedruckt auch bei Adolphsen, UNCITRAL-Modellgesetz, 1996, 295–342. Auch zur Fassung von 1994 wurde ein begleitendes Handbuch angenommen: Procurement – Guide to Enactment of UNCITRAL Model Law on Procurement of Goods, Constructions and Services, UN Doc A/CN.9/403 (18.8.1994). 155 Kunnert, S. 439.

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Die beiden Mustergesetze entfalten keine rechtsverbindliche Wirkung, sondern dienen als Vorlage bzw. Arbeitshilfe für den nationalen Gesetzgeber.156 Das Mustergesetz weist im Vergleich zum GPA eine höhere Regelungsdichte auf.157 Die Kommission der Vereinten Nationen für Internationales Handelsrecht beschäftigt sich in Ihrer regelmäßig tagenden Arbeitsgruppe I (Procurement) nach wie vor mit der Weiterentwicklung und Adaption ihres UNCITRAL-Mustergesetzes. c) Vergaberegeln internationaler Organisationen In Bezug auf das öffentliche Auftragswesen auf globaler Ebene ist weiter zu erwähnen, dass einige internationale Organisationen158 nach festgelegten Regeln beschaffen.159 Erwähnenswert erscheint weiter, dass bei der Vergabe von Aufträgen, die durch Darlehen der Weltbank mitfinanziert werden, der Darlehensempfänger zur Beachtung der Vergaberichtlinien der Weltbank verpflichtet ist.160 d) Weitere internationale Abkommen auf regionaler Ebene Auf regionaler Ebene hat die NAFTA (North American Free Trade Association) eine Vereinbarung geschlossen, die auch ein Kapitel über die Marktöffnung bei öffentlichen Aufträgen enthält.161 Ähnliche (noch nicht so weit fortgeschrittene) Tendenzen sind bei der APEC (Asian Pacific Economic Association) zu beobachten.162 Weiterhin existiert auch im Bereich des öffentlichen Auftragswesens vornehmlich von der UN geschaffenes sog. völkerrechtliches soft law.163 156 Kunnert, S. 439 f.; zu den möglichen Auswirkungen des Mustergesetzes auf die deutsche Rechtslage, Adolphsen, UNCITRAL-Modellgesetz, 1996. 157 Zum Inhalt und zu den Unterschieden Kunnert, S. 444 ff. Ein von der OECD erstellter (englischsprachiger) Vergleich zwischen Modellgesetz und Europäischen Vergaberichtlinien ist abgedruckt in der Public Procurement Law Review 2000, 287. 158 Z. B. die UNO (Beschaffungsvolumen ca. 12 Mrd. Dollar), das Kernforschungszentrum in Genf (CERN) und das internationale Rote Kreuz. 159 Diese stimmten oft mit den in Deutschland geltenden Grundprinzipien des öffentlichen Auftragswesens überein, dazu Meyer, in: Schwarze, S. 47, 52; Ullrich, VergabeR 2002, 331 ff. 160 Haase, S. 72 ff. (dort auch zu den Richtlinien der Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW). 161 Im Bereich des öffentlichen Auftragswesens besteht hier eine große Parallelität zwischen GPA und NAFTA Vertrag – näher Haase, S. 49 f., 58 und 80 (zum Verhältnis von NAFTA zum GPA, S. 86). 162 Näher bei Meyer, in: Schwarze, S. 47, 53; Arrowsmith, in: Arrowsmith/Davis (ed.), Public procurement: global revolution, 1998, S. 3, 12.

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Auf die Regelungen der EU, als regionale Freihandelszone, soll im Folgenden eingegangen werden. 2. Europarechtliche Vorgaben – Überblick über die Gemeinschaftsvorschriften für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen Den rechtlichen Rahmen für öffentliche Aufträge schaffen im Bereich des EG-Rechts die Grundfreiheiten des EG-Vertrages und die im Vergabebereich erlassenen Richtlinien. Gerade letztere Richtlinien waren der entscheidende Motor für die Fortentwicklung des Vergaberechts in den Mitgliedstaaten, insbesondere auch in Deutschland. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte hat sich auf europäischer Ebene inzwischen ein vollständiges System von Richtlinien zur Regelung des Vergaberechts herausgebildet.164 Darüber hinaus hat die EG im Verhältnis zu Drittstaaten neben dem schon erwähnten GPA weitere Abkommen geschlossen (das EWR-Abkommen165, Europaabkommen, bilaterale Marktöffnungsabkommen und auch Assoziierungsabkommen), die für die vorliegende Arbeit aber nicht von Interesse sind.166 Gleiches gilt für die Vergaberegeln, an die die Organe der Gemeinschaft selbst gebunden sind.167 Im Folgenden wird zunächst der Einfluss des europäischen Primärrechts auf die Auftragsvergabe erörtert. Im Anschluss ist ein Überblick über die Vergaberichtlinien zu geben. Danach werden die Gründe dargestellt, warum sich die EG zum Erlass der Richtlinien und damit für die unionsweite Öffnung der mitgliedsstaatlichen Beschaffungsmärkte entschloss. a) Europäisches Primärrecht Das öffentliche Auftragswesen findet im Primärrecht ausdrücklich kaum eine Verankerung.168 Nur im XVIII. Titel „Forschung und technologische 163

Näher Haase, S. 51 f. Boesen, EuZW 1998, 551. 165 ABl. 1994 L 1 und Abl. 1995 L 140/30; zuletzt geändert am 8.6.2004, Monatsinfo forum vergabe e. V., 12/2004, S. 202; näher zum Abkommen auch: Prieß, Hdb. d. europ. Vergaberechts, S. 23 f.; Hailbronner, in: Ipsen, S. 19, 39. 166 Dazu im Einzelnen Meyer, in: Schwarze, S. 47, 53 ff.; Frank, S. 263 ff.; Prieß, Hdb. d. europ. Vergaberechts, S. 23 ff.; ders., in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst I, Rn. 81 ff. 167 Ausf. Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 265 ff. (S. 293 ff. zu den Rechtsschutzmöglichkeiten). 164

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Entwicklung“ ist das öffentliche Auftragswesen in Artikel 163 II EG n. F. („Öffnen des einzelstaatlichen öffentlichen Auftragswesens“) erwähnt. Dies geschieht allerdings nur mittelbar im Zusammenhang mit der Bereitschaft der Gemeinschaft, „Zusammenarbeitsbestrebungen“ von Unternehmen auf dem Gebiet der Forschung und technologischen Entwicklung zu fördern.169 Art. 183 Nr. 4 sieht die gleichberechtigte Teilnahme von Bewerbern aus den MS und aus assoziierten überseeischen Gebieten an Ausschreibungen der Gemeinschaft vor.170 Aber auch wenn der EG-Vertrag nicht direkt das Vergaberecht erfasst, so bietet er doch vor allem mit den Grundfreiheiten und dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG eine Grundlage für die Liberalisierung des öffentlichen Auftragswesens171: Von den Grundfreiheiten sind vor allem die Waren-172, Niederlassungs-173 und Dienstleistungsfreiheit174 einschlägig,175 wobei die Abgren168 Zu den Gründen dafür vgl. Öhler, S. 42 m. w. N. und Schwarze, EuZW 2000, 133, 134 m. w. N. und Büchl, S. 11 (Zur Zeit der Entstehung der EWG wollten die Mitgliedsstaaten an ihren protektionistischen Praktiken und an der Verfolgung vergabefremder Ziele festhalten.). 169 Alber, in: Schwarze, S. 141, 142; vgl. auch Waldner, S. 39. 170 Wegen der Bedeutung des Vergaberechts als Kernbereich des Binnenmarkts für einen eigenen Abschnitt des Vergaberechts im EG-Vertrag: Dreher, EuZW 1998, 197, 202 f. 171 Allerdings sind Beschaffungen von Rüstungsgütern (Verteidigungssektor) und andere Aufträge, die Sicherheitsinteressen der MS tangieren, nach dem eng auszulegenden Art. 296 I lit. b EG von vornherein von der Anwendung europäischen Rechts ausgenommen, Zu den Gründen dafür und den hier geltenden Sonderregelungen: Schwarze, EuZW 2000, 133, 135 und Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 309 ff. Zum Einfluss des Legislativpakets der EG auf die Beschaffung im Rüstungsbereich, Trybus, Public Procurement Law Review 2004, 198. 172 Verstöße gegen die Warenverkehrsfreiheit hat der EuGH mehrfach bejaht: EuGH v. 20.3.1990, EuZW 1990, 228 f. = Slg. 1990, I-889 Dupont de Nemours; EuGH, Slg. 1988, 4929, Kommission/Irland. Weitere Beispiele aus der Rspr. des EuGH bei Hailbronner, in: Ipsen, S. 19, 21 f. und Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 11; zur Warenverkehrsfreiheit im Vergabebereich auch Elverfeld, S. 53 ff. m. w. N.; Wittig, S. 25 f. und Hailbronner, in: Ipsen, S. 19, 21 ff. Die Einschränkung des Anwendungsbereichs der Warenverkehrsfreiheit nach der Keck-Rechtsprechung ist im Bereich des Vergaberechts i. d. R. nicht einschlägig, da Beschränkungen bei der Auftragsvergabe meist produktbezogen sind und nicht allein die Verkaufsmodalitäten betreffen. 173 Beispiele aus der Rspr. des EuGH zur Niederlassungsfreiheit finden sich bei Hailbronner, in: Ipsen, S. 19, 23 f.; zu den Möglichkeiten der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vgl. auch Frank, S. 51 und Elverfeld, S. 62. 174 Vgl. dazu EuGH, Slg. 1992, I-3401; EuGH, 5.12.1989, Slg. 1989, 4035; EuGH, Urt. v. 7.12.2000 (ARGE Gewässerschutz/Bundesmin. für Land u. Forstwirtschaft), EuZW 2001, 94; weitere Beispiele aus der Rspr. des EuGH zur Dienstleis-

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zung ihrer Anwendungsbereiche nicht immer einfach ist.176 Die Grundfreiheiten haben im Bereich des Vergaberechts die Wirkung eines speziellen Diskriminierungsverbots der ausländischen Bieter im Vergleich zu den Bietern aus dem Vergabestaat.177 Sie ergänzen das subsidiäre allgemeine Diskriminierungsverbot aus Art. 12 EGV178. Das Primärrecht mit den Grundfreiheiten gilt zusätzlich parallel zu den Vergaberichtlinien,179 die die Grundfreiheiten konkretisieren. Letztere haben also nach wie vor ihre Bedeutung. So hat der EuGH180 in einer Entscheidung gleichzeitig einen Verstoß gegen die Baukoordinierungsrichtlinie und gegen Art. 30 EGV (jetzt Art. 28 EG) festgestellt. Wegen des Vorranges des Primärrechts sind sogar Fälle denkbar, in denen ein Vergabeverfahren primärrechtswidrig ist, selbst wenn es den Vergaberichtlinien entspricht. Da aber die Vergaberichtlinien das Primärrecht detailliert ausgestalten, sind solche Fälle in der Praxis schwer vorstellbar.181 Die Vergaberichtlinien sind auch im Lichte der Bestimmungen des Vertrages auszulegen, da diese Konkretisierungen die Reichweite der Grundfreiheiten nicht beschränken dürfen.182 In jüngerer Zeit haben die Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte und die Kommissionspraxis zunehmend Verbindungen zwischen dem europäischen Beihilfenrecht und dem Vergaberecht hergestellt. In bestimmten Fallkonstellationen kann das Verhalten des Auftraggebers als Beihilfe auftungsfreiheit bei Hailbronner, in: Ipsen, S. 19, 23 und Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 15 f.; vgl. auch Wittig, S. 29 f. 175 Zur Relevanz der Grundfreiheiten ausf. Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 5 ff. und ders., in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/ A, Syst I, Rn. 7 ff.; Gallwas, S. 51 ff. Unter Umständen ist auch die Freizügigkeit der Arbeitnehmer einschlägig, vgl. EuGH, Slg. 1985, 1819, 1825; Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 11 ff.; Hailbronner, in: Ipsen, S. 19, 24; Gallwas, S. 55. 176 Zur Abgrenzung näher: Elverfeld, S. 62 und 85 f.; Büchl, S. 15; Frank, S. 51 ff.; Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 11 ff. 177 Roebling, Jura 2000, 453, 457; so auch Elverfeld, S. 63. 178 Dieses Diskriminierungsverbot ist eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes des europäischen Gemeinschaftsrechts (Art. 10 EGV). Auch aus diesem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich Anforderungen an den Ablauf der Auftragsvergabe. Näher dazu EuGH Slg. 1996, I 2043 ff. = EuZW 1996, 506 ff. und Erhart, in: Potacs, Beiträge zum Kärntner Vergaberecht, 2000, S. 15, 19 f.; Waldner, S. 54. 179 Grundmann, 5.22–5.25, Rn. 13 m.N. aus der Rspr. des EuGH in Fn. 42; Roebling, Jura 2000, 453, 457 m. w. N.; Hailbronner, in: Ipsen, S. 19, 24. 180 Urt. v. 28.10.1999 – St. Pölten, NZBau 2000, 150 für einen österreichischen Fall. 181 Riese, S. 36. 182 Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 18 m. w. N.

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zufassen sein und so gegen Art. 87 ff. (Art 92 a. F.) EG verstoßen.183 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein öffentlicher Auftraggeber (zumeist aus politischen Gründen184) dem Auftragnehmer einen Preis zahlt, der den Marktpreis weit übersteigt und nach wirtschaftlichen Aspekten nicht mehr zu rechtfertigen ist.185 Eine Diskriminierung von Bietern bei einer marktbeherrschenden Nachfragestellung eines öffentlichen Auftraggebers kann auch gegen Art. 82 I EGV (europäisches Wettbewerbsrecht) verstoßen.186 b) Sekundärrecht – Die Vergaberichtlinien Um den Zugang für ausländische Unternehmer zu den nationalen Beschaffungsmärkten zu gewährleisten, genügten aber die Grundfreiheiten des EGV mit dem bloßen Verbot von Einschränkungen nicht, sondern es waren konkrete Regelungen zur Koordinierung der einzelstaatlichen Verfahren bei der Auftragsvergabe erforderlich.187 Der öffentliche Auftraggeber wird durch das europäische Primärrecht nicht zu einem positiven Handeln verpflichtet, sondern nur die Diskriminierung wird verboten. Sie schaffen keine detaillierten Verfahrenspflichten.188 Die Grundfreiheiten zwingen etwa nicht zu einer gemeinschaftsweiten Veröffentlichung einer Ausschreibung, können daher nicht verhindern, dass ausländische Bieter von einer Ausschreibung eines anderen Staates keine Kenntnis erhalten. Auch ist der 183 Näher dazu Bartosch, WuW 2001, 673 ff.; Bultmann, S. 139 ff.; Fischer, VergabeR 2004, 1; Eilmannsberger, WuW 2004, 384; Pünder, NZBau 2003, 530; Elverfeld, S. 54 ff. m. w. N.; Kraft-Lehner, S. 31 ff. und 111 ff.; Dreher, in: Immenga/ Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 21; Schardt, S. 1 ff. Gegen die Anwendbarkeit des Beihilfenrechts: Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966, S. 22; vgl. auch die Nachweise bei Lück, S. 7. 184 Dazu ausf. unter A. IV. 1. 185 Frank, S. 54 f.; Riese, S. 28, Lück, S. 7 f.; Schwarze, EuZW 2000, 133, 134 f.; Bleckmann, Subventionsrecht, S. 156; Haase, S. 47; Büchl, S. 17 m. w. N.; Wittig, S. 30 f.; Antweiler, VergabeR 2002, 109, 113 ff. m. w. N. So hat auch der EuGH klargestellt, dass in der Bevorzugung von Unternehmen in strukturschwachen Gebieten eine unzulässige Beihilfe zu sehen ist, EuGH, Slg. 1990 I, 189 Mezzogiorno I und Slg. 1991, I, 2457 und 1991 I, 3641 Mezzogiorno II. 186 Näher für die Bindung des öffentlichen Auftraggebers an die Wettbewerbsregeln: Huber, JZ 2000, 877, 880 m. w. N.; Schwarze, EuZW 2000, 613 m. w. N.; Rüßmann/Diedrich, in: Ranieri (Hrsg.), Die Europäisierung der Rechtswissenschaft, S. 145, 156 f.; Wittig, S. 22 f. m. w. N. zur Rspr. des EuGH. Bei der Vergabe durch Öffentliche Unternehmen kann auch Art. 86 EG einschlägig sein, näher dazu Gallwas, S. 50 f.; Brinker/Punz/Roniger/Vock, S. 10; Kienast, S. 112 ff.; Wittig, S. 20 ff. 187 Müller-Wrede, Einl. Rn. 11. 188 So auch die Kommission, vgl. Opitz, NZBau 2003, 183, 189.

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aus der Geltung der Grundfreiheiten ableitbare Rechtsschutz nicht ausreichend effektiv.189 Es zeigte sich daher, dass die Grundfreiheiten allein nicht ausreichten, um das Vergaberecht hinreichend zu regeln.190 Auch das europäische Wettbewerbsrecht (Art. 82 ff.) erwies sich von seinem Anwendungsbereich her als zu schmal (marktbeherrschende Stellung und spürbare Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels erforderlich – dazu unten), um eine wirksame Liberalisierung der Beschaffungsmärkte zu erreichen.191 Daher wurden eine Reihe von Vergaberichtlinien erlassen. Grundlage dafür war die Kompetenz der EG für die Harmonisierung des Binnenmarktes (Art. 95) und zum Teil auch die Außenkompetenz der Gemeinschaft für die Handelspolitik (Art. 133).192 aa) Überblick über die Genese der Vergaberichtlinien (1) 70er Jahre Anfang der siebziger Jahre begann die Europäische Gemeinschaft aus den oben genannten Gründen nach Auftragsgegenstand differenzierend eine Reihe von Richtlinien zu erlassen. Für den Baubereich wurde die erste Richtlinie schon 1969 erlassen.193 Zwei Jahre später ergingen zeitgleich die Liberalisierungs-194 und die Koordinierungsrichtlinie für Bauaufträge 189

Büchl, S. 18 m. w. N. Glahs, in: Reidt/Stickler/Glahs, Einl. Rn. 5. Allerdings haben die Grundfreiheiten auch oberhalb der Schwellenwerte noch Bedeutung. Da das Sekundärrecht gerade zur Durchsetzung der primärrechtlichen Anforderungen geschaffen wurde, können die primärrechtlichen Zielrichtungen als Auslegungshilfe des Sekundärrechts fungieren – Wittig, S. 17. 191 Gallwas, S. 50; so auch Wittig, S. 22. 192 Hinzu treten Art. 47 II und Art. 55. Zur Kompetenz für die Vergaberichtlinien ausf. – Prieß, Hdb. d. europ. Vergaberechts, S. 37 ff.; ders., in: Motzke/Pietzcker/ Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst I, Rn. 28 ff.; Seidel, in: Dauses, Hdb. des EU-Wirtschaftsrechts, H. IV, Rn. 10 ff.; näher zur Kompetenz zum Erlass der Rechtsmittelrichtlinien (und damit eines Rechtsschutzsystems) Kalinowsky, S. 23 ff. 193 Bereits 1961 beschloss der Rat aber allgemeine Programme, um die Diskriminierung von Unternehmen aus anderen MS bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu verhindern – dazu Knauff, VR 2000, 397, 398. Weiter entstanden schon 1964 zwei Richtlinien für die Verwirklichung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, die auch für das Auftragswesen Bedeutung hatten – Fundstellen und weitere Erläuterungen bei Hödl, S. 12 f. m. w. N., vgl. auch Huber, in: Festschrift für Schiedermair, S. 765, 767. 194 RL 71/304/EWG zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der öffentlichen Bauaufträge, v. 26.7.1971, AblEG 1971, Nr. L 185/1 und Abl L 1997/185, 1. 190

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(BKR)195.196 Erste Regelungen für Lieferaufträge erfolgten 1976 mit der RL 77/62/EWG.197 Hinzuweisen ist noch auf die Bauproduktenrichtlinie (BP-RL), die die bei der Herstellung eines Bauwerks zu verwendenden Produkte technisch harmonisiert. In unterschiedlichen nationalen Anforderungen an diese Produkte war ein Handelshemmnis zu sehen, dass mit dieser RL beseitigt werden sollte.198 (2) Entwicklung ab 1985 Neue Anstöße erhielt das Vergaberecht zum einen durch das Binnenmarktkonzept, das 1985 politisch in Angriff genommen wurde199. Zum anderen musste die EG darauf reagieren, dass der mit den Koordinierungsrichtlinien erstrebte Erfolg ausblieb.200 Die Ursachen dafür hat die europäische Kommission instruktiv in 1996 in ihrem Grünbuch zum Öffentlichen Auftragswesen201 zusammengefasst: „Der Anwendungsbereich der Richtlinien war beschränkt, da größere Teile des öffentlichen Auftragswesens, z. B. Wasserversorgung, Energie, Verkehr und Telekommunikation sowie Dienstleistungsaufträge, ausgeklammert blieben. Zudem erfolgte keine Harmonisierung der Rechtsmittelverfahren, so dass Unternehmen, denen Aufträge unter Verletzung der Richtlinienbestimmungen verwehrt wurden, vielfach keine Möglichkeit hatten, eine Überprüfung fragwürdiger Vergabeentscheidungen zu veranlassen oder sich um Schadenersatz zu bemühen. Auch ließen die Vorschriften noch zu viele Hintertüren offen, die den Auftraggebern unter fadenscheinigen Begründungen die Umgehung offener Verfahren erlaubte.“ Zur Vermeidung der „bisherigen Ungereimtheiten und offensichtlichen Schwachpunkte des Systems“202 erließ die Gemeinschaft weitere Regelun195 RL 71/305/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Abl L 1971/185, 5. 196 Zu den ersten Bestrebungen für die Schaffung von Richtlinien im Vergabebereich und deren Ziele vgl. Wittig, S. 34 ff. und Seidel, EuR 1990, 158 Fn. 5. 197 Abl L 13 v. 15.1.1977, 1. 198 Dazu und ihrer Umsetzung ins dt. Recht – Mayrhauser, S. 23; vgl. auch Häussler/Hürlimann/Meyer-Marsilius, S. 57 ff. 199 Näher unter A. VI. 2. 200 1986 wurden nach dem Checcini-Bericht, S. 37 nur 0,14% des BIP grenzüberschreitend vergeben. 201 Grünbuch der EG-Kommission „Das Öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union – Überlegungen für die Zukunft“ KOM 96, 583 v. 27.11.1996, S. 63 (Anhang I). 202 So das Grünbuch der EG-Kommission „Das Öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union – Überlegungen für die Zukunft“ KOM 96, 583 v. 27.11.1996, S. 63 (Anhang I).

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gen, mit denen in den späten 80er Jahren und Anfang der 90er Jahre der Regelungsbereich des europäischen Sekundärrechts im Vergabebereich erheblich ausgeweitet wurde: – Einerseits wurden die schon bestehenden Vergaberichtlinien novelliert.203 – Weiter wurden auch privatrechtliche verfasste, aber staatlich beherrschte Auftraggeber (sog. funktionelle Auftraggeber) in das Vergaberegime einbezogen. Ebenso geschah dies im bislang nicht erfassten sog. Sektorenbereich (Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Telekommunikation).204 Mit dieser Erstreckung des Gemeinschaftsvergaberechts auch auf bestimmte private Auftraggeber soll erreicht werden, dass die Reichweite der Vergaberegeln davon abhängig ist, ob in dem jeweiligen Mitgliedsstaat eher ein staatlich geprägtes Wirtschaftssystem besteht oder nicht. Außerdem war auch Grund für deren Einbeziehung in das Vergaberecht die Annahme, dass die Sektorenauftraggeber sich aufgrund bestimmter Gegebenheiten, wie der Innehabung bestimmter Ausschließlichkeitsrechte, nicht in einer Konkurrenzsituation befänden. Sie seien ähnlich wie die klassischen Auftraggeber keinem Wettbewerbsdruck ausgesetzt.205 – Weiter wurde die Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie (RL 92/50206) erlassen, mit der jetzt auch die Dienstleistungsaufträge vom Vergaberecht erfasst wurden. – Darüber hinaus wurde über den Erlass der Rechtsmittelrichtlinien207 die Forderung nach der Schaffung eines effektiven Rechtsschutzes verstärkt. 203 Im Bereich der Bauaufträge wurde die ursprüngliche Baukoordinierungsrichtlinie 71/305/EWG durch die Richtlinie 89/440/EWG geändert und als Richtlinie 93/37/EWG des Rates zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge vom 14.06.1993 (Baukoordinierungsrichtlinie) – ABl. L 199 vom 9.8.1993 neugefasst. Mit der RL 93/36 wurde die RL 71/305 aufgehoben. Im Lieferbereich wurde die Lieferkoordinierungsrichtlinie 77/62/EWG durch die Richtlinien RL 80/767/EWG (Abl L 215 v. 18.8.1980, 1) 88/295 geändert und als Richtlinie 93/36/EWG des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge vom 14.06.1993 (Lieferkoordinierungsrichtlinie) – ABl. L 199 vom 9.8.1993 neugefasst. Mit der Neufassung durch RL 93/36/EWG wurde die RL 77/62 aufgehoben. 204 Hier wurde zunächst die Sektorenrichtlinien RL 90/531 erlassen. Später folgte dann die Richtlinie 93/38/EWG des Rates zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor vom 14.06.1993 (Sektorenrichtlinie), ABl. L 199 vom 9.8.1993, die die RL 90/531 aufhob. 205 Wölfel, in: forum vergabe 2000 – Badenweiler Gespräche, 2000, S. 91, 92. Zu den Gründen, die zur Unterwerfung unter die Vergaberegeln führen und ob dies überhaupt erfolgen sollte (str.), vgl. Frank, S. 40 ff. 206 Einen Überblick über die Dienstleistungsrichtlinie gibt: Prieß, EuZW 1994, 487, 488 ff.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Hier wurde eine Rechtsmittelrichtlinie für den Bereich der „klassischen“ Koordinierungsrichtlinien (RMRL)208 und eine für den Bereich der Sektorenauftraggeber erlassen (Sektoren RMRL)209. Letztere entspricht wesentlichen der Rechtsmittelrichtlinie für die klassischen Auftraggeber, ihre Regelungen sind aber an die Besonderheiten der SKRL angepasst.210 Die Schaffung der Rechtsmittelrichtlinien mit ihren Kontrollmöglichkeiten, die die praktische Wirksamkeit der Koordinierungsrichtlinien sichern sollen, basierte auf der Erkenntnis, dass der Misserfolg der ursprünglichen Koordinierungsrichtlinien nicht zuletzt durch das Fehlen solcher Kontrollmechanismen geschuldet war.211 Denn die Koordinierungsrichtlinien enthalten „keine spezifischen Vorschriften, mit denen sich ihre tatsächliche Anwendung sicherstellen lässt.“212 Sie begründen zwar Rechte Einzelner, schreiben aber nicht vor, wie im Einzelnen der Schutz dieser Rechte durchgesetzt werden muss.213 Diese Lücke sollte mit den Rechtsmittelrichtlinien geschlossen werden: Sie enthalten zahlreiche Vorgaben für die Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung des nationalen Vergabekontrollsystems. Grundlegende Ziele der Rechtsmittelrichtlinien sind, eine wirksame und rasche Nachprüfung und die Prävention eines rechtswidrigen Vertragsabschlusses sicherzustellen. Nicht bezweckt war dagegen, ein durchgehend harmonisiertes System des Rechtsschutzes in allen Mitgliedstaaten zu schaffen, sondern die Rechtsmittelrichtlinien wollten nur ein einheitliches (Mindest-)Rechtsschutzniveau etablieren.214

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Die Begriffe Rechtsmittelrichtlinie, Überwachungsrichtlinie und Nachprüfungsrichtlinie werden synonym verwendet. 208 Richtlinie 89/665/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge vom 21.12.1989 geändert durch die Richtlinie 92/59/EWG vom 18.06.1992 (Rechtsmittelrichtlinie). 209 Richtlinie 92/13/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor vom 25.02.1992 (Rechtsmittelsektorenrichtlinie). 210 Für einen Überblick über die Rechtsmittelrichtlinien vgl. Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 65 ff. 211 Sterner, S. 102. 212 Erwägungsgrund 1 RMR. 213 Zum Ganzen Erdl, S. 105, Rn. 196; Schwarze, EuZW 2000, 133, 137. 214 Öhler, S. 88.

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(3) Entwicklung ab Mitte der 90er Jahre Die Änderungen der Vergaberichtlinien ab Mitte der neunziger Jahre waren vor allem durch (geringfügige)215 Anpassungen an das GPA, dem die EG 1994 beigetreten ist216, veranlasst.217 Anpassungen der Gemeinschaftsrichtlinien an das GPA erfolgten durch die RiLi 92/52/EG (für die klassischen öffentlichen Auftraggeber) und 98/4/EG218 (für die Sektorenauftraggeber). Diese Novellierungen wurden von der EG zum Anlass genommen, auch Vergabebestimmungen neu zu fassen, die nicht mit dem GPA zusammenhingen. (4) Die Zusammenfassung der Koordinierungsrichtlinien durch das Legislativpaket Am 30.4.2004 ist nach jahrelangen langwierigen Bemühungen für den Bereich des Vergabeverfahrensrechts eine einheitliche Richtlinie betreffend öffentliche Bau-, Liefer, und Dienstleistungsvergaben (im Folgenden VergabeRL) sowie eine neue Sektorenrechtlinie (SektorenRL) durch Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft getreten.219 Durch dieses sog. Legislativpaket, zu dem bereits eine Fülle von Literatur220 erschienen ist, wurden also die drei klassischen Koordinierungsricht215 Da die GPA-Regelungen sich an den EU-Vergaberichtlinien orientierten (a. a. O.). 216 Zum entsprechenden Beschluss des Rates, AblEG 1994 L 336/1 v. 23.12.1994. Zur Fähigkeit der EG völkerrechtliche Abkommen (in Bezug auf das Vergaberecht) zu schließen, Kunnert, S. 367 ff. und Prieß, Hdb. d. europ. Vergaberechts, S. 18 ff., Griller, in: Rill/Griller, S. 79, 86 ff. (insbes. 93–137); Gutachten des EuGH zum WTO-Übereinkommen 1/94 v. 15.11.1994, Slg. 1994, I-5267 Rz. 27 ff.; Büchl, S. 20 ff.; Hilpold, S. 145 ff.; Grundmann, 5.22–5.25, Rn. 11. 217 Die Anpassung der Vergaberichtlinien an das GPA war nach der h. M. rechtlich nicht zwingend erforderlich – vgl. nur Kunnert, S. 288, 386 ff., S. 404 f. und 425 f.; Prieß, Hdb. d. europ. Vergaberechts, S. 19 m. w. N.; dazu krit. Griller, in: Rill/Griller, S. 79, 139). Zu den Gründen, die Anpassung dennoch vorzunehmen – Kunnert, S. 426 Fn. 1935 und S. 427 ff.; Büchl, S. 22; Grundmann, 5.22–5.25, Rn. 11; Fruhmann, ecolex 1996, 64, 67 Fn. 52. Allgemein zum Verhältnis von EG und GATT/WTO-System, Hilpold, S. 1 ff. 218 Dazu Williams, Rhodri, Directive 98/4 Amending the E.C. Utilities Procurement Regime, PPLR 1998, 95 ff. 219 „Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge“, Richtlinie 2004/18/EG v. 31.3.2004 (Abl. EG Nr. L 134, 114). 220 Opitz, NZBau 2003, 183, 188 ff.; Kullack/Terner, ZfBR 2004, 244 und 346; Mader, EuZW 2004, 425; Knauff, EuZW 2004, 141; Neumayr, PRA 2004, 143;

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

linien über die Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen in einer einzigen konsolidierten Vergaberechtlinie kodifiziert und neu gefasst. Die Sektorenkoordinierungsrichtlinie wurde durch die Richtlinie 2004/17/ EG v. 31.3.2004 (Abl. EG Nr. L 134, 1) reformiert. Die vier früheren Koordinierungsrichtlinien wurden aufgehoben. Da damit die Neuregelung allein auf das Vergabeverfahrensrecht bezogen ist, sind die Rechtsmittelrichtlinien vom Legislativpakt nicht betroffen, bleiben also unverändert bestehen.221 Für die vorliegende Untersuchung des Vergaberechtsschutzes hat das Legislativpaket daher nur untergeordnete Bedeutung. Mit den Neuregelungen durch das Legislativpaket soll das europäische Vergaberecht vereinfacht und modernisiert werden. Weiterhin soll es an die eingetretenen rechtlichen und politischen Entwicklungen angepasst werden und die Formalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens vermindert werden.222 Die Zusammenfassung der Koordinierungsrichtlinien in einer einheitlichen Richtlinie trägt dem Umstand Rechnung, dass bei den 3 Vertragstypen (Liefer-, Bau- und Dienstleistungsauftrag) die meisten Regelungen ohnehin identisch waren.223 Die vor diesem Hintergrund angestrebte Reform des Vergaberechts auf europäischer Ebene durch das Legislativpaket war äußerst langwierig und erstreckte sich über fast ein Jahrzehnt. Die Reformbemühungen hatten ihren Ausgangspunkt im Grünbuch der Kommission für das öffentliche Auftragswesen aus dem Jahr 1996, das die öffentliche Diskussion über die Reform des Vergaberechts anstoßen sollte.224 Im Jahr 2000 legte die Kommission einen Vorschlag für eine einheitliche Koordinierungsrichtlinie vor,225 zu denen das europäische Parlament jedoch umfangreiche Änderungen vorschlug. Erst am 2.12.2003 gelang im Vermittlungsausschuss von Rat und Parlament die politische Einigung. Der hier gefundene gemeinsame Richtlinienentwurf wurde vom Rat Williams, Public Procurement Law Review 2004, 153; Hoffer/Gassner, ecolex 2004, 240; Leinemann/Maibaum, VergabeR 2004, 275; aus Sicht der Kommission, Schaub, in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, S. 163 ff.; Bultmann, S. 67 ff. und 86 ff. 221 Zu dementsprechenden Reformbemühungen auf europäischer Ebene aber beim Ausblick im Teil 5, B. 222 Knauff, VergabeR 2004, 287. Die der Bewertung, ob das Legislativpaket die selbst gesteckten Ziele erreichen kann, fällt unterschiedlich aus. Sehr kritisch Rechten, NZBau 2004, 366, 374 f. 223 Mader, EuZW 2004, 425, 426. 224 KOM (1996) 583 v. 27.11.1996. 225 KOM (2000), 275.

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am 2.2.2004 und vom Parlament am 29.1.2004 jeweils mit der erforderlichen Mehrheit angenommen.226 Die beiden Richtlinien sind bis zum 31.1.2006 in innerstaatliches Recht umzusetzen (vgl. nur Art. 80 I i. V. m. Art. 83 VergabeRL). Dies wird in Deutschland im Zusammenhang mit der von der Bundesregierung angestrebten Verschlankung des Vergaberechts geschehen (dazu näher unter VII.).227 Als wesentliche Neuerungen des Legislativpaktes sind zu nennen: – In der Koordinierungsrichtlinie wurde eine neue eigenständige Vergabeverfahrensart – der wettbewerbliche Dialog – vorgesehen,228 dessen Einführung aber in der Entscheidung des nationalen Gesetzgebers liegt. – Rahmenvereinbarungen wurden jetzt auch im Bereich der Basisrichtlinie ermöglicht, soweit der jeweilige nationale Gesetzgeber dies vorsieht.229 – Die Schwellenwerte wurden um ca. 25% erhöht (dazu sogleich unter bb) – Die Möglichkeiten des e-procurement und der Nutzung elektronischer Medien wurden ausgeweitet. – Die Mitgliedstaaten können künftig inverse Auktionen und dynamische elektronische Beschaffungssysteme zulassen. – Art. 11 der Koordinierungsrichtlinie legitimiert die Beschaffung durch zentrale Stellen. – Die Berücksichtigung von Sozial- und Umweltkriterien bei der Zuschlagserteilung wurde zugelassen (vgl. etwa Art. 53 VergabeRL), also ein Teilbereich vergabefremder Kriterien geregelt. – Daneben entwickelt das Legislativpaket die bisherigen Vorschriften über technische Spezifikationen und die Verwendung des CPV fort. – Die Telekommunikationsbranche wurde aus dem Anwendungsbereich der Sektorenrichtlinie heraus genommen. Zusammenfassend lässt sich zur Entwicklung des europäischen Vergaberechts feststellen, dass in den sechziger und Anfang der siebziger Jahre der 226

Zur Entstehungsgeschichte Rechten, NZBau 2004, 366 f.; Kullack/Terner, ZfBR 2004, 244 f. 227 Frankreich hat die neuen Europäischen Richtlinien bereits mit dem neuen Code des Marches Publics, Gesetz Nr. 2004-15 vom 7.1.2004 teilweise umgesetzt. 228 Näher dazu Treumer, Public Procurement Law Review 2004, 178; Knauff, VergabeR 2004, 287; Leinemann/Maibaum, VergabeR 2004, 275, 277 ff. Hauptproblem ist hier die Wahrung der Vertraulichkeit der erarbeiteten Lösungen insbesondere gegenüber Wettbewerbern (Verhinderung des „cherry picking“). 229 Art. 32 VergabeRL.

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Schwerpunkt der Liberalisierung des Öffentlichen Auftragswesens im Abbau diskriminierender Vergabepraktiken lag. Erst danach erfolgte dann eine Koordinierung der national unterschiedlichen Vergaberegeln.230 Diese setzt nicht nur ein Unterlassen, sondern aktives Tätigwerden des Mitgliedsstaates voraus.231 Als weitere Säule der Öffnung der Vergabemärkte war dann die Schaffung wirksamer Überwachungsinstrumentarien nötig, die erst die Einhaltung der Maßnahmen zur Liberalisierung und Koordinierung sicherstellt, denn ohne spürbare Sanktionen hat die Vergabestelle keinen Anreiz, die Vergaberegeln zu beachten.232 bb) Der Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien – Die Schwellenwerte Die Vergaberichtlinien machen Vorgaben für das mitgliedsstaatliche Vergaberecht nur ab dem Erreichen bestimmter Auftragswerte (Schwellenwerte). Diese sind durch das Legislativpaket um ca. 25% erhöht worden. Dies ging auf eine Initiative des Europäischen Parlaments zurück, gegen die sich die Kommission zunächst in ungewohnt scharfer Form wandte.233 Begründet wurde die Anhebung damit, dass die Richtlinien in Übereinstimmung mit dem GPA gehalten werden sollte.234 Bei Bauaufträgen liegen die Schwellenwerte jetzt bei einheitlich 6,242 Mio. Euro. Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Bereich der Basisrichtlinie beträgt der Schwellenwert 162.000 Euro235, wenn die Aufträge 230

Frank, S. 7, 39 f. und 231. Es wurde also durch das Sekundärrecht nicht nur das Maß an zulässiger Regulierung durch die MS beschnitten („Abbau von Regelungsspitzen“), sondern es wurden aktiv Transparenz und Ermessenskanalisierung als Ziel verfolgt – Grundmann, 5.22–5.25, Rn. 14 f. Allerdings wurde, da sich die Kommission für die Koordinierung auf das Mittel der Richtlinie gestützt hat, kein einheitliches Vergaberecht geschaffen, da die Richtlinien nur hinsichtlich ihrer Ziele, nicht jedoch hinsichtlich der Mittel der Umsetzung verbindlich sind. Der Bieter muss sich daher auch weiterhin mit den Besonderheiten des jeweiligen nationalen Vergabesystems auseinandersetzen. Dennoch brachte die Koordinierung die Erleichterung, dass der Bieter weiß, welchen Grundprinzipien die nationalen Vergabekonzepte im Bereich oberhalb der Schwellenwerte folgen müssen – Frank, S. 286. 232 Frank, S. 39 f. und 44. 233 Vgl. näher Rechten, NZBau 2004, 366, 367. 234 Näher Monatsinfo forum vergabe e. V. 12/2003, 194 f.; zu den neuen Schwellenwerten auch Williams, Public Procurement Law Review, 2004, NA 55. 235 In Zukunft werden die Schwellenwerte in der geplanten neuen einheitlichen Richtlinie (näher Teil 5, B.) in Euro angegeben. Für die Mitgliedsstaaten, die nicht am Euro teilnehmen (Dänemark, Schweden und Großbritannien) werden die Gegenwerte nach wie vor veröffentlicht – vgl. RPA 2001, 188 (Kurznachrichten v. Essl). 231

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von den in Anhang IV der Richtlinie genannten zentralen Regierungsbehörden vergeben werden. In allen anderen Fällen, d.h. wenn die Aufträge nicht von zentralen Behörden vergeben werden, gilt ein Schwellenwert von 249.000 Euro.236 Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Bereich der Sektoren gilt ein Schwellenwert von 499.000 Euro. Grund für diesen beschränkten Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien ist, dass Aufträge erst ab einer gewissen Größe für die Verwirklichung des Binnenmarktes gesteigerte Bedeutung haben. Die europaweite Ausschreibung237 (und die anderen besonderen Anforderungen oberhalb der Schwellenwerte) soll nur für Aufträge solcher Größe vorgeschrieben werden, die auch für Unternehmen aus anderen Mitgliedsstaaten von Interesse sind.238 Außerdem soll auch der Verwaltungs- und Bearbeitungsaufwand für kleine Aufträge auf ein Mindestmaß reduziert bleiben.239 cc) Gründe der EG240 für die unionsweite Öffnung der mitgliedsstaatlichen Beschaffungsmärkte (1) Verwirklichung des Binnenmarktes Die Liberalisierung der öffentlichen Beschaffungsmärkte und ihre Öffnung für die grenzüberschreitende Vergabe ist ein wesentlicher Schwerpunkt für die Verwirklichung des Binnenmarktkonzeptes, das 1985 politisch in Angriff genommen wurde241.242 Es soll ein einheitlicher Markt auch für die Nachfrage öffentlicher Auftraggeber geschaffen werden.243 236

Art. 7 ff. und 67 der klassischen Richtlinie; näher zur Höhe der Schwellenwerte nach dem geltenden nationalen Recht unter A. VI. 3. c) dd) (1) (c): Die erhöhten Schwellenwerte bleiben bis zur Umsetzung der KoordinierungsRL in deutsches Recht ohne Einfluss auf den Anwendungsbereich des geltenden Vergaberechts. 237 Kemper, NJ 2001, 403 weist zu Recht darauf hin, dass dieser Begriff „europaweit“ nicht korrekt ist, da nur EU-weit ausgeschrieben bzw. das Gemeinschaftsrecht beachtet werden muss. Die EU und Europa sind (noch) nicht identisch. Wegen der allgemeinen Verbreitung der Formulierung „europaweite Ausschreibung“ oder ähnlicher Formulierungen wie „europaweite Durchführung des Vergabeverfahrens“ werden diese auch hier verwendet. 238 Höfler/Bert, NJW 2000, 3310, 3311; Hattenberger, ZVB 2001, 93, 96; Winkler, S. 47. 239 Höfler/Bert, NJW 2000, 3310, 3311. Nach Winkler, S. 47 wollten sich die MS weiterhin Spielräume für die Anwendung vergabefremder Aspekte erhalten, so dass sie diesbezüglich gegenüber der EG Druck ausgeübt haben. 240 Vorn schon allg. zu den Gründen für die Einführung eines formalisierten Vergabeverfahrens. 241 Näher zu dessen Herleitung und späterer primärrechtlicher Verankerung Hödl, S. 4 ff. m. w. N.

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(2) Wettbewerbsfunktion Die Vergaberichtlinien sollen primär den grenzüberschreitenden Wettbewerb in der EG sichern. Das öffentliche Auftragswesen soll für den gemeinschaftsweiten Wettbewerb geöffnet werden.244 Traditionell vorherrschend war das Verständnis, dass das Vergaberecht nur dem staatlichen Interesse an wirtschaftlicher und sparsamer Mittelverwendung dient und keine klagefähigen Rechte für die Unternehmen schaffen soll. Hier hat sich durch das Gemeinschaftsrecht ein Wandel vollzogen. Die Richtlinien wollen einen grenzüberschreitenden Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der EU herstellen, da der EG zur Sicherung der sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln in den Mitgliedsstaaten keine Kompetenz eingeräumt ist.245 Dieses neue Ziel des Wettbewerbsschutzes schließt nicht aus, dass die mitgliedsstaatlichen Vergabevorschriften weiter ihre haushaltsrechtliche Funktion haben können, sie tritt also neben die herkömmliche haushaltsrechtliche Funktion.246 Ausgangspunkt für die Bemühung der Erhöhung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs war der Befund, dass es bis dahin praktisch keine grenzüberschreitende Beschaffung gab.247 Obwohl durch die mit der Industrialisierung einhergehende ständige Verbesserung der Infrastruktur (Verkehr, Kommunikationsdienste) die Volkswirtschaften immer besser vernetzt wurden und damit auch der grenzüberschreitende bzw. der globale Handel zunehmend erleichtert wurde, wurden gleichwohl nur eine marginale Anzahl von Aufträgen grenzüberschreitend vergeben.248 Es erfolgten nur 2%249 der Auftragsvergaben an Bieter aus anderen Mitgliedsstaaten. 242 So die Kommission in ihrem Weißbuch über die Vollendung des Binnenmarktes, KOM (85) 310 endg.; näher auch Hödl, S. 4 ff. 243 Nach Grundmann, 5.22–5.25, Rn. 2 m. w. N. liegt dem auch die Erwägung zu Grunde, dass ansonsten ein Vertrauensverlust entsteht, wenn in Zeiten der Marktöffnung gerade die öffentliche Hand diese nicht nachvollzieht. 244 Mitteilung der Kommission „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union“ v. 11.3.1998, KOM (98) 143, S. 1. 245 Sterner, S. 87 f.; Pietzcker, in: Festschrift für Konrad Redeker zum 70. Geburtstag, S. 501, 503. 246 Sterner, S. 87 f.; Pietzcker, in: Festschrift für Konrad Redeker zum 70. Geburtstag, S. 501, 503. 247 Die Situation wurde schon 1960 folgendermaßen beschrieben: „Gerade die höchstentwickelten Länder, auch wenn sie sonst dem internationalen Handel aufgeschlossen sind, verharren für den Bereich der öffentlichen Aufträge noch im finsteren Autarkiedenken. Überall, wo nicht die Privatwirtschaft, sondern der Staat als Kunde auftritt, gilt der Einkauf außer Landes auch heute, in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, beinahe als verpönt – als ein Bezirk, der, wenn nicht sogar durch Gesetz, so durch die protektionistische Verwaltungspraxis für den Außenhandel gesperrt ist.“ (Welter, Der Staat als Kunde, Heidelberg 1960, S. 288).

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Zur Benachteiligung ausländischer Unternehmen kam es auf verschiedene Arten. Die Spanne reicht von Markteintrittsbarrieren, die schon den Zugang zum nationalen Vergabemarkt für ausländische Waren, Dienstleistungen oder Bieter abschirmen,250 über kostensteigernde Barrieren, die ein Angebot zwar nicht grundsätzlich ausschließen, es aber verteuern und damit weniger wettbewerbsfähig machen bis hin zu mittelbaren Ungleichbehandlungen251.252 Insbesondere haben die Mitgliedsstaaten253 bei der Auftragsvergabe immer wieder versucht, nationale oder regionale Präferenzregelungen durchzusetzen.254 Im Folgenden soll kurz auf die Ursachen für diese Abschottung der nationalen Beschaffungsmärkte eingegangen werden, weil ohne deren Kenntnis nicht verständlich ist, warum ein effektiver Vergaberechtsschutz so wichtig ist und warum die EG welche Maßnahmen zur Öffnung der mitgliedsstaatlichen Beschaffungsmärkte ergriffen hat. Als Ursachen für die Marktabschottung aus der Sicht der Auftraggeber sind insbesondere zu nennen: – Die Auftraggeber haben ein Interesse daran, möglichst mit vertrauten und bewährten Unternehmen zusammenzuarbeiten. Die Vergabestelle berücksichtigt gewachsene Verbindungen zu Anbietern. Dahinter steht aber oft auch die überzeugende Überlegung, dass je näher der Auftragnehmer ist, umso besser der Kundendienst ist. Bei grenzüberschreitenden Vergaben wird oft der after-sales-service sowie die Regelung auftretender Gewährleistungsfälle als schwieriger angesehen.255 248

Kunnert, S. 471. So Elverfeld, S. 49 m. w. N. 250 Zu den Formen (gesetzliche Verbote, faktische Erschwerungen) vgl. ausführlich Frank, S. 25 ff. Klassisches Beispiel für die Diskriminierung aufgrund von Rechtsnormen (Gesetzesprotektionismus) ist der „Buy-American-Act“ in den USA (ausf. dazu Kunnert, S. 31 ff. und S. 46 ff.). Er ist auch heute noch in ergänzter Form in Kraft, gilt allerdings zw. der USA und den anderen Vertragsparteien des GPA nicht mehr. 251 Bei diesen werden zwar alle Anbieter unabhängig von ihrer Herkunft gleich behandelt, trotzdem kommt es aber zu Benachteiligungen der ausländischen Bieter. Dies ist vorstellbar durch unterschiedliche nationale Normen, auf die sich der Auftraggeber erst einstellen muss oder auch durch die unterschiedlichen Vergabesysteme, die erst eine Einarbeitung erfordern (vgl. zum Ganzen Frank, S. 28 ff.). 252 Ausführlich zu den Formen der Marktabschottung, Frank, S. 22 ff.; Kunnert, S. 44 ff.; Roebling, Jura 2000, 453, 456. 253 Aber nicht nur zwischen den Mitgliedsstaaten untereinander tritt dieses protektionistische Verhalten auf. Auch innerhalb der Mitgliedsstaaten ist ein „Regionalprotektionismus“ zu verzeichnen. Insbesondere Kommunen versuchen, ortsansässige Unternehmen zu bevorzugen. 254 Zu einem solchen Fall etwa EuGH Slg. I 1982, 417 ff. – Transporoute. 249

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– Teilweise soll auch die nationale Unabhängigkeit von ausländischen Produkten gesichert werden.256 In bestimmten Bereichen gibt es auch sicherheitspolitische Argumente, insbesondere bei militärischen Beschaffungen.257 – Die Bevorzugung nationaler Anbieter wird auch damit gerechtfertigt, dass sich aus dieser protektionistischen Vergabe mittelbar Vorteile für die eigene Volkswirtschaft, wie etwa die Erhöhung des Beschäftigungsstandes (Erhaltung der heimischen Arbeitsplätze258) oder des Steueraufkommens, zugute kommen.259 Verbreitet ist auch das Vorurteil, die Steuerzahler hätten einen Anspruch auf Ausgabe der Steuererträge im eigenen Land.260 Durch die geringe grenzüberschreitende Vergabe sollen auch Zahlungsbilanzdefizite vermieden werden, d.h. verkürzt es soll nicht mehr eingeführt werden, als exportiert wird.261 – Hier spielen oft auch die Sprachbarrieren eine Rolle, wenn die Ausschreibung nur in der Nationalsprache erfolgt und Angebote nur in der Sprache der Vergabestelle eingereicht werden können.262 – Ein weiteres Problem stellt die Bewertung des ausländischen Angebots wegen oft vorliegender unterschiedlicher Normung oder Standardisierung dar.263 Nationale Normen, Standards und Spezifikationen sind nicht einheitlich und oft nicht untereinander kompatibel. Aber auch aus der Sphäre der Bieter gibt es Ursachen für die geringe grenzüberschreitende Vergabe: – Im Baubereich ist wichtige Ursache der geringen grenzüberschreitenden Vergabe die sog. Regionalität des Bauens: Der Transport von Arbeitskräften und Maschinen zur ortsgebundenen Baustelle ist ein wesentlicher Kostenfaktor, der der wechselseitigen Durchdringung der Märkte Grenzen 255

Meyer, in: Schwarze, S. 47, 58. So Frank, S. 20. Der Einkauf im eigenen Land wurde als „patriotische Pflicht“ verstanden – Huber, Das Submissionswesen, 1885, S. 354, zit. nach Schwarze, EuZW 2000, 133, 144. 257 Krit. dazu Kunnert, S. 27 ff., der auch im Bereich der militärischen Beschaffungen eine Liberalisierung für wünschenswert hält, gleichwohl aber dafür bedeutende faktische bzw. politische Hindernisse sieht. 258 Krit. zu diesem Argument, Kunnert, S. 34 f. und Scherling, S. 69 (ein Arg. ist: In einer Situation, wo alle Staaten ihre Industrien schützen, entstehen insgesamt nicht mehr Arbeitsplätze als bei gegenseitiger Durchdringung). 259 Vgl. Öhler, S. 40. 260 Dazu Kunnert, S. 31. 261 Vgl. zu diesem Argument Kunnert, S. 24 ff. 262 Frank, S. 20 und 57. 263 Meyer, in: Schwarze, S. 47, 58 f. 256

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setzt.264 Die Wettbewerbsfähigkeit der Bauunternehmen hinsichtlich eines ausgeschriebenen Auftrages nimmt damit i. d. R. mit der Entfernung zum Ort der Leistungserstellung ab.265 Ein geringer räumlicher Wirkungskreis266 gehört damit zu den wichtigsten Strukturmerkmalen der Bauwirtschaft, worin ein Grund für das geringe Interesse an der EG-weiten Ausschreibung und an der Durchführung von Bauaufträgen im Ausland zu sehen ist.267 Daher kann in bestimmten Fällen auch eine europaweite Ausschreibung wegen der hohen Kosten nicht sinnvoll sein, da billigere ausländische Anbieter oft ohnehin nicht mit den regionalen/nationalen Unternehmen konkurrieren können. Dem trägt aber die Baukoordinierungsrichtlinie durch die im Baubereich hohen Schwellenwerte Rechnung. Es sollen nur Aufträge europaweit ausgeschrieben werden, bei deren Auftragssumme eine Bewerbung ausländischer Unternehmen als wahrscheinlich erscheint, weil sie für sie interessant wird. Begegnen die ausländischen Unternehmer der Regionalität des Bauens damit, dass sie vor Ort Zweigniederlassungen gründen, so wird die Vergabe an diese nicht als grenzüberschreitende Leistung erfasst, tritt also in den Statistiken nicht in Erscheinung.268 – Oft haben die ausländischen Anbieter auch keine ausreichende Kenntnis des nationalen Vergaberechts. Eins der größten Hindernisse für die grenzüberschreitende Vergabe ist, dass sich viele Unternehmen aus Unkenntnis der Vergabepraxis in anderen Ländern dort nicht an Vergabeverfahren beteiligen.269 Es bestehen auch psychologische Hemmschwellen, über das angestammte Vermarktungsgebiet hinauszugehen.270 – Auch sind Sprachbarrieren ein entscheidender Grund, von der Beteiligung an einem Vergabeverfahren in einem anderen Land teilzunehmen. Diese Probleme beginnen schon bei der Ausfüllung der Ausschreibungsunterlagen. Je kleiner das Unternehmen ist, desto größer sind i. d. R. die Sprachbarrieren.271 264

So auch Elverfeld, S. 46 m. w. N. Elverfeld, S. 187, der daraus eine Forderung zur Differenzierung bei den Schwellenwerten im Baubereich ableitet (dazu im 2. Teil). 266 So ergab eine Untersuchung über einen zehnjährigen Zeitraum, dass die Unternehmen des Bauhauptgewerbes 50 – 60% ihres Umsatzes in ihrem eigenen Stadtoder Landkreis, aber nur 2% im Ausland erwirtschaften, Elverfeld, S. 46 und S. 187. Näher auch Seidel, in: Dauses, Hdb. des EU-Wirtschaftsrechts, H. IV, Rn. 18 ff. 267 Elverfeld, S. 46 m. w. N.; Seidel, EuR 1990, 158, 167, die kritisiert, dass diese Regionalität des Bauens bei den Zukunftserwartungen an eine Öffnung der Beschaffungsmärkte nicht hinreichend berücksichtigt wird. 268 So Thoben, in: Ipsen, S. 12 mit weiteren Zahlen zur Regionalität des Bauens. 269 Schäfer, S. 97 f. und 167 f. 270 Näher Schäfer, S. 98 ff. 265

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– Die Auftragsabwicklung im Ausland ist für den Unternehmer durch die Transportkosten, Übersetzungskosten, verstärkte rechtliche Prüfung etc. mit erhöhtem Aufwand verbunden. Dies führt zu Preisaufschlägen, vermindert dort also ihre Wettbewerbsfähigkeit.272 – Auch das Fehlen von Rechtsschutz war Ursache für die geringe grenzüberschreitende Vergabe. Die ausländischen Unternehmen hatten oft nicht die Möglichkeit gegen die weit verbreiteten protektionistischen Praktiken der öffentlichen Auftraggeber vorzugehen.273 Negative Folge dieser protektionistischen Vergabepraxis ist aber, dass die nationalen Unternehmen an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Indem die Vergabestellen, die inländischen Unternehmen vor der ausländischen Konkurrenz schützen, ergeben sich nachteilige Auswirkungen auf deren internationale Wettbewerbsfähigkeit. Wird der Staat nur teurere nationale Produkte einkaufen, werden sich die heimischen Anbieter daran gewöhnen. Der Zwang für diese Unternehmen auch global gesehen wettbewerbsfähige Produkte anzubieten, ist geringer.274 Dagegen werden die Unternehmen durch internationale Konkurrenz (neuen Bietern wird eine Marktzutrittschance gewährt) zur Produktion von kostengünstigen marktgerechten Produkten, zu Innovation und Anpassungsflexibilität gezwungen.275 Hierdurch wird verdeutlicht, dass die Vergaberegeln auch der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft dienen. Dies ergibt sich auch aus der Nichtausnutzung von Skaleneffekten durch größere Betriebseinheiten bei einem größeren Markt.276 Eine Verkleinerung des Beschaffungsmarktes über den „Lokalpatriotismus“ führt weiter zu einer deutlichen Erhöhung der Konjunkturabhängigkeit der Unternehmen.277

271 Näher zur Bedeutung der Sprachbarrieren Schäfer, S. 111 m. w. N., der daher nicht zu Unrecht auf die Gefahr hinweist, der Binnenmarkt könne „zu einer Exklusivveranstaltung der Großen“ werden. 272 Schäfer, S. 164. 273 Zu den Möglichkeiten der Unternehmen, um sich neue Märkte zu erschließen und die eben beschriebenen Hindernisse zu überwinden – Schäfer, S. 165 ff. 274 Westphal, in: Rill/Griller, S. 305, 307. 275 Scherling, S. 68. 276 Dazu Frank, S. 33 f.: etwa mehrfache Ausgaben bei Forschung und Entwicklung; Scherling, S. 70. 277 Kunnert, S. 14. Bei bereits gestörtem Wettbewerb kann die öffentliche Ausschreibung die Störung aber sogar noch verstärken, Wallerath, S. 145 m. w. N. und Pietzcker, Der Staatsauftrag, S. 310 ff.

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(3) Schaffung von Einsparmöglichkeiten für die öffentlichen Auftraggeber durch die Liberalisierung der mitgliedsstaatlichen Beschaffungsmärkte Durch den erhöhten Wettbewerb bzw. die erhöhte Markttransparenz kann die Vergabestelle günstiger einkaufen.278 Nach der Einschätzung des Cechini-Berichts, der von der Kommission Ende der achtziger Jahre in Auftrag gegeben worden war und sich mit den Zielen und (positiven) Effekten der Öffnung der Vergabemärkte beschäftigte279, sind durch eine funktionierende gemeinschaftsweite Auftragsvergabe Einsparungen i. H. v. 8–15 Mrd. ECU jährlich zu erreichen.280 An anderer Stelle ist auch von 21,5 Mrd. ECU die Rede.281 278 Zu den Folgen der verstärkten Konkurrenz auf die Angebotspreise aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht, Scherling, S. 62 ff. m. w. N.: Zwar sinke der Preis der Angebote, dies führe aber nicht zwangsläufig zum Sinken der Gesamtkosten: Es müsse auch berücksichtigt werden, dass durch die eine erhöhte Anzahl von Auftragsbewerbern für den Auftraggeber auch eine aufwendigerer Auswahlprozess ergibt. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sei auch auf die erhöhte Anzahl der Bieter hinzuweisen, die die Angebotserstellungskosten umsonst aufbringt. 279 Zu dessen Ergebnis und der Kritik daran, vgl. ausführlich Frank, S. 35 ff. 280 Checcini, Europa 92 – der Vorteil des Binnenmarktes, 1988, S. 37–39; vgl. näher auch Schäfer, S. 26 ff. Auch in ihrem Vermerk „Public Procurement tresholds to which the Community Directives apply“ „Executive Summary“ – Vermerk der Kommission über die nachteiligen Folgen einer Anhebung der Schwellenwerte, abgedruckt in Monatsinfo forum vergabe e. V. 12/2001, Anlage 3, S. 4 verweist die Kommission auf eine Studie, die ergebe, dass die Beachtung der europäischen Vergaberegeln Einsparungen zwischen 5 und 30% erlaube. Zu den möglichen Einsparungen, vgl. auch die Broschüre der EU-Kommission zum 10. Jahrestag der Binnenmarktvollendung („The Internal Market – Ten Years without Frontiers“), Ziff. 5 und die Studie der europäischen Kommission „A report on the functioning of the public procurement markets in the EU: benefits from the application of EU directives and challenges for the future“ v. 3.2.2004 (dazu Monatsinfo forum vergabe e. V. 2/2004, 34). 281 Cecchini, Europa 92 – Der Vorteil des Binnenmarktes, 1988, S. 39; dazu auch Elverfeld, S. 49; krit. zur Höhe dieser Zahlen Scherling, S. 72 ff.: Denn es muss nicht zwangsläufig zu den Einsparungen bei der öffentlichen Hand kommen, weil es weiter bei dem kameralistischen Prinzip bleibt, dass nicht verausgabte Gelder ins Budget zurückfließen, so dass doch die Tendenz besteht, alles auszugeben. Da die maximale Zahlungsbereitschaft der Vergabestelle durch das ihr zugeteilte Budget bestimmt ist und die Bieter das wissen, wird der Preiswettbewerb eher durch Qualitätswettbewerb ersetzt. „Es hilft . . . nichts, ein wenig billiger zu sein. . .,wenn sich die Vergabestelle ein qualitativ besseres Angebot auch noch leisten kann.“ (Scherling, S. 79 f.). Zu weiteren Nachteilen der Zwänge des Fiskaljahres bei Auftragsvergaben über mehrere Jahre: Hopfmüller, S. 10 ff. Bei Scherling, S. 72 ff. finden sich weitere Gesichtspunkte, die bei Beachtung der Liberalisierung eine gesamtwirtschaftliche Einsparung schmälern. So ist z. B. für den weggefallenen Regionalprotektionismus zur Erhaltung strukturschwacher Gebiete sogar von der Kommission als Ausgleich verstärkte finanzielle Förderung in

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

(4) Abbau von technischen Handelshemmnissen und Verbesserung der Chancen von kleinen und mittleren Unternehmen Die Gemeinschaftsregelungen zum Öffentlichen Auftragswesen tragen aber auch dazu bei, die technischen Hemmnisse im Handel mit Industrieerzeugnissen abzubauen. Die öffentlichen Auftraggeber sind nämlich verpflichtet, technische Merkmale unter Bezugnahme auf europäische Normen oder Harmonisierungsunterlagen zu definieren. Damit liegt hier ein wirksames Instrument für die praktische Durchsetzung der Gemeinschaftspolitik im Bereich der Normung und gegenseitigen Anerkennung.282 Es sollen durch die Liberalisierung auch kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) eine bessere Chance auf Aufträge erhalten.283 dd) Mittel der Vergaberichtlinien, um diese Ziele zu erreichen Um die näher begründete Öffnung der mitgliedsstaatlichen Beschaffungsmärkte zu erreichen, schreiben die Koordinierungsrichtlinien dem Auftraggeber ein Verfahren vor, nach dem er den Vertragspartner für seine Beschaffung ermitteln muss.284 Wesentliches Hindernis für die Teilnahme an transnationalen Ausschreibungen war das Informationsdefizit der Unternehmen, die an öffentlichen Aufträgen interessiert sind. Sie erfuhren nur sehr schwer von Auftragsvergaben in anderen Mitgliedsstaaten. Dem begegnet das gemeinschaftsrechtlichen Vergaberechts, indem es im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe zahlreiche Bekanntmachungspflichten im Europäischen Amtsblatt vorsieht. Weiterer Grund für die geringe grenzüberschreitende Vergabe ist der weite Entscheidungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers bei der Ermittlung des Auftragnehmers. Die Koordinierungsrichtlinien dienen hier der Kanalisierung dieses Entscheidungsspielraums.285 Aussicht gestellt worden. Damit können also die mit der Liberalisierung erreichten Einsparungen durch die erhöhten Kosten der Regional- und Strukturpolitik wieder „aufgefressen“ werden. 282 Sterner, S. 34. 283 Grünbuch der EG-Kommission „Das Öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union – Überlegungen für die Zukunft“ KOM 96, 583 v. 27.11.1996, S. 38 ff. Zu Recht weist Scherling, S. 77 aber darauf hin, dass ein großer Teil der für die KMU interessanten Aufträge – trotz der Möglichkeit der Aufteilung in Lose – unterhalb der Schwellenwerte liegt und hier daher keine Veränderung eintritt. 284 Einen Überblick über die Koordinierungsrichtlinien geben: Grundmann, 5.22– 5.25, Rn. 17 ff.; Scheuer, RiA 2000, 271, 273 ff.; Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 65 ff.; Gutknecht, in: Gutknecht/Korinek/Holoubek, S. 9 ff. 285 Grundmann, 5.22–5.25, Rn. 15.

A. Einleitung

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Um das angestrebte Ziel der Öffnung der Vergabemärkte zu erreichen, werden den Wettbewerbern weiter durchsetzbare Rechtspositionen verliehen, auf die er sich vor den nationalen Nachprüfungsbehörden berufen kann.286 Die Indienstnahme des Marktbürgers für Zwecke des Gemeinschaftsrechts wird also auch zur Öffnung der mitgliedsstaatlichen Beschaffungsmärkte eingesetzt.287 Es wird zu Recht von einem Konzept der „privatisierten Forcierung der Marktöffnung im Beschaffungswesen“288 und der „Instrumentalisierung der Bieter zur Durchsetzung des EG-Vergaberechts“289 gesprochen. Dem liegt die Erfahrung zu Grunde, dass die Vergabestellen die Vergaberegeln eher (oder nur) einhalten, wenn sie „über sich das Damoklesschwert eines jederzeit einleitbaren Nachprüfungsverfahrens schweben sehen“.290 c) Weitere Maßnahmen der EG zur Öffnung der Beschaffungsmärkte neben den beschriebenen Richtlinien Zu den beschriebenen legislatorischen Maßnahmen treten unterstützend zahlreiche flankierende Maßnahmen der Gemeinschaft,291 denn die Kommission hat sich nicht darauf beschränkt, Rechtsvorschriften zu erlassen und Vorsorge für Streitfälle zu treffen. Zu diesen flankierenden Maßnahmen gehören vor allem die wirtschaftliche Beobachtung des Marktes für öffentliche Aufträge292, die Harmonisierung technischer Spezifikationen, die Einrichtung von (elektronischen) Informationssystemen zur Verbesserung des Überblicks über aktuell laufende Vergabeverfahren293 (SIMAP und TED294)295, die Einführung von Standardformularen für Bekanntmachungen 286

Sterner, S. 87 und Schwarze, EuZW 2000, 133, 135. Schwarze, EuZW 2000, 133, 135. 288 Gröning, WRP 2000, 49. 289 Holoubek, ÖZW 1998, 75, 76. 290 Gröning, WRP 2000, 49; dazu näher auch oben bei den Zielen der Einräumung von Vergaberechtsschutz (A. IV.). 291 Dazu ausführlich Frank, S. 239 ff. 292 Frank, S. 245 ff.: Zu nennen sind hier bspw. die Charpentier/Clarke-Studie und die Berichten Checcini I und II. 293 Dies wurde wegen der Überlastung des Amtsblatts Supplements S notwendig, indem die Bekanntmachungen der EU-weit auszuschreibenden Aufträge veröffentlicht werden. Dieses umfasst inzwischen täglich 300 Seiten. 1996 wurden 140.000 Vergabebekanntmachungen im Amtsblatt veröffentlicht (vgl. Frank, S. 248 f.). 294 Mit dem Projekt SIMAP können Bekanntmachungen auf elektronischem Wege erstellt und veröffentlicht werden. Außerdem werden ausgeschriebene Aufträge auch in der Datenbank Tenders Electronic Daily (TED) veröffentlicht. Im Jahre 2001 waren dies bereits ca. 94.000 Aufträge. – näheres auf der SIMAP – Website http://simap.eu.int; zu SIMAP und TED auch Frank, S. 249 ff.; zur Not287

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

von Auftragsvergaben,296 die gegenseitige Anerkennung beruflicher Qualifikationen und die Herausgabe von Leitfäden über das Gemeinschaftsvergaberecht297.298 Weiterhin wurde eine einheitliche Nomenklatur geschaffen. Zu nennen ist hier insbesondere die Güterklassifikation CPA (Classification of Products According to Activities), die Gütersystematik CPC (Central Product Classification of the United Nations) und das CPV (Common Procurement Vocabulary)299.

wendigkeit der Bekanntmachungen in elektronischer Form auch Rüßmann/Diedrich, in: Ranieri (Hrsg.), Die Europäisierung der Rechtswissenschaft, S. 145, 173 ff. 295 Das öffentliche Auftragswesen wird als einer der Schwerpunkte für die Anwendung der neuen Informationstechnologien im staatlichen Sektor bezeichnet, vgl. Frank, S. 248 m. w. N. 296 Am 13.9.2001 wurden die geltenden Richtlinien durch die Europäische Kommission um eine „Richtlinie über die Verwendung von Standardformularen für die Bekanntmachung von öffentlichen Aufträgen“ erweitert (RL 2001/78/EG) – dazu Opitz, NZBau 2003, 183, 186; Monatsinfo Forum Vergabe e. V., )/2001, S. 104 f. und NZBau 2002, 24. 297 Diese wenden sich an alle am öffentlichen Auftragswesen Beteiligte, um diese über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären. In diesen Leitfäden werden die für das öffentliche Auftragswesen relevanten Grundsätze des EG-Vertrags und die wesentlichen Aspekte der Richtlinien der Gemeinschaft erläutert. 298 Es wird allerdings kritisiert, dass die Kommission zu wenig Gewicht auf die Aus- und Fortbildung der mit dem öffentlichen Auftragswesen befassten Personen legt, vgl. nur Frank, S. 262. Die öffentliche Hand habe den Stellenwert des Beschaffungswesens nicht erkannt, wenn sie das Vergabeverfahren in der Hand von ungeschulten Mitarbeitern lässt. Das Beschaffungsmarketing der öffentlichen Hand hinke Jahrzehnte hinter dem Einkauf der privaten Wirtschaft hinterher, der dort zur „Vorstandsmaterie“ gehöre, Bartl, Rn. 48. Diesen Befund bestätigt auch die empirische Untersuchung „Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe – Anspruch und Realität“, dazu Monatsinfo forum vergabe e. V. 11/2003, 173. Auf diese Kritik hin hat die Kommission angekündigt, auf diesem Gebiet aktiv zu werden. 299 Dazu Frank, S. 253 ff. Das CPV ist ein in allen Gemeinschaftssprachen vorliegendes Wörterverzeichnis für das öffentliche Auftragswesen, das für die Beschreibung des Auftragsgegenstandes heranzuziehen ist. Die ausschließliche Verwendung des CPV soll eine automatische Übersetzung des Auftragsgegenstandes in alle Amtssprachen gewährleisten und so zu mehr Transparenz beitragen (vgl. PM der EU-Komm. v. 6.8.2001, dazu DVBl 2001, A 273). Die Verpflichtung zur Anwendung des CPV oberhalb der Schwellenwerte ergibt sich jetzt aus § 14 S. 1 der Vergabeverordnung. Am 16.12.2003 trat auf europäischer Ebene die sog. CPV-Verordnung v. 3.11.2002 in Kraft, die die Anwendung der CPV unmittelbar vorschreibt, näher Opitz, NZBau 2003, 183, 187 f.; Monatsinfo forum Vergabe e. V. 12/2002, 177 f. (mit Abdruck der Verordnung in der Anlage 5).

A. Einleitung

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3. Die Regelungen für die Auftragsvergabe in Deutschland a) Die Zweiteilung des nationalen Vergaberechts Die europäischen Vergaberichtlinien enthalten wie gezeigt nur Vorgaben für Vergabeverfahren, bei denen der Auftragswert bestimmte Schwellenwerte übersteigt. Der deutsche Gesetzgeber war von Beginn seiner Umsetzungsbemühungen an nicht zu einer umfassenden Reform des deutschen Vergaberechts bereit, sondern setzte die Vorgaben der Vergaberichtlinien auch nur für Aufträge ab den in den Richtlinien genannten Schwellenwerten um. Unterhalb der Schwellenwerte beließ er es bei der Fortgeltung des traditionellen, haushaltsrechtlichen Vergaberegimes. Im Ergebnis führte daher die Umsetzung der Richtlinien zu einer Zweiteilung der anzuwendenden Vorschriften. Es wird von der „magischen“ Trennlinie der Schwellenwerte gesprochen.300 Die gesetzliche Ausgestaltung der Schwellenwertregelung im geltenden Recht wird unten näher dargestellt [A. VI. 3. c) dd) (1) (d)]. b) Die Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Deutschland – Das nationale Vergaberecht oberhalb der Schwellenwerte301 Die Vergaberichtlinien stellten 3 grundlegende Anforderungen an das traditionelle deutsche Vergaberecht: Es hatte sich vom Innenrecht zum Außenrecht zu wandeln und es mussten subjektive Rechte eingeführt werden.302 Auf Letzterem basiert dann die Notwendigkeit der Einführung eines effektiven Systems des primären Rechtsschutzes. 300

Berrisch/Nehl, DB 2001, 184, 187. Gesetzliche Regelungen des Vergaberechts, die sowohl für Aufträge oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte gelten, finden sich aber im Haushaltsrecht, im Haushaltsgrundsätzegesetz und die Haushaltsordnungen der Länder und des Bundes. So sehen § 30 HGrG bzw. § 55 I BHO eine grundsätzliche öffentliche Ausschreibung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vor. Sie konkretisieren damit das in § 6 HGrG bzw. § 7 BHO ausdrücklich festgeschriebene Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung (vgl. auch § 19 II HGrG bzw. § 34 II BHO). Aus den Haushaltsordnungen haben weiter § 6 BHO (Grundsatz der Notwendigkeit der Ausgabe) und § 55 II BHO Bedeutung. Bei der Vergabe müssen die öffentlichen Auftaggeber und auch die Auftragnehmer weiterhin das Preisrecht beachten. Näher zum Preisrecht, das aber für das Auftragswesen zunehmend an Bedeutung verliert, der Kommentar von Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, 7. Aufl. 2001; Noelle/ Rogmans, S. 17 ff. und 125 ff.; im Überblick bei Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 110 ff. 302 Vgl. auch H.-U. Gallwas, VergabeR 2001, 2, 3. 301

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Der deutsche Gesetzgeber versuchte aber zunächst, die Vergaberichtlinien so umzusetzen, dass das deutsche Vergaberecht so weit wie möglich erhalten blieb. Wenn sich die gewählte minimalistische Umsetzung dann – etwa wegen einer Verurteilung durch den EuGH303 – als nicht ausreichend herausstellte, folgte ein neuer Umsetzungsversuch. Die Fehler bei der Umsetzung betrafen dabei nicht den Ablauf des Vergabeverfahrens. Denn diesbezüglich lehnen sich die Vergaberichtlinien an die schon vorher in Deutschland geltenden Bestimmungen an, so dass insoweit kein großer Anpassungsbedarf bestand. Ganz anders war dies im Bereich des Bieterrechtsschutzes, wo umfassende Umgestaltungen notwendig wurden.304 Insbesondere hier lassen sich die Umsetzungsbemühungen als „Rückzugsgefechte“ charakterisieren.305 Auch im Vergabereich zeigt die Geschichte der Umsetzung aber letztlich, dass sich das Europarecht doch gegen innerstaatliche Widerstände durchsetzt. aa) Der 1. Umsetzungsversuch Die aufgrund dieser Richtlinien notwendigen Umsetzungsmaßnahmen versuchte man in Deutschland zunächst nur durch eine entsprechende Anpassung der Verdingungsordnungen vorzunehmen. Die Richtlinienumsetzung erfolgte nur über Ergänzungen der Verdingungsordnungen. In den VOB Teil A und die VOL Teil A sind dazu „a“-Paragraphen und „b“-Paragraphen eingefügt worden. Für die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie wurde eine neue Verdingungsordnung, die VOF, geschaffen.306 Die Anwendung der Verdingungsordnungen wurde dadurch sichergestellt, dass Bund und Länder sie aufgrund haushaltsgesetzlicher Vorschriften (§§ 55 II BHO und der LHO’s) als innerdienstlich bindende Verwaltungsanweisungen einführten.307 In den Gemeinden hatten die Verdingungsord303 Vgl. die Nachweise bei Grundmann, 5.22–5.25, Rn. 64, nachdem daher die „Geschichte der Umsetzung“ der europarechtlichen Vorgaben im Vergabebereich „in Deutschland . . . konfliktreich wie bei kaum einem anderen Rechtssetzungsakt zum Europäischen Schuldvertragsrecht“ ist. Aber auch in anderen Mitgliedsstaaten der EG bot sich ein ähnlich trauriges Bild, vgl. dazu auch Dreher, EuZW 1998, 197. 304 Roebling, Jura 2000, 453, 457. 305 Dreher, NZBau 2002, 419; vgl. auch Hermes, JZ 1997, 909, 911; Huber, Kampf um den öffentlichen Auftrag, S. 27 spricht hier zu Recht von einem „zähen Abwehrkampf“ des deutschen Vergaberechts gegen seine Europäisierung. 306 Dies erfolgte aber nicht innerhalb der Umsetzungsfrist der Dienstleistungsrichtlinie (Umsetzungsfrist lief am 30.6.1993 ab, während die VOF erst durch im 2. Halbjahr 1997 in Kraft trat). 307 Näher zur Rechtslage nach Erlass der Vergaberichtlinien aber vor Schaffung der haushaltsrechtlichen Lösung Seidel, EuR 1990, 158 ff.; Pietzcker, in: Festschrift für Konrad Redeker zum 70. Geburtstag, S. 501 ff.

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nungen dort, wo sie von den Gemeindehaushaltsverordnungen selbst für anwendbar erklärt werden, Rechtsnormcharakter (näher dazu im Teil 4, B.). Diese Lösung stellte aber keine ausreichende Umsetzung der Richtlinien dar.308 Eine Umsetzung von Richtlinien über Verwaltungsvorschriften ist nicht zulässig. Deswegen hatte die Kommission 1992 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet, das sich darauf stützte, dass in Deutschland die Vergaberichtlinien nur durch die Verdingungsordnungen als Verwaltungsvorschriften umgesetzt wurden. Weiterhin konnten die Verwaltungsvorschriften nicht die privaten Auftraggeber erfassen, die nach den Vergaberichtlinien in das Vergaberecht eingebunden werden mussten. Außerdem genügten die vorher bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten nicht den Vorgaben der Rechtsmittelrichtlinien. Die eingeführten Regelungen waren also nicht nur wegen ihrer fehlenden Normqualität „gesetzlos“309. Dementsprechend wurde vom EuGH am 11.8.1995 auch antragsgemäß ein Gemeinschaftsrechtsverstoß durch die gewählte Umsetzung festgestellt.310 bb) Der 2. Umsetzungsversuch – Die so genannte haushaltsrechtliche Lösung Den nächsten Umsetzungsversuch startete der Bundesgesetzgeber 1993 mit der sog. haushaltsrechtliche Lösung, die wegen der Einordnung des Vergaberechts in das HGrG311 so genannt wird. Dazu war am 26.11.1993 das zweite Gesetz zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes ergangen, das am 1.1.1994 in Kraft trat.312 In Gefolge dieses Gesetzes wurden auch Die Zeit vor Geltung gesetzlicher Vergaberegelungen wurde auch als die „dunkle Zeit des vergaberechtlichen Mittelalters“ bezeichnet – Aicher, JRP 1999, 253. 308 Näher Sterner, S. 73 f. 309 Mit diesem Begriff beschreibt auch Achenbach, S. 4 diesen Umsetzungsversuch. 310 Slg 1995, I-2303. 311 Diese Einordnung wurde gewählt, da auch schon zuvor im Haushaltsgrundsätzegesetz die allgemeinen Gründsätze der Vergabe öffentlicher Aufträge geregelt waren. Des Weiteren meinte die Bundesregierung, sie könne das Ziel, keine subjektiven Rechte durch die Neuregelung des Vergaberechts entstehen zu lassen (näher sogleich im Text), am besten durch Einfassung in das Haushaltsrecht, das grundsätzlich keine Außenwirkung hat, erreichen. – BT-Drs. 12/4636, S. 2; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, BT-Drs. 2/5334, S. 2 und zum Ganzen auch Erdl, S. 43. 312 Für die Gesetzgebungskompetenz wurde Art. 109 III GG herangezogen – Pietzcker, in: Schwarze, S. 61, 74; ders., in: Festschrift für Konrad Redeker zum 70. Geburtstag, S. 501, 506 ff.; vgl. auch ders., in: Ipsen, S. 43, 46. Für die erfassten Privatunternehmen in den Sektoren kann allerdings nicht auf die Kompetenz-

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

zwei Rechtsverordnungen, die Vergabeverordnung und die Nachprüfungsverordnung (NpV) erlassen. Die haushaltsrechtliche Lösung regelte in den §§ 57a–c HGrG den Anwendungsbereich des Vergaberechts und das Überprüfungsverfahren in Grundzügen. In § 57a II HGrG war eine Verordnungsermächtigung enthalten, worauf die 1994 erlassene Vergabeverordnung313 gestützt wurde. Diese ordnete in den §§ 1–3 Vergabeverordnung für die von § 57a HGrG erfassten Auftraggeber die Anwendung der Verdingungsordnungen an, in denen nach wie vor das Vergabeverfahren im Einzelnen geregelt war. Es handelte sich dabei um eine statische Verweisung, wodurch die in Bezug genommenen Teile der Verdingungsordnungen Bestandteil der Vergabeverordnung wurden und daher den Charakter von Rechtsverordnungen hatten.314 Die Vergabeverordnung war also das Bindeglied zwischen dem Haushaltsgrundsätzegesetz und den Verdingungsordnungen. Insgesamt wurde durch die haushaltsrechtliche Lösung das materielle Vergaberecht der Koordinierungsrichtlinien auf das schon vorhandene verwaltungsinterne Vergabesystem „aufgepfropft“ und dieses für alle öffentlichen Auftraggeber verbindlich gemacht.315 Der Rechtsschutz des Bieters war ergänzend zu § 57 b und c HGrG in den Nachprüfungsverordnungen des Bundes sowie der Länder316 geregelt. Hierdurch wurde erstmals eine formalisierte Überprüfung des Vergabeverfahrens ab Erreichen der Schwellenwerte möglich, wobei aber kein gerichtlicher, sondern nur ein zweistufiger behördlicher Rechtsschutz gewährt wurde. Zunächst waren für die Nachprüfung verwaltungsinterne Vergabeprüfstellen zuständig, deren Entscheidungen ihrerseits auf Antrag einer Überprüfung durch Vergabeüberwachungsausschüsse zugänglich waren.317 grundlage des Art. 109 III GG abgestellt werden. Hier muss auf Art. 74 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) zurückgegriffen werden – Rittner, NVwZ 1995, 313, 315. Zur Gesetzgebungskompetenz für das VgRÄG siehe unter A. VI. 3. c). 313 Verordnung über die Vergabebestimmungen für öffentliche Aufträge vom 22.2.1994, BGBl. 1194 I, 321, in Kraft getreten am 1.3.1994. Zuletzt galt sie in der Fassung der Änderungsverordnung vom 29.9.1997, BGBl I, 2384. 314 BGH, Urt. v. 17.2.1999 – X ZR 1001/97, NJW 2000, 137, 138; OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431, 436 (WuW/E Verg 197); Binder, ZZP 113. Band (2000), 195, 198 f.; Pietzcker, in: Ipsen, S. 43, 44; Dreher, ZIP 1995, 1869, 1870; Faber, DÖV 1995, 403, 406; näher zu den Folgen der statischen Verweisung unten unter A. VI. 3. c) dd) (3). 315 Vgl. Dreher, ZIP 1995, 1869, 1870. 316 Verordnung über das Nachprüfungsverfahren für öffentliche Aufträge (Nachprüfungsverordnung) BGBl. 1994 I, 324 f.; zu den entsprechenden Landesverordnungen vgl. die Übersicht bei Noch, S. 144 Fn. 717. 317 Zum Nachprüfungsverfahren nach der haushaltsrechtlichen Lösung: Prieß, in: Ipsen, S. 81 ff.; vgl. auch Roebling, Jura 2000, 453, 459; Herrmann, ZVgR 1997,

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Das Vergaberecht nach der haushaltsrechtlichen Lösung hatte allerdings zum Ziel, den Bietern keine subjektiven, gerichtlich einklagbaren Rechte einzuräumen. So heißt es in der Begründung der Bundesregierung: „Das Konzept hat zum Ziel, individuelle, einklagbare Rechtsansprüche der Bieter nicht entstehen zu lassen.“318 Es sollte insoweit die schon geltende Rechtslage erhalten werden. Den Vergaberegeln wurde daher ausdrücklich nicht der Charakter von subjektiven Rechten beigemessen, sondern sie blieben reine Verfahrensregeln mit Schutzfunktion zugunsten des öffentlichen Haushaltsrechts.319 Die Unternehmen hatten also kein Recht auf Einhaltung der Vergabevorschriften. Grund für dieses Absehen von der Einführung subjektiver Rechte war, dass man befürchtete dies würde wegen Art. 19 IV und 20 GG durch langwierige gerichtliche Verfahren zu einer Verzögerung der Auftragsausführung kommen.320 Insgesamt stellte daher auch die haushaltsrechtliche Lösung den Versuch einer „Minimalumsetzung“ dar.321 Aber auch die haushaltsrechtliche Lösung hatte nicht lange Bestand. Aus zwei Gründen war eine erneute Änderung des Vergaberechts nötig:322 – Zum einen verstieß auch die haushaltsrechtliche Lösung gegen Gemeinschaftsrecht. Die Vergaberichtlinien fordern die Einräumung gerichtlich durchsetzbarer Rechtspositionen323. Die Vergaberegeln sollen dadurch in 320 ff.; Dreher, ZIP 1995, 1869, 1870 ff.; Rittner, NVwZ 1995, 313, 317 ff.; Lück, S. 26 ff.; Frank, S. 291 ff. 318 Begründung zum Gesetzentwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes BT-Drs. 12/4636, S. 12; BR-Drs. 5/1993, S. 21 ; BTDrs. 12/4636, S. 12. 319 Erdl, S. 182, Rn. 363. 320 Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes BT-Drs. 12/4636, S. 12. 321 Dies ist in der Literatur sehr kritisiert worden. Unter anderem wurde Unverständnis dafür geäußert, dass ausgerechnet die Bundesrepublik, die in anderen Bereichen als Verfechterin von Grundrechten und subjektiven Rechten im europäischen Integrationsprozess auftritt, gerade versucht, sich dem im Vergabebereich zu entziehen – näher Knauff, VR 2000, 397, 404 f. 322 Darüber hinaus gab es noch zahlreiche weitere Kritikpunkte am Umsetzungsversuch durch die haushaltsrechtliche Lösung in der Literatur, näher Meibom/Byok, EuZW 1995, 629 ff.; Prieß in Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst I, Rn. 58 ff.; Lück, S. 42 ff.; Prieß, in: Ipsen, S. 81, 87 f.; Dreher, ZIP 1995, 1869, 1876 ff. Nur von einigen Autoren wurde die Umsetzung für ausreichend gehalten, dazu näher Knauff, VR 2000, 397, 402. 323 EuGH v. 11.8.1995 (Kommission/Bundesrepublik Deutschland), Slg. 1995, I-2303 = EuZW 1995, 635; zum Umfang der subjektiven Rechtspositionen in den Vergaberichtlinien ausführlich Kalinowsky, S. 75 ff. und Sterner, S. 62 ff.

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den Mitgliedsstaaten beachtet werden, dass potentielle Auftragnehmer ihr Recht auf die Beachtung der Vergabeverfahrensregelungen selbst durchsetzen. Dies war aber durch die haushaltsrechtliche Lösung ausdrücklich ausgeschlossen worden (s. o.).324 Denn im nationalen Recht setzt gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich das Bestehen subjektiver Rechte voraus. Einen entscheidenden Anstoß für die Abkehr von der haushaltsrechtlichen Lösung gab insoweit die Entscheidung des EuGH v. 11.8.1995.325 Der EuGH entschied hier, dass die vor der haushaltsrechtlichen Lösung geltende deutsche Regelung gegen Gemeinschaftsrecht verstoße, weil sie den Bietern keine gerichtlich durchsetzbaren subjektiven Rechte gewähre. Diese Entscheidung erging zwar explizit zu der vor der Schaffung der haushaltsrechtlichen Lösung in Deutschland geltenden Rechtslage326, konnte aber, da sich in Bezug auf die durchsetzbaren Rechtspositionen nichts geändert hatte, inhaltlich auf die haushaltsrechtliche Lösung übertragen werden.327 Außerdem hatte die Kommission dadurch, dass die Entscheidung des EuGH v. 11.8.1995 durch die Schaffung der haushaltsrechtlichen Lösung „überholt“ worden war, 1995 ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der haushaltsrechtlichen Lösung eingeleitet.328 Es wurde allgemein damit gerechnet, dass der EuGH der Rechtsansicht Lange Zeit war es aber umstritten, ob die EG-Richtlinien in Deutschland zur Einräumung subjektiver Rechte zwingen. Befürworter der haushaltsrechtlichen Lösung verneinten dies (etwa Eberstein, BB 1994, 1230, 1236; Schumacher, S. 70 f.; vgl. auch Sterner, S. 69 f.; Waldner, S. 160 ff.). Die überwiegende Auffassung war jedoch anderer Ansicht, vgl. zu diesem Streit: Kalinowsky, S. 73 m. w. N.; Schäfer, S. 140 ff. m. w. N.; Boesen, § 97 Rn. 173 ff. 324 Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Vor § 97 GWB, Rn. 3 Fn. 7 bezeichnet dies als eine „besonders gute Absicherungsstrategie des Obrigkeitsstaates“: „Der Moloch lässt sich zwar mit einem Regelungsnetz einfangen, behält aber doch die Souveränität das über ihn geworfene Netz ungestraft zu zerreißen, wann er will.“ 325 EuGH v. 11.8.1995 (Kommission/Bundesrepublik Deutschland), Slg. 1995, I-2303 = EuZW 1995, 635; zur Diskussion um die nötige Reaktion. auf die Entscheidung auch Behördenspiegel, 1995, September 1995, S. B I f.; Pietzcker, NVwZ 1996, 313 ff.; Meibom/Byok, EuZW 1995, 629 ff. 326 Rz. 16, EuZW 95, 635, 636. Sie konnte sich daher antragsgemäß auch nur auf die Zeit vor In-Kraft-Treten der haushaltsrechtlichen Lösung beziehen. 327 Glahs, in: Reidt/Stickler/Glahs, Einl. Rn. 8; vgl. auch Meibom/Byok, EuZW 1995, 629 ff. 328 Beanstandungsschreiben der EG-Kommission v. 31.10.1995 (SG (95) D/ 13624-95/2044), ZIP 1995, 1940. Es enthält Kritik zur Gerichtsqualität der Nachprüfungsinstanzen, zur Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung, zu Mängeln bei der Anordnung vorläufiger Maßnahmen (bei Interessenabwägung). Sehr kritisch zu

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der Kommission folgen würde.329 Zu der Entscheidung des EuGH kam es aber wegen der Neuregelung des Vergaberechts durch das 1998 in Kraft getretene Vergaberechtsänderungsgesetz nicht mehr. Weiterer wesentlicher Kritikpunkt an der haushaltsrechtlichen Lösung war auch der mangelhafte Bieterschutz aufgrund fehlender Gerichtsqualität der Vergabekontrollinstanzen.330 Mit dieser Nichtgewährung von gerichtlichem Rechtsschutz stand Deutschland im Vergleich zu den anderen Mitgliedsstaaten der EU allein.331 Nur in Deutschland wurde so verbittert über die Notwendigkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes im Vergabebereich gestritten.332 Allerdings bejahte der EuGH in der Rs. Dorsch Consult333 die Gerichtsqualität der Vergabeüberwachungsausschüsse.334 – Ursache der Ablösung der haushaltsrechtlichen Lösung war zum anderen der durch die USA erzeugte handelspolitische Druck335. Auslöser war hier die Tatsache, dass amerikanische Unternehmen (v. a. Westinghouse den Beanstandungen der Kommission: Richter am BGH Siegfried Broß, VerwArch 133, 521, 522 ff. 329 Glahs, in: Reidt/Stickler/Glahs, Einl. Rn. 8. 330 Zur darüber in Deutschland geführten Diskussion vgl. nur Boesen, EuZW 1997, 713 und Pietzcker, NVwZ 1996, 313, 315 ff. 331 Die Rechtslage in Österreich ist schon deshalb eine andere, weil u. a. das BVA durch seine Besetzung mit Richtern sehr viel „gerichtsähnlicher“ ist, als es der deutsche VÜA war. 332 Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 239 (vgl. auch S. 220 ff.); Prieß/ Hausmannn EuR 1999, 203, 226. 333 EuGH, Urt. v. 17.9.1997 – Rs. C-54/96 (Dorsch Consult), Slg 1997, I 4961 = NJW 1997, 3365, 3366; so auch KG Berlin, Beschl. v. 31.5.1995, BauR 1995, 837, 842. 334 Deswegen waren nach dieser Entscheidung des EuGH wieder Stimmen laut geworden, die das schon eingeleitete Gesetzgebungsverfahren zurückstellen und prüfen wollten, ob die haushaltsrechtliche Lösung im Lichte der neuen Entscheidung nicht doch ausreichend sei (so der Bundesrat, in: BR-Drs 646/97, S. 1 f. und in BTDrs. 13/9340, S. 35; vgl. dazu auch Waldner, S. 64). Allerdings musste der EuGH die Gerichtsqualität nur im Hinblick auf die Zulässigkeit der Vorlage, also nur nach Art. 177 EGV beantworten. Ausdrücklich nicht Gegenstand seiner Entscheidung war die Frage, ob der VÜA des Bundes die in Art. 2 VIII RL 89/665/EWG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt – EuGH, a. a. O., Rz. 22; Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 191. 335 Dazu Erdl S. 53 f. m. w. N. und 205; Marx, in: Ipsen, S. 71, 74 ff.; Frank, S. 294 f. und Thoben, in: Ipsen, S. 16. Zum nicht unerheblichen Konflikt, den die Sektorenkoordinierungsrichtlinie zw. der EG und den USA auslöste und der durch das „Memorandum of Understanding“ v. 25.5.1993 gelöst wurde, Kunnert, S. 172 ff.; Haase, S. 227 f.; Prieß, EuZW 1996, 357, 359: Die 1993 noch nicht gelösten Fragen wurden im April 1994 durch ein bilaterales Abkommen zwischen den USA und der Gemeinschaft beseitigt. Für europ. Unternehmen wurde dadurch v. a. die Nichtanwendung des Buy-AmericanAct erreicht.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

und General Electric) mit einer Beanstandung von behaupteten Benachteiligungen in Vergabeverfahren in Ostdeutschland336 keinen Erfolg hatten. Die US-Regierung kam daraufhin zu dem Ergebnis, dass die nach der haushaltsrechtlichen Lösung bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten der Bieter nicht ausreichend seien.337 Sie setzte die Bundesrepublik daher auf die Liste der diskriminierenden Länder und drohte mit massiven Handelssanktionen.338 Wegen der Bedrohung der deutschen Außenwirtschaft und des durch die Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens sah sich die Bundesregierung veranlasst, gesetzgeberisch tätig zu werden.339 Damit wurden schon 2 Jahre nach der Einführung der haushaltsrechtlichen Lösung die damit einhergehenden Hoffnungen auf Ruhe, Sicherheit und Kontinuität in diesem Rechtsgebiet enttäuscht.340 Im Ergebnis kann man Waldner in seiner Rückschau zustimmen, dass die haushaltsrechtliche Lösung ein wohl notwendiger Zwischenschritt bei der Wandlung des Vergaberechts zum Bieterschutzrecht war. Erst durch die Bedenken an der Gemeinschaftskonformität wurde eine wissenschaftliche Diskussion ausgelöst, die in Verbindung mit den europäischen Einflüssen zu einem grundsätzlichen Umdenken über das Vergaberecht führte.341 c) Zur Rechtslage heute: Das Vergaberechtsänderungsgesetz als 3. Umsetzungsversuch Wegen der oben beschriebenen Gründe entschloss sich die Bundesregierung durch Kabinettsbeschluss vom 15.9.1996, das Vergaberecht erneut zu 336

Sie waren Anbieter bei Kraftwerksbauten in Lippendorf (Sachsen) und Cottbus und wurden zugunsten von ABB von der Auftragsvergabe ausgeschlossen (Frank, S. 294 und S. 362). Zum Verfahren vor den Nachprüfungsinstanzen: KG Berlin, Urt. v. 10.4.1995, EuZW 1995, 645 (für Lippendorf); Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 190; zum Verfahren „Westinghouse“ Byok, VergabeRecht 1/96, 55; vgl. auch Behördenspiegel, August 1996, S. B I und die Nachw. bei Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 38 Fn. 75. 337 Zum Rechtsschutz im US-amerikanischen Vergaberecht, Achenbach NZBau 2004, 244. 338 Dazu auch Waldner, S. 64 Fn. 252 m. w. N.; vgl. auch die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD, BT-Drs. 13/7137 v. 5.3.1997, S. 8 ff.; zu den diplomatischen Verhandlungen zw. Deutschland und den USA in diesem Zusammenhang vgl. Behördenspiegel, Juli 1996, S. B I. 339 Eine sehr interessante Zusammenfassung der Zwänge aus der Sicht der Bundesregierung, die letztendlich zum Erlass des VgRÄG führen gibt Marx, in: Ipsen, S. 71, 74 ff. 340 Hermes, JZ 1997, 909, 911. 341 Waldner, S. 66.

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überarbeiten. Das damit eingeleitete Gesetzgebungsverfahren342 mündete darin, dass am 29.5.1998 das Gesetz zu Änderung der Rechtsgrundlage für die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergaberechtsänderungsgesetz VgRÄG)343 vom Bundesrat und Bundestag verabschiedet.344 Es wurde am 26.8.1998 verkündet und ist am 1.1.1999 in Kraft getreten345.346 Durch das Vergaberechtsänderungsgesetz wurde das Vergaberecht in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen eingefügt. Deswegen wird dieses Regelungsmodell auch als „wettbewerbs“- bzw. als „kartellrechtliche Lösung“347 bezeichnet. Das Vergaberechtsänderungsgesetz stellt den (vorerst) letzten gesetzlichen Umsetzungsversuch dar. Auf diese, heute geltende Rechtslage soll im Folgenden etwas näher eingegangen werden: 342 Näher dazu: Erdl, S. 206 Rn. 414 insbes. Fn. 441; Waldner, S. 67; Lück, S. 53 f.; Schmitt, S. 80 ff.; Lück, S. 53 f.; Daub/Eberstein – Eberstein, Einf. Rn. 46 ff.; BR-Drs. 646/97 und 626/2/97. 343 BGBl. I Nr. 59 v. 2.9.1998, S. 2512. Für die Gesetzgebungskompetenz des Bundes stützt sich die Begründung insbesondere auf Art. 74 I Nr. 11, erwähnt aber gleichzeitig Art. 74 I Nr. 1, Nr. 16 und Art. 109 III GG. Zur Frage der Gesetzgebungskompetenz auch Pietzcker, in: Schwarze, S. 61, 74; ders., in: ZHR 162 (1998), 427, 441 f.; ders., in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst II, Rn. 17; ders., in: Festschrift für Konrad Redeker zum 70. Geburtstag, S. 501, 507; Huber, in: Festschrift für Schiedermair, S. 765, 775; Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Vor § 97 GWB, Rn. 18 ff. Von einer vereinzelt vertretenen Ansicht wird die Bundeskompetenz für die gegenwärtige Ausgestaltung des Vergaberechts bezweifelt: H.-U. Gallwas, VergabeR 2001, 2, 6 ff.; Siekmann, Diskussionsbeitrag auf der Staatsrechtslehrertagung 2000, VVDStRL 60, 640, 641 f. 344 Beschluss des Bundestages über die Annahme der Empfehlung des Vermittlungsausschusses, BR-Drs. 519/98 v. 29.5.1998 und Beschluss des Bundesrates über die Zustimmung zum Gesetz, BR-Drs. 519/98 v. 29.5.1998. 345 Wegen einer Gesetzgebungspanne war allerdings fraglich, ob es überhaupt zu einem In-Kraft-Treten des VgRÄG gekommen ist bzw. es nicht gleich nach dem InKraft-Treten wieder außer Kraft getreten ist (dies bejahend Preuss, NJW 1998, 3474, 3475; dazu auch Gröning, ZIP 1999, 52 f.). Inzwischen hat sich aber die Auffassung durchgesetzt, dass das VgRÄG auch trotz dieser „Panne“ Geltung erlangt hat (zur Argumentation Koch, VerwArch 2000, 354 Fn. 1 m. w. N.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999 – 6 Verg 1/99 „Flughafen Berlin-Schönefeld“, NZBau 2000, 39 = NVwZ 1999, 1142 = BauR 1999, 1175, 1176; vgl. auch Scheuer, RiA 2000, 271, 277). 346 Zur (weiterhin kritischen) Reaktion der USA auf das Vergaberechtsänderungsgesetz vgl. Frank, S. 301 f. 347 Die §§ 97 ff. GWB sind auch als Kartellvergaberecht bzw. als besonderes Kartellrecht bezeichnet worden (vgl. Wolff/Bachof/Stober, I, 1999, § 23 V 1 Rn. 23 und Noch, WuW 1998, 1059). Zum Verhältnis von Kartellvergaberecht und allgemeinem Kartellrecht vgl. ausf. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 60 ff.

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aa) Wesentliche Neuerungen durch das Vergaberechtsänderungsgesetz Als wesentliche Neuerungen durch das Vergaberechtsänderungsgesetz sind zu nennen: – Kernstück bei der Neugestaltung des Vergaberechts war die Ausgestaltung der Vergaberegeln als subjektive Rechte, woraus sich dann auch die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung ergibt. In § 97 VII GWB heißt es daher: „Die Unternehmen haben Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält.“ Es hat damit im Vergaberecht ein Paradigmenwechsel348 stattgefunden.349 Das Vergaberechtsänderungsgesetz hat mit der Einräumung subjektiver Rechte eine deutliche Stärkung der Bieterrechte zur Folge,350 auch wenn in Detailfragen bis heute noch nicht abschließend geklärt ist, welche nationalen Vergabebestimmungen zu den „Bestimmungen“ nach § 97 VII GWB gehören, also subjektive Rechte begründen.351 348 Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 97 GWB, Rn. 11 mit Verweis auf andere Autoren, die von einer „Gezeitenwende“ sprechen; Boesen, EuZW 98, 554 spricht von einer „revolutionären Entwicklung im deutschen Vergaberecht“. Andere sprechen von einem „Systemwechsel“. Nach anderen Autoren erfolgte erst durch die Einräumung subjektiver Rechte der Übergang vom bloßen „Vergabewesen“ zum echten „Vergaberecht“ erfolgte – Latzenhofer, in: Potacs, Beiträge zum Kärntner Vergaberecht, 2000, S. 123 und Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 49. 349 Damit hatte die Diskussion ein Ende, ob die Vergaberichtlinien zwingend so umgesetzt werden müssen, dass dem Bieter subjektive Rechte zustünden. 350 Glahs, in: Reidt/Stickler/Glahs, Einl. Rn. 8. Die neue Rechtslage führt aber nicht nur zu einer Verbesserung der Rechtslage der Bieter, sondern auch zu Einschränkungen (bspw. durch den Anspruch auf Schadensersatz wegen rechtsmissbräuchlicher Antragsstellung nach § 125 GWB). Der Gesetzgeber war bemüht, einen Ausgleich zwischen den Rechtsschutzinteressen der Bieter und dem Interesse der Vergabestelle (und der Allgemeinheit) an einer zügigen Auftragsvergabe zu schaffen, näher B. V. 351 Es ist fraglich, ob unabhängig vom Schutzzweck einer Vorschrift der Verdingungsordnung ihre Beachtung schon dann verlangt werden kann, wenn sie eine Entsprechung in den Vergaberichtlinien hat. Dagegen: RegE-VgRÄG, Abschnitt A, Ziffer 3 und Anschnitt B, zu 106 VI; Mosbacher, DÖV 2001, 573, 578; dafür: OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999 – 6 Verg 1/99, NZBau 2000, 39 = NVwZ 1999, 1142; zustimmend Kraus, BauR 2000, 1545, 1553; Kulartz/Niebuhr, NZBau 2001, 6, 13; ausf. Waldner, S. 148 ff.; vgl. auch Hailbronner, BT-Drs. 13/9340, S. 25 ff. Zu den Zweifeln an der Europarechtskonformität dieser – heute nur noch in Teilbereichen bestehenden – Unsicherheit: Lück, S. 79 ff. m. w. N.; Kalinowsky, S. 242 ff.; Schenk, S. 192 ff.; Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1271; Waldner, S. 144. Eine Übersicht über die Entscheidungen der OLG-Vergabesenate darüber, welche Normen des Vergaberechts im Einzelnen subjektive Rechte schaffen, gibt Jaeger, NZBau 2001, 427, 430 ff.; vgl. auch OLG Düsseldorf Beschl. v. 15.6.2000 – Verg 6/00, BauR 2000, 1603, 1606 = NZBau 2000, 440; Waldner, S. 133 ff.; Erdl, S. 226 Rn. 457 ff.;

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– Erstmals in einer gesetzlichen Grundlage (in der Basisnorm des § 97 GWB) niedergelegt wurden einige wichtige materielle Grundsätze des Vergaberechts.352 So enthalten § 97 I und II GWB die Grundsätze des Wettbewerbs353, der Transparenz354 des Vergabeverfahrens und der Gleichbehandlung355. Weiterhin verpflichtet § 97 III die Auftraggeber zu einer angemessenen Berücksichtigung mittelständischer Interessen. Das Prinzip der losweisen Vergabe ist jetzt von § 97 III erfasst, war aber schon immer in § 4 VOB/A und in § 5 VOL/A festgeschrieben. Es dient dazu, kleinen oder mittleren Unternehmen, die mit dem Gesamtauftrag überfordert wären, durch eine Zerlegung in Teillose die Teilnahme an Ausschreibungen zu ermöglichen.356 Nach § 97 V GWB ist der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.357 Grundsätzlich358 muss danach der Zuschlag nicht auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden.359 Für das Verfahren der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes enthalten die Verdingungsordnungen detaillierte Vorgaben, etwa zur Reihenfolge der bei der Auswahl des Bieters zu durchlaufenden Wertungsstufen.360

Kalinowsky, S. 8 ff.; Lück, S. 79 ff.; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 97 Rn. 190 ff. 352 Waldner, S. 68 f. 353 Eine Zusammenstellung von Urteilen zum Wettbewerbsgrundsatz findet sich bei Kraus, BauR 2000, 1545, 1547 f. 354 Das Transparenzgebot zielt auf eine möglichst umfangreiche Information der Bieter und eine durchschaubare und nachvollziehbare Gestaltung der Vergabeverfahren ab – näher Kulartz/Niebuhr, NZBau 2001, 6, 12; zu Entscheidungen der OLGVergabesenate zum Transparenzgebot: Jaeger, NZBau 2001, 427, 428 f.; vgl. auch OLG Schleswig, Beschl. v. 13.2.2001 – 6 Verg 1/2001, VergabeR 2001, 214 m. Anm. Waldner. 355 Vgl. auch § 2 Nr. 2 VOB/A, § 4 Abs. 2 VOF; zu Entscheidungen zu diesem Grundsatz vgl. Kraus, BauR 2000, 1545, 1549 f. und Vetter, NVwZ 2001, 745, 750 f. Kulartz/Niebuhr, NZBau 2001, 6, 10 ff. 356 Dazu Kraus, BauR 2000, 1545, 1550 f. 357 Vgl. auch § 25 Nr. 2 u. 3 Abs. 3 VOB/A. 358 Anders ist dies aber, wenn die Angebote inhaltlich übereinstimmen, also gemäß den nach den Vergabebedingungen maßgebenden Bedingungen sachlich und in technischer, gestalterischer und funktionsbedingter Hinsicht gleichwertig sind. Dann wird der Preis zum (allein) ausschlaggebenden Eignungskriterium – BGH, Urt. v. 26.10.1999 – X ZR 30/98, BauR 2000, 254 = NZBau 2000, 35 und BGH, Urt. v. 17.2.1999 – X ZR 1001/97, NJW 2000, 137, 139. 359 Dies entspricht den Vorgaben der Koordinierungsrichtlinien, die die Zuschlagserteilung entweder nach dem Kriterium des niedrigsten Preises oder – wie im GWB – nach dem Kriterium des wirtschaftlichsten Angebots zulassen (Art. 26 I LKR; Art. 30 I BKR; Art. 36 I DKR; Art. 34 I SKR). 360 Vgl. insbes. §§ 25 VOB/A und VOL/A.

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bb) Das GWB als Standort des Vergaberechts Der richtige Standort für das neue Vergaberecht war umstritten. Einigkeit herrschte darüber, dass ein Verbleib im Haushaltsrecht mit den zu schaffenden subjektiven Rechten einen Fremdkörper darstellen würde, da das Haushaltsrecht nach herkömmlichem Verständnis nur interne Verwaltungsabläufe regelt.361 Außerdem konnte dort nicht ein ganzes Nachprüfungsverfahren für eine spezielle Verwendung von Haushaltsmitteln untergebracht werden.362 Im Übrigen herrschte aber Streit über den Standort des neu zu schaffenden Vergaberechts: Einige favorisierten ein eigenständiges Vergabegesetz, da nur so den Besonderheiten und der Bedeutung des Vergaberechts Rechnung getragen werden könne.363 Es schaffe ein übersichtliches Vergaberecht und sorge für die nötige Entwicklungsoffenheit desselben.364 Es war weiter vorgeschlagen worden, das Vergaberecht in das Preisgesetz, das Wettbewerbsrecht (UWG)365 oder in das Subventionsgesetz366 aufzunehmen. Insbesondere letzteres diene wie das Vergaberecht einem freien Wettbewerb.367 Durch das VgRÄG wurde das neue Vergaberecht aber letztendlich in das Wettbewerbsrecht (§§ 97–129 GWB) integriert. Dies soll nach der Gesetzesbegründung368 dem gewandelten Verständnis der Vergaberegeln gerecht werden und den Wettbewerbsaspekt betonen. Der Staat wird mehr in seiner Eigenschaft als Marktteilnehmer angesprochen, als in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger.369 Die Vergaberegeln enthielten nichts anderes als die Verpflichtung des Auftraggebers auf den Wettbewerb beim Einkauf.370 Das Vergaberecht solle die öffentliche Hand an das typische, wettbewerbsorientierte Verhalten eines regulären Marktteilnehmers annähern.371 Die Einfü361

Roebling, Jura 2000, 453, 460. Marx, in: Ipsen, S. 71, 78. 363 So Dreher, NVwZ 1997, 343, 345; ders. in EuZW 1995, 637, 638 und ZIP 1995, 1869, 1879 m. w. N.; Heiermann/Ax, DB 1998, 505, 506; Sterner, S. 98 ff. 364 Dreher, NVwZ 1997, 343, 344. 365 So Wittig, S. 289. 366 Dagegen spricht, dass die Auftragsvergabe gerade keinen subventionierenden Charakter hat. Sie soll frei von vergabefremden Kriterien erfolgen. – so auch Wittig, S. 287. 367 Näher dazu Dreher, NVwZ 1997, 343, 344 f.; zu anderen möglichen Standorten vgl. Erdl, S. 211 ff. Rn. 424 ff. 368 BT-Drs. 13/9340 S. 12 f. Die Schaffung eines eigenständigen Vergabegesetzes wurde ausdrücklich abgelehnt. 369 Malmendier, DVBl 2000, 963, 965. 370 Marx, in: Ipsen, S. 71, 78. 362

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gung in das Wettbewerbsrecht wird auch damit begründet, dass der Rechtsschutz im Kartellrecht ähnlich ausgestaltet ist.372 Auch dort ist es möglich, Entscheidungen der Kartellbehörde mit der Beschwerde zum OLG anzugreifen (§ 63 I 1 und IV 1 GWB). Folge der Einordnung in das Kartellrecht sei, dass auf erprobte Begriffe und Verfahrensregelungen des Kartellrechts unmittelbar Bezug genommen werden kann.373 Das herkömmliche Kartellrecht stelle in den Bereichen, in denen der öffentliche Auftraggeber als Nachfrager eine marktbeherrschende Stellung innehat, eine wichtige Ergänzung des Vergaberechts dar.374 Diese systematische Verortung des Vergaberechts im GWB ist aber auch auf Kritik gestoßen.375 cc) Das Kaskadenprinzip oberhalb der Schwellenwerte Das GWB regelt nur einige Grundzüge des materiellen Vergaberechts. Die wesentlichen Regelungen zum Vergabeverfahren finden sich weiter in den Verdingungsordnungen (zu diesen sogleich unter 3. d) dd) (3). Die Verbindung zwischen der gesetzlichen Regelung im GWB und den Verdingungsordnungen wird von der Vergabeverordnung (VgV, dazu sogleich unter dd) (2) hergestellt, die auf die Ermächtigung in § 97 VI GWB gestützt ist. Indem sie die Auftraggeber auf die Anwendung der Verdingungsordnungen verpflichtet, ist sie „Normrelais“376, „Scharnier“377 zwischen GWB und Verdingungsordnungen. 371 Vgl. Wittig, S. 288, der freilich dafür ein Argument für die Einordnung des Vergaberechts in das Wettbewerbsrecht (UWG) ableitet. 372 Deswegen befürwortet Thieme/Correll, DVBl 1999, 884, 888 die Einfügung des Vergaberechts in das GWB. 373 So die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 13/9340 S. 12; dazu auch Erdl, S. 211 Rn. 423. 374 Waldner, S. 74 f. (Allerdings ist § 104 II S. 1 GWB zu beachten). Zum Verhältnis des Vergaberechts zum Wettbewerbs- und Kartellrecht Hopp, DB 2000, 29 ff. (vor dem Hintergrund der Einführung von Tariftreueregelungen). 375 Zur Kritik: Dreher, WuW 1997, 949, 953 f.; ders., NVwZ 1997, 343, 344 f.; gegen diese Bedenken Waldner, S. 72 ff.; zustimmend zur Einordnung in das GWB auch Schwarze, EuZW 2000, 133, 138; Thieme/Correll, DVBl 1999, 884, 888; Thieme/Correll, DVBl 1999, 884, 888; Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Vor § 97 GWB, Rn. 14 f.; Sun, S. 99 f.; zum Ganzen auch Erdl, S. 211 Rn. 424 ff., die weitere alternative Standorte erörtert; vgl. auch unten die Diskussion um den Standort des § 13 VgV – Teil 2, C. VII. 6. 376 Marx, Behördenspiegel 10/2000, S. B. III; Horn, LKV 2001, 241, 245. Der Sinn der Vergabeverordnung erschöpfte sich bis zu deren Neuregelung zum 1.2.2001 im Wesentlichen in dieser Bindegliedfunktion zu den Verdingungsordnungen (Frenz/Kafka, GewArch 2000, 129). Heute enthält die VgV selbst aber auch einige materiell-rechtliche Regelungen, so dass die Bedeutung der Normen der VgV jetzt über die von bloßen Verweisungsnormen hinausgeht [siehe unter A. VI. 3. c)

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Wegen der Ermächtigungs- und Verweisungskette Gesetz, Rechtsverordnung, Verdingungsordnungen gleicht das deutsche Vergaberecht oberhalb damit einer Rechtskaskade, weshalb vom „Kaskadenprinzip“ gesprochen wird: Auf der ersten Stufe bestehen die Regelungen der § 97 ff. GWB. Auf der zweiten Stufe steht die Vergabeverordnung, die auf die Verdingungsordnungen als dritter Stufe der Rechtskaskade verweist. Die Regelungssystematik über das Kaskadenprinzip378 hat seine Ursache in der geschilderten Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des deutschen Vergaberechts. Wie gezeigt, machten vor der europarechtlichen Einflussnahme auf das Vergaberecht zunächst nur die Verdingungsordnungen, die als Verwaltungsvorschriften galten, Vorgaben für öffentliche Beschaffungen. Nach Erlass der EG-Vergaberichtlinien wurden die nötigen Ergänzungen durch die a-Paragraphen direkt in den schon bestehenden Verdingungsordnungen vorgenommen [s. unter 3. c) aa)]. Beim danach notwendig gewordenen Erlass einer gesetzlichen Regelung wollte der Gesetzgeber auf die historisch gewachsenen und schon an die europarechtlichen Anforderungen angepassten Verdingungsordnungen zurückgreifen. Daher wurde der Weg des Verweises auf diese Verdingungsordnungen gewählt.379 Dahinter steht auch der rechtspolitische Wille, die Aufstellung des materiellen Vergaberechts, insbesondere der Ausgestaltung des Vergabeverfahrens im Einzelnen, in der Hand der Verdingungsausschüsse zu lassen.380 dd) Zu den einzelnen Stufen der Rechtskaskade (1) Das GWB381 = erste Stufe der Rechtskaskade (a) Aufbau Systematisch trennt das VgRÄG zwischen materiellen und prozessualen Bestimmungen: Die §§ 97 bis 101 GWB (Erster Abschnitt) enthalten Regedd) (2)]. Die Vergabeverordnung hat also durch die Neufassung eine Aufwertung erfahren – ebenso Höfler/Bert, NJW 2000, 3310, 3316 f. 377 Berrisch/Nehl, DB 2001, 184; so auch Otting, NVwZ 2001, 775, 776. 378 Zur Kritik am Kaskadenprinzip wegen seiner Unübersichtlichkeit und dem Verweis auf Regelungen privater Rechtssetzung näher im Teil 2, VII. 6. a) bb). 379 Boesen, § 97 Rn. 164. 380 Erdl, S. 213 Rn. 428. 381 Eine Übersetzung der 6. Teils des GWB ins Englische, die in Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt erstellt wurde, findet sich bei Spießhofer/Lang, P.P.L.R. 1999, CS 103, 108 ff. (mit engl. Einführung ins dt. Vergaberecht). Eine Übersetzung nahezu des gesamten deutschen Vergaberechts (also auch der Verdingungsordnungen) in die Englische Sprache findet sich bei Horn, Public Procurement

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lungen über das Vergabeverfahren (insbes. die schon erwähnten Vergabegrundsätze) und die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts382, während in den § 102–124 GWB (Zweiter Abschnitt) das neue Rechtsschutzsystem umfassend geregelt ist. Der dritte Abschnitt (§§ 125 bis 129 GWB) hat Regelungen zu Schadensersatzansprüchen383, weitere Ermächtigungsnormen und Kostentragungsregelungen zum Gegenstand. (b) Anwendungsbereich Die §§ 98 ff. GWB sind anzuwenden, wenn ein öffentlicher Auftrag nach § 99 GWB (Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsauftrag), dessen Wert die Schwellenwerte übersteigt, von einem der in § 98 GWB genannten öffentlichen Auftraggeber vergeben wird. Die Frage, wann die Auftraggebereigenschaft und das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags bejaht werden kann, ist nicht immer unproblematisch zu beantworten.384 (c) Die Schwellenwertregelung im GWB Das VgRÄG bezieht sich – wie auch die vorherigen Umsetzungsversuche – nur auf öffentliche Aufträge oberhalb der sog. Schwellenwerte. Der gesamte neu geschaffene 4. Teil des GWB gilt nach 100 I GWB nur für die Aufträge, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach 127 GWB festgeschrieben sind.385 Im GWB selbst sind also die Schwellenwerte nicht geregelt. Von der Verordnungsermächtigung wurde durch den Erlass der Vergabeverordnung (VgV)386 Gebrauch gemacht, die die zunächst weiter geltende Vergabeverordnung von 1994 ablöste. Dort legt § 2 die Höhe der Schwellenwerte fest.387 In der neuen VgV werden die Schwellenwerte in Deutschland aus Vereinfachungsgründen allein in Euro berechnet, obwohl in den Vergaberichtlinien die Schwellenwerte in Sonderziehungsrechten angegeben sind.388 in Germany, München 2001, S. 65 ff. Hilfreich (als Übersetzungshilfe) ist auch der spezifisch auf das Vergaberecht ausgerichtete Glossar von Vergaberechtsbegriffen (sowohl Dt./Englisch also auch Englisch/Deutsch) am Ende des Buches, S. 385 ff. 382 Auftraggebereigenschaft; Öffentlicher Auftrag; Schwellenwerte. 383 Dazu etwa Horn, NZBau 2000, 63. 384 Näher Teil 2, C. II. 5. b). 385 Die dort geregelten Schwellenwerte gehen auf die Vergaberichtlinien zurück. 386 Dazu unter 3. c) dd) (2). 387 Neben der Regelung der EG-Schwellenwerte in § 2 VgV werden diese Regelungen in der VOF und der VOB/A wiederholt. In der VOL/A erfolgt dies – systematisch korrekt – nicht. Die dortigen Schwellenwertregelungen sind weggefallen, vgl. Byok/Troost, Behördenspiegel 1/2001, B V).

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Die Höhe des maßgeblichen Schwellenwertes wird durch die Art des zu vergebenden Auftrages bestimmt, wobei auch nach der Person des Auftraggebers weiter zu differenzieren ist. Der Schwellenwert bei Bauaufträgen beträgt 5 Mio. Euro (§ 2 Nr. 4 VgV), der bei Dienstleistungs- und Lieferaufträgen grundsätzlich 200.000 Euro (§ 2 Nr. 3 VgV)389. Die Erhöhung der Schwellenwerte durch das Legislativpaket der Europäischen Kommission bleibt bis zur Umsetzung der KoordinierungsRL in deutsches Recht ohne Einfluss auf den Anwendungsbereich des geltenden Vergaberechts.390 Die Höhe des Auftragswertes wird vom Auftraggeber durch Schätzung dieses Wertes ohne Mehrwertsteuer ermittelt. Für die demnach anzustellende Schätzung der Auftragswerte enthält § 3 detaillierte Vorgaben. Der hier maßgebliche Gesamtauftragswert wird aus der Summe aller Auftragswerte der gesamten für die Erstellung der baulichen Anlage erforderlichen Leistungen ermittelt. Bei der Vergabe von Einzellosen im Rahmen eines Gesamtvorhabens sind diese nach § 3 V VgV zu addieren.391 In § 100 II GWB sind – unabhängig vom Auftragswert – weitere Ausnahmen geregelt, in denen das Regelungsregime des Vergaberechtsänderungsgesetz nicht anwendbar ist. Hier bleibt es dann – wie unterhalb der Schwellenwerte – bei der Geltung des traditionellen Vergaberechts. (2) Die Vergabeverordnung als zweite Stufe der Rechtskaskade Am 1.2.2001 ist die neue Vergabeverordnung (VgV) in Kraft getreten. Wie schon ausgeführt, stellt sie die erforderliche Verbindung zwischen dem 4. Teil des GWB und den Verdingungsordnungen her. Die Verordnungsermächtigung für die VgV ist in den §§ 97 VI, 100 I, II lit. i, 127 GWB enthalten. Die VgV tritt an die Stelle der noch auf der Grundlage des HGrG erlassenen „alten“ Vergabeverordnung von 1994. Sie ist also eine Ablöseverord388

Da zwischen Euro und SZR ein (geringer) Wertunterschied besteht, folgt daraus, dass die deutschen Schwellenwerte etwas niedriger liegen, als nach dem neuen Gemeinschaftsrecht erforderlich. Hier hat der deutsche Verordnungsgeber also von der Befugnis Gebrauch gemacht, national strengere Vergabevorschriften einzuführen, als dies gemeinschaftsrechtlich erforderlich ist – vgl. Horn, LKV 2001, 241, 242. 389 Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge eines Sektorenauftraggebers im Bereich der Trinkwasser- oder Energieversorgung oder im Verkehrsbereich gelten 400000 Euro (§ 2 Nr. 1 VgV), während es für Liefer- und Dienstleistungsaufträge der oberen und obersten Bundesbehörden oder vergleichbarer Einrichtungen grds. 130000 Euro sind (§ 2 Nr. 2 VgV). 390 Vgl. auch Leinemann/Maibaum, VergabeR 2004, 275, 277. 391 Näher zur problematischen Ermittlung des Auftragswertes im Teil 4, C. I. 1.

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nung. Zunächst hatte die alte Vergabeverordnung auch bei der kartellrechtlichen Lösung weiter gegolten. Dies war in der Praxis anerkannt392, obwohl mit dem VgRÄG zum 1.1.1999 die Ermächtigungsgrundlage der alten Vergabeverordnung im HGrG aufgehoben worden war. (a) Die Genese der neuen VgV Schon dem Regierungsentwurf für das VgRÄG lag ein Vorentwurf für eine neue Vergabeverordnung bei.393 Das In-Kraft-Treten des Entwurfs scheiterte jedoch an der Forderung des Bundesrates, am Zustandekommen der Verdingungsordnungen mitzuwirken.394 Später gab es einen (nicht veröffentlichten) Vorentwurf des BMWi v. 17.7.1998395 und einen Referentenentwurf vom BMWi vom 20.10.1999396. Danach folgte ein Entwurf des BMWi vom 14.12.1999397. Im Anschluss daran wurde am 8.6.2000398 ein neuer Entwurf vorgelegt. Dieser Entwurf der Vergabeverordnung ist am 26. Juli 2000 vom Bundeskabinett verabschiedet worden. Der Bundesrat hat diesem am 10. November 2000 unter der Maßgabe einiger Änderungen zugestimmt.399 Wegen dieser Änderungen konnte die VgV noch nicht unmit392 Die Aufhebung der Ermächtigungsgrundlage lässt nach h.A. die Wirksamkeit einer Rechtsverordnung unberührt (Boesen, § 97 Rn. 162 m. w. N.). Für die Rechtswirksamkeit einer Rechtsverordnung genügt es, wenn die Ermächtigungsgrundlage im Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens vorhanden ist (BVerfGE 3, 255, 260). Die Verweise mussten vom Rechtsanwender als Verweise auf die neuen passenden Regelungen des Kartellvergaberechts verstanden werden. Zur Anerkennung der Weitergeltung alten Vergabeverordnung auch: OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999 – 6 Verg 1/99 „Flughafen Berlin-Schönefeld“, ZVgR 1999, 207, 214; VK beim RP Halle: Beschl. v. 22.7.1999 VK Hal 8/9, ZVgR 2000, 131, 132; Beschl. v. 24.2.2000 VK Hal 02/00, ZVgR 2000, 124, 126 und Beschl. v. 13.3.2000 VK Hal 03/00, ZVgR 2000, 129, 130. Diese Regelungstechnik mit ins Leere gehenden Verweisen, war verfassungsrechtlich bedenklich, zum Ganzen Dreher, NVwZ 1999, 1265. Von einer Ansicht wurde die alte Vergabeverordnung daher für verfassungswidrig und damit nichtig gehalten (so Scheuer, RiA 2000, 271, 279 m. w. N. zum Meinungsstand). 393 BT-Drs. 13/9340, S. 29 ff., Anlage 2 zur Begründung; vgl. auch Waldner, S. 69 Fn. 276. 394 Vgl. BR-Drs 82/97 (Beschluss), S. 6. 395 So Boesen, § 97 Rn. 165. 396 Dazu Jaeger, EWS 2000, 124, 125. (Wohl) dieser Entwurf ist abgedruckt in ZVgR 2000, 60: § 14 dieses Entwurfs. 397 Abgedr. in NZBau 2000, 68. Einen Überblick über den Verordnungsentwurf v. 14.12.1999 geben Ax, BauR 2000, 471, 475 und Dreher, NZBau 2000, 178. 398 Abgedruckt in ZVgR 2000, Heft 3, S. III f.; zu den Änderungen zum Entwurf vom 14.12.1999 vgl. Ax, Im Blickpunkt, ZVgR 2000, Heft 3, S. II f. 399 BR-Drs. 455/00; zu den Änderungen auch Höfler, NJW 2001, 950; VN 2000, 83.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

telbar in Kraft treten, sondern die Bundesregierung hatte darüber ihrerseits wieder einen Beschluss zu fassen. Dies erfolgte am 13.12.2000. Das Bundeskabinett akzeptierte damit die Änderungswünsche des Bundesrates. Nachdem die VgV vom 9.1.2001 im BGBl. I vom 18.1.2001 auf S. 110 verkündet worden war, ist sie am 1.2.2001 in Kraft getreten. Damit trat die alte Vergabeverordnung vom 22.2.1994 [s. unter c) bb)] außer Kraft. Inzwischen ist die VgV bereits 3-mal angepasst und daraufhin neu bekannt gemacht worden [näher unter (d)]. (b) Funktion der neuen VgV Eine Neufassung der Vergabeverordnung war schon wegen des Wegfalls der Ermächtigungsgrundlage der alten VgV nötig. Außerdem dient die VgV zusammen mit den Verdingungsordnungen 2000 der Umsetzung der als Reaktion auf das GPA geänderten europäischen Vergaberichtlinien (Richtlinien 97/52/EG und 98/4/EG).400 Die VgV ist aber auch das Sammelbecken401 für alle Nachbesserungen an den durch das VgRÄG geschaffenen Regelungen: Zwar übernimmt die VgV wesentliche Regelungen der bisherigen Vergabeverordnung (statische Verweisung auf die jew. Verdingungsordnungen, Definition der Sektorenbereiche). Sie enthält allerdings auch neue Regelungen: Sie ergänzt die Vergabeverordnung um Grundsätze, die sich aus der Entscheidungspraxis zum Vergaberecht seit dem 1.1.1999 ergeben. Mit dem noch näher zu untersuchenden § 13 reagiert sie nicht zuletzt auf die erkannte Europarechtswidrigkeit des deutschen Rechtes. Weiter grenzt sie die Zuständigkeiten der Vergabekammern des Bundes und der Länder im Nachprüfungsverfahren von einander ab und führt die bisher nicht geregelten, aber in der Richtlinie 92/13EWG vorgesehenen Bescheinigungsund Schlichtungsverfahren in das deutsche Recht ein.

Zur trotz der Zustimmung vorgebrachten Kritik des Bundesrates an der mangelnden Mitwirkung der Länder bei der Schaffung des Vergaberechts und der Unübersichtlichkeit des Vergaberechts, Teil 2, C. VII. 6. 400 Begründung zur VgV, Allgemeiner Teil (BR-Drs. 455/00, S. 14 ff.). Die Umsetzungsfrist für diese Richtlinien war schon im Oktober 1998 und im Februar 1999 abgelaufen. Die Europäische Kommission hatte deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Dieses wurde aber mit dem Erlass der VgV und der Neufassung der Verdingungsordnungen hinfällig, vgl. Behördenspiegel 9/2000, B I. 401 Hertwig, DStR 2001, 172.

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(c) Überblick über die Einzelregelungen der VgV402 In den §§ 2 und 3 sind erstmals die Schwellenwerte und deren Ermittlung direkt per Verordnung geregelt.403 Der Anwendungsbereich der VgV ist erst ab Erreichen der Schwellenwerte gegeben (§ 1 VgV). Soweit auch die Neufassungen der Verdingungsordnungen noch Schwellenwertbestimmungen enthalten (z. B. §§ 1 a, 1b VOB/A; 2 II VOF), sind diese überflüssig.404 In den §§ 4–9 verweist die VgV, das ist die traditionelle Aufgabe dieses Bindeglieds in der Rechtskaskade, für die jeweilige Auftragsart auf die anwendbare Verdingungsordnung und den dort anwendbaren Abschnitt. Hier schreiben etwa die Paragrafen 4–6 der VgV für die öffentlichen Auftraggeber, die nicht zu den Sektorenauftraggebern gehören, die Anwendung des 2. Abschnitts der VOB/A bzw. der VOL/A vor. In § 6 wurden jetzt auch Baukonzessionen unter das Vergaberecht unterstellt. § 6 S. 2 enthält eine ausdrückliche Definition der Baukonzession.405 Die §§ 7–9 VgV konkretisieren die in § 98 GWB und in den EG-Sektorenrichtlinien geregelte Auftraggebereigenschaft im Sektorenbereich.406 § 10 stellt Dienstleistungsaufträge zwischen „verbundenen Unternehmen“ unter best. Voraussetzungen von der Ausschreibungspflicht frei. Er regelt damit einen Teilbereich der sog. In-house Geschäfte.407 402 Einen Überblick über die VgV geben auch Horn, LKV 2001, 241; Schaller, der gemeindehaushalt 2001, 130; Kratzenberg, NZBau 2001, 119; Kemper, NJ 2001, 403; Gröning, wrp 2001, 1 ff.; VN 2000, 97 ff.; Höfler/Bert, NJW 2000, 3310; Hertwig, DStR 2001, 172; Berrisch/Nehl, DB 2001, 184. Einen Überblick über den Verordnungsentwurf v. 14.12.1999 geben Ax, BauR 2000, 471, 475 und Dreher, NZBau 2000, 178. 403 Vorher fanden sich die Schwellenwerte nicht in der Vergabeverordnung, sondern in den Verdingungsordnungen. 404 Horn, LKV 2001, 241. 405 Näher zu den Problemen bei der Baukonzession Kemper, NJ 2001, 403, 405 f. 406 § 8 definiert die einzelnen Sektorenbereiche Trinkwasser-, Verkehrs- und Energieversorgung. Der Telekommunikationssektor wird von der VgV und damit vom Vergaberecht wegen der in Deutschland vorgenommenen weitgehenden Liberalisierung nicht mehr erfasst. Dies stützt sich auf die Ausnahme des Art. 8 I SKR. Auch für die Auftraggeber in den Sektorenbereichen Elektrizitäts-, Gas und Wärmeversorgung, die von Gebietskörperschaften beherrscht werden, wurden Erleichterungen eingeführt. Sie sind zwar nicht völlig vom Vergaberecht freigestellt, müssen aber in Zukunft nur noch den 4. Abschnitt der VOL/A bzw. VOB/A anwenden. Sie können daher nach § 3 Nr. 1 4. Abschnitt dieser Verdingungsordnungen die Vergabeart frei wählen, im Endeffekt also auf das gewünschte Verhandlungsverfahren zurückgreifen.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

§ 13 enthält die im 2. Teil der Arbeit näher zu besprechende Vorabinformationspflicht und stellt damit die sowohl rechtlich als auch in der Praxis bedeutsamste Vorschrift der Vergabeverordnung dar.408 Nach § 14 werden die Auftraggeber zur Anwendung des „Gemeinsamen Vokabular für öffentliche Aufträge“ (CPV)409, das zur Erhöhung der gemeinschaftsweiten Transparenz verschiedene Nomenklaturen zur Beschreibung des Auftragsgegenstandes harmonisiert410, verpflichtet. § 15 VgV regelt die Abgabe der Angebote durch die Bieter in elektronischer Form.411 Auch die Abgabe der Angebote kann jetzt auf elektronischem Wege erfolgen, nachdem die elektronische Bekanntmachung von Angeboten schon in größerem Umfang, etwa in Ausschreibungsdatenbanken oder im Supplement zum Europäischen Amtsblatt erfolgt.412 § 15 ist allerdings zu den diesbezüglichen Normen in den Verdingungsordnungen subsidiär. In der VOB wurde im Jahr 2000 für die digitale Angebotsabgabe eine umfassende abschließende Regelung getroffen413, so dass für die davon erfassten Bauleistungen § 15 VgV nicht zur Anwendung kommt. Im Rahmen der VOL, die für die elektronische Vergabe nur Vorgaben für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte macht,414 und der VOF415 richtet sich die 407 Näher Hertwig, DStR 2001, 172, 173; zur Bedeutung des § 10 VgV für InHouse-Geschäfte auch Jasper, in: Tagungsband – Zweiter Düsseldorfer Vergaberechtstag am 28. Juni 2001, S. 11, 14 ff. 408 Ingenstau/Korbion – Portz, § 13 VgV Rn. 1. 409 Neu-Bekanntmachung durch das BMWA im BAnz Nr. 33 v. 18.2.2004, näher Monatsinfo forum vergabe e. V. 2/2004, 17. 410 Dazu schon oben unter A. VI. 2. c). 411 Zur „Elektronischen Vergabe“ Müller/Ernst, NJW 2004, 1768; Mosbacher, DÖV 2001, 573 ff.; Malmendier, VergabeR 2001, 178 ff.; Seidel, in: Dauses, Hdb. des EU-Wirtschaftsrechts, H. IV, Rn. 238 ff.; Höfler, Behördenspiegel 8/2001, 18 und VN 2001, 57 ff., 65 ff. und 73 ff.; Tätigkeitsbericht des Beschaffungsamtes des Bundesinnenministeriums 2000/2001, S. 45 ff. Eine sehr anschauliche grafische Übersicht über den herkömmlichen Ablauf des Vergabeverfahrens in Form des offenen Verfahrens inkl. der Darstellung der nötigen elektronischen Umsetzung dieses Ablaufs bei einer elektronischen Vergabe findet sich in Behördenspiegel 5/2002, S. 24 und bei Seidel, in: Dauses, Hdb. des EU-Wirtschaftsrechts, H. IV, Rn. 255. Zur Anwendbarkeit von § 312 e BGB und § 3 der Verordnung über die Informationspflichten, Herten-Koch/Demmel, NZBau 2002, 482; zur Zulässigkeit des Einsatzes entgeltpflichtiger Internetportale bei der elektronischen Vergabe, Höfler/ Ruppmann, NZBau 2002, 485. 412 Kratzenberg, NZBau 2001, 119, 121. 413 Dazu Mosbacher, DÖV 2001, 573, 574 f. 414 Vor allem in § 21 Nr. 3 VOL/A; näher zur VOL-Regelung: Mosbacher, DÖV 2001, 573, 575 f. Byok/Troost, Behördenspiegel 1/2001, B V. 415 Die VOF betrifft nur Verhandlungsverfahren, so dass sie keine Vorschriften zu digitalen Angeboten enthält. Sie ermöglicht allerdings die digitale Kommunikation zw. den Beteiligten (vgl. dazu Mosbacher, DÖV 2001, 573, 576). Für die bloße

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digitale Angebotsabgabe aber nach § 15 VgV.416 Mit der Einführung der Möglichkeit der elektronischen Angebotsabgabe, die inzwischen schon vereinzelt genutzt wird,417 ist noch lange nicht der Schlussstein in Bezug auf die zunehmende Einbeziehung elektronischer Kommunikationsmittel in den Beschaffungsprozess gesetzt.418 Nach § 16 dürfen Personen, die in Beziehungen zur Bieterseite stehen, nicht in das Vergabeverfahren auf Auftraggeberseite eingebunden werden, es sei denn, dass dadurch für die betreffende Person ein Interessenkonflikt Kundgabe des Teilnahmewillens am Verhandlungsverfahren (bei der VOF) gilt § 15 nicht – vgl. auch Mosbacher, DÖV 2001, 573, 576. 416 Kratzenberg, NZBau 2001, 119, 121; Marx, Behördenspiegel 10/2000, S. B III. 417 Inzwischen ist ein Pilotprojekt des Bundes (über das Beschaffungsamt des BMI) gestartet worden, nachdem die Angebotsabgabe vollständig elektronisch abgewickelt werden kann (vgl. www.e-vergabe.bund.de und www.e-vergabe.info, näher auch Monatsinfo forum vergabe e. V. 2002, 55 f. und 147 f.); zur zunehmenden Onlinebeschaffung in den Ländern und Kommunen, vgl. nur Monatsinfo forum vergabe e. V. 11/2002, 151; zu den Erfahrungen mit den ersten Projekten der e-Vergabe, Berner/Schiefen, RPA 2003, 32. 418 Im Bereich der elektronischen Vergabe insgesamt ist Thema der Zukunft die Einführung von online-basierten „Reverse Auctions“ (= Inverse Auktionen = Rückläufige Auktionen = Absteigerungen). Bei diesen Auktionen unterbieten sich die Bieter übers Internet solange bis der Bieter mit dem niedrigsten Preis den Zuschlag erhält. Inzwischen sind verschiedene inverse Pilotvergaben erfolgt, zu denen das BMW einen Erfahrungsbericht vorgelegt hat, Monatsinfo forum-Vergabe e. V., 10/ 2004, 150. Des Weiteren beschäftigt sich eine vom BMWA in Auftrag gegebene Studie der KPMG Consulting AG („Chancen und Risiken inverser Auktionen im Internet für Aufträge der öffentlichen Hand“) ausführlich mit den rechtlichen und organisatorische Rahmenbedingungen der Reverse Auctions, ihren technische Voraussetzungen und wirtschaftlichen Aspekten. Sie ist abrufbar unter www.bmwa.de (Publikationen). Zu Reverse Auctions (insbes. zu ihrer Zulässigkeit de lege lata) auch Noelle, NZBau 2002, 197, 198; Probst, ThürVBl. 2002, 245; Weyand, Behördenspiegel 12/2000, B II; Mosbacher, DÖV 2001, 573, 581; Behördenspiegel, Februar 2002, S. 35 und November 2001, S. 23; Monatsinfo forum vergabe e. V., 2/2002, S. 27, 9/2001, S. 106 ff. und 113, 10/2001, S. 122 und 123; Helmedag, WuW 2004, 1000; allgemein zu Versteigerungen als Allokationsmittel, s. unter A. V.; Pläne zur Einführung von Reverse Auctions bestehen auch auf EG-Ebene. Im Legislativpaket ist die Nutzung von reverse auctions im Vergabewesen ausdrücklich zugelassen. In Österreich wurde die Reverse Auction für Vergabeverfahren bis zu 40000 Euro, die nicht in den Baubereich gehören durch das BVergG 2002 [s. im Teil 2, B. III. 1. b) (1)] bereits zugelassen, krit. dazu Gölles/Houlobek, Bundesvergabegesetz 2002, S. 6; allg. zur elektronischen Vergabe in Österreich, speziell zu E-Procurement-VO 2004 und zum E-GovG, Niklas, ecolex 2004, 249 und Blaha, RPA 2004, 227. Inzwischen gibt es darüber hinaus auch schon die Forderung nach einem Onlinedurchgeführten softwareunterstützten Nachprüfungsverfahren, näher Peters, Behördenspiegel 12/2001, 25 (wenn das Vergabeverfahren online ablaufe, müsse aus Gründen der Waffengleichheit auch das Nachprüfungsverfahren online sein).

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nicht besteht oder sich ihre Tätigkeit nicht auf die Entscheidung in einem Vergabeverfahren auswirken kann (sog. Verbot von Doppelmandaten).419 § 16 VgV ist das „Befangenheitsrecht“ bei der Auftragsvergabe,420 Die Einführung von § 16 VgV geht zurück auf die Entscheidung des OLG Brandenburg zum Flughafen Berlin-Schönefeld.421 §§ 17–22 enthalten Regelungen im Zusammenhang mit der Überprüfung der Vergabeverfahren auf ihre Rechtmäßigkeit.422 § 23 enthält eine Übergangsvorschrift: Danach gilt die neue Vergabeverordnung nicht für Vergabeverfahren, die vor dem 1.2.2001 begonnen423 worden sind. Diese werden nach dem zu Beginn des Verfahrens geltenden Recht beendet. (d) Die Änderungen der VgV seit ihrem Erlass Zunächst wurde § 15 VgV durch das Signaturgesetz vom 16.5.2001 geändert. Später wurde mit der ersten Änderungsverordnung zur Vergabeverordnung vom 7.11.2002424 für die Vergabe von Personennahverkehrsleistungen die freihändige Vergabe ermöglicht (§ 4 III VgV).425 Mit der zweiten Änderungsverordnung vom 15.2.2003426, die am gleichen Tage in Kraft trat, wurden die Neufassungen der Verdingungsordnungen im Jahre 2002 419 Zu den zahlreichen offenen Fragen im Zusammenhang mit § 16 VgV: Berrisch/Nehl, WuW 2001, 944; Winnes, NZBau 2002, 371; Horn, LKV 2001, 241, 244 f.; Kulartz/Niebuhr, NZBau 2001, 6, 10 ff.; Danckwerts, NZBau 2001, 242; Marx, Behördenspiegel 10/2000, S. B III; Schaller, der gemeindehaushalt 2001, 130, 133 f. Eine Übersicht über die Entscheidungen der OLG-Vergabesenate zu § 16 gibt Jaeger, NZBau 2001, 427, 438 f. Insbesondere stellt sich das Problem, inwieweit nach § 16 in Zukunft auch Anwälte von der Beratung einer Vergabestelle ausgeschlossen sein können, wenn einer der Bieter ein Mandant des Anwalts ist. Von einer Auffassung wird dieses „Berufsverbot für größere Kanzleien im Vergaberecht“ stark kritisiert – Ax, BauR 2000, 471, 476; Malmendier, DVBl 2000, 963, 965 f.; zur nach § 16 möglichen Exkulpation, die vor allem durch die Errichtung sog. „chinese walls“ möglich ist, Otting, NVwZ 2001, 775, 777. 420 Gröning, wrp 2001, 1, 6 f. 421 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.1999 – 6 Verg 1/99 „Flughafen BerlinSchönefeld“, NZBau 2000, 39 = NVwZ 1999, 1142 = BauR 1999, 1175; zu dieser Entscheidung auch aus Sicht eines Prozessbeteiligten Weitbrecht, in: Schwarze, S. 177, 178. § 16 VgV setzt aber die Entscheidung des OLG Brandenburg nicht „eins zu eins“ um – dies begrüßt Höfler/Bert, NJW 2000, 3310, 3316. Zu den Unterschieden auch Gröning, wrp 2001, 1, 6 f. 422 Zu § 19–21 näher Horn, LKV 2001, 241, 245; vgl. auch unter C. 423 Zum Beginn des Vergabeverfahrens i. S. v. § 23 VgV im Teil 2, C. I. 424 BGBl Nr. 78 v. 13.11.2002, S. 4338 (im Wortlaut abgedruckt auch in NZBau 2003, 30 f.); vgl. auch BR-Drs. 727/02.

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durch erneuerte Verweise für den Bereich oberhalb der Schwellenwerte verbindlich gemacht.427 Außerdem erfolgte durch die zweite Änderungsverordnung eine Änderung des § 13 VgV.428 Mit der 2. Änderungsverordnung ist gleichzeitig die Vergabeverordnung im Bundesgesetzblatt neu bekannt gemacht worden.429 Diese Neubekanntmachung berücksichtigt alle vorgenannten Änderungen der VgV. (3) Die Verdingungsordnungen als dritte Stufe der Rechtskaskade Es gibt nach Auftragsgegenstand differenzierend die Verdingungsordnung für Bauleistungen430 (VOB431), für sonstige Leistungen (Lieferaufträge)432 (VOL) und seit 1997 auch für freiberufliche Leistungen (VOF).433 Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Verdingungsordnungen ist nicht immer unproblematisch.434 Die Aufstellung und Weiterentwicklung der Verdingungsordnungen erfolgt durch den Deutschen Verdingungsausschuss für Bauleistungen (DVA) beim Deutschen Institut für Normung e. V. (DIN) und den Deutschen Verdingungsausschuss für Leistungen – ausgenommen für Bauleistungen (DVAL). Der Verdingungsausschuss für Bauleistungen heißt, nachdem er 425 Näher Köhler, NZBau 2003, 31 ff.; Otting, DVBl. 2003, 1023 ff.; Sonderinfo forum vergabe e. V. 3/2002, S. 2; Monatsinfo forum vergabe e. V. 10/2002, S. 129 f.; VN 2002, 68. 426 BGBl I Nr. 6 v. 14.2.2003, S. 168; vgl. zur Fassung der von der Bundesregierung beschlossenen 2. Änderungsverordnung, die zur Zustimmung an den Bundesrat übersandt wurde, BR-Drs. 826/02 v. 6.11.2002. 427 Denn bisher wurde in §§ 4 ff. VgV auf Verdingungsordnungen „in der Fassung der Bekanntmachung vom 30.5.2000“ verwiesen (statischer Verweis – dazu unten näher [A. VI. 3. c) dd) (3)]), vgl. zur 2. Änderungsverordnung: Monatsinfo forum vergabe e. V. 10/2002, S. 130; VN 2002, 75 f. 428 Dazu ausführlich im Teil 2, unter C. 429 BGBl I Nr. 6 v. 14.2.2003, S. 169 ff. 430 § 99 Abs. 3 GWB definiert Bauaufträge. 431 Die Abkürzung „VOB“ heißt heute „Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB)“ – siehe bereits oben. Zur Entwicklung der VOB nach ihrer Entstehung vgl. Ingenstau/Korbion-Vygen, Einl. Rn. 14 ff.; und Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst III, Rn. 248 ff. 432 Lieferaufträge sind schriftliche Verträge über Kauf, Miet, Pacht oder Leasing von Gütern, § 99 II GWB. 433 Zu den Gründen dieser Aufteilung nach Auftragsarten vgl. A. V. 434 Zur Abgrenzung der Verdingungsordnungen und ihren Unterschieden Gröning, wrp 2001, 1, 2 ff.; Thieme/Correll, DVBl 1999, 884, 890; Locher, in: Kapellmann/Vygen, Jahrbuch Baurecht 1999, 240, 243 ff.; Franke/Höfler, ZVgR 1997, 277, 280 f. und Müller-Wrede, BauR 1998, 470, 474 ff.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

am 18.10.2000 seine Satzung geändert hat, jetzt Deutscher Vergabe- und Vertragsausschuss – DVA. Er hat die Rechtsform eines nicht eingetragenen Vereins.435 Im Vergabe- und Verdingungsausschuss sind – wie auch schon in den Verdingungsausschüssen – Vertreter der öffentlichen Auftraggeber und der Auftragnehmer Mitglied. VOB und VOL bestehen aus 3 Teilen. Teil A der VOB befasst sich mit der Vergabe von Bauleistungen von der Ausschreibung bis zur Zuschlagserteilung, hat also die Anbahnung des Auftragsvertrages zum Gegenstand. Dabei wird wesentlich auf das Verhalten des Bauherren als des Vergebenden abgestellt.436 Teil B. betrifft die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (vom Inhalt des Vertragsschlusses über die Ausführung bis zur Abnahme und Gewährleistung), regelt also die rechtlichen Beziehungen der Beteiligten nach Vertragsschluss. Teil C. enthält schließlich die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen. Sie legen die sog. Technische Normalausführung fest. Abweichungen davon müssen ausdrücklich vereinbart werden.437 Die Verdingungsordnungen werden laufend überarbeitet. Nach einer Änderung im Jahr 2000 geschah dies zuletzt im Jahr 2002: Die Neufassung 2000 war notwendig geworden, um das GPA und die dadurch bedingten europäischen GPA-Richtlinien in das deutsche Recht umzusetzen und die Verdingungsordnungen an das Vergaberechtsänderungsgesetz anzupassen. Diese Neufassungen, die als VOB 2000438, VOL 2000439 und VOF 2000440 bekannt gemacht worden waren, traten mit der VgV in Kraft. Im Jahr 2002 wurden die Verdingungsordnungen erneut neu gefasst: 435 Monatsinfo, forum vergabe e. V., 5/2001, S. 60. Im Internet ist er über die Seiten des BMVBW (www.bmvbw.de) über „Bauwesen/Raumordnung“, dann „Bau- und Wohnungswesen“ zu finden. 436 Ingenstau/Korbion-Vygen, Einl. Rn. 32. 437 Näher Ingenstau/Korbion-Vygen, Einl. Rn. 34 ff.; Motzke, in: Motzke/ Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst III, Rn. 27 ff. 438 Beilage Nr. 120a zum Bundesanzeiger v. 30.6.2000; vgl. auch die Textausgabe der VOB 2000 von Kratzenberg, 2.A. 2001. Zu den Änderungen im Teil A: Kratzenberg, NZBau 2000, 265; Behördenspiegel 11/2000, B IV; Wolf-Hegerbekermeier, BauR 2000, 1667; VN 2000, 57. Zu den Änderungen im Teil B: Wolf-Hegerbekermeier, ZfBR 2000, 441; Kratzenberg, VOB 2000, S. 13 ff.: Wesentlich waren v. a. die Neuregelung der Gefahrtragung vor der Abnahme sowie die Erhöhung der Verzugszinsen beim Zahlungsverzug des Auftraggebers: Der Zinssatz bei Zahlungsverzug wurde von 1 auf 5% über der Spitzenfinanzierungsfazilität erhöht. 439 BanZ v. 24.10.2000, Nr. 200 a (bekannt gegeben am 17.8.2000); zu deren Neuerungen vgl. Daub/Eberstein – Eberstein, Einf. Rn. 45 a ff.; Byok/Troost, Behördenspiegel 1/2001, B V. 440 BanZ v. 25.7.2000, Nr. 173 a.

A. Einleitung

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Die VOB, jetzt „Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen“441 genannt, wurde als „VOB 2002“ neu herausgegeben.442 Während der A-Teil nahezu443 unverändert blieb, wurden vor allem aus Anlass des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zahlreiche Änderungen im Teil B444 der VOB vorgenommen. Die VOB 2002 ist mit In-Kraft-Treten der 2. Änderung der Vergabeverordnung am 15.2.2003 oberhalb der Schwellenwerte vergaberechtlich wirksam geworden. Gleiches gilt für die VOF 2002445 und die VOL 2002446. Da nur der erste Teil (Teil A) der Verdingungsordnungen das Vergabeverfahren betrifft, soll auch nur auf diesen im Überblick eingegangen werden: Die VOB/A und die VOL/A sind jeweils in vier Abschnitte untergliedert. Der 1. Abschnitt enthält ausschließlich die sog. Basisparagraphen. Er allein gilt bei Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte (näher im Teil 4 der Arbeit). Die Abschnitte 2–4 enthalten die Vergabevorschriften für Aufträge, die die Schwellenwerte übersteigen: Abschnitt 2 enthält die Basisparagraphen mit den zusätzlichen Bestimmungen der Bau- bzw. Lieferkoordinierungsrichtlinie. Im Abschnitt 3 finden sich die Basisparagraphen ergänzt um die Bestimmungen der Sektorenrichtlinie. Er gilt für die öffentlichen 441 Dies vollzieht die Änderung der Bezeichnung des DVA in „Deutscher Vergabe- und Vertragsausschuss“ am 18.10.2000 nach – vgl. Gröning, wrp 2001, 1, 5 Fn. 29. Für die VOL und die VOF ist bisher keine Namensänderung geplant – krit. zu dieser Beibehaltung des überholten Begriffes der „Verdingung“, Monatsinfo forum vergabe e. V. 2002, 54: Die Auftragnehmer seien keine „verdingten“ Knechte der Auftraggeber. 442 Bekannt gemacht in Bundesanzeiger, Nr. 202 v. 29.10.2002, S. 24057. Der Text der VOB 2002 ist als Beilage Nr. 202 a veröffentlicht. 443 Angepasst wurde der Teil A lediglich an die Richtlinie 2001/78/EG über die Verwendung von Standardformularen. Es wurden europarechtliche Bekanntmachungsmuster eingeführt. Allein diese Muster sind künftig für die Ausschreibung im Amtsblatt zu verwenden. 444 Vgl. dazu ausführlich Kratzenberg, NZBau 2002, 177, 178 ff.; Kiesel, NJW 2002, 206 ff. und Tempel, NZBau 2002, 465 ff. und 532 ff. Ein Schwerpunkt ist die Neuregelung der Gewährleistungsansprüche aus einem VOB-Vertrag. Zur Überarbeitung des Teils B der VOB wegen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes hat der DVA auch eine umfassende Materialiensammlung herausgegeben – näher Monatsinfo forum vergabe 1/2002, S. 175. 445 Bekannt gemacht in Bundesanzeiger, Nr. 203 v. 30.10.2002, S. 24077. Der Text der VOF 2002 ist als Beilage Nr. 203 a veröffentlicht. 446 Bekannt gemacht in Bundesanzeiger, Nr. 216 v. 20.11.2002, S. 25145. Der Text der VOL 2002 ist als Beilage Nr. 216a veröffentlicht. Inzwischen liegt für den B-Teil der VOL die Fassung 2003 vor. Sie wurde als Beilage Nr. 178a zum Bundesanzeiger vom 23.9.2003 veröffentlicht, vgl. dazu näher Sonderinfo forum vergabe e. V. 2/2003, S. 1 f.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Auftraggeber im Trinkwasser- und bestimmte Auftraggeber des Verkehrsbereichs (vgl. näher § 7 I Nr. 2 VgV). Der Abschnitt 4 enthält ausschließlich die Vergabebestimmungen nach der Sektorenrichtlinie, also keine Basisparagraphen. Er gilt für die Sektorenauftraggeber des privaten Rechts (Auftraggeber nach 98 Nr. 4) und die öffentlichen Auftraggeber im Elektrizitäts-, Gas- oder Wärmeversorgungsbereich (näher § 7 II VgV). Damit bestehen die Abschnitte 2 und 3 aus den gleichen Regelungen wie der Abschnitt 1 (Basisparagraphen), werden aber durch zusätzliche Regelungen ergänzt bzw. modifiziert (die a-Paragrafen im Abschnitt 2; b-Paragraphen im Abschnitt 3). Dies ergibt sich etwa aus § 1 a Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOB/A, wonach die „Bestimmungen der a-Paragraphen . . . zusätzlich zu den Basisparagraphen für Bauaufträge anzuwenden“ sind. Die a-Paragraphen gehen den Basisparagraphen im Fall des Widerspruchs447 vor.448 Die Basisparagraphen gelten aber nicht im Abschnitt 4 der Verdingungsordnungen. Hier haben ausschließlich die sog. SKR-Paragraphen Geltung. Hingewiesen werden soll noch darauf, dass die a-Paragraphen im Bereich der Abschnitte 3 (also neben den b-Paragraphen) und 4 nicht anwendbar sind. Die Aufteilung der Verdingungsordnungen VOL und VOB in Abschnitte und die dort vorgenommenen Wiedergabe aller Vergabevorschriften (in den Abschnitten 2–3 sind die Basisparagraphen jeweils mit aufgenommen) erfolgte, um ihre Anwendung zu erleichtern. Der jeweilige Anwender sollte sich abschließend nur des Abschnitts bedienen müssen, die bereits von außen sichtbar seine Situation betraf. Er findet in den Verdingungsordnungen im für ihn geltenden Abschnitt alle zu beachtenden Vorschriften in einem in sich abgeschlossenen Komplex (deshalb die Wiederholung der Basisparagraphen).449 Dies wird „Schubladenprinzip“ genannt. Diese Ausgestaltung stellt eine in der deutschen Rechtslandschaft sonst nicht zu findende Spezialität dar450 und ist nicht unproblematisch.451 447

Dies ist z. B. der Fall bei § 3 und 3 b VOB/A, dazu Pietzcker, in: Ipsen, S. 43,

47. 448

So sieht etwa § 1 b Nr. 1 Abs. 3 S. 2 VOL/A vor, dass die Basis-Paragraphen unberührt bleiben sollen, soweit die b-Paragraphen nicht entgegenstehen. Vgl. auch Kemper, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Vor Abschnitt 3, Rn. 23; Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427, 437. 449 Die Vergabestelle ermittelt also folgendermaßen die für sie einschlägigen Vergabebestimmungen: Zunächst prüft sie, ob sie nach § 97 (bzw. für unterhalb der SW nach den Verwaltungsvorschriften) als öffentlicher Auftraggeber anzusehen ist. Bejaht sie dies, so stellt sie fest, um welche Art von Auftrag es sich handelt. Schließlich prüft sie, ob der Auftragswert die Schwellenwerte überschreitet. Anhand dieser Indizien findet sie in den Verdingungsordnungen den für sie geltenden Abschnitt und hier in einem in sich abgeschlossenen Komplex alle zu beachtenden Vorschriften (deshalb die Wiederholung der Basisparagraphen), vgl. Frank, S. 288 f.

A. Einleitung

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Dagegen enthält die Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF)452 nur einen Abschnitt, da sie nur für Vergabeverfahren mit europaweiter Publizität und nicht in den Sektorenbereichen gilt und so die Abschnitte 1, 3 und 4 entbehrlich sind.453 Dieser eine Abschnitt entspricht dem 2. Abschnitt der VOB/A bzw. VOL/A, hat aber die Besonderheit, dass der Auftrag hier immer im Verhandlungsverfahren vergeben wird.454 Die Vergabeverordnung verweist durch statische Verweisung auf die VOF und auf die Abschnitte 2–4 der VOB/A und VOL/A, d.h. es wird auf die Verdingungsordnungen in der bei Erlass der VgV geltenden Fassung verwiesen. Durch den statischen Verweis ist den privaten Verdingungsausschüssen der Zugriff auf die Gestaltung der Vergabevorschriften verwehrt und Kontinuität gewährleistet.455 Der statische Verweis hat weiter zur Folge, dass die in Bezug genommenen (Teile der) Verdingungsordnungen Bestandteil der VgV werden. Bei der statischen Verweisung erhält der durch die Verweisung in Bezug genommene Text die rechtliche Qualität der verweisenden Norm. Die in Bezug genommenen Vorschriften der Verdingungsordnungen456 haben also Verordnungsrang457 (Rang einer Rechtsverordnung des Bundes458). 450

Marx, in: Jestaedt/Kemper/Marx/Prieß, S. 5. Zur Kritik daran ausführlich im Teil 2, C. VII. 6. 452 Einen Überblick über die VOF geben Müller-Wrede, BauR 1998, 470 ff.; Schaller, der gemeindehaushalt 2000, 229 ff. (einen Überblick zur VOL gibt er in der gemeindehaushalt, 2000, 35). 453 Hertwig, DStR 2001, 172; Bayer/Franke/Opitz, S. 25. 454 Hertwig, DStR 2001, 172. 455 Binder, ZZP 113. Band (2000), 195, 199 Fn. 20 m. w. N. Allerdings ist die Zulässigkeit dieses Verweises auf Regelungen nicht demokratisch legitimierter Gremien umstritten [siehe im Teil 2, C. VI. 6. a) bb)]. 456 Gegenteilige Äußerungen, die von einer generellen Rechtsnormqualität der Verdingungsordnungen ausgehen, sind dagegen falsch – vgl. dazu auch Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst III, Rn. 3 ff. und 77; Lötzsch/Bornheim, NJW 1995, 2134, 2137; Bär, ZfBR 2001, 375, 378. 457 Ganz h. M.: Pietzcker, NZBau 2000, 64, 65; vgl. Dreher, in: Immenga/ Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 30 m. w. N.; Daub/Eberstein – Eberstein, Einf. Rn. 81 ff.; Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst III, Rn. 3 ff.; Lötzsch/Bornheim, NJW 1995, 2134, 2137; Bär, ZfBR 2001, 375, 378. A.A. Bechtold, vor § 97 Rn. 18 (VerdO seien nach wie vor VerwVorschriften), der dann aber in sich widersprüchlich davon ausgeht, dass die Verdingungsordnungen subjektive Rechte enthalten. Auch das LG Würzburg, Urt. v. 7.2.2002, 14 O 643/01, S. 12 f. geht in einem Schadensersatzprozess für eine Vergabe oberhalb der Schwellenwerte – zumindest nach dem Gang der Darstellung – fälschlich davon aus, dass die Verdingungsordnungen auch nach dem Vergaberechtsänderungsgesetz weiter keine Rechtsnormqualität hätten. Fälschlich ist ebenso Knauff, VR 2000, 397, 403 der Auffassung, dass die Verdingungsordnungen weiterhin als Verwal451

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Die Basisparagraphen von VOB und VOL haben hier damit jeweils unterschiedliche Rechtsnormqualität: Sind sie Teil des Abschnitts 1, bleiben sie Verwaltungsvorschriften, als Teil der übrigen Abschnitte werden sie durch den Verweis zu materiellen Gesetzen.459 Diese Einräumung des Rechtsnormcharakters für die Verdingungsordnungen ist obligatorisch, um die europarechtlichen Vorgaben zu erfüllen.460 Denn eine Umsetzung der Vergaberichtlinien durch reine Verwaltungsvorschriften wäre unzulässig461.

VII. Ausblick auf das Vergaberecht de lege ferenda: Die zukünftige Struktur des deutschen Vergaberechts nach Umsetzung des Legislativpakets der Europäischen Gemeinschaft und Verschlankung des Vergaberechts Die Bundesregierung arbeitet im Moment an einer grundlegenden Reform des Vergaberechts. Durch diese Reform soll zum einen das im Februar 2004 in Kraft getretene Legislativpaket der Europäischen Gemeinschaft umgesetzt werden [zum Legislativpaket ausführlich bereits unter VI. 2. b) aa) (4)]. Die Umsetzungsfrist dafür endet am 31.1.2006. Zum anderen wird damit von der Bundesregierung im Rahmen ihres „Gesamtpaketes Bürokratieabbau“462 eine Verschlankung des Vergaberechts angestrebt. Danach soll das „gegenwärtig umfangreiche und intransparente Vergaberecht auf die Notwendigkeit jeder Vorschrift überprüft und gleichzeitig modernisiert werden.“463 Zur Umsetzung dieser Vergaberechtsreform hat das BMWA am 8.2.2005 einen Referentenentwurf vorgelegt. Die damit vorgeschlagenen Neuregelungen werden sehr kontrovers diskutiert, und vor In-Kraft-Treten der Vergabetungsvorschriften anzusehen sind und daher keine ordnungsgemäße Umsetzung der Vergaberichtlinien vorliegt. Auch nach Holtfester, NZBau 2002, 189, 192 haben die Verdingungsordnungen nach wie vor keinen Gesetzes- bzw. Verordnungscharakter. Weitere Nachweise zur abweichenden a. A. bei Schenk, S. 189. 458 H.-U. Gallwas, VergabeR 2001, 2, 4. 459 Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst III, Rn. 7 und 76 f. 460 Vgl. Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1266. 461 Vgl. unter A. VI. 3. b) aa). 462 Ursprünglich am 9.7.2003 von ihr als sog. „Masterplan Bürokratieabbau“ beschlossen. Näher zu dieser Initiative insgesamt Marx, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 127, 128 ff. 463 Näher dazu Monatsinfo forum vergabe, 1/2003, S. 1 f.; 2/2003, 20 f.; 3/2003, 37 f.; 7/8/2003, 112 f.; weiterhin: Marx, in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, S. 51, 58 ff.

A. Einleitung

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rechtsreform sind noch eine Vielzahl von Abstimmungsprozessen zu durchlaufen (dazu und zur entsprechenden Zeitplanung nachfolgend unter 3.). Obwohl damit noch erhebliche Änderungen der mit dem Referentenentwurf vorgeschlagenen Regelungen zu erwarten sind, soll im Folgenden dennoch ein Überblick über die geplante Struktur des Vergaberechts gegeben werden: 1. Überblick über die geplante Struktur des Vergaberechts Nach dem Referentenentwurf bleibt es bei der Zweiteilung des Vergaberechts in Ober- und Unterschwellenvergaben.464 Oberhalb der Schwellenwerte sind die Grundregeln und der Rechtsschutz im Vergabebereich nach wie vor im GWB geregelt. Weiterhin werden wesentliche Regelungen aus der bisherigen VgV in das GWB überführt. Neben dem GWB steht nur noch eine einheitliche Vergabeverordnung, die das bisher in den Verdingungsordnungen geregelte Vergabeverfahrensrecht für alle Arten von Aufträgen – Lieferungen, Dienstleistungen und Bauaufträge – in sich vereint. Die Verdingungsordnungen sind im Bereich oberhalb der Schwellenwerte also nicht mehr maßgeblich, das Kaskadenprinzip mit seiner Verweisungskette GWB – VgV – Verdingungsordnungen soll somit entfallen. Da in der neuen Vergabeverordnung nur das geregelt werden soll, was unbedingt notwendig erscheint, enthält sie nur rund 70 Paragraphen.465 Auch im Bereich unterhalb der Schwellenwerte findet im Liefer- und Dienstleistungsbereich die neue einheitliche Vergabeverordnung Anwendung. Nur für Bauaufträge wird weiterhin die VOB/A (Abschnitt 1) gelten, die im Verantwortungsbereich des DVA bleibt. Da das Vergaberecht hier aber auch im Bereich der Liefer- und Dienstleistungsaufträge nach wie vor als Haushaltsrecht gilt, wird es keine subjektiven Rechte und damit keinen Rechtsschutz geben. Dies wird damit begründet, dass ansonsten nicht hinnehmbare Investitionsverzögerungen eintreten würden. Für freiberufliche Leistungen und Aufträge im Sektorenbereich gilt die Vergabeverordnung im Bereich unterhalb der Schwellenwerte nicht. Sie soll auch nicht für Aufträge mit einem geschätzten Auftragswert von unter 7.500 Euro gelten.466 464 Zum Reformkonzept aus Sicht des federführenden BMWA Marx, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 127; vgl. auch Steller, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 31 ff.; Ollmann, VergabeR 2004, 669. 465 Marx, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 127, 128 ff. 466 Eine grafische Übersicht über das neue System des geplanten deutschen Vergaberechts findet sich bei Ollmann, VergabeR 2004, 669, 671.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Detailliert wird auf die geplanten Neuregelungen an den Stellen der Arbeit eingegangen, an denen sich die Änderungen der Rechtslage konkret auswirken werden. 2. Entstehungsgeschichte des Referentenentwurfs Um die Erfahrungen der Praxis mit dem im Jahr 1998 neu geschaffenen Vergaberecht zu ermitteln, führte das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit vom 4.12.2001 bis 15.2.2002 bei Unternehmen, Auftraggebern, Verbänden und Nachprüfungsinstanzen eine Fragebogenaktion durch.467 Die Auswertung der 1261 beantworteten Fragebögen erfolgte in einem Gutachten des beauftragten Rechtsanwaltsbüros. Das Gutachten analysierte zugleich die Rechtsprechung. Auf der Grundlage dieses Gutachtens und ihrer Erfahrungen legte die Bundesregierung zur Unterrichtung des Gesetzgebers im Herbst 2003 einen Bericht über die Erfahrungen mit dem VgRÄG vor.468 Dieser zeigte zwar auf, dass sich der eingeführte vergaberechtliche Primärrechtsschutz grundsätzlich bewährt hat, da es nicht im befürchteten Umfang zu Investitionshemmnissen und Verzögerungen der Auftragsvergabe gekommen ist. Allerdings war in den Antworten überwiegend insbesondere Kritik an der Unübersichtlichkeit und Komplexität des materiellen Vergabevorschriften geäußert worden [dazu noch ausführlich im Teil 2, unter C. VII. 6. a)].469 Dementsprechend war das Vergaberecht auch eines der Rechtsgebiete, das in das Programm der Bundesregierung „Gesamtpaket Bürokratieabbau“ aufgenommen wurde. Im Rahmen dieser Initiative wurde im Frühjahr 2003 eine Arbeitsgruppe zur Verschlankung des BMWA vom BMWA ins Leben gerufen. Diese hat ihre Arbeit am 5.12.2003 mit einem Bericht abgeschlossen.470 Zur Kernfrage der künftigen Struktur des Vergaberechts blieben die Meinungen geteilt.471 Nach weiteren Abstimmungen beschloss die Bundesregierung durch Kabinettsbeschluss472 vom 12. Mai 2004 Eckpunkte für 467 Hintergrund war, dass Bundestag und Bundesrat die Bundesregierung bei der Verabschiedung des VgRÄG Mitte 1998 gebeten hatten, „über die Erfahrungen mit dem . . . Vergaberechtsänderungsgesetz innerhalb von drei Jahren einen Bericht zu erstatten.“ (s. BT-DRs. 13/11160). 468 BT-DRs. 15/2034 vom 11.11.2003 und BR-Drs. 851/03 vom 11.11.2003 – näher Monatsinfo forum vergabe e. V. 10/2003, 148 ff. 469 Marx, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 127, 131. 470 Auszugsweise abgedruckt in NZBau 2004, 141; näher dazu Monatsinfo forum vergabe e. V. 11/2003, 165 f. 471 Monatsinfo forum vergabe e. V. 11/2003, 165 f. 472 Abgedruckt in NZBau 2004, 317. Vgl. auch www.bmwa.bund.de.

A. Einleitung

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eine Verschlankung des Vergaberechts. Diese Eckpunkte bilden den Rahmen für den vorliegenden Gesetzentwurf. Zunächst wurde vom BMWA ein Arbeitsentwurf vom 8.10.2004473 veröffentlicht und am 8. und 9. November mit den anderen Bundesministerien besprochen. Nach weiteren umfangreichen Abstimmungsarbeiten liegt nunmehr der Referentenentwurf vom 8.2.2005 vor. 3. Ausblick auf den weiteren Fortgang der Vergaberechtsreform Der Referentenentwurf des BMWA vom 8.2.2005 wird zunächst mit den betroffenen Bundes-Ressorts diskutiert und abgestimmt. Danach erfolgt eine Anhörung der Bundesländer und der Verbände. Im Anschluss daran soll im April ein Kabinettsbeschluss über den Gesetzgebungsvorschlag herbeigeführt werden. Dann geht der Entwurf zur Änderung des GWB und des Haushaltsgrundsätzegesetzes in das Gesetzgebungsverfahren bei Bundesrat und Bundestag. Mit einer Verabschiedung des Gesetzes ist frühestens im November 2005 zu rechnen.474 Darauf aufbauend soll später die Vergabeverordnung erlassen werden. Da der Bundestag aber bei deren Erlass nicht mehr mitwirken kann, wird die Vergabeverordnung über die im GWB und HGrG zu beschließenden Ermächtigungsgrundlagen auch jetzt schon bei den Diskussionen eine erhebliche Rolle spielen. Denn GWB und Vergabeverordnung schaffen ein Gesamtsystem des Vergaberechts. Die Vergaberechtsreform soll insgesamt bis zum 31.1.2006 in Kraft treten. Dieser Zeitplan ist sehr ehrgeizig. Denn die Vergaberechtsreform ist sowohl in der Gesamtstruktur als auch in den geplanten Einzelregelungen sehr umstritten, so dass hier noch mit erheblichen Diskussionen und Änderungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu rechnen ist: Bereits auf der Bundesebene war (und ist) eine Einigung über die künftige Struktur des Vergaberechts insbesondere zwischen dem Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen, das für den Bereich der VOB zuständig ist, und dem BMWA (Vergaberecht insgesamt und Liefer- und Dienstleistungsbereich) sehr schwierig. Auch die Abstimmung mit den Bundesländern gestaltet sich alles andere als einfach.475 473 Abgedruckt in Monatsinfo forum vergabe e. V. 9/2004, Anlage 1 und Teil-Abdruck in NZBau 2004, Heft 12 S. VIII. Dazu ausführlich auch Ollmann, VergabeR 2004, 669 ff. und Monatsinfo forum vergabe e. V. 9/2004, 133 ff. 474 Durch die voraussichtlich im Herbst 2005 anstehende Neuwahl des Bundestages ist das Verschlankungskonzept des BMWA zwar vorerst gestoppt worden, es soll jedoch von Seiten der federführenden Abteilung I B im BMWA nach der Neukonstituierung des BT weiterverfolgt werden.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Ebenso stehen die an Vergabeverfahren beteiligten Kreise den Reformbemühungen teilweise sehr kritisch gegenüber. So forderten die Verbände der Bauwirtschaft und des Handwerks, Kommunale Spitzenverbände, der BDI sowie der DGB (u. a.) in einer gemeinsamen Erklärung vom 18.3.2004 die Bundesregierung auf, „von Überlegungen Abstand zu nehmen, aus rein politischen Erwägungen ein Regelwerk zu schaffen, das an den Bedürfnissen der Praxis völlig vorbeigeht“.476 Der BDI hat dementsprechend am 13.3.2003 einen eigenen Vorschlag zur Deregulierung des Vergaberechts vorgelegt. So befürwortet er ein Modell einer verkürzten und die VOF ersetzenden VOL/A.477 Des Weiteren liegt für die Verschlankung (allein) der VOB/A ein Vorschlag des Deutschen Verdingungsausschusses vor (Arbeitstitel: „Verschlankungskonzept VOB/A 200X“), in dem u. a. das Schubladenprinzip aufgegeben worden ist.478 In Bezug auf die zukünftige Gesamtstruktur des Vergaberechts war selbst in der von der Bundesregierung eingesetzten Arbeitsgruppe für die Verschlankung des Vergaberechts eine Einigung nicht möglich: Der eine Teil der Arbeitsgruppe trat für eine Verschlankung im bestehenden System ein. Danach sollten VOF und VOL/A zusammengefasst werden und überflüssige Vorschriften in den Verdingungsordnungen gestrichen werden. Wesentliche Regelungen der VgV sollten in das GWB aufgenommen werden. Der andere Teil der Arbeitsgruppe befürwortete die Einführung eines Zwei-Stufen-Systems. Die Grundregeln aller öffentlichen Aufträge seien in das GWB zu übernehmen. Die Vergabeverfahrensregeln seien für alle Auftragsarten in eine Vergabeverordnung zu überführen mit der Folge, dass VOB/A, VOL/A und VOF gänzlich abgeschafft werden sollten. Im anstehenden Gesetzgebungsverfahren wird auch das Problem der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die detaillierten Regelungen unterhalb der Schwellenwerte zu klären sein.479

475 Dazu Monatsinfo forum vergabe e. V. 3/2004, 41 f. und 2/2004, 15 f.: Es lagen mehrere abweichende Entschließungsanträge der Länder vor. Einige Bundesländer (z. B. Bayern) waren etwa für Beibehaltung des Kaskadenprinzips. 476 Näher Monatsinfo forum vergabe e. V. 3/2004, 42. Hintergrund war auch, dass die im DVA beteiligten Verbände ihre Mitwirkungsrechte behalten wollten. Kritische Stellungnahmen von DStGB und BDI finden sich auch in Behördenspiegel, Juni 2004, S. B 1. Kritisch auch: Der Spiegel 44/2004 vom 25.10.2004, „Gesetz gegen Mauschelei“. 477 Dazu Monatsinfo forum vergabe e.V, 6/2003, 90, 91 und 12/2003, 184 f. 478 Vgl. dazu Monatsinfo forum vergabe e. V. 5/2003, 73, 74 und 9/2004, S. 137. Diese angestrebte Reform der VOB/A wird auch nach den Neuregelungen ihre Bedeutung haben, da ja die VOB/A unterhalb der Schwellenwerte weiter gelten soll. 479 Dazu Monatsinfo forum vergabe e. V., 11/2004, S. 172.

A. Einleitung

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4. Überblick über einzelne Neuerungen480 – Es werden die gesetzlichen Grundlagen für ein Präqualifikationssystem und ein Korruptionsregister (§ 126 a GWB-E) geschaffen.481 Ziel des Präqualifikationssystems ist es, die Bieter davon zu befreien, dass sie für jeden einzelnen Auftrag gesondert eine Vielzahl von (Original-)Unterlagen zum Nachweis ihrer Eignung vorlegen müssen. Erreicht werden soll dies über eine sog. „weiße Liste“, deren Effekt sich in Teilbereichen aber auch mit dem der im Gespräch befindlichen „schwarzen Liste“ über unzuverlässige Unternehmen (Korruptionsregister) überschneidet. – Entsprechend dem Legislativpaket wird der Telekommunikationssektor aus dem Sektorenbereich ausgenommen. – Die Schwellenwerte sollen erhöht werden.482 Damit orientiert sich der Referentenentwurf an der dementsprechenden Entwicklung im Legislativpaket. – Es soll eine Regelung zu In-house-Vergaben aufgenommen werden.483 – Es wird von der im Legislativpaket geschaffenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, das neue Vergabeverfahren des wettbewerblichen Dialogs einzuführen. – Oberhalb der Schwellenwerte soll auf den Vorrang der offenen vor der freien Ausschreibung verzichtet werden. Der Auftraggeber wird zwischen dem offenen und dem nichtoffenen Verfahren frei wählen können. Dem liegt zu Grunde, dass der gesetzlich vorgesehene Vorrang der offenen Ausschreibung schon bisher oft in der Praxis nicht gegeben war.484 – Nicht Gebrauch gemacht werden soll von der im Legislativpaket vorgesehenen Möglichkeit, die Berücksichtigung von Sozial- und Umweltkriterien vorzusehen.485

480

Zu weiteren Einzelregelungen, Ollmann, VergabeR 2004, 669, 680 f. Zuvor hatte sich eine Arbeitsgruppe des BMWA und BMVBW am 27.8.2004 auf ein gemeinsames Eckpunktepapier geeinigt. 482 Eine grafische Übersicht über die Schwellenwerte nach Legislativpaket, Entwurf der VgV und bisherigem Recht findet sich bei Ollmann, VergabeR 2004, 669, 672. 483 Eine Würdigung der entsprechenden Regelung im Arbeitsentwurf des BMWA vom 8.10.2004 findet sich bei Ollmann, VergabeR 2004, 669, 672 ff. 484 Vgl. nur die Praxis der Auftragsvergabe beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung – Monatsinfo forum vergabe e. V. 3/2004, 46 f. 485 Zu den Gründen, Marx, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 127, 136; kritisch Ollmann, VergabeR 2004, 669, 678. 481

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

B. Die Ausgestaltung des Primärrechtsschutzes oberhalb der Schwellenwerte in Deutschland Für das Verständnis der in der vorliegenden Arbeit behandelten Fragen des Primärrechtsschutzes ist die Kenntnis der durch das Vergaberechtsänderungsgesetz neu geschaffenen Rechtsschutzmöglichkeiten in Deutschland unerlässlich. Daher soll darüber ein Überblick gegeben werden.

I. Begriffspaar: „Primärrechtsschutz“/„Sekundärrechtsschutz“ Im Zusammenhang mit dem Rechtsschutz im Bereich des Öffentlichen Auftragswesens spielt das Begriffspaar „Primärrechtsschutz“/„Sekundärrechtsschutz“ eine große Rolle.1 Primärrechtsschutz umfasst hier alle Rechtsschutzmöglichkeiten, die die Durchsetzung der Ansprüche auf ein bestimmtes Verhalten des Auftraggebers im Vergabeverfahren und damit noch eine Korrektur der Handlungen des Auftraggebers ermöglichen.2 Mit dem Primärrechtsschutz verfolgt der Rechtsschutzsuchende das Ziel, die Vergabe des öffentlichen Auftrages an sich selbst zu erreichen. Unter Sekundärrechtsschutz versteht man dagegen die Rechtsschutzmöglichkeiten, die dem Teilnehmer am Vergabeverfahren dann zustehen, wenn das Verhalten der Vergabestelle aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen irreversibel ist.3

II. Überblick über den Primärrechtsschutz nach der kartellrechtlichen Lösung Im Folgenden wird das Rechtschutzsystem nach der kartellrechtlichen Lösung dargestellt. Dies unterscheidet (im Wesentlichen)4 nicht nach Auftragsvergaben im Sektorenbereich und im klassischen Auftragsbereich, 1

Die Problematik „Primärer und sekundärer Rechtsschutz im Öffentlichen Recht“ war einer von 2 Beratungsgegenständen der Staatsrechtslehrertagung 2001 in Würzburg war, vgl. dazu den Bericht von Ruffert, AöR 127 (2002), S. 118, 130 ff. und den Tagungsband VVDStRL 61, 2002, S. 221 ff. 2 Diese Primärrechtsschutzmöglichkeiten meint auch § 104 II GWB, wo es heißt: „. . . Ansprüche gegen öffentliche Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung im Vergabeverfahren gerichtet sind.“ 3 Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Vor § 102 GWB, Rn. 4. 4 Das Schlichtungs- und das Bescheinigungsverfahren gelten nur für den Sektorenbereich (§ 19 f. VgV).

B. Die Ausgestaltung des Primärrechtsschutzes

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obwohl eine solche gleiche Ausgestaltung des Rechtsschutzes nicht vorgeschrieben war.5 Damit gelten die folgenden Ausführungen grundsätzlich auch für die Sektorenauftraggeber. Das neue Rechtsschutzsystem ist zweistufig aufgebaut. Für den Rechtsschutz sieht das VgRÄG wie schon die haushaltsrechtliche Lösung 2 Instanzen vor. In der ersten Instanz sind die verwaltungsinternen Vergabekammern zuständig.6 Die Entscheidung der Vergabekammer kann dann nach § 116 GWB von einem Oberlandesgericht als (einziger7) gerichtlicher Nachprüfungsinstanz überprüft werden. Da die Entscheidung der Vergabekammer ein Verwaltungsakt ist (§ 114 III 1 GWB), wäre dagegen grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten. Deshalb stellt § 116 I 1, III GWB für den Bereich der Primäransprüche eine Sonderzuweisung zur Zivilgerichtsbarkeit nach § 40 I 1 HS 2 VwGO dar. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte es „wegen der zu erwartenden hohen Qualität der Entscheidungen der Vergabekammern“ nur in seltenen Fällen zur Anrufung der Oberlandesgerichte kommen.8 Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in der Bundesrepublik ist dadurch sichergestellt, dass ein Oberlandesgericht, das von einer Entscheidung eines anderen OLG abweichen will, die Sache dem BGH vorlegen muss (§ 124 II GWB)9. Der Anrufung der Vergabekammern kann eine Überprüfung durch die Vergabeprüfstellen vorausgehen (vgl. § 102 f. GWB). Die schon nach der haushaltsrechtlichen Lösung existierenden Vergabeprüfstellen wurden also nicht abgeschafft10, allerdings ist ihre Anrufung nicht obligatorisch (§ 103 5

Näher Denk, S. 177. Ein vor dem gerichtlichen Rechtsschutz zu durchlaufendes verwaltungsbehördliches Verfahren als Voraussetzung für den gerichtlichen Rechtsschutz ist verfassungsrechtlich zulässig, solange gerichtlicher Rechtsschutz erhalten bleibt und der Zugang dazu nicht unzumutbar erschwert wird. Ein solches behördliches Vorverfahren hat auch in anderen Bereichen, etwa in den § 68 ff. VwGO, Tradition. – näher Krist, S. 54 m. w. N. 7 Verfassungsrechtlich ist es zulässig, gerichtlichen Rechtsschutz nur durch eine gerichtliche Instanz zu ermöglichen. Aus Art. 19 IV GG und dem Justizgewährungsanspruch kann grundsätzlich kein Recht auf einen Instanzenzug hergeleitet werden – st. Rspr. des BVerfG: zuletzt BVerfG, NJW 2003, 1924; vgl. weiterhin BVerfGE 65, 76, 90; BVerfGE 87, 48, 61; aus der Literatur: Erdl, S. 209 Rn. 419 m. w. N.; Dreher, NVwZ 1997, 343, 344 und 348 (der aber problematisiert, dass diese einzige gerichtliche Instanz nur im einstweiligen Rechtsschutz entscheidet. Er hält dies aber i.Erg. für grds. unbedenklich). Nach Auffassung von Huber, in: Festschrift für Schiedermair, S. 765, 779 verstößt § 116 GWB mit der Einräumung von nur einer gerichtlichen Instanz in bestimmten Fällen gegen Art. 19 IV GG. 8 BT-Drs. 13/9340, S. 13. 9 Näher unter IV. 4. 6

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

III GWB). In der Praxis erfolgt aus Gründen der Zeitersparnis der direkte Gang zu den Vergabekammern,11 zumal die Anrufung der Vergabeprüfstelle nicht zu einer automatischen12 Aussetzung des Vergabeverfahrens führt.13 Außerdem ist gegen einen Bescheid der Vergabeprüfstelle die sofortige Beschwerde nicht zulässig. Zunächst muss die VK angerufen werden.14 Im Unterschied zur Vergabekammer und OLG kann die Vergabeprüfstelle aber auch von Amts wegen tätig werden. Dies ist sinnvoll, da die Vergabeprüfstellen bei den Aufsichtsbehörden eingerichtet sind, die ohnehin von Amts wegen die Rechtsaufsicht ausüben.15

III. Das Nachprüfungsverfahren16 vor den Vergabekammern – §§ 104–114 GWB Die Vergabekammern sind beim Bund und bei den Ländern eingerichtet. Je nachdem, wem der ausgeschriebene Auftrag zuzurechnen ist, ist entweder die Vergabekammer des Bundes oder eine der Vergabekammern der Länder zuständig (§ 18 I VgV). § 18 VgV konkretisiert also, auf § 104 I GWB aufbauend, die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Vergabekammern des Bundes und der Länder.17 Auf Bundesebene sind die Vergabe10 Für die gänzliche Abschaffung der Vergabeprüfstellen Dreher, NVwZ 1997, 343, 345. 11 Roebling, Jura 2000, 453, 461. 12 Sie können aussetzen. Dies schafft aber weiterhin keine Nichtigkeit des dennoch erteilten Zuschlags. 13 Das Urteil über die Leistungen der Vergabeprüfstellen während der Geltung der haushaltsrechtlichen Lösung waren ohnehin geteilt: Von der Wirtschaft wurden sie so qualifiziert, wie es „üblicherweise an Juristenstammtischen der Dienstaufsichtsbeschwerde vorbehalten ist“ (Marx, in: Ipsen, S. 71, 72). Das strukturelle Problem der Vergabeprüfstellen sei, dass sie tendenziell nicht wesentlich anders als die Widerspruchsbehörden des allgemeinen Verwaltungsverfahrens vorgehen – im Zweifel für den Auftraggeber (Marx, in: Ipsen, S. 71, 73 und in der folgenden Diskussion S. 96 f.). Allerdings hat das Verfahren vor der Vergabeprüfstellen den Vorteil, dass es sich um ein nicht formalisiertes Verfahren handelt (näher Frank, S. 301). 14 BayObLG, Beschl. v. 2.11.2000 – Verg 8/00, dazu auch Jaeger, NZBau 2001, 366, 368. 15 Boesen, § 107 Rn. 10. 16 Der Begriff Nachprüfungsverfahren, der sich auch in den Rechtsmittelrichtlinien findet, gibt die tatsächliche Ausgestaltung des Rechtsschutzes nur unzureichend wieder. Die RMRL wollen vielmehr schon eine begleitende Kontrolle während des laufenden Verfahrens sicherstellen. Damit soll die Schaffung vollendeter Tatsachen und der Eintritt von Schäden verhindert werden – vgl. zum Ganzen Büchl, S. 65 f. Man sollte daher besser vom Rechtsschutzverfahren sprechen. Wegen der allgemeinen Verbreitung des Begriffs Nachprüfungsverfahren wird er aber auch hier verwendet. 17 Hier bleiben aber auch nicht geregelte Abgrenzungsfragen, vgl. Gröning, wrp 2001, 1, 8.

B. Die Ausgestaltung des Primärrechtsschutzes

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kammern beim Bundeskartellamt angesiedelt (§ 106 I.). Die Einrichtung und Organisation der Vergabekammern der Länder bestimmen die nach Landesrecht zuständigen Stellen (§ 106 II).18 Die Zusammensetzung der Vergabekammern regelt § 105 II GWB. Danach entscheiden die Vergabekammern mit einem Vorsitzenden und 2 Beisitzern. Bei der Vergabekammer des Bundes muss der Vorsitzende oder der hauptamtliche Beisitzer die Befähigung zum Richteramt haben (105 II 3). Bei den Ländervergabekammern kann dies auch der ehrenamtliche Beisitzer sein. Nach § 105 I und IV kommt den Mitgliedern der Vergabekammer quasi richterliche Unabhängigkeit zu. Die Kammermitglieder werden für eine feste Amtszeit von 5 Jahren ernannt, in der sie gegen ihren Willen nicht abrufbar sind.19 1. Überblick über die Antragsvoraussetzungen Im Folgenden soll ein Überblick über die Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Nachprüfungsantrag gegeben werden, denn auf diese wird später immer wieder zurückzukommen sein. Das Verfahren vor der Vergabekammer wird nur auf Antrag hin eingeleitet (§ 107 I GWB). Dieser Antrag kann allerdings nicht durch den Auftraggeber gestellt werden.20 a) Antragsbefugnis – 107 II GWB Nach 107 II S. 1 GWB ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach 18 Abgedruckt sind alle Landesregelungen über die Einrichtung der Vergabekammern (und Vergabeprüfstellen) bei Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, §§ 105, 106 GWB, Rn. 21 ff.; vgl. auch den Fundstellennachweis bei Prieß, EuZW 2001, 365, 366 und Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 196 Fn. 104; zur Ausgestaltung in Bayern vgl. Waldner, S. 108 Fn. 471. Im Moment gibt es 31 Vergabekammern der Länder – vgl. Krist, S. 43 und 71: Er spricht davon, dass es bei den Vergabekammern des Bundes und der Länder ein wirres Bild unterschiedlichster organisatorischer Einbindungen gibt. Beispielsweise hat Bayern zwei, Hamburg drei, während BW nur eine zentrale Vergabekammer hat. Ein Abdruck der Adressen der Vergabekammern und OLG-Vergabesenate findet sich bspw. bei Hartmann, VOF, Teil 6/2B S. 13 ff. 19 Vgl. auch Horn, Lutz/Graef, Andreas, Zur Geltung des Spruchrichterprivilegs des § 839 II BGB für die Mitglieder der Vergabekammern, NZBau 2002, 142. 20 Er kann sich aber gegen das durch den vom Bieter gestellten Nachprüfungsantrag ausgelöste Zuschlagsverbot mit dem einstweiligen Rechtsschutz zur Wehr setzen und sich so den Zuschlag gestatten lassen, unter B. III. 4. a).

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

§ 97 VII GWB geltend macht. Weiterhin muss es nach § 107 II S.2 darlegen, dass ihm durch die behauptete Rechtsverletzung ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.21 Dieser Satz 2 des § 107 II GWB soll sicherstellen, dass Bieter, die auch bei ordnungsgemäßem Vergabeverfahren keine Aussicht auf die Erteilung des Zuschlags gehabt hätten, das Vergabeverfahren nicht durch Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens blockieren können.22 Die Nachprüfungsinstanzen entwickelten hier aber in der Vergangenheit zunehmend (zu) strenge Anforderungen an das Vorliegen der Antragsbefugnis: Zum einen musste in der Antragsbegründung nachgewiesen werden, dass in einem rechtmäßig durchgeführten Vergabeverfahren eine konkrete Aussicht auf Zuschlagserteilung bestanden hätte. Nur den Nachweis, dass er tatsächlich den Zuschlag erhalten hätte, musste der Antragsteller nicht erbringen.23 Zum anderen wurden durch die Vergabekammern verstärkt Mängel des Angebots des Antragsstellers von Amts wegen aufgegriffen, die der Auftraggeber im Vergabeverfahren nie thematisiert hatte, um so zu begründen, dass eine Chance auf den Zuschlag nie bestanden hätte. Das Angebot des Antragstellers kam somit „auf den kritischen Seziertisch der Vergabekammer“24 bzw. unter das „juristische Elektronenmikroskop“25. Gegen diese Entscheidungspraxis haben sich jüngst zu Recht das BVerfG26, der EuGH27 und der BGH28 gewandt, so dass sie an diese Entscheidungsvorgaben anzupassen ist: 21 Einen Überblick über die Entscheidungspraxis zur Antragsbefugnis geben Glahs, NZBau 2004, 544; Hucke, ZfBR Sonderbeilage 5/2003, 37, 38 ff. und ZfBR Sonderbeilage 5/2004, 29, 30 ff., Hugenroth, ZfBR Sonderbeilage 5/2003, 3, 6 ff. und Jaeger, NZBau 2001, 289, 291 ff. 22 BR-Beschl. v. 26.6.1997, BR-Drs. 646/97, S. 13 f.; BT-Drs. 13/9340, S. 40 und 50. 23 OLG Koblenz, Beschluss v. 25.5.2000 – 1 Verg 1/00, NZBau 2000, 445 = ZVgR 2000, 267, 269; so auch OLG Rostock, Beschl. v. 24.9.2001 – 17 W 11/ 01,WuW 2002, 661 (Verg 599) = IBR 2001, 637 (Gottschalck); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.5.2001 – Verg 24/01, IBR 2001, 453 (Trautner). 24 Otting, Anm. zu BVerfG, Beschl. v. 29.7.2004, VergabeR 2004, 602, 603. 25 Gröning, VergabeR 2003, 638, der diese „ungefragte Fehlersuche“ sehr kritisch sieht, da sich die Vergabekammer von Amtswegen quasi zum „Streithelfer“ der Gegenseite des Antragsstellers mache. 26 BVerfG, Beschl. v. 29.7.2004, ZfBR 2004, 706 = VergabeR 2004, 597 m. Anm. Otting = NZBau 2004, 564; vgl. auch die Anm. von Bultmann/Hölzl, NZBau 2004, 651. 27 EuGH, Urt. v. 19.6.2003 – C-249/01 „Hackermüller“, VergabeR 2004, 541 m. Anm. Erdl. 28 BGH, Beschl. v. 18.5.2004, IBR 2004, 591 (Asam).

B. Die Ausgestaltung des Primärrechtsschutzes

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Nach der Entscheidung des BVerfG vom 29.7.2004 dürfen insbesondere die Anforderungen an die Darlegung der Antragsbefugnis nicht überspannt werden. An den Vortrag zum entstandenen oder drohenden Schaden sind daher „keine hohen Anforderungen“ zu stellen, sondern es genügt, „dass ein Schadenseintritt nicht offensichtlich ausgeschlossen ist“.29 Dafür muss der Antragsteller gemäß der Entscheidung des BGH vom 18.5.2004 nur schlüssig behaupten, dass er ohne den Vergabefehler eine Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte. Allerdings muss es nach wie vor dabei bleiben, dass ein Bieter, der an letzter Stelle im Bieterfeld steht und daher keine reale Chance auf den Zuschlag hat, nicht antragsbefugt ist,30 es sei denn er kann geltend machen, dass seine Zuschlagschance gerade durch den Vergaberechtsverstoß beeinträchtigt wurde.31 Nach der Entscheidung des EuGH vom 19.6.2003 in der Sache „Hackermüller“ darf die Vergabekammer die Antragsbefugnis wegen eines von ihr erst im Nachprüfungsverfahren festgestellten Fehlers des Angebots des Antragsstellers ablehnen, wenn sie diesem zuvor die Möglichkeit gegeben hat, dazu Stellung zu nehmen.32 Für das Verhandlungsverfahren kommt es – anders als bei den anderen Verfahrensarten – ohnehin nicht darauf an, ob der Ast. mit seinem Angebot eine Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte. Denn es liegt in der Natur des Verhandlungsverfahrens, dass sich das Ergebnis der noch zu führenden Verhandlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit vorwegnehmen lässt.33

29

BVerfG, a. a. O., VergabeR 2004, 597, 599. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.5.2001 – Verg 24/01, IBR 2001, 453 (Trautner); OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.4.2001 – 11 Verg 1/01, IBR 2001, 571 (Horn); vgl. auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.2.2003 – Verg W 2/03, VergabeR 2003, 469. 31 OLG Düsseldorf, v. 8.5.2002 – Verg 4/02, VN 7/2002, 54. Bei der Frage, inwieweit ein Unternehmen antragsbefugt ist, das überhaupt kein Angebot abgegeben hat, hat sich noch keine klare Rechtsprechungslinie herausgebildet. Näher dazu BayObLG, Beschl. v. 4.2.2003 – Verg 31/02, VergabeR 2003, 345 m. Anm. Meißner; Antweiler, VergabeR 2004, 702 und Hucke, ZfBR Sonderbeilage 5/2004, 29, 34 ff. Mit den europarechtlichen Vorgaben für die Feststellung der Antragsbefugnis in diesen Fällen hat sich jüngst der EuGH beschäftigt – EuGH, Urt. v. 12.2.2004 – C-230/02, IBR 2004, 220 (Wirner) = WuW 2004, 457 (Verg 921). 32 Zu dieser Entscheidung und ihren Folgen für die deutschen Nachprüfungsinstanzen ausf. auch Franßen/Pottschmidt, NZBau 2004, 587 und Gröning, VergabeR 2003, 638. 33 OLG Dresden, Beschl. v. 16.10.2001 – Wverg 0007/01, ZfBR 2002, 298, 299. 30

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b) Rügepflicht Weiterhin ist die Rügepflicht des 107 III GWB zu beachten.34 Nach 107 III S. 1 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit35 der Bieter den gerügten Verstoß gegen die Vergabevorschriften erkannt36 und nicht unverzüglich gerügt hat.37 Da das GWB keine eigene Definition des Rechtsbegriffs „unverzüglich“ enthält, wird dieser hier wie bei § 121 I 1 BGB verstanden. Als Obergrenze werden hier nach allgemeiner Auffassung 2 Wochen angenommen. Zweck der Rügepflicht ist, der Vergabestelle Anlass und Gelegenheit zu geben, einen Verstoß gegen Vergabevorschriften nach nochmaliger Prüfung zu erkennen und ihn zu korrigieren, ohne dass es des regelmäßig mit erheblichen Verzögerungen verbundenen Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer bedarf.38 Weiter soll der Bieter nicht erst abwarten können, ob sich ein Fehler zu seinen Gunsten auswirkt.39 Spekuliert er auf den Auftrag und rügt deshalb den erkannten Vergabefehler nicht, kann er, wenn er den Auftrag dann doch nicht erhält, auch keinen Nachprüfungsantrag mehr einleiten.40 34 Einen Überblick über die Rechtsprechung zur Rügeobliegenheit geben Kühnen, NZBau 2004, 427; Hucke, ZfBR Sonderbeilage 5/2003, 37, 41 f. und Jaeger, NZBau 2001, 289, 293 ff.; Monatsinfo Vergabe e. V. 9/2001, 108 ff., wo § 107 III als die gefährlichste Klippe für den Bieter für die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens bezeichnet wird. Da § 107 III „eine Vorschrift mit Haken und Ösen“ sei, müssten sich die Nachprüfungsinstanzen unverhältnismäßig oft mit der Vorschrift befassen, meist mit einem für den Bieter ungünstigen Ergebnis. Zur Rügepflicht auch die Diss. von Mertens, S. 7 ff. 35 Die fehlende Rüge schließt das Nachprüfungsverfahren danach nur für den erkannten bzw. erkennbaren Verstoß, nicht jedoch insgesamt aus (Waldner, S. 110 f.). 36 Zum Verhältnis von S.1 und S.2 des § 107 III, zur positiven Kenntnis und zur Feststellungslast für den Zeitpunkt dieser Kenntnis OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.6.2001 – Verg 2/01, VergabeR 2001, 415 m. Anm. Weihrauch = IBR 2002, 97 (Horn). 37 Schwarze, EuZW 2000, 133, 139 zweifelt an der Richtlinienkonformität dieser Einschränkung der Antragsbefugnis, da eine solche nicht in den Rechtsmittelrichtlinien enthalten sei. Krit. zur generellen Unzulässigkeit bei fehlender Rüge auch Boesen, EuZW 1998, 551, 555. Das Erfordernis der Unverzüglichkeit der Rüge ist aus europarechtlicher Sicht als nationale Ausschlussregel auch nach den Entscheidungen des EuGH, Urt. v. 12.12.2002 – C-470/99 (Universale Bau), VergabeR 2003, 141 = EuZW 2003, 141 und EuGH, Urt. v. 27.2.2003, C-327/00 (Santex SpA), VergabeR 2003, 305 m. Anm. Opitz = NVwZ 2003, 709 grundsätzlich zulässig. Näher Antweiler, EuZW 2003, 330; Pock, RPA 2003, 27, 28 f.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.5.2004 – 11 Verg 8, 9/04, NZBau 2004, 567, 569; Monatsinfo forum vergabe 1/2002, S. 180 f.; zum Ganzen auch Mertens, S. 107 ff. 38 VK des Bundes, Beschl. v. 21.10.1999 – VK2-26/99, NZBau 2000, 108, 109. 39 Begr. zum Gesetzentwurf, BT-Drs 13/9349, § 117 S. 17; dazu auch Putzier/ Meincke, NZBau 2001, 376 ff.

B. Die Ausgestaltung des Primärrechtsschutzes

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Wenn die Rüge eines Verstoßes gegenüber dem Auftraggeber wirksam erfolgt ist, ist der Nachprüfungsantrag zulässig. Im Nachprüfungsverfahren können dann auch weitere Verstöße ohne Rüge in das laufende Verfahren eingeführt werden.41 Fehlt es aber schon an einer wirksamen Rüge und damit von vornherein an einem zulässigen Nachprüfungsverfahren, bleiben im Vergabeverfahren entdeckte Fehler unbeachtlich.42 Eine Rügepflicht besteht zunächst nur für erkannte Verstöße (§ 107 III S. 1 GWB). Ein Erkennenmüssen genügt nur bei Verstößen, die bereits aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind (§ 107 III S. 2).43 Dem Bieter selbst ist insoweit grundsätzlich nur eine laienhafte Würdigung abzuverlangen. Bei erfahrenen Auftragsbewerbern und bei solchen, bei denen die Teilnahme am Vergabeverfahren durch eine fachliche Beratung begleitet wird, können höhere Anforderungen gelten.44 Eine Obliegenheit des Antragsstellers, sich die gem. § 107 III S. 1 GWB maßgeblichen Kenntnisse, etwa durch eigene Nachforschungen zu verschaffen, besteht nicht. Eine Ausnahme davon besteht nur dann, wenn der Kenntnisstand des Antragsstellers einen solchen Grad erreicht hat, dass seine Unkenntnis vom Vergaberechtsverstoß nur als ein mutwilliges Sich-Verschließen vor dem Erkennen dieses Rechtsverstoßes gewertet werden kann.45 Für die Rüge gelten keine besonderen Formvorschriften. Insbesondere gilt nicht § 108 GWB, der nur Formvorschriften für den Nachprüfungs40 Allerdings hat der Bieter die Möglichkeit, eine Rüge auszusprechen. Wird diese abgelehnt, kann er mangels einzuhaltender Frist zwischen Rüge und Nachprüfungsantrag bis kurz vor der Zuschlagserteilung mit der Einlegung des Nachprüfungsantrags abwarten, ob nicht doch der Zuschlag an ihn erteilt werden wird. Daher besteht für ihn doch eine Spekulationsmöglichkeit, die der Gesetzgeber (mit der Rügepflicht) gerade verhindern wollte. Dies wird kritisiert – Noch, Behördenspiegel 12/2001, 23, 24. 41 Verstöße, die erst im Nachprüfungsverfahren erkannt werden, müssen nicht gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden, da § 107 III GWB nur auf „im Vergabeverfahren“, nicht aber auf erst „im Nachprüfungsverfahren“ erkannte Vergaberechtsverstöße anwendbar ist – OLG Düsseldorf, v. 25.3.2002 – Verg 5/02, ZfBR 2002, 514, 516. 42 Näher OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2001 – 13 Verg 3/01, VergabeR 2001, 252, 254 m. instruktiver Anm. Benedict; VK Sachsen-Anhalt beim RP Magdeburg, Beschl. v. 13.07.2001, 33-32571/07 VK 11/01 MD (Koordinierung von Beratungsleistungen); VN 2002, 20 f. 43 Von einer Ansicht wird § 107 III S. 2 GWB für gemeinschaftsrechtswidrig (d.h. für nicht vereinbar mit den Rechtsmittelrichtlinien) gehalten – Schenk, S. 207 f. m. w. N. 44 OLG Schleswig, Beschl. v. 13.2.2001 – 6 Verg 1/2001, VergabeR 2001, 214, 216 m. Anm. Waldner. 45 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.7.2001 – Verg 16/01, VergabeR 2001, 419, 421 m. Anm. Trautner. Zum Nachweis der positiven Kenntnis auch ausführlich Maier, VergabeR 2004, 176.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

antrag aufstellt.46 Eine mündliche/telefonische Rüge – auch durch einen beauftragten Rechtsanwalt – ist demnach zulässig.47 Aus Beweiszwecken sollte sie jedoch schriftlich erfolgen. In Bezug auf den Umfang der Rüge muss der Auftraggeber erkennen können, dass ein Vergabeverstoß beanstandet wird. Die Verstöße gegen das Vergaberecht müssen konkret benannt werden.48 Die Geltendmachung der abstrakten Möglichkeit eines Verstoßes, um im Nachprüfungsverfahren nach Akteneinsicht erst die konkreten Rechtsverstöße zu benennen (und so die Rüge zu heilen), ist nicht zulässig.49 Weiterhin muss deutlich werden, dass der Bf. ein Nachprüfungsverfahren einleiten wird, wenn der Verstoß nicht behoben wird. Folglich genügt eine „Bitte um Aufklärung“ oder ein „Widerspruch“ unter allgemeiner Bezugnahme auf die Vorschriften des GWB nicht den Anforderungen des § 107 III.50 c) Befristetheit des Nachprüfungsantrags Zu beachten ist, dass das GWB zwar die Unverzüglichkeit der Rüge verlangt, nicht jedoch eine Frist zwischen Rüge und Antragsstellung aufstellt. Daher ist ein Nachprüfungsantrag auch dann noch zulässig, wenn er nach rechtzeitiger Rüge erst nach einer langen Zeitspanne gestellt wurde, es sei denn im Einzelfall greift die Grenze der Verwirkung ein.51 2. Ablauf des Verfahrens vor der Vergabekammer Das Verfahren vor der Vergabekammer ist – ähnlich dem Verfahren vor der Kartellbehörde (§§ 54 ff. GWB) – einem Verwaltungsverfahren nachgebildet.52 Verfahrensprinzipien sind der Untersuchungsgrundsatz, Multilateralität, Beschleunigung und Konzentration. Die VK erforscht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 110 I GWB).53 Für das Hauptsacheverfahren vor der 46

OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.5.2000 – Verg 1/00, NZBau 2001, 226, 227. BayObLG, Beschl. v. 29.4.2002 – Verg 10/02, VergabeR 2002, 504 m. Anm. Hertwig/Kast. 48 OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.5.2000 – Verg 1/00, NZBau 2001, 226, 227. 49 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.2001 – Verg 9/00, VergabeR 2001, 407 m. Anm. Graf = IBR 2002, 161 (Asam). 50 Prieß, EuZW 2001, 365, 371 m. Bsp. aus der Rspr.; vgl. auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.5.2000 – Verg 1/00, NZBau 2001, 226, 228 und Beschl. v. 21.10.1999 – VK2-26/99, NZBau 2000, 108. 51 VK Bund, Beschl. v. 1.2.2001 – VK 1-1/01, VergabeR 2001, 143, 144 m. Anm. Hartung; näher im Teil 2, C. II. 5. b) ff) (7) (d). 52 OLG Naumburg, Beschl. v. 3.3.2000 – 1 Verg 2/99, IBR 2000, 253 – Waldner = Beschl. v. 17.1.2000 – 1 Verg 2/99, ZVgR 2000, 170, 172. 47

B. Die Ausgestaltung des Primärrechtsschutzes

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Vergabekammer ist nach § 112 I GWB eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben. Es unterliegt nicht dem Anwaltszwang. Die Kammern entscheiden grundsätzlich innerhalb einer Fünf-WochenFrist (113 I 1 GWB). Nach S. 2 des § 113 I GWB ist allerdings im Fall „besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten“ eine Fristverlängerung möglich. Da in der Praxis die 5-Wochenfrist regelmäßig nicht eingehalten werden kann, nehmen die Vergabekammern diese Möglichkeit der Fristverlängerung meist in Anspruch, so dass es zu einer Verkehrung des in § 113 I GWB niedergelegten Regel-Ausnahme-Verhältnisses kommt. § 113 I GWB ist Ausdruck des für das Vergabenachprüfungsverfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatzes. Dieser soll neben der begrenzten Wirkung des Suspensiveffekts des Nachprüfungsantrags54 und dem Schadensersatzanspruch aus § 125 GWB den „Missbrauch des Verfahrens zur Torpedierung einer zügigen Vergabe“ verhindern.55 Er schafft einen Ausgleich zwischen den Rechtsschutzinteressen der Bieter und dem Interesse des Auftraggebers (und der Allgemeinheit) an einer zügigen Auftragsvergabe. Der Beschleunigungsgrundsatz wird auch durch die Prozessförderungspflicht der Beteiligten und der Möglichkeit der Vergabekammer sichergestellt, Ausschlussfristen zu setzen, § 113 II GWB. Wenn die Vergabekammer nicht innerhalb der 5-Wochenfrist entscheidet und die Entscheidungsfrist auch nicht verlängert wurde, gilt der Antrag nach § 116 II 2. HS GWB als abgelehnt. Der Bieter kann sich dann mit der sofortigen Beschwerde an das OLG wenden. 3. Wirkung des Antrags auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer a) Anrufung anderer Vergabekammer unzulässig Ist die Vergabesache bei einer Vergabekammer rechtshängig, so ist ein (später) anderweitig anhängig gemachter Antrag selbst dann unzulässig, wenn die Zuständigkeit der zuletzt angerufenen Vergabekammer an sich gegeben wäre.56 53 Der Unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich hat die Frage, ob der Amtsermittlungsgrundsatz im Nachprüfungsverfahren gegen Art. 2 Abs 8 der RMRL verstößt, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (UVS OÖ, 13.12.2000 – VwSen-550019/29, ZVB 2001, 12 – Hörmanseder). 54 s. unter B. III. 3. c). 55 Binder, ZZP, 113. Band (2000), 195, 203 f. 56 Da das GWB für die Rechtshängigkeit keine eigenen Vorschriften enthält, beurteilt sie sich nach der VwGO. Danach kommt in analoger Anwendung das GVG

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

b) Akteneinsicht Um dem Antragssteller die Möglichkeit zur weiteren Substantiierung seines Antrags und zur Aufdeckung weiterer Unregelmäßigkeiten zu geben, hat er nach § 111 GWB ein Akteneinsichtsrecht.57 Hauptproblem beim Akteneinsichtsrecht ist es, einen Ausgleich zwischen den aufeinander treffenden unterschiedlichen Interessen zu erreichen. Der Antragssteller ist an möglichst umfassender Einsichtnahme interessiert, während die anderen Beteiligten (Konkurrenz) Geheimhaltungsinteressen haben.58 c) Suspensiveffekt Wichtigste Folge der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens ist aber der Suspensiveffekt nach § 115 I GWB: Nach Zustellung des Nachprüfungsantrages durch die Vergabekammer an den Auftraggeber darf dieser den Zuschlag zunächst nicht erteilen. Das Verbot der Zuschlagserteilung ist nötig, da die Erteilung des Zuschlags nach § 114 II GWB zum Ausschluss der Primärrechtsschutzmöglichkeiten führt.59 Es dient also der Absicherung der Primärrechtsschutzmöglichkeiten des Bieters. zur Anwendung, wenn es selbst keine Bestimmungen enthält, § 173 VwGO. § 17 I S. 2 GVG verbietet es, eine Sache während ihrer Rechtshängigkeit anderweitig anhängig zu machen. Wenn dies gleichwohl getan wird, so ist der zuletzt gemachte Antrag unzulässig. – 1. VK des Bundes, 9.8.2000, VK2 – 22/00, WuW 2000, 1056 = Verg 358. 57 Das hier geschaffene Akteneinsichtsrecht wird als einer der Meilensteine des Vergaberechtsänderungsgesetzes bezeichnet (Kus, in: Niebuhr, § 111, Rn. 3). Neben der Einräumung von subjektiven Rechten sei es die „zweite große Errungenschaft“ des VgRÄG – Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 111 GWB, Rn. 3. Durch die Ausweitung der Antragsbefugnis im Zuge der Entscheidung des BVerfG vom 29.7.2004 wird das Akteneinsichtsrecht, dass grundsätzlich einen zulässigen Nachprüfungsantrag voraussetzt, noch größere Bedeutung erlangen, Bultmann/Hölzl, NZBau 2004, 651, 654. Zum Akteneinsichtsrecht zuletzt auch Düsterdiek, NZBau 2004, 605. 58 Da das Nachprüfungsverfahren ein laufendes Vergabeverfahren betrifft, müssen „Fishing Expeditions“ verhindert werden. Bei diesen wird eine nicht offensichtlich unzulässige oder unbegründete Rüge erhoben, um Akteneinsicht zu bekommen. Dadurch kommt der Bieter erst an tatsächliche oder vermeintliche Fehler des Vergabeverfahrens und baut sich daraus erst seinen Fall auf. – dazu Weitbrecht, in: Schwarze, S. 177, 187; zum Spannungsverhältnis zum Geheimnisschutz auch OLG Celle, Beschl. v. 10.9.2001 – 13 Verg 12/01, VergabeR 2002, 82 m. Anm. Byok/ Goodarzi. 59 Dies geht darauf zurück, dass mit der Zuschlagserteilung in Deutschland auch der Vertrag zu Stande kommt, dieser aber nach der Grundsatzentscheidung des deutschen Gesetzgebers nicht mehr aufgehoben werden können soll – näher im Teil 2, unter A. I.

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Mit der Anordnung des Zuschlagsverbotes wird aber nicht das gesamte Vergabeverfahren gestoppt. Vielmehr kann es bis unmittelbar vor die Zuschlagserteilung60 fortgeführt werden.61 Spätestens dort muss es zum Stillstand kommen.62 Aber auch wenn damit die Fortsetzung des Vergabeverfahrens möglich ist, wird dem Auftraggeber dies aber aus tatsächlichen Gründen schwer fallen, denn nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens nach § 110 II S. 3 GWB sind der Vergabekammer die Vergabeakten sofort nach entsprechender Aufforderung durch diese zuzusenden.63 Im Gesetz ist nicht geregelt, welche Rechtsfolge eingreift, wenn der Auftraggeber trotz des Suspensiveffektes den Zuschlag erteilt. Allerdings ergibt sich aus den Gesetzesmaterialen, dass dieser Zuschlag wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach 134 BGB nichtig sein soll.64 Dem entspricht auch die Entscheidungspraxis und überwiegende Literatur zu § 115 I GWB, nach der ein dennoch erteilter Zuschlag als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig ist. Die Nichtigkeit nach § 134 BGB ist hier nicht wegen des missbilligten Inhalts des geschlossenen Vertrages, sondern wegen der besonderen gesetzeswidrigen Umstände der Vornahme des Rechtsgeschäfts anzunehmen. Bei dieser Fallgruppe ist aber grundsätzlich erforderlich, dass das Verbotsgesetz beide Vertragsparteien als Verbotsadressaten anspricht. § 115 I GWB ist aber nur ein einseitiges Verbot. Ausnahmsweise ist aber auch bei einseitigen Verboten eine Nichtigkeit anzunehmen, wenn der angestrebte Schutz Dritter die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erfordert.65 Dies ist beim Zweck des § 115 I GWB, nämlich unter Geltung des Grundsatzes, dass nach Zuschlagserteilung kein Primärrechtsschutz mehr möglich ist (näher Teil 2, A. I.), überhaupt erst einen effektiven Primärrechtsschutz zu sichern, der Fall.66 60

Die Wertung der Angebote kann also bspw. noch erfolgen. Die Einlegung des Nachprüfungsantrages hat also keine aufschiebende Wirkung für das gesamte Vergabeverfahren. Allerdings kann eine solche über den weiter gehenden Antrag nach § 115 III GWB erreicht werden (Antrag auf Aussetzung des Vergabeverfahrens), da die Rechte des Bieters unter Umständen auch schon durch das Weiterführen des Vergabeverfahrens beeinträchtigt werden können – vgl. auch Gallwas, S. 196 und 203. 62 Willenbruch, NVwZ 1999, 1062, 1063; Erdl, S. 261 Rn. 540; Gallwas, S. 195. 63 Waldner, S. 181 Fn. 878. 64 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/9340, S. 20 (Abschnitt B, zu § 125, Zu Abs. 1); BR-Drs. 646/97, S. 39 f. 65 BGHZ 93, 264, 267; vgl. auch die Nachweise bei Waldner, S. 202. 66 zum Ganzen ausführlich Waldner, S. 200 ff.); Ulbrich/Waldner, BauR 1999, 1082, 1086 m. w. N. Vor allem wegen der Einseitigkeit des Verbotes in § 115 I GWB und der Tatsache, dass sie nicht im Gesetz erwähnt ist, ist die Nichtigkeitsfolge allerdings nicht ganz unumstritten (gegen die Anwendbarkeit von § 134 BGB: Vill, BauR 1999, 61

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Durch den mit der Nichtigkeitsfolge abgesicherten Suspensiveffekt ist es dem Auftraggeber im Unterschied zur alten Rechtslage nicht mehr möglich, nach Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens dennoch den Zuschlag zu erteilen und damit vollendete Tatsachen zu schaffen.67 Das Zuschlagsverbot gilt nicht schon ab Eingang des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer, sondern erst mit dessen Zustellung68 beim öffentlichen Auftraggeber durch die Vergabekammer. Für mit der Nichtigkeitsfolge sanktionierten Suspensiveffekt kommt es also allein auf die Zustellung an, es spielt keine Rolle, ob die Vergabestelle von der Anhängigkeit des Nachprüfungsantrag schon anderweitig (etwa durch einfaches Schreiben bzw. (bei restriktiver Ansicht) durch Fax) Kenntnis hatte. Es ist auch nicht treuwidrig und auch nicht sittenwidrig nach § 138 BGB, wenn die Vergabestelle trotz dieser Kenntnis vom anhängigen Nachprüfungsverfahren den Zuschlag erteilt. Zum einen reicht nach dem eindeutigen Wortlaut von § 115 I GWB eben Kenntnis für die Nichtigkeit nicht aus. Zum anderen steht es bis zur Zustellung dem Auftraggeber frei, abzuwägen, ob er den Zuschlag erteilt und damit das Risiko eines negativen Ausgangs des Vergabenachprüfungsverfahrens (Feststellungsantrag) mit daraus folgender Schadensersatzmöglichkeit in Kauf nimmt oder ob er das Nachprüfungsverfahren abwartet.69 971 ff., mit zumindest z. T. wenig überzeugenden Argumenten; vgl. auch die weiteren Nachweise bei Erdl, BauR 1999, 1341, 1348 Fn. 44). 67 Schnorbus, BauR 1999, 77, 80. 68 Es ist umstritten, ob es hierfür einer förmlichen Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) bedarf. Von der überwiegenden Ansicht wird dies befürwortet: OLG Schleswig, Beschl. v. 1.6.1999 – 6 Verg 1/99, NZBau 2000, 96, 97). Nach einer anderen Ansicht genügt jede nachweisbare Übermittlung des Antrags – Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 110 Rn. 13 ff. m. w. N. Problematisch ist, ob eine Übermittlung des Nachprüfungsantrags durch Telefax eine wirksame Zustellung zur Folge hat (dafür VK Bund Beschl. v. 23.11.2000 – VK 2-36/00, IBR 2001, 142 (Trautner); Terner, VergabeR 2004, 28 ff.; dagegen: OLG Rostock, Beschl. v. 16.5.2001 – 17 W 1/01, 2/01, VergabeR 2001, 315, 316 m. Anm. Gesterkamp = NZBau 2002, 170; VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 10.1.2001 – 1 VK 13/00, S. 8 f.; Kraus, BauR 2000, 1545, 1559 m.N. aus der Rspr. Jedenfalls bei privatrechtlich, organisierten Auftraggebern wird diese von der Entscheidungspraxis überwiegend abgelehnt, näher dazu Terner, VergabeR 2004, 28 ff.; zur Art und Weise der Zustellung vgl. auch Waldner, S. 183 ff. 69 Zum Ganzen VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 10.1.2001 – 1 VK 13/00, S. 8 ff. Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es den Vergabekammern aufgrund ihrer Neutralitätspflicht untersagt ist, vor Zustellung des Nachprüfungsantrags, die Vergabestelle (telefonisch) darüber zu informieren, dass ein Nachprüfungsantrag eingegangen ist und dieser damit faktisch noch die Zuschlagserteilung vor Zustellung zu ermöglichen. Diese internen Kontakte zwischen VK und VSt sind geeignet, Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Vergabestelle zu

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Die Zustellung erfolgt nur, wenn der Antrag „nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist“ (110 II GWB). So soll verhindert werden, dass Anträge, die offensichtlich nicht erfolgreich sein können, das Vergabeverfahren und damit die Investition über den Suspensiveffekt des Nachprüfungsverfahrens verzögern. In der Praxis wird der Nachprüfungsantrag aber in den allerwenigsten Fällen für offensichtlich unzulässig oder unbegründet gehalten.70 Einige Vergabekammern haben in ihren Geschäftsordnungen71 weiter festgelegt, dass eine Bearbeitung des Nachprüfungsantrages erst erfolgt, wenn die Zahlung der Mindestgebühr in Höhe von 2.500 Euro (§ 128 II S. 2 GWB) nachgewiesen ist.72 Es kommt damit nicht in jedem Fall automatisch zum Eintreten des Suspensiveffektes. Die Wirkung des Zuschlagsverbotes ist zeitlich begrenzt. Es gilt nur bis zur Entscheidung der Vergabekammer bzw. bis zum Ablauf der Beschwerdefrist des § 117 I GWB.73 4. Vorläufiger Rechtsschutz im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer Während des Verfahrens vor der Vergabekammer kann der Auftraggeber gegen den eingetreten Suspensiveffekt (§ 115 I GWB) im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes Antrag auf Gestattung der Zuschlagserteilung stellen, a). Ist dieser erfolgreich, kann dann durch den Bieter ein Antrag auf Wiederherstellung des Verbotes der Zuschlagserteilung gestellt werden, b). wecken, und sollten deshalb vermieden werden – KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235, 240 m. Anm. Erdl. 70 Dies hängt damit zusammen, dass diese Offensichtlichkeit für die Vergabekammer schwer festzustellen ist: Sie muss die Prüfung vor der Anforderung der Vergabeakten anstellen, näher OLG Koblenz Beschluss v. 10.8.2000 – 1 Verg. 2/00, BauR 2001, 240 = NZBau 2000, 543, 536. Noch, Behördenspiegel 12/2001, 23, 24 hält die Vorprüfung der Vergabekammern nach § 110 II GWB für zu „lax“. Zum Rechtsschutz des Antragsstellers bei Nichtzustellung durch die Vergabekammer, Teil 2, C. IV. 3. d). 71 Die Geschäftsordnung der Vergabekammern des Bundes ist abgedruckt im Bundesanzeiger v. 21.1.1999, 252 und bei Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, §§ 105, 106 GWB, Rn. 20. 72 Näher Ulbrich/Waldner, BauR 1999, 1082, 1087 m. w. N. 73 Dazu Gesterkamp, WuW 2001, 665, 666 ff., der zu Recht darauf hinweist, dass der Lauf der Beschwerdefrist nicht nur durch eine ablehnende Entscheidung der Vergabekammer in Gang gesetzt wird, sondern nach § 117 I GWB auch durch den Ablauf der 5-wöchigen Entscheidungsfrist der Vergabekammer. Läuft diese ohne Entscheidung der Vergabekammer ab, gilt nach § 116 II, 2. HS. GWB der Nachprüfungsantrag als abgelehnt.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

a) Vorzeitige Gestattung der Zuschlagserteilung Will der Auftraggeber das Vergabeverfahren trotz anhängigem Nachprüfungsverfahren ohne die volle durch den Suspensiveffekt bedingte Verzögerung74 abschließen, kann er nach § 115 II GWB einen Antrag auf Gestattung des Zuschlags bei der Vergabekammer stellen.75 Diese Möglichkeit ist deshalb sinnvoll, da das Instrument der aufschiebenden Wirkung „in der Hand eines taktierenden Mitbewerbers“ ein gefährliches, dem Beschaffungsinteresse und der zügigen Beschaffung entgegenstehendes Mittel sein kann.76 Nach 115 II 1 GWB ist die Zuschlagserteilung zu gestatten, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie der Interessen der Allgemeinheit an einem zügigen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Die Vergabekammer trifft die Entscheidung über die Vorabgestattung des Zuschlags folglich auf Grund einer Interessenabwägung: Ein geldwerter Nachteil der Vergabestelle im Falle der Verschiebung der Zuschlagserteilung kann für sich allein die vorzeitige Gestattung der Zuschlagserteilung nur dann rechtfertigen, wenn es sich um eine außergewöhnliche wirtschaftliche Belastung handelt. Die Vergabestelle müsse grundsätzlich mögliche Verzögerungen durch Nachprüfungsverfahren bei der Planungsgestaltung von vornherein berücksichtigen oder Kompensation über § 125 GWB suchen.77 Es ist noch nicht vollständig geklärt, in74 I.d.R. führt ein Nachprüfungsantrag mindestens zu einer siebenwöchigen Aussetzung der Auftragsvergabe: Die Vergabekammer wird ihre 5-wöchige Entscheidungsfrist ausnützen. Dazu kommt der Ablauf der 2-wöchigen Beschwerdefrist. 75 Zu diesem Verfahren und zu den Rechtsschutzmöglichkeiten des Bieters gegen die Gestattung der Zuschlagserteilung auch Willenbruch, NVwZ 1999, 1062 ff. und Gröning, in: Schwarze, S. 123 ff. Die Regelungen des einstweiligen Rechtsschutzes in § 115 II GWB für die Vergabekammer und in §§ 118, 121 GWB für das Beschwerdeverfahren sind im Vergabenachprüfungsverfahren abschließend. Daher ist ein auf § 940 ZPO gestützter Antrag, etwa die Erteilung des Zuschlags zu untersagen, im Vergabenachprüfungsverfahren nicht statthaft. Dies ergibt sich auch daraus, dass in § 120 II GWB i. V. m. § 73 GWB nicht auf § 940 ZPO verwiesen wird – BayObLG, Beschl. v. 18.9.2001 – Verg 10/01, VergabeR 2002, 182, 185 m. Anm. Schranner. 76 Pietzcker, VgRÄG, 1999, S. 25. 77 OLG Dresden, 14.6.2001, WVerg 0004/01, WuW 2001, 914, 916 = VergabeR 2001, 342: Die mit der Aussetzung des Vergabeverfahrens regelmäßig auftretenden (geldwerten) Schäden durch die Verzögerung sind vom Gesetzgeber als Folge der Zuschlagssperre bewusst in Kauf genommen worden und können eine vorzeitige Gestattung des Zuschlags nur rechtfertigen, wenn es sich um eine außergewöhnliche wirtschaftliche Belastung handelt. – vgl. dazu auch Hilgers, Anm. zu OLG Celle, Beschl. vom 21.3.2001, VergabeR 2001, 340, 341 f.

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wieweit die Entscheidung über die Vorabgestattung des Zuschlags vor der Vergabekammer von den Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags abhängig ist.78 Insgesamt ist bei der Interessenabwägung zu beachten, dass diese nicht zu großzügig zugunsten des Auftraggebers wahrgenommen werden darf, da somit das Zuschlagsverbot ausgehöhlt und somit letztendlich das gesamte System des Primärrechtsschutzes gefährdet wird.79 In der Praxis wird eine Gestattung der Zuschlagserteilung daher selten vorgenommen.80 Wenn der Antrag des Auftraggebers auf Gestattung der Zuschlagserteilung von der Vergabekammer abgelehnt wird, so kann sich der Auftraggeber nach § 115 II S. 3, § 121 II S. 1, 2 GWB an das Beschwerdegericht wenden. Der ablehnende Beschluss der Vergabekammer kann dort separat angefochten werden.81 b) Antrag auf Wiederherstellung des Zuschlagsverbotes Gestattet die Vergabekammer in Folge dieses Antrags die Zuschlagserteilung, kann der Zuschlag 2 Wochen nach der Entscheidung der Vergabekammer erteilt werden (§ 115 II 1 GWB). Dies können die anderen Beteiligten nach § 115 II S.2 GWB mit einem Antrag auf Wiederherstellung des Zuschlagsverbots beim Beschwerdegericht verhindern.

78 Vgl. nur OLG Jena, Beschl. v. 14.11.2001 – 6 Verg 6/01, WuW 2002, 210, 211 (Verg 542) und OLG Dresden, 14.6.2001, WVerg 0004/01, WuW 2001, 914 ff. = VergabeR 2001, 342. 79 Bedenklich ist daher die Argumentation der Vergabekammer Brandenburg, die die Interessen des Bieters am Suspensiveffekt mit der Begründung relativiert, dass er seine geschädigten Interessen auch im Wege des Schadensersatzes verfolgen könne – 1. VK des Landes Brandenburg, Beschl. v. 29.11.1999 (1 VK 41/99), VN 2000, 47 f. Dies ist nicht nur im Hinblick auf die Schwächen der Schadensersatzansprüche fragwürdig (dazu im Teil 2, unter B. I. 4. b) aa). Wenn man es sich so einfach macht, die Interessen des Bieters hinter denen der Allgemeinheit zurückzustellen, wird dem Missbrauch des Antrags nach 115 II Vorschub geleistet und damit letztendlich der Suspensiveffekt und damit einhergehend das gesamte System des Primärrechtsschutzes gefährdet. Auch genügt nicht der pauschale Hinweis auf ein Interesse der Allgemeinheit am raschen Abschluss des Vergabeverfahrens. Dieses lässt sich bei nahezu jedem Verfahren annehmen, so dass ein pauschales Abstellen auf dieses Interesse nicht zulässig ist. Ansonsten könnte es bei der Interessenabwägung zu einer strukturellen Untergewichtung der Interessen des Bieters kommen (Schwarze, EuZW 2000, 133, 139). 80 So auch die Einschätzung von Noch, Behördenspiegel 12/2001, 23. 81 Ein Bsp. dafür ist OLG Celle, Beschl. vom 21.3.2001, 13 Verg 4/01, WuW 2001, 802 (Verg 478) = VergabeR 2001, 338 m. Anm. Hilgers.

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5. Die Entscheidung der Vergabekammer In § 114 III S. 1 GWB ist ausdrücklich geregelt, dass die Entscheidung der Vergabekammer als Verwaltungsakt i. S. v. § 35 VwVfG ergeht.82 Bei der dabei nach § 113 I GWB erforderlichen Schriftform der Vergabekammerentscheidung waren Einzelheiten umstritten.83 Möglichkeiten der Entscheidung der Vergabekammer Nach § 114 I 1 GWB entscheidet die VK, ob der Antragssteller in seinen Rechten verletzt ist. Weiter trifft die VK die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu vermeiden und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu vermeiden (§ 114 I S. 1 GWB). Sie kann die Vergabestelle etwa anweisen, die Wertung der Angebote (unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer) zu wiederholen.84 Dann sind aber nur die (bei der Wertung) festgestellten Fehler zu korrigieren, im Übrigen hat die Wertung unverändert zu bleiben. Ansonsten wäre die Einlegung eines Nachprüfungsantrags für den Bieter sinnlos, da selbst bei seinem Erfolg wieder beliebig neu gewertet werden könnte.85 Die Anordnung einer vollständigen Neuvornahme der Phase der Angebotswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer ist aber nur zulässig, wenn sie zur Beseitigung des Rechtsverstoßes geeignet ist. Dies ist nur der Fall, wenn die Neubewertung die Folge des Vergaberechtsverstoßes vollständig heilt. Ist dies nicht der Fall (etwa keine 82 Eine Entscheidung durch Urteil kommt nicht in Betracht, da die Vergabekammer kein Gericht ist. 83 Inzwischen hat der BGH etwa auf eine Divergenzvorlage hin entschieden, dass der Beschluss der Vergabekammer (nach thüringischem Recht) nicht auch vom ehrenamtlichen Beisitzer unterschrieben werden muss, der an der Entscheidung mitgewirkt hat, BGH v. 12.6.2001, NZBau 2001, 517 = IBR 2001, 510 (Wagner). Vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 30.3.2001 – Verg 3/01, VergabeR 2001, 256. 84 Sollte die Vergabestelle nach der erneuten Wertung gezwungen sein, die Ausschreibung aufzuheben, so ist in dem danach durchgeführten neuen Vergabeverfahren auch dann gemeinschaftsweit auszuschreiben, wenn der Schwellenwert hinsichtlich dieses ausgeschrieben Auftrags die Schwellenwerte nicht erreicht, weil schon ein Teil des Auftrags nach dem rechtswidrigen Verfahren abgewickelt wurde (ausgeschrieben wird der Rest). Die Vergabestelle darf sich dem Wettbewerb nicht dadurch entziehen und die Voraussetzungen für eine weniger wettbewerbsintensive Vergabe schaffen, indem sie den Auftrag nach rechtswidrigem Vergabeverfahren teilweise abgewickelt hat, KG Berlin, Beschl. v. 7.11.2001, KartVerg 8/01, WuW 2002, 316, 319 f. (Verg 550, 553 f.). 85 OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.12.2000 – 11 Verg 1/00, VergabeR 2001, 243 m. Anm. Horn = IBR 2001, 638 (Leinemann).

B. Die Ausgestaltung des Primärrechtsschutzes

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vollst. Heilung des Transparenz- und Gleichbehandlungsgebotes möglich), verbleibt der Vergabestelle nur die Anordnung, dass die gesamte Ausschreibung aufgehoben wird.86 Die Vergabekammer kann die Vergabestelle auch nicht verpflichten, den Zuschlag an einen bestimmten Bieter zu erteilen.87 Eine derartige Entscheidung kommt lediglich ausnahmsweise in Betracht, wenn sich der insoweit bestehende Beurteilungsspielraum des Auftraggebers auf Null reduziert haben sollte. Dies wurde von der Entscheidungspraxis etwa in dem Fall angenommen, in dem der Auftraggeber unmissverständlich gesagt hatte, es kämen nur die Bieter A und B für den Zuschlag in Frage und der Bieter A nach Ansicht der Nachprüfungsinstanz zwingend mit seinem Angebot auszuschließen war.88 6. Vollstreckung der Vergabekammerentscheidung89 Die Entscheidung der Vergabekammer (etwa die Untersagung der Zuschlagserteilung90) kann durch Vollstreckungsmaßnahmen (Zwangsgeld, Zwangshaft), die sich nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder richten, durchgesetzt werden (§ 114 III GWB).91 Die Vollstreckung einer Vergabekammerentscheidung gegen den Auftraggeber ist auch dann gem. § 6 I VwVG i. V. m. § 118 III GWB statthaft, wenn gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt wurde und das Beschwerdegericht über die Beschwerde noch nicht entschieden hat.92 86

OLG Jena, Beschl. v. 2.8.2000 – 6 Verg 4 und 5/00, ZVgR 2000, 271. Wegen dieser mangelnden Möglichkeit der Vergabekammer, direkt den Zuschlag an eine bestimmten Antragsteller zu erteilen, werden einige Bieter von der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens absehen, näher dazu im Teil 5, B. 88 VK Sachsen, Beschl. v. 10.8.2000, 1/SVK/69-00; zu einer solchen Entscheidung auch VK Sachsen, Beschl. v. 27.9.2001 – 1/SVK/85-01, S. 20 f. und VK Sachsen, Beschl. v. 15.08.2002 – 1/SVK/75-02, S. 13; vgl. auch VK Sachsen, Beschl. v. 23.5.02 – 1/SVK/039-02, S. 9: Einschränkung des Beurteilungsspielraums dahin, dass nur der Preis entscheidend sein soll; vgl. aber auch BayObLG, Beschl. v. 5.11.2002 – Verg 22/02, VergabeR 2003, 186 m. Anm. Schabel). 89 Näher Byok, NJW 2003, 2642 ff. 90 Diese ist auch in der Anordnung der Neubewertung enthalten – KG Berlin, Beschl. v. 24.10.2001, KartVerg 10/01, WuW 2002, 313, 315 (Verg 547); BayObLG, Beschl. v. 1.10.2001 – Verg 6/01, VergabeR 2002, 64 m. Anm. Dähne = IBR 2002, 95 und 99 (Hennemann). 91 § 114 III GWB ist damit eine andere Bestimmung zu § 17 VwVG, wonach gegen Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts Zwangsmittel unzulässig sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, vgl. dazu auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.12.2000 – Verg 31/00, NZBau 2001, 582 = VergabeR 2001, 62, 63 m. Anm. Leinemann = IBR 2001, 83 (Leinemann). 87

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7. Die Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer Die Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer werden nach Maßgabe der § 128 f. GWB und des Verwaltungskostengesetzes des Bundes bzw. des Landes erhoben. § 128 I – III betreffen die Verwaltungskosten vor der Vergabekammer. Für die Amtshandlungen der Vergabekammer werden Kosten (Gebühren nach § 128 II und Auslagen) erhoben (§ 128 I GWB). Die Mindestgebühr für die Vergabekammer beträgt nach § 128 II S. 2 GWB 2.500,– Euro. Der (Regel)Höchstbetrag beläuft sich auf 25.000 Euro.93 Nach § 128 III S. 1 GWB haben die Beteiligten die Kosten zu tragen, soweit sie unterliegen. § 128 IV regelt die Erstattung der für die Rechtsverfolgung gemachten Aufwendungen an den Obsiegenden durch die unterliegende Partei (Rechtsanwaltskosten). Danach gilt § 80 VwVfG entsprechend. Danach sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts94 erstattungsfähig, wenn die Zuziehung des Bevollmächtigten „notwendig“ war. Für die Frage, wann die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für den öffentlichen Auftraggeber notwendig ist, vertraten die Nachprüfungsinstanzen zunächst unterschiedliche Standpunkte. Zunächst gab es hier eine enge Linie der Vergabesenate des OLG mit engen Voraussetzungen für die Notwendigkeit der Hinzuziehung und eine Linie mit weiterem Verständnis der Notwendigkeit:95 Nach der Praxis der VK des Bundes war im Regelfall die 92 KG Berlin, Beschl. v. 24.10.2001, KartVerg 10/01, WuW 2002, 313, 314 f. (Verg 547) = VergabeR 2002, 100 m. Anm. Stapenhorst; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.12.2000, a. a. O. Zu den Zweifeln am ausreichenden Schutz durch die Vollstreckungsvorschriften, Leinemann, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.12.2000, VergabeR 2001, 64; vgl. auch Stapenhorst, Anm. zu KG Berlin, Beschl. v. 24.10.2001, VergabeR 2002, 103 f. 93 Dazwischen liegt die Festlegung der Gebühren im Ermessen der Vergabekammern. Die beiden Vergabekammern des Bundes verwenden eine Gebührentabelle, die zum 1.3.2003 geändert wurde. Diese Gebührentabelle wird von den meisten anderen Vergabekammern als Orientierungshilfe genutzt – Monatsinfo forum vergabe, 2/2003, 28. Nach dem OLG Naumburg stellt es keinen Fehlgebrauch des der VK bei der Gebührenbemessung nach § 128 GWB eingeräumten Ermessenspielraums dar, wenn die VK Gebührentabellen (hier die Sachsen-anhaltinische Gebührentabelle) verwendet – OLG Naumburg v. 3.9.2001 – 1 Verg 6/00, WuW 2002, 2143 (Verg 545); vgl. aber auch Hardraht, NZBau 2004, 189, 190 ff. 94 § 12 a GKG, der den Gegenstandswert als Ermittlungsgrundlage für die Berechnung der Anwaltsgebühren auf 5% vom Auftragswert festlegt, ist auch für die Verfahren vor der Vergabekammer anwendbar – BayObLG, Beschluss v. 29.9.1999 – Verg 4/99, IBR 2000, 2 – Trautner mit Tabellen zu Kosten für Nachprüfungsinstanzen und Anwälte, so auch OLG Stuttgart, NZBau 2000, 63. 95 Nachweise für die jew. Linien bei Jaeger, NZBau 2001, 366, 374.

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Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht notwendig.96 Nach Auffassung des OLG Stuttgart war dagegen in Umkehrung des Regel-Ausnahmeverhältnisses der VK des Bundes wegen der Komplexität der vergaberechtlichen Vorschriften97 die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auch schon im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer erforderlich.98 Inzwischen ist aber nach gefestigter Rechtsprechung wie folgt zu differenzieren: Bei der entsprechenden Anwendung des § 80 VwVfG sind die spezifischen Besonderheiten des Vergabenachprüfungsverfahrens gebührend zu berücksichtigen. Die Entscheidung über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten ist eine Einzelfallentscheidung. Notwendigkeit ist nicht regelmäßig, aber auch nicht nur ausnahmsweise dann gegeben, wenn besonders schwierige Rechtsprobleme auftreten.99 Für die danach zu treffende Einzelfallentscheidung hat die Rechtsprechung Grundsätze entwickelt, nach denen entschieden werden kann, ob für den öffentlichen Auftraggeber die Notwendigkeit bestand, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes durch den öffentlichen Auftraggeber ist danach regelmäßig dann nicht notwendig, wenn sich die im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens aufgeworfenen Probleme in der Auseinandersetzung über das materielle Vergaberecht, das die Vergabestelle ohnehin zu beachten und nicht nur in Einzelfällen anzuwenden hat, erschöpft, also bei auftragsbezogenen Rechtsfragen100. Dagegen ist die „Notwendigkeit“ bei nicht einfach gelager96 Vgl. die Nachweise bei v. Gehlen, NZBau 2000, 501; vgl. auch OLG Koblenz, Beschl. v. 21.9.2000 – 1 Verg 2/99, ZVgR 2000, 275 m. zust. Anm. v. Loewenich, ZVgR 2000, 278: Jeder Amtsträger müsse die für sein Handeln maßgeblichen Rechtsvorschriften kennen, hier auch Rechtsfragen schwieriger Art beantworten können und seinen Standpunkt vor der Vergabekammer vertreten können. 97 Beim Vergaberecht handele es sich um eine außerordentlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren habe, sondern auch durch gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert sei. Zur Schwierigkeit des Vergaberechts schon unter A. III. 98 OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.7.2000 – 2 Verg 4/00 zur Hinzuziehung eines RA durch die Vergabestelle; vgl. zu dieser Entscheidung die Anm. von v. Gehlen, NZBau 2000, 501; vgl. zu diesem Problem auch Byok, NJW 2001, 2295, 2300 f. 99 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.7.2000 – Verg 1/00; BauR 2000, 1626 = ZVgR 2000, 277 m. Anm. Loewenich. Das OLG Düsseldorf hat seine Rechtsprechung in seinen Entscheidungen v. 6.2.2002, Verg 37/01, VergabeR 2002, 378, 380 f. m. Anm. Rübartsch und v. 7.1.2004 – VII Verg 55/02, VergabeR 2004, 266 bestätigt und fortentwickelt; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.3.2002 – 11 Verg 2/01, VergabeR 2002, 394, 396; vgl. zuletzt auch ausführlich OLG Koblenz, Beschl. v. 7.7.2004 – 1 Verg 1 u. 2/04, NZBau 2004, 571. Das OLG Naumburg (Urt. v. 6.10.2004 – 1 Verg 12/04, S. 5 ff. und Beschl. v. 28.6.2004 – 1 Verg 8/04, IBR 2004, 458 (Christiani geht dagegen weitergehend davon aus, dass die Hinzuziehung eines RA auch für die Vergabestelle regelmäßig notwendig ist.

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ten Rechtsfragen, die auch mit der Durchführung des Nachprüfungsverfahrens zu tun haben, zu bejahen. Dabei ist den im Vergabenachprüfungsverfahren existierenden knappen Zeitvorgaben Rechnung zu tragen.101 Auch bei einer herausragenden Bedeutung des Auftrags für die Vergabestelle sei einen Hinzuziehung notwendig.102 Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes wird dann oft auch mit der Schwierigkeit des Vergaberechts103 begründet.104

IV. Die 2. Instanz – Die sofortige Beschwerde zum OLG, § 116–123 GWB Gegen die Entscheidung der Vergabekammer nach § 114 I GWB105 ist die sofortige Beschwerde zum OLG zulässig.106 Mit der Zuweisung zu den Zivilgerichten sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge in Deutschland traditionell nicht dem öffentlichen Recht, sondern dem Zivilrecht zugeordnet wird.107 100 OLG Dresden, Beschl. v. 11.12.2001 – Wverg 10/00, VergabeR 2002, 314 f.; OLG Düsseldorf, v. 15.5.2002 – Verg 10/02, VN 2002, 61 f.; OLG Frankfurt, Besch. v. 5.3.2002 – 11 Verg 2/01, a. a. O.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.1.2004 – 2 Verg 6/03, VergabeR 2004, 265. 101 OLG Düsseldorf, v. 15.5.2002 – Verg 10/02, VN 2002, 61 f.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.1.2004 – VII Verg 55/02, VergabeR 2004, 266, 270 f. 102 OLG Düsseldorf, v. 15.5.2002, a. a. O.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.1.2004, a. a. O. 103 Zur Schwierigkeit des Vergaberechts schon unter A. III. 104 OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.7.2000 – 2 Verg 4/00; vgl. zu dieser Entscheidung die Anm. von v. Gehlen, NZBau 2000, 501; OLG Dresden, Beschl. v. 11.12.2001 – Wverg 10/00, VergabeR 2002, 314. 105 Abgesehen von dem Sonderfall der Kostenentscheidung, für deren Anfechtbarkeit es eine gesetzliche Spezialvorschrift gibt (§ 128 I S. 2 GWB i. V. m. 22 VwKostG des Bundes) sind alle anderen Entscheidungen der Vergabekammer, die keine Endentscheidung i. S. d. § 114 GWB sondern sog. Zwischenentscheidungen sind, nicht mit der sofortigen Beschwerde nach § 116 I GWB anfechtbar (näher dazu OLG Düsseldorf, 18.1.2000 – Verg 2/00, ZVgR 2000, 215 und zu anderen OLG-Entscheidungen Jaeger, NZBau 2001, 366, 367 f.). 106 Erklärtes Ziel des VgRÄG war, dass die Oberlandesgerichte wegen der zu erwartenden Qualität der Entscheidung der VK und wegen des Kostenrisikos in der Regel nicht angerufen werden – Amtliche Begründung zum Entwurf (BT-Drs. 13/ 9340, S. 13). Die bisherigen Erfahrungen mit der Inanspruchnahme des neuen Rechtsschutzes zeigen aber, dass dieses Ziel allenfalls nur zum Teil erreicht wurde (näher unter B. V.). Einen ausführlichen Überblick über die Rechtsprechung der OLG-Vergabesenate im Jahr 2000 gibt der dreiteilige Bericht von Jaeger, NZBau 2001, 289 (Teil 1 – insbesondere zu Fragen der Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens); vgl. auch die Übersicht bei Kraus, BauR 2000, 1545, 1563 ff.

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Die sofortige Beschwerde ist innerhalb von 2 Wochen formgerecht einzulegen und zu begründen (§ 117 GWB). Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung oder bei Untätigkeit der Vergabekammer nach Ablauf der fünfwöchigen Entscheidungsfrist der Vergabekammer. Die sofortige Beschwerde ist auch zulässig, wenn die Vergabekammer über einen Antrag auf Nachprüfung nicht innerhalb der 5-Wochenfrist des § 113 entschieden hat. In diesem Fall gilt der Antrag als abgelehnt (§ 116 II GWB). Auch das OLG unterliegt keiner Entscheidungsfrist.108 1. Weiterwirken des Suspensiveffektes während der sofortigen Beschwerde Der Suspensiveffekt, der durch das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer zunächst bis zum Ablauf der Beschwerdefrist wirkt (§ 115 I GWB), setzt sich während des Beschwerdeverfahrens vor dem OLG fort (§ 118 I GWB). Ein dennoch erteilter Zuschlag ist nichtig.109 Hat der Bieter vor der Vergabekammer verloren, so verlängert sich der Suspensiveffekt durch Einlegung der sofortigen Beschwerde um weitere 2 Wochen, entfällt damit aber 2 Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist (§ 118 I 2 GWB). Soll der Fortgang des Vergabeverfahrens darüber hinaus verhindert werden, muss der Beschwerdeführer Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde stellen (§ 118 I 3 GWB).110 Innerhalb der 2 Wochen des Bestehens des Suspensiveffektes ist aber häufig eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über diese Verlängerung nicht möglich. Die aufschiebende Wirkung muss daher auf Antrag111 des Bf. bis zur Entscheidung über den Antrag 107

Begründung zum Referentenentwurf zu § 125 III, zit. nach Frank, S. 300. Für das Verfahren vor den OLG-Vergabesenaten ist umstritten, welche Prozessordnung dann heranzuziehen ist, wenn das Kartellvergaberecht oder das allg. Kartellrecht keine Regelung aufweisen, vgl. dazu Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 103 ff.; vgl. auch unten unter IV. 5. beim Streit um die anwendbare Kostenregelung vor den OLG. 109 § 118 GWB spricht allerdings nur von der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer, nicht wie § 115 I 1 GWB von dem Verbot, den Zuschlag zu erteilen. Dennoch wird nach allgemeiner Auffassung ein Fortwirken des Zuschlagsverbotes mit der Nichtigkeitsfolge nach § 134 BGB im Falle der Zuschlagserteilung angenommen (zu den verschiedenen Mglk. der Herleitung dieses Ergebnisses Gesterkamp, WuW 2001, 665, 666 f.). 110 Eine Übersicht über die Entscheidungen der OLG-Vergabesenate zu § 118 I und II GWB gibt Jaeger, NZBau 2001, 366, 368 ff. Zum Entscheidungsmaßstab des Beschwerdegerichts bei der Entscheidung über diesen Antrag nach § 118 I 3 OLG Jena, Beschl. v. 26.10.1999 – 6 Verg 3/99, BauR 2000, 95, 97 f. = IBR 2000, 58 und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.5.2001 – Verg 19/01, S. 3 ff. 108

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nach § 118 I 3 vorläufig112 verlängert werden.113 Wird der Antrag des Bewerbers nach § 118 I 3 GWB abgewiesen, so kann die Vergabestelle (soweit auch die 2 Wochen verstrichen sind) den Zuschlag erteilen. Die sofortige Beschwerde als Hauptsache beschränkt sich dann auf die Feststellung des Vergabeverstoßes.114 Hat der Bieter aber vor der Vergabekammer obsiegt, genauer: hat die VK „dem Antrag auf Nachprüfung durch Untersagung des Zuschlags“115 stattgegeben, so bleibt nach § 118 III der Suspensiveffekt bis zu einer Entscheidung des Beschwerdegerichts aufrecht (Ausn. § 121 ivm 118 I 3 GWB).116 Es geht hier um die Fälle der sofortigen Beschwerde der Vergabestelle. Anders als bei der sofortigen Beschwerde des Bieters besteht also kein genau zeitlich befristeter Suspensiveffekt. Die unterlegene Vergabe111 Dem (Haupt-)Antrag auf Verlängerung selbst kommt nach dem Gesetz keine aufschiebende Wirkung zu – OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2001 – Verg 28/01, VergabeR 2001, 429, 430 m. Anm. Abel = IBR 2001, 626 m. Anm. Schonebeck. 112 Wegen dieser notwendigen Schaffung eines „Zwischenverfahren im Zwischenverfahren“ kritisiert Krist, S. 115 und 93 das Vorabgestattungsverfahren. 113 Es kommt also nicht dazu, dass der AG einfach den Zuschlag erteilen kann, wenn nach Ablauf der 2 Wochen die Entscheidung über die Verlängerung noch nicht gefallen ist (so aber Heiermann/Ax, Vergaberechtsänderungsgesetz, S. 68. Anders zu Recht Prieß, EuZW 2001, 365, 372 m.N. aus der Rspr.; vgl. auch Jagenburg/Brück, NJW 2000, 2242, 2243 m. w. N.). Nach einer Entscheidung des OLG Naumburg, Beschl. v. 16.7.2002 – 1 Verg 10/02, WuW 2003, 221 (Verg 717) ist ein Zuschlag der Vergabestelle aber nicht nichtig, wenn sie ihn nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erteilt und keine Kenntnis von einem Rechtsmittel der Antragstellerin gegen die Entscheidung der VK hatte. 114 Heiermann/Ax, S. 68. 115 Nach der Entscheidung BayObLG, Beschl. v. 1.10.2001 – Verg 6/01, VergabeR 2002, 64, 67 m. Anm. Dähne = IBR 2002, 95 und 99 (Hennemann) ist auch in der Anordnung der Neubewertung der Angebote eine Untersagung der Zuschlagserteilung zu sehen. Hier kann der Auftraggeber nach § 118 I den grundsätzlich möglichen Zuschlag nur dann 2 Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist erteilen, wenn er den Anordnungen der Vergabekammer nachgekommen ist. Ansonsten greife § 118 III mit der Nichtigkeitsfolge ein. Wolle der Auftraggeber den Zuschlag vor Erfüllung der Anordnungen der VK erteilen, müsse er einen Antrag nach § 121 I GWB stellen. Diese Norm sei nicht nur beim ausdrücklich ausgesprochenen Zuschlagsverbot, sondern auch hier anwendbar. 116 Das Verbot des § 118 III gilt aber nur bei der tatsächlichen Einlegung einer sofortigen Beschwerde durch den Auftraggeber. Da auch § 115 I nur bis zur Entscheidung der Vergabekammer und bis zum Ablauf der Beschwerdefrist gilt, könnte der Auftraggeber also bei Nichtwahrnehmung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten nach Ablauf der Beschwerdefrist unter Nichtbeachtung der Vergabekammerentscheidung den Zuschlag erteilen und doch wieder vollendete Tatsachen schaffen. Da dies widersinnig ist, will eine Ansicht daher § 115 I europarechtskonform so auslegen, dass das Zuschlagsverbot weiterwirkt, wenn der Auftraggeber im Falle einer für ihn ungünstigen Entscheidung der Vergabekammer nicht rechtzeitig sofortige Beschwerde einlegt – Boesen, EuZW 1998, 551, 558.

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stelle kann auch keinen Antrag nach § 118 I 3 GWB stellen, da er ausschließlich dem Schutz der Bieter dient.117 2. Vorläufiger Rechtsschutz beim Verfahren vor dem OLG Der Auftraggeber hat nach 121 GWB die Möglichkeit beim Beschwerdegericht eine Vorabgestattung des Zuschlags zu beantragen, wenn er vor der Vergabekammer verloren hat und die Zuschlagserteilung bis auf weiteres nach § 118 III untersagt ist.118 Es handelt sich beim Verfahren nach § 121 GWB um ein eigenständiges Verfahren (des einstweiligen Rechtsschutzes)119 innerhalb des Hauptverfahrens.120 Bei seiner Entscheidung, die innerhalb von 5 Wochen zu treffen ist, berücksichtigt das Gericht entweder die Erfolgsaussichten121 der sofortigen Beschwerde oder wägt nach § 121 I S. 2 die Interessen ab, die für oder gegen die Zuschlagserteilung sprechen. Dabei ist zu beachten, dass die Gestattung des Zuschlags vom Beschwerdegericht bei der geltenden Unanfechtbarkeit des Zuschlags unumkehrbare Fakten schafft. 3. Zur Entscheidung des OLG Hält das Gericht die Beschwerde für begründet, so hebt es die Entscheidung der Vergabekammer auf (§ 123 I S. 1 GWB). Zugleich entscheidet es in der Sache selbst oder verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vergabekammer zurück (§ 123 I Satz 2 GWB). Mit der eigenen Sachentscheidung des Beschwerdegerichts ist nicht die Zuschlagsentscheidung gemeint.122 Gemeint ist vielmehr die im Nachprüfungsverfahren von der Vergabekammer zu treffende Entscheidung. Danach kann das Beschwerdegericht nur wählen, ob es die Verpflichtung der Vergabekammer ausspricht, unter Beachtung der eigenen Rechtsauffassung über die Sache erneut zu verhandeln und zu entscheiden oder ob es an Stelle der 117 Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.6.2001 – 2 Verg 2/01, VergabeR 2001, 451 m. Anm. Hartung. 118 Eine Übersicht über die Entscheidungen der OLG-Vergabesenate zu § 121 GWB gibt Jaeger, NZBau 2001, 366, 370 f. 119 Thieme/Correll, DVBl 1999, 884, 888. 120 Frenz/Kafka, GewArch 2000, 129, 135. 121 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten bei vorläufigen Maßnahmen der Vergabenachprüfungsinstanzen ist gemeinschaftskonform, EuGH, Beschl. v. 9.4.2003, C-4241/01, IBR 2003, 630 (Wirner). 122 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.5.2000 – Verg 5/00, ZVgR 2000, 224, 226 = NZBau 2000, 540, 542; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.12.2000 – 11 Verg 1/00, VergabeR 2001, 243, 249 m. Anm. Horn = IBR 2001, 638 (Leinemann); a. A.: Petersen, BauR 2000, 1574 ff.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Vergabekammer selbst in der Sache entscheidet.123 Im letzteren Fall gehen die Befugnisse des Beschwerdegerichts aber nicht weiter als die der Vergabekammer (zu deren Entscheidungsmöglichkeiten unter III. 5.).124 Die Entscheidungen der OLG sind unanfechtbar. 4. § 124 II GWB Will ein OLG von der Entscheidung eines anderen OLG oder des BGH abweichen, besteht gemäß § 124 II GWB eine Vorlagepflicht an den BGH. Eine zur Vorlage verpflichtende Divergenz liegt nur vor, wenn das vorlegende OLG in seinen tragenden Gründen von den tragenden Gründen eines anderen OLG oder des BGH abweichen will.125 Eine dennoch erfolgende Vorlage ist unzulässig.126 Die Vorlagepflicht besteht auch nur dann, wenn eine Rechtsfrage bei einem im Wesentlichen gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt anders beurteilt werden soll.127 Der BGH kann dann bei einer zulässigen Vorlage grundsätzlich selbst über die sofortige Beschwerde entscheiden. Das Verfahren vor dem vorlegenden Gericht ist also nicht auszusetzen. Der BGH ist nicht auf die Entscheidung der vorgelegten Rechtsfrage beschränkt. Er entscheidet anstelle des Oberlandesgerichts, ist insgesamt zur Entscheidung in der Sache berufen.128 123 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.5.2000 – Verg 5/00, ZVgR 2000, 224, 226 = NZBau 2000, 540, 542 m. w. N.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.12.2000, a. a. O. 124 So auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.12.2000 – 11 Verg 1/00, VergabeR 2001, 243, 249 = IBR 2001, 638 (Leinemann). 125 BGH, Beschl. v. 18.2.2003 – C ZB 43/02, WuW 2003, 561 (Verg 743) = NZBau 2003, 293 = ZfBR 2003, 401= VergabeR 2003, 313 m. Anm. Müller-Wrede = IBR 2003, 262 und im Parallelverfahren vom gleichen Tage, X ZB 44/02, IBR 2003, 328 (Schwenker); OLG Düsseldorf, v. 30.5.2001 – Verg 23/00, Monatsinfo forum vergabe e. V., 2/2002, Anl. 7; KG Berlin, Beschl. v. 15.4.2002, KartVerg 3/ 02, VergabeR 2002, 399, 400 f. 126 Für die Zulässigkeit der Vorlage ist weiter erforderlich, dass das OLG vor der Vorlage den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat und auch danach die Rechtsfrage noch für entscheidungserheblich hält, BGH, Beschl. v. 24.2.2003 – X ZB 12/02, NZBau 2003, 337 = VergabeR 2003, 426 m. Anm. Lorbacher = IBR 2003, 269 (Schwenker). 127 KG Berlin, Beschl. v. 15.4.2002, KartVerg 3/02, VergabeR 2002, 399, 400 f. 128 BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – X ZB 14/00, ZIP 2001, 479 f. = NZBau 2001, 151 = VergabeR 2001, 71 m. Anm. Wagner. Offengelassen hat der BGH allerdings die Frage, ob der BGH – entgegen seiner sonstigen Funktion – über § 124 II GWB im Vergaberecht zu einer Tatsacheninstanz werden kann – dazu Wagner, VergabeR 2001, 77 in seiner Urteilsanm. und Dreher, NZBau 2001, 244, 246; OLG Brandenburg, Beschl. v. 7.11.2000 – Verg 2/00, ZIP 2000, 2327, 2329.

B. Die Ausgestaltung des Primärrechtsschutzes

143

Die erste Vorlage nach § 124 II GWB war die des KG Berlin zur Frage, ob ein Nachprüfungsantrag auch noch nach erteiltem Zuschlag statthaft ist, wenn der Antragsteller auf den bevorstehenden Zuschlag nicht hingewiesen worden ist.129 Festzustellen ist aber, dass die Vergabesenate zu selten den Weg der Vorlage nach § 124 II GWB wählen.130 5. Kostenregelung für das Beschwerdeverfahren Für das Beschwerdeverfahren hat der Gesetzgeber keine Kostenregelung vorgesehen. Es ist zwischen den OLG umstritten, welche Regelungen hier heranzuziehen sind. Vertreten wird eine analoge Anwendung des § 128 III, IV GWB, der Kostenvorschriften der ZPO (§ 91 ff. analog)131 oder auch des § 78 GWB.132 Die Kostenentscheidung fällt aber in der Regel nach allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen gleich aus, so dass die Frage offen bleiben kann.133 129

KG Berlin, Beschl. v. 7.6.2000 – KartVerg 3/00, ZIP 2000, 1746 = IBR 2000, 521 – Gottschalck. Eine weitere Divergenzvorlage zur gleichen Frage erfolgte durch das OLG Brandenburg, Beschl. v. 7.11.2000 – Verg 2/00, ZIP 2000, 2327. Zu dieser Rechtsfrage näher im Teil 2, B. III. 3. a) ee). Inzwischen sind auch Vorlagebeschlüsse zu anderen Fragen gefasst worden: OLG Jena, Beschl. v. 30.5.2002 – 6 Verg 3/01, VergabeR 2002, 488 m. Anm. Otting (Kann die Vergabekammer trotz unzulässigem Nachprüfungsverfahren auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken?); OLG Bremen, Beschl. v. 2.1.2002 – Verg 3/01, ZfBR 2002, 718 (Zur Kostenentscheidung bei Erledigung des Nachprüfungsverfahrens); KG, Beschl. v. 26.2.2004 – 2 Verg 16/03, ZfBR 2004, 407. 130 Dies wird von verschiedenen Seiten kritisiert (vgl. nur Byok, in: forum vergabe 2000 – Badenweiler Gespräche, 2000, S. 129 ff., der von der Ignoranz des § 124 II GWB durch die Vergabesenate spricht). Die Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens selbst haben auch bei stark divergierenden OLG-Entscheidungen keine Möglichkeit, gegen den Verzicht auf die Vorlage beim BGH vorzugehen. Es bleibt ihnen allein die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde, vgl. Behördenspiegel 9/2000, B I. 131 Dies ist die Ansicht der Mehrzahl der Vergabesenate und inzwischen auch des BGH – Nachweise bei Jaeger, NZBau 2001, 366, 374 f.; OLG Dresden, v. 21.7.2000, WVerg 0005/00, WuW 2000, 1288 = Verg 384: Danach werden Kostenentscheidungen zu Lasten des Antragstellers im Ergebnis aufgrund von § 97 I ZPO getroffen. 132 Zum Meinungstand vgl. OLG Celle, Beschl. v. 20.10.1999 – 13 Verg 3 u 4/ 99, NZBau 2000, 98 und Vetter, NVwZ 2001, 745, 759; Jaeger, NZBau 2001, 366, 374 f.; Schaller, der gemeindehaushalt 2000, 104, 107. Darüber hinaus wird auch die Auffassung vertreten, dass mangels ausdrücklicher Regelung hier gar keine Kostenerstattung erfolgt (in diese Richtung Willenbruch, NVwZ 1999, 1062, 1068). 133 Vetter, NVwZ 2001, 745, 759 m. Nachweisen aus der Rspr. Zum Einfluss des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes auf die Gerichtskosten, Rojahn, VergabeR 2004, 454, 455 f.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

V. Gesamtwürdigung des neuen Rechtsschutzes – Bisherige Erfahrungen Insgesamt versucht die Neuregelung des Vergaberechtsschutzes durch das Vergaberechtsänderungsgesetz zwei gegenläufige Interessen zum Ausgleich zu bringen: Die Effektivität der Auftragsvergabe134 und die Effektivität des Rechtsschutzes für die Bieter.135 Im Wesentlichen hat sich das Nachprüfungsverfahren bisher als dazu geeignet erwiesen.136 Durch die erweiterten Rechtsschutzmöglichkeiten ist es (meist)137 nicht – wie vielfach befürchtet – zu erheblichen Verzögerungen bei der Auftragsvergabe gekommen. Zu diesem grundsätzlichen Ergebnis kam auch die vom BMWA durchgeführte Umfrage unter öffentlichen Auftraggebern, Unternehmen, Verbänden, Nachprüfungsorganen und Auftragsberatungsstellen.138

134 Mit dem Interesse der Auftraggeber, bürokratische Lasten gering zu halten und die Investitionen nicht durch langwierige Gerichtsverfahren zu blockieren. 135 Vgl. dazu die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 13/9340, S. 12 f.; dazu auch Erdl, S. 207, Rn. 415; Dreher, EuZW 1998, 197, 198: „. . . nur ein schneller Rechtsschutz ist ein guter Rechtsschutz.“; Willenbruch, NVwZ 1999, 1062, 1068. 136 So auch der Vorsitzenden der ersten VK des Bundes Seifert, in: Schwarze, S. 109, 110. Auch Jaeger, Vorsitzender des Vergabesenats des OLG Düsseldorf, zieht in der NZBau 2001, 427, 439 als Folge seines ausführlichen 3-teiligen Überblicks über die Rspr. der OLG Vergabesenate im Jahr 2000 die Bilanz, dass diese einen vernünftigen Interessenausgleich zwischen Auftraggebern und Bietern nicht verfehlt haben. Ebenso Marx, in: forum vergabe 2000 – Badenweiler Gespräche, 2000, S. 133 ff.: So könne z. B. von einer Investitionsbremse durch die Regelungen des VgRÄG keine Rede sein. Dagegen sieht Byok, in: forum vergabe 2000 – Badenweiler Gespräche, 2000, S. 129 ff. erheblichen gesetzgeberischer Reformbedarf (vgl. hier die ausführliche und instruktive Zusammenstellung der Probleme, die sich nach den Erfahrungen mit dem neuen Vergaberechtsschutz bis 2000 ergeben haben). Eine ambivalente Einschätzung zur Frage, ob sich das Vergaberecht bewährt hat, gibt Burgi, FAZ v. 23.6.2001, S. 23: zu Vor- und Nachteilen des neuen Vergaberechtsschutzes auch der Überblick bei Schmitt, S. 144 ff. 137 Als Ausnahme lässt sich etwa die Auftragsvergabe für den Großflughafen Berlin-Brandenburg anführen, wo der Auftrag – mitverursacht durch das schon 1999 durchgeführte Nachprüfungsverfahren (Entscheidung des OLG Brandenburg vom 3.8.1999 – 6 Verg 1/99, NZBau 2000, 39 = NVwZ 1999, 1142) – bis heute nicht vergeben ist. Zu einer mehrmonatigen Verzögerung der Auftragsvergabe kam es beispielsweise auch in einem Vergabeverfahren in Sachsen, in dem inzwischen 10 (!) Vergabenachprüfungsverfahren samt einem Beschwerdeverfahren beim Oberlandesgericht notwendig waren, um verschiedenste Vergaberechtsverstöße des Auftraggebers – vgl. dazu die vorläufig letzte VK Entscheidung: VK Sachsen, Beschl. v. 21.8.2002 – 1/SVK/077-02, S. 13 f. 138 Dazu bereits oben unter A. VII.

B. Die Ausgestaltung des Primärrechtsschutzes

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Das neue Rechtsschutzinstrumentarium spielt auch in der Praxis eine bedeutende Rolle.139 In vielen Bereichen der öffentlichen Beschaffung (Abfallwirtschaft, Informationstechnologie, Dienstbekleidung, Bauwesen) stellen Auftragsvergaben ohne Nachprüfungsverfahren inzwischen die Ausnahme dar.140 In den reichlich 5 Jahren seit Einführung der neuen Rechtsschutzmöglichkeiten wurden über 5.300 Entscheidungen von den Vergabenachprüfungsinstanzen getroffen, wobei die Anzahl der eingeleiteten Verfahren bedeutend höher war. So ergingen vom 1.1.1999 bis zum 31.12.2002 mindestens 4.443 Entscheidungen der Vergabekammern. Von den Sachentscheidungen der Vergabekammern (30% aller Verfahren) sind ca. 1/3 für den Bieter erfolgreich. Durch die OLG-Vergabesenate wurden in diesem Zeitraum 915 Entscheidungen getroffen, von denen ebenso ca. 1/3 zugunsten des antragstellenden Bieters ausfielen.141 Die Zahl der Vergabenachprüfungsverfahren ist über die Jahre nicht zuletzt wegen der ab 2001 eingeführten Vorabinformationspflicht in § 13 VgV142 kontinuierlich angestiegen. Zuletzt waren es im Jahr 2003 1.275 Verfahren vor der Vergabekammer und 300 vor dem OLG. Wie die Zahlen zur Inanspruchnahme des Rechtsschutzes zeigen, werden die Nachprüfungsverfahren zwar oft auch schon durch die Entscheidung der Vergabekammern beendet. Da aber in 10–20% der Vergabekammer-Fälle sofortige Beschwerde eingelegt wird, kann man inzwischen auch von einer „Flut“ von Entscheidungen der Vergabesenate der OLG sprechen. Die Erwartung der Bundesregierung, der Bieterrechtsschutz werde sich auf die Anrufung der Vergabekammern beschränken und die Vergabesenate würden nur in Ausnahmefällen beansprucht werden143, hat sich damit nicht erfüllt. Vielmehr spielten und spielen die OLG-Vergabesenate eine bedeutende Rolle im Nachprüfungsverfahren und bei der Konkretisierung des neu ge139 Zum Problem, dass das Rechtsschutzinstrumentarium mangels Geltung unterhalb der Schwellenwerte für den Großteil der Auftragsvergaben (insbes. für kleine und mittelständische Unternehmen) nicht eingreift, ausf. im Teil 4, der Arbeit. 140 Byok, NJW 2004, 198, 199. 141 Aktuelles Zahlenmaterial zu den Entscheidungen der Nachprüfungsinstanzen: Monatsinfo forum vergabe e. V. 1/2005, 3 (Die vom forum vergabe e. V. ermittelten Zahlen sind aber keineswegs vollständig, da ihm nicht alle Entscheidungen der Nachprüfungsinstanzen mitgeteilt werden – vgl. dazu Monatsinfo 4/2003, 56 f. und Peters, Behördenspiegel 12/2001, 25.) Eine ausführliche tabellarische Übersicht (ca. 170 Seiten) über viele Nachprüfungsentscheidungen in Vergabesachen mit Angaben zum wesentlichen Entscheidungsinhalt gibt Noch, Vergaberecht kompakt, 2. Aufl., S. 239 ff. (Stand 15.2.2002). 142 Diese Ursache sieht auch Hugenroth, ZfBR Sonderbeilage 5/2003, 3, 11. 143 BT-Drs. 13/9340, S. 13.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

schaffenen Bieterrechtsschutzes. Die Rechtsprechung der OLG-Vergabesenate zum neuen Kartellvergaberecht betraf hierbei allerdings anfangs meist Fragen zur Zulässigkeit und dem Ablauf des Nachprüfungsverfahrens144 und nur wenig das materielle Vergaberecht.145 Hier hat sich aber in letzter Zeit ein Wandel hin zu mehr materiell-rechtlichen Entscheidungen vollzogen, was zu einer Weiterentwicklung des Vergaberechts beiträgt.146 Besonders wichtig ist die Entscheidungspraxis des OLG Düsseldorf, das nicht nur für die Überprüfung von Vergabeverfahren im Land Nordrhein-Westfalen, sondern als höhere Instanz zu den Vergabekammern des Bundes auch die Vergabeverfahren des Bundes überprüft. Seine Vergaberechtsprechung wird in der Regel von den anderen Nachprüfungsinstanzen übernommen147 bzw. zumindest als Orientierungsmaßstab herangezogen.148 Bei der Inanspruchnahme des Rechtsschutzes ist trotz der hohen Auftragswerte oberhalb der Schwellenwerte weiter eine extrem geringe Anzahl von ausländischen Antragsstellern festzustellen (ca. 1%).149 Die Bedeutung des neuen Rechtsschutzinstrumentariums mit der Einführung subjektiver Rechte lässt sich aber nicht nur anhand der zahlenmäßigen Inanspruchnahme der Nachprüfungsinstanzen, sondern auch durch die Größe der teilweise zur Überprüfung stehenden Vergabevorhaben und den Folgen des Nachprüfungsverfahrens auf diese Vergaben verdeutlichen. So ging es bei der Planung des Berliner Großflughafens um eine Auftragssumme von mehreren Mrd. Euro. Die hier vom OLG Brandenburg angeord144 Einen ausführlichen Überblick über die Rechtsprechung der OLG-Vergabesenate zu Fragen des Vergabenachprüfungsrechts geben Hucke, ZfBR Sonderbeilage 5/2003, 37 und ZfBR Sonderbeilage 5/2004, 29; Jaeger, NZBau 2001, 289 ff., 366 ff. und 427 ff. (für die Vergabekammern: Hugenroth, ZfBR Sonderbeilage 5/ 2003, 3 und ZfBR Sonderbeilage 5/2004, 3; für die VK des Bundes der Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 2001/2002, BT-Drs. 15/1226, S. 227 ff.). 145 Dies liegt wohl daran, dass das Nachprüfungsverfahren völlig neu gestaltet wurde, das materielle Vergaberecht mit den Vergabegrundsätzen sich nur wenig geändert hat (in diese Richtung auch Kulartz/Niebuhr, NZBau 2001, 6, 7). 146 Vetter, NVwZ 2001, 745. Einen Überblick über die materiell-rechtliche Rechtsprechung der Vergabesenate geben Weber, ZfBR Sonderbeilage 5/2003, 52 ff. und Bastius, ZfBR Sonderbeilage 5/2004, 49 (für die Vergabekammern: Weyand, ZfBR Sonderbeilage 5/2003, 13 ff. und ZfBR Sonderbeilage 5/2004, 11; für die VK des Bundes der Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 2001/2002, BT-Drs. 15/1226, S. 240 ff.). 147 So Byok, WuW 2000, 718, 720. 148 So auch Petersen, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003, ZfBR 2003, 611. 149 Vgl. die vom BMWA nach § 22 VgV erstellte Auswertung der Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern für den Zeitraum von 1999 bis Ende 2002, Monatsinfo forum vergabe e. V. 4/2003, 56 f. und Monatsinfo forum vergabe e. V. 1/2005, 4; dazu auch Krist, S. 43, der einen Anteil von 2,1% ermittelt hat.

B. Die Ausgestaltung des Primärrechtsschutzes

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nete Neubewertung der Angebote ist hier eine Ursache dafür, dass das Vergabeverfahren bis heute noch nicht abgeschlossen ist.150 Auch bei der Vergabe für die Einführung des LKW-Mautsystem, bei der es um einen Auftragswert von 7 Mrd. Euro ging, wurden mehrere Nachprüfungsverfahren eingeleitet, die teils erheblichen Einfluss auf den Ablauf des Vergabeverfahrens hatten. Das erste Nachprüfungsverfahren hatte zur Folge, dass ein bereits ausgeschlossener Bieter wieder beteiligt werden musste. Ein weiteres Nachprüfungsverfahren führte zu einer außergerichtlichen Einigung der beteiligten Bieter, nach der der erfolgreiche Bieter mit dem nichtberücksichtigten Bieter in gewissem Maße zusammenarbeitet.151

VI. Sonstige Primärrechtsschutzmöglichkeiten oberhalb der Schwellenwerte außerhalb des Vergabenachprüfungsverfahrens Nach § 104 II GWB können Rechte aus § 97 VII GWB, sowie sonstige Ansprüche, die auf Einwirkung auf ein noch laufendes152 Vergabeverfahren gehen (also um Primärrechtsschutz nachsuchen), nur vor der Vergabekammer und dem Vergabesenat geltend gemacht werden. Es ist folglich auch dann, wenn die Anspruchsgrundlage nicht im eigentlichen Vergaberecht zu suchen ist, allein der Rechtsweg zu den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen zulässig. Für den Primärrechtsschutz in Vergabesachen ist ein eigenständiger ausschließlicher Rechtsweg begründet.153 Die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen (etwa aus § 1 UWG154) im ordentlichen Rechtsweg ist nicht mehr möglich, sondern auch diese Ansprüche sind auf den Weg des Nachprüfungsverfahrens verwiesen.155 Eine Aus150

Näher unter A. II. Dazu näher unter A. II. und im Teil 2, unter C. I. 152 § 104 II 1 GWB gilt nur für die Geltendmachung von Ansprüchen auf die Vornahme oder Unterlassung einer Maßnahme im Vergabeverfahren. Außerhalb eines konkreten Vergabeverfahrens bleibt es bei der Zuständigkeit der Zivilgerichte. Daher gilt der Ausschluss des § 104 II 1 GWB etwa nicht, wenn ein Bieter sich gegen eine außerhalb eines konkreten Vergabeverfahrens ausgesprochene Auftragssperre wenden will – vgl. dazu und zur Auftragssperre allg. Sterner, NZBau 2001, 423 ff. 153 OLG Schleswig, Urt. v. 6.7.1999 – 6 U Kart 22/99, NZBau 2000, 100, 102 „Travequerung Lübeck“; Waldner, S. 75 f. Es soll durch diese umfassende ausschließliche Zuständigkeitsverweisung für den Primärrechtsschutz ausdrücklich ausgeschlossen werden, dass vorbeugende Unterlassungsansprüche auch für konkurrierende Anspruchsgrundlagen in einem anderen Verfahren vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden können (amtliche Begründung, BT-Drs. 13/9340, S. 17 zu § 114). 154 Näher im 4. Teil B. I. 151

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

nahme besteht hier nur insoweit hinsichtlich der kartellrechtlichen Unterlassungsansprüche, die nach § 104 II 2 GWB auch vor den Kartellbehörden geltend gemacht werden können. Auch eine Anrufung der Verwaltungsgerichte ist nicht möglich.156 Anzumerken ist noch, dass das neue Rechtsschutzinstrumentarium des GWB die bestehenden Länderregelungen über die staatliche Aufsicht unberührt lässt, § 102 GWB.157

155 Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 104 GWB, Rn. 6; vgl. auch Alexander, WRP 2004, 700, 711 f. und 706 ff. 156 VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 15.10.2004, IBR 2004, 710 (Mussaeus). 157 Zur Aufsicht im Vergabebereich näher im Teil 4, unter B. I. 9.

C. Rechtsbehelfsmöglichkeiten auf europäischer Ebene

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C. Rechtsbehelfsmöglichkeiten auf europäischer Ebene – Anrufung der Gemeinschaftsinstanzen Unter Rechtsschutzgesichtspunkten ist weiter die gemeinschaftsrechtliche Kontrolle des Öffentlichen Auftragswesens zu nennen, die allerdings für den Vergaberechtsschutz von untergeordneter Bedeutung ist. Es besteht danach für übergangene Bieter neben dem nationalen Nachprüfungsverfahren auch die Möglichkeit, die Kommission mit seinem Fall zu befassen.1 Bei Verstößen gegen Gemeinschafsvergaberecht ist eine Beschwerde des Unternehmers nach Art. 211 EGV bei der Kommission möglich.2 Auf die Beschwerde hin oder auch von Amts wegen kann die Kommission im Falle von Gemeinschaftsrechtsverstößen ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten.3 Ein Unternehmen im Sektorenbereich hat weiter die Möglichkeit des Beanstandungsverfahrens (vgl. § 21 VgV). Die Initiative für das Beanstandungsverfahren kann auch hier – wie beim Vertragsverletzungsverfahren – von einer Beschwerde des Bieters ausgehen.4 Vor Zuschlagserteilung können Beanstandungs- und Vertragsverletzungsverfahren parallel bei der Kommission angeregt werden.5 Nach Zuschlagserteilung kann die Kommission aber nicht mehr nach dem Beanstandungsverfahren, sondern nur über das allgemeine Vertragsverletzungsverfahren (und die Beihilfebeschwerde) vorgehen. Dies stellt auch den absoluten Regelfall dar. Weiter hat der Bieter in bestimmten Fällen die Möglichkeit der Beihilfebeschwerde.6 Diese kann auch noch nach Zuschlagserteilung eingelegt und entschieden werden. Das Beschwerdeverfahren, das folgende Vertragsverletzungsverfahren und auch das Beihilfebeschwerdeverfahren sind aber sehr langwierig. Eine rasche Beseitigung von Vergaberechtsverstößen kann der Unternehmer damit nicht erreichen. Sie eignen sich daher eher für die nachträgliche Feststellung der Verstöße, sollten daher meist nur parallel zum nationalen Nachprüfungsverfahren verfolgt werden.7 1 Zu den Eingriffsmöglichkeiten der Kommission im Vergabebereich auch Hödl, S. 28 ff. 2 Näher Antweiler, VergabeR 2002, 109, 114 ff. 3 Im Jahr 2000 wurden von der Generaldirektion ca. 300 Vertragsverletzungsverfahren im Bereich des Öffentlichen Auftragswesens bearbeitet. 90% davon betrafen, die falsche Anwendung der Vergaberegeln – Koman, RPA 2002, 135, 138 ff. mit weiteren Ausführungen zur Bedeutung des Vertragsverletzungsverfahrens im Vergabebereich. Zur Rolle der Kommission bei der Durchsetzung des Vergaberechts (vor allem über das Vertragsverletzungsverfahren) auch, Delsaux, Public Procurement Law Review, 2004, 130. 4 Näher Antweiler, VergabeR 2002, 109, 113 f. 5 Dies wird von Antweiler, VergabeR 2002, 109, 116 ausdrücklich empfohlen. 6 Näher Antweiler, VergabeR 2002, 109, 113 ff.

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1. Teil: Der neue Vergaberechtsschutz in Deutschland

Weiterhin kann das Unternehmen bei grenzüberschreitenden Vergaben auch verschiedene informelle Maßnahmen ergreifen (diplomatische Kanäle, informelle Kontaktaufnahme zur Europ. Kommission8 etc.).9

7 Antweiler, VergabeR 2002, 109, 115 ff.; Hertwig, DStR 2001, 172, 174, der die europarechtlichen Rechtsbehelfe insbesondere dann als „reizvoll“ ansieht, wenn es um Vergabeverstöße geht, die den Bieter nicht in seinen Rechten verletzen und er deswegen keinen zulässigen Nachprüfungsantrag stellen kann. Allerdings räumt auch er ein, dass diese „Nachprüfungsmöglichkeit“ in der Praxis wohl an der Schwerfälligkeit des Verfahrens scheitern wird; zu anderen Fallgruppen, in denen die Einlegung der europarechtlichen Rechtsbehelfe sinnvoll erscheint, Antweiler, VergabeR 2002, 109, 110 ff. (Nachprüfungsverfahren unzulässig, weil schon Zuschlag erteilt. Die Beschwerde ist aber auch nach Zuschlagserteilung noch möglich.). 8 Zu formlosen Interventionsmöglichkeiten der Kommission, Schäfer, S. 72 f. (Anschreiben an Auftraggeber, etc.). 9 Vgl. Prieß/Hausmannn, EuR 1999, 203, 234 ff. und Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 244 f. mit weiteren generellen Tipps für das praktische Vorgehen bei der Durchsetzung seiner Rechtsschutzinteressen im Vergabebereich.

2. Teil

Der Primärrechtsschutz oberhalb der Schwellenwerte in Deutschland im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung nach der Einführung der Vorabinformationspflicht durch § 13 VgV Der Primärrechtsschutz in Deutschland ist davon abhängig, ob der Zuschlag bereits an einen der Bieter erteilt wurde (nachfolgend unter A.). Nach § 114 II 1 GWB kann ein bereits erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden, unabhängig davon, ob das vorausgehende Vergabeverfahren rechtmäßig oder rechtswidrig gewesen ist. Damit ist nach der Zuschlagserteilung kein Primärrechtsschutz mehr möglich. Aus § 114 II 2 GWB ergibt sich, dass ein nach Zuschlagserteilung gestellter Nachprüfungsantrag1 schon unzulässig ist.2 Für die nichtberücksichtigten Bieter bedeutet dies, dass sie nach Zuschlagserteilung selbst bei eklatanten Vergaberechtsverstößen die Vergabe des Auftrags nicht mehr rückgängig machen und keine Neuvergabe des Auftrages erreichen können. Es soll gezeigt werden, welche Auswirkungen sich vor Einführung des § 13 VgV aus dem fehlenden Rechtsschutz nach Zuschlagserteilung für die Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung, als der Entscheidung, an welchen Bieter der ausgeschriebene Auftrag vergeben wird, ergaben (B. I.). Der festgestellte Befund wird dann auf seine Vereinbarkeit mit den Vorgaben des europäischen Vergaberechts untersucht (B. III.). Im Anschluss wird die Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung nach der Einführung von § 13 VgV vor dem Hintergrund der europarechtlichen Vorgaben erörtert (nachfolgend unter C.). Mit § 13 VgV wurde den Bietern die Möglichkeit eingeräumt, noch vor der nach wie vor primärrechtsschutzausschließenden Zuschlagserteilung um Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung nachzusuchen. 1 Es kann auch kein Unterlassungsanspruch vor anderen Gerichten als der Vergabekammer geltend gemacht werden, da diese nach § 104 II GWB ausschließlich zuständig ist, näher Teil 1, B. VI. 2 Für die Zeit vor der Einführung von § 13 VgV war aber umstritten, ob auch noch nach Zuschlagserteilung ein Nachprüfungsverfahren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Nachprüfungsverfahrens eingeleitet werden konnte [näher unter B. III. 3. a) ff)].

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

A. Die Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung Die dargestellte Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung führt zu folgenden Konstellationen des Nachprüfungsverfahrens:

I. Konstellation – Beginn des Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung Da eine Zuschlagserteilung, die vor dem Beginn des Nachprüfungsverfahrens erfolgt, zur Unzulässigkeit eines erst danach bei der Vergabekammer gestellten Nachprüfungsantrages führt (s. oben), entscheiden die beiden Zeitpunkte „Zuschlagserteilung“ und „Beginn des Nachprüfungsverfahrens“ also über das „Ob“ der Zulässigkeit.1 Daher ist im Folgenden genauer darauf einzugehen, wann der Zuschlag erteilt ist (1.) und wann das Nachprüfungsverfahren beginnt (2.). Danach wird der Grund für den Ausschluss des Primärrechtsschutzes nach Zuschlagserteilung (3.) und seine Vereinbarkeit mit dem Europarecht (4.) erörtert. 1. Wann ist der Zuschlag erteilt Die Erteilung des Zuschlags hat – wie gezeigt – für die Rechtsschutzmöglichkeiten des Bieters zentrale Bedeutung. Er bildet eine Zäsur für die primären Rechtsschutzmöglichkeiten. Folglich sind die genaue Definition des Zuschlags a), die Voraussetzungen für seine Wirksamkeit b) und die genaue Bestimmung des Zuschlagszeitpunktes c) entscheidend: a) Definition des Zuschlags = Das Verhältnis von Zuschlag und Vertragsschluss in Deutschland (Zuschlagssystem) Die §§ 28 Nr. 2 Abs. 1 der VOB/A und der VOL/A haben folgenden identischen Wortlaut: „Wird auf ein Angebot rechtzeitig und ohne Abänderungen der Zuschlag erteilt, so ist damit nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Vertrag abgeschlossen, auch wenn eine spätere urkundliche Festlegung vorgesehen ist.“ Die Verdingungsordnungen schreiben hier den Grund1 Dagegen entscheidet der Zeitpunkt der Zustellung des Nachprüfungsantrags bei der Vergabestelle über das Eintreten des Suspensiveffektes und damit über das „Wie“ der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags, denn bei Zuschlagserteilung vor diesem Zeitpunkt bleibt dem Bieter nur der Feststellungsantrag, vgl. unter A. III. 3.

A. Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung 153

satz des deutschen Rechts fest, nachdem der Zuschlag bzw. die Zuschlagserteilung gleichbedeutend mit der Annahme des Vertragsangebotes2 eines Bieters ist.3 Der rechtliche Vorgang der Angebotsannahme hat im Vergaberecht lediglich einen anderen Ausdruck, nämlich Zuschlag.4 Der Zuschlag entspricht nicht bloß der Annahme, wie oft behauptet wird, sondern nach geltendem Recht ist er die Annahmeerklärung.5 Er ist also eine Willenserklärung zum Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages6. aa) Herkunft des Begriffs „Zuschlag“ Der Begriff des Zuschlags für die Angebotsannahmeerklärung ist im bürgerlichen Recht eigentlich nur bei Versteigerungen gebräuchlich, nicht aber bei Angebotsannahmeerklärungen anderer Verträge. Für Versteigerungen sieht § 156 BGB vor, dass der Vertrag erst durch den Zuschlag zustande kommt. Weiterhin findet sich der Begriff des Zuschlags noch bei § 817 ZPO und bei §§ 79 ff. ZVgG. Seine vergaberechtliche Wurzel hat der Begriff des Zuschlags darin, dass früher Auftragsvergaben durch umgekehrte Versteigerung (Lizitation)7 erfolgten.8 In dieser Tradition der Versteigerung der öffentlichen Aufträge ist also begründet, dass mit dem Zuschlag der Vertrag zu Stande kommt.9 2 Die Angebotsabgabe nach § 145 BGB erfolgt mit der Einreichung der Angebote durch die Bieter. Die Ausschreibung des Auftrags dagegen ist noch kein Vertragsangebot des öffentlichen Auftraggebers, an das er gemäß § 145 BGB gebunden ist. Vielmehr ist die Ausschreibung eine spezielle Form der invitatio ad offerendum, also erst die Bekanntmachung der Absicht, einen Vertrag über bestimmte Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen schließen zu wollen und damit auch die Aufforderung an leistungsbereite Bieter, ihrerseits ein Vertragsangebot abzugeben (vgl. §§ 17, 17 a VOL/A) – OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.3.2000, Verg 4/00 = WuW 2000, 821 = ZVgR 2000, 217, 218. Der Auftraggeber will sich noch zu nichts verpflichten. Es liegt aber eine „besondere“ invitatio ad offerendum insoweit vor, als ihre Rücknahme (also die Aufhebung der Ausschreibung) an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist (vgl. § 26 VOB/A und § 26 VOL/A). 3 Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zu § 114 II GWB, BT-Drs. 13/9340: „nach deutschem Recht kommt durch den Zuschlag der Vertrags zustande“; vgl. auch Müller-Wrede, VOL/A § 28 Rn. 1; Reidt, in: Reidt/Stickler/ Glahs, § 114, Rn. 25; Brinker, JZ 2000, 462; BVerwG, Urt. v. 8.3.1962 – VIII C 160/60, DÖV 1962, 626, 628; Daub/Eberstein – Portz, VOL, § 28 Rn. 6. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2001 – Verg 30/00, VergabeR 2001, 226, 227 m. Anm. Leinemann = IBR 2001, 454 (Trautner); OLG Jena, Beschl. v. 29.5.2002 – 6 Verg 2/02, S. 3; Marx, in: Jestaedt/Kemper/Marx/Prieß, S. 144. 5 So auch Rummel, ÖZW 1999, 1, 4 für das österreichische Recht. 6 Der Inhalt des Vertrages ist durch die B-Teile der Verdingungsordnungen vorgegeben. 7 Dazu schon im Teil 1, A. V.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

In den Vergaberichtlinien ist von „Zuschlag“ bzw. Zuschlagserteilung nur in Art. 2 VI der Rechtsmittelrichtlinien die Rede. Dort ist zwei Mal der Begriff der „Zuschlagserteilung“10 enthalten. Vergaberechtliche Bedeutung hat der Begriff Zuschlag aber nur bei den Vergabeverfahrensarten des offenen und nicht offenen Verfahrens. Bei der freihändigen Vergabe wird dagegen von „Auftrag“11 gesprochen.12 So ist in der VOF, in der nur das Verhandlungsverfahren als Vergabeverfahren vorgesehen ist, in § 16 nicht von einem Zuschlag, sondern von der „Auftragserteilung“ die Rede.13 bb) Verhältnis von Zuschlag als Angebotsannahme zum Vertragsschluss Wie soeben gezeigt, ist der Zuschlag die Annahme des von dem betreffenden Bieter abgegebenen Angebotes. Nach weit verbreiteter Ansicht besteht damit nach der deutschen Vergaberechtskonzeption auch Identität zwischen Zuschlag und Vertragsschluss.14 Bei genauer Betrachtung ist dies aber nicht der Fall: Die §§ 28 Nr. 2 Abs. 1 der VOB/A und der VOL/A haben folgenden Inhalt: „Wird auf ein Angebot rechtzeitig und ohne Abänderungen der Zuschlag erteilt, so ist damit nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Vertrag abgeschlossen, auch wenn eine spätere urkundliche Festlegung vorgesehen ist.“ Dies bedeutet zwar richtig, dass die Erteilung des Zuschlags („Zuschlag erteilt“) rechtlich die Annahmeerklärung des Ausschreibenden darstellt [s. unter a)]. Diese 8 Schimanek, ZfBR 2002, 39, 43; Sterner, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 28, Rn. 1. 9 Knauff, VR 2000, 397, 404; allerdings unterscheidet sich der vergaberechtliche Zuschlagsbegriff von dem des § 156 BGB. Bei § 156 BGB handelt es sich nicht um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, während dies beim vergaberechtlichen Zuschlag der Fall ist – Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 114 Rn. 23. 10 In der englischen Fassung der Vergaberichtlinien ist der Terminus für Zuschlag „award of contracts“, in der französischen Fassung „l’attribution d’un maché“. 11 Dieser ist nicht mit dem Auftrag nach §§ 662 ff. BGB identisch. 12 Erdl, Rn. 67 Fn. 226 m. w. N. 13 Vgl. dazu VK Brandenburg, Beschl. v. 19.9.2001 – VK 85/01, ZfBR 2002, 196, 197; auch bei der VOF fallen Zuschlag/Auftrag und Abschluss des Vertrages zusammen, Gesterkamp, Anm. zu OLG Rostock, Beschl. v. 16.5.2001, VergabeR 2001, 320, 321 m. w. N. Die (z. T. nicht nachvollziehbaren) Ausführungen des OLG Dresden, Beschl. v. 11.7.2000 – Wverg 5/00, BauR 2000, 235 und des OLG Rostock, Beschl. v. 16.5.2001 – 17 W 1/01, 2/01, VergabeR 2001, 315 m. Anm. Gesterkamp = NZBau 2002, 170 ändern daran nichts. 14 Hoffmann, S. 49 f., der von einem zeitlichen Zusammenfallen ausgeht. Schwarze, EuZW 2000, 133, 139 spricht von einer rechtlichen Koinzidenz von Zuschlag und Vertragsschluss.

A. Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung 155

muss allerdings noch zugehen, denn die § 145 ff. BGB sind auch auf die Annahme im Vergaberecht, d.h. den Zuschlag, anwendbar.15 Dies meinen auch die §§ 28 der VOL/A und VOB/A, wenn sie davon sprechen, dass mit dem Zuschlag „nach den allgemeinen Grundsätzen“ der Vertrag geschlossen wird. Damit kommt der Vertrag nicht schon mit dem Zuschlag als solchen, sondern erst mit dem Zugang des Zuschlags beim erfolgreichen Bieter zu Stande (§ 130 I BGB) (= sog. Zuschlagsschreiben).16 Die oft vorgenommene Verkürzung von „Zuschlagserteilung = Vertragsschluss“ ist daher zumindest ungenau.17 Dies ergibt sich ebenso daraus, dass der Zuschlag als Annahme nur Teil des Vertrages bzw. des Vertragsabschlusses sein kann. Nur Zuschlag und Annahme des Angebots sind Synonyme18, nicht aber Zuschlag und Vertragsschluss. Dass zwischen Zuschlag und Vertragsschluss unterschieden werden muss, zeigt sich auch dann, wenn der Zuschlag auf ein abgegebenes Angebot nicht rechtzeitig oder in geänderter Form erteilt wird. Hier ist der Zuschlag nur ein neues Angebot des Auftraggebers. Der Vertragsschluss kann hier erst durch die Annahme des Bieters erfolgen.19 Also ist logisch zwischen Zuschlagserteilung und Vertragsschluss zu unterscheiden. Sie sind keine synonymen Begriffe und auch nicht identisch. Die Zuschlagserteilung führt (lediglich) den Vertragsschluss herbei, ist dessen Bestandteil.20 15

Vgl. nur Brinker, JZ 2000, 462. Waldner, S. 34 und 168 m. w. N.; Noch, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 28 Rn. 13; BVerwG, Urt. v. 8.3.1962 – VIII C 160/60, DÖV 1962, 626, 628; OLG Nürnberg, Urt. v. 18.9.1985 – 4 U 3597/84, NJW 1986, 437; Haase, S. 179; Daub/ Eberstein-Portz, VOL, § 28 Rn. 15. § 151 BGB, bei dessen Eingreifen die Annahme nicht empfangsbedürftig ist, gilt hier also nicht. Ansonsten würde der Vertrag schon mit der internen Zuschlagserklärung zu Stande kommen, eines Zugangs beim Bieter bedürfe es nicht mehr. Auf den Zugang der Annahmeerklärung kommt es dagegen nicht im US-amerikanischen (Vergabe-)Recht an. Hier wird die Annahmeerklärung schon wirksam, wenn sie in Richtung auf den Empfänger abgesandt worden ist (Mailbox Rule) – Haase, S. 178 ff. (auch zur Regelung von Frankreich und im UNCITRAL-Mustergesetz). 17 VK Bremen, Beschl. v. 16.7.2003 – VK 12/03, S. 10 f.; Noch, in: MüllerWrede, VOL/A, § 28 Rn. 13 (Zugang des Zuschlagsschreibens = Vertragsschluss); Kuß, VOB, 3. Aufl., 2002, § 28 Rn. 1 f. Die „Zuschlagserteilung“ nach § 114 II GWB ist auch nicht das zugegangene Zuschlagsschreiben (so, dass doch Zuschlagerteilung und Vertragsschluss zusammenfallen würden). Denn auch wenn ein „normaler“ zivilrechtlicher Vertrag schriftlich geschlossen wird, ist das schriftliche Abfassen der Zustimmung schon die Annahme, also eine Willenserklärung, auch wenn dies nur intern erfolgt und noch zugehen muss. 18 So Rummel, ÖZW 1999, 1, 4 für das österreichische Recht. 19 Näher auch VK Bremen, Beschl. v. 16.7.2003 – VK 12/03, S. 10 f. 16

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

b) Die Wirksamkeit des Zuschlags Nur eine wirksame Zuschlagserteilung vor Beginn des Nachprüfungsverfahrens führt zum Ausschluss der Primärrechtsschutzmöglichkeiten des Bieters. Nach Zuschlagserteilung besteht damit die einzige Hoffnung des Bieters, doch noch Primärrechtsschutz zu erreichen, in der Unwirksamkeit der Zuschlagserteilung. Für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags ist also die Wirksamkeit des Zuschlages zu berücksichtigen.21 Dafür sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen. aa) Einigung über wesentlichen Vertragsinhalt Eine wirksame Zuschlagserteilung liegt nur vor, wenn damit eine Einigung über den wesentlichen Vertragsinhalt verbunden ist. Ein Schreiben, wonach der Auftrag erteilt wird, die Auftragssumme und weitere Vertragsbestandteile (einzelne Auftragsbestandteile) erst später mitgeteilt werden, stellt noch keine das Nachprüfungsverfahren ausschließende Zuschlagserteilung dar. Ohne diese Angaben könne kein Vertrag zu Stande kommen, da es an einer Einigung über den wesentlichen Vertragsinhalt fehle.22 bb) Willensbildung muss endgültig abgeschlossen sein Noch keine bindende Willenserklärung wird abgegeben, wenn ein Mitarbeiter der Vergabestelle dem Unternehmen telefonisch zwar mitteilt, der Vergabeausschuss habe ihm den Zuschlag erteilt, er aber gleichzeitig darauf 20 Der Zuschlag ist auch in Österreich die Abgabe der Annahmeerklärung durch den Auftraggeber. So enthält § 20 Nr. 40 BVergG 2002 folgende Definition des Zuschlages: „Zuschlag (Zuschlagserteilung) ist die an den Bieter abgegebene schriftliche Erklärung, sein Angebot anzunehmen.“ Nach § 101 BVergG 2002 kommt der Vertrag zu dem Zeitpunkt zustande, zu dem dem Bieter das Zuschlagsschreiben zugeht. Auch hier fällt der Zuschlag als Willenserklärung mit dem Vertragsschluss, der erst durch den Zugang bewirkt wird, genau betrachtet auseinander. 21 So OLG Jena, BauR 2000, 1611, 1613. 22 Vgk Bund, Beschl. v. 23.11.2000 – VK 2-36/00, IBR 2001, 142 (Trautner) – unter Zurückweisung der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde bestätigt vom OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2001 – Verg 30/00, VergabeR 2001, 226 m. Anm. Leinemann = IBR 2001, 454 (Trautner). So hat auch das Bundesvergabeamt für die österreichische Rechtslage entschieden, dass in der Einladung zu einem Gespräch „für den Vertragsschluss“ noch keine Zuschlagserteilung zu sehen ist. Es solle eben noch zu diesem Zwecke ein Gespräch stattfinden, dessen Ergebnis noch offen sei. Es läge noch keine hinreichende Konkretisierung des Vertragsinhaltes vor. Dazu sollte erst das Gespräch dienen – BVA v. 28.9.1999, F 10/98-36, CONNEX 5/2000, 44, 48 f.

A. Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung 157

hinweist, dass die Auftragserteilung noch schriftlich erfolgen werde und die Wirksamkeit des Auftrags von der schriftlichen Erklärung abhänge. Es ist hier klar zu erkennen gegeben worden, dass die Mitteilung vom Beschluss des Vergabeausschusses nur zur Information erfolgte und dem telefonisch Erklärenden der Wille fehle, durch Zuschlagserklärung diesen Beschluss selbst zu vollziehen.23 cc) Vertretungsmacht Die für den Auftraggeber handelnde Person, die den Zuschlag erteilt, muss auch die dafür erforderliche Vertretungsmacht nach § 164 ff. BGB haben. In der Entscheidungspraxis fehlt es bei der telefonischen Zuschlagserteilung oft an der Vertretungsmacht der telefonierenden Sachbearbeiter.24 Im Kommunalbereich kann sich das Problem dann stellen, wenn der Bürgermeister selbstständig einen Auftrag abschließt, der Auftrag wegen der Auftragssumme aber kein Geschäft der laufenden Verwaltung mehr ist.25 Das Schriftformerfordernis in den Gemeindeordnungen oder LKO wird von der Rechtssprechung als eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Handelnden angesehen. Es handelt sich also nicht um echte Formvorschriften, da dem Landesgesetzgeber deren Erlass durch § 55 EGBGB verwehrt ist. Verstöße gegen diese „Formvorschriften“ führen deshalb nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, sondern zur schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages (§ 177 BGB)26, so dass die Einwirkungsmöglichkeiten der Vergabekammer fortbestehen.27 23 OLG Nürnberg, Urt. v. 18.9.1985 – 4 U 3597/84, NJW 1986, 437: Die Erklärung muss auch mit dem Willen des Erklärenden in den Verkehr gelangt sein. Der Erklärende muss auch zu Recht damit gerechnet haben, dass sie den richtigen Empfänger erreichen werde. 24 Näher zu solchen Fällen: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2001 – Verg 30/00, VergabeR 2001, 226, 228 m. Anm. Leinemann = IBR 2001, 454 (Trautner); OLG Naumburg, Beschl. v. 28.9.2001 – 1 Verg 6/01, NZBau 2002, 168, 169 f. (Fehlen der Vertretungsmacht nach § 70 II GO LSA). 25 Die Durchführung eines Vergabeverfahrens und die Zuschlagserteilung für öffentliche Aufträge oberhalb der Schwellenwerte schließt prinzipiell die Annahme eines Geschäfts der laufenden Verwaltung aus – VK Brandenburg, Beschl. v. 26.3.2002 – VK 4/02, S. 9 f.; zu einem vergleichbaren Fall VK Brandenburg, Beschl. v. 23.8.2001 – 2 VK 82/01, wo sogar auch das Bestehen von Vertretungsmacht über die Anscheins- oder Duldungsvollmacht überprüft wird. Weiter wird es abgelehnt, aus verschiedenen Normen des Haushaltsrechts eine Vertretungsmacht herzuleiten. Diese Entscheidung der VK wurde bestätigt durch OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.12.2001 – Verg W 6/01, NZBau 2002, 624. 26 Vgl. nur de Wall, S. 211; Sterner, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 28, Rn. 20 m. w. N.; Drügemöller, S. 264.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Die schwebende Unwirksamkeit als Folge mangelnder Vertretungsmacht kann aber durch eine wirksame Genehmigung geheilt werden. Dabei gelten folgende Einschränkungen: (1) Keine Heilung durch Genehmigung nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens (nach Eintritt der Wirkungen des § 115 I GWB) Es ist fraglich, wie es zu beurteilen ist, wenn der Vertretungsberechtigte die vollmachtslose Auftragsvergabe zu einem Zeitpunkt billigt, in dem das Nachprüfungsverfahren schon anhängig war. Es könnte hier eine grundsätzlich rückwirkende Genehmigung vorliegen, so dass auch das Nachprüfungsverfahren rückwirkend unzulässig wird. Nach allgemeiner Ansicht kann aber eine nach Zustellung des Nachprüfungsantrags und damit nach In-Kraft-Treten des Zuschlagsverbots nach § 115 I GWB erteilte Genehmigung auf der Auftraggeberseite keine extunc-Wirkung mehr erhalten.28 Allerdings kommt der Genehmigung dann rückwirkende Kraft nach § 184 I BGB zu, wenn es um die nachträgliche Genehmigung auf der Auftragnehmerseite29 geht. An diesen wende sich § 115 GWB nicht,30 da er bieterschützende Funktion habe.31 27

Reidt, § 114 Rn. 22. Dafür gibt es allerdings unterschiedliche Begründungsansätze. Eine Ansicht verweist auf § 184 II BGB. Danach werden trotz der grundsätzlichen Rückwirkung der Genehmigung zwischenzeitliche Verfügungen nicht unwirksam, die vor der Genehmigung im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung vorgenommen worden sind. Das gesetzliche Zuschlagsverbot nach § 115 I GWB sei eine damit vergleichbare Zwangsmaßnahme. – OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2001 – Verg 30/00, VergabeR 2001, 226, 229 m. zust. Anm. Leinemann = IBR 2001, 454 (Trautner); dem folgend VK Brandenburg, Beschl. v. 23.8.2001 – 2 VK 82/01, S. 7 f.; VK Brandenburg, Beschl. v. 26.3.2002 – VK 4/02, S. 11. Nach anderer Auffassung ist § 115 I GWB eine „andere Bestimmung i. S. v. § 184 I 2 BGB – vgl. die übernächste Fn. 29 Im zu entscheidenden Fall hatte die Vergabestelle das Angebot nur unter Änderungen „angenommen“ und daher nach § 150 BGB ein neues Angebot abgegeben. Dieses Angebot hatte ein Angestellter des Auftragnehmers angenommen. Das BayObLG ließ offen, ob dieser Vertretungsmacht hatte, denn jedenfalls wirke hier die Genehmigung zurück. 30 BayObLG, Beschl. v. 10.10.2000 – Verg 5/00, VergabeR 2001, 55, 57 = ZfBR 2001, 189, dass deswegen die Bedeutung des § 115 offenliess (vgl. bereits zuvor Fn. zuvor). Es würde den § 115 aber anders als das OLG Düsseldorf nicht unter § 184 II BGB fassen, sondern als andere Bestimmung i. S. v. § 184 I S. 2 BGB ansehen. Ausdrücklich wurde dies dann so entschieden von der Vergabekammer Südbayern, Beschl. v. 30.5.2001, 11-04/01, S. 8. 31 Vergabekammer Südbayern, Beschl. v. 30.5.2001, 11-04/01, S. 8. 28

A. Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung 159

(2) Keine Heilung durch Genehmigung nach Ablauf der Bindefrist Ist die Bindefrist abgelaufen, so ist die ohne Vertretungsmacht abgegebene Annahmeerklärung mit dem Ablauf dieser endgültig unwirksam geworden. Ein später übergebenes Auftragsschreiben kann also auch nicht die Rechtswirkungen einer nachträglichen Genehmigung nach § 184 I BGB entfalten.32 dd) Zuschlag muss rechtzeitig erteilt sein Nur ein Zuschlag innerhalb der Zuschlags- und Bindefrist führt unmittelbar zum Vertragsschluss, vermag also den Primärrechtsschutz auszuschließen. Ein Zuschlag nach Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist stellt die Ablehnung des Angebots und eine gleichzeitige Unterbreitung eines neuen Angebots durch den Auftraggeber dar. Wurde allerdings mit den verbliebenen Bietern einvernehmlich die Binde- und Zuschlagsfrist vor deren Ablauf verlängert, so ist die verlängerte Frist Gegenstand des Angebots der Bieter, das durch die Vergabestelle mit Zuschlag angenommen werden kann. In diesem Fall bedarf es also keiner erneuten Annahmeerklärung des Bieters.33 ee) Form des Zuschlags Der Zuschlag unterliegt bei Bauvergaben grundsätzlich keiner Form. Auch wenn die Baukoordinierungsrichtlinie in Art. 1 schriftliche Bauaufträge vor Augen hat, so ist nach deutschem nationalem Recht keine Schriftform für Bauaufträge einzuhalten.34 Der Zuschlag kann daher mündlich (auch telefonisch) und schriftlich erteilt werden. Eine ergänzende urkundliche Fixierung35 für die schon mündlich oder schriftlich erfolgte Annahme dient nur Beweiszwecken, ändert aber nichts daran, dass bereits vorher ein wirksamer Vertrag abgeschlossen wurde (§ 28 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A). Anders als bei der VOB ist in der VOL für Lieferaufträge ein höheres Schriftformerfordernis für den Zuschlag vorgeschrieben. Nach § 28 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOL soll der Zuschlag schriftlich erteilt werden. Aus S. 2 ergibt sich aber, dass ausnahmsweise auch mündlich abgeschlossene Verträge 32 OLG Naumburg, Beschl. v. 28.9.2001 – 1 Verg 6/01, NZBau 2002, 168, 169 f. = ZfBR 2002, 89, 90. 33 OLG Dresden, Beschl. v. 25.9.2000 – Wverg 0004/00, IBR 2001, 385 (Trautner). 34 Näher BayObLG, Beschl. v. 10.10.2000 – Verg 5/00, VergabeR 2001, 55, 58 = ZfBR 2001, 189. 35 Etwa nach § 29 VOB/A.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

wirksam sind. Hier muss der Zuschlag aber umfassend schriftlich bestätigt werden. Zwingend vorgeschrieben ist die Schriftform für den Zuschlag – unabhängig von der Auftragsart – dann, wenn diese im Einzelfall, etwa in den Ausschreibungsbedingungen, ausdrücklich festgelegt wurde oder gesetzlich vorgeschrieben ist.36 Letzteres ist etwa bei Zuschlagserteilungen von Gemeinden oder Landkreisen der Fall. So kann ein Vertrag zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags, der kommunalrechtlichen Formvorschriften (Schriftform) unterliegt, nicht durch konkludentes Handeln geschlossen werden.37 Allerdings ist zu beachten, dass Vorschriften über die Form von kommunalrechtlichen Verpflichtungserklärungen keine Formvorschriften, sondern Vertretungsregelungen sind. Mündliche Erklärungen sind nur schwebend unwirksam. Demnach können „Formmängel“ noch im Sinne einer Genehmigung beseitigt werden [s. unter A. I. 1. b) cc)]. c) Die Bestimmung des Zuschlagszeitpunktes Im Folgenden soll darauf eingegangen werden, wann genau der Zuschlag erteilt ist, wann also genau das Nachprüfungsverfahren unzulässig wird. Wie entscheidend die genaue Bestimmung des Zuschlagszeitpunktes ist und auch, dass die Vergabestellen versuchen, vollendete Tatsachen zu schaffen, zeigt das von der Vergabekammer des Bundes zu beurteilende Vergabeverfahren des Bundes im Zusammenhang mit dem Ausbau des Mittellandkanals.38 Hier hatte ein Bieter aus dem Ablaufen der Binde- und Zuschlagsfrist gefolgert, dass der Zuschlag bald erfolgen würde. Auf telefonische Nachfrage bei der Vergabestelle teilte diese ihm mit, nicht sein preisgünstigstes Angebot, sondern ein Angebot eines anderen Bieters werde den Zuschlag erhalten. Daraufhin rügte er noch am gleichen Tag die geplante Vergabe an den anderen Bieter und reichte auch Nachprüfungsantrag bei der VK ein. Am nächsten Morgen um 7:51 Uhr teilte – wohl um einer folgenden Zustellung des Nachprüfungsantrages durch die Vergabekammer und den damit einhergehenden Suspensiveffekt zuvorzukommen – die Vergabestelle dem Bieter B mit, er erhalte den Auftrag. Die Auftragssumme und weitere Bestandteile des Vertrages würden später mitgeteilt. Um 12:25 Uhr stellte die VK den Nachprüfungsantrag an die Vergabestelle zu. Diese teilte dem Bieter B um 13:51 Uhr die weiteren Vertragsumstände mit. Die Verga36

Daub/Eberstein-Portz, VOL, § 28 Rn. 11. OLG Dresden, 21.7.2000, WVerg 0005/00, WuW 2000, 1288 (Verg 384) = IBR 2001, 82 (Schelle); vgl. auch OLG Nürnberg, Urt. v. 18.9.1985 – 4 U 3597/84, NJW 1986, 437. 38 Beschl. v. 23.11.2000 – VK 2-36/00, IBR 2001, 142 (Trautner). 37

A. Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung 161

bestelle machte nun geltend, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, da er erst zugestellt wurde, nach dem der Zuschlag schon 7:51 Uhr erteilt worden war.39 Die Vergabekammer des Bundes hielt den Nachprüfungsantrag aber für zulässig. Der Zuschlag sei vor der Zustellung des Nachprüfungsantrages an die Vergabestelle noch nicht erteilt worden. In dem Schreiben von 7:51 Uhr fehle es an der erforderlichen vollständigen Einigung über den Vertragsinhalt. Um Stunden ging es auch im Fall des BGH, Beschl. v. 9.2.200440. Der Nachprüfungsantrag eines unterlegenen Bieters war hier um 9.00 Uhr per Fax bei der Vergabestelle eingegangen und wurde der Vergabestelle von der Vergabekammer um 12.57 Uhr per Fax zugestellt. Die Vergabestelle hatte aber den Zuschlag – ebenfalls per Fax – bereits um 10.18 Uhr an den erfolgreichen Bieter erteilt. Der Nachprüfungsantrag des unterlegenen Bieters war daher unzulässig. aa) Wirksamkeit erst ab Zugang der Zuschlagserteilung Wie schon ausgeführt, muss die Zuschlagserteilung beim erfolgreichen Bieter zugehen, wird also erst zu diesem Zeitpunkt wirksam. Die interne Entschließung des Auftraggebers genügt in Deutschland noch nicht für die Zuschlagserteilung.41 Dies gilt selbst dann, wenn der Auftraggeber eine Stadt ist und deren Stadtrat in öffentlicher Sitzung beschließt, den Auftrag an einen bestimmten Unternehmer zu erteilen.42 Der Zuschlag ist hier erst die in der vorgeschriebenen Form vorgenommene Erklärung durch das zur Außenvertretung der Gemeinde berufene Organ. Der Zuschlag wird nicht wirksam, wenn dem Auftragnehmer vorher oder gleichzeitig ein Widerruf des öffentlichen Auftraggebers zugeht (§ 130 I 2 BGB). bb) Zeitpunkt der Zuschlagserteilung bei „ändernder Annahme“ Erfolgt die „Annahme“ des Bieterangebotes durch den Auftraggeber unter Abänderungen, so gilt diese Erklärung nach § 150 II BGB als Ablehnung des Bieterangebotes verbunden mit einem neuen Antrag. Der Vertrag kommt hier erst mit der Annahme durch den bezuschlagten Bieter zu 39 Wäre dem zu folgen, läge hier der Fall des Feststellungsverfahrens nach § 114 II 2 GWB vor (dazu unten). 40 BGH, Beschl. v. 9.2.2004 – X ZB 44/03, NJW 2004, 2092 = ZfBR 2004, 399 = NZBau 2004, 229 = VergabeR 2004, 201 m. Anm. Erdl. 41 Jaeger, NZBau 2001, 289, 299. 42 BayObLG, Beschl. v. 12.9.2000 – Verg 4/00.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Stande.43 Der Ausschluss des Rechtsschutzes nach § 114 II GWB tritt also erst mit der tatsächlichen Wirksamkeit des Vertragsschlusses ein44, erst hier liegt die Zuschlagserteilung i. S. v. § 114 II GWB.45 Dies ergibt sich aus der Vorgabe von Art. 2 VI RMRL.46 Dieses Ergebnis gilt entsprechend für die verspätete Annahme durch den Auftraggeber. 2. Der Beginn des Nachprüfungsverfahrens Wie schon ausgeführt, ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, wenn vor Beginn des Nachprüfungsverfahrens der Zuschlag wirksam erteilt worden ist. Der Beginn des Nachprüfungsverfahrens ist schon dann zu bejahen, wenn der Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer eingeht und nicht erst mit dessen Zustellung beim Auftraggeber.47 Auf eine Maßnahme der Einleitung auf Seiten der Vergabekammer kommt es nicht an. Da die Vergabekammer als eine Behörde ausgestaltet ist, können hier die dementsprechenden Grundsätze für den Beginn des Verwaltungsverfahrens (§ 22 VwVfG) herangezogen werden. Auch dort beginnt das Vergabeverfahren mit dem Zugang des Antrags bei der Behörde.48 3. Grund für Ausschluss des Primärrechtsschutzes nach Zuschlagserteilung durch den deutschen Gesetzgeber Hinter dem Ausschluss der Aufhebbarkeit des Zuschlages steht, dass mit der Zuschlagserteilung in Deutschland auch der zivilrechtliche Vertrag mit dem erfolgreichen Bieter zu Stande kommt, dieser aber nach der Grundsatzentscheidung des deutschen Gesetzgebers nicht mehr aufgehoben werden 43 Nach § 26 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A ist der Bieter aufzufordern, sich unverzüglich über die Annahme zu erklären. 44 Solange also die Annahme durch den bezuschlagten Bieter nicht erfolgt ist, kann noch um Rechtsschutz nachgesucht werden. Wird allerdings diese Annahme erklärt, bevor die VK den (abändernden) Zuschlag aufgehoben hat, so erledigt sich das Nachprüfungsverfahren. 45 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 114 Rn. 22 m. w. N.; Reidt, in: Reidt/ Stickler/Glahs, § 114, Rn. 26; anders: Ingenstau/Korbion – Müller-Wrede, § 114 Rn. 15 m. w. N.; VK Bremen, Beschl. v. 16.7.2003 – VK 12/03, S. 10. 46 Vgl. näher unter A. I. 3. 47 Gröning, ZIP 2000, 1714 und ZIP 1999, 52, 56 f.; OLG Düsseldorf, BauR 1999, 751, 757 f. (zu dessen Arg. Niebuhr-Kus, § 114 Rn. 58 Fn. 59); vgl. auch die Argumente bei Waldner, S. 170 f.; Niebuhr/Kus, § 114, Rn. 58. 48 Näher OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.4.1999 – Verg 1/99, BauR 1999, 751 = NJW 2000, 145 f.

A. Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung 163

können soll.49 Für den erwünschten Ausschluss des Rechtsschutzes nach Vertragsschluss konnte wegen des faktischen Zusammenfallens von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss50 auch auf die Zuschlagserteilung abgestellt werden. Wenn also § 114 II GWB bestimmt, dass ein bereits erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden kann, meint er damit die Unaufhebbarkeit des geschlossenen zivilrechtlichen Vertrages.51 Der Grundsatzentscheidung, den Vergabevertrag einer Aufhebung zu entziehen, liegen folgende Erwägungen zu Grunde: – Wesentlich sind der Grundsatz der Rechtssicherheit und der Grundsatz „pacta sunt servanda“. Ein einmal geschlossener Vertrag soll nicht mehr aufgehoben werden, denn die Aufhebung würde in die vertraglichen Rechte und Pflichten des Auftraggebers und des vom Zuschlag begünstigten Bieters eingreifen. Auch da dieser Bieter nicht zwangsläufig Beteiligter des Nachprüfungsverfahrens ist, ist die Vergabekammer zu einem solchen Eingriff aber nicht befugt.52 Weiter soll es nach der Auftragsvergabe nicht mehr zu einer Verzögerung der Ausführung durch etwaige Rechtsschutzverfahren kommen. Das Vertrauensinteresse des beauftragten Bieters und das Beschleunigungsinteresse in Bezug auf die Auftragsabwicklung werden hier also von der Rechtsordnung höher bewertet, als das Interesse des nicht berücksichtigten Bieters an der Beachtung des Vergaberechts (Rechtsschutzinteresse).53 – Außerdem wurde darauf abgestellt, dass den Bietern die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verbleibt (neben dem neu geschaffenen § 126 S. 1 GWB auch der sonstigen weiterreichenden54 Schadensersatzansprüche, § 126 S. 2 GWB).

49

Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 114 Rn. 24; so auch die Gesetzesbegründung: „Das Recht auf Einhaltung der Vergaberegeln kann nur bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens geltend gemacht werden, weil nach erteiltem Zuschlag und Abschluss eines Vertrages kein Raum mehr für Rechte auf Einhaltung von Verfahrensregeln ist, nach deutschem Recht kommt durch den Zuschlag der Vertrag zustande, der grundsätzlich nicht mehr aufhebbar ist.“ – amtl. Begründung z. RegE v. 3.12.1997; BT-Drs. 13/943, S. 17. 50 s. unter A. I. 1. a). 51 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 114 Rn. 24. 52 Waldner, S. 169 m. w. N. 53 Vgl. Wegmann, NZBau 2001, 475, 476. 54 Es ist str., ob weiterreichend nur solche Ansprüche sind, die inhaltlich über den von § 126 S. 1 gewährten Ersatz des negativen Interesses hinausgehen – vgl. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 126 Rn. 18.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

4. Europarechtskonformität des Ausschlusses von Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung Die Zulässigkeit dieser Einschränkung des Nachprüfungsumfangs im Hinblick auf das europäische Vergaberecht ergibt sich aus Art. 2 VI der RMRL. Danach können die Mitgliedsstaaten selbst frei bestimmen, welchen Rechtsschutz sie nach dem Vertragsschluss vorsehen: Dort wird in Unterabsatz 1 zum einen normiert, dass sich „die Wirkungen der Ausübung der in Abs. 1 genannten Befugnisse auf den nach Zuschlagserteilung des Auftrags geschlossenen Vertrag . . . nach dem einzelstaatlichen Recht“ richten. Und nach dem 2. Unterabsatz von Art. 2 VI können die Mitgliedsstaaten die Befugnisse der Nachprüfungsinstanzen für den Zeitraum nach dem Vertragsschluss darauf beschränken, einem nichtberücksichtigten Unternehmen Schadensersatz zuzusprechen.55 Daraus ergibt sich, dass die Mitgliedsstaaten nur für den Zeitraum vor dem Vertragsschluss verpflichtet sind, eine Aufhebbarkeit rechtswidriger Entscheidungen der Auftraggeber vorzusehen.56 Die Rechtsmittelrichtlinie trägt hier dem Grundsatz der Rechtssicherheit und dessen subjektiver Komponente des Vertrauensschutzes des siegreichen Bieters sowie dem Interesse der Allgemeinheit an rascher Auftragsdurchführung Rechnung. Mit der Regelung in Art. 2 Abs. 6 hat es das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedsstaaten im Interesse von Rechtssicherheit, Rechtsfrieden und Vertrauensschutz ausdrücklich ermöglicht, einmal abgeschlossene Verträge trotz vor Vertragsschluss unterlaufener Verfahrensverstöße in ihrer Wirksamkeit aufrechtzuerhalten. Hintergrund dieser Regelung war nicht nur, dass eine Anordnung der Aufhebung des Vertrages große Schwierigkeiten bei der Umsetzung in die zivilrechtliche Dogmatik in Deutschland und anderer Mitgliedsstaaten bedeutet hätte, sondern auch die Tatsache, dass Auftraggeber wie Auftragnehmer ein eminentes Interesse an der mit abgeschlossenen Verträgen entstandenen Rechtssicherheit haben, die gerade auch bei öffentlichen Investitionen nicht gefährdet werden darf.57 Die Rechtsmittelrichtlinien sind im Ergebnis also auf die Prävention eines verfahrenswidrigen Vertragsabschlusses gerichtet.58 Zwar bleibt es auch trotz Art. 2 VI der RMRL dabei, dass der Verstoß gegen das Gemeinschafts(vergabe)recht während der gesamten Dauer der Erfüllung der unter Verstoß gegen die Gemeinschaftsbestimmung geschlossenen Vertrages andauert, so dass das Verhalten des Auftraggebers auch nach dem Vertragsschluss nach wie vor als gemeinschaftswidrig anzusehen ist.59 Allerdings 55

Eine Ausnahme ist in Art. 2 VI S. 2 i. V. m. Art. 2 V RMRL vorgesehen. Waldner, S. 213 f. 57 Öhler, S. 134; EuGH, Urt. v. 10.4.2003, C-20/01 und C-28/01 – Bockhorn, WuW 2003, 691, 694. 58 Waldner, S. 221. 56

A. Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung 165

darf die Wirkung des gemeinschaftswidrigen Vertrages nach Art. 2 VI aufrechterhalten werden60, solange ein effektiver Rechtsschutz im Vorfeld des Vertragsschlusses sichergestellt ist. Die Mitgliedsstaaten können insoweit frei wählen, ob sie eine Aufhebung des Vertragsschlusses zulassen. Deutschland hat mit § 114 I, II GWB die Grundsatzentscheidung gefällt bzw. beibehalten, von der Möglichkeit des Art. 2 VI RMRL Gebrauch zu machen. Zwar ist der Ausschluss des Primärrechtsschutzes nach Art. 2 VI erst nach Vertragsschluss und nicht schon nach Zuschlagserteilung möglich61, da aber in Deutschland Zuschlagserteilung und Vertragsschluss zusammenfallen, konnte auch auf die Zuschlagserteilung abgestellt werden.62 Der Grundsatz pacta sunt servanda, der hinter § 114 II GWB steht (s. oben unter 3.), kann auch mit der Unüberprüfbarkeit des Zuschlags gesichert werden, da dies mit der Unüberprüfbarkeit des Vertrages identisch ist. Mit dem Abstellen auf den Zuschlag konnte man bei den originär vergaberechtlichen Begriffen bleiben. Fallen aber Zuschlag und Vertragsschluss doch einmal auseinander, muss es wegen Art. 2 VI RMRL für den Ausschluss des Rechtsschutzes auf die Wirksamkeit des Vertragsschlusses ankommen (s. unter 3.). 59 EuGH, Urt. v. 10.4.2003, C-20/01 und C-28/01 – Bockhorn, WuW 2003, 691, 694; EuGH, Urt. v. 9.9.2004, C-125/03, WuW 2004, 1229. 60 EuGH, Urt. v. 10.4.2003, C-20/01 und C-28/01 (Braunschweig/Bockhorn), WuW 2003, 691, 694; Schlussanträge GA Kokott in der Rs. C-385/02, Kommission gegen Italien, Rz. 18; EuGH, Urt. v. 4.12.2003, C-448/01, VergabeR 2004, 36 (Tz. 90). Die Europäische Kommission vertritt hier inzwischen – entgegen früherer Stellungnahmen – eine andere Auffassung. Sie hat gegen Deutschland wegen zweier Verträge, die trotz Feststellung der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Vertragsabschluss durch den EuGH (a. a. O.) von den betreffenden Gemeinden Bockhorn und Braunschweig weitergeführt und nicht rückabgewickelt wurden, Zwangsgelder beim EuGH beantragt (Tagessätze zu 31.680 Euro (Bockhorn) und 126.720 Euro (Braunschweig)), dazu Monatsinfo forum-vergabe e. V., 10/2004, 164. In Richtung der Kommission auch Stelkens, NZBau 2003, 654; vgl. auch unten unter III. 3. b). 61 Es ist also nicht so, wie gelegentlich behauptet, dass „nach Zuschlagserteilung kein Primärrechtsschutz“ durch die Rechtsmittelrichtlinien gefordert ist. Art 2 VI spricht von „nach Zuschlagserteilung geschlossenen Vertrag“. Es kommt darauf an, dass der Vertrag schon geschlossen wurde. Es ist daher zumindest missverständlich, wenn Art. 2 VI so verstanden wird, dass die Rechtsmittelrichtlinien es den Mitgliedsstaaten ausdrücklich freistellen, „nach Zuschlagserteilung“ dem Grundsatz pacta sunt servanda Vorrang einzuräumen“. Die RiLi stellen dies eben nicht schon nach Zuschlagserteilung frei, sondern erst nach Vertragsschluss. 62 So ausdrücklich die Gesetzesbegründung: „Das Recht auf Einhaltung der Vergaberegeln kann nur bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens geltend gemacht werden, weil nach erteiltem Zuschlag und Abschluss eines Vertrages kein Raum mehr für Rechte auf Einhaltung von Verfahrensregeln ist, nach deutschem Recht kommt durch den Zuschlag der Vertrag zustande, der grundsätzlich nicht mehr aufhebbar ist.“ – amtl. Begründung z. RegE v. 3.12.1997; BT-Drs. 13/943, S. 17.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Damit ist die Beschränkung des Rechtsschutzes nach Zuschlagserteilung für sich betrachtet gemeinschaftsrechtlich unbedenklich. Die Bedenken ergeben sich erst im Zusammenspiel dieser – als solcher unproblematischen rechtlichen Regelung – mit weiteren Grundsätzen der Ausgestaltung des Vergabeverfahrens in Deutschland. Darauf wird später ausführlich zurückzukommen sein.63 5. Rechtsvergleich hinsichtlich der Möglichkeit von Primärrechtsschutz nach dem Vertragsschluss Auch in vielen anderen Mitgliedsstaaten der EG kann der abgeschlossene Auftragsvertrag nicht mehr aufgehoben werden. Es gilt der Grundsatz pacta sunt servanda. Die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen der Vergabestelle hat keine Auswirkungen auf den mit der Zuschlagserteilung zustande gekommenen Vertrag zwischen Auftraggeber und erfolgreichem Bieter. Es kann i. d. R. nur auf Schadensersatz geklagt werden.64 So ist etwa in Frankreich65, Großbritannien66, Österreich, Schweden, Belgien, Luxemburg67 keine Aufhebung des Vertrages möglich. In einigen Mitgliedsstaaten (Belgien, Niederlande, Irland, Italien) besteht allerdings die Möglichkeit, den Vertrag vor den Zivilgerichten zu beseitigen. Wegen der engen Voraussetzungen hat diese Möglichkeit jedoch nur theoretische Relevanz.68 Andere Mitgliedsstaaten (Irland, Portugal, Däne63

Dazu B. I. 2. Prieß/Hausmannn, EuR 1999, 203, 229; Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 220 ff.; vgl. auch C. VI. 2. 65 Dazu näher unter C. VI. 2. 66 So jetzt auch eine jüngere Entscheidung des Court of Appeal (v. 30.7.1999, Ealing Community Transport Ltd v. Council of the London Borough of Ealing; dazu und zu den Rechtsschutzmöglichkeiten der Bieter in Großbritannien vgl. Williams, Public Procurement Law Review 2000, CS 27 und Pachnou, Public Procurement Law Review 2003, 35 insbes. S. 50 f.). Der Court of Appeal entschied hier ausdrücklich, dass ein Vertrag, der mit bindender Wirkung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer abgeschlossen worden ist, von einem dritten Bieter nicht angefochten werden kann, selbst wenn dessen Rechte aus den europäischen Vergaberichtlinien verletzt worden sind. Zur nachträglichen Unaufhebbarkeit des Vertragsschlusses in Großbritannien auch Pachnou, Public Procurement Law Review 2000, 251, 256 ff. und Holoubek, 3. Bericht zur Staatsrechtslehrertagung 2000 zum Beratungsgegenstand „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber“, S. 513, 567. 67 Wittig, S. 113 (näher auch zur Rechtslage in Griechenland). 68 Prieß/Hausmannn, EuR 1999, 203, 229 (zur strengen Rechtslage in Belgien S. 209). Anders ist dies in den Niederlanden, wo ein mit weit reichenden Kompetenzen ausgestatteter Schiedsausschuss einen bereits geschlossenen Vertrag aufheben kann oder Schadensersatz gewähren kann – Prieß/Hausmannn, EuR 1999, 203, 217. Vgl. auch vgl. Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 220 ff.; vgl. auch C. VI. 2. 64

A. Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung 167

mark, Niederlande, Spanien und Italien) differenzieren für die Wirksamkeit der Auftragsvergabe danach, wieweit der Auftrag bereits ausgeführt ist. Drohen durch einen Entzug und eine Neuvergabe des Auftrags erhebliche Schäden, so muss die Auftragsvergabe wirksam bleiben. Wird der Auftrag demgegenüber neu vergeben, steht dem ursprünglich erfolgreichen Bieter ein Schadensersatzanspruch zu. Unabhängig von den Rechtsschutzmöglichkeiten der unterlegenen Bieter besteht in einigen Mitgliedsstaaten, etwa in Italien und Luxemburg, für die Verwaltung die Möglichkeit, auch noch nach Ausführung des Auftrags den Vertrag selbst zu lösen oder die Auflösung zu verlangen. Die Verwaltung hat hier also ein jederzeitiges Kündigungsrecht.69

II. Die 2. Konstellation im Hinblick auf die Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung: Der Nachprüfungsantrag wird vor Zuschlagserteilung an die Vergabestelle zugestellt Im Hinblick auf die Abhängigkeit der Primärrechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung ergibt sich als 2. Möglichkeit, dass der Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer vor der Erteilung des Zuschlags eingeht und von der Vergabekammer auch noch vor Erteilung des Zuschlags zugestellt wird. Diese Konstellation stellt den „Normalfall“ des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens dar. Hier tritt das Zuschlagsverbot des § 115 I GWB ein. Der Antragsteller ist also vor der primärrechtsschutzausschließenden Zuschlagserteilung geschützt.70 69 Näher Wittig, S. 113 f. Ein solches Kündigungsrecht des Auftraggebers besteht auch in den USA. Die Rechtsschutzmöglichkeiten anderer Bieter sind dagegen auch hier praktisch wenig wirksam – Achenbach, S. 32 f. und 136 ff. 70 Allerdings hat sich in der Praxis gezeigt, dass auch der Suspensiveffekt nach § 115 I GWB den Bieter (wohl) nicht immer effektiv zu schützen vermag: Im Vergabeverfahren um den Ausbau des Mittellandkanals hatte ein unterlegener Bieter mit Einleitung des Nachprüfungsverfahrens den Suspensiveffekt herbeigeführt und auch in der Sache vor der 2. VK des Bundes Erfolgt gehabt (Beschluss v. 23.11.2000 – VK 2 – 36/00). In einem neuen Verfahren vor der gleichen Kammer begehrte er aber noch einmal eine Entscheidung des gleichen Inhalts, da er in Erfahrung gebracht habe, dass die Vergabestelle entgegen § 115 I den zunächst erfolgreichen Bieter aufgefordert habe, die Bautätigkeit im Rahmen des streitbefangenen Bauvorhabens aufzunehmen (dazu 2. Vergabekammer des Bundes, Beschl. v. 12.12.2000, VK 2 – 38/00 – Mittellandkanal, WuW 2001, 227 f. (Verg. 405 f.). In letzterem Verfahren wurde ein Antrag auf Erlass weiterer sichernder Maßnahmen nach § 115 III abgelehnt, da diese nur im (ersten, ursprünglichen) laufenden Nachprüfungsverfahren gestellt werden könne, d.h. solange es noch bei der Vergabekammer anhängig ist.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

III. Zur 3. Konstellation: Zuschlagserteilung erst nach Einreichung des Nachprüfungsantrags, aber vor Zustellung des Nachprüfungsantrags Die Fälle der Zuschlagserteilung erst nach Einreichung des Nachprüfungsantrags, aber vor Zustellung des Nachprüfungsantrags, also vor Eintritt der Suspensivwirkung des § 115 I GWB, regelt § 114 II 2 GWB. Danach kann die Vergabekammer im Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens, etwa durch Erteilung des Zuschlags, auf Antrag feststellen, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.71 Diese Feststellung hat nach der kartellrechtlichen Lösung72 Bindungswirkung für einen nachfolgenden Schadensersatzprozess vor den ordentlichen Gerichten (§ 124 I GWB73). § 114 II S. 2 GWB spricht von einer Erledigung durch Erteilung des Zuschlags und auch durch Aufhebung der Ausschreibung. Dies sind gesetzlich definierte Fälle der Erledigung.74 Die Erledigung ist aber auch in anderer Weise möglich. § 114 II S. 2 GWB erfasst folgende Fälle: 1. Die Erteilung des Zuschlags nach Beginn des Nachprüfungsverfahrens Dies ist folgendermaßen möglich: – Der Zuschlag wird nach Eingang des Nachprüfungsantrages bei der Vergabekammer, aber vor dessen Zustellung an die Vergabestelle erteilt.75 Mit dem Eingang des Nachprüfungsantrages liegt nämlich schon ein laufendes Vergabeverfahren vor76, allein der Suspensiveffekt des § 115 I GWB ist mangels Zustellung an die Vergabestelle noch nicht Zum aus § 114 II GWB folgenden Problem, dass die durch Rüge gewarnte Vergabestelle schnell noch den Zuschlag erteilen und damit unumkehrbare Fakten schaffen konnte, unter C. I. 71 Allgemein zu den Voraussetzungen dieses Verfahrens, Reidt, in: Reidt/Stickler/ Glahs, § 114, Rn. 47 ff. 72 Nach der haushaltsrechtlichen Lösung war dies anders, Dreher, ZIP 1995, 1869, 1873. 73 Gegen § 124 I GWB werden allerdings verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht, da hier eine Bindung eines Gerichts (evtl. sogar des BGH) an die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde (Vergabekammer) erfolge, die darüber hinaus innerhalb der 5-Wochenfrist keine volle Tatsachenprüfung vornehmen kann – Dreher, NZBau 2001, 244, 246 m. w. N.; vgl. auch Gröning, in: Motzke/Pietzcker/ Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 124 GWB, Rn. 10 ff. m. w. N.; Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, § 124 Rn. 3 m. w. N. 74 Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, § 114, Rn. 49 ff. – hier auch allgemein zum Begriff der Erledigung im Vergaberecht. 75 Dazu auch Waldner, S. 171. 76 Zum Beginn des Nachprüfungsverfahrens schon unter A. I. 2.

A. Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung 169

eingetreten, so dass die Zuschlagserteilung möglich bleibt. Dies ist der „praktisch häufigste und relevanteste Fall“ von § 114 II 2 GWB.77 – Der Zuschlag wird nach dessen bestandskräftiger Gestattung (§ 115 II GWB)78 trotz anhängigem Nachprüfungsverfahren erteilt.79 2. Die (rechtmäßige) Aufhebung des Vergabeverfahrens nach Beginn des Nachprüfungsverfahrens.80 3. Eine Erledigung des Nachprüfungsverfahrens i. S. v. § 114 II GWB ist weiter durch die Einstellung des Vergabeverfahrens und die Erledigung in sonstiger Weise möglich.81 Eine Erledigung des Nachprüfungsverfahrens tritt danach nicht nur durch ein Ereignis ein, welches das Vergabeverfahren beendet (z. B. Aufhebung oder Zuschlagserteilung). Eine Erledigung ist auch durch die Rücknahme der mit dem Nachprüfungsantrag angegriffenen Vergabeentscheidung möglich.82 Damit ist der Streitgegenstand, d.h. das gerügte vergaberechtswidrige Verhalten weggefallen, so dass eine „Erledigung in sonstiger Weise“ vorliegt.83 Voraussetzung für die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens nach § 114 II 2 GWB ist, dass auch das (vor Zuschlagserteilung) eingeleitete Nachprüfungsverfahren zulässig war. Damit gelten auch für den hier vorliegenden Feststellungsantrag die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen, insbes. die Rügepflicht.84 Weiter notwendig ist das Vorliegen eines Feststellungsinteresses beim Antragsteller.85 77 Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 114 GWB, Rn. 10. 78 Dazu näher oben beim Überblick über das Nachprüfungsverfahren – Teil 1, B. III. 4. a). 79 Vor Einführung von § 13 VgV war umstritten, ob 114 II 2 GWB auch für die Fälle der Erledigung vor Beginn des Nachprüfungsverfahrens (also Zuschlagserteilung vor dem Eingang des Nachprüfungsantrags) anwendbar ist, dazu unter B. III. 3. a) ff). 80 Dazu im Teil 3. 81 Dazu Niebuhr/Kus, § 114 Rn. 51 ff. Durch den Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist tritt dagegen keine Erledigung ein – Byok, § 114 Rn. 747 (Byok) m. w. N. 82 Dazu näher unter C. IV. 1. 83 OLG Düsseldorf, v. 30.5.2001 – Verg 23/00 (Bereederung zweier Spezialflugzeuge), Monatsinfo forum vergabe e. V., 6/2001, Anl. 7. Es verneint hier eine Abweichung (und damit eine Vorlagepflicht nach § 124 II GWB) zu BayObLG v. 19.12.2000 (Verg 10/00), wo dieses vertreten hatte, eine Erledigung in sonstiger Weise sei nur bei vergabeverfahrensbeendigenden Ereignissen möglich. Dies sei nur ein nicht entscheidungserhebliches Obiter dictum gewesen. 84 VgK des Bundes, Beschl. v. 4.8.1999 – VK 2-16, NZBau 2000, 112; so auch Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 114 Rn. 41 f. 85 Näher OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.2.2001, Verg 14/00, WuW 2001, 651 (Verg 459) mit Verweis auf die vergleichbare Regelung nach § 113 I S. 4 VwGO.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

B. Auswirkungen der Abhängigkeit des Rechtsschutzes von der Zuschlagserteilung auf die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen die Vergabeentscheidung – Situation vor Einführung des § 13 VgV I. Fehlender Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung vor Einführung von § 13 VgV Im Folgenden wird gezeigt, dass die Vergabeentscheidung/Zuschlagsentscheidung, als die wichtige Entscheidung des Auftraggebers, an welchen Bieter der ausgeschriebene Auftrag vergeben wird, vor Einführung von § 13 VgV zwar nach den Rechtsschutzvorschriften, nicht aber praktisch (tatsächlich) überprüfbar war. Diese Grundlagen des Rechtsschutzdefizits in Bezug auf die Zuschlagsentscheidung zu verdeutlichen, ist entscheidend, um den Regelungsmechanismus des später eingeführten § 13 VgV und die danach entstandenen Folgeprobleme verstehen zu können. 1. Ausgangspunkt – Das Nachprüfungsrecht steht einer Überprüfung der Zuschlagsentscheidung nicht entgegen Nach den §§ 97 VII, 104 II 1, 107, 114 I GWB ist bis zur Zuschlagserteilung jedes Verhalten der Vergabestelle nachprüfbar. Auch die Zuschlagsentscheidung ist daher nach deutscher Rechtslage prinzipiell angreif- und aufhebbar, soweit sie vor Zuschlagserteilung angegriffen wird.1 2. Praktisch (tatsächlich) aber Zuschlagsentscheidung nicht überprüfbar Die gesetzliche Regelung des Nachprüfungsverfahrens hatte vor Einführung des § 13 VgV aber den Mangel, dass sie die praktische Ausgestaltung des Vergabeverfahrens nicht ausreichend berücksichtigt. Insbesondere wurde der Tatsache nicht Rechnung getragen, dass die Zuschlagsentscheidung nur innerorganisatorisch getroffen wird. Aus dem Zusammenspiel der (nachfolgend dargestellten) praktischen Ausgestaltung des Vergabeverfahrens mit der Regelung des 114 II 1, 2 GWB (kein Rechtsschutz nach Zuschlagserteilung) ergab sich daher, dass ein effektiver RS für die Zuschlagsentscheidung nicht möglich war: Vor der Auftragsvergabe gilt das Geheimhaltungsprinzip (24 Nr. 1 S.2 VOB). Die Vergabeentscheidung/Zuschlagsentscheidung wird ohne Beteili1

Kus, NJW 2000, 544, 545; zu entsprechenden Entscheidungen sogleich.

B. Rechtsschutz vor der Einführung von § 13 VgV

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gung der Bieter getroffen. Sie erfolgt innerorganisatorisch und wird nach außen erst durch den Akt der Zuschlagserteilung, also mit dem Vertragsschluss, umgesetzt.2 Vor der Zuschlagserteilung besteht für den Auftraggeber keine Informationspflicht über die Zuschlagsentscheidung3: Nach §§ 27 Nr. 1 S. 2 i. V. m. 27 a VOB/A, §§ 27 Nr. 1 i. V. m. 27 a VOL/A; § 17 IV VOF4 müssen die Auftraggeber zwar die nichtberücksichtigten Bieter über die Nichtberücksichtigung und über die Gründe für die Ablehnung ihres Angebots informieren. Diese Vorschriften ergaben aber nach allgemeiner Auffassung in Bezug auf die Zuschlagsentscheidung nur eine Informationspflicht nach der Zuschlagserteilung.5 Sinn dieser Information nach Zuschlagserteilung ist, die nichtberücksichtigten Bieter in die Lage zu versetzen, ihre bereitgehaltenen Ressourcen anderweitig zu verplanen. Wenn ihre Nichtberücksichtigung feststeht, sollen sie nicht mehr länger an ihr Angebot gebunden sein.6 Die ex-post Transparenz hat für den Bewerber weiter die Bedeutung, zu wissen, warum er aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden worden ist und zum anderen, um zumindest in etwa abschätzen zu können, wie sie allgemein mit ihrem Angebot im Markt gelegen haben.7 Die Bieter sollen also auch die Möglichkeit erhalten, sich in zukünftigen Verfahren besser auf die Anforderungen der Vergabestelle einzustellen.8 2

Kus, NJW 2000, 544, 545. Nur für den Ausschluss eines Bieters ist dies bei Bauvergaben anders: Hier informiert der Auftraggeber den ausgeschlossenen Bieter im Regelfall vor Zuschlagserteilung [§ 27 Nr. 1 VOB/A – näher dazu beim Verhältnis von § 13 zu § 27 Nr. 1 VOB/A unter C. VII. 1. b)]. 4 Im Rahmen von Planungswettbewerben nach § 25 VOF ist jeder Teilnehmer über das Ergebnis des Wettbewerbs unter Versendung der Niederschrift der Preisgerichtssitzung unverzüglich zu unterrichten (§ 25 VII VOF). 5 So auch die Einschätzung der VK Bund, Beschl. v. 29.4.1999 – VK 1–7/99 – Euro-Münzplättchen II, WuW 1999, 660, 663 m. w. N. Auch das GPA sieht hinsichtlich der Zuschlagserteilung nur ex-post Informationspflichten vor (Art. XVIII) – näher Kunnert, S. 277 ff., 290 f. und 511; Haase, S. 125. Dies wird auch nach der geplanten Revision des GPA so bleiben – Monatsinfo forum vergabe e. V., 11/2004, Anlage 8. Gleiches gilt für das UNCITRALMustergesetz (Art. 36 Abs. 6). Das US-Recht, das frz. Recht und die Richtlinien von Weltbank und KfW enthalten nicht einmal eine ex-post Transparenz – Haase, S. 126 f. 6 Durch die Nachinformation über die Nichtberücksichtigung entfällt also die Bindung an das Angebot, vgl. Brinker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 27, Rn. 3; Müller-Wrede, VOL, § 17 Rn. 39. 7 Meyer, in: Schwarze, S. 49. 8 So Scherling, S. 55 für die Nachinformation nach dem öst. BVergG (§ 43 BVergG 1994). 3

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Auch nach den in einigen Bundesländern seit 1998 erlassenen Informationsfreiheitsgesetzen9 (IFG) bestand keine Möglichkeit, Kenntnis von der Zuschlagsentscheidung (und ihren Gründen) zu erlangen: Diese Gesetze räumen zwar jedermann das Recht ein, Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Behörden und Verwaltungseinrichtungen des Landes (inkl. der Gemeinden) zu nehmen bzw. Auskunft über deren Inhalt zu verlangen. Sie schaffen eine „voraussetzungslosen Informationsanspruch“.10 Diese Informationsrechte, die ohnehin nur in wenigen Bundesländern bestehen, können aber aus mehreren Gründen nicht zur Sicherstellung einer Information über die Zuschlagsentscheidung herangezogen werden: 1. Die Informationsansprüche aus den IFG treten hinter den vergaberechtlichen Geheimhaltungspflichten der Verdingungsordnungen11 und dem vergaberechtlichen Akteneinsichtsrecht in § 111 GWB zurück, da die vergabegesetzlichen Regelungen hier spezieller sind.12 Im Bereich oberhalb 9 So in Berlin (Berliner Informationsfreiheitsgesetz – IFG, v. 15.10.1999, GVBl, 561; geändert durch Gesetz vom 30.7.2001, GVBl. 2001, 305), Brandenburg (Akteneinsichts- und Informationsgesetz – AIG, v. 10.3.1998, GVBl I 1998, 46), Schleswig-Holstein (Schleswig-holsteinische Informationsgesetz – IFG, v. 9.2.2000, GVOBl 2000, 166) und in NRW (Informationsfreiheitsgesetz – IFG, v. 27.11.2001, GVBl, 806 – In-Kraft-Treten am 1.1.2002); näher Stollmann, VR 2002, 309; zum IFG NRW der Aufsatz von Wolf-Hegerbekermeier/Pelizäus, DVBl 2002, 955 ff. Auch in anderen Bundesländern und auf Bundesebene (für die Bundesverwaltung) liegen Entwürfe für Informationsfreiheitsgesetze vor. Für einen Überblick über die Entwürfe in den Ländern vgl. Schoch, Die Verwaltung 2002, 149, 155 Fn. 48; vgl. auch Kloepfer, Informationsrecht, § 10 Rn. 72 Fn. 102a und 103; zum Bundes-IFG: Schoch, Die Verwaltung 2002, 149 ff.; Monatsinfo forum vergabe e. V. 5/ 2002, 72; Kloepfer, Informationsrecht, § 10 Rn. 35 ff.; Gurlit, DVBl 2004, 1119, 1129 ff.; zur Notwendigkeit des Erlasses solcher Gesetze, Schoch, Die Verwaltung 2002, 149 ff. Ebenso sind auf europäischer Ebene in den letzten Jahren zur Verbesserung der Transparenz sowohl auf der primär- als auch auf der primärrechtlichen Ebene die subjektivrechtlichen Informations-, Dokumentenzugangs- und Akteneinsichtsrechte zunehmend erweitert und verfestigt worden – ausführlich Nowak, DVBl 2004, 272. Letztlich bildet sich durch diese Bestrebungen auf nationaler und EG-Ebene ein eigenständiges Informationsverwaltungsrecht heraus, Gurlit, DVBl 2004, 1119 ff. 10 Kloepfer, Informationsrecht, § 10 Rn. 66 und 36. 11 Die Verdingungsordnungen schreiben vor, Informationen (während des Vergabeverfahrens) nur in begrenztem Umfang herauszugeben und im Übrigen (auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens) den Inhalt der Vergabeakten vertraulich zu behandeln (§§ 22 Nr. 3 II 3, Nr. 7 S. 3 und Nr. 8 VOB/A, §§ 22 Nr. 5 und 6 VOL/A). 12 So sehen alle Bundesländer sowohl in § 111 GWB und in den Vertraulichkeitsvorschriften der Verdingungsordnungen dem IFG vorgehende Spezialregelungen – Dies ergab eine Anfrage des forum vergabe e. V. bei allen zuständigen Landesministerien – Monatsinfo forum vergabe e. V. 6/2002, S. 88 und Monatsinfo forum vergabe e. V. 7–8/2002, 102; so auch Holtfester, NZBau 2002, 189, 193; Monats-

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der Schwellenwerte ergibt sich dieser Vorrang darüber hinaus aus Art. 31 GG („Bundesrecht bricht Landesrecht“), da die speziell vergaberechtlichen Informationspflichten in den §§ 27 Nr. 1 S. 2 i. V. m. 27 a VOB/A, §§ 27 Nr. 1 i. V. m. 27 a VOL/A; § 17 IV VOF und die vergaberechtlichen Geheimhaltungsvorschriften über die VgV hier den Rang einer Bundesverordnung haben. Sie gehen daher dem Landesinformationsgesetzen vor.13 Im Übrigen ist der Vorrang des Bundesrechts bzw. der spezialgesetzlichen Geheimhaltungsregelungen auch in den Informationsgesetzen14 selbst vorgesehen.15 2. Selbst wenn man die IFG für anwendbar hielte, wird der Informationsanspruch durch die in den IFG selbst bestehenden Einschränkungen begrenzt, so dass er jedenfalls keinen Primärrechtsschutz vor Zuschlagserteilung gegen die Zuschlagsentscheidung sichern kann. – Die IFG würden eine Informationsbereitstellung vor Zuschlagserteilung verbieten. Sie sehen meist vor, dass ein Informationsrecht bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht besteht, wenn es um Informainfo forum vergabe e. V., 2/2002, S. 22 f.; Monatsinfo forum vergabe e. V. 6/2002, S. 88; das IFG NRW halten für subsidiär gegenüber anderen Auskunftsrechten WolfHegerbekermeier/Pelizäus, DVBl 2002, 955, 957; mit anderer Tendenz aber Raabe/ Helle-Meyer, NVwZ 2004, 641, 642 ff. 13 Nach Wolf-Hegerbekermeier/Pelizäus, DVBl 2002, 955, 957 kann dagegen auf den Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ im Verhältnis des der Landes-IFG zur bundesrechtlichen Informationsrechten nicht zurückgegriffen werden. Art. 31 GG greift nur ein, wenn 2 Normen den gleichen Lebenssachverhalt mit unterschiedlichen Rechtsfolgen regeln. Für die Landes- IFG gäbe es aber gerade keine vergleichbare bundesrechtliche Regelung, die einen allgemeinen Informationszugang zu Behördeninformationen schafft. Es könne daher für die Bestimmung des Verhältnisses der IFG zu anderen Gesetzen nur auf den Spezialitätsgrundsatz zurückgegriffen werden. Kritisch zur Anwendung von Art. 31 GG auch Raabe/Helle-Meyer, NVwZ 2004, 641, 644. 14 Vgl. § 17 III IFG Berlin; § 4 II IFG NRW; §§ 5 I S. 2 i. V. m. 4 III AIG; vgl. auch Stollmann, VR 2002, 309, 310. 15 So auch der Runderlass des Brandenburgischen Ministeriums des Inneren für die Ausübung der Kommunalaufsicht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens Nr. 1/2001 v. 5.1.2001, ABl. für Brandenburg Nr. 5 v. 31.1.2001, S. 101, 106 Punkt 4. 2. In der Begründung zum Entwurf des IFG Bund wird ebenfalls ausdrücklich von einer Spezialität der Informationsregelungen im Bereich des Auftragswesens gegenüber dem IFG ausgegangen. Es wird hier auf die Regeln über die Vertraulichkeit in den Verdingungsordnungen (s. o.) und über das Akteneinsichtsrecht in § 111 GWB verwiesen. – vgl. Begründung zu § 4 Satz 1 Nr. 1 und zu § 6 S. 1. Wenn man hier von einer konkurrierenden Bundesgesetzgebungskompetenz für das Vergaberecht und damit auch für die vergaberechtlichen Informationspflichten (ggf. als Annex) ausgeht, ist darüber hinaus fraglich, ob den Ländern für diesen Bereich überhaupt die Gesetzgebungskompetenz zustünde, vgl. dazu auch Raabe/ Helle-Meyer, NVwZ 2004, 641, 643 f.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

tionen geht, die der unmittelbaren Vorbereitung von Entscheidungen dienen (§ 10 I IFG Berlin; § 7 I IFG NRW; § 4 I Bund-E)16. Auch das Vergabeverfahren ist als Verwaltungsverfahren i. S. d. Informationsgesetze anzusehen17 und dient der unmittelbaren Vorbereitung der Vergabeentscheidung. Nach dem Willen aller Landesgesetzgeber fällt das fiskalische Handeln der öffentlichen Hand, also auch die Auftragsvergabe unter diesen Ausschlusstatbestand,18 so dass vor Zuschlagserteilung ein Informationsanspruch nicht besteht. Dabei kann auch berücksichtigt werden, dass der Ausschluss des Informationszugangs im laufenden Verwaltungsverfahren in den IFG viel weiter ausgestaltet ist, als nach den Umweltinformationsgesetzen.19 – Der Anspruch auf Akteneinsicht bzw. auf Auskunft über die Akten ist von einem Antrag abhängig. Die Behörde muss dann die Informationen unverzüglich, spätestens aber einen Monat nach Antragstellung zugänglich machen.20 Es lässt sich also für den Antragsteller kaum sicherstellen, dass er Auskunft über die Vergabeakten exakt in der Zeit nach erfolgter Zuschlagsentscheidung, aber noch vor Zuschlagserteilung erhält. 16 In Brandenburg ist nach § 2 V AIG Brandenburg „in laufenden Verfahren das Akteneinsichtsrecht nur nach Maßgabe des anzuwendenden Verfahrensrechts gewährt.“ Daraus folgt, dass das AIG hier generell, ohne die obige Einschränkung (unmittelbare Vorbereitung von Entscheidungen), keinen Anspruch auf Akteneinsicht gibt. Diese Auslegung liegt auch ausdrücklich dem Runderlass des Ministeriums des Inneren für die Ausübung der Kommunalaufsicht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Nr. 1/2001 v. 5.1.2001, ABl. für Brandenburg Nr. 5 v. 31.1.2001, S. 101, 106 Punkt 4.2) zu Grunde. (Dieser Auslegung steht also nicht entgegen, dass in § 4 II Nr. 2 und 3 AIG Einschränkungen des Informationsrechts vorgesehen sind, die nur bei einem grundsätzlich bestehenden Informationsanspruch auch vor Abschluss des Verfahrens Sinn machen. Dies spricht bei dieser (zweifelhaften) Auslegung dennoch nicht dafür, dass § 2 V AIG Brandenburg nur eine Kollisionsregel. Sie ist also nicht nur eine Regelung zum Verhältnis des bestehenden Informationsanspruchs zu anderen Gesetzen.). 17 Auch wenn es nicht auf den Erlass eines VA oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist (§ 35 VwVfG). – so zu Recht Holtfester, NZBau 2002, 189, 191 f. Davon geht auch der Entwurf für das IFG Bund aus. In der Begründung zu § 4 I des Entwurfs IFG Bund heißt es: „Der Begriff des Verwaltungsverfahrens in Satz 1 ist . . . in einem weiten, über § 9 VwVfG hinausgehenden Sinn zu verstehen. Gemeint sind auch Verfahren im schlichthoheitlichen oder fiskalischen Bereich.“; so auch Wolf-Hegerbekermeier/Pelizäus, DVBl 2002, 955, 956 für die Rechtslage nach dem IFG NRW. 18 Dies ergab eine Anfrage des forum vergabe e. V. bei allen zuständigen Landesministerien – Monatsinfo forum vergabe e. V. 6/2002, S. 88. Dies gilt auch nach § 2 Nr. 3 für den IFG-Entwurf des Bundes, vgl. Kloepfer, Informationsrecht, § 10 Rn. 41. 19 Gurlit, DVBl 2004, 1119, 1130 f. Zum UIG Fluck/Wintterle, VerwArch 2003, 437 ff.

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Die nichtberücksichtigen Unternehmer erfuhren also im Regelfall erst nach dem Vertragsschluss (der Auftragsvergabe) durch die Nachinformation nach den Verdingungsordnungen (oder durch andere Quellen, etwa aus der Presse21) von der für sie negativen Auswahlentscheidung und den Gründen für diese Entscheidung.22 Damit ist es ihnen auch erst zu diesem Zeitpunkt möglich, von einem bei der Zuschlagsentscheidung gemachten Vergabefehler Kenntnis zu erlangen. Allerdings nützt diese Kenntnis nichts mehr, da wegen § 114 II GWB wie gezeigt keine Primärrechtsschutzmöglichkeit mehr besteht. Eine Nachprüfung eines Vergabefehlers, der erst bei der Zuschlagsentscheidung passiert, ist damit nicht möglich. Ist das Vergabeverfahren bis zur Zuschlagserteilung fehlerfrei abgelaufen, kommt auch eine frühere Einleitung des Nachprüfungsverfahrens nicht in Betracht. Es liegt ein strukturelles Informationsdefizit vor.23 Die Durchsetzung von Primärrechtsschutz war also bisher davon abhängig, dass die Bieter etwa durch Indiskretion von der Zuschlagsentscheidung erfahren und so in Erfahrung bringen konnten, wo Vergaberechtsverstöße zu erwarten sind.24 In diesem seltenen Fall konnte noch vor Zuschlagserteilung ein Nachprüfungsverfahren mit Suspensiveffekt auch über die Zuschlagsentscheidung eingeleitet werden. An den dementsprechenden Entscheidungen der Vergabenachprüfungsinstanzen zeigt sich, dass rechtlich auch eine Zuschlagsentscheidung aufgehoben werden konnte. Damit war der primäre Vergaberechtsschutz zum Teil auf irreguläre Informationsbeschaffung angewiesen, was schon für sich genommen bedenklich ist.25 Das damit festgestellte Rechtsschutzdefizit durch die faktische Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung war besonders problematisch, da sie 20

§ 7 I IFG Schleswig-Holstein; § 5 II IFG-NRW; § 7 I IFG Brandenburg, wonach das Verfahren der Einsicht durch die Behörde nach freiem Ermessen bestimmt wird; vgl. aber § 14 I IFG Berlin. 21 Rust, NZBau 2000, 66 bezeichnet es als den klassischen vergaberechtlichen Konfliktfall, dass die unterlegenen Bieter erst aus der Tagespresse von der Zuschlagserteilung an den Konkurrenten erfahren. 22 Wegen ihrer gleichzeitigen Kenntniserlangung fallen daher auch Zuschlagsentscheidung und Vertragsschluss/Zuschlagserteilung faktisch zusammen (dazu unten mehr); Wittig, S. 99. 23 Ulbrich/Waldner, BauR 1999, 1082, 1088. 24 Dies stellte 1998 Platzer, ÖZW 1998, 49, 51 auch schon für das österreichische Recht fest. 25 Selbst wenn eine solche Indiskretion passiert, werden nicht alle Bieter in der gleichen Weise informiert, sodass schon darin ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und eine Ungleichbehandlung zu sehen ist. – Elsner, A 187. Auch Gröning, ZIP 1999, 52, 58 spricht davon, dass die Durchsetzung des Rechtsschutzes damit etwas zufällig wird. Er empfindet dies zwar als unbefriedigend, meint aber, dass sich hier Gefahren realisieren, die dem Ausschreibungssystem immanent sind.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

die für den Bieter wichtigste Entscheidung im Vergabeverfahren ist. Sehr viele, wenn nicht sogar die meisten Vergabefehler26 manifestieren sich erst in der Zuschlagsentscheidung und konnten so nicht mehr beseitigt werden.27 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Rechtsschutzdefizit auf die mangelnde Abstimmung zwischen Rechtsschutzbestimmungen und Vergabeverfahrensbestimmungen zurückgeht: Das Nachprüfungsrecht schließt einen Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung aus, während das Vergabeverfahrensrecht verhindert, dass die Bieter bzw. Bewerber rechtzeitig vor Zuschlagserteilung von Vergaberechtsverstößen (bei der Zuschlagsentscheidung) Kenntnis erlangen (strukturelles Informationsdefizit).28 Das Rechtsschutzdefizit ergibt sich hier also aus der Rechtsschutzverweigerung nach Zuschlagserteilung durch § 114 II GWB und deren Kombination mit der gleichzeitig vorliegenden Intransparenz des Vergabeverfahrens.29 Anders ausgedrückt ist Ursache für dieses Rechtsschutzdefizit folglich die Kombination der Rechtsschutzverweigerung in § 114 II GWB mit dem – auf dem gleichzeitigen Kenntniserlangen basierenden – faktischen Zusammenfallen von Zuschlagsentscheidung und Vertragsschluss30.31 Dagegen ist das Zusammenfallen von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss (und die damit zusammenhängende fehlende Bekanntmachung der Zuschlagserteilung), wenn man auf der Basis der Geltung des § 114 II GWB diskutiert, entgegen verbreiteter Äußerungen32 nicht der Grund für den mangelnden Rechtsschutz (nicht einmal für das Informationsdefizit33). 26

So passieren sehr viele Vergabefehler bei der Angebotswertung. Ax, ZVgR 2000, Heft 2, Seite II, IV. 28 Ulbrich/Waldner, BauR 1999, 1082, 1088. Man kann also der Auffassung sein, dass damit die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung in Deutschland nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich unmöglich ist. Denn zwar ist die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung nach den Vergaberechtsschutzregeln möglich, nicht aber nach dem Vergabeverfahrensrecht, weil dies eben keine Information über die Zuschlagsentscheidung vorsieht bzw. diese Information verhindert. 29 Schon vorweggenommen sei daher die Bemerkung, dass sich das Rechtsschutzdefizit deswegen entweder durch Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung oder durch das Ermöglichen der nachträglichen Aufhebung des Vertrages/Zuschlagserteilung über eine Änderung von § 114 II GWB beheben ließe. 30 Und dem daraus resultierenden Informationsdefizit. 31 Das Rechtsschutzdefizit ist folglich nicht zwingende Folge allein dieses Zusammenfallens, denn der Gesetzgeber hätte ja auch den Vertragsschluss nachträglich als aufhebbar gestalten können (also keine Regelung wie § 114 II GWB). Man kann das Rechtsschutzdefizit auch so umschreiben, dass vor Erlass der VgV das den Bieter sichernde Zuschlagsverbot nach § 115 I GWB oft nicht herbeigeführt werden konnte – Waldner, S. 203. 32 In diese Richtung etwa Waldner, S. 221 und Meyer, WuW 1999, 567, 569. 27

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Würde man die Zuschlagserteilung vom Vertragsschluss trennen und sie bekannt machen, wäre sie damit noch nicht überprüfbar, da § 114 II GWB weiterhin auf die Zuschlagserteilung abstellt und diese nicht aufhebbar ist. Also auch dann, wenn der Bieter vor Vertragsschluss von der bereits vorgenommenen Zuschlagserteilung erfahren würde, wäre eine Überprüfung der Zuschlagserteilung wegen § 114 II GWB nicht möglich.34 3. Zwischenergebnis Eine Überprüfung und Korrektur der Zuschlagsentscheidung war auch schon vor dem Erlass von § 13 VgV bei rechtzeitiger Kenntnis rechtlich möglich. Tatsächlich fehlte es aber an einer primären Rechtsschutzmöglichkeit, weil gerade diese Kenntnis fehlte.35 In Bezug auf die Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung bestand also ein Rechtsschutzdefizit.

33 Denn das Zusammenfallen von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss führt nicht allein zwingend zu einem Informationsdefizit auch für die Zuschlagsentscheidung, sondern nur, wenn auch die Zuschlagsentscheidung selbst nicht transparent ist. Denn die Zuschlagsentscheidung selbst – als von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss zu trennende Entscheidung, a. a. O. – kann vorher bekannt gemacht werden. Damit wird das Informationsdefizit behoben, ohne dass das Zusammenfallen von Zuschlag(serteilung) und Vertragsschluss aufgegeben wurde. Ein solcher Weg wurde dann auch mit dem Erlass von § 13 VgV gewählt. 34 Damit ist nicht das Zusammenfallen von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss als solches (und die fehlende Bekanntmachung der Erteilung), sondern die darauf basierende Fassung des § 114 II GWB (Abstellen auf die Zuschlagserteilung) der Grund für den mangelnden Rechtsschutz. Die Aussage, dass Grund für das Rechtsschutzdefizit das Zusammenfallen von Zuschlag(serteilung) und Vertragsschluss ist, macht nur Sinn, wenn man darauf abstellt, dass auf diesem Zusammenfallen der § 114 II GWB, also die Unüberprüfbarkeit der Zuschlagserteilung, basiert (A I. 3.: Bereits mit der gesetzlichen Regelung der Unzulässigkeit der Aufhebung der Zuschlagserteilung kann das gesetzgeberische Ziel des Bestandsschutzes des Vertrages erreicht werden.). Argumentationskette: Ohne das Zusammenfallen von Zuschlag und Vertragsschluss würde § 114 II GWB nicht die Aufhebung des Zuschlags, sondern die des Vertragsschlusses verbieten. Aber selbst wenn § 114 II GWB auf den Vertragsschluss abstellte, wäre nur Rechtsschutz gesichert, wenn die Zuschlagserteilung vor Vertragsschluss bekannt gemacht würde. 35 So auch Boesen, Ergänzung zu § 107 Rn. 14 ff. und § 114 Rn. 34 ff. im Hinblick auf die Alcatel-Entscheidung, B. I. und C. I.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

4. Verschärfung der negativen Folgen der mangelnden Primärrechtsschutzmöglichkeiten gegen die Zuschlagsentscheidung durch den ungenügenden Sekundärrechtsschutz Die aufgezeigte faktische Unmöglichkeit des Primärrechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung ist dadurch noch problematischer, dass auch im Sekundärrechtsschutz Schadensersatzansprüche meist nicht mit Erfolg geltend gemacht36 werden können: a) § 126 GWB Zunächst kann der übergangene Bieter Schadensersatzansprüche gegen den Auftraggeber auf § 126 GWB37 stützen. Wegen seiner weiten Anspruchsvoraussetzungen wird dieser Anspruch auch oft geltend gemacht werden können.38 Allerdings ist der Anspruchsumfang des § 126 GWB mit dem Ersatz der Angebotskosten keine ausreichende Sanktion für den Auftraggeber.39 b) Sonstige Schadensersatzansprüche Die anderen möglichen Schadensersatzansprüche, die zwar vom Ersatzumfang weitergehen, scheitern jedoch meist an Beweisproblemen: aa) §§ 311 II i. V. m. 241 II, 280 I BGB (Culpa in Contrahendo) Die cic40 ist neben § 126 GWB die praktisch wichtigste Anspruchsgrundlage für Schadensersatzforderungen in Vergabesachen, zumal hier zuneh36 Für den sekundären Rechtsschutz im Vergaberecht sind beim BGH in erster Linie der VII., VIII. und der X. Zivilsenat zuständig (Schnorbus, BauR 1999, 77, 104 Fn. 158). 37 Zu dessen Auslegung vor dem Hintergrund der Richtlinienvorgaben, Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 183 f., der sich krit. zu der nach seiner Auffassung viel zu engen Auslegung der „echten Chance“ bei Glahs, in: Reidt, § 126 Rn. 24 und Niebuhr, § 126 Rn. 21 wendet. 38 Ein Muster für eine Schadensersatzklage des benachteiligten Bieters nebst Erläuterungen findet sich im Beck’schen Formularbuch für Vergaberecht unter C. III. 2. 39 Waldner, S. 206. Allerdings können im Einzelfall auch die Angebotserstellungskosten eine beträchtliche Höhe haben. So lagen im Fall BGHZ 139, 259 die geltend gemachten Kosten für die Angebotserstellung bei über 75.000 Euro. 40 Nach einer Auffassung hat sich im Bereich oberhalb der Schwellenwerte mit der Einführung des Vergaberechtsänderungsgesetzes eine Veränderung der Anspruchsgrundlage ergeben. Mit der Erhebung der Vergaberegeln zu subjektiven Rechten (§ 97 VII GWB) wird ein einseitiges gesetzliches Schuldverhältnis i. S. des

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mend auch die Möglichkeit des Ersatzes des positiven Interesses anerkannt wird.41 Dennoch wird sich zeigen, dass auch der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aus der cic zahlreiche Schwierigkeiten entgegenstehen.42 Die cic ist im Zuge des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes durch die §§ 311 II i. V. m. 241 II, 280 I BGB gesetzlich geregelt worden. Inhaltlich hat sich dadurch nichts (Wesentliches) geändert, so dass die bisherigen Urteile auch auf der Basis der neuen Rechtslage ergangen wären und damit übertragbar sind.43 Das Vergabeverfahren ist ein formalisierter Prozess der Vertragsanbahnung. Die Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung44 bzw. (an einer anderen Vergabeverfahrensart) begründet nach allgemeiner Auffassung ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Ausschreibenden und dem interessierten Bieter.45 Dieses begründet für alle Beteiligten besondere § 241 BGB geschaffen, so dass nicht mehr die cic, sondern pFV einschlägig sein soll – Erdl, BauR 1999, 1341, 1347 Fn. 36; Wagner, Anm. zu BGH, Urt. v. 16.10.2001, VergabeR 2002, 44. Dies überzeugt nicht, da das Vergabeverfahren, und damit die Pflichtverletzung, nach wie vor dem vorvertraglichen, nicht rechtsgeschäftlichen Bereich zuzuordnen ist, vgl. auch näher Motzke, in: Motzke/Pietzcker/ Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 3 und 12. 41 Ein solcher Anspruch ist etwa bejaht worden von OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.2001 – U (Kart) 9/00, IBR 2001, 440 (Schwenker). 42 Ausf. zur cic im Vergabereich Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 59 ff.; Ackermann, ZHR 164 (2000), 394, 413; zum österreichischen Recht vgl. Rummel, ÖZW 1999, 1, 2 ff. 43 So auch Willenbruch, Anm. zu OLG Schleswig, Urt. v. 6.11.2001 – 6 Kart U 44/01, VergabeR 2002, 321; Weihrauch, Anm. zu OLG Jena, Urt. v. 27.2.2002, VergabeR 2002, 424. 44 Der genaue Beginn der Sonderbeziehung ist umstritten. – dazu Schnorbus, BauR 1999, 77, 81 f. (dort auch zum genauen Ende des vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses); Erdl, S. 190, Fn. 359; Bartl, Rn. 42; Opitz, NZBau 2002, 19, 20; Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 103 ff. Nach Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, § 126 Rn. 21 und Irmer, S. 144 ff. ist nach den verschiedenen Vergabearten zu differenzieren; Ingenstau/Korbion-Vygen, Einl. Rn. 56. Nach jüngeren Entscheidungen des BGH liegt der Beginn der Sonderbeziehung zumindest spätestens in der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen: BGH NJW 2000, 661, 662; BGHZ 139, 259, 260 f.; so auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.6.2001 – 9 U 203/00, NZBau 2002, 109. 45 So bereits BGHZ 49, 77, 79; zuletzt BGH, Urt. v. 3.6.2004, VergabeR 2004, 604 m. Anm. Hübner = WuW 2004, 988 (Verg 976); vgl. auch BGHZ 120, 281, 284; OLG Nürnberg, Urt. v. 18.9.1985 – 4 U 3597/84, NJW 1986, 437; BGH, Urt. v. 26.10.1999 – X ZR 30/98, NZBau 2000, 35, 36; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.3.2000, Verg. 4/00, WuW 2000, 821, 822 m. w. N. = ZVgR 2000, 217, 218 ; OLG München, Urt. v. 18.5.2000 – U (K) 5047/99, NZBau 2000, 590; Portz, ZVgR 1998, 596; Roebling, Jura 2000, 453, 455 m. w. N.; zur dogmatischen Herlei-

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Rechte und Pflichten, bei deren Verletzung ein Schadensersatzanspruch aus Culpa in contrahendo geltend gemacht werden kann.46 Die Pflichten des Auftraggebers leitet der BGH nicht nur aus dem allgemeinen Gebot aus Treu und Glauben ab, sondern zur Konkretisierung der Pflichten aus dem Vertrauensverhältnis werden die Verdingungsordnungen herangezogen.47 Wenn der Bieter sich dem formalisierten Verfahren unterwirft, soll er auch darauf vertrauen dürfen, dass die der Vergabe zugrunde liegenden Bestimmungen eingehalten werden.48 (1) Der Schadensersatzanspruch aus cic unterliegt aber folgenden Grenzen Für die praktische Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs ergeben sich aber zahlreiche Probleme des Anspruchsstellers: (a) Begrenzter Vertrauenstatbestand Die von der Vergabestelle gewählte Vergabeart bestimmt zugleich den Schutzumfang des Vertrauensverhältnisses. Daher kann der Bieter mit dem Anspruch aus cic nicht geltend machen, der öffentliche Auftraggeber hätte das Projekt in anderer Art und Weise vergeben müssen.49 Ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis ist auch nicht zu allen Bietern gegeben. Wenn anstatt offen rechtswidrig nur beschränkt ausgeschrieben wird, kann ein nicht eingeladener Bieter keine Ansprüche aus cic geltend machen, da zu ihm schon keine Vertragsanbahnung erfolgt ist.50 Auch wenn sich der Ausschreibende in der Ausschreibung nur an bestimmte Bieter wendet (also etwa nur ein Produkt der Firma X ausschreibt51), kommt ein vorvertragliches Vertung des cic-Anspruchs für das Vergabeverfahren und zur Kritik daran vgl. Ackermann, ZHR 164 (2000), 394, 417 ff. 46 BVerwG, Urt. v. 8.3.1962 – VIII C 160/60, DÖV 1962, 626, 628; BGH v. 12.6.2001 – X ZR 150/99, NZBau 2001, 517 = DVBl 2001, 1603 = NJW 2001, 3698 = VergabeR 2001, 293 (m. Anm. Wagner) = IBR 2001, 504 und 505 (Schonebeck); OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.6.2001 – 9 U 203/00, NZBau 2002, 109. 47 BGH, NJW 2000, 137, 138 m. w. N.; Waldner, S. 37; zu den Einzelpflichten auch Ingenstau/Korbion-Vygen, Einl. Rn. 57 ff. (insbes. Mitteilungs-, Aufklärungs-, Verschwiegenheits- und Erhaltungspflichten). 48 Vgl. nur BGH, ZIP 1998, 1926, 1927; Schnorbus, BauR 1999, 77, 81 m. w. N.; so auch BVerwG, Urt. v. 8.3.1962 – VIII C 160/60, DÖV 1962, 626, 628. 49 OLG Schleswig, Urt. v. 6.7.1999 – 6 U Kart 22/99, NZBau 2000, 100, 103 m. w. N. und OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431, 434 f. (WuW/E Verg 197). 50 Kienast, S. 221; Holoubek, in: Gutknecht/Korinek/Holoubek, S. 81, 101 f. und Denk, S. 161 m. w. N. für die insoweit ident. österreichische Rechtslage.

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trauensverhältnis nur zu diesen Anbietern zu Stande. Zu den Bietern, die von vornherein rechtswidrig vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden sind, entsteht kein vorvertragliches Vertrauensverhältnis. Damit hilft die cic dem Bieter gerade in den Fällen nicht, in denen ein grober Vergaberechtsverstoß vorliegt, etwa wenn überhaupt keine Ausschreibung erfolgt oder krass diskriminierende Spezifikationen vorliegen.52 Das Vertrauen ist weiter nur schutzwürdig, wenn der Bieter nicht erkannt hat oder nicht ohne weiteres hätte erkennen müssen, dass die Vergabestelle sich nicht an das Vergaberecht hält. Nach dem Sachverhalt muss die Erwartung auf die Einhaltung der Vergaberegeln als berechtigt erscheinen.53 Nach der neueren Rechtsprechung des BGH fehlt es an einem schützwürdigen Vertrauen des Bieters bereits dann, wenn „sich ihm die ernsthafte Gefahr eines Regelverstoßes des Auftraggebers aufdrängen muss, ohne dass die Abweichung als sicher erscheint.“54 Dies ist zumindest dann der Fall, wenn die Rechtsverletzung schon aus der Ausschreibung erkennbar ist.55 Hier liegt eine weitere Lücke der cic-Haftung gerade bei groben Verstößen. (b) Schwierigkeit des Nachweises der Pflichtverletzung Der Anspruchssteller muss die Pflichtverletzung, hier also die Verletzung von Vergaberecht (beim Treffen der Zuschlagsentscheidung), nachweisen. 51

So im Fall des österr. OGH, wo nur Heizöl „Schwechat 2000“, also der Raffinerie Schwechat ausgeschrieben war. – OGH, v. 31.5.1988, 4 Ob 406/87, vgl. dazu Wilhelm, Bestbieters Sieg, S. 15 ff. 52 Vgl. Denk, S. 161. Das gleiche Ergebnis tritt bei dem Fall ein, wenn der Auftraggeber rechtswidrig nur eine Generalunternehmervergabe ausschreibt und sich deswegen Unternehmen, die nur für eine Fachlosvergabe in Betracht kommen, nicht bewerben und zu denen damit mangels Beteiligtenstellung auch kein vorvertragliches Vertrauensverhältnis entstehen kann – näher Motzke, in: Motzke/Pietzcker/ Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 70 ff. mit weiteren Fallgruppen, in denen sich der Bieter wegen fehlendem berechtigten Vertrauen nicht auf die cic berufen kann; dazu auch Feber, S. 82 ff. 53 BGH v. 12.6.2001 – X ZR 150/99, NZBau 2001, 517 = DVBl 2001, 1603 = NJW 2001, 3698 = VergabeR 2001, 293, 297 (m. Anm. Wagner) = IBR 2001, 504 und 505 (Schonebeck). 54 BGH, Urt. v. 3.6.2004, VergabeR 2004, 604, 607 m. Anm. Hübner = WuW 2004, 988 (Verg 976). 55 Vgl. KG, Urt. v. 14.8.2003 – 27 U 264/02, VergabeR 2004, 496 (Stickler) = IBR 2004, 263; so auch Holoubek, in: Gutknecht/Korinek/Holoubek, S. 81, 101 und Kienast, S. 221 m. w. N. für die identische österreichische Rechtslage. In diesem Fall können schon gar keine Aufwendungen im Vertrauen auf ein korrektes Vergabeverfahren getätigt werden. Einen solchen Fall hatte auch der österreichische oberste Gerichtshof (OGH) im obigen Sinne entschieden – OGH v. 31.5.1988, 4 Ob 406/87.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Es fällt aber in der Regel schwer zu beweisen, dass die Vergabestelle bei der Wertung der Angebote von rechtsfremden Erwägungen ausgegangen ist, da der interne Entscheidungsprozess der Vergabestelle nicht oder nur begrenzt öffentlich gemacht wird.56 Darüber hinaus ist der Vergabestelle (nach herrschender Auffassung) bei der Wertung der Angebote ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Unabhängig von ihrem Nachweis ist also schon das Bestehen der Pflichtverletzung zu verneinen, wenn der Beurteilungsspielraum nicht überschritten wurde.57 (c) Unter Umständen auch Schwierigkeit des Verschuldensnachweises Möglicherweise wird der Anspruchssteller auch Schwierigkeiten haben, das für den Anspruch aus cic erforderliche Verschulden nachzuweisen.58 Fahrlässigkeit setzt nämlich Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit voraus. Für einen unverschuldeten Rechtsirrtum muss der Schuldner nicht einstehen.59 Im Vergaberecht gibt es aber zahlreiche ungeklärte Rechtsfragen, so dass sich die Vergabestelle60 also über eine Rechtsfrage geirrt haben kann. Einige Autoren gehen daher davon aus, dass den Vergabestellen häufig wegen der zahlreichen ungeklärten Fragen im Vergaberecht der Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht gemacht werden kann.61 Dies ist insbesondere in dem Fall anzunehmen, in dem die Vergabestelle zuvor noch Rechtsrat eingeholt hat, der sich im Nachhinein als unrichtig herausstellte.62 Es muss aber beachtet werden, dass an die Entlastung durch Rechtsirrtum strenge Anforderungen gestellt werden.63 Auch wenn der Schuldner seine eigene Rechtsansicht sorgfältig gebildet hat, handelt er auf sein eigenes Risiko und damit 56 Roebling, Jura 2000, 453, 455. Das Aktenteinsichtsrecht des § 111 GWB hilft nur in den Fällen, in denen vor Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs vor den ordentlichen Gerichten ein Verfahren vor der Vergabekammer durchgeführt wurde. 57 Dazu sogleich bei der Schwierigkeit des Kausalitätsnachweises. 58 Vgl. LG Chemnitz, Urt. v. 23.5.2002, 1 O 4857/01, S. 7, wo der Nachweis des Verschuldens verneint wurde. Zur Zurechnung des Verhaltens der Mitarbeiter an den öffentlichen Auftraggeber, Voppel, VOF, Anh § 21 Rn. 69. 59 MK-Hanau, § 276, Rn. 117 ff. 60 Bzw. der ihr zuzurechnende Mitarbeiter (näher Voppel, VOF, Anh § 21 Rn. 69). 61 Erdl, S. 197, Rn. 395 m. w. N.; vgl. auch Lötzsch/Bornheim, NJW 1995, 2134, 2137 (in etwas anderem Zusammenhang). 62 Vgl. auch Lötzsch/Bornheim, NJW 1995, 2134, 2137 (in etwas anderem Zusammenhang). 63 Palandt-Heinrichs, § 285 Rn. 4 m. w. N. (59.A.).

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schuldhaft, wenn er mit einer anderen Beurteilung durch das zuständige Gericht rechnen muss.64 Wenn die Rechtslage objektiv nicht eindeutig zu beurteilen ist, handelt schon der schuldhaft, der seine Interessen trotz zweifelhafter Rechtslage auf Kosten fremder Rechte wahrnimmt.65 Daher wird eine Verneinung des Verschuldens des Auftraggebers nur selten in Betracht kommen. Ausgeschlossen ist dies allerdings nicht. (d) Schwieriger Kausalitätsnachweis Die größte Schwierigkeit für die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs liegt aber im zu erbringenden Nachweis der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Der Bieter muss dafür beweisen, dass bei rechtmäßigem Verlauf des Vergabeverfahrens ihm der Auftrag erteilt worden wäre, er also den Zuschlag hätte erhalten müssen.66 Dieser Nachweis ist durch ihn auch bei einem Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses zu erbringen.67 Denn auch die für das negative Interesse hauptsächlich in Betracht kommenden Angebotserstellungskosten wären nur bei dem Bieter amortisiert worden, der letztendlich den Zuschlag erhalten hätte. Einige Autoren erwecken aber im Hinblick auf letzteres fälschlich einen gegenteiligen Eindruck.68 Diese anders erscheinenden Aussagen kommen wohl daher, dass die schadensersatzrechtliche Rechtsprechung zumeist „standardmäßig“ zum Ersatz des positiven Interesses in etwa den Satz formuliert: „Der Ersatz des positiven Interesses setzt den Nachweis voraus, dass der Bieter beim rechtmäßigen Verlauf des Vergabeverfahrens den Zuschlag erhalten hätte.“ Dieser Satz könnte so missverstanden werden, dass nur für den Ersatz des positiven Interesses dieser Kausalitätsnachweis erforderlich ist. Richtigerweise ist diese Aussage aber so zu verstehen, dass Bieter, die bei rechtmäßigem Ablauf des Vergabeverfahrens 64 Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 289 m. w. N. 65 MK-Hanau, § 276, Rn. 120 unter Verweis auf die st. Rspr. des RG, BAG und BGH. 66 Wie gezeigt, ist dies für den Erfolg des den Primärrechtsschutz gewährenden vergabespezifischen Nachprüfungsverfahren anders, vgl Teil 1, unter B. III. 1. a) und OLG Dresden, Beschl. v. 12.4.2000 – W Verg 0001/00, BauR 2000, 1591 = ZVgR 2000, 262, 264. 67 So auch ausdrücklich OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431, 435 (WuW/E Verg 197); Lötzsch/Bornheim, NJW 1995, 2134, 2137 m. w. N.; ausdrücklich auch Riese, S. 297; Schenk, S. 100; Motzke, in: Motzke/Pietzcker/ Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 178; Sturm, RPA 2004, 6, 10 f. 68 Vgl. z. B. Wilhelm, in: Rill/Griller, S. 265, 277; Ingenstau/Korbion-Vygen, Einl. Rn. 69 f. (richtig aber wieder Ingenstau/Korbion-Portz, A § 26 Nr. 2 Rn. 41).

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

den Zuschlag erhalten hätten, nicht nur das negative Interesse, sondern zusätzlich das positive Interesse (inkl. des entgangenen Gewinns) verlangen können. Die Vergaberegeln schreiben vor, dass der Zuschlag auf „das wirtschaftlichste Angebot“ zu erteilen ist (vgl. etwa § 25 Nr. 3 III S. 2 VOB/A). Der konkrete Anspruchssteller muss also nachweisen69, dass er das „wirtschaftlichste Angebot“ abgegeben hat: Das bedeutet zunächst, dass ein Schadensersatzanspruch meist nur durch einen einzigen Bieter, nicht aber durch sämtliche Bieter, die sich an der Ausschreibung beteiligt haben, mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden kann.70 Die nachrangigen Bieter können also auch nicht die Kosten der Angebotserstellung als negatives Interesse geltend machen. Dies ist nicht möglich, da diese Kosten durch die Pflichtverletzung, den Vergaberechtsverstoß, nicht kausal entstanden sind. Die Aufwendungen für die Angebotserstellung hätten die nachrangigen Bieter auch bei rechtmäßigem Verlauf des Vergabeverfahrens „nutzlos“ erbracht. Nur im Falle des Zuschlags hätten sie diese Kosten aus dem Gewinn, den ihr der Auftrag gebracht hätte, ersetzen können.71 Im Ergebnis hat die Mehrzahl der Bieter nicht einmal ein Anspruch auf die Beteiligungskosten. Zum anderen wird selbst für den Bestbieter der Nachweis seiner Bestbieterstellung schwierig sein: Zum einen kennt der Bieter die Angebotsunterlagen der konkurrierenden Bieter nur begrenzt.72 Zum anderen ist nach herrschender Auffassung der Vergabestelle bei der Wertung der Angebote 69 Für den Nachweis ist grundsätzlich die volle Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit der behaupteten Tatsache nötig – Erdl, S. 194, Rn. 386. 70 Voppel, VOF, Anh § 21 Rn. 70; Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 218 f. und Franke/Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 26 VOB/A Rn. 118. 71 BGH, Urt. v. 26.3.1981, NJW 1981, 1673; dazu auch Erdl, S. 192, Rn. 383 m. w. N.; Feber, S. 89; Schenk, S. 100; Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 178 und 180; Binder, ZZP, 113. Band (2000), 195, 201 Fn. 37 m. w. N. aus der Rspr. Die anderen Ansichten, die die Angebotserstellungskosten generell ersetzen wollen (Schäfer, S. 52) sind daher falsch. Eine Ausnahme, d.h. Ersatz der Angebotserstellungskosten auch beim nachrangigen Bieter, besteht allerdings dann, wenn bereits die Ausschreibung als solche rechtswidrig war. Ohne diese pflichtwidrige Ausschreibung hätte kein Bieter Aufwendungen gehabt, hier ist also die Kausalität zu bejahen, folglich das negative Interesse zu ersetzen. – Feber, S. 90; Byok, § 126 Rn. 927 (Gronstedt); Faber, DÖV 1995, 403, 410. 72 Die Bieter dürfen nichts von der Beschaffenheit der Leistungsalternativen ihrer Konkurrenz erfahren, die aber gerade für die Vergabeentscheidung oft den Ausschlag gibt, Schelle, Anm. zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.12.1997, IBR 1998, 365, wo der Anspruch des Bieters genau deswegen abgelehnt wurde, dass er nicht beweisen konnte, dass er bei ordnungsgemäßer Vergabe zum Zuge gekommen wäre.

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(Frage nach wirtschaftlichstem Angebot) – wie auch bei der Eignungsprüfung73 – ein Beurteilungsspielraum eingeräumt74, so dass der Anspruchssteller dessen Überschreitung nachweisen muss. Einige Nachprüfungsinstanzen und Autoren sprechen hier fälschlich von „Ermessen“.75 Es liegt aber weder bei der Wertung der Angebote noch bei der Bestimmung der Eignung ein Ermessen des Auftraggebers vor. So regelt § 97 V GWB und § 25 Nr. 3 VOL, § 16 I VOF, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist. Nach § 25 Nr. 2 VOL/A sind nur geeignete Bieter zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Vergaben nach 73 OLG Hamburg, Beschl. v. 21.1.2000, IBR 2000, 101 (Wittchen), wonach diese Beurteilung eine Prognoseentscheidung ist und daher der Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum hat; so auch Achenbach, S. 214 ff.; OLG Düsseldorf Beschluss v. 10.5.2000 – Verg 5/00, ZVgR 2000, 224 = NZBau 2000, 540, 541; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.7.2001 – Verg 16/01, VergabeR 2001, 419, 423 m. Anm. Trautner; Noch, Vergaberecht kompakt, 2. Aufl., S. 203. Auch beim Ausschluss eines Bieters nach § 25 Nr. 3 Abs 1 (unangemessen niedriger Preis) und § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 1 VOB/A (Erwartung nicht einwandfreier Leistungsausführung) steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu – OLG Naumburg, Beschl. v. 7.5.2002 – 1 Verg 19/01, ZfBR 2002, 618, 620 (nicht überschritten). 74 OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.4.2000 – 2 Verg 3/00 (zit. nach Jaeger, NZBau 2001, 427, 430); BGH, BauR 1985, 75, 76; OLG Düsseldorf Beschluss v. 10.5.2000 – Verg 5/00, NZBau 2000, 540, 541; dazu auch Jaeger, NZBau 2001, 427, 430; Achenbach, S. 214 ff.; Thüringer OLG, Beschl. v. 22.12.1999 – 6 Verg 3/99, BauR 2000, 396, 402 und Thüringer OLG, Beschluss v. 13.10.1999 – 6 Verg 1/99, BauR 2000, 388, 393, das sogar davon spricht, dass die Annahme des „erheblichen Beurteilungs- und Ermessensspielraums“ „allgemeiner Auffassung“ entspricht – zu diesen beiden Entscheidungen auch Kraus, BauR 2000, 1545, 1555 f.; OLG Hamburg, Beschl. v. 25.2.2002 – 1 Verg 1/01, NZBau 2002, 519, 521; OLG Naumburg v. 22.12.1999 – 1 Verg 4/99, IBR 2000, 104 – Schelle; Erdl, S. 195, Rn. 388 ff. m. w. N.; Kratzenberg, NZBau 2001, 119, 120; vgl. auch die Nachweise in Fn. 77 und zum Ganzen auch die Nachweise bei Opitz, BauR 2000, 1564, 1565 ff. Auch der Europäische Gerichtshof geht von einem Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum bei der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots aus (z. B. EuGH, Slg. 1987, 4635 (Beentjes). Der EuGH und das Gericht erster Instanz nahmen für Fälle, in denen Vergabeentscheidungen der EG-Organe überprüft werden, an, dass die gerichtliche Kontrolle auf die Frage beschränkt werden müsse, ob kein schwerer oder offenkundiger Fehler vorliegt (EuGH, Urt. v. 25.2.2003, T-183/01 (Strabag Benelux NV), ZfBR 2003, 396, 400; EuGHE II-1996, 321 und 1998, 4239). 75 So spricht das Thüringer OLG, Beschluss v. 13.10.1999 – 6 Verg 1/99, BauR 2000, 388, 393 bei einer VOL – Vergabe von einem „Beurteilungs- und Ermessensspielraum“. Von einem „Ermessen“ bei der Eignungsprüfung spricht auch das KG, Beschl. v. 18.7.2002, KartVerg 4/02, VergabeR 2003, 78, 81. Des Weiteren LG Gera, Urt. v. 7.11.2000 – 8 S 401/, BauR 2001, 957 = IBR 2001, 449 (Schelle), dass davon ausgeht, dass kein Verschulden vorliege, da die Vergabestelle ihr „Ermessen“ sachgerecht ausgeübt habe. Zur falschen Verwendung des Begriffes auch Opitz, BauR 2000, 1564, 1565 ff. und Kaelble, ZfBR 2003, 657, 661 Fn. 42.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

der VOB. Hier „soll“ zwar nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden. Oberhalb der Schwellenwerte geht dem aber § 97 V GWB vor, nachdem der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist. § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A lässt also dem Auftraggeber nur unterhalb der Schwellenwerte, wo § 97 V GWB nicht gilt, einen Ermessensspielraum. Wirklich ein Ermessen kann es beim Ausschluss eines Angebots geben.76 Der Beurteilungsspielraum bei der Eignungsprüfung wird nach der Entscheidungspraxis überschritten, wenn ein vorgeschriebenes Verfahren nicht eingehalten wird, wenn nicht von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wird, wenn sachwidrige Erwägungen in die Wertung einbezogen werden oder wenn der sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung haltende Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewandt wird.77 Allerdings wird dem Anspruchssteller hier von der Rechtsprechung zum Teil durch Beweiserleichterungen geholfen. Steht fest, dass ein Vergabefehler vorliegt, kehrt sich danach die Beweislast um. Die Vergabestelle muss beweisen, dass der Anspruchssteller Zuschlag nicht erhalten hätte. Es wird hier eine Parallele zur Rechtsprechung des BGH zum Nachweis der Kausalität bei Amtshaftungsansprüchen durch fehlerhafte Stellenbesetzung gezogen werden. Auch dort könnte sich die Einstellungsbehörde wegen des hier eingeräumten Beurteilungsspielraums bei der Auswahl des einzustellenden Beamten regelmäßig darauf zurückziehen, dass trotz des Amtspflichtverstoßes jedenfalls ein anderer Bewerber den Vorzug erhalten hätte,78 weswegen auch hier inzwischen u. U. Beweiserleichterungen anerkannt werden.79 Deswegen wurden durch den BGH Beweiserleichterungen zugunsten 76 Der Vergabestelle steht bei den fakultativen Ausschlussgründen des § 25 Nr. 1 Abs. 2 (auf der Rechtsfolgenseite) ein Ermessen zu, d.h. er kann, muss aber nicht ausschließen. Die Entscheidung über den Ausschluss wird dann nur auf Ermessensfehler überprüft – VK Bund, Beschl. v. 16.11.1999 – VKA-9/99, NZBau 2000, 107; VK Rheinland-Pfalz – Beschl. v. 7.6.2002 – VK 13/02, S. 5; vgl. dazu auch OLG Jena, BauR 2000, 388 und Haug, Anm. zu OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.7.2004, VergabeR 2004, 648, 650. 77 OLG Rostock, Beschl. v. 16.5.2001 – 17 W 1/01, 2/01, VergabeR 2001, 315, 317 f. m. Anm. Gesterkamp = NZBau 2002, 170; VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 10.1.2001 – 1 VK 13/00, S. 12 f.; VK Lüneburg, Beschl. v. 11.6.2001 – 203-VgK-08/2001, S. 4 m. w. N. Der Beurteilungsspielraum ist aber dadurch begrenzt, dass die Vergabestelle bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht mehr auf ein „Mehr an Eignung“ abstellen und sie nur solche Zuschlagskriterien heranziehen darf, bei der Aufforderung zur Abgabe der Angebote (in der Ausschreibung) bekannt gemacht worden waren (vgl. auch § 25 a VOB/A). 78 Dazu Schnorbus, BauR 1999, 77, 103; Czybulka/Biermann, JuS 1998, 601, 607 ff. m. w. N. 79 Zuletzt BVerwG, Urt. v. 31.8.2003, DVBl. 2004, 317.

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des nicht eingestellten Beamten entwickelt.80 Gestützt auf diese Rechtsprechung hat inzwischen auch die Vergaberechtssprechung eine Beweislastumkehr anerkannt.81 Für die danach erweiterte Darlegungslast des Auftraggebers greift auch der Grundsatz der sog. sekundären Behauptungslast.82 Danach kann den Schwierigkeiten einer Partei, die Umstände beweisen muss, die zum ihrem Einblick entzogenen Bereich des Prozessgegners gehören, durch Beweiserleichterungen Rechnung getragen werden. Dennoch helfen diese Beweiserleichterungen dem Bieter nur begrenzt weiter, denn der Vergabestelle wird wegen ihres Beurteilungsspielraums der Vortrag meist nicht schwer fallen, dass sie auch bei rechtmäßiger Vergabe einen anderen Bieter als den Anspruchssteller bezuschlagt hätte. Insbesondere ihr Spielraum bei der Gewichtung der bekannt gegebenen Zuschlagskriterien ist schwer zu überprüfen. Das Gericht wird dann nicht zu der Überzeugung kommen können, dass die Vergabestelle nicht einen anderen Bewerber vor dem Kläger berücksichtigen konnte, sondern dass nur dieser das einzig annehmbare Angebot gemacht hat.83 Dabei ist weiter zu berück80

BGH, NJW 1995, 2344. OLG Schleswig, Urt. v. 6.11.2001 – 6 U 50/01, ZfBR 2002, 186, 189; für Beweiserleichterungen auch Ackermann, ZHR 164 (2000), 394, 426 f.; Erdl, S. S. 195, Rn. 388 f. und 198, Rn. 400; Jasper, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 26, Rn. 66; Faber DÖV 1995, S. 410 m.w.N; Schmitt, S. 178 f.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1986, 508, 509; OLG Düsseldorf, BauR 1990, 596, 600; OLG Celle, BauR 1996, 860, 860; Schäfer, S. 51 f.; in diese Richtung auch BGH, Urt. v. 26.3.1981, NJW 1981, 1673. Dagegen hat in Österreich der OGH eine Beweislastumkehr ausdrücklich abgelehnt. Im Vergaberecht liege keine strukturell schlechte Beweislage für den Bieter vor, so dass ihm der Kausalitätsnachweis durchaus zumutbar sei, näher OGH, v. 25.3.2003, ecolex 2003, 594 ff. 82 KG Berlin, Beschl. v. 12.4.2000, Kart Verg 9/99, ZVgR 2000, 265, 266: Dem Auftraggeber eine solche sekundäre Behauptungslast aufzuerlegen, „dränge sich auf“. VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 23.11.2000 – 2 VK 4/00 (Holzhalde), S. 3 f.; BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – X ZB 14/00, ZIP 2001, 479, 482 = NZBau 2001, 151 = VergabeR 2001, 71 m. Anm. Wagner; Schnorbus, BauR 1999, 77, 98. 83 Vgl. auch Roebling, Jura 2000, 453, 456. In Fällen, in denen – wie hier – der Vergabefehler in der fehlerhaften Zuschlagsentscheidung liegt, stellt sich dieses Problem nicht erst beim erforderlichen Nachweis der Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden, sondern schon beim Nachweis, ob überhaupt eine Pflichtverletzung des Auftraggebers vorliegt: Der Bieter muss beweisen, dass die Vergabestelle bei der Auswahl des Bezuschlagten einen Fehler gemacht hat. Da aber der Entscheidungsprozess der Vergabestelle nicht öffentlich abläuft und der Vergabestelle bei der Auswahl – wie gezeigt – Beurteilungsspielraum zusteht, innerhalb dessen sie sich vergaberechtskonform verhält, ist dies sehr schwierig. 81

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sichtigen, dass der Vergabestelle der Vortrag, dass das Angebot des Anspruchsstellers auszuschließen war, oft gelingen wird. Denn ein fehlerfreies Angebot wird fast niemals abgegeben. In der schadensersatzrechtlichen Rechtsprechung für den Bereich oberhalb der Schwellenwerte (nicht aber in der Praxis der Vergabenachprüfungsinstanzen) beginnt sich hinsichtlich des Beurteilungsspielraums aber ein Wandel zu vollziehen. So hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass der Auftraggeber bei der Wertung der Angebote keine Bewertungsprärogative in Anspruch nehmen kann, die seine Entscheidung und die für sie maßgeblichen Gründe der gerichtlichen Kontrolle entziehen würde.84 Nach dieser Auffassung ergibt sich ein Spielraum der Vergabestelle nur durch ihre Bewertungsfreiheit bei der Festlegung der Art und Gewichtung der Kriterien, nach denen eine Beschaffung erfolgt.85 Die Ablehnung eines Beurteilungsspielraums wird vor allem damit begründet, dass das Vergaberecht Chancengleichheit sichern und ein rechtsstaatliches Verfahren schaffen solle, womit ein der gerichtlichen Nachprüfung entzogener Beurteilungsspielraum nicht zu vereinbaren sei. Die Funktion des Vergaberechts verlange eine Vergabeentscheidung, die frei von Wertungen, welche willkürliche Ergebnisse ermöglichen, in einem rechtsförmigen Verfahren ergeht.86 Da die Entscheidungen des BGH aber nur für Fälle von weitgehend gleichwertigen Angeboten ergingen, ist noch offen, ob der BGH auch so entscheiden würde, wenn sehr ungleiche Angebote abgegeben werden würden. Zwar hat der BGH seine Ablehnung des Beurteilungsspielraums ausdrücklich nicht auf die Fälle der gleichwertigen Angebote beschränkt, allerdings ist auch nur bei diesen gleichwertigen Angeboten der enge Kontrollrahmen leicht auszufüllen, so dass eine Entscheidung des BGH zu anderen Konstellationen abzuwarten ist.87 Es kann folglich noch nicht von einem umfassenden Rechtsprechungswandel ausgegangen werden.88 84 BGH, Urt. v. 17.2.1999 – X ZR 1001/97, NJW 2000, 137, 139 = BauR 1999, 736, 740 „Krankenhauswäsche“– dazu auch Erdl, BauR 1999, 1341, 1350 (wohl zustimmend); bestätigt durch BGH Urt. v. 26.10.1999 – X ZR 30/98 „Altenheim“, BauR 2000, 254, 257 = NZBau 2000, 35, 37 f.; OLG Rostock, Beschluss v. 10.5.2000 – 17 W 3/00, IBR 2000, 352 – Waldner; so auch LG Heilbronn, Urt. v. 19.11.2001 – 22 O 294/01, NZBau 2002, 239 = IBR 2002, 205 (Hennemann); anders aus der schadensersatzrechtlichen Rechtsprechung noch BGH, BauR 1985, 75, 76 (ausdrücklich für die Wertung) und OLG Frankfurt, BauR 1990, 91 ff. Aus der Literatur wie die neuen BGH-Entscheidungen auch Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, 97 Rn. 100 und 150 f.: unter Verweis auf die BGH Entscheidung sieht er weder bei der Eignungsprüfung noch bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung einen Spielraum; Goede, VergabeR 2002, 347, 349 ff. 85 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, 97 Rn. 150. 86 BGH, Urt. v. 17.2.1999 – X ZR 1001/97, NJW 2000, 137, 139 = BauR 1999, 736 „Krankenhauswäsche“. 87 So auch Opitz, BauR 2000, 1564, 1568.

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Aber selbst wenn man keinen gerichtsfesten Beurteilungsspielraum anerkennen würde, kann die uneingeschränkte Nachprüfung an tatsächliche Grenzen stoßen. Denn es ist für das Gericht – selbst unter Hinzuziehung von Sachverständigen – schwierig, bei den oft technisch komplizierten Angeboten, an denen Ingenieure monatelang gearbeitet haben, die Bewertung voll zu überprüfen.89 Der Kausalitätsnachweis wird darüber hinaus dadurch erschwert, dass die Vergabestelle geltend machen kann, sie hätte bei rechtmäßigem Verhalten auch das Verfahren nach 26 VOB/A oder 26 VOL/A ganz aufheben können90 oder den Bieter von der Teilnahme der Ausschreibung ausschließen können91 (Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten). 88 Außerdem hat der BGH in der Entscheidung vom v. 16.10.2001, X ZR 100/ 99, ZfBR 2002, 184 für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte wieder einen Beurteilungsspielraum bejaht. Vgl. zu einem weiteren, inzwischen ergangenen Urteil des BGH in diese Richtung, Dreher, Anm. zu EuGH, Urt. v. 18.6.2002, JZ 2002, 1101, 1102 Fn. 13. 89 Hennemann, IBR 2002, 205; anders Opitz, BauR 2000, 1564, 1573, der allein die Komplexität der Angebotswertung noch nicht als tatsächliche Kontrollgrenze ansieht, da hier externe Sachverständige herangezogen werden können. 90 BGH DB 1997, 2281; BGH Urt. v. 26.10.1999 – X ZR 30/98 „Altenheim“, BauR 2000, 254 = NZBau 2000, 35, 37; Roebling, Jura 2000, 453, 456; BGH, Urt. v. 17.2.1999 – X ZR 1001/97, NJW 2000, 137, 140 = BauR 1999, 736; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.2001 – U (Kart) 9/00, VergabeR 2001, 345 m. Anm. Schwenker = IBR 2001, 440 (Schwenker). Der Auftraggeber muss aber darlegen, dass er bei rechtmäßigem Verhalten denselben Erfolg herbeigeführt hätte, nicht nur hätte herbeiführen können. Die Vergabestelle muss also angesichts ihres Ermessenspielraums für die Aufhebung darlegen (und beweisen), dass sie die Ausschreibung auch wirklich aufgehoben hätte (etwa, weil dies ihrer ständigen Übung entsprach) und nicht etwa besonderen Wert auf einen führen Beginn der Auftragsausführung gelegt hat (OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.2001, a. a. O., VergabeR 2001, 345, 349; BGH, Urt. v. 25.11.1992, NJW 1993, 520, 522; OLG München, Urt. v. 18.5.2000 – U (K) 5047/99, NZBau 2000, 590, 594 m. w. N.). Der Aufhebungseinwand des Auftraggebers greift weiter nur durch, wenn eine Aufhebung der Ausschreibung auch rechtmäßig gewesen wäre. Der Auftraggeber ist dabei für die Voraussetzungen der Aufhebung darlegungs- und beweispflichtig ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.2001, a. a. O., VergabeR 2001, 345, 349; BGH, Urt. v. 25.11.1992, NJW 1993, 520 ff.). Der Nachweis dieser Voraussetzungen wird dem Auftraggeber aber selten gelingen (OLG München, Urt. v. 18.5.2000 – U (K) 5047/ 99, NZBau 2000, 590, 594; Schnorbus, BauR 1999, 77, 88 und 101). Die Aufhebung der Ausschreibung kann dem Anspruch auch nur dann mit Erfolg entgegengehalten werden, wenn nach Aufhebung und erneuter Aufhebung der Ausschreibung der Auftrag nicht dem Kläger, sondern einem anderen Bieter erteilt werden könnte. Dies ist nicht der Fall, wenn bei einer Wiederholung der Ausschreibung inhaltlich die gleichen Angebote abgegeben worden wären (BGH Urt. v. 26.10.1999 – X ZR 30/98, BauR 2000, 254 = NZBau 2000, 35, 36 ff.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.2001, a. a. O., VergabeR 2001, 345, 349).

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Es ist daher praktisch nahezu unmöglich nachzuweisen, in welcher Weise der Auftraggeber seinen Beurteilungsspielraum im Falle rechtmäßigen Verhaltens ausgeübt hätte.92 Die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist daher im Ergebnis „totes Recht“.93 Dieser Befund lässt sich in allen Mitgliedsstaaten der EU feststellen. So haben nach einer Befragung von Unternehmen aus den Mitgliedsstaaten der EU durch die Europäische Kommission 90% der Unternehmen wegen der schlechten Aussichten noch keine Klage auf Schadensersatz eingereicht. Von den wenigen Unternehmen, die es versuchten, unterlägen noch 91%. In dieser mangelnden Möglichkeit von Schadensersatz sieht die Kommission einen Grund, über die Revision der Rechtsmittelrichtlinien94 nachzudenken.95 (2) Umfang des Schadensersatzes nach der cic Kann der Anspruchssteller aber doch die Voraussetzungen der cic beweisen, so ist zunächst der Ersatz des negativen Interesses möglich.96 Dies umfasst die durch die Beteiligung am Verfahren entstandenen Kosten.97 91

BGH, Urt. v. 16.4.2002 – X ZR 67/00, ZfBR 2002, 612 = VergabeR 2002, 463 ff. m. Anm. Zirbes = NZBau 2002, 517 IBR 2002, 374 (Horn), wo deswegen ein Anspruch auf Schadensersatz verneint wird. Es kommt nach dieser Entscheidung nicht einmal darauf an, dass der Auftraggeber den Ausschlussgrund schon im Vergabeverfahren erkannt hat. BGH, NJW 2000, 137, 140; LG Chemnitz, Urt. v. 23.5.2002, 1 O 4857/01, S. 6 (auch hier deswegen kein Schadensersatzanspruch). 92 Ackermann, ZHR 164 (2000), 394, 426. 93 Dreher, EuZW 1998, 197, 200. 94 Dazu ausführlich Teil 5, B. 95 Petschke, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 173, 179 und 184. 96 Dazu umfassend Schnorbus, BauR 1999, 77, 90 f. und Feber, S. 86 ff. Hinsichtlich des Umfangs des Schadensersatzanspruchs sind verschiedene Fallgruppen nach den unterschiedlichen Vergabeverstößen zu unterscheiden (vgl. Feber, S. 86 f.). 97 Binder, ZZP, 113. Band (2000), 195, 201; BGH, Urt. v. 8.9.1998 – X ZR 48/ 97, IBR 1998, 461 (Schabel); OLG Schleswig, Beschl. v. 18.1.2001 – 11 U 139/99; OLGR 2001, 220 = IBR 2001, 441 (Hennemann). Das negative Interesse kann u. U. auch einen entgangenen Gewinn umfassen. Hier ist aber damit der entgangene Gewinn aus einem anderen Geschäft gemeint, das der Bieter etwa im Vertrauen auf die Erklärungen der Vergabestelle versäumt hat. Dies wird aber in der Praxis selten vorkommen, da allein durch die Beteiligung an einer Ausschreibung nicht Dispositionen getroffen werden, die die Realisation eines anderen Geschäfts ausschließen (so auch Rummel, ÖZW 1999, 1, 12). Beim sogleich zu erörternden Erfüllungsinteresse macht der Bieter dagegen den entgangenen Gewinn aus dem nicht zu Stande gekommenen Geschäft mit dem Schädiger, hier dem Ausschreibenden geltend (zum Ganzen auch Rummel, ÖZW 1999, 1, 12).

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Weiter ist dem erstrangigen Bieter auch das Interesse an der Erfüllung des mit ihm nicht zustande gekommenen Vertrages zu ersetzen. Das Erfüllungsinteresse entspricht dem entgangenen Gewinn am angestrebten Auftrag.98 Der erforderliche Nachweis des konkreten Schadens99 ist für den Bieter aber problematisch, da er hier im öffentlichen Verfahren Betriebsinterna offenbaren muss.100 Die Angebotserstellungskosten können als Mindestschaden im Rahmen des auf das positive Interesse gerichteten Schadensersatzanspruchs geltend gemacht werden.101 (3) Weitere Schwäche des Sekundärrechtsschutzes selbst bei dessen Eingreifen Weiterhin hat der Sekundärrechtsschutz für das Unternehmen, selbst wenn er eingreift und auch der entgangene Gewinn ersetzt wird, nicht die gleiche Bedeutung, wie den Zuschlag zu erhalten. Denn die erfolgreiche Durchführung (großer) Aufträge schlägt sich nicht nur im finanziellen Unternehmenserfolg nieder, sondern diese ist auch wichtig für die Akquisition späterer, neuer Aufträge.102 So bringt die Auftragsdurchführung dem Unternehmen Imagegewinne (Referenzwirkung). Der Unternehmer kann gegenüber anderen Auftraggebern (auch Privaten) auf die vorbildhafte Werkleistung hinweisen.103 Außerdem basieren auf dem erhaltenen Erstauftrag oft auch weitere Aufträge, etwa Ersatzteillieferungen. Bei schlechter Auftragsauslastung des Unternehmens kann von der Auftragserteilung weiter dessen Fortbestand abhängen.104 Dies vor allem deshalb, weil die Bezahlung für die Auftragsdurchführung eher erfolgt, als ein etwaiger entgangener Gewinn eingeklagt werden kann.

98 BGH Urt. v. 26.10.1999 – X ZR 30/98 „Altenheim“, BauR 2000, 254 = NZBau 2000, 35, 37 m. w. N.; Feber, S. 88 m. w. N.; vgl. auch die Nachw. bei Schmitt, S. 173 ff. 99 Für den Schadensersatzanspruch muss der entgangene Gewinn konkret geltend gemacht und bewiesen werden – Schwenker, Anm. zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.2001, VergabeR 2001, 350, 351. 100 Nach Schlosser, JRP 1999, 242, 243 muss der Geschädigte für den Schadensnachweis regelmäßig einem vom Gericht eingesetzten Sachverständigen umfassende Bucheinsicht gewähren. Wegen der Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens und der damit drohenden Offenbarung von Betriebsinterna wird er dazu nur selten bereit sein. 101 Erdl, S. 193, Rn. 385; dazu auch Feber, S. 92 ff. 102 Pesendorfer, RPA 2001, 209, 213; vgl. auch § 60 II, III, IV BvergG. 103 Denk, S. 286; Schlosser, JRP 1999, 242, 243. 104 Schlosser, JRP 1999, 242, 243.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

bb) Deliktische Anspruchsgrundlagen (1) Deliktische Inanspruchnahme des öffentlichen Auftraggebers selbst (Staatshaftung) Zunächst könnte gegen den rechtswidrig handelnden öffentlichen Auftraggeber105 ein Schadensersatzanspruch aus § 839 i. V. m. Art. 34 GG in Betracht kommen. Dafür ist ein Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes erforderlich. Dazu muss hoheitlich und nicht privatrechtlich gehandelt werden. Bei der öffentliche Auftragsvergabe liegt aber keine hoheitliche Tätigkeit und somit keine Ausübung eines öffentlichen Amtes vor, sondern der Auftraggeber wird hier privatrechtlich tätig.106 Eine Haftung des Staates kommt daher über die deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen nur nach §§ 823, 31, 89 BGB für leitende Beamte mit Organstellung107 und nach § 831 BGB für die übrigen Beamten oder Angestellten in Betracht (privatrechtliche Staatshaftung).108 Wie sogleich gezeigt wird, liegen aber schon die Voraussetzungen für diese Anspruchsgrundlagen bei Verstößen gegen Vergaberecht nicht vor bzw. werden sich nicht beweisen lassen.109 (2) Persönliche Inanspruchnahme des rechtswidrig handelnden Mitarbeiters der Vergabestelle Ist der rechtswidrig handelnde Angestellte der Vergabestelle ein Beamter im statusrechtlichen Sinne, so kommt dessen Haftung auf Schadensersatz nach § 839 BGB in Betracht.110 Denn dieser gilt im Hinblick auf die persönliche Haftung des Beamten im hoheitlichen und privatrechtlichen Bereich.111 Voraussetzung dafür ist die Verletzung einer drittschützenden 105

Zur Frage, welcher Verwaltungsträger nach Art. 34 GG haftet, im Einzelnen Maurer, § 25 Rn. 40 ff. 106 BGH, NJW 1997, 628, 629; Erdl, S. 197 Rn. 396 m. w. N.; Feber, S. 96; Sterner, NZBau 2001, 423, 426 m. w. N. aus der Rspr.; Stockmann, in: Immenga/ Mestmäcker, § 126 Rn. 36; Riese, S. 302; LG Würzburg, Urt. v. 7.2.2002, 14 O 643/01, S. 12; Sterner, S. 122 f. und 133 f.; krit. dazu Walthelm, S. 218 f.; im Ergebnis für die Anwendung der Amtshaftungsansprüche Pietzcker, Der Staatsauftrag, S. 398 m. w. N. (liege Ausübung öffentlichen Amtes vor) und Byok, § 126 Rn. 935 (Gronstedt). 107 Dies sind leitende Beamte, deren Stellung und Aufgaben auf Organisationsnormen beruhen – Mauer, § 25 Rn. 58. 108 Dies prüft das LG Würzburg, Urt. v. 7.2.2002, 14 O 643/01, S. 12. 109 So auch im Fall des LG Würzburg, Urt. v. 7.2.2002, 14 O 643/01, S. 12. 110 So auch Sterner, NZBau 2001, 423, 426.

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Amtspflicht. Dies kann unter Geltung der kartellrechtlichen Lösung nicht mehr mit dem Argument abgelehnt werden, die Amtspflicht, das Vergaberecht zu beachten, sei wegen ihres haushaltsrechtlichen Charakters nicht drittgerichtet.112 Gegen sonstige Angestellte kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB in Betracht. (3) Aber weder Ansprüche gegen Auftraggeber noch gegen handelnden Mitarbeiter aus Deliktsrecht Für den durch eine rechtswidrige Zuschlagsentscheidung übergangenen Bieter wird aber meist eine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen weder gegen den Auftraggeber noch gegen den handelnden Mitarbeiter der Vergabestelle in Betracht kommen. Denn es fehlt schon an den Voraussetzungen der deliktischen Anspruchsgrundlagen bzw. wird deren Vorliegen schwer zu beweisen sein: (a) § 823 II BGB Bei Vergaberechtsverstößen (hier Fehler bei der Zuschlagsentscheidung) ist ein Anspruch aus § 823 II BGB möglich, da die Vorschriften der Verdingungsordnungen oberhalb der Schwellenwerte zumindest seit Einführung der kartellrechtlichen Lösung (i. d. R.) Schutzgesetze darstellen.113 Auch hier ergeben sich aber wieder die bereits dargestellten Beweisprobleme. Bei § 823 II BGB stellt sich das Problem des Nachweises des Verschuldens in besonderer Weise, da sich dieses hier auf die Verletzung des Schutzgesetzes beziehen muss.

111 Eine nach § 839 III BGB den Schadensersatz ausschließende Schadensvermeidungsmöglichkeit durch den Bieter bestand mangels Primärrechtsschutzmöglichkeiten gegen die Zuschlagsentscheidung nicht. 112 Nach einer anderen Auffassung lässt die privatrechtsförmige Auftragsvergabe aber schon keine Amtspflichten entstehen – Rittner, Rn. 101, der hier allerdings auch Ausnahmen anerkennt. Richtigerweise wären hier jedoch Amtspflichten zu bejahen, vgl. Byok, § 126 Rn. 935 (Gronstedt). 113 Kuß, VOB, 3. Aufl., 2002, Einführung, Rn. 16 m. w. N.; Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, § 126 Rn. 35; Dreher, NZBau 2002, 419, 426. Dies ist nicht unumstritten, vgl. die Nachweise und die Argumentation bei Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Vor § 102 GWB, Rn. 32 ff. und Irmer, S. 232 f. die sich aber für die Schutzgesetzeigenschaft aussprechen. Die gegenteilige Ansicht (etwa Alexander, WRP 2004, 700, 703) kann aber nicht überzeugen.

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(b) § 823 I BGB Durch die Verletzung keine absoluten Rechte, digt.114 Daher kommt ein Rechts am eingerichteten tracht.

von Vergabevorschriften werden grundsätzlich sondern nur das Vermögen der Bieter geschäAnspruch aus § 823 I nur über die Verletzung des und ausgeübten Gewerbebetrieb (RaGwB) in Be-

Ein Anspruch auf Schadensersatz über die Verletzung des RaGwB scheitert aber aus zwei Gründen: Zum einen ist das RaGwB subsidiär. Das RaGwB stellt nur einen Auffangtatbestand dar, es genießt daher nur subsidiären Schutz. Es muss sich aus dem Zusammenhang der im jeweiligen Rechtsgebiet geltenden Normen ergeben, dass eine Lücke besteht, die mit Hilfe des § 823 I BGB geschlossen werden muss.115 Die erforderliche Regelungslücke besteht nach Erlass der kartellrechtlichen Lösung mit Einführung des vergabespezifischen Rechtsschutzverfahrens und der Einführung des Rechtsnormcharakters für die Verdingungungsordnungen gerade nicht mehr.116 Zum anderen liegt bei Vergabefehlern des Auftraggebers in der Regel kein betriebsbezogener Eingriff vor: Voraussetzung für einen Anspruch aus § 823 I BGB wegen der Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist, dass der Eingriff betriebsbezogen ist, d.h. er muss sich gegen den Gewerbebetrieb als solchen – gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten. Grundsätzlich ist dies bei einem Vergabeverstoß nicht gegeben, es sei denn, das Unternehmen wird im Wege einer Vergabesperre gänzlich von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen (Auftragssperre117).118 (c) § 826 BGB Für die seltenen Fällen, in denen die Vergabestelle sich vorsätzlich sittenwidrig119 verhält, kommt ein Schadensersatzanspruch nach § 826 in Be114 Faber, DÖV 1995, 403, 410; Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 281. 115 BGHZ 55, 153, 158 f. m. w. N. 116 KG, BauR 1995, 837, 840 zur haushaltsrechtlichen Lösung; krit. dazu Dreher, ZIP 1995, 1869, 1876. 117 Allgemein zur Auftragssperre ausf. Pietzcker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst VIII, Rn. 1 ff.; Irmer, S. 208 ff. 118 Byok, § 126 Rn. 933 (Gronstedt) m. w. N.; VersR 89, 372; WuW/E 1422; Sterner, NZBau 2001, 423, 426; Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOBKommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 44 und 283 f.

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tracht120, dessen strenge Voraussetzungen aber kaum zu beweisen sein werden.121 Bisher ist – soweit ersichtlich – keine Entscheidung ergangen, die einen Anspruch aus § 826 BGB bejaht hat. Außerdem besteht auch hier wieder das Problem, dass der Anspruchssteller nachweisen muss, dass er bei rechtmäßiger Vergabe den Zuschlag erhalten hätte.122 An den Beweisproblemen scheitert zumeist ebenso der Anspruch aus § 839 BGB gegen den handelnden Beamten, denn auch hier muss die (Amts)pflichtverletzung nachweislich den Schaden verursacht haben. Sollte dennoch einmal ein Anspruch aus § 839 BGB von seinen Voraussetzungen her vorliegen123, so ist zu beachten, dass er nach § 839 I 2 BGB gegen den nur fahrlässig handelnden Beamten nur geltend gemacht werden kann, wenn keine anderweitige Ersatzmöglichkeit, etwa gegen den Auftraggeber selbst, besteht. Grundsätzlich ist mit den Ansprüchen gegen den Auftraggeber aus cic, §§ 89, 31, 823 BGB bzw. mit § 831 BGB eine solche andere Schadensersatzmöglichkeit gegeben.124 Es genügt aber nicht, dass der anderweitige Ersatzanspruch rechtlich besteht, er muss auch tatsächlich durchgesetzt werden können.125 Dies ist zwar – wie gezeigt – meist nicht der Fall, wird aber dann, wenn ein Anspruch gegen den Beamten bewiesen werden kann, auch bei der Haftung des Staates meist anders sein. cc) Schadensersatzansprüche aus § 1 UWG In jüngerer Zeit wurde das Vergabeverhalten der öffentlichen Auftraggeber auch verstärkt an § 1 UWG gemessen, dessen Anwendbarkeit im Vergabebereich von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt ist.126 119 Hinsichtlich der Sittenwidrigkeit stellt sich das gleiche Problem wie bei § 1 UWG, ob allein ein Verstoß gegen die Verdingungsordnungen schon das Sittenwidrigkeitsurteil begründet (s. dort und OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431, 437 und 438 (WuW/E Verg 197). 120 Für einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB kämen die Fälle in Betracht, in denen sich der Auftraggeber bestechen lässt oder ein konkurrierender Bieter und die Vergabestelle in Nachverhandlungen eintreten, um es dem Bieter zu ermöglichen, das günstigste Angebot abzugeben – Byok, § 126 Rn. 934 (Gronstedt). 121 Hier kommt der Nachteil aller deliktischen Anspruchsgrundlagen im Verhältnis zur cic zum Ausdruck: Der Bieter trägt die Beweislast für sämtliche Anspruchsvoraussetzungen, also auch das Verschulden. Speziell bei § 826 wird der nötige Vorsatz wohl kaum zu beweisen sein (vgl. Feber, S. 98 f.). 122 Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 299. Beispiele, in denen das Deliktsrecht ausnahmsweise eingreift bei Ingenstau/Korbion-Vygen, Einl. Rn. 79 ff. 123 Dazu näher Irmer, S. 237 f. 124 So Sterner, S. 133 für den Bereich oberhalb der Schwellenwerte. 125 Maurer, § 25 Rn. 29 m. w. N.

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Auch der Schadensersatzanspruch aus § 1 UWG sieht sich aber verschiedenen Hindernissen ausgesetzt, so dass er nur selten mit Erfolg geltend gemacht werden kann: (1) Zunächst wird es oft an einer Wettbewerbsförderungsabsicht des Auftraggebers fehlen Grundsätzlich kann in einer Benachteiligung eines Bieters objektiv die Förderung fremden Wettbewerbs nach § 1 UWG gesehen werden.127 Die Vergabestelle muss aber auch „zu Zwecken des Wettbewerbs“ gehandelt haben. Die danach erforderliche Wettbewerbsförderungsabsicht wird bei der Förderung fremden Wettbewerbs nicht vermutet.128 Der rechtsschutzsuchende Bieter muss also nachweisen, dass die Vergabestelle nicht nur ihn selbst benachteiligen, sondern auch den Wettbewerb eines anderen Anbieters gezielt fördern wollte.129 Dies wird oft zweifelhaft sein.130 Nur bei der 126

Vgl. dazu Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 116 ff. m. w. N.; Höfler, ZVgR 1999, Heft 3, S. I (Editorial) spricht von einer neuen „Blüte“ dieser Ansprüche; Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, § 126 Rn. 33; vgl. auch Wittig, S. 276; Waldner, S. 130 ff. 127 Schon daran wird bei der vergleichbaren österreichischen Rechtslage gezweifelt: So wurde vom österreichischen OGH entschieden, dass dann, wenn die Vergabestelle als Letztverbraucher auftritt, die unsachliche Vergabeentscheidung (also die Bevorzugung eines bestimmten Bieters) den Teilnehmern am Markt „andere Kunden weder zuführen noch wegnehmen [kann]; ihre eigene Nachfragemacht muss aber bei dieser Beurteilung außer Betracht bleiben.“ – OGH, 31.5.1988, 4 Ob 406/ 87 – Schwechat 2000; dazu Wilhelm, in: Rill/Griller, S. 265, 266 ff. (mit Teilabdruck); vgl. dazu auch die Nachweise bei Thienel, ÖJZ 1993, 609, 615. 128 Kraft-Lehner, S. 261. 129 OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431 (WuW/E Verg 197) = IBR 1998, 508 (Boesen). Dies wird abgelehnt in KG Berlin, Urt. v. 6.11.1999, Kart W 6990/96 („Angebot eines knappen Gutes“), WuW 1997, 431, 439 (OLG 5787). 130 So auch Sturmberg, in: FS für Mantscheff, S. 445, 454; Alexander, WRP 2004, 700, 704 f.; Winkler, S. 37 f. sieht die Schwierigkeit im Beweis dieses Merkmals. Wegen des Beweisrisikos hält er den Anspruch aus § 1 UWG für die Praxis nicht relevant. Bejaht wurde dieses Merkmal in der Entscheidungspraxis von: LG Heilbronn, Urt. v. 19.11.2001 – 22 O 294/01, NZBau 2002, 239, 240; LG Hamburg v. 28.10.1998, ZVgR 1999, 169 = WRP 1999, 441, 444; in Österreich von OGH, 12.3.1996, 4 Ob 10/96, wbl 1996, 501 (LS) = Obl 1996, 241 = RZ 1997, 38 (vgl. auch Obermayr, Anm. zu öst. VfGH v. 26.6.1997, ZVgR 1997, 226); aus der Lit. bejahend auch: Wittig, S. 264 ff. Abgelehnt dagegen von: OLG Stuttgart, Urt. v. 11.4.2002 – 2 U 240/01, WuW 2002, 653, 654 m. w. N. = IBR 2002, 266 (Schulze-Hagen), das die die Entscheidung des LG Heilbronn aufhob. LG Oldenburg, Beschl. v. 16.5.2002, 5 O 1319/02 – Straßenreinigungsarbeiten, S. 2.

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wirtschaftslenkenden Auftragsvergabe, d.h. der Vergabe nach sog. vergabefremden Kriterien, liegt in jedem Fall diese Wettbewerbsförderungsabsicht vor. Hier kommt es dem Auftraggeber ja gerade darauf an, ein bestimmtes Unternehmen besser zu stellen.131 Gleiches gilt für die Fälle, in denen der Auftraggeber bewusst gegen das Vergaberecht verstößt, um eine Bevorzugung eines bestimmten Unternehmens zu erreichen, etwa aus Gründen der Regionalpräferenz, Bekanntheit). (2) Sittenverstoß? Weiterhin ist ein Sittenverstoß erforderlich. Beim Verstoß des Auftraggebers gegen Vergabevorschriften kommt das Eingreifen der von der Rechtsprechung zu § 1 UWG entwickelten Fallgruppe „Vorsprung durch Rechtsbruch“ in Betracht. Hier ist umstritten, ob schon allein der Verstoß gegen die Vergaberegeln die Sittenwidrigkeit begründet132, oder dies nur beim Verstoß gegen bestimmte Vergaberegeln133 unter Hinzu treten weiterer Unlauterkeitskriterien der Fall ist. Darauf kann hier aber nicht näher eingegangen werden.134 Für die mangelnde Eignung des Schadensersatzanspruchs aus § 1 UWG zur Kompensation des Rechtsschutzdefizits genügt der Hinweis auf die selten vorliegende Wirtschaftsförderungsabsicht und die auch hier auftauchenden, schon oben dargestellten praktischen Beweisprobleme des Bieters.

131 Wittig, S. 264; zumindest für den Fall der Tariftreuerklärung so auch Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst IV, Rn. 119: Durch die Forderung der Tariftreue kommt es der Vergabestelle auf die Bevorzugung des (einheimischen) Unternehmens gerade an; vgl. auch Alexander, WRP 2004, 700, 704 f. 132 LG Hamburg v. 28.10.1998, ZVgR 1999, 169 = WRP 1999, 441, 444 m. w. N.; so auch Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 117 ff. und Höfler, ZVgR 1999, Heft 3, S. I (Editorial); vgl. auch LG Heilbronn, Urt. v. 19.11.2001 – 22 O 294/01, NZBau 2002, 239, 240. 133 Als solche Normen kommen nach dieser Auffassung nur die Vergaberegeln in Betracht, deren Einhaltung zugleich dem Willkürverbot entgegenwirken und der Chancengleichheit der Bewerber bei der Beteiligung am Wettbewerb sowie die Gleichbehandlung bei Angebotsprüfung und -wertung beim Zuschlag dienen, OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431 (WuW/E Verg 197) = IBR 1998, 508 (Boesen); Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, § 104 Rn. 12 ff., 18; vgl. auch Wittig, S. 270 ff., Irmer, S. 252 und Kraft-Lehner, S. 263 f. 134 Zur neueren Entwicklung dieser Rechtsprechung zum „Rechtsbruch“, Alexander, WRP 2004, 700, 706.

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dd) Schadensersatzanspruch nach §§ 20 GWB i. V. m. 33 I GWB Hat ein öffentlicher Auftraggeber eine marktbeherrschende Stellung, kommt durch einen Vergaberechtsverstoß auch ein Schadensersatzanspruch aus §§ 20 GWB i. V.m 33 I GWB in Betracht.135 § 20 GWB erfasst marktbeherrschende Unternehmen sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfragerseite.136 Ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung kommt durch einen Verstoß gegen Vergaberegeln in Betracht, da diese einen Maßstab für das faire wettbewerbliche Verhalten zwischen Auftraggeber und -nehmer bilden. Die Einzelheiten sind hier aber noch ungeklärt.137 Jedenfalls liegt dann ein Missbrauch vor, wenn gar kein Vergabeverfahren durchgeführt worden ist.138 Aber auch beim Schadensersatzanspruch aus §§ 20 GWB i. V. m. 33 I GWB stellen sich obige Beweisprobleme. Hinzu kommt, dass der Anspruch nur gegenüber öffentlichen Auftraggebern in Betracht kommt, die eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Dafür trägt der Anspruchssteller auch bei Unternehmen der öffentlichen Hand die volle Darlegungslast.139 Da es für die marktbeherrschende Stellung auf den einzelnen Auftraggeber (und nicht die öffentlichen Auftraggeber insgesamt) ankommt140 und der für die Beurteilung relevante Markt (i. d. R.) der der gesamten Bundesrepu135 Ausf. zum Einfluss des Diskriminierungsverbots auf das Vergaberecht, Wittig, S. 241 ff.; Noch, WuW 1998, 1059 ff.; Kraft-Lehner, S. 142 f.; Irmer, S. 238 ff. 136 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.1980 – U (Kart) 8/79, DÖV 1981, 537 m. Anm. Pietzcker; OLG Frankfurt, BauR 1990, 91 f., wo ein Schadensersatzanspruch aus §§ 26 GWB i. V. m. § 35 a. F. GWB bejaht wird. 137 Näher LG Berlin, Urt. v. 1.11.1983, BauR 1985, 600 f.; Krist, VergabeR 2001, 373, 374 m. w. N.; Wittig, S. 244 ff.; Noch, WuW 1998, 1059, 1061 ff.; vgl. auch die Nachweise bei Brinker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOBKommentar, VOB/A, Syst VI, Rn. 10 ff.; eine enge Linie vertritt hier das OLG Frankfurt, BauR 1990, 91, 93. Danach ist dem Auftraggeber ein Diskriminierungsvorwurf nach § 20 GWB im Zusammenhang mit Vergabeentscheidungen nur in Fällen zu machen, in denen dem öffentlichen Nachfrager Ermessenswillkür (Beurteilungsspielraum bei der Vergabeentscheidung) „vorzuwerfen ist, die sich für den betroffenen Bieter sachlich ebenso auswirkt wie ein Ausschluss von der Teilnahme an der Ausschreibung.“ 138 Brinker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst VI, Rn. 10 ff. 139 OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431, 432 (WuW/E Verg 197) mit ausführlichen Erwägungen zur Ermittlung der marktstarken Stellung. 140 Für die Beurteilung der Marktbeherrschung sind verschiedene Beschaffungsstellen grundsätzlich nicht als Einheit zu behandeln. Verschiedene Rechtsträger sind immer als selbstständig zu behandeln, vgl. dazu Rittner, Rn. 240; Wittig, S. 242; Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, § 126 Rn. 31; Elverfeld, S. 44 m. w. N. Daher begrenzt sich die Marktmacht der unterschiedlichen öffentlichen Auftraggeber (des Landes und des Bundes) gegenseitig. Deswegen sollen etwa Kommunen, we-

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blik ist, wird oft keine Marktbeherrschung vorliegen.141 Die Schadensersatzansprüche aus dem GWB sind zu Kompensation des Rechtsschutzdefizits also schon deswegen unzureichend, weil nicht alle Auftraggeber erfasst werden.142 c) Ergebnis Schadensersatzansprüche können meist nicht mit Erfolg geltend gemacht werden können. Dadurch ist der fehlende Primärrechtsschutz für den Bieter noch problematischer.

II. Fehlender Rechtsschutz gegen andere Entscheidungen des Auftraggebers (neben der Zuschlagsentscheidung) Auch für andere Entscheidungen im Vergabeverfahren (z. B. den Ausschluss eines Bieters) führte die Unmöglichkeit des Rechtsschutzes nach Zuschlagserteilung nicht selten dazu, dass eine Rechtsschutzlücke bestand, wenn diese Entscheidungen den Bietern nicht rechtzeitig genug vor Vertragsschluss bekannt gegeben wurden.143 Zwar liegen diese anderen Entscheidungen zeitlich weiter vor der Zuschlagserteilung als die Zuschlagsentscheidung. Dies führt zumindest bei Bauvergaben durch die hier bestehende gen ihres räumlich beschränkten Wirkungskreises in den seltensten Fällen als marktbeherrschend anzusehen sein (Elverfeld, S. 44 f. m. w. N.). 141 Brinker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst VI, Rn. 8 („regelmäßig“ keine Marktbeherrschung im Baubereich); Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, § 126 Rn. 31. Auch Riese, S. 288 sieht die marktbeherrschende Stellung nur „ganz ausnahmsweise“ als gegeben an. Wittig, S. 22 geht davon aus, dass bei Ausschreibungen kleinerer regionaler oder lokaler Beschaffungsstellen überwiegend keine Marktbeherrschung angenommen werden kann. In der Entscheidungspraxis wurde eine marktbeherrschende Stellung etwa abgelehnt von KG, EuZW 1995, 645, 647 und KG, BauR 1995, 837, 839. Bejaht wurde sie von BGH, IBR 2000, 151 für die Straßenbauverwaltung in Berlin, von OLG Frankfurt, BauR 1990, 91 f. für die Bundeswehr bei der Beschaffung militärischer Güter; so auch Rittner, Rn. 238 und Sterner, NZBau 2001, 423, 426. Bejahend für den Bereich der Parkleitsysteme, LG Hannover, IBR 1998, 229 (Ciminski/Kessler). Nach Auffassung von Quack, IBR 2000, 151 kommt eine kartellrechtlich relevante marktbeherrschende Stellung der öffentlichen Hand im Straßen-, Wasser- und Brückenbau, nicht aber beim Hochbau in Betracht (ähnlich auch Ingenstau/KorbionVygen, Einl. Rn. 76; für die marktbeherrschende Stellung beim Straßenbau ebenso Sterner, NZBau 2001, 423, 426 und Noch, WuW 1998, 1059, 1061). Für den Tiefbau nehmen auch Elverfeld, S. 44 m. w. N. und Sterner, NZBau 2001, 423, 426 eine marktbeherrschende Stellung an. 142 Von einem engen Anwendungsbereich von § 20 GWB i. V. m. § 33 GWB im Vergaberecht geht auch Irmer, S. 251 aus. 143 So auch Schenk, S. 119.

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Pflicht des Auftraggebers, nach der Entscheidung den Unternehmer unverzüglich hierüber zu informieren144, dazu, dass in der Regel noch vor Zuschlagserteilung um Rechtsschutz nachgesucht werden kann. Es erscheinen aber selbst bei Bauvergaben Fälle denkbar, in denen die Entscheidung nicht vor Zuschlagserteilung bekannt wurde.145 Damit besteht auch hier ein Rechtsschutzdefizit.

III. Europarechtswidrigkeit der Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung146 vor der Einführung der Vorabinformationspflicht durch § 13 VgV Um zu begründen, dass die Beseitigung des dargestellten Rechtsschutzdefizits in Bezug auf die Zuschlagsentscheidung erforderlich und damit die Einführung des § 13 VgV notwendig war, wird im Folgenden die Unvereinbarkeit des mangelnden Primärrechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung mit dem Europarecht aufgezeigt. Es werden zunächst die Vorgaben der europäischen Vergaberichtlinien an den Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung dargestellt, 1. Abschließend ist noch kurz auf die Vorgaben des deutschen Verfassungsrechts für den Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung einzugehen, 2. 1. Die Vorgaben der Vergaberichtlinien an den Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung Zunächst werden die Anforderungen der Vergaberichtlinien an den Rechtsschutz im Vergabebereich insgesamt erörtert, um diese Anforderungen sodann konkret auf die Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung zu beziehen. Nach Art. 1 Abs. 1 der Rechtsmittelrichtlinie und der Sektorenrechtsmittelrichtlinie sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass „Entscheidungen der Vergabebehörden“ . . . „auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht“ „wirksam und vor allem möglichst rasch“ nachgeprüft werden können.147 Aus diesen Bestimmungen und den Erwägungsgründen148 kann 144

Siehe Fn. 3. Etwa wenn der Ausschluss erst so kurz vor der Zuschlagserteilung ergeht, dass die Nachinformation beim Bieter nicht mehr rechtzeitig vor Zuschlagserteilung eingeht. 146 Der Ausschluss Primärrechtsschutzes nach Zuschlagserteilung ist dagegen für sich genommen europarechtskonform – A. I. 4. 147 Hieraus ergibt sich, dass der Grundsatz der wirksamen Nachprüfung nicht nur Verstöße gegen Umsetzungsakte der Richtlinien erfasst, sondern auch Verstöße ge145

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der Grundsatz der wirksamen Nachprüfung hergeleitet werden. Er verbietet alle Regelungen, die eine effektive Durchsetzung von auf Gemeinschaftsrecht basierenden individuellen Rechten praktisch unmöglich machen oder unzumutbar beschweren.149 Der Grundsatz der wirksamen Nachprüfung kann auch als Auslegungshilfe herangezogen werden. Die Rechtsmittelrichtlinien sind also im Sinn eines möglichst wirksamen und raschen Rechtsschutzes auszulegen.150 Dies ergibt sich auch daraus, dass bei der Auslegung von Richtlinien deren Ziel, das anhand der Rechtsgrundlagen und den in der Präambel der Richtlinien genannten Erwägungsgründen ermittelt wird151, (vorrangig152) zu berücksichtigen ist (teleologische Auslegung). Weiter gehen die Rechtsmittelrichtlinien von einem Vorrang des Primärrechtsschutzes aus. So müssen die auf einzelstaatlicher Ebene existierenden Mechanismen zur Durchsetzung des materiellen Vergaberechts, „vor allem dann“ dessen Einhaltung gewährleisten, „wenn Verstöße noch beseitigt werden können“ (2. Erwägungsgrund der RMRL).153 So hat nach dem EuGH gen die Grundfreiheiten. Auch diese sollen mit Hilfe der Rechtsmittelrichtlinien durchgesetzt werden. Da für letztere auch der allgemeine Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes gilt, besteht hier eine Überschneidung (zum Ganzen Öhler, S. 131 f.). 148 3. Erwägungsgrund Rechtsmittelrichtlinie und 6. Erwägungsgrund Sektorenrechtsmittelrichtlinie: Dort ist geregelt, dass die Möglichkeit einer „wirksamen und raschen“ Nachprüfung bestehen muss. Nach Neuhuber, S. 142 ergibt sich die Verpflichtung der MS, eine effizientes Vergaberechtsschutzsystem zu gewährleisten, vor allem auch aus Art. 2 VI RMRL (Effektivitätsverlangen der RMRL wird nur anhand dieser Norm dargestellt). Dieser fordert aber keinen effektiven Rechtsschutz, sondern konkretisiert nur die andernorts gemachten Vorgaben, bzw. schränkt diese sogar wieder ein, so dass die Darstellung von Neuhuber nicht überzeugen kann. 149 Er ist rechtlicher Maßstab der Gemeinschaftskonformität der nationalen Umsetzungen. Er ist eine eigenständige rechtlich verbindliche Anforderung des Gemeinschaftsrechts an die nationalen Rechtsschutzsysteme, Öhler, S. 133. 150 Öhler, S. 131 ff. 151 Kalinowsky, S. 32 m. w. N. (S. 27 ff. allgemein zur Richtlinienauslegung); zur Richtlinienauslegung auch Lutter, JZ 92, 593 ff. 152 Das Ergebnis dieser teleologischen Auslegung hat für das Verständnis der Richtlinien das größte Gewicht. – EuGH, Slg 1983, 3781, 3792, vgl. auch Kalinowsky, S. 28 m. w. N.; auch nach Erdl, S. 106, Rn. 199 bei der Auslegung der RMRL die an deren Telos orientierte Auslegung nach Auffassung den Vorrang vor der grammatikalischen Auslegung haben. 153 Auch das GPA, das für die Vergaberichtlinien verbindlich ist, sieht raschen und effektiven (Primär-)Rechtsschutz vor: Es fordert für das Nachprüfungsverfahren in Art. XX Abs. 7 a) rasch greifende einstweilige Maßnahmen zur Berichtigung von Verletzungen des Übereinkommens und zur Wahrung der geschäftlichen Chancen. Diese Maßnahmen können die Aussetzung des Beschaffungsverfahrens zur Folge haben. Die Verfahren können jedoch bestimmen, dass überragende nachteilige Folgen für die betreffenden Interessen einschließlich des öffentlichen Interesses bei der

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der „Gemeinschaftsgesetzgeber den Rechtsbehelfen vor Vergabe des Auftrags den Vorzug gegeben“.154 Dies liegt vor allem in folgenden Nachteilen des Sekundärrechtsschutzes begründet: Zum einen sind bei Vergaberechtsverletzungen der Schaden des Unternehmens und die Kausalität des Rechtsverstoßes für den Schaden schwer nachweisbar155. Zum anderen hat der Sekundärrechtsschutz für das Unternehmen, selbst wenn er eingreift und auch der entgangene Gewinn ersetzt wird, nicht die gleiche Bedeutung, wie den Zuschlag zu erhalten.156 Im Folgenden ist zu untersuchen, welche Vorgaben die Richtlinien konkret in Bezug auf die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung157 machen. Nach Art. 1 I der Rechtsmittelrichtlinien müssen „Entscheidungen“ nachgeprüft werden können. Art. 2 I lit b der RL 89/665/EWG normiert weiter, dass die für die Nachprüfungsverfahren erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden, so dass die Aufhebung „rechtswidriger Entscheidungen“ möglich ist: Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 89/665 bestimmt wörtlich: „Die Mitgliedsstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinien 71/305/ EWG, 77/62/EWG und 92/50/EWG . . . fallenden Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge die Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der nachstehenden Artikel, insbesondere von Artikel 2 Absatz 7, auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.“

In Artikel 2 Absatz 1 heißt es: „(1) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass für die in Artikel 1 genannten Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden, ... Entscheidung darüber berücksichtigt werden können, ob solche Maßnahmen anzuwenden sind. In solchen Fällen ist ein Nichttätigwerden schriftlich zu begründen. 154 EuGH, Rs. C-87/94 R, Kommission/Irland – Wallonische Busse, Slg. 1994, I-1395 Rn. 33, näher Schenk, S. 101 f. m. w. N. 155 Dazu bereits unter B. I. 4. b) aa). Auch nach Auffassung des GA Mischo in seinen Schlussanträgen zum Alcatel-Verfahren (EuGH, Urt. v. 28.10.1999 – Rs. C-81/98 (Alcatel-Austria u. a.), Slg. 1999, I-7671, 7680, Rz. 38) „stellt bloßer Schadensersatz“ insbesondere wegen Beweisschwierigkeiten „oft eine wenig befriedigende Form der Wiedergutmachung für ein bei der Auftragserteilung übergangenes Unternehmen dar“. Auch die Europäische Kommission ging daher davon aus, dass „die Möglichkeit einer Schadensersatzklage mit soviel Unsicherheit verbunden ist, dass sie nur theoretisch besteht.“ – zitiert nach Schenk, S. 101. 156 Dazu oben unter B. I. 4. b) aa) (3). 157 Es sei noch einmal daran erinnert, dass sich aus den Vergaberichtlinien ergibt, dass der Vertrag selbst nicht überprüfbar sein muss (A. I. 4.).

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b) damit die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen in den Ausschreibungsdokumenten, den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlasst werden kann“.

Insbesondere aus der Forderung von Art. 2 I lit b nach der Aufhebung von „rechtswidrigen Entscheidungen“ ergibt sich, dass die Rechtsmittelrichtlinien auch für die Zuschlagsentscheidung wirksamen Primärrechtsschutz verlangen würden, wenn sie zu den von dort erfassten „Entscheidungen“ gehört. Es ist also zu untersuchen, ob die Zuschlagsentscheidung eine solche zu überprüfende und aufhebbare158 „Entscheidung“ ist.159 a) Der Meinungsstand vor der Alcatel-Entscheidung des EuGH Die Antwort auf die Frage der Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung ergibt sich nicht aus dem zitierten Wortlaut der Richtlinienbestimmungen. Auch an anderen Stellen ist nicht ausdrücklich konkretisiert, was unter „Entscheidungen“ zu verstehen ist. Vor diesem Hintergrund war es vor der Alcatel-Entscheidung des EuGH in Deutschland und Österreich umstritten, ob die Zuschlagsentscheidung eine nach den Rechtsmittelrichtlinien zu überprüfende und anfechtbare Entscheidung ist. Ein Teil der Autoren hielt die Nichtaufhebbarkeit der Zuschlagsentscheidung lange Zeit für unbedenklich160, ja sogar für begrüßenswert.161 Die Zu158 Die Notwendigkeit der Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung überhaupt, also unabhängig von der Frage Sekundär-/Primärrechtsschutz, ergibt sich schon aus den Richtlinienbestimmungen, die eine Nachinformation über die Nichtberücksichtigung bei der Vergabeentscheidung vorsehen (Art. 8 I BKRL, Art. 12 I DKRL, Art. 7 I LKRL). Diese sollen den Unternehmer mit den nötigen Informationen versorgen, um ggf. um Rechtsschutz nachsuchen zu können. Zu untersuchen bleibt, wie diese erforderliche (gerichtlichen) Überprüfungsmöglichkeit ausgestaltet sein muss, also ob Primärrechtsschutz oder nur Sekundärrechtsschutz gefordert ist. Fraglich ist somit, ob zur reinen Überprüfbarkeit auch die Aufhebbarkeit treten muss. 159 Eine andere, hier nicht zu erörternde Frage ist, ob als „Entscheidungen“ auch Unterlassungen des Auftraggebers, etwa das Unterlassen der Aufhebung der Ausschreibung, angesehen werden und daher korrigierbar sein müssen, dazu der österreichische VfGH, v. 2.3.2002 – B 691/01 u. a., RPA 2002, 122 m. Anm. Hoffer/ Schmölz; vgl. dazu auch Monatsinfo forum vergabe e. V. 3/2002, 43 und BVA, 6.12.2002, 12N 52/02-26, RPA 2002, 364, 368. 160 Von einigen Autoren wurde daher die Umsetzung durch die haushaltsrechtliche Lösung für ausreichend gehalten. vgl. die Nachweise der Autoren und deren Argumente bei Knauff, VR 2000, 397, 402. 161 So spricht sich in Österreich etwa Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/Rill, S. 195, 464 ff. ausdrücklich gegen eine Kassationsbefugnis der Nachprüfungsinstanz für Vergabeentscheidungen aus (Freilich war dies 1982/1983, also zu einer Zeit, als

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schlagsentscheidung müsse im Wege des Primärrechtsschutzes nicht überprüfbar sein. Diese Ansicht berief sich vor allem auf Art. 2 VI der RMRL. Wie gezeigt, sieht diese Vorschrift nach dem Vertragsschluss die Möglichkeit der Beschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten auf Schadensersatz vor. Da aber „Schadensersatz nur bei einer rechtswidrigen, gleichwohl jedoch abschließenden und verbindlichen Vergabeentscheidung in Betracht kommt, [bedeutete] dies zugleich, dass es auch gemeinschaftsrechtlich nicht geboten ist, dass sich Bieter nach Vertragsschluss noch gegen die Vergabeentscheidung als solche zur Wehr setzen können.“162 Weiter wurde darauf abgestellt, dass nach deutschem Recht mangels Kenntnis der Zuschlagsentscheidung diese mit dem Vertragsschluss zusammenfalle. Daraus ergebe sich in Verbindung mit Art. 2 VI RMRL, dass die Zuschlagsentscheidung nicht im Primärrechtsschutz überprüft werden können müsse. Denn der Gemeinschaftsgesetzgeber habe die verschiedenen Vergabesysteme nicht antasten wollen.163 Die Rechtsmittelrichtlinie sei eine Koordinierungs- und keine Harmonisierungsrichtlinie.164 Die überwiegende Auffassung ging jedoch davon aus, dass auch die Zuschlagsentscheidung eine nach Art. 1 I der Rechtsmittelrichtlinien zu überprüfende Entscheidung ist. b) Einführung zur Alcatel-Entscheidung des EuGH165 In der Entscheidung „Alcatel Austria AG u. a.166 gegen Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr“ vom 28.10.1999 (im Folgenden Alcafür Österreich die europarechtlichen Vorgaben noch nicht verbindlich waren.). Durch die Aufhebungsbefugnis werde das Vergabeverfahren unbillig verzögert. Auch müsse der begünstigte Bieter, der meist am rechtswidrigen Verhalten des Auftraggebers nicht beteiligt war, während der ganzen Nachprüfungszeit, seine sofortige Leistungsbereitschaft erhalten. Daher sprächen die Folgeprobleme einer Aufhebungsbefugnis/Eingriffsbefugnis der Nachprüfungsinstanz gegen eine diese, „wenn es auch schmerzt, dass die Sachzwänge des Vergabewesens Einbußen am Rechtsschutz des Bieters als unvermeidlich erscheinen lassen.“ Wegen der Abhängigkeit des Bieters vom Willen der Vergabestelle zeuge die Forderung nach für den Bieter selbst durchsetzbaren subjektiven Rechten „von einer gewissen vergaberechtlichen Romantik, weil man dem Bieter etwas viel Zivilcourage abverlangt, wenn man ihn selbst zum Anwalt seiner Rechte gegenüber dem Auftraggeber macht, der die wirtschaftliche Zukunft des Bieters durch weitere Aufträge wesentlich mitbestimmt.“ – Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/Rill, S. 195, 472. 162 Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, § 114, Rn. 21; anders aber Reidt, BauR 2000, 22, 23 ff. 163 Näher Büchl, S. 68 ff. 164 So das Vorbringen der österreichischen und deutschen Regierung im AlcatelVerfahren, wiedergeben bei den Schlussanträgen des GA, Slg 1999, I-7673, 7684 (Rz. 64). Zu weiteren Argumenten, Denk, S. 145 f. m. w. N.; vgl. auch Büchl, S. 96 f.

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tel-Entscheidung167) hat sich der EuGH zu der Frage geäußert, ob auch die Zuschlagsentscheidung eine Entscheidung im Sinne der Rechtsmittelrichtlinien ist. Seine Aussagen sind auch für die insoweit wortgleiche Sektorenrechtsmittelrichtlinie maßgeblich. Obwohl die Entscheidung zum österreichischen Vergaberecht erging, sind ihre Aussagen auch auf das deutsche Recht übertragbar. Denn wie im Folgenden gezeigt werden wird, sind das österreichische und deutsche Vergaberechtssystem sehr ähnlich und beide weisen in Bezug auf die Zuschlagsentscheidung ein Rechtsschutzdefizit aus den gleichen Gründen auf.168 Die Alcatel-Entscheidung hat folglich auch erhebliche Bedeutung für die deutsche Rechtslage. Dies gilt ebenso für die Rechtslage in anderen Mitliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft169. Sie hat daher ein enormes Echo in Vergaberechtskreisen gefunden.170 165 Einen Überblick über die Rechtsprechung des EuGH in Vergabesachen insgesamt geben Opitz, NZBau 2003, 252; Bayer/Franke/Opitz, S. 37–139 (zum materiellen Vergaberecht); zu den Entscheidungen des EuGH im Vergabebereich von 1993– 1995, Dreher, VgR 1/96, 49; zu den Entscheidungen von 1998–1999, Generalanwalt Alber, in: Schwarze, S. 141 ff.; vgl. auch die Überblicke von Prieß, EuZW 1997, 391, 396 ff.; Prieß, EuZW 1999, 196, 202 ff.; Prieß, EuZW 2001, 365, 372 ff. (Jahre 1999 und 2000). Zu den Zahlen der Gerichtsverfahren des jew. MS vor dem EuGH bis 1998, vgl. Prieß/Hausmannn, EuR 1999, 203, 232. Das wohl erste Urteil des EuGH in Vergabesachen erging 1976 in der Rechtssache Kommission gegen Italien, Slg. 1976, 1359. Die Zahl der EuGH – Entscheidungen zum Vergaberecht nimmt zu, dazu auch Hödl, S. 29. 166 Die Alcatel Austria AG gehörte zu einer Bietergemeinschaft bestehend aus der Alcatel Austria AG, der STUAG Bau Aktiengesellschaft und dem Österreichischen Forschungsinstitut Seibersdorf. Daneben waren Antragssteller im nationalen Nachprüfungsverfahren die Bietergemeinschaft Ecoroute (bestehend aus Siemens Austria AG, Siemens Nixdorf Informationssysteme GmbH und Saab Kombitech Traffic Systems) und die SAG Schrack Anlagentechnik AG – Büchl, S. 112. 167 So wird das Urteil in Deutschland genannt. In Österreich ist dagegen die Bezeichnung „Öko-Punkte-Urteil“ vorherrschend, obwohl sich auch die Bezeichnung „Alcatel-Verfahren“ findet. 168 Auch von der deutschen Entscheidungspraxis wurde die Übertragbarkeit der Aussagen der Alcatel-Entscheidung auf die deutsche Rechtslage anerkannt, dazu Fn. 321; vgl. auch Jagenburg/Brück, NJW 2000, 2242, 2243. 169 Zu den Auswirkungen der Entscheidung auf Griechenland: Georgopoulos, Public Procurement Law Review 2000, 75 (hier auch Überblick über die dortige Vergaberechtslage); auf Großbritannien: Pachnou, Public Procurement Law Review 2000, 251, 256 ff. und Holoubek, 3. Bericht zur Staatsrechtslehrertagung 2000 zum Beratungsgegenstand „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber“, S. 513, 567 Fn. 309. 170 Anmerkungen: Pirstner/Tscherk, ZVglRWiss 99 (2000), 461 ff.; MartinEhlers, EuZW 2000, 101; Kus, NJW 2000, 544; Byok, BB 1999, 2581, der das Urteil als „Meilenstein“ in der Abrundung des Vergaberechtsschutzes bezeichnet; Hausmann, EuZW 1999, 762; Rust, NZBau 2000, 66; Jaeger, EWS 2000, 124; aus dem

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Wie schon angedeutet, sollen zum besseren Verständnis der Alcatel-Entscheidung und zur Verdeutlichung ihrer unmittelbaren Relevanz auch für die deutsche Rechtslage kurz die Rechtsschutzmöglichkeiten in Österreich in Bezug auf die Zuschlagsentscheidung dargestellt werden (unter aa), bevor im Einzelnen auf die Alcatel-Entscheidung eingegangen wird (unter c). Der demnach darzustellende Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung in Österreich ist leichter nachvollziehbar, wenn zunächst das Gesamtsystem des österreichischen Vergaberechts vorgestellt wurde. Dies soll etwas ausführlicher erfolgen, da das österreichische Vergaberecht auch an anderen Stellen der Arbeit als Vergleichsmaßstab und Argumentationshilfe für die Lösung der Rechtsschutzprobleme in Deutschland herangezogen wird.171 Die folgende Darstellung dient daher auch dem Verständnis dieser späteren Bezugnahmen auf das österreichische Recht. aa) Überblick über das österreichische Vergaberecht und den Vergaberechtsschutz (1) Überblick über die Entwicklung des Vergaberechts in Österreich172 Auch in Österreich war der überwiegende173 Teil des Vergaberechts zunächst über verwaltungsinterne Anweisungen, sog. Verwaltungsverordnungen, jeweils für die Bundes-, Landes- und Gemeindeebene geregelt, welche vom jeweiligen obersten Verwaltungsorgan durch Weisungen in Geltung gesetzt wurden. Diese verwaltungsinternen Erlasse beruhten inhaltlich meist auf der ÖNORM 2050 aus dem Jahr 1957174. Diese ÖNORM lässt sich mit den deutschen Verdingungsordnungen vergleichen. Sie wird vom Österreienglischsprachigen Schrifttum: Dischendorfer/Öhler, Public Procurement Law Review 2000, CS 54; Gutknecht, Public Procurement Law Review 2000, CS 14; Pachnou, Public Procurement Law Review 2000, 55, 72 f. 171 Zu den Gründen dafür näher auch im Vorwort dieser Arbeit bei der Vorstellung des Ganges der Untersuchung. 172 Ausführlich zur Entwicklung des österreichischen Vergaberechts: Huber, in: Fruhmann/Gölles, u. a., BVergG, 2. Aufl., S. 9 ff.; Schabus, S. 15 ff.; darüber hinaus zur Entstehung und Weiterentwicklung des BVergG die Ergänzenden Bemerkungen zu den Regierungsvorlagen von 1993 ff., abgedruckt in Fruhmann, Gölles, u. a., BVergG, 2. Aufl., S. 129 ff.; zur Entwicklung bis 1981 vgl. ausf. Langer, S. 1 ff.; Oberndorfer (Hrsg.), Kommentar zur ÖNORM, A. 2050 S. 1 ff.; sehr ausführlich zur Geschichte des Vergaberechts in den österreichischen Bundesländern Denk, S. 12 ff.: (insbes. zum rudimentären vergabespezifischen Rechtsschutz vor Erlass der LVergG, S. 16 ff.; zu den Umsetzungsphasen der Richtlinien, S. 30 ff., die ausführlich erläutert werden.). 173 In einigen Gemeinden waren Vergabebestimmungen aber auch in den Gemeindehaushaltsordnungen enthalten. Sie haben daher den Rang von Rechtsverordnungen. – Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/Rill, S. 195, 213 f. und 223.

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chischen Normungsinstitut geschaffen. Da dies nur ein privater Verein ist, sind die von ihm geschaffenen Regelungen zunächst nur Empfehlungen, die nicht verbindlich sind. Sie wurden erst durch Anordnungen der Exekutive verbindlich.175 Bis 1994 gab es in Österreich keine gesetzliche Regelung des Vergaberechts,176 so dass bis dahin vom „vergaberechtlichen Mittelalter“177 gesprochen wird. Auch in Österreich führten erst die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zur gesetzlichen Regelung der Auftragsvergabe.178 Die Vergaberichtlinien sind in Österreich seit dessen EWR-Beitritt am 1.1.1994 und später am 1.1.1995 mit dem Beitritt zur EG verbindlich. Wegen deren Vorgaben wurden in den Jahren 1993 bis 1995 das Bundesvergabegesetz (BVergG) und 9 Landesvergabegesetze erlassen. Anders als in Deutschland entschied man sich aber hier gleich für den Erlass außenwirksamer Gesetze.179 Der Erlass von einem selbstständigen Bundesvergabegesetz und neun Landesvergabegesetzen180 hatte kompetenzrechtliche Gründe181. Die Schaf174 Die ÖNORM wurde im Jahr 2000 zuletzt überarbeitet und mit Wirkung vom 1.3.2000 als neue ÖNRORM A 2050 verlautbart – zu den Änderungen Gölles, ecolex 2000, 193 und Heid, ecolex 1999, 529. 175 Schabus, S. 17 f. zum Inhalt der ÖNORM: Neuhuber, S. 48 ff. 176 Zur Notwendigkeit des Erlasses einer gesetzlichen Regelung und der Mängel der Verwaltungsverordnungen, Kienast, S. 31 ff. (insbes. keine subj. Rechte). 177 Aicher, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 11. 178 Öhlinger, in: Potacs, Beiträge zum Kärntner Vergaberecht, 2000, S. 3 hält es für wahrscheinlich, dass Österreich ohne diesen Zwang des Gemeinschaftsrechts heute noch kein gesetzliches Vergaberecht hätte. Die gesetzliche Regelung sei nicht durch das verfassungsrechtliche Legalitätsprinzip, sondern durch die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts bewirkt worden. Dies sei ein „eindrucksvoller Beleg der Ohnmacht der Verfassung und der Macht des Gemeinschaftsrechts“, für die es auch andere Beispiele gäbe. Dies lässt sich auch entsprechend auf die deutsche Situation übertragen. 179 Einen Überblick über die Rechtslage nach der ersten „Gesetzgebungswelle“ geben Grussmann, ecolex 1996, 68; Korinek, ecolex 1996, 58; zu den ersten Entscheidungen im Vergabebereich zusammenfassend Holoubek, ecolex 1997, 200 ff. 180 Die aktuellen Landesvergabegesetze und deren Fundstellen in den Gesetzblättern können über das Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes (www.bka. ris.at) abgerufen werden. 181 Dazu ausführlich die Ergänzende Bemerkungen zu den Regierungsvorlagen des BVergG von 1993 und den folgenden Novellen, abgedruckt in Fruhmann/ Gölles, u. a., BVergG, 2. Aufl., S. 129 ff. (137 ff., 155 f. und 162); zusammenfassend zur Kompetenzfrage auch: Rill, in: Rill/Griller, S. 55 ff. und Denk, S. 4 ff. m. w. N.; vgl. auch Kienast, S. 33 ff.; Schabus, S. 21 f. und 47 ff.; Wibmer, S. 17 ff.; Oberhauser/Fend, S. 21 ff.; Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/Rill, S. 195, 235 ff.; Öhlinger, in: Potacs, Beiträge zum Kärntner Vergaberecht, 2000, S. 3 ff.; Thienel, ÖJZ 1993, 609 ff. Nach dem österreichischen VfGH v. 7.10.1998 B 2103/

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fung eines bundeseinheitlichen Vergaberechts war am Beharren der Länder auf ihrer Kompetenz in diesem Bereich gescheitert. Diese Haltung ist allerdings schwer nachvollziehbar, da durch die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ohnehin nur wenig Spielraum für eine eigenständige Landesvergaberegelung bleibt.182 (2) Das Bundesvergabegesetz Die Stammfassung des BVergG, die im Zuge des Beitritts Österreichs zum EWR erlassen worden ist, trat am 1.1.1994 in Kraft (BGBl 1993/462 = BVergG 1993). Es führte bereits subjektive Rechte und ein Kontrollverfahren ein. Dennoch entsprach es nicht den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.183 Daher wurde 1997 das BVergG 1997 erlassen.184 Die nächsten Änderungen erfolgten 1999.185 Inzwischen ist aber ein umfassend geändertes neues BVergG 2002186 erlassen worden, das am 1.9.2002 in Kraft getreten ist. Grund für die Neuregelung war vielfältiger Anpassungsbedarf der Vergaberechtslage. Dieser ergab sich etwa aus der später zu behandelnden Alcatel-Entscheidung des EuGH, einer Entscheidung des österreichischen VfGH, in der er das Bundesvergaberecht oberhalb der Schwellenwerte teilweise für verfassungswidrig hielt,187 und der Neuausgabe der ÖNORM A 2050 und A 2051.188 Da97 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angenommene Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Vergaberechts. Zur neuen Kompetenzverteilung im Vergaberecht ab 1.1.2003 aufgrund der B-VG Novelle BGBl I 2002/99, Kleiser, ÖJZ 2003, 449. 182 Winkler, S. 57 f. 183 Zu den Defiziten vgl. etwa Holoubek, ecolex 1997, 200, 201 f.; zu den Gründen und dem Verfahren des Erlasses des BVergG 1997 ausf. Hödl, S. 21 ff. 184 BGBl 1997/56. Dazu näher Brinker/Punz/Roniger/Vock, S. 29 ff. und Mille/ Kropik, S. 9 ff. Vgl. auch den Kommentar zum BVergG von Fruhmann/Gölles (Hrsg.), 2. Aufl., Wien 1999 (zum BVergG 1993 noch die Vorauflage aus 1993, hrsg. v. Gölles, u. a.). 185 BGBl. 80/1999 und 120/99 – dazu Kienast, S. 47 f. und Brinker/Punz/Roniger/Vock, Rn. 152 f. 186 BGBl. 99/2002 v. 28.6.2002. Aus der Literatur zum BVergG 2002: Aicher, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 11; Gutknecht, ÖZW 2002, 65; Gölles/Houlobek, Bundesvergabegesetz 2002, S. 1 ff. (S. 5 f. zu den Neuerungen); Pock, RPA 2002, 266 ff.; Gutknecht, Behördenspiegel Februar 2002, S. B 17; Monatsinfo forum vergabe e. V., 2/2002, S. 28 f.; Wilhelm, ecolex 2002, 61; zu den dortigen Regelungen in Bezug auf die einstw. Verfügung in § 170 BVergG – Hoffer/Schmölz, RPA 2002, 27, 29. Zum Gesetzgebungsverfahren Fruhmann, ZVB 2001, 33 ff. 187 Nach dem BVergG konnte die letztentscheidende Nachprüfungsinstanz (das Bundesvergabeamt, BVA), die als Verwaltungsbehörde ausgestaltet war, auch Hand-

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rüber hinaus war durch die Neuregelung aber auch den Entscheidungen des VfGH Rechnung zu tragen, in denen er die unterschiedliche Regelungen des vergabespezifischen Rechtsschutzes im Ober- und Unterschwellenbereich für gleichheitswidrig befand.189 Außerdem sollen durch das BVergG 2002 im Zuge der Initiativen e-Europe und e-Austria die Nutzung der elektronischen Medien im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe erprobt werden.190 (3) Das Landesvergaberecht (a) Die Landesregelungen vor dem Erlass des BVergG 2002 In den Bundesländern Burgenland, Kärnten, Oberösterreich, Steiermark und Wien galten bisher Vergabegesetze, die auch das materielle Vergaberecht selbst umfassten. Dagegen verweisen die Gesetze der Länder Niederösterreich, Tirol, Salzburg und Vorarlberg weitgehend auf die Regelungen des BVergG.191 Allerdings wird das Rechtsschutzverfahren auch von diesen selbst geregelt. Die Landesvergabegesetze (und auch das BVergG) stimmten allerdings in den Grundsätzen weitgehend übereinstimmen. Denn sie müssen die umfangreichen und detaillierten Vorgaben der Vergaberichtlinien umsetzen. Im Einzelfall gibt es aber dennoch (z. T. bedeutsame) Unterschiede192. Diese liegen vor allem im Rechtsschutzbereich, da dem Gesetzgeber hier ein größerer Spielraum verbleibt.193 lungen oberster Organe der Bundesverwaltung kontrollieren bzw. aufheben. Da das BVA aber selbst ein Verwaltungsorgan war, hat dies der österreichische Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben, VfGH v. 30.9.1999, G 44–46/ 99; dazu auch Kargl, S. 35 ff. und Holoubek, in: Rill/Griller, S. 237, 259 ff.; Thienel, ZfV 1999, 332 ff. Nach der darauf erfolgten Rechtsänderung durch die Übergangslösung im Jahr 2000 (s. sogleich) stellte der VfGH aber erneut die Verfassungswidrigkeit der Rechtslage fest. Er kam erstmals zu dem Ergebnis, dass „verfassungswidriges Verfassungsrecht“ vorliege, vgl. VfGH, 11.10.2001, G 12/00, RPA 2001, 153 = ZVB 2001, 140 (Denk); krit. zu dieser Entscheidung Wilhelm, ecolex 2001, 801; zustimmend der Kommentar von Essl, RPA 2001, 161 und Denk, Anm. zu VfGH, 11.10.2001, G 12/00, ZVB 2001, 142). 188 Als Reaktion darauf war im Jahre 2000 zunächst mit dem „BVergG 2000“ eine Übergangslösung geschaffen worden (BGBl. I Nr. 125/2000). Eine schon damals beabsichtigte umfassende Novellierung des Vergaberechts scheiterte am Fehlen der nötigen Verfassungsmehrheit. Deswegen wurde nur eine „Rumpfnovelle“ erlassen, die die dringendsten Änderungen umsetzte. 189 Dazu im Teil 4, C. II. 1. b). 190 Vgl. A.1 der Begründung zur RV. 191 Zur Frage, welche Regelungstechnik die überzeugendere ist, Denk, S. 33 f., der sich für eine wortwörtliche Gesamtübernahme der Bestimmungen des BVergG ausspricht.

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(b) Die Landesregelungen nach dem Erlass des BVergG 2002 Das BVergG 2002 hat die Kompetenzverteilung für das öffentliche Auftragswesen in der österreichischen Bundesverfassung geändert. Nunmehr ist der Bund für die Regelung des Vergabeverfahrens allein zuständig. Spätestens ab 1.7.2003 wird danach auch in den Ländern ausschließlich das materielle Vergaberecht des Bundesvergabegesetzes gelten.194 Die Ausgestaltung des vergabespezifischen Rechtsschutzes verbleibt weiter in der Kompetenz der Länder. Er wird weiter in den Landesvergabegesetzen geregelt bleiben. Insoweit werden also weiterhin in Bund und Ländern 10 unterschiedliche Vergabegesetze bestehen, die gerade im Rechtsschutzbereich Unterschiede aufweisen.195 Welches Vergabegesetz anzuwenden ist, hängt davon ab, wer als Auftraggeber auftritt (persönlicher Anwendungsbereich). Vereinfacht gesagt ist das BVergG anzuwenden, wenn der Bund den Auftrag vergibt. Die Landesvergabegesetze erfassen solche Aufträge, die von den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden vergeben werden. (4) Überblick über die Ausgestaltung des Vergaberechtsschutzes in Österreich (a) Der Rechtsschutz nach dem Bundesvergabegesetz Nach dem BVergG 2002 ist für die Vergabenachprüfung das Bundesvergabeamt (BVA) zuständig. Es ist eine eigene weisungsfreie Behörde. Vor Anrufung des BVA kann die Bundesvergabekontrollkommission (B-VKK) angerufen werden. Gegen die Entscheidungen des BVA ist die Beschwerde zum österreichischen VfGH möglich. Das Vergaberecht hat sich zu einem der Hauptaufgabengebiete des österreichischen Verfassungsgerichtshofs entwickelt.196 192 Einen Überblick über die Unterschiede im materiellen Recht und im Rechtsschutz gibt Pesendorfer, RPA 2001, 209, 212 ff.; Denk, S. 8 vergleicht das System der Landesvergabegesetze mit einem von seinem Stamm (einheitliche Grundlagen wegen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben) aus verästelnden Baum. Zu den Unterschieden im Einzelnen ausf. Denk, S. 30 ff. (für die erste Umsetzungsphase = Stammfassungen). 193 So auch die Auffassung von Waltl, S. 55, nach dem sich der Rechtsschutz des StmkVG „ganz wesentlich“ von dem des BVergG unterscheidet. 194 Näher (insbes. zu den problematischen Übergangsvorschriften) Gutknecht, ÖZW 2002, 65, 66 ff. 195 Zur neuen Kompetenzverteilung im Vergaberecht ab 1.1.2003 aufgrund der B-VG Novelle BGBl I 2002/99, Kleiser, ÖJZ 2003, 449. 196 Kargl, S. 1, der Holoubek mit den Worten zitiert, dass „in letzter Zeit mehr Verfahren bei VfGH das Vergaberecht betreffen als das gesamte sonstige Wirt-

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(b) Der Rechtsschutz nach den Landesvergabegesetzen197 In den Landesvergabegesetzen lassen sich verschiedene Organisationsmuster unterscheiden:198 Im Burgenland, in Kärnten, Tirol, Vorarlberg und in Niederösterreich (NÖ) ist jeweils der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) als Pendant zum BVA zur Nachprüfung von Vergabeentscheidungen in erster und letzter Instanz berufen.199 In Oberösterreich (OÖ) prüft in erster Instanz die Landesregierung. Gegen ihren Bescheid ist die Berufung an den UVS möglich. Der UVS wird hier also – anders als in den schon genannten Bundesländern – nicht erstinstanzlich, sondern als Rechtszugsinstanz tätig.200 Eigene Behörden mit richterlichem Einschlag zur Nachprüfung von Vergabeentscheidungen (Vergabekantrollsenate – VKS) sind in Salzburg, in der Steiermark und Wien201 zuständig.202 Gegen die Entscheidung der Vergabenachprüfungsinstanzen in den Bundesländern Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Wien203, Steiermark204, Tirol und Vorarlberg ist neben dem Weg zum VfGH auch der Weg zum VwGH205 eröffnet. schaftsrecht betreffen.“ Holoubek, ÖZW 1998, 75 bezeichnet ihn daher als „Vergabegerichtshof“. Die (Diplom)Arbeit von Kargl hat eine Zusammenfassung der Entscheidungen des VfGH seit 1995 zum Gegenstand (S. 11 ff.). 197 Wie schon ausgeführt, bleibt die Kompetenz der österreichischen Bundesländer zum Erlass eigener vergaberechtlicher Rechtsschutzvorschriften durch das InKraft-Treten des BVergG 2002 unberührt. Zum Rechtsschutz nach den Landesvergabegesetzen, vgl. ausf. die Dissertation von Denk, der nach spezifischen Themenbereichen systematisch vergleicht, zu allen LVergG auch: Mikolasch, S. 26 ff.; Brinker/Punz/Roniger/Vock, Rn. 408 ff. (auch zum materiellen Recht); zum Rechtsschutz nach dem StmKVG – Waltl, S. 55 ff. 198 Vgl. Mikolasch, S. 27 ff. und ausführlich zu den einzelnen Ausgestaltungen, Denk, S. 46 ff. 199 Allgemein zu den Vorgaben für die UVS in der österreichischen Bundesverfassung, Denk, S. 49 f. 200 Näher Denk, S. 57. 201 Hier wurde Rechtsschutz im „Landesgesetz, mit dem der Rechtsschutz hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen geregelt wird (Wiener Vergaberechtsschutzgesetz – WVRG) neu geregelt (WrLGBl. 25/2003 vom 30.6.2003). 202 Soweit in einigen Bundesländern der Zugang zu den Nachprüfungsinstanzen von der obligatorischen Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vorgesehen ist, ist dies nach der Entscheidung des EuGH vom 19.6.2003, C-410/01 gemeinschaftsrechtswidrig, näher Sundström, ecolex 2004, 251, 255 und Dischendorfer, Public Procurement Law Review 2004, NA 14. 203 Vgl. § 2 IV WVRG. 204 Dazu näher Mikolasch, S. 72 f.

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(c) Zur Inanspruchnahme der Rechtsschutzmöglichkeiten Auch in Österreich werden die Rechtsschutzinstanzen in erheblichem Ausmaß in Anspruch genommen.206 Houlobek spricht davon, dass die Zahl der Vergaberechtsstreitigkeiten explodiert.207 Tatsächlich liegt aber eher ein kontinuierlicher Anstieg der Streitverfahren vor.208 bb) Die Abhängigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten von der Zuschlagserteilung in Österreich Auch in Österreich sind die Rechtsschutzmöglichkeiten des Bieters wie in Deutschland von der Zuschlagserteilung abhängig. Alle österreichischen Vergabegesetze unterteilen den Rechtsschutz in Phase vor Zuschlagserteilung und nach Zuschlagserteilung. Auch in Österreich ist das Rechtsschutzsystem damit in Abhängigkeit vom Stand des Vergabeverfahrens zweiteilig ausgestaltet, d.h. die Kompetenz der Nachprüfungsinstanz hängt vom Zeitpunkt des Nachprüfungsantrages ab. Die Landesvergabegesetze und das BVergG entsprechen sich hier weitgehend. Daher soll hier nur die Rechtslage nach dem BVergG und für die Landesvergabegesetze exemplarisch auf die nach dem Wiener LVergG eingegangen werden.209 (1) BVergG – Bis zur Zuschlagserteilung ist das Bundesvergabeamt (BVA) nach § 162 II BVergG 2002 (§ 113 II BVergG 1997) für den Erlass einstweiliger Verfügungen und zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen210 des Auftraggebers zuständig. Letzteres muss nach § 117 dann erfolgen, 205 Einen sehr ausführlichen Überblick über die bisherige Judikatur des VwGH in Vergabesachen, gibt Pesendorfer, RPA 2002, 6 ff. 206 Zur Inanspruchnahme des Rechtsschutzes nach Einführung des BVergG 2002 vgl. die Zahlen bei Aicher, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 11, 17 und Monatsinfo forum vergabe e. V. 3/2004, 58. Für die Zeit vor In-Kraft-Treten des BVergG 2002 wurden nach Ziff. A. 7.4. der Begründung zur Regierungsvorlage zum BVergG 2002 seit In-Kraft-Treten des BVergG 1994 insgesamt 1316 Kontrollverfahren abgewickelt, wobei die Anzahl der Verfahren kontinuierlich gestiegen ist; vgl. auch die Zahlen bei Prieß/Hausmannn EuR 1999, 203, 220. 207 So Houlobek, in: Rill/Griller, S. 237. 208 Vgl. auch Monatsinfo forum vergabe e. V. 3/2004, 58. 209 Da Wien größter Auftraggeber unter den Ländern ist. 210 Zum Begriff der „Entscheidungen“ als Gegenstand der Kontrolle in den österreichischen Vergabegesetzen, Denk, S. 144 ff.

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wenn die Entscheidung des Auftraggebers gegen das BVergG oder die hierzu erlassenen Verordnungen verstößt und sie für den Ausgang des Verfahrens von wesentlichem Einfluss ist. – Dagegen ist das BVA nach der Zuschlagserteilung nach § 162 III BVergG 2002 (§ 113 III BVergG 1997) nur noch für die Feststellung zuständig, ob wegen des vergaberechtswidrigen Verhaltens des Auftraggebers nicht der Bestbieter den Zuschlag erhalten hat. Der Antrag nach § 113 III ist auf sechs Wochen ab Kenntnis des Zuschlags befristet (§ 115 IV).211 Der vom BVA erlassene Feststellungsbescheid ist Voraussetzung für die nachfolgende Einleitung eines Schadensersatzprozess.212 Damit ist die Feststellungsmöglichkeit nach dem Bundesvergabegesetz systematisch nur ein Element einer schadensersatzrechtlichen Sanktion für das Fehlverhalten der Vergabestelle.213 (2) Landesvergabegesetz Wien Nach § 11 II, III WVRG214 ist der Vergabekontrollsenat folgendermaßen zuständig: – bis zum Zeitpunkt des erfolgten Zuschlages für den Erlass von einstweiligen Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der Vergabestelle. – nach erfolgtem Zuschlag zur Feststellung, ob wegen eines Verstoßes gegen das WL-VergG der Zuschlag nicht dem Antragsteller als Bestbieter erteilt wurde. In einem solchen Verfahren ist der Vergabekontrollsenat ferner zuständig, auf Antrag des Auftraggebers festzustellen, ob einem übergangenen Bewerber oder Bieter auch ohne die festgestellte Rechtsverletzung der Zuschlag nicht erteilt worden wäre.215 Letztendlich ist also auch in Österreich eine Aufhebung des erfolgten Zuschlags und damit die Aufhebung des bestehenden Vertrages nicht 211

Zur Berechnung der Frist, BVA v. 28.1.2000, CONNEX April 2000, 35. Dies ist aber nur der Fall, wenn der Zuschlag erteilt wurde. Nur dann ist nämlich das Feststellungsverfahren zulässig. Wurde die Ausschreibung dagegen aufgehoben, ist eine Feststellung (des LVA in Tirol) mangels erfolgten Zuschlags nicht möglich. Eine Schadensersatzklage ist in diesem Fall auch ohne vorige Feststellung durch die Nachprüfungsinstanz (hier LVA) möglich. – OGH, 2.9.1999, wbl 2000, 185 = ecolex 2000, 109. 213 So VfGH, 15.10.1999, B 3109/97; Holoubek/Lang, ecolex 1998, 668, 669. 214 Er entspricht dem zuvor geltenden § 99 I des Wiener Landesvergabegesetz (WL-VergG), der durch das WVRG außer Kraft trat (§ 32 II WVRG). 215 Ein Beisp. für ein solches Feststellungsverfahren ist VKS (Vergabekontrollsenat) Wien (beim Amt der Wiener Landesregierung) – V 6/99 (MD BD – 7466/ 98), Connex 2002, 45. 212

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mehr möglich. Es bleibt dem Bieter allein ein Schadensersatzanspruch (etwa aus § 122 BVergG). cc) Die mangelnde Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung in Österreich Die Zuschlagsentscheidung ist – vom Gesetz her – nach allen Vergabegesetzen grundsätzlich überprüf- und nichtigerklärbar.216 Sie stellt eine nach den Vergabegesetzen anfechtbare „Entscheidung“ dar. Der Rechtsschutz ist erst ab Zuschlagserteilung abgeschlossen. Die Zuschlagsentscheidung erfolgt aber davor.217 Auch in Österreich mussten aber die nicht zum Zug gekommenen Bieter nicht über die für sie negative Auswahlentscheidung informiert werden218, erfuhren also meist erst nach der Zuschlagserteilung davon. Nach diesem Zeitpunkt ist aber nach § 162 III BVergG 2002 (§ 113 II BVergG 1997) keine Aufhebung von rechtswidrigen Entscheidungen des Auftraggebers einschließlich der Zuschlagsentscheidung und auch kein Erlass einer Einstweiligen Verfügung (EV)219 mehr möglich. Daraus folgt, dass die Zuschlagsentscheidung de facto (meist) nicht anfechtbar ist.220 Mit Ausnahme von Fehlern in der Ausschreibung, bei der Angebotseröffnung und im Fall des Ausscheidens von Bietern221, wo die Fehler vor Zuschlagserteilung publik werden, war eine Überprüfung des Vergabeverfahrens auf sonstige 216 Zu BVA-Entscheidungen in Österreich, wo die Anfechtung der Zuschlagsentscheidung wegen rechtzeitiger Kenntnis möglich war: OGH 29.1.1997, WBl 1997, 217; vgl. auch die Nachweise bei Winkler, S. 45; vgl. auch Platzer, ÖZW 1998, 49, 51 und Gutknecht, ÖZW 2000, 19. 217 Denk, S. 243. 218 Schon 1985 hatte Aicher, in: Korinek/Rill, S. 111, 133 im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung – ohne die später tatsächlich auftretenden Probleme zu kennen – gleichwohl bereits „prophetisch“ festgestellt, dass „jede Kontrolle aber ausreichende Information über den zu kontrollierenden Gegenstand“ voraussetze. 219 Eine Zuschlagserteilung kann also nicht über eine EV ausgesetzt werden – Holoubek, ecolex 1997, 200, 205. 220 Wird aber die Zuschlagsentscheidung vor Zuschlagserteilung doch publik und angefochten, so wurde die Zuschlagsentscheidung von den Nachprüfungsbehörden als anfechtbare Entscheidung angesehen – Bsp. dazu bei Kienast, S. 147; Öhler, RdW 1999, 774, 775 m. w. N.; Reinbacher, S. 54 m. w. N.; Winkler, S. 45 f.; vgl. auch BVA, 20.4.2002, N 136/01-41, wbl. 2002, 98. Auf diese Rechtsprechung bezog sich auch die Republik Österreich im Alcatel – Verfahren. Sie machte geltend, dass deswegen die österreichische Rechtslage gemeinschaftskonform wäre, da eben doch eine Verhinderung der Zuschlagserteilung möglich war – dazu unten und Büchl, S. 99. 221 Hier müssen die Bieter rechtzeitig vor Zuschlagserteilung in Kenntnis gesetzt werden – vgl. auch Elsner, A 187.

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Vergabefehler vor Zuschlagserteilung ohne Indiskretionen nicht möglich.222 Hier bestand also im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung ein Rechtsschutzdefizit aus den gleichen Gründen wie in Deutschland. c) Der Sachverhalt der Alcatel-Entscheidung des EuGH Das österreichische Bundesministerium Wissenschaft und Verkehr hatte einen öffentlichen Auftrag über die Lieferung und Installation eines elektronischen Systems, das die Kontrolle und die Abbuchung von sog. Ökopunkten bei Fahrzeugen, die die österreichische Grenze passieren, ohne Anhaltung der Fahrzeuge an den Grenzen ermöglichen sollte223, ausgeschrieben und am 5.9.1998 den Zuschlag an die Firma Kapsch AG erteilt. Der entsprechende Liefervertrag war auf den gleichen Tag datiert. Die nichtberücksichtigten Bieter erfuhren von der Zuschlagsentscheidung erst nach Vertragsschluss aus der Presse. Das Bieterkonsortium, das den Zuschlag erhalten hatte, begann in der Folge mit der Abwicklung des Leistungsvertrages. Gegen die Vergabe des Auftrages wandte sich die nichtberücksichtigte Firma Alcatel. Sie begehrte die Aufhebung der Ausschreibung und den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt, dem Auftragnehmer die Durchführung des Vertrages zu untersagen. Diese Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung224 wies das Bundesvergabeamt (BVA) zurück. Begründend führte es aus, der Erlass einer einstweiligen Verfügung sei mit § 91 II und III BVergG 1993225 nur bis zum Zeitpunkt des Zuschlags zulässig, der aber schon erteilt sei.226 Es sei daher nach Erteilung des Zuschlags nicht mehr für den Erlass einstweiliger Verfügungen zuständig. Des Weiteren wurde auch der Antrag auf Vorlage an den EuGH zurückgewiesen.227 222

Elsner, A 187. Diese Ökopunkte dienten als Steuerungsmittel für den einer mengenmäßigen Beschränkung in Kontingentform unterworfenen alpenüberquerenden Transitverkehrs. Den LKW wurden beim Transit von vorher zugewiesenen Kontingenten die Ökopunkte bei jeder Fahrt abgebucht. Die Menge der jeweils abgebuchten Punkte ist dabei von der Höhe des Schadstoffaustausches des jeweiligen LKW abhängig. (vgl. dazu die Sachverhaltszusammenfassung bei BVA Österreich v. 3.3.1998 Rs C-81/98, ÖZW 1998, 49 m. Komm. Platzer). Das Ökopunktesystem sollte die physischen Kontrollen beim Grenzübertritt zwecks Durchführung des Transitvertrages bis längstens 31.12.1997 ersetzen – VO der Kommission Nr. 1423/96 v. 30.7.1996, vgl. Casati, ecolex, 1998, 449, 450. 224 Die Entscheidung zur Hauptsache erging am 4.4.1997 (dazu knapp Waldner, S. 216). 225 Österreichisches BGBl I 462/1993. Nach dem mit BGBl-Österreich I 1997/56 wiederverlautbarten BVergG war dies 113 II, III; vgl. die Korrespondenztabelle im Österreichischen BGBl I 56/1997. Nach dem BVergG 2002 ist dies § 162 II, III. 226 Dazu auch schon oben unter bb) und cc). 223

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Gegen diese Zurückweisung erhob der Antragssteller Beschwerde an den österreichischen VfGH228. Er machte u. a. geltend, dass das BVA aus gemeinschaftsrechtlichen Überlegungen („in richtlinienkonformer Auslegung“) verpflichtet gewesen wäre, entgegen den Bestimmungen des BVergG auch nach Zuschlagserteilung eine einstweilige Verfügung zu erlassen.229 Daraufhin hat der VfGH einen Verstoß des BVA gegen das auch in Österreich verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter festgestellt und den Beschluss des BVA vom 18.9.1996 aufgehoben.230 Das Recht auf einen gesetzlichen Richter werde auch dann verletzt, wenn eine als Gericht i. S. d. Art 177 EGV (heute: Art. 234 EGV) zu qualifizierende Verwaltungsbehörde entgegen der Anordnung des Art. 177 III EGV (Art. 234 III EGV neu) eine vorlagepflichtige Frage der Interpretation des Gemeinschaftsrechts dem EuGH nicht zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.231 Das BVA nahm daraufhin das schon beendete Vergabeverfahren wieder auf und untersagte dem Auftraggeber die weitere Durchführung des abgeschlossenen Vertrages.232 Nach weiteren VfGH-Beschwerden233 hat sich das BVA im Hauptsacheverfahren am 3.3.1998234 mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den 227 Das BVA sollte nach Vorstellung des Antragsstellers die Frage stellen, ob die MS nach der RMRL verpflichtet sind, die Zuschlagserteilung im Fall der Rechtswidrigkeit aufzuheben und ob der Erlass einer einstweiligen Verfügung auch nach Zuschlagserteilung noch zu ermöglichen ist. 228 Einen allgemeinen Überblick über die Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofes in Vergabesachen gibt Holoubek, ÖZW 1998, 75. Nach seiner Einschätzung ist mittlerweile das Vergaberecht eines der Haupttätigkeitsfelder dieses Gerichts. 229 Das besondere Problem im Alcatel – Verfahren bestand aber darin, dass Österreich ohne die zügige Abwicklung der Auftragsvergabe der gemeinschaftsrechtlichen Pflicht zur Herstellung eines automatisierten Systems zur Kontrolle nicht nachkommen hätte können und sich daher bei Gewährung von Rechtsschutz einer anderen Gemeinschaftsrechtsverletzung schuldig gemacht hätte. – Pirstner/Tscherk, ZVglRWiss 99 (2000), 461, 471. 230 VfGH v. 26.6.1997 (B 3486/96), ÖZW 1998, 41 ff. m. Anm. Gutknecht = ZVgR 1997, 221 m. Anm. Obermayr – Ökopunkte I = ZfVB 1998, 1043; dazu Kargl, S. 19 ff. und Holoubek/Lang, ecolex 1998, 82. 231 Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat zum EuGH als gesetzlichen Richter iSd Art. 101 GG eine ähnliche Rechtsprechung entwickelt (BVerfGE 73, 339, 366 ff.; 82, 159, 192). Allerdings ist kommt es hier, anders als in Österreich, auf eine besondere Qualität des Rechtsverstoßes an, näher Holoubek, ÖZW 1998, 75, 78. 232 Hausmann, EuZW 1999, 762. 233 Wegen des Instanzenzuges spricht Kargl, S. 56 zu Recht von einer unendlichen Geschichte: So hatte der Auftraggeber Beschwerde vor dem VfGH erhoben, der dann die vom BVA erlassene einstweilige Verfügung vorläufig außer Kraft setzte (VfGH v. 10.10.1997, B 2418/97). Der VfGH räumte hier der gemeinschafts-

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EuGH gewandt.235 Es hat dem EuGH im Verfahren gemäß Art. 177 III EGV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: Vorlagefrage 1: „Sind die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie 89/665/ EWG nach deren Art. 2 Abs. 6 verpflichtet, die dem Vertragsschluss vorangehende Entscheidung des Auftraggebers darüber, mit welchem Bieter eines Vergabeverfahrens er aufgrund der Ergebnisse dieses Verfahrens den Vertrag abschließt, trotz der Möglichkeit, die Rechtswirkungen des Nachprüfungsverfahrens nach Vertragsabschluss auf die Zuerkennung von Schadensersatz zu beschränken, in jedem Fall einem Verfahren zugänglich zu machen, in dem der Antragsteller bei Zutreffen der Voraussetzungen deren Nichtigerklärung erwirken kann?“ Vorlagefragen 2 und 3: Für den Fall, dass der EuGH dies bejahen würde, wurde weiter nach der unmittelbaren Anwendbarkeit der Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 6 und Abs. 1 lit a) und b) gefragt. Die dritte Frage beschäftigte sich etwa damit, ob die nationalen Nachprüfungsinstanzen die Bestimmungen unangewendet lassen müssen, die einer Überprüfung der Zuschlagsentscheidung entgegenstehen oder ob zunächst deren Beseitigung durch die innerstaatlichen Rechtssetzungsorgane abgewartet werden muss.236 Weiter wurde gefragt, ob sie auch dann die Zuschlagsentscheidung überprüfen müssen, wenn das nationale Recht keine Grundlage zum Tätigwerden bietet. Im Folgenden soll es zunächst nur um die Notwendigkeit der Überprüfung der Zuschlagsentscheidung gehen. Auf die Antwort des EuGH zu Vorrechtlichen Verpflichtung, bis zum 31.12.1997 ein elektronisches Ökopunktesystem zu errichten, Vorrang vor dem Interesse des übergangenen Bieters ein. Auf diese Weise wurde die Fertigstellung des Systems ermöglicht. Der übergangene Bieter konnte den Auftrag nicht mehr erlangen. Die beschwerdeführenden Firmen Alcatel, Siemens und Schrack haben damit für sich selbst nichts erreicht, aber als Rechtsfortbildner über die Folgen der neuen Rechtssprechung eine „ideelle Wertschöpfung“ erzielt. – Wilhelm, ecolex 1999, 745. Zum chronologischen Ablauf dieses Verfahrens vor den einzelnen Instanzen (bis zur Vorlageentscheidung an den EuGH) vgl. die Sachverhaltsdarstellung des EuGH, ZIP 1999, 1937, 1938 f.; umfassend auch Gutknecht, ÖZW 1998, 46 ff.; BVA Österreich v. 3.3.1998 Rs C-81/98, ÖZW 1998, 49 m. Komm. Platzer; Pirstner/ Tscherk, ZVglRWiss 99 (2000), 461 ff.; Kargl, S. 19 ff. (zu VfGH in Rs Ökopunkte I) und S. 35 ff. (zum VfGH in Ökopunkte II). 234 Rs C-81/98, ÖZW 1998, 49 m. Kommentar von Platzer; dazu auch Casati, ecolex, 1998, 449. 235 Aber auch nach der Vorlage an den EuGH waren die Gerichtsverfahren in diesem Vergabeverfahren noch nicht beendet: vgl. nur VfGH 30.9.1999, VfGH G 44–46/99-11 – Ökopunkte II, dazu Kargl, S. 35 ff. und Büchl, S. 124 f. 236 Waldner, S. 217.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

lagefrage 2 und 3 wird später bei den Folgen der EuGH-Entscheidung zurückzukommen sein. d) Die Stellungnahmen zur Notwendigkeit der Überprüfung der Zuschlagsentscheidung (Vorlagefrage 1) im Alcatel-Verfahren aa) Die Stellungnahme der Kommission Schon 1995 hatte die Kommission in einem Beanstandungsschreiben gegenüber der Bundesrepublik Deutschland die Auffassung vertreten, dass gerade „die Vergabeentscheidung“237 nach Auffassung der Kommission die „Entscheidung par excellence“ im Sinne der Richtlinie sei.238 Auch in ihrem Mahnschreiben an Österreich239 und in ihrer Stellungnahme vor dem EuGH auf die Vorlagefragen des BVA hat sie daran festgehalten, dass die Anfechtung der Zuschlagsentscheidung (vor Zuschlagserteilung) möglich sein muss. Zum gleichen Ergebnis kommen die Stellungnahme der EFTA-Überwachungsbehörde im Alcatel-Verfahren240 und die Stellungnahme der Antragssteller des nationalen Nachprüfungsverfahrens241.

237 Diese wird hier als Zuschlagserteilung bezeichnet – zu den terminologischen Unklarheiten – B. III. 4. a) (1). 238 Beanstandungsschreiben der EG-Kommission v. 31.10.1995 (SG (95) D/ 13624-95/2044), ZIP 1995, 1940, 1944. 239 Mahnschreiben der Kommission an Österreich v. 8.4.1997, zit. nach VfGH Österreich v. 26.6.1997, ÖZW 1998, 41, 45. Zur Begründung beruft sie sich u. a. darauf, dass der generelle Begriff der „Entscheidung“ in Art. 2 I lit b der RL 89/ 665/EWG bewusst gewählt worden sei, „um jeglichen Hinweis auf eine bestimmte juristische Form zu vermeiden und damit nicht durch einen juristischen Formalismus gebunden zu sein.“ Zum Mahnschreiben auch Büchl, S. 107 ff. und 116 ff. Die Kommission hat dagegen nicht beanstandet, dass der Vertragsschluss nicht mehr überprüft werden kann. Diese Möglichkeit ist durch die Richtlinien eingeräumt, dazu oben unter B. I. 4. 240 Näher zur Begründung dieser Stellungnahme, Büchl, S. 111 f. 241 Näher Büchl, S. 112: Stellungnahmen hatten abgegeben: Die Bietergemeinschaft Alcatel (bestehend aus der Alcatel Austria AG, STUAG Bau Aktiengesellschaft und dem Österreichischen Forschungsinstitut Seibersdorf) und die Bietergemeinschaft Ecoroute (bestehend aus Siemens Austria AG, Siemens Nixdorf Informationssysteme GmbH und Saab Kombitech Traffic Systems). Die SAG Schrack Anlagentechnik AG hatte dagegen keine Stellungnahme abgegeben.

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bb) Die Stellungnahme der österreichischen Bundesregierung Vom österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr wurde in seiner Stellungnahme zum Alcatel-Verfahren vor dem EuGH u. a. darauf verwiesen, dass die Zuschlagsentscheidung auch schon nach geltender Rechtslage in Österreich überprüfbar sei. Dazu wurde insbesondere auf das österreichische Auskunftspflichtgesetz verwiesen, nachdem die Verwaltungsbehörden verpflichtet seien, Auskünfte an jede Person zu erteilen. Dies sei nur ausnahmsweise nicht der Fall, wenn dadurch die übrigen Aufgaben der Verwaltung wesentlich beeinträchtigt werden. Über dieses Gesetz könnte jeder Bieter schon vor der Zuschlagserteilung Auskünfte über den Stand des Vergabeverfahrens erlangen. Er könne auch so von der internen Entscheidung erfahren und so die bevorstehende Zuschlagserteilung verhindern.242 cc) Die Schlussanträge des Generalanwaltes In seinen Schlussanträgen243 hatte sich auch der Generalanwalt244 Mischo für die Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung ausgesprochen (und die Unvereinbarkeit der österreichischen Lösung mit EG-Recht festgestellt). Insbesondere der Verweis der österreichischen Bundesregierung auf die Auskunftsmöglichkeit nach dem Auskunftspflichtgesetz überzeuge nicht. Diese Auskunft könne die Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung nicht sicherstellen. Sie stelle keinen gleichwertigen Ersatz für eine spezielle Informationspflicht über die Zuschlagsentscheidung dar. Dies zeige sich schon daran, dass die Behörden 2 Monate Zeit haben, auf die Anfrage zu antworten. Letzteres würde darüber hinaus auch dem Grundsatz des schnellen Zuschlagsverfahrens widersprechen.245

242

Näher dazu m. w. N. Büchl, S. 99 und 115 ff. Vom 10.6.1999; Slg 1999, I-7673; dazu auch Kienast, S. 141 ff. und Büchl, S. 107 ff. und 116 ff. 244 Bei den Generalanwälten handelt es sich nicht, wie der Namen nahe legen könnte, um beim EuGH plädierende Anwalte. Vielmehr sind sie selbst ebenfalls Mitglieder des EuGH. Ihre Hauptaufgabe ist die Stellung von Schlussanträgen zu den Rechtssachen des EuGH. Diese Schlussanträge sind Rechtsgutachten, die mit einem Entscheidungsvorschlag enden – Alber, Die politische Meinung, 2/2002, 59, 63. 245 Rz. 57 ff. 243

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

e) Die Aussagen des EuGH Der EuGH hat festgestellt, dass die Zuschlagsentscheidung in einem Verfahren überprüfbar sein muss, das zur Aufhebung dieser Entscheidung führen kann. Im Einzelnen: aa) Zur Zulässigkeit der Vorlage an den EuGH Vom österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr war das Vorabentscheidungsersuchen in seiner Stellungnahme zum AlcatelVerfahren vor dem EuGH für unzulässig gehalten worden.246 Der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Kapsch AG sei bereits erfüllt, da das automatische Ökopunktesystem schon am 1.1.1998 in Betrieb gegangen sei. Die vom BVA dem EuGH gestellte Frage sei daher hypothetisch und nicht mehr präjudiziell. Dem ist der EuGH nicht gefolgt. Obwohl die Frage der Zulässigkeit kaum erörterte, ging er davon aus, dass die Beantwortung der Frage für das Ergebnis des Ausgangsverfahrens Folgen haben würde (Rz. 27 f. der Entscheidung). Er schloss sich hier den Argumenten des vorlegenden Gerichts, der Kommission und des GA an.247 Dem lag wohl auch die Erwägung zu Grunde, dass die Beantwortung der Vorlagefragen für die weitere Anwendung der Rechtsmittelrichtlinien in allen Mitgliedsstaaten bedeutend war.248 bb) Die Entscheidung des EuGH in der Sache (zu Vorlagefrage 1) Der EuGH hat die Vergaberichtlinien in seiner Entscheidung zur ersten Vorlagefrage so ausgelegt, dass sie die Mitgliedsstaaten verpflichten, „die dem Vertragsschluss vorangehende Entscheidung des Auftraggebers darüber, mit welchem Bieter eines Vergabeverfahrens er den Vertrag schließt, in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen, in dem der Antragssteller unabhängig von der Möglichkeit, nach Vertragsschluss Schadensersatz zu erlangen, die Aufhebung der Entscheidung erwirken kann, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.“249 Nach der EuGH-Entscheidung müssen die Mitgliedsstaaten ihr Vergaberecht also so ausgestalten, dass der Bieter tatsächlich die Möglichkeit hat, 246

Näher dazu m. w. N. Büchl, S. 99 und 115 ff. Vgl. näher die Schlussanträge des GA, Slg 1999, I-7673, 7677 (Rz. 16 ff.) und Büchl, S. 116. 248 Büchl, S. 119. 249 EuGH, ZIP 1999, 1937, 1941 (Rz. 43). 247

B. Rechtsschutz vor der Einführung von § 13 VgV

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die Vertragsabschlussentscheidung des Auftraggebers in einem Nachprüfungsverfahren zu überprüfen und sie dann auch korrigieren zu lassen.250 Im Vordergrund seiner Begründung für die Notwendigkeit der Überprüfungs- und Aufhebungsmöglichkeit der Vergabeentscheidung steht das Ziel der Richtlinie, einen effektiven Rechtsschutz im Vergaberecht zu sichern. Er hat also die teleologische Auslegung in den Mittelpunkt gestellt: Zu Recht führt der EuGH aus, dass die wichtigste Entscheidung des Auftraggebers251 nicht systematisch der Nachprüfung entzogen sein darf. Ansonsten wäre das in Art. 1 Abs. 1 zum Ausdruck kommende Ziel der RL 89/665 „in Frage gestellt, wirksame und rasche Verfahren einzuführen, mit denen rechtswidrige Entscheidungen des Auftraggebers zu einem Zeitpunkt nachgeprüft werden können, zu dem Verstöße noch zu beseitigen sind.“252 Die Zuschlagsentscheidung ist in der Tat die wichtigste Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers. Nahezu alle europäischen Vergabeverfahrensvorschriften gehen im Ergebnis dahin, eine sachgerechte Auswahl sicherzustellen. Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtsmittelrichtlinien (RMRL) gerade die letzte, wichtigste Auswahlentscheidung nicht einer Nachprüfung unterwerfen wollen. Besonders wegen der zentralen Rolle der Zuschlagsentscheidung nimmt das Bedürfnis der Bieter nach Rechtsschutz zum Ende des Vergabeverfahrens hin immer mehr zu.253 Daher wäre es widersprüchlich, wenn hier kein Rechtsschutz gewährt wird, während dies in früheren Phasen der Fall ist (etwa über den Informationsanspruch beim Ausschluss eines Bieters254). Der Zweck der Rechtsmittelrichtlinien255, eine möglichst umfassende Sicherung der praktischen Wirksamkeit der europäischen Vergaberegeln zu sichern, spricht also für eine weite Auslegung des Begriffes der „Entscheidung“ und damit für eine Aufhebbarkeit auch der Zuschlagsentscheidung. Soweit für die Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung angeführt wurde, dass die unterschiedlichen mitgliedsstaatlichen Vergabesysteme nicht angetastet werden sollten, so vermag dies nicht zu überzeugen. Auch wenn die Rechtsmittelrichtlinien nicht durchgehend harmonisierten Rechtsschutz schaffen, sondern nur ein Mindestniveau etablieren wollen und daher unter250 251

Kus, NJW 2000, 544, 545. Vom EuGH als Zuschlag bezeichnet – zur richtigen Terminologie unter B. III.

3. a). 252

ZIP 1999, 1937, 1941 (Rz. 38 i. V. m. 34). So auch Mayramhof, JRP 1999, 249, 250. 254 Beim Ausschluss eines Bieters bei Bauvergaben informiert der Auftraggeber den ausgeschlossenen Bieter im Regelfall vor Zuschlagserteilung [§ 27 Nr. 1 VOB/ A – näher dazu beim Verhältnis von § 13 zu § 27 Nr. 1 VOB/A unter C. VII. 1 b)]. 255 Dazu schon im Teil 1, A. VI. 2. b). 253

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

schiedliche Ausgestaltungen zulassen, so sind doch zur Bestimmung dieses Mindestniveaus die Ziele der Richtlinien und der Grundsatz des effet utile zu beachten. In Bezug auf Art. 2 Abs. 6 RMRL bedeutet dies, dass die Möglichkeit, den Rechtsschutz nach der Zuschlagserteilung auf Schadensersatz zu beschränken, nicht dazu führen kann, dass dem übergangenen Bieter auch vor Vertragsschluss keine effektiven Rechtsmittel gegen rechtswidrige Entscheidungen zustehen. Auch Art. 2 Abs. 6 lässt sich damit nicht für eine Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung heranziehen.256 Er zielt nur darauf ab, einen bereits geschlossenen Vertrag zu schützen, will aber nicht die Rechtsmittel gegen Entscheidungen, die – wie die Zuschlagsentscheidung – diesem Vertragsschluss vorausgehen, begrenzen.257 Dies ergibt sich auch daraus, dass Art. 2 VI eine Ausnahmevorschrift darstellt. Diese Vorschriften müssen nach der Rechtsprechung des EuGH aber eng ausgelegt werden, soweit sie gewährleistete Rechte einschränken.258 Folge der Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung wäre aber, dass „die von Art. 2 VI RMRL erlaubte Beschränkung der Befugnis der Nachprüfungsbehörden auf die Zuerkennung von Schadensersatz (Art. 2 I lit. c) RMRL) unzulässigerweise auf das Stadium des Vergabeverfahrens ausgeweitet“ wird.259 Für eine weite Auslegung des Entscheidungsbegriffs spricht auch, dass die „Streichung der Spezifikationen“ in Art. 2 I lit. b erwähnt sind: Nach Art. 2 I lit. b ist sicherzustellen, dass die „Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich260 der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen261 in den Ausschrei256 Art. 2 VI kann nur für die weitergehende Frage der Trennung der Zuschlagserteilung vom Vertragsschluss herangezogen werden. Diese wird später erörtert. 257 Vgl. Rz. 37 des Alcatel-Urteils; so auch Denk, S. 244 f. Nach Schenk, S. 127 f. ist Art. 2 VI beim deutschen Zuschlagssystem schon von vornherein nicht anwendbar. Es könnten sich daher nur die Mitgliedsstaaten auf die Beschränkung der Aufhebungsbefugnis berufen, bei deren Vergaberechtssystem Zuschlag und Vertragsschluss auseinander fallen. In Deutschland erfolgt der Vertragsschluss aber gerade nicht „im Anschluss an die Zuschlagserteilung“, sondern durch die Zuschlagserteilung. Dagegen ist der EuGH in der Alcatel-Entscheidung der Anwendbarkeit des Art. 2 VI im österreichischen (und damit auch deutschen) Zuschlagssystem ausgegangen, indem er diese Vorschrift ausdrücklich in seine Argumentation einbezogen hat (Rz. 37). 258 Vgl. Büchl, S. 69 f. 259 Waldner, S. 221. 260 Dies ist entgegen Öhler, S. 180 nicht als „und“ zu lesen. ist. Eine Erweiterung auf „und“ bedarf es nicht (vgl. die übernächste Fn.). Außerdem hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber, wenn er eine weitere, selbstständige Befugnis zur Aufhebung der (Entscheidung über die) Spezifikationen hätte schaffen wollen, anstatt des Wortes „einschließlich“ ausdrücklich das Wort „und“ verwenden können – zum Ganzen auch Kienast, S. 64.

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bungsdokumenten, den Verdingungsunterlagen . . . vorgenommen oder veranlasst werden kann.“ Wenn schon die Entscheidung über die Streichung von Anforderungsbeschreibungen (Spezifikationen) als Beispiel für eine aufhebbare Entscheidung angeführt wird, so muss eine solche Entscheidung auch die viel bedeutendere Zuschlagsentscheidung sein.262 Darüber hinaus lässt sich der Wortsinn des in der Richtlinie verwendeten Begriffes „Entscheidung“ dafür anführen, die Zuschlagsentscheidung unter diesen Begriff zu fassen. Denn eine „Entscheidung“ ist eine Auswahl unter mehreren Möglichkeiten, was bei der Entscheidung, welchem Bieter der Zuschlag zu erteilen ist, zu bejahen ist. Dass sämtliche Entscheidungen, also auch die Zuschlagsentscheidung, einer Aufhebung nach Art. 2 I lit. b zugänglich gemacht werden können müssen, ergibt sich auch aus Art. 2 I lit a, wo gegen „jede Entscheidung“ die Möglichkeit der einstweiligen Verfügung vorausgesetzt wird. Es ist nicht ersichtlich, warum das auf die Aufhebung gerichtete Verfahren nach lit. b einen eingeschränkteren Umfang haben soll.263 Art. 1 der RMRL verlangt, dass die „Entscheidungen“, die eine Vergabebehörde im Rahmen eines Vergabeverfahrens getroffen hat, auf Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens überprüft werden können. Daher sind anfechtbare „Entscheidungen“ alle Handlungen und Unterlassungen des Auftraggebers, die gemeinschaftsrechtlich determiniert sind.264 Daraus ergibt sich, dass die Vergaberichtlinien 261 Die genannten Spezifikationen sind nicht in den Rechtsmittelrichtlinien, sondern in den materiellen Vergaberichtlinien definiert – näher Schenk, S. 116; Öhler, S. 179. 262 Die „Spezifikation“ selbst ist aber kein Beispiel für eine aufhebbare „Entscheidung“, so aber: Büchl, S. 60 (unter Verweis auf Öhler, S. 132); Riedl, S. 170; Öhler, S. 180; zum falschen Begriffsverständnis auch Denk, S. 145 f. und Kienast, S. 63. Denn es ist davon auszugehen, dass nach der RMRL nicht die Handlung der „Streichung“, sondern die zu Grunde liegende „Streichungsentscheidung“ die aufhebbare Entscheidung sein soll. Das aufgezeigte Begriffsverständnis ist im Übrigen bereits deshalb fehlerhaft, da die Rechtsmittelrichtlinien als Beispiel für „Entscheidungen“ nicht die (Aufnahme der) Spezifikationen als solche nennen, sondern die „Streichung“ der Spezifikationen. 263 Schlussanträge des GA Tizziano v. 28.6.2001 im Vorabentscheidungsverfahren C-92/00, Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik/Wiener Krankenanstaltenverbund, RPA 2001, 90, 93. 264 Schenk, S. 116; Öhler, S. 180 f.; Büchl, S. 60 f.; Kienast, S. 63 f. m. w. N. So zuletzt auch Argumentation in der am 18.6.2002 ergangenen EuGH-Entscheidung zur Überprüfbarkeit der Aufhebungsentscheidung – EuGH, Urt. v. 18.6.2002 – C 92/00 – Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik/Wiener Krankenanstaltenverbund, VergabeR 2002, 361 (Rz. 36 ff.) = EuZW 2002, 497 = NZBau 2002, 458 = WuW 2002, 1137 (Verg 651) = RPA 2002, 178 = IBR 2002, 430 (Gottschalck).

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

eine Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung dann (aber nur dann) verlangen, wenn sie gemeinschaftsrechtlich determiniert ist. Dies ist der Fall.265 Die Zuschlagsentscheidung ist Teil des von den Richtlinien geregelten Vergabeverfahrens. In den materiellen Vergaberichtlinien wird der Auftraggeber darauf verpflichtet, den Zuschlag nach dem Kriterium des niedrigsten Preises oder auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.266 Bei letzterer Variante sind in den Verdingungsunterlagen oder in der Bekanntmachung alle Zuschlagskriterien, der Verwendung vorgesehen ist, soweit wie möglich in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung anzugeben.267 Da die Zuschlagsentscheidung also gemeinschaftsrechtlich determiniert ist, verlangt die Rechtsmittelrichtlinie (Art. 1) auch ihre Überprüfbarkeit. Weiter ist auch die Argumentation der österreichischen Bundesregierung und der Regierung von Großbritannien zu verwerfen, wonach gegen die Notwendigkeit der Überprüfung der Zuschlagsentscheidung spreche, dass sowohl die Rechtsmittelrichtlinien als auch die Koordinierungsrichtlinien nicht festlegen, welcher Zeitraum zwischen Zuschlagsentscheidung und Vertragsschluss liegt (und die Koordinierungsrichtlinie abschließend sei) (Rz. 39 und 41 des Alcatel-Urteils). Dem Argument einer fehlenden ausdrücklichen Regelung ist entgegenzuhalten, dass dies keine Auslegung der RL 89/665 rechtfertigt, nach der die Entscheidung über den Zuschlag systematisch der Nachprüfung entzogen sind (Rz. 40268, vgl. auch schon oben). Weiter können die Koordinierungsrichtlinien im Hinblick auf die Zeitspanne zwischen Zuschlagsentscheidung und Vertragsschluss gar nicht abschließend sein, da sie keine spezifischen Vorschriften enthalten, mit denen sich ihre tatsächliche Anwendung sicherstellen lässt (Rz. 42269). Damit kann auch aus dem Fehlen einer diesbezüglichen Regelung mangels abschließenden Charakters der RL ein Umkehrschluss nicht gezogen werden. Im Ergebnis verlangt also das Europarecht, dass die Zuschlagsentscheidung überprüft und aufgehoben werden kann. Angesichts der dafür vorgebrachten Argumente (vor allem vor dem Hintergrund des Wortlauts und des Ziels der Richtlinie) war die Ablehnung der Aufhebungsmöglichkeit der Zuschlagsentscheidung auch schon vor der Alcatel-Entscheidung nur schwer vertretbar.270 Eigentliches Ziel der damaligen Diskussion war oft 265

Vgl. Schenk, S. 125 f. Art. 30 I BKRL, Art. 36 I DKRL, Art. 26 I LKRL, Art. 34 I SKRL. 267 Art. 30 II BKRL, Art. 36 II DKRL, Art. 26 II LKRL, Art. 34 II SKRL. 268 ZIP 1999, 1937, 1940. 269 ZIP 1999, 1937, 1940. 270 So auch Schenk, S. 119 f. und 208 f., der die mangelnde Gemeinschaftskonformität als „offensichtlich“ bezeichnet. 266

B. Rechtsschutz vor der Einführung von § 13 VgV

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allein, die deutsche traditionelle Vergaberechtslage so weit wie möglich zu erhalten (Stichwort: „Wahrung von Besitzständen“). Es ist daher kritikwürdig, dass auch noch 1998 mit dem Vergaberechtsänderungsgesetz, also mit der erneuten Reformierung des Vergaberechts, an der Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung „sehenden Auges“ festgehalten wurde271, obwohl diese Rechtsschutzlücke schon 1995 durch die Kommission als nicht gemeinschaftskonform gerügt272, in Österreich schon im Juni 1997 durch den VfGH die Gemeinschaftskonformität des vergleichbaren Rechtszustandes mit der Folge der Vorlage an den EuGH bezweifelt und auch im Schrifttum diese Rechtsschutzlücke bereits kritisiert worden war.273 Damit bestanden schon im Gesetzgebungsverfahren deutliche Hinweise auf die mangelnde Gemeinschaftskonformität der deutschen Umsetzung. Im Ergebnis zeigte sich daran nach erneut274, dass der deutsche Vergabegesetzgeber (zumindest) in der Vergangenheit eher die Erhaltung von Freiräumen für die öffentlichen Auftraggeber als die Öffnung der nationalen Beschaffungsmärkte zum Ziel hatte.275 f) Verlangt die Rechtsmittelrichtlinie neben der Überprüfung der Zuschlagsentscheidung auch die Aufhebbarkeit der Zuschlagserteilung selbst? Abschließend ist noch kurz auf die vereinzelt vertretene Ansicht einzugehen, nach der die Anfechtbarkeit der Zuschlagsentscheidung allein nicht den Anforderungen der Rechtsmittelrichtlinie genügt. Neben der Zuschlagsentscheidung müsse auch die Zuschlagserteilung selbst anfechtbar sein.276 Zunächst ist festzuhalten, dass diese Auffassung auch wirklich die Anfechtbarkeit der Zuschlagserteilung meint und nicht – wie viele andere Autoren – nur terminologisch unsauber arbeitet. Vielmehr wird hier klar zwischen den Stufen Zuschlagsentscheidung, -erteilung und Vertragsschluss differenziert.277 Sie meint also wirklich, dass zusätzlich zur Zuschlagsentscheidung auch die Zuschlagserteilung anfechtbar sein muss. 271 Schenk, S. 208 spricht hinsichtlich der Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung von der „heiligen Kuh des deutschen Vergaberechts“. 272 Beanstandungsschreiben der EG-Kommission v. 31.10.1995 (SG (95) D/ 13624-95/2044), ZIP 1995, 1940. 273 So auch Schenk, S. 119 f. und 208 f. 274 Schon die Ablösung der haushaltsrechtlichen Lösung musste erst durch erheblichen Druck erzwungen werden. 275 Rüßmann/Diedrich, in: Ranieri (Hrsg.), Die Europäisierung der Rechtswissenschaft, S. 145, 163; vgl. dazu auch unter B. III. 3. c) aa) (1). 276 Denk, S. 242 ff.; in die Richtung einer Anfechtbarkeit der Zuschlagserteilung geht auch Gonzáles-Varas, GewArch 2002, 317, 318; Wilhelm, Bestbieters Sieg, S. 6 und 9.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Diese Ansicht kann aber nicht überzeugen: Zunächst stützt sich diese Auffassung für die Notwendigkeit der Überprüfbarkeit auch der Zuschlagserteilung auf Art. 2 VI RMRL. Dieser unterscheidet eine dem Nachprüfungsverfahren zu unterwerfende Phase vor Vertragsschluss und eine nach Vertragsschluss.278 Die Zuschlagserteilung sei als vom Vertragsschluss zu trennender und dem vorgelagerter Akt der ersten Phase zuzurechnen. Daraus könne man den Schluss ziehen, dass die Zuschlagserteilung anders als der Vertragsschluss nicht von der Nachprüfung ausgenommen ist, also zu den nachprüfbaren Akten gehöre. Daraus folge, dass auch die Zuschlagserteilung einer Nachprüfung zugänglich sein muss.279 Nach dieser Ansicht wäre also eine mangelhafte Umsetzung der Rechtsmittelrichtlinie in Deutschland und Österreich nicht nur wegen der praktischen Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung gegeben, sondern auch, weil die Zuschlagserteilung wegen § 114 II GWB nicht einmal „theoretisch“, d.h. nach der reinen Gesetzeslage, überprüfbar ist.280 Gegen diese Argumentation spricht aber, dass die Aufhebungsverpflichtung in Art. 1 I und 2 I RMRL, auf den Art. 2 VI ausdrücklich Bezug nimmt, geregelt ist. Diese Grundnormen für die Nachprüfung sprechen nur von einer Aufhebbarkeit von Entscheidungen, nicht jedoch von tatsächlichen Maßnahmen wie der Zuschlagserteilung. Daher fällt der Akt der Zuschlagserteilung selbst nicht unter Art. 1 I und Art. 2 I lit b. Folglich ist dafür auch kein Rechtsschutz erforderlich. Außerdem kann man gegen eine Notwendigkeit auch der Nachprüfung der Zuschlagserteilung neben der Zuschlagsentscheidung anführen, dass die Zuschlagserteilung nur noch der Vollzugsakt bzw. „Manifestation“281 der bereits gefällten Zuschlagsentscheidung ist.282 Die eigenständige Aufhebbarkeit auch der Zuschlagserteilung brächte also keinen weiteren Nutzen. In der Zuschlagserteilung realisiert sich nur den Inhalt der Zuschlagsentscheidung, so dass die Anfechtbarkeit der Zuschlagsentscheidung genügt.283 Gegen dieses Argument macht aber Denk, S. 244 ff. geltend, dass es Fälle geben könnte, in denen die Zuschlagserteilung „– der eigentlichen Zu277

Denk, S. 242 ff.; zur richtigen Terminologie ausführlich unter B. III. 3. a). Dazu bereits unter B.III.1.e). 279 Denk, S. 245 ff.; vgl. auch Pirstner/Tscherk, ZVglRWiss 99 (2000), 461, 468 f.; in diese Richtung Büchl, S. 62 f., die allerdings die Zuschlagserteilung hier mit der Zuschlagsentscheidung gleichsetzt. Sie begründet also mit dieser Argumentation die nötige Aufhebbarkeit der Zuschlagsentscheidung. 280 Denk, S. 245 ff. für die entsprechende österreichische Rechtslage. 281 Erdl, BauR 1999, 1341, 1344. 282 Pirstner/Tscherk, ZVglRWiss 99 (2000), 461, 468 f., insbes. Fn. 40. 283 So zu Recht Platzer, ÖZW 1998, 51. 278

B. Rechtsschutz vor der Einführung von § 13 VgV

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schlagsentscheidung widersprechend – willkürlich an einen anderen Bieter“ erfolgt. Auch hier muss der Vertragsschluss noch verhindert werden können. Für diesen „praktisch unwahrscheinlichen, aber möglichen“ Fall, dass die Zuschlagserteilung – entgegen der Zuschlagsentscheidung – an einen anderen Bieter erfolgt, müsse vorgesorgt werden. Auch dies überzeugt nicht. Denn in diesen Fällen greift § 13 VgV ein: Über die entgegen der Zuschlagsentscheidung vorgenommene Zuschlagserteilung/Vertragsschluss wurde vorher nicht informiert, so dass der Vertragsschluss nichtig ist. Des Weiteren lässt sich die Alcatel-Entscheidung des EuGH nicht für eine Überprüfbarkeit auch der Zuschlagserteilung anführen. Die Frage, ob auch die Zuschlagserteilung selbst einer Überprüfung nach Maßgabe des Art. 2 I der RL zugänglich sein muss, wurde vom EuGH nicht beantwortet.284 Der EuGH versteht die Anforderungen des Art. 2 I RL nur als Anforderungen an die Zuschlagsentscheidung. „Die dem Vertragsschluss vorangehende Entscheidung“ mit welchem Bieter er den Vertrag schließen wird, muss aufhebbar sein. 2. Exkurs: Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung Obwohl die gesetzliche Regelung des deutschen Vergaberechts in ihrer Entstehung weitgehend von den europarechtlichen Vorgaben, aber sehr wenig vom Verfassungsrecht geprägt wurde285, soll dennoch kurz auf dessen Anforderungen eingegangen werden. Auch das deutsche nationale Recht setzt effektiven Rechtsschutz voraus: Aus Art. 19 IV GG ergibt sich die Forderung nach effektivem gerichtlichem Rechtsschutz für jede Handlung des Auftraggebers, die subjektive Rechte tangiert.286 Es ist aber umstritten, ob eine Behörde, die Aufträge vergibt, „öffentliche Gewalt“ i. S. v. Art. 19 IV GG ausübt. Nach einer Auffassung ist Art 19 IV GG beim privatrechtlichen Handeln des Staates nicht anwendbar.287 Da in Deutschland nicht nur der zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem erfolgreichen Bieter geschlossene Vertrag, sondern auch das dem Vertragsschluss vorausgehende Vergabever284

Pirstner/Tscherk, ZVglRWiss 99 (2000), 461, 468. Wittig, S. 123. 286 Zum Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes im österreichischen Recht: Denk, S. 294 f. m. w. N. und Büchl, S. 128 f. 287 Waldner, S. 35; Schäfer, S. 138; Krüger/Sachs, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 19 Rn. 118; vgl. auch die zahlreichen Nachweise für diese Ansicht bei Dörr, DÖV 2001, 1014, 1015 und Sterner, S. 135 Fn. 68. 285

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

fahren inklusive der Zuschlagsentscheidung und des abschließenden Zuschlags dem Zivilrecht zugeordnet wird288, macht nach dieser Ansicht Art. 19 IV GG für den Rechtsschutz im Vergabebereich keine Vorgaben.289 Nach überzeugender herrschender Auffassung fällt dagegen auch das privatrechtliche Handeln der Verwaltung unter den Begriff öffentlicher Gewalt. Die Exekutive ist ganz allgemein – ohne Rücksicht auf die rechtliche Handlungsformen – von Art. 19 IV GG erfasst.290 Der Begriff des Handelns durch die öffentliche Gewalt ist weit zu verstehen. Darauf aufbauend ist nach Art. 19 IV GG auch für die Auftragsvergabe anwendbar, unabhängig davon, ob man sie als fiskalisches291 oder verwaltungsprivatrechtliches Handeln292 einstuft.293 Dementsprechend ist inzwischen auch das BVerfG 288 Dies ist ständige Rechtsprechungspraxis und wird auch überwiegend in der Literatur so vertreten (vgl. nur GmS-OGB, Beschl. v. 10.4.1986, WuW 1987, 313 (WuW/E BGH 2301) = NJW 1986, 2359, 2360 = BGHZ 97, 312, 316; Rittner, ZHR 152 (1988), 318, 325 ff.; Reidt-Stickler, Vorb. zu §§ 97–101, Rn. 6 ff. m. w. N.). Zur vereinzelt vertretenen Ansicht, die sich de lege ferenda für eine öffentlich-rechtliche Einordnung des Vergabeverfahrens ausspricht, Teil 2, C. VI. 2. 289 Erdl, S. 236 f. Rn. 481 Fn. 609 und S. 209 Rn. 419 Fn. 456; Krüger/Sachs, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 19 Rn. 118. 290 Binder, ZZP, 113. Band (2000), 195, 204; Kulartz/Niebuhr, NZBau 2001, 6, 11; v. Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 55; Reidt, BauR 2000, 22, 25 m. w. N.; Dreher, NZBau 2002, 419, 425 f.; Kraft-Lehner, S. 236 ff.; zahlreiche weitere Nachweise für diese Ansicht bei Wittig, S. 138 Fn. 71; jeweils Nachweise für die Befürworter der Geltung von Art. 19 IV GG bei verwaltungsprivatrechtlichem und bei fiskalischem Handeln der Verwaltung auch bei Pietzcker, Zweiteilung, S. 54 ff. 291 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 58 m. w. N.; ders., NZBau 2002, 419, 425; Pietzcker, NVwZ 1983, 121; Portz, ZVgR 1998, 596, 597; Marx, in: Jestaedt/Kemper/Marx/Prieß, S. 144; GmS-OGB, Beschl. v. 10.4.1986, WuW 1987, 313 = NJW 1986, 2359, 2360; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.1980 – U (Kart) 8/79, DÖV 1981, 537, 538 m. Anm. Pietzcker; in diese Richtung auch VG Chemnitz, Beschl. v. 23.5.1996 – 4 K 813/96, NVwZ-RR 1997, 198; Sterner, S. 79; Pache, DVBl 2001, 1781, 1787; Ehlers, DVBl. 1983, 422, 423; vgl. auch die zahlreichen Nachweise bei Dörr, DÖV 2001, 1014, 1015. Es wird hier heute von fiskalischem Handeln oder fiskalischen Teil der Verwaltung gesprochen. Der Begriff fiskalisches Hilfsgeschäft ist im Öffentlichen Auftragswesen nicht mehr zu gebrauchen, da er dessen Bedeutung nicht mehr gerecht wird – dazu Sterner, S. 79. 292 Erdl, S. 40; Walthelm, S. 172 ff.; H.-U. Gallwas, VergabeR 2001, 2, 3, der davon ausgeht, dass das Vergaberecht in das sog. Verwaltungsprivatrecht „hineingewachsen“ ist; Elverfeld, S. 15. 293 Binder, ZZP, 113. Band (2000), 195, 204; Kulartz/Niebuhr, NZBau 2001, 6, 11; v. Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 55; Reidt, BauR 2000, 22, 25 m. w. N.; Dreher, NZBau 2002, 419, 425 f.; Pietzcker, Zweiteilung, S. 54 ff.; vgl. die Nachweise bei Wittig, S. 138 Fn. 70. Auch die erste Vergabekammer des Bundes hat in ihrem Euro-Münzplättchen II Beschluss die Auftragsvergabe durch den Staat als „Akt öffentlicher Gewalt“ i. S. v. Art. 19 IV GG angesehen (WuW 1999, 60, 662 = NJW 2000, 151, 153).

B. Rechtsschutz vor der Einführung von § 13 VgV

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in seiner Entscheidung vom 29.7.2004294 davon ausgegangen, dass Art. 19 IV GG Vorgaben für den Rechtsschutz im öffentlichen Auftragswesen mache. Dabei hat es die Anwendbarkeit von Art. 19 IV GG nicht einmal problematisiert.295 Folglich ist effektiver Rechtsschutz auch im Vergaberecht zu gewährleisten, soweit ein subjektives Recht des Einzelnen besteht und durchgesetzt werden muss. Oberhalb der Schwellenwerte schaffen die Vorschriften über die Auswahl des Vertragspartners subjektive Rechte der Bieter.296 Daher fordert das Verfassungsrecht auch effektiven Rechtsschutz in Bezug auf die Zuschlagsentscheidung. Zunächst muss danach überhaupt eine gerichtliche Überprüfung der Handlungen auf ihre Rechtmäßigkeit hin möglich sein. Dieser Anforderung ist Genüge getan, da auch nach der Zuschlagserteilung zumindest noch über den Schadensersatzprozess eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Rechtmäßigkeit der Vergabeentscheidung erfolgen kann. Allerdings kommt der Rechtsschutzgarantie in Art. 19 IV GG nicht nur die Aufgabe zu, jeden Akt der Exekutive, der in die Rechte des Bürgers eingreift, vollständig der richterlichen Prüfung zu unterstellen, sondern er soll auch irreparable Entscheidungen soweit als möglich ausschließen. Dies hat das BVerfG mit der bereits erwähnten Entscheidung vom 29.7.2004 inzwischen auch für den Bereich des öffentlichen Auftragwesens ausdrücklich so entschieden.297 Es muss also grundsätzlich möglich sein, einer erfolgten Rechtsverletzung abzuhelfen. Die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit oder der Verweis auf Schadensausgleich in Geld genügen diesem Rechtsschutzanspruch im Regelfall nicht.298 294 BVerfG, Beschl. v. 29.7.2004, ZfBR 2004, 706 = VergabeR 2004, 597 m. Anm. Otting. 295 Otting, VergabeR 2004, 602 spricht in seiner Urteilsanmerkung von „bemerkenswerter Selbstverständlichkeit“. 296 Dies ist allgemein anerkannt. Die teilweise noch offenen Fragen über die Reichweite der Einräumung subjektiver Rechte durch das VgRÄG [s. Teil 1, A. VI. 3. c) aa)] können hier daher dahinstehen. Nur hinsichtlich der Bestimmungen der Verdingungsordnungen, nach denen der Zuschlag nicht auf ein Angebot mit unangemessen niedrigem Preis (§ 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A) oder auf ein Angebot, dessen Preis in offenbarem Missverhältnis zu Leistung steht (§ 25 Nr. 2 Abs. 3 VOB/A), ist umstritten, ob der jetzt anerkannte Drittschutz dieser Bestimmungen noch an weitere Voraussetzungen geknüpft ist – näher BayObLG, Beschl. v. 3.7.2002 – Verg 13/02, S. 12 f., das seine generelle Ablehnung des Drittschutzes aufgegeben hat. (Auf diese aufgegebene Rechtsprechung gestützt hatte die VK Bund, Beschl. v. 2.7.2002 – VK 1 – 31/02, S. 11 f. hier den Drittschutz noch abgelehnt). Zur Bejahung des Drittschutzes hier auch VK Sachsen, Beschl. v. 23.5.02 – 1/SVK/039-02, S. 8 f. 297 BVerfG, a. a. O., VergabeR 2004, 597, 599; ebenso Gallwas, S. 213 m. N. aus der Rspr. des BverfG.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

In Bezug auf die Zuschlagsentscheidung ergibt sich daraus, dass der rechtswidrig übergangene Bieter auch die Möglichkeit haben muss, vor Gericht die Beachtung seines Rechts auf ordnungsgemäße Auswahl des Vertragspartners tatsächlich durchzusetzen. Diesem Rechtsschutzanspruch ist – wie schon ausgeführt – durch die bloße nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung oder den Verweis auf die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatz nicht genügt.299 Somit fordert auch das nationale Recht die Möglichkeit des Bieters, eine Änderung einer rechtswidrigen Zuschlagsentscheidung. Diese Möglichkeit ist im deutschen Recht im Regelfall nicht gegeben, so dass der Ausschluss von wirksamen Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung im Vergaberecht auch gegen Art. 19 IV GG verstößt.300 Selbst wenn man Art. 19 IV GG im Bereich der Auftragsvergabe nicht für anwendbar hält, so greift hier der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch301 ein. Auf diesen muss ohnehin bei den privatrechtlich organisierten Sektorenauftraggebern zurückgegriffen werden, selbst wenn man Art. 19 IV GG beim fiskalischen Handeln des Staates für anwendbar hält.302 Das 298 So das BVerfG vor allem zur beamtenrechtlichen Konkurrentenklage: BVerfG NJW 1990, 501 m. w. N. zur Rspr. des BVerfG; Gallwas, S. 213 m. w. N.; BVerfGE 67, 43, 58. 299 Die Entscheidung des BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – X ZB 14/00, ZIP 2001, 479, 482, wonach der Rechtsschutzgarantie durch die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatz vor den ordentlichen Gerichten genügt ist, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Denn diese Entscheidung betraf ausdrücklich nicht die Vorgaben des Art. 19 IV GG für den Rechtsschutz des Bieters insgesamt, sondern nur dessen Forderungen innerhalb des Sekundärrechtsschutzes, d.h. für den Rechtsschutz des Bieters, wenn ohnehin keine Aufhebung der Zuschlagsentscheidung mehr möglich ist. Der BGH entschied nur, dass die Rechtsschutzgarantie nicht fordere, dass eine nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vergabe im Vergaberechtsschutz (als eine Alternative des Sekundärrechtsschutzes) ermöglicht werden müsse, sondern dass dies inzidenter im Schadensersatzprozess (als anderer Alternative des Sekundärrechtsschutzes) erfolgen könne. Anders aber tatsächlich das LG Oldenburg, Beschl. v. 16.5.2002, 5 O 1319/02, S. 2 und das OLG Rostock, Beschl. v. 16.5.2001 – 17 W 1/01, 2/01, VergabeR 2001, 315 m. Anm. Gesterkamp = NZBau 2002, 170, die es als von Art. 19 IV GG als gedeckt ansehen, wenn der Bieter für den Rechtsschutz auf Schadensersatzansprüche verwiesen ist. 300 So Gallwas, S. 213 f.; vgl. auch Boesen, § 114 Rn. 42 f. und VK Bund, Beschl. v. 29.4.1999 – VK 1–7/99 – Euro-Münzplättchen II, WuW 1999, 660 ff. 301 Zu dessen Herleitung und Inhalt Kalinowsky, S. 70 ff. Der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch liegt mit seiner Fundierung im Rechtsstaatsgebot auch Art. 19 IV GG zu Grunde, der nur eine spezialgesetzliche Ausgestaltung für den Bereich des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt ist – Kalinowsky, S. 70 m. w. N. 302 Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, 1. Aufl. 2000 § 114, Rn. 38 m. w. N.

B. Rechtsschutz vor der Einführung von § 13 VgV

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Beschaffungsverhalten dieser Sektorenauftraggeber kann man nämlich nicht als Akt der öffentlichen Gewalt ansehen, solange sie keine Beliehene sind und auch nicht von der öffentlichen Hand beherrscht werden.303 Inhaltlich reicht dieser hinsichtlich der Eröffnung einer gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit im Falle des Vorliegens subjektiver Rechte304 so weit wie Art 19 IV GG.305 Danach sind auch für Streitigkeiten zwischen Privatpersonen Möglichkeiten zur gerichtlichen Entscheidung sicherzustellen. Der Justizgewährleistungsanspruch umfasst das Recht auf Zugang zu den Gerichten und eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter.306 Sobald ein Recht des einzelnen verletzt ist, muss der Staat ihm die Erlangung von gerichtlichem Rechtsschutz ermöglichen.307 Da im Vergabebereich subjektive Rechte308 auch in Bezug auf das richtige Treffen der Zuschlagsentscheidung gegeben sind, verlangt der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung.309 3. Konsequenzen aus der europarechtlichen Notwendigkeit des effektiven Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung Entgegen der Forderung des Europarechts war in Deutschland und (in Österreich) die Zuschlagsentscheidung vor der Einführung von § 13 VgV faktisch nicht überprüfbar (s. oben unter B. I.). Seit der EuGH-Entscheidung vom 28.10.1999 stand damit fest, dass das deutsche (und österreichische Recht310) – zumindest in seiner damaligen Anwendung311 – durch die 303

Brinker, JZ 2000, 462, 463; Kalinowsky, S. 70; Kraft-Lehner, S. 240. Auch der Justizgewährungsanspruch aus Art. 20 III GG setzt subjektive Rechte voraus – BVerfGE 15, 275, 281; Erdl, S. 187, Rn. 373. 305 Kalinowsky, S. 71 f. m. w. N.; Pietzcker, Zweiteilung, S. 56. Dies ist allerdings nicht unumstritten. 306 BVerfG, NJW 2002, 2227 m. w. N.; Waldner, S. 210 m. w. N. 307 Kalinowsky, S. 71. 308 Näher im Teil 1, A. VI. 3. c) aa). 309 Außerdem verbietet er auch eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu den Gerichten. Eine solche liegt aber wegen des beschriebenen strukturellen Informationsdefizits vor – Waldner, S. 210 m. w. N. 310 In Österreich verstießen sowohl Bundesvergabegesetz und als auch die LVergG [zu den Besonderheiten für Wien, unter C. II. 1. a)] gegen das Gemeinschaftsvergaberecht, Holoubek, ecolex 2000, 10, 11; Neuhuber, S. 118. Wilhelm, Bestbieters Sieg im Vergabestreit, S. 9 zieht das Fazit, dass dem österreichischen Gesetzgeber durch den EuGH aufgegeben wurde, „die Rechtsruine Bundesvergabegesetz einzureißen.“ 311 Mit dieser Einschränkung in Bezug auf die bisherige Handhabung auch Boesen, Anm. zu EuGH v. 28.10.1999, ZIP 1999, 1942. 304

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung nicht gemeinschaftskonform war, weil es die RMRL nicht richtig umsetzt.312 Allerdings war für die Zeit vor der Geltung des § 13 VgV fraglich, ob der Europarechtswidrigkeit des deutschen Vergaberechts nicht dadurch begegnet werden konnte, dass es im Wege einer europarechtskonformen Auslegung modifizierend so ausgelegt wurde, dass es doch eine Überprüfung der Zuschlagsentscheidung sicherstellte, a). Auf diese Möglichkeit der richtlinienkonformen Auslegung der deutschen Vergaberechtsschutzregelungen soll näher eingegangen werden, da so verdeutlicht wird, warum ein Tätigwerden des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers mit dem Erlass von § 13 VgV überhaupt erforderlich war. Außerdem waren die bei der Frage der richtlinienkonformen Auslegung diskutierten bzw. von der Entscheidungspraxis angewandten Möglichkeiten zur Sicherstellung der Europarechtskonformität des deutschen Rechtes richtungweisend für den später durch den Gesetzbzw. Verordnungsgeber mit dem Erlass von § 13 VgV eingeschlagenen Weg. Durch die zur europarechtskonformen Auslegung geführte Diskussion wurde ihm ein gangbarer Weg zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes aufgezeigt.313 Nachdem aufgezeigt worden ist [unter a)], dass eine solche richtlinienkonforme Auslegung für die Rechtslage vor Erlass des § 13 VgV nicht in Betracht kam, also eine ausdrückliche Änderung der Vergaberechtslage durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber erforderlich war, stellte sich für die Zeit bis zu dieser Neuregelung des Vergaberechtsschutzes durch § 13 VgV die Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit der Gemeinschaftsnormen, b). Falls auch diese nicht in Betracht gekommen wäre, wäre die Geltendmachung eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs geblieben, c). 312 Dies bestätigt für das deutsche Recht auch die Entscheidung des OLG Düsseldorf, in der es die nach deutschem Recht fehlende Möglichkeit, eine Vergabeentscheidung aufzuheben, mit den europäischen Vorgaben für unvereinbar hält. Deswegen wurde auch vom OLG Düsseldorf ein Vorabentscheidungsantrag an den EuGH zur Frage der Unanfechtbarkeit der Zuschlagsentscheidung abgelehnt: Die „Antworten des EuGH auf die Vorlage einer österreichischen Vergabenachprüfungsinstanz würden nicht anders ausfallen, wenn ein deutsches Gericht gleichartige Vorlagefragen stellen würde. Denn das österreichische Vergaberecht entspricht jedenfalls in der praktischen Anwendung in der hier maßgeblichen Ausgangslage dem derzeitigen deutschen Vergaberecht (vgl. insbesondere Erwägungsgrund 21“ der Alcatel-Entscheidung des EuGH) – so OLG Düsseldorf, 12.1.2000 – Verg 4/99, ZVgR 2000, 209, 214 = NZBau 2000, 391, 396 = IBR 2000, 201 – Wagner und IBR 2000, 202. Damit wurde also auch von der Entscheidungspraxis die Übertragbarkeit der Aussagen der Alcatel-Entscheidung auf die deutsche Rechtslage anerkannt. 313 Vgl. auch Jasper, in: Tagungsband – Zweiter Düsseldorfer Vergaberechtstag am 28. Juni 2001, S. 11, 18.

B. Rechtsschutz vor der Einführung von § 13 VgV

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a) Sicherstellung der Gemeinschaftskonformität über die richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechts Aus dem Prinzip der Gemeinschaftstreue Art. 10 EG und dem der Umsetzungsverpflichtung des Art. 249 III EG ergibt sich der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung.314 Danach sind alle Träger öffentlicher Gewalt315, also Gerichte und Behörden, verpflichtet, das nationale Recht so auszulegen, dass das von der Richtlinie vorgegebene Ziel erreicht wird.316 Es war fraglich, ob über die richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechts317 eine Überprüfung der Zuschlagsentscheidung sichergestellt werden konnte. Eine Überprüfung der Zuschlagsentscheidung wäre auch damals schon (grundsätzlich) möglich gewesen, wenn man das oben beschriebene Informationsdefizit im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung beseitigen hätte können.318 Dementsprechend hat die Entscheidungspraxis in Deutschland als Reaktion auf das Rechtsschutzdefizit dem deutschen Recht eine Verpflichtung zur Information über die Zuschlagsentscheidung vor Zuschlagserteilung entnommen.319 Mit dieser Information konnten die 314 Zur richtlinienkonformen Auslegung allgemein, Lutter, JZ 1992, 593, 604 f.; Jarass, EuR 1991, 211 ff.; Ress, DÖV 1994, 489; Kienast, S. 86 f.; Kalinowsky, S. 15 ff. 315 Auch bei nicht hoheitlicher Tätigkeit, dazu Öhler, S. 116. 316 Vgl. nur EuGH, Slg. 1988, 4635, 4662; Slg. 1996 I 4705, 4730; so für das Vergaberecht auch Dorsch Consult 4997 Rn. 43 und Rs C-76/97, Tögel, Slg. 1998 I-5357, Rz. 25 m. w. N.; Pirstner/Tscherk, ZVglRWiss 99 (2000), 461, 468 m. w. N. 317 Zur Auslegung angeglichenen Rechts allgemein, Lutter, JZ 1992, 593 ff. 318 Die grundsätzliche Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung für das österreichische Vergaberecht durch eine Information über die Zuschlagsentscheidung vor Zuschlagserteilung hatte auch GA Mischo in seinen Schlussanträgen zum Alcatel-Verfahren gesehen: Er führt aus, dass „nicht sicher ist, dass sich die Antragsstellerin überhaupt auf die unmittelbare Wirkung berufen müssen. Die Schwierigkeit beruht nämlich . . . nur darauf, dass die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung und der Vertragsschluss praktisch zeitlich zusammenfallen. Dies folgt . . . jedoch nicht notwendig aus den nationalen Bestimmungen. Diese hindern nämlich einen Auftraggeber nicht daran, die Zuschlagsentscheidung einige Zeit vor Abschluss des Vertrages zu veröffentlichen; und sie hindern das Bundesvergabeamt nicht daran, daraufhin einer Anfechtungsklage gegen diese Entscheidung in der Weise stattzugeben, dass es gegebenenfalls die gebotenen vorläufigen Maßnahmen trifft“ (Rn. 96 f.). „Die fraglichen nationalen Bestimmungen scheinen daher einer Anwendung zugänglich zu sein, die den Anforderungen der Nachprüfungsrichtlinie standhält“ (Rn. 99). 319 Eine Sicherstellung der Überprüfung der Zuschlagsentscheidung dadurch, dass man ein Auseinanderfallen von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss annimmt und so die ex-post Information über die Zuschlagserteilung nach den Verdingungsordnungen (s. unter B. I. 2.) noch Sinn hätte, scheitert de lege lata an zweierlei: Zum einen ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 114 II GWB der Rechtsschutz schon nach Zuschlagserteilung ausgeschlossen. Zum anderen ist die Trennung im Wege der Auslegung auch nicht möglich, da das „Zusammenfallen“ von Zuschlags-

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Bieter dann noch rechtzeitig vor der primärrechtsschutzausschließenden Zuschlagserteilung ein Nachprüfungsverfahren einleiten. Grundlegend war hier die sog. Münzplättchen II – Entscheidung der Ersten Vergabekammer des Bundes. Unter Berücksichtigung dieser Entscheidungspraxis ist im Folgenden zu untersuchen, ob dem deutschen Recht tatsächlich im Wege der Auslegung eine Pflicht des Auftraggebers entnommen werden konnte, die unterlegenen Bieter vor Zuschlagserteilung von der Zuschlagsentscheidung zu informieren. Diese Untersuchung ist erforderlich, weil sie aufzeigt, wieso der spätere Erlass von § 13 VgV überhaupt notwendig war. Außerdem wurden durch die zu dieser Frage geführten Diskussionen auch die Grundlagen für § 13 VgV gelegt.320 Es kann nur dann vor der rechtsschutzausschließenden Zuschlagserteilung (§ 114 II GWB) über die Zuschlagsentscheidung informiert werden, wenn diese nicht mit der Zuschlagserteilung als Einheit zu betrachten ist. Daher setzt die Vorabinformation über die Zuschlagsentscheidung deren Trennung von Zuschlagserteilung voraus.321 Es kommt also darauf an, dass das Verhältnis von Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung322 richtig herausgearbeitet wird (1). Hierbei ist entscheidend, dass terminologisch sauber zwischen der Zuschlagsentscheidung und der Zuschlagserteilung getrennt wird.323 Im Schrifttum und der Entscheidungspraxis bestehen jedoch im Hinblick auf die Begriffe „Vergabeentscheidung“, „Zuschlagsentscheidung“, „Zuschlagserteilung“, „Zuschlag“ und „Vertragsschluss“ erhebliche terminologische Unklarheiten bzw. Ungenauigkeiten. Da das Verhältnis von Zuschlagserteilung und Zuschlagsentscheidung und die richtige Einordnung dieser Begriffe auch für das Verständnis (des Regelungsmechanismus) der inzwischen geltenden Informationspflicht nach § 13 VgV bedeutsam ist, ist eine ausführlichere Erörterung der Problematik geboten.

erteilung und Vertragsschluss ausdrücklich in den Verdingungsordnungen festgeschrieben ist, § 28 VOB/A, VOL/A. 320 Vgl. auch soeben die Einführung zu III. 2. und sogleich unter 3. a) cc). 321 Wäre die Zuschlagsentscheidung mit der Zuschlagserteilung gleichzusetzen, käme nach §§ 28 VOB/A, VOL/A mit der Zuschlagsentscheidung schon der Vertrag zustande, eine vorige Information wäre nicht möglich. 322 Zum Verhältnis von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss schon unter B. A. I. 1. a) bb). 323 Holoubek, ecolex 2000, 10, 13.

B. Rechtsschutz vor der Einführung von § 13 VgV

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aa) Das Verhältnis von Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung – Terminologische Klarstellung Die Vorabinformation über die Zuschlagsentscheidung setzt voraus, dass es eine von der Zuschlagserteilung zu trennende Zuschlagsentscheidung überhaupt gibt. Dies wurde soeben bereits herausgearbeitet. Die rechtliche Existenz einer eigenen Zuschlagsentscheidung ist in Deutschland und Österreich lange Zeit einfach ignoriert worden. Grund dafür war ihr interner Charakter. Da sie nach außen erst mit der Zuschlagserteilung tritt, wurde sie oft mit dieser gleichgesetzt:324 Bei vielen Autoren ist der Zuschlag ein Synonym für die Vergabeentscheidung (Zuschlag = Zuschlagsentscheidung). Der Zuschlag stelle die das Vergabeverfahren abschließende Entscheidung, welchem Bieter der Auftrag erteilt werde, dar.325 Auch für den EuGH in der Alcatel-Entscheidung ist der „Zuschlag“ „die wichtigste Entscheidung des Auftraggebers“ (Rz. 37).326 Von anderen Autoren wurde die rechtliche Existenz der Zuschlagsentscheidung insgesamt abgelehnt. Die Zuschlagsentscheidung sei nicht als ei324 So auch die Einschätzung von Büchl, S. 97 m. w. N. (Büchl selbst setzt dann aber auf S. 126 den „Zuschlag“ mit der Zuschlagsentscheidung gleich.). Nach etwas anderer Auffassung sind die Vergabeentscheidung und die Annahme des Vertragsangebots eine einzige außenwirksame Rechtshandlung. Davon zu unterscheiden sei die interne und damit noch rechtlich unverbindliche Willensbildung auf Seiten des Auftraggebers – Reidt, BauR 2000, 22, 23; Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, § 114, Rn. 26 und 32. 325 Walthelm, S. 130; Drügemöller, S. 263 f. und 299 (Bisweilen bezeichnet er aber auch die Annahmeerklärung als Zuschlag, S. 263); Willenbruch, NVwZ 1999, 1062, 1063; Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/ A, Vor § 102 GWB, Rn. 7; Hoffmann, S. 19. Auch das OLG Koblenz, Beschluss v. 10.8.2000 – 1 Verg. 2/00, BauR 2001, 240, 242 = NZBau 2000, 543, 537 geht davon aus, dass der Zuschlag die Entscheidung ist: „Nach deutschem Vergaberecht bilden die Entscheidung der Vergabestelle über die Auftragsvergabe (Zuschlag) und der anschließende Vertragsschluss eine Einheit.“; Byok, BB 1999, 2581, 2582 sieht die Zuschlagsentscheidung als Erklärung an; Brinker, in: Schwarze, S. 97; OLG Düsseldorf, 12.1.2000 – Verg 4/99, ZVgR 2000, 209, 214; Brinker, JZ 2000, 462. Auch in Österreich geht der UVS Kärnten, 17.3.1998, KUVS-K2-91-92/7/98, RPA 2001, 80 in einer Entscheidung (noch zum Kärntner VergabeG von 1994) davon aus, dass die „Vergabeentscheidung erst mit Erteilung des Zuschlages gefällt wird“. Der UVS geht also von einem Zusammenfallen von Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung aus. 326 ZIP 1999, 1937, 1941. Auch das OLG Düsseldorf, 12.1.2000 – Verg 4/99, ZVgR 2000, 209, 214 versteht den EuGH so, dass er Zuschlag und Vergabeentscheidung gleichsetzt; so auch Jaeger, EWS 2000, 124, 125. In ihrem Beanstandungsschreiben v. 31.10.1995 (SG (95) D/13624-95/2044), ZIP 1995, 1940, 1944 ging die EG-Kommission von einer Identität zwischen Zuschlagserteilung und Zuschlagsentscheidung aus.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

gener Rechtsakt ausgestaltet: Auch ein Privater, der ein Angebot annimmt, wird vorher einen Entschluss fassen. Rechtlich relevant sei aber nur die Annahmeerklärung.327 Die Entscheidung ließe sich nicht von dem Außenakt trennen. Erst die Zuschlagserteilung sei die Manifestation der Entscheidung, die vorher als Innenakt rechtliches „Nullum“ sei. Außerdem sei die Trennung zwischen interner Willensbildung und außenwirksamen privatrechtserheblichem Handeln nicht so einfach möglich. So wird bspw. mit der Aufhebung einer Willenserklärung auch immer die interne Willenserklärung überprüft.328 Nach dieser Konzeption gab es eine der zivilrechtlichen Annahmeerklärung (Zuschlagserteilung) vorangehende (öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche) Auswahlentscheidung nicht.329 Die Auffassung, dass die Zuschlagsentscheidung und die Zuschlagserteilung/Vertragsabschluss eine gleichzeitige und untrennbare Handlung darstellen, die also keinen Raum für eine (der Annahme des Angebots vorgelagerte) behördeninterne Entscheidung des Auftraggebers lässt, konnte aber auch schon vor dem Erlass der VgV330 nicht überzeugen. Richtig ist nur, dass Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung in der Außenwahrnehmung wegen der gleichzeitigen Kenntniserlangung faktisch zusammenfallen.331 Trotzdem können Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung/ Vertragsschluss unterschieden werden: 327 Diese Ausführungen macht Rummel, ÖZW 1999, 1, 4 für das österr. Recht. Allerdings lassen sie sich auch auf das deutsche Recht übertragen, zumal auch Rummel in seinem Beitrag (zur Unterstützung seiner Ausführungen) auf die gleichgelagerten Probleme des deutschen Vergaberechts verweist. 328 Holoubek, ÖZW 1998, 75, 77 Fn. 24. 329 Sterner, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 28, Rn. 2 und 7, nach dessen Auffassung dies oberhalb der Schwellenwerte erst durch § 13 VgV geändert wurde. Erst hier werde eine Trennung von Zuschlagsentscheidung (1. Stufe) und Zuschlagserteilung = Vertragsschluss (2. Stufe) eingeführt. Unterhalb der Schwellenwerte gelte dagegen immer noch die traditionelle Konzeption. 330 Jedenfalls nach dem Erlass der VgV ist zwingend von der rechtlichen Existenz der Zuschlagsentscheidung und ihrer Trennung von der Zuschlagsentscheidung auszugehen: Nach § 114 II GWB kann ein „bereits erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden“. Wäre der Zuschlag mit der Zuschlagsentscheidung gleichzusetzen, so nützte die nach § 13 VgV vorgesehene Vorabinformation („vor dem Vertragsschluss“) über diese Entscheidung gar nichts, da weiterhin der Zuschlag schon erteilt wäre und so 114 II GWB den Primärrechtsschutz ausschließen würde. Da § 13 VgV die Zuschlagsentscheidung überprüfbar machen will, kann daher nach heutiger Rechtslage die Zuschlagsentscheidung wegen § 114 II GWB nicht identisch mit dem Zuschlag sein. Ansonsten hätte § 13 VgV wegen § 114 II GWB keine Wirkung. Vgl. auch unter C. II. 3. a) und b). 331 Gallwas, GewArch 2000, 401, 413; so auch das BVA in seinem Vorlagebeschluss, zit. nach Nr. 21 des EuGH Alcatel-Urteils [Sachverhaltsdarstellung, wo

B. Rechtsschutz vor der Einführung von § 13 VgV

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Die gegenteilige Auffassung übersieht, dass in der Praxis der Auftragsvergabe die Zuschlagsentscheidung vor der schriftlichen Ausfertigung dieser Entscheidung (und der Abgabe der Annahmeerklärung) getroffen wird.332 In der Praxis erfolgt die Zuschlagserteilung nicht „aus heiterem Himmel bzw. aus dem Bauch heraus“. Wegen der hohen Bedeutung der Auftragsvergabe (Auftragswerte) erfolgen vorher immer interne Überlegungen, Beratungen, die mit einer (internen) Zuschlagsentscheidung abgeschlossen werden.333 Der Zuschlagserteilung als zivilrechtlicher Annahme des Angebots geht also eine interne Willensbildung der Vergabestelle voraus, die in eine – wiederum interne – Vergabeentscheidung mündet.334 Die Willensbildung des Auftraggebers ist folglich vor Zuschlagserteilung abgeschlossen.335 Die Zuschlagsentscheidung ist das Ergebnis der Willensbildung des öffentlichen Auftraggebers und von der Willenserklärung, die zugehen muss und zum Vertragsschluss führt, zu unterscheiden.336 Der Zuschlag und damit der Vertragsschluss erfolgt eben nur auf Grund, nicht aber durch die interne Willensbildung beim Auftraggeber, von der die Bieter nichts erfahren.337 Die Zuschlagsentscheidung war also vor Einführung der Vorabinformationspflicht zwar nur eine rein interne Entscheidung ohne Aussenwirkung, trat nicht selbstständig338 nach außen. Dennoch existierte sie339 und war von der Zuschlagserteilung zu trennen.340 Auch die haushaltsrechtliche auch die Ausführungen des Vorlagebeschlusses des BVA wiedergegeben werden], ZIP 1999, 1937, 1939). 332 So das BVA in seinem Vorlagebeschluss, zit. nach Nr. 21 des EuGH AlcatelUrteils [Sachverhaltsdarstellung, wo auch die Ausführungen des Vorlagebeschlusses des BVA wiedergegeben werden], ZIP 1999, 1937, 1939: Diese interne Entscheidung begründet auch noch nicht den Vertragsschluss, da der Bieter zumindest Kenntnis von der Entscheidung erlangen muss. 333 In diese Richtung auch Büchl, S. 100, die weiter darauf verweist, dass oft auch bei komplexen Aufträgen die Bewertung der Angebote auch externe Experten übertragen wird, die eine Reihung der Angebote erstellen und Vorschläge machen, wem der Zuschlag zu erteilen ist. 334 Waldner, S. 204; Reidt, BauR 2000, 22, 23; Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, § 114, Rn. 26 und 32; so auch Büchl, S. 92 f. und VfGH, v. 12.6.2004, RPA 2004, 241 (Reisner) für das österreichische Recht. 335 Fleckenstein/Schmitt, ZVgR 2000, 83, 84. 336 Adam, WuW 2000, 260, 261; Voppel, VOF, § 16 Rn. 21. 337 Gröning, wrp 2001, 1, 4. 338 Sondern erst mit der Zuschlagserteilung. 339 Zur Bejahung des Vorliegens einer selbstständigen Zuschlagsentscheidung bei VOF-Vergaben, OLG Dresden, Beschl. v. 11.7.2000 – Wverg 5/00, BauR 2000, 235, 236 f. 340 Nur in diesem Sinne „fehlte“ sie also – so auch Boesen, Ergänzung zu § 107 Rn. 14 ff. und § 114 Rn. 34 ff. im Hinblick auf die Alcatel-Entscheidung, B. II.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Lösung ging in § 57 b IV S. 8 HGrG von einer Unterscheidung zwischen Vergabeentscheidung und deren Vollzug durch die Auftragserteilung aus.341 Die rechtliche Existenz einer Zuschlagsentscheidung und ihre Selbständigkeit gegenüber der Zuschlagserteilung zeigt sich schon daran, dass die Entscheidungspraxis eben eine solche Entscheidung, wenn sie (aufgrund von Indiskretionen)342 vor Zuschlagserteilung bekannt wurde, für überprüfbar gehalten hat.343 Denn wäre die Zuschlagsentscheidung mit der Zuschlagserteilung gleichzusetzen, könnte die Entscheidungspraxis die Zuschlagsentscheidung nicht mehr aufheben bzw. für nichtig erklären, wie sie dies getan hat, da nach Zuschlagserteilung (die ja dann gleich der Zuschlagsentscheidung ist) Primärrechtsschutz nicht mehr in Betracht kommt. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung zwei von einander zu unterscheidende Akte sind.344 Dies gilt trotz der Tatsache, dass das Innenverhältnis, zu dem die Zuschlagsentscheidung gehört und das sie abschließt, und die außenwirksame Zuschlagserteilung rein tatsächlich (ex post) als Einheit erscheinen.345 Der Herleitung einer Vorabinformationspflicht steht also nicht bereits das Zusammenfallen von Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung entgegen. Gleiches gilt für die Rechtslage in Österreich.346 Bei genauer Betrachtung ergibt sich daher folgende Rechtslage, nach der 3 Akte zu unterscheiden sind: – Die Zuschlagsentscheidung ist die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, die als Ergebnis des Vergabeverfahrens getroffen wird (Abschluss 341

Vgl. auch Ulbrich/Waldner, BauR 1999, 1082, 1090. Dazu schon oben unter B. I. 2. 343 So auch Büchl, S. 98 ff. Die Entscheidungspraxis hat das Bestehen einer eigenständigen Vergabeentscheidung auch anerkannt, indem sie – wie schon oben angedeutet, einen Vorabinformationsanspruch über die Zuschlagsentscheidung vor Zuschlagserteilung geschaffen hat. Sie hat gezeigt, dass die Vergabeentscheidung sehr wohl von der Zuschlagserteilung als Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung und dem Vertragsschluss getrennt werden kann. Auch anderen Entscheidung liegt die Existenz einer von der Zuschlagserteilung zu trennenden Vergabeentscheidung zu Grunde: So geht VK Brandenburg, Beschl. v. 19.9.2001 – VK 85/01, ZfBR 2002, 196, 197 ff. davon aus, dass die „Vergabeentscheidung“ schon durch einen Gemeinderatsbeschluss getroffen war. Die Auftragserteilung selbst war aber noch nicht erfolgt. 344 Auch die Rechtsmittelrichtlinien unterscheiden mit der Forderung nach einer Überprüfbarkeit der Vergabeentscheidung zwischen Zuschlagsentscheidung und Vertragsschluss. Denn alles, was aber überprüft werden kann, liegt vor dem Vertragsschluss, der nach 2 VI eine Zäsur bildet, ist daher vom Vertragsschluss zu unterscheiden. 345 Vgl. auch Kienast, S. 190 ff. m. w. N. 346 Elsner A 186; vgl. auch Kienast, S. 190 ff. m. w. N. 342

B. Rechtsschutz vor der Einführung von § 13 VgV

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einer internen Willensbildung). Sie ist die Auswahl des erfolgreichen Bieters. Zur terminologischen Klarstellung kann man auch von Vergabeentscheidung sprechen. – Die Zuschlagserteilung ist die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung an den erfolgreichen Bieter. Die Zuschlagsentscheidung tritt mit der Zuschlagserteilung das erste Mal nach außen. Die Zuschlagserteilung verkörpert das Handeln der vergebenden Stelle im Außenverhältnis.347 Sie ist eine Willenserklärung. – Aus dieser Zuschlagserteilung resultiert dann das Zustandekommen des Vertrages. Er kommt mit dem Zugang der Zuschlagserteilung zu Stande. bb) Herleitung einer Vorabinformationspflicht im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Rechts348 – Die Entscheidungspraxis nach der Münzplättchen-II-Entscheidung der 1. Vergabekammer des Bundes Wie schon ausgeführt, hat die Entscheidungspraxis in Deutschland auf das Rechtsschutzdefizit reagiert, indem sie dem deutschen Recht eine Verpflichtung zur Information über die Zuschlagsentscheidung vor Zuschlagserteilung entnahm. Mit dieser Information konnten die Bieter dann noch rechtzeitig vor der primärrechtsschutzausschließenden Zuschlagserteilung ein Nachprüfungsverfahren einleiten. Grundlegend war hier die sog. Euro-Münzplättchen II349-Entscheidung der 1. Vergabekammer des Bundes350.351 Die hier hergeleitete Vorabinformationspflicht war die Basis für die spätere Einführung der Vorabinformationspflicht in § 13 VgV. Denn die Münzplättchen II-Entscheidung begründete eine Entscheidungspraxis352, die dem 347

Kienast, S. 190 ff. Holoubek, ecolex 2000, 10, 12 ff. nimmt diese Prüfung für das österreichische Recht vor. Dem folgend Neuhuber, S. 124 f. 349 Aufgrund eines Antrags eines anderen Bieters war dasselbe Vergabeverfahren bereits kurz zuvor Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gewesen (Euro-Münzplättchen I, Beschluss v. 22.3.1999, VK 1-5/99, dazu Waldner, S. 207 Fn. 1004). Auch nach der hier besprochenen Entscheidung beschäftigte das Vergabeverfahren die Nachprüfungsinstanzen (Euro Münzplättchen III). 350 VK Bund, Beschl. v. 29.4.1999 – VK 1–7/99 – Euro-Münzplättchen II, WuW 1999, 660 = NJW 2000, 151 = BB 1999, 1076 = ZVgR 1999, 69; Anmerkungen: Höfler, NJW 2000, 120 und ders., ZVgR 1999, 75; dazu auch ausführlich Erdl, BauR 1999, 1341, 1345 ff. 351 Obwohl hier die Vorabinformationspflicht nicht im Wege der richtlinienkonformen, sondern der verfassungskonformen Auslegungen aus dem deutschen Recht hergeleitet wurde, so zeigte diese Entscheidungspraxis doch auf, welche deutschen Normen zu Herleitung einer Vorabinformationspflicht in Betracht kamen. 348

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Gesetz- bzw. Verordnungsgeber einen gangbaren Weg zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes aufzeigte.353 Es soll daher auf diese Entscheidung näher eingegangen werden. (1) Sachverhalt Im von der Vergabekammer zu entscheidenden Fall ging es um einen Lieferauftrag für Rohlinge zur Herstellung von Cent- und Euro-Münzen (Münzplättchen), den die Bundesschuldenverwaltung im Juli 1998 ausgeschrieben hatte. Der antragstellende Bieter hatte im vorangehenden Probeprägungsverfahren Proben abgegeben, war aber dann für die Lieferung der Rohlinge nicht berücksichtigt worden. Zunächst hatte die Vergabeprüfstelle in einem von der Antragstellerin vor 1998 eingeleiteten Verfahren die Vergabestelle angewiesen, die Probeprägungen des 1-Euro-Nominals zu wiederholen.354 Danach wandte sich die Antragsstellerin wegen der Überprüfung des noch laufenden Verfahrens an die 1. Vergabekammer des Bundes. Sie trug vor, dass das Vergabeverfahren nicht rechtmäßig und für die Bieter nicht transparent genug gewesen sei und beantragte insbesondere355, die Antragsgegnerin zu einer umfassenden Unterrichtung über den weiteren Fortgang des Vergabeverfahrens zu verpflichten. (2) Inhalt der Entscheidung Zunächst wies die Kammer die zahlreichen Einzelanträge der Antragstellerin, die auf eine ständige lückenlose Unterrichtung über den Fortgang des Vergabeverfahrens zielen, zurück. Dem Auftraggeber wäre damit die zügige und effektive Durchführung des Vergabeverfahrens unzumutbar erschwert. Ein ständiger Dialog zwischen Vergabestelle und Bietern würde insbesondere den Geheimwettbewerb zwischen den Bietern u. U. auch die Durchsetzung des Nachverhandlungsgebotes gefährden. Ein Bieter, der gewissermaßen ständigen Kontakt mit der Vergabestelle erzwingen könnte, hätte die 352 Durch die Literatur war der Weg über eine Vorabinformation schon sehr viel früher vorgeschlagen worden: etwa 1997 von Obermayr, Anm. zu öst. VfGH v. 26.6.1997, ZVgR 1997, 226, 227 zur entsprechenden österreichischen Rechtslage. 353 Vgl. auch Jasper, in: Tagungsband – Zweiter Düsseldorfer Vergaberechtstag am 28. Juni 2001, S. 11, 18. 354 Die 1. Vergabekammer des Bundes hatte eine entsprechende Anweisung in einem von einem anderen Bieter eingeleitetem Nachprüfungsverfahren erteilt (EuroMünzplättchen I, Beschl. v. 22.3.1999, VK 1-5/99). 355 Zu den Anträgen und dem Sachverhalt im Einzelnen: Erdl, BauR 1999, 1341, 1345; Waldner, S. 207.

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Möglichkeit, sich Wissensvorsprünge vor anderen Bietern zu verschaffen oder auf diese Weise sogar unzulässige Nachverhandlungen zu provozieren. Allerdings hat die Vergabekammer einen Anspruch des Bieters bejaht, „zehn Tage vor Erteilung des Zuschlags von der Vergabestelle über die Gründe der Ablehnung ihres Angebotes und den Namen der Bieter356 informiert zu werden, denen der Zuschlag erteilt werden soll“. Die Vergabekammer begründet die rechtliche Notwendigkeit einer Vorabinformation damit, dass der Bieter nach § 97 VII GWB ein subjektives Recht auf Einhaltung der Vergabevorschriften habe. Daraus folge in Verbindung mit Art. 19 IV GG, dass der Bieter dieses Recht auch gerichtlich durchsetzen können muss. Art. 19 IV GG sei auf die Beziehung zwischen Auftraggeber und Bieter anwendbar, da es sich bei der Auftragsvergabe um einen Akt der öffentlichen Gewalt handelt. Auch fiskalisches Handeln falle unter den Begriff der öffentlichen Gewalt.357 Die Vergabekammer stützt sich in ihrer Argumentation auf die Rechtssprechung (des BVerfG) zu beamtenrechtlichen Konkurrentenklagen. Danach ist die Klage eines übergangenen Bewerbers nach Ernennung eines Konkurrenten grundsätzlich unzulässig. Dies gilt sowohl für die Anfechtungsklage gegen die Ernennung des Konkurrenten als auch für die Verpflichtungsklage auf Neubescheidung. Die Ernennung ist wegen der Ämterstabilität irreversibel. Sowohl das statusrechtliche Amt als auch die zugeordnete Planstelle stehen nicht mehr zur Verfügung.358 Bei diesen sofort bestandskräftig werdenden belastenden staatlichen Entscheidungen folgt aus dem Gebot grundrechtsfreundlicher Verfahrensgestaltung die Pflicht der Behörde, den unterlegenen Bewerber mit ausreichendem Vorlauf für die Inanspruchnahme von Rechtsschutz von der beabsichtigten Entscheidung in Kenntnis zu setzen.359 Verallgemeinernd kommt die Vergabekammer zu 356

Der Plural ergibt sich hier aus der Möglichkeit der losweisen Vergabe. Zum Urteil des BVerfG vom 29.7.2004, das sich mit den Anforderungen von Art. 19 IV GG im Auftragswesen auseinandersetzt, bereits oben unter 2. 358 Näher dazu Aulehner, Anm. zu BVerwG, Urt. v. 13.9.2001, JA 2002, 554 ff. und Schöbener, BayVBl 2001, 321 ff. Allerdings hatte das BVerwG in seiner Entscheidung vom 13.9.2001, DÖV 2002, 299 diese Rechtsprechung zur Anfechtung von Besetzungsentscheidungen (in einem obiter dictum) in Frage gestellt, dazu Battis, NJW 2002, 1085, 1089, der die Entscheidung als „Paukenschlag“ bezeichnet. Aulehner, JA 2002, 554 ff.; Schnellenbach, ZBR 2002, 180 ff.; Hufen, JuS 2002, 1237 f. und Lansnicker/Schwirtzek, NJW 2003, 2481, 2482 ff. (auch zu ähnlichen aktuellen Entscheidungen des BAG). Diese Zweifel hat es aber in seiner Entscheidung vom 21.8.2003, DVBl 2004, 317 zurückgestellt. Zwar kann gegen die Ernennung des Konkurrenten nicht mehr vorgegangen werden, der Kläger hat aber u. U. einen Anspruch auf Schaffung einer neuen, zusätzlichen Planstelle. Näher auch Tegethoff, JA 2004, 732. 357

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dem Ergebnis, dass die Verwaltung immer vor dem Abschluss der Verwaltungsverfahrens zur Information über dessen Abschluss verpflichtet ist, wenn die das Verfahren abschließende Entscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. So sei deswegen auch in der vorliegenden vergaberechtlichen Konstellation eine Vorabinformation nötig. Neben der Begründung über Art. 19 IV GG stützt die Vergabekammer den Vorabinformationsanspruch als „zweites Standbein“ auf Art. 20 III GG. Auch das Rechtsstaatsgebot fordere effektiven Rechtsschutz. Als einfachgesetzliche Rechtsgrundlage für die Vorabinformation zieht die Vergabekammer § 27 a VOL/A heran. Danach sind die nicht berücksichtigten Bieter innerhalb von 15 Tagen nach Eingang eines entsprechenden Antrages die Gründe für die Ablehnung des Angebots und der Name des erfolgreichen Bieters mitzuteilen.360 Der Anspruch erfasse nach herkömmlichen Verständnis zwar nur die nachträgliche Information auf Antrag (ex post Transparenz361). Eine verfassungskonforme Auslegung des § 27 a VOL/A führe aber zu einer vorherigen Informationspflicht. Diese Verpflichtung zur Vorabinformation hat die 1. Vergabekammer jedoch zumindest in bestimmten Umfang362 an die vorherige Stellung eines Antrags auf Vorabinformation gekoppelt. Festzuhalten ist, dass nach der Entscheidung der Vergabekammer für die bloße Information über die Nichtberücksichtigung kein Antrag gestellt werden muss.363 359

BVerfG NJW 1990, 501. Zu der Übertragung dieser Argumentation auf das Vergaberecht auch Wittig S. 176 m. w. N. Vor der Münzplättchen II Entscheidung hatte etwa auch schon Riese, S. 283 eine Vorabinformation im Hinblick auf die Parallele im Beamtenrecht (in beiden Fällen wird eine Auswahlentscheidung getroffen, die Ermessenentscheidung ist und jeweils unumkehrbare Fakten geschaffen werden.); dazu auch Huber, JZ 2000, 877, 882 m. w. N.; vgl. auch Schnorbus, BauR 1999, 77, 79 ff. 360 Zur Information aus § 27 a VOL/A und VOB/A auch schon oben. 361 Darunter versteht man allgemein die Publizität der Vergabe nach Abschluss des Vergabeverfahrens. – Haase, S. 125. 362 Hierzu Niebuhr-Kus, § 114, Rn. 50. 363 Verkürzend von einem generellen Antragserfordernis gehen aber aus: Höfler, NJW 2000, 120, 122; Otting, NVwZ 2001, 775, 776; Höfler, NJW 2000, 120, 122; Waldner, S. 211; KG Berlin, Beschl. v. 7.6.2000 – KartVerg 3/00, ZIP 2000, 1746, 1749; Waldner, IBR 2000, 303. Demgegenüber hatte später auch die (2.) Vergabekammer des Bundes noch einmal ausdrücklich festgehalten, dass entgegen einer von der Vergabestelle im zu entscheidenden Fall geäußerten Ansicht, die Information über die Nichtberücksichtigung unabhängig von einem Antrag erfolgen müsse. „Lediglich eine Unterrichtung über die Gründe der Nichtberücksichtigung erfolgt nur auf Antrag.“ – 2. VgK des Bundes, Beschl. v. 19.1.2001 – VK 2-42/00, WuW 2001, 1022, 1023 (Verg 500) = IBR 2001, 268 (Wagner). Dies wird auch durch eine weitere Entscheidung der 1. Vergabekammer des Bundes gestützt, in der sie einen Nachprüfungsantrag wegen

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(3) Stellungnahme zur Möglichkeit der Herleitung einer Vorabinformationspflicht durch richtlinienkonforme Auslegung der Nachinformationspflichten in § 27 a VOL/A und VOB/A, § 17 IV VOF Dem deutschen Recht konnte im Wege der richtlinienkonformen Auslegung der Informationspflichten der Verdingungsordnungen eine Verpflichtung zur Vorabinformation richtigerweise nicht entnommen werden.364 Die dementsprechende Entscheidungspraxis konnte nicht überzeugen. Schon deswegen musste der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber mit dem ausdrücklichen Erlass einer Vorabinformationsregelung in § 13 VgV tätig werden: Eine richtlinienkonforme Auslegung setzt voraus, dass das nationale Recht Raum für eine Auslegung lässt. Es sind die jeweiligen nationalen Auslegungsregeln und -grenzen zu berücksichtigen, denn es handelt sich um die Auslegung nationalen Rechts durch nationale Stellen, die dazu die nationalen Auslegungsregeln heranziehen.365 Vor allem (aber nicht nur) ist der Wortlaut Grenze der richtlinienkonformen Auslegung.366 Die FeststelVerletzung der Vorinforationspflicht davon abhängig macht, dass der betreffende Bieter die Vergabestelle zuvor zur Auskunft aufgefordert hat (Beschluss v. 7.6.1999 VK 1-11/99, S. 10; dazu auch Waldner, S. 211); richtig auch Brinker, in: Schwarze, S. 97, 101 und 105. 364 Die Auslegung der Verdingungsordnungen ist dadurch problematisch, dass der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber sie zwar durch den Verweis in der VgV in seinen Willen aufgenommen hat, sie letztendlich aber doch durch den privaten DVA aufgestellt werden [s. im Teil 1, A. VI. 3. c) dd) (3)]. Dennoch werden sie wie Rechtsnormen ausgelegt (so für die VOF: Voppel, VOF, Einl. Rn. 36 m. w. N.; vgl. auch BGH, Urt. v. 8.9.1998 – X ZR 48/97 (Neubau Landwirtschaftsministerium), WuW 1998, 1125, 1127 m. w. N. (Verg 121) = IBR 1998, 461 (Schabel); anders Byok, WuW 2000, 718, 721). Fraglich bleibt aber, inwieweit bei der Auslegung der Wille des DVA zu berücksichtigen ist. 365 Öhler, S. 116. 366 EuGH, Slg. 1987, 3969, 3987; BVerfGE 75, 223; vgl. auch Öhler, S. 116; Pachnou, Public Procurement Law Review 2000, 251, 255; Jarass, EuR 1991, 211, 217 f.; vgl. auch Kalinowsky, S. 19 f.; Gutknecht, ÖZW 2000, 19. Dies ist allerdings nicht unumstritten. So geht nach einer anderen Ansicht die richtlinienkonforme Auslegung allen anderen Auslegungsmethoden vor, sie sei vorrangiges Auslegungskriterium. Teils wird nicht einmal der äußerste Wortsinn als Grenze angesehen, vgl. Lutter, JZ 1992, 593, 604 m. w. N. (einschränkend aber auf S. 607); vgl. auch BGHZ 63, 263 und 87, 61. Letztere Ansicht ist aber abzulehnen. Sie würde oft zu einer – nur ausnahmsweise zulässigen – unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien kommen – Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 6; vgl. auch die zahlreichen Nachweise bei Grundmann, JuS 2002, 768, 770 f., der selbst den Wortlaut nicht als Grenze ansieht, wenn der Gesetzgeber mit dem auszulegenden Rechtssatz den Willen hatte, die Richtlinie korrekt umzusetzen. Anders sei dies nur, wenn ein Wille, von der Richtlinie abzuweichen, nachgewiesen werde. Allerdings ist bei dieser Auffassung fraglich, wann überhaupt einmal ein solcher Wille zur Abweichung explizit nachgewiesen werden kann.

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lung, welche Auslegung in diesen Grenzen noch möglich ist, obliegt den nationalen Gerichten und Rechtsanwendern.367 Die Herleitung einer Vorabinformationspflicht aus den Verdingungsordnungen scheitert im Ergebnis daran, dass die Information über die Nichtberücksichtigung bei der Zuschlagsentscheidung nach allen Verdingungsordnungen nur nach Zuschlagserteilung vorgesehen ist. Eine Ausweitung dieser Nachinformation geht über den Wortlaut dieser Bestimmungen hinaus.368 Auch von ihrem Sinn und Zweck her sind sie nur Nachinformationspflichten. Hintergrund dieser Informationspflichten der Verdingungsordnungen ist es, dem nicht berücksichtigten Bieter nach Zuschlagserteilung so schnell wie möglich wieder die Disposition über seine, mit der Ablehnung freigewordenen Kapazitäten zu ermöglichen, nicht aber, den Bietern Primärrechtsschutzmöglichkeiten einzuräumen.369 Die Herleitung einer Vorinformation geht also auch deswegen zu weit, da diese zu dem, was in den §§ 27 a VOL/A, VOB und § 17 IV VOF geregelt ist, „schlicht ein aliud ist“.370 So war auch die Entscheidungspraxis dahingehend uneinheitlich, bei welchen Auftragsvergaben diese Vorabinformationspflicht überhaupt de lege lata hergeleitet werden konnte. War die Annahme der Vorabinformationspflicht bei der VOL/A noch einheitliche Entscheidungspraxis371, war dies bei Bauvergaben umstritten.372 Einige Vergabekammern bejahten hier die Möglichkeit der Herleitung einer Vorabinformationspflicht aus § 27 a VOB/A.373 Wegen des Charakters dieser Norm als Nachinformationspflicht 367

EuGH, Slg. 1988, 673, 690; vgl. auch Kalinowsky, S. 19 f. Bei der § 17 IV VOF ergibt sich dies etwa aus der Paragrafenüberschrift („Vergebene Aufträge“) – so auch Hartmann, VOF, Teil 4/3 § 17 S. 5. Vgl. auch unter B. I. 2. und: Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst IV, Rn. 23; Kapellmann/Messerschmidt-Külpmann, VOB/A § 27 a Rn. 3; KG, Beschluss v. 15.11.2000 – KartVerg 16/00, BauR 2001, 243, 244 Anders die VK Bund in der Münzplättchen II – Entscheidung (WuW 1999, 660, 663). 369 Breloer, S. 98. 370 Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst IV, Rn. 23. 371 Eine Vorabinformationspflicht bei VOL – Vergaben bejahen etwa auch: OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.2001 – Verg 9/00, VergabeR 2001, 407, 409; OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.5.2000 – 2 Verg 1/00, NZBau 2000, 542 f. (Leitsätze) = IBR 2000, 582 (Trautner); VK Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 13.3.2001 – VK Hal 23/99, S. 8 f. 372 Für die Übertragbarkeit der Entscheidung auf VOF-Verfahren, also auf § 17 IV VOF, Voppel, VOF, § 17 Rn. 56. 373 VK Baden-W. beim Landesgewerbeamt BW, Beschluss v. 18.8.1999 – 1 VK 8/99, Sammlung Vergaberecht 9/2.1.23 – Trautner: Die Kammer sieht eine Erfüllung der Vorabinformationspflicht in der Tatsache, dass eine öffentliche Sitzung in 368

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ausdrücklich abgelehnt wurde dies allerdings vom KG Berlin in der einzigen Entscheidung eines OLG-Vergabesenats zu dieser Frage.374 Weiter ist speziell für die VOL/A und die VOF darauf hinzuweisen, dass bei dieser eine antragsunabhängige Informationspflicht nicht vorgesehen werden kann. Denn der Wortlaut der § 27, 27 a VOL/A und § 17 IV VOF sieht für die gesamte Informationspflicht (und nicht nur für die Information über die Gründe wie bei der VOB/A375) ausdrücklich eine Antragsstellung vor. Dies spricht im Übrigen auch gegen das in der Münzplättchen II Entscheidung gewonnene Ergebnis: Die Vergabekammer hatte für die bloße Information über die Nichtberücksichtigung keine Antragstellung gefordert. Nur für die weitergehende Information über die Gründe der Nichtberücksichtigung etc. musste dann ein Antrag gestellt werden.376 Diese Auslegung geht über den Wortlaut des § 27 a VOL/A hinaus.377 Bei der Herleitung der Vorabinformationspflicht aus den Nachinformationspflichten der Verdingungsordnungen ist weiter zu beachten, dass es dann bei vielen Sektorenauftraggebern schon keine rechtliche Grundlage für die Herleitung eines Vorabinformationsanspruchs gibt. Die richtlinienkonforme Auslegung setzt aber voraus, dass überhaupt eine nationale Rechtsvorschrift besteht, die nach dem Sinn der Richtlinie interpretiert werden kann378: Für die Sektorenauftraggeber ist § 27 a VOL/A bzw. VOB/A nicht einschlägig. Hier könnte eine Vorabinformation zunächst aus § 27 b VOL/A, VOB/A (3. Abschnitt) oder aus § 12 VOL/A-SKR (4. Abschnitt) hergeleitet werden. Die hier vorgesehenen Mitteilungspflichten gelten aber nur für einige wenige Sektorenauftraggeber. Für die Sektorenauftraggeber, für die der Anwesenheit der Antragsstellerin stattgefunden hat, in der eindeutig Beschluss über deren Nichtberücksichtigung gefasst worden war; 2. VgK des Bundes, Beschl. v. 19.1.2001 – VK 2-42/00, WuW 2001, 1022, 1023 (Verg 500) = IBR 2001, 268 (Wagner); vgl. Waldner, S. 211 insbes. Fn. 1025; Kleinhenz, ZfBR 2001, 75, 76; so wohl auch Erdl, BauR 1999, 1341, 1347. 374 Beschluss v. 15.11.2000 – KartVerg 16/00, BauR 2001, 243 unter Verweis auf seine Rechtsprechung in KG Berlin, Beschl. v. 7.6.2000 – KartVerg 3/00, ZIP 2000, 1746, 1749 (wo aber keine Aussage zur Vorabinformationspflicht bei der VOB getroffen wird); so auch VK Nordbayern, Beschl. v. 9.11.2000 – 320.VK-3194-28/00, S. 7; VK Nordbayern, Beschl. v. August 2000 – 7/00 (Konzessionsvergabe), S. 8; Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst IV, Rn. 23. 375 Dazu näher unter C. VII. 1. a). 376 Zur abweichenden Ansicht oben unter B. III. 3. a) bb) (3). 377 So auch Brinker, JZ 2000, 462, 463; Brinker, in: Schwarze, S. 97, 105; Brinker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 27 a, Rn. 7 Fn. 11. 378 Öhler, S. 116 f.; Schramm, Anm. zu EuGH, Urt. v. 28.10.1999 – Rs. C-81/ 98, ZVgR 2000, 13, 16.

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3. Abschnitt der VOL/A anwendbar ist, kann wenigstens noch auf die Mitteilungspflichten in § 27 Nr. 2 lit a) VOL/A379 zurückgegriffen werden. Eine entsprechende Regelung für die Auftraggeber des 4. Abschnitts der VOL und VOB gibt es aber nicht. Eine richtlinienkonforme Auslegung, die alle Auftraggeber betraf, war damit nicht möglich. Damit konnte also im Ergebnis die Herleitung der Vorabinformationspflicht im Wege der Auslegung der Nachinformationspflichten über die Nichtberücksichtigung nach den Verdingungsordnungen nicht überzeugen. Aus diesem Grund hatten andere Stimmen die Vorabinformationspflicht aus anderen Normen abgeleitet: etwa unmittelbar aus dem Transparenzgebot des § 97 I GWB380; aus § 97 I i. V. m. VII GWB381 oder als vorvertragliche Pflicht aus dem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis382. Nach der Entscheidung des BVerwG vom 2.7.2003383 hätte sich auch die Frage gestellt, inwieweit aus Art. 12 I GG ein verfassungsunmittelbarer Informationsanspruch herzuleiten gewesen wäre. Das BVerwG hat hier seine Rspr. zu diesem, direkt aus der Verfassung folgenden Informationsanspruch weiterentwickelt. Ein solcher besteht, wenn der Erhalt der begehrten Information zum Schutz des grundrechtlich geschützten Freiheitsraums des Grundrechtsträgers unerlässlich ist. Auf die Überzeugungskraft dieser Herleitungsversuche für eine Vorabinformationspflicht muss aber nicht näher eingegangen werden, denn: cc) Selbst bei Bejahung einer Vorabinformationspflicht aus dem deutschen Recht blieb dieses europarechtswidrig Selbst wenn man eine Vorabinformationspflicht über eine richtlinienkonforme Auslegung der Informationspflichten in den Verdingungsordnungen oder aus anderen Normen bejahen wollte, so konnte diese Auslegung allein nicht die Effektivität des Rechtsschutzes und damit die Europarechtskonformität des deutschen Vergaberechts sichern, da die Nichtbeachtung dieser Informationspflicht nicht sanktionsbewehrt ist. Auch aus diesem Grund hatte 379 Hieraus lässt sich aber auch nur ein Anspruch auf Mitteilung der Gründe der Nichtberücksichtigung herleiten, nicht aber auf den Namen des erfolgreichen Bieters herleiten. 380 So Dreher, NZBau 2001, 244; Voppel, VOF, § 17 Rn. 57 und 60; in diese Richtung auch 2. VgK des Bundes, Beschl. v. 19.1.2001 – VK 2-42/00, WuW 2001, 1022, 1024 (Verg 500) = IBR 2001, 268 (Wagner). 381 Spießhofer/Lang, ZIP 2000, 446, 447. 382 Boesen, § 114 Rn. 48 ff. und § 97 Rn. 27; vgl. auch Erdl, BauR 1999, 1341, 1347. 383 NJW 2003, 2696 = JA 2004, 281 (Oberrath) = JuS 2003, 1241 (Selmer) = WuW 2004, 570 (Verg 938).

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die Entscheidungspraxis mit der bloßen Auslegung der Nachinformationspflichten keinen gangbaren Weg aufgezeigt, wie man eine Überprüfung der Zuschlagsentscheidung ohne ausdrückliche Änderung der Vergaberechtslage in Deutschland sicherstellen konnte: Der EuGH fordert die Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung in jedem Fall. Entschloss sich jedoch die Vergabestelle, den im Wege der Auslegung gewonnenen Vorabinformationsanspruch zu ignorieren und schloss den Vertrag, konnte die Zuschlagsentscheidung – wie gehabt – nicht aufgehoben werden: Der aus § 27 a VOL/A von der Rechtsprechung (oder der aus anderen Normen) hergeleitete Vorabinformationsanspruch hatte nicht die Wirkung eines gesetzlichen Verbotes.384 Ein Verstoß des Auftraggebers gegen diese Verpflichtung zur Information führte folglich nicht zur Nichtigkeit eines mit dem ausgewählten Bieter geschlossenen Vertrages bzw. des Zuschlags.385 Damit griff trotz des Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht der Ausschluss des Primärrechtsschutzes nach § 114 II GWB ein. Folglich war die Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung selbst bei der Existenz einer durch Auslegung gewonnenen Vorabinformationspflicht in Fällen, in denen der Auftraggeber gegen die Vorabinformationspflicht verstößt, nicht gegeben.386 Die Überprüfbarkeit war damit nicht in jedem Fall gegeben, wie es das Europarecht verlangt. Dass eine solche Nichtbeachtung der durch Auslegung gewonnenen Vorabinformationspflicht gar nicht so fern liegend war, zeigten etwa die Reaktionen der Vergabepraxis auf die Münzplättchen II-Entscheidung. So ist versucht worden, diese Entscheidung zu ignorieren. Beispielsweise hat der Freistaat Bayern in einem Rundschreiben die Vergabestellen aufgefordert, auch weiterhin (bis zu einer 384 Kus, NJW 2000, 544, 546. Auch nach Boesen, § 107 Rn. 26 kann aus dem Anspruch des Bieters auf Vorabinformation nicht ein gesetzliches Verbot der Zuschlagserteilung bei fehlender Vorabinformation gegenüber dem Auftraggeber abgeleitet werden. 385 So für den aus den Verdingungsordnungen hergeleiteten Vorabinformationsanspruch: BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – X ZB 14/00, ZIP 2001, 479, 482 f. = NZBau 2001, 151 = VergabeR 2001, 71 m. Anm. Wagner; KG Berlin, Beschl. v. 7.6.2000 – KartVerg 3/00, ZIP 2000, 1746, 1749: Der rechtsschöpferischen Hilfskonstruktion kann nicht die weitgehende Wirkung eines Vertragsabschlussverbotes gegeben werden, dessen Nichtbeachtung die Unwirksamkeit des Vertrages mit sich brächte. Hierfür bedarf es im Interesse der Rechtssicherheit einer gesetzlichen Regelung. OLG Brandenburg, Beschl. v. 7.11.2000 – Verg 2/00, ZIP 2000, 2327, 2329; VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 10.1.2001 – 1 VK 13/00 (Bauüberwachung IGA), S. 9; OLG Celle, Beschl. v. 26.4.2001, 13 Verg 4/00; VK Brandenburg, Beschl. v. 29.11.2001 – 2 VK 44/00 (Ortsumgehung), S. 6. 386 Auch bei Verletzung der Vorabinformationspflicht bei der Beamtenstellenbesetzung steht dem übergangenen Bewerber nur ein Amtshaftungsanspruch zu – vgl. BGH, NJW 1995, 2344 und Czybulka/Biermann, JuS 1998, 601 ff. m. w. N.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

höchstrichterlichen Bestätigung) eine Information der Bieter erst nach Zuschlagserteilung vorzunehmen.387 Dem Bieter blieben also bei Verletzung der Pflicht zur Vorabinformation nur Schadensersatzansprüche.388 Diese waren aber nur zu bejahen, wenn neben den Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht noch ein anderer Vergaberechtsverstoß trat, der dazu geführt hat, dass nicht dem Bestbieter der Zuschlag erteilt wurde. Hat nämlich der Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag erhalten, ist der Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht nicht für den eingetretenen Schaden kausal. Denn dann wäre der Schaden des Anspruchsstellers auch ohne den Informationsverstoß eingetreten. Ein Unternehmen kann also auch hier nur Schadensersatz geltend machen, wenn es bei Erteilung der Information den Zuschlag erhalten hätte.389 dd) Endergebnis für die richtlinienkonforme Auslegung Die Bejahung einer Vorabinformationspflicht durch die Entscheidungspraxis schon vor der Einführung des § 13 VgV konnte die Europarechtskonformität des deutschen Vergaberechts nicht herbeiführen.390 Denn angesichts der fehlenden Sanktionierung einer Verletzung der Pflicht zur Vorabinformation und der mangelnden Geltung dieser Pflicht für alle Auftragsvergaben (nicht bei VOB-Vergaben und für Sektorenauftraggeber) fehlte es an der geforderten Sicherstellung des effektiven Rechtsschutzes „in jedem Fall“.391 387 Dazu Waldner, S. 212. Dagegen hat das Wirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen schon am 16.11.1999 die Empfehlung ausgesprochen, eine Vorabinformation über die geplante Zuschlagsentscheidung vorzunehmen. Dieses Schreiben (Az. 132-80-28) ist dokumentiert im Behördenspiegel 1/2000, S. B. II. Es wird eine Wartefrist von 10 Tagen empfohlen. Auch die Entscheidungspraxis hat den durch die Rechtssprechung geschaffenen Vorabinformationsanspruch nicht immer hinreichend beachtet. So erörtert die Vergabekammer Südbayern, Beschl. v. 12.5.2001, 20-06/01 – Beförderungsdienstleistungen im Schulbusverkehr, S. 11 f. nur die Nachinformationspflicht aus § 27 VOL/A. Diese bestehe mangels Antragsstellung nicht. 388 Für die Fälle des Verstoß gegen Vorabinformationspflicht wurde aber diskutiert, ob nicht wenigstens nach § 114 II 2 nachträglich doch noch ein Feststellungsverfahren eingeleitet werden kann – B. III. 4. a) (5). 389 OLG Jena, Urt. v. 27.2.2002 – 6 U 360/01, VergabeR 2002, 419, 421 m. Anm. Weihrauch. 390 Anders Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, § 114, Rn. 43 und Ingenstau/Korbion – Müller-Wrede, 14. Aufl. 2001, § 114 Rn. 7 f., die mit der Schaffung des Vorabinformationsanspruchs durch die Entscheidungspraxis eine ausreichende Umsetzung des Europarechts bejahten. Wie hier nun aber zu Recht Ingenstau/Korbion – Portz, 15. Aufl. 2004, § 27 VOB/A Rn. 2.

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Das deutsche Recht konnte folglich nicht im Wege der europarechtskonformen Auslegung modifizierend so ausgelegt werden, dass es doch eine Überprüfung der Zuschlagsentscheidung gewährleistete. Die richtlinienkonforme Auslegung war zur Herstellung der Europarechtskonformität des deutschen Vergaberechts nicht geeignet. Bis zum In-Kraft-Treten der VgV am 1.2.2001 verstieß das deutsche Vergaberecht mit Blick auf den effektiven Rechtsschutz gegen das Gemeinschaftsrecht. Ein Tätigwerden des Gesetzgebers war also unumgänglich.392 Dem dargestellten Ergebnis entsprach die Rechtslage in Österreich: Auch in Österreich wurde die Herleitung einer Vorabinformationspflicht aus den schon bestehenden Informationspflichten, die denen in Deutschland entsprechen, erörtert.393 Dennoch fehlte es auch hier an einer Absicherung der Vorabinformationspflicht durch eine Nichtigkeitsfolge, so dass die österreichische Rechtslage auch bei Bejahung einer dementsprechenden Vorabinformationspflicht nicht gemeinschaftsrechtskonform war.394 391 Weiter wird dies damit begründet, dass die Ausgestaltung des Rechtsschutzes durch eine Rechtsprechungspraxis den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung nicht genügt. Denn dafür reicht es nicht aus, wenn zwar die nationale Praxis den europarechtlichen Vorgaben entspricht, aber diese Praxis nicht durch Gesetze abgesichert ist – Schwarze, EuZW 2000, 133, 140 m. w. N. Auch nach Dreher, Anm. zu EuGH, Urt. v. 18.6.2002, JZ 2002, 1101, 1102 m. w. N. genügt eine richtlinienkonforme Verwaltungs- und Gerichtspraxis nicht, um die Vergaberichtlinien korrekt umzusetzen. Denn da diese subjektive Rechte begründen, müsse die Rechtslage hinreichend klar und bestimmt sein, was bei einer richtlinienkonformen Auslegung nicht ausreichend der Fall sei. 392 Die dringende Notwendigkeit der Nachbesserung der deutschen Vergaberechtslage durch die Alcatel-Entscheidung hätte sich vermeiden lassen, wenn der Gesetzgeber die schon vor dieser Entscheidung bestehenden deutlichen Hinweise für die Unvereinbarkeit seiner zunächst im GWB gewählten Umsetzung ernst genommen hätte, Schenk, S. 237. dazu auch unter B. III. 3. c) aa). 393 Für eine Herleitung aus § 52 II BVergG: Holoubek, ecolex 2000, 10, 17; dem folgend Kargl, S. 53 f.; Winkler, S. 56; Riedl, S. 129 und 196; Hattenberger, ZVB 2001, 28; für das Kärntner Landesvergaberecht: Erhart, in: Potacs, Beiträge zum Kärntner Vergaberecht, 2000, S. 40; dagegen Kienast, S. 150; Schramm, Anm. zu EuGH, Urt. v. 28.10.1999 – Rs. C-81/98 – Alcatel-Austria u. a., ZVgR 2000, 13, 16 f.; für eine analoge Anwendung von § 52 II: Gutknecht, ÖZW 2000, 18, 20; Winkler, S. 55 f.; Büchl, S. 129 ff.; für eine Anwendung von § 56 und 57 BVergG 1997). 394 Holoubek, ecolex 2000, 10, 17. Auch in Großbritannien ist der Zuschlag im Nachhinein nicht mehr aufhebbar, dazu a. a. O. Deswegen ist auch hier als Lösung eine Vorabinformation diskutiert worden (Pachnou, Public Procurement Law Review 2000, 251, 256 f.). Da aber keine Norm existiert, die so etwas anordnet oder die so europarechtskonform ausgelegt („indirect effect“) werden könnte, kann eine Verpflichtung der Vergabestellen („contracting authorities“) zur Vorabinformation nicht angenommen und vom Richter auch nicht angeordnet werden. Pachnou, a. a. O. kommt zu dem Ergebnis, dass

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

ee) Exkurs: Keine Europarechtskonformität durch Einräumung einer nachträglichen Feststellungsmöglichkeit nach § 114 II 2 GWB Auch die Einräumung einer nachträglichen Feststellungsmöglichkeit nach § 114 II 2 GWB (über die richtlinienkonforme Auslegung) konnte keinen effektiven, also keinen europarechtskonformen Vergaberechtsschutz schaffen: Teile der Entscheidungspraxis und der Literatur wollten auf das Rechtsschutzdefizit mit der Möglichkeit der Nachprüfungsinstanzen, nach Zuschlagserteilung wenigstens die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens (und damit auch der Zuschlagsentscheidung) nach 114 II 2 GWB auszusprechen, reagieren. Eigentlich ist die Feststellungsmöglichkeit nach § 114 II 2 GWB nur in den Fällen anwendbar, in denen das Nachprüfungsverfahren bereits vor Zuschlagserteilung anhängig war.395 Angesichts des Rechtsschutzdefizits in Bezug auf die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung wurde aber diskutiert, ob die Möglichkeit der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens auch in dem Fall bestand, in dem nicht vor Zuschlagserteilung das Nachprüfungsverfahren anhängig war. Dies war sehr umstritten. Insbesondere nach Schaffung des Informationsanspruchs durch die Rechtsprechung wurde die schon vorher in der Literatur396 geführte Diskussion auch von der Rechtsprechung aufgegriffen. Denn da die Rechtsprechungsausformung des Informationsanspruchs kein gesetzliches Verbot i. S. d. 134 BGB war [s. unter B. III. 3. a) cc)], bestand nur diese Möglichkeit, eine nachträgliche Kontrolle durch die Vergabenachprüfungsinstanzen zu ermöglichen. Zunächst hatten das OLG Rostock397 und die VK des Bundes diese Feststellungsmöglichkeit noch für zulässig gehalten. Dies führt im Ergebnis dazu, dass das Nachprüfungsverfahren zeitlich unbeschränkt möglich sein sollte.398 Insbesondere das OLG Düsseldorf399, das OLG Naumburg400 und das BayObLG401 vertraten aber deswegen auch in Großbritannien meist kein Primärrechtsschutz gegen die Zuschlagserteilung möglich ist. 395 Dies wurde schon oben dargestellt, Konstellation 2 unter B. II. 396 Vgl. dazu Waldner, S. 168 ff. m. w. N. 397 OLG Rostock, Beschluss v. 20.3.2000 – 17 W 5/99, BauR 2000, 1589 = NZBau 2000, 396 – für den Fall, dass der Bieter keine ausreichende Möglichkeit hatte, den Zuschlag zu verhindern; Höfler, NJW 2000, 120, 121. 398 So auch die VK Lüneburg, Beschluss v. 27.10.2000 –203 VgK 13/99, IBR 2000, 590 (Schwenker), für den Fall der unterlassenen Vorabinformation des Bieters. (Diese Entscheidung wurde aber im Verfahren der sofortigen Beschwerde vom OLG Celle, Beschl. v. 26.4.2001, 13 Verg 4/00 aufgehoben. Es hält einen Nachprüfungsantrag nach Zuschlagserteilung für unzulässig.); Waldner, S. 172 ff.; vgl. auch NiebuhrKus, § 114 Rn. 67 m. w. N.; vgl. auch die Nachweise bei Gröning, ZIP 2000, 1714. 399 Beschl. v. 13.4.1999 – Verg 1/99, BauR 1999, 751, 757.

B. Rechtsschutz vor der Einführung von § 13 VgV

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die Auffassung, für einen Feststellungsantrag sei nur Raum, wenn sich ein vor Zuschlagserteilung eingeleitetes Nachprüfungsverfahren nachträglich erledigt.402 Aufgrund dieser Differenzen in der Entscheidungspraxis der OLG-Vergabesenate hatte das KG die Frage nach § 124 II GWB dem BGH vorgelegt. Dieser hat sich hier für die Unzulässigkeit der nachträglichen Feststellungsmöglichkeit auch für den Fall des Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht entschieden und diese Frage damit zumindest für die vergaberechtliche Entscheidungspraxis höchstrichterlich geklärt.403 Selbst wenn man aber die nachträgliche Feststellungsmöglichkeit bejaht hätte, hätte sie die Europarechtskonformität des deutschen Rechts nicht herbeiführen können. Die nachträgliche bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung ist nicht mehr dem Primärrechtsschutz zuzurechnen, da eben keine Rückgängigmachung des Vertragsschlusses mehr erfolgen kann. Vielmehr ist sie eine besondere Art des Sekundärrechtsschutzes (zur Vorbereitung des Schadensersatzes).404 Wie gezeigt, setzt das Europarecht aber wirksamen Primärrechtsschutz voraus. b) Zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Rechtsmittelrichtlinien Nachdem festgestellt worden ist, dass eine richtlinienkonforme Auslegung hier das Rechtsschutzdefizit nicht auflösen konnte, also eine ausdrückliche Änderung der Vergaberechtslage durch den Gesetz- bzw. Verord400

Beschl. v. 3.3.2000 – 1 Verg 2/99. BayObLG, Beschl. v. 7.10.1999 – Verg 3/99, NZBau 2000, 92 = IBR, 2000, 57 (Trautner). 402 Ein Feststellungsantrag wurde danach also selbst beim Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht für unzulässig gehalten, so ausdrücklich VK Baden-W., Beschl. v. 8.11.2000 – 1 VK 25/00, S. 7 ff.; VK Baden-W., Beschl. v. 8.11.2000 – 1 VK 23/00, S. 13 ff.; vgl. auch VK Hessen, Beschluss vom 29.9.1999, Az: VK 8/ 99; VK Lüneburg, Beschluss vom 28.5.1999, a. a. O.; VK Nordbayern, Beschl. v. 9.11.2000 – 320.VK-3194-28/00; VK Nordbayern, Beschl. v. August 2000 – 7/00 (Konzessionsvergabe), S. 7 ff.; Vetter, NVwZ 2001, 745, 756. 403 BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – X ZB 14/00, ZIP 2001, 479, 482 f. = NZBau 2001, 151 = VergabeR 2001, 71 m. Anm. Wagner; dem dementsprechend folgend: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.2002 – Verg 43/01 – EQUAL, VergabeR 2002, 404, 409; OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.1.2002 – Verg W 8/01, NZBau 2002, 625, 626; VK Brandenburg, Beschl. v. 29.11.2001 – 2 VK 44/00 (Ortsumgehung), S. 5 ff.; VK Brandenburg, Beschl. v. 22. März 2002 – VK 2/02, S. 4. 404 Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 114 GWB, Rn. 10; BGH, Beschl. v. 19.12.2000 – X ZB 14/00, ZIP 2001, 479, 481 = NZBau 2001, 151 = VergabeR 2001, 71 m. Anm. Wagner; VK Baden-W. beim Landesgewerbeamt BW, Beschl. v. 8.11.2000 – 1 VK 25/00, S. 9; VK BadenW. beim Landesgewerbeamt BW, Beschl. v. 8.11.2000 – 1 VK 23/00, S. 13 ff.; Lück, S. 105vgl. auch Erdl, BauR 2000, 1341 in Fn. 2. 401

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

nungsgeber erforderlich war, stellte sich für die Zeit bis zu dieser Neuregelung des Vergaberechtsschutzes durch § 13 VgV die Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 1 lit. a) und b) RMRL405. Allerdings ließ sich auch darüber die Rechtsschutzlücke nicht schließen. Der EuGH hat im Alcatel-Verfahren im Rahmen der Beantwortung der 2. Vorlagefrage, bei deren Beantwortung er sich erstmals mit der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 2 I lit a) und b) auseinandergesetzt hat406, die unmittelbare Anwendbarkeit dieser Bestimmungen verneint. Es fehle im vorliegenden System an einem öffentlich-rechtlichen Akt, der den Beteiligten zu Kenntnis gelangen könnte. Damit ist nach Auffassung des EuGH mangels dieses Publizitätselementes407 zumindest in dem Fall, in dem eine eigenständig anfechtbare Zuschlagsentscheidung fehlt,408 die unmittelbare Wirkung zu verneinen. Dem war im Ergebnis zuzustimmen.409 Die Rechtsschutzlücke in Bezug auf die Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung konnte also auch nicht durch die unmittelbare Anwendung von Richtlinienrecht geschlossen werden.410 Es blieb also dabei, dass eine rechtswidrige Zuschlagsentscheidung nach Zuschlagserteilung vor den Nachprüfungsbehörden nicht mehr angefochten werden konnte. Eine Rück405

Näher zu diesen Vorschriften schon oben unter B. III. 1. e) cc). Auch int. Abkommen können unmittelbar anwendbar sein, vgl. EuGH, Slg 1987, 3752. Hier wäre etwa an die unmittelbare Anwendbarkeit der Rechtsschutzvorschriften des GPA zu denken. Diese gehen aber im vorliegenden Zusammenhang nicht über die der Vergaberichtlinien hinaus, so dass sich nähere Ausführungen dazu schon aus diesem Grunde erübrigen. Es kommt etwa nicht auf den Streit an, ob das GPA überhaupt unmittelbare Wirkung entfaltet, vgl. dazu Scheuer, RiA 2000, 271, 272 f.; Götz, Öffentliche Beschaffungsmärkte und Europarecht, S. 20. 406 Der EuGH hatte aber schon über die unmittelbare Anwendbarkeit anderer Bestimmungen der Vergaberichtlinien zu entscheiden: Die unmittelbare Anwendbarkeit der materiellen Vergaberichtlinien wurde vom EuGH bereits in einigen Fällen bejaht (EuGH v. 16.9.1999 – Rs. C-27/98, EuZW 2000, 312, 314; näher auch Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 10 ff.; Grundmann, 5.22–5.25, Rn. 65 ff.; Waldner, S. 152). Dagegen hat er die unmittelbare Anwendbarkeit der Rechtsmittelrichtlinien in allen bisherigen Fällen abgelehnt (näher Kienast, S. 24 ff.; Waldner, S. 223 ff.; Adam, WuW 2000, 260, 261 f.). 407 Martin-Ehlers, EuZW 2000, 101, 102. 408 Vgl. insbes. Nr. 50 des Urteils; so auch Boesen, Anm. zu EuGH, Urt. v. 28.10.1999, ZIP 1999, 1942, 1943. 409 Im Einzelnen dazu Holoubek, ecolex 2000, 10, 12 f.; Gröning, WRP 2000, 49, 51; Casati, ecolex, 1998, 449, 450 f.; Boesen, Anm. zu EuGH, Urt. v. 28.10.1999, ZIP 1999, 1942, 1943; Schenk, S. 128 f.; BayObLG, Beschluss v. 07.10.1999, Verg 3/99, NZBau 2000, 92, 94; KG Berlin, Urt. v. 10.4.1995, EuZW 1995, 645, 648; BVA, 20.9.1999 N-35/99-21; N 41/99-4, CONNEX, November 1999, 52. 410 Gröning, WRP 2000, 49, 50.

B. Rechtsschutz vor der Einführung von § 13 VgV

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abwicklung eines einmal erteilten rechtswidrigen Auftrages im Nachprüfungsverfahren411 war nicht möglich.412 c) Schadensersatz gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen mangelhafter Umsetzung der RMRL – Gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch Aus der Verneinung der Möglichkeit von richtlinienkonformer Auslegung und unmittelbarer Anwendbarkeit folgt, dass vor Erlass des § 13 VgV eine Überprüfung der Zuschlagsentscheidung nicht sichergestellt werden konnte. Dem von einer rechtswidrigen und irreversiblen Zuschlagsentscheidung betroffenen Unternehmen blieb daher nur die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatz. Wird ein Auftragsvertrag aufgrund einer rechtswidrigen Zuschlagsentscheidung geschlossen, so haben die nichtberücksichtigten Bieter verschiedene Möglichkeiten im Wege des Sekundärrechtsschutzes Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Zum einen kann er gegen den rechtswidrig handelnden Auftraggeber Ansprüche aus cic, § 823 II und § 126 GWB geltend machen [zu diesen Ansprüchen, insbesondere ihren Schwächen unter B. I. 4. b)]. Daneben war für die Zeit der mangelnden Umsetzung des Gemeinschaftsvergaberechts in Bezug auf die Überprüfbarkeit der Zuschlags411 Steht somit fest, dass die Nachprüfungsinstanzen nach Zuschlagserteilung die Zuschlagsentscheidung und den Vertragsschluss nicht mehr korrigieren konnten, so wurde vereinzelt diskutiert, ob nicht außerhalb des Nachprüfungsverfahrens eine Verpflichtung der dem Staat zuzurechnenden Vergabestellen bestand, eine Rückabwicklung des bereits erteilten gemeinschaftswidrigen Auftrages vorzunehmen (dazu Öhler, RdW 1999, 774, 777; Neuhuber, S. 138; Öhler, S. 263 ff.; Arrowsmith, The Remedies for Enforcing, S. 15 ff. und 41 f. Belebt wurde diese Diskussion durch das 2004 eingeleitete Zwangsgeldverfahren der Kommission vor dem EuGH in der Sache Braunschweig/Bockhorn [dazu B. III. 1. f)] und das Verfahren vor dem EuGH in der Rechtssache „Regierungsviertel St. Pölten“ = EuGH, Urt. v. 28.10.1999 – Rs. C-328/96, NZBau 2000, 150 = ZVgR 2000, 1 m. Anm. Ax = IBR 2000, 1 (Schabel), vgl. Anm. von Griller, ecolex 2000, 4; und Neuhuber, S. 129 ff. Diese Frage hat aber für die Beurteilung der geltenden Rechtslage erheblich an Bedeutung verloren, denn mit der Einführung von § 13 VgV kann schon der Abschluss gemeinschaftsrechtswidriger Verträge weitgehend verhindert werden, so dass sich dann die Frage, ob denn solche Verträge nachträglich aufgehoben werden können, erübrigt. Das gleiche gilt für die Frage, ob den Rechtsschutzansprüchen des wirklichen Bestbieter nicht dadurch Rechnung getragen werden konnte, dass zwar der erste, unrechtmäßig geschlossene Vertrag unangetastet bleibt, gleichwohl aber auch der Bestbieter einen Anspruch auf Abschluss eines daneben bestehenden Vertrages hat. Die Verwaltung müsste dann den Auftragsgegenstand zweimal beschaffen – dazu Wilhelm, Bestbieters Sieg, S. 81 ff. 412 Vgl. auch Öhler, RdW 1999, 774, 776.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

entscheidung eine Haftung des Mitgliedsstaates über den so genannten gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch zu prüfen.413 Die erfolgreiche Geltendmachung dieses gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs kam aber nur in Ausnahmefällen in Betracht. Soweit ersichtlich, hatte sich die Entscheidungspraxis dementsprechend auch nicht mit solchen Ansprüchen auseinander zu setzen. Zwar lag der erforderliche hinreichend qualifizierte Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vor. Dass die Zuschlagsentscheidung als die wichtigste Entscheidung des Auftraggebers nicht überprüfbar ist, war offensichtlich gemeinschaftsrechtswidrig. Ihre zwingende Überprüfbarkeit ergibt sich schon aus dem Ziel der RMRL, effektiven Rechtsschutz bis zum Vertragsabschluss gewähren zu wollen. Das eingeräumte Ermessen wurde also offenkundig überschritten.414 Dagegen lässt sich auch nicht der Streit um die Notwendigkeit der Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung anführen. Die hier für die Gemeinschaftskonformität der deutschen Rechtslage geäußerten Ansichten waren nicht überzeugend und zeugten eher von dem (verzweifelten) Versuch, die deutsche Rechtslage vor dem Gemeinschaftsrecht zu „retten“. Beim Erlass des VgRÄG war schon sehr deutlich zu erkennen, dass auch die Zuschlagsentscheidung aufgehoben werden können muss und dass dies nach der deutschen Rechtslage nicht möglich war.415 Die Geltendmachung des Staatshaftungsanspruchs war aber zumeist wegen des weiterhin erforderlichen unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen dem Gemeinschaftsrechtsverstoß und dem Schaden der Person unmöglich. Danach kann im Ergebnis nur der Bieter einen Schadensersatzanspruch geltend machen, der bei rechtmäßiger Vergabeentscheidung den Zuschlag hätte erhalten müssen,416 was aber selten festgestellt werden kann.417 Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch setzt also 413 Allerdings kann es auch hier im Ergebnis zum Einstehen des Auftraggebers für die Erstattungsansprüche kommen – vgl. Öhler, S. 106 ff. (insbes. S. 110). 414 So näher Kienast, S. 168 f. für den österreichischen Gesetzgeber; Schenk, S. 209. 415 Näher dazu schon unter B. III. 1. e) cc). 416 Die unmittelbare Kausalität liegt dann nicht vor, wenn der Schaden auch bei gemeinschaftsrechtskonformen Verhalten des Mitgliedsstaates eingetreten wäre. Bei Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung (also ohne den Gemeinschaftsrechtsverstoß) hätte aber durch diese Möglichkeit der Durchsetzung eines rechtmäßigen Verfahrens nur der Bieter, der bei einem solchen Verfahren auch den Zuschlag erhalten hätte (Bestbieter), einen durch Nichterteilung des Auftrages eintretenden Schaden abwenden können. Nur dieser Bieter kann also seinen Schaden geltend machen, näher: Martin-Ehlers, EuZW 2000, 101, 104 f.; Kienast, S. 170 f.; Griller, ecolex 2000, 4, 9. 417 Pachnou, Public Procurement Law Review 2000, 251, 259 f. und unter B. I. 4. b) aa).

B. Rechtsschutz vor der Einführung von § 13 VgV

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insoweit den gleichen Nachweis voraus, wie die nationalrechtlichen Schadensersatzansprüche. Er schafft somit für die Bieter keine Erleichterung. Der Kreis der potentiell Anspruchsberechtigten wird durch ihn nicht vergrößert.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

C. Die Effektivität des Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung nach der Einführung der Vorabinformationspflicht durch § 13 VgV Nachfolgend wird zunächst gezeigt, dass mit der Einführung von § 13 VgV die Sicherstellung von effektivem Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung im Grundsatz möglich ist, I. 1. Jedoch bleibt fraglich, ob es durch § 13 VgV vollständig gelungen ist, das beschriebene Rechtsschutzdefizit hinsichtlich der Überprüfung der Zuschlagsentscheidung wirklich lückenlos zu beseitigen, II.

I. Grundsatz: Mit § 13 VgV ist die Sicherstellung von effektivem Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung möglich 1. Der Regelungsmechanismus von § 13 VgV Um dem Erfordernis des effektiven Rechtsschutzes bis zur Zuschlagserteilung und damit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Alcatel Rechnung zu tragen1, wurde in § 13 der am 1.2.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung2 eine Pflicht des Auftraggebers zur Vorabinformation eingeführt.3 Damit ist Verordnungsgeber der Möglichkeit zur Sicherung der Überprüfung der Zuschlagsentscheidung gefolgt, die durch die Münzplättchen-II-Entscheidung konkretisiert worden ist.4 § 13 VgV hat seit dem 15.2.2003 nach seiner Neufassung durch die 2. Änderungsverordnung zur VgV5 folgenden Wortlaut: „Der Auftraggeber informiert die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll und über den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots. Er sendet diese Information in Textform spätestens 14 Kalendertage vor dem Vertragsschluss an die Bieter ab. Die Frist beginnt am Tag nach der Absendung der Information durch den Auftraggeber. Auf den Tag des Zugangs der Information beim Bieter kommt es nicht an. Ein Vertrag darf vor Ablauf der Frist oder ohne 1

Begründung zu § 13, BR-Drs. 455/00, S. 18 f. Genese und Überblick zur VgV im Teil 1 der Arbeit unter A. VI. 3. c) dd) (2). 3 Nach § 23 VgV gilt die Vorabinformationspflicht für Vergabeverfahren, die nach dem 1.2.2001 begonnen wurden. Näher zu den Übergangsfällen: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.9.2002, Verg 48/02, S. 6. 4 Eine Vorabinformationspflicht hatte zuvor etwa schon 1997 Obermayr, Anm. zu öst. VfGH v. 26.6.1997, ZVgR 1997, 226, 227 vorgeschlagen. 5 Zur ursprünglichen Fassung des § 13 VgV näher unten unter C. II. 2. 2

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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dass die Information erteilt worden ist, nicht geschlossen werden. Ein dennoch geschlossener Vertrag ist nichtig.“

§ 13 VgV enthält mehrere Regelungsbestandteile: Er begründet gem. § 97 Abs. VII GWB ein subjektives Recht der Bieter auf Vorabinformation und enthält die an ein gesetzliches Verbot geknüpfte Rechtsfolge der Nichtigkeit des unter Verstoß gegen die Informationspflicht geschlossenen Vertrages.6 Es wird auch von einem Dreischritt aus Vorabinformationspflicht7, Zuschlagsverbot und Nichtigkeitsfolge gesprochen.8 Durch § 13 VgV erfährt der Bieter noch vor der rechtsschutzausschließenden Zuschlagserteilung von der Zuschlagsentscheidung und ihrer Begründung, so dass er die Möglichkeit hat, ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten. § 13 VgV beseitigt also das oben dargestellte Informationsdefizit des Bieters in Bezug auf die Zuschlagsentscheidung und damit auch die mangelnde Abstimmung zwischen Vergabeverfahrens- und Vergaberechtsschutzbestimmungen. Dementsprechend ist es auch durch die Einführung von § 13 VgV zu einer verstärkten Inanspruchnahme des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens gekommen.9 Da der Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht zudem mit der Nichtigkeitsfolge abgesichert ist,10 wird effektiver Rechtsschutz selbst für den Fall sichergestellt, in dem der Auftraggeber die Vorabinformationspflicht einfach ignoriert.11 Die Wirkungsweise von § 13 S. 6 VgV soll an folgendem Beispiel veranschaulicht werden: Ein Bieter erfährt, dass der Zuschlag an einen anderen erteilt wurde, ohne dass er darüber vorher informiert wurde. Diese Zuschlagserteilung 6

Erdl, VergabeR 2001, 10, 12, die auf S. 23 die Festlegung der Nichtigkeitsfolge als die Krönung des Rechtsschutzes bezeichnet; Portz, VergabeR 2002, 211, 216. 7 Im Entwurf vom 14.12.1999 war § 13 dagegen nur als Soll-Vorschrift ausgestaltet, d.h. der Auftraggeber war nicht zur Vorabinformation verpflichtet, sondern diese stand in seinem Ermessen. 8 Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1. 9 Diese Ursache für den kontinuierlichen Anstieg der Vergabenachprüfungsverfahren sieht auch Hugenroth, ZfBR Sonderbeilage 5/2003, 3, 11. 10 Die ausdrückliche Anordnung der Nichtigkeitsfolge fehlte noch im Entwurf vom 14.12.1999. Vielmehr ging dieser davon aus, die Nichtigkeit ergebe sich automatisch aus § 134 BGB. Dagegen sah der Entwurf vom 8.6.2000 (abgedruckt in ZVgR 2000, Heft 3, S. III f.) in 13 I S. 2 ausdrücklich die Nichtigkeitsfolge vor. Dies hat auch Eingang in die verabschiedete VgV gefunden. 11 Da die Nichtigkeitsfolge die Durchsetzung des Vorabinformationsanspruchs, der zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eingeführt wurde, sichert, ergibt sich die Notwendigkeit der Nichtigkeitsfolge selbst auch zwingend aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (dazu schon unter B. III. 3. a) cc). Daher zu Unrecht a. A. Reidt, BauR 2000, 22, 26 f.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

hält er für nicht gerechtfertigt (z. B. weil der erfolgreiche Bieter nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe). Vor Erlass des § 13 VgV konnte der Bieter nach erfolgtem Zuschlag nicht mehr um Rechtsschutz nachsuchen. Seit der Einführung von § 13 VgV kann er aber einfach einen Nachprüfungsantrag, etwa auf Verpflichtung der Vergabestelle zur Neubewertung, stellen. Diesem Antrag steht dann wegen § 13 S. 6 VgV nicht entgegen, dass der Zuschlag schon erteilt wurde, denn dieser ist nichtig. Das Vergabeverfahren befindet sich immer noch in dem Stadium, in dem es sich ohne den nichtigen Zuschlag befunden hat. Die Vergabekammer kann also etwa die Neubewertung anordnen. Im Ergebnis kann also bei Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht die Sperrwirkung des § 114 II 1 GWB nicht eintreten und das Nachprüfungsverfahren ist zulässig. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass § 13 S. 6 VgV – basierend auf dem Vertragsabschlussverbot des § 13 S. 5 VgV12 – nach seinem Wortlaut nur die Nichtigkeit des Vertrages vorsieht, § 114 II GWB aber für den Rechtsschutzausschluss auf die Wirksamkeit des davon zu unterscheidenden13 Zuschlages abstellt.14 Zum einen ist § 114 II GWB so zu verstehen, dass er bei einem Auseinanderfallen der Wirksamkeit von Zuschlag und Vertragsschluss den Rechtsschutz nur bei Wirksamkeit des Vertrages ausschließt.15 Zum anderen verbietet § 13 S. 5 VgV (auch) die Zuschlagserteilung.16 Wird sie dennoch vorgenommen, ist sie 12

Vgl. aber Fn. 16. Dazu Teil 2, A. I. 1. a). 14 Nach dem Wortlaut des § 13 VgV könnte also die Wirksamkeit der Zuschlagserteilung von der Nichtigkeit des Vertrages unberührt bleiben. Da aber für den Ausschluss des Rechtsschutzes gem. § 114 II GWB nur auf den erteilten „Zuschlag“, nicht aber auf die Wirksamkeit des Vertrages abgestellt wird, würde dies zur Folge haben, dass dieser Rechtsschutzausschluss des § 114 II GWB wegen der Wirksamkeit des Zuschlags nach wie vor eingreift. 15 Vgl. Teil 2, A. I. 3. und Teil 2, A. I. 2. c) bb). De lege ferenda sollte § 114 II GWB dementsprechend zur terminologischen Klarstellung und zur Abstimmung mit § 13 VgV so geändert werden, dass auch er ausdrücklich auf die Nichtaufhebbarkeit des Vertrages abstellt („Ein geschlossener Vertrag kann nicht aufgehoben werden.“) – so im Ergebnis auch Gröning, WRP 2000, 49, 55. 16 Obwohl § 13 S. 5 VgV anders als bei § 115 I GWB nicht die Zuschlagserteilung, sondern ausdrücklich den Vertragsabschluss verbietet, schafft er ein „Zuschlagsverbot“. Das Verbot des Vertragsschlusses betrifft die Zuschlagserteilung, denn diese bewirkt gerade den Vertragsschluss (durch ihren Zugang). Es kann nicht der Zugang des Zuschlags (Vertragsschluss) verboten werden, ohne dass auch die diesen Vertragsschluss bewirkende Erklärung verboten ist. Dies ergibt sich auch daraus, dass der Verordnungsgeber ausdrücklich am bestehenden System des Zusammenfallens von Zuschlag und Vertragsschluss festhalten wollte – Begründung zu § 13, BR-Drs. 455/00, S. 18 f. Er unterscheidet somit schon nicht zwischen Zuschlags- und Vertragsabschlussverbot. Vor diesem Hintergrund war schon früh kriti13

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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nichtig. Nach § 13 S. 6 VgV ist also der „Vertrag“ nichtig, weil der den Vertrag bewirkende Zuschlag nichtig ist.17 Inzwischen musste die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens von der Entscheidungspraxis – wie im Beispielsfall – schon vielfach über die Nichtigkeitsfolge des § 13 S.6 VgV18 abgesichert werden.19 Die Nichtigkeit wird dabei inzident im Nachprüfungsverfahren festgestellt. Zwar handelt es sich bei der Frage nach der Nichtigkeit des Vertrages um eine bürgerlich-rechtliche Frage, die nach § 13 GVG von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden ist. Nach § 104 II S. 1 GWB sind die Vergabenachprüfungsinstanzen aber auch für die Beurteilung zivilrechtlicher Fragen zuständig, wenn sie untrennbar mit einem Vergaberechtsverstoß zusammenhängen. Dies ist bei der Beurteilung der Nichtigkeit des Vertrages der Fall.20 Durch die Nichtigkeit wird der Zuschlag, nicht aber das gesamte Vergabeverfahren aufgehoben. Es wird mit den vorhandenen Bietern fortgesetzt.21 Nach Beseitigung des Vergabefehlers (im Fallbeispiel: Neubewertung) kann dann der Auftragsvertrag erneut geschlossen werden.22 Vor Abschluss des neuen Vertrages sind alle Bieter wiederum nach § 13 VgV zu siert worden, dass § 13 VgV für die Bestimmung des Informationszeitpunktes auf den Begriff „Vertragsschluss“ abstellt. Dies weiche vom im Vergaberecht üblichen Begriff „Zuschlag“ ab, was zu Rechtsunsicherheiten führen könne – Behördenspiegel 10/2000, B I. 17 In der Entscheidungspraxis und der Literatur wird beim Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht oft ausdrücklich von einer Nichtigkeit des „Zuschlages“ gesprochen, ohne dass eine Nichtigkeit des „Vertrages“ erwähnt wird – so etwa OLG Hamburg, Beschl. v. 25.2.2002 – 1 Verg 1/01, NZBau 2002, 519; Horn, LKV 2001, 241, 244; VK Bund, Beschl. v. 16.7.2002 – VK 2 – 50/02, S. 10. 18 Auf die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Geltung von § 13 S. 6 VgV, die auf der Überschreitung der Verordnungsermächtigung in § 97 VI GWB basieren, aber von der Entscheidungspraxis nicht geteilt werden, wird später zurückzukommen sein (C. II. 4. a). 19 Zu den ersten Entscheidungen dieser Art gehörten: VK Hessen, Beschl. v. Mai 2001 – 69 d VK 17/2001, IBR 2001, 557 (Weyand) – vgl. dazu Monatsinfo forum vergabe e. V. 7–8/2001, 92; VK Sachsen, 1/SVK/34-01; VK Sachsen, Beschl. v. 2.8.2001 – 1/SVK/70-01, IBR 2001, 627 (Wittchen); VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.2.2002 – 1 VK 52/01, S. 6; VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02; VK Münster, Beschl. v. 21.12.2001 – VK 22/01; VK Bund, Beschl. v. 16.7.2002 – VK 2 – 50/02, S. 10 ff. 20 Näher KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235, 237 m. Anm. Erdl; für die Zuständigkeit der Nachprüfungsinstanzen im Ergebnis auch OLG Dresden, Beschl. v. 9.11.2001 – Wverg 0009/01, VergabeR 2002, 138, 139 f. m. Anm. Rojahn = IBR 2002, 207 (Gottschalck). 21 Vgl. Erdl, Anm. zu KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 241, 243 f.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

unterrichten, da das Vergabeverfahren noch bis zum Zuschlag andauert. Grundsätzlich ist es auch möglich, dass die Nachprüfungsinstanz ein Zwangsgeld für den Fall androht, dass der Zuschlag im Folgenden Vergabeverfahren ohne vorherige Vorabinformation erfolgt.23 Es müssen aber Anhaltspunkte dafür gegeben sein, dass die Vergabestelle in dem fortgesetzten/neuen Verfahren die Pflicht aus § 13 VgV missachtet.24 Festzuhalten bleibt, dass § 13 VgV dem Bieter zwar die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens ermöglicht, aber damit nicht automatisch der „klagende“ Konkurrent begünstigt wird. Denn selbst wenn ein Bieter die Möglichkeit der Überprüfung der Zuschlagsentscheidung in Anspruch nimmt und mit seinem Nachprüfungsantrag erfolgreich ist, so führt dies nicht zwangsläufig dazu, dass er im Ergebnis auch den Zuschlag erhält, weil sich auch nach Neubewertung ergeben kann, dass er nicht der Bestbieter war. Nach rechtmäßiger Durchführung des Vergabeverfahrens kann sogar der ursprüngliche Vertragspartner wieder bezuschlagt werden. Im Ergebnis erstreitet sich der erfolgreiche Antragssteller lediglich eine neue Chance, mit seinem Angebot berücksichtigt zu werden.25 Dies ist nicht kritikwürdig. Das Vergaberechtssystem macht eben nicht nur den Bestbieter zum Hüter der Vergaberechtskonformität der öffentlichen Auftragsvergaben, sondern jeden Bieter (der zumindest eine Chance auf Zuschlagserteilung hatte26). Insgesamt kann § 13 VgV somit als eine Ergänzung des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB angesehen werden,27 dessen Sinn in der zeitlichen Vorverlagerung der Schutzwirkung des Zuschlagsverbotes gem. § 115 I GWB liegt.28 Er sichert den Bietern die Möglichkeit, den dortigen Suspensiveffekt, nach dessen Eingreifen sie hinreichend geschützt sind, herbei22 Für eine Aufhebung der Ausschreibung nach dem Nachprüfungsverfahren sehen die Verdingungsordnungen keine Rechtsgrundlage vor – Kullack, BBauBl 2001, 54 (Heft 8), die die Aufhebung hier daher für unzulässig hält. 23 Eine solche Androhung hatte die Vergabekammer im Fall des OLG Dresden, Beschl. v. 16.10.2001 – Wverg 0007/01, ZfBR 2002, 298, 301 = VergabeR 2002, 142 m. Anm. Otting = IBR 2002, 90 (Schulze-Hagen) ausgesprochen. 24 OLG Dresden, Beschl. v. 16.10.2001 a. a. O., ZfBR 2002, 298, 301. 25 So auch Stickler, SächsVBl. 2002, 263, 265: Zu Recht führt er aus, dass der anwaltliche Berater des Unternehmens auf die insoweit beschränkte Wirkung eines erfolgreichen Nachprüfungsverfahrens hinweisen muss, um nicht falsche Erwartungen zu wecken. 26 Dazu die Ausführungen zur Antragsbefugnis beim Überblick über das Nachprüfungsverfahren, Teil 1, B. III. 1. a). 27 Kratzenberg, NZBau 2001, 119, 120. 28 OLG Dresden, Beschl. v. 9.11.2001 – Wverg 0009/01, VergabeR 2002, 138, 139 f. m. Anm. Rojahn = IBR 2002, 207 (Gottschalck); dem folgend VK BadenWürttemberg, Beschl. v. 21.2.2002 – 1 VK 52/01, S. 6.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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zuführen. Folge des § 13 VgV ist also die zusätzliche Absicherung der Zugangsmöglichkeit zu einem zulässigen Nachprüfungsverfahren.29 Zwischenergebnis für den effektiven Rechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung: Im Grundsatz ist mit § 13 VgV ein Instrumentarium geschaffen worden, mit dem effektiver Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung sichergestellt werden kann. Dies bestätigt inzwischen die Entscheidungspraxis, die basierend auf der Vorabinformation zunehmend auch Mängel der Zuschlagsentscheidung zum Gegenstand hat. Ferner konnte die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens schon vielfach über die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 4 VgV abgesichert werden. Dass die Einführung einer Vorabinformationspflicht den Vorgaben des Europarechts in Bezug auf die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung genügen kann, hat inzwischen auch der EuGH in einer Entscheidung vom 24.6.2004 bestätigt.30 § 13 VgV stellt damit als Schlüsselnorm zur Absicherung des Bieterrechtsschutzes die praktisch bedeutendste Neuregelung der Vergabeverordnung dar. Diese herausragende Bedeutung von § 13 VgV wurde auch von der Fachöffentlichkeit erkannt.31 Die enorme praktische Bedeutung von § 13 VgV ergibt sich indes nicht nur aus der Sicherstellung von effektivem Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung, sondern auch aus seinen weit reichenden neuen Handlungspflichten für den Auftraggeber. Anders als 29

OLG Dresden, a. a. O. EuGH, Urt. v. 24.6.2004, C-212/02, VergabeR 2004, 587 m. Anm. Opitz = ZfBR 2004, 704 = WuW 2004, 859 (Verg 955) = IBR 2004, 446 (Wirner) = Public Procurement Law Review 2004, NA 165. Auch der Generalanwalt geht in seinen Schlussanträgen zur Alcatel-Entscheidung davon aus, dass den Anforderungen der Nachprüfungsrichtlinie genügt wird, wenn die Zuschlagsentscheidung vor Vertragsabschluss veröffentlicht wird und diese dann überprüft und korrigiert werden kann, Slg 1999, I-7673, Rn. 96 f. und 99. Deshalb ist auch die von Koenig/Haratsch, NJW 2003, 2637, 2641 ohne nähere Begründung vertretene Auffassung, § 13 VgV eröffne nicht die vom EuGH geforderte Möglichkeit der Anfechtung der Zuschlagsentscheidung, nicht nachvollziehbar. 31 Höfler, NJW 2001, 950: „Die äußerst wichtige Vorschrift“; § 13 sei „sowohl rechtlich als auch in der Praxis die bedeutsamste Vorschrift der Vergabeverordnung“ Ingenstau/Korbion – Portz, § 13 VgV Rn. 1 und ders., VergabeR 2002, 211. „Eine der dogmatisch interessantesten und zugleich praktisch bedeutendsten Neuregelungen findet sich in § 13 VgV.“ – Wegmann, NZBau 2001, 475. Es bedürfe „keiner Erläuterung, dass der Vorabinformation nach § 13 VgV“ . . . „eine Schlüsselposition bei europaweiten Auftragsvergaben“ zukomme. Die Auftraggeber sollten die Verpflichtungen aus § 13 VgV „peinlich genau beachten“, um die Wirksamkeit des Vertrages sicherzustellen. – Horn, LKV 2001, 241, 244; Jasper, in: Tagungsband – Zweiter Düsseldorfer Vergaberechtstag am 28. Juni 2001, S. 11, 16: „§ 13 VgV ist ein Kernstück der neuen VgV und stellt eine wesentliche Neuerung dar.“ Demgemäß ist zu § 13 VgV inzwischen eine Flut von Aufsätzen erschienen. 30

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

eine reine Rechtsschutzvorschrift kommt er nicht nur in Fällen der Vergabenachprüfung zur Anwendung, sondern enthält bedeutende Handlungspflichten des Auftraggebers in jedem Vergabeverfahren. Bei einem Verstoß gegen diese Handlungspflichten droht dem Auftraggeber mit der Nichtigkeit des abgeschlossenen Auftragsvertrages auch eine sehr weit reichende Sanktion. Ein Beispiel dafür, wie stark eine erteilte Vorabinformation in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden kann, ist die Vorabinformation im Vergabeverfahren für das LKW-Mautsystem32 auf deutschen Autobahnen.33 Hier wurde der unterlegenen Bietergruppe AGES die Entscheidung über ihre Nichtberücksichtigung im Juni 2002 mitgeteilt.34 Aufgrund dieser Vorabinformation beantragte AGES dann (erneut)35 ein Nachprüfungsverfahren.36 Das Bundesverkehrsministerium stellte einen Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags.37 Die VK Bund hat darauf hin am 4.9.2002 eine Entscheidung zu Lasten des Antragsstellers getroffen.38 Seine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf zog das AGES-Konsortium zurück. Zuvor hatte es sich mit dem erfolgreichen Konsortium „ETC (Electronic Toll Collect)“ über eine Zusammenarbeit geeinigt.39 2. Ausblick auf die geplante Regelung der Vorabinformationspflicht nach dem Verschlankungskonzept der Bundesregierung (Referentenentwurf vom 8.2.2005) Im Zuge der geplanten Verschlankung des Vergaberechts, die bis zum 31.1.2006 in Kraft treten soll und bereits im Teil 1, unter A. VII. darge32 Näher zu dieser Großvergabe und ihrem enormen Auftragsvolumen, Teil 1, A. II. und B. V. 33 Vgl. etwa: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,202821,00.html. Zum Teil wurde sogar in den Medien auch korrekt darauf hingewiesen, dass die endgültige Zuschlagsentscheidung an die erfolgreiche Unternehmensgruppe erst nach 14 Tagen ergehen kann, soweit die AGES nicht um Rechtsschutz nachsuche. 34 Eine Information erging auch an die erfolgreiche Unternehmensgruppe bestehend aus der Deutschen Telekom; DaimlerChrysler AG und dem französischen Autobahnbetreiber Cofiroute. 35 Ages hatte sich zuvor schon erfolgreich gegen seinen Ausschluss von der Vergabe gewehrt, Teil 1, B. V. 36 Näher zur Begründung Handelsblatt Nr. 130 vom 10.07.02, Seite 4 und Wirtschaftswoche Nr. 30 v. 18.07.2002 S. 34. 37 Vgl. die Kurzinformation in WuW 2002, 827; Handelsblatt Nr. 136 vom 18.07.02, Seite 4; Handelsblatt Nr. 123 vom 01.07.02, Seite 16. 38 VK Bund, Beschl. v. 4.9.2002 – VK 2 – 58/02 (Abrufbar unter www.bundes kartellamt.de/vergaberecht2002.htm). 39 Näher NZBau 2002, Heft 10 S. X und FAZ, Nr. 220 v. 21.9.2002, S. 11.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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stellt worden ist, soll die Regelung des § 13 VgV nach dem Referentenentwurf vom 8.2.2005 in weiten Teilen unverändert in § 101a und § 101 b GWB-E überführt werden. Der dargestellte Regelungsmechanismus des § 13 VgV wird auch nach der geplanten Neuregelung erhalten bleiben: § 101 a GWB-E, der im Wesentlichen identisch mit § 13 S. 1–5 VgV ist, enthält die eigentliche Verpflichtung zur Vorabinformation. Weiterhin ist hier das Verbot geregelt, innerhalb der Wartefrist, die 14 Tage – in Eilfällen 7 Tage – beträgt, den Vertrag abzuschließen. Die bisher in § 13 S. 6 VgV enthaltene Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht ist nunmehr selbstständig in § 101 b GWB-E geregelt. Hier ist auch vorgesehen, dass der Vertrag bei einer defacto-Vergabe schwebend unwirksam sein soll. Die schwebende Unwirksamkeit kann aber nur für eine bestimmte Zeit geltend gemacht werden. Wortlaut der Vorabinformationspflicht nach dem Referentenentwurf vom 8.2.2005:40 § 101a Informationspflicht (1) Der Auftraggeber informiert die Unternehmen, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll und über den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots. Die Information kann auch die Platzierung ihres Angebotes bei der Vergabeentscheidung enthalten. Der Auftraggeber sendet diese Information in Textform spätestens 14 Kalendertage vor dem Vertragsabschluß an die Unternehmen ab. Diese Frist beginnt am Tag nach der Absendung der Information durch den Auftraggeber. Auf den Tag des Zugangs der Information beim Unternehmen kommt es nicht an. Ein Vertrag darf erst geschlossen werden, wenn die Information erteilt worden und die Frist abgelaufen ist. (2) In den Fällen, in denen der öffentliche Auftraggeber aus Gründen der Dringlichkeit gemäß der Rechtsverordnung nach § 97 Abs. 6 die vorgesehenen Mindestfristen verkürzen darf, kann die Frist auf sieben Kalendertage verkürzt werden. In Fällen, in denen das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung wegen zwingender Dringlichkeit zulässig ist, entfällt die Pflicht zur Information. § 101b Unwirksamkeit (1) Ein Vertrag ist schwebend unwirksam, wenn der Auftraggeber gegen § 101a verstoßen hat oder einen öffentlichen Auftrag unmittelbar an ein Unternehmen erteilt, ohne andere Unternehmen in dem Vergabeverfahren zu beteiligen und ohne dass dies aufgrund dieses Gesetzes gestattet ist. 40 Auch die Arbeitsgruppe zur Verschlankung des Vergaberechts hatte Textvorschläge zur Ausgestaltung der Vorabinformationspflicht gemacht.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

(2) Die Unwirksamkeit nach Absatz 1 kann nur im Wege einer Nachprüfung innerhalb von 30 Kalendertagen ab Kenntnis des Verstoßes, nicht jedoch später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht werden. Hat der Auftraggeber die Auftragsvergabe europaweit bekannt gemacht, endet die Frist zur Feststellung der Unwirksamkeit 30 Kalendertage nach Veröffentlichung der europaweiten Bekanntmachung der Auftragsvergabe. (3) Ist die Unwirksamkeit des Vertrages nicht in einer Nachprüfung festgestellt und die Frist zu ihrer Geltendmachung in einem Nachprüfungsverfahren abgelaufen, ist der Vertrag von Anfang an wirksam.

Wie gezeigt, wird damit der Regelungsmechanismus des § 13 VgV auch nach der geplanten Überführung der Vorabinformation in das GWB erhalten bleiben. Soweit sich bei In-Kraft-Treten des Gesetzgebungsvorschlags nach dem Referentenentwurf vom 8.2.2005 Änderungen gegenüber der geltenden Rechtslage nach § 13 VgV ergeben würden, wird darauf an den entsprechenden Stellen eingegangen.

II. Der Regelungsgehalt von § 13 VgV im Einzelnen Unter I. 1. wurde soeben ausführlich dargestellt, dass mit § 13 VgV ein Instrumentarium geschaffen worden, das im Grundsatz geeignet ist, effektiven Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung sicherzustellen. Es ist aber zu untersuchen, ob durch § 13 VgV das beschriebene Rechtschutzdefizit im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung wirklich lückenlos, d.h. in jedem Fall beseitigt wurde und insoweit ein gemeinschaftskonformer Zustand hergestellt worden ist. Um dies beurteilen zu können, ist im Einzelnen auf den Regelungsgehalt des § 13 einzugehen. Dabei ist insbesondere zu klären, ob der Anwendungsbereich des § 13 VgV für die Zielsetzung der Sicherung des effektiven Rechtsschutzes gegen jede Zuschlagsentscheidung nicht zu eng ist. Weiter ist zu untersuchen, ob der Umfang der Informationsverpflichtung und die Länge der Wartefrist für eine Europarechtskonformität der deutschen Rechtslage genügt. Weiterer Schwerpunkt der Untersuchung wird sein, ob über § 13 VgV auch Rechtsschutz in den Fällen der de-facto-Vergaben abgesichert werden kann. Insoweit wirft die Neuregelung des § 13 VgV zahlreiche neue Fragen auf41, um die sich äußerst lebhaft geführte Diskussionen entwickelt haben. 41 So auch Otting, NVwZ 2001, 775, 777; Dörr, JZ 2004, 703, 711. Nach Glahs, in: Reidt, § 13 VgV Rn. 4 „stellt sich [auch nach der Einführung von § 13 VgV] noch immer die Frage, ob die Regelung den EG-rechtlichen Vorgaben genügt. Kus, Anm. zu OLG Jena, Beschl. v. 9.9.2002, VergabeR 2002, 634, spricht von einem „Strauß einer ganzen Reihe von Problemen, die die Vorabinformationsvorschrift des § 13 VgV in der aktuellen Vergaberechtsdiskussion ausgelöst hat“. vgl. auch Monatsinfo 7–8/2001, 89.

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Obwohl zur Klärung des Inhalts von § 13 VgV schon eine Vielzahl von Entscheidungen ergangen sind42, bleiben auch knapp 4 Jahre nach seiner Einführung noch (oder auch gerade deswegen) zahlreiche Fragen offen. Die Auslegung und Anwendung des § 13 VgV birgt nach wie vor vielfältigen Zündstoff und wird die Nachprüfungsinstanzen weiterhin beschäftigen.43 So vertritt etwa Byok die Auffassung, dass mit der Einführung von § 13 das Vergaberecht „zu einer extrem unsicheren Sache geworden“ sei.44 Für Wolfgang Jaeger, Vorsitzender Richter am Vergabesenat des OLG Düsseldorf a.D., sind einzelne Teile dieser Vorschrift, etwa die Fristenregelung, an „Tücke nicht zu überbieten.“45 1. Der Anwendungsbereich von § 13 VgV a) Informationspflicht nur oberhalb der Schwellenwerte und gegenüber öffentlichen Auftraggebern nach § 98 GWB § 13 VgV ist nur anwendbar, wenn auch das Kartellvergaberecht insgesamt anwendbar ist. Es muss sich also um eine Auftragsvergabe oberhalb der Schwellenwerte handeln und es darf keine Ausnahme von der Anwendungsverpflichtung des Kartellvergaberechts bestehen (vgl. § 100 I und II GWB). Daher ist § 13 VgV bspw. bei Dienstleistungskonzessionen nicht anwendbar.46 Auch wenn ausnahmsweise keine Verpflichtung zur Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens besteht bzw. keine Vergabebekanntmachung erfolgen muss, erübrigt sich eine Vorabinformation nach 42 Nach Wagner, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 3.7.2002 (a. a. O.), VergabeR 2002, 643 musste zu § 13 VgV schon eine „mittlerweile unüberschaubare Anzahl von Entscheidungen“ ergehen. 43 Richter am BayObLG Rojahn, NZBau 2004, 382 f.; Weyand, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 22.4.2002 – Verg 8/02, IBR 2002, 374; Dörr, JZ 2004, 703, 711. 44 So Byok auf einer Veranstaltung der Regionalgruppe NRW des forum vergabe e. V. am 10.5.2001 in Düsseldorf, zit. nach Drey, Behördenspiegel 6/2001, B. I. 45 So Jaeger auf einer Veranstaltung der Regionalgruppe NRW des forum vergabe e. V. am 10.5.2001 in Düsseldorf, zit. nach Drey, Behördenspiegel 6/2001, B. I; Mussaeus, IBR 2003, 682: „Die Vorschrift des § 13 VgV hat in der Praxis zu starker Rechtsunsicherheit geführt.“ Kus, Anm. zu OLG Jena, Beschl. v. 9.9.2002, VergabeR 2002, 634, spricht von einem „Strauß einer ganzen Reihe von Problemen, die die Vorabinformationsvorschrift des § 13 VgV in der aktuellen Vergaberechtsdiskussion ausgelöst hat“. Aber auch die VgV insgesamt enthält erheblichen „Sprengstoff“. – Bartl, S. V f. 46 BayObLG, Beschl. v. 11.12.2001 – Verg 15/01, WuW 2002, 656, 660 (Verg 594, 598). Die Privilegierung der Bergbauunternehmen in § 11 der VgV schließt die Anwendung des § 13 VgV, also deren Verpflichtung zur Vorabinformation, aber nicht aus – VK NRW (BR Arnsberg), Beschl. v. 11.04.2002 – VK 2-06/2002, S. 4 f.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

§ 13 VgV.47 Die nach § 13 VgV zur Vorabinformation verpflichteten „Auftraggeber“ sind folglich auch nur solche Vergabestellen, die unter § 98 GWB fallen. b) Welche Bieter sind zu informieren? – Adressat der Vorabinformation Nach § 13 S. 1 VgV sind „die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen“ zu informieren. Unzweifelhaft sind danach alle Bieter zu informieren, die erst bei der abschließenden Wertung nicht für die Auftragsvergabe ausgewählt worden sind. Bei anderen Bietern ist die Informationsverpflichtung aber problematisch: aa) Information auch an erfolgreichen Bieter? § 13 schreibt nur die Information der Bieter vor, „deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen“. Eine Vorabinformation vor Zuschlagserteilung an den erfolgreichen Bieter ist also nicht vorgesehen. Auch aus den sonstigen Informationspflichten des Auftraggebers nach den Verdingungsordnungen ergibt sich eine solche Informationsverpflichtung nicht. Es besteht also kein Anspruch dieses Bieters auf eine Vorabinformation. Dieser ist aber auch rechtlich, insbesondere europarechtlich, nicht zwingend gefordert, da bei dem erfolgreichen Bieter gerade keine Notwendigkeit von Rechtsschutz besteht. In der Begründung zu § 13 wird das Fehlen einer Informationspflicht für den erfolgreichen Bieter auch damit begründet, dass eine solche Informationspflicht nicht nötig sei, da diese Information schon im ureigensten Interesse des Auftraggebers liege,48 und daher ohnehin erfolge. Tatsächlich ist der Praxis zu empfehlen, auch den erfolgreichen Bieter von der bevorstehenden Zuschlagserteilung zu informieren. So werden bei ihm Unsicherheiten über das Ausbleiben einer Information nach § 13 VgV mit der er 14 Tage vor Ablauf der Zuschlagsfrist rechnen muss, vermieden.49 Er ist also nicht genötigt, wegen einer vermeintlichen Verletzung der Vorabinformationspflicht, ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten. Dementsprechend erfolgt dann auch in der Praxis eine Vorabinformation des erfolgreichen Bieters. Genau wie für die Vorabinformation der nichtberücksichtigten Bieter behilft sich die Praxis auch hier mit Formblättern. So schreibt auch die Richtlinie zum „Vergabehandbuch für die Durchführung 47 VK Bund, Beschl. v. 11.4.2003 – VK 2-10/03, Monatsinfo forum vergabe e. V. 7–8/03, S. 126. 48 Begründung zu § 13 (BR-Drs. 455/00, S. 18 f.). 49 Vgl. auch Erdl, VergabeR 2001, 10, 12 f.; Portz, VergabeR 2002, 211, 213.

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von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen (VHB 2002)“50 eine Information des erfolgreichen Bieters vor: Ziff. 2: „Der Bieter, der den Zuschlag erhalten soll, ist über den Stand des Vergabeverfahrens gleichzeitig“ mit den nichtberücksichtigten Bietern zu informieren.51 (1) Die Pflicht zur Information der erfolgreichen Bieter de lege ferenda De lege ferenda sollte die Pflicht zur Information des erfolgreichen Bieters über die an ihn bevorstehende Zuschlagsentscheidung in § 13 VgV ausdrücklich festgeschrieben werden. Dafür spricht der soeben angeführte Grund, der schon de lege lata für eine Vorabinformation des erfolgreichen Bieters herangezogen worden ist: Es werden unnötige Nachprüfungsverfahren vermieden. Außerdem kann beim erfolgreichen Bieter, der nicht erfährt, ob die nichtberücksichtigten Bieter informiert worden sind, sich aber darauf verlässt, Vertrauen auf das wirksame Zustandekommen des Auftragsvertrages entstehen. Besteht aber eine Verpflichtung der Vergabestelle, den erfolgreichen Bieter über die bevorstehende Zuschlagserteilung an ihn und darüber, dass die anderen Bieter gleichzeitig von ihrer Nichtberücksichtigung in Kenntnis gesetzt wurden, zu informieren, wäre dies nicht möglich. Denn wenn er trotz dieser Verpflichtung eine solche Information nicht erhält, kann er auch 50 Die Richtlinie des VHB zu § 27 a VOB/A regelt, wie bei Baumaßnahmen oberhalb der Schwellenwerte der Informationspflicht des § 13 zu genügen ist. Das VHB, das nunmehr auf der Basis des VHB 2002 mit elektronischen Austauschlieferungen fortgeschrieben wird (Monatsinfo forum vergabe e. V., 11/2004, S. 174), und die darin enthaltenen Richtlinien werden als interne Dienstanweisungen (Verwaltungsvorschrift) verbindlich gemacht. So z. B. vom BMVBW für den Bundeshochbau, vgl. Monatsinfo forum vergabe e. V. 10/2002, S. 134 f.; Ingenstau/KorbionVygen, Einl. Rn. 105 ff. und Monatsinfo forum vergabe, 2/2003, 22 (für die Einführung des VHB 2002). Es hat das Ziel, alle einschlägigen Weisungen, Richtlinien, Verdingungsmuster und Formblätter zusammenzustellen. Die Bestimmungen des VHB sind nicht nur verbindliche Arbeitsgrundlage für die Baumaßnahmen des Bundeshochbaus, sondern werden weitgehend auch von den Ländern und Gemeinden genutzt – vgl. VHB 2002, S. 1 (Einführung); Wegmann, NZBau 2001, 475, 477; Erdl, VergabeR 2001, 10, 13. Auf Landesebene bestehen teilweise aber auch eigene VHB (vgl. die Übersicht im Monatsinfo forum vergabe e. V. 7–8/2004, Anlage 1 – hier auch zu den weiteren Vergabehandbüchern des Bundes neben dem VHB 2002). 51 Dazu wird die Anwendung eines Formblattes vorgeschrieben (EFB (B) Info EG 307). Es ist abgedruckt in NZBau 2001, 128 und bei Hartmann, VOF, Teil 6/3 S. 31. Danach wird der erfolgreiche Bieter darauf hingewiesen, dass der Zuschlag erst nach der 14-Tagesfrist erteilt werden darf. Ein Muster für die Vorabinformation an den erfolgreichen Bieter findet sich auch im Beck’schen Formularbuch für Vergaberecht, A. III. 10.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

nicht auf die Information der nichtberücksichtigten Bieter und damit auf die Wirksamkeit des Vertragsschlusses vertrauen. Daher sollte auch für Bieter, die in vollem Umfang mit ihrem Angebot erfolgreich sind, in § 13 VgV eine Informationspflicht auch ausdrücklich eingeführt werden. Bieter, die mit ihrem Angebot nur teilweise erfolgreich sind, erhalten die Information über ihren Teil-Erfolg schon mit der notwendigen Information über ihre teilweise vorliegende Nichtberücksichtigung [s. sogleich unter bb)]. § 13 VgV wäre danach so auszugestalten, dass er 14 Tage vor dem Vertragsschluss die Information der (aller) Bieter über die Zuschlagsentscheidung vorschreibt. Den nichtberücksichtigten Bietern ist auch der Grund für ihre Nichtberücksichtigung mitzuteilen. Insoweit kann hier die Rechtslage in Österreich zum Vorbild genommen werden: (2) Die Rechtslage in Österreich als Vergleichsmaßstab, Argumentations- und Entscheidungshilfe Auch in Österreich, wo ebenso zunächst nur Nachinformationspflichten für die Zuschlagsentscheidung bestanden, wurden zur Überwindung des gleich gelagerten Rechtsschutzdefizits gesetzliche Vorabinformationspflichten über die Zuschlagsentscheidung vor Zuschlagserteilung52 eingeführt. Nach diesen Informationspflichten werden ausdrücklich alle Bieter, also auch der erfolgreiche Bieter, über die getroffene Zuschlagserteilung informiert. Nur die nicht erfolgreichen Bieter können dann allerdings die Mitteilung der Gründe für die Zuschlagsentscheidung verlangen.53 Da auch an anderen Stellen der Arbeit die österreichischen Vorabinformationsregelungen als Vergleichsmaßstab, Argumentations- und Entscheidungshilfe herangezogen werden54, was nicht zuletzt deshalb sinnvoll ist, weil die dortigen Regelungen teilweise anderthalb Jahre älter als die deut52 Die Zuschlagsentscheidung und die Zuschlagserteilung werden in den Vergabegesetzen meist in einem eigenen Definitionsteil genau definiert. Die Tatsache, dass hier Legaldefinitionen für beide Akte enthalten sind, verdeutlichen, dass die Vergabegesetze zwischen der bekämpfbaren „Zuschlagsentscheidung“ und der mit dem Vertragsschluss gleichzusetzenden „Zuschlagserteilung“ unterscheiden. 53 § 47 a WLVergG; § 31 IV OÖ LVergG; § 100 BVergG 2002 und § 53 a BVergG 2000 (damit auch in den Ländern, die auf das BVergG verweisen). Anders ist dies in Vorarlberg, wo nach dem Wortlaut nur die Information der nichtberücksichtigten Bieter erfolgt (§ 8 a Vorarlberger VergG). 54 Während die Entwicklung des deutschen Vergaberechts in Österreich sehr aufmerksam verfolgt wird, wurde umgekehrt die österreichische Rechtslage als Quelle für Anregungen für das deutsche Vergaberecht bisher oft nur stiefmütterlich behandelt (anders aber inzwischen etwa Freise, NZBau 2004, 83).

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sche Vorabinformationsregelung sind und sich deswegen die Gelegenheit bietet, auf die dort gemachten Erfahrungen zurückzugreifen, soll an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die österreichischen Vorabinformationspflichten gegeben werden. (3) Überblick über die österreichischen Vorabinformationspflichten (a) Die Vorabinformationspflicht in Wien Die erste gesetzliche Verpflichtung der Vergabestellen zur Vorabinformation über die Zuschlagsentscheidung in Österreich führte der Wiener Landesgesetzgeber ein. Die Wiener Regelung ist deshalb besonders interessant, weil die Stadt Wien von allen österreichischen Bundesländern der bedeutendste Auftraggeber ist.55 Seit der ersten Novelle zum WLVergG 1999 (LGBl. 1999/30), die noch vor der Entscheidung des EuGH vom 28.10.1999 in Sachen Ökopunkte erging (!)56, sieht das Wiener Landesvergabegesetz in § 47 a57 eine Vorabinformationspflicht vor,58 die im Jahre 2000 durch Einführung einer Wartefrist zwischen Vorabinformation und Zuschlagserteilung erweitert wurde.59 55

Denk, S. 184. Der Gesetzgeber verwies zwar darauf, dass nach der Rspr. des VfGH die Frage des Zuschlagssystems offen sei (VfGH zu Ökopunkte, v. 26.6.1997). Aber die Novellierung erfolge nicht wegen dieser Entwicklungen in der Rechtsprechung. „Die . . . Einführung eines zweigliedrigen Zuschlagssystems erfolgt vielmehr über Anregung des Vergabekontrollsenats, der Stadtbaudirektion und der vergebenden Stellen. Sie soll es einem vermeintlich übergangenen Bestbieter ermöglichen, die Entscheidung des Vergabekontrollsenats über die Richtigkeit der Zuschlagsentscheidung herbeizuführen und den Auftrag (solange der Zuschlag nicht einem anderen Bieter erteilt wurde) eventuell doch noch zu erhalten. – Erläuterungen zur 1. Novelle zum WLVergG zu § 15 Abs 8, zitiert nach Haunold, § 15 Ziff. 2; vgl. auch Haunold, S. VIII (Vorwort). 57 Weitere Änderungen, die mit der Bekämpfbarkeit der Zuschlagsentscheidung in Zusammenhang stehen, betrafen bei dieser Novelle die §§ 15 VIII, 48 I; 97 I, 98 Z. 5, 99 I Z 1 und 101 Z 4. 58 Die vergebende Stelle muss den Bietern die Zuschlagsentscheidung vor Zuschlagserteilung nachweislich schriftlich mitteilen. Die nichtberücksichtigten Bieter haben dann eine Woche Zeit, Antrag auf Mitteilung der Gründe für die Zuschlagsentscheidung zu stellen. Erst auf diesen Antrag hin, muss die Vergabestelle also über die Gründe für die Nichtberücksichtigung informieren, gleichwohl kann der Auftraggeber dies auch freiwillig schon in der Information über die Nichtberücksichtigung tun. 59 Zweite Novelle zum WLVergG (LGBl 2000/50): Dadurch ist in § 48 IV eine „Stillhaltefrist“ von 4 Wochen zwischen Zustellung der Vorabinformation über die Zuschlagsentscheidung und der Zuschlagserteilung eingeführt worden. Näher dazu Haunold, § 47 a Ziff 3 f. 56

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

(b) Oberösterreich Nach Wien führte Oberösterreich mit der Oö VergabeG-Novelle 2000 (LGBl 2000/45) am 9.6.2000, eine Vorabinformationspflicht ein. Die inhaltliche Ausgestaltung ist ähnlich wie in Wien (§ 31 IV und § 59 I a Oö VergG).60 (c) Bundesebene Auf der Bundesebene wurde die Erteilung einer Vorabinformation vor der gesetzlichen Einführung der Vorabinformationspflicht zunächst durch Rundschreiben empfohlen. So hat das Bundeskanzleramt nach der AlcatelEntscheidung durch ein Rundschreiben61 vom 8.11.199962 darauf hingewiesen, dass öffentliche Auftraggeber auch ohne Gesetzesänderung verpflichtet sind, für die Angreifbarkeit der Zuschlagsentscheidung zu sorgen und daher eine Vorabinformation erfolgen solle.63 Dieses Schreiben hatte aber nur Empfehlungscharakter und keine Außenwirkung64, konnte selbst also den gemeinschaftskonformen Zustand nicht herstellen.65 Es war also eine gesetzliche Regelung erforderlich.66 Dem gemäß wurde im Jahr 2000 mit § 53 a BVergG eine Vorabinformationspflicht eingeführt, die am 1.1.2001 in Kraft trat (BGBl I 2000/125).Der § 53 a wurde aber am 1.9.2002 mit dem In-Kraft-Treten des BVergG 2002 durch dessen Vorabinformationspflicht in § 100 ersetzt.67 In den wesentlichen Punkten sind § 100 BVergG 60

Die Stillhaltefrist beträgt hier allerdings nur 2 Wochen. Es ging u. a. an alle Bundesministerien und alle Ämter der Landesregierungen, genauer Büchl, S. 132 ff. Weiter gab es etwa auch ein vergleichbares Rundschreiben des Amtes der Kärntner Landesregierung v. 24.11.1999, Zl. 2V-LG-25/23-1999, zit. nach Ragoßnig, in: Potacs, Beiträge zum Kärntner Vergaberecht, 2000, S. 138 Fn. 59. 62 GZ BKA VA C-81/98/10-V/A/8/99. 63 Zum Inhalt des Rundschreibens, Büchl, S. 132 ff. 64 Winkler, S. 55; Büchl, S. 134. Bieter können damit nicht die Einhaltung des Rundschreibens durchsetzen. 65 Winkler, S. 55; so inzwischen auch der EuGH, Urt. v. 24.6.2004, C-212/02, VergabeR 2004, 587 m. Anm. Opitz = ZfBR 2004, 704 = WuW 2004, 859 (Verg 955) = IBR 2004, 446 (Wirner) = Public Procurement Law Review 2004, NA 165 (Dischendorfer/Arrowsmith). Insoweit ist auch die Einschätzung von Büchl, S. 134 nicht überzeugend, das Rundschreiben könne den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zumindest „vorerst“ genügen, zumal der EuGH Österreich auch keine Übergangsfrist eingeräumt hat. 66 Näher Büchl, S. 135 f.; Ragoßnig, in: Potacs, Beiträge zum Kärntner Vergaberecht, 2000, S. 139. 67 Darüber hinaus muss der Auftraggeber nach § 163 III BVergG muss der Auftraggeber die Bieter, denen er eine Vorabinformation zugesandt hat, von der Einlei61

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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2002 und § 53 a BVergG 2000 allerdings ähnlich, so dass auf die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. § 53 a BVergG hat auch deswegen seine Bedeutung noch nicht verloren, da einige Landesvergabegesetze keine eigenständige Vorabinformationspflicht ausgestaltet haben, sondern nach wie vor auf diese Norm verweisen (z. B. Tirol und Niederösterreich). Inhaltlich ist die Vorabinformationspflicht in § 53 a BVergG 1999 und § 100 BVergG 2002 ähnlich ausgestaltet wie in Wien und Oberösterreich.68 (d) Sonstige Bundesländer Im Burgenland69 und der Steiermark wurden in § 96 bzw. in § 51 a70 dem § 53 a BVergG 2000 vergleichbare71 Vorabinformationspflichten eingeführt. Das Vorarlberger Landesvergabegesetz72 sieht in § 8 a eine Vorabinformationspflicht vor.73 Wie bereits erwähnt, wird in Tirol und Niederösterreich auf § 53 a BVergG 2000 verwiesen. Noch keine Anpassung an die Alcatel-Entscheidung erfolgte, soweit ersichtlich, in Kärnten. bb) Vorabinformation an den teilweise berücksichtigten Bieter? Wie bereits ausgeführt, schreibt § 13 VgV die Information der Bieter, „deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen“ vor. Dies könnte so verstanden werden, dass nur die Bieter zu informieren sind, die überhaupt nicht berücksichtigt werden sollen. Aber auch durch eine teilweise Nichtberücksichtigung, etwa bei losweiser Vergabe, kann der Bieter in seinen Rechten verletzt werden. Nach dem Zweck des § 13 VgV, dem Bieter die Geltendmachung von Rechtsschutz zu ermöglichen, muss daher der Bieter auch dann, wenn er nur zum Teil berücksichtigt werden soll, über seine (teilweise) Nichtberücksichtung nach § 13 informiert werden. tung eines Nachprüfungsverfahrens und „der geltend gemachten Rechtswidrigkeit“ unverzüglich verständigen, näher Thienel, RPA 2003, 7, 21 ff. 68 Allerdings ist die Vorabinformationspflicht hier mit der ausdrücklichen Anordnung der Nichtigkeitsfolge bei Verstoß abgesichert. Dies ist zumindest in Wien und (wohl auch nicht in Oberösterreich) nicht der Fall. 69 Bgld. Vergabegesetz 2001, LGBl 29/2001. 70 Gesetz vom 22. Jänner 2002, mit dem das Steiermärkische Vergabegesetz 1998 geändert wird, LGBl. 41/2002 v. 15.5.2002. 71 Etwa auch Anordnung der Nichtigkeitsfolge bei Verstoß. 72 Vorarlberger LGBl 39/2000. 73 Sie enthält ebenfalls bei Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht eine Nichtigkeitsfolge.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

§ 13 ist daher folgendermaßen auszulegen: „Der Auftraggeber informiert die Bieter, deren Angebote nicht oder nur teilweise berücksichtigt werden sollen, . . .“.74 Mit der Informationspflicht über die teilweise Nichtberücksichtigung wird gleichzeitig auch die Information über den Teil-Erfolg vorgenommen, so dass diese nicht separat erfolgen muss. Obwohl sich also die Information über die teilweise Berücksichtigung schon über eine Auslegung herleiten lässt, sollte § 13 VgV de lege ferenda dementsprechend klarstellend vom Verordnungsgeber angepasst werden. cc) Anwendbarkeit von § 13 VgV auch im Verhandlungsverfahren? Es ist zu untersuchen, ob § 13 VgV auch beim Verhandlungsverfahren anwendbar ist. Diese Frage stellt sich insbesondere bei der VOF, wo einziges Vergabeverfahren das Verhandlungsverfahren ist. Anlass für diese Untersuchung ist, dass § 13 VgV nur die Information der „Bieter“75 vorschreibt. Beim Verhandlungsverfahren (nach der VOF) gibt es in terminologischer Hinsicht aber nur „Bewerber“.76 Gegen die Vorabinformationspflicht auch für Bewerber könnte sprechen, dass dann, wenn eine derartige Verpflichtung der Vergabestelle gewollt gewesen wäre, hier auch eine andere Formulierung gewählt worden wäre. Denn das Vergaberecht unterscheidet klar zwischen den Begriffen „Bieter“ und „Bewerber“. In der Entscheidungspraxis und im Schrifttum ist aber anerkannt, dass auch in Verhandlungsverfahren (auch solchen nach der VOF) die Verpflichtung zur Vorabinformation nach § 13 VgV gilt.77 Die Anwendbarkeit von 74

Erdl, VergabeR 2001, 10, 13. „Bieter“ sind die Unternehmen, die ein Angebot abgegeben haben. Dagegen haben „Bewerber“ noch kein Angebot abgegeben, sondern nur den Wunsch geäußert, dies tun zu dürfen, also am Vergabeverfahren teilnehmen zu dürfen. 76 Dies hängt damit zusammen, dass die VOF ausschließlich das Verhandlungsverfahren kennt und bei diesem Verfahren der Bewerber in der Regel erst am Ende der Verhandlungen zum Bieter wird – Marx, in: Müller-Wrede, VOF, 1. Aufl. 1999, § 21 Rn. 24. 77 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003 – Verg 67/02, NZBau 2003, 401 = VergabeR 2003, 435 m. Anm. Prieß = ZfBR 2003, 605 m. Anm. Petersen = WuW 2003, 850, 859; VK Hessen, Beschl. v. Mai 2001 – 69 d VK 17/2001, IBR 2001, 557 (Weyand) – vgl. dazu Monatsinfo 7–8/2001, 92; VK Sachsen, Beschl. v. 2.8.2001 – 1/SVK/70-01, IBR 2001, 627 (Wittchen); VK Sachsen, Beschl. v. 18.9.2001 – 1/SVK/83-01, S. 8 f.; VK Lüneburg, Beschl. v. 12.11.2003 – 203VgK-27/2003, S. 9 f.; VK Halle, Beschl. v. 22.04.2002 – VK Hal 05/02, S. 6 f.; VK NRW (BR Arnsberg), Beschl. v. 11.04.2002 – VK 2-06/2002, S. 5; Erdl, VergabeR 2001, 10, 12 Fn. 20; Portz, VergabeR 2002, 211, 212; Glahs, in: Reidt, § 13 VgV Rn. 14; für die Information von Bewerbern auch Hoffmann, S. 14 ff.; a. A.: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 27 a VOB/A Rn. 8. 75

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

273

§ 13 VgV ist dabei unabhängig davon, ob dem Verhandlungsverfahren eine öffentliche Vergabebekanntmachung vorausgeht oder nicht.78 Dem ist zuzustimmen: § 13 sichert den Schutz der Unternehmer, die ein Angebot in einem Vergabeverfahren i. S. d. § 100 I GWB abgegeben haben. Dazu gehört auch das Verhandlungsverfahren, jedenfalls dann, wenn daran mehrere Bieter beteiligt waren.79 Dies ergibt sich auch aus Wortlaut von § 13 VgV, der Geltung für alle Nachprüfungsverfahren oberhalb der Schwellenwerte haben soll.80 Auch im Verhandlungsverfahren stehen dem Bewerber subjektive Rechte zu, die mit Hilfe der Vorabinformation durchsetzbar gemacht werden müssen.81 Mit § 13 VgV sollen ferner die Vorgaben des EuGH an die Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung erfüllt werden. Daher ist er so auszulegen, dass er den Forderungen des EuGH entspricht. Der EuGH hat aber ausdrücklich gefordert, jede Zuschlagsentscheidung nachprüfbar zu gestalten. Wegen der Vorgaben des EuGH müssen also auch diejenigen Zuschlagsentscheidungen überprüfbar sein, die in einem Nichtoffenen oder freihändig gestalteten Verfahren erfolgen sollen.82 Die Anwendbarkeit des § 13 VgV im Verhandlungsverfahren folgt auch daraus, dass ein Auftraggeber, der ein nichtoffenes Vergabeverfahren wählt, nicht besser gestellt werden darf, als ein Auftraggeber, der im offenen Verfahren vergibt und so in jedem Fall an die Vorschrift des § 13 VgV gebunden ist.83 Ist festgestellt, dass die Vorabinformationspflicht auch im Verhandlungsverfahren gilt, stellt sich die Frage, welche Unternehmen hier informiert werden müssen: Dagegen soll im Wettbewerbsverfahren nach § 20 VOF (hier Auslobungsverfahren für eine Architektenleistung) im Anschluss an die gerichtlich nicht überprüfbare Preisrichterentscheidung keine Vorabinformation nach § 13 VgV durch den Auslober erfolgen müssen, so OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.3.2004 – Verg 4/04, IBR 2004, 455 (Weyand, der sich dazu kritisch äußert). 78 Portz, VergabeR 2002, 211, 212 und Ingenstau/Korbion – Portz, § 13 VgV Rn. 6; näher VK Hessen, Beschl. v. Mai 2001 – 69 d VK 17/2001, S. 8 und VK Lüneburg, Beschl. v. 12.11.2003 – 203-VgK-27/2003, S. 9 f. 79 So VK Hessen, Beschl. v. Mai 2001 – 69 d VK 17/2001, IBR 2001, 557 (Weyand); Weyand, IBR 2001, 687 zu BayObLG, Beschl. v. 2.8.2001 – Verg 8/01, IBR 2001, 687. 80 VK Sachsen, Beschl. v. 2.8.2001 – 1/SVK/70-01, S. 9 ff.; VK NRW (BR Arnsberg), Beschl. v. 11.04.2002 – VK 2-06/2002, S. 5. 81 Vgl. auch Höß, VergabeR 2002, 443, 444. Zwar gelten hier geringere formelle Anforderungen, aber die allgemeinen Vergabegrundsätze sind gleichwohl zu beachten, OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.9.2003 – 2 Verg 8/03, IBR 2004, 160 (Gottschalck). 82 So auch VK Sachsen, Beschl. v. 2.8.2001 – 1/SVK/70-01, S. 9 ff.; VK Halle, Beschl. v. 22.04.2002 – VK Hal 05/02, S. 6 f. 83 VK Sachsen, Beschl. v. 2.8.2001 – 1/SVK/70-01, S. 9 ff.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Nach Entscheidungen des OLG Dresden84 und des OLG Düsseldorf85 gilt die Informationspflicht des § 13 VgV nicht nur für die tatsächlichen Bieter, sondern für alle Unternehmen, deren Interesse am ausgeschriebenen Auftrag der Vergabestelle bekannt ist und die rechtmäßigerweise am Verhandlungsverfahren86 hätten beteiligt werden müssen87. Es sei also eine hypothetische Betrachtung anzustellen.88 Dem ist für den Fall des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Vergabebekanntmachung zuzustimmen. Ansonsten liefe die Informationspflicht leer. Die Vergabestelle hätte es in der Hand, ein Unternehmen von der Informationspflicht schon durch die rechtswidrige Nichtbeteiligung am Vergabeverfahren, durch die der Unternehmer bereits gehindert ist, die Bieterstellung zu erlangen, auszuschließen.89 Damit würde sich bei Nichtinformation 84 OLG Dresden, Beschl. v. 16.10.2001 – Wverg 0007/01, ZfBR 2002, 298 = VergabeR 2002, 142, 144 m. Anm. Otting = IBR 2002, 90 (Schulze-Hagen): Zu einem Fall, in dem nach Aufhebung eines Vergabeverfahrens der Auftrag im Verhandlungsverfahren vergeben wurde und bei diesem Verhandlungsverfahren die Bieter aus dem Erstverfahren nicht beteiligt wurden. 85 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003 – Verg 67/02, NZBau 2003, 401 = VergabeR 2003, 435 m. Anm. Prieß = ZfBR 2003, 605 m. Anm. Petersen = WuW 2003, 850 (Verg 778); vgl. auch die damit bestätigte Entscheidung der VK Bund, Beschl. v. 12.12.2002 – VK 1-83/02, S. 29 ff. 86 Diese Frage lässt sich nicht auf das offene Verfahren verallgemeinern: Die Frage müsste dort lauten, ob auch Unternehmen zu informieren sind (mit der Konsequenz der Nichtigkeit bei deren Nichtinformation), denen die Teilnahme am Vergabeverfahren rechtswidrig nicht ermöglicht wurde, denen also schon die Bieterstellung versagt blieb, obwohl sie rechtmäßigerweise hätten beteiligt werden müssen. So etwas ist aber nur im Verhandlungsverfahren möglich. Im offenen Verfahren kann jeder Bieter zumindest erst einmal die Bieterstellung erwerben, ist dann also nach § 13 VgV unproblematisch zu informieren. Auf die öffentliche Ausschreibung kann sich jeder bewerben. Eine Beschränkung des Bieterkreises von vornherein ist hier nicht möglich. 87 Zur Frage, wer im Verhandlungsverfahren nach § 3 a Nr. 2 a VOL/A zu beteiligen ist: Ein Verhandlungsverfahren nach § 3 a Nr. 2 a VOL/A kann deswegen eingeleitet werden, weil keine zuschlagsfähigen Angebote eingegangen sind. Ist aber der Vergabestelle das Scheitern des vorangegangenen, vorrangigen Vergabeverfahrens zuzurechnen, etwa weil unerfüllbare Bedingungen an die Leistung gestellt wurden, so darf sie sich grundsätzlich nicht unter Berufung auf die gescheiterte Ausschreibung dem Verhandlungsverfahren zuwenden. Tut sie dies dennoch, so muss sie zumindest die Unternehmen am Verhandlungsverfahren beteiligen, die sie schon im vorangegangenen Verfahren zur Erfüllung des Auftrags als geeignet angesehen hatte. Diese Unternehmen hätten also rechtmäßigerweise beteiligt werden müssen. – OLG Dresden, Beschl. v. 16.10.2001, a. a. O., ZfBR 2002, 298, 300 f. Insgesamt wird so die Flucht in das Verhandlungsverfahren durch vom Auftraggeber provozierte (aber an sich rechtmäßige) Aufhebung verhindert. – so auch SchulzeHagen, Anm. zu OLG Dresden, a. a. O., IBR 2002, 90, dazu auch Teil 3, B. IV. 88 OLG Dresden, Beschl. v. 16.10.2001, a. a. O., ZfBR 2002, 298, 300 f.: Daher wurde hier Nichtigkeitsfolge angenommen.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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dieses Unternehmens auch keine Nichtigkeitsfolge ergeben. Die zu beteiligenden Unternehmen sind also vom Schutzweck des § 13 VgV umfasst.90 Beim Verhandlungsverfahren nach durchgeführter Vergabebekanntmachung ist die Anwendung des § 13 VgV allerdings nur für die Bieter, die tatsächlich an den Verhandlungen beteiligt waren, gerechtfertigt. Die anderen Bewerber, die sich nach der Vergabebekanntmachung um eine Beteiligung am Verhandlungsverfahren bemüht haben, können sich nicht auf § 13 VgV berufen. Denn sie erkennen zwangsläufig, dass sie nicht zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren aufgefordert worden sind, und können daher schon zu diesem Zeitpunkt um Rechtsschutz nachsuchen.91 Fälle, in denen das Verhandlungsverfahren mit den zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen schon abgeschlossen und der Zuschlag erteilt ist, bevor der nichtbeteiligte Bewerber sicher erfährt, dass andere Unternehmen bereits zur Angebotsabgabe aufgefordert worden sind, sind eher nur theoretisch denkbar. Damit ist auch insoweit keine andere Bewertung gerechtfertigt. Unternehmen, die unaufgefordert ein Angebot einreichen, die aber nicht hätten beteiligt werden müssen, müssen nicht informiert werden. Sie werden nicht zu Bietern im rechtlichen Sinne. Denn grundsätzlich92 kann die Vergabestelle bei der freihändigen Vergabe entscheiden, mit wem sie die Verhandlungen führt.93 dd) Vorabinformation an ausgeschlossene Bieter? Fraglich ist, ob auch solche Bieter über die beabsichtigte Zuschlagserteilung informiert werden müssen, die nicht erst bei der endgültigen Zu89 OLG Dresden, Beschl. v. 16.10.2001, a. a. O., ZfBR 2002, 298 = IBR 2002, 90 (Schulze-Hagen, der dieses Urteil als bahnbrechend für den Bieterschutz in einem Verhandlungsverfahren nach vorangegangener Aufhebung der Ausschreibung bezeichnet.). 90 Otting, Anm. zu OLG Dresden v. 16.10.2001, VergabeR 2002, 146, 147; a. A. Glahs, in: Reidt, § 13 VgV Rn. 19 f. 91 So auch Glahs, in: Reidt, § 13 VgV Rn. 18. Gleiches gilt im Nichtoffenen Verfahren, dem oberhalb der Schwellenwerte immer ein Teilnahmewettbewerb vorausgeht. Auch hier sind danach nur die Unternehmen zu informieren, die nach Angebotsaufforderung auch zu Bietern werden. 92 Die Ausnahme ergibt sich aus der soeben erläuterten Entscheidung des OLG Dresden. 93 In diese Richtung OLG Dresden, Beschl. v. 16.10.2001, a. a. O., VergabeR 2002, 142, 144. Anders die Vorinstanz im gleichen Fall (VK Sachsen, Beschl. v. 2.8.2001 – 1/SVK/70-01, IBR 2001, 627 (Wittchen)). Danach sind alle „Bieter im Verhandlungsverfahren“ zu informieren. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Bieter sein Angebot aufgefordert oder unaufgefordert (wie im entschiedenen Fall) abgegeben habe (in diese Richtung auch Höß, VergabeR 2002, 443, 445).

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

schlagsentscheidung, sondern schon in einem frühen Stadium des Vergabeverfahrens ausgeschlossen worden sind (etwa wegen fehlender fachlicher Eignung oder aus formellen Gründen, bspw. wg. unvollständiger Angebotsunterlagen).94 Diese Frage ist vor allem bei mehrstufigen Verfahren von Bedeutung. Bei der Beantwortung ist folgendermaßen zu differenzieren:95 – Wenn die Unternehmen von ihrem Ausscheiden bereits nach den Vorschriften der Verdingungsordnungen unter Angaben von Gründen informiert wurden96 und dagegen nicht mit der Rüge unverzüglich vorgegangen sind, ist eine spätere Vorabinformation über die beabsichtigte Zuschlagserteilung nach § 13 VgV nicht mehr erforderlich. – Für die anderen Bieter gilt die Vorabinformationspflicht des § 13 VgV.97 Sie sind nach der Zuschlagsentscheidung über ihren Ausschluss zu informieren.98 Der mitzuteilende Grund für die Nichtberücksichtigung meint dann hier den Grund für den Ausschluss vom Vergabeverfahren. 94

Wegmann, NZBau 2001, 475, 476 f. Nach Wegmann, NZBau 2001, 475, 476 f. 96 So „sollen“ etwa nach § 27 Nr. 1 S. 1 VOB/A, der neben § 27 a gilt, Bieter oder Bewerber, deren Angebote nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 und 2 ausgeschlossen worden sind oder deren Angebote wegen fehlender Eignung bzw. fachlicher Zuverlässigkeit nicht in die engere Wahl gekommen sind, „so bald wie möglich“, und nicht erst nach der Vergabeentscheidung verständigt werden. Aus § 27 Nr. 1 S. 2 VOB/A ergibt sich, dass diese Information vor Zuschlagserteilung erfolgen soll. Denn die „übrigen Bieter sind zu verständigen, sobald der Zuschlag erteilt worden ist.“ – Brinker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Rn. 15, vgl. auch § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 1 VOB/A. 97 Eine Information vor der Zuschlagserteilung ist z. B. auch bei dem schon in der vorigen Fn. erwähnten § 27 Nr. 1 VOB/A nicht in jedem Fall sichergestellt. Dies ergibt sich etwa daraus, dass die Benachrichtigungspflicht der dort erwähnten Bieter in das Ermessen des Auftraggebers gestellt ist – Leinemann, 2.A., Rn. 471. Eine generelle Verneinung der Anwendung von § 13 VgV mit dem Hinweis auf die schon bestehende Informationspflicht aus der VOB/A scheitert auch daran, dass die Nichteinhaltung der dortigen Informationspflicht nicht mit der Nichtigkeitsfolge sanktioniert ist und damit ein effektiver Rechtsschutz nicht sichergestellt ist – Erdl, VergabeR 2001, 10, 21. 98 Auch in Österreich sind die ausgeschiedenen Bewerber nach den Vorabinformationspflichten einiger Vergabegesetze zu informieren. Dies ist etwa ausdrücklich nach § 47 a WLVergG der Fall. Auch nach § 100 I BVergG 2002 hat mit der Vorabinformation über die Zuschlagsentscheidung auch die Information über das Ausscheiden zu erfolgen, da es nach dem BVergG 2002 keine gesonderte Informationspflicht nach dem Ausscheiden mehr gibt. Die Entscheidung über das Ausscheiden ist als „nicht gesondert anfechtbare Entscheidung“ nach dem BVergG 2002 ohnehin erst mit der Zuschlagsentscheidung anfechtbar (näher Pock, RPA 2003, 27 f. und BVA v. 9.2.2004, RPA 2004, 97, 98). Im Burgenland unterliegt der Auftraggeber für das Ausscheiden von Angeboten in § 94 II Bgld VergG sogar einer selbstständi95

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Für eine solche differenzierende Auslegung spricht der Normzweck von § 13 VgV. Er soll Rechtsschutz sicherstellen. Die Bieter, die über den Ausschluss bereits informiert wurden, hatten aber schon die Möglichkeit, um Rechtsschutz nachzusuchen. Ein weitergehender, zusätzlicher Schutz durch die Vorabinformation nach § 13 VgV ist nicht erforderlich.99 Hat der Bieter den durch die bereits erfolgte Information erkannten Vergaberechtsverstoß nicht unverzüglich gerügt, ist ein Nachprüfungsverfahren außerdem nach der Präklusionsregel des § 107 III GWB ohnehin unzulässig. Die spätere Vorabinformation über den Zuschlag nach § 13 VgV, die die Möglichkeit der Einlegung eines Nachprüfungsverfahrens gerade sicherstellen soll, kann damit ihren Sinn nicht mehr erfüllen, wäre bloße Förmelei.100 Dagegen wird teilweise zu Unrecht die generelle Nichtanwendbarkeit von § 13 VgV für vor der endgültigen Zuschlagsentscheidung nicht berücksichtigten Bieter vertreten. Wegen des Normzwecks seien nur die Bieter zu informieren, die z. Zt. der Information noch am Wettbewerb teilnehmen und weiterhin ein Interesse am Zuschlag haben.101 § 13 VgV sähe eine Vorabinformation erst 14 Tage vor dem Zuschlag vor, also sehr viel später als beim Ausschluss und sei daher nicht anwendbar. Gegen den generellen Ausschluss von § 13 VgV für ausgeschlossene Bewerber spricht indes der Wortlaut des § 13 VgV. Nach § 13 sind die Bieter, „deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen“, zu informieren. Eine Einschränkung dahin gehend, dass nur die nach Abschluss der Wertung nicht berücksichtigen Bieter und nicht die schon vorher nicht berücksichtigten Bieter zu informieren sind, ist ihm nicht zu entnehmen.102 Dass die „nichtberücksichtigten Bieter“ auch solche sind, die schon vor der Zuschlagsentscheidung ausgeschieden worden sind, zeigt auch § 27 VOB/A: Hier ist sowohl die Information der ausgeschlossenen Bieter als auch die gen Vorabinformationspflicht, die vor der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung zu erfüllen ist: Danach sind Bieter, deren Angebote auf Grund des Ergebnisses der Prüfung ausgeschieden wurden, hiervon unverzüglich jedenfalls aber acht Tage vor Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung unter Bekanntgabe des Grundes schriftlich zu verständigen. Nach der Vorarlberger Vorabinformationsregelung sind dagegen nur die Bieter zu informieren, „deren Angebote nach dem Ausscheiden übrig bleiben“. 99 VN 2001, 49, 50. 100 Wegmann, NZBau 2001, 475, 476 f.; (für VOF-Vergaben) Portz, VergabeR 2002, 211, 213; Ingenstau/Korbion – Portz, § 13 VgV Rn. 7. 101 Kratzenberg, NZBau 2001, 119, 120; dem folgend Lück, S. 99; Hartmann, VOF, Teil 6/3 S. 33 (2) ff. Von der Unanwendbarkeit der Vorabinformationspflicht geht auch Dreher, NZBau 2000, 178, 179 aus, kritisiert dies aber. 102 Anders Schabel, in: Hartmann, VOF, Teil 6/3 S. 33 (3): Es sollte bei § 13 VgV nur um die Bereitstellung von Rechtsschutz in der letzten Phase des Vergabeverfahrens gehen, nicht aber um den Rechtsschutz bei zeitlich weit vorgelagerten Phasen.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Information der erst bei der Wertung nicht erfolgreichen Bieter unter der Überschrift „Nicht berücksichtigte Bewerbungen und Angebote“ zusammengefasst. Überdies spricht der Normzweck des § 13 VgV gerade für seine Anwendbarkeit auch für die ausgeschiedenen Bieter. Denn auch diese, schon vor der Zuschlagsentscheidung ausgeschiedenen Bewerber laufen unter Umständen Gefahr, von ihrem Ausscheiden nicht vor der rechtsschutzausschließenden Zuschlagserteilung zu erfahren.103 Gerade zur Behebung dieses Informationsdefizits wurde § 13 VgV aber geschaffen. 2. Die Vertragssperrfrist – Genügt die 14-tägige Vertragssperrfrist zur Sicherung der Effektivität des Rechtsschutzes? Nach § 13 S. 2 VgV hat der Auftraggeber die Bieterinformation spätestens 14 Kalendertage vor dem Vertragsabschluss abzusenden. Diese Frist wird als Vertragssperrfrist104, als Wartefrist oder wie überwiegend in Österreich als Stillhaltefrist bezeichnet. Für die Beurteilung der Effektivität des durch § 13 VgV umgestalteten Rechtsschutzsystems ist die Beantwortung der Frage zentral, ob die in § 13 VgV eingeräumte Frist zur Rechtsschutzeinlegung gegen die Zuschlagsentscheidung ausreichend ist. Wäre die Frist dafür zu kurz (etwa weil keine ausreichende Möglichkeit der Prüfung der Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsverfahrens besteht), wäre die Ausgestaltung des deutschen Vergaberechtsschutzes nach wie vor gemeinschaftsrechtswidrig. So ist zu Recht davon gesprochen worden, dass „Neuralgischer Punkt im Hinblick auf die geforderte Effektivität des Rechtsschutzes . . . die 14-Tages-Frist des § 13 S. 2 VgV“ ist.105 Demgemäß hat sich um die Frage der richtigen Fristlänge eine Kontroverse entwickelt.106 Schon in den einzelnen Entwurfsstadien des 103

Vgl. nur Fn. 97. So Jaeger, NZBau 2001, 289, 295. 105 Wegmann, NZBau 2001, 475, 479. 106 Nach einer Ansicht ist die 14-tägige Frist zu kurz. Der deutsche Vergaberechtsschutz sei daher nach wie vor gemeinschaftsrechtswidrig: Schenk, S. 211 ff.; vgl. auch Berrisch/Nehl, DB 2001, 184, 186; Kus, NJW 2000, 544, 547 f., ders., in: Niebuhr/Kus, § 114, Rn. 49; ebenso in Niebuhr/Kus, VOB/A, Rn. 245; Lück, S. 97 ff.; Marx, Behördenspiegel 10/2000, S. B. III; vgl. auch Kemper, NJ 2001, 403, 406. Als angemessene Frist werden 3 Wochen vorgeschlagen. Kus, NJW 2000, 544, 547 f.; ders., in: Niebuhr/Kus, § 114, Rn. 49; ebenso in Niebuhr/Kus, VOB/A, Rn. 245; Malmendier, DVBl 2000, 963, 967 fordert eine mehrwöchige Rechtsbehelfsfrist, die auch dem Rechtsschutzsystem der VwGO näher käme. Dagegen wurde in der Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/00, 31.10.2000), S. 4 vertreten, dass die 14-Tagesfrist zu lang sei. Es wurde eine entsprechende Änderung der VgV angeregt. Daher soll nach dieser Auffassung 104

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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§ 13 VgV stellte sich die richtige Ausgestaltung der Länge der Vorabinformationsfrist als schwierig heraus. Der Verordnungsentwurf vom 14.12.1999107 hatte noch eine Vorabinformationsfrist von 7 Kalendertagen für ausreichend erachtet. Nachdem im Schrifttum an der Länge der Frist Kritik geübt wurde108, wurde sie im Verordnungsentwurf vom 8.6.2000 auf 10 Werktage angehoben. In der verabschiedeten Fassung beträgt die Frist 14 Kalendertage vor Vertragsschluss. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Länge der Wartefrist zwischen Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung ist die Feststellung, dass es keine ausdrückliche europarechtliche Festlegung der Zeitspanne zwischen Zuschlagsentscheidung und Vertragsschluss gibt. Auch wenn die Vergaberichtlinien von einer Trennung von Zuschlagsentscheidung und Vertrag ausgehen (a. a. O.), so legen weder die Rechtsmittelrichtlinien noch die Koordinierungsrichtlinien selbst eine genaue Zeitspanne zwischen Zuschlagsentscheidung und Vertragsschluss fest.109 Zur Beantwortung der Frage, ob die in § 13 VgV festgelegte Frist zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes des Bieters (bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Möglichkeit zügiger Bedarfsdeckung durch die öffentlichen Auftraggeber) angemessen ist, ist sie aus der Sicht der Bieter und der Sicht der Auftraggeber zu würdigen: die Vorabinformationsfrist auf 10 Tage verkürzt werden. Nach einer Ansicht ist sogar eine noch kürzere Frist möglich – Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, 1. Aufl. Köln 2000, § 114, Rn. 41 und Reidt, BauR 2000, 22, 26. Die VK BW, Beschluss v. 18.8.1999 – 1 VK 8/99, Sammlung Vergaberecht 9/2.1.23 (Trautner) hielt für den von der Rechtsprechung geschaffenen Informationsanspruch noch 7 Tage für ausreichend. 107 § 13 dieses Entwurfs hatte folgenden Wortlaut: „Der Auftraggeber informiert die Bieter über den Namen des Bieters, auf dessen Angebot der Zuschlag erteilt werden soll. Er soll die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden, auch über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihrer Angebote informieren. Er gibt die Information spätestens sieben Kalendertage vor der Zuschlagserteilung ab. Ein Vertrag darf vor Ablauf der Frist oder ohne dass die Information erteilt worden ist, nicht geschlossen werden.“ Zu § 13 dieses Entwurfs auch Spießhofer/ Lang, ZIP 2000, 446, 447 ff., Hoffmann, S. 47 und kurz Jagenburg/Brück, NJW 2000, 2242, 2243. Der Entwurf vom 20.10.1999 war von 7 Werktagen ausgegangen: (Wohl) dieser Entwurf ist abgedruckt in ZVgR 2000, 60: § 14 dieses Entwurfs. Er sah in § 14 eine Vorabinformationspflicht vor, enthielt aber noch keine Regelung über die Rechtsfolge: „Die Auftraggeber informieren die Bieter, auf deren Angebote der Zuschlag nicht erteilt werden soll, über die vorgesehene Nichtberücksichtigung ihrer Angebote und deren Gründe sowie den Namen des Bieters, auf dessen Angebot der Zuschlag erteilt werden soll. Der Auftraggeber erteilt diese Information spätestens 7 Werktage vor der Zuschlagserteilung.“ 108 Die 7 Tage hält für zu kurz: Ax, BauR 2000, 471, 475; Spießhofer/Lang, ZIP 2000, 446, 449 f. 109 Vgl. die Alcatel-Entscheidung, a. a. O., ZIP 1999, 1937, 1940 (Nr. 39–42).

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

a) Beurteilung der Frist aus der Sicht der öffentlichen Auftraggeber aa) Wann erfolgt der „Vertragsschluss“ innerhalb der Vertragssperrfrist? Nach § 13 S. 5 VgV darf innerhalb der Vertragssperrfrist „der Vertrag nicht geschlossen“ werden. Dieser „Vertragsschluss“ erfolgt erst mit Zugang der empfangsbedürftigen Zuschlagserteilung beim erfolgreichen Bieter (= Zugang der Annahme). Dies könnte dafür sprechen, dass es für die Frage, ob der „Vertragsabschluss“ innerhalb der Stillhaltefrist vorgenommen wurde110, nicht auf den Tag der Absendung des Zuschlagsschreibens an, sondern auf den Tag von dessen Zugang ankommt.111 Das Zuschlagsschreiben dürfte danach innerhalb der 14-tägigen Frist abgesandt werden. Entscheidend wäre, dass es erst nach ihrem Ablauf zugeht. Dies vermag aber nicht zu überzeugen. Denn mit diesem Verständnis des § 13 VgV würde die 14-tägige Vertragssperrfrist für den Bieter faktisch verkürzt. Oft wird es nämlich so sein, dass der Nachprüfungsantrag dem öffentlichen Auftraggeber erst am letzten Tag der 14-tagesfrist zugestellt wird. Zu diesem Zeitpunkt, also bereits vor Ablauf der Wartefrist, könnte aber der Auftraggeber bei dem soeben dargestellten Verständnis das Zuschlagsschreiben schon abgesandt haben. Das mit der Zustellung des Nachprüfungsantrags eintretende Verbot der Zuschlagserteilung nach § 115 I GWB (Suspensiveffekt) käme zu spät. Der Vertrag würde bei Zugang des Zuschlagsschreibens nach Ablauf der Wartefrist wirksam werden.112 Im Ergebnis führte das dazu, dass der Bieter eine Zustellung des Nachprüfungsantrags bei der Vergabestelle mindestens113 einen Tag vor Ablauf der Wartefrist erreichen müsste, was eine faktische Verkürzung der Wartefrist bedeutete. Mithin ist § 13 VgV so auszulegen, dass er nicht nur den Zugang des Zuschlagsschreibens, sondern auch dessen Absendung innerhalb der Wartefrist verbietet.114 Dafür spricht auch, dass sich § 13 VgV trotz des 110

Zum Zeitpunkt des Beginns der Wartefrist ausf. unter c). So im Ergebnis auch das OLG Jena, Beschl. v. 29.5.2002 – 6 Verg 2/02, VergabeR 2002, 543 = NZBau 2002, 526. 112 Anders wäre dies, wenn man davon ausgeht, dass § 115 I GWB nicht nur die Absendung des Zuschlagsschreibens, sondern auch dessen Zugang nach Zustellung des Nachprüfungsantrags verbietet. 113 Der AG könnte demnach sogar eine langsame Versendungsart auswählen, um so den Zuschlag noch zeitiger absenden zu können und ihn daher noch eher gegen etwaige Nachprüfungsanträge „absichern“ zu können. 114 Dies ist auch die Auffassung des österreichischen BVA bei der Vorabinformationspflicht des § 53 a BVergG 2000. Auch hier führt schon das Absenden des Zuschlagsschreibens zur Nichtigkeit. Es darf also erst nach Ablauf der Stillhaltefrist 111

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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„Vertragsabschlussverbotes“ dennoch auch gegen eine Handlung in der Sphäre des Auftraggebers (die Zuschlagserteilung) richtet.115 bb) Verkürzung der Entscheidungsfrist des Auftraggebers durch die Einführung der Vorabinformationspflicht (1) Situation bei der VOB/A Nach § 19 Nr. 1 S. 1 VOB/A soll die Frist, innerhalb derer der Zuschlag zu erteilen ist (Zuschlagsfrist) „so kurz wie möglich und nicht länger bemessen werden, als der Auftraggeber für eine zügige Prüfung und Wertung der Angebote“ benötigt. Nach § 19 Nr. 2 Satz 2 VOB/A soll die Zuschlagsfrist bei Bauvergaben nicht mehr als 30 Tage betragen. Diese Zuschlagsfrist beginnt mit dem Eröffnungstermin, bis zu dem die Angebote abgegeben werden konnten. Vorher dürfen die Angebote auch nicht geöffnet werden. Bisher stand dem Auftraggeber also für die Entscheidung, welches Angebot den Zuschlag erhalten soll, eine Frist von 30 Tagen zur Verfügung. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Bindefrist, also der Zeitraum, indem der Bieter an sein Angebot gebunden ist, an die Zuschlagsfrist gekoppelt ist (§ 19 Nr. 3 VOB/A). Mit der Zuschlagsfrist läuft auch die Bindefrist ab, was zu einem Erlöschen der Angebote der Bieter nach §§ 146, 148 BGB führt. Mit dem Zuschlag kann dann kein Vertrag mehr geschlossen werden, sondern er stellt ein neues Angebot dar (§ 150 I BGB). Für den Auftraggeber ist Abhilfe nur möglich, indem er vor oder auch noch nach Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist alle für die Vergabe noch in Betracht kommenden Unternehmen auffordert, der Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist zuzustimmen.116 Mit Einführung der Vorabinformationspflicht erfolgte keine Verlängerung der Zuschlagsfrist in der VOB/A. Sie wurde auch nicht bei der Neufassung der VOB 2000 und 2002 vorgenommen. Dies hat zur Folge, dass die Einführung der Vorabinformationspflicht 14 Tage vor Vertragsabschluss zu einer erheblichen Verkürzung der dem Auftraggeber zur Verfügung stehenden Entscheidungsfristen führen könnte:117 abgesendet werden (BVA, 12.6.2001 N-63/01-8, ZVB 2001, 5 mit zust. Anm. von Elsner/Kreisler). 115 Elsner/Kreisler, Anm. zu BVA, 12.6.2001 N-63/01-8, ZVB 2001, 5 für § 53 a BVergG 2000. Vor diesem Hintergrund wird die schon früh erhobene Kritik daran verständlich, dass § 13 VgV auf den Begriff „Vertragsschluss“ abstellt, vor dem die Information erfolgen müsse. Dies weiche vom im Vergaberecht üblichen Begriff „Zuschlag“ ab, was zu Rechtsunsicherheiten führen könne – Behördenspiegel 10/2000, B I, vgl. auch Hoffmann, S. 50. 116 Ausf. dazu unten unter Abschnitt VI. 5.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Spätestens 14 Tage vor dem Vertragsabschluss muss die Vorabinformation über die getroffene Zuschlagsentscheidung erfolgen. Dies setzt voraus, dass die Entscheidung, auf welches Angebot der Zuschlag erteilt werden soll, schon getroffen ist. Vor dem Hintergrund der 30-tägigen Zuschlagsfrist wird der Auftraggeber also gezwungen, innerhalb von 16 Kalendertagen die Zuschlagsentscheidung zu treffen.118 Er muss innerhalb dieser 16 Tage die Eignung der Bieter prüfen, die Angebote werten und prüfen, Aufklärungen über ungewöhnlich hohe oder niedrige Angebotspreise anstellen, ggf. Bietergespräche führen, seine interne Zuschlagsentscheidung treffen und die Informationen für die einzelnen Bieter nach § 13 VgV verfassen.119 Durch die Vorabinformationspflicht wird die 30-Tagesfrist folglich nahezu halbiert. Dies ist gerade für kleinere, etwa kommunale Auftraggeber problematisch, denn insbesondere bei diesen reicht dieser Zeitraum häufig nicht für eine ordnungsgemäße Entscheidungsfindung.120 Der Einräumung einer Entscheidungsfrist von 30 Tagen in der VOB liegt schließlich die Erwägung des DVA zu Grunde, dass der Auftraggeber diese Frist in vielen Fällen auch für seine Entscheidung (und die eben beschriebenen Maßnahmen) benötigen wird.121 Eine Lösung könnte in § 19 Nr. 2 S. 2 2. Halbsatz VOB/A gesehen werden, wonach „in begründeten Fällen“ eine längere Zuschlagsfrist festgelegt werden kann. Aus dieser Norm (und auf der Tatsache, dass auch im ersten Halbsatz von § 19 Nr. 2 S. 2 nur steht, dass die Frist nicht länger als 30 Tage sein „soll“), ergibt sich, dass die 30 – Tagesfrist der Regelfall ist, ausnahmsweise aber eine längere Zuschlagsfrist möglich ist. So hat die Entscheidungspraxis Zuschlagsfristen bis zu 60 Tagen für zulässig gehalten.122 Hielte man diesen Ausnahmetatbestand für anwendbar, könnte der Auftraggeber wegen der Notwendigkeit der Vorabinformation eine längere Zuschlagsfrist festlegen. Gegen die Heranziehung dieses Ausnahmetatbestandes wegen der Einführung der Vorabinformation spricht jedoch, dass die Vorabinformation bei allen Vergaben oberhalb der Schwellenwerte gilt und damit bei der nötigen 117 Es wird weiter darauf hingewiesen, dass die Auftraggeber die Zuschlagsfrist schon früher für zu knapp für die Angebotsbewertung hielten – Kemper, NJ 2001, 403, 406. 118 So auch Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/00, 31.10.2000), S. 4; Hoffmann, S. 96 ff. 119 Erdl, VergabeR 2001, 10, 19. 120 Daher wird die 14-Tagesfrist in der Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/00, 31.10.2000), S. 4 für zu lang gehalten. 121 Vgl. auch Heiermann/Riedl/Rusam – Heiermann, VOB, A § 19 Rn. 6. 122 Vgl. Heiermann/Riedl/Rusam – Heiermann, VOB, A § 19 Rn. 8 ff. m. w. N.; Kuß, VOB A und B, 3. Aufl., 2001, § 19 Rn. 5.

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generellen Anwendung von § 19 Nr. 2 S. 2 2. Halbsatz VOB/A kein „begründeter“ Ausnahmefall für die längere Festsetzung vorliegt.123 In § 19 Nr. 2 S. 2 2. Halbsatz VOB/A ist aber eben klar zum Ausdruck gebracht, dass die längere Zuschlagsfrist nur ausnahmsweise in Betracht kommt.124 Auf der anderen Seite muss berücksichtigt werden, dass die Begrenzung der Zuschlagsfrist (auf 30 Tage) deswegen eingeführt wurde, weil während dieser Frist die Bieter an ihre Angebote gebunden sind (Koppelung der Bindefrist an Zuschlagsfrist – § 19 Nr. 3 VOB/A).125 Die Bindung von Kapazitäten der Bieter durch die Bindung an das Angebot soll nur für eine gewisse Zeit aufrechterhalten werden. Dieser Gesichtspunkt der Verhinderung einer unangemessen langen Bindung der Bieter greift aber bei einer Verlängerung der Zuschlagsfrist wegen der Vorabinformationspflicht gerade nicht durch: Es muss nämlich berücksichtigt werden, dass die Bieter bereits 14 Tage vor Zuschlagserteilung informiert werden, ob sie den Auftrag erhalten oder nicht, obwohl natürlich noch Unsicherheit wegen der Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens besteht.126 Trotz der Unsicherheit wegen der möglichen Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens können sie mit Hilfe der Begründung der Information allerdings schon abschätzen, wie wahrscheinlich eine Zuschlagserteilung an sie selbst ist, so dass sie schon nach der Vorabinformation ihre Kapazitäten anderweitig verplanen können. Die Verlängerung der Bindefrist um die Stillhaltefrist ist also für die Bieter also nicht von Nachteil. Auch ist in systematischer Auslegung des § 19 Nr. 2 S. 2 VOB/A zu berücksichtigen, dass ein Grundsatz des Vergaberechts ist, eine funktionsfähige Auftragsvergabe zu erhalten. Dies ist ohne eine Möglichkeit der Verlängerung der Zuschlagsfrist in Frage gestellt. Auch dies spricht dafür, dass die Frist des § 13 VgV bei der Bemessung der Bindefrist berücksichtigt werden kann.127 Insgesamt ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass die Auftraggeber zwar nicht bei jeder Auftragsvergabe, quasi automatisch, eine längere Zuschlagsfrist ansetzen können. Bei einfach gelagerten Auftragsvergaben, bei denen auch bisher schon die Ausschöpfung der Frist von 30 Tagen nicht nötig war, kann es daher bei der Zuschlagsfrist von 30 Tagen bleiben. Bei anderen Auftragsvergaben ist nach § 19 Nr. 2 S. 2 2. Halbsatz VOB/A auch eine Festlegung einer um die Dauer der Stillhaltefrist längeren Zuschlags123

Deswegen lehnt Erdl, VergabeR 2001, 10, 19 die Anwendung des Ausnahmetatbestandes als Reaktion auf die Regelung des § 13 VgV auch ab. 124 Ingenstau/Korbion-Kratzenberg, A § 19 Nr. 1–2 Rn. 16. 125 Heiermann/Riedl/Rusam – Heiermann, A § 19 Rn. 6. 126 Erdl, VergabeR 2001, 10, 20. 127 Wegmann, NZBau 2001, 475, 479.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

frist möglich. Auf die Zuschlagsfrist, die ohne die Stillhaltefrist des § 13 S. 2 VgV festzusetzen wäre, kann also die Stillhaltefrist hinzugerechnet werden.128 Insgesamt schafft die längere Zuschlagsfrist für Auftraggeber und für Auftragnehmer faktisch nur wiederum die Lage aus der Zeit vor Einführung des § 13 VgV. Auch wenn damit eine Lösung der Problematik der Verkürzung der Zuschlagsfrist schon de lege lata möglich ist, so sollte doch zur Klarstellung de lege ferenda eine Anpassung der Regelung zur Zuschlagsfrist in der VOB/A an die Einführung von § 13 VgV erfolgen. Da sich das Problem der Verkürzung der Zuschlagsfrist aufgrund der Verpflichtung zur Vorabinformation nur oberhalb der Schwellenwerte ergibt, muss eine Anpassung der Verdingungsordnungen im 2. und 3. Abschnitt der VOB/A durch Einfügung eines § 19 a bzw. § 19 b vorgenommen werden:129 In dieser Regelung könnte man zum einen die 30 Tagesfrist in § 19 Nr. 2 bei Erteilung eine Vorabinformation für unanwendbar erklären und so Raum für eine flexiblere Anwendung der Zuschlagsfrist lassen. Zum anderen bietet es sich an, eine Hemmung der Zuschlagsfrist während der Wartefrist einzuführen oder eine dementsprechende Verlängerung der Zuschlagsfrist130 vorzunehmen. Die hier befürwortete Hemmung der Zuschlags- und Bindefrist für den Lauf der Wartefrist bei Vorabinformation ist zu unterscheiden von der Frage der Hemmung der Bindefrist während der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. Nur für letzteres Problem ist im Referentenentwurf der Bundesregierung vom 8.2.2005 eine ausdrückliche Regelung vorgesehen.131 128 Auch nach der Richtlinie des VHB 2002 zu § 19 VOB/A kann die 30-tägige Zuschlagsfrist um bis zu 14 Kalendertage verlängert werden (vgl. auch Heiermann/ Riedl/Rusam – Heiermann, A § 19 Rn. 12). Davon geht ganz selbstverständlich ebenso die VK Bund, Beschl. v. 16.7.2002 – VK 2 – 50/02, S. 16 ff. und 21 aus. Die 14-Tagesfrist kann nach dieser Entscheidung wohl generell bei der Bemessung der Zuschlagsfrist berücksichtigt werden. Im Erg. ebenso Hoffmann, S. 101 und Schaller, VOL, § 19 Rn. 20. 129 Eine dementsprechende Regelung in § 13 VgV bietet sich dagegen nicht an. Denn diese Ergänzung ist ohnehin nur für Bauvergaben nötig, so dass auch nur dort eine Anpassung erfolgen muss. Die Frage der Zuschlagsfrist ist auch eine Frage des materiellen Vergaberechts, so dass nach der Systematik des Vergaberechts auch eine Regelung in den Verdingungsordnungen angebracht ist. 130 Gegen eine Verlängerung der Zuschlagsfrist spricht nicht, dass den Bietern keine unzumutbar langen Bindefristen auferlegt werden sollen. s. unter C. II. 2. a) bb). Für eine Verlängerung der 30-Tagesfrist Erdl, VergabeR 2001, 10, 20; vgl. auch Kratzenberg, NZBau 2001, 119, 120 Fn. 13; für eine Verlängerung der Zuschlagsfrist auch Denk, S. 308, dessen Musterrechtsschutz, S. 303 ff. dies nicht selbst regelt, sondern eine Regelung an anderer Stelle im materiellen Vergaberecht voraussetzt.

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(2) Die Situation nach der VOL In der VOL findet sich für die Dauer der Zuschlagsfrist nur eine dem § 19 Nr. 2 S. 1 VOB/A entsprechende Regelung. Eine genaue Festlegung einer Frist wie in § 19 Nr. 2 S. 2 VOB/A, die eine Regelhöchstgrenze bildet, enthält die VOL nicht. Bei der Festlegung der Zuschlagsfrist ist dem Auftraggeber hier ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt.132 Das bedeutet, dass für den Auftraggeber hier eine Berücksichtigung der Verkürzung der Entscheidungsfrist durch § 13 VgV unproblematisch möglich ist. Er kann die Zuschlagsfrist um bis zu 14 Tage verlängern.133 Wie gezeigt, tritt dadurch auch keine Benachteiligung der Bieter ein. (3) Die Situation nach der VOF In der VOF existieren schon keine Regelungen zu Zuschlags- und Bindefristen. Diese würde für das hier anzuwendende weniger formelle Verfahren nicht passen.134 Damit ergibt sich auch hier das für die VOB/A beschriebene Problem nicht. b) Beurteilung der Länge der Frist aus der Sicht der Bieter Während der Stillhaltefrist soll der Bieter die Gelegenheit haben, die Gründe für seine Nichtberücksichtigung und die Erfolgsaussichten der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zu prüfen. Nach dieser Prüfung muss er noch rechtzeitig vor Zuschlagserteilung den Nachprüfungsantrag einlegen und den Suspensiveffekt herbeiführen können. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Frist aus der Sicht des Bieters ist folglich darauf abzustellen, welche Schritte innerhalb der 14 Tage nach Eingang des Informationsschreiben zur Erlangung des schützenden Suspensiveffektes (§ 115 I GWB) seitens des Bieters zu erfolgen haben. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. tatsächliche und rechtliche Prüfung der Fehlerfreiheit der Zuschlagsentscheidung (Nichtberücksichtung) inkl. anwaltlicher Beratung des Bieters; 2. (Abfassen der) Rüge gem. § 107 III GWB gegenüber der Vergabestelle, 3. Prüfung der Rüge und Reaktion seitens der Vergabestelle, 4. Entscheidungsfindung zur Reaktion der Verga131 Näher zur geplanten Regelung, Ollmann, VergabeR 2004, 669, 677 f., der sich dazu kritisch äußert. 132 Roth, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 19 Rn. 12. 133 So inzwischen auch Schaller, VOL, 3. Aufl. 2004, § 19 Rn. 20. 134 Roth, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 19 Rn. 6.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

bestelle und zum weiteren Vorgehen inkl. anwaltlicher Beratung135, 5. Abfassen und Zusendung des Nachprüfungsantrages an die Vergabekammer, 6. Prüfung der Zustellungsvoraussetzungen durch die Vergabekammer, 7. Zustellung des Nachprüfungsantrags an den Auftraggeber.136 Es ist zu untersuchen, ob die 14-tägige Frist für die Durchführung vorstehender Schritte wirklich ausreicht, insbesondere ob er wegen der Vielzahl der Maßnahmen noch genügend Zeit zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vergabeentscheidung hat. Nur dann kann § 13 VgV seine Aufgabe, die Ermöglichung des Rechtsschutzes gegen die Vergabeentscheidung, erfüllen. Dazu ist im Einzelnen auf die angesprochenen Schritte einzugehen: aa) Zustellung des Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer an die Vergabestelle Die Reaktionsfrist des Bieters verkürzt sich dadurch, dass innerhalb der Wartefrist auch die Zustellung des bei der Vergabekammer eingereichten Nachprüfungsantrags an den Auftraggeber erfolgen muss. Denn nur so tritt das Zuschlagsverbot nach § 115 I GWB ein und kann der Vertragsschluss verhindert werden. Schon die Zustellung selbst wird mindestens 1–2 Tage dauern, so dass um diese Frist die Prüfungsmöglichkeit des Bieters verkürzt ist. Allerdings wird von der Entscheidungspraxis teilweise auch die Zustellung des Nachprüfungsantrags durch Telefax zugelassen. In diesem Fall verkürzt der Postlauf die 14-Tagesfrist nicht. Die Zustellung per Telefax wird allerdings in der Entscheidungspraxis unterschiedlich gehandhabt und bei bestimmten Fallkonstellationen gänzlich abgelehnt.137 Weiter erfolgt die Zustellung nur, wenn die Vergabekammer zu dem Ergebnis kommt, der Nachprüfungsantrag sei nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet (§ 110 II GWB). Auch durch diese Prüfung der Vergabekammer schrumpft die Reaktionsfrist des Unternehmers zusammen. Wegen der drohenden Rechtsschutzvereitelung bei einer zu langen Prüfung nach § 110 II GWB ist hier aber eine Pflicht der Vergabekammer zur zügigen 135 Zwar besteht vor der Vergabekammer kein Anwaltszwang (nach § 117 III erst in der zweiten Instanz), diese ist beim komplizierten Vergaberecht (s. Teil 1, A. III.) aber im Regelfall nötig – so auch Kus, NJW 2000, 544, 547. 136 Vgl. BKartA in seiner Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung über öffentliche Beschaffungen des BMWi v. 16.11.1999 – zit. nach Höfler/Bert, NJW 2000, 3310, 3314 insbes. Fn. 72; Ax, BauR 2000, 471, 475; Kus, NJW 2000, 544, 547 f.; Erdl, VergabeR 2001, 10, 19 Fn. 63. 137 Dazu bereits oben beim Überblick über den Ablauf des Nachprüfungsverfahrens (Teil 1, B. III. 3. c).

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Prüfung anzunehmen.138 In der Praxis der Vergabekammern erfolgt die Prüfung daher sehr zügig, so dass bei drohender Zuschlagserteilung die Zustellung des Nachprüfungsantrags an die Vergabestelle oft noch am Tag des Eingangs von der Vergabekammer veranlasst wird.139 Der Antragsteller sollte die Vergabekammer ausdrücklich auf den genauen Tag des Endes der Vertragssperrfrist und der danach drohenden Zuschlagserteilung (ggf. Ablauf der Zuschlagsfrist) hinweisen.140 Außerdem sollte der Nachprüfungsantrag auch schon mit Begründung eingereicht werden, was nach § 108 I, II GWB nicht zwingend der Fall sein muss. Denn in der Praxis nehmen die Vergabekammern die Zustellung des Nachprüfungsantrags nur nach Begründungseingang vor.141 De lege ferenda kann man diskutieren, ob bei Anfechtung der Zuschlagsentscheidung nicht der Nachprüfungsantrag direkt bei der Vergabestelle und nicht bei der VK zu stellen wäre und schon damit der Suspensiveffekt eintritt.142 Die Vergabestelle muss dann der VK den Antrag und die Vergabeakten unverzüglich vorlegen. Dies hat den Vorteil, dass der Suspensiveffekt sofort gilt, die Vertragssperrfrist also nicht durch die zügige Prüfung und Zustellung des Nachprüfungsantrags verkürzt wird. Zwar wird der Auftraggeber nicht mehr durch die Prüfung der VK nach § 110 II GWB vor willkürlichen Nachprüfungsanträgen geschützt, jedoch werden diese durch § 125 GWB und durch das Kostenrisiko im Nachprüfungsverfahren verhindert. bb) Rügepflicht Als besonders problematisch könnte sich die Rügepflicht des Bieters erweisen. Für die Einlegung des rechtsschutzsichernden Nachprüfungsantrags ist nach § 107 III GWB eine vorherige Rüge nötig. Bei der Beurteilung der Wartefrist müsste daher der Zeitraum zur Erhebung der Rüge und des Abwartens der Reaktion des Auftraggebers mit einbezogen werden. 138 Neben der hier erörterten Frage des Zeitraums der Prüfung nach § 110 II GWB stellt sich auch die Frage, welcher Maßstab an die Prüfung der Offensichtlichkeit während der Stillhaltefrist in inhaltlicher Hinsicht anzulegen ist. Dies wird allerdings erst bei den Auswirkungen der Erteilung der Information auf den Ablauf des Nachprüfungsverfahrens erörtert [C. IV. 3. d)]. 139 Dies ergaben die Gespräche des Verf. mit Vergabekammervorsitzenden. Dagegen geht Schenk, S. 211 m. w. N. davon aus, dass in der Entscheidungspraxis für die Prüfung nach § 110 II mindestens eine Woche seit Antragsstellung veranschlagt wird. 140 So auch Wegmann, NZBau 2001, 475, 479 Fn. 35. 141 Anders zu Unrecht Krist, S. 91. 142 So für alle Rechtsschutzbegehren Krist, S. 80 ff. in seinem Modell für einen Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Hier sind aber 2 Konstellationen zu unterscheiden: Hat der Bieter schon vor Eingang des Vorabinformationsschreibens von einem Vergabefehler erfahren, so kann (und muss) er auch schon vor dem Lauf der Stillhaltefrist prüfen, ob er deswegen einen Nachprüfungsantrag einlegen will. Er muss dann unverzüglich rügen. In diesen Fällen, in denen der Vergabefehler schon vor Zugang des Informationsschreibens bekannt war, führt die Rügepflicht also nicht zur Verkürzung der Reaktionszeit des Bieters.143 In vielen Fällen werden sich aber Anhaltspunkte für den Vergaberechtsverstoß erst aus dem Informationsschreiben ergeben. So wird der Bieter vor Eingang des Informationsschreibens kaum von einem Fehler bei der Zuschlagsentscheidung erfahren. In diesen Fällen muss innerhalb der 14-tägigen Frist geprüft werden, ob ein Fehler vorliegt und ob dieser Erfolgsaussichten für die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens begründet. Weiter müsste innerhalb der 14-tägigen Frist die Rüge dieses Vergaberechtsverstoßes gegenüber dem Auftraggeber erfolgen. Nach dem Sinn und Zweck der Rügepflicht144 hätte der Bieter vor der Möglichkeit des Nachprüfungsantrags dann auch noch die Reaktion der Vergabestelle auf die Rüge abzuwarten. Für die Rüge inkl. des Abwartens der Reaktion der Vergabestelle sind aber zumindest einige Tage zu veranschlagen.145 Berücksichtigt man, dass sich die Frist für den Bieter schon durch die Notwendigkeit der Zustellung des Nachprüfungsantrags (mit der Prüfung der offensichtlichen Erfolglosigkeit) verkürzt, spräche nun viel dafür, die Wartefrist als zu kurz anzusehen.146 Denn die Rüge unterbricht oder verlängert auch den Lauf der Frist des § 13 S. 2 nicht. Andernfalls hätten es die Bieter in der Hand, durch ihre Rügen die Wartefrist nahezu beliebig zu verlängern.147 143 Der Bieter, der noch kein Informationsschreiben erhalten hat, ist heute durch § 13 VgV auch vor plötzlicher Zuschlagserteilung gesichert, so dass in diesen Fällen der Wegfall der Rügepflicht – anders als vor der Einführung von § 13 VgV – nicht mehr in Betracht kommt [s. unter C. IV. 3. a)]. 144 dazu schon oben bei der Darstellung des Nachprüfungsverfahrens, Teil 1, B. III. 1. b). 145 Der für die Rüge zu veranschlagende Zeitraum könnte durch den Bieter dadurch begrenzt werden, dass er die Rüge telefonisch vornimmt. Dies ist rechtlich zulässig, s. Teil 1, B. III. 1. b). Allerdings ist dies aus Beweissicherungsgründen nicht zu empfehlen, da so die Vornahme der Rüge, deren Zeitpunkt und deren Inhalt nicht nachgewiesen werden kann. 146 Anders das BayObLG, Beschl. v. 20.8.2001 – Verg 9/01, VergabeR 2001, 438, 442 m. Anm. Horn: Eine Rüge innerhalb der 14-tägigen Stillhaltefrist sei „ohne Schwierigkeiten“ möglich. 147 OLG Jena, Beschl. v. 29.5.2002 – 6 Verg 2/02, VergabeR 2002, 543, 544 = NZBau 2002, 526.

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Im Ergebnis besteht also das Problem nicht darin, dass die Rüge überhaupt nicht erfolgen kann, sondern dass sie nicht so zeitig vorgenommen werden kann, dass das Abwarten der Reaktion der Vergabestelle möglich ist. Um diesem auf der Rügepflicht basierenden Ergebnis zu begegnen, werden verschiedene Lösungsansätze vertreten: Teilweise wird angenommen, dass die die Rügepflicht des § 107 III GWB ausnahmsweise ganz entfalle.148 Die Vertreter dieser Ansicht stützen sich zum Teil auf einen Beschluss des OLG Rostock149, in dem dieses noch mit Blick auf die von der 1. Vergabekammer des Bundes statuierte 10-tägige Vorabinformationsfrist entschieden hat, dass die Rügepflicht nicht dazu führen dürfe, dass der Rechtsschutz des Bieters verkürzt wird. Die Rügepflicht entfällt danach, wenn dem Bieter bei der Durchführung des Rügeverfahrens keine ausreichende Zeit verbliebe, durch einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer rechtzeitig das Zuschlagsverbot herbeizuführen. Die Verzögerung durch das Rügeverfahren soll dem Bieter nicht die Zeit nehmen, durch einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer rechtzeitig den Zuschlag auf das Angebot eines Konkurrenten zu verhindern.150 Auch das OLG Stuttgart hat für die Zeit vor der Einführung von § 13 VgV, in der die Entscheidungspraxis eine Vorabinformationspflicht aus den Verdingungsordnungen herleitete, entschieden, dass eine direkte Anrufung der VK auch ohne Rüge geboten sein kann, wenn schnelles Handeln erforderlich ist.151 Für das gänzliche Entfallen der Rüge wird weiter vorgebracht, dass nach der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung an die Bieter ein freiwilliges Revidieren der Zuschlagsentscheidung zwar nicht ausgeschlossen152, aber praktisch unwahrscheinlich ist.153 148 Gröning, wrp 2001, 1, 6; dem zustimmend Erdl, VergabeR 2001, 10, 19 Fn. 63; Saarländisches OLG, Beschl. v. 29.5.2002 – 5 Ver 1/01, VergabeR 2002, 493 m. Anm. Opitz; dagegen: BayObLG, Beschl. v. 20.8.2001 – Verg 9/01, VergabeR 2001, 438, 442 m. Anm. Horn: Da das BayObLG davon ausgeht, dass eine Rüge innerhalb der 14-tägigen Stillhaltefrist „ohne Schwierigkeiten“ möglich sei, könne daher ein ausnahmsweises Entfallen der Rügepflicht, wie von der Rspr. früher bei Gefahr der Zuschlagserteilung angenommen, mit der Einführung des § 13 nicht mehr angenommen werden. 149 Beschluss v. 10.5.2000 – 17 W 3/00, IBR 2000, 352 – Waldner. 150 Nach Auffassung von Jaeger, NZBau 2001, 289, 295 lässt sich dem Urteil des OLG Rostocks dagegen eine Aussage zur Notwendigkeit einer Rüge streng genommen nicht entnehmen, da die die Rügeobliegenheit auslösende Kenntnis noch gar nicht vorlag. 151 OLG Stuttgart, Beschluss v. 12.5.2000 – 2 Verg 1/00, NZBau 2000, 542 (LS) = IBR 2000, 582 (Trautner). Es lässt daher eine alleinige Rüge durch Antragstellung bei VK zu. Dagegen hat sich ausdrücklich die VK Sachsen-Anhalt beim RP Magdeburg, Beschl. v. 13.07.2001, 33-32571/07 VK 11/01 MD gewendet. 152 Siehe bei Fn. 168.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Nach überzeugender Auffassung ist dagegen eine Rüge dem Grunde nach erforderlich. Der Bieter hat aber die Möglichkeit, das Nachprüfungsverfahren unmittelbar nach der Rüge einzuleiten, ohne die Stellungnahme des Auftraggebers zur Rüge abzuwarten. Notfalls kann die Rüge auch gleichzeitig mit der Einleitung des Nachprüfungsantrags vorgenommen werden.154 Es hat im Gesetz keinen Niederschlag gefunden, dass der Bieter dem Sinn der Rügepflicht entsprechend nach der Rüge eine angemessene Zeit bis zur Stellung des Nachprüfungsantrages abwarten muss, um dem Auftraggeber eine Korrektur zu ermöglichen. Das Gesetz sieht eine Wartefrist zwischen der Erklärung der Rüge und der Einreichung des Nachprüfungsantrags nicht vor.155 Daher kann die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags von der Beachtung einer Wartefrist nicht abhängig gemacht werden.156 Diese Auslegung verstößt auch nicht gegen das Europarecht, da die Einführung einer Rügepflicht nach Art. 1 III der RMRL ohnehin im Ermessen des nationalen Gesetzgebers steht. Ganz im Gegenteil würde es gegen das Europarecht verstoßen, wenn die fakultativ einzuführende Rügepflicht den wirksamen Rechtsschutz unmöglich machte.157 153 So Denk, S. 311 für die Rechtslage in Österreich. Dort ist in den Vergabegesetzen, die ein mit der Rüge vergleichbares Vorverfahren vorsehen, dieses nicht erforderlich, wenn die Zuschlagsentscheidung angefochten wird – § 97 I S. 2 WLVergG und § 59 I OÖ VergG 2000. Anders ist dies in Vorarlberg. Hier muss auch bei der Anfechtung der Zuschlagsentscheidung ein Vorverfahren durchgeführt werden (§ 11 VbgVergG). 154 KG Berlin, Beschl. v. 15.4.2002, KartVerg 3/02, VergabeR 2002, 399, 400 f. (Nach dem KG Berlin ist auch eine Rüge nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens möglich. Die Rüge könne nachgeholt werden. Anders VK Thüringen, Beschl. v. 6.9.2002 – 216-4002.20-021/02-GRZ, S. 9 – Rüge nach Antragstellung unzulässig); OLG Frankfurt, BauR 2000, 1595, 1597; Wegmann, NZBau 2001, 475, 479; Hoffmann, S. 104 ff.; Lück, S. 98 f., der dann auch ausnahmsweise ein gänzliches Entfallen der Rüge befürwortet; Jaeger, NZBau 2001, 289, 295 (für das Abwarten des Misserfolges der Rüge dagegen noch in: EWS 2000, 124, 125); VK Thüringen, Beschl. v. 13.08.2001 (216-4003.20-100/01-EF-S), S. 6 m. w. N. Auch schon für die Lage vor Geltung der Vorabinformationspflicht überhaupt ist es vertreten worden, dass es zulässig sei, den Nachprüfungsantrag auch nur eine „juristische“ Sekunde nach der Rüge zu stellen, Erdl, BauR 1999, 1341, 1352. Diese Auffassung sah diese Möglichkeit als notwendig an, weil der durch die Rüge gewarnte Auftraggeber noch schnell hätte den Zuschlag erteilen können. Nach der (gesetzlichen) Einführung der Vorabinformationspflicht stellt sich das Problem aber in dieser Form nicht mehr [dazu unter C. II. 2. g)]. 155 Erdl, BauR 1999, 1341, 1352 f. zum Wegfall der Rügepflicht wegen eines vergleichbaren Problems, dass aber mit der Schaffung von § 13 VgV entfallen ist. 156 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.7.2001 – Verg 16/01, VergabeR 2001, 419, 421 m. Anm. Trautner. 157 In diese Richtung auch Denk, S. 236 m. w. N. und Hugenroth, ZfBR Sonderbeilage 5/2004, 3, 4.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Auch der Sinn und Zweck der Rüge spricht hier nicht für die Pflicht zur vorherigen Rüge. In den Fällen, in denen wie hier – unmittelbar nach dem Erkennen des Vergaberechtsverstoßes der Nachprüfungsantrag eingelegt wird und wegen des drohenden Ablaufs der Stillhaltefrist eingelegt werden muss, spekuliert der Bieter gerade nicht darauf, dass sich der Vergaberechtsverstoß zu seinen Gunsten auswirkt.158 Außerdem muss berücksichtigt werden, dass es hier um die Rügepflicht in den Fällen geht, in denen die Zuschlagsentscheidung schon getroffen wurde. Wenn diese schon zugunsten eines anderen Bieters gefallen ist, ist eine Spekulation des Nichtberücksichtigten auf einen ihm günstigen Ausgang des Vergabeverfahrens ausgeschlossen.159 Auch der weitere Zweck der Rüge, dem Auftraggeber ein Abhelfen des Verstoßes zu ermöglichen, ist nicht gefährdet. Denn dieses Abhelfen ist der Vergabestelle auch bei einer Rüge gleichzeitig mit Einlegung des Nachprüfungsverfahrens möglich. Mit dem Abhelfen des Rechtsverstoßes wird die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens herbeigeführt. Dem Auftraggeber droht dann auch keine Kostenbelastung, da diese dem Antragsteller aufzuerlegen sind, wenn er mit dem Nachprüfungsverfahren noch hätte abwarten können.160 Die Kostenzuweisung ist also das Korrektiv für das Wegfallen der vorherigen Rüge als Zulässigkeitsvoraussetzung. Im Ergebnis sind also auch nach Einführung von § 13 VgV noch Fälle denkbar, in denen eine Rüge parallel mit dem Nachprüfungsantrag erforderlich ist.161 158 KG Berlin, Beschl. v. 15.4.2002, KartVerg 3/02, VergabeR 2002, 399, 400 f., dass dies aber ausdrücklich auf die Fälle beschränkt, in denen der Nachprüfungsantrag unverzüglich nach Kenntnis des Verstoßes gestellt wird, „weil ein verspäteter Nachprüfungsantrag in gleichem Umfang zur Präklusion führen muss, wie eine nicht unverzüglich erhobene vorprozessuale Rüge.“ 159 Saarländisches OLG, Beschl. v. 29.5.2002 – 5 Ver 1/01, VergabeR 2002, 493, 495. 160 KG Berlin, Beschl. v. 15.4.2002, KartVerg 3/02, VergabeR 2002, 399, 400 f.; OLG Frankfurt, BauR 2000, 1595, 1597. Beide Gerichte leiten die Kostentragungspflicht aber aus unterschiedlichen Normen ab: § 93 ZPO bzw. §§ 91 a ZPO, 161 VwGO; vgl. dazu auch Erdl, BauR 1999, 1341, 1352 f. (Nach dem Abhelfen könne der Auftraggeber den Fehler anerkennen. Dieses sofortige Anerkenntnis wäre kostenrechtlich nach § 93 ZPO zu beurteilen.); Horn, Anm. zu KG Berlin, Beschl. v. 15.4.2002, VergabeR 2002, 403, 404, dessen Ausführungen zur Kostentragungspflicht aber einen logischen Bruch dadurch aufweisen, dass er zunächst auf der Basis des KG diskutiert, innerhalb dieses Argumentationsstrangs dann aber unzulässig seine eigene Meinung (Verletzung der Rügepflicht) zur Begründung der Kostentragungspflicht des Antragsstellers heranzieht. 161 Monatsinfo Vergabe e. V. 9/2001, 108, 109 f.; Schröder, VergabeR 2002, 229, 234.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Es ist dagegen nicht überzeugend, die Rügepflicht ganz entfallen zu lassen. Ein gänzliches Entfallen der Rügepflicht ist mit dem Wortlaut des § 107 III GWB (und des § 108 II GWB162) nicht vereinbar.163 Eine Einschränkung einer Norm gegen ihren Wortsinn ist indes möglich, wenn nur so der Sinn des Gesetzes erreicht werden kann (teleologische Reduktion). Dem Telos des Gesetzes wird bei dieser teleologischen Reduktion durch die Hinzufügung der notwendigen Einschränkung (Ausnahmeregel) entsprochen.164 So soll dann auch das Entfallen der Rügepflicht durch eine teleologische Reduktion des § 107 III GWB hergeleitet werden165: Da der Bieter ohnehin die Möglichkeit hätte, den Nachprüfungsantrag gleichzeitig mit dem Rüge zu stellen, könnte auch der Sinn der Rüge, dem Auftraggeber vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens die Möglichkeit zu geben, sein als vergaberechtswidrig empfundenes Verhalten zu korrigieren und so das Nachprüfungsverfahren abzuwenden, ohnehin nicht erreicht werden. Dann könne die Rüge auch gleich entfallen.166 Bei der teleologischen Reduktion muss aber der Sinn des Gesetzes die Einschränkung fordern. Die Einschränkung muss für das Telos des Gesetzes notwendig sein. Eine Einschränkung des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut ist nur zulässig, wenn sie auch erforderlich ist. Bei der vorstehenden Argumentation steht der Sinn des § 107 III GWB der Einschränkung aber nur nicht entgegen, fordert sie aber nicht zwingend: Wegen ihrer Sinnlosigkeit muss die Rüge nicht entfallen, sondern kann nur entfallen. Eine Reduktion wäre nur möglich, wenn der Sinn des GWB, Nachprüfungsverfahren zu ermöglichen, ohne Entfallen der Rügepflicht nicht erreicht werden könnte. Wie gezeigt, genügt zur Sicherstellung der Rechtsschutzmöglichkeit aber auch die Zulassung der parallelen Einlegung. Damit bleibt es dabei, dass der Wortlaut von § 107 III GWB einem gänzlichen Entfallen der Rügepflicht entgegensteht. Weiter wird für das Entfallen der Rügepflicht nach Zuschlagsentscheidung geltend gemacht, dass eine Rüge dann entbehrlich ist, wenn die Vergabestelle zu erkennen gibt, dass sie unumstößlich an ihrem Verhalten festhalten will. Nach Auffassung des Saarländischen OLG167 ist dies schon der Fall, wenn die Vergabestelle klar ihre Absicht mitgeteilt habe, an einen anderen Bieter zu vergeben. Danach würde also auch eine Information nach § 13 VgV die Rügepflicht ausschließen. Dies kann nicht überzeugen. Denn 162 Danach muss in der Antragsbegründung die Tatsache der Rügebeerklärung dargelegt werden – vgl. auch Jaeger, NZBau 2001, 289, 295. 163 So auch Wegmann, NZBau 2001, 475, 479. 164 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210 ff.; Bydlinski, S. 480 f. 165 Gröning, wrp 2001, 1, 6; Saarländisches OLG, Beschl. v. 29.5.2002 – 5 Ver 1/01, VergabeR 2002, 493, 495 f. 166 Gröning, wrp 2001, 1, 6. 167 Beschl. v. 29.5.2002 – 5 Ver 1/01, VergabeR 2002, 493, 496.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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allein diese Mitteilung der Zuschlagsentscheidung beinhaltet nicht die Aussage, unumstößlich am eigenen Verhalten festhalten zu wollen, schließt also nicht von vornherein aus, dass der Auftraggeber dennoch eine andere Zuschlagsentscheidung zu treffen bereit ist.168 Darüber hinaus greift auch das Argument, mit der Einräumung der Möglichkeit einer parallelen Einlegung von Rüge und Nachprüfungsantrag werde die Rüge zur sinnlosen Förmelei, so dass sie auch gleich entfallen könnte, nicht durch. Denn der Auftraggeber habe keine Gelegenheit die Berechtigung der Rüge zu prüfen und ihr noch vorprozessual abzuhelfen.169 Auch die Rüge, die nur eine „juristische Sekunde“ vor dem Nachprüfungsantrag erfolgt, ist nicht sinnlos. Denn sie geht dem Auftraggeber sofort zu, während dies beim Nachprüfungsantrag erst nach Prüfung der offensichtlichen Erfolglosigkeit durch die Vergabekammer der Fall ist. Der Auftraggeber erfährt also durch die Rüge schon früher als durch den Nachprüfungsantrag von den behaupteten Rechtsverstößen, kann ihnen also auch schon früher abhelfen. Damit tritt die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens schneller ein, so dass er wegen des Wegfalls des Suspensiveffektes auch schneller den Zuschlag erteilen kann. Gegen das gänzliche Entfallen der Rügepflicht bei der Geltendmachung von Mängeln der Zuschlagsentscheidung spricht als wichtiges Argument weiter, dass nicht in allen Fällen eine Rüge erst kurz vor dem Ablauf der 14-Tagesfrist möglich und zulässig ist. Nicht selten sind Fälle, in denen der Vergaberechtsverstoß so offensichtlich ist, dass die Rüge schon wenige Tage nach dem Vorabinformationsschreiben erfolgen kann. Dafür spricht auch, dass die Prüfung der Erfolgsaussichten anhand der Vorabinformation ohnehin nicht so umfangreich ist, weil die Vorabinformation selbst nur wenige Informationen enthält und daher ihre Auswertung zumeist nicht so lange dauert. Dann ist eine Rüge, die erst mit Einlegung des Nachprüfungsantrags erfolgt, nicht unverzüglich.170 Denn die Zeitspanne, die ab der Kenntnis des Vergabeverstoßes für die Rüge zur Verfügung steht, beurteilt sich nach allgemeiner Auffassung nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen. Die Rüge muss so rechtzeitig erfolgen, wie dies dem Antragsteller mit Rücksicht auf die für die Prüfung und Begründung der Rüge notwendigen Zeit möglich und zumutbar ist.171 Die Möglichkeit der zeitgleichen Vornahme von Rüge und Nach168 Vgl. auch Opitz, Anm. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.5.2002 – 5 Ver 1/01, VergabeR 2002, 502 f. 169 Dazu auch Gröning, wrp 2001, 1, 6; Horn, Anm. zu KG Berlin, Beschl. v. 15.4.2002, VergabeR 2002, 403 f. 170 In diese Richtung auch VK Baden-Württemberg; Beschl. v. 8.07.2002 – 1 VK 30/02, S. 6 ff.; VK Hessen (RP Darmstadt), Beschl. v. 10.7.2002 – 69 d VK 28/ 2002, S. 5.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

prüfungsantrag ist also nicht generell erforderlich und daher auch nicht generell möglich.172 Dass die Rüge eines erst aus dem Informationsschreiben ersichtlichen Vergaberechtsverstoßes auch schon kurz nach Eingang des Informationsschreibens möglich ist, zeigt auch die Vergabepraxis.173 Wenn hier also die Rüge noch vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erfolgt, bleibt dann dem Auftraggeber u. U. sogar auch noch die Möglichkeit, vor dem Nachprüfungsverfahren auf die Rüge zu reagieren.174 Die Lösung, die Rügepflicht bestehen zu lassen175, diese aber (nur) bei Bedarf ohne Abwarten der Reaktion der Vergabestelle, d.h. ggf. auch gleichzeitig mit dem Nachprüfungsantrag zuzulassen, ermöglicht im Einzelfall flexible Ergebnisse und ist daher sachgerechter. Im Ergebnis ist die Vertragssperrfrist nicht bereits wegen der Rügepflicht als zu kurz anzusehen.176

171 Vgl. nur VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 1.7.2002, – 1 VK 22/02, S. 8 ff.; VK Thüringen, Beschl. v. 10.10.2002 – 216-4004.20-042/02-J-S, S. 11. 172 In diese Richtung auch VK Hessen (RP Darmstadt), Beschl. v. 10.7.2002 – 69 d VK 28/2002, S. 5. 173 Vgl. etwa VK Lüneburg, Beschl. v. 31.05.2002 – 203-VK-09/2002, S. 7. 174 Würde man dagegen die Rügepflicht hier verneinen, führte dies bei Vergaberechtsverstößen automatisch zum Nachprüfungsverfahren. Der Auftraggeber, der einen Fehler unabsichtlich gemacht hat, hätte nicht einmal die theoretische Möglichkeit, diesen Fehler abzustellen, selbst wenn er wollte. Ihm drohte dann auch die Belastung mit den Kosten des Nachprüfungsverfahrens. 175 Zu den Auswirkungen der Vorabinformation auf den Umfang der Rügepflicht – unter C. IV. 3. a) aa). 176 Die Lösung zur „Verlängerung“ der Frist über die Entbindung von der vorherigen Rügepflicht kann nach Auffassung von Schenk, S. 212 f. nicht die Gemeinschaftskonformität der deutschen Rechtslage herbeiführen. Denn für die ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung lasse der EuGH weder eine bestimmte Verwaltungspraxis noch eine gefestigte Rechtsprechung genügen. Diese Auffassung kann nicht überzeugen, denn diese Lösung ergibt sich schon de lege lata aus der deutschen Gesetzeslage. Es liegt also nicht die von Schenk angesprochene Fallgruppe einer, durch die Gesetzeslage nicht abgesicherten Entscheidungspraxis bzw. Verwaltungspraxis vor. Zum Vorschlag zur Rügepflicht de lege ferenda von Gröning, unter C. II. 2. e). Dass die weitere Möglichkeit, de lege ferenda die Rügepflicht bei Anfechtung der Zuschlagsentscheidung wie in Österreich ganz abzuschaffen, abzulehnen ist, ergibt sich schon aus dem eben Ausgeführten.

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c) Beginn der Stillhaltefrist – Tag der Absendung oder des Zugangs der Information? aa) Die Rechtslage de lege lata – Beginn am Tag der Absendung der Vorabinformation Für die Beurteilung der Länge der 14-tägigen Vertragssperrfrist ist weiter zu berücksichtigen, dass es nach der Neufassung des § 13 VgV durch die 2. Änderungsverordnung zur VgV, die am 15.2.2003 in Kraft trat177, nach dessen ausdrücklichem Wortlaut in S. 3 und 4 für den Fristbeginn auf den Tag der Absendung der Information und nicht den Tag ihres Zugangs ankommt. Die Sätze 3 und 4 des § 13 VgV waren auf Verlangen des Bundesrates178 neu in den Text aufgenommen worden.179 Er wollte damit der heftigen Kontroverse, die in Entscheidungspraxis und Literatur im Hinblick auf den Fristbeginn nach der Ursprungsfassung des § 13 VgV entstanden war, den Boden entziehen: Satz 2 der Ausgangsfassung des § 13 VgV galt für Vergabeverfahren, die vom In-Kraft-Treten der VgV am 1.2.2001 bis zum In-Kraft-Treten der 2. Änderungsverordnung zur VgV am 15.2.2003 begonnen worden sind.180 Er lautete: Der Auftraggeber „gibt die Information schriftlich spätestens 14 Kalendertage vor dem Vertragsschluss ab.“ Nach der amtlichen Begründung zu § 13 VgV sollte es für den Beginn der Wartefrist auch bei dieser ursprünglichen Ausgestaltung des § 13 VgV nicht auf den Zugang der Information beim Bieter, sondern auf den Tag der Absendung durch den öffentlichen Auftraggeber ankommen.181 Dieses vom Verordnungsgeber intendierte Abstellen auf den Absendetag des Informationsschreibens wurde von Anfang an heftig kritisiert. Im Schrifttum wurde zu Recht182 überwiegend vertreten, dass § 13 VgV so 177

Näher dazu Teil 1, A. VI. 3. c) dd) (2). Die von der Bundesregierung beschlossene Fassung der 2. Änderungsverordnung, die zur Zustimmung an den Bundesrat übersandt wurde, enthielt noch keine Änderung des § 13 VgV (BR-Drs. 826/02 v. 6.11.2002). 179 Der ursprüngliche S. 2 der VgV wurde durch die S. 2–4 ersetzt. Satz 1 blieb unverändert, dies gilt auch für den ursprüngliche S. 3 und 4, die zu Sätzen 5 und 6 wurden. 180 Vgl. die Übergangsregelung in § 23 VgV. 181 Begründung der Bundesregierung zu § 13 der Verordnung; so auch die Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/00, 31.10.2000), S. 4 und der folgende Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 455/00, S. 2. 182 Der Wortlaut „gibt . . . ab“ sprach dafür, dass es für den Beginn der Frist nach dem Wortlaut auf das Absendedatum ankommt. In begrifflicher Hinsicht erfolgt bei der schriftlichen Versendung einer Information die Abgabe mit dem Absenden, der Zugang mit dem Eingang des Schreibens (so auch KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, 178

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

auszulegen sei, dass für den Beginn der Wartefrist auf den Zugang des Vorabinformationsschreibens abgestellt werden müsse.183 Von der (Entscheidungspraxis)Praxis wurde dagegen zunächst entgegen der vorgebrachten Kritik für den Fristbeginn auf den Tag der Absendung abgestellt.184 Auch die Vergabestellen berechneten die Vorabinformationsfrist auf diese Weise.185 Allerdings hatte später als erstes Oberlandesgericht das KG Berlin den § 13 VgV so ausgelegt, dass es für den Beginn der Frist regelmäßig auf den Zugang beim (letzten) Bieter ankommt.186 Um dieser, auch nach der KG-Entscheidung nicht abgeschlossenen187 Kontroverse in der Entscheidungspraxis und Literatur ein Ende zu machen KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235, 239; vgl. weiter Kratzenberg, NZBau 2001, 119, 121). Eine Information ist begrifflich eben nicht erst abgegeben, wenn sie den Adressaten erreicht hat. Allerdings war der Wortlaut aber nicht so eindeutig formuliert, dass er zwingend eine solche Auslegung vorschreiben würde. Eine Korrektur dieses durch Wortlautauslegung gewonnenen Verständnisses ist also durch die anderen Auslegungsmethoden noch möglich (so auch Gröning, WRP 2001, 1, 5). Wegen des ausdrücklich erklärten Willens des Verordnungsgebers ließ sich aber auch die historische Auslegung für ein Abstellen auf den Absendetag anführen. Allerdings sprachen die Systematik, das Telos und die Gemeinschaftskonforme Auslegung für ein Abstellen auf den Zugangszeitpunkt. Die bei diesen Auslegungsmethoden gewonnenen Argumente für die Maßgeblichkeit des Zugangstages für den Beginn der Frist überwogen gegenüber dem aus dem Wortlaut und aus der historischen Auslegung gewonnenen Ergebnis (näher zu diesen Argumenten sogleich im Text). Eine Herleitung dieses Ergebnisses über eine analoge Anwendung des § 130 BGB war aber nicht möglich (so aber Gröning, WRP 2001, 1, 5; Kemper, NJ 2001, 403, 406; Lück, S. 98), da es dafür wegen des entgegenstehenden Willens des Verordnungsgebers an einer planwidrigen Regelungslücke fehlte. Nicht überzeugend auch die Argumentation bei Hoffmann, S. 58 ff. 183 Gröning, wrp 2001, 1, 6; Erdl, VergabeR 2001, 10, 20; Kemper, NJ 2001, 403, 406; Lück, S. 98; in diese Richtung auch Putzier, DÖV 2002, 517, 520; anders Jasper, in: Tagungsband – Zweiter Düsseldorfer Vergaberechtstag am 28. Juni 2001, S. 11, 21. 184 VK Sachsen, Beschl. v. 27.9.2001 – 1/SVK/85-01, Monatsinfo forum vergabe e. V. 11/2001, 150 f.; VK Thüringen, Beschl. v. 1.03.2002 – 216-4002.20-004/02EF-S, S. 8 f., die bei der Berechnung der Frist als maßgeblichen Bezugspunkt für den Beginn der Frist den Tag der Absendung ansieht. Aus der Literatur vertreten diese Ansicht Wegmann, NZBau 2001, 475, 477; Portz, VergabeR 2002, 211, 215; Gesterkamp, NZBau 2002, 481, 482; Hailbronner, NZBau 2002, 474, 477; Schabel, in: Hartmann, VOF, Teil 6/3 S. 29; Noch, Vergaberecht kompakt, 2. Aufl., S. 50. 185 So informierte etwa im Fall der VK Brandenburg, Beschl. v. 27.5.2002 – 2 VK 94/01die Auftraggeberin mit Schreiben vom 13. Juli 2001 die Antragstellerin darüber, dass sie beabsichtige, den Zuschlag am 29. Juli 2001 zu erteilen. 186 KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235 m. Anm. Erdl; dem folgend OLG Jena, Beschl. v. 9.9.2002 – 6 Verg 4/02, VergabeR 2002, 631, 633 f. m. Anm. Kus; so auch VK Thüringen, Beschl. v. 10.10.2002 – 216-4004.20042/02-J-S, S. 16; zustimmend in der Literatur: Kus, Anm. zu OLG Jena, Beschl. v. 9.9.2002, VergabeR 2002, 634 ff.; Glahs, in: Reidt, § 13 VgV Rn. 23 und 25.

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und das von ihm von Anfang an angestrebte Abstellen auf den Absendetag durchzusetzen, hat der Bundesrat § 13 VgV durch Einfügung der S. 3 und 4 so abgeändert, dass einer anders gerichteten Auslegung wegen seines unmissverständlichen Wortlauts der Boden entzogen ist.188 Aus seiner Sicht soll mit der Maßgeblichkeit des Absendetages für die Fristberechnung eine zügige Auftragsvergabe sichergestellt werden. Weiter habe dies den Vorteil, dass der Lauf der Frist für alle Bieter gleich ist, wenn der Auftraggeber die Information an die verschiedenen Bieter am gleichen Tag189 absendet, so dass der Auftraggeber den Zeitpunkt der frühesten Zuschlagserteilung schnell und sicher berechnen könne.190 De lege lata ist also ab In-Kraft-Treten der Neufassung des § 13 VgV am 15.2.2003 für den Fristbeginn auf den Tag der Absendung abzustellen. bb) Eigener Vorschlag de lege ferenda Wie im Folgenden gezeigt wird, führt dieses Abstellen auf den Tag der Absendung der Information aber dazu, dass das mit § 13 VgV angestrebte Ziel, effektiven Rechtsschutz der Bieter zu sichern, nicht erreicht wird. Daher ist § 13 VgV de lege ferenda dahingehend zu ändern, dass er für den Fristbeginn ausdrücklich auf den Zugang der Vorabinformation beim Bieter abstellt: Durch die Konstruktion des Abstellens auf den Absendetag gehen Übermittlungsverzögerungen191 immer zu Lasten des Bieters und nicht zu Lasten der Vergabestelle.192 Dies ist wegen der längeren Postlaufzeiten beson187 Portz, VergabeR 2002, 211, 215 und Schröder, NVwZ 2002, 1440, 1442 wandten sich ausdrücklich gegen das Ergebnis des KG und vertraten ein Festhalten am Tag der Absendung. Für die Entscheidungspraxis beendet wurde die Kontorverse erst nach dem InKraft-Treten der Neufassung des § 13 VgV: Mit seinem Beschluss vom 9.2.2004, X ZB 44/03, NJW 2004, 2092 = ZfBR 2004, 399 = NZBau 2004, 229 = VergabeR 2004, 201 m. Anm. Erdl. hat der BGH verbindlich entschieden, dass es nach der Ausgangsfassung des § 13 VgV auf den Tag der Absendung der Vorabinformation ankam. 188 Monatsinfo forum vergabe e. V. 12/2002, 165. 189 Der dann auch sorgfältig dokumentiert werden sollte – Kratzenberg, NZBau 2001, 119, 121; so auch der Einführungserlass des BMVBW zur Vergabeverordnung, nachdem der Absendetag im Vergabevermerk zu dokumentieren ist, zit. nach Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 27 VOB/A Rn. 18. 190 Begründung zur Neuregelung des § 13, BR-Drs 826/02 (Beschluss) v. 20.12. 2002, S. 2; so auch schon zur Ursprungsfassung: BR-Drs. 455/1/00, 31.10.2000, S. 4 und BR-Drs. 455/00, S. 2. 191 Der Bieter trägt aber nur das Verspätungsrisiko, nicht jedoch das Zugangsrisiko, da der Auftraggeber weiter den Zugang des Informationsschreibens beweisen muss – Jasper, in: Tagungsband – Zweiter Düsseldorfer Vergaberechtstag am 28. Juni 2001, S. 11, 21.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

ders für Bieter aus den anderen Mitgliedsstaaten problematisch. Es kann so vorkommen, dass dem Bieter die Information erst nach Fristablauf und damit nach inzwischen schon erfolgter Zuschlagserteilung zugeht.193 Eine Vorabinformation ist also mitnichten sichergestellt. Zumindest wird aber durch die Postlaufzeit die dem Bieter für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung zustehende Zeitspanne, die ohnehin schon durch die zahlreichen vorzunehmenden Maßnahmen194 begrenzt ist, noch weiter (unzumutbar) verkürzt,195 zumal sich diese Postlaufzeit etwa auch durch Feiertage verlängern kann. Das Postwesen in der Europäischen Gemeinschaft ist – entgegen der Einschätzung des BGH, Beschl. vom 9.2.2004196 – keineswegs so ausgestaltet, dass Briefe ausländische Empfänger in jedem Fall sicher innerhalb weniger Tage erreichen.197 Aus der soeben dargestellten Problematik ergibt sich auch, dass das Abstellen auf den Absendetag gemeinschaftsrechtswidrig ist. Denn es führt bei den ausländischen Bietern wegen der für diese längeren Postlaufzeiten zu einer Benachteiligung (möglicherweise Information erst nach Zuschlagserteilung; kürzere Prüfungs- und Anfechtungsfrist).198 Es liegt also ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vor.199 Beim Abstellen auf das Absendedatum verbleibt gerade den ausländischen Bietern wegen der längeren Postlaufzeiten eine zu kurze Reaktionszeit zur Prüfung der Erfolgsaussichten der Nachprüfung. Es ist nicht sichergestellt, dass sie den Suspensiveffekt des § 115 I GWB noch vor Ablauf der 14-Tagesfrist herstellen können. Damit läge auch ein Verstoß gegen den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes vor,200 zu dessen Gewährung der § 13 VgV gerade eingeführt wurde. Inzwischen hat auch der EuGH in einer Entscheidung vom 24.6. 192

Erdl, VergabeR 2001, 10, 20. Höfler/Bert, NJW 2000, 3310, 3314 f. 194 Siehe unter C. II. 2. b). 195 Anders Jasper, in: Tagungsband – Zweiter Düsseldorfer Vergaberechtstag am 28. Juni 2001, S. 11, 21, nach der der Überlegungszeitraum der Bieter durch den Postweg nur unerheblich verkürzt wird. 196 BGH, Beschl. v. 9.2.2004, a. a. O., VergabeR 2004, 201, 206. 197 Man verschicke nur einmal eine Urlaubskarte innerhalb der EU. 198 Das gleiche gilt für den in Vergaberechtskreisen diskutierten Vorschlag, nach dem die Vorabinformationsfrist erst einen Tag nach Absendung beginnt. Auch dieser Vorschlag ist daher abzulehnen. 199 Berrisch/Nehl, DB 2001, 184, 186; Höfler/Bert, NJW 2000, 3310, 3314 f. Auch das österreichische Bundesvergabeamt hielte eine Regelung, die auf den Tag der Absendung abstellen würde, für gemeinschaftsrechtswidrig, da ausländische Bieter benachteiligt werden würden – BVA, 12.6.2001 N-63/01-8, ZVB 2001, 5 m. Anm. Elsner/Kreisler; Schiefer, Anm. zu BVA, 10.10.2001, N-103/01-10, RPA 2001, 235; a. A. wohl BGH, Beschl. v. 9.2.2004, a. a. O., VergabeR 2004, 201, 207. 200 Berrisch/Nehl, DB 2001, 184, 186; so im Ergebnis auch KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235, 239 f. m. Anm. Erdl. 193

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2004 klargestellt, dass eine Vorabinformationsregelung nur dann europarechtskonformen Rechtsschutz sicherstellt, wenn zwischen der Vorabinformation und der Zuschlagserteilung ein „angemessener Zeitraum liegt“, der die Erlangung von Rechtsschutz ermöglicht (Rz. 23)201. Daher ist die deutsche Vergaberechtslage nach wie vor europarechtswidrig, solange weiter der Tag der Absendung der Information maßgeblich wäre.202 Selbst durch die Tatsache, dass nach der Neufassung des § 13 VgV die Vorabinformation per Telefax und E-Mail zulässig ist203, so dass eine Verkürzung der Reaktionsfrist der Bieter durch (unterschiedliche) Postlaufzeiten nicht zwangsläufig eintreten muss, ist die Diskriminierung der Bieter nicht in jedem Fall ausgeschlossen. Denn es bleibt weiterhin möglich, die Information auf dem Postweg versandt wird und es so zu einer Diskriminierung der ausländischen Bieter kommt. Zum Ausschluss der Diskriminierung ausländischer Bieter und zur Absicherung einer ausreichenden Entscheidungsfrist der Bieter, also auch von deren effektivem Rechtsschutz, ist nicht nur die Zulässigkeit der Versendung durch Telefax oder E-Mail, sondern eine rechtliche Verpflichtung zur Vorabinformation per Fax Telefax oder E-Mail erforderlich. Eine solche lässt sich aber nach der deutschen Rechtslage204 nicht herleiten.205 Auch das Telos des § 13 VgV spricht für seine Änderung. Sein Zweck ist es, die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers zu ermöglichen. Stellt man auf den Tag der Absendung ab, so verkürzt sich die ohnehin schon knapp bemessene Reaktionsfrist des Bieters noch weiter um die Dauer des Postlaufes. Die Reaktionszeit des Bieters ist dann zu kurz.206 Da sie die Stichhaltigkeit ihrer Nichtberücksichtigung nicht mehr ausreichend prüfen können, wird gerade die angestrebte Schaffung eines effektiven Rechtsschutzes verfehlt. Daher spricht auch das Telos des § 13 VgV dafür, ihn dahingehend zu ändern, dass es für den Fristbeginn auf den Zugangstag ankommt. Die Verkürzung der Entscheidungsfrist ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass nach der Neufassung des § 13 VgV die Vorabinformation auch per Fax oder per E-Mail versandt werden kann. Dafür wäre, wie bereist ausgeführt, eine Verpflichtung auf diese schnellen Informationswege erforderlich gewesen. 201

EuGH, Urt. v. 24.6.2004, C-212/02, a. a. O., VergabeR 2004, 587, 589 f. Horn, LKV 2001, 241, 243 f.; in diese Richtung auch Glahs, in: Reidt, § 13 VgV Rn. 23 und 25; a. A. Hailbronner, NZBau 2002, 474, 477. 203 Dazu näher unter bb) (2). 204 Anders jetzt in Österreich nach § 100 I BVergG 2002. 205 Sie ist auch nicht wünschenswert, siehe unter e). 206 Gröning, WRP 2001, 1, 5; so auch KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235, 239. 202

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Weiter lassen sich systematische Argumente für eine Änderung des § 13 VgV anführen. Dem Vergabeverfahren liegt nach § 97 II GWB die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sämtlicher Bieter zu Grunde. Mit diesem Grundsatz ist es nicht vereinbar, wenn den Bietern aufgrund unterschiedlicher Postlaufzeiten unterschiedlich lange Prüfungsfristen für die Einlegung des Nachprüfungsantrags zuständen.207 Dies spricht gegen das Abstellen auf den Absendetag. Für das Abstellen auf den Zugang lässt sich weiter anführen, dass es im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen zur Wirksamkeit von Verwaltungsakten, rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen und rechtsgeschäftsähnliche Handlungen steht. Bei allen diesen Akten kommt es für die Wirksamkeit darauf an, dass sie dem Betroffenen zugegangen oder bekannt gegeben worden sind. Bei Verwaltungsakten kommt es für die Wirksamkeit gegenüber dem Betroffenen auf die Bekanntgabe an, bei Willenserklärungen unter Abwesenden nach § 130 I BGB auf den Zugang. Letzteres gilt auch bei den rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen (Anzeigen nach §§ 149, 409 BGB, 377 I HGB; Mitteilungen gem. §§ 171; 415 I BGB oder Mahnungen nach § 286 I BGB), wo § 130 I BGB analog angewendet wird.208 Wie noch näher zu zeigen sein wird209, ist die Vorabinformation eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, was dafür spricht, für die Wirksamkeit und den Fristbeginn auch hier auf den Zugang abzustellen.210 Dagegen lässt sich nicht vorbringen, dass die EG-Vergaberichtlinien und die Verdingungsordnungen für die Berechnung der Angebotsfrist Fristenregelungen vorsehen, die auf die Absendung und nicht auf den Zugang der Auftragsbekanntmachung abstellen.211 Dieses Argument von Portz212 überzeugt nicht, da die Vorabinformation nicht mit den genannten Bekanntmachungsvorschriften vergleichbar ist. Zum einen ist die Bekanntmachung keine individuell zugesandte Erklärung. Zum anderen ist bei den Bekannt207 KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235, 239 m. Anm. Erdl. 208 Gröning, WRP 2001, 1, 5 m. w. N.; MK – Kramer, Vor § 116 Rn. 36 f.; Soergel – Wolf, Vor § 116 Rn. 23 f. 209 Siehe unter C. IV. 1. 210 Vgl. auch Gröning, WRP 2001, 1, 5; KG Berlin, a. a. O., VergabeR 2002, 235, 240, nachdem die Vorabinformation mit diesen geschäftsähnlichen Handlungen am ehesten vergleichbar ist und daher „rechtsdogmatische Gründe“ für ein Abstellen auf den Zugang sprechen. 211 Art. 10 I LKR, Art. 12 I BKR, Art. 18 I DLR und etwa § 18 a Nr. 1 Abs. 1 VOB/A (der die wörtliche Umsetzung des Art. 12 I BKR ist.) Nach allen diesen Vorschriften beträgt die Frist, innerhalb der die Angebote eingehen müssen (Angebotsfrist) mindestens 52 Kalendertage „gerechnet vom Tag nach Absendung der Bekanntmachung.“ 212 VergabeR 2002, 211, 215.

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machungspflichten die Frist auch länger bemessen213, so dass Ungleichbehandlungen durch das Abstellen auf die Absendung nicht (so schwer) ins Gewicht fallen.214 Im Übrigen wird von der Entscheidungspraxis auch bei der geltenden Rechtslage in bestimmten Fällen für den Beginn der Vorabinformationsfrist nicht auf die Absendung, sondern auf den Zugang der Information beim Bieter abgestellt. Wird die Vorabinformation nämlich nicht an den wirklichen Bieter, sondern nur an dessen nicht empfangsbevollmächtigte Zweigstelle übersandt, beginnt die Vorabinformationsfrist nach einer Entscheidung des OLG Naumburg vom 17.2.2004 erst dann, wenn der Hauptniederlassung die Vorabinformation durch Übermittlung seitens ihrer Zweigstelle zugeht.215 Dem Abstellen auf den Zugang der Vorabinformation entspricht auch die Rechtslage in Österreich (zumindest nach dem Bundesvergabegesetz, dem Bgld VergG und dem WLVergG). Auch wenn hier die Ermittlung der Stillhaltefrist im Einzelnen oft umstritten ist216, herrscht aber darüber Einigkeit, dass es für den Beginn der Stillhaltefrist auf den Zugang der Vorabinformation bei sämtlichen Bietern ankommt.217 Wurde die Zuschlagsentscheidung nur einem Bieter gegenüber nicht wirksam bekannt gemacht, so verhindert dies den Beginn des Fristenlaufs. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut von § 100 BVergG, § 96 Bgld VergG und § 47 a WLverGG, wonach die 2-Wochenfrist an dem Tag zu laufen beginnt, an dem die Zuschlagsentscheidung „bekannt gegeben“ wurde.218 Zum anderen wird dies auch in Österreich damit begründet, dass ansonsten Bieter, die im weit entfernten MS der Gemeinschaft ansässig sind, wegen der längeren Postlaufzeiten eine wesentlich kürzere Anfechtungsfrist als inländische Unternehmen zur Verfügung hätten.219 213

Vgl. bereits zwei Fn. zuvor. Darüber hinaus dienen die dort geregelten Fristen auch nicht der Sicherstellung des Rechtsschutzes. 215 OLG Naumburg, Beschl. v. 17.2.2004 – 1 Verg 15/03, VergabeR 2004, 634 = NZBau 2004, 403 = IBR 2004, 266 (Völlink). 216 So wurde zu § 53 a BVergG 2000 über die für die Berechnung anwendbaren Normen, über den Beginn der Frist und das Ende der Frist gestritten. Selbst zwischen den Senaten des BVA gibt es hier Divergenzen (näher mit Entscheidungsnachweisen Holoubek, ZVB 2001, 133; Griller, ZVB 2001, 134; Heid/Schiefer, ecolex 2002, 70, 72; Heid/Hauck/Preslmayr, S. 225 f.). Dieser Streit wird sich wegen der insoweit bestehenden Ähnlichkeit von § 100 BVergG 2002 mit § 53 a BVergG auch bei dieser Norm fortsetzen. Es muss aber deswegen darauf nicht näher eingegangen werden, da er für die Lösung der zur deutschen Rechtslage (§ 13 VgV) bestehenden Probleme nicht fruchtbar gemacht werden kann. 217 BVA, 12.6.2001 N-63/01-8, ZVB 2001, 5 m. Anm. Elsner/Kreisler; Schiefer, Anm. zu BVA, 10.10.2001, N-103/01-10, RPA 2001, 235; Gast, S. 106. 218 Lessiak, Anm. zu B-VKK v. 2.10.2001 S-113/01-6, ZVB 2001, 102, 103. 214

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Im Ergebnis ist § 13 VgV de lege ferenda dahingehend zu ändern220, dass er für den Fristbeginn ausdrücklich auf den Zugang der Vorabinformation beim Bieter abstellt.221 cc) Folgeprobleme, die sich aus dem vorgeschlagenen Fristbeginn bei Zugang der Information ergeben Zwar ist es wie gezeigt notwendig, § 13 VgV dahingehend zu ändern, für den Beginn der Vertragssperrfrist auf den Zeitpunkt des Zugangs des Vorabinformationsschreibens abzustellen. Jedoch ergeben sich daraus einige Folgeprobleme, die zunächst dargestellt (1) und sodann einer Lösung zugeführt werden sollen (2). (1) Beginn des Laufs der Stillhaltefrist erst nach dem Zugang beim letzten Bieter Der Zuschlag darf nach § 13 VgV erst nach Ablauf der 14-Tagesfrist erteilt werden. Bei unterschiedlichen Postlaufzeiten bei der Zusendung an die einzelnen Bieter beginnt diese Frist erst zu laufen, nachdem der Zugang beim letzten Bieter erfolgt ist.222 Der Auftraggeber weiß aber nicht, wie lange der längste Postlauf dauert und damit auch nicht, wie viele Tage vor Ablauf der Zuschlagsfrist er spätestens die Vorabinformation absenden muss. Sicher ist nur, dass er sie wegen der 14-tägigen Stillhaltefrist zumindest schon 15–16 Tage vor Ablauf der Zuschlagsfrist absenden muss, da der Vertragsschluss (ohne erneute Zustimmung des Auftragnehmers, § 151 II BGB) nur innerhalb der Zuschlagsfrist erfolgen kann. Wenn nun aber trotzdem das Vorabinformationsschreiben bei einem Bieter erst 13 Tage vor Ablauf der Zuschlagsfrist eingeht, läuft vor Ablauf der Stillhaltefrist die 219

Allerdings muss berücksichtigt werden, dass nach dem BVergG 2002 die Vorabinformation ohnehin per Fax oder in elektronischer Form zu erfolgen hat, so dass Verzögerungen durch Postlaufzeiten ausgeschlossen sind. 220 Zu einem entsprechenden Formulierungsvorschlag unten bei der zusammenfassenden Gesamtwürdigung des § 13 (C. III.). Obwohl für die Ursprungsfassung des § 13 VgV die Maßgeblichkeit des Zugangsdatums für den Beginn der 14 Tagesfrist auch schon durch Auslegung hergeleitet werden konnte (s. o.), war auch hier eine Klarstellung de lege ferenda zu wünschen, so im Ergebnis auch Horn, LKV 2001, 241, 244. 221 Ebenso befürwortet Mertens, S. 70 ff., dass auch nach der Neufassung von § 13 VgV zum 15.2.2003 weiter für den Fristbeginn auf den Zugang abgestellt werden sollte. Ob sie dafür eine Rechtsänderung erforderlich hält, ist unklar. 222 Gröning, WRP 2001, 1, 5. Dies hält auch das österreichische BVA, v. 12.6.2001 N-63/01-8, ZVB 2001, 5 m. Anm. Elsner/Kreisler für erforderlich; dazu auch Schiefer, Anm. zu BVA, 10.10.2001, N-103/01-10, RPA 2001, 235.

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Zuschlagsfrist ab. Hier liegt also ein Nachteil gegenüber dem Abstellen auf den Absendetag, bei dem der Auftraggeber den Beginn der Wartefrist unproblematisch berechnen kann. (2) Beweis des Zugangs und dessen Zeitpunkt schwierig Stellt man auf Zugang ab, so ist der Beweis des Zugangs überhaupt und des Tages Zugangs schwierig. Wegen der gravierenden Rechtsfolge des § 13 S. 6 VgV muss aber der Beweisführung große Bedeutung beigemessen werden.223 Die Beweislast für den Zugang und dessen Zeitpunkt trägt hier der Auftraggeber.224 Um über den Zeitpunkt (des maßgeblichen letzten Zugangs) informiert zu sein, benötigt der Auftraggeber Zugangsnachweise. Diese Zugangsnachweise gehen dann innerhalb der Wartefrist beim Auftraggeber ein. Das sich daraus ergebende Datum des letzten Zugangs bestimmt, wann die Wartefrist beginnt und damit wann der Zuschlag erteilt werden kann. (3) Keine Verkürzung der Entscheidungsfristen des Auftraggebers? Zwar wird die Entscheidungsfrist des Auftraggebers, die bei Bauvergaben durch die Zuschlagsfrist grundsätzlich bei 30 Tage liegt, in der Regel nicht schon durch die Einführung der 14-tägigen Wartefrist um diese Zeitspanne verkürzt225, stellt man auf den Zugang ab, könnte sich die Entscheidungsfrist aber durch die Postlaufzeit der Information um (mindestens) 1–2 Tage verkürzen: Geht man davon aus, dass der Auftraggeber den Vertrag erst 14 Kalendertag nach Zugang des Informationsschreibens schließen darf, so muss das Informationsschreiben bereits 15–16 Tage vor Abschluss des Vertrages durch den Auftraggeber abgesandt werden. Da der Vertragsschluss (ohne erneute Zustimmung des Auftragnehmers, § 151 II BGB) nur innerhalb der Zuschlagsfrist erfolgen kann, muss also der Auftraggeber die Information schon 15–16 Tage vor Ablauf der Zuschlagsfrist absenden.226 Bei der Be223

Biehl, JA 2002, 577; Erdl, VergabeR 2001, 10, 20. Schenk, S. 132 leitet dieses Ergebnis durch analoge Anwendung des Rechtsgedankens von § 41 II 2. HS BVwVfG ab. Seine Ausführungen erfolgen allerdings nicht konkret mit Blick auf die Anwendung von § 13 VgV, sondern sind Vorstellung für eine Vorabinformationspflicht de lege ferenda. Für die Beweislast des Auftraggebers spricht auch, dass der Zugang des Informationsschreibens die Stillhaltefrist in Lauf setzt und damit eine für den Auftraggeber günstige Tatsache ist. 225 Dazu bereits unter C. II. 2. a) bb). 226 Würde man hier davon ausgehen, dass bei Bauvergaben nicht eine längere Zuschlagsfrist als 30 Tage festgelegt werden kann, verbleiben dem Auftraggeber 224

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teiligung ausländischer Bieter kann sich die Problematik wegen der längeren Postlaufzeiten erheblich verschärfen. Hier kann eine Absendung der Vorabinformation schon 20 Tage vor Vertragsabschluss nötig sein. Es ist allerdings bereits gezeigt worden, dass der Auftraggeber die Länge der Stillhaltefrist bei der Festlegung der Zuschlagsfrist berücksichtigt kann [oben unter 2. a) bb)]. Das gleiche gilt für voraussichtliche Dauer des Postlaufes der Vorabinformation. Daher besteht in der Regel die Gefahr der Verkürzung der Entscheidungsfristen des Auftraggebers auch nicht wegen der Postlaufzeit der Vorabinformation. bb) Lösung der Probleme, die beim Fristbeginn bei Zugang der Information entstehen (1) Die Zusendung der Information per Einschreiben = Möglichkeit des Beweises des Zugangs überhaupt und des Zugangszeitpunktes Zum Beweis des Zugangs und des Zugangszeitpunktes kann der Auftraggeber das Informationsschreiben per Einschreiben227 versenden. Hier ist zunächst eine Versendung per Übergabe-Einschreiben mit Rückschein möglich. Dieses kann in alle Mitgliedsstaaten, mithin auch an die dort ansässigen Bieter, versandt werden. Bei der Versendung der Vorabinformation per Übergabe-Einschreiben mit Rückschein, sind für den Zugang und für die Bestätigung des Tages des Zugangs folgende Konstellationen denkbar: Variante 1: Wird der Adressat angetroffen und das Informationsschreiben ausgehändigt, ist damit der Zugang gegeben. In diesem Fall wird neben der Empfangsbestätigung, die bei der Post archiviert wird, ein Rückschein mit Datum des Empfangs und Unterschrift des Empfängers versehen. Dieser wird dann unmittelbar an den Auftraggeber zurückgesandt. Dieser Rückschein geht beim Auftraggeber innerhalb der Stillhaltefrist ein. Aus den eingegangenen Rückscheinen kann er dann den spätesten Zugang entnehmen, welcher gleichbedeutend mit dem Beginn der 14-Tagesfrist ist. Variante 2: Wird der Bieter nicht angetroffen, wird durch den Postzusteller eine Benachrichtigung hinterlegt, dass das Informationsschreiben bei einer benicht 16 Tage, sondern wegen der hinzukommenden Postlaufzeit sogar nur noch 14 Tage für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes – Erdl, VergabeR 2001, 10, 20. 227 Zu den Einschreibearten der Deutschen Post AG und ihrer Bedeutung im Rechtsverkehr vgl. Biehl, JA 2002, 577.

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stimmten Filiale der Post zur Abholung bereitgehalten wird. Zu beachten ist hier, dass der Einwurf des Benachrichtigungszettels in den Briefkasten – anders als beim normalen Brief – noch keinen Zugang bewirkt, da der Empfänger noch keine Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Inhalt des Schreibens hat.228 Erst mit der Abholung des Schreibens bei der Post ist der Zugang bewirkt229 und der Rückschein wird mit der oben beschriebenen Folge versandt. Die Versendung der Vorabinformation per Übergabe-Einschreiben hat also im Vergleich zum normalen Brief den Nachteil, dass der Zugang bei Nichtantreffen des Empfängers noch um einen oder mehrere Tage verzögert werden kann, d.h. das Schreiben muss noch zeitiger vor Ablauf der Zuschlagsfrist abgesandt werden. Noch ungünstiger ist der Fall, wenn das Einschreiben gar nicht abgeholt wird. Diese Nichtabholung ist denkbar, wenn der Bieter vermutet, es handele sich um das absagende Informationsschreiben. (Da aber auch der erfolgreiche Bieter informiert wird, könnte es sich aber auch um die Vorabinformation über die Berücksichtigung handeln). Ein einzelner Bieter könnte so verhindern, dass die Vorabinformationsfrist überhaupt zu laufen beginnt, also der Zuschlag auf unbestimmte Zeit nicht erteilt werden kann! Die beiden eben beschriebenen Gefahren, die sich aus dem Nichtantreffen des Adressaten ergeben, werden aber durch folgende Überlegungen entkräftet: Zum einen muss berücksichtigt werden, dass es als sehr unwahrscheinlich erscheint, dass ein Bieter, also eine Gewerbetreibender, nicht vom Postzusteller angetroffen wird. In der Regel wird daher immer Variante 1 einschlägig sein. Zum anderen kann hier eine Parallele zum Zugang des Zuschlagsschreibens (Annahmeerklärung) gezogen werden. Hier ist anerkannt, dass der Bieter aufgrund seiner Beteiligung an der Ausschreibung mit dem Eingang dieses Zuschlagsschreibens rechnen muss und deshalb in seinem Bereich die notwendigen Vorkehrungen treffen muss, dass dieses ihn auch erreicht.230 Deswegen soll für einen Zugang des Auftragsschreibens ausnahmsweise auch schon der Zugang des Benachrichtigungszettels über die Einschreib-Sendung genügen. Als Zugangszeitpunkt gilt der Tag der Ausstellung des Benachrichtigungszettels, der auf der Einschreib228

Erdl, VergabeR 2001, 10, 20. Dies entspricht der st. Rechtsprechung. Die wohl h. M. in der Literatur geht demgegenüber davon aus, dass der Zugang des Einschreibens (auch ohne dessen Abholung) in dem Moment bewirkt ist, in dem der Adressat das Einschreiben abholen und dies unter normalen Umständen auch von ihm erwartet werden kann. Dies sei am nächsten Werktag der Fall – vgl. zum Ganzen die Nachweise bei MK – Einsele, § 130 Rn. 21 und bei Soergel – Hefermehl, § 130 Rn. 10. 230 BGH, NJW 1996, 1967 m. w. N.; Kuß, VOB, 3. Aufl., 2002, § 28 Rn. 4 f. 229

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Sendung vermerkt wird.231 Dies lässt sich auf den Zugang des Informationsschreibens übertragen. Auch mit dem Eingang dieses Schreibens muss der Bieter aufgrund seiner Teilnahme an der Ausschreibung rechnen. Es ist sogar der Zeitpunkt des Eingangs des Informationsschreibens oft recht genau voraussehbar, da dies in der Regel ca. 14 Tage vor dem Ablaufen der Zuschlagsfrist eingehen wird (a. a. O.). Damit kann man hier auch mit dem Zugang des Benachrichtigungszettels von einem Zugang des Informationsschreibens ausgehen. Dagegen bietet es sich nicht an, die mit dem Übergabeeinschreiben verbundenen Probleme durch Nutzung des Einwurf-Einschreibens zu umgehen: Zwar ist beim Einwurf-Einschreiben, das seit 1997 von der Post angeboten wird, die mit dem Übergabeeinschreiben verbundene Gefahr der Verzögerung des Zugangs bzw. des Nichtzugangs nicht gegeben. Denn hier wird die Briefsendung wie eine normale Briefsendung in den Briefkasten geworfen. Durch den Postzusteller wird dann der Tag der Zustellung mit Datum und Unterschrift bestätigt. Diese Bestätigung wird bei der Post eingelesen und als Datenauszug archiviert.232 Vorteil ist, dass damit – wie beim normalen Brief – das Informationsschreiben in den Machtbereich des Bieters gelangt ist und damit der Zugang sicher dann eintritt, wenn unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Allerdings ist der Beweiswert des erwähnten Datenauszuges vor Gericht sehr zweifelhaft und umstritten (, da der Original-Zustellungsbeleg nach dem Einlesen vernichtet wird).233 Außerdem erfolgt eine Benachrichtigung des Auftraggebers vom Zugang(szeitpunkt) – anders als beim Einwurf-Einschreiben mit Rückschein – nicht automatisch, sondern der Auftraggeber müsste wie beim Einwurf-Einschreiben ohne Rückschein für jedes Schreiben beim Beleglesezentrum der Post AG telefonisch Auskunft über den Zeitpunkt der Übergabe des Einschreibens einholen oder darüber gegen ein Entgelt von 5,11 Euro einen schriftlichen Datenauszug anfordern. Dies ist für den Auftraggeber nicht praktikabel (zu hoher Verwaltungsaufwand) bzw. zu kostenintensiv. Daher bietet sich im Ergebnis das Einwurf-Einschreiben zur Übermittlung der Information nicht an. Beurteilt man die Zusendung der Vorabinformation per Einschreiben zusammenfassend, kann der Auftraggeber über das Einschreiben zwar den Zugang des Informationsschreibens überhaupt und auch den Zugangszeitpunkt beweisen. 231

Kuß, VOB, 3. Aufl., 2002, § 28 Rn. 5. Näher zum Einwurf-Einschreiben, Biehl, JA 2002, 577, 578 ff. 233 Näher Biehl, JA 2002, 577, 578 ff.; vgl. aber auch Palandt-Heinrichs, § 130 Rn. 21. 232

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Allerdings ist zumindest wegen der unterschiedlichen Beförderungszeiten des Einschreibens ein gleichzeitiger Zugang nicht sichergestellt, so dass für den Auftraggeber weiterhin nicht klar ist, wann er spätestens vor Ablauf der Zuschlagsfrist das Einschreiben absenden muss. Weiter bleibt in Ausnahmefällen die Gefahr bestehen, dass die Entscheidungsfrist des Auftraggebers verkürzt wird.234 Daher ist nach einer anderen Möglichkeit der Zusendung des Informationsschreibens zu suchen: (2) Die Zusendung der Vorabinformation durch Telefax und E-Mail – Die Form der Vorabinformation Im Folgenden wird gezeigt, dass der Auftraggeber die Vorabinformation per Fax oder E-Mail versenden sollte. Wenn er dies für alle Bieter am gleichen Tag tut, ist ein zeitgleicher Zugang der Vorabinformation sichergestellt, so dass er den Beginn der Stillhaltefrist sicher ermitteln kann.235 Außerdem besteht von vornherein nicht die Gefahr der Verkürzung der Entscheidungsfrist des Auftraggebers. (a) Die Zulässigkeit der Informationsversendung per E-Mail und Fax Die Ursprungsfassung von § 13 S. 2 VgV, die bis zum In-Kraft-Treten der 2. Änderungsverordnung zur VgV am 15.2.2003 galt236, schrieb vor, dass die Vorabinformation „schriftlich“ erfolgen musste. Dieses Schriftformgebot war erst auf Initiative des Bundesrates aufgenommen worden. Mit Blick auf die weit reichenden Folgen der Nichteinhaltung der Vorabinformationsfrist sollte der Formzwang aus Gründen der Rechtsklarheit aufgenommen werden, um Beweisprobleme zu vermeiden.237 § 13 wurde dementsprechend um das Wort „schriftlich“ erweitert. Für diese „Schriftlichkeit“ genügte aber nach richtiger Auffassung auch eine Zusendung der 234 Die gleichen Bedenken bestehen gegen den Vorschlag, der Auftraggeber solle sich zur Bestimmbarkeit des Zugangszeitpunktes den Zugang schriftlich bestätigen lassen (so Kemper, NJ 2001, 403, 406). 235 Dies ist allerdings nicht für einen einheitlichen Lauf der Vorabinformationsfrist nötig (so aber Horn, LKV 2001, 241, 244, nach dem es bei unterschiedlichen Postlaufzeiten nicht zu einem „einheitlichen Fristenlauf“ kommt. In diese Richtung auch Wegmann, NZBau 2001, 475, 479). Denn die Stillhaltefrist beginnt erst beim Zugang beim letzten Bieter, läuft also auch bei unterschiedlichen Postlaufzeiten gegenüber allen Bietern gleich. 236 Sie war für alle Vergabeverfahren anwendbar, die vom In-Kraft-Treten der VgV am 1.2.2001 bis zum 15.2.2003 begonnen worden sind. 237 Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/00, 31.10. 2000), S. 4 f.; so dann auch der folgende Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 455/ 00, S. 2.

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Vorabinformation per Telefax, wenn der Auftraggeber das Ausgangsschreiben mit der Originalunterschrift versehen hatte. Denn § 126 BGB war für die Vorabinformation nach § 13 VgV weder direkt238 noch analog239 anwendbar. Später hatte auch Entscheidungspraxis anerkannt, dass dem Erfordernis einer schriftlichen Vorinformation gemäß § 13 S. 2 VgV aF auch durch die Übermittlung des Vorinformationsschreibens per Telefax genügt wurde.240 Zum Teil wurde noch ausdrücklich die Einschränkung gemacht, dass dies nur gelte, sofern der Aussteller aus dem Telefax erkennbar ist.241 Nach der Neufassung des § 13 S. 2 VgV zum 15.2.2003 ist für die Vorabinformation nur noch die „Textform“ vorgeschrieben. Dies ermöglicht es den Vergabestellen nun, die Vorabinformation künftig auch per nicht unterschriebenem Fax oder per E-Mail rechtswirksam zu erteilen.242 Denn nach dem hier zumindest entsprechend243 anwendbaren § 126 b BGB genügt für 238 Zwar gilt § 126 BGB auch für (fast) alle Schriftformerfordernisse des Privatrechts außerhalb des BGB, diese müssen aber durch „Gesetz“ angeordnet sein (Soergel – Hefermehl, § 126 Rn. 2). Ein Schriftformerfordernis durch Verordnung genügt nicht. Außerdem gilt § 126 BGB nur für Willenserklärungen, nicht aber für geschäftsähnliche Handlungen bzw. Erklärungen (näher Gesterkamp, NZBau 2002, 481, 482 m. w. N.; BAG, Urt. v. 11.10.2000, NJW 2001, 989, 990). Die Vorabinformation ist aber keine Willenserklärung, sondern mit einer geschäftsähnlichen Handlung vergleichbar (näher unter C. IV. 1). 239 Für die analoge Anwendung von § 126 BGB auf geschäftsähnliche Handlungen kommt es darauf an, ob der Normzweck und die Interessenlage die Anwendung von § 126 BGB gebietet. Wenn auch die lediglich bildliche Wiedergabe der Originalunterschrift auf dem Telefax den Sinn und Zweck des Schriftformgebotes erfüllt, besteht „angesichts der im Geschäftsleben festzustellenden Üblichkeit der Erklärungsübermittlung per Telefax kein Grund das Erfordernis der Originalunterschrift in entsprechender Anwendung des § 126 BGB“ zu übertragen (BAG, Urt. v. 11.10.2000, NJW 2001, 989, 990). Die Einführung des Schriftformgebotes in § 13 VgV durch den Bundesrat (s. o.), wurde – wie schon erwähnt – aus Gründen der Rechtsklarheit vorgenommen, um Beweisprobleme zu vermeiden. Dem war auch durch eine textliche Erklärung ohne Originalunterschrift genügt, näher auch sogleich im Text. Für eine analoge Anwendung von § 126 BGB sprach sich dagegen Portz, VergabeR 2002, 211, 215 aus. 240 OLG Jena, Beschl. v. 29.5.2002 – 6 Verg 2/02, VergabeR 2002, 543, 544 = NZBau 2002, 526: Dies wird knapp damit begründet, dass § 13 S. 2 VgV nicht die förmliche Zustellung verlange, sondern nur die Abgabe der Information in schriftlicher Form. VK Sachsen, Beschl. v. 27.9.2001 – 1/SVK/85-01, S. 11; Jasper, in: Tagungsband – Zweiter Düsseldorfer Vergaberechtstag am 28. Juni 2001, S. 11, 22. 241 VK Sachsen, Beschl. v. 27.9.2001 – 1/SVK/85-01, S. 11 unter Berufung auf vgl. Kopp, VwVfG, 7. Aufl., § 64 Rn. 10. 242 Dies war die Intention des Verordnungsgebers, Begr. zur Neuregelung des § 13, BR-Drs 826/02 (Beschl.) v. 20.12.2002, S. 2. 243 Gegen die direkte Anwendung des § 126 b BGB sprechen dieselben Gründe, die bereits gegen die direkte Anwendung des § 126 BGB für die Ursprungsfassung des § 13 S. 2 VgV angeführt worden sind, vgl. Fn. 238.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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eine Erklärung „in Textform“ deren Abgabe in einer Urkunde oder auf andere, zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise unter Nennung der Person des Erklärenden und des Abschlusses der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift.244 Stellt man de lege ferenda für den Beginn der Stillhaltefrist auf den Zugang der Vorabinformation ab, ist zu klären, wann bei der Informationserteilung durch Telefax und E-Mail deren Zugang anzunehmen ist und wie er bewiesen werden kann: (b) Der Zeitpunkt des Zugangs eines Telefaxes und dessen Beweis Der Zugang eines Telefax, ist bei Übertragung des Faxes während der Geschäftszeit in dem Zeitpunkt gegeben, indem es vom Gerät des Empfängers vollständig ausgedruckt worden ist (oder zwischengespeichert ist). Werden Faxübertragungen nach der Geschäftszeit empfangen, tritt der Zugang erst am Beginn des nächsten Geschäftstages ein.245 Allerdings könnte der Beweis des Zugangs eines Telefaxes problematisch sein: Das Sendeprotokoll des Faxgeräts, das die erfolgreiche Übermittlung bestätigt (sog. „OK“-Vermerk), begründet nach der wohl überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung weder vollen Beweis noch einen Anscheinsbeweis dafür, dass das Telefaxschreiben dem Empfänger auch tatsächlich ordnungsgemäß mit einem bestimmten Inhalt zugegangen ist.246 Selbst diese restriktive Auffassung geht aber davon aus, dass es die „im Wirt244

Näher Palandt-Heinrichs, § 126 b Rn. 3 ff.; vgl. auch Monatsinfo forum vergabe e. V. 12/2002, 165; Begründung zur Neuregelung des § 13, BR-Drs 826/02 (Beschluss) v. 20.12.2002, S. 2, wonach eine Unterschrift oder eine digitale Signatur nicht erforderlich sind. 245 Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 841 m. w. N.; Riesenkampff, NJW 2004, 3296; BGH, NJW 2004, 1320 = JA 2004, 585; Sterner, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 28, Rn. 10 m. w. N.; Kuß, VOB, 3. Aufl., 2002, § 28 Rn. 7 ff. (auch zur Verteilung des Risikos bei Übermittlungsfehlern). 246 BGH, NJW 1995, 665, 666 f. Der OK-Vermerk bestätige nur die Herstellung der Verbindung zwischen Sende- und Empfangsgerät, für die geglückte Übermittlung der Daten besitze er aber keinen Aussagewert. So auch Soergel – Hefermehl, § 130 Rn. 13c; vgl. zum Meinungsstand auch Riesenkampff, NJW 2004, 3296, 3297 ff.; OLG Jena, Beschl. v. 9.9.2002 – 6 Verg 4/02, VergabeR 2002, 631, 633 f. m. Anm. Kus; dagegen den Anscheinsbeweis bejahend Kuß, VOB, 3. Aufl., 2002, § 28 Rn. 10 m. w. N.; OLG München, NJW 1994, 527; mit beachtlichen Gründen vor allem in Bezug auf die inzwischen hohe Sicherheit des Telefaxes als Übertragungsmittel auch Burgard, AcP 195 (1995), 75, 129 ff., Riesenkampff, NJW 2004, 3296, 3297 ff. und das AG Rudolstadt, NJW 2004, 1151; vgl. aber auch die kritischen Argumente gegen die Bejahung des Anscheinsbeweises im Leserbrief von Wohlleben, NJW 2004 Heft 51, XVIII.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

schafts- und Rechtsverkehr allgemein übliche Nutzung derartiger moderner Kommunikationsmittel insbesondere für die Übermittlung eiliger Nachrichten und die . . . generelle hohe Zuverlässigkeit bei der Übermittlung von Telefaxnachrichten“ rechtfertigt, „demjenigen, der sich auf den Nichtzugang eines ordnungsgemäß abgesandten Telefaxschreibens beruft, höhere Anforderungen hinsichtlich des Bestreitens des Zugangs aufzuerlegen“.247 Der OK-Vermerk begründet daher zumindest ein zu widerlegendes Indiz für den Zugang des Faxes.248 Als Lösung für das Beweisproblem bei der Übersendung per Fax kann der Bieter auch gebeten werden, eine vorbereitete und mitgefaxte Empfangsbestätigung unterschrieben zurückzufaxen.249 Zumeist werden daher bei der Zusendung durch Telefax keine Beweisprobleme bestehen. Für den (seltenen) Fall, dass der Bieter das Empfangsbekenntnis nicht zeitnah zurücksendet, kann bei ihm nachgefragt werden und notfalls ggf. der Zugang mit einem Einschreiben der Post bewirkt werden.250 (c) Der Zeitpunkt des Zugangs einer E-Mail und dessen Beweis Eine E-Mail gilt bei einem Unternehmern als Empfänger spätestens am Ende des Geschäftstages, an dem sie im elektronischen Briefkasten des Unternehmens eingeht, als zugegangen. Denn bei Unternehmen kann von der täglichen Kontrolle der Mailbox ausgegangen werden. Trifft die Mail außerhalb der Geschäftszeit ein, so gilt sie am nächsten Geschäftstag als zugegangen.251 247 OLG Jena, Beschl. v. 9.9.2002 – 6 Verg 4/02, VergabeR 2002, 631, 633 f. m. Anm. Kus, wo der Bieter diesen Anforderungen nicht gerecht wurde. 248 Erdl, VergabeR 2001, 10, 20; Sterner, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 28, Rn. 10 m. w. N. Nach einer neuen Entscheidung der 1.VK des Bundes zum Zugang der Rüge ist bei Vorliegen eines Sendeberichtes das pauschale Bestreiten des Zugangs nicht ausreichend und daher vom Zugang des Faxes auszugehen (VK Bund, Beschl. v. 12.2.2003 – VK 1-03/03). 249 Noch, Vergaberecht kompakt, 2. Aufl., S. 51. Ein Muster für eine solche Empfangsbestätigung findet sich im Beck’schen Formularbuch für Vergaberecht unter A. II. 25; vgl. auch Sterner, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 28, Rn. 10, der (freilich für den Nachweis des Zugangs des Zuschlagsschreibens) vorschlägt, dass der Bieter das eingegangene Faxschreiben mit seiner Unterschrift versehen könne und dies im ganzen als Empfangsbestätigung zurücksenden könnte. 250 Vgl. auch VN 2002, 79, 80. 251 Köhler/Arndt, S. 67; Bierekoven, S. 27 ff. m. Überblick über den Meinungsstand; Kröger/Gimmy, S. 8 ff.; Ultsch, NJW 1997, 3007 f.; LG Nürnberg-Fürth, NJW-RR 2002, 1721, 1722; Härting, Rn. 78 ff. m. w. N.; Hoeren/Oberscheidt, VuR 1999, 371, 372; Koch, Internet-Recht, S. 138 ff. und 143 ff.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Voraussetzung dafür ist aber, dass der Unternehmer dem öffentlichen Auftraggeber die E-Mail-Adresse, an die die Vorabinformation versandt worden ist, mitgeteilt hat oder sie in der Korrespondenz mit ihm verwendet hat. Denn erst dann hat er sie als Empfangsvorrichtung gewidmet und seine Bereitschaft zu Entgegennahme rechtserheblicher Erklärungen unter dieser Adresse gezeigt.252 Daher sollte der Auftraggeber vom Bieter in der Ausschreibung oder in der sonstigen Kommunikation die Angabe der E-MailAdresse verlangen. Im Hinblick auf den Beweis des Zugangs gilt ähnlich wie beim Telefax, dass dafür nicht ein einfaches E-Mail-Sendeprotokoll ausreicht, das nur die Herstellung der Verbindung zwischen Absender und Empfänger anzeigt. Allerdings besteht inzwischen allgemein, d.h. auch bei den verbreiteten Standardprogrammen für E-Mails, die Möglichkeit, die Mails mit erweiterten Protokollen (DSN253 oder SMTP254) zu versenden bzw. sich den Zugang oder das Lesen der E-Mail beim Empfänger bestätigen zu lassen. Bei Nutzung dieser technischen Standards kann nachgewiesen (bewiesen) werden, dass die Information der Mail tatsächlich übermittelt wurde (Anscheinsbeweis durch diese Zugangs- und Lesebestätigungen).255

252 Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 841 f.; weitergehend Koch, Internet-Recht, S. 143. Vehslage, AnwBl 2002, 86, 87 begründet dies damit, dass das Mailpostfach erst dann als zu seinem Machtbereich i. S. der Zugangsdefinition gehörig angesehen werden kann. 253 Delivery Status Notification. 254 Simple Mail Transfer Protocol. 255 Köhler/Arndt, S. 68; Kröger/Gimmy, S. 10; ausführlich zuletzt auch Mankowski, NJW 2004, 1901. Das AG Hannover, WuM 2000, 412 hält das Sendeprotokoll generell (ohne diese Differenzierung nach Art der Sendeprotokolle) als Beweis des Zugangs für ausreichend. In diese Richtung auch die Begründung zur Neuregelung des § 13 VgV. Diese geht davon aus, dass nicht nur beim Telefax, sondern auch bei der E-Mail der Zugang durch das Sendeprotokoll dokumentiert werden kann – Begründung zur Neuregelung des § 13, BR-Drs 826/02 (Beschluss) v. 20.12.2002, S. 2. Nach der Auffassung des LG Nürnberg-Fürth, NJW-RR 2002, 1721, 1722 ist sogar der Empfänger der Mail für den unterbliebenen Zugang der Mail beweispflichtig. Es begründet dies allerdings mit dem Verweis auf das OLG München, NJW 1994, 527, wonach beim Telefax der Anscheinsbeweis des Zugangs gilt, wenn die Absendung bewiesen ist. Wie bereits ausgeführt, entspricht diese Ansicht des OLG München für den Faxversand aber nicht der Linie des BGH. Zu Verteilung des Übermittlungs- und Verzögerungsrisiko bei E-Mails: Köhler/ Arndt, S. 68 f.; Ultsch, NJW 1997, 3007 f.; Bierekoven, S. 38; zum Beweis des Inhalts und der Authentizität einer Mail, Rossnagel/Pfitzmann, NJW 2003, 1209 ff.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

cc) Gesamtwürdigung der Zusendung der Vorabinformation per Fax und E-Mail – Ergebnis für die Folgeprobleme, die sich aus dem Fristbeginn bei Zugang der Information ergeben Durch die Versendung der Vorabinformationen per Telefax oder E-Mail ist ein rascher und zeitgleicher Zugang der Information sichergestellt. Es ergeben sich zudem für den Auftraggeber bei Nutzung dieser Versendungsarten keine unakzeptablen Beweisschwierigkeiten. Im Einzelfall kann aber nach wie vor das (zusätzliche) Versenden eines unterschriebenen Schriftstücks durchaus sinnvoll sein.256 Da sich durch die Versendung der Vorabinformationen per Telefax oder E-Mail die skizzierten Nachteile des Abstellens auf den Zugangstag lösen lassen, sollte257 der Auftraggeber daher die Information auf diesem Wege versenden. Es ist folglich zu begrüßen, dass der Verordnungsgeber die Zusendung der Vorabinformation per Fax- oder E-Mail ermöglicht hat.258 Mit der Zulassung der Informationsübermittlung auf elektronischem Weg wurde auch der Entwicklung entsprochen, dass zunehmend die Vergabeverfahren online abgewickelt werden.259 256 Begründung zur Neuregelung des § 13, BR-Drs 826/02 (Beschluss) v. 20.12.2002, S. 2. Auch das Problem, dass nicht immer allen Bietern beim ersten Versuch die Information per Fax oder E-Mail übersandt werden kann, da möglicherweise einige Empfangsgeräte nicht funktionsbereit (näher Erdl, VergabeR 2001, 10, 20) und einige Mailboxes nicht erreichbar sind, ist lösbar. Hier kann später (ggf. nach telefonischer Rückfrage) ein erneuter Zusendungsversuch unternommen werden. Notfalls muss der Zugang durch Einschreiben bewirkt werden. Nach dem Zugang dieses Schreibens beginnt dann die Wartefrist. 257 In Österreich ist der Auftraggeber nach der Vorabinformationsregelung im BVergG 2002 (§ 100 I) zur Mitteilung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax sogar verpflichtet. Eine Postversendung ist hier also grundsätzlich nicht mehr möglich (zu den Ausnahmen, bei denen eine postalische Übermittlung dennoch möglich ist, BVA v. 9.2.2004, RPA 2004, 97, 98). Nicht auf diese Zusendungsarten ist der Auftraggeber dagegen nach den Landesvergabegesetzen. Dort ist allerdings deren Zulässigkeit oft ausdrücklich geregelt (vgl. § 47 a WLVergG; § 96 Bgld VergG). 258 Ein darüber hinausgehender Verzicht auf die Textform in Richtung einer mündlichen Informationserteilung ist allerdings abzulehnen. Es wäre etwa bei einer mündlichen Information für die Nachprüfungsinstanz unmöglich zu prüfen, ob die Information in inhaltlicher Hinsicht den Anforderungen des § 13 VgV genügt. Die Textform hat also Beweissicherungsfunktion. Außerdem ist für den Bieter das Prüfen der Gründe seiner Ablehnung leichter, wenn er diese „Schwarz auf Weiß“ in Form einer textlichen Erklärung vor sich hat. Nicht entscheidend dagegen ist für ihn, dass das bei ihm eingehende Schriftstück auch eine Originalunterschrift enthält. 259 Näher dazu bei der Darstellung des § 15 VgV im Teil 1, A. VI. 3. d) dd) (2) (c). Dort auch zu dem Vorschlag, das gesamte Rechtsschutzverfahren online durchzuführen.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Die Faxzusendung der Information hat sich in der Praxis dementsprechend auch schon in breiter Front durchgesetzt.260 Für die E-Mailzusendung ist erforderlich, dass sich der öffentliche Auftraggeber von den Teilnehmern des Vergabeverfahrens eine E-Mail-Adresse, an die die Vorabinformation versandt werden soll, mitteilen lässt. De lege ferenda sollte im Gefolge der Ermöglichung von Fax- und E-Mail-Vorabinformation dementsprechend wie in Österreich261 eine Regelung eingeführt werden, nach der der Bieter bei der Angebotsabgabe zwingend eine E-Mail-Adresse und eine Faxnummer anzugeben hat.262 Diese Vorschrift könnte lauten: „Die Bieter haben in ihrem Angebot eine Faxnummer oder E-Mail-Adresse mitzuteilen, an die der Auftraggeber Informationen übermitteln kann.“ Sie sollte in das neu zu schaffende einheitliche Vergabegesetz aufgenommen werden.263 Dagegen ist der Vorschlag von Gröning, zur Umgehung der Zugangsprobleme und zur Sicherung des Gleichlaufs der Frist die schriftliche Vorabinformation unter Anwesenden in einem dem Eröffnungstermin nach § 22 VOB/A vergleichbaren Termin (sog. Mitteilungsverhandlung) zu übergeben264, nicht überzeugend. Es muss berücksichtigt werden, dass zumindest an die Bieter, die der Mitteilungsverhandlung unverschuldet fernbleiben, die Vorabinformation wieder in Textform versandt werden müsste. Muss aber in diesen Fällen einigen Bietern ohnehin ein Fax oder eine E-Mail geschickt werden, kann es auch insgesamt bei der Zusendung der Vorabinformation auf diesem Wege bleiben. Außerdem ist es Bietern mit weit entferntem Unternehmenssitz, insbesondere ausländischen Unternehmen, nicht zumutbar, extra für den Mitteilungstermin anzureisen. Zwar müssten Bauunternehmen, die einen Bauauftrag im Ausland erbringen wollen, auch einen Bevollmächtigten zum Mitteilungstermin entsenden können. Bei reinen Lieferleistungen, die auch aus 260 Noch, Vergaberecht kompakt, 2. Aufl., S. 51. Auch der Fall, dass ein Bieter kein Faxgerät besitzt, ist bei Unternehmen, die ein Angebot oberhalb der Schwellenwerte abgeben, eher theoretisch. 261 § 22 V BVergG 2002. 262 Eine Regelung zur Frage des Zugangs(zeitpunktes) und zur Verteilung des Übermittlungsrisikos, wie in Österreich in § 22 V BVergG 2002 teilweise geschehen (zum Übermittlungsrisiko Thienel, RPA 2003, 7, 22 Fn. 96), ist nicht erforderlich. Hierfür kann auf die inzwischen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Das gleiche gilt für den nicht näher erläuterten Fall, dass ein Bieter den Zugang verhindert (Zugangsvereitelung). Auch dieser lässt sich über die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze lösen – vgl. auch Hoffmann, S. 62 f. 263 Dazu näher C. VII. 6. 264 Gröning, wrp 2001, 1, 5 und Gröning, WRP 2000, 49, 55; dem folgend Schenk, S. 131 f.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

der Entfernung abgewickelt werden können, ist dies aber den Bietern nicht zumutbar. Die ausländischen Bieter würden durch den Mitteilungstermin somit diskriminiert, was gegen das Europarecht verstieße.265 Weiterhin sind auch bei kleineren Aufträgen nicht zwangsläufig ausschließlich Unternehmen aus der Region beteiligt, für die sich die Anreiseaufwendungen in Grenzen halten. Im Übrigen entfällt mit der Möglichkeit der Informationsversendung per Fax oder E-Mail, die der Auftraggeber in der Regel auch in Anspruch nehmen wird, schon die Notwendigkeit für den Lösungsvorschlag von Gröning, der im Vergleich dazu zu aufwendig und nicht zuletzt deshalb abzulehnen ist. d) Berechnung der Vertragssperrfrist Der Fristbeginn der Wartefrist nach § 13 VgV wird nach § 31 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i. V. m. §§ 187 bis 193 BGB berechnet. Wie ausgeführt, ist maßgeblicher Bezugspunkt für den Beginn der Frist der Tag des Zugangs der Vorabinformation beim letzten Bieter.266 Dieser Tag ist nach § 187 I BGB nicht in die Frist von 14 Kalendertagen einzurechnen. Die Informationsfrist beginnt mit dem Tag nach dem Zugang der Vorinformation und endet am 14. Kalendertag um 24.00 Uhr.267 265

Zum Ganzen Erdl, VergabeR 2001, 10, 20. In der Praxis kündigt der Auftraggeber nicht selten den Zeitpunkt der beabsichtigten Zuschlagserteilung im Vorabinformationsschreiben an (schön nachvollziehbar im Fall der VK Brandenburg, Beschl. v. 27.5.2002 – 2 VK 94/01). Die Angabe des Zuschlagszeitpunktes ist auch nach dem Informationsschreiben EFB Info/ Abs EG 306 vorgesehen. Für den Fall, dass der Auftraggeber dabei aber eine Vertragssperrfrist angibt, die länger ist als die 14-Tagesfrist des § 13 VgV, also eine zu lange Prüfungsmöglichkeit einräumt, wird diskutiert, ob der Auftraggeber dann an diese Angabe gebunden ist oder trotzdem zuvor wirksam den Zuschlag erteilen darf. Die VK Bund, Beschl. v. 16.7.2002 – VK 2 – 50/02, S. 10 ff. m. w. N. lässt offen, ob hier nicht eine Parallele zum allgemeinen Verwaltungsrecht gezogen werden muss, wo eine in einer Rechtsbehelfsbelehrung angegebene zu lange Frist statt der kürzeren gesetzlichen Frist gilt (Ersetzung der gesetzlichen durch die längere in der Vorabinformation genannte Frist), denn jedenfalls begründe die irreführende Fristangabe einen so schweren Fehler der Vorabinformation, dass diese die Frist nach § 13 VgV nicht in Lauf setzte (näher dort; dem zustimmend auch Glahs, in: Reidt, § 13 VgV Rn. 26 ff.). Anders ist dies aber in Fällen, in denen die VSt. mit der Fristangabe nicht den Eindruck erweckt hat, der Bieter könne innerhalb der gesamten Frist um Rechtsschutz nachsuchen bzw. der Bieter einen solchen Eindruck nicht gewinnen konnte – VK Bund, Beschl. v. 27.9.2002, VK 1 – 63/02 und VK Bremen, Beschl. v. 16.7.2003 – VK 12/03, S. 10 ff. = IBR 2003, 564; OLG Bremen, Beschl. 17.11.2003 – Verg 6/2003, NZBau 2004, 172 = IBR 2004, 34 (Haug). 267 Vgl. zur Fristberechnung VK Thüringen, Beschl. v. 1.03.2002 – 216-4002.20004/02-EF-S, S. 8 f., die allerdings als maßgeblichen Bezugspunkt für den Beginn der Frist vom Tag der Absendung ausgeht. 266

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Das Abstellen auf den Zugang der Information beim letzten Bieter ist bei der Ermittlung der Wartefrist durch die Bieter insoweit problematisch, als die Bieter nicht wissen, wann der Zugang beim letzten Bieter erfolgt ist. Sie können also nicht genau berechnen, wann die Wartefrist wirklich endet. Dies steht dem Abstellen auf den Zugang jedoch nicht entgegen. Denn den Bietern ist es zumutbar, zur Berechnung des Ablaufs der Wartefrist allein vom Zugang bei Ihnen auszugehen. Dem jeweiligen Bieter stehen dann mindestens die 14 Tage zur Verfügung. Ob der Vertrag wegen des späteren Zugangs der Information bei einem Bieter X erst später geschlossen werden kann, spielt für die Rechtsschutzmöglichkeiten des Bieters Y keine Rolle. e) Zusammenfassende Gesamtbeurteilung der Länge der Vertragssperrfrist Fasst man die vorstehenden Ausführungen zusammen, so schrumpft der Zeitraum, der dem Bieter für die Prüfung der Tragfähigkeit seiner Nichtberücksichtigung und damit der Erfolgsaussichten des Nachprüfungsverfahrens zur Verfügung steht, nicht durch das Erfordernis ein vorherigen Rüge zusammen. Soweit der Auftraggeber nicht – wie vorgeschlagen – die Möglichkeit der Versendung der Vorabinformation durch Fax oder E-Mail wahrnimmt, sondern sie per Post verschickt, wird die Vertragssperrfrist auch nicht durch den Postlauf der Vorabinformation vom Auftraggeber zum Bieter die Vertragssperrfrist verkürzt, wenn man § 13 VgV wie vorgeschlagen de lege ferenda dahingehend ändert, dass für den Fristbeginn auf den Zugang des Vorabinformationsschreibens abzustellen ist.268 Allein der Zeitraum der Zustellung des Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer an den Auftraggeber inkl. der Prüfung der Zustellungsvoraussetzungen (§ 110 II GWB) schmälert die Vertragssperrfrist. Dem Bieter steht daher insgesamt genügend Zeit für die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsverfahrens zur Verfügung. Dafür spricht auch, dass diese Prüfung der Erfolgsaussichten anhand der Vorabinformation ohnehin nicht so umfangreich ist, da die Vorabinformation selbst nur wenige Informationen enthält (näher unter 3.) und daher ihre Auswertung zumeist keinen langen Zeitraum in Anspruch nimmt. Damit wird auch bei der bestehenden Ausgestaltung der Vertragssperrfrist effektiver Rechtsschutz gesichert. Die Fristlänge von 14 Tagen spricht somit nicht gegen die Europarechtskonformität der über § 13 VgV gewählten Lösung. 268 Damit ist es nicht notwendig, eine Verpflichtung des Auftraggebers zur Versendung der Vorabinformation per Fax oder E-Mail einzuführen. Denn bei der hier vorgeschlagenen Lösung treffen die negativen Folgen der Postversendung (spätere Zuschlagserteilung) allein ihn und nicht den Bieter.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Aber auch, wenn eine längere Vertragssperrfrist nicht europarechtlich gefordert ist, so könnte ihre Verlängerung doch sachgerecht sein, um der Rügemöglichkeit in jedem Fall zum Durchbruch zu verhelfen. Einen solchen Vorschlag zur vollständigen Durchsetzung der Rügemöglichkeit, der allerdings zur Verlängerung der Vertragssperrfrist führt, hat Gröning269 gemacht. Er schlägt eine zweispurige Regelung vor, je nachdem, ob eine Rüge erfolgt oder nicht. § 13 VgV wäre nach diesem Vorschlag folgendermaßen zu ändern: Der Bieter hat nach der Vorabinformation eine Woche Zeit, einen Vergabefehler schriftlich beim Auftraggeber zu rügen. Diese Beanstandung müsste der Auftraggeber in einer kurzen Zeit bearbeiten (1 Woche). Geschieht dies nicht bis zum Ablauf dieser Zeit oder wird die Rüge zurückgewiesen, beginnt eine neue Frist (wieder 1 Woche), um den Nachprüfungsantrag zu stellen. Geht beim Auftraggeber dagegen keine Rüge ein, so kann er nach Ablauf der Frist (1 Woche) den Vertrag abschließen. Die Wartefrist wird also in 3 Zeitfenster aufgeteilt.270 Eine solche Ausgestaltung hat den Vorteil, dass der Auftraggeber in jedem Fall die Möglichkeit hat, einer entsprechenden Rüge nachzugehen und selbst den Vergabefehler zu beseitigen. Die Bieter sind nicht mehr gezwungen, ohne das Ergebnis der Rüge abzuwarten, einen Nachprüfungsantrag zu stellen, um die 14-Tagesfrist nicht zu überschreiten und damit eine Erteilung des Zuschlags und den damit einhergehenden Rechtsverlust zu riskieren. Es ist aber zu berücksichtigen, dass auch nach der geltenden Ausgestaltung des § 13 VgV eine Rüge oft schon nach einer Woche erfolgen kann, ggf. sogar muss. Auch hier hat der Auftraggeber die Gelegenheit, dem (behaupteten) Verstoß abzuhelfen.271 Die jetzige Lösung mit dem grundsätzlichen Bestehen der Rügepflicht und der im Einzelfall bestehenden Möglichkeit, die Rüge erst zeitgleich mit dem Nachprüfungsantrag einzulegen, ermöglicht dagegen im Einzelfall flexiblere Ergebnisse. Außerdem führt der Vorschlag von Gröning zu einer Verlängerung der Vertragssperrfrist. Diese ist aber abzulehnen. Die Frist von 14 Tagen stellt einen gelungen Kompromiss zwischen dem Rechtsschutzinteresse des Bieters und dem Interesse der Vergabestelle und der Allgemeinheit an der zügigen Auftragsvergabe dar. Würde man die Frist noch weiter verlängern, würde die Auftragsvergabe unnötig zu lange verzögert. Bei Ausschöpfung des vergabespezifischen 269 Gröning, WRP 2000, 49, 54 und ders., in: WRP 2001, 1, 6; dem folgend Schenk, S. 136 f. und 212 f. 270 Gröning, WRP 2001, 1, 6. 271 Vorteil des Vorschlags von Gröning ist aber, dass die Reaktionszeit der Vergabestelle klar festgelegt ist.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Rechtsschutzes kann es ohnehin heute schon zu erheblichen Verzögerungen der Auftragsvergabe kommen.272 f) Ergebnis Die Vertragssperrfrist, die schon im Gesetzgebungsverfahren von 7 Kalendertagen (Entwurf Dezember 1999), über 10 Werktage (Entwurf vom Juni 2000) auf 14 Kalendertage (jetzige Fassung) erhöht worden ist, stellt einen ausgewogenen Kompromiss im Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse der Vergabestelle und der Allgemeinheit an schneller Auftragsvergabe und den Rechtsschutzinteressen der Bieter dar.273 De lege ferenda sollten aber als Reaktion auf die Einführung von § 13 VgV mit seiner Anordnung der Vertragssperrfrist die bereits angesprochenen Änderungen vorgenommen werden (etwa die Anpassung der Regelung zur Zuschlagsfrist in der VOB274).275 g) Exkurs: Weitere Folge der Wartefrist im Hinblick auf die Effektivität des Rechtsschutzes § 13 VgV beseitigt nicht nur das Informationsdefizit, das der mangelnden Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung zu Grunde lag, sondern die 14tägige Wartefrist des Auftraggebers verhindert einen Rechtsschutzausschluss für den Bieter auch in anderer Hinsicht: – Es bestand vor Erlass des § 13 VgV auch die Möglichkeit der Vereitelung des Rechtsschutzes wegen der Rügepflicht des Bieters gem. § 107 III GWB: Problematisch an der Geltung des Suspensiveffektes (§ 115 I GWB) erst ab Zustellung des Nachprüfungsantrages an den Auftraggeber war, dass der durch die Rüge gewarnte Auftraggeber den Zuschlag schnell noch vor Zustellung des Nachprüfungsantrags erteilen konnte. Auch in diesem Fall stand dem Bieter gar kein vergabespezifischer Rechtsschutz zur Verfügung. Es bestand daher durch die Regelung des § 114 II GWB i. V. m. der Rügepflicht und der Geltung des Suspensiveffektes erst ab Zustellung des Nachprüfungsantrags bei der Vergabestelle 272

Dazu näher bei der Gesamtwürdigung des Rechtsschutzes, Teil 1, B. V. Dies setzt allerdings wie gezeigt voraus, dass § 13 VgV so geändert wird, dass die Vertragssperrfrist erst mit dem Zugang der Vorabinformation beim Bieter beginnt – dazu unter C. II. 2. c). 274 Dazu unter C. II. 2. a) bb) (1). 275 Zum dementsprechenden Formulierungsvorschlag für die Ausgestaltung der Vorabinformationsregelung de lege ferenda unten bei der Würdigung der Gesamtregelung, C. III. 273

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

die Gefahr, dass die Vergabestelle im Falle eines drohenden Nachprüfungsantrages kurzfristig den Zuschlag erteilte und damit unumkehrbare Fakten schuf.276 Dieses Verhalten des Auftraggebers ist nach Einführung der Vorabinformationspflicht durch § 13 VgV nicht mehr möglich. Die Rüge durch den Bieter erfolgt innerhalb der Wartefrist, die auch (i. d. R.) bis zur Zustellung des Nachprüfungsantrags weiterläuft. Damit kann der durch die Rüge gewarnte Auftraggeber nicht noch schnell einen wirksamen Zuschlag erteilen. – Vor Einführung des § 13 VgV war es ferner nicht nur möglich, dass der Auftraggeber, der durch die Rüge von einer beabsichtigten Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens erfuhr, noch schnell den Zuschlag erteilte. Da der Suspensiveffekt nach § 115 I GWB nicht bereits ab der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens, sondern erst ab Zustellung des schon bei der Vergabekammer eingereichten Nachprüfungsantrags an den Auftraggeber gilt277, war es auch möglich, dass der Auftraggeber, der anders als durch Zustellung von der erfolgten Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens erfahren hatte, noch schnell den Zuschlag erteilte.278 Allein die bei Zuschlagserteilung vorliegende Kenntnis von der Anhängigkeit des Nachprüfungsverfahrens führt vor Zustellung des Nachprüfungsantrags nicht zur Nichtigkeit. In diesem Fall blieb dem Antragssteller nur der Feststellungsantrag nach § 114 II GWB.279 Nach Einführung des 13 VgV läuft die 14-tägige Wartefrist mit der Folge der Geltung des Vertragsabschlussverbotes in der Regel nicht nur bis zur Einlegung des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer, sondern bis zur Zustellung des Nachprüfungsantrags beim Auftraggeber. Damit kann der Auftraggeber jetzt auch dann nicht mehr den Zuschlag erteilen, wenn er anders als durch Zustellung des Nachprüfungsantrags schon vorher von der Einlegung des Nachprüfungsantrags erfahren hat.

276

Dieses Problem sieht im Ergebnis auch Meyer, WuW 1999, 567; dazu auch unter C. II. 2. g). 277 Die Zustellung erfolgt erst nach Prüfung der offensichtlichen Erfolglosigkeit durch die Vergabekammer. 278 Damit hilft also allein die Empfehlung, zum sicheren Erreichen des Suspensiveffektes und damit zur Erhaltung der Rechtsschutzmöglichkeit gleichzeitig mit der den Auftraggeber warnenden Rüge auch den Nachprüfungsantrag zu stellen, nicht weiter. 279 Zum Ganzen auch Waldner, S. 184.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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h) Auswirkungen eines Nachprüfungsantrags auf den Lauf der Stillhaltefrist Nach der Feststellung, dass die Stillhaltefrist zur Rechtsschutzeinlegung ausreichend ist, soll darauf eingegangen werden, welche Auswirkung die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens auf den Lauf der Stillhaltefrist hat. aa) Variante 1: Abweisung des Nachprüfungsantrags Diese Problematik ergibt sich zunächst bei der Abweisung des Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer: Durch die Wartefrist vor der Zuschlagserteilung wird die Einlegung eines Nachprüfungsantrags ermöglicht. Wird dann ein Nachprüfungsantrag gestellt, so hat dies zunächst keine Auswirkungen auf die getroffene Zuschlagsentscheidung. Erst die Vergabekammer kann die Zuschlagsentscheidung aufheben oder andere Maßnahmen anordnen, die zu einer anderen Zuschlagsentscheidung führen können (Wiederholung der Wertung der Angebote anordnen). Wenn die Vergabekammer dies aber nicht tut und den Nachprüfungsantrag als unbegründet abweist, bestätigt sie die bekannt gemachte Zuschlagsentscheidung. Diese kann also weiter Grundlage für die Zuschlagserteilung sein. Hier stellt sich dann die Frage, ob der Auftraggeber nach dem Ende des Suspensiveffekts280 sofort den Zuschlag erteilen kann, weil die Wartefrist während des Nachprüfungsverfahrens ablief oder aber, ob der (Ab)Lauf der 14-Tagesfrist durch das Nachprüfungsverfahren gehemmt oder ausgesetzt war? Muss der Auftraggeber also etwa, wenn der Nachprüfungsantrag 8 Tage nach Beginn der Wartefrist gestellt wurde, nach der Entscheidung der Nachprüfungsinstanz und dem Ende des Suspensiveffekts noch weitere 6 Tage warten, bis er den Vertrag schließen kann? Letzteres ist nicht der Fall: Der Lauf der Wartefrist wird durch die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens nicht gehemmt oder ausgesetzt. Die 14-Tagesfrist läuft während des Nachprüfungsverfahrens weiter, sie läuft also ohne „Hemmung“ 14 Kalendertage nach ihrem Beginn ab. Im obigen Beispiel wäre dies 6 Tage nach Einlegung des Nachprüfungsantrags. Im Ergebnis kann also die Vergabestelle nach der Entscheidung der Nachprüfungsinstanz und dem Ende des Suspensiveffektes den Zuschlag sofort erteilen. 280 Nach der Entscheidung durch die Vergabekammer endet der Suspensiveffekt nach Ablauf der Beschwerdefrist (2 Wochen), soweit keine sofortige Beschwerde eingelegt wurde, näher dazu Teil 1, B. IV. 1.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

bb) Variante 2: Rücknahme des Nachprüfungsantrages Etwas anderes kann sich dann ergeben, wenn der Nachprüfungsantrag zurückgenommen wurde. Wie sich aus § 128 III S. 3 GWB ergibt, ist diese Rücknahme des Antrags möglich und hat verfahrensbeendigende Wirkung.281 Hier erscheint es denkbar, dass die Rücknahme so zeitig erfolgte, dass die 14-Tagesfrist noch nicht abgelaufen ist. Dies wäre beim obigen Beispiel etwa der Fall, wenn der Antragsteller die Rücknahme schon 2 Tage nach Einlegung des Nachprüfungsantrages erklärt. Der Auftraggeber muss dann aber trotzdem den Ablauf der 14-Tagesfrist, der durch die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens nicht gehemmt oder ausgesetzt wurde (s. o.), abwarten. D.h. beim obigen Beispiel müsste er nach der Rücknahme noch 4 Tage mit der Zuschlagserteilung warten.282 Dies ist erforderlich, um auch anderen Bietern noch die Möglichkeit zu geben, 14 Tage lang über die Einlegung eines Nachprüfungsantrages nachzudenken. cc) Variante 3: Anordnung der Neubewertung durch die Nachprüfungsinstanz Für die neue Zuschlagsentscheidung gilt wieder § 13 VgV. Es gilt also auch eine neue Stillhaltefrist. Bei der Anordnung der Neubewertung durch die Nachprüfungsinstanz ist allerdings fraglich, welche Bieter nach der erfolgten Neubewertung zu informieren sind. Es ist also zu untersuchen, welche Auswirkung die Anord281 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 114 Rn. 8; VK NRW (BR Arnsberg), Beschl. v. 26.04.2002 – VK 2-06/2002, S. 4. Zur Kostentragung bei der Rücknahme: Zur Gebührenhöhe (§ 128 III S. 3 GWB), Immenga/Mestmäcker – Stockmann, § 128 Rn. 6 m. w. N. Die Frage, wer nach Rücknahme des Nachprüfungsantrags die Gebühren der VK und die jeweiligen Rechtsanwaltskosten zu tragen hat, wird von der Entscheidungspraxis und Literatur nicht einheitlich beurteilt. Vgl. nur OLG Celle, Besch. v. 13.2.2002, WuW 2002, 1147 f. (Verg 661); VK NRW (BR Arnsberg), Beschl. v. 26.04.2002 – VK 2-06/2002, S. 4 f. und VK Hessen (RP Darmstadt), Beschl. v. 30.7.2002 – 69 d VK 27/2002, S. 4; OLG Jena, Beschl. v. 22.8.2002 – 6 Verg 3/02; Immenga/Mestmäcker – Stockmann, § 128 Rn. 6 und 13; vgl. auch den Rspr. überblick dazu bei Jaeger, NZBau 2001, 366, 373. Die Frage der Kostenerstattung bei Erledigung der Hauptsache durch Rücknahme oder auf andere Weise wurde inzwischen durch OLG Bremen, Beschl. v. 2.1.2002 – Verg 3/01, ZfBR 2002, 718 nach § 124 II GWB dem BGH vorgelegt. 282 Das Zuschlagsverbot nach § 115 I GWB endet sofort mit der Rücknahme des Antrags, vgl. Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, § 115 Rn. 20a für die Fälle der Erledigung des Nachprüfungsantrags).

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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nung der Neubewertung auf den notwendigen Adressatenkreis der Vorabinformation hat. Dabei ist folgendermaßen zu differenzieren: – Nach der Neubewertung wird ein anderer Bieter berücksichtigt Hier ist ohnehin eine neue Zuschlagsentscheidung zu treffen, für die dann auch wieder § 13 VgV gilt. Auch wenn die Änderung der Auswahl durch ein Nachprüfungsverfahren erzwungen wurde, ist über die neue Zuschlagsentscheidung nach § 13 VgV zu informieren und es läuft auch wieder die 14-Tagesfrist. Denn die neue Auswahl kann aus Gründen fehlerhaft sein, die bisher noch nicht Prüfungsgegenstand waren.283 – Nachprüfungsinstanz ordnet Neubewertung an, Vergabestelle will aber Zuschlag wieder dem gleichen Bieter erteilen Wenn die Vergabestelle bei der Neubewertung wieder dem gleichen Bieter den Zuschlag erteilen will, so ist fraglich, ob sie hier noch einmal eine erneute Vorabinformation mit anschließender Wartefrist vornehmen muss. Dagegen spricht, dass sie die gleiche Zuschlagsentscheidung getroffen hat. Über diese ist schon einmal informiert worden. Nach Auffassung der Vergabekammer Sachsen sind daher dann, wenn nach Neubewertung der Zuschlag wieder an den gleichen Bieter erteilt werden soll, nur die Verfahrensbeteiligten gemäß § 13 VgV über das Ergebnis der neuerlichen Wertung zu informieren. Nur dann, wenn der Auftraggeber ein anderes Unternehmen als den Erstbegünstigten (die Beigeladene) für den Zuschlag favorisieren will, seien alle am Vergabeverfahren beteiligten Bieter erneut zu informieren.284 Es muss aber berücksichtigt werden, dass hier wieder ein erneutes Rechtsschutzbedürfnis der anderen nichtberücksichtigten Bieter besteht. Zwar wurde im Hinblick auf das Ergebnis wieder die gleiche Zuschlagsentscheidung getroffen. Gleichwohl ist es nicht dieselbe, sondern ist eine neue Zuschlagsentscheidung. Außerdem ist die Zuschlagsentscheidung, auch wenn sie zum gleichen Ergebnis führt, schon deshalb als neu anzusehen, dass sie nach notwendiger Neubewertung auch anders begründet worden sein wird. Daraus ergibt sich dann für die Bieter ein erneutes Rechtsschutzbedürfnis. Ihnen muss die Möglichkeit zugestanden werden, die Tragfähigkeit der neuen Begründung überprüfen zu lassen. Dies ist nur mit einer erneuten Vorabinformation möglich, die dann ja auch die neue Begründung wiedergeben muss. Die Wartefrist beginnt dann neu. 283 So zu einer ähnlichen Konstellation auch Erdl, VergabeR 2001, 10, 18: Nur die Rechte des zunächst begünstigten Bieters sind bei Änderung der Auswahlentscheidung wegen eines Nachprüfungsverfahrens gesichert, da er regelmäßig diesem Verfahren beigeladen war und er so über § 116 I, § 118 I S. 1 gesichert ist. 284 VK Sachsen, Beschl. v. 08.01.2002 – 1/SVK/132-01, S. 8.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

3. Der Inhalt der Vorabinformation Im Folgenden wird untersucht, ob der von § 13 VgV geforderte Inhalt der Vorabinformation dem Adressaten der Information die Einlegung von Vergaberechtsschutz ermöglicht und damit zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes der Bieter genügt. Bevor darauf im Einzelnen einzugehen ist (unter c), ist zunächst der Gegenstand der Vorabinformation zu bestimmen. a) Gegenstand der Vorabinformation – Die Information über die feststehende Zuschlagsentscheidung Teilweise wird – ohne weitere Erläuterungen – davon ausgegangen, dass mit der Vorabinformation über die „beabsichtigte Vergabeentscheidung“ informiert werde.285 285 In diese Richtung etwa Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOBKommentar, VOB/A, § 114 GWB, Rn. 12 nach dem die Vorabinformation die „Erklärung über die feste Absicht, eine bestimmte Entscheidung treffen zu wollen“ ist. (An anderer Stelle spricht aber Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOBKommentar, VOB/A, § 115 GWB, Rn. 4 wieder davon, dass der Zuschlag die „Erklärung über die Entscheidung zugunsten eines bestimmten Angebots“ sei. Diese Entscheidung geht aber richtigerweise der Erklärung über die Entscheidung voraus.). Auch das OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2001 – Verg 28/01, VergabeR 2001, 429, 430 f. m. Anm. Abel = IBR 2001, 626 (Schonebeck) geht von einer Information über eine „Vorentscheidung“ aus. Ebenso enthält die Entscheidung der 2. VK des Bundes, Beschl. v. 19.1.2001 – VK 2-42/00, WuW 2001, 1022, 1024 (Verg 500) = IBR 2001, 268 (Wagner) die Formulierung: „die beabsichtigte Entscheidung der Vergabestelle“. An anderer Stelle geht sie dann aber zu Recht davon aus, dass die Nichtberücksichtigung feststeht. Damit ist aber auch die Entscheidung schon getroffen und nicht nur beabsichtigt. Auch die Richtlinie des VHB (dazu a. a. O.) zu § 27 a VOB/A), die regelt, wie bei Baumaßnahmen oberhalb der Schwellenwerte der Informationspflicht des § 13 zu genügen ist, spricht in Ziff. 3: von der „beabsichtigten Vergabeentscheidung“. Dagegen sprechen die aufgrund des VHB anzuwendenden Informationsformulare selbst nicht für dieses Verständnis. Im Muster für die Information der nicht berücksichtigten Bieter heißt es: „Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit informieren wir Sie gemäß § 13 Vergabeverordnung (VgV), dass Ihr Angebot nicht berücksichtigt werden soll. Wir beabsichtigen, den Zuschlag am . . . auf das Angebot des Bieters . . . zu erteilen.“ Und in dem Muster für die Information an die erfolgreichen Bieter (EFB (B) Info EG) wird ausgeführt: „Sehr geehrte Damen und Herren, nach dem derzeitigen Stand des Vergabeverfahrens beabsichtigen wir, Ihr Angebot anzunehmen. Ein Auftrag darf erst nach Ablauf der in § 14 genannten Frist (14 Kalendertage) erteilt werden.“ Diese Formulierungen sind aber nicht so zu verstehen, dass beabsichtigt wird, erst noch die Entscheidung zu treffen, sondern sie meinen die beabsichtigte Zuschlagserteilung.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Dies überzeugt nicht: Eine Information über die Nichtberücksichtigung, wie sie § 13 VgV vorsieht, ist denknotwendig nur möglich, wenn die Entscheidung, wem der Zuschlag erteilt werden soll und wem nicht, schon getroffen wurde.286 Außerdem können die Bieter nur bei der endgültigen Entscheidung der Vergabestelle verlässlich feststellen, welche subjektiven Rechte verletzt sein können. Die Mitteilung des Zwischenergebnisses schafft diese Voraussetzungen nicht. Der Bieter muss das Verfahrensrisiko und damit das Kostenrisiko für die Stellung eines Nachprüfungsantrages hinreichend abschätzen können287, was er nur bei feststehender Wertung kann. Die Bieter müssen also „von einer nach Abschluss der Wertung feststehenden Nichtberücksichtigung ausgehen können.“288 Dafür spricht auch, dass die vom EuGH konkretisierten Rechtsmittelrichtlinien eine Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung voraussetzen. Eine solche Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung kann aber § 13 VgV nur einräumen, wenn diese Zuschlagsentscheidung schon feststeht, also schon getroffen wurde. Damit ist das hier begründete Verständnis auch zwingend, um den Anforderungen des EuGH zu genügen. Im Ergebnis wird richtigerweise über die bereits getroffene Vergabeentscheidung informiert. Beabsichtigt ist nur die Zuschlagserteilung (= beabsichtigter Vertragsschluss). Die Mitteilung der Nichtberücksichtigung „ist Ergebnis der Wertung der Angebote und der Zuschlagsentscheidung, also des gesamten Entscheidungsfindungsprozesses.289 Unabdingbare Voraussetzung für die Unterrichtung des Bieters durch die Vorabinformation ist folglich, dass die Vergabestelle das Wertungsverfahren abgeschlossen hat.290 Die Vergabestelle muss sich endgültig mit den Angeboten auseinandergesetzt haben.291 Trotz verfrühter Vorabinformation liegt ein Verstoß gegen § 13 VgV aber jedenfalls dann nicht vor292, wenn nach der endgültigen Zuschlagsentscheidung erneut eine Vorabinformation erfolgt.293 Durch die zu286 Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bieter über die bereits getroffene Auswahl eines Bieters informiert werden, ist zwangsläufig bereits eine Entscheidung getroffen worden. – Wittig, S. 302 f. 287 2. VK des Bundes, Beschl. v. 19.1.2001 – VK 2-42/00, WuW 2001, 1022, 1024 (Verg 500) = IBR 2001, 268 (Wagner). 288 2. VK des Bundes, Beschl. v. 19.1.2001 – VK 2-42/00, WuW 2001, 1022, 1024 (Verg 500). 289 1. VK des Bundes, Beschl. v. 25.5.2001, VK 1-15/01, WuW 2001, 797, 798 = Verg 473, 474 (noch zur Vorabinformationspflicht nach der Rspr.). 290 VK Thüringen, Beschl. v. 10.12.2001, 216-4002.20-081/01-GTH; so auch 2. VK des Bundes, Beschl. v. 19.1.2001 – VK 2-42/00, WuW 2001, 1022, 1023 (Verg 500) = IBR 2001, 268 (Wagner) für einen Fall unter Geltung der von der Rechtsprechung geschaffenen Vorabinformationspflicht. 291 VK des Bund, Beschl. v. 19.1.2001 – VK 2-42/00, WuW 2001, 1022, 1024 (Verg 500).

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

sätzliche frühzeitige Information hat der Bieter unter Umständen früher die Möglichkeit, um Rechtsschutz nachzusuchen.294 b) Auswirkungen von § 13 VgV mit der Information über die Zuschlagsentscheidung auf die rechtliche Relevanz dieser Entscheidung Nach weit verbreiteter Auffassung fielen bisher in Deutschland Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung zusammen. Danach gab es nach der traditionellen Konzeption eine der zivilrechtlichen Annahmeerklärung (Zuschlagserteilung) vorangehende (öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche) Auswahlentscheidung nicht.295 Nach den Vertretern dieser Auf292 Einen Verstoß gegen § 13 VgV bei Vorabinformation vor der abschließenden Bewertung bejaht die VK Thüringen, Beschl. v. 10.12.2001, 216-4002.20-081/01GTH. Die VK hielt den Antrag im Ergebnis für begründet. Es lag hier aber nicht nur ein Verstoß gegen § 13 vor, sondern auch noch andere Vergaberechtsverstöße. Auf die Nichtigkeitsfolge kam es hier aber nicht an, da der Nachprüfungsantrag schon vor Zuschlagserteilung gestellt worden war. Im Hinblick auf die Zulässigkeit ging die VK davon aus, dass der Verstoß gegen § 13 nicht gerügt werden musste, da er für den Ast. nicht erkennbar war. Die VK Lüneburg, Beschl. v. 31.05.2002 – 203-VK-09/2002, S. 7 und 12 f. nimmt bei einer Vorabinformation, die vor Abschluss der Überprüfung aller Angebote erfolgte, einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz an, der zusammen mit anderen Vergaberechtsverstößen zur Begründetheit des Antrags führte. 293 Ausnahmsweise hat die VK Lüneburg, Beschl. v. 12.11.2001, 203-VK-19/ 2001, S. 13 f. auch allein eine Information über eine vorläufige Zuschlagsentscheidung ausreichen lassen, wenn die endgültige Entscheidung mit der vorläufigen Entscheidung identisch war. Vgl. auch OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.2001 – Verg 9/ 00, VergabeR 2001, 407, 409 m. zust. Anmerkung Graf, das noch zur Rechtslage der von der Rspr. ausgeformten Informationspflicht entschied. Es hatte hier eine Rechtsverletzung abgelehnt, da die Rechtsposition des Bieters durch die frühzeitige Vorabinformation nicht beeinträchtigt, sondern gestärkt worden war. 294 Eine solche frühzeitige Information über die vorläufige Zuschlagsentscheidung kann den Sinn haben, dass vor der endgültigen Entscheidung bekannt ist, ob gerügt wurde und mit welcher Begründung, vgl. den Fall der VK Lüneburg, Beschl. v. 12.11.2001, 203-VK-19/2001, S. 13 f. Sie hatte einen Fall zu entscheiden, in dem das Informationsschreiben verschickt wurde, nachdem das für die Vergabe (kommunal-)rechtlich zuständige Organ (hier Kreisausschuss) über die Vergabe des Auftrags an einen bestimmten Bieter entschieden hatte. Problematisch war hier, dass zwar nicht rechtlich gebotene aber dennoch allgemein akzeptierte Übung war, über die Vergaben noch ein anderes Organ (hier den Kreistag) entscheiden zu lassen. Die Vorabinformation erfolgte bereits über die Entscheidung des Kreisausschusses, damit rechtzeitig vor der endgültigen Entscheidung im Kreistag bekannt ist, ob tatsächlich eine Nachprüfung beantragt worden ist und ggf. mit welcher Begründung. 295 Sterner, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 28, Rn. 2 und 7.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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fassung wurde dies oberhalb der Schwellenwerte erst durch § 13 VgV geändert.296 Erst hier werde eine Trennung von Zuschlagsentscheidung (1. Stufe) und Zuschlagserteilung = Vertragsschluss (2. Stufe) eingeführt. Unterhalb der Schwellenwerte gelte dagegen immer noch die traditionelle Konzeption.297 Richtig ist, dass auch schon vor der Einführung von § 13 VgV behördenintern eine noch nicht förmlich nach außen kommunizierte Entscheidung getroffen wurde (näher oben unter B. III. 3. a) bei den Ausführungen zur richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Vergaberechts). § 13 VgV macht die Existenz dieser Zuschlagsentscheidung nur klarer. Die Zuschlagsentscheidung wird von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss jetzt deutlich abgekoppelt.298 Auf das „Zusammenfallen“ von Zuschlagserteilung und Vertrag hat § 13 VgV dagegen keinen Einfluss. Es sollte auch nach dem Willen des Verordnungsgebers mit der Einführung von § 13 VgV beibehalten werden.299 Dieses soeben hergeleitete Ergebnis hat Wegmann wie folgt prägnant zusammengefasst: „Zwar ließen sich Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung streng genommen bereits vor Erlass des § 13 VgV rechtlich voneinander unterscheiden. Aus Sicht der Bieter war diese Differenzierung jedoch – mangels Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung – eher theoretischer Natur. Sie erfuhren regelmäßig erst mit der Zuschlagserteilung, für welchen Wettbewerber sich die Vergabestelle entschieden hatte.“300 „Während die Zuschlagserteilung nach wie vor mit dem zivilrechtlichen Vertragsschluss eine Einheit bildet, zieht § 13 nunmehr eine transparente Trennlinie zwischen die Entscheidung über den Zuschlag einerseits und die Erteilung des Zuschlags andererseits. Der Auftraggeber muss zunächst entscheiden und nach außen kundtun, welcher Bieter den Zuschlag auf Grund 296

dazu näher schon oben unter B. III. 3. a) aa). Sterner, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 28, Rn. 2 und 7. 298 So auch Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 195. 299 Begründung zu § 13 VgV, BR-Dr. 455/00, S. 18 f. Dagegen zumindest ungenau Prieß, EuZW 2001, 365, 367: „Durch die hier eingeführte Informationspflicht werden Zuschlag und Vertragsschluss der Sache nach voneinander abgekoppelt, wodurch übergangene Bieter die Möglichkeit haben, einen Zuschlag bzw. Vertragsschluss effektiv zu verhindern.“ Er differenziert dann aber im HdB d. europ. Vergaberechts, S. 195 selbst genauer, wo er dann richtig von einer Abkopplung von Zuschlagsentscheidung und Vertragsschluss spricht. 300 Wegmann, NZBau 2001, 475, 476; im Ergebnis so schon 1998 Heid/Hauck/ Preslmayr, S. 171. 297

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

der Angebotswertung erhalten soll, um dann – 14 Tage später – den Zuschlag erteilen zu können.“301 Auch wenn sich die Existenz der Zuschlagsentscheidung und ihre Unterscheidung von Zuschlagserteilung und Vertrag jetzt schon durch die Einführung von § 13 VgV klarer ergibt, so wäre doch de lege ferenda eine ausdrückliche Klarstellung der Trennung von Zuschlagserteilung und Zuschlagsentscheidung wünschenswert. Eine solche Klarstellung wurde auch in Österreich vorgenommen, wo mit der Einführung der Vorabinformationspflichten ebenfalls die Trennung von Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung deutlicher herausgearbeitet wurde. So wurden in den Vergabegesetzen selbstständige Definitionen von Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung in den Definitionsteilen der Vergabegesetze vorgenommen.302 Außerdem sind auch die Vorabinformationsregelungen selbst ausdrücklich so formuliert, dass über die „Zuschlagsentscheidung“ informiert wird und danach innerhalb bestimmter Frist die „Zuschlagserteilung“ nicht erfolgen darf.303 Dem gemäß geht der Wiener Landesgesetzgeber davon aus, dass mit der Vorabinformationsregelung durch die Trennung von Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung ein „zweigliedriges Zuschlagssystem“ eingeführt wurde.304 Auch in Deutschland sollte eine ausdrückliche Klarstellung zum Verhältnis der Zuschlagsentscheidung zur Zuschlagserteilung vorgenommen werden. § 13 S. 1 VgV sollte in folgende Richtung305 formuliert werden: „Nachdem der Auftraggeber die Entscheidung getroffen hat, welchem Bieter er den Zuschlag erteilen will (Zuschlagsentscheidung), informiert er die Bieter, deren Angebote bei der anstehenden Zuschlagserteilung nicht berücksichtigt werden sollen, über den Grund der Nichtberücksichtigung ihres Angebotes und den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll und . . .“.306 Vorteil dieser Fassung ist, dass im Gegensatz zur gelten301

Wegmann, NZBau 2001, 475, 476 (Hervorhebungen auch im Original). Vgl. nur § 15 Abs. 8 Z 1 WLVergG für die Zuschlagsentscheidung und § 15 Abs. 8 Z 2 WLVergG für die Zuschlagserteilung. 303 Vgl. nur § 47 a WLVergG und § 31 IV i. V. m. § 59 I a OÖ VergG. 304 Vorblatt der Erläuterungen zur 1. Novelle zum WLVergG, zitiert nach Haunold, § 47a Ziff. 1; vgl. auch die Erläuterungen zur 1. Novelle zum WLVergG zu § 15 Abs 8, zitiert nach Haunold, § 15 Ziff. 2: „Nunmehr soll ein ‚zweigliedriges Zuschlagssystem‘, . . ., eingeführt und zwischen der Zuschlagsentscheidung der vergebenden Stelle und der Zuschlagserteilung durch den Auftraggeber unterschieden werden.“ 305 Ein Formulierungsvorschlag, der auch die anderen de ferenda gemachten Vorschläge für § 13 VgV zusammenfasst, findet sich beim Gesamtergebnis zur Wirkung des § 13 VgV für den Rechtsschutz der Bieter, s. unter C. III. 306 In diese Richtung geht auch der Vorschlag von Adam, WuW 2000, 261, 264: „Hat sich ein Öffentlicher Auftraggeber entschieden [Hervorhebung vom Verf.], den Zuschlag einem bestimmten Unternehmen zu erteilen, so sind alle am Verfahren be302

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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den Fassung die Trennung zwischen Zuschlagsentscheidung und folgender Zuschlagserteilung, die zum Vertragsschluss führt, herausgearbeitet wird. Auch wird klarer, dass der Auftraggeber über die bereits getroffene Entscheidung und nicht nur über die bevorstehende Entscheidung informiert. c) Die notwendigen Angaben in der Vorabinformation aa) Ausgangspunkt – Wortlaut des § 13 VgV ist nicht aussagekräftig Als Mindestinhalt der Information sieht § 13 VgV nur den Namen des obsiegenden Bieters307 und den „Grund der Nicht-Berücksichtigung“ des Angebotes vor. Genaueres über den Umfang ist aber nicht geregelt.308 Obwohl sich schon zahlreiche Nachprüfungsinstanzen und auch die Fachliteratur mit der Frage des Umfangs der Vorabinformation beschäftigt haben, bestehen „beim gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung und der Erörterungen von § 13 VgV in der Fachliteratur noch keine klar umrissenen Vorstellungen darüber . . ., welchen inhaltlichen Anforderungen der öffentliche Auftraggeber bei der Vorabinformation nach § 13 VgV unterliegt“.309 Es ist für die Auftraggeber daher schwierig abzuschätzen, wie umfangreich und detailliert die Begründung sein muss.310 Dies ist umso problematischer,311 als der Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 13 S. 1 VgV mit der weit reichenden Folge der Nichtigkeit bedroht sein könnte.312 Die Frage nach den inhaltlichen Anforderungen an die Information und nach teiligten Bieter davon zu benachrichtigen. Der Zuschlag darf frühestens 10 Tage nach der Benachrichtigung aller Bieter erteilt werden.“ 307 Dieser ist also zwingend anzugeben, vgl. dazu LG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2002 – 34 O (Kart) 72/02, NZBau 2003, 109, wo wegen dessen Fehlens die Nichtigkeit des Vertrages bejaht wurde. 308 Zur darüber hinaus bestehenden Pflicht, auch die „Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots“ mitzuteilen und ihre Integration in die Vorabinformationsregelung des § 13 VgV, s. unter C. VII. 1. a). 309 KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235, 238 m. Anm. Erdl. So auch das OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002 – 1 Verg 1/02, VergabeR 2002, 384, 386 nach dessen Einschätzung die Frage, welche Anforderungen die Begründung erfüllen muss, „noch nicht abschließend geklärt“ ist und dazu derzeit noch unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. 310 Wegmann, NZBau 2001, 475, 477, nach dem dies gerade bei komplexen Aufträgen, bei denen die Entscheidung über den Zuschlag anhand einer Vielzahl von Kriterien erfolgt, der Fall ist. 311 So wird die unklare Regelung zum Umfang der Informationspflicht auch bei mehreren Antworten zur Fragebogenaktion des BMWi zu den Erfahrungen mit dem VgRÄG kritisiert, dazu Pukall, BMWi, auf einer Vortragsveranstaltung des forum vergabe e. V. am 25.4.2002 in Berlin. 312 Vgl. aber unter C. II. 5. a) bb).

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

den Folgen einer inhaltlich unzureichenden Information ist mithin eine der zentralen Fragen des neuen Vergaberechts.313 Im Folgenden soll daher ermittelt werden, wie die Begründung der Vorabinformation durch den Auftraggeber nach § 13 VgV ausgestaltet sein muss und ob mit diesem Informationsumfang der Forderung nach der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung entsprochen ist. Die Folgen eines Begründungsmangels werden dagegen erst später bei den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht erörtert. bb) Keine Standardtexte ohne Einzelfallbezug In der amtlichen Begründung zum VgV-Entwurf ist vorgesehen, dass die Information auch durch einen „Standardtext“ erfolgen kann, „der die jeweilige für den Einzelfall tragende Begründung enthalten muss.“314 Diese „antithetische Formulierung“315 – Standardtext auf der einen Seite, Einzelfallbezug auf der anderen – sorgt eher für Verwirrung, als das sie Aufklärung über den geforderten Umfang der Begründung gibt.316 Sie verdeutlicht aber sehr schön das Spannungsverhältnis hinsichtlich des Umfangs der Information: Aus Praktikabilitätsgründen dürfen die Anforderungen an die Begründung einerseits nicht überzogen werden, denn es kann passieren, dass der Auftraggeber bei komplexen Bauvorhaben mehrere hundert Bieter zu informieren hat.317 Andererseits genügt eine reine Formelbegründung ohne Bezug zum konkreten Angebot des Bieters nicht, da so der Zweck des § 13 VgV, dem Bieter zu ermöglichen, die Entscheidung der Vergabestelle zu überprüfen und so die Erfolgsausichten seines Nachprüfungsantrages zu ermitteln, nicht erreicht werden kann.318 Eine auf den Einzelfall bezogene Begründung wird daher die Verwendung von Standardtexten im Regelfall ausschließen.319 Die Unzulässigkeit der Verwendung von Standardtexten ohne Bezug zum konkreten Bieterangebot ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 13 VgV. 313

Abel, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2001 – Verg 28/01, VergabeR 2001, 429, 431. 314 Begr. zu § 13, BR-Drs. 455/00, S. 18 f. 315 Wegmann, NZBau 2001, 475, 477. 316 Nach Noch, Vergaberecht kompakt, 2. Aufl., S. 51 ist die Begründung insoweit „völlig unklar und widersprüchlich“. 317 Erdl, VergabeR 2001, 10, 17 f. 318 Hertwig/Kast, Anm. zu VK Bund, Beschl. v. 25.5.2001, VergabeR 2001, 323, 324; Wegmann, NZBau 2001, 475, 477; Portz, VergabeR 2002, 211, 214. 319 Hertwig/Kast, Anm. zu VK Bund, Beschl. vom 25.5.2001, VergabeR 2001, 323, 324.

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Danach müssen die Bieter über „den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots“ informiert werden. Der jeweilige Bieter hat also ein Recht auf individuelle Bescheidung.320 Inzwischen hat auch die Entscheidungspraxis zu Recht festgestellt, dass eine Vorabinformation mit einheitlichem, wortgleichem Inhalt an alle Bieter den Anforderungen des § 13 VgV nicht genügt. Vielmehr ist eine Differenzierung gefordert.321 cc) Weitere Anforderungen an den Informationsinhalt Über die Unzulässigkeit der Verwendung von Standardformularen ohne Einzelfallbezug hinaus ergeben sich unter Berücksichtigung der dazu inzwischen ergangenen Entscheidungspraxis die im Folgenden aufgezeigten weiteren Konkretisierungen für den Umfang der Vorabinformation. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass man allgemeingültige, für alle denkbaren Fälle erschöpfende Aussagen über den notwendigen Inhalt der Vorabinformation nicht treffen kann. Denn die Anforderungen an das Informationsschreiben hängen z. T. auch von den Umständen des Einzelfalls ab322: Allein der Hinweis darauf, dass der Bieter nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, stellt keine Mitteilung des Grundes der Nichtberücksichtigung dar. Dies ist nur die Mitteilung des Ergebnisses des Wertungsprozesses,323 nicht aber die Begründung für dieses Ergebnis. Denn für die mangelnde Wirtschaftlichkeit kann es viele Gründe geben (Preis, Qualität etc.).324 Es genügt auch nicht, wenn die Begründung auf eine pauschale Angabe wie „das Fehlen der geforderten Leistungsfähigkeit“ abstellt. Es ist vielmehr konkret der Grund anzugeben (mangelhaft qualifiziertes Personal, 320

Gröning, wrp 2001, 1, 5. VK Thüringen, Beschl. v. 1.03.2002 – 216-4002.20-004/02-EF-S, S. 12 f. 322 So zu Recht OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2001 – Verg 28/01, VergabeR 2001, 429, 430 m. Anm. Abel = IBR 2001, 626 (Schonebeck); BayObLG, Beschl. v. 18.6.2002 – Verg 8/02 „Schlaflabor II“, VergabeR 2002, 657, 658 f. m. Anm. Goede; VK Thüringen, Beschl. v. 30.8.2002 – 216-4003.20-045/02-EF-S, S. 19. 323 KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235, 238 m. Anm. Erdl; VK Hannover, Beschl. v. 18.1.2002 – 26045 – VK 9/2001, IBR 2002, 164 (Trautner). 324 Die Entscheidungspraxis geht wohl aber in die Richtung, die Information dann als ausreichend anzusehen, wenn im darin nicht nur allgemein auf das wirtschaftlichste Angebot abgestellt wird, sondern außerdem noch mitgeteilt wird, dass ein niedrigeres Angebot als das des abgelehnten Bewerbers vorliegt. Daraus könnten die Informationsadressaten „ohne weiteres entnehmen“, dass die beabsichtigte Zuschlagserteilung allein auf preislichen Erwägungen beruht und andere Kriterien nicht entscheidend waren – vgl. OLG Jena, Beschl. v. 9.9.2002 – 6 Verg 4/02, VergabeR 2002, 631, 634 und die Anm. zu dieser Entscheidung von Kus, VergabeR 2002, 634, 636. 321

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

nicht geeignete Subunternehmer, fehlende Sachausstattung etc.), der den Auftraggeber bewegt hat festzustellen, dass der Bieter nicht leistungsfähig ist.325 Insgesamt geht die allgemeine Tendenz in der Entscheidungspraxis dahin, nicht allzu große Anforderungen an den Informationsumfang zu stellen.326 Nach der Entscheidungspraxis327 ist der Auslegung des § 13 VgV zur Bestimmung des Informationsumfangs Zurückhaltung geboten. Bei der Vorabinformation könne sich der AG auch kurz fassen. Entscheidend ist, dass er verständlich und präzise sowie wahrheitsgemäß den Grund benennt, weshalb das Angebot des zu informierenden Bieters nicht zum Zuge kam. Es muss nur gewährleistet sein, dass der Bieter aus der erhaltenen Information hinreichend ermessen kann, ob die Durchführung eines Vergabenachprüfungsverfahrens sinnvoll ist oder nicht.328 Dem ist zuzustimmen: Die Beachtung der Vorabinformationspflicht muss auch bei einer großen Anzahl von Bietern praktikabel bleiben.329 Allerdings kann die Vorabinformation nicht von vornherein als unzumutbarer Aufwand angesehen werden, da auch schon zuvor eine Nachinformation in ähnlichem Umfang zu erfüllen war.330 Weiter wurde zur Begründung des 325

VK Südbayern, Beschl. v. 12.5.2001, 20-06/01, S. 11 f. So auch die Einschätzung von Höß, VergabeR 2002, 443, 448. 327 Vgl. grundlegend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2001 – Verg 28/01, VergabeR 2001, 429 m. Anm. Abel = WuW 2001, 1159 (Verg 507) = IBR 2001, 626 (Schonebeck) = VN 2001, 78; BayObLG, Beschl. v. 22.4.2002 – Verg 8/02, VergabeR 2002, 383, 384 m. Anm. Glahs/Külpmann; BayObLG, Beschl. v. 3.7.2002 – Verg 13/02, VergabeR 2002, 637 f. m. Anm. Wagner; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002 – 1 Verg 1/02, VergabeR 2002, 384 m. Anm. Glahs/Külpmann; so auch Kratzenberg, NZBau 2001, 119, 120. 328 VK Brandenburg, Beschl. v. 12.4.2002 – VK 15/02 unter Berufung auf das OLG Düsseldorf. Nach einem Obiter dictum des BayObLG, Beschl. v. 3.7.2002 – Verg 13/02, NZBau 2003, 105, 106 kann es aber „Fälle geben, in denen die knappe Angabe des Grundes der Nichtberücksichtigung allein den Bieter nicht in die Lage versetzt, die Erfolgsaussichten eines von ihm erwogenen Nachprüfungsverfahrens abzuschätzen. In diesen Fällen mag auf gezielte Nachfrage hin ein Anspruch auf ergänzende Information gegeben sein.“ 329 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2001 – Verg 28/01, VergabeR 2001, 429 m. Anm. Abel = WuW 2001, 1159 (Verg 507) = IBR 2001, 626 (Schonebeck): Es hat es im entschiedenen Fall genügen lassen, dass der Bieter darüber informiert worden war, in welcher Phase des Verfahrens er gescheitert war und welche Prüfungsmethode sie bei der Angebotswertung verwandt hatte – krit. dazu Abel, VergabeR 2001, 429, 432 in seiner Anm. zu der Entscheidung. Es sei sehr zweifelhaft, ob der Bieter mit dieser Information die Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsantrages abschätzen konnte. BayObLG, Beschl. v. 22.4.2002 – Verg 8/02, VergabeR 2002, 383, 384 m. Anm. Glahs/Külpmann. 330 Gegen die Überlastung der Verwaltung durch § 13 auch Kemper, NJ 2001, 403, 407. 326

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eingeschränkten Informationsumfangs bisher darauf abgestellt, dass hohe Anforderungen an den Informationsumfang auch bei Auftraggebern, die diesen Anforderungen entsprechen wollen, trotzdem tendenziell eher zum Eingreifen der weitgehenden Sanktion, der Nichtigkeitsfolge, führen würden.331 Es wird also darauf abgestellt, dass je höher die Anforderungen an die Begründung sind, umso größer (selbst bei pflichtbewussten Auftraggebern) auch die Gefahr des Verstoßes gegen diese Vorgaben und damit die Gefahr der Rechtsunsicherheit (Nichtigkeitsfolge) werde. Dieses Argument greift inzwischen aber nicht mehr durch, da bei unzureichendem Informationsumfang eine Nichtigkeit des Vertrages von der Entscheidungspraxis nicht mehr angenommen wird.332 Eine knappe Information genügt indes deswegen dem Sinn der Vorabinformation, also der Ermöglichung der Rechtsschutzeinlegung, weil der Möglichkeit des Auftraggebers, die Information kurz zu halten, nach der Entscheidungspraxis das Recht des Bieters gegenübersteht, seinen Nachprüfungsantrag nur knapp zu begründen und dennoch die Voraussetzungen von § 107 II und § 108 II GWB zu genügen.333 So genügt es nach der Entscheidungspraxis, wenn der Bieter die konkrete Möglichkeit eines Vergaberechtsverstoßes aufzeigt und mit einer entsprechenden Sachverhaltsdarstellung begründet. Der Bieter sei berechtigt, sich eine abschließende Beurteilung nach erfolgter Akteneinsicht nach § 111 GWB vorzubehalten,334 wobei allerdings „fishing expeditions“ unzulässig sind335. Es muss weiter beachtet werden, dass eine zu weitgehende Begründungspflicht gegenüber dem erfolglosen Bieter die Tendenz zur Vergabe an den Billigstbieter verstärkt, da hier die Begründung für die Vergabe am leichtesten fällt (Preisargument als einfachste Begründungsstrategie).336 Hinsichtlich ihres „Maximalumfangs“ ist die Information über die Nichtberücksichtung auch durch den vergaberechtlichen Geheimnisschutz begrenzt.337 Al331 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2001 – Verg 28/01, VergabeR 2001, 429, 430 f. m. Anm. Abel = IBR 2001, 626 (Schonebeck); VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 27.11.2001 – 2 VK 15/01, S. 17 f. 332 Dazu näher unten bei den Rechtsfolgen des Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht, unter C. II. 5. a). 333 Glahs/Külpmann, Anm. zu OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002, VergabeR 2002, 387, 388. 334 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002 – 1 Verg 1/02, VergabeR 2002, 384, 387 m. Anm. Glahs/Külpmann. 335 Dazu im Teil 1, B. III. 3. b). 336 Vgl. dazu Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/Rill, S. 195, 438 – 443 (insbes. Fn. 433 und 442). 337 Vgl. Höfler/Bert, NJW 2000, 3310, 3314; Kleinhenz, ZfBR 2001, 75, 77; Erdl, VergabeR 2001, 10, 18.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

lerdings darf die Vergabestelle nach § 13 VgV ohnehin keine Informationen über Konkurrenzangebote geben.338 Es genügt, wenn die Vergabestelle lediglich einen Grund für die Nichtberücksichtigung nennt. Sie muss nicht eine Mehrzahl von Gründen für die Angebotsablehnung angeben. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 13 VgV, wonach die Vergabestelle über „den Grund“ der Nichtberücksichtigung informiert.339 Anders ist dies nach den österreichischen Vorabinformationspflichten, wo die „Gründe der Nichtberücksichtung“ mitzuteilen sind.340 Weiter lässt sich das Genügen der Angabe eines Grundes aus der Entstehungsgeschichte herleiten, denn der Entwurf der Vergabeverordnung v. 14.12.1999341 hatte noch von „den Gründen“ gesprochen, was aufgegeben wurde. Dagegen, dass mit der Angabe eines Grundes dem Bieter ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten gesichert werden, könnte sprechen, dass dann die Vergabestelle die Möglichkeit hat, dem Bieter nur einen „unverdächtigen“ Grund für seine Nichtberücksichtigung mitzuteilen (etwa, dass sein Preis unterboten wurde), so dass der Bieter keinen Anlass für einen Nachprüfungsantrag hat. Erfährt er später, dass eigentlicher Grund für die Nichtberücksichtigung ein anderer, vergaberechtswidriger war, ist es für den Primärrechtsschutz oft zu spät.342 Es muss aber berücksichtigt werden, dass die Nichtberücksichtigung auch schon dann rechtmäßig ist, wenn es nur einen Grund dafür gibt. Solange ein zulässiger, sachlicher Grund für die Nichtberücksichtung vorliegt, spielt es keine Rolle, dass daneben noch weitere, sachliche oder sogar unsachliche Gründe vorliegen. Kann also bei338

Zu dem erforderlichen Bezug zum erfolgreichen Angebot, s. sogleich im

Text. 339 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2001 – Verg 28/01, VergabeR 2001, 429, 430 f. m. Anm. Abel = IBR 2001, 626 (Schonebeck): Auch eine „Begründung“ müsse nicht erfolgen. Dem folgend VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 27.11.2001 – 2 VK 15/01, S. 17 f.; so auch BayObLG, Beschl. v. 22.4.2002 – Verg 8/02, VergabeR 2002, 383, 384 m. Anm. Glahs/Külpmann; BayObLG, Beschl. v. 3.7.2002 – Verg 13/02, VergabeR 2002, 637 f. m. Anm. Wagner. 340 § 100 BVergG § 96 Bgld VergG; § 47 a WLVergG; § 31 IV OÖ LVergG. Nach § 8 a Vorarlberger VergG sind „die wesentlichen Gründe der Nichtberücksichtigung“ bekannt zu geben. 341 Näher oben und C. II. 3. Die hier vorgeschlagene Vorabinformationspflicht war aber hinsichtlich der Gründe der Nichtberücksichtigung nur eine Sollvorschrift. Die Vorabinformation über den Namen des erfolgreichen Bieters musste allerdings in jedem Fall erfolgen. Insoweit geht die Kritik von Spießhofer/Lang, ZIP 2000, 446, 449 ff. ins Leere, die fälschlicherweise davon ausgehen, auch hinsichtlich des „Ob“ der Information sei § 13 in der Entwurfsfassung eine Sollvorschrift. 342 Glahs/Külpmann, Anm. zu OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002, VergabeR 2002, 387, 388 in etwas anderem Zusammenhang. Die Angabe eines Grundes hält nicht für ausreichend: Schröder, NVwZ 2002, 1440, 1442.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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spielsweise allein der höhere Preis des abgegebenen Angebotes die Nichtberücksichtigung rechtfertigen (was allerdings oft nicht der Fall ist), dann genügt eben auch die Angabe des höheren Preises als Grund. Es muss folglich nur ein konkret dem Angebot zuzuordnender tragender Grund, warum das Angebot unter Berücksichtigung des der Vergabestelle zustehenden Beurteilungsspielraums343, nicht das wirtschaftlichste ist, genannt werden.344 Allerdings darf die Information auf der anderen Seite auch nicht zu knapp sein. Denn bei der Bestimmung des Informationsumfangs muss berücksichtigt werden, dass die Begründung für den Bieter „die einzige Erkenntnisquelle“ ist, die ihm für das Erkennen von Rechtsverstößen zur Verfügung steht.345 Der Bieter kennt bei Stellung des Nachprüfungsantrags nur die Verdingungsunterlagen, sein eigenes Angebot und die Vorabinformation.346 Bei Bauvergaben kommen noch die Informationen aus dem Eröffnungstermin hinzu.347 Hier erhält der Bieter insbesondere von der Angebotssumme der anderen Bieter schon im Eröffnungstermin Kenntnis.348 Auch ein Akteneinsichtsrecht steht dem Bieter nach Erhalt der Information, aber vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens nicht zur Verfügung (vgl. § 111 GWB).349 Der Umfang der Information muss sich daran orientieren, dass der Bieter durch die Information in die Lage versetzt werden muss, die Tragfähigkeit seiner Nichtberücksichtigung zu ermitteln. Er muss eine Beurteilung der Vergabeentscheidung und damit der Aussichten der Einlegung eines Nachprüfungsverfahrens vornehmen können.350 Dies liegt nicht nur im Rechtsschutzinteresse des Bieters, sondern auch im Beschleunigungsinteresse der Vergabestelle. Würde der Bieter nämlich nicht erfahren, warum er abgelehnt wurde, wäre er schon aus diesem Grund gezwungen, den Nachprüfungsantrag zu stellen, um dort die Gründe für die Nichtberücksichtigung zu erfahren.351 Er muss also einen Nachprüfungsantrag stellen, auch wenn er bei der 343

Siehe unter B. I. 4. b) aa). Kratzenberg, NZBau 2001, 119, 120. 345 Zum Ganzen Schenk, S. 132 f. 346 Glahs/Külpmann, Anm. zu OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002, VergabeR 2002, 387, 388. 347 Bei Vergabeverfahren nach der VOL/A findet ein „Eröffnungstermin“ nicht statt. Die Angebote werden unter Ausschluss der Bieter geöffnet. Die Bieter erfahren nach der VOL (bis zur Zuschlagserteilung) nicht die Angebotspreise der Konkurrenten. Letzteres entspricht der Rechtslage nach der VOF/A. 348 Näher Schäfer, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 22 Rn. 34 ff. Falls Bieter oder dessen Bevollmächtigter nicht am Eröffnungstermin teilnehmen können, hilft ihnen § 22 Nr. 7 VOB/A. 349 Kritisch Dreher, NZBau 2000, 178, 179 und Hoffmann, S. 73. 350 BayObLG, Beschl. v. 22.4.2002 – Verg 8/02, VergabeR 2002, 383, 384 m. Anm. Glahs/Külpmann. 344

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Kenntnis der Tatsachen keinen Rechtsschutzantrag gestellt hätte, weil er etwa das Angebot des Erstplatzierten als das Bessere anerkannt hätte.352 Dafür, dass die Vorabinformation so detailliert sein muss, dass der Bieter sein Prozessrisiko abschätzen kann, könnte weiter sprechen, dass der Bieter ansonsten einen Antrag „ins Blaue hinein“ stellen müsste und dann mit dem Kostenrisiko des § 128 IV 2 GWB belastet sein könnte. Dies ist allerdings nicht der Fall, da der Vergabestelle die Kosten eines Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen sind, das durch eine unzureichende Vorabinformation veranlasst wurde.353 In diesem Fall kann der Bieter auch nicht Schadensersatzansprüchen wegen missbräuchlicher Inanspruchnahme des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 125 II Nr. 2 GWB ausgesetzt sein.354 Insgesamt ergibt sich aus den vorstehenden Konkretisierungen, dass die Bestimmung des Informationsumfangs in einem Spannungsverhältnis steht. Auf der einen Seite muss der Bieter für einen effektiven Rechtsschutz die Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung und seine Erfolgsaussichten in einem Nachprüfungsverfahren überprüfen können. Auf der anderen Seite muss die Information für den Auftraggeber auch noch praktikabel bleiben. Die Vergabestelle muss in jedem Einzelfall anhand der konkreten Umstände abwägen, welchen Inhalt das Informationsschreiben haben muss.355 Eine weitere Konkretisierung des Informationsumfangs ergibt sich, wenn man berücksichtigt, dass die Vergabeentscheidung anhand der bekannt gegebenen Auswahlkriterien (§ 25 Nr. 3 III S. 2 f. VOB/A356; § 25 Nr. 3 S. 1 VOL/A; § 16 II, III VOF) getroffen wird. Daran muss sich auch die Begründung der Nichtberücksichtigung orientieren, um dem Bieter die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung zu ermöglichen. Die Information muss sich also auf die maßgeblichen Auswahlkriterien beziehen.357 Ist etwa bei einem homogenen Massengut allein der Preis aus351

Gröning, WRP 2000, 49, 55. Gallwas, S. 214; die daher verlangt, dass der Bieter Kenntnis des Angebots des ausgewählten Bieters erhalten soll. 353 Dazu näher unter II. 5. a) aa) (4). 354 Mit anderer Tendenz Gallwas, S. 214. 355 Vgl. auch Schröder, NVwZ 2002, 1440, 1442. 356 Danach ist der Zuschlag auf das Angebot zu erteilen, „das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, wie z. B. Preis, Ausführungsfrist, Betriebs- und Folgekosten, Gestaltung, Rentabilität oder technischer Wert, als das wirtschaftlichste erscheint. Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend.“ 357 Wenn weder in der Bekanntmachung, noch in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes oder in den Verdingungsunterlagen, darauf hingewiesen worden ist, dass und wie die Zuschlagskriterien unterschiedlich gewichtet werden, muss dies Inhalt der Vorabinformation sein. – VK Thüringen, Beschl. v. 30.8.2002 – 2164003.20-045/02-EF-S, S. 19. 352

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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schlaggebend, so genügt bei den unterlegenen Bietern der standardisierte Hinweis auf den nicht günstigsten Preis. (Der jeweilige Bieter kennt ja seinen eigenen Preis).358 Bei komplexeren Abwägungsvorgängen sind an die Substanziierung der Vorabinformation aber höhere Anforderungen zu stellen.359 Hier könnte die Vergabestelle dem Bieter etwa mitteilen, welche Faktoren dessen Angebot sich zu seinen Lasten ausgewirkt haben, ferner sollte das Angebot in Bezug zur Gesamtheit der Angebote gesetzt werden („preislich im Mittelfeld“) oder zumindest einen kurzen Hinweis auf die Gesamtzahl und die Spanne der Gesamtheit der Angebote (preislich, inhaltlich) geben.360 Es muss berücksichtigt werden, dass der Bieter mit dem angegebenen Grund zur Ablehnung seines Angebotes oft nur etwas anfangen kann, wenn er diesen Grund in Relation zum erfolgreichen Angebot setzen kann, in dem er also prüft, ob das erfolgreiche Angebot im Hinblick auf den angegebenen Grund vorzuziehen war.361 Deswegen kann es erforderlich sein, ihn auch in kurzer Form über die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes zu informieren.362 Im Hinblick auf die Orientierung des Informationsinhaltes an den Zuschlagskriterien kann eine Parallele zum Beamtenrecht gezogen werden.363 Auch im Beamtenrecht kann nach Stellenbesetzung kein Primärrechtsschutz durch den nichtberücksichtigten Beamten durchgesetzt werden,364 so dass sich die Rechtsprechung zur Sicherung des Primärrechtsschutzes mit der Statuierung einer Vorabinformationspflicht behilft. Dort sind schon einige Anforderungen für die Begründung dieser Entscheidung herausgearbeitet worden.365 Danach ist in der Begründung ebenso auf die bei der Auswahl herangezogenen Bewertungskriterien zurückzukommen.366 Einen weiterge358

Dazu Gröning, wrp 2001, 1, 5 f. So auch Gröning, wrp 2001, 1, 5 f. 360 Zu den in diese Richtung (und noch weiter) gehenden Pflichten zur Information der unterlegenen Bieter im US-amerikanischem Vergaberecht, Achenbach, S. 32. 361 Vgl. auch Brinker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 27a, Rn. 14. 362 Näher zu dieser Pflicht und ihrer Integration in die Vorabinformationsregelung des § 13 VgV, s. unter C. VII. 1. a). 363 Darüber hinaus ist vorgeschlagen worden, als Argumentationshilfe zur Bestimmung des Informationsumfangs des § 13 VgV die umfangreichen Rechtsprechung zu § 100 III Ziff. 6 (§ 100 III Ziff. 5 a. F.) PatentG heranzuziehen – so Uwe Scharan, Richter am BGH, auf einer Tagung des forum vergabe e. V. am 27.6.2002 in Rostock – vgl. Monatsinfo forum vergabe e. V. 6/2002, S. 90 f. 364 Dazu schon oben unter B. III. 3. a) bb) (2). 365 Näher Schöbener, BayVBl 2001, 321, 326 m. w. N. und Czybulka/Biermann, JuS 1998, 601, 606 f. m. w. N. 359

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henden Gewinn bei der Bestimmung des bereits geregelten Umfangs von § 13 VgV bringt die Heranziehung der im Beamtenrecht gemachten wenigen und nicht sehr weitgehenden Konkretisierungen allerdings nicht.367 Auf die mangelnde Eignung kann in der Begründung für die Nichtberücksichtigung bei der Zuschlagsentscheidung in Vergabeverfahren nach der VOB und der VOL nicht abgestellt werden. Denn die Eignung darf nur auf der (zweiten) Wertungsstufe für den Ausschluss der Bieter herangezogen werden, nicht aber später bei der endgültigen Wertung der Angebote.368 Anders ist dies in Vergabeverfahren nach der VOF. Hier kann die fachliche Eignung und Leistungsfähigkeit nicht nur bei der Auswahl der geeigneten Bewerber für das Verhandlungsverfahren, sondern auch noch einmal bei der Bewertung der bestmöglichen Leistung (§ 16 I VOF) herangezogen werden.369 Wenn neben dem Hauptangebot auch ein Nebenangebot abgegeben wurde, so muss auch der Grund für die Nichtberücksichtigung des Nebenangebotes mitgeteilt werden, sofern das Nebenangebot wertungsrelevant war. In der Vorabinformation muss nach Haupt- und Nebenangebot differenziert werden. Dem ist nicht genügt, wenn in der Mitteilung jeglicher Hinweis auf die tatsächliche Bewertung des Nebenangebotes fehlt. Andernfalls verursacht der Auftraggeber beim nichtberücksichtigten Bieter „die Fehlvorstellung, sein Angebot sei – auch unter Einbeziehung der preisreduzierenden Umstände des Nebenangebotes – aus preislichen bzw. wirtschaftlichen Gründen insgesamt nicht berücksichtigt worden.“370 Nur wenn der 366 Czybulka/Biermann, JuS 1998, 601, 606 f. m. w. N.; Schöbener, BayVBl. 2001, 321, 326. 367 Schenk, S. 133 f. zieht eine Parallele zum Europäischen Beamtenrecht, wo das gleiche Rechtsschutzproblem ebenso über eine Vorabinformation gelöst wurde. Der EuGH hat dort auch die Begründungsanforderungen konkretisiert (vgl. dazu die weiteren Nachweise bei Schenk, S. 133 f.): Eine gewisse Einschränkung der Begründungsanforderungen wird dann vom EuGH zugelassen, wenn dem betroffenen Beamten die Wahrnehmung seiner Rechte durch eine Beteiligung am Entscheidungsverfahren möglich war. Übertragen auf die Vergabe öffentlicher Aufträge kann dies beim Verhandlungsverfahren, nicht aber beim offenen und nicht offenen Verfahren, Bedeutung erlangen: Soweit dem Unternehmen Gründe für die Entscheidung bereits aus dem Verhandlungsverfahren bekannt sind, ist die Begründungspflicht insoweit eingeschränkt. 368 Wenn ein Bieter bei einer Bauvergabe wegen mangelnder Eignung ausgeschlossen wird, informiert der Auftraggeber den ausgeschlossenen Bieter im Übrigen im Regelfall bereits vor Zuschlagserteilung über seinen Ausschluss (§ 27 Nr. 1 VOB/A – näher dazu beim Verhältnis von § 13 zu § 27 Nr. 1 VOB/A unter C. VII. 1. b). 369 Portz, VergabeR 2002, 211, 214. 370 VK Sachsen, Beschl. v. 27.9.2001 – 1/SVK/85-01, Monatsinfo forum vergabe e. V. 11/2001, 150 f. unter Verweis auf das Musterinformationsschreiben für die

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Bieter die Umstände hinsichtlich der Wertung seines Angebots vollständig erfährt, kann er – mangels Kenntnis der Vergabeakten im Übrigen – in die Lage versetzt werden, eine Entscheidung über die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zu treffen.371 Unabhängig von den Anforderungen an die Begründung nach § 13 VgV ist die Information jedenfalls dann ausreichend, wird also ein Verstoß gegen die Begründungspflicht jedenfalls dann verneint, wenn durch die Vorabinformation für den Informierten die Möglichkeit bestand, eine Verletzung eines subjektiven Rechts nach § 97 VII GWB, durch die Nichtbeachtung anderer Vergabevorschriften als § 13 VgV, mit seinem Nachprüfungsantrag in zulässiger Weise geltend zu machen. Wenn der Bieter den Verstoß in einer die Zulässigkeit begründenden Weise vortragen kann, zeigt sich darin, dass „jedenfalls seinem individuellen Rechtsschutzbedürfnis in einem zur Wahrnehmung des Vergaberechtsschutzes erforderlichen Maß Rechnung getragen worden ist. Mehr kann nach dem Schutzzweck der Vorschrift von einer Begründung der Vorabinformation nicht verlangt werden.“372 Dafür lässt sich weiter vorbringen, dass eine weitergehende Begründung als die, die einen zulässigen Nachprüfungsantrag ermöglicht, auch nicht erforderlich sei. Ist nämlich das Nachprüfungsverfahren erst einmal zulässig eröffnet, so kann sich der Bieter Kenntnis über weitere Vergaberechtsverstöße über das Akteneinsichtsrecht nach § 111 GWB verschaffen.373 Diese Auffassung, dass die Information ausreichend ist, wenn mit Erfolg ein Vergaberechtsverstoß im Nachprüfungsverfahren festgestellt werden konnte, wird kritisiert. Auch wenn die Vorabinformation ganz fehle, seien die Bieter in bestimmten Fällen zur Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens in der Lage (etwa bei Fehlern in der Leistungsbeschreibung). Auch wenn hier die Information für das Informationsbedürfnis nicht erforderlich sei, führe die Nichterteilung der Information zur Nichtigkeit nach § 13 S. 4 VgV.374 Diese Kritik überzeugt nicht, da die Information nur dann aufVergabe und Ausführungen von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA B-StB-Information gemäß § 13 VgV I 1 (02/01)). Auch dort werde verlangt, dass – zumindest bei wertungsrelevanten Nebenangeboten – der Grund für die Nichtberücksichtigung des Nebenangebotes mitgeteilt werde. VK Sachsen, Beschl. v. 23.5.2003 – 1/SVK030-03, IBR 2003, 563 (Völlink). 371 2. VK des Bundes, Beschl. v. 19.1.2001 – VK 2-42/00, WuW 2001, 1022, 1024 (Verg 500) = IBR 2001, 268 (Wagner) (zur Rechtslage bei Geltung des von der Rspr. geprägten Vorabinformationsanspruches): Danach gebietet es die Transparenz des Vergabeverfahrens, das „jedenfalls die sich „in unmittelbarer Nähe“ des Angebots befindlichen Bieter auch erfahren, wie die Vergabestelle mit ihren (Neben-)Angeboten umgegangen ist.“ 372 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002 – 1 Verg 1/02, VergabeR 2002, 384, 387 m. Anm. Glahs/Külpmann. 373 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002 – 1 Verg 1/02, VergabeR 2002, 384, 387.

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grund der erfolgreichen Einlegung des Nachprüfungsantrags für ausreichend zu halten ist, wenn diese erfolgreiche Einlegung durch die Vorabinformation, und nicht durch sonstige Kenntnis ermöglicht wurde. dd) Stellungnahme zur Nutzung von Formblättern in der Vergabepraxis Die Vergabebestellen nutzen in ihrer Vergabepraxis zur Vorabinformation zumeist Formblätter. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat für seine nachgeordneten Behörden im Baubereich die Anwendung einer Richtlinie zu § 27 a VOB/A (Anlage 1 des Einführungserlass des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen) vorgeschrieben.375 Danach hat die Vorabinformation mit dem Einheitlichen Formblatt EFB Info/Abs-EG 306 zu erfolgen. In diesem Formblatt sind dann u. a. verschiedene Varianten zum Ankreuzen vorgegeben, warum das Angebot nicht berücksichtigt werden kann oder auf das Angebot nicht der Zuschlag erteilt werden konnte.376 Die vorgegebenen Ankreuzmöglichkeiten werden ergänzt durch das mögliche Einfügen eines auf das konkrete Angebot zutreffenden Erläuterungstextes.377 Wie schon ausgeführt, ist die Nutzung von Formblättern nur möglich, wenn der Einzelfallbezug hergestellt wird. Formblätter, die ausschließlich einen vorformulierten Text ohne Einzelfallbezug enthalten, genügen nicht. Die Begründung muss sich auf einen bestimmten Bieter beziehen. Sie muss individuell auf dessen Angebot eingehen, Sammelbegründungen sind nicht ausreichend.378 Werden aber die Ankreuz- und Erläuterungsmöglichkeiten des Formblattes im VHB von der Vergabestelle genutzt, ist der erforderliche Bezug zum konkreten Angebot des Bieters vorhanden.379 Die Verwendung von Standardformularen entbindet den öffentlichen Auftraggeber nicht von seiner Pflicht, im jeweiligen Einzelfall den notwendigen Umfang der Information unter Berücksichtigung des oben dargestellten Spannungsverhältnisses zwischen Minimal- und Maximalumfang der Vorabinformation zu prüfen.380 374

Glahs/Külpmann, Anm. zu OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002, VergabeR 2002, 387, 388. 375 Vgl. dazu auch forum vergabe e. V. Monatsinfo 3/2001, 32. 376 Das Informationsschreiben ist zusammen mit dem Informationsschreiben EFB (B) Info EG 307 (Information für erfolgreiche Bieter) abgedruckt in NZBau 2001, 128. 377 Kratzenberg, NZBau 2001, 119, 120. 378 Vgl. auch Voppel, VOF, § 17 Rn. 50 für die Nachinformationspflicht aus § 17 IV VOF. 379 Dies übersieht Hoffmann, S. 71. 380 Vgl. auch Schröder, NVwZ 2002, 1440, 1442.

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Im Ergebnis wird die Nutzung dieses Formblattes des VHB oder vergleichbarer Formblätter bei der dargestellten sachgerechten Anwendung den Anforderungen des § 13 VgV gerecht und stellt eine praxistaugliche Hilfe für die Vergabestelle dar.381 d) Ergebnis Der durch § 13 VgV geforderte Informationsumfang ermöglicht dem Adressaten der Information in hinreichender Weise die Einlegung von Vergaberechtsschutz, soweit die herausgearbeiteten Konkretisierungen des Inhalts der Vorabinformation beachtet werden. Auch insoweit ist § 13 VgV also zur Sicherstellung eines effektiven Primärrechtsschutzes geeignet. De lege ferenda sollte in § 13 VgV der Informationsumfang dahingehend erweitert werden, dass der Auftraggeber verpflichtet wird, eine Art Rechtsbehelfsbelehrung in die Vorabinformation aufzunehmen.382 Darin müsste darauf hingewiesen werden, dass der Bieter (nur) innerhalb der nächsten 14 Tage Gelegenheit hat, seine Rechtsschutzinteressen durchzusetzen, so dass ihm die Eilbedürftigkeit des Handelns deutlich vor Augen geführt wird.383 Dies erscheint gerade zum Schutz kleiner und mittelständischer Unternehmen nötig, die oft von ihren Rechtsschutzmöglichkeiten noch nicht genügend Kenntnis haben. Die anzurufende Vergabekammer hat der Auftraggeber bereits nach § 31a VOB/A, 32 a VOL/A bzw. § 21 VOF schon in der Auftragsbekanntmachung und in der Aufgabenbeschreibung anzugeben. Die geplante Vorabinformationsregelung nach § 101 a GWB des Referentenentwurfs vom 8.2.2005 (ausführlich bereits unter C. I. 2. und im Teil 1, unter A. VII.) sieht die Möglichkeit des Auftraggebers vor, auch die Platzierung der jeweiligen Angebote bei der Wertung anzugeben. Aus der Angabe der Platzierung kann das Unternehmen Rückschlüsse für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages ziehen. Nachprüfungsanträge, die wegen schlechter Platzierung keine Chance auf einen Zuschlag haben, sind in der Regel wegen fehlender Antragsbefugnis unzulässig.384 Dieser Regelungsvorschlag ist daher zu begrüßen, da so die Unternehmen vor Verfahrens381 Wegmann, NZBau 2001, 475, 477 Fn. 23; so auch Jasper, in: Tagungsband – Zweiter Düsseldorfer Vergaberechtstag am 28. Juni 2001, S. 11, 20; a. A.: Hoffmann, S. 71. Zum Formblatt des Hauptausschusses Verdingungswesen Straßen- und Brückenbau und dessen Inhalt, Erdl, VergabeR 2001, 10, 17 f. Es genügt nicht den Anforderungen des § 13 VgV. 382 So auch Malmendier, DVBl 2000, 963, 967. 383 Zu einem dementsprechenden Formulierungsvorschlag unten beim Vorschlag für die Ausgestaltung der Vorabinformationspflicht, der die de lege ferenda gemachten Anregungen in sich vereint, unter C. III.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

kosten in Nachprüfungsverfahren geschützt werden, die sie in Kenntnis ihrer Platzierung nicht anstrengen würden.385 e) Die Heilung eines Informationsmangels vor Zuschlagserteilung Bevor darauf eingegangen wird, welche Folgen ein Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht nach bereits erfolgter Zuschlagserteilung und Vertragsschluss mit sich bringt, soll untersucht werden, welche Möglichkeiten der Auftraggeber hat, wenn er schon vor Zuschlagserteilung erkennt, dass er einen Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht begangen hat386 und daher die Vornahme eines nichtigen Vertragsschlusses droht:387 In der Entscheidungspraxis388 ist anerkannt, dass der Auftraggeber in diesen Fällen die Vorabinformation korrekt nachholen kann. Dadurch vermeidet er schon von vornherein den Abschluss eines nichtigen Vertrages. Begründet wird diese Heilungsmöglichkeit der unkorrekten Vorabinformation zu Recht wie folgt: Eine fehlerhafte Vorabinformation zieht „nicht die Nichtigkeit künftiger Zuschläge für alle Ewigkeit nach sich . . ., wie dies der Wortlaut des § 13 S. 4 VgV nahe legen könnte. Vielmehr muss vor dem Sinne und Zweck des § 13 VgV, der Schließung von Rechtsschutzlücken im Hinblick auf EU-rechtliche Rechtsmittelrichtlinien, angenommen werden, dass § 13 VgV einzig und allein sicher stellen will, dass nicht berücksichtigte Bieter effektive Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verhinderung eines drohenden Zuschlags erhalten müssen. Wenn dieser Zweck jedoch nachträglich erreicht wird, besteht keine Veranlassung mehr, die weit reichende Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 4 VgV weiterhin für alle Zukunft aufrecht zu erhalten. Wenn der Auftraggeber sich gerade dadurch (wieder) vergaberechtskonform verhält, dass er eine dem Vergaberecht widersprechende Vorinformation im 384 Vgl. Entwurf der Begründung des Gesetzes zur Neuregelung des Vergaberechts (Stand 8. Februar 2005), Zu § 101 a. 385 Vgl. auch: Entwurf der Begründung des Gesetzes zur Neuregelung des Vergaberechts (Stand 8. Februar 2005), Zu § 101 a. 386 Etwa wenn er diese nicht schriftlich vorgenommen hat, sie nicht an alle Bieter geschickt hat oder den Namen des erfolgreichen Bieters nicht angegeben hat. 387 Die Frage, wie nach Zuschlagserteilung eine „Heilung“ der wegen eines Informationsmangels vorliegenden Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages möglich ist (Bestätigung), wird unten unter C. II. 5. a) dd) (3) erörtert. 388 VK Sachsen, Beschl. v. 8.11.2001 – 1/SVK/104-01, S. 12 f.; VK Brandenburg, Beschl. v. 27.5.2002 – 2 VK 94/01, S. 6; VK Sachsen, Beschl. v. 08.01.2002 – 1/SVK/132-01; von einer solchen Heilungsmöglichkeit geht offenbar auch aus: 2. VK des Bundes, Beschl. v. 19.1.2001 – VK 2-42/00, WuW 2001, 1022, 1024 (Verg 500) = IBR 2001, 268 (Wagner).

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Wege einer unverzüglichen Heilung des Informationsmangels durch Zusendung an einer korrekten Information an alle nichtberücksichtigten Bieter korrigiert, dann ist es nach Sinn und Zweck der Vergabeverordnung nicht mehr notwendig, die ultimative Nichtigkeitsfolge künftiger Zuschläge und Verträge zu verfügen. Vielmehr erscheint es im Sinne einer konformen Auslegung ausreichend, wenn die vierzehntägige Vorinformationspflicht des § 13 S. 2 VgV erst ab“ Zusendung389 „des korrekten (zweiten) Vorinformationsschreibens neuerlich zu laufen beginnt und der Auftraggeber dies bei seinem geplanten Vertragsschluss zeitlich nach hinten mit einbezieht.“390 Für die Heilung des Informationsmangels ist nach den einzelnen Informationsverstößen zu differenzieren: – Verstoß liegt in gänzlicher Unterlassung der Vorabinformation nach Zuschlagsentscheidung Hier kann die Vorabinformation nachgeholt werden. Es gilt dann aber nach der korrekten Vorabinformation noch mal die 14-tägige Wartefrist. Danach kann der Zuschlag noch einmal erteilt werden. Gegebenenfalls muss der Bieter die Verlängerung der Zuschlagsfrist vereinbaren.391 – Verstoß liegt in unzureichendem Informationsumfang Die Vorabinformation kann mit dem korrekten Umfang nachgeholt werden.392 Die Stillhaltefrist ist hier erneut abzuwarten. Die Vorabinformationsfrist beginnt erst, wenn die Vorabinformation vollumfänglich erteilt wurde, also erst mit dem „Heilungsschreiben“.393 Eine Heilung ist nur möglich, wenn die nachgeholte korrekte Information allen Bietern gegenüber erfolgte. Eine Nachbesserung nur gegenüber dem die mangelhafte Vorabinformation rügendem Bieter genügt nicht.394 Die Nachholung der korrekten Information nur gegenüber dem Rügenden mit dem Argument, die anderen hätten ja genauso rügen können, ist also nicht ausreichend. Die Heilung hat auch Einfluss auf ein inzwischen eingeleitetes Nachprüfungsverfahren: Soweit die Antragstellerin eine Verletzung der Vorinforma389

Die VK Sachsen hatte hier allerdings auf den Tag der Absendung abgestellt. VK Sachsen, Beschl. v. 8.11.2001 – 1/SVK/104-01, S. 12 f. 391 Putzier, DÖV 2002, 517, 520. 392 Einen Fall, in dem eine mangelhafte Information auf die dem entsprechende Rüge des Bieters hin korrigiert wurde, hat VK Brandenburg, Beschl. v. 27.5.2002 – 2 VK 94/01 zum Gegenstand. 393 So auch VK Thüringen, Beschl. v. 1.03.2002 – 216-4002.20-004/02-EF-S, S. 9 f.; Putzier, DÖV 2002, 517, 520. 394 VK Thüringen, Beschl. v. 1.03.2002, a. a. O., S. 9 f.; für eine Information an alle Bieter auch VK Sachsen, Beschl. v. 8.11.2001 – 1/SVK/104-01, S. 12 f. 390

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tionspflicht der Auftraggeberin moniert hat, hat sich der Antrag durch die erfolgte Nachholung der § 13 VgV entsprechenden Vorinformation samt Nennung des bezuschlagten Unternehmens erledigt395. Die zuvor zu prüfende Antragsbefugnis wegen des Verstoßes gegen § 13 VgV ist aber trotz der Heilung von der Entscheidungspraxis bejaht worden.396 4. Rechtsfolge des Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht, wenn die Zuschlagserteilung bereits erfolgt ist – Die Nichtigkeit des Vertrages § 13 S. 5 VgV verbietet den Vertragsabschluss vor Ablauf der Wartefrist oder ohne dass die Vorabinformation erteilt worden ist. Wird gegen dieses Verbot verstoßen, ordnet § 13 S. 6 VgV die Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages an. Auch im Hinblick auf diese Nichtigkeitsfolge ergeben sich zahlreiche Fragen, deren Beantwortung für die Beurteilung der Effektivität des Rechtsschutzes nach der Einführung von § 13 VgV von entscheidender Bedeutung ist. a) Die Verfassungswidrigkeit der Anordnung der Nichtigkeitsfolge in § 13 S. 6 VgV Im Folgenden wird gezeigt, dass die eigenständige Anordnung der Nichtigkeitsfolge in § 13 S. 6 VgV wegen Überschreitung der Verordnungsermächtigung in § 97 VI GWB verfassungswidrig ist, dass dies aber ohne Auswirkungen bleibt, weil ein unter Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht geschlossener Vertrag dennoch nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB nichtig ist. In § 97 VI GWB heißt es: „Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Bestimmungen über das bei der Vergabe einzuhaltende Verfahren zu treffen, insbesondere über die Bekanntmachung, den Ablauf und die Arten der Vergabe, über die Auswahl und Prüfung der Unternehmen und Angebote, über den Abschluss des Vertrages und sonstige Fragen des Vergabeverfahrens.“

Mit der Anordnung der Nichtigkeitsfolge in § 13 S. 6 VgV hat der Verordnungsgeber die Grenzen dieser Ermächtigung überschritten397, da es sich 395 VK Sachsen, Beschl. v. 8.11.2001, a. a. O. Auch im Fall der VK Brandenburg, Beschl. v. 27.5.2002 – 2 VK 94/01, S. 6 wurde dem Informationsverstoß durch den Auftraggeber abgeholfen, so dass der folgende Nachprüfungsantrag nicht mehr auf diesen, sondern nur noch auf andere Vergaberechtsverstöße gestützt werden konnte. 396 VK Sachsen, Beschl. v. 8.11.2001 – 1/SVK/104-01, S. 9.

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dabei nicht mehr um eine „nähere Bestimmung“ über das Vergabeverfahren handelt, sondern eine materiell-rechtliche Bestimmung vorliegt. Die Entscheidungspraxis geht demgegenüber implizit (durch ständig praktizierte Anwendung des § 13 S. 6 VgV398) oder ausdrücklich399 von der Verfassungskonformität des § 13 S. 6 VgV aus. Allein das OLG Brandenburg hat in seiner Entscheidung vom 2.12.2003400 die Verfassungswidrigkeit des § 13 S. 6 VgV angenommen und diese Frage wegen der überwiegenden andersgerichteten Entscheidungspraxis nach § 124 II GWB dem BGH zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hat dann in seinem Beschluss vom 9.2.2004401 die Verfassungskonformität des § 13 S. 6 VgV bestätigt und diese Frage damit für die Entscheidungspraxis verbindlich geklärt. Allerdings kann diese Entscheidungspraxis nicht überzeugen: Die Ermächtigung in § 97 VI GWB ist ausdrücklich auf das bei der Auftragsvergabe einzuhaltende Verfahren beschränkt. Eine Kompetenz zum Erlass materiell-rechtlicher Regelungen, etwa der Nichtigkeit von Verträgen, wird nicht geschaffen.402 In der Begründung der zu § 97 VI GWB403 findet sich dies bestätigt, da dort der Gesetzgeber als Verordnungsinhalt nur die Verbindlichmachung der Verdingungsordnungen vor Augen hat. Außerdem entspricht nach der Begründung die Verordnungsermächtigung in § 97 VI 397 So erstmals Antweiler, DB 2001, 1975, 1979; dem folgend Delius, ZfBR 2002, 341 f.; Kau, NZBau 2003, 310 f.; in der Begründung ebenso Müller-Wrede/ Kaelble, VergabeR 2002, 1, 5 (nur in anderem Zusammenhang); zweifelnd auch Wagner, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 3.7.2002 (a. a. O.), VergabeR 2002, 643. Auch Leinemann, 2.A., Rn. 91 stellt die Frage, ob die Nichtigkeitsfolge durch den Verordnungsgeber und nicht durch den Gesetzgeber herbeigeführt werden kann. 398 Da § 13 S. 6 VgV als untergesetzliche (Verordnungs-)Norm in die Verwerfungskompetenz jeden Gerichts fällt, Kau, NZBau 2003, 310, 311 m. w. N. Da es hier also um die Frage der Verfassungskonformität einer Rechtsverordnung geht, konnte auch ein Normenkontrollverfahren vor dem BverfG nach Art. 100 GG nicht anhängig gemacht werden – Erdl, Anm. zu BGH, Beschl. v. 9.2.2004 – X ZB 44/ 03, VergabeR 2004, 208, 210. 399 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003 – Verg 67/02, NZBau 2003, 401 = VergabeR 2003, 435 m. Anm. Prieß = ZfBR 2003, 605 m. Anm. Petersen = WuW 2003, 850, 857 f.; KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235, 239 m. Anm. Erdl; VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 12 ff. 400 Verg W 6/03, VergabeR 2004, 210 = NZBau 2004, 169 = IBR 2004, 87 (Weyand). 401 X ZB 44/03, NJW 2004, 2092 = ZfBR 2004, 399 = NZBau 2004, 229 = VergabeR 2004, 201 m. Anm. Erdl. Zustimmend Rojahn, NZBau 2004, 382 und Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543 f. 402 Vgl. nur Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 511; a. A.: Hailbronner, NZBau 2002, 474, 478; Brinker, in: Schwarze, S. 97, 105; BGH, Beschl. v. 9.2.2004, a. a. O., VergabeR 2004, 201, 204 ff. 403 BT-Drs. 13/9340 (Begr. zu § 106 VI).

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GWB inhaltlich der vorausgehenden Ermächtigung in § 57 a I, II des HGrG. Auch dort sollte der Verordnungsgeber nur zum Erlass von Verfahrensregelungen ermächtigt werden.404 Gegen die Tatsache, dass § 13 S. 6 VgV eigenen materiell-rechtlichen Gehalt hat und damit über die Verordnungsermächtigung hinausgeht, würde es allerdings sprechen, wenn § 13 S. 6 VgV die Nichtigkeitsfolge als Folge des Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht nur klarstellt, sie aber nicht selbst anordnet. So wird auch teilweise davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber mit § 13 S. 6 nur habe klarstellen wollen, dass das Verbot in S. 5 ein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB ist, dessen Verletzung die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge hat. Er habe also gar keinen eigenen zusätzlichen materiell-rechtlichen Gehalt.405 In diese Richtung lässt sich auch eine Passage in der Verordnungsbegründung zu § 13 verstehen, in der es heißt: Es „ist zu regeln, dass ein Verstoß gegen die in § 13 festgelegte Informationspflicht die Nichtigkeit des geschlossenen Vertrages gemäß § 134 BGB zur Folge hat“.406 Daraus wird gefolgert, dass der Verordnungsgeber die ausdrückliche Nichtigkeitsfolge in § 13 S. 6 VgV als Verweis auf die Rechtsfolge des § 134 BGB verstanden wissen wollte.407 Dagegen zieht die Entscheidungspraxis für die Nichtigkeit des Vertrages überwiegend nur § 13 S. 6 VgV, nicht aber § 134 BGB heran. Nach dem KG Berlin408 wird „die Nichtigkeit direkt aus § 13 VgV und nicht aus § 134 BGB hergeleitet“.409 Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 9.2.2004 § 134 BGB nicht für anwendbar gehalten, weil die „Regelung eines Verbots“ in § 13 VgV „die Folge seiner Verletzung selbst“ regele.410 404

BT-Drs. 12/4636, S. 12. Vgl. Höfler/Bert, NJW 2000, 3310, 3314 „§ 13 S. 3 [aF] wirkt insoweit als Verbotsgesetz gem. § 134 BGB.“ Auch nach Berrisch/Nehl, DB 2001, 184, 185 ergibt sich die Nichtigkeitsfolge nur „i. V. m. § 134 BGB“. So auch Burgi, NZBau 2003, 17, 20. Dies sehen sogar Vertreter der Ansicht so, die in § 13 S. 6 VgV eine materiell-rechtliche Vorschrift erblickt (und sie daher i. Erg. für verfassungswidrig hält) – Antweiler, DB 2001, 1975, 1977; vgl. auch Kratzenberg, NZBau 2001, 119, 121: Mit Satz 4 „wird in der Verordnung selbst die Nichtigkeitsfolge festgelegt, um zusätzliche Klarheit zu schaffen, dass hier vom Verordnungsgeber ein Fall entsprechend § 134 BGB (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot) gesehen wird.“ 406 BR-Drs. 455/00, S. 18 f. 407 Hailbronner, NZBau 2002, 474, 476. 408 Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235, 237 m. Anm. Erdl = ZfBR 2002, 511 = NZBau 2002, 522. 409 Vgl. auch VK Halle, Beschl. v. 22.04.2002 – VK Hal 05/02, S. 6 f.; VK NRW (BR Arnsberg), Beschl. v. 11.04.2002 – VK 2-06/2002, S. 4 f.; VK Bremen, Beschl. v. 6.2.2003 – VK 1/03, S. 8 ff.; anders aber: VK Sachsen, 1/SVK/34-01, S. 7 und VK Bund, Beschl. v. 20.1.2003 – VK 1 99/02, S. 10: Zuschlag „gemäß § 13 S. 6 VgV i. V. m. § 134 BGB nichtig“. 410 BGH, Beschl. v. 9.2.2004, a. a. O., VergabeR 2004, 201, 206. 405

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Auch nach Stimmen in der Literatur ergibt sich die Nichtigkeitsfolge unmittelbar aus § 13 S. 6 VgV. Ein Rückgriff auf § 134 BGB sei – anders als bei § 115 I GWB – nicht erforderlich.411 Dieser Auffassung ist zuzustimmen. § 13 S. 6 VgV regelt die Nichtigkeitsfolge selbst, ohne dass es auf die Prüfung der Voraussetzungen von § 134 BGB ankommt. § 13 VgV reiht sich mit der eigenen Anordnung der Nichtigkeitsfolge neben schon bestehende Rechtsvorschriften (etwa §§ 537 III, 550 a, 557 IV, 648 a VII BGB), die ebenfalls als Folge eines Rechtsverstoßes selbst die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts anordnen.412 Daraus ergibt sich, dass § 13 S. 6 VgV eigenen materiell-rechtlichen Gehalt hat.413 Er ist keine Verfahrensvorschrift. Bei der Bestimmung der Wirksamkeit des Vertrages in § 13 S. 6 VgV geht es nicht mehr um eine bloße Verfahrensfrage, sondern um die materiell-rechtlichen Folgen etwaiger Verfahrensfehler. Es wird eine materiell-rechtliche Entscheidung über die Gültigkeit von Verträgen getroffen, was über die Regelung des Vergabeverfahrens hinausreicht.414 § 13 S. 6 VgV dient vielmehr allein der Durchsetzung des Rechtsschutzes des Bieters. Er ist eben nicht nur – wie der BGH meint – vordergründig ein Mittel, um einen bestimmten Verfahrensablauf zu sichern und gilt nicht nur „unabhängig von der Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens“.415 Die Überschreitung des Ermächtigungsrahmens ergibt sich weiter daraus, dass die eigenständige Anordnung der Nichtigkeitsfolge in § 13 S. 6 VgV der Grundkonzeption des GWB widerspricht. Das GWB geht als Grundannahme davon aus, dass Verträge auch dann wirksam sein sollen, wenn sie vergaberechtswidrig zu Stande gekommen sind (§ 114 II GWB). Die wenigen Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Gesetz selbst geregelt (§§ 115 I, 118 I, III GWB). Von dieser vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung kann nur unter bestimmten Voraussetzungen durch Verordnung abgewichen416 werden: Wenn der Gesetzgeber dem Verordnungs411

Wegmann, NZBau 2001, 475, 477; Bär, ZfBR 2001, 375, 379; Kau, NZBau 2003, 310 f.; ähnlich auch Schröder, NVwZ 2002, 1440, 1443. 412 Bär, ZfBR 2001, 375, 379. 413 So auch BGH, Beschl. v. 9.2.2004, a. a. O., VergabeR 2004, 201, 204 ff. 414 Hailbronner, NZBau 2002, 474, 478; Kau, NZBau 2003, 310 f.; Dietlein/ Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 511 f.; a. A. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543 f. und Burgi, NZBau 2003, 17, 20, dessen Argumentation bereits Delius in ZfBR 2002, 341 f. abgelehnt hat. 415 BGH, Beschl. v. 9.2.2004, a. a. O., VergabeR 2004, 201, 206. 416 § 13 S. 6 VgV stellt auch eine solche Abweichung von dieser Grundkonzeption dar. Aus der Tatsache, dass nach dem BGH, a. a. O., § 115 und § 118 GWB nur dann gelten, wenn es zu einem Nachprüfungsverfahren kommt, kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. Denn dies ändert nichts daran, dass auch außerhalb der Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens bzw. außerhalb der Vorschriften

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

geber die Möglichkeit geben will, von grundlegenden Prinzipien eines Gesetzes abzuweichen, muss er die Grenzen der Delegation besonders sorgfältig bestimmen. Ansonsten ist die Ermächtigungsgrundlage wegen Verstoßes gegen Art. 80 I 2 GG nichtig.417 Daraus folgt für § 97 VI GWB, dass der Gesetzgeber dann, wenn er entgegen der Gesamtkonzeption des GWB eine Anordnung der Nichtigkeit hätte zulassen wollen, dies in der Verordnungsermächtigung hätte hinreichend genau deutlich machen müssen. Daran fehlt es in § 97 VI GWB.418 Die Ermächtigung zur Regelung der „näheren Bestimmungen“ enthält ganz im Gegenteil den Hinweis darauf, dass der Verordnungsgeber gerade nur zur Ausformulierung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen befugt war.419 Da § 97 VI GWB also keine deutlichen Anhaltspunkte dafür enthält, dass auch eine Ermächtigung zur Abweichung von der Grundkonzeption des GWB beinhaltet war, muss er zur Erhaltung seiner Verfassungskonformität so ausgelegt werden, dass diese Abweichung auch durch ihn nicht zugelassen ist. Auch deswegen überschreitet § 13 S. 6 VgV die Ermächtigungsgrundlage und ist daher verfassungswidrig. Folge der soeben begründeten Verfassungswidrigkeit von § 13 S. 6 VgV ist, dass die Vorschrift des § 13 S. 6 VgV nichtig ist und als untergesetzliche Norm von jedem Gericht unangewendet bleiben kann. Dies ändert aber nichts an dem Ergebnis, dass ein unter Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht geschlossener Vertrag nichtig ist. Denn dessen Nichtigkeit ergibt sich aus § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB: An der Verfassungskonformität des § 13 S. 5 wie auch von § 13 S. 1–4 VgV bestehen keine Zweifel. Allein § 13 S. 6 VgV, nicht aber § 13 S. 1–5 VgV, geht über die Ermächtigungsgrundlage hinaus, weil er keine Verfahrensvorschrift ist. Bei der Anordnung und Ausgestaltung der Vorabinformationspflicht in den Sätzen 1–4 handelt es sich unzweifelhaft um „sonstige Fragen des Vergabeverfahrens“ nach § 97 VI GWB.420 In deren Gefolge darf der Verordnungsgeber auch im S. 5 des § 13 das Verbot eines Verdes Nachprüfungsverfahrens der Grundsatz pacta sunt servanda gilt und von diesem nur durch ausdrückliche gesetzliche Vorschriften abgewichen werden kann. Im Übrigen ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass auch § 13 S. 6 VgV ebenso wie § 115 I GWB und § 118 III GWB der Durchsetzung des Vergaberechtsschutzes dient und somit nicht „außerhalb des Nachprüfungsverfahrens“ steht. 417 BVerfGE 10, 251, 257 f.; BVerfGE 15, 153, 164 f. 418 Antweiler, DB 2001, 1975, 1979; Delius, ZfBR 2002, 341, 342; Dietlein/ Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 511; in diese Richtung auch Hailbronner, NZBau 2002, 474, 478. 419 Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 511. 420 So auch Hailbronner, NZBau 2002, 474, 478; Kau, NZBau 2003, 310; a. A. Malmendier, DVBl 2000, 963, 967.

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stoßes gegen diese Verfahrensregelungen anordnen. Dies betrifft auch das „Vergabeverfahren“ und den „Abschluss des Vertrages“ i. S. v. § 97 VI GWB.421 § 13 S. 5 VgV ist ein Verbotsgesetz i. S. v. § 134 BGB. Auch Verordnungen können Verbotsgesetze i. S. des § 134 BGB sein.422 Es ist aber weiterhin zu beachten, dass die Nichtigkeit des Auftragsvertrages nach § 134 BGB hier nicht wegen des missbilligten Inhalts des geschlossenen Vertrages, sondern wegen der besonderen gesetzeswidrigen Umstände der Vornahme des Rechtsgeschäfts in Frage kommt. Bei dieser Fallgruppe ist aber nach ständiger Rspr. grundsätzlich erforderlich, dass das Verbotsgesetz beide Vertragsparteien als Verbotsadressaten anspricht.423 § 13 S. 5 VgV ist aber nur ein einseitiges Verbot, da es sich nur an den Auftraggeber wendet. Ausnahmsweise ist aber auch bei einseitigen Verboten eine Nichtigkeit anzunehmen, wenn der angestrebte Schutz Dritter die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erfordert.424 Dies ist beim Zweck des § 13 S. 5 VgV, nämlich unter Geltung des Grundsatzes, dass nach Zuschlagserteilung kein Primärrechtsschutz mehr möglich ist,425 überhaupt erst einen effektiven Primärrechtsschutz zu sichern, zu bejahen. Es gilt hier insoweit das gleiche wie für das Zuschlagsverbot in § 115 I GWB, wo in der Entscheidungspraxis trotz der Einseitigkeit dieses Verbotes bei dessen Nichtbeachtung eine Nichtigkeit des Vertrages allgemein anerkannt ist.426 Im Ergebnis folgt daraus, dass aus dem Verbot in § 13 S. 5 VgV in Verbindung mit 134 BGB eine Nichtigkeit des Vertrages bei Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht auch dann folgt, wenn man die eigenständige Anordnung der Nichtigkeitsfolge in § 13 S. 6 VgV mit der hier vertretenen Ansicht für verfassungswidrig hält. Der Verfassungswidrigkeit von § 13 S. 6 VgV ist aber dennoch dadurch Rechnung zu tragen, dass für die Rechtslage 421

Dass sich daraus – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – in Verbindung mit § 134 BGB die Nichtigkeit des Vertrages ergibt, steht dem nicht entgegen. Denn der Verordnungsgeber hat das Recht, ein Verbotsgesetz zu erlassen, aus dem sich erst über die gesetzliche Regelung des § 134 BGB die Nichtigkeit des Vertrages ergibt. Er darf dagegen nicht selbst die eigenständige Nichtigkeit des Vertrages anordnen – Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 5; so auch Delius, ZfBR 2002, 341, 342 f.; a. A. Malmendier, DVBl 2000, 963, 967, zweifelnd auch Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 510 m. w. N. 422 Palandt-Heinrichs, § 134 Rdn. 2; VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 12 ff. 423 Vgl. nur BGH, NJW 1994, 728, 729; ablehnend die h. M. in der Literatur, statt aller: MK-Mayer-Maly, § 134 Rn. 47 f. m. w. N. 424 BGHZ 93, 264, 267; vgl. auch die Nachweise bei Waldner, S. 202. 425 Näher Teil 2, A. I. 426 Vgl. dazu auch Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 115 Rn. 11 und Teil 1, B. III. 3. b).

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

de lege ferenda die Integration der Vorabinformationspflicht in ein eigenständiges Vergabegesetz gefordert wird (ausführlich unter C. VII. 6.). Bei der damit erfolgenden gesetzlichen Ausgestaltung auch der Anordnung der Nichtigkeitsfolge in der Vorabinformationsregelung stellt sich das Problem der Verfassungswidrigkeit dieser Anordnung nicht mehr, da dies nur auf der Regelung der Nichtigkeitsfolge durch Rechtsverordnung beruht. Dementsprechend ist es zu begrüßen, dass auch die Bundesregierung nach ihrem Referentenentwurf vom 8.2.2005, den sie zur Verschlankung des Vergaberechts und Umsetzung des Legislativpaketes vorgelegt hat (ausführlich im Teil 1, unter A. VII.), plant, die Vorabinformationspflicht in das GWB – und zwar in § 101 a und 101 b GWB – zu überführen (zu dieser geplanten Vorabinformationsregelung bereits unter C. I. 2.).427 b) Folgen der Nichtigkeit des Vertrages bei Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht Es wurde schon gezeigt, dass § 13 VgV von seinem Regelungskonzept her mit der Auslösung der Nichtigkeitsfolge zur Sicherung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Bieters grundsätzlich in der Lage ist.428 Im Folgenden soll nun vertieft auf die Folgen der Nichtigkeit eingegangen werden: Wird die Neubewertung durch die Vergabekammer angeordnet, so ist es durchaus möglich, dass der ursprünglich begünstigte Bieter auch bei rechtmäßiger Vergabe wieder den Zuschlag erhält.429 Deswegen kann die Vergabekammer nach Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages nach § 13 VgV auch der Vergabestelle nicht die (fristgebundene) Rückabwicklung des Vertrages aufgeben. Denn wie ausgeführt, ist der Ausgang der Vergabeentscheidung nach rechtmäßiger Vergabe noch offen und es ist möglich, dass die nichtigen Verträge bestätigt werden. Es bleibt grundsätzlich der Vergabestelle überlassen, welche Konsequenzen sie außer der neuen, rechtmäßigen Vergabeentscheidung aus einer nichtigen früheren Beschaffung zieht.430 Unter Umständen will die Vergabestelle ja auch zusätzlich die erstbeschaff427

Für die Aufnahme ins GWB auch: Bericht der Arbeitsgruppe zu Verschlankung des Vergaberechts, Ziff. VI 8.1. 428 Siehe unter C. I. 429 Siehe bereits unter C. I. 430 OLG Dresden, Beschl. v. 16.10.2001 – Wverg 0007/01, ZfBR 2002, 298, 301 = VergabeR 2002, 142 m. Anm. Otting = IBR 2002, 90 (Schulze-Hagen) (anders noch die Vorinstanz VK Sachsen, Beschl. v. 2.8.2001 – 1/SVK/70-01, S. 13 ff.); KG Berlin, Beschl. v. 24.10.2001, KartVerg 10/01, WuW 2002, 313 (Verg 547) = VergabeR 2002, 100, 102 f. m. Anm. Stapenhorst.

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ten Leistungen behalten. Für die Anordnung, einen (teilweise) vollzogenen Auftrag rückabzuwickeln, fehlt der Nachprüfungsinstanz zudem die Kompetenz.431 Führt die Neubewertung bzw. allgemein die Abstellung des Vergabefehlers dazu, dass einem anderen Bieter der Zuschlag zu erteilen ist, so würden aufgrund des nichtigen Vertrages bereits erbrachte Leistungen nach Bereicherungsrecht432 rückabgewickelt. Beim Eingreifen der Nichtigkeitsfolge wegen Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht ist aber eine Rückabwicklung in der Regel nicht nötig, da die Auftragsdurchführung in der Praxis zumeist noch nicht begonnen wurde: Normalerweise wird dem Bieter, der an einem Vergabeverfahren beteiligt wurde433, der Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht schnell klar. Wenn er keine Vorabinformation erhalten hat, muss er mit Bindefristablauf mit der Zuschlagserteilung rechnen. Er kann also schon kurz nach der Zuschlagserteilung wegen des Informationsverstoßes ein Nachprüfungsverfahren einleiten. Die Auftragsabwicklung ist hier noch nicht weit fortgeschritten. Es müssen also noch keine Leistungen rückabgewickelt werden.434 Denn bei drohender Nichtigkeitsfeststellung durch die VK wird der erfolgreiche Bieter nicht mit der Auftragsausführung beginnen bzw. weiterarbeiten. Des Weiteren kann auch die Vergabekammer die Auftragsdurchführung untersagen (§ 115 III GWB). Wurde im Einzelfall die Auftragsabwicklung doch schon begonnen oder bereits abgeschlossen, so ist folgendermaßen nach Auftragsarten zu differenzieren:435 Bei Lieferaufträgen ist eine Rückabwicklung zumeist möglich. Hier ist nach §§ 812, 818 BGB das Erlangte und die daraus gezogenen Nutzungen herauszugeben. Bei empfangenen Dienstleistungen ist die Herausgabe des Erlangten unmöglich.436 Bei Dienstleistungsaufträgen hat der Auftraggeber daher nach § 818 II BGB Wertersatz zu leisten. Dieser bemisst sich bei Dienstleistungen nach dem Wert der üblichen, höchstens der vereinbarten Vergütung.437 Auch bei Bauleistungen ist eine Rückabwicklung in 431 KG Berlin, Beschl. v. 24.10.2001, a. a. O. m. Anm. Stapenhorst, der eine andere Begründung anführt. 432 Vgl. aber Fn. 438. 433 Zur Ausnahme bei der de-facto-Vergabe unter C. II. 5. b) ff) (4) (d). 434 Zum Ganzen Schimanek, ZfBR 2002, 39, 41. Insbesondere deswegen ist auch das von Kau, NZBau 2003, 310, 312 ff. skizzierte Schreckenszenarium des Eingreifens der Nichtigkeitsfolge (zumindest) stark übertrieben. 435 Näher auch beim Problem der de-facto-Vergabe – C. II. 5. b) ff) (4). 436 Palandt-Sprau, § 818, Rn. 17 m. w. N. 437 Palandt-Sprau, § 818, Rn. 22 m. w. N.

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der Regel unmöglich, so dass hier nach § 818 II BGB438 Wertersatz439 zu leisten ist. Sollte dem Bieter, dem der nichtige Zuschlag erteilt und der durch die Nichtigkeit des Vertrages überrascht wurde (also nichts vom Vorabinformationsverstoß des Auftraggebers wusste), nach dem Bereicherungsausgleich ein Schaden wegen der begonnenen Auftragsabwicklung bleiben, so kann er, wenn der Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht schuldhaft erfolgte, Schadensersatz in Höhe des negativen Interesses440 aus cic (§§ 311 II i. V. m. 241 II, 280 I BGB) verlangen. Die fehlerhafte oder unterlassene Vorabinformation ist als die Verletzung des vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses anzusehen.441 Der Anspruch aus cic lässt sich hier auch der Fallgruppe des „Abschlusses unwirksamer Verträge“ herleiten, denn die Unwirksamkeit beruht in den vorliegenden Fällen auf einem Wirksamkeitshindernis, das aus der Sphäre einer Partei, nämlich des Auftraggebers, kommt.442 c) Wer kann die Nichtigkeitsfolge geltend machen? Im Folgenden wird darauf eingegangen, von wem die Nichtigkeit des unter Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht geschlossenen Vertrages geltend gemacht werden kann.

438 Nach der abzulehnenden Rechtsprechung zur Rückabwicklung nichtiger Werkverträge würde hier die Rückabwicklung eines Bauauftrages nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag erfolgen – näher: Palandt-Sprau, § 677 Rn. 7 und 11; Gold, JA 1994, 205 ff. (insbes. zu den Konsequenzen dieser Rspr.). Ansprüche aus GoA verneint der BGH nur in der Konstellation der „Schwarzarbeiterfälle“. Diese Fallgruppe ist hier aber nicht einschlägig, da sich die Nichtigkeit beim Verstoß gegen § 13 VgV nur wegen der Art und Weise des Zustandekommens des Vertrages ergibt, die Tätigkeit des Auftragnehmers aber keine verbotene Tätigkeit darstellt. 439 Näher dazu Palandt-Sprau, § 818, Rn. 17 ff.; vgl. auch MK-Lieb, § 818 Rn. 41 und 45 ff. 440 Der Ersatz des entgangenen Gewinns (positives Interesse) kommt nicht in Betracht, da der Anspruchsteller bei rechtmäßiger Vergabe den Zuschlag nicht erhalten hätte, der Auftraggeber sich also auf rechtmäßiges Alternativerhalten berufen kann. Denn der Vertrag ist nur nichtig, wenn neben dem Informationsverstoß auch noch andere Fehler des Vergabeverfahrens vorliegen [vgl. unten bei C. II. 6. a) (4)], die dann in der Regel dazu führen, dass ein anderer Bieter den Zuschlag erhalten wird (zu weitgehend daher Kau, NZBau 2003, 310, 312). Insofern ist hier auch der Anspruch auf das negative Interesse nicht auf das Entstehen der Angebotserstellungskosten, sondern nur auf die Kosten für die begonnene Vertragsabwicklung gestützt. 441 Wegmann, NZBau 2001, 475, 477; Erdl, VergabeR 2001, 10, 23. 442 Näher Palandt-Heinrichs, § 276, Rn. 77; Medicus, SchR AT, Rn. 106 ff.

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aa) Geltendmachung im Nachprüfungsverfahren nur durch Teilnehmer am Vergabeverfahren Nach einer Entscheidung des OLG Dresden ist § 13 S. 6 VgV dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass sie im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens nur von demjenigen geltend gemacht werden kann, der auch zum Adressatenkreis der Informationspflicht gehört. Daher können Unternehmen, die (rechtmäßig)443 nicht am Vergabeverfahren beteiligt sind und daher auch keinen Informationsanspruch haben (keine „Bieter“), sich nicht auf die Nichtigkeitsfolge im Vergabenachprüfungsverfahren berufen (kein Rechtsschutzbedürfnis). Dies wird damit begründet, dass der praktische Sinn der Vorabinformation in der zeitlichen Vorverlagerung der (später eintretenden) Schutzwirkung des Zuschlagsverbotes nach § 115 I GWB liege. Er sichert ihnen die Möglichkeit, den dortigen Suspensiveffekt herbeizuführen. Der Sinn des § 13 VgV besteht also in der zusätzlichen Absicherung der Zugangsmöglichkeit zu einem zulässigen Nachprüfungsverfahren. Außenstehende Dritte hätten aber auch nach § 115 I GWB keine Beanstandungsrechte in einem Vergabeverfahren, an dem sie sich nicht beteiligt haben.444 Es muss ihnen verwehrt sein, mit der Geltendmachung der Nichtigkeitsfolge die Verletzung einer Informationspflicht zur rügen, die ihnen gegenüber gar nicht bestanden hat. Sie werden allenfalls mittelbar begünstigt, wenn das von anderen verfolgte Vergabeverfahren Erfolg hat und sie sich beim neuen Vergabeverfahren erstmals beteiligen können. Würde man 443 Für unrechtmäßig nicht am Verhandlungsverfahren beteiligte Bieter ergibt sich etwas anderes: auch diese sind zu informieren, vgl. unter C. II. 1. b) cc). 444 OLG Dresden, Beschl. v. 9.11.2001 – Wverg 0009/01, VergabeR 2002, 138 m. Anm. Rojahn = IBR 2002, 207 (Gottschalck); bestätigt durch OLG Dresden, Beschl. v. 14.2.2003 – Wverg 11/01, WuW 2004, 350 (Verg 914) = IBR 2003, 318 (Völlink); so auch die vorangehende Entscheidung der VK Sachsen – VK Sachsen, Beschl. v. 22.8.2001 – 1/SVK/79-01, NZBau 2002, 528 (LS). Rojahn, Anm. zu OLG Dresden, a. a. O., VergabeR 2002, 141 gibt aber die Argumentation des OLG verkürzt wieder, in dem er zum vorliegenden Punkt ausführt, dass auch bei § 115 I GWB „nur derjenige Begünstigter des Zuschlagsverbots“ mit der daraus folgenden Nichtigkeitsfolge sei, wer den „Suspensiveffekt kraft seiner verfahrensrechtlichen Stellung herbeigeführt habe.“ Dies hat das OLG in dieser Allgemeinheit so aber nicht entschieden und entspricht auch nicht der Rechtslage: Denn entgegen der Aussage Rojahn profitiert nicht nur der vom Suspensiveffekt nach § 115 GWB, der ihn durch Einlegung des Nachprüfungsantrags herbeigeführt hat. Sondern alle (potentiell) unterlegenen Bieter sind davon (zumindest als Reflex – so das OLG) begünstigt. Eine Zuschlagserteilung ist auch ihnen gegenüber gehemmt, so dass auch sie einen Nachprüfungsantrag „in Ruhe“ stellen können. (Damit ist das „nur“ in der obigen Formulierung Rojahn’s zuviel.) Es sind also zwar alle Bieter des Vergabeverfahrens vom Suspensiveffekt des § 115 I GWB begünstigt, auch wenn sie keinen Nachprüfungsantrag stellen, nicht aber die außenstehenden Dritten. Allein auf letztere musste das OLG abstellen (und nur dies tat es auch).

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dies anders sehen, so könnte der Unbeteiligte sich mit der Geltendmachung der Nichtigkeitsfolge auch durchsetzen, wenn keiner der am Vergabeverfahren Beteiligten die Verletzung des § 13 beanstandet.445 Im Ergebnis ist dieser Entscheidung zuzustimmen. Zur Begründung dieses Ergebnisses hätte es aber der teleologischen Reduktion zur Einengung des Kreises derjenigen, die die Nichtigkeitsfolge im Nachprüfungsverfahren geltend machen können, nicht bedurft. Denn der Nachprüfungsantrag des Dritten, der am Vergabeverfahren nicht beteiligt war, kann schon als offensichtlich unzulässig verworfen werden.446 Denn ohne Beteiligung am Vergabeverfahren hatte er auch keine Chance auf Zuschlagserteilung, es liegt somit keine Antragsbefugnis vor. Er hätte auch nach Feststellung der Nichtigkeit des Zuschlags keine Chance auf Zuschlagserteilung, denn durch diese Nichtigkeit wird nur der Zuschlag, nicht aber das gesamte Vergabeverfahren aufgehoben. Es wird mit den schon vorhandenen Bietern fortgesetzt.447 bb) Geltendmachung der Nichtigkeit durch den erfolgreichen Unternehmer selbst? Es ist fraglich, ob sich der erfolgreiche Bieter, dem der Zuschlag erteilt wurde, auf die Nichtigkeit des Vertrages nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB berufen kann, weil ein anderer – unterlegener – Bieter nicht korrekt informiert wurde. Der Auftragnehmer kann etwa ein Interesse an der Lösung vom Vertrag haben, wenn er im Nachhinein erkennt, dass sein Angebot zu niedrig war, um den erhofften Gewinn zu erwirtschaften.448 445 OLG Dresden, Beschl. v. 9.11.2001 – Wverg 0009/01, VergabeR 2002, 138, 139 f. m. Anm. Rojahn = IBR 2002, 207 (Gottschalck). 446 Erdl, Anm. zu KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 241, 243 f. 447 Vgl. Erdl, Anm. zu KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 241, 243 f. Weiter wird die Entscheidung kritisiert, weil in dieser Beschränkung des Umfangs von § 13 S. 6 VgV zumindest eine Relativierung des Grundsatzes zu sehen sei, dass die Nichtigkeit „für und gegen jedermann“ wirken soll (Mit diesem Ergebnis Gottschalck, Anm. zu OLG Dresden, Beschl. v. 9.11.2001 – Wverg 0009/01, IBR 2002, 207; Höß, VergabeR 2002, 443, 445 f.: Er spricht von relativer Nichtigkeit; kritisch auch Glahs, in: Reidt, § 13 VgV Rn. 36). 448 Vor den Zivilgerichten kann es auf die Nichtigkeit des Vertrages ankommen, wenn der Auftraggeber gegen den Auftragnehmer Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend machen will, wofür die Wirksamkeit des Vertragsabschlusses erforderlich ist – dazu LG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2002 – 34 O (Kart) 72/02, NZBau 2003, 109 und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.2003 – U (Kart) 36/02, NZBau 2004, 170, welches das Urteil des LG Düsseldorf insoweit aufhebt.

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Der Geltendmachung der Nichtigkeitsfolge im Nachprüfungsverfahren steht entgegen, dass der erfolgreiche Bieter nicht antragsbefugt ist. Durch die Nichtinformation eines nicht berücksichtigten Bieters kann er nicht behaupten, in eigenen Rechten verletzt zu sein.449 Darüber hinaus verstößt die Berufung auf die Nichtigkeit, die sich aus der Nichtbeachtung der subjektiven Rechte eines anderen Bieters ergibt, gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.450 Der erfolgreiche Bieter handelt widersprüchlich, wenn er sich von dem gewünschten Vertrag mit der Begründung lossagen will, der Vertrag hätte gar nicht mit ihm geschlossen werden dürfen, weil die Mitbieter nicht ordnungsgemäß informiert wurden. Die Einschränkung der Nichtigkeitsfolge lässt sich weiterhin mit einer teleologischen Reduktion des § 13 begründen. Die Bestimmung dient nur den unterlegenen Bietern. Damit ist sie sogar gegen den erfolgreichen Bieter gerichtet, so dass dieser aus ihrem Anwendungsbereich ausgenommen werden muss.451 Soll das Rechtsgeschäft bestätigt452 werden, folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben weiter, dass es dem erfolgreichen Bieter auch nicht erlaubt ist, die Bestätigung zu verweigern bzw., dass er daran mitwirken muss.453 cc) Geltendmachung der Nichtigkeit durch den Auftraggeber? Auch der Auftraggeber kann ein Interesse daran haben, sich ohne die Folgen des § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B vom Vertrag zu lösen.454 Es muss aber berücksichtigt werden, dass der Auftraggeber den Informationsverstoß begangen hat, er also die Nichtigkeit durch sein Verhalten herbeigeführt hat. Der Auftraggeber kann sich daher zu Lasten des Auftragnehmers wegen des Grundsatzes des venire contra factum proprium nicht vom Vertrag unter Berufung auf die Nichtigkeit lösen.455 449

Ähnlich Erdl, VergabeR 2001, 10, 27. Hailbronner, NZBau 2002, 474, 478; Putzier, DÖV 2002, 517, 520 (unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB); Hoffmann, S. 85 (der dies auch mit § 226 BGB begründet); so jetzt auch für die Entscheidungspraxis: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.2003 – U (Kart) 36/02, NZBau 2004, 170 ff. Es verwirt damit die andersgerichtete Entscheidung des LG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2002 – 34 O (Kart) 72/02, NZBau 2003, 109, 110. 451 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.2003 – U (Kart) 36/02, NZBau 2004, 170 ff. = IBR 2003, 682 (Mussaeus). 452 Zur Bestätigung näher unter C. II. 5. a) dd) (3). 453 Erdl, VergabeR 2001, 10, 27; Leinemann, 2.A., Rn. 66; Hailbronner, NZBau 2002, 474, 478 (nach dem der erfolgreiche Bieter auch alles zur Erfüllung des nur wegen des Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften nichtigen Vertrages unternehmen muss). 454 Erdl, VergabeR 2001, 10, 24. 455 Hailbronner, NZBau 2002, 474, 478 m. w. N.; Hoffmann, S. 85. 450

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

dd) Geltendmachung eines Informationsverstoßes gegenüber anderen Bietern? Ein Bieter, gegenüber dem die Vorabinformation nach § 13 VgV ordnungsgemäß erfolgt ist, kann keinen Nachprüfungsantrag deswegen einleiten, weil andere Bieter nicht ordnungsgemäß nach § 13 VgV informiert worden sind. Ihm fehlt dafür die Antragsbefugnis nach § 107 II GWB. Diese setzt voraus, dass der Antragssteller durch den Vergaberechtsverstoß selbst geschädigt sein kann. Dass die Vergabestelle aber die Information anderer Bieter unterlassen hat, kann nur deren Rechte, nicht aber die des informierten Bieters verletzen.456 d) Ausblick auf die geplante Regelung der Rechtsfolge nach dem Referentenentwurf des BMWA vom 8.2.2005 in § 101 b GWB-E Die bisher in § 13 S. 6 VgV enthaltene Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht ist nunmehr nach dem Referentenentwurf des BMWA selbstständig in § 101 b GWB-E geregelt. Danach ist ein Vertrag schwebend unwirksam, wenn der Auftraggeber gegen die Vorabinformationspflicht des § 101a GWB-E verstoßen hat. Anders als nach der geltenden Rechtslage und auch dem Regelungsvorschlag im Arbeitsentwurf vom 8.10.2004 ist der Vertrag also nicht mehr nichtig. Die Unwirksamkeit nach Absatz 1 kann nur im Wege einer Nachprüfung geltend gemacht werden. Diese Geltendmachung der Unwirksamkeit soll befristet werden, worauf beim Sonderproblem der de-facto-Vergabe [unter 5. b)] eingegangen wird. Wird die Unwirksamkeit nicht fristgemäß im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht, ist der Vertrag nach § 101 b III GWB-E von Anfang an wirksam. Außerdem soll in § 129 c I Ziff. 1 GWB-E die Möglichkeit der Verhängung eines Bußgeldes gegen Auftraggeber vorgesehen werden, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Vorabinformationspflicht verstoßen. Die Ordnungswidrigkeit kann nach § 129 c II GWB-E mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro geahndet werden.

456 OLG Jena, Beschl. v. 11.6.2003 – 6 Verg 3/03, ZfBR 2003, 719, 720 f.; a. A. wohl Stockmann, NZBau 2003, 591, 593 f. (auch zur davon zu unterscheidenden Frage der (zu bejahenden) Nichtigkeit des Vertrages wegen des Informationsverstoßes gegenüber dem anderen Bieter).

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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5. Besondere Probleme im Hinblick auf die Geltung der Nichtigkeitsfolge bei Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht Im Folgenden soll gesondert auf zwei immens praxisrelevante und sehr kontrovers diskutierte Probleme bei der Anwendung des § 13 VgV eingegangen werden. Im Kern geht es darum, ob die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB auch gilt bzw. zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes der Bieter auch gelten muss, wenn die Information inhaltlich unzureichend war [Begründungsmangel, a) bzw. wenn der Zuschlag erteilt wurde, nachdem gänzlich auf die Durchführung eines förmliches Vergabeverfahren verzichtet wurde, b)]. a) Rechtsfolgen bei inhaltlich unzureichender Information Der notwendige Umfang der Begründung in der Vorabinformation wurde bereits bestimmt.457 Im Folgenden sollen nun die Rechtsfolgen eines Begründungsmangels erörtert werden. Dabei ist danach zu unterscheiden, wann der Verstoß gegen den Umfang der Begründungsanforderungen geltend gemacht wird: Zum einen ist zu erörtern, wie vor Zuschlagserteilung gegen eine unzureichende Begründung vorzugehen ist, wie also die korrekte Information durch den Bieter durchgesetzt werden kann. Wenn der unzureichende Umfang der Information schon vor der Zuschlagserteilung für den Bieter erkennbar ist, fragt sich, ob er hier zur Durchsetzung der korrekten Erteilung der Information an ihn ein Nachprüfungsverfahren mit der Folge des Suspensiveffektes gem. § 115 I GWB einleiten kann. Zum anderen ist zu untersuchen, ob nach Zuschlagserteilung wegen der inhaltlich unzureichenden Information zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes die Nichtigkeitsfolge eingreifen muss und ob die Bieter ein Nachprüfungsverfahren einleiten können. aa) Die Durchsetzung der korrekten Vorabinformation im Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung Wenn der unzureichende Umfang der Information schon vor der Zuschlagserteilung für den Bieter erkennbar ist, ist fraglich, ob er hier zur Durchsetzung der korrekten Erteilung der Information an ihn ein Nachprüfungsverfahren mit der Folge des Suspensiveffektes gem. § 115 I GWB einleiten kann. 457

Unter C. II. 3.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

(1) Subjektives Recht auf korrekte Vorabinformation Das zur Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens erforderliche subjektive Recht der Bieter auf die korrekte, inhaltlich ausreichende Vorabinformation ergibt sich aus § 97 Abs. 7 GWB458, so dass die Informationspflicht auch im Nachprüfungsverfahren durchgesetzt werden kann.459 (2) Vorgehen, um noch vor Zuschlagserteilung hinreichende Information zu erlangen – Rüge Eine (vermeintliche) Verletzung von § 13 VgV in Bezug auf den Informationsumfang muss rechtzeitig gerügt werden. Ansonsten ist der Antragsteller mit diesem Argument nach § 107 III GWB präkludiert.460 Rechtzeitig ist die Rüge nur, wenn die in der Vorabinformation fehlenden In458

Portz, VergabeR 2002, 211, 216; Erdl, VergabeR 2001, 10, 12. Portz, VergabeR 2002, 211, 216; Erdl, VergabeR 2001, 10, 12; vgl. auch Brinker, in: Schwarze, S. 97, 107. Nicht nachvollziehbar ist die Entscheidung der VK Nordbayern, Beschluss v. 15.2.2002, 320.VK-3194-02/02, S. 5. f. Dort wird zur Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags wegen der inhaltlichen Unzureichendheit der Vorabinformation folgendes ausgeführt: Nach § 107 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen nur insoweit antragsbefugt, als ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschrift ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Selbst wenn man unterstelle, die Vorabinformation sei ungenügend, könne dem Ast. durch den Informationsmangel kein Schaden entstanden sein oder zu entstehen drohen, „da sie rechtzeitig einen Nachprüfungsantrag stellen und somit eine Überprüfung des Vergabeverfahrens bewirken konnte“! Gerade diesen Nachprüfungsantrag legte die Ast. doch aber ein. Die Unzulässigkeit der Einlegung eines Nachprüfungsantrags wird hier damit begründet, dass die Ast. eben jenen Nachprüfungsantrag einlegen solle! Die Auffassung der VK Nordbayern macht nur Sinn in den Fällen, in denen der Vorabinformationsverstoß der einzige Verstoß ist (für diesen Fall folgt VK Brandenburg, Beschl. v. 12.4.2002 – VK 15/02 (Siedlungsabfälle), S. 11 der VK Nordbayern.), nicht aber, wenn wie im entschiedenen Fall noch andere Vergaberechtsverstöße vorliegen. Weiterhin überzeugt nicht die Aussage, dass bei Nichteinleitung eines Nachprüfungsverfahrens schon kein Schaden entstehen kann. Dieser kann sehr wohl entstehen, nur hat diesen dann aber der Bieter mangels Einleitung des Nachprüfungsverfahrens selbst zu vertreten, so dass es am Rechtsschutzbedürfnis (nicht aber an der Antragsbefugnis) fehlt. 460 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.8.2004 – Verg 54/04, S. 3 f.; VK Sachsen, Beschl. v. 27.9.2001 – 1/SVK/85-01, Monatsinfo forum vergabe e. V. 11/2001, 150 f.; Putzier, DÖV 2002, 517, 520; vgl. auch OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002 – 1 Verg 1/02, VergabeR 2002, 384, 386 f. und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003 – Verg 61/02, VergabeR 2004, 371, 374 m. Anm. Hölzl. Einen Fall, in dem eine mangelhafte Information auf die dem entsprechende Rüge des Bieters hin korrigiert wurde, hat VK Brandenburg, Beschl. v. 27.5.2002 – 2 VK 94/01 zum Gegenstand (dazu schon Fn. 395). 459

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

357

formationen am selben Tag oder jedenfalls am Folgetag eingefordert werden. Da der mangelnde Umfang der Vorabinformation zumeist auf Anhieb erkennbar ist, kann nicht bis kurz vor Ablauf der 14-tägigen Wartefrist abgewartet werden.461 Die Rügepflicht besteht aber nur in Bezug auf die Mängel der Vorabinformation selbst. Keine Rügepflicht bei (unterlassener oder) ungenügender Vorabinformation nach § 13 VgV besteht dagegen in Bezug auf (nicht sicher erkennbare) Mängel der Zuschlagsentscheidung: Erfolgt gegenüber dem Unternehmer keine Vorabinformation nach § 13 VgV über die Zuschlagsentscheidung oder informiert er nicht über die Gründe für die Nichtberücksichtigung und ist er deshalb nicht über die Entscheidungsgründe und die Auswahl des erfolgreichen Unternehmers informiert, besteht keine Rügeverpflichtung in Bezug auf Mängel der Zuschlagsentscheidung. Denn auf Vermutungen und auf im Wesentlichen unvollständige Kenntnis von Entscheidungen muss die Rüge nicht gestützt werden. Eine Rügepflicht besteht danach erst bei „auf Information gestütztem positiven Erkennen“.462 (3) Die Entscheidung der Vergabekammer bei unzureichender Vorabinformation Wenn die Vergabestelle dem (vermeintlichen) Informationsmangel nicht von sich aus abhilft463, kann der Bieter ein Nachprüfungsverfahren einleiten. Die Nachprüfungsinstanz kann dann die Vergabestelle zur Erteilung der korrekten Information (nicht aber zur Neubewertung/neuen Zuschlagsentscheidung464) verpflichten. Wenn aber durch die Vergabestelle die Nachholung der korrekten Information schon während des Nachprüfungsverfahrens erfolgt, erledigt sich dieses.465 Der Auftraggeber wird aber nach einer Entscheidung der VK Brandenburg auch dann nicht zur Nachholung der korrekten Begründung verpflichtet, wenn der Bieter bereits durch den Beschluss der Vergabekammer die in der Vorabinformation fehlenden Informationen erhält. Eine andere Entscheidung wäre formalistisch (zumal die Vergabeentscheidung rechtmäßig 461

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.8.2004 – Verg 54/04, S. 3 f. VK Münster, Beschl. v. 21.12.2001 – VK 22/01, S. 8. 463 Dazu oben bei der Heilung des Informationsverstoßes – C. II. 3. e). 464 VK Sachsen, Beschl. v. 08.01.2002 – 1/SVK/132-01 unter Berufung auf Erdl, VgR 2001, 10 ff.: Die Antragstellerin kann selbst bei Verstoß gegen § 13 VgV wegen nicht ausreichender Begründung keine Neubewertung verlangen kann und im Übrigen ist auch eine Heilung möglich; vgl. auch C. II. 4. e). 465 Dazu schon bei der Heilung des Informationsverstoßes durch die Vergabestelle – C. II. 4. e) und II. 5. a) dd) (3). 462

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

war).466 Diese Auffassung der VK Brandenburg könnte den Vorteil für den Auftraggeber haben, dass ohne erneute Vorabinformation durch ihn selbst auch nicht noch einmal die Stillhaltefrist läuft. Wenn aber die Vorabinformationen durch den Beschluss der Vergabekammer ersetzt wird, muss die 14-Tagesfrist nach der Zustellung dieses Beschlusses neu beginnen.467 Dafür spricht, dass der Bieter hier erstmals die für die Überprüfung des Nachprüfungsverfahrens nötigen Informationen erhält. (4) Kosten für das Nachprüfungsverfahren bei ungenügender Information Wenn der Auftraggeber seiner Verpflichtung nach § 13 VgV nicht in dem erforderlichen Umfang nachgekommen ist und durch die unzureichende Information die Ursache für die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gesetzt hat, hat er regelmäßig die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der Kosten der anwaltlichen Vertretung der anderen Verfahrensbeteiligten zu tragen.468 Wenn aber umgekehrt die Vorabinformation den Vorgaben von § 13 VgV entspricht, kann sich der Antragsteller bei Rücknahme seines Nachprüfungsantrages der Kostenfolge nicht dadurch entziehen, dass er geltend macht, er sei nicht in die Lage versetzt worden, die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages zu prüfen.469 Auch wenn die Vergabestelle (erst) während des Nachprüfungsverfahrens die Information korrekt erteilt und sich das Nachprüfungsverfahren deswegen (etwa durch Rücknahme des Nachprüfungsantrags) erledigt, muss die Vergabestelle grundsätzlich die Kosten tragen.470 So hatte der Bieter in einem Fall der VK Hannover471 gegen die Wertungsentscheidung ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet, weil er deren Rechtmäßigkeit wegen der unzureichenden Vorabinformation nicht überprüfen konnte. Die Vergabestelle erteilte daraufhin während des Nachprüfungsverfahrens eine ordnungsgemäße Vorabinformation, die eine Ungleichbehandlung auch für den Bieter 466

VK Brandenburg, Beschl. v. 19.9.2001 – VK 85/01, ZfBR 2002, 196, 199. Zu dieser Frage hat sich die VK Brandenburg nicht geäußert. 468 VK Hannover, Beschl. v. 18.1.2002 – 26045 – VgK 9/2001, S. 3 = IBR 2002, 164 (Trautner). Näher auch zu den Ausnahmen OLG Dresden, Beschl. v. 14.2.2003 – Wverg 11/01, WuW 2004, 350 (Verg 914) = IBR 2003, 318 (Völlink). 469 VK Hessen, Beschl. v. 16.9.2003 – 69d VK-52/2002. 470 VK Hannover, Beschl. v. 18.1.2002, a. a. O.; VK Bund, Beschl. v. 14.11.2000, VK 1-33/00, WuW 2001, 545 (Verg 441); teilweise abweichend VK Schleswig-Holstein, VK-SH 14/04, Beschl. v. 27.5.2004, S. 7 ff., nach der der Antragsteller, der den Antrag zurücknimmt, trotz der unzureichenden Vorabinformation die Verfahrenskosten der Vergabekammer tragen muss. Die Vergabestelle müsse aber die notwendigen Kosten des Antragstellers tragen. 471 VK Hannover, Beschl. v. 18.1.2002, a. a. O. 467

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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als ausgeschlossen erscheinen ließ. Er nahm daraufhin seinen Nachprüfungsantrag zurück. Die Vergabestelle hatte hier die Kosten des Nachprüfungsverfahrens zu tragen, da die unzureichende Information die Ursache für die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens war. bb) Rechtsfolgen einer unzureichenden Information, wenn die Zuschlagserteilung bereits erfolgt ist – Die Nichtigkeitsfolge bei inhaltlich unzureichender Vorabinformation Im Folgenden ist zu untersuchen, ob nach Zuschlagserteilung wegen der inhaltlich unzureichenden Information zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes die Nichtigkeitsfolge eingreifen muss und ob die Bieter ein Nachprüfungsverfahren einleiten können. Hier geht es zunächst um die Frage, ob nach Zuschlagserteilung die Nichtigkeitsfolge in den Fällen eingreift, in denen neben der unzureichenden Vorabinformation zudem noch andere Vergaberechtsverstöße vorliegen. In diesem Fall dient die Nichtigkeitsfolge dem Bieter nur zur Erhaltung der Möglichkeit, auch noch nach dem dann nichtigen Vertragsschluss (Zuschlagserteilung) mangels Sperrwirkung des § 114 II GWB ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten und so seine Chance auf Zuschlagserteilung zu bewahren. Die davon zu unterscheidende Frage, ob Nichtigkeit auch vorliegt, wenn der Informationsverstoß der einzige Rechtsverstoß in einem ansonsten rechtmäßigen Vergabeverfahren ist, wird unter dd) erörtert.472 Die Auffassungen darüber, ob die Nichtigkeitsfolge auch bei inhaltlich unzureichender Vorabinformation gilt, sind nicht einheitlich. Während hier die Geltung der Nichtigkeitsfolge teilweise bejaht wird473, lehnt eine andere Auffassung diese ab.474 Inzwischen sind auch Entscheidungen von OLG-Vergabesenaten ergangen, in denen hier die Geltung der Nichtigkeitsfolge verneint wird. Grundlegend war insoweit die Entschei472 Hier ist fraglich, ob allein eine unzureichende Begründung oder ein unzureichender Umfang der Information bei ansonsten rechtmäßigen Vergabeverfahren, also auch rechtmäßiger Zuschlagsentscheidung, zur Nichtigkeit des Vertrages führt. Sollte dies bejaht werden, könnte aber zumindest die Möglichkeit der Geltendmachung der Nichtigkeitsfolge im Nachprüfungsverfahren wegen der Unzulässigkeit dieses Nachprüfungsverfahrens ausgeschlossen sein. 473 Nach Putzier, DÖV 2002, 517, 520 f. gilt auch hier die Nichtigkeitsfolge, nur kann diese im Nachprüfungsverfahren durch die Bieter, die die unvollständige Information erhalten haben, nicht mehr geltend gemacht werden, soweit keine Rüge dieser unvollständigen Information erfolgte. Umgekehrt kann sie also noch geltend gemacht werden, wenn sie gerügt wurde, dennoch vom Auftraggeber aber keine ausreichende Information erfolgte. 474 Portz, VergabeR 2002, 211, 216; Noch, Vergaberecht kompakt, 2. Aufl., S. 52.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

dung des OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002 – 1 Verg 1/02475. Es hat entschieden, dass die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV476 „nicht auch auf den Fall inhaltlich unzureichender Information auszudehnen“ ist, solange der Auftraggeber in der Vorabinformation überhaupt einen Grund für die Bevorzugung des Mitbewerbers angegeben hat und damit die Vorgabe des § 13 VgV zumindest formal erfüllt hat. Dem haben sich inzwischen auch schon andere OLG und einige Vergabekammern angeschlossen.477 Damit ist der Streit aber keineswegs erledigt, da diese Entscheidungspraxis in der Literatur bereits ablehnende Stimmen hervorgerufen hat.478 Die Lösung zu der hier aufgeworfenen Frage muss sich am Normzweck des § 13 VgV orientieren. § 13 soll dem Bieter die Möglichkeit sichern, noch vor Zuschlagserteilung um Rechtsschutz nachzusuchen. Die Begründung seiner Nichtberücksichtigung soll ihm ermöglichen, die Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsverfahrens zu überprüfen. Die Nichtigkeitsfolge müsste also dann eingreifen, wenn der Bieter wegen der falschen oder unvollständigen Information nicht mehr in der Lage ist, um Rechtsschutz nachzusuchen. Hat der Bieter nun zwar eine Information erhalten, ist diese aber unvollständig, so ist ihm damit aber gerade nicht die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsschutz genommen, da der Bieter sein subjektives Recht auf Information schon vor Zuschlagserteilung im Nachprüfungsverfahren durchsetzen kann.479 Der effektive Rechtsschutz des Bieters ist auch ohne die Nichtigkeitsfolge ausreichend gesichert: 475

VergabeR 2002, 384 m. Anm. Glahs/Külpmann. Auch das Zuschlagsverbot des § 13 S. 5 gelte nicht. 477 Ausdrücklich OLG Jena, Beschl. v. 29.5.2002 – 6 Verg 2/02, VergabeR 2002, 543, 544 = NZBau 2002, 526; BayObLG, Beschl. v. 3.7.2002 – Verg 13/02, VergabeR 2002, 637 f. m. Anm. Wagner; OLG Jena, Beschl. v. 9.9.2002 – 6 Verg 4/02, VergabeR 2002, 631, 633 f. m. Anm. Kus; BayObLG, Beschl. v. 18.6.2002 – Verg 8/02, VergabeR 2002, 657, 658 f. m. Anm. Goede; BayObLG, Beschl. v. 3.7.2002 – Verg 13/02, NZBau 2003, 105 f.; VK Sachsen, Beschl. v. 27.06.2002 – 1/SVK/05702, S. 5; aus der Literatur zustimmend: Abel, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2001 – Verg 28/01, VergabeR 2001, 429, 432; Glahs, in: Reidt, § 13 VgV Rn. 33. Dagegen waren das OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2001 – Verg 28/01, VergabeR 2001, 429, 430 f. m. Anm. Abel = IBR 2001, 626 (Schonebeck) und die VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 27.11.2001 – 2 VK 15/01, S. 17 f. noch davon ausgegangen, dass eine inhaltlich unzureichende Information die Nichtigkeit begründen könne. Sie hatten mit diesem Argument die Anforderungen an die Begründung der Information eingeschränkt. Das Urteil des OLG Düsseldorf begründete hier aber keine Vorlagepflicht an den BGH, da es im entschiedenen Fall die Information als ausreichend ansah, deshalb für die vorliegende Frage nur ein obiter dictum vorlag – vgl. OLG Jena, Beschl. v. 9.9.2002 – 6 Verg 4/02, VergabeR 2002, 631, 633 f. m. Anm. Kus. 478 Glahs/Külpmann, Anm. zu OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002, VergabeR 2002, 387, 388; Schröder, NVwZ 2002, 1440, 1443. 476

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Er kann, geschützt durch die Stillhaltefrist nach § 13 S. 5 VgV, die unvollständige Information rügen und danach gegen den Informationsverstoß480 mit dem Nachprüfungsantrag vorgehen (s. o.). Dieser geht dann auf die Verpflichtung der Vergabestelle, ihm eine ausreichende Begründung zu erteilen. Während des Nachprüfungsverfahrens ist er dann durch den Suspensiveffekt nach § 115 I GWB ausreichend geschützt.481 Wenn die Vergabekammer eine nicht ordnungsgemäße Begründung feststellt, muss die Vergabestelle (auf Aufforderung der Vergabekammer) mit einer nachgebesserten Begründung erneut informieren und noch einmal die 14-Tagesfrist abwarten. Darüber hinaus hat der Bieter durch die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens die Möglichkeit der Akteneinsicht und kann sich so die nötigen Informationen beschaffen. Damit erhält der Bieter die volle Information, so dass seine Rechtsschutzinteressen hinreichend berücksichtigt sind.482 Mit Hilfe der Informationen kann er sich entscheiden, ob er das Nachprüfungsverfahren weiterbetreiben oder beenden will, was zur Kostenfolge des § 80 I S. 2 i. V. m. § 128 IV S. 2 GWB führt. Danach trägt die Vergabestelle bei unzureichender Information das Kostenrisiko etwaiger Nachprüfungsverfahren.483 Dies wurde inzwischen auch von der Entscheidungspraxis bestätigt.484 Der Bieter hat hier also eine Mitwirkungslast, indem er mit seinem Nachprüfungsantrag für die ausreichende Information selbst sorgen muss. Weiter muss berücksichtigt werden, dass § 13 VgV hinsichtlich des Umfangs der Begründung keine eindeutige Festlegung beinhaltet, so dass selbst bei gewissenhafter Informationserteilung diese eine unzureichende Begrün479

Portz, VergabeR 2002, 211, 216. Der Bieter kann – anstatt der Rüge des Informationsverstoßes – auch die Entscheidung der Vergabestelle angreifen, die für ihn aufgrund der nicht ausreichenden Information als rechtswidrig erscheint. So geschehen im Fall VK Hannover, Beschl. v. 18.1.2002 – 26045 – VgK 9/2001, IBR 2002, 164 (Trautner) – Rüge der Wertungsentscheidung. 481 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002 – 1 Verg 1/02, VergabeR 2002, 384, 386 f. m. Anm. Glahs/Külpmann. 482 Zum Ganzen Wegmann, NZBau 2001, 475, 478; Abel, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2001 – Verg 28/01, VergabeR 2001, 429, 432. Nach Wagner, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 3.7.2002 (a. a. O.), VergabeR 2002, 643 tritt die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV aber dann ein, wenn nach der Rüge und dem Nachprüfungsantrag die Vergabestelle die Vorabinformation nicht gemäß der Weisung der VK nachbessert und einfach den Zuschlag erteilt. Danach tritt die Nichtigkeitsfolge nach Zuschlagserteilung zwar dann nicht ein, wenn keine Rüge erfolgte. Anders ist dies allerdings dann, wenn trotz Rüge und erfolgreichem Nachprüfungsantrag die Zuschlagserteilung erfolgte. 483 Abel, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2001 – Verg 28/01, VergabeR 2001, 429, 432. 484 VK Hannover, Beschl. v. 18.1.2002 – 26045 – VgK 9/2001, IBR 2002, 164 (Trautner). 480

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

dung enthalten kann. Eine Auslegung, die Nichtigkeit annimmt, würde zu nicht tragbaren Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit der geschlossenen Verträge führen.485 So macht dann auch das OLG Koblenz486 gegen die Bejahung der Nichtigkeitsfolge geltend, sie sei mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und -klarheit nicht zu vereinbaren: Die Antwort auf die Frage, ob eine ausreichende Begründung vorliegt, hänge immer auch von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von dem beim Bieter schon bestehenden Kenntnisstand und dem Gegenstand der von ihm beabsichtigten Fehlerrüge, ab. „Eine Begründung, die für den einen Bieter völlig nichts sagend ist, kann dem anderen Bieter, der seine Kenntnisse schon im Verlaufe des Verfahrens erlangt hat und für die Formulierung seiner beabsichtigten Rüge eigentlich keiner zusätzlichen Information mehr bedarf, ausreichen“, rechtzeitig Vergaberechtsschutz in Anspruch zu nehmen. „Die Anwendung des § 13 S. 5 und 6 VgV führte in einem solchen Fall zu einer Relativierung der Nichtigkeitsfolge, die nicht mehr von objektiven, sondern von subjektiven, in der Person des einzelnen Bewerbers liegenden Voraussetzungen abhinge.“ Damit bliebe die Nichtigkeit oder Wirksamkeit eines erteilten Zuschlags für alle Beteiligten im Ungewissen.487 Gegen die Geltung der Nichtigkeitsfolge bei der bloß unzureichenden Information lässt sich auch der Wortlaut von § 13 S. 5 VgV anführen.488 Die Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB greift nur beim Verstoß gegen das Zuschlagsverbot des § 13 S. 5 VgV ein. Dieses gilt aber nur „vor Ablauf der Frist oder ohne das die Information erteilt wurde“. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass „ohne dass die Information erteilt wurde“ nur den Fall der gänzlich nicht erteilten Information meint,489 so dass bei inhaltlich unzureichender Information nach Ablauf der Stillhaltefrist490 schon das Zuschlagsverbot des S. 5 VgV nicht gilt.491 485 Nach der Rspr. ist die drohende Rechtsunsicherheit nur ein Argument dafür, bereits die Anforderungen an die Begründung gering zu halten. 486 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002 – 1 Verg 1/02, VergabeR 2002, 384, 386. 487 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002 – 1 Verg 1/02, VergabeR 2002, 384, 386; so auch ausdrücklich BayObLG, Beschl. v. 3.7.2002 – Verg 13/02, VergabeR 2002, 637 f. m. Anm. Wagner. Gegen dieses Argument macht Glahs/Külpmann, Anm. zu OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002, VergabeR 2002, 387, 388 geltend, dass objektiv zu bestimmen ist, ob die Information ausreichend ist. 488 Das BayObLG, Beschl. v. 3.7.2002 – Verg 13/02, VergabeR 2002, 637 f. m. Anm. Wagner macht für die Einschränkung der Nichtigkeitsfolge in der vorliegenden Konstellation weiter geltend, dass ansonsten Bedenken bestünden, ob die Nichtigkeitsfolge von seiner Ermächtigung in § 97 VI GWB gedeckt ist – zu diesen Bedenken näher unter C. VII. 6. 489 Nach anderer Auffassung ist „die Information“ nur die korrekte Information, so dass bei unkorrekter Information auch die Nichtigkeitsfolge eingreife – Glahs/ Külpmann, Anm. zu OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.2002, VergabeR 2002, 387, 388.

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Insgesamt erscheint es daher als ausgewogene Lösung, dem Bieter hier die Pflicht zur Einlegung des Nachprüfungsverfahrens, der Vergabestelle aber die Kosten dieses Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen. So wird eine sachgerechte Verteilung des Risikos, das sich aus knappen Inhalt des § 13 VgV zum Inhalt der Information ergibt, erreicht: Die Behörde trägt bei unzureichender Information nur das Rechtsschutzrisiko, nicht aber das große Risiko der später festzustellenden Nichtigkeit. Liegt aber überhaupt keine Begründung vor oder wurde der Name des erfolgreichen Bieters nicht angegeben, muss es bei der Nichtigkeit des geschlossenen Vertrages bleiben. Damit ist eindeutig gegen den ausdrücklichen Wortlaut des § 13 VgV verstoßen, so dass auch hier keine Rechtsunsicherheit besteht. Der Auftraggeber ist hier nicht schutzwürdig. Im Ergebnis ist also der Entscheidungspraxis zuzustimmen. Die Nichtigkeitsfolge gilt bei inhaltlich unzureichender Vorabinformation nicht, solange überhaupt eine Begründung vorliegt und der Name des erfolgreichen Bieters angegeben wurde.492 Die Folge ist aber, dass die Bieter bei Zweifeln über den Umfang der Information immer einen Nachprüfungsantrag stellen müssen, sich also nicht auf eine später eintretende Nichtigkeit verlassen können. cc) Konsequenzen für das Bestehen der Nichtigkeitsfolge bei anderen Informationsverstößen außerhalb von Begründungsmängeln (1) Vorabinformation erfolgte nicht in Textform Es ist problematisch, welche Rechtsfolge anzunehmen ist, wenn zwar eine Vorabinformation erfolgte, aber die vorgeschriebene Textform nicht eingehalten worden ist, sie also etwa nur mündlich erfolgte. Es ist fraglich, ob dann die Nichtigkeit des Vertragsschlusses anzunehmen ist. Dazu ist der 490 Das Zuschlagsverbot des S. 5 VgV gilt also auch bei unzureichender Information zumindest während der Wartefrist des § 13 S. 2 VgV. 491 Einige Autoren wollen dieses Ergebnis über eine teleologische Reduktion des § 13 S. 5 VgV erreichen. Er sei „dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass der Vertragsschluss verboten ist, sofern nach einer (genügenden oder ungenügenden) Information [also überhaupt Informationserteilung] die 14-Tagesfrist nicht abgelaufen ist oder sofern überhaupt keine Information erteilt worden ist.“ – Erdl, VergabeR 2001, 10, 23; so auch Abel, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2001 – Verg 28/01, VergabeR 2001, 429, 432. 492 Etwas anderes gilt nur, wenn daneben auch noch eine Verletzung der Vorabinformationspflicht durch das Nichteinhalten der Wartefrist vorliegt. Hier hatte der Bieter gerade nicht die Möglichkeit, die inhaltlich korrekte Information vor Zuschlagserteilung durchzusetzen.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Sinn des Textformgebotes zu ermitteln: Nach der Begründung des BR-Beschlusses (BR-Drs. 455/00), der erst zur Aufnahme des Schriftformzwanges in der ursprünglichen Fassung des § 13 VgV führte, sollte das Schriftlichkeitsgebot der Rechtsklarheit und der Vermeidung von Beweisproblemen dienen. Dem dient auch die nunmehr vorgeschriebene Textform. Bei einer mündlichen Erteilung der Vorabinformation treten die angesprochenen Beweisprobleme aber gerade auf, was für die Bejahung der Nichtigkeit des Vertrages spricht.493 Allerdings muss der Bieter, gegenüber dem nur eine mündliche Vorabinformation erfolgte, die nur mündliche Information rügen, um nicht mit diesem Einwand präkludiert zu werden. Er kann nach dieser Rüge – wie bei der inhaltlich unzureichenden Information – mit dem Nachprüfungsantrag die schriftliche Erteilung der Information durchsetzen. Nach der obigen Argumentation zur inhaltlich unzureichenden Vorabinformation ist die Nichtigkeitsfolge hier nicht für den effektiven Rechtsschutz erforderlich. Dies spricht dafür, dass die nur mündliche Erteilung der Information nicht zur Nichtigkeit des Vertrages führt. Allerdings bleibt abzuwarten, wie die Entscheidungspraxis dazu Stellung nehmen wird. Denn das von ihr weiterhin zur Ablehnung der Nichtigkeit herangezogene Argument, dass das Vorliegen der Nichtigkeit bei unzureichender Begründung immer von den Umständen des Einzelfalls abhänge (Kenntnisstand des Bieters), greift hier nicht ein. Bei nur mündlicher Information wäre das Eingreifen der Nichtigkeitsfolge nicht von solchen Umständen des Einzelfalls abhängig. (2) Durchsetzung der Informationsverpflichtung vor Zuschlagserteilung bei gänzlichem Ausbleiben der Information Es ist fraglich, ob das eben zur Durchsetzung des korrekten Informationsumfangs Ausgeführte auch auf den Fall des gänzlichen Ausbleibens der Information übertragen werden kann: Ein Vorgehen des Bieters gegen das gänzliche Unterlassen der Vorabinformation vor Zuschlagserteilung setzt Kenntnis von der Verletzung der Informationspflicht noch vor Zuschlagserteilung voraus. Bei unterbliebener Vorabinformation ist dafür erforderlich, dass die Bieter den Zeitpunkt kennen, zu dem ihnen spätestens die Information hätte zugehen müssen.494 Da die Information 14 Tage vor Zuschlagserteilung erteilt werden muss, ist der Zeitpunkt der spätest möglichen Informationserteilung vom Zeitpunkt der 493

Anders VN 2000, 97, 99, etwa in Fällen, in denen auch ohne Schriftform keine Beweisprobleme bestehen. 494 Erdl, BauR 1999, 1341, 1348, die davon ausgeht, dass die Bieter den Zuschlagszeitpunkt nicht kennen.

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Zuschlagserteilung abhängig, der eigentlich unbekannt ist. Allerdings wissen die Bieter, wann die Zuschlagsfrist abläuft und kennen auch die Ausführungsfristen.495 Aus dem Ablauf der Zuschlagsfrist können sie also Rückschlüsse auf den spätest möglichen Zuschlagszeitpunkt ziehen: Die Information durch den Auftraggeber muss wegen der Wartefrist des § 13 VgV spätestens 14 Tage vor Ablauf der Zuschlagsfrist erteilt werden.496 Man könnte daher die Auffassung vertreten, dass ein Bieter, der nach diesem Zeitpunkt noch keine Information über seine Nichtberücksichtigung erhalten hat, ab diesem Zeitpunkt497 davon ausgehen muss, dass ein Verstoß gegen § 13 VgV vorliegt.498 Zwar ist in diesem Fall prinzipiell auch die Hoffnung des Bieters möglich, dass er selbst den Zuschlag erhält. Da in der Praxis gleichzeitig mit der Vorabinformation auch eine Information an den erfolgreichen Bieter erfolgt (s. o.), ist in der Regel diese Hoffnung des Bieters ausgeschlossen. Er müsste daher 14 Tage vor Ablauf der Zuschlagsfrist499 von einem Verstoß gegen § 13 VgV ausgehen. Dementsprechend ist in der Entscheidungspraxis und in der Literatur bereits vertreten worden, dass der Bieter dann i. S. v. § 107 III GWB positive Kenntnis vom Vergaberechtsverstoß hat, also das Ausbleiben der Information unverzüglich rügen muss. Wenn diese Rüge nicht erfolge, sei der Vertrag zwar nichtig, der Bieter könne dies aber nicht mehr im Nachprüfungsverfahren geltend machen.500 Wenn der Bieter dagegen gerügt hat und dennoch vom Auftraggeber keine (ausreichende) Vorabinformation erteilt wurde, so könne sich der Bieter auf die Nichtigkeitsfolge berufen. Diese Auffassung geht indessen zu weit. Dafür sprechen folgende Überlegungen: Die über die Rügepflicht hergeleitete Pflicht des Bieters, die Informationserteilung auch bei ihrem gänzlichen Ausbleiben selbst durchzusetzen, stellt keine ausgewogene Verteilung der Prüfungslasten mehr da. Anders als im Fall des unzureichenden Inhalts der Vorabinformation, wo die Rügepflicht 495

Putzier, DÖV 2002, 517, 520. Dazu unter C. II. 2. a) bb). 497 Dies übersieht Putzier, DÖV 2002, 517, 520, nachdem der Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht erst mit Ende der Zuschlagsfrist sichtbar wird. 498 VK Sachsen, Beschl. v. 27.9.2001 – 1/SVK/85-01, S. 10. 499 Spätestens nach deren Ablauf, wenn er keine Zuschlagserteilung erhielt (allerspätestens mit dem Beginn der Ausführungsfristen). 500 VK Sachsen, Beschl. v. 27.9.2001 – 1/SVK/85-01, S. 10: Danach kann er die Erteilung der Vorabinformation im Nachprüfungsverfahren durchsetzen. Wenn die Vergabestelle die Information dann während des Nachprüfungsverfahrens erteilt, muss sie dennoch die Kosten des Nachprüfungsverfahrens und die Auslagen des Antragsstellers tragen, VK Bund, Beschl. 14.11.2000, VK 1-33/00, WuW 2001, 545 (Verg 441); Putzier, DÖV 2002, 517, 520. 496

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

des Bieter zu bejahen war, greift hier der dort herangezogene Gesichtspunkt der schwierigen Einhaltung der Informationsverpflichtung durch den Auftraggeber nicht ein. Beim gänzlichen Unterlassen der Vorabinformation liegt – auch für den Auftraggeber ersichtlich – ein eindeutiger Verstoß gegen die Informationsverpflichtung vor. Dem Bieter hier die Last der Durchsetzung der Informationsverpflichtung aufzuerlegen, ist nicht gerechtfertigt. § 13 VgV statuiert zudem eine Verpflichtung des Auftraggebers zur Information. Nähme man aber eine so weit reichende Rügepflicht an, würde diese Informationspflicht des Auftraggebers durch die Rügepflicht entwertet. Der Bieter müsste die Informationspflicht oft erst durch seine Rüge durchsetzen. Die Nichtigkeitsfolge soll gerade in den Fällen eingreifen, in denen der Bieter erst nach Zuschlagserteilung vom Informationsverstoß erfährt. Mit der Möglichkeit der Geltendmachung der Nichtigkeitsfolge nur nach Rüge des Ausbleibens der Information würde man die Intention des Verordnungsgebers verkennen. Darüber hinaus spricht noch ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Rügeverpflichtung des Bieters bei gänzlich unterbliebener Vorabinformation: Für das Entstehen der Rügepflicht muss der Bieter positive Kenntnis vom Rechtsverstoß, hier also vom Informationsverstoß haben. Ein Erkennenmüssen genügt nicht. Man kann argumentieren, dass die Bieter zwar die dargestellten Tatsachen (Ablauf der Zuschlagsfrist; Ausbleiben der Vorabinformation) kennen, deswegen aber noch nicht von einem Rechtsverstoß ausgehen: Neben der Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich ein tatsächlicher oder vermeintlicher Vergaberechtsverstoß ergibt, ist auf Seiten des Bieters für die Rügeverpflichtung die zumindest laienhafte Kenntnis der rechtlichen Bedeutung oder die laienhafte rechtliche Wertung notwendig, dass es sich um ein rechtlich zu beanstandendes Verfahren handelt. Der Verstoßcharakter des Vorgangs muss wahrgenommen werden. Diese laienhafte Kenntnis besitzt grundsätzlich erst, wer nicht nur die die Rechtswidrigkeit begründenden Tatsachen kennt, sondern auch den Schluss aus den Tatsachen auf die Fehlerhaftigkeit gezogen hat. Hat der Bieter aufgrund seiner Tatsachenkenntnis nur einen rechtlichen Verdacht, dass ein Vergabeverstoß vorliegt, entsteht die Rügeobliegenheit erst dann, wenn sich der Verdacht nach Einholung von Rechtsrat zur ausreichenden Gewissheit verdichtet.501 Dagegen, dass positive Kenntnis vom Vorabinformationsverstoß vorliegt, wenn die Vorabinformation vor Ablauf der Zuschlagsfrist ausbleibt, kann 501 VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 12, vgl. zu dieser Entscheidung VN 6/2002, 46 f.; BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 – Verg 18/01, VergabeR 2002, 244, 245 ff. m. Anm. Wagner = IBR 2002, 206 (Weyand) = VN 2002, 20.

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danach sprechen, dass der Bieter trotz Kenntnis dieser Tatsachen von einer Verlängerung der Zuschlagsfrist ausgegangen ist. Dann verschiebt sich aus seiner Sicht der spätest mögliche Zuschlagszeitpunkt und damit auch der Informationszeitpunkt nach hinten. Der Bieter muss dann vom Ausbleiben der Information noch nicht auf einen Informationsverstoß schließen. Außerdem wird de lege ferenda zwar regelmäßig, aber nicht zwingend der erfolgreiche Bieter von seiner bevorstehenden Bezuschlagung informiert, so dass auch die Vermutung des Bieters, aus dem Ausbleiben der Information ergebe sich seine bevorstehende Berücksichtung nicht ganz ausgeschlossen erscheint. Im Ergebnis ist die Geltendmachung der Nichtigkeitsfolge bei gänzlich nicht erteilter Vorabinformation trotz unterbliebener Rüge nicht ausgeschlossen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass nicht die Bieter, die verdichtete Anhaltspunkte dafür haben, dass die Information gänzlich nicht erteilt werde, eine Rüge vornehmen können und so die Erteilung der Vorabinformation durchsetzen. Wenn man allerdings mit der oben dargestellten Auffassung von einer Möglichkeit zur Durchsetzung der Informationserteilung vor Zuschlagserteilung bei deren gänzlichen Ausbleiben durch die Rüge ausgehen würde, könnte dies nach der Argumentation zur Nichtigkeitsfolge bei unzureichender Begründung (unter a) bb) sogar dafür sprechen, hier weitergehend auch das Bestehen der Nichtigkeitsfolge abzulehnen, da sie aus Rechtsschutzgesichtspunkten nicht erforderlich sein könnte. Dies ist aber nicht der Fall. Das Eingreifen der Nichtigkeitsfolge ist unter Zugrundelegung dieser Auffassung bei gänzlich unterlassener Vorabinformation nötig, da die Information nicht immer vor Zuschlagserteilung durchgesetzt werden kann. So ist es möglich, dass der Zuschlag schon 14 Tage vor Ablauf der Zuschlagsfrist erteilt wird, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Bieter noch nicht mit der Verletzung der Vorabinformationspflicht rechnen muss. Die Verneinung der Nichtigkeitsfolge müsste hier auch den Wortlaut von § 13 S. 5 und 6 „überwinden“, da sich daraus die Nichtigkeit bei gänzlicher Nichterteilung der Information eindeutig ergibt. Außerdem greift hier das von der Entscheidungspraxis weiterhin zur Ablehnung der Nichtigkeit bei unzureichender Begründung herangezogene Argument, dass das Vorliegen der Nichtigkeit dort immer von den Umständen des Einzelfalls abhänge (Kenntnisstand des Bieters), nicht ein. Bei gänzlichem Unterlassen der Information wäre das Eingreifen der Nichtigkeitsfolge nicht von solchen Umständen des Einzelfalls abhängig.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

dd) Nichtigkeit des Vertrages, wenn der Verstoß gegen Informationspflicht der einzige Verstoß in einem ansonsten rechtmäßigen Vergabeverfahren ist? Es ist weiter zu untersuchen, ob die Nichtigkeitsfolge in Fällen sachgerecht ist, in denen der Auftraggeber gegen seine Informationspflicht verstößt und dieser Verstoß eigentlich auch zur Nichtigkeit führen würde, aber ansonsten keinen Vergaberechtsverstoß begeht, insbesondere der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wurde. Obwohl der Wortlaut des § 13 hier auf den ersten Blick für die Annahme der Nichtigkeit spricht, ist das Eingreifen der Nichtigkeitsfolge fraglich, da in der vorliegenden Konstellation ja der richtige Bieter (mit dem wirtschaftlichsten Angebot) den Zuschlag erhalten hat, also die Ermöglichung von Rechtsschutz über die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB502 keinen Sinn macht.503 (1) Abgrenzung zu anderen Fällen – Hier wird die Rechtslage nach bereits erfolgtem Zuschlag beurteilt. Bei der Durchsetzung der korrekten Vorabinformation vor Zuschlagserteilung (siehe oben) spielt es dagegen keine Rolle, ob neben dem Informationsverstoß noch andere Verstöße vorliegen. – Die vorliegende Fragestellung ist von den Fällen zu unterscheiden, in denen neben dem Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht noch andere Vergaberechtsverstöße vorliegen und die Nichtigkeit nach § 13 VgV nur deren Überprüfung ermöglicht. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, besteht Einigkeit darüber, dass in der vorliegenden Konstellation die Nichtigkeitsfolge mangels Antragsbefugnis jedenfalls nicht im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden kann (2). Darüber hinaus ist jedoch fraglich, ob nicht nur die Geltendmachung der Nichtigkeitsfolge, sondern schon ihr Bestehen hier verneint werden muss, (3). Würde man dies bejahen, so würde dies die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens ausschließen, da dieses ein noch unbeendetes Vergabeverfahren voraussetzt. 502 Zur Verfassungswidrigkeit von § 13 S. 6 VgV und deren (geringen) Konsequenzen unter C. II. 4. a). 503 So lässt etwa das KG Berlin die Frage dahin stehen, ob die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 auch dann eintritt oder einer einschränkenden Auslegung zugänglich ist, wenn gegen die Vorabinformationsfrist verstoßen worden ist, aber die Vergabeentscheidung in der Sache zweifelsfrei rechtmäßig war, also der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wurde. Denn im zu entscheidenden Fall war die Rechtmäßigkeit der Vergabeentscheidung mit Zweifeln behaftet – KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235, 240 m. Anm. Erdl.

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(2) Zur mangelnden Antragsbefugnis, wenn der Informationsmangel der einzige Vergaberechtsverstoß ist Stellt sich im Nachprüfungsverfahren heraus, dass das Vergabeverfahren mit Ausnahme des Verstoßes gegen § 13 VgV rechtmäßig durchgeführt wurde, so liegt keine Antragsbefugnis vor:504 § 13 VgV soll dem Antragssteller die Möglichkeit der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens offen halten. Der Verstoß gegen § 13 VgV allein kann aber nicht zum Erfolg des Nachprüfungsverfahrens führen:505 Für die Antragsbefugnis ist nach § 107 II GWB erforderlich, dass der Antragsteller darlegen kann, dass ihm durch die behauptete Vergaberechtsverletzung ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Der Bieter muss daher geltend machen können, dass er ohne den Vergabefehler eine konkrete Aussicht auf Zuschlagserteilung gehabt hätte. Sinn und Zweck des § 107 II ist es nämlich, zu verhindern, dass ein Bieter, der auch bei ordnungsgemäß durchgeführten Vergabeverfahren keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, ein Nachprüfungsverfahren einleiten kann.506 Der Fehler bei der Vorabinformation beeinträchtigt aber die Zuschlagschancen des Bieters nicht mehr. Wegen einer unzureichenden Bieterinformation hat der Bieter nicht weniger Chancen auf den Zuschlag als bei einer detaillierten Information: Die Wertung der Bieterangebote durch die Vergabestelle ist vor der Informationserteilung abgeschlossen und wird der Bieterinformation zugrunde gelegt. Die Mitteilung der Nichtberücksichtigung „ist Ergebnis der Wertung der Angebote und der Zuschlagsentscheidung, also des gesamten Entscheidungsfindungsprozesses. Die nach Zuschlagsentscheidung erfolgten Mitteilungen haben bloßen Informationscharakter in Bezug auf ein bereits feststehende Wertungsergebnis und [können] die Rechtsposition der Ast. in Bezug auf das Vergabeverfahren daher nicht beeinträchtigen.“507 Die mangelhafte Information kann also nicht ursächlich für die Nichtberücksichtigung und 504 VK Bund, Beschl. v. 26.9.2001, VK 2 – 30/01; in der Entscheidung über die sofortige Beschwerde wurde dies insoweit bestätigt durch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.1.2002, Verg 36/01, WuW 2002, 428, 432 (Verg 566, 570); 1. VK des Bundes, Beschl. vom 25.5.2001, VK 1-15/01, WuW 2001, 797, 798 = Verg 473, 474 = VergabeR 2001, 321 m. insoweit zustimmender Anm. Hertwig/Kast = IBR 2001, 439 (Wittchen); Höß, VergabeR 2002, 443, 451 f.; in diese Richtung auch VK Sachsen, Beschl. v. 27.06.2002 – 1/SVK/057-02, S. 5; OLG Dresden, Beschl. v. 9.11.2001 – Wverg 0009/01, VergabeR 2002, 138, 139 f. m. Anm. Rojahn = IBR 2002, 207 (Gottschalck); so im Ergebnis auch VK Hessen, Beschl. v. Mai 2001 – 69 d VK 17/2001, IBR 2001, 557 (Weyand) – vgl. dazu Monatsinfo 7-8/2001, 92. 505 Höß, VergabeR 2002, 443, 451 f. 506 Näher beim Überblick über das Nachprüfungsverfahren – Teil 1, B. III. 1. a).

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

damit für den Schaden sein. Es gibt folglich keinen Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die Informationspflicht und dem Fehlen der Zuschlagschance des Antragstellers.508 Dem Antragsteller kann durch die behauptete Verletzung des § 13 VgV kein Schaden entstehen, weil er selbst dann keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, wenn die geltend gemachten Vergabeverstöße ausgeräumt worden wären, also richtig informiert worden wäre. Der Nachprüfungsantrag ist also mangels Antragsbefugnis unzulässig509.510 Allerdings trägt die Vergabestelle die Kosten des Nachprüfungsverfahrens, da sie durch ihre mangelhafte Vorabinformation erst die Ursache für die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gesetzt hat.511 (3) Zur Nichtigkeitsfolge, wenn der Informationsmangel der einzige Vergaberechtsverstoß im Vergabeverfahren ist Ist der Verstoß gegen § 13 VgV der einzige Vergaberechtsverstoß und hätten daher die nicht informierten Bieter ohnehin keine Chance auf den Zuschlag gehabt, so wird diskutiert, ob nicht nur die Geltendmachung der 507

VK Bund, Beschl. vom 25.5.2001, VK 1-15/01, WuW 2001, 797, 798 = Verg 473, 474 = VergabeR 2001, 321 m. insoweit zustimmender Anm. Hertwig/Kast = IBR 2001, 439 (Wittchen). 508 So die Entscheidungspraxis: VK Bund, Beschl. v. 26.9.2001, VK 2 – 30/01; in der Entscheidung über die sofortige Beschwerde wurde dies insoweit bestätigt durch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.1.2002, Verg 36/01, WuW 2002, 428, 432 (Verg 566, 570); so auch VK Thüringen, Beschl. v. 1.03.2002 – 216-4002.20-004/ 02-EF-S, S. 12 f.: Die Verfahrensverstöße der Vergabestelle gegen die Vorgaben von § 13 liegen vor, „haben jedoch, da sie die Chance der AST zur Erlangung des Auftrages nicht beeinträchtigen, keinen Einfluss auf die Sachentscheidung der Vergabekammer.“; VK Südbayern, Beschl. v. 14.5.2002 – 14-04/02, S. 8; VK Bund, Beschl. v. 25.5.2001, VK 1-15/01, WuW 2001, 797 = Verg 473 = VergabeR 2001, 321 m. Anm. Hertwig/Kast = IBR 2001, 439 (Wittchen) (in einem ein Verfahren, das noch vor In-Kraft-Treten der VgV begonnen wurde – Hertwig/Kast, Anm. zu VgK Bund, Beschl. v. 25.5.2001, VK 1-15/01, VergabeR 2001, 323 f.). 509 Der Nachprüfungsantrag ist wegen des Informationspflichtverstoßes aber nicht nach § 110 II GWB offensichtlich unzulässig. Der Antragsteller hat über das Akteneinsichtsrecht nach § 111 GWB also die Möglichkeit das Vergabeverfahren auf Fehler zu untersuchen. 510 Bei alleiniger Verletzung der Pflicht zur Vorabinformation besteht auch kein Schadensersatzanspruch für den Bieter, da die Kausalität der Pflichtverletzung für den erlittenen Schaden fehlt – OLG Jena, Urt. v. 27.2.2002 – 6 U 360/01, VergabeR 2002, 419, 421 m. Anm. Weihrauch. Dem Bieter bliebe damit gar keine Rechtsschutzmöglichkeit. Daher wird die Zulässigkeit eines Antrags auf Feststellung der Rechtsverletzung gefordert – Ingenstau/Korbion – Müller-Wrede, 14. Aufl. 2001, § 114 Rn. 7. 511 Siehe oben.

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Nichtigkeitsfolge mangels Antragsbefugnis, sondern schon ihr Bestehen zu verneinen ist.512 Gegen die Nichtigkeit spricht hier, dass der Auftraggeber dem richtigen Bieter den Zuschlag erteilt hat. Sie ist reiner Formalismus: Nach dem Nachprüfungsverfahren wird der Vertrag i. d. R. mit dem gleichen Bieter zu den gleichen Konditionen wie bei der nichtigen Vereinbarung zustande kommen. Weiterhin spricht auch das Telos von § 13 VgV gegen die Nichtigkeitsfolge. Denn er will nur sicherstellen, dass ein sachliches Fehlverhalten zum Gegenstand der Nachprüfung gemacht werden kann. Ein solches Fehlverhalten liegt bei einem ansonsten rechtmäßigen Vergabeverfahren aber gerade nicht vor. § 13 hat insoweit nur instrumentellen Charakter.513 Außerdem könne die Nichtigkeitsfolge hier u. U. zu schwerwiegenden Auswirkungen im Hinblick auf die zeitliche Planung und Finanzierung der Auftragsdurchführung kommen.514 Dennoch ist aber auch dann, wenn der Informationsverstoß der einzige Vergaberechtsverstoß ist, von einer Nichtigkeit des Vertrages nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB auszugehen.515 Für eine Einschränkung der Nichtigkeitsfolge finden sich keine Anhaltspunkte im § 13 VgV. Die Bejahung der Nichtigkeit kann nicht von der Prüfung abhängen, ob weitere Vergaberechtsverstöße vorliegen. Vielmehr ist die Annahme einer generellen Nichtigkeitsfolge, die dann aber im Nachhinein „geheilt“ werden kann, vorzugswürdig: 512 Dazu Kullack, BBauBl 2001, 54 (Heft 8), die allerdings diese Ansicht für nicht vereinbar mit dem Wortlaut des § 13 und der Intention des Verordnungsgebers hält. Sie mahnt daher die Nachprüfungsinstanzen wohl zur Vorsicht bei dem Anstellen entsprechender Überlegungen. Krit. zur Nichtigkeitsfolge, wenn Vorabinformationsverstoß einziger Verstoß auch Hailbronner, NZBau 2002, 474, 477. Er spricht hier die Ablehnung der Nichtigkeitsfolge über die teleologische Reduktion des § 13 S. 6 VgV an, hält sie aber wegen des entgegenstehenden Wortlauts nicht für möglich. Außerdem lägen keine Anhaltspunkte vor, dass die Nichtigkeitsfolge dem Normzweck offenkundig widerspricht. Dies sei aber Voraussetzung für eine teleologische Reduktion. Ein unbilliges oder unpraktikables Ergebnis genüge dafür nicht. 513 OLG Dresden, Beschl. v. 14.2.2003 – Wverg 11/01, WuW 2004, 350 (Verg 914) = IBR 2003, 318 (Völlink). 514 Als Beispiel dafür macht Kullack, BBauBl 2001, 54 (Heft 8) geltend, dass der ursprünglich begünstigte Unternehmer nicht erneut zum Abschluss des ursprünglichen Vertrages bereit ist. Die Vergabestelle müsse dann zu ihren Lasten mit einem anderen Bieter zu einem höheren Preis neu abschließen. Dies überzeugt nicht, denn der erfolgreiche Bieter ist hier aus Treu und Glauben verpflichtet, am Neuabschluss des Vertrages mitzuwirken, unter C. II. 5. a) dd) (3). 515 OLG Dresden, Beschl. v. 9.11.2001 – Wverg 0009/01, VergabeR 2002, 138, 139 f. m. Anm. Rojahn = IBR 2002, 207 (Gottschalck) unter Berufung auf die Vergabekammer; so im Ergebnis auch VK Hessen, Beschl. v. Mai 2001 – 69 d VK 17/ 2001, IBR 2001, 557 (Weyand) – vgl. dazu Monatsinfo 7–8/2001, 92; vgl. auch Fn. 512.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Ist also die Nichtigkeit hier zu bejahen, muss diese aber beseitigt werden können, um nicht den Auftrag auf Dauer auf der Basis eines nichtigen Vertrages durchführen zu müssen. Dies ist in der Weise möglich, dass das nichtige Rechtsgeschäft nach §§ 141, 144 BGB bestätigt werden kann:516 Dies setzt als erstes voraus, dass der Nichtigkeitsgrund weggefallen ist. Dafür muss das alte Vergabeverfahren fortgesetzt und die Vorabinformation muss ordnungsgemäß nachgeholt werden. Für die Heilung des Informationsmangels ist nach den einzelnen Informationsverstößen zu differenzieren: – Verstoß liegt in gänzlicher Unterlassung der Vorabinformation nach Zuschlagsentscheidung: Hier muss die Vorabinformation nachgeholt werden. Es gilt dann aber nach der korrekten Vorabinformation noch einmal die 14-tägige Wartefrist. Nach dem Ablauf der 14 Tage-Frist entfällt dann der Nichtigkeitsgrund. Durch den erneuten Lauf der 14-Tagesfrist sind auch die Rechtsschutzinteressen der nichtberücksichtigten Bieter ausreichend berücksichtigt.517 Da das Vergabeverfahren durch die Nichtigkeit als fortgesetzt gilt (a. a. O.), hat er auch die Gelegenheit, einen Nachprüfungsantrag zu stellen.518 Nach dem Entfallen des Nichtigkeitsgrundes519 kann der Auftraggeber das Rechtsgeschäft nach § 141 BGB bestätigen.520 Dies ist dadurch möglich, dass er den Zuschlag noch einmal erteilt, so dass der zweite Vertragsabschluss wirksam ist und die Nichtigkeitsfolge gleichsam „geheilt“ wird.521 Von einer echten „Heilung“ kann aber nicht gesprochen werden, da nicht der erste Vertragsabschluss nachträglich Wirksamkeit erlangt, sondern ein erneuter, jetzt wirksamer Vertragsabschluss erfolgt. Dagegen muss er die Zuschlagsentscheidung selbst nicht noch einmal wiederholen: Durch die Nichtigkeit des Vertrages wird die Wirksamkeit der Zuschlags516

Erdl, VergabeR 2001, 10, 24; Wegmann, NZBau 2001, 475, 478; Portz, VergabeR 2002, 211, 217. 517 Wegmann, NZBau 2001, 475, 478; vgl. auch Ingenstau/Korbion – Portz, § 13 VgV Rn. 20, der die Bestätigung im Interesse der nachinformierten Bieter nur dort zulässt, wo mit der Ausführung des Vertrages noch nicht begonnen worden ist. 518 A. A. Hailbronner, NZBau 2002, 474, 478, der von der Notwendigkeit der Neueröffnung eines Vergabeverfahrens ausgeht. 519 Ggf. muss er noch die Abweisung des Nachprüfungsantrags mangels Antragsbefugnis abwarten (s. o.), da ansonsten der Zuschlagserteilung die Sperrwirkung des § 115 I GWB entgegensteht. 520 A. A. Kau, NZBau 2003, 310, 313. 521 Gegebenenfalls muss der Auftraggeber die Verlängerung der Zuschlagsfrist vereinbaren – Putzier, DÖV 2002, 517, 520. Der erfolgreiche Bieter ist nicht zur Verweigerung der Bestätigung berechtigt – unter C. II. 5. a) dd) (3).

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entscheidung nicht berührt, da diese ja in der vorliegenden Konstellation vergaberechtskonform ist, ihre Wiederholung also nicht wegen anderer Vergaberechtsverstöße im später eingeleiteten Nachprüfungsverfahren angeordnet werden kann. Hat der Auftraggeber also unter Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht einen nichtigen Zuschlag erteilt, so kann er den Zuschlag nach Behebung des Informationsmangels, aber ohne Erneuerung der Zuschlagsentscheidung, erneut und (diesmal) wirksam erteilen. – Verstoß liegt in zu früher Zuschlagserteilung (innerhalb Vorabinformationsfrist)522 Hier muss keine erneute Vorabinformation zugesandt werden, sondern der Zuschlag kann nach korrektem Ablauf der Stillhaltefrist, die durch die erste, nichtige Zuschlagserteilung nicht neu beginnt523, noch einmal erteilt werden. Die Bestätigung des Rechtsgeschäftes wirkt nur ex nunc. Allerdings wirken nach § 141 Abs. 2 BGB die vereinbarten Vertragsbedingungen (etwa der Preis) weiter. Die Parteien sind verpflichtet, sich so zu stellen, als wäre der Vertrag von Anfang an wirksam gewesen.524 Die „Heilung“ der Nichtigkeit hat auch Einfluss auf ein inzwischen eingeleitetes Nachprüfungsverfahren: Durch die Heilung der Nichtigkeitsfolge ist das Vergabeverfahren beendet, so dass sich auch das Nachprüfungsverfahren erledigt. Exkurs: Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäftes auch bei anderen Fällen? Die Bestätigung kann nicht nur im Fall, in dem der Informationsverstoß der einzige Verstoß ist, zur Beseitigung der Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB führen. Auch bei Vergabeverfahren, die wegen anderer Vergaberechtsverstöße rechtswidrig sind, kann dies der Fall sein, wenn der Informationsverstoß nach nichtiger Zuschlagserteilung durch 522 Zur Heilung eines Begründungsmangels vor Zuschlagserteilung schon unter C. II. 3. e). Bei der inhaltlich unzureichenden Vorabinformation ist keine Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäftes nötig, da es hier schon nicht zur Nichtigkeit des Vertrages kommt. Der Auftraggeber kann aber den Vorabinformationsverstoß dennoch heilen. 523 Hoffer/Schmölz, RPA 2002, 67, 69 hält aber (für die vergleichbare österreichische Rechtslage) auch die andere Ansicht für vertretbar, dass mit der Nichtigkeit der Zuschlagserteilung auch die Bekanntgabe der Zuschlagserteilung implizit als aufgehoben gilt, so dass diese Bekanntgabe der Zuschlagserteilung wiederholt werden müsste und die Stillhaltefrist erneut abgewartet werden müsste. Für eine solche Auffassung finden sich aber sowohl in Österreich wie auch in Deutschland keine Anhaltspunkte im Gesetz. 524 Näher Erdl, VergabeR 2001, 10, 26.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Nachholung der korrekten Information beseitigt wird, aber kein Bieter ein Nachprüfungsverfahren einleitet. Die Bieter haben hier mangels wirksamen Vertrages die Möglichkeit der Geltendmachung von Primärrechtsschutz, nutzen sie aber nicht. Nach Ablauf der 14-Tagesfrist kann der nichtige Vertrag bestätigt werden. Denn § 13 soll nur die Möglichkeit von Primärrechtsschutz sichern, nicht aber die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens unabhängig von der Geltendmachung einer Rechtsverletzung durch einen Bieter sicherstellen.525 b) Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB auch bei de-facto-Vergaben? Eine sehr wichtige offene Frage ist, ob die Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB auch gilt, wenn der Zuschlag erteilt wird, nachdem die Vergabestelle rechtswidrig überhaupt gar kein Vergabeverfahren durchgeführt hat und sie dementsprechend von Anfang an nur mit einem Unternehmen informell über die Auftragserteilung gesprochen hat.526 Für diese Fallkonstellation hat sich der Begriff de-facto-Vergabe durchgesetzt.527 Würde die Nichtigkeitsfolge nicht gelten, hätte die Vergabestelle, die von vornherein einem bestimmten Bieter den Auftrag erteilen will, eventuell die Möglichkeit, das durch § 13 VgV gesicherte Rechtsschutzsystem dadurch zu umgehen, dass sie von jeglichem Vergabeverfahren absieht und dem feststehenden Bieter den Auftrag direkt erteilt. Diese Fragestellung hat sich inzwischen zu einer der meistdiskutierten Fragen im Zusammenhang mit § 13 VgV, wenn nicht des Vergaberechts 525

Anders z. T. Erdl, VergabeR 2001, 10, 25 f. Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen die Vergabestelle (zumindest „quasi“) ein Verhandlungsverfahren durchführt, ihr hier mehrere Bieter ihr Interesse am Auftrag bekunden, sie aber diese später rechtswidrig nicht beteiligt (mit dieser Unterscheidung auch Wagner/Wiegand, NZBau 2003, 369, 372). Zur Anwendbarkeit von § 13 VgV in dieser Fallkonstellation, die Gegenstand der Entscheidungen des OLG Dresden, Beschl. v. 16.10.2001 – Wverg 0007/01, ZfBR 2002, 298 = VergabeR 2002, 142, 144 m. Anm. Otting = IBR 2002, 90 (Schulze-Hagen) und des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003 – Verg 67/02, NZBau 2003, 401 = VergabeR 2003, 435 m. Anm. Prieß = ZfBR 2003, 605 m. Anm. Petersen = WuW 2003, 850 (Verg 778) (sofortige Beschwerde zu VK Bund, Beschl. v. 12.12.2002 – VK 1-83/ 02) war, näher unter C. II. 1. b) aa) (3). 527 Der Problembereich wird aber auch unter dem Stichwort „informelle Vergabeverfahren“ diskutiert – vgl. Jennert, WRP 2002, 507. Burgi, NZBau 2003, 16, 17 hält den Begriff „de-facto-Vergabe“ für irreführend, da nicht nur de-facto, sondern auch de-jure eine Vergabe erfolgt ist oder bevorsteht. Der Vergabe sei allerdings nur ein „de-facto-Verfahren“ (Hervorhebungen nicht im Orig.), d.h. ein nicht den Anforderungen des Kartellvergaberechts entsprechendes Verfahren, vorausgegangen. 526

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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überhaupt528, herausgebildet.529 Die Entscheidungspraxis hat bisher dazu nur „bruchstückhafte Aussagen“ gemacht.530 Nachdem die angesprochene Konstellation des gänzlich unterlassenen Vergabeverfahrens erörtert wurde, aa) ff), stellt sich die Frage der Geltung der Nichtigkeitsfolge in vergleichbarer Weise auch dann, wenn zwar ein förmliches Vergabeverfahren durchgeführt wurde, die aber rechtswidrig nicht europaweit, sondern nur national erfolgte, gg), oder rechtswidrig nur das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bzw. ohne öffentliche Vergabebekanntmachung531 durchgeführt wurde, hh). aa) Ursachen für das rechtswidrige Unterlassen der Durchführung eines Vergabeverfahrens532 Zum einen kann das Vergabeverfahren unabsichtlich rechtswidrig nicht durchgeführt werden. So ist die Frage, ob eine Beschaffung dem Vergaberecht unterfällt, nicht immer leicht zu beantworten. Viele Fragen in Bezug auf den persönlichen Anwendungsbereich (Auftraggebereigenschaft533) und den sachlichen Anwendungsbereich sind noch nicht geklärt. In Bezug auf den sachlichen Anwendungsbereich (vom Vergaberecht erfasster Auftrag?) werden vor allem diskutiert: Vertragsänderungen534; Vertragsverlängerun528 Neben der Frage des Rechtsschutzes unterhalb der Schwellenwerte und der Problematik der Public Private Partnerships. 529 Dieser Problembereich wurde erstmals diskutiert von Hertwig, NZBau 2001, 241 und Dreher, NZBau 2001, 244, 245, der diese Fälle schon damals als „Thema der Zukunft“ bezeichnete. Auch nach Einschätzung von Bultmann, S. 275 hat die de-facto-Vergabe „eine Welle von Beiträgen und eine methodische Kreativität ausgelöst, die ihresgleichen sucht.“ Zur Bedeutung der Problematik ebenso Jennert, WRP 2002, 507; Bär, ZfBR 2001, 375 ff.; Gesterkamp, WuW 2001, 665, 669. 530 Höfler, NZBau 2003, 431. 531 Diese Konstellation bezieht auch Gesterkamp, WuW 2001, 665, 669 mit ein. 532 Vgl. dazu auch Bär, ZfBR 2001, 375, 376. 533 Zu den zahlreichen noch offenen Fragen im Zusammenhang mit der Auftraggebereigenschaft vgl. nur: Crass, Der öffentliche Auftraggeber, München 2004, S. 49 ff.; Gallwas, GewArch 2000, 401, 402 ff.; Kraus, BauR 2000, 1545 f.; Schwarze, EuZW 2000, 133, 135 f.; Tomerius, NVwZ 2000, 727, 729 ff. Kirchliche Ordensgemeinschaften und Diakoniewerke in der Rechtsform der Körperschaft des Öffentlichen Rechts sind keine Öffentliche Auftraggeber nach § 98 GWB – VK Nordbayern, Beschl. v. 24.7.2001 – 320.VK-3194-21/01, IBR 2001, 628 (Weyand) und Beschl. v. 25.10.2001 – 320.VK-3194-35/01, IBR 2002, 89 (Hartung); näher dazu und zur Auftraggebereigenschaft der evangelischen Landeskirchen die Diss. von Winkel, Kirche und Vergaberecht, Frankfurt/M. 2004 und Schröder, NZBau 2002, 259. Die bisher bejahte Auftraggebereigenschaft der gesetzlichen Krankenkassen ist durch die Entscheidung des BayObLG, Beschl. v. 24.5.2004 – Verg 6/04, NZBau 2004, 623 in die Diskussion geraten.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

gen535; In-house-Vergaben536; Public Private Partnerships537; Aufgabenübertragung an Nachbarkommune im Rahmen von interkommunaler Zusammenarbeit538; Anwendbarkeit des Vergaberechts für öffentlich-rechtliche Verträge, die auf eine Auftragsvergabe gerichtet sind539; Anwendung des Vergaberechts bei der Auswahl von Sponsoren zur Staatsfinanzierung540 und bei Mergers & Acquisitions, an denen öffentliche Auftraggeber beteiligt sind und die auftragsnahe Bestimmungen enthalten (mit Transaktion wird der Unternehmer zur Erbringung von Leistungen verpflichtet)541. Es kann 534 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.2001 – Verg 3/01, VergabeR 2001, 329 m. Anm. Hausmann/Krohn = NZBau 2001, 696 und OLG Düsseldorf, 14.2.2001, Verg 13/00, NZBau 2002, 54; Schröder, NJW 2002, 1831, 1832 f. 535 Dazu Marx, NZBau 2002, 311; Ax, Behördenspiegel, 4/2002, S. 22 und 5/ 2002, S. 28; OLG Düsseldorf, 14.2.2001, Verg 13/00, NZBau 2002, 54; OLG Celle, Beschl. v. 4.5.2001, 13 Verg 5/00, WuW 2001, 1161 (Verg 509) = NZBau 2002, 53; vgl. dazu die Anm. von Noch, NZBau 2002, 86. 536 Diese liegen dann vor, wenn der öffentliche AG seinen Bedarf im Rahmen seiner eigenen Organisation und mit eigenen Ressourcen durch erbringen lässt. Die genauen Kriterien für eine solche vergaberechtsfreie In-House-Vergabe sind nach wie vor ungeklärt – vgl. zuletzt dazu EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03 „Stadt Halle, NZBau 2005, 111 auf Vorlage des OLG Naumburg, Beschl. v. 8.1.2003 – 1 Verg 7/02, NZBau 2003, 224 = VergabeR 2003, 196 m. Anm. Schwenker/Heinze = ZfBR 2003, 595 m. Anm. Reidt = IBR 2003, 327 (Horn). Einführend zur In-HouseVergabe: Gallwas, GewArch 2000, 401, 404 und BGH, v. 12.6.2001 – X ZB 10/01, BGHZ 148, 55 = DÖV 2001, 1006 (dazu die Anm. von Röhl, JuS 2002, 1053). Ausführlich die Diss. von Wittek, Das In-House Geschäft im Vergaberecht, Frankfurt/M. 2004. Vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003 – Verg 67/02, VergabeR 2003, 435 m. Anm. Prieß = ZfBR 2003, 605 m. Anm. Petersen. 537 Nickel/Kopf, ZfBR 2004, 9; Lurger, ecolex 2004, 242; Dreher, NZBau 2002, 245 ff.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.2001 – Verg 3/01, VergabeR 2002, 45 m. Anm. Stickler (mit Überblick über den Meinungsstand bei PPP); Schröder, NJW 2002, 1831; Jaeger, NZBau 2001, 6; zum Grünbuch der Kommission über PPP vom Mai 2004: Koman, ZfBR 2004, 763; Monatsinfo forum Vergabe e. V. 6/2004, S. 93; Barbist/Gassner, ecolex 2004, 657; aus Sicht der Kommission Petschke, Dokumentationsband der Zehnten Badenweiler Gespräche, Berlin 2004, S. 61 ff. 538 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.5.2004 – VII Verg 78/03, VergabeR 2004, 619 m. Anm. Zirbes = ZfBR 2004, 591 m. Anm. Hausmann/Bultmann; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.8.2004 – 11 Verg 11, 12/04; dazu auch VK Münster, Beschl. v. 4.10.2004 – VK 21/04, Monatsinfo forum vergabe, 10/2004, 159; OVG NRW, Beschl. v. 12.10.2004, Monatsinfo forum vergabe, 10/2004, 159. 539 Sie unterfallen (mit wenigen Ausnahmen) dem Kartellvergaberecht: EuGH, Urt. v. 12.7.2001 – Milano et Lodi – C 399/98, VergabeR 2001, 380 m. Anm. Müller-Wrede = RPA 2001, 162 m. Anm. Erdlinger; Burgi, NZBau 2002, 57 ff. (m. ausf. Nachweisen zum Meinungsstand in Lit. und Rspr. in Fn. 4 f. 540 Z. B. die Stellung von Designeruniformen für die Hamburger Polizei; kostenlose Beleuchtung des Brandenburger Tors durch Vattenfall Europe AG. Dazu Burgi, Verwaltungssponsoring und Kartellvergaberecht, NZBau 2004, 594. 541 Casati, RPA 2001, 58; vgl. auch Berger, ZfBR 2002, 134.

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etwa auch ein dem Vergaberecht unterliegender Dienstleistungsauftrag mit einer diesem nicht unterfallenden Dienstleistungskonzession542 verwechselt werden.543 Weiter ist zu beachten, dass die privatrechtlich organisierten Sektorenauftraggeber nur oberhalb der Schwellenwerte an das Vergaberecht gebunden sind, während sie darunter – anders als die „klassischen öffentlichen Auftraggeber“544 – gänzlich ohne eine Bindung an das Vergaberecht ohne förmliches Vergabeverfahren vergeben können. Diese Auftraggeber können die Durchführung eines Vergabeverfahrens auch deswegen unterlassen, weil sie zu dem Ergebnis kommen, der Auftrag liege nicht oberhalb der Schwellenwerte. Denn zum einen ist die Bestimmung des Auftragswertes nicht immer einfach, zum anderen ist auch die Bestimmung der Auftragsart, die Einfluss auf die Höhe des Schwellenwertes hat, nicht immer zweifelsfrei möglich ist. In einigen Fällen wird aber die Durchführung des Vergabeverfahrens auch bewusst unterlassen, das Vergaberecht also absichtlich umgangen. Dies geschieht, weil das Vergabeverfahren als zu zeitaufwendig, ineffektiv und kostenintensiv angesehen wird. Bisweilen spielen auch kriminelle Beweggründe (Korruption) eine Rolle.545 bb) Die Bestimmung des Rechtsverstoßes bei der de-facto-Vergabe Bei unterlassener Ausschreibung liegen gleich mehrere Vergaberechtsverstöße vor: Ein Vergaberechtsverstoß ergibt sich aus dem Verzicht auf eine Vergabebekanntmachung.546 Weiter schreiben § 97 Abs. 1 und 2 GWB i. V. m. § 101 GWB547 die Durchführung eines Vergabeverfahrens für die Fälle der 542

Auch bei Dienstleistungskonzessionen war die Anwendbarkeit des Vergaberechts umstritten. Inzwischen ist diese Frage aber im Grundsatz entschieden: Nach EuGH, Beschl. v. 30.5.2002, C-358/00, WuW 2002, 813 (Verg 601) unterfallen Dienstleistungskonzessionen nicht dem Anwendungsbereich des EG-Vergaberechts. Damit erfassen weder das Gemeinschaftsrecht noch das nationale Kartellrecht Dienstleistungskonzessionen – OLG Naumburg, Beschl. v. 4.12.2001, 1 Verg 10/01, VergabeR 2002, 309 m. Anm. Zirbes = WuW 2002, 324, 326 (Verg 558, 559); OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.2001 – Verg 3/01, VergabeR 2002, 45 m. Anm. Stickler/Enzian, DVBl. 2002, 235. 543 Burgi, NZBau 2003, 16, 17. 544 Diese müssen ein nationales Vergabeverfahren nach den Verdingungsordnungen durchführen. 545 Bär, ZfBR 2001, 375, 376 m. w. N., nachdem die absichtliche Gesetzesmissachtung „nicht minder häufig“, wie die unabsichtliche erfolgt. (Zur Korruption auch die Nachw. a. a. O.).

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Anwendbarkeit des GWB zwingend vor,548 so dass bei de-facto-Vergaben gegen diese Normen verstoßen wird. Durch die Nichtdurchführung eines Vergabeverfahrens werden die Unternehmen auch in ihrem Recht auf gleichberechtigte Teilnahme an einem Vergabeverfahren (§ 97 Abs. 7, 2 GWB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 VgV, § 3a VOL/A) verletzt. Denn wenn gar kein Vergabeverfahren durchgeführt wird, werden viele Bewerber von vornherein von der Auftragsvergabe ausgeschlossen und daher benachteiligt. Die Pflicht zur Ausschreibung ergibt sich auch aus dem Transparenzgebot und dem Wettbewerbsgrundsatz (§ 97 I GWB), so dass auch diese Grundsätze verletzt werden.549 Insgesamt ist das gänzliche Unterlassen des gebotenen Vergabeverfahrens der schwerste Verstoß gegen das Vergaberecht, da das gesamte Normprogramm des Vergaberechts ignoriert wird.550 Dennoch findet sich im Vergaberecht nirgends eine ausdrückliche Regelung zu den Folgen dieses schwerstmöglichen Vergaberechtsverstoßes. Es ist fraglich, wie hier gleichwohl effektiver Rechtsschutz sichergestellt werden kann. Dies wird im Folgenden untersucht. cc) Die für den Primärrechtsschutz gegen die de-facto-Vergabe zu unterscheidenden Fragestellungen Bei der Erörterung des Rechtsschutzes bei der de-facto-Vergabe ist danach zu unterscheiden, wann der Unternehmer von dieser „Vergabe“ erfährt: Wenn der Unternehmer noch vor Zuschlagserteilung von der rechtswidrig unterlassenen Ausschreibung erfährt, ist fraglich, ob er zur Durchsetzung des förmlichen Vergabeverfahrens ein Nachprüfungsverfahren einleiten kann. Es stellt sich die Frage, ob das vergabespezifische Nachprüfungsinstrumentarium hier anwendbar ist. Denn die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens setzt ein schon begonnenes Vergabeverfahren voraus. 546 Näher VK Nordrhein-Westfalen (Münster), Beschl. v. 8.6.2001 – VK 13/01, S. 12 f. 547 Noch einmal sei darauf hingewiesen, dass § 13 S. 1–3 VgV nicht also Verbotsnormen in Betracht kommen, da sie nicht anwendbar sind, a. a. O. 548 Vgl. nur VK Südbayern, Beschluss v. 8.10.2001, 28-08/01, S. 13 ff.; MüllerWrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 8; Heuvels/Kaiser, NZBau 2001, 479, 480. 549 VK Nordrhein-Westfalen (Münster), Beschl. v. 8.6.2001 – VK 13/01, S. 13; Schimanek, ZfBR 2002, 39, 40; Braun, NZBau 2001, 675, 677; Müller-Wrede/ Kaelble, VergabeR 2002, 1, 4 und 8; vgl. auch Reidt, Anm. zu OLG Naumburg, Beschl. v. 8.1.2003, ZfBR 2003, 602 f. 550 Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 4 und 8.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Erfährt der Unternehmer dagegen erst von dem rechtswidrig unterlassenen Vergabeverfahren, nachdem der Zuschlag schon erteilt wurde, kommt es darauf an, ob die Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB gilt bzw. eine Nichtigkeit des geschlossenen Vertrages aus anderen Vorschriften hergeleitet werden kann. Würde die Nichtigkeitsfolge nicht gelten, hätte die Vergabestelle, die von vornherein einem bestimmten Bieter den Auftrag erteilen will, die Möglichkeit, das durch § 13 VgV gesicherte Rechtsschutzsystem dadurch zu umgehen, dass sie von jeglichem Vergabeverfahren absieht und dem feststehenden Bieter den Auftrag direkt erteilt. Denn mangels Eingreifen der Nichtigkeitsfolge stünden dem Bieter wegen des Bestehens eben jenes Vertrages keine Primärrechtsschutzmöglichkeiten zu. Er könnte seine Chance auf Zuschlagserteilung nicht mehr einklagen. Diese Frage des Rechtsschutzes nach der Zuschlagserteilung, die unter ff) erörtert wird, ist die wichtigere. Denn wie gezeigt werden wird, erfährt der Unternehmer in der Regel nicht vor Zuschlagserteilung von der Auftragsvergabe ohne Vergabeverfahren. dd) Die Bedeutung der Sicherung des Primärrechtsschutzes bei der de-facto-Vergabe Die zwei soeben aufgeworfenen Fragen nach der Sicherung des Primärrechtsschutzes bei der de-facto-Vergabe sind deshalb so bedeutend, weil das europäische Vergaberecht auch für die de-facto-Vergabe die Möglichkeit von effektiven Primärrechtsschutzmöglichkeiten fordert [nachfolgend unter (1)]. Außerdem stehen den benachteiligten Unternehmen beim rechtswidrig unterlassenen Vergabeverfahren (faktisch) auch keine Schadensersatzmöglichkeiten (Sekundärrechtsschutz) zu [nachfolgend unter (2)]. (1) Die europarechtliche (und verfassungsrechtliche) Notwendigkeit von effektiven Primärrechtsschutzmöglichkeiten bei der de-facto-Vergabe Nach richtiger Auffassung, die inzwischen auch durch die Entscheidung des EuGH vom 11.1.2005 in der Rs. C-26/03 „Stadt Halle“551 bestätigt worden ist, muss auch die Zuschlagsentscheidung im Anschluss an eine defacto-Vergabe europarechtlich (und verfassungsrechtlich) überprüfbar sein: Art 2 Abs. 1 Buchst. a und b in Verbindung mit Art 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 89/65 EWG verpflichten die Mitgliedsstaaten, die dem Vertragsschluss vorangehende Entscheidung des Auftraggebers darüber, mit wem er einen Vertrag schließen will, in jedem Fall einer gerichtlichen Nachprüfung 551

EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03 „Stadt Halle“, NZBau 2005, 111.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

zugänglich zu machen.552 Die Richtlinie unterscheidet dabei nicht zwischen beabsichtigten Vertragsschlüssen innerhalb oder außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens.553 Danach muss die Zuschlagsentscheidung auch dann, wenn kein Vergabeverfahren durchgeführt wurde, der Nachprüfung zugänglich gemacht werden können. Die Verpflichtung der Richtlinien, die Zuschlagsentscheidung in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen, muss erst Recht gelten, wenn pflichtwidrig eine Auftragserteilung ohne ein Vergabeverfahren erfolgt oder erfolgen soll.554 Daher ist auch gegen die Zuschlagsentscheidung nach der de-facto-Vergabe effektiver Rechtsschutz sicherzustellen. Dagegen wurde vor der Entscheidung des EuGH vom 11.1.2005 vorgebracht, dass der EuGH in seiner Alcatel-Entscheidung die Forderung nach effektivem Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung nur auf Vergabeverfahren bezogen habe. Er habe nur gefordert, dass unterlegenen Bietern nach durchgeführtem förmlichem Vergabeverfahren Rechtsschutz gewährt werde.555 Auch die Münzplättchen-II-Entscheidung der ersten Vergabekammer des Bundes befasse sich nur mit der Effektivität des Rechtsschutzes im Rahmen eines Vergabeverfahrens. Dieses Argument ist durch die Entscheidung des EuGH vom 11.1.2005 überholt, konnte aber zuvor schon nicht überzeugen: Der EuGH bezieht sich hier ausdrücklich auf seine Alcatel-Entscheidung und führt aus, dass angesichts dieser Rechtsprechung (in der Rs. Alcatel) sowie der Ziele, der Systematik und des Wortlauts der Richtlinie 89/665 und um die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie zu wahren, es keine Rolle spielt, ob die Entscheidung des Auftraggebers außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens getroffen werde (Rz. 34). Die Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers, kein Vergabeverfahren einzuleiten, ist als Pendant zur Entscheidung anzusehen, ein solches Verfahren zu beenden (Zuschlagsentscheidung). Beschließt ein öffentlicher Auftraggeber, kein Vergabeverfahren einzuleiten, weil der Auftrag seiner Auffassung nach nicht in den Anwendungsbereich 552

Vgl. die Alcatel-Entscheidung des EuGH – dazu unter B. III. 1. b). EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03 „Stadt Halle“, NZBau 2005, 111; VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 12 ff. (zu dieser Entscheidung auch VN 6/2002, 46 f.); vgl. auch Reidt, Anm. zu OLG Naumburg, Beschl. v. 8.1.2003, ZfBR 2003, 602. 554 VK Stuttgart, Beschl. v. 6.6.2001 – 1 VK 6/01, NZBau 2002, 173, 175 = IBR 2001, 569 (Schwenker) = Monatsinfo Vergabe e. V. 9/2001, 114 = VN 2001, 79. 555 Delius, ZfBR 2002, 341, 343; Heuvels/Kaiser, NZBau 2001, 479, 481; Hailbronner, NZBau 2002, 474, 479; Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 514, die zu Unrecht sogar soweit gehen zu behaupten, dass „Stellungnahmen, die aus dem Gemeinschaftsrecht eine Nichtigkeit von de-facto-Vergaben ableiten wollen, die europarechtlichen Vorgaben geradezu auf den Kopf stellen.“ 553

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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der einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften falle, so handelt es sich um die erste Entscheidung, die gerichtlich überprüfbar ist. Eine andere Auffassung hätte zur Folge, dass die Anwendung der einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften dem Belieben des öffentlichen Auftraggebers überlassen wäre (Rz. 37). Das Argument, die Rechtsmittelrichtlinien forderten effektiven Rechtsschutz nur im förmlichen Vergabeverfahren, konnte aber auch schon vor dieser EuGH-Entscheidung vom 11.1.2005 nicht gegen die europarechtliche Notwendigkeit effektiven Primärrechtsschutzes auch gegen die Zuschlagsentscheidung bei der de-facto-Vergabe überzeugen. Selbst wenn sich bei der Alcatel-Entscheidung die Vorlagefrage und demnach auch der Tenor der Entscheidung auf die Zuschlagsentscheidung in einem Vergabeverfahren556 bezog, so lässt sich aus den Entscheidungsgründen nicht ableiten, die Zuschlagsentscheidung müsse nur nach (förmlichem) Vergabeverfahren nachprüf- und aufhebbar sein. Ganz im Gegenteil greifen die Argumente des EuGH für eine Überprüfungsmöglichkeit der Zuschlagsentscheidung auch bei der de-facto-Vergabe ein (s. o.). Das Europarecht fordert also auch die Nachprüf- und Aufhebbarkeit der Zuschlagsentscheidung bei einer de-facto-Vergabe557, was auch hier den Vorrang der Primärrechtsschutzmöglichkeit vor der nachträglichen bloßen Feststellung des Rechtsverstoßes oder einer Schadensersatzmöglichkeit bedeutet.558 Eine Entscheidung, für die die Nachprüfung möglich sein muss, liegt aber nach dem EuGH v. 11.1.2005 (Rz. 35 und 39) bei de-facto-Vergaben noch nicht vor bei Handlungen, die eine bloße Vorstudie des Marktes darstellen oder die rein vorbereitend sind und sich im Rahmen der internen Überlegungen des öffentlichen Auftraggebers im Hinblick auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags abspielen. Alle darüber hinausgehenden Willensäußerungen, etwa die Aufnahme konkreter Vertragsverhandlungen mit einem Interessenten, müssen aber überprüfbar sein.559 Die Mitgliedsstaaten 556 Hier ist allerdings fraglich, ob dieses „Vergabeverfahren“ nicht auch in einem materiellen Sinne verstanden werden könnte. 557 Anders aber wohl eine Stellungnahme der Kommission auf eine konkrete Anfrage (zitiert nach Braun, NZBau 2001, 675): Sie hat sich dahingehend geäußert, dass sich bei gänzlich unterlassener Ausschreibung ein Anspruch auf Primärrechtsschutz nicht zweifelsfrei herleiten lässt. Der das deutsche Recht beherrschende Grundsatz „pacta sunt servanda“ werde in dieser Hinsicht nicht in Frage gestellt. Nach Art. 2 VI RMRL sei nach Vertragsschluss eine Beschränkung des Rechtsschutzes auf Schadensersatz möglich. Dies treffe auch auf die Fälle eines gänzlich unterlassenen Vergabeverfahrens zu (so auch Putzier, DÖV 2002, 517, 519). 558 VK Stuttgart, Beschl. v. 6.6.2001 – 1 VK 6/01, NZBau 2002, 173, 175 = IBR 2001, 569 (Schwenker) = Monatsinfo Vergabe e. V. 9/2001, 114 = VN 2001, 79.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

dürfen daher die Nachprüfungsmöglichkeit nicht davon abhängig machen, dass das fragliche Vergabeverfahren formal ein bestimmtes Stadium erreicht hat. Fraglich ist weiter, ob sich eine Pflicht zum effektiven Rechtsschutz gegen das unterlassene Vergabeverfahren auch aus dem nationalen Verfassungsrecht ergibt. Hier könnte Art. 19 IV GG effektiven (Primär)rechtsschutz fordern. Dies wird teilweise mit dem Argument abgelehnt, die Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens schaffe keine subjektiven Rechte i. S. der Schutznormtheorie. Auch wenn diese Normen zu einer günstigeren Position eines Individuums führen können560, so ist doch kein spezifisches Individuum oder eine abgrenzbare Gruppe Träger dieses Rechtes.561 Diese Individualisierung werde gerade erst durch die Durchführung des Vergabeverfahrens vorgenommen, so dass das Vergabeverfahren auch die Funktion der Begründung subjektiver Rechte hat.562 Dies überzeugt nicht. Wie schon gezeigt563 gehen die Entscheidungspraxis und die h. M. zu Recht davon aus, dass die Pflicht zur Durchführung eines förmlichen Charakters auch drittschützend ist, die Unternehmen also wegen einer Verletzung in ihren Rechten auch ein Nachprüfungsverfahren (zulässig) einleiten können. Auch aus Art. 19 IV GG ergibt sich damit die Notwendigkeit auch gegen den Verstoß gegen die Ausschreibungspflicht effektiven Primärrechtsschutz564 zur Verfügung zu stellen. (2) Fehlende Schadensersatzansprüche bei der de-facto-Vergabe (a) Schadensersatzanspruch aus § 126 GWB bei de-facto-Vergaben? Ein Anspruch auf den Vertrauensschaden aus § 126 GWB scheitert aus mehreren Gründen: Zum einen hat der Anspruchssteller erhebliche Schwierigkeiten beim Beweis der Anspruchsvoraussetzungen des § 126 GWB. Für einen Anspruch aus § 126 muss der Unternehmer geltend machen, er hätte eine „echte Chance“ auf Zuschlagserteilung gehabt. Wenn aber überhaupt kein Vergabeverfahren durchgeführt wurde, ist es ihm nahezu unmöglich, eine solche 559

Näher zu dieser Abgrenzung vgl. unten unter ee) (1) (a). Wettbewerb und Transparenz kommt neben dem Allgemeininteresse auch eine individuelle Schutzrichtung zu. 561 Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 2 f. 562 Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 2 f. 563 C II. 5. b). 564 Zur Funktion von Art. 19 IV GG, irreparable Entscheidungen soweit wie möglich zu verhindern, schon unter B. III. 2. 560

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Chance substantiiert vorzutragen.565 Dies hat für die Entscheidungspraxis eine Entscheidung des KG vom 27.11.2003566 sehr deutlich gemacht: Will das Gericht eine solche Chance auf die Zuschlagserteilung bejahen, so muss das Vergabeverfahren vollständig fingiert werden567, was kaum möglich ist: Der Anspruchsteller müsste ein fiktives Angebot erstellen. Dies ist aber nahezu ausgeschlossen, denn für eine Angebotserstellung sind Ausschreibungsunterlagen (etwa die Leistungsbeschreibung) nötig. Diese genaue Ausschreibungsgestaltung liegt aber mangels Durchführung eines Vergabeverfahrens gar nicht vor.568 Es existieren auch keine Vergleichsangebote anderer Bieter. Außerdem könnte jeder Unternehmer (aus ganz Europa) behaupten, dass er sich an einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren beteiligt hätte.569 Weiterhin bestehen für den Anspruchssteller Manipulationsmöglichkeiten: Hat er erst einmal Kenntnis vom Preis beim ohne Vergabeverfahren abgeschlossenen Vertrag, könnte er seine Kalkulation daran ausrichten und so darunter bleiben.570 So könnte er den Versuch des Beweises seiner Bestbieterstellung unternehmen. Die Entscheidungspraxis wendet sich darüber hinaus ausdrücklich dagegen, dem Anspruchssteller mit Beweiserleichterungen zu helfen.571 Auch der Nachweis eines Vertrauensschadens wird kaum gelingen. So lassen sich dafür nicht die ansonsten geltend gemachten Angebotserstellungskosten anführen, da mangels Ausschreibung auch gar kein Angebot erstellt wurde.572

565 Bär, ZfBR 2001, 375, 377; Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 73; Schimanek, ZfBR 2002, 39, 42; Stolz, Anm. zu VK Bund, Beschl. v. 1.2.2001, VergabeR 2001, 153, 154; Voppel, VOF, Anh § 21 Rn. 74. 566 KG, Urt. v. 27.11.2003 – 2 U 174/02, VergabeR 2004, 490 m. Anm. Diercks. 567 Krist, Anm. zu VK Bund, v. 13.7.2001, VergabeR 2001, 436, 437. 568 Diesen Ausschlussgrund führt auch Hoffer/Schmölz, ecolex 2002, 67, 68 für den Ausschluss der Schadensersatzansprüche bei der de-facto-Vergabe in Österreich an. 569 KG, Urt. v. 27.11.2003 – 2 U 174/02, VergabeR 2004, 490, 492. 570 Lötzsch/Bornheim, NJW 1995, 2134, 2137; vgl. auch Voppel, VOF, Anh § 21 Rn. 74. 571 KG, Urt. v. 27.11.2003 – 2 U 174/02, VergabeR 2004, 490, 492 f. Anders Diercks, VergabeR 2004, 493, 494 in Ihrer Anm. zur Entscheidung des KG: Der Kläger könne ein fiktives Angebot abgeben und der Auftraggeber müsse nachweisen, dass es ein noch wirtschaftlicheres Angebot gegeben hätte. 572 So auch Hoffer/Schmölz, ecolex 2002, 67, 68 für die dem entsprechende österreichische Rechtslage in § 122 I BVergG.

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(b) Schadensersatzanspruch aus cic bei rechtswidrig unterlassenem Vergabeverfahren Weiter ist auch kein Schadensersatzanspruch aus cic (§§ 311 II i. V. m. 241 II, 280 I BGB) gegeben. Dieser setzt das Bestehen einer vorvertraglichen Beziehung voraus. Dies ist aber bei gänzlich unterbliebener Ausschreibung zu den übergangenen Bietern gar nicht entstanden.573 Soweit man hier wegen der gesetzlichen Pflicht der Auftraggeber zur Ausschreibung und zur Beteiligung interessierter Bieter über die Entstehung eines gesetzlichen (vorvertraglichen) Schuldverhältnisses nachdenken könnte, wird dieser Ansatz jedenfalls von der Entscheidungspraxis nicht aufgegriffen. Diese lehnt vielmehr das Bestehen eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses ausdrücklich ab.574 (c) Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. § 101 GWB Die Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens ist in § 101 GWB vorgeschrieben. Diese Norm ist ein Schutzgesetz i. S. von § 823 II BGB. Dies ergibt sich aus § 97 VII GWB.575 Dennoch wird der Schadensersatzanspruch hier praktisch an den oben angesprochenen Beweisproblemen scheitern.576 Für einen Anspruch aus § 823 II BGB muss der Schaden des Anspruchstellers im Falle eines rechtmäßigen Verhalten der Vergabestelle entfallen. Dies ist aber nur der Fall, wenn er bei Durchführung des Vergabeverfahrens auch den Zuschlag erhalten hätte. Der Anspruchssteller müsste also nachweisen, dass er bei Durchführung des Vergabeverfahrens das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hätte, was nahezu unmöglich ist.577 Weiter ist zumindest der Nachweis eines Ver573 KG, Urt. v. 27.11.2003 – 2 U 174/02, VergabeR 2004, 490 m. Anm. Diercks; Irmer, S. 144; so auch Hoffer/Schmölz, ecolex 2002, 67, 68 für die dem entsprechende Rechtslage in Österreich. Nach Auffassung von Opitz, NZBau 2002, 19, 20 hat der BGH in seiner Entscheidung vom 12.6.2001, VergabeR 2001, 293 diese „schadensersatzrechtliche Achillesferse“ beseitigt. Ein Vertrauensschutz schon für die ordnungsgemäße Einleitung des Verfahrens sei auch ohne Ausschreibung gegeben, folge auch aus der „verfassungsrechtlichen Bindung der öffentlichen Verwaltung an Gesetz und Recht“. M.E. ist aber fraglich, ob sich dies wirklich aus der Entscheidung ergibt – vgl. VergabeR 2001, 293, 297 f. 574 KG, Urt. v. 27.11.2003 – 2 U 174/02, VergabeR 2004, 490 m. Anm. Diercks; so auch Irmer, S. 144 Hoffer/Schmölz, ecolex 2002, 67, 68. 575 Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 288; a. A. Schnorbus – dagegen aber wiederum Motzke, in: Motzke/ Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 288. 576 So für den Anspruch aus § 823 II auch Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 73.

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trauensschadens schwierig, wenn gar kein Angebot erstellt wurde, dafür also keine Kosten angefallen sind. Für den Schadensersatzanspruch ist außerdem ein Verschulden des Auftraggebers nötig. Dies kann in den Fällen, in denen der Auftraggeber das förmliche Vergabeverfahren bewusst umgeht, bejaht werden. In einigen Fällen kann es aber selbst bei gewissenhafter Prüfung für den Auftraggeber wegen der vielen offenen Fragen in Bezug auf den Anwendungsbereich des Vergaberechts578 nur schwer abzusichern sein, ob der benötigte Leistungsgegenstand unter den Begriff des öffentlichen Auftrags fällt oder sogar, ob er selbst öffentlicher Auftraggeber ist. Damit kann hier das Unterlassen des förmlichen Vergabeverfahrens auch nicht fahrlässig, also schuldhaft sein. (d) Schadensersatzanspruch aus §§ 33, 20 GWB Zumindest das Kausalitätsproblem und das Problem des Nachweises des Schadens besteht auch beim Schadensersatzanspruch aus §§ 33, 20 GWB.579 ee) Rechtsschutz gegen de-facto-Vergabe vor Zuschlagserteilung Erfährt der potentielle Bieter vor der Zuschlagserteilung davon, dass der Auftraggeber die Vergabe eines Auftrags ohne förmliches Vergabeverfahren durchführen will, ist fraglich, ob er sich mit dem Antrag an die Vergabekammer wenden kann, den Auftraggeber zu verpflichten, ein förmliches Vergabeverfahren durchzuführen.580 Das Ziel des potentiellen Bieters geht hier also darauf, ein förmliches Vergabeverfahren (Ausschreibung) zu erreichen, um daran als (tatsächlicher) Bieter teilnehmen zu können.581

577

Dazu schon oben B. I. 4. Dazu unter C. II. 5. b) aa). 579 Blickt man hinsichtlich der Schadensersatzansprüche bei der de-facto-Vergabe nach Österreich, so ist auch dort aus den gleichen Gründen kein Schadensersatz (aus § 122 I BVergG und cic) möglich – dazu Hoffer/Schmölz, ecolex 2002, 67 f. 580 So wollte der Antragsteller im Verfahren VK Halle, Beschl. v. Juni 2002 – VK Hal 03/02 die Verpflichtung des Auftraggebers zu Vornahme einer öffentlichen Ausschreibung erreichen. Die VK hielt diesen Antrag für begründet. 581 Braun, NZBau 2001, 675, 676. 578

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(1) Zulässigkeit dieses Antrags (a) Einschlägigkeit des Rechtsweges zur Vergabekammer? Die Geltendmachung von Rechtsschutz vor der Vergabekammer setzt nach § 104 II GWB voraus, dass der Antrag auf „Vornahme oder Unterlassung einer Handlung im Vergabeverfahren gerichtet“ ist.582 Danach setzt die Entscheidungspraxis für die Zulässigkeit des Vergaberechtsweges grundsätzlich ein schon begonnenes583 und noch nicht beendetes konkretes Vergabeverfahren voraus. Denn durch die §§ 102 ff. GWB haben die Nachprüfungsinstanzen die Aufgabe des Primärrechtsschutzes während des Vergabeverfahrens. Nach der Entscheidungspraxis sehen die §§ 102 ff. einen „vorbeugenden Rechtsschutz“584 nicht vor.585 Es ist nun zu untersuchen, wie die Fälle der faktischen Vergabe zu behandeln sind, ob sie einem (schon begonnenen) Vergabeverfahren gleichgestellt werden können.586 Nach § 101 I GWB gibt es als Arten der Vergabe das offene Verfahren, das nicht offene Verfahren und das Verhandlungsverfahren. Zunächst sind also nur diese formellen Vergabeverfahrensarten erwähnt, nicht aber defacto-Vergaben.587 Dennoch ist die de-facto-Vergabe dem formellen Vergabeverfahren gleichzusetzen588: Für den Begriff des Vergabeverfahrens kann nicht auf die Einleitung von bestimmten Förmlichkeiten, z. B. eine Ausschreibung, abgestellt werden.589 582 VK Bund, v. 13.7.2001 (VK 1-19/01), WuW 2001, 1269 (Verg 517) = NZBau 2002, 110, 111 = ZVB 2002, 23 (Höfler/Bert) = VergabeR 2001, 433 m. Anm. Krist; Braun, NZBau 2001, 675, 676 bezeichnet § 104 II GWB als Verfahrenskonkurrenzregelung, die das Rechtsschutzbedürfnis regelt. 583 OLG Jena, Beschluss v. 22.11.2000 – 6 Verg 8/00, VergabeR 2001, 52; vgl. dazu auch forum vergabe e. V. Monatsinfo 3/2001, 37. 584 Dazu, inwieweit es hier tatsächlich um „vorbeugenden Rechtsschutz“ geht, sogleich (Text zu Fn. 602; vgl. auch Fn. 601). 585 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.2001 – Verg 3/01, VergabeR 2001, 329, 330 m. w. N. m. Anm. Hausmann/Krohn; bestätigt durch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.2002 – Verg 43/01, VergabeR 2002, 404, 409; OLG Jena, Beschluss v. 22.11.2000 – 6 Verg 8/00, VergabeR 2001, 52, 54; vgl. dazu auch forum vergabe e. V. Monatsinfo 3/2001, 37. 586 So auch Braun, NZBau 2001, 675, 676. 587 Vgl. auch Jennert, WRP 2002, 507. 588 In Entscheidungspraxis und Literatur wird die faktische Beschaffungsmaßnahme dem (informellen) Verhandlungsverfahren gleichgesetzt – Braun, NZBau 2001, 675, 676; Jennert, WRP 2002, 507 f. 589 So aber Erdl, VergabeR 2001, 10, 12 Fn. 19, die das Vergabeverfahren mit der erstmaligen Kundgabe der Verfahrensdurchführung, also mit der Absendung der

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Der Begriff des Vergabeverfahrens ist nicht im förmlichen, sondern im materiellen Sinn zu verstehen. Daher liegt nach zustimmungswürdiger Entscheidungspraxis schon ein „Vergabeverfahren“ vor, wenn – sich der Auftraggeber zur externen Deckung eines bestimmten Bedarfs entschlossen – und mit dem Ziel eines Vertragsschlusses mit organisatorischen und/oder planerischen Schritten zur Durchführung des Beschaffungsvorhabens begonnen hat.590 Der Rechtsschutz gegen die de-facto-Vergabe setzt also ein schon begonnenes faktisches Vergabeverfahren voraus. Der Beschaffungsvorgang muss schon hinreichend „verdichtet“591 sein (so auch inzwischen der EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03 „Stadt Halle592). Dies ist etwa der Fall, wenn der Auftraggeber „beginnt zu regeln, auf welche Weise (insbesondere mit welcher Vergabeart) und mit welchen gegenständlichen Leistungsanforderungen das Beschaffungsvorhaben eingeleitet und durchgeführt wird“ und wie die Person des Auftragnehmers ausgewählt werden soll.593 Entscheidend ist also auf den Vorgang der Beschaffung als dem eigentlichen Sinn und Zweck jedes Vergabeverfahrens abzustellen. Immer wenn ein solcher Beschaffungsvorgang vorliegt, ist auch von einem Vergabeverfahren i. S. v. § 104 II 1 GWB auszugehen.594 Begonnen ist das faktische Vergabeverfahren auch, wenn die Vergabestelle schriftlich oder mündlich mit Unternehmen über die Beschaffung verhandelt, sich also konkret im Verhandlungsstadium befindet.595 Vergabebekanntmachung für begonnen hält. Bei Vergabeverfahren ohne öffentlichen Teilnahmewettbewerb liege die erste nach außen kundgemachte Handlung, also der Beginn des Vergabeverfahrens, in der Einladung des ersten Unternehmens, an dem Verhandlungsverfahren teilzunehmen. 590 Vgl. näher OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.2001 – Verg 3/01, VergabeR 2001, 329, 330 f. m. Anm. Hausmann/Krohn; bestätigt durch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.2002 – Verg 43/01, VergabeR 2002, 404, 409; BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 – Verg 18/01, VergabeR 2002, 244 m. Anm. Wagner = IBR 2002, 206 (Weyand); BayObLG, Beschl. v. 27.2.2003 – Verg 1/03, VergabeR 2003, 329, 330; OLG Rostock, Beschl. v. 5.2.2003 – 17 Verg 14/02, VergabeR 2003, 321, 324; vgl. auch VK Halle, Beschl. v. Juni 2002 – VK Hal 03/02, S. 18 ff.; Jennert, WRP 2002, 507, 508. 591 Wagner, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 – Verg 18/01, VergabeR 2002, 250. 592 Dazu näher oben unter dd) (1). 593 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.2002 – Verg 43/01, VergabeR 2002, 404, 409. 594 Jennert, WRP 2002, 507. 595 Braun, NZBau 2001, 675, 677; so etwa im Fall des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.2001, a. a. O., VergabeR 2001, 329.

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Zu beachten ist aber, dass das Vergaberecht den Auftraggeber nicht an Markterkundungen hindert. Diese sind außerhalb eines Vergabeverfahrens möglich. Davon ausgehend liegt noch kein faktisches Vergabeverfahren vor, wenn nur Unternehmenskontakte oder sonstige Aktivitäten des öffentlichen Auftraggebers vorliegen, die sich auf eine Markterkundung oder -beobachtung ohne konkrete Beschaffungsinitiative beschränken.596 Allein die Kontaktaufnahme mit Anbietern und selbst die Einholung unverbindlicher Angebote sind daher für den Beginn des Vergabeverfahrens nicht ausreichend. Vielmehr muss der Unternehmer darlegen, dass die Handlungen des Auftraggebers das Ziel haben, einen Beschaffungsvorgang mit einer verbindlichen rechtsgeschäftlichen Einigung abzuschließen.597 Es muss auch zumindest die Entscheidung des Auftraggebers gefallen sein, dass er die Maßnahme durchführen und dazu auch Aufträge an Dritte vergeben wird (keine Eigenerstellung).598 Denn es liegt in der vergaberechtlich nicht zu überprüfenden Entscheidungskompetenz des Auftraggebers, ob er seine Bedürfnisse selbst, d.h. mit eigenen Sachmitteln und eigenem Personal erfüllt, sofern ihm dies zweckmäßig erscheint.599 Im Ergebnis ist damit – auch nach der Entscheidungspraxis600 – ein Nachprüfungsverfahren bei einem derart konkretisierten601 faktischen Ver596

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.2001, a. a. O., VergabeR 2001, 329, 331. Wagner, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 – Verg 18/01, VergabeR 2002, 250; daran fehlte es im Fall des OLG Rostock, Beschl. v. 5.2.2003 – 17 Verg 14/02, VergabeR 2003, 321, 324 und bei VK Bund, Beschl. v. 12.10.2004, VK 2-187/04 – Lehrter Bahnhof Berlin. 598 So etwa im Fall des BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 – Verg 18/01, VergabeR 2002, 244, in dem der Stadtrat der Gemeinde schon darüber entschieden hatte, wer den Auftrag erhalten soll. (Der Beschluss bedurfte noch der Umsetzung durch den Bürgermeister.). 599 OLG Jena, Beschluss v. 22.11.2000 – 6 Verg 8/00, VergabeR 2001, 52, 54; vgl. dazu auch forum vergabe e. V. Monatsinfo 3/2001, 37. Die VK Sachsen, Beschl. v. 2.8.2001 – 1/SVK/70-01, S. 8 f. will aus dieser Entscheidung schlussfolgern, dass es für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens, mithin für den Beginn des Vergabeverfahrens, ausreicht, wenn der Auftraggeber durch interne Festlegungen die Beauftragung festgesetzt hat, d.h. entschieden hat, dass er die erforderliche Leistung nicht selbst erbringen wird. Dies erscheint aber ein sehr frührer Zeitpunkt zu sein. Vgl. auch Byok, NJW 2001, 2295, 2300 m. w. N. aus der Rspr.; zur Abgrenzung auch Müller-Wrede, Jagenburg-FS, S. 657, 669 f. 600 Vgl. neben den bereits in den vorstehenden Fn. angeführten Entscheidungen auch die Nachweise bei Hucke, ZfBR Sonderbeilage 5/2004, 29, 38. 601 Die hier erwähnten Entscheidungen zur Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens betrafen Fälle, in denen eine de-facto-Vergabe tatsächlich bereits vorlag. Es stellt sich aber die Frage, ob in Fällen eines auch nach materiellem Verständnis zwar noch nicht begonnenen, aber drohenden, d.h. sich (erst) konkret abzeichnenden zukünftigen nicht förmlichen Vergabeverfahren der vergabespezifische Rechtsschutz einschlägig ist. Es geht hier also um die Konstellation, in der sich abzeich597

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gabeverfahren auch dann möglich, wenn kein förmliches Vergabeverfahren eingeleitet wurde. Wegen des begonnenen Vergabeverfahrens und der darin wegen Missachtung der Ausschreibungspflicht bereits erfolgten Rechtsverletzung, gegen die vorgegangen wird, handelt sich insoweit auch nicht um vorbeugenden Rechtsschutz.602 In der Zukunft müssen sich allerdings für das Vorliegen einer ausreichenden Beschaffungsinitiative des Auftraggebers noch einheitliche und hinreichend konkrete Kriterien in Entscheidungspraxis und Literatur herausbilden.603 Argumente für das materielle Verständnis und damit für die Bejahung der Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens: Ohne das vorstehende materielle Verständnis des „Vergabeverfahrens“ könnte in den vorliegenden Fällen, in denen der Auftraggeber einen Auftrag rechtswidrig ganz ohne ein förmliches Vergabeverfahren (freihändig) net, dass das Vergabeverfahren faktisch ablaufen soll. Dies betrifft insbes. die Fallgruppe der wiederkehrenden Aufträge, die von der Vergabestelle stets (an denselben Auftragnehmer) ohne Vergabeverfahren vergeben werden, Müller-Wrede, JagenburgFS, S. 657, 672. Nach der Entscheidungspraxis ist unter Umständen auch bei der konkret bevorstehenden, also zukünftigen faktischen Vergabe ein Vergabenachprüfungsverfahren zulässig. Näher: VK Nordrhein-Westfalen (Münster), Beschl. v. 8.6.2001 – VK 13/01, S. 10 ff.; VK Hessen, Beschl. v. 3.9.1999 – VK 3/99; VK Lüneburg, Beschl. v. 12.12.2000 – 203-VK-16/2000, S. 4 f. (Obiter dictum); VK Stuttgart (Beschl. v. 6.6.2001 – 1 VK 6/01, NZBau 2002, 173; dazu auch Braun, NZBau 2001, 675, 676 ff.; Kling, NZBau 2003, 23 ff.; Müller-Wrede, JagenburgFS, S. 657, 668 ff. Zu den besonderen Voraussetzungen dieses dann echten vorbeugenden Rechtsschutzes (so auch Kling, NZBau 2003, 23, 28) in Fn. 625. Vorbeugend ist der Rechtsschutz hier deshalb, da sich der Antrag gegen eine Absicht, nicht jedoch gegen eine Entscheidung in einem Vergabeverfahren richtet und eine Rechtsverletzung in einem konkreten Vergabeverfahren noch nicht erfolgt ist. Gegen die Zulässigkeit des Vergabenachprüfungsverfahrens in diesen Fällen dagegen: VK Bund, Beschl. v. 1.2.2001, VK 2 – 44/00, WuW 2001, 537 (Verg 433) = VergabeR 2001, 147 ff. m. Anm. Stolz. Für einen derartigen vorbeugenden Rechtsschutz bezogen auf das zukünftige Beschaffungsverhalten des Auftraggebers seien die Zivilgerichte zuständig (ebenso Kling, NZBau 2003, 23, 28; a. A. Müller-Wrede, Jagenburg-FS, S. 657, 674 ff.) Allerdings ist fraglich, ob der Zuständigkeit der Zivilgerichte hier § 104 II GWB entgegensteht, wonach Primärrechtsschutzansprüche „im Vergabeverfahren“ nur vor den Vergabenachprüfungsinstanzen geltend gemacht werden können – vgl. dazu VK Bund, Beschl. v. 1.2.2001, a. a. O., VergabeR 2001, 147, 150 ff.; Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, § 104 Rn. 10 ff. 602 So auch Kling, NZBau 2003, 23, 28; vgl. aber auch die vorige Fn. Darüber hinaus wird das Nachprüfungsverfahren nicht dadurch, dass an sich jeder Nachprüfungsantrag die Erteilung des Zuschlags an einen Mitbieter verhindern will, zum „vorbeugenden Rechtsschutz“, vgl. Kling, NZBau 2003, 23, 24. 603 Deren Fehlen wird vom OLG Naumburg, Beschl. v. 8.1.2003 – 1 Verg 7/02, NZBau 2003, 224, 226 f. = VergabeR 2003, 196. Kritisch dazu die Urteilsanmerkungen von Schwenker/Heinze, VergabeR 2003, 199 und Reidt, ZfBR 2003, 602 f.

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vergeben will (etwa ohne Ausschreibung), kein Nachprüfungsverfahren eingeleitet werden. Damit wäre gerade beim schwersten Verstoß gegen Vergaberegeln, der Vergabe ohne jedes Vergabeverfahren, ein Nachprüfungsverfahren unzulässig.604 Dies kann nicht überzeugen. Die Vergaberichtlinien streben einen umfassenden effektiven vergaberechtlichen Primärrechtsschutz gegen Verletzungen des Gemeinschaftsvergaberechts an. Wenn nun rechtswidrig das Vergabeverfahren unterlassen wird, liegt ein Gemeinschaftsvergabeverstoß vor605, gegen den effektiver Rechtsschutz sichergestellt sein muss. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes muss gerade bei dem hier vorliegenden größtmöglichen Vergabeverstoß besonders betont werden. Auch nach dem ausdrücklich erklärten Willen des nationalen Gesetzgebers besteht eine Verletzung von Rechten im rechtswidrigen Unterlassen einer Ausschreibung.606 Diesem Willen ist nicht genügt, wenn man bei faktischen Vergaben das Nachprüfungsverfahren nicht zulässt.607 Normadressat der §§ 97 ff. GWB ist jeder öffentliche Auftraggeber, der einen ausschreibungspflichtigen Auftrag vergeben will und nicht nur der, der ein förmliches Vergabeverfahren durchführt. Hieraus folgt, dass auch das Nachprüfungsverfahren für die Fälle der unterlassenen Ausschreibung einschlägig ist.608 Es ist dem Bieter auch nicht zuzumuten, auf weitere Auftragsvergaben zu warten und zu hoffen oder für den konkret vorliegenden Fall nur den wenig Erfolg versprechenden609 Schadensersatz vor den Zivilgerichten geltend zu machen. Es kann also ohne förmliches Vergabeverfahren schon ein Vergabeverfahren vorliegen, so dass die Möglichkeit des vergabespezifischen Rechtsschutzes nicht schon an § 104 II GWB scheitert. Dem entspricht die Rechtslage in Österreich. Hier ist ebenfalls die Einlegung eines Nachprüfungsantrages auch ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens möglich. Der 604

Vgl. Hausmann/Krohn, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.2001, VergabeR 2001, 336, 337. 605 BayObLG, Beschl. v. 28.5.2003 – Verg 7/03, BayVBl. 2003, 605. Da es das OLG Naumburg, Beschl. v. 8.1.2003, a. a. O. zumindest für offen hält, ab wann aus Sicht des Gemeinschaftsrechts eine Vergabe außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens überprüfbar sein muss, hat es diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Im Übrigen hält es auch das materielle Begriffsverständnis für das „Vergabeverfahren“ mit „zumindest für wenig praktikabel und justiziabel und damit als Rechtsunsicherheit befördernd“, vgl. dazu auch die insoweit krit. Schwenker/Heinze, VergabeR 2003, 199 und Reidt, ZfBR 2003, 602 f. 606 BT-Drs. 13/9340, S. 17 zu § 117 GWB. 607 Jennert, WRP 2002, 507. 608 VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 12 ff. 609 Dazu bereits unter dd).

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Antrag wird nach Maßgabe von § 113 II BVergG behandelt. Der dort vorkommende Begriff „Zuschlagserteilung“ erfasst nicht nur die Zuschlagserteilung in einem Vergabeverfahren, sondern auch die Auftragserteilung bei der de-facto-Vergabe.610 (b) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen bei einem Nachprüfungsverfahren gegen eine schon begonnene de-facto-Vergabe Wenn erst einmal feststeht, dass der Rechtsweg zur VK eröffnet ist (begonnenes Vergabeverfahren), ergibt sich im Hinblick auf die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen Folgendes: (aa) Antragsbefugnis Die Geltendmachung einer Rechtsverletzung bei den de-facto-Vergaben ist möglich. Denn es liegt ein Verstoß gegen § 97 I GWB vor.611 Auf die Einhaltung der Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens besteht ein Anspruch der Unternehmen612, so dass auch eine Verletzung in ihren Rechten möglich ist.613 Es ist anerkannt, dass das Transparenzgebot nach § 97 I GWB und das Gleichbehandlungsgebot nach § 97 II GWB drittschützende Wirkung haben. Das Transparenzgebot verlangt eine durchschaubare Gestaltung des Vergabeverfahrens und eine möglichst umfassende Information der Bieter. Wenn etwa die Bekanntmachungsvorschriften und die Publizitätsvorschriften bei Durchführung des Vergabeverfahrens dem Schutz der Bieter dienen,614 muss erst Recht die Pflicht zur Durchführung des Vergabeverfahrens drittschützend sein. Zeitlich ist die Rechtsverletzung zu bejahen, sobald sich die Vergabestelle entschieden bzw. eine definitive Erklärung abgegeben hat, einen konkret anstehenden Auftrag ohne Vergabeverfahren zu erteilen, obwohl ein Vergabeverfahren zwingend vorgeschrieben ist.615 610

Hoffer/Schmölz, ecolex 2002, 67, 69. Nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers liegt eine Rechtsverletzung auch dann vor, wenn vergaberechtswidrig kein Vergabeverfahren durchgeführt wird. – BT-Drs. 13/9340, S. 17 zu § 117 GWB. 612 Auf den Streit über die Reichweite der subjektiven Rechte, der a. a. O. angesprochen wurde, kommt es hier nicht an. 613 Bär, ZfBR 2001, 375, 377; zum Bestehen eines subjektiven Rechtes auf Durchführung des Vergabeverfahrens auch ausf. Burgi, NZBau 2003, 16, 18 f. 614 Schimanek, ZfBR 2002, 39, 40 m. w. N. 615 VK Stuttgart, Beschl. v. 6.6.2001 – 1 VK 6/01, NZBau 2002, 173 = IBR 2001, 569 (Schwenker) = Monatsinfo Vergabe e. V. 9/2001, 114 = VN 2001, 79; VK Halle, Beschl. v. Juni 2002 – VK Hal 03/02, S. 18 f. 611

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Nach § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB ist weiter darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Bei einer Auftragserteilung ohne Vergabeverfahren genügt hierfür regelmäßig, dass der Antragsteller darlegt, durch die Missachtung der Vergabevorschriften (insbes. mangels ordnungsgemäßer Leistungsbeschreibung) sei ihm bisher die Möglichkeit genommen worden, im Wettbewerb ein aussagekräftiges und detailliertes Angebot zur Erbringung der (noch auszuschreibenden) Leistung abzugeben.616 So ist ihm die Chance auf den Zuschlag entzogen, wenn er darlegt, dass er bei ordnungsgemäßem Verfahren ein Angebot abgegeben hätte.617 Da die Wertungskriterien für das potentielle Angebot nicht bekannt sind, muss der Antragsteller auch nicht wie sonst darlegen, dass er eine Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte.618 Allerdings muss der Antragsteller auch in der Branche des streitgegenständlichen Auftrages tätig sein619 und er muss von Kapazität her in der Lage gewesen sein, den Auftrag zu bewältigen.620 Aber auch, wenn der Bieter trotz fehlendem Vergabeverfahren ein Angebot abgegeben hat, ist die Möglichkeit der Geltendmachung eines Schadens nicht ausgeschlossen. Das Argument, dass der Antragsteller mehr als die Möglichkeit der Abgabe eines Angebots auch im förmlichen Vergabeverfahren nicht gehabt hätte, greift nicht.621 Denn nur im förmlichen Vergabeverfahren mit einer eindeutigen erschöpfenden Leistungsbeschreibung kann ein ordnungsgemäß prüf- und wertbares Angebot abgegeben werden, auf das der Zuschlag erteilt werden kann.622 616 BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 – Verg 18/01, VergabeR 2002, 244 m. Anm. Wagner = IBR 2002, 206 (Weyand) = VN 2002, 20; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.2002 – Verg 43/01, VergabeR 2002, 404, 413; VK Halle, Beschl. v. Juni 2002 – VK Hal 03/02, S. 21. 617 Bär, ZfBR 2001, 375, 376 m. w. N.; VK Nordrhein-Westfalen (Münster), Beschl. v. 8.6.2001 – VK 13/01, S. 10 ff. Die Darlegung, welches Angebot er abgegeben hätte, ist nicht erforderlich (anders VK BW, Beschl. v. 18.3.2004 – 1 VK 7/ 04, S. 11). 618 BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, a. a. O., VergabeR 2002, 244, 246. 619 Bär, ZfBR 2001, 375, 376 m. w. N.; Wagner, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, VergabeR 2002, 250. 620 VK BW, Beschl. v. 18.3.2004 – 1 VK 7/04, S. 11. 621 BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, a. a. O., VergabeR 2002, 244, 246. 622 Wagner, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 – Verg 18/01, VergabeR 2002, 250. Nach einer Entscheidung der Ersten VK des Bundes (VK Bund, Beschl. v. 2.7.2002 – VK 1 – 31/02, VN 2002, 62 f.) drohe dem Antragsteller aber durch die Wahl der falschen Vergabeart (Verhandlungsverfahren statt offenem Verfahren) keine Schädigung i. S. v. § 107 II GWB, wenn er zum Kreis derjenigen Unternehmen gehöre, die zur Angebotsabgabe aufgefordert und somit am Verhandlungsverfahren beteiligt worden sind.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Weiter muss der Antragssteller ein Interesse am Auftrag geltend machen. Dieses ist bei unterlassenen förmlichen Vergabeverfahren bei jedem Unternehmen gegeben, das am Vergabeverfahren teilgenommen hätte. Wegen der Schutzbedürftigkeit des potentiellen Bieters sind an den Nachweis geringe Anforderungen zu stellen.623 Sein Interesse am Auftrag belegt der Unternehmer etwa ausreichend dadurch, dass er bei der Vergabestelle ein Angebot abgegeben hat.624 (bb) Rügeverpflichtung bei der de-facto-Vergabe?625 Im Folgenden ist zu untersuchen, ob der Unternehmer, der das rechtswidrige Unterlassen der Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens erkannt hat, vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens diesen Vergaberechtsverstoß gegenüber dem Auftraggeber rügen muss. Nach den überwiegenden Entscheidungen zur de-facto-Vergabe gibt es eine Rügeobliegenheit eines potenziellen Bewerbers ohne Bezug zu einem gegenüber dem Antragsteller bekannt gemachten (förmlichen) Vergabeverfahren nicht.626 Es ist danach ausgeschlossen, eine zur Präklusion führende Rügeobliegenheit anzunehmen, wenn der öffentliche Auftraggeber überhaupt kein förmliches Vergabeverfahren durchführt. 623 Jennert, WRP 2002, 507, 508; VK Halle, Beschl. v. Juni 2002 – VK Hal 03/ 02, S. 21. 624 BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, a. a. O., VergabeR 2002, 244, 245 ff.; VK Nordrhein-Westfalen (Münster), Beschl. v. 8.6.2001 – VK 13/01, S. 10 ff. 625 Die Entscheidungspraxis zum Rechtsschutz gegen die unmittelbar bevorstehende (also noch nicht begonnene) de-facto-Vergabe (dazu bereits in Fn. 601) setzt weiter für deren Zulässigkeit ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis voraus. Der hier teilweise von der Entscheidungspraxis anerkannte vorbeugende (s. o.)) Rechtsschutz ist nur die Ausnahme, da er im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist. Der Antragstellerin ist nur ausnahmsweise berechtigt, in einem Vergabenachprüfungsverfahren das Verhalten der Vergabestelle überprüfen zu lassen, auch wenn eine nach außen gerichtete, eine Entscheidung in einem Vergabeverfahren darstellende Handlung noch nicht vorliegt. Näher zur Notwendigkeit dieses besonderen Rechtsschutzinteresses und dessen Voraussetzungen: VK Nordrhein-Westfalen (Münster), Beschl. v. 8.6.2001 – VK 13/01, S. 12; VK Halle, Beschl. v. Juni 2002 – VK Hal 03/02, S. 18 f.); VK Stuttgart, Beschl. v. 6.6.2001, a. a. O., NZBau 2002, 173, 176. 626 BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, a. a. O., VergabeR 2002, 244, 245 ff.; bestätigt durch BayObLG, Beschl. v. 27.2.2003 – Verg 1/03, VergabeR 2003, 329, 330 = ZfBR 2003, 511, 512; VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, VN 6/2002, 46 f.; VK Nordrhein-Westfalen (Münster), Beschl. v. 8.6.2001 – VK 13/01, S. 11; VK Baden-Württemberg; Beschl. v. 20.6.2002 – 1 VK 27/02, S. 6; so auch Jaeger, NZBau 2001, 6, 11 f.; a. A.: VK Magdeburg, Beschl. v. 3.2.2003 – 3332571/07 VK, ZfBR 2003, 509, 510 f.; VK BW, Beschl. v. 18.3.2004 – 1 VK 7/04, S. 14 (für den Sonderfall, dass der interessierte Unternehmer über die beabsichtigte de-facto-Vergabe vom AG informiert worden war.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Folgende Argumente werden dabei gegen eine Rügepflicht eines potentiellen Bieters ohne Bezug zu einem konkret schon begonnen förmlichen Vergabeverfahren angeführt: Teilweise wird darauf abgestellt, dass § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB schon nach seinem Wortlaut – anders als die §§ 102, 104 I GWB, wo lediglich von einer Vergabe öffentlicher Aufträge die Rede ist – auf Verstöße „im Vergabeverfahren“ bezogen und beschränkt sei.627 Das Wortlautargument greift jedoch nicht durch. Nach § 107 III S. 1 GWB ist der Antrag unzulässig, „soweit der Antragsteller den [. . .] Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat“. Diese Formulierung lässt nicht den Schluss zu, dass eine Rügepflicht nur bei bereits eingeleitetem Vergabeverfahren besteht. Sie schließt gerade nicht aus, dass auch ein vor dem Vergabeverfahren oder ohne förmliches Vergabeverfahren erkannter Vergaberechtsverstoß, nämlich die erkannte Nichtausschreibung, gerügt werden soll.628 Selbst wenn man aber ein bereits eingeleitetes Vergabeverfahren für die Rügepflicht verlangt, so ist dieses angesichts des dargestellten materiellen Begriffsverständnisses auch bei der de-facto-Vergabe zu bejahen.629 Weiterhin werden verschiedene Argumente aus dem Sinn und Zweck der Rügeverpflichtung hergeleitet. Einmal stützt man sich darauf, dass § 107 III GWB Spekulationen des Bieters verhindern soll. Die Vorschrift enthält nämlich eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Unternehmer, der auf einen erkannten Fehler spekuliert, weil er sich möglicherweise zu seinen Gunsten auswirken könnte, soll nicht die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einfordern dürfen, wenn seine Spekulation nicht aufgeht.630 Bei der de-facto-Vergabe komme aber wegen der Nichtbeteiligung des Antragstellers von vornherein ein Vertragsabschluss mit diesem nicht in Betracht. Für eine irgendwie geartete Spekulation der Antragstellerin sei deshalb kein Raum.631 627

BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, a. a. O., VergabeR 2002, 244, 247; VK Magdeburg, Beschl. v. 6.6.2002, 33-32571/07 VK 05/92 MD, WuW 2002, 816, 821 (Verg 604); Jaeger, NZBau 2001, 6, 11 f. Ähnlich wird auch mit dem Wortlaut der Gesetzesbegründung zu § 107 III argumentiert, wonach der Unternehmer rügen muss, wenn er „Fehler im Vergabeverfahren erkennt“, vgl. Jaeger, NZBau 2001, 6, 12. 628 So auch Wagner, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 – Verg 18/01, VergabeR 2002, 250, 251. 629 Mertens, S. 82. 630 dazu schon beim Überblick über das Nachprüfungsverfahren nach dem GWB, Teil 1, B. III. 1. b).

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Nach anderer Auffassung ist auch bei der de-facto-Vergabe ohne die Rügeverpflichtung eine Spekulationsmöglichkeit gegeben. Das Unternehmen, das die Nichtausschreibung erkannt hat, könnte außerhalb des förmlichen Vergabeverfahrens ein Angebot abgeben, also versuchen, den Zuschlag zu erhalten. Erst, wenn dies nicht erfolgreich ist, könnte es dann immer noch einen Nachprüfungsantrag stellen.632 Tatsächlich besteht eine Spekulationsmöglichkeit des Bieters bei der defacto-Vergabe in der Praxis selten. Denn hier muss der Unternehmer jederzeit mit der Zuschlagserteilung rechnen. Die Möglichkeit als „Versuchsballon“ ein Angebot abzugeben und die Reaktion der Vergabestelle abzuwarten, ist daher mit dem Risiko des Verlustes der Primärrechtsschutzmöglichkeiten belastet. Daher ist eine Spekulationsmöglichkeit des Bieters in der Regel nicht gegeben. Der Zweck der Rüge, Spekulationsmöglichkeiten auszuschließen, greift also bei der de-facto-Vergabe nicht ein. Zum anderen wird zur Verneinung der Rügepflicht auf den weiteren Zweck der Rüge, dem Auftraggeber die Möglichkeit der Korrektur seines vergaberechtswidrigen Verhaltens und damit zur Vermeidung von Nachprüfungsverfahren zu geben, abgestellt. Dieser Zweck der Rüge, dem Auftraggeber eine Korrekturmöglichkeit zu geben, um Nachprüfungsverfahren zu verhindern, sei nicht erreichbar, wenn überhaupt kein Vergabeverfahren durchgeführt wurde.633 Dieses Argument greift nicht durch. Es ist nicht ersichtlich, warum dieser Zweck durch die Rüge hier nicht erreichbar sein soll. Denn auf die Rüge des Unternehmers hin, kann der Auftraggeber doch noch ein Vergabeverfahren durchführen, etwa die Ausschreibung nachholen.634 Da also ein Zweck der Rüge auch hier durchgreift, bliebe es also bei der Rügeverpflichtung. Zuletzt wird aber gegen die Rügepflicht geltend gemacht, dass ohne Vergabeverfahren kein zur Rüge verpflichtendes Treueverhältnis bestehe. Die Rügepflicht mit der Präklusionsregelung ist eine Konkretisierung des 631

VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, vgl. zu dieser Entscheidung VN 6/2002, 46 f. 632 Wagner, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, VergabeR 2002, 250, 251; vgl. dazu auch Noch, Behördenspiegel 12/2001, 23, 24. 633 VK Stuttgart, Beschl. v. 6.6.2001 – 1 VK 6/01, NZBau 2002, 173, 176 = IBR 2001, 569 (Schwenker): Die Rügeverpflichtung besteht nach ihrer Auffassung bei der de-facto-Vergabe „- wenn überhaupt – nur rudimentär“. So auch VK Halle, Beschl. v. Juni 2002 – VK Hal 03/02, S. 20. 634 so auch Wagner, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 – Verg 18/01, VergabeR 2002, 250, 251; VK Magdeburg, Beschl. v. 3.2.2003 – 33-32571/07 VK, ZfBR 2003, 509, 510 f.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Grundsatzes von Treu und Glauben.635 Das intensivierte Pflichtenverhältnis (Treueverhältnis), auf dem die Rügepflicht basiert, entsteht erst durch Einleitung des Vergabeverfahrens.636 Wenn dies aber gar nicht eingeleitet sei, bestehe auch die Rügepflicht nicht.637 Dieses Argument für den Ausschluss der Rügepflicht bei der de-factoVergabe überzeugt. Hat der Auftraggeber kein Vergabeverfahren eingeleitet, also die Beteiligungsrechte der Unternehmen nicht beachtet, so erscheint es nicht gerechtfertigt, den Bieter umgekehrt die Verpflichtung aufzuerlegen, dem Auftraggeber mit der Rüge die Möglichkeit zur Abstellung des Verstoßes zu geben.638 Sie können vielmehr gleich die Vergabekammer anrufen. Weiterhin spricht gegen die Rügepflicht, dass bei deren Bestehen die Gefahr bestünde, dass der Auftraggeber vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens schnell noch den Zuschlag erteilt. Es besteht somit keine Rügepflicht.639 Trotz Ablehnung der Rügeverpflichtung prüft die Entscheidungspraxis dennoch hilfsweise, ob die fehlende Ausschreibung gerügt wurde.640 Hier 635 BT-Drs. 13/9340, S. 17; VK Magdeburg, Beschl. v. 6.6.2002, a. a. O., WuW 2002, 816, 821. 636 BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, a. a. O., VergabeR 2002, 244, 245 ff.; Burgi, NZBau 2003, 17, 21; VK Magdeburg, Beschl. v. 6.6.2002, a. a. O., WuW 2002, 816, 821; Mertens, S. 82 f. In einem Fall, in dem der Bieter aber von der de-facto-Vergabe informiert war, hat die VK Magdeburg später aber das Treueverhältnis bejaht und deswegen eine Rügepflicht angenommen, Beschl. v. 3.2.2003 – 33-32571/07 VK, ZfBR 2003, 509, 510 f. 637 Das Fehlen der Rügepflicht wird auch darauf gestützt, dass das Treueverhältnis erst mit dem (bei der europaweiten Bekanntmachung erfolgenden) Hinweis auf die Vergabekammer als Nachprüfungsbehörde entsteht. Ohne diesen Hinweis auf die Möglichkeit für ein Nachprüfungsverfahren bestehe für den Bieter kein Anlass für eine Rüge. 638 Die Rügepflicht besteht erst recht dann nicht, wenn eine Vergabestelle durch die (ausdrückliche) Verweigerung von Verhandlungen mit einem potenziellen Bewerber ein Treueverhältnis gar nicht erst entstehen lässt, das die Grundlage der Rügeobliegenheit ist – VK Nordrhein-Westfalen (Münster), Beschl. v. 8.6.2001 – VK 13/01, S. 11. In diesem Fall spricht auch gegen Rügeverpflichtung, dass die Rüge eine Änderung des Verhaltens des Auftraggebers auch nicht erwarten lässt. 639 A.A.: Wagner, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 – Verg 18/01, VergabeR 2002, 250, 251, nach dem eine Rügepflicht besteht, wenn der Unternehmer das Fehlen eines förmlichen Vergabeverfahrens und zusätzlich die Rechtswidrigkeit dieses Fehlens erkannt hat. Otting, Anm. zu OLG Dresden v. 16.10.2001 – Wverg 0007/01, VergabeR 2002, 146, 147; Antweiler, EuZW 2003, 330, 333. 640 Bejaht von BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, a. a. O., VergabeR 2002, 244, 245 ff.; VK Nordrhein-Westfalen (Münster), Beschl. v. 8.6.2001 – VK 13/01, S. 11; VK Halle, Beschl. v. Juni 2002 – VK Hal 03/02, S. 20 f. Nach der VK Stuttgart, Beschl. v. 6.6.2001 – 1 VK 6/01, NZBau 2002, 173, 176 ist aber die Rügepflicht eines potentiellen Bieters, der auf einen öffentlichen Auftraggeber einwirkt, die

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ist dann fraglich, ob schon allein beim Wissen, dass eine Ausschreibung unterblieb, die für die Rüge notwendige Kenntnis vom Vergaberechtsverstoß gegeben ist: Neben der Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich ein tatsächlicher oder vermeintlicher Vergaberechtsverstoß ergibt, ist auf Seiten des Bieters für die Rügeverpflichtung die zumindest laienhafte Kenntnis der rechtlichen Bedeutung oder die laienhafte rechtliche Wertung notwendig, dass es sich um ein rechtlich zu beanstandendes Verfahren handelt. Der Verstoßcharakter des Vorgangs muss wahrgenommen werden. Hat der Bieter aufgrund seiner Tatsachenkenntnis nur einen Verdacht, dass ein Vergabeverstoß vorliegt, entsteht die Rügeobliegenheit erst dann, wenn sich der Verdacht nach Einholung von Rechtsrat zur ausreichenden Gewissheit verdichtet.641 Legt man diese Grundsätze bei der de-facto-Vergabe zu Grunde, kann i. d. R. nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin allein aufgrund ihrer Kenntnisse von der Tatsache, dass die Leistungen nicht ausgeschrieben werden, eine laienhafte Wertung dahingehend vornimmt, dass ein Vergaberechtsverstoß vorliegt.642 Denn der Verdacht auf einen Vergabefehler durch mangelnde Ausschreibung kann dadurch abgeschwächt werden, dass die Vergabestelle den Eindruck erweckt, es handele sich bei der Vergabe um ein vergaberechtsfreies Eigengeschäft643 oder sie der Antragstellerin gegenüber die „Rechtmäßigkeit“ dieses Vorgehens darlegt644. Die Entscheidungspraxis geht sogar davon aus, dass ein Unternehmen, das nach erkannter unterbliebener Ausschreibung an der Rechtmäßigkeit dieser Unterlassung zweifelt, nicht einmal eine Verpflichtung zur Inanspruchnahme von rechtlicher Beratung hat. Eine Pflicht, sich schon bei bloßen rechtlichen Zweifeln um umgehende Aufklärung zu bemühen, könne regelmäßig nicht angenommen werden. Letztendlich wird die Rügepflicht also nur dann ausgelöst, wenn die Rechtslage selbst eindeutig ist; objektive Unsicherheiten allein genügen also nicht. Von einer eindeutigen Rechtslage kann jedoch in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Unterlassung eines förmlichen Vergabeverfahrens regelmäßig nicht ausgegangen werden. Denn oft Leistung förmlich auszuschreiben, darauf beschränkt, sich nicht treuwidrig, d.h. nicht widersprüchlich, zu verhalten. 641 VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 12, vgl. zu dieser Entscheidung VN 6/2002, 46 f.; BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, a. a. O., VergabeR 2002, 244, 245 ff. 642 VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, a. a. O.; BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, a. a. O., VergabeR 2002, 244, 245 ff. 643 BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 – Verg 18/01, a. a. O. 644 VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, vgl. zu dieser Entscheidung VN 6/2002, 46 f.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

ist die Frage der Pflicht zur Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens rechtlich problematisch645.646 (2) Folge der Rechtsschutzeröffnung bei de-facto-Vergaben Durch die Zustellung des Nachprüfungsantrags beim öffentlichen Auftraggeber ist nach § 115 I GWB die Zuschlagserteilung verhindert. Die Nachprüfungsinstanz verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber dann, die Beschaffung im Wege eines förmlichen Vergabeverfahrens durchzuführen.647 (3) Sonstige Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die de-facto-Vergabe außerhalb des vergabespezifischen Rechtsschutzes Wie gezeigt, kann gegen die de-facto-Vergabe schon im Rahmen des vergabespezifischen Rechtsschutzes vorgegangen werden. Es ist fraglich, ob neben diesen vergabespezifischen Rechtsschutzmöglichkeiten noch zivilgerichtliche Ansprüche648 geltend gemacht werden können.649 Nach § 104 II GWB können Rechte aus § 97 VII GWB sowie sonstige Ansprüche gegen die öffentlichen Auftraggeber, die auf Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind, nur im vergabespezifischen Rechtsschutz geltend gemacht werden.650 Da wegen 645

Siehe unter C. II. 5. b) aa). Vgl. BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, a. a. O., VergabeR 2002, 244, 245 ff. 647 So verpflichtet das OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.2001 – Verg 3/01, VergabeR 2001, 329 m. Anm. Hausmann/Krohn = NZBau 2001, 696 = IBR 2002, 98 (Noch) den Auftraggeber, „Aufträge nur im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabe zu erteilen“. Die VK Stuttgart, Beschl. v. 6.6.2001 a. a. O., NZBau 2002, 173, 176 verpflichtet den Auftraggeber, den Auftrag förmlich auszuschreiben, um dem Antragssteller zur Verwirklichung seines Anspruchs aus § 97 VII GWB Gelegenheit zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu eröffnen. VK Halle, Beschl. v. Juni 2002 – VK Hal 03/02: Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung. Zum gleichen Ergebnis führt die Untersagung durch die Nachprüfungsinstanz, den Zuschlag ohne förmliches Vergabeverfahren zu vergeben (vgl. der Fall des BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002, a. a. O., VergabeR 2002, 244). 648 Zur Frage des Rechtsschutzes gegen die unmittelbar bevorstehende, auch nach materiellem Verständnis noch nicht begonnene de-facto-Vergabe Fn. 601 und 625. 649 Unter Geltung der haushaltsrechtlichen Lösung war das Verhältnis des vergabespezifischen Rechtsschutzes zum Zivilrechtsschutz hoch umstritten. Vgl. Dreher, ZIP 1995, 1869, 1875 f.; Pietzcker, NVwZ 1996, 313, 318; Gallwas, S. 167 ff.; Lück, S. 37 ff. Das KG hatte in seinem Saalebrückenfall unter Geltung der haushaltsrechtlichen Lösung seine Zuständigkeit über § 17 GVG bejaht (krit. dazu Pietzcker, NVwZ 1996, 313, 318). 650 Vgl. oben unter 5. b) ee). 646

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des materiellen Verständnisses auch bei der de-facto-Vergabe ein „Vergabeverfahren“ vorliegt, ist bei diesen jedenfalls bis zur Auftragserteilung allein der spezielle vergaberechtliche Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.651 Dafür spricht auch, dass es durch die Zulässigkeit des vergabespezifischen Rechtsschutzes des einstweiligen Rechtsschutzes vor den ordentlichen Gerichten nicht mehr bedarf. (4) Ergebnis für den Rechtsschutz gegen die de-facto-Vergabe vor Zuschlagserteilung Die Unternehmen haben vor Zuschlagserteilung die Möglichkeit, gegen die de-facto-Vergabe vorzugehen und eine rechtmäßige förmliche Vergabe durchzusetzen. Den potentiellen Bieter steht also rechtlich eine vergabespezifische Rechtsschutzmöglichkeit offen. Tatsächlich besteht aber in der Praxis das Problem, dass die de-factoVergabe meist erst nach Zuschlagserteilung bekannt wird.652 Es besteht also auch hier das Problem, dass der potentielle Bieter erst dann vom faktischen Vergabeverfahren erfährt, wenn es durch Zuschlagserteilung schon wieder beendet653, das Nachprüfungsverfahren also schon wieder unzulässig ist. Wegen der notwendigen, aber schwierigen Abgrenzung der de-facto-Vergabe von bloßen Markterkundungen654 besteht für den Unternehmer ein zeitliches Risiko sogar in 2 Richtungen: Wenn der Unternehmer von Beschaffungshandlungen erfährt, kann es für einen Nachprüfungsantrag noch zu früh sein, da erst Markterkundungen vorliegen, die noch keine Bindung an das Vergaberecht auslösen (s. o.). Oder es ist zu spät, da der Vertragsschluss bereits erfolgt ist.655 Dem Unternehmer steht also nur ein schmales Zeitfenster für ein erfolgreiches Vorgehen gegen die de-facto-Vergabe zur 651 So im Ergebnis für die Fälle der de-facto-Vergabe auch OLG Schleswig, Urt. v. 6.11.2001 – 6 Kart U 44/01, ZfBR 2002, 189, 190. Vgl. auch Petersen, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003, ZfBR 2003, 611, 612 m. w. N. zum Meinungsstand. 652 So auch Hausmann/Krohn, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.2001, VergabeR 2001, 336, 337 f.; Jennert, WRP 2002, 507, 508. 653 Die für das Ende der Nachprüfungsmöglichkeit maßgebliche Beendigung des faktischen Vergabeverfahrens liegt auch hier in der Auftragserteilung. 654 Denn ohne förmliche Durchführung eines Vergabeverfahrens kann für dessen Beginn nicht auf Förmlichkeiten, etwa die Ausschreibung, abgestellt werden. Solange der Auftraggeber den Auftragsvertrag noch nicht geschlossen hat, wird ihm wohl seine Behauptung, bei der Kontaktaufnahme zu dem Unternehmen habe es sich nur um eine „Marktsondierung“ gehandelt, schwer widerlegen lassen – Stolz, Anm. zu VK Bund, Beschl. v. 1.2.2001, VergabeR 2001, 153. 655 Vgl. auch Wagner, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 – Verg 18/01, VergabeR 2002, 250.

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Verfügung. Wegen der drohenden endgültigen Zuschlagserteilung ist hier daher die Rechtsschutzmöglichkeit eher „nach vorn“ auszuweiten, so dass die Anforderungen an die „Verdichtung“ des Beschaffungsvorgangs nicht zu hoch anzusetzen sind.656 (a) Keine Verhinderung des Kenntnisproblems bei de-facto-Vergaben durch die Vorabinformationspflicht nach § 13 VgV Helfen könnte hier, wenn man die Vorabinformationspflicht des § 13 auch anwendet, wenn gar kein förmliches Vergabeverfahren durchgeführt wird. Wenn eine Vorabinformationspflicht vor Zuschlagserteilung auch im Fall der de-facto-Vergaben bestünde, hätten die Unternehmen die Möglichkeit, über die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens die Zuschlagserteilung zu verhindern.657 Im Folgenden soll aber gezeigt werden, dass eine Verpflichtung zur Vorabinformation nach § 13 VgV bei rechtswidrig unterlassenem Vergabeverfahren nicht besteht.658 Diese Frage des Bestehens einer Vorabinformationspflicht nach § 13 VgV vor Zuschlagserteilung ist von der Frage der Geltung der Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB nach erfolgtem Zuschlag zu unterscheiden, auf die erst später zurückzukommen sein wird. (aa) Keine direkte Anwendung von § 13 VgV zur Begründung einer Vorabinformationspflicht § 13 VgV schreibt die Information nur für „nicht berücksichtigte Bieter“ vor. Er umfasst also nur einen begrenzten Adressatenkreis. Ohne Vergabeverfahren sind der Vergabestelle aber gar keine „Bieter“ bekannt, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen. Es gibt keine im Vergabeverfahren unterlegenen Bieter,659 so dass auch eine Vorabinformation von Bietern 656 Wegen der Zweifel über die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags (laufendes Vergabeverfahren?) bei der de-facto-Vergabe empfiehlt Antweiler die parallele Einlegung einer Beschwerde bei der Europäischen Kommission – Antweiler, VergabeR 2002, 109, 111. 657 So auch Weyand, Anm. zu BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 – Verg 18/01, a. a. O. 658 Nur verwiesen werden soll darauf, dass sich das gleiche Problem auch bei Stellenvergaben im Beamtenrecht ergeben kann. Auch dort wird diskutiert (Schnellenbach, NVwZ 1990, 637, 638), wie die Fälle zu behandeln seien, in denen aufgrund nicht durchgeführter Stellenausschreibung keine zu unterrichtenden Bewerber bekannt sind. Eine für das vorliegende Problem fruchtbar machende Lösung ist dort nicht gefunden worden (vgl. hierzu auch Hertwig, NZBau 2001, 241, 242). 659 Hertwig NZBau 2001, 241 f.; Heuvels/Kaiser, NZBau 2001, 479, 480; Bär, ZfBR 2001, 375, 379.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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nicht möglich ist.660 Wäre etwas anderes gewollt gewesen, dann wäre hier auch eine andere Formulierung gewählt worden. Denn das Vergaberecht unterscheidet klar zwischen den Begriffen „Bieter“, „Bewerber“ und „Unternehmen“. Anders als § 97 VII GWB, wonach „Unternehmen“ subjektive Rechte zustehen und § 107 II GWB, nach dem „Unternehmen“ antragsbefugt sind, sieht § 13 VgV gerade nicht vor, dass „Unternehmen“ zu informieren seien. Nach § 13 VgV steht die Information nur solchen Unternehmen zu, die durch Angebotsabgabe zu Bietern geworden sind.661 Damit ist die Vorabinformationspflicht wegen des Wortlauts des § 13 VgV bei gänzlich unterlassenem Vergabeverfahren nicht direkt anwendbar. (bb) Keine analoge Anwendung von § 13 VgV zur Begründung einer Vorabinformationspflicht Eine analoge Anwendung der Vorabinformationspflicht scheitert schon daran, dass nicht klar ist, welche Unternehmen vorab informiert werden müssen, wenn gar kein Vergabeverfahren durchgeführt würde. Selbst wenn man die potentiellen Bieter informieren wollte, die ein Angebot abgegeben haben würden, so scheitert dies daran, dass diese nicht bekannt sind. So können auch die Entscheidungen des OLG Dresden und des OLG Düsseldorf nicht hierher übertragen werden, nach denen auch die Bieter nach § 13 VgV zu informieren sind, die am Verhandlungsverfahren rechtmäßigerweise zu beteiligen gewesen wären [s. unter C. II 1. b) cc)].662 Gegen die Übertragung spricht schon, dass bei gänzlich unterlassenem Vergabeverfahren überhaupt nicht klar ist, welcher Bieter hätte beteiligt werden müssen. Dies war in den vom OLG Dresden und OLG Düsseldorf entschiedenen Fällen gerade anders.663 660 In diese Richtung Braun, NZBau 2001, 675, 677 f. und Bär, ZfBR 2001, 375, 379. Auch die Europäische Kommission weist in ihrer Stellungnahme zum Rechtsschutz bei de-facto-Vergaben (schon a. a. O.) darauf hin, dass es bei gänzlich unterlassener Ausschreibung auch keine nichtberücksichtigten Bieter gibt, die vorab über die beabsichtigte Vergabe an einen anderen Bieter informiert werden müssen – zit. nach Braun, NZBau 2001, 675, 678. 661 Putzier, DÖV 2002, 517, 519; Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 2: Dem liegt zu Grunde, dass allein die Bieter Träger eines subjektiven Rechtes im Sinne der Schutznormtheorie sind. 662 So aber Otting, Anm. zu OLG Dresden v. 16.10.2001 – Wverg 0007/01, VergabeR 2002, 146, 147. 663 Näher unter C. II. 1. b) cc) und in Fn. 526. Gegen die Übertragung auch: Portz, VergabeR 2002, 211, 218; vgl. auch Wagner/Wiegand, NZBau 2003, 369, 372. Auch die Entscheidung der VK Bund, Beschl. v. 20.5.2003 – VK 1-35/03, S. 12 ff. steht dem nicht entgegen. Denn die Pflicht zur Vorabinformation für gänzlich nichtbeteiligte Bieter wird dort nur ex post im Hinblick auf die Begründung der

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Vorgeschlagen worden ist hier allerdings auch eine allgemeine Bekanntmachung der Vorabinformation: Hertwig664 will aus § 13 VgV die Pflicht der Vergabestelle herleiten, dass sie immer, wenn sie einen Vertrag freihändig schließen will, diese Absicht 14 Kalendertage vor Zuschlagserteilung bekannt geben. Für diese Auffassung könnte die Parallele zum Beamtenrecht sprechen, wo bei unterlassener Ausschreibung der Stellenbesetzung die Vorabinformationspflicht nicht entfällt, sondern dann alle für die Stelle in Betracht kommenden Beamten – zumindest die der Dienststelle – zu informieren.665 Dieser Vorschlag ist schon deshalb nicht praktikabel, weil ein Auftraggeber, der für seine Auftragsvergabe das Vergaberecht nicht für anwendbar hält, auch diese Vorab-Bekanntmachung nicht vornehmen wird. Man könnte dem nur abhelfen, wenn man ausnahmslos alle Auftraggeber, die in persönlicher Hinsicht in die Nähe der Auftraggebereigenschaft nach § 98 GWB kommen, zu Vorabinformationspflicht verpflichtet. Dies geht aber zu weit. Insbesondere bei privaten Auftraggebern, die „potentielle Sektorenauftraggeber“ sind, ist dies problematisch. Gegen die Herleitung einer Vorab-Bekanntmachungspflicht aus § 13 VgV spricht auch, dass dies der Grundkonzeption des § 13 VgV widerspricht, der eine individuelle Bieterinformation zum Gegenstand hat. Er kann nicht in eine allgemeine Informationspflicht umgedeutet werden.666 Weiter ist noch darauf hinzuweisen, dass selbst wenn man eine Vorabinformationspflicht nach § 13 VgV annehmen würde, diese die Vorabinformation nicht in jedem Fall sicherstellen könnte. Denn wie gezeigt, wird der Auftraggeber die Ausschreibung oft auch unabsichtlich rechtswidrig unterlassen, also sich auch an die Informationspflicht nicht gebunden fühlen. Hier könnte also nur eine nachträgliche Nichtigkeit des Vertrages (nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB) helfen, die später zu erörtern ist.

Nichtigkeitsfolge bejaht. Die Information hätte eben nur bei der unterstellten Beteiligung am Vergabeverfahren erfolgen müssen. 664 NZBau 2001, 241, 242. 665 Schöbener, BayVBl 2001, 321, 325 m. w. N.; Schnellenbach, Anm. zu BVerwG, Urt. v. 13.9.2001, ZBR 2002, 180, 182. 666 Gegen die Ansicht von Hertwig mit weiteren Argumenten auch Dieckmann, NZBau 2001, 481, 482; Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 7; Portz, VergabeR 2002, 211, 217. Nach Glahs, in: Reidt, § 13 VgV Rn. 9 f. ist § 13 VgV hier insoweit anwendbar, als danach zumindest die Bieter informiert werden müssen, die bei der de-factoVergabe Angebote abgegeben haben oder ihr Interesse am Auftrag ausdrücklich bekundet haben.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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ff) Rechtsschutz gegen de-facto-Vergaben nach Zuschlagserteilung – Nichtigkeitsfolge bei unterbliebenem Vergabeverfahren? Im Folgenden wird untersucht, ob ein Zuschlag, der gänzlich ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens erteilt wurde, nichtig ist. Diese Frage ist für die Sicherung der Primärrechtsschutzmöglichkeiten der Unternehmen entscheidend, da diese – wie gezeigt – erst von dem rechtswidrig unterlassenen Vergabeverfahren erfahren, nachdem der Zuschlag schon erteilt wurde. Würde bei der de-facto-Vergabe keine Nichtigkeitsfolge eingreifen, könnte die Vergabestelle, die von vornherein einem bestimmten Bieter den Auftrag erteilen will, das durch § 13 VgV gesicherte Rechtsschutzsystem dadurch umgehen, dass sie von jeglichem Vergabeverfahren absieht und dem feststehenden Bieter den Auftrag direkt erteilt. Denn dann stünden dem Bieter wegen des Bestehens des geschlossenen Vertrages keine Primärrechtsschutzmöglichkeiten zu (§ 114 II GWB667). Er könnte seine Chance auf Zuschlagserteilung nicht mehr durchsetzen.668 Die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers wäre auch nach In-Kraft-Treten der Vergabeverordnung und der darin vorgesehenen Vorabinformationspflicht in diesen Fällen 667 Nach § 114 II 1 GWB sind die Nachprüfungsverfahren nur nach „Zuschlagserteilung“ unzuständig. Es ist in der Literatur aber vertreten worden, dass ohne förmliches Vergabeverfahren auch kein „Zuschlag“ i. S. v. § 114 II GWB vorliege, so dass der Zulässigkeit und dem Tätigwerden der Vergabekammer nichts im Wege stünde. Ein „Zuschlag“ liege nur vor, wenn ein förmliches Vergabeverfahren abgeschlossen werde. Bei unterlassenem Vergabeverfahren werde nur ein Vertrag geschlossen, der aber vom „Zuschlag“ (i. S. v. § 114 II) begrifflich („systematisch und historisch“) zu unterscheiden sei – Schimanek, ZfBR 2002, 39, 43; Hoffmann, S. 81 f.. Dies überzeugt allerdings nicht: Ein Zuschlag als Angebotsannahmeerklärung liegt nicht nur dann vor, wenn durch den Vertragsschluss ein förmliches Vergabeverfahren abgeschlossen wird, sondern auch dann, wenn die Vergabestelle den Bedarf extern im Vertragswege ohne vorherige Durchführung eines Vergabeverfahrens deckt (VK Bund, v. 13.7.2001 (VK 1-19/01), WuW 2001, 1269 (Verg 517) = ZVB 2002, 23 (Höfler/Bert) = VergabeR 2001, 433, 435 f. m. Anm. Krist unter Verweis auf OLG Düsseldorf, v. 14.2.2001 – Verg 13/00). Für die Auffassung von Schimanek findet sich im Gesetz keine Stütze. Der Vertrag wird im Vergaberecht allein durch den Zuschlag geschlossen. Zwar liegen hier 2 zu unterscheidende Akte vor [s. unter B. I. 1. a) bb)], jedoch folgt daraus nicht, dass es ohne einen „Zuschlag“ einen Vertrag geben kann. Auch bei gänzlich unterlassenem Vergabeverfahren kommt der Vertrag zustande, so im Erg. auch Burgi, NZBau 2003, 17, 20. 668 Im einem Einzelfall hat der Kartellsenat des OLG Düsseldorf, Urteil v. 15.11.2000, U (Kart) 5/99 (unveröffentlicht, zit. nach Jennert, VR 2002, 109) einem Auftragnehmer die Ausführung eines ohne Vergabeverfahrens erhaltenen Auftrags und die Annahme zukünftiger Aufträge ohne ordnungsgemäße Ausschreibung auf der Grundlage von § 1 UWG untersagt. Dieser Ansatz ist aber von der Entscheidungspraxis später nicht mehr aufgegriffen worden, sondern singulär geblieben (näher zu dieser Entscheidung, Jennert, VR 2002, 109 ff., der sich dazu kritisch äußert).

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nicht justiziabel. Die vor der Einführung von § 13 VgV bestehende Rechtsschutzlücke wäre damit auch gegenwärtig noch nicht (vollständig) geschlossen [näher unter (3)]. Zunächst ist deshalb bei de-facto-Vergaben allein diskutiert worden, ob sich eine Nichtigkeit eines dabei geschlossenen Zuschlags über § 134 BGB i. V. m. §§ 97 I, 101 GWB oder über § 138 BGB herleiten lässt. Da dies zu verneinen ist (sogleich unter (1) und (2), wird seit In-Kraft-Treten des § 13 VgV darüber hinaus intensiv darüber gestritten, ob die Nichtigkeit eines ausschreibungspflichtigen, aber nicht ausgeschriebenen öffentlichen Auftrags auf der Grundlage dieser Vorschrift hergeleitet werden muss (4 ff.).669 (1) Nichtigkeit nach § 134 BGB Es ist zu untersuchen, ob sich die Nichtigkeit des nach faktischer Vergabe geschlossenen Vertrages bereits aus § 134 BGB herleiten lässt, ohne dass auf § 13 S. 5 VgV als Verbotsgesetz zurückgegriffen werden muss. (a) § 97 I, II GWB als Verbotsgesetz Teilweise wird für de-facto-Vergaben ein solches Verbotsgesetz in § 97 Abs. 1 und 2 GWB i. V. m. § 101 GWB670, die die Durchführung eines Vergabeverfahrens für die Fälle der Anwendbarkeit des GWB zwingend vorschreiben, gesehen und deshalb über § 134 BGB die Nichtigkeit des geschlossenen Auftragsvergabevertrages bejaht.671 Zwar seien diese Normen nach ihrem Wortlaut keine Verbotsnormen, es genügt aber, wenn sich das Verbot aus dem Zusammenhang ergibt.672 Dies sei hier der Fall, da der Gesetzgeber ein Vergabeverfahren vorschreibe und die Zuschlagserteilung ohne vorheriges Vergabeverfahren verhindern wolle.673 Nach richtiger Auffassung ist die Ausschreibungspflicht des § 97 I, II GWB i. V. m. § 101 kein Verbotsgesetz i. S. von § 134 BGB: 669 VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 12 ff., vgl. zu dieser Entscheidung VN 6/2002, 46 f. 670 Noch einmal sei darauf hingewiesen, dass § 13 S. 1–3 nicht also Verbotsnorm in Betracht kommen, da sie nicht anwendbar sind, a. a. O. 671 VK Südbayern, Beschluss v. 8.10.2001, 28-08/01, S. 13 ff.; Müller-Wrede/ Kaelble, VergabeR 2002, 1, 8; Heuvels/Kaiser, NZBau 2001, 479, 480. 672 VK Südbayern, Beschluss v. 8.10.2001, 28-08/01, S. 13 ff.; Heuvels/Kaiser, NZBau 2001, 479, 480; Jennert, WRP 2002, 507, 508, der allerdings eine Nichtigkeit aus § 134 BGB, § 97 I GWB trotz Bejahung des Verbotsgesetzes ablehnt, da nur ein einseitiger Verstoß gegen dieses vorliegt. 673 Heuvels/Kaiser, NZBau 2001, 479, 480 auch unter Verweis auf die Gesetzgebungsmaterialien.

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Dafür wird teilweise angeführt, § 97 GWB enthalte schon kein Verbot, welches der Vergabestelle untersagt, ohne Ausschreibung Verträge abzuschließen, sondern vielmehr ein Gebot zu positivem Tun, nämlich der bestimmten Form der Vertragsanbahnung. Es ist aber eher davon auszugehen, dass man diesem Gebot im Umkehrschluss auch ein Verbot entnehmen kann, eine Beschaffung ohne Vergabeverfahren vorzunehmen. Selbst wenn man dies annimmt, so ergibt sich aber aus dem Verbot des § 97 I GWB keine Nichtigkeit des Vertrages. Denn die Verbotsnorm darf sich für eine Nichtigkeit nach § 134 BGB nicht nur gegen die Art und Weise der Vornahme des Rechtsgeschäfts wenden, sondern das Verbot muss sich gerade gegen die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts richten.674 Die Ausschreibungspflicht des § 97 I, II GWB i. V. m. § 101 GWB richtet sich aber nicht gegen die Wirksamkeit des Vertrages, sondern nur gegen „das Verfahren, mit dem der Vertragspartner ausgewählt wird.“675 Aus § 114 II S. 1 GWB folgt, dass ein Verstoß gegen die Ausschreibungspflicht zwar vergaberechtswidrig ist, aber nicht die Nichtigkeit nach § 134 BGB zur Folge hat.676 Ganz im Gegenteil geht die Vorschrift davon aus, dass ein Verstoß selbst gegen bieterschützende Bestimmungen des Vergaberechts die Wirksamkeit eines bereits geschlossenen Vertrages nicht berührt.677 So sollte auch bei Erlass des Vergaberechtsänderungsgesetzes gerade keine Nichtigkeit für die Fälle der unterlassenen Ausschreibung eingeführt werden.678 Die zutreffend von der ersten Ansicht angeführte Tatsache, dass § 97 I GWB Vertragsabschlüsse ohne vorheriges Vergabeverfahren verhindern will, genügt somit nicht. Es müsste sich aus § 97 I GWB auch ergeben, dass ein unter Verstoß geschlossenes Rechtsgeschäft unwirksam sein soll, was gerade nicht der Fall ist.679 674

Vgl. nur Brox, BGB AT, Rn. 274 ff. Lötzsch/Bornheim, NJW 1995, 2134, 2136; Braun, NZBau 2001, 675, 678; Portz, VergabeR 2002, 211, 218; Burgi, NZBau 2003, 17, 20; VK Bund, v. 13.7.2001 (VK 1-19/01), WuW 2001, 1269 (Verg 517) = ZVB 2002, 23 (Höfler/ Bert) = VergabeR 2001, 433, 435 m. Anm. Krist: Die VK hatte sich mit einem Fall gänzlich unterlassener Ausschreibung bei einer Vertragsverlängerung zu beschäftigen. Sie lässt die Frage offen, ob eine Vertragsverlängerung auszuschreiben ist, denn selbst wenn dies der Fall sei, sei der Zuschlag wirksam erteilt. Aus der Tatsache, dass hier überhaupt nicht auf die Nichtigkeit nach § 13 VgV eingegangen wurde, kann man aber nicht schließen, dass die VK Bund damit die Anwendbarkeit des § 13 mit seiner Nichtigkeitsfolge verneint. Die Vertragsverlängerung, deren Nichtigkeit hier diskutiert wurde, war nämlich bereits am 31.12.1999 erfolgt, also zu einer Zeit, zu der § 13 VgV noch gar nicht in Geltung war. 676 VK Bund, v. 13.7.2001 (VK 1-19/01), a. a. O., VergabeR 2001, 433, 435; so im Ergebnis auch VK Lüneburg, Beschl. v. 15.1.2002 – 203 – VK – 24/2001, NZBau 2002, 295. 677 VK Bund, v. 13.7.2001 (VK 1-19/01), a. a. O., VergabeR 2001, 433, 435; Portz, VergabeR 2002, 211, 217 f. 678 Portz, VergabeR 2002, 211, 218. 675

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(b) Verbotsgesetz aus Art. 3 I GG? Ein weiterer Ansatz, die Nichtigkeit des nach der faktischen Vergabe geschlossenen Vertrages anzunehmen, ist, ein Verbotsgesetz aus den Grundrechten abzuleiten. Es ist anerkannt, dass rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, die staatliche Institutionen unter Verstoß gegen die Grundrechte vornehmen, nach § 134 BGB nichtig sind. Nur für die Rechtsbeziehungen unter Privaten ist streitig, inwieweit Grundrechte als Verbotsgesetze wirken können.680 Nach der überwiegenden Auffassung ist im Bereich der Auftragsvergabe der öffentlichen Hand jedenfalls Art. 3 I GG anwendbar. Dieser schafft für den öffentlichen Auftraggeber die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Unternehmen, weshalb er zumindest ein förmliches Vergabeverfahren durchzuführen hat. Zumeist wird – allerdings zu weitgehend – sogar eine Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung angenommen. Da also bei der de-facto-Vergabe gegen das Grundrecht des Art. 3 I GG verstoßen wird, könnte sich hieraus in Verbindung mit § 134 BGB die Nichtigkeit des Vertrages ergeben.681 Bei der Heranziehung der Grundrechte als Verbotsgesetz ist aber der Anwendungsvorrang des einfachen Gesetzesrechtes zu beachten.682 Wenn schon das einfache Gesetzesrecht, das insbesondere auch die Vorgaben von Art. 3 I GG ausfüllt, kein Verbotsgesetz i. S. v. § 134 BGB ergibt, kann die Nichtigkeit nicht über das allgemeinere Grundrecht hergeleitet werden. So ist es auch hier. Der soeben dargestellte Grundsatz des einfachgesetzlichen Vergaberechts (der § 97 ff. GWB), dass eine Missachtung der Ausschreibungspflicht nicht zur Nichtigkeit des Vertrages führen soll, kann nicht durch die Heranziehung des allgemeineren Art. 3 I GG umgangen werden. Wenn der Verstoß gegen die Ausschreibungspflicht aus dem einfachen Gesetzesrecht (§ 97 I GWB i. V. m. § 101 GWB) nicht zur Nichtigkeit führt, kann dies nicht über Art. 3 I GG, der gerade durch die einfachrechtliche Ausschreibungspflicht konkretisiert wird, bejaht werden. Gegen die Herleitung der Nichtigkeitsfolge aus Art. 3 I GG i. V. m. § 134 BGB spricht auch, 679 Darüber hinaus wird das Eingreifen von § 134 BGB wegen der Einseitigkeit des Verbots in § 97 I GWB abgelehnt: Jennert, WRP 2002, 507, 508 Fn. 20; Glahs, in: Reidt, § 13 VgV Rn. 11 ff.; a. A.: Heuvels/Kaiser, NZBau 2001, 479, 480 und Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 8 m. w. N. 680 Vgl. Staudinger-Sack, § 134 Rn. 36 ff.; Soergel-Hefermehl, § 134, Rn. 7; nach Münchner Kommentar – Mayer-Maly/Armbrüster, 4. Aufl., § 134 Rn. 33 f. sind die Grundrechte jedenfalls da Verbotsgesetz, wo unmittelbare Grundrechtsgeltung besteht. 681 In diese Richtung Hertwig, NZBau 2001, 241, 242; Wittig, S. 312. 682 Münchner Kommentar – Mayer-Maly/Armbrüster, 4. Aufl., § 134 Rn. 33.

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dass sie jedenfalls bei privatrechtlichen Sektorenauftraggebern nicht weiterhelfen würde. Entsprechendes gilt, wenn man mit der Rechtsprechung des BVerwG, die es in seiner Entscheidung vom 2.7.2003683 weiterentwickelt hat, direkt aus Art. 12 I GG einen verfassungsunmittelbaren Informationsanspruch herleiten und bei dessen Nichtbeachtung in den Fällen der de-facto-Vergabe hierin einen Verstoß gegen ein Verbotsgesetz sehen wollte. (c) Ergebnis Die Nichtigkeit des nach faktischer Vergabe geschlossenen Vertrages lässt sich regelmäßig nicht aus § 134 BGB herleiten, ohne dass auf § 13 VgV zurückgegriffen wird. Ausnahmsweise denkbar ist jedoch, eine Nichtigkeit des Vertrages aus § 134 BGB in Verbindung mit Art 88 III S. 3 EGV herzuleiten, wenn der Beschaffungsvorgang als Beihilfe einzuordnen ist und die dazu notwendige Notifizierung nach Art. 88 III EGV unterbleibt.684 Es muss aber berücksichtigt werden, dass dieser Ansatz von der Entscheidungspraxis bisher noch nicht aufgegriffen worden ist. (2) Nichtigkeit aus § 138 BGB, wenn ganz ohne Vergabeverfahren beschafft wird Im Regelfall wird bei unterlassenem Vergabeverfahren auch eine Nichtigkeit nach § 138 BGB nicht in Betracht kommen:685 Sittenwidrigkeit kann allgemein wegen des Inhalts des Rechtsgeschäfts oder aus seinem Gesamtcharakter, insbesondere der Art und Weise des Zustandekommens (und Motive/Zwecke des Rechtsgeschäfts) ergeben.686 Bei Vergaberechtsverstößen kommt eine Sittenwidrigkeit nicht wegen des Inhalts des Beschaffungsvertrages, sondern nur wegen der Art und Weise des Zustandekommens des Vertrages in Betracht. 683 NJW 2003, 2696 = BayVBl. 2004, 248 = JA 2004, 281 (Oberrath) = JuS 2003, 1241 (Selmer) = WuW 2004, 570 (Verg 938). 684 Näher Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 547 f. und im Teil 1, unter A. VI. 2. a). 685 Auch nach Putzier, DÖV 2002, 517, 519 kommt die Nichtigkeit nach § 138 BGB auch bei unterlassenem Vergabeverfahren nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht. So etwa im Fall des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.2002 – Verg 43/01, VergabeR 2002, 404, 410 ff., wo zwei nach de-facto-Vergabe geschlossene öffentlich-rechtliche Verträge aus Gründen, die für die vorliegende Untersuchung nicht verallgemeinerungsfähig sind, nichtig waren. 686 Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 7 f.

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In den Vergaberechtsfällen besteht aber die Sittenwidrigkeit nicht gegenüber dem Vertragspartner, sondern gegenüber Dritten oder der Allgemeinheit. In diesem Fall müssen für das Eingreifen von § 138 BGB beide Vertragsparteien sittenwidrig handeln.687 Es kommt also eine Nichtigkeit des Vertrages nur in Betracht, wenn beide Vertragsparteien in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Verstoßes handeln. Bezogen auf das Vergaberecht kommt eine Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 I BGB also nur in Betracht, wenn nicht nur der Auftraggeber, sondern auch der Unternehmer688 wusste oder sich der Erkenntnis vom Vergaberechtsverstoß grob fahrlässig verschloss, dass ein sittenwidriges Verhalten vorlag689, also ein förmliches Vergabeverfahren vorzunehmen war. Bei der absichtlichen Umgehung des Vergaberechts durch beide Parteien ist dies der Fall, so dass hier Nichtigkeit des Vertrages vorliegt. Für den Umgehungsfall der Auftragsvergabe an den „Schwiegersohn des Bürgermeisters“ ist daher schon eine Lösung über § 138 BGB möglich.690 Nach der Entscheidungspraxis soll es sich aber nicht von selbst verstehen, dass die Vertragsparteien ihre Verpflichtungen zur Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften kannten oder sich dieser Kenntnis grob fahrlässig verschlossen haben.691 Wird das förmliche Vergabeverfahren durch den Auftraggeber etwa wegen berechtigter Zweifeln an der Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts692 unterlassen, so kommt eine Nichtigkeit nach § 138 687 Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 8; VK BW, Beschl. v. 8.11.2000 – 1 VK 23/00, S. 12 f.; OLG Rostock, Beschl. v. 16.5.2001 – 17 W 1/01, 2/01, VergabeR 2001, 315, 317 m. Anm. Gesterkamp = NZBau 2002, 170. 688 Für diesen genügt also nicht bloß die Kenntnis der bloßen Vertragsdaten, sondern es muss zusätzlich die Kenntnis des Umstandes der dem Vertrag sein sittlich verwerfliches Gepräge gibt: die Verpflichtung des Auftraggebers zur Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften und als Kehrseite das Sich-Entziehen dieser Verpflichtung durch Schaffung vollendeter Tatsachen zum Nachteil potentieller Bewerber und der Allgemeinheit (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.1.2000, a. a. O.). 689 OLG Düsseldorf, 12.1.2000, a. a. O.; VK BW, Beschl. v. 8.11.2000, a. a. O.; OLG Rostock, Beschl. v. 16.5.2001 – 17 W 1/01, 2/01, VergabeR 2001, 315, 317 m. Anm. Gesterkamp = NZBau 2002, 170; VK Bund, Beschl. v. 16.7.2002 – VK 2 – 50/02, S. 10. 690 Heuvels/Kaiser, NZBau 2001, 479, 480. 691 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.1.2000 – Verg 4/99, ZVgR 2000, 209 = NZBau 2000, 391 = IBR 2000, 201 f. (Wagner); VK BW, Beschl. v. 8.11.2000, a. a. O., S. 12 f. 692 So hat die VK Bund, v. 13.7.2001 (VK 1-19/01), a. a. O., VergabeR 2001, 433, 435 für einen Fall, bei dem für eine Vertragsverlängerung kein förmliches Vergabeverfahren durchgeführt worden war, die Sittenwidrigkeit verneint: Die Frage, ob Vertragsverlängerungen dem Vergaberecht unterfallen, war zur Zeit des Vergabeverfahrens unklar. Daher fehle es an der Sittenwidrigkeit wegen „fehlenden Problembewusstseins bei den öffentlichen Auftraggebern“ und weil die Rechtslage nicht eindeutig und abschließend geklärt war. Deswegen komme auch ein kollusives Zu-

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BGB nicht in Betracht. Angesichts der zahlreichen noch offenen Rechtsfragen zum Anwendungsbereich des Vergaberechts wird daher eine Nichtigkeit oft ausscheiden.693 Dies ist auch der Fall, wenn zwar dem Auftraggeber die Umgehung des Vergaberechts bewusst ist, der Auftragnehmer aber mangels offensichtlicher Notwendigkeit des förmlichen Vergabeverfahrens davon ausgehen kann, er könne den Vertrag auch ohne Teilnahme an einem Vergabeverfahren abschließen. Ohnehin wird der Nachweis der subjektiven Seite des Sittenwidrigkeitstatbestandes nach § 138 BGB, insbesondere von kollusivem Zusammenwirken von Auftraggeber und Auftragnehmer, praktisch selten belegbar sein.694 § 138 BGB ist danach kein hinreichendes Korrektiv für das Unterlassen eines förmlichen Vergabeverfahren.695 Dies zeigt auch die Entscheidungspraxis, wo die Nichtigkeitsfolge des § 13 VgV selbst in Evidenzfällen zumeist nicht angewandt wird. Es wird aber weiter vertreten, dass beim unterlassenen Vergabeverfahren eine Nichtigkeit nach § 138 BGB wegen sittenwidriger Umgehung eines gesamten Rechtsgebietes (sittenwidrige Gesetzesumgehung) in Betracht komme.696 Zwar sei ein einfacher Gesetzesverstoß nicht sittenwidrig. Anders sei dies aber bei schwerwiegenden Gesetzesverstößen, die wichtige Belange der Allgemeinheit verletzen.697 Die Pflicht zur Ausschreibung bzw. zur Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens schütze solche wichtigen Belange der Allgemeinheit: Zum einen werde die sparsame Haushaltsführung geschützt. Hier sei aber die erforderliche Schwere des Verstoßes (bzw. dessen Folgen) eine Frage des Einzelfalls. In jedem Fall, also ohne Einzelfallbetrachtung, liege aber bei der de-facto-Vergabe ein schwerwiegender Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz vor, der auch Grundvoraussetzung für die Sicherung des europäischen Binnenmarktes ist. Der für den objektiven Tatbestand erforderliche Gesetzesverstoß sei daher unabhängig vom Einzelfall gegeben.698 Aber selbst wenn man Vorstehendes zu Grunde legt, so führt auch die Gesetzesumgehung nur zur Nichtigkeit nach § 138 BGB, wenn beide Parsammenwirken der Vertragspartner zur Umgehung der Ausschreibungspflicht nicht in Betracht. Kritisch zu dieser Entscheidung: Krist, Anm. zu VK Bund, v. 13.7.2001 (VK 1-19/01), a. a. O., VergabeR 2001, 436, 437. 693 So auch Lück/Oexle, VergabeR 2004, 302, 307. 694 Dazu Lück/Oexle, VergabeR 2004, 302, 307; Terner, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.12.2003 – Verg 37/03, ZfBR 2004, 200, 201. 695 Terner, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.12.2003 – Verg 37/03, ZfBR 2004, 200, 201. 696 Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 9. 697 Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 9. 698 Für den erforderlichen subjektiven Tatbestand könne die Schwere des Schadens als Indiz dienen. – Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 9.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

teien das Gesetz bewusst missachten.699 Wie gezeigt, ist dies zumeist aber nicht der Fall, so dass auch über die Fallgruppe der sittenwidrigen Gesetzesumgehung in vielen Fällen eine Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 BGB nicht hergeleitet werden. Entsprechendes gilt für den Ansatz, die Nichtigkeit nach § 138 BGB wegen des mit der de-facto-Vergabe regelmäßig verbundenen Verstoßes gegen das Haushaltsrecht herzuleiten. Hier wird auf die Rechtsprechung des BGH abgestellt, nach der eine Nichtigkeit gem. § 138 BGB jedenfalls dann in Betracht kommt, wenn die Handhabung der Haushaltsvorschriften in einem so hohen Maße fehlsam ist, dass von einer sparsamen Ausgabe öffentlicher Mittel und einer gewissenhaften treuhänderischen Verwaltung des öffentlichen Vermögens schlechthin nicht mehr gesprochen werden kann.700 Danach folge auch bei bewussten de-facto-Vergaben die Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages, wenn nicht zu Marktpreisen, sondern zu überhöhten Konditionen abgeschlossen worden sei.701 Allerdings kommt auch dieser Ansatz zur Herleitung einer Nichtigkeitsfolge nur in Betracht, wenn beide Vertragsteile den Verstoß gegen das Haushalts- und Vergaberecht kannten bzw. kennen mussten, woran es nach dem oben ausgeführten nicht selten fehlen wird. Außerdem muss auch der tatsächliche Befund berücksichtigt werden, dass dieser Ansatz zur Herleitung der Nichtigkeitsfolge in der Entscheidungspraxis bisher noch keine Rolle gespielt hat. (3) Ergebnis Bei de-facto-Vergaben lässt sich die Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages nicht aus einer anderen Norm als § 13 VgV herleiten. Daher bliebe de lege lata die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers auch nach InKraft-Treten der Vergabeverordnung und der darin vorgesehenen Vorabinformationspflicht in bestimmten Fällen nicht justiziabel, wenn man hier das Eingreifen der Nichtigkeitsfolge des § 13 VgV ablehnen würde. Die bisher bestehende Rechtsschutzlücke wäre damit auch gegenwärtig noch nicht (vollständig) geschlossen.702 Für bewusst rechtsuntreu handelnde Auftraggeber bliebe ein Schlupfloch703 zur Erteilung eines rechtswidrigen, nicht aufhebbaren Zuschlags (heimliche Auftragserteilung).704 Seinem Ziel, die Rechtsschutzlücke im Hinblick auf die Überprüfung der Zuschlagsentschei699 700 701 702 703

Soergel-Hefermehl, § 138 Rn. 194; Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 40 m. w. N. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 546 unter Berufung auf BGHZ 36, 395, 398. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 546 f. Vgl. Gesterkamp, WuW 2001, 665, 673. Dieckmann, NZBau 2001, 481, 483.

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dung zu schließen, würde § 13 VgV nur beschränkt gerecht.705 Da dies – wie gezeigt – europarechtswidrig wäre, müsste der Gesetzgeber tätig werden, um Primärrechtsschutz auch bei de-facto-Vergaben sicherzustellen. Es ist daher zu untersuchen, ob sich die Nichtigkeit eines ohne förmliches Vergabeverfahren geschlossenen Vertrages auf der Grundlage von § 13 S. 5 VgV herleiten lässt: (4) Einführung in den Meinungsstand zur Nichtigkeit eines ohne Vergabeverfahren geschlossenen Vertrages nach § 13 S. 6 VgV bzw. nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB706 Gemäß § 1 VgV trifft die Vergabeverordnung nähere Bestimmungen über das bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einzuhaltende Verfahren. Ob die Vorschriften der Vergabeverordnung (und somit auch § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB) jedoch auch Anwendung finden, wenn der öffentliche Auftraggeber unter Missachtung der vergaberechtlichen Bestimmungen überhaupt kein förmliches Vergabeverfahren entsprechend § 101 GWB vor der Beauftragung durchgeführt hat, ist umstritten. Von verschiedener Seite wird die Anwendbarkeit der Nichtigkeitsfolge des § 13 VgV bei de-facto-Vergaben vertreten. Einige nehmen eine direkte Anwendung (aufgrund richtlinienkonformer Auslegung) an707, zum Teil wird auch für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift plädiert. Dagegen lehnen andere Autoren sowohl eine direkte als auch eine analoge Anwendbarkeit der Nichtigkeitsfolge von § 13 S. 6 VgV bzw. § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB in Fällen der de-facto-Vergabe ab.708 704 Gänzlich risikolos ist die de-facto-Vergabe für den Auftraggeber aber jedenfalls deshalb nicht, weil er durch den Vergaberechtsverstoß oft der Gefahr des Verlusts von Subventionen ausgesetzt ist. Denn der entsprechende Zuwendungsbescheid enthält in der Regel die Verpflichtung auf die Anwendung der Vergaberegeln – Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 548. 705 Auch die Schadensersatzansprüche würden dem Bieter – wie gezeigt – zumeist nicht weiterhelfen. 706 Zur Verfassungswidrigkeit von § 13 S. 6 VgV und deren (geringen) Konsequenzen unter C. II. 4. a). 707 Vgl. nur Dreher, NZBau 2001, 244, 245. 708 Gesterkamp, WuW 2001, 665, 669; Wegmann, NZBau 2001, 475, 478; Dieckmann, NZBau 2001, 481; Stolz, Anm. zu VK Bund, Beschl. v. 1.2.2001, VergabeR 2001, 153, 154; Braun, NZBau 2001, 675, 677 f.; Putzier, DÖV 2002, 517, 518 ff., Jasper, in: Tagungsband – Zweiter Düsseldorfer Vergaberechtstag am 28. Juni 2001, S. 11, 22 ff.; Wilke, ZfBR 2002, 231, 237; Delius, ZfBR 2002, 341, 343; Heuvels/Kaiser, NZBau 2001, 479, 481; Hailbronner, NZBau 2002, 474, 479; Portz, VergabeR 2002, 211, 217; Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543; Lück/Oexle, VergabeR 2004, 302; Lindenthal, VergabeR 2003, 630.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

In der Entscheidungspraxis hat sich ebenfalls noch keine einheitliche Linie herausgebildet.709 Zunächst haben sich nur die Vergabekammern mit der Frage befasst. Einige VK sprechen sich gegen die Anwendbarkeit von § 13 VgV auf die de-facto-Vergabe aus,710 während andere dafür sind711. Auch die Rechtsprechung der OLG Vergabesenate dazu ist uneinheitlich. Nachdem zunächst einige OLG, zu denen auch das OLG Düsseldorf gehörte, die Anwendbarkeit des § 13 VgV bei de-facto-Vergaben bejahte712, vertritt die Rechtsprechung hier – ausgelöst durch eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 3.12.2003713 – inzwischen zumindest eine einschränkende Auffassung. Das OLG Düsseldorf hat in dieser Entscheidung unter neuem Vorsitz – in einem obiter dictum714 – seine bisherige Rechtsprechung dahingehend eingeschränkt, dass § 13 S. 6 VgV jedenfalls dann nicht auf die de-facto-Vergabe anwendbar ist, wenn der Auftraggeber von vornherein nur mit einem Bieter verhandelt hat.715 Ausdrücklich offen gelassen hat das Gericht jedoch die Frage, ob § 13 S. 6 VgV weiterhin dann Anwendung findet, wenn der Auftraggeber zwar kein formelles Vergabeverfahren, aber doch ein „wettbewerbliches Verfahren“ durchgeführt hat, in 709

So zuletzt auch dien Einschätzung des OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.9.2004 – 11 Verg 11/04, NZBau 2004, 692, 696. 710 VK Lüneburg, Beschl. v. 15.1.2002 – 203 – VK – 24/2001, NZBau 2002, 295 (rechtskräftig); vgl. zu dieser Entscheidung VN 6/2002, 46 f. 711 VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 12 ff. (unter Verweis auf Hertwig, NZBau 2001, 241; Dreher, NZBau 2001, 244; VK Münster, Beschl. v. 21.12.2001, VK 22/01; VK Sachsen, Beschl. v. 28.1.2002, 1/SVK/2-02), vgl. zu dieser Entscheidung VN 6/2002, 46 f.; VK Bund, Beschl. v. 20.5.2003 – VK 1-35/03, WuW 2003, 1129 (Verg 833) = IBR 2003, 491 (Schabel); VK BW, Beschl. v. 27.6.2003 – 1 VK 29/03, S. 12 ff. Die VK Südbayern, Beschluss v. 8.10.2001, 28-08/01, S. 13 ff. lässt die Frage der Anwendbarkeit von § 13 offen, da sich eine Nichtigkeit schon aus § 134 BGB i. V. m. § 97 I, 100 GWB ergebe. 712 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003 – Verg 67/02, NZBau 2003, 401 = VergabeR 2003, 435 m. Anm. Prieß = ZfBR 2003, 605 m. Anm. Petersen = WuW 2003, 850 (Verg 778). 713 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.12.2003 – Verg 37/03, WuW 2004, 239 (Verg 897) = NZBau 2004, 113 = ZfBR 2004, 196 = VergabeR 2004, 216; vgl. auch die zustimmende Anmerkung von Lück/Oexle, VergabeR 2004, 302. Angedeutet war diese einschränkende Rspr. schon in der Entscheidung des OLG Jena, Beschl. v. 14.10.2003 – 6 Verg 5/03, ZfBR 2004, 193 = VergabeR 2004, 113 m. Anm. Kus. 714 Dazu auch Lück/Oexle, VergabeR 2004, 302, 307 f. 715 Diese Linie fortsetzend: die VK Bund in einer Vielzahl von Entscheidungen ab September 2004 zur Vergabe von Berufsvorbereitungsmaßnahmen: vgl. nur VK Bund, Beschl. v. 12.10.2004, VK 3 – 182/04, S. 6 ff. und VK Bund, Beschl. v. 7.10.2004, VK 1-180-04; zuvor schon VK Thüringen, Beschl. v. 24.10.2003 – 2164002.20-025/03, S. 7 ff.; vgl. auch die Rspr.nachweise in der folgenden Fn.; zur Entwicklung der OLG-Entscheidungspraxis auch Hucke, ZfBR Sonderbeilage 5/ 2004, 29, 38 ff.

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dem es mehrere Bieter und Angebote gegeben hat. Dementsprechend ist von der Entscheidungspraxis in diesen Fällen eine Nichtigkeit nach § 13 S. 6 VgV weiterhin bejaht worden.716 Die VK NRW hat dies in einem Beschluss vom 17.6.2004 damit begründet, dass sich andernfalls „eine gigantische Lücke im Bieterschutz des Vergabeverfahrens auftun“ würde.717 (5) Stellungnahme: Keine direkte Anwendung der Nichtigkeitsfolge von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB Für die direkte Anwendung der Nichtigkeitsfolge wird vor allem angeführt, dass sie europarechtlich erforderlich sei. Zwar ist es richtig, dass auch die Zuschlagsentscheidung im Anschluss an eine de-facto-Vergabe europarechtlich (und verfassungsrechtlich) überprüfbar sein muss [dazu ausführlich718 unter b) dd) (1)], jedoch lässt sich daraus nicht die Möglichkeit der Anwendung der Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB herleiten: Aus der zu bejahenden Notwendigkeit von effektivem Rechtsschutz auch gegen eine Zuschlagsentscheidung nach einer de-facto-Vergabe wird teilweise abgleitet, dass die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV bzw. § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB719 in richtlinienkonformer (und verfassungskonformer) Auslegung anwendbar sei.720 Dagegen ist richtigerweise eine direkte Anwendbarkeit der Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB trotz der europarechtlichen Notwendigkeit von Primärrechtsschutz zu verneinen. Dafür spricht zwar nicht die Systematik des Vergabenachprüfungsrechts (a), aber das Zusammenspiel von § 13 S. 5 VgV mit § 134 BGB, (b). 716 OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.9.2004 – 11 Verg 11/04, NZBau 2004, 692, 696; OLG Celle, Beschl. v. 20.1.2004 – 13 Verg 26/03; VK Berlin, Beschl. v. 18.3.2004, VK – B 1 – 04/04; VK BW, Beschl. v. 11.8.2004 – 1 VK 56/04 und VK BW, Beschl. v. 12.7.2004 – 1 VK 38/04; so vor der Entscheidung des OLG Düsseldorf auch OLG Jena, Beschl. v. 14.10.2003 – 6 Verg 5/03, ZfBR 2004, 193 = VergabeR 2004, 113 m. Anm. Kus. 717 VK NRW, Beschl. v. 17.6.2004 – VK 2-6/04, S. 12. 718 Unter Berücksichtigung von EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03 „Stadt Halle“, NZBau 2005, 111. 719 Zur Verfassungswidrigkeit von § 13 S. 6 VgV und deren (geringen) Konsequenzen unter C. II. 4. a). 720 VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 12 ff. (unter Verweis auf Hertwig, NZBau 2001, 241; Dreher, NZBau 2001, 244; VK BW, Beschl. v. 27.6.2003 – 1 VK 29/03, S. 12 ff.; VK Münster, Beschl. v. 21.12.2001, VK 22/01; VK Sachsen, Beschl. v. 28.1.2002, 1/SVK/2-02), vgl. zu dieser Entscheidung VN 6/2002, 46 f.; Bär, ZfBR 2001, 375, 379.

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(a) Die Systematik des Vergabenachprüfungsrechts steht der Anwendung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB nicht entgegen Es wird vorgetragen, dass § 13 VgV nur bei Vorliegen einer der in § 101 GWB genannten Vergabearten gilt. Er sei eine „nähere Bestimmung“ i. S. d. § 1 VgV über das bei der Vergabe einzuhaltende Verfahren. Daraus ergebe sich, dass § 13 VgV das Vorliegen eines Vergabeverfahrens voraussetzt.721 Der Regelungsgehalt beschränke sich wegen § 1 VgV auf das „Wie“ der Verfahrensdurchführung. Dies setzt notwendigerweise ein bereits eingeleitetes Vergabeverfahren voraus. Wenn dagegen ohne jedes förmliche Verfahren der Zuschlag erteilt wird, seien die Vorschriften der VgV, und damit § 13 VgV, schon gar nicht anwendbar.722 Im Ausgangspunkt ist diesem Argument zuzustimmen. Nach der Systematik der VgV setzt die Nichtigkeitsfolge ein laufendes Vergabeverfahren voraus. Ein förmliches laufendes Vergabeverfahren ist hier aber in der Tat nicht gegeben. Es kann aber die überzeugende Rechtsprechung zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags bei de-facto-Vergaben vor Zuschlagserteilung herangezogen werden. Für das dort notwendige Vorliegen eines schon begonnenen Vergabeverfahrens entspricht es – wie gezeigt723 – inzwischen gesicherter und zustimmungswürdiger Entscheidungspraxis, dass es nicht auf eine formelles Verständnis, sondern auf ein materielles Verständnis vom Vergabeverfahren ankommt. Zur Bejahung eines Vergabeverfahrens kann daher nicht die Einleitung von bestimmten Förmlichkeiten, z. B. eine Ausschreibung, vorausgesetzt werden. Dies ist hierher zu übertragen.724 Auch bei der Frage der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Vergabeverordnung ist dieses materielle Verständnis anzuwenden. Es wäre widersprüchlich, bei der de-facto-Vergabe einmal das Vorliegen eines Vergabeverfahrens zu bejahen und einmal zu verneinen. Der Unterschied der Fallkonstellationen liegt nur in dem unterschiedlichen Zeitpunkt der Beurteilung der de-facto-Vergabe. Im vorliegenden Zusammenhang ist der Zuschlag schon erteilt, wenn der Bieter sich gegen die Vergabe ohne Ausschreibung wehrt. In der oben beschriebenen anderen Konstellation wehrt der Bieter sich noch vor Zuschlagserteilung gegen die de-facto-Vergabe. Danach ist auch hier eine materielle Betrach721

Portz, VergabeR 2002, 211, 217. Wegmann, NZBau 2001, 475, 478. 723 C II. 5. b) ee) (1). 724 So jetzt auch die Entscheidungspraxis: VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 12 ff., vgl. zu dieser Entscheidung VN 6/2002, 46 f.; VK Bund, Beschl. v. 20.5.2003 – VK 1-35/03, S. 12 f.; in diese Richtung auch Jennert, WRP 2002, 507, 508. 722

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tung für die Frage, ob ein Vergabeverfahren i. S. v. § 1 VgV vorliegt, vorzunehmen, so dass bei de-facto-Vergaben ein Vergabeverfahren zu bejahen ist. Die Systematik des Nachprüfungsrechts kann also nicht zur Verneinung der Anwendbarkeit von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB herangezogen werden. In systematischer Hinsicht spricht für die Anwendbarkeit der Nichtigkeitsfolge von § 13 VgV bei unterlassenem Vergabeverfahren weiter, dass Normadressat der §§ 97 ff. GWB jeder öffentliche Auftraggeber ist, der einen ausschreibungspflichtigen Auftrag vergeben will und nicht nur der, der ein förmliches Vergabeverfahren durchführt. Hieraus folgt nicht nur, dass das Nachprüfungsverfahren für die Fälle der de-facto-Vergabe einschlägig ist. Daraus ergibt sich darüber hinaus, dass die Bestimmungen des 4. Abschnitts des GWB über das Vergabeverfahren auch bei unterbliebener Ausschreibung Anwendung finden. Zu diesen Bestimmungen gehören auch die auf § 97 Abs. 6 beruhenden Bestimmungen, wozu § 13 VgV zählt.725 Weiter wird für die Ablehnung der Nichtigkeitsfolge auf Art. 2 VI der RMRL verwiesen, der ermögliche, dass auch bei Vergaberechtsverstößen keine Aufhebung des Vertragsschlusses zugelassen werde.726 Spätestens seit der Alcatel-Entscheidung steht aber fest, dass Art. 2 VI nicht gegen die Notwendigkeit angeführt werden kann, einen effektiven Primärrechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung sicherzustellen. Die Berufung auf Art. 2 VI darf nicht dazu führen, dass Primärrechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung gänzlich unmöglich ist. Daher kann Art. 2 VI hier nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, dass es unmöglich ist, einer defacto-Vergabe abzuhelfen. (b) Dennoch keine direkte Anwendbarkeit der Nichtigkeitsfolge – Der Regelungszusammenhang von 13 S. 5 VgV mit § 134 BGB Entscheidend für die Ablehnung der direkten Geltung der Nichtigkeitsfolge ist aber Folgendes: Über § 134 BGB727 lässt sich eine Nichtigkeit des Vertrages nur bei Verletzungen der Informationspflicht, nicht aber bei sonstigen Verletzungen des Vergaberechts wie dem Unterlassen der Ausschreibung herleiten.728 Eine 725

VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 12 ff. Antweiler, DB 2001, 1975, 1980. 727 Gleiches gilt für § 13 S. 6 VgV, der allerdings nach der hier vertretenen Auffassung verfassungswidrig ist, C. II. 5. a). 728 Der Anwendungsbereich der Nichtigkeitsfolge ist also über den Anwendungsbereich der Vorabinformationspflicht zu bestimmen. So wird zu Recht vertreten, dass „die Nichtigkeitsanordnung nicht aus dem Zusammenhang des § 13 VgV extra726

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Verletzung der Vorabinformationspflicht kann aber in den hier vorliegenden Fällen der de-facto-Vergabe nicht angenommen werden, da hier wie gezeigt729 mangels bekannter Bieter schon keine Pflicht zur Vorabinformation besteht.730 Eine Anwendung der Nichtigkeitsfolge bei der de-facto-Vergabe (ohne Verletzung einer Vorabinformationspflicht), würde also über den Wortlaut des § 13 VgV hinausgehen. Da die richtlinienkonforme Auslegung aber nur soweit geht, wie es der Wortlaut der nationalen Norm zulässt731, kann die Nichtigkeit eines geschlossenen Vertrages hier nicht über die richtlinienkonforme Auslegung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB hergeleitet werden.732 Er ist also nur bei tatsächlich eingeleitetem Vergabeverfahren direkt anwendbar.733 Im Ergebnis ergibt sich aus der Bejahung der europarechtlichen Notwendigkeit von Primärrechtsschutz auch bei der de-facto-Vergabe noch nicht, dass dieser Primärrechtsschutz auch über § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB gesichert werden kann. Allein der Hinweis auf die Notwendigkeit des effektiven Rechtsschutzes rechtfertigt nicht die Auslegung § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB über deren Wortlautgrenze hinaus.734 Die auf die Notwendigkeit des Primärrechtsschutzes aufbauende nachfolgende Frage, ob dieser Notwendigkeit über § 13 VgV entsprochen werden kann, musste also verneint werden. (6) Analoge Anwendung der Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB735 Da das Bestehen der Informationspflicht hier verneint wurde, kann man eine Nichtigkeit bei unterlassenem Vergabeverfahren nur dann annehmen, wenn man den Anwendungsbereich von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB hiert werden“ kann, sondern sei zwingend mit der Vorabinformationspflicht und dem Zuschlagsverbot verknüpft – Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 5. 729 Unter b) ee) (4). 730 So auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.12.2003 – Verg 37/03, WuW 2004, 239, 241; anders die Argumentation der VK Bund, Beschl. v. 20.5.2003 – VK 1-35/ 03, S. 12 ff. 731 Dazu schon oben B. III. 3. a) bb) (3). 732 So auch Dieckmann, NZBau 2001, 481, 482; Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 513. 733 So im Ergebnis auch Schimanek, ZfBR 2002, 39, 41. 734 Dieckmann, NZBau 2001, 481, 482 f. 735 Wenn den Bedenken gegen die Verfassungswidrigkeit des § 13 S. 6 VgV durch eine gesetzliche Ausgestaltung der Regelung des § 13 VgV und damit auch der Anordnung der Nichtigkeitsfolge Rechnung getragen ist (unter C. VII. 6.), stellt sich die Frage nach der analogen Anwendung dieser dann gesetzlichen Anordnung der Nichtigkeitsfolge.

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nicht auf Verletzungen der Informationspflicht beschränkt, sondern analog auf bestimmte andere Fehler im Vergabeverfahren ausdehnt.736 Voraussetzung für die analoge Anwendung der Anordnung der Nichtigkeitsfolge737 ist eine planwidrige Regelungslücke und der nicht geregelte Sachverhalt muss mit dem geregelten vergleichbar sein (nachfolgend unter (b) und (c).738 Zunächst ist allerdings darauf einzugehen, inwieweit einer anlogen Anwendung hier der Grundsatz der nicht Analogiefähigkeit von Ausnahmevorschriften entgegensteht: (a) § 13 S. 5 VgV (i. V. m. § 134 BGB) als nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift? § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB führen zu einer Ausnahme von dem vergaberechtlichen Grundsatz, der insbesondere in § 114 II GWB seinen Ausdruck gefunden hat, dass geschlossene Vergabeverträge auch bei deren Rechtswidrigkeit nicht aufgehoben werden können. Daher könnte eine analoge Anwendung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB von vornherein dadurch unmöglich sein, dass Ausnahmevorschriften eng auszulegen und daher in der Regel nicht analogiefähig sind.739 Eine analoge Anwendung von Aus736

Antweiler, DB 2001, 1975 ff. In Österreich stellt sich das Problem der de-facto-Vergabe in fast der gleichen Art und Weise. Auch hier ist die Frage des Primärrechtsschutzes entscheidend, da kein Sekundärrechtsschutz, d.h. kein Schadensersatzanspruch, geltend gemacht werden kann. Aber auch in Österreich sind die Vorabinformationspflichten bei der defacto-Vergabe direkt nicht anwendbar. § 53 a BVergG 2000 und jetzt § 100 BVergG 2002 gelten hier nicht. Zur Lösung wird in Österreich gleichfalls eine analoge Anwendung der Vorschriften der Nichtigkeitsfolge vertreten. Denn der Gesetzgeber wollte (wegen der Vorgaben des EuGH) die Anfechtung jeder vergaberechtswidrigen (Zuschlags-)Entscheidung ermöglichen. Die Vergabekontrollinstanzen in Österreich haben sich zu diesem Problem noch nicht geäußert – zum Ganzen Hoffer/ Schmölz, ecolex 2002, 67, 68 ff. und Pock, RPA 2003, 27, 29 ff. In Österreich stellt sich bei der de-facto-Vergabe noch das zusätzliche Problem, dass dem Rechtsschutzersuchen nicht nur der Bestand des Zuschlags, sondern auch die Präklusionsfristen nach § 169 Abs. 1 Z 9 und Abs. 2 Z 12 BVergG 2002 entgegenstehen. Diese werden aber nach der neuen Rspr. des EuGH zu den Grenzen von Präklusionsfristen (EuGH, Urt. v. 12.12.2002 – C-470/99 (Universale Bau), VergabeR 2003, 141 NZBau 2003, 162 = EuZW 2003, 141 und EuGH, Urt. v. 27.2.2003, C-327/00 (Santex SpA), NZBau 2003, 284 = VergabeR 2003, 305 m. Anm. Opitz = RPA 2003, 60) wegen Gemeinschaftswidrigkeit für unanwendbar gehalten (ausf. Pock, RPA 2003, 27, 28 ff.). 737 Klargestellt sei noch einmal, dass es hier also um die Überleitung der Nichtigkeitsfolge von bei Informationspflichtverletzungen und nicht um die Überleitung einer Informationspflicht bei de-facto-Vergaben selbst geht. 738 Näher Bydlinski, S. 475 ff.; Larenz/Canaris, S. 202 ff.; Kramer, S. 146 ff.; de Wall, S. 63 ff.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

nahmevorschriften ist allerdings dann nicht ausgeschlossen, wenn der Normgehalt die Ausnahme der Analogie auf einen ähnlichen, im Rahmen der Ausnahme liegenden Fall rechtfertigt. In den Grenzen ihres Gesetzeszweckes ist auch bei ihnen eine Analogie zulässig.740 Ob der Zweck des § 13 S. 5 VgV eine analoge Anwendung auch für de-facto-Vergabe zulässt, wird im Folgenden gerade untersucht, jedenfalls ist die analoge Anwendung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB nicht von vornherein ausgeschlossen.741 (b) Regelungslücke Eine Regelungslücke ist nicht deswegen abzulehnen, weil der ohne förmliches Vergabeverfahren geschlossene Vertrag bereits nach allgemeinem Zivilrecht über § 134 BGB wegen eines anderen Verbotsgesetzes als § 13 S. 5 VgV oder aber über § 138 BGB nichtig ist: Wie bereits oben742 gezeigt, kommt eine Nichtigkeit des nach de-factoVergabe geschlossenen Vertrages nach § 134 BGB ohne Heranziehung von § 13 S. 5 VgV nicht, nach § 138 BGB nur in Fällen der absichtlichen Umgehung des förmlichen Vergabeverfahrens durch beide Vertragspartner in Betracht. Die für die analoge Anwendung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB erforderliche Regelungslücke lässt sich also bejahen.743 (c) Planwidrigkeit der Regelungslücke Es spricht gegen die Planwidrigkeit der Regelungslücke, dass der Gesetzgeber bei Erlass des Vergaberechtsänderungsgesetzes darauf verzichtet hat, eine generelle Nichtigkeit für alle Aufträge einzuführen, die rechtswidrig ohne vorherige Ausschreibung vergeben wurden.744 739

So Antweiler, DB 2001, 1975, 1979; dem folgend Delius, ZfBR 2002, 341, 342; Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 517. 740 Soergel-Hefermehl, Anh § 133, Rn. 13 m. w. N.; Palandt-Heinrichs, Vor § 1 Rn. 45 m. w. N.; Kramer, S. 155 ff.; Bultmann, S. 278. 741 So inzwischen auch Bultmann, S. 278. 742 Unter ff) (1) – (3). 743 Das Bestehen der Regelungslücke lässt sich auch nicht mit dem Argument verneinen, dass dann, wenn keine ausdrücklich angeordnete Nichtigkeit vorliegt, der allgemeine Grundsatz des GWB, nach dem geschlossene Verträge auch bei Vergaberechtsverstößen nicht aufgehoben werden können, eingreift (so Antweiler, DB 2001, 1975, 1979 f.; vgl. auch Hailbronner, NZBau 2002, 474, 479 f.). Denn bei der Frage nach der analogen Anwendung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB soll ja gerade auch die Frage beantwortet werden, ob ihr Zweck ein Abweichen vom Grundsatz der Bestandskraft der Verträge trotz Vergaberechtsverstoßes rechtfertigt. 744 Vgl. Wegmann, NZBau 2001, 475, 478; Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 546; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.12.2003 – Verg 37/03, WuW 2004, 239, 241.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Das Ziel von § 13 VgV und seine Entstehungsgeschichte sprechen aber für die Ausdehnung der Nichtigkeitsfolge: § 13 VgV hat den Zweck, effektiven Rechtsschutz zu sichern. Nach der Verordnungsbegründung soll mit § 13 VgV dem „Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes bis zur Zuschlagserteilung entsprochen“ werden.745 Dies spricht dafür, ihn auch beim größtmöglichen Vergaberechtsverstoß, dem Verzicht auf jegliches Vergabeverfahren, anzuwenden.746 Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes muss gerade bei diesem Verstoß besonders betont werden.747 Mit § 13 VgV wollte der Verordnungsgeber die Durchsetzung der subjektiven Rechte der Unternehmen sicherstellen. Auch auf die Durchführung eines Vergabeverfahrens besteht ein subjektives Recht. Weiter soll § 13 VgV gerade dazu dienen, die durch die Alcatel-Entscheidung verdeutlichte Vorgabe des Gemeinschaftsrechts nach effektivem Rechtsschutz durchzusetzen. Das Gemeinschaftsrecht setzt aber „in jedem Fall“, also bei jedem Vergabeverstoß, auch der gänzlich unterbliebenen Ausschreibung, eine Überprüfungsmöglichkeit der Zuschlagsentscheidung voraus. Dies hat inzwischen auch der EuGH mit seinem Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03 „Stadt Halle“ so entschieden [dazu ausführlich oben unter ee) (1) (a)]. Der Vergaberechtsschutz, der sowohl für förmliche als auch für de-factoVergaben besteht, ist in beiden Fällen durch ein Informationsdefizit vor Zuschlagserteilung beschränkt. Der Verordnungsgeber wollte diese, durch den EuGH aufgezeigte Lücke insgesamt schließen.748 Daher ergibt sich aus dem 745

BT-Drs 455/00, 19. So auch Bär, ZfBR 2001, 375, 379; VK Bund, Beschl. v. 12.12.2002 – VK 1-83/02, S. 30; Bechtolsheim/Gnittke, Behördenspiegel 6/2001, B. II; i. Erg. zur Vermeidung von Umgehungen ebenso Byok, NJW 2001, 2295, 2301. 747 Vgl. Braun, NZBau 2001, 675, 677, der dieses Argument freilich in anderem Zusammenhang gebraucht und sich auch gegen die Anwendbarkeit der Nichtigkeitsfolge in den vorliegenden Fällen entscheidet. 748 VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 12 ff., vgl. zu dieser Entscheidung VN 6/2002, 46 f. Nach einer anderen Auffassung wollte der Verordnungsgeber nur für die Fälle der Durchführung eines Vergabeverfahrens eine Regelung erlassen, da die Vorgaben des EuGH und der MP-II-Entscheidung auch nur soweit gingen. Da der Gesetzgeber nur auf diese Vorgaben reagieren wollte, ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte, dass die Nichtigkeit nicht eingreife – Hailbronner, NZBau 2002, 474, 479; Heuvels/Kaiser, NZBau 2001, 479, 481. Gegen diese Auffassung spricht, dass nach dem ausdrücklich erklärten Willen des nationalen Gesetzgebers eine Verletzung der Rechte nach § 97 GWB auch gerade durch die Nichtdurchführung eines Vergabeverfahrens möglich ist [vgl. unter 5. b) bb)]. Dann muss man auch davon ausgehen, dass der Gesetzgeber ebenso in diesem Bereich effektiven Rechtsschutz schaffen wollte. 746

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Telos und der Entstehungsgeschichte von § 13 VgV, dass hier eine vom Verordnungsgeber nicht gewünschte Regelungslücke besteht. (d) Vergleichbarer Sachverhalt Gegen die analoge Anwendung könnte aber sprechen, dass keine vergleichbaren Sachverhalte vorliegen, wenn § 13 VgV einen völlig anderen Sachverhalt als den der de-facto-Vergabe regeln würde. Nach einer Auffassung geht es in der Konstellation der de-facto-Vergabe gerade nicht um einen vom Gesetz bisher nicht geregelten Fall der Verletzung einer des § 13 S. 1 VgV vergleichbaren Informationspflicht, sondern um die Ausdehnung der Nichtigkeitsfolge auf einen ganz anders gelagerten Sachverhalt,749 nämlich die Unterlassung des Vergabeverfahrens. Richtig ist, dass allein aus der Tatsache, dass auch bei der de-facto-Vergabe eine Rechtsschutzlücke besteht und § 13 VgV zur Schließung einer Rechtsschutzlücke eingeführt worden war, noch keine analoge Anwendung möglich ist. Dies genügt als verbindendes Element nicht. Allein der Umstand, dass in einem von der Norm nicht erfassten Bereich die gleiche Notwendigkeit nach effektivem Rechtsschutz besteht, wie in dem von der Norm geregelten Bereich, rechtfertigt noch nicht deren analoge Anwendung.750 Die Norm muss vergleichbare Sachverhalte regeln und nicht nur zur Lösung eines vergleichbaren Problems herangezogen werden. Allerdings muss beachtet werden, dass die Analogie gerade auch einen Unterschied in den Äußerlichkeiten der Sachverhalte voraussetzt. Denn nur bei ähnlichen, nicht aber bei gleichen Sachverhalten bedarf es überhaupt eines Analogieschlusses.751 Die Ähnlichkeit der Fälle wird dem gemäß nicht nach äußerlichen Ähnlichkeiten des Sachverhalts, sondern wertungsmäßig, nach dem Zweck der Norm bestimmt.752 Der nicht geregelte Fall muss dem geregelten wertungsmäßig (teleologisch) entsprechen.753 Es besteht also „Ähnlichkeit“ der Sachverhalte, wenn diese wertungsmäßig vergleichbar sind. 749 Hailbronner, NZBau 2002, 474, 480; im Erg. ebenso Stolz, Anm. zu VK Bund, Beschl. v. 1.2.2001, VergabeR 2001, 153, 154). 750 Hailbronner, NZBau 2002, 474, 480. 751 Larenz/Canaris, S. 202. 752 Bydlinski, S. 475 und 477; Larenz/Canaris, S. 202 ff. und 210; vgl. auch de Wall, S. 64. 753 Kramer, S. 155; Larenz/Canaris, S. 202 ff. und 210; vgl. auch de Wall, S. 64. Nach Bydlinski, S. 477 m. w. N. kann die Ähnlichkeit gerade auch in der Gleichheit des Schutzbedürfnisses bestehen.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Daraus ergibt sich für die analoge Anwendung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB auf de-facto-Vergaben Folgendes: Telos von § 13 VgV ist die Schließung einer Rechtsschutzlücke, die aufgrund eines Informationsdefizits besteht. Auch bei der de-facto-Vergabe liegt aber eine Rechtsschutzlücke aufgrund eines Informationsdefizits vor: Denn die Unternehmen könnten sich rechtlich gegen die de-facto-Vergabe wehren, wenn sie davon vor Zuschlagserteilung erführen [siehe oben unter b) gg)]. Sie erfahren aber nichts von der de-facto-Vergabe, weil bei der de-facto-Vergabe Bekanntmachungspflichten verletzt werden. Im Ergebnis ist also der Vergaberechtsschutz, der sowohl für förmliche Vergabeverfahren als auch für defacto-Vergaben besteht, in beiden Fällen durch ein Informationsdefizit vor Zuschlagserteilung beschränkt.754 Im von § 13 VgV unmittelbar erfassten Bereich besteht ein Informationsdefizit im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung, während bei der de-facto-Vergabe nicht nur ein Informationsdefizit im Hinblick auf die informelle Zuschlagsentscheidung, sondern auch im Hinblick auf das Vorliegen einer Beschaffungsabsicht des Auftraggebers vorliegt.755 Dies spricht dafür, dass hier ähnliche Sachverhalte vorliegen und eine analoge Anwendung zu bejahen ist. Außerdem erhöhen sowohl die Vorabinformationspflicht des § 13 S. 1 VgV als auch die Verpflichtung zur Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens die Transparenz der Auftragsvergabe. Beide Vorschriften schützen im Ergebnis damit auch den Wettbewerb. Damit wären die Voraussetzungen für die analoge Anwendung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB grundsätzlich gegeben.756 Die Anwendung der Nichtigkeitsfolge könnte aber dennoch wegen folgender Gesichtspunkte ausgeschlossen sein: Man muss sich bei der Bejahung des Eingreifens der Nichtigkeitsfolge bei de-facto-Vergaben darüber im klaren sein, dass der Auftraggeber dann den Abschluss eines nichtigen Vertrages nicht immer vermeiden kann, es also zu Rechtsunsicherheiten kommt: Abgesehen von den Fällen, in denen die Vergabestelle die Ausschreibung böswillig unterlässt, gibt es Fälle, in denen sich die Ausschreibungsverpflichtung nicht mit letzter Sicherheit feststellen lässt, d.h. auch mit guten Gründen verneint werden kann [dazu oben unter b) aa)]. Diese Rechtsunsicherheit ist allerdings – entgegen einer weit verbreiteten Ansicht757 – im Interesse eines möglichst effektiven Rechtsschutzes hinzu754 So auch VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 12 ff., vgl. zu dieser Entscheidung VN 6/2002, 46 f. 755 Zur Frage, ob deswegen hier ein Erst-Recht-Schluss gerechtfertigt ist, sogleich im Text. 756 So inzwischen auch Bultmann, S. 278.

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nehmen.758 Es erscheint gerechtfertigt, hier dem Auftraggeber das Risiko der unklaren Rechtslage aufzubürden, da die Frage der Beurteilung der Ausschreibungspflicht aus seiner Sphäre kommt. Es liegt in der Verantwortungssphäre jedes potentiellen öffentlichen Auftraggebers, sich hinsichtlich seiner Bindung an das Kartellvergaberecht rechtlich abzusichern und seine Auftraggebereigenschaft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu klären.759 So soll auch nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 30.4.2003 der Irrtum eines Auftraggebers über seine Eigenschaft als Adressat des Kartellvergaberechts nicht dadurch „prämiert“ werden, dass die Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 6 VgV nicht angewandt wird.760 „Da jeder Auftraggeber grundsätzlich für seine Irrtümer selbst einstehen muss und der Irrtum als solcher objektives Recht nicht beseitigen kann, ist ein Irrtum über die Einschlägigkeit des Vergaberechts – hier über die Ausschreibungspflichtigkeit an sich – für die Anwendung des § 13 Satz 5 und 6 VgV unerheblich.“761 Weiter könnte gegen die Geltung der Nichtigkeitsfolge auch die erhöhte Schutzbedürftigkeit des Auftragnehmers sprechen. Bei Geltung der Nichtigkeitsfolge würde der Partner des Vertrages mit kaum überschaubaren Risiken belastet.762 Er könne nicht für das rechtswidrige Handeln der Vergabestelle bestraft werden.763 Diese Argumentation kann aber nicht dazu führen, dass der nötige Primärrechtsschutz nicht eingreift. Denn das Bereicherungsrecht764 schafft hier einen Ausgleich für den Auftragnehmer (etwa durch die Gewährung von Nutzungsersatz). Außerdem kann der Auftragnehmer, wenn der Verstoß gegen die Verpflichtung zur Durchführung des Vergabeverfahrens fahrlässig oder vorsätzlich erfolgte, Schadensersatz aus cic verlangen (§§ 311 II i. V. m. 241 II, 280 I BGB).765 Denn auch bei der de-facto-Vergabe entsteht mit dem gutgläubigen Vertragspartner des Auftraggebers ein vorvertragli757 Vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.12.2003 – Verg 37/03, WuW 2004, 239, 244; Ingestau/Korbion-Portz, § 13 VgV Rn. 25; Ollmann, VergabeR 2004, 669, 675 f.; Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 517. 758 In diese Richtung auch VK Lüneburg, Beschl. v. 12.11.2003 – 203-VgK-27/ 2003, S. 9 f. 759 VK Bund, Beschl. v. 12.12.2002 – VK 1-83/02, S. 30; anders Dieckmann, NZBau 2001, 481 f.; Putzier, DÖV 2002, 517, 519; vgl. auch Bechtolsheim/Gnittke, Behördenspiegel 6/2001, B II; Jennert, WRP 2002, 507, 508. 760 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003 – Verg 67/02, WuW 2003, 850, 858. 761 VK Lüneburg, Beschl. v. 12.11.2003 – 203-VgK-27/2003, S. 9 f. 762 Hailbronner, NZBau 2002, 474, 481; Lindenthal, VergabeR 2003, 630, 631 ff. 763 Jennert, WRP 2002, 507, 509. 764 Vgl. aber Fn. 438. 765 Gegen eine erhöhte Schutzbedürftigkeit des Auftragnehmers (allerdings mit anderer Begründung) auch Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 11.

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ches Schuldverhältnis. Der Anspruch aus cic lässt sich damit aus der Fallgruppe des „Abschlusses unwirksamer Verträge“ herleiten, denn die Unwirksamkeit beruht hier auf einem Wirksamkeitshindernis, das aus der Sphäre einer Partei, des Auftraggebers, kommt.766 Die Abwägung zwischen dem auch vom Europarecht anerkannten Vertrauensschutz des erfolgreichen Bieters und den Rechtsschutzinteressen des Unternehmens fällt deswegen zugunsten der europarechtlich geforderten Rechtsschutzgewährung aus. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass sich für die zu bejahende Ausdehnung der Nichtigkeitsfolge allerdings nicht der folgende vielfach angeführte Erst-Recht-Schluss heranziehen lässt, der auf einen Vergleich der Rechtsverstöße abstellt: „Wenn schon der Verstoß gegen die Informationspflicht im Rahmen eines konkreten Vergabeverfahrens zur Nichtigkeit der Zuschlagserteilung führen solle, so gebietet es der [vom Gesetzgeber angestrebte] effektive Rechtsschutz umso mehr, eine Zuschlagserteilung kraft Gesetzes für unwirksam zu erklären, welcher der gravierendste denkbare Verstoß zu Grund[e] liegt, nämlich die Nichtanwendung des Vergaberechts selbst [gar keine Ausschreibung].“767 Die Anknüpfung des Erst-Recht-Schlusses an den jeweiligen Vergaberechtsverstoß setzt voraus, dass der Verstoß gegen die Informationsverpflichtung gegenüber dem Unterlassen des förmlichen Vergabeverfahrens tatsächlich ein „Minus“ ist. Hierbei ist zu beachten, dass der Verstoß gegen die Informationsverpflichtung nicht mit einem einfachen Vergaberechtsverstoß gleich gesetzt werden darf. Denn die Informationsverpflichtung ist die zentrale Norm zur Sicherung der Effektivität des Vergaberechtsschutzes, also die Absicherung des Rechtsschutzes eben für jene „einfachen“ Vergaberechtsverstöße. Ein Erst-Recht-Schluss ließe sich allenfalls im Hinblick auf den Vergleich der jeweils vorliegenden Informationsdefizite (dazu bereits zuvor) ziehen: Wenn die Nichtigkeitsfolge schon beim Informationsdefizit im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung eingreife, müsse sie erst Recht bejaht werden, wenn nicht nur die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung unbekannt sei, sondern auch die ganze Beschaffungsabsicht des Auftraggebers. Auch dieser Erst-Recht-Schluss ist aber dann unangemessen, wenn der Auftraggeber in gutem Glauben und mit guten Gründen (wegen der unklaren, dynamischen Rechtslage) von einer Ausschreibung abgesehen hat.768 766

Näher Palandt-Heinrichs, § 276, Rn. 77; Medicus, SchR AT, Rn. 106 ff. Hertwig, NZBau 2001, 241 f.; vgl. auch Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 8. 768 Vgl. auch Dieckmann, NZBau 2001, 481, 482 (zum erstgenannten Erst-RechtSchluss). 767

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(e) Ergebnis für die analoge Anwendung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB in den Fällen der de-factoVergabe anzuwenden ist. (7) Konsequenzen aus der Bejahung der Nichtigkeit des Vertrages eines nach de-facto-Vergabe erteilten Zuschlages Hinsichtlich der Folgen der Nichtigkeit ist nach dem Stand der Auftragsabwicklung folgendermaßen zu differenzieren: (a) Die Auftragsabwicklung hat noch nicht begonnen Man könnte der Auffassung sein, dass die Vergabekammer (VK) der Vergabestelle bei der noch nicht begonnenen Auftragsabwicklung für den Fall der Leistungsvergabe769 die Durchführung eines formellen Vergabeverfahrens vorschreiben kann.770 Richtigerweise kann die VK aber die förmliche, d.h. vergaberechtskonforme Fortsetzung des laufenden Vergabeverfahrens anordnen, denn bei der de-facto-Vergabe liegt nach materiellem Verständnis ein Vergabeverfahren vor. Dieses dauert wegen des Eingreifens der Nichtigkeitsfolge auch noch an. Im Unterschied zur vorstehend angesprochenen Anordnungsmöglichkeit der VK hat das zur Konsequenz, dass die Vergabestelle von der begonnenen (de-facto-)Vergabe nur beim Vorliegen von Aufhebungsgründen Abstand nehmen kann. Die Verpflichtung zur Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens erstreckt sich also nicht nur auf den Fall, in dem sich die Vergabestelle zur Vergabe des Auftrages erneut entscheidet. Dies erscheint auch gerechtfertigt, da der Auftraggeber an seiner durch die defacto-Vergabe dokumentierten Vergabeabsicht festgehalten werden soll. (b) Der Auftrag ist schon teilweise abgewickelt Die Nichtigkeit des Vertrages führt hier dazu, dass eine Rückabwicklung der bereits erfüllten Vertragsteile nach Bereicherungsrecht771 zu erfolgen 769 Diese Einschränkung wäre nötig, da sich der Auftraggeber sich auch entschließen kann, gar nicht zu vergeben. 770 In diese Richtung VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 18. 771 Vgl. aber Fn. 438 (Teil 2, C.).

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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hat, soweit diese möglich ist. Eine Rückabwicklung ist etwa zumeist unproblematisch möglich bei Lieferaufträgen.772 Die VK kann hier – wie in der zuvor erörterten Fallgestaltung – für den gesamten Umfang der de-factoVergabe die förmliche Fortsetzung des Vergabeverfahrens anordnen. Da die Rückabwicklung zur Folge hat, dass der Auftraggeber seinen Bedarf noch nicht gedeckt hat, ergibt sich für ihn daneben auch faktisch die Notwendigkeit, zur Deckung seines Bedarfs ein formelles Vergabeverfahren durchzuführen. Die Vergabekammer kann aber die soeben angesprochene Rückabwicklung des schon abgewickelten Auftragsteiles nicht selbst anordnen, da es dazu nach Durchführung eines formellen Vergabeverfahrens nicht zwangsläufig kommen muss. Denn im förmlichen Vergabeverfahren kann sich ergeben, dass der Zuschlag ohnehin an den ursprünglich ausgewählten Unternehmer zu erteilen wäre. Zum anderen fehlt es für eine solche Anordnung an der entsprechenden Kompetenz der Vergabekammer.773 Ist die Rückabwicklung der schon erfüllten Auftragsteile (Rückgabe des beschafften Gutes) dagegen unmöglich774, kann die VK nur hinsichtlich des noch nicht abgewickelten Restes die förmliche Fortsetzung des Vergabeverfahrens vorschreiben. Sie kann keine gesamte Neuvergabe verlangen. Die Vergabestelle kann nicht zur doppelten Beschaffung verpflichtet werden.775 Die förmliche Fortsetzung des Restes der Auftragsvergabe hat aber auch dann nach den Vergabevorschriften von oberhalb der Schwellenwerte zu erfolgen, wenn dieser Rest die Schwellenwerte nicht mehr erreicht.776

772 Dazu bereits oben unter C. I. und C. II. 4. b). Zur Anwendung von § 814 BGB und zum Schadensersatzanspruch des bei der de-facto-Vergabe bezuschlagten Bieters, Wagner/Steinkemper, BB 2004, 1577, 1583 f. 773 Dazu bereits oben unter C. I. und C. II. 4. b). Der Auftragnehmer kann dann für seine Leistung Wertersatz nach § 818 II BGB verlangen. Vgl. aber auch Fn. 438. 774 Dazu bereits oben unter C. I. und C. II. 4. b). 775 Dies zeigen auch die Entscheidungen KG Berlin, Beschl. v. 7.11.2001, KartVerg 8/01I, WuW 2002, 316, 319 f. (Verg 550, 553 f.) und KG Berlin, Beschl. v. 24.10.2001, KartVerg 10/01, WuW 2002, 313 (Verg 547) = VergabeR 2002, 100, 102 f. m. Anm. Stapenhorst. Nach dem Urt. des BVerwG, Urt. v. 31.8.2003, DVBl. 2004, 317, wonach bei beamtenrechtlichen Stellenbesetzungstreitigkeiten zwar der Konkurrent befördert bleibt, für den nicht berücksichtigten Stellenbewerber aber u. U. neue Planstelle geschaffen werden muss, könnte der Ausschluss der doppelten Beschaffung auch für das Vergaberecht fraglich werden. Nach der Entscheidung des BverwG dürfen etwa haushaltsrechtliche Überlegungen nicht gegen die doppelte Beschaffung angeführt werden, da diese ja auch einem SEA nicht entgegengehalten werden könnten. 776 So auch das KG Berlin, Beschl. v. 7.11.2001, KartVerg 8/01I, WuW 2002, 316, 319 f. (Verg 550, 553 f.) in einem ähnlichen Fall.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

(c) Auftrag vollständig abgewickelt Ist der Auftrag schon vollständig abgewickelt, kann auf die soeben gemachten Ausführungen verwiesen werden, wenn die Rückgewähr noch möglich ist. Wenn die Rückgewähr der Leistungen dagegen nicht möglich777 ist, kann der Auftraggeber nicht zur erneuten, also zur doppelten Beschaffung verpflichtet werden. Für den Antragsteller führt die Nichtigkeit in dieser Fallkonstellation nicht zur Möglichkeit, den Zuschlag noch zu erhalten. Anders als bei der nur teilweisen Auftragsabwicklung besteht diese Chance nicht einmal für einen Teil des Auftrages. Trotzdem ist die Anordnung der Nichtigkeit des Vertrages auch in dieser Fallkonstellation nicht sinnlos: Zum einen muss der gegen die de-facto-Vergabe gerichtete Nachprüfungsantrag nicht wegen der Wirksamkeit des geschlossenen Vertrages als unzulässig abgewiesen werden. Es entsteht für den Antragssteller keine Kostenlast. Außerdem kann durch die VK das vergaberechtswidrige Handeln der Vergabestelle klargestellt werden. So wird etwa auch für vorgesetzte Behörden der Vergaberechtsverstoß dokumentiert. Da die bereits erfolgte Auftragsabwicklung in bestimmten Fällen nicht rückgängig gemacht werden kann, es also ohnehin nicht zu der vom Antragsteller angestrebten erneuten Auftragsvergabe kommt, könnte man auch daran denken, die Nichtigkeit bei der de-facto-Vergabe auf eine exnunc-Nichtigkeit zu beschränken. So hat dies die VK Baden-Württemberg in einem Fall der de-facto-Vergabe nach den Grundsätzen der so genannten fehlerhaften Vertragsverhältnisse getan.778 Braun, Vorsitzender der Vergabekammer in Stuttgart, hat diesen Ansatz weiter damit begründet, dass der Grundsatz, nach dem nichtige Rechtsgeschäfte als von Anfang an unwirksam anzusehen sind, durch eine auf das betreffende Rechtsgebiet bezogene Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung eingeschränkt sein kann.779 Vorliegend kann allerdings die Annahme einer ex-nunc-Nichtigkeit nicht überzeugen. Sie würde dazu führen, dass der Vertrag in Bezug auf bereits 777 Die erneute Auftragsvergabe kann etwa dadurch unmöglich sein, dass das abzureißende Gebäude schon abgerissen ist. 778 VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.3.2002, 1 VK 7/02, S. 18 unter Berufung auf Dreher, NZBau 2001, 244, 245, nach dem zumindest bei Dauerschuldverhältnissen zum Schutz des redlichen Vertragspartners eine ex nunc Nichtigkeit nach den Grundsätzen des fehlerhaften Vertragsverhältnisses anzunehmen ist. Im entschiedenen Fall war aber noch nicht mit der Auftragsabwicklung begonnen worden (Auftragsgegenstand war hier die Herausgabe des Amtsblattes der Gemeinde). Weyand, IBR 2002, 374 hält ganz allgemein die Frage, ob die Nichtigkeit nach § 13 S. 6 VgV ex tunc oder ex nunc wirke, für noch offen. 779 NVwZ 2004, 441, 444.

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abgewickelte Auftragsteile wirksam bliebe. Die de-facto-Vergabe wäre für den Auftraggeber insoweit überhaupt nicht sanktioniert. Nimmt man dagegen eine ex-tunc-Nichtigkeit an, kommt es dagegen bei Lieferaufträgen zur Rückabwicklung des Auftragsvertrages, worin eine „Sanktionierung“ der de-facto-Vergabe gesehen werden kann. Bei Unmöglichkeit der Rückabwicklung (Dienstleistungs- und Bauaufträge) kann der Auftraggeber zwar den Auftragsgegenstand „behalten“, er besitzt aber wegen der Nichtigkeit des Vertrages keine Gewährleistungsansprüche gegen den Auftragnehmer. Auch hierin kann eine Sanktionierung des Auftraggebers liegen, obwohl sich auch der bereicherungsrechtliche Wertersatzanspruch (§ 818 II BGB) des rechtswidrig beauftragten Unternehmers für seine Auftragsbearbeitung durch Mängel nach § 818 III BGB780 vermindert.781 Denn in dieser Verringerung des Wertersatzanspruchs ist nicht immer ein adäquater Ausgleich für die Mängel der Leistung zu sehen. Diese drohenden Nachteile der de-facto-Vergabe bei der ex-tunc-Nichtigkeit können den Auftraggeber zur sorgfältigen Prüfung seiner Ausschreibungspflicht anhalten. Denn angemessene Sanktionen bei Vergaberechtsverstößen sind – auch nach Auffassung der Europäischen Kommission – wesentliches Element der Durchsetzung der Rechtsvorschriften für das öffentliche Auftragswesens.782 Bei der Annahme der ex-nunc-Nichtigkeit würde außerdem jeder Auftraggeber versuchen, den Auftrag so schnell wie möglich vollständig abzuwickeln. Es käme zu einer Art Wettlauf zwischen Auftragsabwicklung und der (möglichen) Inanspruchnahme von Rechtsschutz. (8) Ausblick auf die Rechtsfolge bei de-facto-Vergaben nach der geplanten Neuregelung des Vergaberechts durch den Referentenentwurf des BMWA vom 8.2.2005 Im Referentenentwurf des BMWA vom 8.2.2005 zur Neuregelung des Vergaberechts wurde auch eine ausdrückliche Regelung zu den Folgen von 780 Das gleiche Ergebnis ergibt sich in der Regel, wenn man mit der Rspr. bei nichtigen Werkverträgen die Rückabwicklung über die GoA – Vorschriften vornimmt. Der Auftraggeber hat dann bei vom Auftragnehmer verschuldeten Mängeln einen Anspruch aus pVV der GoA (280 I BGB n. F.) – näher Fn. 438 und Gold, JA 1994, 205, 207 und 212. 781 Aus dem Wegfall der Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers ergibt sich also keine unangemessene Begünstigung des rechtswidrig beauftragten Unternehmers. 782 Grünbuch der EG-Kommission „Das Öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union – Überlegungen für die Zukunft“ KOM 96, 583 v. 27.11.1996, S. 20.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

de-facto-Vergaben aufgenommen. Das BMWA hat sich dazu unter dem Eindruck zahlreicher, in ihrer Zahl zunehmender Vertragsverletzungsverfahren durch die Europäische Kommission wegen de-facto-Vergaben und der Änderung der obergerichtlichen Rechtsprechung zur ausdrücklichen Regelung der Rechtsfolgen von de-facto-Vergaben entschlossen:783 Nach der Rechtsprechungslinie, die sich inzwischen herausgebildet hat, ist ein effektiver Rechtsschutz gegen de-facto-Vergaben nicht mehr sichergestellt, obwohl das Europarecht dies – nunmehr durch das EuGH-Urteil vom 11.1.2005 in der Rs. C-26/03 „Stadt Halle“ zweifelsfrei festgestellt784 – fordert: Nachdem die Entscheidungspraxis bei de-facto-Vergaben zunächst überwiegend den Rechtsschutz über die Anwendung der Nichtigkeitsfolge von § 13 S. 6 VgV sichergestellt hatte, vertritt sie inzwischen – ausgelöst durch eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 3.12.2003 – die einschränkende Auffassung, dass § 13 S. 6 VgV jedenfalls dann nicht auf die de-facto-Vergabe anwendbar ist, wenn der Auftraggeber von vornherein nur mit einem Bieter verhandelt hat [ausführlich dazu bereits unter (4)]. Daraus folgt, dass in diesen Fällen gegen de-facto-Vergaben kein effektiver Vergaberechtsschutz mehr möglich ist. Diese Linie der Entscheidungspraxis, die Nichtigkeitsfolge des § 13 VgV nur dort anzuwenden, wo mehrere Bewerber um den Auftrag vorhanden sind, lässt dem Auftraggeber die Fluchtmöglichkeit, von Anfang an eine bewusste „Geheimhaltungspolitik“ zu betreiben und die Vergabe des Beschaffungsvorhabens öffentlicher Aufmerksamkeit zu entziehen.785 Ein Auftraggeber, der wenigstens ein formloses Verfahren unter Beteiligung mehrerer Interessenten durchführt, steht schlechter, als ein Auftraggeber der exklusiv ohne jeden Wettbewerb vergibt.786 Wenn in der Entscheidungspraxis darauf hingewiesen wird, dass in diesen Fällen eine Korrektur über § 138 BGB möglich wäre787, so hat 783 Für die Aufnahme einer Regelung zu de-facto-Vergaben auch der Bericht der Arbeitsgruppe zu Verschlankung des Vergaberechts, Ziff. VI 8.1 (ähnlich wie jetzige Regelung im Entwurf). Auch nach der Auswertung der Fragebögen zu den Erfahrungen mit dem VgRÄG befürworten die Verbände und Vergabekammern mehrheitlich eine Einführung der Nichtigkeit für de-facto-Vergaben (ca. 60%), dagegen nur etwa 20%. Drei Viertel der Anwälte, Auftragsberatungsstellen und Bauunternehmen sprachen sich für eine Ausdehnung der Nichtigkeitsfolge aus. 784 Näher dazu bereits unter b) dd) (1). 785 Dazu auch OLG Jena, Beschl. v. 28.1.2004 – 6 Verg 11/03, S. 15. 786 Polster, Anm. zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.2003 – Verg 37/03, IBR 2004, 86. 787 So OLG Jena, Beschl. v. 28.1.2004 – 6 Verg 11/03, S. 15; vgl. auch VK NRW, Beschl. v. 17.6.2004 – VK 2-6/04, S. 16: An das vom OLG Düsseldorf geforderte kollusive Zusammenwirken dürften hier keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. „Hier weitergehendere Nachweise zu fordern, dürfte die Möglichkeiten der meisten Bieter bei weitem übersteigen. Bei der anwaltlich beratenen An-

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sich diese Korrekturmöglichkeit in der Praxis als unzureichend erwiesen, da sie selbst in Evidenzfällen nahezu nie angewandt wird.788 Nach der dementsprechend aufgenommenen Regelung in § 101 b GWB-E des Referentenentwurfs ist ein Vertrag nicht nur schwebend unwirksam, wenn der Auftraggeber gegen die Vorabinformationspflicht des § 101a verstoßen hat, sondern auch, wenn er „einen öffentlichen Auftrag unmittelbar an ein Unternehmen erteilt, ohne andere Unternehmen am Vergabeverfahren zu beteiligen und ohne dass dies aufgrund dieses Gesetzes gestattet ist.“ Die Geltendmachung der Unwirksamkeit wurde befristet. Sie muss innerhalb von 30 Kalendertagen789 ab Kenntnis des Verstoßes, nicht jedoch später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht werden. Hat der Auftraggeber die Auftragsvergabe europaweit bekannt gemacht, endet die Frist zur Feststellung der Unwirksamkeit 30 Kalendertage nach Veröffentlichung der europaweiten Bekanntmachung der Auftragsvergabe. Wird die Unwirksamkeit nicht fristgemäß im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht, ist der Vertrag nach § 101 b III GWB-E von Anfang an wirksam.790 Außerdem soll in § 129 c I Ziff. 2 GWB-E die Möglichkeit der Verhängung eines Bußgeldes gegen Auftraggeber vorgesehen werden, die vorsätzlich oder fahrlässig einen öffentlichen Auftrag unmittelbar an ein Unternehmen erteilen, ohne andere Unternehmen in dem Vergabeverfahren zu beteiligen und ohne dass dies aufgrund dieses Gesetzes gestattet ist. Die Ordnungswidrigkeit kann nach § 129 c II GWB-E mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro geahndet werden Stellungnahme zur geplanten Befristung der Geltendmachung der Unwirksamkeitsfolge: Ausgangspunkt für die Befristung der Unwirksamkeit ist, dass es ansonsten bei der de-facto-Vergabe noch lange nach Zuschlagserteilung zur Feststellung kommen könnte, dass keine wirksame Auftragserteilung vorliegt.791 Bisher lässt sich aber noch keine verlässliche Aussage darüber treffen, ob sich durch die auch bisher schon (teilweise) bejahte Unwirksamkeit tragsgegnerin darf die Sachkenntnis zur Frage der prinzipiellen Notwendigkeit von Ausschreibungen nach dem Vergaberecht vorausgesetzt werden.“ 788 Vgl. nur VK Bund, Beschl. v. 12.10.2004, VK 3 – 182/04, S. 6 ff. 789 Der Arbeitsentwurf vom 8.10.2004 sah hier noch 14 Tage vor. 790 Dieses dogmatische Konstrukt des Wirksamwerden des Vertrages wird von Marx, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 127, 135 als die „Selbsterweckung eines Toten“ bezeichnet. 791 So auch Dreher, NZBau 2001, 244, 245. Daher diskutieren eine Befristung der Unwirksamkeitsfolge auch schon vor dem Referentenentwurf des BMWA: Braun, NVwZ 2004, 441, 444 (Frist von einem Monat) und Leinemann, 2.A., Rn. 67 (schwebende Unwirksamkeit von 2–3 Monaten).

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des Vertrages bei de-facto-Vergaben in Verbindung mit den dargestellten Folgen der Nichtigkeit des Auftragsvertrages in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten ergeben, wie dies bereits oft befürchtet worden ist oder ob die Fälle der de-facto-Vergaben mit Rückabwicklungsschwierigkeiten die Ausnahme bleiben. Um diese Gefahren von vornherein zu vermeiden sieht § 101 b GWB-E eine gestaffelte Fristenregelung zur Geltendmachung der Unwirksamkeit vor: 1. Bei Kenntnis des Verstoßes muss die Unwirksamkeit innerhalb von 30 Kalendertagen geltend gemacht werden. 2. Hat der Auftraggeber die Auftragsvergabe europaweit bekannt gemacht, endet die Frist zur Feststellung der Unwirksamkeit 30 Kalendertage nach Veröffentlichung der europaweiten Bekanntmachung der Auftragsvergabe. 3. Absolute Höchstfrist für die Geltendmachung der Nichtigkeitsfolge sind sechs Monate nach Vertragsschluss. Solche Präklusionsvorschriften, die in vielen europäischen Vergaberechtsordnungen zu finden sind792, sind mit dem Europarecht vereinbar, wenn sie gewährleisten, dass der gewährte Rechtsschutz nicht ungünstiger ist als für vergleichbare von nationalen Regelungen gewährte Rechte und sie die Ausübung der von der Rechtsmittelrichtlinie gewährten Rechte nicht praktisch unmöglich machen.793 Nach dem EuGH verstößt also eine Festsetzung von Präklusionsfristen grundsätzlich nicht gegen das europarechtliche Effektivitätsgebot, da dieses ein Anwendungsfall des Grundsatzes der Rechtssicherheit ist, dem auch Präklusionsfristen dienen.794 792 Zu den Präklusionsfristen nach dem österreichischen Bundesvergabegesetz Pock, RPA 2003, 27, 30. Andere europäische Länder differenzieren für die Aufhebbarkeit des Zuschlags danach, wieweit der Auftrag bereits ausgeführt ist. Drohen durch einen Entzug und eine Neuvergabe des Auftrags erhebliche Schäden, so muss die Auftragsvergabe dort wirksam bleiben. 793 Vgl. die Schlussanträge des GA zur 3. Vorlagefrage in der RS C-470/99 (Universale-Bau) v. 8.11.2001, RPA 2001, 238, 244 f. m. Anm. Edlinger (vgl. dazu auch Monatsinfo forum vergabe 1/2002, S. 180 f.); EuGH, Rs. 68/79, Slg. 1980, 501, Rn. 22; EuGH, Rs. 61/79, Slg. 1980, 1205 Rn. 23; zum dementsprechenden Problem bei den Rügepflichten: EuGH, Urt. v. 12.12.2002 – C-470/99 (Universale Bau), VergabeR 2003, 141 = EuZW 2003, 141 und EuGH, Urt. v. 27.2.2003, C327/00 (Santex SpA), VergabeR 2003, 305 m. Anm. Opitz = NVwZ 2003, 709 grundsätzlich zulässig; näher Antweiler, EuZW 2003, 330; Pock, RPA 2003, 27, 28 f.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.5.2004 – 11 Verg 8, 9/04, NZBau 2004, 567, 569; Monatsinfo forum vergabe 1/2002, S. 180 f.; Mertens, S. 107 ff. 794 EuGH, Urt. v. 27.2.2003, C-327/00 (Santex SpA), VergabeR 2003, 305 m. Anm. Opitz = NVwZ 2003, 709.

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Vor diesem Hintergrund ist die erste Stufe der Fristenregelung – 30 Tage ab Kenntnis des Verstoßes – mit dem Europarecht vereinbar. Derjenige, der einen Vergaberechtsverstoß – hier durch Nichtausschreibung – erkennt, muss diesen auch innerhalb kurzer Frist geltend machen. Auch die zweite Stufe der Fristenregelung ist danach grundsätzlich europarechtlich zulässig. Diese Frist ist an die Veröffentlichung der europaweiten Bekanntmachung der Auftragsvergabe gekoppelt. Die dementsprechende Pflicht der nachträglichen Bekanntmachung der Auftragsvergabe soll in § 22 I i. V. m. 23 I Nr. 3 Vergabeverordnung-E geregelt werden. Ist die Auftragsvergabe bekannt gemacht, kann auch die Dauer der Unwirksamkeit bei de-facto-Vergaben begrenzt werden. Die Unternehmen erfahren von der Auftragsvergabe und können erkennen, dass diese in einem nicht-förmlichen Vergabeverfahren erfolgte. Sie haben also nach Bekanntmachung die Möglichkeit, gegen die nicht-förmliche de-facto-Vergabe vorzugehen. Problematischer ist allerdings die dritte Stufe der Fristenregelung, d.h. die Einführung einer absoluten Höchstfrist für die Geltendmachung der Unwirksamkeit sechs Monate nach Vertragsschluss. Es ist fraglich, ob bei einer solchen Frist tatsächlich bei jeder de-facto-Vergabe Rechtsschutz möglich ist oder ob nicht Fälle denkbar sind, in denen die rechtswidrige direkte Auftragsvergabe an den „genehmen“ Bieter 6 Monate im Dunkeln bleibt und daher nach dieser Frist wirksam wird. Wenn aber Unternehmen gar nichts von der erfolgten de-facto-Vergabe wissen und deswegen dagegen auch keinen Rechtsschutz einlegen können, wäre diese Ausgestaltung der Präklusionsvorschrift wohl mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar.795 Die Sechs-Monatsfrist wird in der Praxis auch neben den Fristenstufen 1 und 2 oft eine Rolle spielen, da viele Auftraggeber, die einen Auftrag im nichtförmlichen Vergabeverfahren vergeben, werden das Vergaberecht nicht für anwendbar halten und deswegen auch die Bekanntmachungspflicht nicht beachten. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch de lege lata in bestimmten Fällen schon der Ausschluss der Geltendmachung der Nichtigkeitsfolge bzw. des Rechts auf Vorabinformation796 über das Rechtsinstitut der Verwirkung möglich ist, etwa wenn der Nachprüfungsantrag mit erheblicher zeitlicher Verzögerung nach dem Erkennen der de-facto-Vergabe gestellt wird.797

795 In diese Richtung auch Pock, RPA 2003, 27, 30 für die schon bestehenden österreichischen Präklusionsfristen. 796 Da die Rechtsfolge der Nichtigkeit selbst kein subjektives Recht ist und daher nicht verwirken kann – vgl. Hoffmann, S. 82 f. (widersprüchlich dann aber auf S. 84).

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gg) Geltung der Nichtigkeitsfolge von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB, wenn zwar ein förmliches Vergabeverfahren durchgeführt wurde, dies aber rechtswidrig nur national und nicht europaweit erfolgte Neben der soeben erörterten Konstellation der de-facto-Vergabe stellt sich die Frage der Geltung der Nichtigkeitsfolge in vergleichbarer Weise auch dann, wenn zwar ein förmliches Vergabeverfahren durchgeführt wurde, dies aber rechtswidrig nicht europaweit, sondern nur national erfolgte. Eine solche Konstellation liegt etwa vor, wenn rechtswidrig das Vergabeverfahren nach den Vorschriften für Verfahren von unterhalb der Schwellenwerte durchgeführt, also der falsche Abschnitt der Verdingungsordnung angewandt wurde.798 Auch dieser Vergaberechtsverstoß kann unverschuldet sein, weil die Entscheidung durch den Auftraggeber, ob eine Vergabe dem oberhalb der Schwellenwerte geltenden Vergaberegime unterliegt schwierig sein kann. So besteht bei der Berechnung des Auftragswerts ein Spielraum des Auftraggebers, der nicht immer „nachprüfungsfest“ zu handhaben ist.799 Zum anderen ist auch die Bestimmung der Auftragsart, die Einfluss auf die Höhe des Schwellenwertes hat, nicht immer zweifelsfrei möglich. Allerdings ist die Umgehung des europaweiten Vergabeverfahrens auch oft vom Auftraggeber beabsichtigt. Grund ist, dass die aufwendige europaweite Ausschreibung vermieden werden soll und dass das unterhalb der Schwellenwerte durchzuführende Vergabeverfahren weitere Vereinfachungen800 für den Auftraggeber bietet. Für den Rechtsschutz bei dieser Fallkonstellation ist wiederum danach zu unterscheiden, ob der Zuschlag schon erteilt wurde oder nicht:

797 Zur Verwirkung des Nachprüfungsrechts: VK Bund, Beschl. v. 1.2.2001 – VK 1-1/01, VergabeR 2001, 143, 144 m. zust. Anm. Hartung; Putzier/Meincke, NZBau 2001, 376, 378 ff.; Brinker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 27 a, Rn. 20; Ingenstau/Korbion, 14. Aufl. 2001, § 27 Nr. 1, Rn. 11; zur Verwirkung allgemein und zu deren Voraussetzungen – de Wall, S. 246 ff. Hoffmann, S. 84 will hier den Grundsatz des venire contra factum proprium heranziehen. 798 Zu einem solchen Fall: OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.2.2004 – Verg W 8/ 03, VergabeR 2004, 773 m. Anm. Hertwig = ZfBR 2004, 504 = IBR 2004, 345 (Stolz); KG, Beschl. v. 10.10.2002, KartVerg 13/02, NZBau 2003, 338 = VergabeR 2003, 50 m. Anm. von Gottschalck und Braun, NVwZ 2004, 441; VK Hamburg, Beschl. v. 12.2.2004 – VgK 01/03; VK BW, Beschl. v. 27.6.2003 – 1 VK 29/03. 799 Dazu näher Teil 4, C. I. 1. 800 Dazu näher im 4. Teil B. III.

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(1) Zuschlag noch nicht erteilt Wenn der öffentliche Auftraggeber statt EG-weit nur im Wege der Öffentlichen Ausschreibung bundesweit auf der Grundlage der VOB ausgeschrieben hat, liegt ein förmliches Vergabeverfahren vor, so dass sich nicht die gleiche Problematik der Anwendbarkeit des Vergaberechtsschutzes wie bei der de-facto-Vergabe stellt.801 Die Unternehmen können damit vor Zuschlagserteilung überprüfen lassen, ob zu Recht nur ein nationales Vergabeverfahren durchgeführt wurde, also insbesondere auch, ob der Gesamtauftragswert richtig ermittelt wurde. Allerdings ist problematisch, dass bei nur nationaler Ausschreibung einige potentielle Bewerber gar nichts von der anstehenden Vergabe erfahren802 und so auch nicht um Rechtsschutz nachsuchen können: Denn im Verfahren unterhalb der Schwellenwerte muss die Bekanntmachung der Auftragsvergabe nur in einem nationalen Publikationsorgan erfolgen (vgl. etwa § 17 VOB/A), das die für die Auftragsvergabe in Betracht kommenden Wirtschaftskreise erreicht und einen ausreichend großen Bewerberkreis anspricht. Die Bekanntmachung muss demnach nicht bundesweit vorgenommen werden, sondern möglich ist hier z. B. eine Bekanntmachung im kommunalen Amtsblatt. Daher ist es zumeist nicht nur ausländischen Unternehmen unmöglich, von der Auftragsvergabe zu erfahren, sondern dies gilt auch für viele inländische Unternehmen. Dem lässt sich auch nicht mit dem Hinweis begegnen, dass zumindest diejenigen Unternehmen, die von der nationalen Ausschreibung erfahren bzw. sich sogar daran beteiligen, gegen die nur nationale Vergabe vorgehen und die europaweite Durchführung des Vergabeverfahrens durchsetzen könnten. Denn diese Unternehmen werden oft auf einen dementsprechenden Nachprüfungsantrag verzichten, da sie damit möglicherweise nur ihren Konkurrentenkreis vergrößern würden. Das damit aufgezeigte Informationsdefizit vieler Unternehmer (und die damit fehlende Rechtsschutzmöglichkeit) lässt sich auch nicht durch einen Hinweis auf die Informationspflicht des § 13 S. 1 VgV verneinen: Denn die Vorabinformationspflicht vor Zuschlagserteilung nach § 13 VgV gilt zwar für die Bieter, die an der nationalen Ausschreibung teilnehmen, da § 13 VgV nach richtiger Ansicht auch eine Pflicht zur Vorabinfor801 Dieser Fall lag dem OLG Naumburg, Beschl. v. 28.9.2001 – 1 Verg 6/01, NZBau 2002, 168 zur Entscheidung vor. Das OLG ging dann auch selbstverständlich von der Einschlägigkeit des vergabespezifischen Rechtsschutzes aus. 802 Vgl. auch Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst IV, Rn. 50.

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mation in Fällen der nur nationalen Vergabe schafft.803 Für die Unternehmen, die mangels Kenntnis nicht am Vergabeverfahren teilnehmen können, kommt dagegen schon von vornherein keine Vorabinformation nach § 13 VgV in Betracht, da diese potentiell interessierten Unternehmen gar nicht bekannt sind.804 Damit wird vor Zuschlagserteilung die eigentlich vergaberechtlich notwendige europaweite Durchführung eines Vergabeverfahrens oft nicht durchgesetzt.805 (2) Zuschlag schon erteilt Wenn der Zuschlag bereits erteilt ist, stellt sich die Frage, ob der nach nur nationaler Ausschreibung erteilte Zuschlag nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB nichtig ist.806 Hier ist danach zu unterscheiden, ob die an dem 803 Dies wird teilweise verneint. Die Vorabinformationspflicht gelte nur für Vergaben mit europaweiter Publizität (§ 1 VgV) – Delius, ZfBR 2002, 341, 343 f. Richtigerweise knüpft die Informationspflicht aber nicht an die Durchführung einer europaweiten Vergabe an. Sondern sie greift schon dann ein, wenn der Schwellenwert überschritten ist und die Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens nach Regeln von oberhalb der Schwellenwerte besteht – VK Münster, Beschl. v. 21.12.2001 – VK 22/01, S. 9; vgl. auch Hertwig, NZBau 2001, 241, 242. Es kommt nur darauf an, ob europaweit publiziert werden muss. Ob dies tatsächlich getan wurde, ist unerheblich. Ein in der Phase der Auswahl des Vergaberechtsregimes begangener Vergaberechtsverstoß „kann es nicht rechtfertigen, dass sich deshalb die Pflichtenlage des öffentlichen Auftraggebers in einer späteren Phase des Vergabeverfahrens verringert. Denn die Anwendbarkeit des § 13 VgV richtet sich nach der objektiven Rechtslage; der öffentliche Auftraggeber hat nicht die rechtliche Kompetenz, durch sein Verhalten über den Eintritt und die Reichweite der Nichtigkeitsfolge des § 13 Satz 6 VgV zu disponieren“. Diese Argumentation der VK Lüneburg, Beschl. v. 12.11.2003 – 203-VgK-27/2003, S. 10 zu einem ähnlichen Problem lässt sich hierher übertragen. 804 Vgl. zu diesem Problem schon bei der de-facto-Vergabe [6. b) (5) (d)]. Danach kommt auch eine allgemeine Bekanntgabe der geplanten Auftragsvergabe nicht in Betracht. 805 Erfahren die durch die nationale Ausschreibung nicht angesprochenen (ausländischen) Unternehmer doch vor Zuschlagserteilung von der nationalen Ausschreibung und wollen die europaweite Vergabe durchsetzen, so müssen sie nicht rügen, denn das die Rügepflicht rechtfertigende Treueverhältnis ist zu ihnen nicht entstanden – näher oben bei der de facto Vergabe – 5. b) ee) (1) (b) (bb). 806 Auch in der vorliegenden Fallkonstellation besteht die Notwendigkeit von Primärrechtsschutz für die am Vergabeverfahren nichtteilnehmenden Unternehmen nicht zuletzt wegen der Schwäche des Sekundärrechtsschutzes: Die Unternehmen, die kein Angebot abgegeben haben, haben kaum Chancen auf Schadensersatz. Zu ihnen ist kein vorvertragliches Vertrauensverhältnis entstanden und sie können mangels Angebotsabgabe nicht nachweisen, dass sie bei Beteiligung den Zuschlag erhalten hätten – näher zu den Schwierigkeiten der Geltendmachung von Schadensersatz ohne Beteiligung am Vergabeverfahren unter 5. b) dd); vgl. zu hier diskutierten Fall-

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nur nationalen Vergabeverfahren teilnehmenden Bieter informiert worden sind oder nicht: (a) Variante 1: Keine Vorabinformation nach § 13 VgV an die teilnehmenden Bieter Wie bereits herausgearbeitet807, besteht nach richtiger Auffassung die Informationspflicht des § 13 VgV auch dann, wenn nur ein nationales Vergabeverfahren durchgeführt wurde. Wenn daher nur einer der teilnehmenden Bieter nicht informiert worden ist, greift nach Zuschlagserteilung die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV bzw. nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB808 ein.809 Der geschlossene Vertrag ist dann also nichtig. Dies wird bei der nur nationalen Durchführung des Vergabeverfahrens auch der Regelfall sein: Die Vergabestelle wird bei Durchführung eines nur nationalen Vergabeverfahrens selbst die teilnehmenden Bieter zumeist nicht nach der Vorschrift des § 13 VgV informieren. Wenn sie ein Vergabeverfahren nach den Vorschriften unterhalb der Schwellenwerte durchführt, wird sie zumeist nicht den aus dem Normenprogramm von oberhalb der Schwellenwerte bestehenden § 13 VgV anwenden. Allerdings kann sich ein am nationalen Verfahren teilnehmender Bieter, der aus der nationalen Bekanntmachung das Überschreiten der Schwellenwerte hätte erkennen und daher rügen müssen810, nicht auf die Nichtigkeitsfolge berufen. Die objektiv bestehende Nichtigkeit kann von ihm subjektiv nicht geltend gemacht werden.811 Denn die Präklusionswirkung der Missachtung der Rügepflicht812 nach § 107 III S. 2 GWB erfasst auch die spätere Nichteinhaltung solcher Bestimmungen, die gerade nur bei gemeingruppe auch Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 74. 807 Vgl. Fn. 803. 808 Zur Verfassungswidrigkeit von § 13 S. 6 VgV und deren (geringen) Konsequenzen unter C. II. 4. a). 809 VK Münster, Beschl. v. 21.12.2001 – VK 22/01, S. 9 unter Berufung auf OLG Dresden v. 16.10.2001, a. a. O. VK BW, Beschl. v. 27.6.2003 – 1 VK 29/03, S. 12 ff.; für die Nichtigkeitsfolge hier auch Hertwig, NZBau 2001, 241, 242 und Braun, NVwZ 2004, 441; gegen die Nichtigkeitsfolge aus § 13 S. 6 VgV aber: VK Hamburg, Beschl. v. 12.2.2004 – VgK 01/03, S. 5 ff. 810 Dies bejahen das KG, Beschl. v. 10.10.2002, KartVerg 13/02, NZBau 2003, 338 = VergabeR 2003, 50 m. Anm. Gottschalck und das OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.2.2004 – Verg W 8/03, a. a. O. in sehr weitem Umfang. 811 Braun, NVwZ 2004, 441, 442 f. 812 Die Unterschätzung des Auftragswertes ist also nicht von der Rügepflicht ausgenommen, KG, Beschl. v. 10.10.2002, a. a. O., NZBau 2003, 338, 340.

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schaftsweiter Ausschreibung einzuhalten sind, wie die Vorabinformationspflicht.813 Man kann hier in Anlehnung an die BGH-Rechtsprechung zur Eigentumsverletzung bei der Lieferung mangelhafter Sachen von einer „Weiterfressenden-Präklusionswirkung“ sprechen. Dafür lässt sich anführen, dass sich ein Unternehmen nicht zunächst am Vergabeverfahren beteiligen können darf, ohne an der Wahl des Vergabeverfahrens von unterhalb der Schwellenwerte Anstoß zu nehmen und erst dann, wenn es den Auftrag nicht erhält, über § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB Rechtsschutz einklagen will.814 Er setzt sich damit zu seinem vorherigen Verhalten in Widerspruch und verstößt damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.815 (b) Variante 2: Vorabinformation nach § 13 VgV erfolgte an die teilnehmenden Bieter, obwohl ein nur nationales Vergabeverfahren durchgeführt wurde Es erscheint aber auch denkbar, dass ein (böswilliger) Auftraggeber, der die europaweite Ausschreibung bewusst unterlassen hat, zur Absicherung seines Vertragsschlusses gegen die drohende Nichtigkeitsfolge, den teilnehmenden Bieter eine § 13 VgV entsprechende Vorabinformation zusendet. Einen ähnlichen Fall hatte zuletzt das OLG Brandenburg816 zu entscheiden. Da hier alle teilnehmenden Bieter informiert worden sind, greift die Nichtigkeitsfolge unmittelbar nicht ein. Dennoch besteht hier – anders als bei der de-facto-Vergabe – in der Regel kein Bedürfnis nach einer analogen Anwendung der Nichtigkeitsfolge von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB: Handeln Auftraggeber und Auftragnehmer zur Umgehung des europaweiten Vergabeverfahrens zusammen, ist der mit ihm geschlossene Vertrag bereits nach § 138 BGB nichtig. So wird der Bereich, in dem es für die Herleitung der Nichtigkeitsfolge auf die analoge Anwendung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB ankommt, weiter eingeengt. Hinzu kommt, dass hier die Konstellation untersucht wird, in der der Auftraggeber die nicht erfolgreichen Bieter nach § 13 VgV über ihre bevorstehende Nichtberücksichtigung informiert. Diese Bieter werden dann aber in der Regel die oben angesprochene Zurückhaltung bei der Einlegung von Rechtsschutz aufgeben und ein Nachprüfungsverfahren einleiten. Dies hat dann zur Folge, dass die 813 KG, Beschl. v. 10.10.2002, KartVerg 13/02, a. a. O.; zu dieser Entscheidung auch Braun, NVwZ 2004, 441; ebenso im Ergebnis OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.2.2004, a. a. O. m. sehr krit. Anm. von Hertwig. 814 In dieser Richtung noch weitergehend OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.2.2004 – Verg W 8/03, a. a. O. 815 OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.2.2004, VergabeR 2004, 773, 775. 816 Beschl. v. 10.2.2004 – Verg W 8/03, a. a. O.

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europaweite Durchführung des Vergabeverfahrens angeordnet wird. Anders kann dies aber in Fällen sein, in denen für die teilnehmenden Bieter zu erkennen war, dass ein Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte hätte durchgeführt werden müssen. In diesem Fall können diese Bieter nicht gegen das fehlerhafte Vergabeverfahren vorgehen. Denn ein Unternehmen darf sich nicht zunächst am Vergabeverfahren beteiligen, ohne an der Wahl des Vergabeverfahrens von unterhalb der Schwellenwerte Anstoß zu nehmen und erst dann, wenn es den Auftrag nicht erhält, Rechtsschutz einklagen [dazu bereits unter (a)]. Insgesamt ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass sich die Frage nach der analogen Anwendung der Nichtigkeitsfolge bei nur nationaler Vergabe nur in dem seltenen Fall stellt, in dem folgende Umstände kumulativ vorliegen: Der nur national vergebende Auftraggeber muss die teilnehmenden Bieter von ihrer Nichtberücksichtigung informieren. Diese dürfen daraufhin nicht um Rechtsschutz nachsuchen bzw. ihnen muss die Befugnis dazu fehlen. Darüber hinaus darf der erfolgreiche Bieter nicht missbräuchlich am Unterlassen der europaweiten Durchführung des Vergabeverfahrens „mitgewirkt“ haben. Letztendlich ist also die Rechtsschutzlücke der von der Auftragsvergabe nicht informierten Bieter in der vorliegenden Fallkonstellation nur eine theoretisch denkbare Möglichkeit. Die Frage der analogen Anwendung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB kann deswegen hier dahinstehen.817 hh) Die Geltung der Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB bei Durchführung eines Verhandlungsverfahrens rechtswidrig ohne Teilnahmewettbewerb bzw. ohne Vergabebekanntmachung Wenig diskutiert ist bisher die Frage, ob die Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB auch dann (analog) gilt, wenn ein Verhandlungsverfahren rechtswidrig ohne Teilnahmewettbewerb818 bzw. ohne Vergabebekanntmachung819 durchgeführt wurde.820 Viele Unternehmen erfahren hier nicht von der Auftragsvergabe (fehlende Vergabebekanntmachung) 817

Eine Argumentation zur Nichtigkeitsfolge bei unterlassener europaweiter Ausschreibung findet sich dennoch bei Delius, ZfBR 2002, 341, 343 f. 818 Das gleiche Problem stellt sich bei Durchführung eines Nichtoffenen Verfahrens rechtswidrig ohne Teilnahmewettbewerb, das allerdings ansonsten nach den Regeln von oberhalb der Schwellenwerte durchgeführt wird. 819 Vgl. § 3 a Nr. 4 VOB/A. Nach § 17 a VOB/A hat die Vergabebekanntmachung europaweit zu erfolgen. 820 Gestreift wird dieses Problem von Putzier, DÖV 2002, 517, 519 und Gesterkamp, WuW 2001, 665, 669.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

oder haben keine Gelegenheit zur Abgabe eines Teilnahmeantrags (fehlender Teilnahmewettbewerb). Die Frage der analogen Anwendung nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB stellt sich auch hier nur für die Unternehmen, die nicht am Verhandlungsverfahren teilnehmen, denn beim Unterbleiben der Vorabinformation an die teilnehmenden Bieter ist § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB unzweifelhaft direkt anwendbar, da diese ja auch nach § 13 S. 1 von der bevorstehenden Zuschlagserteilung informiert werden müssen.821 Diese Information an die teilnehmenden Bieter wird der Auftraggeber hier – anders als soeben für die fehlende europaweite Durchführung des Vergabeverfahrens gezeigt – auch vornehmen, da er sich in der vorliegenden Konstellation über die Überschreitung der Schwellenwerte im Klaren ist. Auch hier kann u. U. eine Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 BGB in Betracht kommen. In den anderen Fällen wäre es auch in der vorliegenden Konstellation folgerichtig, die Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB analog mit der bei der de-facto-Vergabe verfolgten Argumentation anzunehmen. Auch hier besteht eine Rechtsschutzlücke aufgrund eines Informationsdefizits.

III. Endergebnis für den Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung nach der Einführung von § 13 VgV Durch § 13 VgV ist effektiver, den Vergaberichtlinien genügender Rechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung sichergestellt.822 Erforderlich dafür ist allerdings, § 13 VgV dahingehend zu ändern, dass er für den Beginn der 14-tägigen Wartefrist nicht mehr auf den Tag der Absendung der Vorabinformation, sondern auf deren Zugang abstellt. Mit der Vorabinformationspflicht des § 13 VgV ist damit das Rechtsschutzdefizit in Bezug auf die Zuschlagsentscheidung823 beseitigt wor821 Die nicht teilnehmenden Unternehmen müssen wiederum nicht informiert werden, da sie nicht bekannt sind (keine Bieter) – so im Erg. auch Putzier, DÖV 2002, 517, 519. 822 Die somit ermöglichte Überprüfung der Zuschlagsentscheidung durch die Nachprüfungsinstanzen bezieht sich darauf, ob die Vergabestelle die Grenzen des ihr bei der Zuschlagsentscheidung zustehenden Beurteilungsspielraums [näher unter B. I. 4. b) aa)] überschritten hat – Thüringer OLG, Beschluss v. 13.10.1999 – 6 Verg 1/99, BauR 2000, 388, 393. Zum inhaltlichen Umfang der Überprüfung der Zuschlagsentscheidung auch Achenbach, S. 214 ff. 823 Allerdings wird im Teil 4 der Arbeit noch auf den Rechtsschutz gegen die Aufhebung der Ausschreibung zurückzukommen sein, der auch Rückwirkungen auf die Effektivität des Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung hat.

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den.824 Dies bestätigt die Entscheidungspraxis, die basierend auf der Vorabinformation zunehmend auch Mängel der Zuschlagsentscheidung zum Gegenstand hat. Außerdem ist durch die erweiterten Primärrechtsschutzmöglichkeiten die Anzahl der Nachprüfungsverfahren angestiegen.825 Obwohl also bei der herausgearbeiten Auslegung des § 13 effektiver Rechtsschutz schon nach der lege lata bestehenden Rechtslage gegeben ist (mit Ausnahme der notwendigen Neuregelung zum Beginn der Wartefrist), sollten dennoch die bei der Darstellung der Einzelprobleme gemachten Vorschläge de lege ferenda umgesetzt werden. Fasst man diese Vorschläge in Bezug auf die Ausgestaltung des 13 VgV826 zusammen, so ergibt sich folgende Formulierung für die Regelung der Vorabinformationspflicht (zu deren Standort unter C. VII.): Abs. I „Nachdem der Auftraggeber die Entscheidung getroffen hat, welchem Bieter er den Zuschlag erteilen will (Zuschlagsentscheidung), sind alle am Verfahren beteiligten Bieter darüber zu informieren. Die Information hat in Textform zu erfolgen. Den Bietern, deren Angebote bei der anstehenden Zuschlagserteilung nicht oder nur teilweise berücksichtigt werden sollen, teilt der Auftraggeber den Grund der Nichtberücksichtigung ihres Angebotes und den Namen des Bieters mit, dessen Angebot angenommen werden soll. Ferner sind ihnen die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt zu geben, sofern nicht die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen von Unternehmen widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde.827 Der Vertrag darf erst 14 Kalendertage nach Zugang des Infor-

824 Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist nur die durch die Vorabinformationspflicht gesicherte Effektivität des Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung. Nur darauf hingewiesen sei daher, dass an der Effektivität des Rechtsschutzes auch aus anderen Gründen, die nichts mit dem beseitigten Informationsdefizit zu tun haben, gezweifelt wird. Näher: Petersen, BauR 2000, 1574 ff. und ders., Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003, ZfBR 2003, 611, 614 (Kritik, weil die Vergabekammer und das OLG nicht die Entscheidungsbefugnis haben, selbst den Zuschlag zu erteilen); Gesterkamp, WuW 2001, 665, 670 ff. und LG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.2001 – 34 O (Kart) 102/00, NZBau 2001, 583 (Kritik wg. mangelnder Durchsetzbarkeit der VK-Entscheidungen); Dreher, EuZW 1998, 197, 200 ff. (Kritik an fehlender selbstständiger hoheitlicher Vergabekontrolle, da viele Bieter die Vergabestelle mit Blick auf die nächste Vergabe nicht mit Nachprüfungsanträgen verstimmen wollen); zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Zuschlagssystems über den Rechtsschutz hinaus, vgl. unter C. V. 825 Diese Ursache für den kontinuierlichen Anstieg der Vergabenachprüfungsverfahren sieht auch Hugenroth, ZfBR Sonderbeilage 5/2003, 3, 11. 826 Daneben besteht der Vorschlag zur Anpassung der Regelung über die Länge der Zuschlagsfrist in der VOB/A [näher unter C. II. 2. a) bb)] und zur Einführung der Pflicht zur Angabe von Faxnummer oder E-Mail-Adresse [näher unter C. II. 2. c)]. 827 Zur Notwendigkeit dieses Satzes ausführlich unten unter VII. 1. a).

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

mationsschreibens bei sämtlichen Bietern geschlossen werden. Ein dennoch geschlossener Vertrag ist nichtig.“ Abs. II „Die Information an die nichtberücksichtigten Bieter muss weiter den Hinweis darauf enthalten, dass der Bieter nur innerhalb der nächsten 14 Kalendertage nach Zugang des Schreibens Gelegenheit hat, sein Interesse an der Zuschlagserteilung im Wege des Primärrechtsschutzes vor der zuständigen Vergabekammer geltend zu machen.“

Eine tabellarische Zusammenfassung der Pflichten und von Handlungsempfehlungen, die sich aus dem Erlass von § 13 VgV für den öffentlichen Auftraggeber und die Bieter ergeben, ist als Anhang dem 2. Teil der Arbeit angefügt (unter D.). Zur umfassenden Beurteilung der durch § 13 VgV geschaffenen Rechtslage soll im Folgenden weiter auf die Folgen eingegangen werden, die die Einführung der Vorabinformationsregelung bzw. die Erteilung der Vorabinformation hat, IV. Hier ist insbesondere zu untersuchen, ob von der mitgeteilten Zuschlagsentscheidung vor Zuschlagserteilung noch abgewichen werden kann und welchen Einfluss die Erteilung der Vorabinformation auf die Sekundärrechtsschutzmöglichkeiten des Bieters hat. Danach ist auf die Frage einzugehen, ob der EuGH in seiner Alcatel-Entscheidung über die Forderung eines effektiven Rechtsschutzes hinsichtlich der Vergabeentscheidung hinaus einen weitergehenden Eingriff in das deutsche Vergaberecht verlangt hat (V). Zwar ist das deutsche Vergaberecht nach dem Erlass von § 13 VgV wie gezeigt nicht mehr wegen mangelndem effektiven Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung europarechtswidrig. Dies könnte aber nach wie vor wegen der Ausgestaltung des deutschen Zuschlagssystems der Fall sein. Auch wenn die gegenwärtige Fassung des § 13 VgV zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung ausreichend ist, so ist dennoch weiter die Untersuchung sinnvoll, ob dafür nicht de lege ferenda eine alternative Regelung vorzugswürdiger wäre (VI). Erst nachdem festgestellt worden ist, dass es keine vorzugswürdigere Ausgestaltungsmöglichkeit zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes durch die Einführung der Vorabinformationspflicht gibt, kann darauf eingegangen werden, wo sich wegen dessen Einführung Änderungsbedarf an der Vergaberechtslage ergibt (VII). Hier wird es insbesondere darum gehen, de lege ferenda einen überzeugenden Standort für die Vorabinformationspflicht vorzuschlagen.

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IV. Folgen der Erteilung der Vorabinformation durch den öffentlichen Auftraggeber 1. Abweichung von der ursprünglich mitgeteilten Zuschlagsentscheidung möglich? Es stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die Vergabestelle vor Zuschlagserteilung (also idR während des Laufs der 14-Tagesfrist) von der mitgeteilten Zuschlagsentscheidung doch noch abweichen will, d.h. einem anderen Bieter als dem in der Information genannten den Zuschlag erteilen will, oder dies nach der durch die Information ermöglichten Rüge (oder eines Nachprüfungsverfahrens) muss. a) Frage der Rechtsnatur der Zuschlagsentscheidung und der darüber erteilten Vorabinformation Die Frage, ob und mit welchen Auswirkungen eine Abweichung von der mitgeteilten Zuschlagsentscheidung möglich ist, kann nur nach Klärung der Rechtsnatur des Vorabinformationsschreibens (der Vorabinformation) erörtert werden, aa). Weiter ist auch zu bestimmen, welche Rechtsnatur die Zuschlagsentscheidung hat. Wäre sie beispielsweise ein Verwaltungsakt (VA) nach § 35 VwVfG, so wäre eine Aufhebung der Zuschlagsentscheidung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, bb). aa) Rechtsnatur der Vorabinformation Wenn das Informationsschreiben selbst ein VA wäre (wie das Informationsschreiben bei der Beamtenernennung828), könnte davon nur unter den Voraussetzungen der §§ 48 ff. VwVfG abgewichen werden. Ein Verwaltungsakt ist die Regelung eines Einzelfalls durch eine Verwaltungsbehörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts und auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet (§ 35 VwVfG). Beim Informationsschreiben fehlt es schon an der Regelung. Die Handlung mit Regelungscharakter ist die Vergabeentscheidung als solche und nicht deren Bekanntmachung an die Bieter.829 Erklärungen, die nur eine Mitteilung oder eine Bewertung enthalten, aber keine unmittelbaren Rechtswirkungen hervorbringen sollen, sind keine VA.830 Das Vorabinformations828

BVerwGE 80, 127, 129; weitere Nachw. bei Wittig, S. 299 Fn. 30 und S. 300 Fn. 34; Schöbener, BayVBl 2001, 321, 326 m. w. N. 829 Vgl. auch Wittig, S. 300 Fn. 34; gegen den VA-Charakter auch Kalble, ZfBR 2003, 657, 658.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

schreiben ist aber nicht auf den Eintritt gewillkürter Rechtsfolgen gerichtet.831 Die Regelung muss für die Bejahung der VA – Qualität weiter „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ erfolgen. Wie schon angesprochen ist indes das gesamte Vergabeverfahren nach richtiger Auffassung zivilrechtlich einzustufen.832 Die Vorabinformation selbst hat damit nicht die Qualität eines VA (zur Ablehnung der Zweistufentheorie bei der Auftragsvergabe näher unter C. VI. 2.)833, so dass ein Abweichen davon nicht an die Voraussetzungen für die Aufhebung von VA gebunden ist. Es ist vielmehr ein privatrechtlicher Akt. Es wird deshalb vertreten, dass die Vorabinformation daher die zivilrechtliche Ablehnung des Angebots auf Abschluss eines Vertrages sei.834 Wäre dies der Fall, so wäre sie eine Willenserklärung.835 Die Einstufung der Vorabinformation als Ablehnung des Angebots überzeugt freilich nicht. Eine Ablehnung ist nur bei einer endgültigen Weigerung des Antragsempfängers, mit dem Antragenden den angeboten Vertrag zu schließen, gegeben. Durch sie stellt der Angebotsempfänger den Antragenden von der Bindung an sein Angebot frei (§ 146 BGB).836 Dies ist beim Vorabinformationsschreiben durch den Auftraggeber gerade nicht gewünscht. Mit diesem Schreiben ermöglicht er gerade noch einmal die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung. Wird er etwa durch eine Rüge von der Notwendigkeit einer anderen Zuschlagsentscheidung überzeugt, so ist es für die damit verbundene Bezuschlagung eines anderen Bieters vorteilhaft, wenn die Bindung der anderen Bieter an ihr Angebot noch fortbesteht. Mit der Vorabinformation will der Auftraggeber folglich die nichtberücksichtigten Bieter bis zum Vertragsschluss gerade nicht von ihrer Bindung an ihre Angebote freistellen. Richtigerweise ist die Vorabinformation damit keine Willenserklärung, da sie nicht auf den Eintritt gewollter Rechtsfolgen gerichtet ist.837 Aber auch 830

Maurer, § 9 Rn. 6 ff. Siehe sogleich bei der Verneinung der Ansicht, die die Vorabinformation für eine Willenserklärung (Ablehnung des Angebotes) hält. 832 Siehe unter B. III. 2. (bei der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit der Überprüfung der Zuschlagsentscheidung). 833 Wittig, S. 303 spricht sich de lege ferenda für die Ausgestaltung des Schreiben selbst als Verwaltungsakt aus. Dafür spreche, dass dann die Begründungsanforderungen des § 39 VwVfG gelten würden, so dass der Bieter die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels prüfen könne. 834 Gröning, wrp 2001, 1, 5. 835 So allg. für die Ablehnungserklärung: MK – Kramer, § 146 Rn. 4. Sie ist einseitiges Rechtsgeschäft, Soergel – Wolf, § 146 Rn. 4 und MK – Kramer, § 146 Rn. 4 Fn. 10. 836 Vgl. Soergel – Wolf, § 146 Rn. 3. 837 So auch Wilhelm, ecolex 2002, 149 für die vergleichbare österreichische Rechtslage. 831

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wenn die Vorabinformation (Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung) keine gewillkürten Rechtsfolgen hat, so heißt dies nicht, dass diese nicht kraft Gesetzes eintreten. So beginnt mit ihrem Zugang die Stillhaltefrist.838 Bei Erklärungen, die zwar Rechtsfolgen auslösen, dies aber nicht kraft eines darauf gerichteten Rechtsfolgewillens, sondern kraft Gesetzes tun, spricht man von geschäftsähnlichen Handlungen. Bei der Information über Tatsachen, die Rechtsfolgen auslöst, spricht man von „Wissenserklärungen“839, wobei die Terminologie hier nicht einheitlich ist.840 Beispiele dafür sind die Anzeigen nach §§ 149, 409 BGB, 377 I HGB und die Mitteilungen gem. §§ 171; 415 I BGB. Bei diesen Erklärungen sind zumindest die Bestimmungen über die Abgabe, den Zugang und die Auslegung von Willenserklärrungen analog anzuwenden.841 Die Vorabinformation ist also eine Wissenserklärung.842 Als Zwischenergebnis ist also festzuhalten, dass die Rechtsnatur der Vorabinformation nicht gegen die Möglichkeit des Auftraggebers spricht, auch noch nach Vorabinformation einen anderen Bieter auswählen zu können. Dem entspricht auch die Rechtslage in Österreich, wo die Vorabinformation nach § 20 Z 42 BvergG als eine zivilrechtliche, „nicht verbindliche Absichtserklärung“ definiert ist.843 bb) Rechtsnatur der Zuschlagsentscheidung Wenn die Zuschlagsentscheidung ein Verwaltungsakt wäre, wäre ihre Abänderung nur durch die Aufhebungsvorschriften der §§ 48 ff. VwVfG möglich.844 838

Näher unter C. II. 2. c). MK – Kramer, Vor § 116 Rn. 35. 840 Vgl. die Begriffe bei MK – Kramer, Vor § 116 Rn. 35 einerseits und bei Soergel – Wolf, Vor § 116 Rn. 21 ff., wo der Begriff der „Willensmitteilung“ in etwa dem der „Wissenserklärung“ entspricht. 841 MK – Kramer, Vor § 116 Rn. 36 f.; Soergel – Wolf, Vor § 116 Rn. 23 f. 842 Auch das KG Berlin geht davon aus, dass die Vorabinformation den geschäftsähnlichen Handlungen „am ehesten vergleichbar“ ist – KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235, 240 m. Anm. Erdl. 843 VfGH, v. 8.3.2004, RPA 2004, 166 (Estermann). 844 Nach Wittig, S. 201 steht die Ausgestaltung der anfechtbaren Vergabeentscheidung selbst im Belieben des Gesetzgebers. Er kann sie als Verwaltungsakt oder auch nur als interne Auswahlentscheidung mit anschließendem Informationsschreiben (das dann VA sein kann) ausgestalten. Er selbst ordnet sie wohl als VA ein, Wittig, S. 299 ff., spricht aber weiter die Möglichkeit an, dass die Zuschlagsentscheidung ein Vorbereitungs- oder Teilakt mit anschließendem Realakt (Informationsschreiben) sein könnte. 839

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Die Vergabeentscheidung ist eine Regelung iSv § 35 VwVfG.845 Wegen der Pflicht des Auftraggebers, den unterlegenen Bietern diese Entscheidung bekannt zu machen, liegt auch unmittelbare Außenwirkung vor. Da die Zuschlagsentscheidung den Abschluss des zivilrechtlichen Vergabeverfahrens bildet, wird sie aber nicht „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ getroffen.846 Sie ist daher ein privatrechtlicher Akt (zur Ablehnung der Zweistufentheorie bei der Auftragsvergabe näher unter C. VI. 2.). Eine Rücknahme der Zuschlagsentscheidung ist daher nicht an die Voraussetzungen der §§ 48 ff. VwVfG gebunden. Die Rechtsnatur der Zuschlagsentscheidung spricht also nicht gegen ihre Rücknehmbarkeit. Gegen die Rücknehmbarkeit der Zuschlagsentscheidung, ohne dass die Vergabestelle durch ein Nachprüfungsverfahren dazu gezwungen ist, könnte aber die Argumentation sprechen, welcher sich der Österreichische Verfassungsgerichtshof zum möglicherweise entsprechendem847 österreichischen Rechtsproblem bediente:848 Die Notwendigkeit der Beteiligung des in der Vorabinformation erstplatzierten Bieters am Nachprüfungsverfahren (seine Parteistellung) begründet er damit, dass dieser Bieter jedenfalls ab der Vorabinformation an die nichtberücksichtigten Bieter ein „subjektives Recht auf Erteilung des Zuschlags und Abschluss des begehrten Vertrages“ habe. Es bestehe ein „vergabegesetzlichen Anspruch auf Abschluss des Leistungsvertrages“.849 Dieser Anspruch bestehe allein unter dem Vorbehalt der Aufhebung der Zuschlagsentscheidung im Nachprüfungsverfahren. Ist also das nach der Vorabinformation eingeleitete Nachprüfungsverfahren nicht erfolgreich und ergibt sich 845 Zu den Begriffsmerkmalen des VA in Bezug auf die Vergabeentscheidung vgl. Wittig, S. 300 ff. 846 Anders Hausmann, EuZW 1999, 762, 763. 847 In Österreich stellt sich das Problem in besonderer Weise, da hier auch der erfolgreiche Bieter nach den meisten Landesvergabegesetzen mit der Vorabinformation von der (für ihn positiven) Zuschlagsentscheidung schon de lege lata zwingend informiert werden muss. Aber auch in Deutschland erfolgt in der Praxis eine Vorabinformation an den erfolgreichen Bieter, eine dementsprechende Verpflichtung wurde allerdings nur für die Rechtslage de lege ferenda vorgeschlagen, näher unter C. II. 1. b) bb). 848 VfGH, v. 10.12.2001, B 546/00-7, B 609/00-4, RPA 2002, 42, 47 m. Anm. Pock = wbl 2002, 431. 849 Einen solchen Anspruch diskutiert auch Wilhelm, ecolex 2002, 149 für das österreichische Recht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des OGH zu einem vergleichbaren Problemkreis. Ansatzpunkt ist eine Selbstbindung aus der Mitteilung der getroffenen Zuschlagsentscheidung und der daraufhin beabsichtigten Zuschlagserteilung. Die Vorabinformation würde dann vergaberechtlich bewirken, dass nur dem unangefochten (oder nicht erfolgreich angefochtenen) Bekannt gegebenem der Zuschlag erteilt werden darf [aber nicht muss, da eine Änderung durch die Vergabestelle möglich ist], zivilrechtlich, dass ihm zugeschlagen werden muss.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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kein Grund für die Aufhebung der Ausschreibung, hat der ausgewählte Bieter danach einen durchsetzbaren Anspruch auf Abschluss des Vertrages.850 Der VfGH schafft dem nach Vorabinformation erstplatzierten Bieter hier also im Ergebnis eine Art „Anwartschaftsrecht“. Dennoch ist auch nach der österreichischen Rechtslage von einer Rücknehmbarkeit der Zuschlagsentscheidung auszugehen: Zum einen muss berücksichtigt werden, dass die dargestellte Entscheidung des VfGH zur Rechtslage nach dem BVergG 1997 erging. Für das BVergG 2002 hat der VfGH inzwischen durch seine Entscheidung vom 8.3.2004851 die gegenteilige Auffassung vertreten und ist von einer Aufhebbarkeit der Zuschlagsentscheidung ausgegangen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das BVergG die Zuschlagsentscheidung ausdrücklich in § 20 Z 42 BVergG als „nicht verbindliche Absichtserklärung“ definiert.852 Zum anderen kann das Urteil des VfGH vom 10.12.2001 auch inhaltlich nicht überzeugen. Es setzt sich zu Unrecht in Widerspruch zu der bisher in Österreich vertretenen Ansicht, nach der auch dort die Zuschlagsentscheidung rücknehmbar ist. So führen etwa die Erläuterungen zur 1. Novelle zum WLVergG aus: „Zum „zweigliedrigen Zuschlagssystem“ ist klarstellend zu sagen, dass die „Zuschlagsentscheidung“ (§ 15 Abs. 8 Z 1) weder ein hoheitlicher Verwaltungsakt (Bescheid), noch eine zivilrechtliche Willenserklärung (Annahme eines Angebots, Zuschlagserteilung) ist. . . . Diese Entscheidungen sind in Österreich als Akte der Privatwirtschaftsverwaltung zu qualifizieren“. Die Zuschlagsentscheidung sei eine „zivilrechtliche Wissenserklärung“, die bis zur Zuschlagserteilung richtig gestellt werden könne.853 Dem ist auch nach der Entscheidung des VfGH zu folgen. Die Argumentation des VfGH geht fehl, kann also auch für die deutsche Rechtslage nicht zur Verneinung der Rücknehmbarkeit ohne Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens herangezogen werden. Der Auftraggeber will mit der Vorabinformation nur Primärrechtsschutz ermöglichen, aber keine weitergehende Bindung gegenüber dem in der Vorabinformation genannten erfolgreichen Bieter eingehen. Seine Ankündigung 850 Wenn sich der Auftraggeber aber unrechtmäßig weigert, dem ausgewählten Bieter den Zuschlag zu erteilen, ist allerdings fraglich, ob dieser Anspruch auch durchgesetzt werden kann. In Betracht käme hier eine Leistungsklage vor den ordentlichen Gerichten – Pock, Anm. zu VfGH, v. 10.12.2001, B 546/00-7, B 609/ 00-4, RPA 2002, 42, 48. 851 VfGH, v. 8.3.2004, RPA 2004, 166 (Estermann). 852 Vgl. auch Estermann, RPA 2004, 158 Fn. 1. 853 Erläuterungen zur 1. Novelle zum WLVergG (EBNOV), zum Allgemeinen Teil (zitiert nach Haunold, § 47a Ziff. 2 und zur § 15 Abs 8 (zitiert nach Haunold, § 15 Ziff. 2); vgl. auch Büchl, S. 100 f. und S. 136 f.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

des beabsichtigten Vertragsschlusses steht in jedem Fall unter dem Vorbehalt, dass ggf. die Änderung der Zuschlagsentscheidung wegen eines eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens notwendig wird. Dies hat der österreichische Verfassungsgerichtshof auch richtig erkannt. Aber selbst wenn Anlass für die Änderung der Zuschlagsentscheidung nicht die Anordnung einer Vergabekammer ist, muss der Auftraggeber die Zuschlagsentscheidung noch ändern können. So können etwa schon in einer Rüge eines Bieter Gesichtspunkte vorgetragen werden, die dem Auftraggeber zu einer Änderung der Zuschlagsentscheidung veranlassen. § 13 VgV will gerade die Möglichkeit schaffen, Argumente gegen die Richtigkeit auch der Zuschlagsentscheidung vorbringen zu können, so dass diese noch vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens geändert werden kann. Die Erteilung der Vorabinformation nimmt dem Auftraggeber also nicht die Freiheit, die Zuschlagsentscheidung auch ohne Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens abzuändern. Weiterhin ergibt sich nach allgemeiner Auffassung aus dem Vergaberecht gerade kein Anspruch auf Zuschlagserteilung für den Bestbieter. Daran hat sich durch die Einführung der Vorabinformationspflicht nichts geändert. Bestünde durch die Vorabinformation ein Anspruch auf Zuschlagserteilung würde de facto durch die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung die Zuschlagserteilung schon vorweggenommen.854 Dies überzeugt nicht. So ist auch in der Entscheidungspraxis anerkannt, dass allein durch den Ablauf der Vorabinformationsfrist ebenso wenig wie durch die interne Entscheidung der Vergabestelle, dass die in der Vorabinformation genannten Firma nach Ablauf dieser Frist den Zuschlag erhalten soll, der Vertrag zu Stande kommt.855 b) Ergebnis Eine Rücknahme und Änderung der Zuschlagsentscheidung ist daher jederzeit möglich. Dies ist inzwischen auch in der Entscheidungspraxis anerkannt und diese Vorstellung liegt ferner dem VHB 2002 des Bundes zu Grunde: aa) Anerkennung der Rücknehmbarkeit in der Entscheidungspraxis Auch die Entscheidungspraxis hat inzwischen die Möglichkeit des Auftraggebers anerkannt, die Zuschlagsentscheidung noch zu ändern (um einem anderen Bieter den Zuschlag zu erteilen), selbst wenn er darüber schon informiert hat. 854 855

Hoffer/Schmölz, Anm. zu BVA, 9.7.2001, RPA 2001, 143, 144. VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 31.10.2003 – 1 VK 63/03, S. 6.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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So ist zunächst die Zulässigkeit einer reinen Rücknahme der Vergabeentscheidung (und des Informationsschreibens) ohne gleichzeitige neue Zuschlagsentscheidung anerkannt. Die Entscheidungspraxis geht davon aus, dass eine „Rücknahme“ des Informationsschreibens und der Vergabeentscheidung möglich ist. Diese Rücknahme ist dann endgültig, so dass auf die ursprüngliche Vorabinformation die Zuschlagserteilung nicht mehr gestützt werden kann: Wenn der Auftraggeber mit einem ersten Schreiben gegenüber den Bietern die Mitteilung gem. § 13 VgV vornimmt, jedoch mit einem zweiten Schreiben mitteilt, dass die Vergabeentscheidung (wg. einer Rüge) nochmals überprüft werde und das erste Schreiben gegenstandslos sei, hebt er mit dieser zweiten Erklärung die Wirkung des ersten Informationsschreibens auf. Es kann also nicht 14 Tage nach dem ersten Informationsschreiben der Zuschlag erteilt werden,856 etwa wenn der Auftraggeber nach der Überprüfung der Vergabeentscheidung zum gleichen Ergebnis kommt. Genauso anerkannt ist, dass auch eine Rücknahme der ursprünglich mitgeteilten Zuschlagsentscheidung unter gleichzeitiger Vornahme einer neuen Zuschlagsentscheidung (= Änderung der Zuschlagsentscheidung) möglich ist.857 Die bloße Prüfung einer Rüge nach Erteilung der Information ist aber noch keine Rücknahme der Zuschlagsentscheidung. Rügt ein Bieter nach Erhalt der Information Vergaberechtsverstöße, so ist in der Prüfung der Berechtigung der Rüge noch keine Rücknahme der Zuschlagsentscheidung bzw. „der Mitteilung nach § 13 S. 1 VgV“ zu sehen.858 Mit dieser Prüfung ist die Vergabestelle noch nicht in eine erneute Angebotswertung eingetreten. Nur in diesem Fall ist aber eine Rücknahme der Zuschlagsentscheidung zu bejahen. Die Rüge mit der daraufhin folgenden Prüfung ihrer Berechtigung durch den Auftraggeber führt auch nicht zur Verlängerung oder Unterbrechung der Stillhaltefrist. Ansonsten hätte es der Bieter in der Hand, die Frist durch seine bloße Rüge „im Ergebnis nahezu beliebig zu verlängern“. Dies wäre indes mit der – wegen der Nichtigkeitsfolge – erforderlichen Rechtssicherheit unvereinbar.859 856

VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.2.2002 – 1 VK 52/01, S. 6. OLG Düsseldorf, v. 30.5.2001 – Verg 23/00, Monatsinfo forum vergabe e. V., 6/2001, Anl. 7 für einen Fall der Abweichung von einer Vorabinformation, die vor In-Kraft-Treten von § 13 VgV auf der Basis der Münzplättchen-II-Entscheidung erfolgte. Für Österreich: VfGH, v. 8.3.2004, RPA 2004, 166 (Estermann). 858 OLG Jena, Beschl. v. 29.5.2002 – 6 Verg 2/02, VergabeR 2002, 543, 544 = NZBau 2002, 526. 859 OLG Jena, Beschl. v. 29.5.2002 – 6 Verg 2/02, VergabeR 2002, 543, 544 = NZBau 2002, 526. 857

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

bb) Anerkennung der Rücknehmbarkeit im VHB 2002 des Bundes Die Bejahung der Rücknehmbarkeit der mitgeteilten Zuschlagsentscheidung liegt auch dem VHB 2002 zu Grunde wenn es dort in Ziff. 3 der Richtlinie des VHB zu § 27 a VOB/A (a. a. O.) heißt: „Wird von der ursprünglich beabsichtigten Vergabeentscheidung abgewichen, die der Mitteilung mit dem Einheitlichen Formblatt EFB Info/Abs-EG zugrunde lag, sind die Bieter erneut mit dem EFB Info/Abs-EG unter Einhaltung der Frist nach § 13 VgV zu unterrichten, bevor ein Zuschlag erteilt werden darf.“ c) Folgen der Rücknahme der Zuschlagsentscheidung aa) Unumkehrbarkeit der Rücknahme Die Rücknahme der Zuschlagsentscheidung ist unumkehrbar.860 bb) Information über die neue Zuschlagsentscheidung erforderlich Es ist über die geänderte Auswahlentscheidung zu informieren und erneut die 14-Tages-Frist abzuwarten. Denn auch nach der Änderung der Auswahl können Bieterrechte gefährdet sein. Dies ist selbst dann der Fall, wenn die Änderung der Auswahl durch ein Nachprüfungsverfahren erzwungen wurde. Denn die Auswahl kann weiter aus Gründen fehlerhaft sein, die bisher noch nicht Prüfungsgegenstand waren.861 Im Falle der Änderung der Auswahlentscheidung ist auch der ursprünglich begünstigte Bieter nach § 13 VgV als jetzt nachrangiger Bieter zu informieren. cc) Auswirkungen auf ein Nachprüfungsverfahren, das gegen die ursprüngliche, jetzt geänderte Zuschlagsentscheidung eingelegt wurde (1) Die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens Ein Nachprüfungsverfahren, das gegen die ursprüngliche, jetzt geänderte Zuschlagsentscheidung eingelegt wurde, erledigt sich:862 860

Vgl. bei Fn. 856. Erdl, VergabeR 2001, 10, 18: Nur die Rechte des zunächst begünstigten Bieters sind bei Änderung der Auswahlentscheidung wegen eines Nachprüfungsverfahrens gesichert, da er regelmäßig diesem Verfahren beigeladen war und er so über § 116 I, § 118 I S. 1 gesichert ist. 862 So OLG Düsseldorf, v. 30.5.2001 – Verg 23/00, Monatsinfo forum vergabe e. V., 6/2001, Anl. 7 für einen Fall der Abweichung von einer Vorabinformation, 861

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Eine Erledigung des Nachprüfungsverfahrens tritt nicht nur durch ein Ereignis ein, welches das Vergabeverfahren beendet (z. B. Aufhebung oder Zuschlagserteilung). Eine Erledigung ist auch durch die Rücknahme der mit dem Nachprüfungsantrag angegriffenen Vergabeentscheidung möglich. Damit ist der Streitgegenstand, d.h. das gerügte vergaberechtswidrige Verhalten weggefallen, so dass eine „Erledigung in sonstiger Weise“ nach § 114 II GWB vorliegt.863 Streitgegenstand bei einer Anfechtung der Zuschlagsentscheidung ist eben die Vergabeentscheidung als beanstandetes Verhalten zusammen mit der Geltendmachung einer aus dieser Entscheidung resultierenden Rechtsverletzung des Antragsstellers. In dem Moment, wo die Vergabestelle ihr beanstandetes Verhalten von selbst aufgibt, ist die Beeinträchtigung des Antragsstellers in seiner Chance auf Zuschlagserteilung beendet und der Streitgegenstand erledigt.864 Die Erledigung tritt kraft Gesetzes ein, es bedarf also keiner Erklärung eines Beteiligten. Besteht Streit über den Eintritt der Erledigung muss die Vergabekammer diesen aber ausdrücklich feststellen, soweit dies von einem Beteiligten beantragt wird.865 An der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens ändert sich auch nichts dadurch, dass der Auftraggeber gleichzeitig mit der Aufgabe seiner ursprünglichen Zuschlagsentscheidung eine neue Zuschlagsentscheidung trifft. Der Antragsteller muss vielmehr eine neue Rechtsverletzung geltend machen, d.h. einen neuen Nachprüfungsantrag stellen. Denn es ist nicht automatisch der Fall, dass der Antragssteller auch durch die neue Zuschlagsentscheidung in seinen Rechten verletzt ist bzw. sich darin verletzt sieht. Ob und in welchen Rechten der Antragsteller durch die neue Zuschlagsentscheidung verletzt ist, hat nichts mit der geltend gemachten Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Zuschlagsentscheidung zu tun, sondern muss neu vom Antragsteller geltend gemacht werden.866

die vor In-Kraft-Treten von § 13 VgV auf der Basis der Münzplättchen-II-Entscheidung erfolgte. 863 OLG Düsseldorf, v. 30.5.2001 – Verg 23/00, S. 11 f. 864 So ist dies auch nach der vergleichbaren österreichischen Rechtslage: Wilhelm, ecolex 2002, 149: Ohne Zuschlagsentscheidung wird dem Nachprüfungsverfahren die Grundlage entzogen. 865 OLG Düsseldorf, v. 30.5.2001 – Verg 23/00, S. 13. 866 OLG Düsseldorf, v. 30.5.2001 – Verg 23/00, S. 11 f.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

(2) Folge der Erledigung (a) Kosten der Nachprüfungsinstanzen Zwar fallen nach Erledigung der Hauptsache Kosten für die Inanspruchnahme der Vergabekammer an, jedoch sind diese nach § 128 III S. 3 GWB auf die Hälfte der Gebühr begrenzt.867 Die Frage, wer die Kosten bei einer Erledigung zu tragen hat, ist allerdings in § 128 GWB nicht geregelt. § 128 GWB regelt nur die Fälle des Obsiegens und des Unterliegens. Nach der bisherigen Entscheidungspraxis war über die Verteilung der Kosten des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 161 VwGO zu entscheiden.868 Danach wird über die Kostentragung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes befunden. Dies führte dazu, dass die Kosten in der Regel demjenigen auferlegt wurden, der ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich unterlegen wäre. Es war also zu prüfen, ob der Nachprüfungsantrag gegen die ursprüngliche Vergabeentscheidung zulässig und begründet gewesen wäre.869 War dies der Fall, musste der Auftraggeber die Kosten des Verfahrens tragen.870 Auf Vorlage des OLG Bremen871 nach § 124 II GWB hat der BGH durch seine Entscheidung vom 9.12.2003872 aber inzwischen für die Entscheidungspraxis verbindlich geklärt, dass der Antragssteller die für die Tätigkeit der Vergabekammer entstandenen Kosten zu tragen hat. Nach einer anderen in der Vergaberechtsliteratur vertretenen Auffassung soll dagegen maßgeblich sein, wer die Erledigung verursacht hat.873 Bei der Rücknahme der Zuschlagsentscheidung durch den Auftraggeber führt dies zu dem Ergebnis, dass der Auftraggeber die Kosten zu tragen hat.

867 Diese Vorschrift ist allerdings nur anzuwenden, wenn nicht nach der Erledigung ein Feststellungsantrag nach § 114 II S. 2 GWB gestellt wird – Immenga/ Mestmäcker – Stockmann, § 128 Rn. 6 m. w. N. 868 Vgl. die Nachweise bei Kraus, BauR 2000, 1545, 1562 f.; vgl. auch OLG Düsseldorf, v. 30.5.2001 – Verg 23/00, S. 13. 869 Dies tut das OLG Düsseldorf, v. 30.5.2001, a. a. O., S. 13 ff. und bejaht dies. 870 Vgl. auch die Nachweise bei Kraus, BauR 2000, 1545, 1562 f. 871 Beschl. v. 2.1.2002 – Verg 3/01, ZfBR 2002, 718. 872 VergabeR 2004, 414 = IBR 2004, 275 (Vehslage). 873 Immenga/Mestmäcker – Stockmann, § 128 Rn. 6 m. w. N.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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(b) Erstattung der Aufwendungen bei Antragssteller und Auftraggeber Der BGH hat in seiner bereits erwähnten Entscheidung vom 9.12.2003 für die Entscheidungspraxis ebenso verbindlich geklärt, dass eine Erstattung von Rechtsverfolgungskosten nicht stattfindet, so dass jeder Beteiligte seine Rechtsanwaltskosten selbst zu tragen hat. Auf den ohne Erledigung zu erwartenden Verfahrensausgang kommt es nicht an. Dies wird damit begründet, dass es auch für die Erstattung der außergerichtlichen Kosten in § 128 GWB keine Regelung gibt.874 dd) Ansprüche des ursprünglich begünstigten Bieters nach Rücknahme der Zuschlagsentscheidung – Folge der Vorabinformation für die Rechtsstellung des zunächst ausgewählten Bieters Es fragt sich, welche Ansprüche der Bieter hat, der nach der zurück genommenen Vorabinformation den Zuschlag erhalten sollte. Ansatzpunkt für einen etwaigen Anspruch dieses Bieters ist die Tatsache, dass er von der beabsichtigten Zuschlagserteilung an ihn erfährt: In der Praxis werden nicht nur die nicht berücksichtigten Bieter von der beabsichtigten Zuschlagserteilung an einen anderen informiert, sondern auch der ausgewählte Bieter über die beabsichtigte Zuschlagserteilung an ihn.875 Er kann daher im Vertrauen auf die bevorstehende Zuschlagserteilung schon Aufwendungen, z. B. Investitionen, getätigt haben oder auch anderweitige Geschäftsmöglichkeiten ausgeschlagen haben. Gerade bei mittelständischen Bietern mit geringer Personaldecke, deren Förderung wesentliches Ziel des Vergaberechts ist, führt die Ankündigung einer bevorstehenden Auftragserteilung dazu, dass die Akquise weiterer Aufträge unterbleibt.876 Nachdem schon festgestellt wurde, dass der ursprünglich begünstigte Bieter aus der Vorabinformation keinen Anspruch auf Zuschlagserteilung hat877, bleibt zu prüfen, ob ihm wenigstens Schadensersatzansprüche zustehen. Als Grundlage dafür kommt das vorvertragliche Vertrauensverhältnis in Betracht. Allerdings kommt nach der cic (§§ 311 II i. V. m. 241 II, 280 I BGB) ein Anspruch auf Schadensersatz bei enttäuschtem Vertrauen auf den 874 Vgl. OLG Bremen, Beschl. v. 2.1.2002 – Verg 3/01, ZfBR 2002, 718 in seinem Vorlagebeschluss; Immenga/Mestmäcker – Stockmann, § 128 Rn. 13 unter Verweis auf Boesen, § 128 Rn. 48; dagegen OLG Celle, Besch. v. 13.2.2002, WuW 2002, 1147, 1148 (Verg 661). 875 Siehe unter C. II. 1. b) aa). 876 Zu diesem Problem inzwischen auch Haug, Anm. zu OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.7.2004, VergabeR 2004, 648, 650. 877 Unter C. IV. 1. a).

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Vertragsschluss nur in Ausnahmefällen in Betracht. Es muss ein qualifizierter Vertrauenstatbestand vorliegen. (Eine) Voraussetzung dafür ist, dass der Auftraggeber das Zustandekommen des Vertrages als sicher in Aussicht gestellt hat.878 Auch wenn die Vorabinformation an den erfolgreichen Bieter erfolgt, steht sie aber nach ihrem Zweck denknotwendig unter dem Vorbehalt, dass die Zuschlagsentscheidung aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens (und einer Rüge) geändert werden kann. Der Auftraggeber erweckt gerade nicht das Vertrauen, dass er eine Änderung der Zuschlagsentscheidung nicht mehr vornehmen werde (s. schon bei IV. 1. a) bb). Die Schaffung eines solchen Vertrauenstatbestandes ist nicht Zweck der Vorabinformation, die nur der Schaffung von effektivem Rechtsschutz dienen soll.879 Deswegen scheidet hier ein Schadensersatzanspruch des ursprünglich begünstigten Bieters aus.880 Der Ablehnung des Schadensersatzanspruches entspricht die Rechtslage in Österreich zu den Folgen der Rücknahme der Zuschlagsentscheidung: So führen etwa die Erläuterungen zur 1. Novelle zum WLVergG aus: Da der Vertrag erst mit der Zuschlagserteilung zu Stande komme, könnten aus der Zuschlagsentscheidung keine zivilrechtlichen Ansprüche oder Anwartschaften abgeleitet werden. Die Zuschlagsentscheidung sei eine „zivilrechtliche Wissenserklärung“, die bis zur Zuschlagserteilung richtig gestellt werden könne.881 Dementsprechend definiert auch § 20 Z 42 BVergG die Zuschlagsentscheidung als „nicht verbindliche Absichtserklärung“.882 Die Vorabinformation hat aber für den ursprünglich begünstigten Bieter insoweit Bedeutung, als er in einem Nachprüfungsverfahren gegen die neue Zuschlagsentscheidung kaum Schwierigkeiten haben wird, seine für die An878 Palandt-Heinrichs, § 276 Rn. 74 m. w. N. Diese Grundsätze gelten auch für Verhandlungen mit Körperschaften des öffentlichen Rechts – MK – Emmerich, 3. Aufl., Vor § 275 Rn. 162. 879 Von der Schutzwürdigkeit des Vertrauens nach positiver Vorabinformation geht allerdings Haug, Anm. zu OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.7.2004, VergabeR 2004, 648, 650 aus. 880 Sollte im Einzelfall doch ein qualifiziertes Vertrauen erweckt worden sein, so hat die Vorabinformation im Schadensersatzprozess eine Beweislastumkehr bzw. zu Beweiserleichterungen für den Bieter zur Folge: Jetzt muss die Vergabestelle beweisen bzw. hat eine erhöhte Argumentationslast, dass der ursprünglich erstplatzierte Bieter entgegen der ursprünglichen Einschätzung nicht der Bestbieter ist. Denn in der ersten Zuschlagsentscheidung zugunsten des dort erfolgreichen Bieters liegt die Erklärung, dass dieser Bieter auch der Bestbieter ist – Wilhelm, ecolex 2002, 149 für die vergleichbare österreichische Rechtslage. Die ursprüngliche Bekanntgabe sei ein „deklaratorisches Anerkenntnis“, dass der ausgewählte Bieter der Bestbieter ist. 881 Erläuterungen zur 1. Novelle zum WLVergG (EBNOV), zum Allgemeinen Teil (zitiert nach Haunold, § 47a Ziff. 2 und zur § 15 Abs 8 (zitiert nach Haunold, § 15 Ziff. 2); vgl. auch Büchl, S. 100 f. und S. 136 f. 882 Vgl. auch VfGH, v. 8.3.2004, RPA 2004, 166 (Estermann).

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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tragsbefugnis nötige Chance auf die Zuschlagserteilung darzulegen. Denn diese liegt auf der Hand, wenn er von der Vergabestelle in einer Zuschlagsentscheidung schon einmal für den Zuschlag vorgesehen war. 2. Einfluss der Einführung der Vorabinformationspflicht auf den sekundären Rechtsschutz – Verbot des „Dulde und Liquidiere“? Im Folgenden ist das Verhältnis des mit § 13 VgV eingeführten effektiven Primärrechtsschutzinstrumentariums zum Sekundärrechtsschutz zu klären.883 Es stellt sich die Frage, wann überhaupt noch ein Schadensersatzanspruch des Bieters gegen den öffentlichen Auftraggeber wegen Vergaberechtsverletzungen in Betracht kommt, wenn er jetzt effektiv die Möglichkeit hat, Vergaberechtsfehler bei der Zuschlagsentscheidung zu erkennen und schon den Zuschlag zu verhindern.884 a) Schadensersatz nach Versäumen der Primärrechtsschutzmöglichkeit aa) Ausschluss der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen schon von vornherein? Vereinzelt wird vertreten, dass die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vor den ordentlichen Gerichten dann ausgeschlossen ist, wenn der Vergaberechtsverstoß vom Anspruchssteller schon im Vergabeverfahren erkannt, aber nicht nach § 107 III GWB gerügt wurde. Denn der Bieter, der kein Nachprüfungsverfahren einleitet, sondern Schadensersatz geltend macht, dürfe in Bezug auf § 107 III GWB nicht besser stehen, als der Bieter, der das Nachprüfungsverfahren einleitet.885 Dies ist aber abzulehnen. Zunächst ist § 107 III GWB für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht direkt anwendbar, da er nur die 883 Wilhelm hält in ecolex 2000, 845 die Neuregelung des österreichischen Vergaberechts, die über eine Vorabinformation die Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung erreicht, für ein Fragment, da sie auf dieses Verhältnis des – immer besser ausgebauten – Sekundär- zum Primärrechtsschutz nicht eingeht. Dazu auch Wilhelm, ecolex 1999, 745. 884 Hertwig, Rn. 267 sieht dies als einen der wichtigsten Verteidigungseinwände des Auftraggebers im Schadensersatzprozess an. 885 Niebuhr-Hunger, § 124 Rn. 4; so im Ergebnis auch Hertwig, Rn. 267 und 236. Es bestehe auch im Vergaberecht das Verbot des „dulde und liquidiere“, das aus dem Enteignungsrecht bekannt ist. Der Bieter müsse sich „ein überwiegendes Mitverschulden zurechnen lassen und verliert aus diesem Grunde seinen Ersatzanspruch“. Zur Geltung des Verbotes von „Dulde und Liquidiere“ im Vergaberecht ausführlich auch Mertens, S. 96 ff.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages im vergabespezifischen Rechtsschutz betrifft. Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht. Es liegt keine Regelungslücke vor. Denn nach § 104 II GWB betrifft das GWB nur die Geltendmachung von Primärrechtsschutz. Die schadensersatzrechtlichen Konsequenzen von Vergaberechtsverletzungen fallen in die Zuständigkeit der Zivilgerichte.886 Dafür spricht auch der Wille des Gesetzgebers, mit dem VgRÄG Investitionshemmnisse soweit wie möglich zu verhindern. Diesem Ziel entspricht es, wenn man dem Bieter die Möglichkeit lässt, auf die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens, das immer auch zu einer Verzögerung der Auftragsvergabe führt, zu verzichten und direkt Schadensersatzansprüche geltend zu machen, wenn es ihm allein darauf ankommt.887 Für dieses Ergebnis spricht auch der Wortlaut des § 124 I GWB. Dort heißt es: „Wird wegen eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften Schadensersatz begehrt und hat ein Verfahren vor der Vergabekammer stattgefunden, . . .“. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass eine Geltendmachung von Schadensersatz auch dann möglich ist, wenn kein Nachprüfungsverfahren stattgefunden hat.888 Weiter kann auch der Umstand berücksichtigt werden, dass in Deutschland – anders als in Österreich – gerade keine ausdrückliche Regelung zum Verbot des „Dulde und Liquidiere“ ins Vergaberecht aufgenommen worden ist. In Österreich sieht das BVergG 2002 in § 181 II erstmals vor, dass der Schadensersatzanspruch aus § 181 I889, der dem deutschen § 126 GWB entspricht, nicht besteht, wenn der Geschädigte den Schaden durch Rechtsmittel oder Beschwerde an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof hätte abwenden können.890 Wäre in Deutschland das gleiche Ergebnis vom Gesetzgeber bezweckt, müsste ebenso eine solche ausdrückliche Regelung erfolgen. Steht damit fest, dass die vorherige Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nicht (schon tatbestandliche891) Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen überhaupt ist, also deren Geltendmachung nicht von vornherein ausschließt, so stellt sich gleichwohl die 886 Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 124 GWB, Rn. 9. 887 Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, § 124 Rn. 2; Gröning, in: Motzke/ Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 124 GWB, Rn. 9. 888 So auch Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, § 124 Rn. 2; Mertens, S. 96 ff. 889 Für die anderen Schadensersatzansprüche, etwa aus der cic, gilt dies aber nicht, da diese nach § 183 BVergG 2002 unberührt bleiben. 890 Zur Bedeutung dieser Norm vor dem Hintergrund von §§ 184 II i. V. m. 168 III BVergG 2002, aus denen sich im Ergebnis nahezu das Gleiche ergibt, Denk, ÖZW 2002, 97, 98 und 102 f. 891 Mit diesem Terminus hier auch Niebuhr-Hunger, § 124 Rn. 4.

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Frage, ob bei unterbliebener Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nicht zumindest eine Modifikation des Umfangs des Schadensersatzanspruchs (auf der Rechtsfolgenseite) nach § 254 BGB möglich ist, wenn der Anspruchssteller die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens trotz erkannten bzw. erkennbaren Verstoßes gegen das Vergaberecht unterlassen hat.892 Dies soll im Folgenden untersucht werden: bb) Modifikation des Schadensumfangs nach § 254 BGB? Die Schadensersatzansprüche (außerhalb von § 126 GWB) setzen unter Kausalitätsgesichtspunkten voraus, dass der Bieter bei rechtmäßigem Ablauf der Vergabe den Zuschlag erhalten hätte. Ist diese Voraussetzung aber im Schadensersatzprozess ausnahmsweise einmal nachweisbar gegeben, hätte dieser Bieter aber auch im Primärrechtsschutzverfahren vor den Vergabenachprüfungsinstanzen Erfolg gehabt.893 Da er Bestbieter ist, kann er mit dem Nachprüfungsantrag nicht nur die Aufhebung der Zuschlagsentscheidung und die Anordnung der rechtmäßigen Durchführung des Vergabeverfahrens durch die Vergabekammer, sondern als dessen Konsequenz sogar erreichen, dass ihm die Vergabestelle den Zuschlag erteilt. Bei dem Auslassen der Primärrechtsschutzmöglichkeit könnte die tatbestandlich festgestellte Ersatzpflicht der Vergabestelle daher durch den Einwand von Mitverschulden nach § 254 BGB beschränkt sein. In Betracht kommt hier das Mitverschulden durch unterlassene Schadensabwendung bzw. -minderung (§ 254 II 1 2. Alt. BGB). Denn wie gezeigt hätte der Bieter, der als Bestbieter erfolgreich Schadensersatzansprüche geltend machen kann, auch im Primärrechtsschutzverfahren vor den Vergabenachprüfungsinstanzen Erfolg gehabt.894 Nach der Fallgruppe des Mitverschuldens durch unterlassene Schadensabwendung oder -minderung nach § 254 II 1 2. Alt. BGB liegt ein Mitverschulden allgemein dann vor, wenn der Geschädigte die Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder -minderung ergreifen würde.895 Dazu zählt auch der Nichtgebrauch 892 Auch Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 124 GWB, Rn. 9 lehnt es zunächst ab, dass die Nichtdurchführung eines Nachprüfungsverfahrens schon von vornherein die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen unmöglich macht. Die Frage des Mitverschuldens nach § 254 BGB sei eine davon zu unterscheidende „andere Frage“. So auch Mertens, S. 96 ff. 893 Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 195; vgl. auch Voppel, VOF, Anh § 21 Rn. 78. 894 Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 195. 895 Palandt-Heinrichs, § 254 Rn. 32.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

von Rechtsmitteln, wenn diese objektiv hinreichende Aussicht auf Erfolg haben.896 Der Nachprüfungsantrag des Bestbieters (nur dieser interessiert hier, da nur dieser Bieter auch Anspruch auf Schadensersatz hat) hätte objektiv gesehen (Aussicht auf) Erfolg gehabt und hätte im Ergebnis dazu geführt, dass er auch den Zuschlag erhalten hätte. Damit hätte der Bestbieter die Nichterteilung des Zuschlags an ihn, also die Entstehung seines Schadens, verhindern können. Der Bestbieter hätte hier folglich bei objektiver Betrachtung (grundsätzlich)897 die Primärrechtsschutzmöglichkeiten (Nachprüfungsverfahren) verfolgen müssen. Wegen des Unterlassens der Schadensabwendung durch das Ergreifen der Primärrechtsschutzmöglichkeiten liegt also Mitverschulden nach § 254 II BGB vor.898 Im Falle des Mitverschuldens des Geschädigten hängt der Umfang der Ersatzpflicht von einer Würdigung und Abwägung der Umstände des Einzelfalls ab. Möglich ist etwa eine Teilung des Schadens oder ein vollständiger Anspruchsverlust des Geschädigten.899 In erster Linie kommt es bei der Abwägung der Umstände des Einzelfalls auf das Maß der jeweiligen Verursachung des Schadens900, und erst in zweiter Linie auf das Maß des jeweiligen Verschuldens am Schaden an.901 Diese Abwägungsgrundsätze und die möglichen Schadensverteilungen (von vollständigem Anspruchsverlust bis zur vollen Schadensersatzgewährung) gelten auch bei Verletzungen der Schadensminderungspflicht.902 896 Palandt-Heinrichs, § 254 Rn. 42 m. w. N.; Motzke, in: Motzke/Pietzcker/ Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 192 m. w. N. 897 Zur Einschränkung dieses Grundsatzes sogleich bei der Folge des Mitverschuldens. 898 A. A.: OLG Dresden, Urt. v. 10.2.2004 – 20 U 1697/03, VergabeR 2004, 500, 504, das ein Mitverschulden wegen unterlassener Einlegung von Primärrechtsschutz in einem obiter dictum ablehnt. Dagegen wie hier: Voppel, Anm. zu OLG Dresden, a. a. O., VergabeR 2004, 505, 506 f. 899 Palandt-Heinrichs, § 254 Rn. 45 ff. m. w. N.; Motzke, in: Motzke/Pietzcker/ Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 193 m. w. N. 900 Der Begriff der Verursachung wird hier nicht im naturwissenschaftlichen Sinne verstanden, da sonst alle zum Schaden führenden Ursachen gleichbehandelt werden müssten. Denn naturwissenschaftlich ist ein Verhalten für den Schaden entweder ursächlich oder nicht. Es kommt daher hier darauf an, wie wahrscheinlich ein Verhalten den Schadenseintritt machte – MK-Oetker, 4. Aufl., § 254 Rn. 108. 901 Palandt-Heinrichs, § 254 Rn. 46 f. m. w. N.; Motzke, in: Motzke/Pietzcker/ Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 193 m. w. N. 902 Palandt-Heinrichs, § 254 Rn. 51. Häufig findet sich aber darüber hinaus der Hinweis, dass in den Fällen des 254 Absatz 2 der „Mehrschaden“ regelmäßig allein durch den Geschädigten zu tragen sei (Palandt-Heinrichs, § 254 Rn. 51 m. w. N.; MK-Oetker, § 254 Rn. 107 u. 76). Dies kann seinem Sinn nach aber nur Fälle betreffen, in denen ein schon vor Verletzung der Schadensminderungspflicht eingetretener Schaden eben durch die Verletzung der Schadensminderungspflicht größer

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Bei der erstrangig vorzunehmenden Beurteilung des Verursachungsanteils kommt man dazu, dass trotz des unterlassenen Nachprüfungsantrags der größere Anteil der Verursachung des Schadens bei der Vergabestelle liegt. Der Schaden durch die Nichterteilung des Auftrags geht bei einem Vergabefehler der Vergabestelle vor allem auf diese zurück. Keine so große Bedeutung hat im Hinblick auf die Verursachung, dass der Bieter den Schaden durch den Nachprüfungsantrag hätte abwenden können.903 Auch unter Verschuldensgesichtspunkten ist die fehlende Verfolgung des Primärrechtsschutzes grundsätzlich geringer einzustufen als der Vergaberechtsverstoß der Vergabestelle. Bei der Beurteilung des Verschuldens des Bieters ist etwa zu berücksichtigen, dass er deswegen von der Verfolgung des Primärrechtsschutzes abgesehen hat, weil er gegenüber der Vergabestelle nicht als Querulant erscheinen wollte.904 Außerdem muss bei der Bewertung des Mitverschuldens darauf abgestellt werden, ob ein verständiger Teilnehmer des Vergabeverfahrens ex ante ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet hätte.905 Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch für den Bestbieter die Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsantrags häufig schlecht abzuschätzen sind. Es ist daher in Anbetracht des erheblichen Kostenrisikos, das mit der Einleitung eines Nachprüfungsantrags verbunden ist (dazu näher im Teil 5, B.), dem Bieter oft nur in geringem Umfang vorzuwerfen (geringer Verschuldensanteil), dass er keine Nachprüfungsantrag eingelegt hat. Im Einzelfall kann dieser Gesichtspunkt dann nicht nur für die hier vorgenommene Bestimmung der Haftungsquoten herangezogen werden, sondern kann schon das zuvor bejahte generelle Vorliegen des Mitverschuldens gänzlich ausschließen.906 Im Ergebnis kommt daher trotz Mitverschuldens des Bestbieters am Schadenseintritt allenfalls eine geringe Minderung seiner Schadensersatzanwird. Dieser „Mehrschaden“ soll dem Geschädigten vollständig nicht ersetzt werden, vgl. MK-Oetker, § 254 Rn. 76. Dieser Gedanke greift aber nicht bei der hier vorliegenden Fallgruppe der unterlassenen Einlegung von (vergabespezifischen) Rechtsbehelfen. Hier wäre bei Beachtung dieser Schadensabwendungspflicht überhaupt kein Schaden entstanden. 903 Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 193. 904 Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 193. Danach sei es auch möglich, dass der Bieter von Primärrechtsschutz absehe, weil er die Auftragsdurchführung nicht verzögern wolle. Richtigerweise wird aber solche eine altruistische Motivation für den Bieter selten den Ausschlag geben. 905 Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 124 GWB, Rn. 9. 906 So wohl auch Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 124 GWB, Rn. 9.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

sprüche in Betracht.907 De lege ferenda könnte man für das Verhältnis des Sekundär- zum Primärrechtsschutz an eine gesetzliche Regelung wie in Österreich denken, die dann allerdings für alle Schadensersatzansprüche gelten könnte. Eine dementsprechende Einführung eines generellen Ausschlusses der Schadensersatzmöglichkeiten ist jedoch abzulehnen. Die Lösung kann hier weiter über § 254 II BGB gesucht werden, der für den Einzelfall flexible Ergebnisse ermöglicht. b) Schadensersatz trotz vorherigem Unterliegen im Nachprüfungsverfahren908 Weiter stellt sich die Frage, ob der, der im Primärrechtsschutz unterlegen ist, noch auf Schadensersatz klagen und diesen erhalten kann? Dies ist indessen nicht der Fall. Nach § 124 I GWB sind die Zivilgerichte in Bezug auf die Geltendmachung von Schadensersatz an die Entscheidung der Vergabekammer und des OLG-Vergabesenats gebunden. Dies ist nicht nur der Fall, wenn eine Rechtsverletzung positiv festgestellt worden war, sondern auch, wenn diese verneint wurde und der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen worden ist.909 Die Bindungswirkung gilt nach ihrem Sinn und Zweck nicht nur nicht nur für die Geltendmachung von § 126 BGB, sondern auch für die cic (§§ 311 II i. V. m. 241 II, 280 I BGB) und § 823 I, II BGB.910 Daher kann, wenn im Nachprüfungsverfahren festgestellt wurde, dass das Vergabeverfahren rechtmäßig war und der Antragssteller deswegen unterlegen ist, auch das Zivilgericht im Schadensersatzprozess mangels rechtswidrigem Verhalten der Vergabestelle nicht die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch bejahen. Hat die Vergabekammer also den Nachprüfungsantrag wegen der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens abgewiesen, so ist auch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vor den Zivilgerichten ausgeschlossen. 907 Nach Haunold/Hechter, § 106 Ziff. 3 ist bei der österreichischen Rechtslage der Ersatz des Erfüllungsinteresses ausgeschlossen, wenn der Bieter nicht oder nicht rechtzeitig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Zuschlagsentscheidung vor Erteilung des Zuschlags zu bekämpfen und so den Auftrag eventuell doch noch zu erhalten. 908 Für den Schadensersatz nach Erfolg des wirtschaftlichsten Bieters im Nachprüfungsverfahren und Zuschlagserteilung an ihn, wird vertreten, dass dieser Bieter den durch die Verzögerung entstandenen Schaden als Teil des Erfüllungsschadens geltend machen kann, Wilhelm, ecolex 2002, 857. 909 Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 124 GWB, Rn. 8; Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, § 124 Rn. 8. 910 Anders Stockmann, in: Immenga/Mestmäcker, § 124 Rn. 8.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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3. Rückwirkungen der Vorabinformationspflicht auf die Voraussetzungen für die Einleitung und den Ablauf des Nachprüfungsverfahrens a) Einfluss der Vorabinformation auf die Rügepflicht911 Die Einführung von § 13 VgV hat Einfluss auf die Rügepflicht. aa) Einfluss auf den Zeitpunkt und den Umfang der Rüge Nach § 107 III GWB sind alle Vergabefehler, die der Bieter erkannt hat oder erkennen konnte, unverzüglich zu rügen. In der Rüge muss der Antragssteller eine konkrete Rechtsverletzung darlegen und eine verständliche Sachverhaltsschilderung vornehmen.912 Vor der Rüge erhält der Bieter die Vorabinformation. Mit der Vorabinformation hat der Bieter jetzt erweiterte Möglichkeiten, einen Verstoß zu erkennen. Er muss daher das Informationsschreiben exakt prüfen, um die daraus ersichtlichen möglichen Vergabeverstöße noch vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens zu rügen. Mit der Geltendmachung von Verstößen erst während des Nachprüfungsverfahrens, die schon im Informationsschreiben erkennbar waren und daher noch vor dem Nachprüfungsverfahren geltend zu machen waren, ist der Antragssteller präkludiert.913 Für die Rüge ist auch die Geltendmachung einer konkreten Rechtsverletzung nötig. Um diese zu ermitteln, muss der Antragssteller auf das Vorabinformationsschreiben zurückgreifen.914 Der Antragsteller muss die Rüge soweit begründen und konkretisieren, wie es der Inhalt des Vorabinformationsschreibens zulässt.915 911 Hier geht es um den Einfluss einer § 13 VgV genügenden Vorabinformation auf die Rügepflicht. Zu den Rügepflichten, die bei einer inhaltlich unzureichenden oder fehlenden Vorabinformation nach § 13 VgV bestehen, schon unter 5. a) aa) (2). 912 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.2001 – Verg 9/00, VergabeR 2001, 407, 408 f. m. w. N. und m. Anm. Graf. 913 In diese Richtung wohl auch BayObLG, Beschl. v. 20.8.2001 – Verg 9/01, VergabeR 2001, 438, 441 m. Anm. Horn. 914 Vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.2001 – Verg 9/00, VergabeR 2001, 407 m. Anm. Graf = IBR 2002, 161 (Asam). 915 VK Thüringen, Beschl. v. 1.03.2002 – 216-4002.20-004/02-EF-S, S. 8 (Daran werden geringere Anforderungen gestellt, wenn die Vorabinformation in ihrem Umfang unzureichend ist.). So hielt auch das OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.2001 – Verg 9/00, VergabeR 2001, 407, 408 f. zur Rechtslage des Rspr.-Informationsanspruchs eine Rüge für unzureichend, da der Antragssteller die Möglichkeit gehabt hatte, sich vorher nach § 27 a der Verdingungsordnung zu informieren.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Eine schon vor Erhalt des Vorabinformationsschreibens erteilte Rüge muss aber nicht nachgebessert werden: Wenn ein Vergaberechtsverstoß schon vor Erhalt des Informationsschreibens erkennbar war und daher gerügt wurde, muss dieser Verstoß nach Erhalt des Schreibens nicht nochmals gerügt werden, um die Rügeverpflichtung einzuhalten, sondern es kann sofort die Vergabekammer angerufen werden.916 bb) Noch parallele Einlegung von Rüge und Nachprüfungsantrag möglich? (1) Die parallele Einlegung der Rüge vor der Einführung von § 13 VgV Vor der Einführung der Vorabinformationspflicht war in bestimmten Fällen auch die Möglichkeit einer parallele Einlegung des Nachprüfungsverfahrens anerkannt. Allerdings war dies wegen des Sinns und Zweck der Rüge nur ausnahmsweise zulässig.917 Grund für die Notwendigkeit der parallelen Einlegung der Rüge war, dass vor Einführung der Wartefrist in § 13 VgV für den Bieter oft die Gefahr bestand, vom Zuschlag überrascht zu werden, welcher dann Primärrechtsschutz unmöglich machte. Die gleichzeitige Rüge und Stellung eines Nachprüfungsantrages war daher ausnahmsweise für zulässig gehalten worden, wenn bei Einräumung einer angemessenen Reaktionszeit keine Zeit mehr bliebe, vor Zuschlagserteilung den Nachprüfungsantrag einzulegen und so das Zuschlagsverbot herbeizuführen. Dies wurde etwa dann angenommen, wenn am Tag, an dem die für die Rüge maßgebliche Kenntnis vom Vergaberechtsverstoß erlangt wurde, auch die Zuschlagsfrist ablief.918 Es musste also unmittelbar mit dem Zuschlag gerechnet werden, so dass auch das Zuschlagsverbot durch Einlegen eines Nachprüfungsverfahrens erreicht werden musste. Die VK Sachsen919 hielt es in diesen Konstellationen sogar für zulässig, wenn dem Rügeschreiben der Entwurf des Nachprüfungsantrages an die Vergabekammer beigefügt ist. Dies könne zwar gegen den Sinn des Rügeverfahrens sprechen, weil für den Auftraggeber der Eindruck vermittelt werde, eine Korrektur sei ohnehin sinnlos. Gleichwohl sei wegen des drohenden Zuschlags ein solches Vorgehen zulässig. 916

VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 20.3.2002 – 1 VK 4/02. Näher VgK Bund, Beschl. v. 9.4.2001 – VK 1–7/01, VergabeR 2001, 238, 241 m. Anm. Noch = VN 2001, 39. 918 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.7.2001 – Verg 16/01, VergabeR 2001, 419, 421 m. Anm. Trautner; zu einem Fall, wo sofort nach Rüge Nachprüfungsantrag gestellt werden konnte auch VK Sachsen, Beschl. v. 21.5.01 – 1/SVK/32-01. 919 Beschl. v. 5.1.2001 – 1/SVK/111-00, IBR 2001, 572 (Trautner). 917

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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(2) Die parallele Einlegung von Rüge und Nachprüfungsantrag nach der Einführung von § 13 VgV Die parallele Einlegung von Rüge und Nachprüfungsantrag ist nach der Einführung von § 13 VgV grundsätzlich nicht mehr nötig. Erfährt der Bieter heute von einem Vergaberechtsverstoß, besteht für ihn keine Ungewissheit mehr darüber, ob im nächsten Moment durch den Auftraggeber die Zuschlagserteilung droht. Denn solange er noch keine Vorabinformation erhalten hat, ist nach § 13 VgV auch keine wirksame Zuschlagserteilung möglich. Durch § 13 VgV sind die Bieter nunmehr in vielen Fällen vor einer überraschenden Zuschlagserteilung, die ihren Primärrechtsschutz vereitelt, geschützt. Es ist daher schon die Auffassung vertreten worden, dass „vor diesem Hintergrund . . . folglich keine Notwendigkeit mehr [bestehe], von einer ausreichenden Frist für die Vergabestelle, sich mit der Rüge zu befassen und dem beanstandeten Verstoß abhelfen zu können, abzusehen.“920 Ein Entfallen der Rügepflicht oder die Stellung des Nachprüfungsantrags gleichzeitig mit der Rüge sei nach der Einführung von § 13 generell nicht mehr zulässig.921 Richtigerweise ist aber folgendermaßen zu differenzieren: Erfährt der Bieter von einem Vergaberechtsverstoß und hat er noch keine Vorabinformation erhalten, so muss er innerhalb der nächsten 14 Tage nicht mit einer Zuschlagserteilung rechnen. Er kann also rügen und dann die Reaktion der Vergabestelle auf die Rüge abwarten. Daher kann der Nachprüfungsantrag erst innerhalb einer solchen Frist nach der Rüge eingelegt werden, die der Vergabestelle Zeit gibt, sich mit der Rüge zu befassen und dem beanstandeten Verstoß abzuhelfen.922 Wenn sich aber der Vergaberechtsverstoß erst aus dem Informationsschreiben nach § 13 VgV ergibt, kann eine Rüge (mit der Verpflichtung zum Abwarten der Reaktion des Auftraggebers) vor Einleitung eines Nach920 VK Thüringen, Beschl. v. 13.08.2001 (216-4003.20-100/01-EF-S), S. 6 f.; so auch Mertens, S. 72 f. 921 Vgl. nur VgK Bund, Beschl. v. 9.4.2001 – VK 1–7/01, VergabeR 2001, 238 m. Anm. Noch = VN 2001, 39; BayObLG, Beschl. v. 20.8.2001 – Verg 9/01, VergabeR 2001, 438, 442 m. Anm. Horn: Eine Rüge innerhalb der 14-tägigen Stillhaltefrist sei „ohne Schwierigkeiten“ möglich. Ein ausnahmsweises Entfallen der Rügepflicht, wie von der Rspr. früher bei Gefahr der Zuschlagserteilung angenommen, kann daher mit der Einführung des § 13 nicht mehr angenommen werden. 922 VgK Bund, Beschl. v. 9.4.2001 – VK 1–7/01, VergabeR 2001, 238, 241 f. m. Anm. Noch = VN 2001, 39; vgl. auch VK Sachsen, Beschl. v. 21.5.01 – 1/SVK/ 32-01, S. 7 f.; Schröder, VergabeR 2002, 229, 234; ausführlich zur Herleitung dieser Mindestfrist zwischen Rüge und Nachprüfungsantrag auch Maier, NZBau 2004, 196 f.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

prüfungsverfahrens wegen der vielen, innerhalb der Vorabinformationsfrist vorzunehmenden Maßnahmen unzumutbar sein. In diesen Fällen droht die Rügepflicht auch heute noch die Rechtsschutzeinlegung vor Zuschlagserteilung unmöglich zu machen. Es muss daher auch nach der Einführung von § 13 VgV in diesen Fällen noch möglich sein, zeitgleich mit der Rüge die Einleitung eines Nachprüfungsantrags zu beantragen [ausführlich dazu unter C. II. 2. b) aa)]. Im Ergebnis sind also auch nach Einführung von § 13 VgV noch Fälle denkbar, in denen eine Rüge parallel mit dem Nachprüfungsantrag erforderlich sein kann.923 b) § 13 VgV und seine Wirkung auf die Beiladung nach § 109 GWB Nach § 109 GWB sind auch die Unternehmen beizuladen, deren Interessen durch die Entscheidung der Nachprüfungsinstanz schwerwiegend berührt werden. Danach sind die in der nach § 13 VgV mitgeteilten Zuschlagsentscheidung begünstigten Bieter immer beizuladen. Sie werden so zu Verfahrensbeteiligten mit den daraus folgenden Rechten (Akteneinsichtsrecht) und Pflichten.924 c) Auswirkungen von § 13 VgV auf die Antragsbefugnis? Für die Antragsbefugnis muss das Unternehmen darlegen, dass ihm ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Man könnte nun argumentieren, dass ein Schaden so lange nicht droht, wie der Bieter noch nicht die Vorabinformation erhalten hat. Dennoch muss der Bieter im Hinblick auf die neu geschaffene Vorabinformationspflicht für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags nicht abwarten, bis die Vergabestelle eine Vorentscheidung über den Zuschlag getroffen und ihn darüber informiert hat.925 Die Überprüfung des Vergabeverfahrens auf behauptete Verfahrensfehler soll so zeitig wie möglich erfolgen. Dementsprechend hat das OLG Celle, Beschl. v. 18.12.2003 – 13 Verg 22/03, S. 9 zu Recht ausgeführt: „Es ist regelmäßig sachgerecht, dass die von einem Bieter, dessen Angebot eine Chance auf 923

Monatsinfo Vergabe e. V. 9/2001, 108, 109 f.; Schröder, VergabeR 2002, 229,

234. 924 Dagegen lässt sich die Pflicht zur Beiladung nicht aus dem bereits oben erörterten Urteil des österreichischen VfGH (v. 10.12.2001, B 546/00-7, B 609/00-4, RPA 2002, 42 m. Anm. Pock) zur Parteistellung des in der Vorabinformation begünstigten Bieters ableiten. Denn dessen dafür herangezogene Argumentation ist abzulehnen (siehe unter C. IV. 1.). 925 VK Bund, Beschl. v. 9.9.1999 – VK 2-24/99, NZBau 2000, 110; OLG Celle, Beschl. v. 18.12.2003 – 13 Verg 22/03.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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den Zuschlag hat, gerügten und vom Auftraggeber nicht abgestellten Vergaberechtsverstöße möglichst bald zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden, damit gegebenenfalls noch vor der Wertung der Angebote die geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Rechtsverletzungen getroffen werden können. Der nach seiner Meinung durch einen Vergaberechtsfehler beeinträchtigte Bieter muss in aller Regel vor der Beantragung des Nachprüfungsverfahrens nicht abwarten, ob er den Zuschlag nicht trotz des fehlerhaften Vergabeverfahrens erhält.“ d) Die Prüfung der offensichtlichen Unzulässigkeit bzw. Unbegründetheit nach § 110 II GWB durch die VK innerhalb der Stillhaltefrist Wird ein Nachprüfungsantrag innerhalb der Stillhaltefrist des § 13 VgV gestellt, vereitelt die Nichtzustellung des Nachprüfungsantrags an die Vergabestelle aus Gründen der offensichtlichen Unzulässigkeit und Unbegründetheit (§ 110 II GWB) wegen des unmittelbar bevorstehenden Zuschlags regelmäßig die Primärrechtsschutzmöglichkeiten des Antragsstellers. Denn zum einen ist eine sofortige Beschwerde auf Zustellung des Nachprüfungsantrags unzulässig, solange die Vergabekammer diese Entscheidung nicht in einem förmlichen Beschluss (Zwischenentscheidung) niedergelegt hat.926 Ist letzteres erfolgt, wird aber die Wartefrist abgelaufen sein.927 Zum anderen müsste auch ein neuer Nachprüfungsantrag des Antragssteller erneut nach § 110 II GWB geprüft werden, was ebenso regelmäßig erst nach Ablauf der Wartefrist, also nach Zuschlagserteilung, beendet werden würde. Zur Kompensation dieser Rechtsschutzlücke928 hat nach dem KG Berlin die Vergabekammer auch vor dem Hintergrund ihrer Amtsermittlungspflicht (§ 110 I 1 GWB) eine gesteigerte Verantwortung bei der Prüfung der offensichtlichen Unzulässigkeit oder Unbegründetheit. Die Vergabekammer muss über den gerügten, nicht ausreichenden, Verstoß hinaus auch anderen Verstößen, die sich aufdrängen, nachgehen.929 Drängen sich solche weiteren Verstöße auf, sind diese also offensichtlich, kann die Vergabestelle nach Auffassung des KG wohl nicht nach § 110 II GWB von der Zustellung des Nachprüfungsantrags absehen.930 Der Bieter ist aber auch schon dadurch in 926

OLG Dresden, Beschl. v. 4.7.2002 – Wverg 0011/02, WuW 2002, 1291 (Verg 677); näher auch Gröning, VergabeR 2002, 435 ff. und Erdl, Anm. zu KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 241, 242 f. 927 Gröning, VergabeR 2002, 435, 438. 928 Näher Gröning, VergabeR 2002, 435, 438. 929 KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235 f. (LS 5 und 6) und 238 f., wonach dazu etwa die Frage zählt, ob ein vorher erteilter Zuschlag nach § 13 S. 6 VgV nichtig war. Vgl. auch Erdl, Anm. zu KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 241, 242 f.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

gewissem Maße geschützt, dass eine willkürliche Prüfung von § 110 II durch die Vergabekammer Amtshaftungsansprüche auslösen kann.

V. Die Vorgaben des Europarechts an das Zuschlagssystem insgesamt Obwohl nach Schaffung des Informationsanspruchs in § 13 VgV ein effektiver Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung möglich ist, könnte sich dennoch eine Europarechtswidrigkeit des gesamten deutschen Zuschlagssystems ergeben. Problematisch ist insbesondere, ob der EuGH in seiner Alcatel-Entscheidung über die Forderung eines effektiven Rechtsschutzes hinsichtlich der Vergabeentscheidung hinaus einen weitergehenden Eingriff in das deutsche Vergaberecht verlangt hat. Nach traditionellem Verständnis in Deutschland ist der Zuschlag die Angebotsannahmeerklärung zum Abschluss des Vertrages. Die Zuschlagserteilung führt also den Vertragsschluss herbei, ist dessen Bestandteil. Nach der Alcatel-Entscheidung wurde die Frage aufgeworfen, ob der EuGH neben der Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung auch diese Konstruktion des Verhältnisses von Zuschlag und Vertragsschluss für gemeinschaftsrechtswidrig gehalten hat, so dass dieses grundlegende deutsche Prinzip aufgegeben werden müsste.931 Die Tatsache, dass bei genauer Betrachtung in Deutschland zwischen Zuschlagserteilung und Vertragsschluss unterschieden werden kann, würde nicht genügen, sondern es könnte eine völlige Loslösung der Zuschlagserteilung vom Vertragsschluss gefordert sein.932 Dann müsste die Zuschlagserteilung als ein dem Vertragsschluss vorgelagerter, völlig selbstständiger Akt ausgestaltet werden.933 Würde das Gemeinschaftsrecht eine derartige Trennung vorschreiben, so müsste das deutsche Vergaberecht hinsichtlich der Regelungen, die den Vertragsschluss betreffen, grundlegend umgestaltet werden. 930 KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235 f. (LS 5 und 6) und 238 a. E.; vgl. dazu auch Erdl, Anm. zu KG Berlin, a. a. O., VergabeR 2002, 241, 242 f., die aber daran zweifelt, ob eine solche Auffassung mit dem Wortlaut des § 110 II GWB vereinbar ist. 931 Diese Frage stellen auch Kleinhenz, ZfBR 2001, 75, 76; Antweiler, DB 2001, 1975, 1978; Noch, Vergaberecht kompakt, 2. Aufl., S. 5 (der die Antwort offen lässt); Kraft-Lehner, S. 183 f. und Otting, NVwZ 2001, 775, 777. 932 Nach Weitbrecht, in: Schwarze, S. 177, 188 ist die Frage des Verhältnis von Zuschlagsentscheidung und Vertragsschluss bzw. die Frage der Ein/Zweistufigkeit des Vergabeverfahrens rechtsdogmatisch die interessanteste im Vergaberecht. 933 Vorgeschrieben sein könnte hier etwa, dass zunächst die Zuschlagserteilung erfolgt und diese dem erfolgreichen Bieter mitgeteilt wird. Danach wird erst der Vertragsschluss durch eine von der Zuschlagserteilung zu unterscheidende gesonderte Annahme vorgenommen.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Diese Fragestellung, zu der verschiedene Auffassungen vertreten werden,934 betrifft die verfahrensmäßige Ausgestaltung des Ablaufs des Vergabeverfahrens bis zum Vertragsschluss. Sie stellt sich unabhängig von der bereits verneinten Frage, ob auch die Zuschlagserteilung selbst einer Nachprüfung zugänglich gemacht werden muss (A. I. 4.). Auch wenn die Zuschlagserteilung selbst nicht einer Nachprüfung zugänglich zu machen ist, so bleibt in verfahrensmäßiger Hinsicht fraglich, ob eine vollständige Trennung von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss verlangt ist. Im Folgenden soll zunächst untersucht werden, ob der EuGH in der Alcatel-Entscheidung Vorgaben für das Verhältnis von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss und für eine andere dogmatische Einordnung des Vergabeverfahrens gemacht hat, 1. Auch wenn die Entscheidung des EuGH keine solche Vorgaben enthält, könnten sie sich in Bezug auf das Verhältnis von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss dennoch aus den Rechtsmittelrichtlinien ergeben, 2. 1. Vorgaben für das Verhältnis von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss und für eine andere dogmatische Einordnung des Vergabeverfahrens in der Alcatel-Entscheidung In Rz. 48935 der Alcatel-Entscheidung führt der EuGH aus: „Da die Erteilung des Zuschlags und der Abschluss des Vertrages in der Praxis zusammenfallen, fehlt in einem solchen System ein öffentlich-rechtlicher Akt936, der den Beteiligten zur Kenntnis gelangen und im Rahmen einer Nachprüfung aufgehoben werden könnte, wie es Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/665 vorsieht.“937 Aus diesen Ausführungen wird zum einen teilweise abgeleitet, dass der EuGH die völlige Selbständigkeit der Zuschlagserteilung neben dem Vertragsschluss meint. Zum anderen wird vertreten, dass eine Änderung der dogmatischen Einordnung vom privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen Zuschlagssystem vorzunehmen ist: 934

Vgl. auch Berrisch/Nehl, DB 2001, 184, 185. ZIP 1999, 1937, 1941. 936 In der französischen Fassung des Urteils heißt es „acte de droit administratif“, in der englischen Fassung „administrativ law measure“. – Öhler, RdW 1999, 774, 775. 937 In einer solchen Situation ist nach dem EuGH zweifelhaft, „ob die nationalen Gerichte in der Lage sind, den Bürgern im Bereich der öffentlichen Aufträge einen Rechtsbehelf zuzuerkennen, der den Anforderungen der Richtlinie 89/665, insbesondere ihres Artikels 2 Abs. 1 Buchst. a und b, entspricht“ Nr. 49, = ZIP 1999, 1937, 1941 f.). 935

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

In Bezug auf das Verhältnis von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss verlangt der EuGH nach einer Auffassung, dass der Zuschlag, der hier auch richtig als die Angebotsannahmeerklärung (= Zuschlagserteilung) verstanden wird938, vollständig vom Vertrag getrennt wird.939 Die Zuschlagserteilung müsse „als eigenständiges Rechtsinstitut und vom Vertragsschluss gelöste selbstständige Erklärung etabliert werden“.940 Die Zuschlagserteilung könne nicht mehr Annahme des Vertragsschlusses sein.941 Daher kuriere auch die Einführung der Vorabinformationspflicht in § 13 VgV nur an Symptomen, ohne das deutsche Vergaberecht auch seiner Struktur nach den Vorgaben der Vergaberichtlinien vollständig anzupassen.942 In Bezug auf die dogmatische Einordnung des Vergaberechts ist fraglich, ob der EuGH mit seinen Ausführungen zum Fehlen eines „öffentlich-rechtlichen Aktes“ über das Verhältnis von Zuschlagserteilung und Vertrags938

Vgl. explizit Wilhelm, Bestbieters Sieg, S. 8 und 9. Höfler/Bert, NJW 2000, 3310, 3313; Höfler, ZVgR 2000, Heft 1, S. I (Editorial); Wilhelm, ecolex 1999, 745 (vom Vertragsschluss getrennter vorangehender Zuschlag); so wohl auch Koenig/Haratsch, NJW 2003, 2637, 2641; OLG Rostock, BauR 2000, 1589 = IBR 2000, 303 – Waldner, das aber gleichwohl davon ausgeht, dass durch die Vorabinformation dem Grundsatz des effektiven RS genügt wird. Auch Martin-Ehlers, EuZW 2000, 101, 102 f. geht davon aus, dass im Grunde zwingend eine Zweiteilung in 2 eigenständige außenwirksame Rechtssätze erfolgen müsste. Er sieht die Situation durch die Vorabinformationspflicht nur als „z. T. entschärft“ an. Sie entspreche aber dem „Alcatel-Urteil nicht vollständig.“; vgl. auch Berrisch/Nehl, DB 2001, 184, 185; Malmendier, DVBl 2000, 963, 964; Brinker/ Punz/Roniger/Vock, S. 25; in diese Richtung auch Byok, § 114 Rn. 745 (Byok). Auch Boesen, § 107 Rn. 23 hält es für offen, ob die nach deutschem Recht geltende Einheit von Zuschlag und Vertragsschluss aufgehoben werden muss oder ob die gesetzliche Einführung eines Vorabinformationsanspruchs genügt. Hausmann, EuZW 1999, 762, 763 hält dies für fraglich; vgl. auch Otting, NVwZ 2001, 775, 777. Einige Autoren äußern sich auch widersprüchlich zum hier aufgeworfenen Problem. So stellt Gallwas, GewArch 2000, 401, 413 zunächst fest, dass nach der Alcatel-Entscheidung des EuGH nicht mehr daran festgehalten werden kann, dass die Zuschlagserteilung nicht separat anfechtbar ist. In der folgenden Begründung lässt sie es aber als Folge der Entscheidung genügen, „dass in Zukunft auch eine rechtswidrige Zuschlagsentscheidung angegriffen werden kann. Dies ist auch gerade deswegen ein Widerspruch, weil Gallwas vorher ausdrücklich den Unterschied zwischen Zuschlagsentscheidung und -erteilung herausgearbeitet hat und nicht wie andere Autoren beides einfach gleichsetzt. 940 Wilhelm, Bestbieters Sieg, S. 6 und 9: Der Vertrag dürfe erst mit der Rechtskraft der Zuschlagserteilung geschlossen werden. Es sei die „Zweistufen-Theorie“ verlangt. 941 Höfler, ZVgR 2000, Heft 1, S. I (Editorial). Es genügt also nach dieser Ansicht nicht, dass bei richtiger Betrachtung Zuschlag und Vertragsschluss nicht identisch sind, also zwischen Zuschlagserteilung und Vertragsschluss zu unterscheiden ist [siehe unter A. I. 1. a)]. 942 Ax, ZVgR 1999, Heft 6, S. II, III. 939

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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schluss hinaus Aussagen über eine öffentlich-rechtliche Einordnung des Vergabeverfahrens und damit der Zuschlagsentscheidung macht. Auch dies wird teilweise bejaht.943 Indem der EuGH einen „öffentlich rechtlichen Akt“ fordert, könnte er sich an das französische Vergaberechtsschutzmodell anlehnen.944 Nach diesem Modell945 sind die Entscheidung über den Zuschlag auf der einen Seite und der Vertragsschluss auf der anderen zu trennen. Die Entscheidung über den Zuschlag ist hier ein öffentlich-rechtlicher Akt und tritt nach außen. Sie ist mit dem „recours pour exces de pouvoir“ als abtrennbarer einseitiger Akt des öffentlichen Auftrages selbst (actes unilateraux detachables du marché lui-meme) überprüfbar.946 Würde man dem folgen, müsste in Deutschland die bisherige zivilrechtliche Einordnung des Vergabeverfahrens und der Zuschlagsentscheidung aufgegeben, das Vergabeverfahrensrecht grundlegend umgestaltet werden. Richtigerweise hat der EuGH aber weder Vorgaben für die vertretene Trennung von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss noch für die öffentlichrechtliche Ausgestaltung des Vergabeverfahrens gemacht, also nicht vorgeschrieben, wie das Zuschlagssystem im Einzelnen ausgestaltet sein muss:947 Der Gerichtshof wollte nicht so weit reichend in das Vergabeverfahrensrecht der Mitgliedsstaaten eingreifen.948 Aus der Alcatel-Entscheidung ergibt sich nicht, dass das Einheitssystem per se rechtswidrig ist949, sondern nur, dass auch in diesem System ein wirksamer Primärrechtsschutz möglich 943 Öhlinger, in: Potacs, S. 10: Die Zuschlagsentscheidung ist als öffentlich-rechtlicher Akt auszugestalten. In diese Richtung auch Ax, ZVgR 1999, Heft 6, S. II, III; Wilhelm, Bestbieters Sieg, S. 6 und 9; etwas schwächer aber in Ax, BauR 2000, 471, 475: „Sicher ist, dass der deutsche Normgeber den Erfordernissen des EuGH genügt, wenn er ein System einführt, in dem ein öffentlich-rechtlicher Akt den Beteiligten zur Kenntnis gelangen und im Rahmen einer Nachprüfung aufgehoben werden kann. Unsicher ist, ob der nunmehr [mit der VgV] vorgeschlagene Reparaturversuch des deutschen Normgebers den diesbezüglichen Anforderungen genügt.“ 944 So vertritt dies Ax, BauR 2000, 471, 475. 945 Dazu Ax, 1996, S. 215 f. zu diesem Modell auch Platzer, ÖZW 1998, 49, 50; Ax, 1996; zur frz. Rechtslage auch unter C. VI. 2. 946 Ax, BauR 2000, 471, 474. 947 Kus, NJW 2000, 544, 545; Pachnou, Public Procurement Law Review 2000, 55, 72: „The Court was silent on the way Member States will fulfil this obligation. The question of whether there should be a delay between the award and conclusion of the contract and whether that delay should be of reasonable length was not examined.“ 948 Pachnou, Public Procurement Law Review 2000, 55, 72 f.: Gegen einen solchen Eingriff waren auch starke Vorbehalte angemeldet worden. So hatte Großbritannien sich gegen die Forderung nach einer Zeitspanne zwischen Zuschlag und Vertrag gewehrt, da dafür keine Notwendigkeit bestünde und dem auch die Vielzahl der Zuschlagsverfahren entgegenstünde. 949 Erdl, VergabeR 2001, 10, 11.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

sein muss. Ist dies der Fall, ist eine Änderung der zivilrechtlichen Systematik, z. B. im Wege einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung der Vergabeentscheidung nicht erforderlich.950 Der Grundsatz von Einheit von Zuschlag und Vertragsschluss ist also nur dann nicht mit Art. 2 VI der Rechtsmittelrichtlinie vereinbar, wenn damit eine Überprüfung der Zuschlagserteilung mit dem Ziel, dem Vertragsschluss und so der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorzukommen, unmöglich gemacht wird.951 Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die Äußerung des EuGH zum Zusammenfallen von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss und zum Fehlen eines öffentlich-rechtlichen Aktes nicht zur ersten Vorlagefrage ergeht (die sich hauptsächlich mit dem effektiven RS beschäftigt), sondern zur zweiten und dritten Vorlagefrage. Diese Fragen befassen sich aber mit der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinienbestimmungen. Hier beschreibt der EuGH nicht mehr die Anforderungen an das Rechtsschutzsystem, sondern nur noch die möglichen Reaktionen auf dieses Rechtsschutzdefizit. Außerdem betraf die Vorlage des österreichischen BVA nur die Frage nach der Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung. Die Vorlage und damit auch der Tenor der Entscheidung haben nur die Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung zum Gegenstand. Auch umschreibt der Tenor der Entscheidung nur das zu erreichende Ziel, die effektive Überprüfungsmöglichkeit der Zuschlagsentscheidung, verlangt aber nicht einen weitergehenden Eingriff in das Vergabesystem.952 Es ist nicht ersichtlich, dass der EuGH mit den kurzen Ausführungen in Rz. 48 Anforderungen aufstellen wollte, die weit über die Vorlagefrage hinausgehen. Seine Ausführungen in Rz. 48 können allenfalls so verstanden werden, dass er in der Abspaltung einer anfechtbaren Zuschlagserklärung vom Vertragsschluss eine Möglichkeit sieht, die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung sicherzustellen. Er will damit keineswegs gleichwertige Lösungen ausschließen, wie sie die Einführung der Informationspflicht darstellt.953 Das vom EuGH deutlich gemachte Ziel der Rechtsmittelrichtlinien, die Aufheb950 So auch Waldner, S. 226; Kus, NJW 2000, 544, 545, Kleinhenz, ZfBR 2001, 75, 76; Lück, S. 94 f.; Boesen, Ergänzung zu § 107 Rn. 14 ff. und § 114 Rn. 34 ff. im Hinblick auf die Alcatel-Entscheidung, C. III; Antweiler, DB 2001, 1975, 1978; Niebuhr-Kus, § 114, Rn. 49; Rust, NZBau 2000, 66, 67; Brinker, JZ 2000, 462, 464; ders., in: Schwarze, S. 97, 106; Platzer, ÖZW 1998, 49, 51: Zuschlagserteilung und Vertragsschluss können ruhig bis auf eine juristische Sekunde zusammenrücken, ja sogar einen einheitlichen Rechtsakt bilden, solange nur die Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung sichergestellt ist. 951 Boesen, EuZW 1998, 551, 553; in diese Richtung tendierte auch der Österreichische Verfassungsgerichtshof. 952 Waldner, S. 226. 953 Jaeger, EWS 2000, 124, 125 f.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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barkeit der Auswahlentscheidung wird auch damit erreicht. Nur dieses Ergebnis, nicht die Methode zu dessen Erreichung, sei verbindlich.954 Ebenso folgt aus der Tatsache, dass der EuGH von einer unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinien abgesehen hat, dass er dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum zuerkennt, wie er die Systematik der nationalen Rechtsordnung gestalten will.955 Auch GA Mischo hat in seinen Schlussanträgen956 allein eine rechtzeitige Information über die beabsichtigte Zuschlagserteilung gefordert. Nach ihm muss nicht zwingend das System des Zusammenfallens von Zuschlag und Vertragsschluss aufgegeben werden.957 Vielmehr haben die Mitgliedsstaaten einen Gestaltungsspielraum, wie sie die Vorgaben an den effektiven Rechtsschutz erreichen. Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich ebenfalls, dass, auch wenn der EuGH in Rz. 48 das Fehlen eines „öffentlich-rechtlichen“ Aktes moniert, dies nicht so zu verstehen ist, dass er die Ausgestaltung der Zuschlagsentscheidung als öffentlich-rechtlichen Akt fordert.958 Entscheidend ist, dass effektiver Rechtsschutz sichergestellt wird. Ob dies unter zivilrechtlichem oder öffentlich-rechtlichem Regelungsregime geschieht, ist dann unerheblich.959 Der Rechtsschutzvorteil des öffentlichen Rechts durch die Form- und Publikationserfordernisse kann – wie gezeigt – bei der zivilrechtlichen Zuordnung durch entsprechende Maßnahmen, wie die Vorabinformation, kompensiert werden.960 Gegen das Erfordernis der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung der Zuschlagsentscheidung spricht weiter, dass der Begriff des öffentlich-rechtlichen Aktes weder in den Schlussanträgen noch im Urteil selbst noch einmal eine Rolle spielt,961 sondern nur bei der Begründung für die Ablehnung der unmittelbaren Anwendbarkeit gebraucht wird.962 954

Jaeger, EWS 2000, 124, 125 f. Brinker, JZ 2000, 462, 464; ders., in: Schwarze, S. 97, 107; so auch Boesen, Anm. zu EuGH, Urt. v. 28.10.1999 – Alcatel, ZIP 1999, 1942, 1943. 956 Dazu unter B. III. 1. d) dd). 957 Dazu auch Brinker, in: Schwarze, S. 97, 102 f. 958 Brinker, JZ 2000, 462, 464; so auch Gröning, WRP 2000, 49, 54; Boesen, Anm. zu EuGH, Urt. v. 28.10.1999 – Alcatel, ZIP 1999, 1942 f.; Schenk, S. 129 ff.; Boesen, Ergänzung zu § 107 Rn. 14 ff. und § 114 Rn. 34 ff. im Hinblick auf die Alcatel-Entscheidung, C. III. 959 Schenk, S. 131; Boesen, Ergänzung zu § 107 Rn. 14 ff. und § 114 Rn. 34 ff. im Hinblick auf die Alcatel-Entscheidung, C. III; Öhler, S. 81; in diese Richtung auch Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427, 457 f. 960 Schenk, S. 131. 961 Öhler, RdW 1999, 774, 775; Schramm, Anm. zu EuGH, Urt. v. 28.10.1999 – Rs. C-81/98 – Alcatel-Austria u. a., ZVgR 2000, 13, 15. Nach Malmendier, DVBl 2000, 963, 964 verbindet der EuGH mit dem Erfordernis des öffentlich-rechtlichen Aktes der EuGH nur die „Botschaft“, das der Staat auch bei der öffentlichen Auf955

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Beim Erlass der Richtlinien wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht in die innerstaatliche Rechtsform der Auftragsvergabe und die Zuordnung des jeweiligen Vergabesystems eingreifen.963 Die Richtlinien überlassen es dem Mitgliedsstaat, welchem Rechtsgebiet er das Vergabeverfahren zuordnen will. Er forderte vor allem deshalb keine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Vergabeverfahrens, weil in den Sektoren viele juristische Personen des Privatrechts tätig sind, diese aber meist964 nicht öffentlich-rechtlich handeln können.965 Hätte er für den Nichtsektorenbereich etwas anderes vorsehen wollen, bestünden nicht in beiden Bereichen im Wesentlichen identische Verfahrens- und Rechtsschutzvorschriften.966 Es ist nicht ersichtlich, dass sich der EuGH mit seiner „lapidaren“ Formulierungen über diese Grundsatzentscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers hinwegsetzen wollte.967 Ergebnis zur Interpretation der EuGH-Entscheidung Im Ergebnis kann man aus der angeführten Formulierung des EuGH nicht ableiten, dass der EuGH zwingend die völlige Selbständigkeit der Zuschlagserteilung vom Vertragsschluss und die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Zuschlagsentscheidung fordert.968 Entscheidend für ihn ist die Überprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung, denn dies war ja auch Gegenstand der Vorlage an ihn. Ist also die Zuschlagsentscheidung in jedem Fall überprüfbar, dann ist auch das zivilrechtliche Zuschlagssystem unbedenklich.969 tragsvergabe den Bindungen des öffentlichen Rechts unterliege und nicht wie jedermann am Wirtschaftsverkehr teilnehme. 962 Schenk, S. 129 f. schreibt die Erwähnung des „öffentlich-rechtlichen“ Aktes daher zu Recht mangelnder terminologischer Achtsamkeit und Sorgfalt des EuGH in Bezug auf das österreichische Zuschlagssystem zu. 963 Vgl. dazu Waldner, S. 218 f.: Die Entscheidungen der Vergabestelle können daher aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht als Verwaltungsakte (so im romanischen Rechtskreis) oder auch als zivilrechtliche Willenserklärungen ausgestaltet werden. 964 Mangels Beleihung. 965 Auch von der Europäischen Kommission war in ihren Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich und Deutschland, in denen zahlreiche Verstöße gegen die Vergaberichtlinien moniert worden waren, nie in Frage gestellt worden, dass es allein Sache der Mitgliedsstaaten ist, die innerstaatliche Rechtsform der Vergabeentscheidung zu bestimmen. 966 Öhler, RdW 1999, 774, 775. 967 So auch Kalinowsky, S. 58. 968 Boesen, Anm. zu EuGH, Urt. v. 28.10.1999 – Alcatel, ZIP 1999, 1942; Pietzcker, Zweiteilung, S. 21. 969 In diese Richtung auch Boesen, Anm. zu EuGH, Urt. v. 28.10.1999 – Alcatel, ZIP 1999, 1942 f.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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2. Verbot des Zusammenfallens von Zuschlag(serteilung) und Vertragsschluss970 durch die Rechtsmittelrichtlinie? Auch wenn die Alcatel-Entscheidung des EuGH keine Vorgaben für das Verhältnis von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss und für eine andere dogmatische Einordnung des Vergabeverfahrens enthält, könnte sich in Bezug auf das Verhältnis von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss diese Vorgabe dennoch aus den Rechtsmittelrichtlinien ergeben. Der EuGH setzt für den effektiven Rechtsschutz nur eine Trennung von Zuschlagsentscheidung und Vertrag voraus. Die Rechtsmittelrichtlinien könnten aber weiter auch eine Trennung von Zuschlagserteilung und Vertrag verlangen. Ausgangspunkt für diese Fragestellung ist Art. 2 Abs. 6 der Rechtsmittelrichtlinie, dessen Wortlaut971 „auf die juristische Goldwaage“ gelegt werden muss972: Dieser Artikel spricht von einem „nach Zuschlagserteilung des Auftrags geschlossenem Vertrag“ und vom „Vertragsschluss im Anschluss an die Zuschlagserteilung“973. Die Richtlinie974 unterscheidet damit zwischen Zuschlagserteilung und Vertragsabschluss. Dies zeigt auch ein Ver970

Unter dem Stichwort „Verbot des Zusammenfallens von Zuschlag und Vertragsschluss“ wurde in Deutschland aber auch die Aufhebbarkeit der Zuschlagsentscheidung diskutiert – vgl. Erdl, S. 111 f., Rn. 211. So rügt die Kommission in ihrem Beanstandungsschreiben gegen Deutschland (Beanstandungsschreiben der EG-Kommission v. 31.10.1995 (SG (95) D/13624-95/2044), ZIP 1995, 1940, 1944 das Zusammenfallen von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss, versteht aber die Zuschlagserteilung als Vergabeentscheidung. Bei genauer Betrachtung geht es also um die Nachprüfungsmöglichkeit der Zuschlagsentscheidung. Dies basierte auf den unter A. I. 1. a) dargestellten terminologischen „Unsauberheiten“, so dass der Zuschlag oft mit der Zuschlagsentscheidung gleichgesetzt wurde. Richtigerweise ist aber das Problem der Aufhebbarkeit der Zuschlagsentscheidung im Nachprüfungsverfahren vom hier diskutierten Problem der verfahrensmäßigen Trennung von Zuschlag(serteilung) und Vertragsschluss zu unterscheiden. 971 Wortlaut von Art. 2 VI: „Die Wirkungen der Ausübung der in Absatz 1 genannten Befugnisse auf den nach Zuschlagserteilung des Auftrags geschlossenen Vertrag richten sich nach einzelstaatlichem Recht. Abgesehen von dem Fall, in dem eine Entscheidung vor Zuerkennung von Schadensersatz aufgehoben werden muss, kann ein Mitgliedsstaat ferner vorsehen, dass nach dem Vertragsschluss im Anschluss an die Zuschlagserteilung die Befugnisse der Nachprüfungsinstanz darauf beschränkt werden, einer durch einen Rechtsverstoß geschädigten Person Schadensersatz zuzuerkennen.“; zur in der deutschen Fassung unklaren Formulierung des ersten Satzteils von Art. 2 VI S. 2: Wilhelm, Bestbieters Sieg, S. 9 f. 972 Gröning, WRP 2000, 49. 973 Im französischen Text heißt es: „le cantrat qui suit l’attribution d’un marché“ bzw. „. . . conclusion du contrat quis suit l’attribution d’un marché“ (attribution d’un marché = Zuschlagsentscheidung). 974 Dem GPA, das für den Richtliniengeber verbindlich ist, ist nichts über das Verhältnis von Zuschlagserteilung (Erwähnung in der deutschen Fassung in Art. XIII) und dem Vertragsschluss zu entnehmen. Vgl. auch Fn. 982.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

gleich mit den anderen Sprachfassungen der Richtlinie. In der englischen Fassung heißt es „a contract subsequent to its award“ bzw. the conclusion of a contract following its award“, und in der französischen Fassung „le contrat qui suit l’attibution du marché“.975 Dies wirft die Frage auf, ob diese Unterscheidung in der Rechtsmittelrichtlinie für den nationalen Gesetzgeber bindend ist.976 Es ist also zu untersuchen, ob die Tatsache, dass die EG-Richtlinien von einer Zweistufigkeit der Ausgestaltung des Vergabeverfahrens ausgehen, zwingend dazu führt, dass auch das nationale Vergabesystem zweistufig konzipiert sein muss, also die Zweistufigkeit notwendigerweise übernommen werden muss.977 Allgemeiner ausgedrückt stellt sich folglich die Frage, ob die RMRL nur effektiven Rechtsschutz fordert oder darüber hinausgehend mit der Formulierung in Art. 2 VI auch noch Anforderungen an die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens machen will. Dies ist umstritten.978 Unstreitig ist zunächst, dass die Rechtsmittelrichtlinie zwei Verfahrensphasen für die Auftragsvergabe vorgibt. Nach Art. 2 VI S. 2 der Rechtsmittelrichtlinie ist die Phase vor dem Vertragsschluss von der nach Vertragsabschluss zu unterscheiden.979 Nur für die Phase nach dem Vertragsschluss ist eine Beschränkung der Rechtsschutzansprüche auf die Geltendmachung von Schadensersatz möglich (Art. 2 VI Satz 2 letzter Satzteil). Damit endet mit dem Vertragsschluss der Einfluss der Vergaberichtlinien auf die Auftragsvergabe.980 Dagegen muss für die Phase vor dem Vertragsschluss, zu der 975

Büchl, S. 62. Reidt, BauR 2000, 22, 23 f., der die Frage stellt, ob es 2 eigenständige außenwirksame Rechtsakte geben muss. Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, § 114, Rn. 34. 977 Sterner, S. 95. 978 Zum Streit vor der Entscheidung des EuGH, vgl. VfGH Österreich v. 26.6.1997, ÖZW 1998, 41, 45 m. w. N. Der VfGH führt aus: „Es ist in der vergaberechtlichen Diskussion umstritten (vgl. den . . . Beschluss des Präsidenten des EuGH in der Rechtssache EuGH C-87/94 R oder aus der Literatur etwa . . .), ob Art. 2 Abs 1 lit b i. V. m. der zuletzt zitierten Bestimmung der RMR verlangt, dass die Zuschlagserteilung und der Abschluss des Vertrages zur Erbringung der Leistung auseinander fallen müssen und dass die Zuschlagserteilung für sich bekämpfbar sein muss, oder ob sie auch eine Regelung zulässt, nach der – wie nach § 9 Z i. V. m. § 41 Abs 1 erster Satz BVergG bzw. § 15 i. V. m. § 54 Abs 1 erster Satz BVergG 1997 – der Auftrag mit der Verständigung von der Zuschlagserteilung zustande kommt, also die Zuschlagserteilung, wie sie nach außen in Erscheinung tritt, mit dem Vertragsabschluss im Regelfall zusammenfällt und ob sie diesfalls eine gesonderte Bekämpfbarkeit der Entscheidung über den Zuschlag verlangt“. Zu diesem Streit auch Sterner, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOBKommentar, VOB/A, § 28, Rn. 4 m. w. N. 979 Pirstner/Tscherk, ZVglRWiss 99 (2000), 461, 464. 980 Waldner, S. 219. 976

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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auch die Zuschlagsentscheidung gehört, ein Nachprüfungsverfahren im Sinne des Art. 2 I der Rechtsmittelrichtlinie möglich sein.981 Teilweise wird aus Art. 2 VI der Rechtsmittelrichtlinie gefolgert, dass – wie in vielen anderen Mitgliedsstaaten982 – zwischen Zuschlag und dem zeitlich nachfolgenden Vertragsschluss zwingend zu unterscheiden ist.983 Auf einer Stufe müsse zunächst die Zuschlagserteilung erfolgen, und erst auf einer nachfolgenden Stufe der Abschluss des Vertrages. Die Zuschlagserteilung dürfe danach nicht mehr Bestandteil des Vertragsschlusses sein.984 Dies vermag nicht zu überzeugen: Zwar unterscheidet Art. 2 VI zwischen Zuschlagserteilung und Vertragsschluss. Eine dogmatische Trennung von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss ist damit aber nicht zwingend gefordert. Aus der Formulierung des Art. 2 VI ergibt sich keine zwingende Verpflichtung, die Zuschlagserteilung als dem Vertragsschluss vorgelagerten Akt auszugestalten. Es genügt, wenn im einstufigen System die Zuschlagsentscheidung (über die Informationsverpflichtung) überprüfbar ist.985 981

Pirstner/Tscherk, ZVglRWiss 99 (2000), 461, 464. Vgl. Öhler, S. 185. Auch die meisten internationalen Organisationen sehen Zuschlagserteilung und Vertragsschluss als getrennte Akte an – Ullrich, VergabeR 2002, 331, 337. Ebenso ist im UNCITRAL Mustergesetz eine Trennung vorgesehen. Vgl. auch Fn. 974. 983 Höfler/Bert, NJW 2000, 3310, 3313 (die dann aber für den effektiven Rechtsschutz die Vorabinformationspflicht ausreichen lassen). Nach Auffassung der Bf. im Alcatel Verfahren (in der Phase vor dem VfGH Österreichs) geht die RMR mit Art. 2 Abs 6 „offensichtlich von einem zeitlichen Auseinanderklaffen zwischen Vertragsschluss und Zuschlagserteilung aus. Dieses zeitliche Auseinanderklaffen ermöglicht den Bietern in einer angemessenen, wenn auch kurzen, Zeit, den Zuschlag zu bekämpfen, um so nicht nur auf Schadensersatz angewiesen zu sein, sondern den Antrag als solches auch noch erhalten zu können. . . . Eine derartige zeitliche Parallelität zwischen Zuschlagserteilung und Vertragsschluss [ist] neben Österreich lediglich in deutschen Gesetzen vorgesehen. . . Sämtliche andere EU-Mitgliedsstaaten sehen eine größere Zeitdifferenz zwischen Zuschlagserteilung und Vertragsabschluss im Anschluss an die Zuschlagserteilung vor, so dass in diesen Staaten gemäß nationalen Vergabegesetzen die Überprüfung des Zuschlags nach materiellen Kriterien mit der Maßgabe möglich ist, dass letztlich die Zuschlagserteilung aufgehoben und der Zuschlag einem anderen Bieter erteilt wird. Dass dies unzweifelhaft auch der Sinn von Art 2 Abs 6 RMR ist, wurde bereits oben aufgezeigt.“ Der Bf. beruft sich auch auf die Vorbildfunktion des französischen Vergaberechts, wo der Zuschlag vom Vertragsabschluss zu unterscheiden ist. – zit. nach VfGH Österreich v. 26.6.1997, ÖZW 1998, 41, 45. 984 Zur Auffassung von Denk, der diese Trennung wegen der Alcatel-Entscheidung des EuGH für erforderlich hält, unter B. III. 1. f). 985 Erdl, S. 111, Rn. 210; Prieß, EuZW 2001, 365, 367; Boesen, Ergänzung zu § 107 Rn. 14 ff. und § 114 Rn. 34 ff. im Hinblick auf die Alcatel-Entscheidung, C. II.; in diese Richtung auch Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 195: Er stellt weiter fest, dass also eine begriffliche Abkehr von der Einheit von Zuschlag und Vertragsschluss nicht erforderlich sei. 982

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Würden die Rechtsmittelrichtlinien den Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers dahingehend einengen wollen, dass allein das zweistufige System gefordert ist, wären sie in diesem Punkt nicht so beiläufig formuliert und so unbestimmt. So hätte das Verhältnis von Zuschlag und Vertragsschluss in den Rechtsmittelrichtlinien selbst genauer ausgestaltet werden müssen. Es wäre etwa eine Mindestfrist zwischen den Stufen vorgesehen worden986, ausdrücklich ein Verbot des Zusammenfallens von Zuschlag(serteilung) und Vertragsschluss987 oder eine Pflicht zur Bekanntgabe der Zuschlagserteilung988 angeordnet worden. Wenn die Vergaberichtlinien wirklich einen so weitgehenden Eingriff in die Vergabesysteme der Mitgliedsstaaten hätten vornehmen wollen, hätte dies also deutlicher geregelt sein müssen, als durch die in Art. 2 VI gewählte Formulierung.989 Eine solche Regelung würde sich dann auch nicht in den Rechtsmittelrichtlinien, sondern in den materiellen Vergaberichtlinien finden: Das Vergabeverfahren selbst ist in den Koordinierungsrichtlinien geregelt ist. Es wäre systematisch bedenklich, eine konkrete und zwingende Regelung des Vergabeverfahrens in den Rechtsmittelrichtlinien zu platzieren.990 Eine Harmonisierung des materiellen Vergaberechts in Bezug auf die unterschiedlichen Zuschlagssysteme über die Rechtsmittelrichtlinien ist abzulehnen.991 Um dennoch zu einer Auslegung zu kommen, die auch Vorgaben für das Vergabeverfahren macht, müssen erhöhte Anforderungen an einen entsprechenden Regelungswillen gestellt werden.992 Ein solcher ist den Rechtsmittelrichtlinien nicht zu entnehmen und auch bei deren Erlass nicht zu erkennen. Dies ergibt sich auch daraus, dass bei der der Rechtsmittelrichtlinie nachfolgenden Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie ein Verbot des Zusammenfallens von Zuschlag und Vertragsschluss zwar diskutiert, jedoch keine Einigung erzielt wurde. Die Frage sei als offene Frage festgehalten worden, die bei einer Revision der Richtlinie anstehe.993 Art. 2 VI ist also keine solch große Bedeutung beizumessen, dass er konkret einen dogmatischen Ablauf für das Vergabeverfahren, eine Trennung von Zuschlag und Vertragsschluss, zwingend vorschreibt. Dafür spricht 986

Reidt, BauR 2000, 22, 24. Erdl, S. 110, Rn. 208. 988 Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, § 114, Rn. 35. 989 Man kann die Auffassung vertreten, dass die Erwähnung der Zuschlagserteilung in der Formulierung von Art. 2 VI RMRL („Vertragsschluss im Anschluss an die Zuschlagserteilung“) nur füllenden Charakter hat, nur als Einschub den Vertragsschluss näher erklären soll. 990 Erdl, S. 110. 991 In diese Richtung auch Dreher, EuZW 1998, 197, 198. 992 Erdl, S. 110, Rn. 208. 993 Näher zum Ganzen Erdl, S. 110, Rn. 208 m. w. N. 987

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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auch, dass Art. 2 VI bei der Entstehung der RMRL erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Beratungen eingefügt worden ist. Er war weder im ursprünglichen Vorschlag der Kommission noch in ihrem später geänderten Vorschlag enthalten und sollte nur den erreichten Gesamtkompromiss verdeutlichen.994 Gegen die Vorgabe einer zwingenden Trennung durch Art. 2 VI RMRL lässt sich weiter anführen, dass die Richtlinien nur hinsichtlich des Ziels verbindlich sind, aber den MS bei der Umsetzung die Wahl der Form und der Mittel bleibt (Art. 249 EGV).995 Regelungsziel der Rechtsmittelrichtlinien ist die Sicherung bzw. Verstärkung des effektiven Rechtsschutzes im Vergabebereich. Dafür ist aber eine Trennung von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss nicht zwingend erforderlich. Wie gezeigt, genügt die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung für den effektiven Rechtsschutz. Bei der Schaffung der Vergaberichtlinien sollten aber die unterschiedlichen Vergabesysteme respektiert werden, solange auch auf ihrer Basis, das Ziel, der effektive Rechtsschutz, erreicht werden kann.996 Auch wenn man berücksichtigt, dass der Umsetzungsspielraum und damit die Freiheit der Formenwahl nicht unbeschränkt sind, ergibt sich nichts anderes. Zwar müssen die Mitgliedsstaaten diejenige Form der Umsetzung wählen, die für die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie am besten geeignet ist,997 das Prinzip der praktischen Wirksamkeit verlangt indes nicht, das immer nur die bestmögliche denkbare Umsetzung gewählt werden muss. Der Mitgliedsstaat hat nur sicherzustellen, dass unter Beachtung der nationalen Gegebenheiten eine Umsetzung erfolgt, die die wirksame Realisierung der Richtlinienziele gewährleistet,998 hier also effektiven Rechtsschutz. Dafür können bei einigen Vergabesystemen durchaus zusätzliche Vorkehrungen nötig sein.999 Dies ist in Deutschland mit der VgV aber geschehen. Oft wird auch für Notwendigkeit der Trennung von Zuschlag und Vertragsschluss angeführt, dass die RMRL dem französischen Modell folge (Auslegung nach der Entstehungsgeschichte), welches so ausgestaltet ist, dass der Vertragsabschluss erst nach Rechtskraft der öffentlich-rechtlichen Zuschlagsentscheidung erfolgt.1000 Daraus soll folgen, dass sich die MS bei 994 Näher Seidel, in: Dauses, HdB des EU-Wirtschaftsrechts, Band 2, H. IV, Rn. 215 ff. 995 Gröning, ZIP 1999, 52, 57. 996 Boesen, Ergänzung zu § 107 Rn. 14 ff. und § 114 Rn. 34 ff. im Hinblick auf die Alcatel-Entscheidung, C. III. 997 St. Rspr. seit EuGH, Slg. 1976, 497, 517 (Royer). 998 Kalinowsky, S. 246 f. m. w. N. 999 Waldner, S. 219.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

ihrer Umsetzung an diesem Modell zu orientieren hätten.1001 Dies ist allerdings nicht einsichtig: Zum einen hat der Richtliniengeber wegen des Widerstandes der Mitgliedsstaaten mit einstufigem Vergabesystem gerade keine Vorgaben für die Ausgestaltung des Vergabesystems gemacht. Zum anderen ist die Vorbildfunktion des französischen Rechts auch nicht ausreichend belegt (und belegbar).1002 Zudem enthalten die RMRL keinen Hinweis darauf, dass hier für die Beurteilung einer gemeinschaftsrechtlichen Norm das Rechtssystem eines bestimmten MS heranzuziehen ist.1003 Im Ergebnis wollen die RMRL einzig effektiven Rechtsschutz sichern, nicht aber darüber hinausgehend auch noch Anforderungen an die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens stellen. Der Formulierung in Art. 2 VI RMRL kann nichts Gegenteiliges entnommen werden. 3. Ergebnis für V. Weder aus der Alcatel-Entscheidung des EuGH noch aus Art. 2 VI der Rechtsmittelrichtlinie ergibt sich die Verpflichtung des deutschen Gesetzgebers, das Vergabeverfahrensrecht so umzugestalten, dass der Vertragsschluss von der Zuschlagserteilung völlig abgekoppelt wird.

1000

Dazu näher unter C. VI. 2. So das Vorbringen des Bf. im Verfahren vor dem österreichischen VfGH v. 26.6.1997, ÖZW 1998, 41, = ZVgR 1997, 221, 222 f. 1002 Dies gilt ebenso für das gegenteilige Argument, dass Art. 2 VI der Richtlinie aufgrund eines politischen Kompromisses bei der Beschlussfassung eine implizite Gestattung eines zivilrechtlichen einaktigen Zuschlagssystem darstelle – vgl. dazu Platzer, ÖZW 1998, 49, 50. 1003 So das Vorbringen des BVA im Verfahren vor dem österreichischen VfGH v. 26.6.1997, ÖZW 1998, 41, 43. Auch nach Auffassung von Brinker, in: Schwarze, S. 97, 107 ist es nachträglich nicht möglich zu beurteilen, in welchem Umfang bei den Vorbereitungen für die RMR die Besonderheiten der Rechtsordnungen der MS diskutiert worden sind. Aus den schriftlichen Gesetzgebungsmaterialien ergebe sich dazu nichts. Es lässt sich also nicht nachweisen, dass etwa die Bundesrepublik eine weitere Zulässigkeit des Einstufensystems geltend gemacht hätte. Eine Argumentation auf der Basis von jeweils unterschiedlichen persönlichen Erinnerung (die einen erinnern sich an die Anlehnung an das franz. Modell, andere wiederum an den politischen Kompromiss, der das Einstufenmodell erlauben sollte) ist aber zu kritisieren – Platzer, ÖZW 1998, 49, 50. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts die Entstehungsgeschichte eine geringe Rolle spielt und klar dokumentierte Absichten des Gesetzgebers verlangt – Brinker, in: Schwarze, S. 97, 107. 1001

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VI. Alternativen zur Einführung der Vorabinformationspflicht bzw. zur jetzigen Ausgestaltung der Vorabinformationspflicht für die Schaffung effektiven Rechtsschutzes Auch wenn die gegenwärtige Fassung des § 13 VgV zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung (im Grundsatz)1004 ausreichend ist, soll dennoch untersucht werden, ob dafür nicht de lege ferenda eine alternative Regelung vorzugswürdiger wäre: 1. Schwebende Unwirksamkeit der Zuschlagserteilung Während des Entstehungsprozesses der Vergabeverordnung wurde in der Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/00, 31.10. 2000) für § 13 Satz 2 bis 4 folgende Fassung vorgeschlagen: „Der Auftraggeber gibt die Information so früh wie möglich, spätestens jedoch zeitgleich mit der Zuschlagserteilung ab. Der erteilte Zuschlag wird erst 14 Kalendertage nach Erteilung der Information rechtswirksam. Er bleibt bis dahin schwebend unwirksam.“1005

Bei dieser Fassung des § 13 VgV wäre aber effektiver Rechtsschutz der Bieter nicht sichergestellt. Wird innerhalb der 14-tägigen Dauer der schwebenden Unwirksamkeit ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet, so ist der Vertragsschluss dennoch nach 14 Tagen wirksam. Denn § 115 I GWB verbietet de lege lata nur die Vornahme der Zuschlagserteilung, verhindert aber nicht das Wirksamwerden der bereits erfolgten Zuschlagserteilung. Der Vorschlag der Ausschüsse des Bundesrates müsste also dahingehend ergänzt werden, dass bei Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens während der Schwebezeit § 115 I GWB das Wirksamwerden des Zuschlags auch nach Ablauf der Schwebezeit verhindert. Wenn man den Weg über einen schwebend unwirksamen Vertragsabschluss suchen will, so ist es aber besser, schon in § 13 VgV selbst eine aufschiebende Bedingung vorzusehen, die an die Einleitung eines Nachprüfungsverfahren gekoppelt ist. Anstelle von § 13 S. 2–4 VgV könnte daher – in Ergänzung des Vorschlages der Bundesratsausschüsse – geregelt werden: „Der Auftraggeber gibt die Information so früh wie möglich, spätestens jedoch zeitgleich mit der Zuschlagserteilung ab. Der erteilte Zuschlag wird 14 Kalendertage nach Erteilung der Information rechtswirksam, sofern nicht ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet wurde. Ist letzteres der Fall, wird er erst nach dessen 1004

Wie gezeigt, ist er hinsichtlich des Beginns der Vertragssperrfrist zu modifi-

zieren. 1005 Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/00, 31.10.2000), S. 3.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Abweisung (Bestätigung der Zuschlagsentscheidung durch die Nachprüfungsinstanz) oder der Rücknahme des Antrags durch den Antragsteller wirksam.“1006

Nach diesem Vorschlag läge eine schwebende Unwirksamkeit des Vertrages nach § 158 I BGB vor. Es müssten allerdings die §§ 28 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A und VOL/A dahingehend ergänzt werden, dass mit der Zuschlagserteilung „nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen vorbehaltlich der Regelung des § 13 VgV der Vertrag abgeschlossen“ ist. Bei diesem Vorschlag stünde einem Nachprüfungsverfahren nicht § 114 II GWB entgegen, da vor Ablauf der 14-Tagesfrist oder ohne Informationserteilung keine wirksame Zuschlagserteilung vorliegt, was § 114 II GWB aber voraussetzt. Der Vertrag ist mangels Bedingungseintritts noch nicht wirksam. Eine nachträgliche Aufhebung der Zuschlagserteilung und der Zuschlagsentscheidung ist damit möglich.1007 Wie § 13 VgV ermöglicht daher auch der Alternativvorschlag effektiven Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung. Würdigung dieser Alternative: Bei der Beurteilung der Frage, ob die hier vorgestellte alternative Möglichkeit der Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes die bestehende Regelung des § 13 VgV ersetzen sollte, muss berücksichtigt werden, dass wie gezeigt auch auf der Basis der geltenden Fassung von § 13 VgV effektiver Rechtsschutz sichergestellt werden kann. Die Einführung der alternativen Ausgestaltungsmöglichkeit macht daher nur Sinn, wenn sie gegenüber der bestehenden Regelung überzeugende Vorteile böte. Dies ist indessen nicht der Fall: Die Bundesratsausschüsse begründeten ihren Alternativvorschlag damit, dass die in § 13 VgV vorgesehene Nichtigkeitsfolge nicht unerhebliche richterliche Auslegungsrisiken berge, weil die Feststellung der Nichtigkeit von der Rechtswidrigkeit des Vertragsinhalts abhängt. Außerdem sei die Nichtigkeitsfolge allein bei einem Formverstoß in der Sache unangemessen und verkenne die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung.1008 1006 Ein ähnlicher Vorschlag wurde von Kienast, S. 158 ff. für das österreichische Recht diskutiert. Auch Kalinowsky, S. 58 Fn. 237 hält eine aufschiebend oder auflösend bedingte Annahmeerklärung nach § 158 BGB für denkbar. Die Bedingung sieht er in Einlegung bzw. Nichteinlegung eines Nachprüfungsantrages. Ebenso spricht Malmendier, DVBl 2000, 963, 967 die Möglichkeit an, Zuschläge bis zur Bestandskraft der Vergabeentscheidung als schwebend unwirksame Willenserklärungen zu behandeln. Erdl, BauR 1999, 1341, 1349 schlägt dagegen vor, der Abschluss des Vertrages sollte auflösend bedingt vorgenommen werden. Die auflösende Bedingung soll danach die Feststellung einer vergaberechtswidrigen Auswahlentscheidung durch ein Nachprüfungsverfahren sein. Dieses Nachprüfungsverfahren solle auch noch nach Abschluss des auflösend bedingten Vertrages möglich gemacht werden. 1007 Kienast, S. 160, die aber nur von der Aufhebbarkeit des „Zuschlags“ spricht.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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Diese Argumentation kann aber nicht für die vorgeschlagene Alternative ins Feld geführt werden. Denn auch bei ihr führt die Nichterteilung der Vorabinformation dazu, dass der Vertrag auf Dauer nicht wirksam wird. In der Sache wirkt dies für Auftraggeber und erfolgreichen Bieter wie die Nichtigkeitsfolge in der bestehenden Regelung, die auch über die Bestätigung korrigiert werden kann. Des Weiteren machen die Bundesratsausschüsse geltend, dass es bei § 13 VgV auch zu einer nicht hinnehmbaren Verkürzung der Regelzuschlagsfrist für die Vergabestelle komme.1009 Wie gezeigt, ist dies aber bei richtiger Anwendung der Vorschriften über die Zuschlags- und Bindefristen nicht der Fall. Insgesamt bestehen die wesentlichen Anwendungsprobleme, die sich zu § 13 VgV ergeben, auch bei dem Alternativvorschlag. Auch hier ist etwa die Bestimmung des Kreises der Informationsadressaten und des Informationsumfangs schwierig und ist die Anwendung der Vorabinformationspflicht auf de-facto-Vergaben problematisch.1010 Da der Alternativvorschlag also keine bedeutenden Vorteile gegenüber der bestehenden Vorabinformationspflicht in § 13 VgV aufweist, spricht also nichts dafür, den § 13 VgV durch den Alternativvorschlag zu ersetzen. Es sind nicht solche Vorteile der vorgeschlagenen Alternative ersichtlich, die die Ablösung der schon bestehenden Rechtslage rechtfertigen. 2. Alternative 2: Zwar Wirksamkeit der Zuschlagserteilung, diese wird aber vom Vertragsschluss getrennt und selbstständig anfechtbar gemacht (Vertragsschluss bleibt weiter unanfechtbar) Zur Gewährleistung des Rechtsschutzes wäre auch die Aufgabe des (faktischen) Zusammenfallens von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss möglich1011 gewesen, um die Zuschlagserteilung und mit ihr die Zuschlagsentscheidung dann einer Kontrolle zugänglich zu machen. Der Gesetzgeber hätte also durch eine Änderung der §§ 28 VOB/A und VOL/A Zuschlags1008

Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/00, 31.10.2000), S. 3. 1009 Bei seinem Alternativvorschlag ist dies nicht so, da die Vorabinformation hier erst mit der Zuschlagserteilung erfolgen muss. 1010 Vorteil des Alternativvorschlags ist hingegen zunächst, dass die Fragen der Beachtung der Wartefrist nicht so entscheidend sind. Denn an der Frist hängt hier nicht die Nichtigkeit, sondern der Vertrag wird im Zweifel eben einen Tag später wirksam. Wie gezeigt, konnten aber auch die Fragen der Wartefrist beim bestehenden § 13 VgV einer praxisgerechten Lösung zugeführt werden. 1011 Dass dies nicht europarechtlich notwendig war, wurde schon unter B. III. 1 f) erörtert.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

erteilung und Vertragsschluss (deutlicher) voneinander trennen können1012, etwa indem der Vertragsschluss erst 14 Tage nach Information über die Zuschlagserteilung erfolgen darf: Nach Zuschlagserteilung würden die Bieter aufgrund der schon bestehenden Informationspflichten in den Verdingungsordnungen über diese informiert, so dass sie gegen die Zuschlagserteilung noch vor dem Vertragsschluss um Rechtsschutz nachsuchen könnten.1013 Zur Sicherung der tatsächlichen Erteilung der Information über die Zuschlagserteilung müsste ein Verstoß gegen die Informationspflichten in den Verdingungsordnungen aber wiederum durch die Sanktion der Nichtigkeit des geschlossenen Vertrages geahndet werden. Außerdem ist die Zuschlagserteilung nur dann überprüfbar, wenn man auch § 114 II GWB ändert,1014 da dieser bisher für den Rechtsschutzausschluss nicht auf den Vertragsschluss, sondern auf die Zuschlagserteilung abstellt. Dieser Vorschlag könnte dazu führen, dass auch im Vergaberecht die im Subventionsrecht entwickelte so genannte „Zweistufentheorie“ zu übernehmen ist.1015 Dies wurde schon in der Vergangenheit befürwortet.1016 Aller1012 Im Unterschied dazu wurden durch die vom Verordnungsgeber gewählte Lösung über § 13 VgV Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung deutlicher voneinander getrennt. 1013 Diese Möglichkeit befürwortet Kau, NZBau 2003, 310, 314 f. Erörtert wird sie auch von Boesen, § 114 Rn. 52. 1014 Vgl. auch Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 114 GWB, Rn. 12. 1015 Dafür Hermes, JZ 1997, 909, 914 f.; Weitbrecht, in: Schwarze, S. 177, 187; Gonzáles-Varas, GewArch 2002, 317, 318; Triantafyllou, NVwZ, 1994, 943, 946 f., der die Frage, ob dem Zuschlagsverwaltungsakt ein privatrechtlicher oder ein öffentlichrechtlicher Vertrag vorgeschaltet werden muss, ausdrücklich offen lässt. Pernice/ Kadelbach, DVBl. 1996, 1100, 1106; Huber, JZ 2000, 877, 882 m. w. N.; ders., Kampf um den öffentlichen Auftrag, S. 33 ff. Obwohl die Zweistufentheorie vor allem in Deutschland Tradition hat, wurde sie auch in Österreich mehrmals gefordert – Kienast, S. 189 m. w. N. Eine differenzierende Ansicht will nur für die Fälle, in denen die Behörde eine Förderungsaufgabe für durch öffentlich-rechtliche Normen begünstigte Personen wahrnimmt, das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Entscheidung und die Annahme der Zweistufentheorie befürworten: Achterberg, Allg. VerwR, § 20 Rn. 63; Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl. 2001, Einl. Rn. 2; Kopp/Ramsauer, § 35 Rn. 26 (noch in der Vorauflage hatte Kopp die Zweistufentheorie noch generell, ohne Differenzierung befürwortet); Maurer, § 17 Rn. 31. Dies hatte ursprünglich auch das BVerwG so vertreten: BVerwGE 7, 89, 92 ff.; BVerwG, DÖV 1973, 244, 245. Es hat aber seine Rechtsprechung in BVerwG, NJW 1962, 1535 aufgegeben und die Auftragsvergabe auch in Fällen des Vorliegens von Bevorzugungsnormen als rein zivilrechtlich behandelt. Vgl. aber wieder VGH Kassel, NJW 1985, 1356, 1357 (auf der alten Linie des BVerwG); gegen diese Differenzierung: Elverfeld, S. 19; Waldner, S. 120 f.; Kraft-Lehner, S. 79. Gegen diese Ansicht bestehen die gleichen Bedenken, die sogleich gegen die generelle Befürwortung der Zweistufentheorie vorgebracht werden – so auch Kalinowsky, S. 57.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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dings hatte sich das geltende privatrechtliche, einstufige System durchgesetzt, so dass es um die von ihr abweichenden Ansätze still geworden war.1017 Durch die Notwendigkeit der Beseitigung des Rechtsschutzdefizits ist die Diskussion aber wieder zu neuem Leben erwacht.1018 Nach der Zweistufentheorie wäre die Zuschlagserteilung dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Der erst anschließend abgeschlossene Vertrag unterfiele dem Zivilrecht. Die Zuschlagserteilung wäre allen Bietern gegenüber (auch gegenüber den nichtberücksichtigten Bietern) als VA anzusehen und bereits das Vergabeverfahren als Verwaltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG (des Bundes oder des jew. Landes) einzustufen.1019 Der Zuschlagsverwaltungsakt könnte dann selbstständig angefochten werden, ein Widerspruch dagegen hätte aufschiebende Wirkung nach § 80 VwGO. Es könnten auch die Vorschriften des VwVfG über fehlerhafte VA angewendet werden (etwa § 44, § 461020 und §§ 48, 50 VwVfG).1021 Eines der Hauptargumente für die Einführung dieser Zweistufenlösung ist und war der mangelnde Rechtsschutz bei der geltenden privatrechtlichen und faktisch einstufigen Ausgestaltung des Vergabeverfahrens.1022 Zur Begründung dieser Ansicht wird auch auf die Rechtslage in den anderen Mitgliedsstaaten der EU verwiesen.1023 Mit Ausnahme von Österreich und Deutschland sehen die meisten anderen EU-Mitgliedsstaaten1024 1016

Dies geht auf Kopp, BayVBl 1980, 609 ff. zurück. Die Diskussion über die Zweistufentheorie wurde für das Öffentliche Auftragswesen bereits 1979 von Walthelm, S. 148 für beendet erklärt. 1018 Huber, JZ 2000, 877, 882 m. w. N.; ders., Kampf um den öffentlichen Auftrag, S. 33 ff.; Weitbrecht, in: Schwarze, S. 177, 187; Wittig, S. 292 ff.; Nachweise auch bei Erdl, Rn. 69. 1019 Von einigen Autoren wird auch die vollständige Zuordnung des Vergabewesens zum öffentlichen Recht und die Einordnung auch des Auftragsvergabevertrages als verwaltungsrechtlicher Vertrag vertreten – vgl. Braun, BayVBl. 1983, 225, 227; von Zezschwitz, NJW 1983, 1873, 1877 (für Beschaffungsverträge mit lenkender Zielsetzung); in diese Richtung auch Gonzáles-Varas, GewArch 2002, 317, 318. 1020 Danach wäre die Zuschlagsentscheidung nur aufzuheben, wenn der Verfahrensfehler zur Berücksichtigung eines anderen Bieters geführt hätte. 1021 Dazu im Einzelnen mit Bezug auf die Vergabeentscheidung: Wittig, S. 304 f.; Triantafyllou, NVwZ, 1994, 943, 946. 1022 Kopp, BayVBl 1980, 609, 610 ff. 1023 Kopp, BayVBl 1980, 609, 611 m. w. N. unter Verweis auf Frankreich; so auch das Vorbringen der Bf. im Verfahren vor dem österreichischen VfGH v. 26.6.1997, ÖZW 1998, 41, 43. 1024 Zur Rechtslage in anderen MS: Öhler, S. 77 ff.; Prieß/Hausmannn, EuR 1999, 203, 208 ff.; Erdl, S. 48 f. Fn. 290 und 292; Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 220 ff.; Frank, S. 304 ff. Einen rechtsvergleichenden Überblick über das Vergaberecht Österreichs, Großbritanniens und Frankreichs gibt auch Holoubek, 1017

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

eine größere Zeitdifferenz zwischen Zuschlagserteilung und Vertragsabschluss vor, so dass dort die Überprüfung und Aufhebung des Zuschlags vor Vertragsschluss möglich ist.1025 So wird oft auf die Rechtslage in Frankreich verwiesen.1026 Dort unterliegt das Auftragswesen dem öffentlichen Recht.1027 Die öffentlichen Aufträge werden als contrats administratifs, also Verwaltungsverträge, qualifiziert.1028 Der gerichtliche Rechtsschutz erfolgt durch die Verwaltungsgerichte.1029 In Frankreich werden nach der theorie de l’acte detachable1030 der Akt der Zuschlagserteilung1031 als vom Vertragsabschluss getrennt angesehen. Er wird als eigenständiger öffentlich-rechtlicher Akt angesehen. Dadurch wird dessen Anfechtung (auch durch Dritte) ermöglicht.1032 Erst 3. Bericht zur Staatsrechtslehrertagung 2000 zum Beratungsgegenstand „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber“, S. 513 ff. 1025 Der nach Zuschlagserteilung einmal geschlossene Vertrag selbst kann aber in den wenigsten Mitgliedsstaaten noch aufgehoben werden. Es gilt der Grundsatz pacta sunt servanda – näher A. I. 5.; vgl. auch zur Rechtslage in Spanien, Fn. 1037. Für die Rechtslage in Frankreich siehe sogleich im Text. 1026 So diskutiert etwa Kienast, S. 162 ff. für das österreichische Recht dessen Anpassung an das französische Modell. 1027 Die Umsetzung Gemeinschaftsvergaberecht erfolgte im französischen Beschaffungskodex (Code des Marchés Publics). Er wurde zunächst zum 8.9.2001 und zuletzt zum 10.1.2004 (Gesetz Nr. 2004-15) novelliert. Näher dazu der Überblick von Mille, RPA 2004, 233; Arnould, Public Procurement Law Review 2001, 324 m. w. N.; ders. auch zur Rspr. der frz. Gerichte zum neuen Gesetz in, Public Procurement Law Review 2004, NA6; Bungenberg, WuW 2001, 1206 ff. m. w. N.; Vgl. auch Monatsinfo, forum vergabe e. V., 5/2001, S. 63 f.; zum französischen Vergaberecht insgesamt: Kubis, S. 37 ff.; Öhler, S. 77 ff.; Prieß/Hausmannn EuR 1999, 203, 212 f.; Ax, Rechtsschutz in Frankreich und Deutschland – Rechtsvergleich, 1996; Holoubek, 3. Bericht zur Staatsrechtslehrertagung 2000 zum Beratungsgegenstand „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber“, S. 513, 553 ff.; Haase, S. 70 ff.; Frank, S. 312 ff.; Büchl, S. 77 ff.; zur Vergabe und Abwicklung öffentlicher Bauaufträge in Frankreich auch Hök, ZfBR 2001, 220. 1028 Näher Kienast, S. 162 ff. m. w. N.; Haase, S. 71 m. w. N.; Holoubek, a. a. O., S. 513, 559 f. 1029 Holoubek, a. a. O., S. 513, 560 f. 1030 Theorie des „abtrennbaren Aktes“, die vom Conseil d’Etat, dem höchsten frz. Verwaltungsgericht geschaffen wurde – näher dazu Büchl, S. 77 und Kienast, S. 162 m. w. N. 1031 Die Zuschlagserteilung (l’attibution du marché) wird hier aus zwei auf einander folgenden Akten gebildet: der Zuschlagsentscheidung (l’acte d’adjudication) und dem Abschluss des Vertrages – Büchl, S. 79. 1032 Näher Büchl, S. 78 f. m. w. N.; Kienast, S. 162: Die Zuschlagsentscheidung wird zu einem hoheitlichen Akt, da nur diese (Verwaltungsakte in Form eines „recours en annulation“) angefochten werden können. Näher auch Kubis, S. 153 ff.; Holoubek, a. a. O., S. 513, 560 f.; Boesen, Anm. zu EuGH, Urt. v. 28.10.1999 – Alcatel, ZIP 1999, 1942.

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mit der „Rechtskraft“ der Zuschlagsentscheidung (keine Anfechtung oder Abweisung derselben) ist die Verwaltung zum Abschluss des Vertrages ermächtigt.1033 Ist allerdings der Vertrag schon geschlossen, so hat die Aufhebung der Zuschlagsentscheidung auf diesen keinen Einfluss mehr.1034 Der Richter, der die Zuschlagsentscheidung aufhebt, kann nicht gleichzeitig auch den Vertrag aufheben. Allerdings ist dem Vertrag die rechtliche Basis entzogen. Daher kann die Verwaltung aufgrund der Verpflichtung zur Gesetzmäßigkeit eine Auflösung des Vertrages über den für Streitigkeiten aus dem Vertrag zuständigen Richter erreichen. Sie kann den Vertrag auch selbst kündigen. Allerdings kann dies der übergangene Bieter nicht erzwingen. Jedoch ist inzwischen anerkannt, dass der Vergaberichter, der die Zuschlagsentscheidung aufgehoben hat, die Vergabestelle verpflichten kann, eine Klage auf Auflösung des Vertrages vor dem zuständigen Richter zu erheben.1035 Auch wird die Aufhebung in der Praxis von den Parteien (insbes. der Verwaltung) beachtet, so dass tatsächlich doch auch eine Hemmung des Vertrages eintritt.1036 Luxemburg, Belgien, Portugal und Spanien1037 haben diese Konzeption des französischen Vergaberechts mit dem „abtrennbaren Akt“ mit geringen Änderungen übernommen.1038 Der Zuschlag ist aber nicht nur in den EUMitgliedsstaaten, sondern beispielsweise auch in der Schweiz ein vom Vertragsschluss zu unterscheidender selbstständiger, öffentlich-rechtlicher Akt. Der Rechtsschutz richtet sich hier nicht gegen den privatrechtlichen Abschluss des Vertrages1039, sondern vor den Verwaltungsgerichten gegen die 1033 Kienast, S. 163 m. w. N.; Wegmann, NZBau 2001, 475, 476: Zuschlag wird erst nach Bestandskraft durch den zivilrechtlichen Vertragsschluss vollzogen. 1034 Vgl. Öhler, S. 78 f. m. w. N.; Büchl, S. 79; Kubis, S. 160 f. Dies ist auch nach dem im September 2001 reformierten französischen Vergaberecht noch so der Fall, Arnould, Public Procurement Law Review 2001, 324, 338 f. 1035 Arnould, Public Procurement Law Review 2001, 324, 338 f.; näher zum Ganzen Büchl, S. 79 f. m. w. N. 1036 Näher zum Ganzen Büchl, S. 79 f. m. w. N.; zu Entscheidungen im frz. Nachprüfungsverfahren, die sich mit der Aufhebung der Vergabeentscheidung bzw. des geschlossenen Vertrages beschäftigen, Ax, Europäisches Vergaberecht 2/96, 87 ff.; vgl. auch Fn. 1025. 1037 Auch in Spanien stellen öffentliche Aufträge öffentlich-rechtliche Verträge dar, für die die Verwaltungsgerichte zuständig sind (Prieß/Hausmannn EuR 1999, 203, 222; Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 235). Zu den Folgen der Aufhebung eines actos seperables für den Vertrag: Öhler, S. 79 m. w. N. und Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 236. 1038 Kienast, S. 162. Grundprinzipien des französischen und des verwandten belgischen Rechts wurden auch von ehemaligen frz. und belgischen Kolonien übernommen, sind daher in relativ weit verbreitet – Haase, S. 72 m. w. N.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

diesem sachlich und zeitlich vorgelagerte öffentlich-rechtliche Zuschlagsverfügung. Dieser Zuschlag kann dann durch das Verwaltungsgericht aufgehoben werden.1040 Weiter wird zur Begründung der Zweistufentheorie auf die Vergleichbarkeit der Auftragsvergabe mit der Subventionsvergabe verwiesen, wo die Zweistufentheorie anerkannt ist.1041 Die Anwendung der Zweistufentheorie1042 im Vergaberecht ist aber abzulehnen. Gegen sie sprechen folgende Argumente:1043 Das Vergabeverfahren bis zur Zuschlagserteilung würde bei Anwendung der Zweistufentheorie die erste Stufe bilden. Es wäre danach als öffentlichrechtliches Verfahren, das mit einem VA endet, auszugestalten. Dies kann nicht überzeugen,1044 denn eine öffentlich-rechtliche Einordnung des Vergabeverfahrens kommt von vornherein nur für die klassischen öffentlichen Auftraggeber, nicht aber für die privatrechtlich organisierten Sektorenauftraggeber in Betracht.1045 Damit könnte nur für erstere das Vergabeverfahren öffentlich-rechtlich ausgestaltet werden, für die Sektorenauftraggeber aber nicht, obwohl diese inhaltlich nahezu den gleichen Regeln zu folgen hat. Diese – zusätzliche – Differenzierung im Vergaberecht kann nicht überzeugen, so dass der privatrechtlichen Lösung der Vorzug zu geben ist.1046 Dafür, dass das Auftragswesen weiterhin insgesamt zivilrechtlich eingeordnet werden sollte1047, spricht weiter, dass der Staat hier nicht hoheitlich, sondern als Fiskus auf der Ebene der Gleichordnung handelt. Die Auftrags1039 Dieser folgt separat nach der Zuschlagsverfügung durch empfangsbedürftige Willenserklärung. 1040 Stöckli, NZBau 2002, 7, 9 und 10: Unterhalb der Schwellenwerte des GPA ist die Zuschlagsverfügung aber nicht anfechtbar, da nach der in der Vergabeverordnung angeordneten Fiktion der Zuschlag hier kein Rechtsakt ist. 1041 Auch im Vollstreckungsrecht wird von den Vertretern der öffentlich-rechtlichen Theorie der bei einer Versteigerung erfolgende Zuschlag als VA angesehen – diese Parallele sieht auch Erdl, S. 40, Fn. 237. 1042 Auch in der differenzierenden Ausprägung (Zweistufentheorie nur bei Bevorzugungsnormen, vgl. auch Fn. 1015). 1043 Umfassende Argumentation bei Waldner, S. 117 ff. (Dort finden sich auch hier nicht erörterte Gegenargumente); Elverfeld, S. 19 f. m. w. N.; Sun, S. 103 ff. 1044 Gegen die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Vergaberechts insgesamt auch Wolff/Bachof/Stober, I, 1999, § 23 V 1 Rn. 25; vgl. auch VG Chemnitz, NVwZ-RR 1997, 198, 199. 1045 Die Sektorenauftraggeber könnten etwa die Zuschlagserteilung nicht als VA erlassen, da es ihnen zumindest an der Behördeneigenschaft fehlt. Sie sind keine Beliehenen (i. Erg. anders Wittig, S. 301). 1046 Näher Pietzcker, Zweiteilung, S. 17; vgl auch Sterner, S. 97; Sun, S. 104 f. 1047 Zur bisherigen zivilrechtlichen Einordnung näher unter B. III. 2. (bei der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit der Überprüfung der Zuschlagsentscheidung).

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vergabe erfolgt nicht im Verhältnis der Über- und Unterordnung, sondern die Vertragsparteien treten sich als gleichwertig gegenüber.1048 Auch wenn davon zwar die Bindung des Auftraggebers an die Grundrechte nicht berührt wird1049, so ist der Zuschlag aber eben nur eine privatrechtliche Willenserklärung, durch die der Auftraggeber das Angebot eines Bieters auf den Vertragsschluss annimmt.1050 Die zivilrechtliche Einordnung des Vergaberechts entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Bei der Schaffung des VgRÄG hat sich dieser – wie bereits ausgeführt – für die Gesetzgebungskompetenz ausdrücklich auch auf Art. 74 Nr. 1 GG, also das „bürgerliche Recht“ berufen. Soweit die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Vergaberechts wegen des damals unzureichenden Rechtsschutzes gefordert worden war1051, ist diese Argumentation mit Blick auf das jetzige Rechtsschutzniveau überholt.1052 Die Anwendung der Zweistufentheorie ist ebenso nicht mehr nötig, um die Möglichkeit der Anwendung der Vorschriften des VwVfG zu begründen. Denn inzwischen sind das Vorgehen der Vergabestelle und die Rechtsschutzmöglichkeiten oberhalb der Schwellenwerte umfassend (spezialgesetzlich) durchnormiert. Diese auf das Vergaberecht zugeschnittenen Regelungen müssten – vor allem wegen der europarechtlichen Vorgaben – auch erhalten bleiben.1053 1048 Waldner, S. 120; Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vorb. zu §§ 97–101, Rn. 6. Allerdings unterscheidet der Auftraggeber sich von den privaten Nachfragern dadurch, dass er sich bei den Vertragsabschlüssen eines für alle einsehbaren Regelwerks (die Verdingungsordnungen) bedient, also Bindungen unterliegt, die im normalen Rechtsverkehr zwischen Privaten nicht gelten (Waldner, S. 33). Der Auftraggeber hat also beim Verfahren zur Auswahl des Vertragspartners und bei der Vorbereitung des Vertragsschlusses besondere Vorschriften zu beachten. Dies stellt aber den privatrechtlichen Charakter des staatlichen Einkaufs nicht in Frage (näher Waldner, S. 120). 1049 Näher unter B. III. 2. 1050 Waldner, S. 120. 1051 So von Kopp, a. a. O. 1052 Ebenso Kalinowsky, S. 58; so schon für die Rechtslage nach der haushaltsrechtlichen Lösung Wolff/Bachof/Stober, I, 1999, § 23 V 1 Rn. 25. 1053 Pietzcker, Zweiteilung, S. 17 und 20. Der Verweis auf die Vorteile der Anwendung der VwVfG-Vorschriften überzeugt auch deswegen nicht, da diesen Vorschriften eine ganz andere Entscheidungssituation zugrunde liegt, als sie das Vergabeverfahren kennzeichnet. Beim Vergabeverfahren handelt es sich ein auf Marktteilnahme gerichtetes Verfahren zum Zwecke der Deckung des Sachbedarfs der Verwaltung selbst“. Demgegenüber geht es in den Verwaltungsverfahrensgesetzen um die „verfahrensmäßige Absicherung des Verwaltungshandelns bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben gegenüber dem Bürger.“ – Sterner, S. 96 f.: Auch würde dem Wettbewerbscharakter des Vergabeverfahrens nicht genügend Rechnung getragen, wenn die Verfahrensgrundsätze der VwVfG pauschal übertragen werden würden.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Weiterhin bestehen seit jeher gegen die Zweistufentheorie dogmatische Bedenken.1054 Diese würden auch bei der Übertragung auf die Auftragsvergabe gelten.1055 Dies gilt vor allem für das Verhältnis zwischen den Stufen. Es ergibt sich etwa das Problem, was die Folge ist, wenn der auf der 2. Stufe geschlossene Vertrag aufgehoben worden ist, auf der ersten Stufe aber bereits eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung vorliegt.1056 Es ist nicht sinnvoll, die Zweistufentheorie, die wegen der nach wie vor ungelösten1057 Bedenken in anderen Bereichen zurückgedrängt wurde, im Vergabebereich wieder aufleben zu lassen.1058 Außerdem würde der Alternativvorschlag der Trennung von Zuschlagserteilung und Vertrag selbst dann, wenn man die erste Stufe nicht öffentlichrechtlich ausgestalten würde, keine so überzeugenden Vorteile bieten, die eine Ablösung der über § 13 VgV gewählten Sicherstellung des Rechtsschutzes rechtfertigen. Es gilt insoweit das zur Alternative 1 ausgeführte entsprechend. Ganz im Gegenteil würde die Umstellung auf diesen Alternativvorschlag zu weitgreifenden Veränderungen des deutschen Vergabeverfahrens zwingen. So müsste der Grundsatz des deutschen Vergaberechts aufgegeben werden, dass der Zuschlag als Annahmeerklärung den Vertragsschluss herbeiführt (Änderung der §§ 28 VOB/A und VOL/A).1059 Da aber auch unter Beibehaltung dieses Grundsatzes über § 13 VgV effektiver Rechtsschutz sichergestellt ist, sollte auch aus diesem Grund von der Umsetzung dieses Alternativvorschlags abgesehen werden sollte.1060 Als Argument für die Übertragung der Zweistufentheorie kann zuletzt auch nicht bereits der bloße Hinweis auf eine Parallele der Auftragsvergabe mit der Subventionsvergabe genügen.1061 Denn diese Parallele besteht gerade nicht, so dass Argumente für die Zweistufentheorie nur aus dem Ab1054

Vgl. nur Maurer, § 17 Rn. 11 ff.; Braun, BayVBl. 1983, 225, 230 ff.; Pietzcker, Zweiteilung, S. 17 ff. 1055 Dörr, DÖV 2001, 1014, 1024; Pietzcker, Zweiteilung, S. 17 ff.; Waldner, S. 121. 1056 Pietzcker, Zweiteilung, S. 17 ff.; Braun, BayVBl. 1983, 225, 230 ff. Sie führen als Problem auch den umgekehrten Fall an, fragen also, was mit dem abgeschlossenen Vertrag passieren soll, wenn der zugrunde liegende Zuschlagserteilungsverwaltungsakt im Nachhinein aufgehoben worden ist. Zu Lösungsvorschlägen für diese Konstellation, Breloer, S. 106 ff. 1057 Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, § 114, Rn. 31; ders., BauR 2000, 22, 23; Maurer, § 17 Rn. 17 ff. 1058 Pietzcker, Zweiteilung, S. 20 f. 1059 Außerdem wäre auch eine Änderung von § 114 II GWB nötig, s. o. 1060 Kienast, S. 163 f.; in diese Richtung auch: Pietzcker, Zweiteilung, S. 21 f.; Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vorb. zu §§ 97–101, Rn. 8; Dreher, in: Immenga/ Mestmäcker, § 114 Rn. 26. 1061 So auch Kalinowsky, S. 53.

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lauf des Vergabeverfahrens selbst hergeleitet werden können, was wie bereits erörtert aber nicht möglich ist: Die Parallele zum Subventionsvergabe wird damit begründet, dass der Staat auch mit dem Vergaberecht Lenkungszwecke verfolge und die Vergabe öffentlicher Aufträge heute ein wesentliches Förderungsmittel (etwa zur Förderung der Wirtschaft und zum Ausgleich der Zahlungsbilanz) sei.1062 Dies vermag nicht zu überzeugen. Dagegen spricht, dass zwar auch bei der Auftragsvergabe die sekundäre Verfolgung von Lenkungszwecken möglich ist, es bleibt aber dennoch dabei, dass in jedem Fall primär die Deckung des Sachbedarfs der Verwaltung im Vordergrund steht.1063 Hauptaufgabe der Verwaltung ist die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes.1064 Bei der Subventionsvergabe ist dagegen die Förderung des Subventionszwecks primäres Ziel. Weiterer Unterschied ist, dass für die Subvention keine Gegenleistung des Empfängers erfolgt, die Auftragsvergabe aber die direkte Gegenleistung gerade zum Ziel hat.1065 3. Alternative 3: Nicht nur die Zuschlagserteilung, sondern auch der abgeschlossene Vertrag kann nachträglich noch aufgehoben werden1066 Einer Vorabinformation bedarf es nur unter Zugrundelegung der Systementscheidung, dass kein nachträglicher Rechtsschutz möglich ist. Hier könnte ein weiterer Alternativvorschlag zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes ansetzen. Eine Vorabinformation wäre dann entbehrlich, wenn man die nachträgliche Aufhebbarkeit des Vergabevertrages ermöglichen würde. 1062

Kopp, VwVfG, 6. Aufl., § 35, Rn. 20; ders., BayVBl 1980, 609, 611. Kalinowsky, S. 53 m. w. N.; Waldner, S. 120 f.; Rittner, Rn. 57; Kraft-Lehner, S. 79. Entgegen Kopp, a. a. O., kann das Vergaberecht etwa zum Ausgleich der Zahlungsbilanz schon allein deswegen nicht mehr eingesetzt werden, weil die europarechtlichen Vorgaben gerade eine Gleichbehandlung auch der ausländischen Bieter fordern und damit eine zahlungsbilanzwirksame Besserstellung der inländischen Bieter nicht möglich ist. 1064 Kraft-Lehner, S. 79 m. w. N. 1065 Dazu näher Kalinowsky, S. 54, der dieses Argument weiter konkretisiert; Waldner, S. 120 (Er zieht diesen Unterschied auch als Argument gegen eine öffentlich-rechtliche Auftragsvergabe heran). A.A. Kopp, BayVBl 1980, 609, 611 Fn. 15: Er wendet ein, dass auch die Vergabe einer Subvention nicht als Geschenk erfolge, sondern im Hinblick auf eine vom Subventionsempfänger zu erbringende „Leistung“, so dass auch hier eine Art Leistungsaustausch vorliege. 1066 In diese Richtung Hailbronner, NZBau 2002, 474, 478. 1063

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Vorteil dieser Lösung wäre, dass die Auftragsvergabe nicht durch das Verstreichenlassen einer Informationsfrist verzögert würde, sondern der Vertrag ohne Berücksichtigung einer solchen Frist geschlossen werden könnte. Dennoch ist die Sicherstellung des effektiven Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung über die Vorabinformationspflicht vorzugswürdig. Dadurch kann schon der Vertragsschluss verhindert werden, während dessen nachträgliche Auflösung häufig schwerwiegende Rückabwicklungsprobleme verursachen kann. Ohne Vorabinformation müsste nachträglich bei jedem Verstoß gegen Vergaberecht geprüft werden, ob der Vertragsschluss rückgängig gemacht werden kann. Dies ist insbes. bei schutzwürdigem Vertrauen des ursprünglich bevorzugten Bieters (Schadensersatz) problematisch. Daher ist eine Lösung über die Vorabinformationspflicht vorzuziehen. Die Aufhebung der bekannt gemachten Vergabeentscheidung hat hier mangels Vertragsschluss und Auftragsausführung noch nicht diese schwerwiegenden Folgen.1067 4. Alternative 4: Vorbild Österreich? – Antragserfordernis für die Mitteilung der Gründe der Nichtberücksichtigung Nachdem die österreichischen Vorabinformationsregelungen schon mehrfach als Argumentationsgrundlage herangezogen worden sind, soll im Folgenden kurz untersucht werden, ob sie de lege ferenda insoweit ein Vorbild für die deutsche Rechtslage sein könnten, als sie die Informationsverpflichtung in 2 Akte aufgliedern. Nach den meisten österreichischen Vergabegesetzen, hat die vergebende Stelle den (allen) Bietern zunächst nur die Zuschlagsentscheidung vor Zuschlagserteilung mitzuteilen. Die nichtberücksichtigten Bieter haben dann 1 Woche Zeit, Antrag auf Mitteilung der Gründe für die Zuschlagsentscheidung zu stellen. Erst auf diesen Antrag hin muss die Vergabestelle also über die Gründe für die Nichtberücksichtigung informieren. Gleichwohl kann der Auftraggeber dies auch freiwillig schon in der Information über die Nichtberücksichtigung tun (31 IV OÖ VergG; 100 I BVergG 2002).1068 Eine verspätete Erteilung der Auskunft über die Gründe der Nichtberücksichtigung durch die Vergabestelle führt zu einer Verlängerung der Stillhaltefrist. Erteilt der Auftraggeber die Auskunft verfrüht oder überhaupt nicht, ist der Zuschlag nichtig.1069 1067

Wittig, S. 201. Auch in den USA ist eine solche zweistufige Information der unterlegenen Bieter, die allerdings erst nach Vertragsschluss erfolgt, vorgesehen – näher Achenbach, S. 32. 1068

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Die Zweistufigkeit der Informationsverpflichtung wird teilweise für sinnvoll gehalten, da der Auftraggeber so den Zuschlag relativ schnell erteilen könne, wenn keine Anfragen zu den genauen Entscheidungsgründen bei ihm eingehen.1070 Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen. Der Fall, dass keine Anfragen über die genauen Gründe eingehen, wird in der Praxis wohl kaum vorkommen. Vielmehr werden die meisten Bieter auch die genauen Gründe erfahren wollen, da sie nur so ihre Aussichten für ein Rechtsschutzersuchen überprüfen können. Da letzteres zu ermöglichen gerade der Sinn der Vorabinformation ist, sollten die genaueren Angaben gleich mit der ersten Information erfolgen. Damit ist kein Mehr an Verwaltungsaufwand verbunden. Ganz im Gegenteil wird mit dem dadurch bedingten Entfallen der zweiten Informationsstufe (sinnloser) erneuter Verwaltungsaufwand (erneute Versendung) eingespart. Es würde auch zu einer beträchtlichen Verzögerung des Rechtsschutzverfahrens führen, verlangte man nach der Information über die Nichtberücksichtigung noch einen separaten Antrag für weitergehende Informationen (Grund für Nichtberücksichtigung), die aber zur Überprüfung des Vergabeverfahrens auf Rechtmäßigkeit durch den Bieter wichtig sind. Durch die 2 Informationsstufen würde sich die Stillhaltefrist insgesamt schon deshalb verlängern, da mehrere Postlaufzeiten für die 2 Informationen berücksichtigt werden müssen. Außerdem sind bei der österreichischen Aufgliederung der Informationsverpflichtung die Stillhaltefristen zu knapp bemessen: Das Zuschlagsverbot besteht hier 2 Wochen (vgl. nur § 100 BVergG 2000; § 59 I a OÖ VergG). Nach dem Antrag des Bieters auf Mitteilung der Gründe der Nichtberücksichtigung muss der Auftraggeber diese Informationen bis spätestens 3 Tage vor Ablauf der Stillhaltefrist erteilen. Da nach Ablauf der Stillhaltefrist der Zuschlag erteilt werden kann, hat der Bieter somit u. U. nur 3 Tage Zeit, um die Zuschlagserteilung durch Beantragung einer einstweiligen Verfügung zu verhindern. Innerhalb dieser 3 Tage muss der Bieter also die mitgeteilten Gründe prüfen und einen substantiierten Nachprüfungsantrag einreichen. Dies erscheint kaum möglich. Damit spricht viel dafür, dass wegen dieser zu kurzen Frist der Rechtsschutz in Österreich nach wie vor nicht effektiv ist,1071 jedenfalls aber ist eine Übernahme der österreichischen Vorabinformationsregelung abzulehnen.1072 1069 1070 1071

bejaht.

VfGH, v. 12.6.2004, RPA 2004, 241 (Reisner). Büchl, S. 133. Näher Gast, S. 174 f., der deswegen die mangelnde Effektivität in Österreich

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

5. Ergebnis Festzuhalten bleibt, dass zur Beseitigung des Rechtsschutzdefizits mit Hilfe der bestehenden Vorabinformationspflicht in der Ausgestaltung des § 13 VgV nicht solche Alternativen bestehen, die eine Ablösung dieser gewählten Umsetzung rechtfertigen.

VII. Wegen der Einführung von § 13 VgV notwendig gewordene Änderungen der Vergaberechtslage de lege ferenda Aus der Einführung von § 13 VgV ergibt sich in mehrfacher Hinsicht Änderungsbedarf für andere Bereiche des Vergaberechts. Diesem hat der Gesetz- und Verordnungsgeber bzw. die Verdingungsausschüsse1073 bisher noch nicht entsprochen. 1. Verhältnis von § 13 VgV zu den in den Verdingungsordnungen geregelten Informationspflichten Auch schon vor Einführung der Vorabinformationspflicht durch § 13 VgV existierten in den Verdingungsordnungen Informationspflichten, deren Verhältnis zu § 13 VgV zu klären ist. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Nachinformationsanspruch für die Nichtberücksichtigung nach den §§ 27 a VOB/A, 27 a VOL/A, 17 IV VOF. Diese Nachinformationspflicht steht nach wie vor in den Verdingungsordnungen, könnte aber mit der Einführung der Vorabinformationspflicht ihre Existenzberechtigung verloren haben.1074 a) Verhältnis des § 13 VgV zur Nachinformationspflicht über die Zuschlagserteilung nach §§ 27 a VOB/A, § 27 a VOL/A, § 17 IV VOF Nach § 27 a VOB/A, § 27 a VOL/A, § 17 IV VOF1075 müssen die Auftraggeber innerhalb von 15 Tagen nach Eingang eines Antrags den nicht be1072 Grundsätzlich ist aber eine zweistufige Informationsverpflichtung europarechtlich zulässig, vgl. jüngst EuGH, Urt. v. 25.2.2003, T-4/01 (Renco SpA), ZfBR 2003, 390, 396 und EuGH, Urt. v. 25.2.2003, T-183/01 (Strabag Benelux NV), ZfBR 2003, 396, 399. 1073 Für die VOB: Jetzt: „Deutscher Vergabe- und Vertragsausschuss“. 1074 Als weitere systematische Unstimmigkeit bei anderen Vorschriften der VgV wird in der Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/00, 31.10.2000), S. 10 genannt, dass trotz Regelung der EG-Schwellenwerte in § 2 VgV diese in der VOF und der VOB/A wiederholt werden (in der VOL/A erfolgt dies – systematisch korrekt – nicht).

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rücksichtigten Bewerbern oder Bietern die Gründe für die Ablehnung ihrer Bewerbung oder ihres Angebots mitteilen.1076 Bei Vergaben nach der VOL/A und nach der VOF ist die Information sowohl schon über die Nichtberücksichtigung als auch über die Gründe dafür nur auf Antrag zu erteilen (§ 27 Nr. 1 und § 27 a VOL/A; § 17 IV VOF). Anders ist dies bei Bauvergaben. Hier ist ohne Antrag nach § 27 Nr. 1 S. 2 VOB/A, der neben § 27 a VOB/A gilt, zumindest die Nichtberücksichtigung mitzuteilen. Ein Antrag durch den Bieter ist nur nötig, wenn er auch die Gründe der Nichtberücksichtigung (und der Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots sowie den Namen des Bieters) erfahren will.1077 Diese Nachinformationspflichten aus den Verdingungsordnungen können sich mit § 13 VgV überschneiden.1078 Zwar erfolgt die Information nach § 13 VgV vor Zuschlagserteilung, die Information gemäß der Verdingungsordnungen nach der Zuschlagserteilung; es ist aber jeweils mit Begründung über die Nichtberücksichtigung zu informieren. Der Möglichkeit des Eingreifens beider Informationspflichten könnte aber entgegenstehen, dass die Verpflichtung zur Nachinformation nach den 1075 Zu den geringen Unterschieden zwischen den Informationspflichten in den Verdingungsordnungen – Roth, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 27 a Rn. 4 ff. 1076 Diese Nachinformationspflichten gelten im Ergebnis für alle Vergabeverfahrensarten: Nach § 27 a Nr. 2 VOB/A ist bei einem europaweiten Verhandlungsverfahren, dem eine Vergabebekanntmachung vorausgegangen ist, § 27 Nr. 2 VOB/A anzuwenden. Dies führt im Ergebnis dazu, dass hier die gleichen Informationsverpflichtungen gegenüber dem nichtberücksichtigten Bewerber oder Bieter zu erfüllen sind, wie im offenen oder nicht-offenen Verfahren – Brinker, in: Motzke/Pietzcker/ Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 27 a, Rn. 22. 1077 So ausdrücklich auch Roth, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 27 Rn. 3 f.; in diese Richtung auch Kuß, VOB, 3. Aufl., 2002, § 27 a Rn. 2.: (Nur) „Diese Auskunft“ [Hervorhebung auch dort] ist nach § 27 a VOB/A zu beantragen. Nach der Vergabekammer Südbayern, Beschl. v. 12.5.2001, 20-06/01, S. 11 f. ist dann, wenn kein Antrag vorliegt, ein Schreiben der Vergabestelle, dass die Nichtberücksichtigung inklusive Begründung mitteilt, als formlose, quasi freiwillige Mitteilung zu werten, die keinen Verfahrensregelungen unterliegt. Richtigerweise bedeutet dies, dass die Mitteilung aber nur insoweit freiwillig ist, als sie ohne Antrag auch die Gründe für die Nichtberücksichtigung mitteilte. 1078 Auch das KG Berlin gesteht zu, dass es zwischen dem Anwendungsbereich der beiden Vorschriften zu Überschneidungen kommen kann. So hat es etwa die Aufforderung durch den Bieter „i. S. von § 27a VOL/A“, die Gründe für die Ablehnung des Angebots sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots als Rüge der nicht ausreichenden Information nach § 13 VgV angesehen. – KG Berlin, Beschl. v. 4.4.2002, KartVerg 5/02, VergabeR 2002, 235, 237 f. m. Anm. Erdl; Ingenstau/Korbion – Portz, 15. Aufl. 2004, § 27 a VOB/A Rn. 2 ff.; zum Verhältnis der Informationspflichten auch Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, Ziff. 52.10.

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Verdingungsordnungen wie gezeigt im Wesentlichen von einem Antrag des Bieters abhängig ist. Man könnte nun davon ausgehen, dass mit der antragsunabhängigen Information nach § 13 VgV die Bieter den Antrag auf Nachinformation nicht mehr stellen werden, so dass die Nachinformationspflicht schon gar nicht eingreift. Die Bieter werden aber auch in Zukunft oft noch einen Antrag auf Nachinformation stellen: Zumindest für eine Übergangszeit ergibt sich dies schon daraus, dass die Anschreiben der Bieter auch weiter den Baustein enthalten, mit dem sie Antrag auf Erteilung der Information über den erteilten Zuschlag begehren.1079 Darüber hinaus werden sie die Nachinformation weiter beantragen, da die Informationsverpflichtung nach den Verdingungsordnungen weitergehend ist. Denn die Informationen nach § 13 VgV und den Verdingungsordnungen entsprechen sich inhaltlich nicht vollständig. Nach den Verdingungsordnungen sind Bieter, die ein ordnungsgemäßes Angebot abgegeben haben und einen Antrag auf Erteilung der Information gestellt haben, auch über „die Merkmale und Vorteile des“ erfolgreichen Angebots zu informieren.1080 Hier ist auf die positiven Eigenschaften des erfolgreichen Angebots abzustellen.1081 Dies muss bei der nach § 13 VgV erforderlichen Mitteilung des Grundes der Nichtberücksichtigung nicht mitgeteilt werden. § 27 a sieht außerdem eine Information über die „Gründe“ der Nichtberücksichtigung vor, § 13 nur über deren „Grund“.1082 Damit hat die Nachinformation ihre Bedeutung nicht völlig verloren. Da die weitergehende Informationsverpflichtung der Verdingungsordnungen nach wie vor in Geltung ist, kann sie von den Vergabestellen auch nicht einfach ignoriert werden. Dies könnte man allenfalls dann annehmen, wenn man § 13 VgV für eine Spezialregelung zu § 27 a der VOB und VOL hält,1083 die die Nachinformationspflicht verdrängt. Eine solche Annahme ist aber nicht möglich. Denn die Verpflichtung zur Mitteilung auch der Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots geht auf die Vergabe1079

Dazu Erdl, VergabeR 2001, 10, 22. Dies ist seit der Neufassung der Verdingungsordnungen 2000 in Umsetzung der Vorgaben der Vergaberichtlinie 97/52, die wiederum das GPA umsetzt, so geregelt. 1081 Ingenstau/Korbion – Portz, A § 27 a Nr. 1 Rn. 9. Danach kann etwa dessen Bauart oder dessen Modell mitgeteilt werden. 1082 Nach Ingenstau/Korbion – Portz, 15. Aufl. 2004, § 27 VOB/A Rn. 13 dürfen aber an die Information nach § 27 VOB keine höheren Anforderungen als nach § 13 VgV gestellt werden. 1083 So Ingenstau/Korbion – Portz, A § 27 a Nr. 1 Rn. 5; Hoffmann, S. 107. Gegen eine eigenständige Bedeutung der Nachinformationspflichten auch VK Brandenburg, Beschl. v. 15.9.2003 – VK 57/03 unter Berufung auf Heiermann/Riedl/ Rusam, VOB, 10. Aufl., A § 27 a Rdn. 2; so wohl auch Hailbronner, NZBau 2002, 474, 477. Vgl. auch Portz, in: Müller-Wrede, VOF, § 17 Rn. 29. 1080

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richtlinien zurück,1084 so dass sie insoweit durch den nationalen Gesetzgeber nicht abgeschafft werden kann. Für dieses Ergebnis spricht auch die Regelung zum Verhältnis der Vorinformation nach § 13 VgV zur Nachinformationspflicht aus § 27a Nr. 1 VOB/A/§ 27 a Nr. 1 VOL/A, die in Ziff. 4 der Richtlinie des VHB zu § 27 a VOB/A1085 getroffen wurde: Zwar kommt danach „der Mitteilungspflicht gem. § 27a Nr. 1 VOB/A/§ 27 a Nr. 1 VOL/A im Hinblick auf eine erfolgte Information nach § 13 VgV keine eigenständige Bedeutung mehr zu“, weswegen eine Anfrage auf Nachinformation „schriftlich unter Hinweis auf die bereits mit dem Einheitlichen Formblatt EFB Info/Abs-EG erfolgte Mitteilung formlos zu beantworten“ ist. Wenn aber „nicht berücksichtigte Bieter ein ordnungsgemäßes Angebot eingereicht haben, sind diesen [auf Antrag]1086 die Merkmale und Vorteile des Angebotes des Bieters, auf das der Zuschlag erfolgt ist, zusätzlich mitzuteilen.“1087 Wegen der Weitergeltung der Nachinformationspflichten ist dementsprechend vorgeschlagen worden, dass der Auftraggeber die Information nach §§ 27 a VOB/A, VOL/A, 17 VOF mit der Information nach § 13 VgV verbinden könne. So könnten den Bietern, die einen entsprechenden Antrag gestellt hätten, mit der Information nach § 13 VgV auch die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots mitgeteilt werden.1088 Auch dies überzeugt aber nicht, da die Information nach den Verdingungsordnungen nach dessen klaren Wortlaut nicht vor Zuschlagserteilung erfolgen darf. Außerdem bietet der Vorschlag keine Lösung für die Fälle, in denen der Antrag auf Mitteilung der Gründe erst nach Erteilung der Vorabinformation gestellt wird, was zulässig ist. Als Ergebnis kann also festgehalten werden, dass de lege lata auf Antrag die Nachinformation nach den Verdingungsordnungen weiter zu erteilen ist. De lege ferenda sollte aber eine Änderung der beschriebenen Rechtslage erfolgen. Dabei sollte die Rechtslage in Österreich zum Vorbild genommen werden, wo die bestehenden Regelungen zu den Nachinformationspflichten in die Regelung zur Vorabinformationspflicht integriert wurden: Nach § 100 III, IV BVergG 2002 (ähnlich: § 53 a Abs. 3 und 4 BVergG 2000), § 47 a WLVergG und § 31 IV OÖ LVergG1089 sind dem nichtberücksichtigten 1084 Nach In-Kraft-Treten des Legislativpaketes: Art. 41 VergabeRL; davor: Art. 8 I BKRL, Art. 12 I DKRL, Art. 7 I LKRL. In der SKRL gibt es keine entsprechende Bestimmung. 1085 Dazu näher unter C. II. 1. b) aa). 1086 Zur Frage, welche Frist dem Bieter nach Zuschlagserteilung für diese Antragsstellung zur Verfügung steht, Portz, in: Müller-Wrede, VOF, § 17 Rn. 39. 1087 So auch ohne Hinweis auf das VHB Schaller, VOL, § 27 a Rn. 4. 1088 Erdl, VergabeR 2001, 10, 21.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Bieter vor Zuschlagserteilung (auf Antrag) „auch die Vergabesumme sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt zu geben, sofern nicht die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen von Unternehmen widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde.“ Sich mit der dieser Vorabinformation überschneidende Nachinformationspflichten existieren nach dem BVergG 2002 nicht mehr. Dies war zuvor anders: Die Nachinformationspflichten, die 1999 in § 57 S. 2 und 3/§ 56 II BVergG eingeführt worden sind, bestanden auch nach der Einführung der Vorabinformationspflicht durch das BVergG 2000 fort. Da durch das BVergG 2000 mit § 53 a III, IV schon Regelungen eingeführt worden waren, die denen von § 100 III, IV BVergG 2002 entsprachen, bestand hier noch weniger Sinn im Fortbestehen der Nachinformationspflichten als in Deutschland. Zu dieser Rechtslage wurde daher auch in Österreich vertreten, dass die Nachinformationspflichten mit der Einführung einer Vorabinformationspflicht ihre praktische Bedeutung verloren hätten.1090 Da die dort erwähnten Informationen schon nach § 53 a zu gewähren waren, wurden sie für überflüssig1091 gehalten. Anders war dies nur in dem Fall, indem der Bieter nicht nach § 53 a die Mitteilung der Gründe für die Nichtberücksichtung und der Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes beantragt hatte. Hier konnte er immer noch auf die Benachrichtigungspflicht in § 57 zurückgreifen.1092 Deutschland sollte diesem Beispiel folgen und in § 13 VgV ebenso die Verpflichtung aufnehmen, auch die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt zu geben, sofern nicht die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen von Unternehmen widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde. Die Möglichkeit der Beschränkung des Informationsumfangs über den Geheimnisschutz kann allerdings nur den Teil der Begründung betreffen, der sich auf das Angebot des erfolgreichen Bewerbers und die Vorteile von dessen Angebot bezieht, nicht aber auf den Teil, der die Gründe für die Ablehnung des Angebots des Informationsadressaten betrifft. Denn dieser Teil der Begründung betrifft ja das Angebot des Adressaten selbst, so dass keine Geheimhaltungsinteressen bestehen können.1093 1089 Anders § 8 a Vorarlberger VergG, wo nur die Gründe für die Nichtberücksichtigung mitzuteilen sind. 1090 Holoubek, ecolex 2000, 10, 14; dem folgend Riedl, S. 127 f.; Gast, S. 109. 1091 Riedl, S. 131, die wohl davon ausgeht, dass nach dieser Norm demnach nicht mehr zu informieren ist. 1092 Gast, S. 109. 1093 Voppel, VOF, § 17 Rn. 54.

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Weiter bedarf es – anders als in den Verdingungsordnungen – keiner Beschränkung dieser Informationspflicht auf die Bieter, die ein ordnungsgemäßes Angebot abgegeben haben,1094 da die Vorabinformationspflicht des § 13 VgV für Bieter, die schon vor der endgültigen Zuschlagsentscheidung wegen mangelnder Eignung oder formellen Fehlern des Angebots ausgeschieden worden sind, ohnehin nur begrenzt besteht [s. unter C. II. 1. b) dd)]. Die Nachinformationspflichten über die Nichtberücksichtigung in den Verdingungsordnungen sollten mit der hier vorgeschlagenen Erweiterung des § 13 VgV gestrichen werden.1095 b) Verhältnis der Informationspflicht nach § 27 Nr. 1 VOB/A zu § 13 VgV Nach § 27 Nr. 1 S. 1 VOB/A, der bereits näher erörtert wurde1096, „sollen“ Bieter oder Bewerber, deren Angebote nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 und 2 ausgeschlossen worden sind oder deren Angebote nicht in die engere Wahl gekommen sind1097, „so bald wie möglich verständigt werden.“ Die Information gemäß § 27 Nr. 1 VOB/A steht weiter selbstständig neben der aus § 13 VgV, die grundsätzlich ebenso für diese Bieter gilt. Denn die Information nach § 13 erfüllt nicht gleichzeitig die Anforderungen des § 27 Nr. 1. Sie erfolgt nämlich erst nach Abschluss der Wertung und nicht „sobald wie möglich“ nach der Entscheidung über den Ausschluss oder die Nichteignung. Zu diesem Zeitpunkt steht der erfolgreiche Bieter noch nicht fest, über den nach § 13 zu informieren ist. Zunächst muss also der Auftraggeber weiterhin selbstständig die Information nach § 27 Nr. 1 VOB/A erteilen. Danach erfolgt gesondert die Information nach § 13 VgV. Eine Ausnahme ist nur dann möglich, wenn die Wertung der Angebote in einem sehr engen Rahmen dazu abgeschlossen 1094

Näher Ingenstau/Korbion-Portz, 14. Aufl. 2001, VOB/A § 27 a Rn. 2. Allein die Streichung der Nachinformationspflichten ohne Aufnahme der Verpflichtung zur Mitteilung der Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes ist nicht zulässig, da dieser Informationsbestandteil in den Vergaberichtlinien (s. o.) vorausgesetzt wird. Daher greift die dementsprechende Forderung von Roth, Einführung zum Workshop 3 der Badenweiler Gespräche 2003, abgedruckt in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, 2003, S. 77, 80 zu kurz. 1096 B. I. 2. und B. III. 3. a) bb). 1097 Dazu vgl. § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 1 VOB/A. In die engere Wahl kommen nicht Bieter, die wegen fehlender Eignung bzw. fachlicher Zuverlässigkeit vor der eigentlichen Wertung der Angebote abgelehnt werden – Brinker, in: Motzke/Pietzcker/ Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 27, Rn. 15. 1095

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

wird,1098 so dass die Information nach § 27 Nr. 1 nicht vor der nach § 13 VgV ergehen würde. Insgesamt ergeben sich für den Auftraggeber de lege lata folgende Informationspflichten: In der Praxis erfolgen zunächst die Zusendung des Submissionsprotokolls und die Mitteilung über die rechnerische Prüfung der Angebote.1099 Danach müssen bei Bauvergaben nach § 27 Nr. 1 VOB/A die ausgeschlossenen Bieter und die Bieter, die nicht in die engere Wahl gekommen sind, informiert werden. Wenn nach Abschluss der Wertung die Zuschlagsentscheidung fest steht, erfolgt die Information nach § 13 VgV. Nach Zuschlagserteilung ist dann bei Vorliegen eines Antrags die Nachinformation nach §§ 27 a VOB/ A, VOL/A und § 17 IV VOF zu verschicken. Zuletzt ist nach § 28 a VOB bzw. VOL eine Mitteilung an die Kommission zu senden.1100 Insgesamt ergibt sich daher nicht zuletzt durch die zusätzliche Informationspflicht aus § 13 VgV ein erheblicher Aufwand für die Auftraggeber. 2. Anpassung der Regelung des Schadensersatzes wegen Rechtsmissbrauch nach § 125 GWB? Es ist weiter zu untersuchen, ob nicht die Einführung der Vorabinformationspflicht zur Anpassung des Schadensersatzes wegen Rechtsmissbrauch nach § 125 GWB führen muss. Denn mit der Vorabinformation bestehen jetzt für die Bieter erweiterte Rechtsschutzmöglichkeiten, die diese eventuell auch verstärkt rechtsmissbräuchlich einsetzen könnten. Durch § 13 VgV in Verbindung mit den weit reichenden Suspensiveffekten ist der Vergaberechtsschutz jetzt nämlich erheblich bieterfreundlicher ausgestaltet als zuvor.1101 Die Einführung der Vorabinformationspflicht soll aber nicht „ins Blaue hinein“ abgegebene Nachprüfungsverfahren ermöglichen. Vor diesem Hintergrund ist für die österreichische Rechtslage eine Anhebung der „Mutwillensstrafen“ gefordert worden. Es muss allerdings beachtet werden, dass diesem Vorschlag ein anderes gesetzgeberisches Konzept in Österreich zu Grund liegt. Hier wird durch das Vergabegesetz bei missbräuchlicher Inanspruchnahme des Rechtsschutzes kein Schadensersatz eingeräumt, sondern eine sog. „Mutwillensstrafe“ verhängt. Bisher waren dies bis zu 10.000 Schilling (§ 35 AVG). Sie waren also durch eine Höchstsumme begrenzt. Da diese angesichts der hohen Auftragswerte ein unzurei1098 1099 1100 1101

Zum Ganzen Erdl, VergabeR 2001, 10, 21. Näher Erdl, VergabeR 2001, 10, 22. Vgl. auch Erdl, VergabeR 2001, 10, 22. Denk, S. 315 f. Fn. 28: Rechtsschutz ist jetzt „äußerst bieterfreundlich“.

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chendes Mittel zur Prävention gegen unsubstantiierte Anträge darstellte, wurde hier de lege ferenda eine Höchstgrenze für die Mutwillensstrafen bei 1 v. H. des geschätzten Auftragswertes, höchstens jedoch bei 800.000 Schilling, vorgeschlagen.1102 In Deutschland ist der Schutz vor rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme der Nachprüfungsinstanzen und damit willkürlicher Verzögerung des Vergabeverfahrens allerdings anders ausgestaltet. Hier wird keine Strafe verhängt, sondern in § 125 GWB besteht ein Schadensersatzanspruch gegen den „mutwilligen“ Bieter. Dieser Schadensersatzanspruch ist ohnehin nicht nach oben begrenzt. Außerdem ist nicht nur die Rechtsfolgenebene (unbegrenzte Höhe des Schadensersatzes), sondern auch die Tatbestandsebene, die ebenso Voraussetzung für einen wirksamen Schutz ist, flexibel genug ausgestaltet. So sieht § 125 II vor, dass es „ein Missbrauch . . . insbesondere“ ist, „1. . . . 2. die Überprüfung mit dem Ziel zu beantragen, das Vergabeverfahren zu behindern oder Konkurrenten zu schädigen.“ Es besteht damit über § 125 GWB – wie schon zuvor – ein ausreichend wirksamer Schutz vor der willkürlichen Inanspruchnahme von Rechtsschutz. Hinzu kommt, dass eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Rechtsschutzes auch durch das erhebliche Kostenrisiko, das mit der Einlegung des Nachprüfungsverfahrens für die Bieter verbunden ist, verhindert wird (dazu ausf. Teil 5, B.). Außerdem wird der Bieter in der Regel auch deswegen von der Einleitung von missbräuchlichen Rechtsmitteln absehen, da er dadurch das zukünftige Verhältnis zum Auftraggeber verschlechtern wird.1103 3. Verkürzung der Entscheidungsfristen der Vergabekammer bei jetzt durch § 13 VgV ermöglichtem Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung? Man könnte daran denken, dass die Entscheidungsfrist der Vergabekammer (5 Wochen) bei der jetzt durch § 13 VgV ermöglichten Anfechtung der Zuschlagsentscheidung noch weiter zu verkürzen ist.1104 Dies könnte damit begründet werden, dass mit der getroffenen Zuschlagsentscheidung das Ver1102 So Denk, S. 311 in seinem Vorschlag für ein österreichisches Landes-Musterrechtsschutzgesetz, § 17 IV. Weiter soll die individuelle Festlegung der Strafe im Ermessen des Landesvergabekontrollsenates stehen. Er hat dabei das Stadium des Vergabeverfahrens, Dauer und (prognostizierte) Kosten der durch den mutwilligen Antrag entstandenen Kosten und sonstige nachteilige Folgen der mutwilligen Inanspruchnahme der Nachprüfungsbehörden zu berücksichtigen. 1103 Vgl. dazu Seifert, Vorsitzende der Ersten VgK des Bundes, in: Schwarze, S. 109, 110. Dieses Argument kann nach Auffassung von Portz, in: Schwarze, S. 119 f. unter Geltung des Vergaberechtsänderungsgesetzes nicht mehr überzeugen.

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gabeverfahren schon weit fortgeschritten ist. Daher könnte, auch wegen der Suspensivwirkung, eine schnellere Entscheidung angebracht sein.1105 Dem kann insoweit zugestimmt werden, als hier der Suspensiveffekt für die Zuschlagserteilung besonders hart für den Auftraggeber wirkt: Bei Anfechtung von Handlungen des Auftraggeber, die der Zuschlagsentscheidung vorgelagert sind, kann das Vergabeverfahren trotz Suspensiveffekt des Nachprüfungsverfahrens bis zur Zuschlagserteilung fortgesetzt werden. Er kann also während der Nachprüfungszeit seine Meinungsbildung – vorbehaltlich des Ausgangs des Nachprüfungsverfahrens – fortsetzen, die Zeit also sinnvoll nutzen. Dagegen hat der Auftraggeber bei der Anfechtung der schon getroffenen Zuschlagsentscheidung alle aus seiner Sicht zu treffenden Entscheidungen gefällt. Es bleibt ihm nur die Möglichkeit, den Ausgang des Nachprüfungsverfahrens über 5 Wochen abzuwarten. Dennoch sollte die Entscheidungsfrist von 5 Wochen nicht verkürzt werden, da eine noch kürzere Frist eine fundierte Entscheidung der Vergabekammer nicht mehr sicherstellen würde. Es bestünde die Gefahr, dass das Vertrauen in die Richtigkeit ihrer Entscheidungen schwinden und vermehrt die sofortige Beschwerde zum OLG gesucht werden würde. Gerade letzteres sollte bei der Schaffung des Vergaberechtsänderungsgesetzes vermieden werden.1106 Außerdem muss schon bei der heute geltenden Rechtslage die 5-Wochenfrist durch die Vergabekammer verlängert werden, da sie zur Entscheidung über den Nachprüfungsantrag nicht genügt. 4. Begrenzung des Entscheidungsumfangs der Vergabekammer? Mit der Diskussion der Verkürzung der Entscheidungsfristen der Vergabekammer steht ein Vorschlag auf Begrenzung des Entscheidungsumfangs der Vergabekammer im Zusammenhang. So ist im Hinblick auf die Verfahrensökonomie vorgeschlagen worden, dass die Möglichkeit des Nachprüfungsverfahrens für die Zuschlagsentscheidung so ausgestaltet werden sollte, dass der Bieter in dieser späten Phase des Verfahrens auch wirklich 1104 So wurde eine Entscheidungsfrist von einem Monat vorgeschlagen – Denk, S. 311 in seinem Vorschlag für ein österreichisches Landes-Musterrechtsschutzgesetz (§ 17). Bei einem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung würde ein Monat genügen. Dieser Vorschlag ist aber nicht 1:1 auf die deutsche Rechtslage übertragbar. Während in Deutschland ohnehin schon eine kurze Entscheidungsfrist von 5 Wochen vorgesehen ist, sieht er in seinem Musterrechtsschutz grundsätzlich eine Entscheidungsfrist des Landesvergabekontrollsenates von 2 Monaten vor. 1105 So Denk, S. 311 in seinem Vorschlag für ein österreichisches Landes-Musterrechtsschutzgesetz (§ 17). 1106 Dazu Teil 1, B. V.

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nur noch die Zuschlagsentscheidung als Verfahrensgegenstand überprüfen lassen kann.1107 Dies ist allerdings abzulehnen. Die Vergabekammer sollte wie bisher das Vergabeverfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend würdigen können. Nur das Rechtsschutzziel des Nachprüfungsantrags sollte weiter Grenze für die Vergabekammer sein.1108 Ermöglicht § 13 VgV gerade den Rechtsschutz, so können auch weiterhin im Vergabeverfahren erkannte Vergaberechtsverstöße, die nicht die Zuschlagsentscheidung betreffen, untersucht werden. 5. Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist durch die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens? § 13 VgV ermöglicht nun Nachprüfungsverfahren gegen die Zuschlagsentscheidung. Wenn die Vergabekammer dann aber die Neubewertung anordnet und die Vergabestelle nach dieser Neubewertung einem anderen Bieter den Zuschlag erteilen will, ist inzwischen fast immer die Zuschlags- und Bindefrist1109 abgelaufen.1110 Anders als in Österreich1111 hemmt die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens den Ablauf der Bindefrist nicht.1112 Die Bieter sind jedoch nur bis zum Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist an ihr Angebot gebunden.1113 Danach sind die Angebote nach §§ 146, 148 BGB erloschen. Mit dem Zuschlag kann dann kein Vertrag mehr geschlossen werden, sondern er stellt ein neues Angebot dar (§ 150 I BGB). 1107

Gutknecht, ÖZW 2000, 18, 21 für das österreichische Vergaberecht. Vgl. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 114 Rn. 10 f. 1109 Zur Zuschlags- und Bindefrist schon näher unter C. II. 2. a) bb). 1110 Näher dazu Waldner, S. 185 ff. 1111 § 79 IV BVergG 2002 (Hemmung der Zuschlagsfrist während des Nachprüfungsverfahrens). In Wien verlängert sich bei Einlegung eines Antrages auf Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung die Zuschlagsfrist um die gesamte Dauer des Verfahrens vor dem Vergabekontrollsenat (§ 48 I S. 4 WLVergG). Eine bloße Ablaufhemmung wurde hier als unzureichend angesehen, „weil die vergebenden Stellen sonst mit [. . .] dem Ende eines Verfahrens vor dem Vergabekontrollsenat unter erheblichen zeitlichen Druck kommen könnten, ohne weitere Prüfung sofort (u. U. innerhalb einer „juristischen Sekunde“ den Zuschlag zu erteilen.“ – Erläuterungen zur 1. Novelle zum WLVergG zu § 48 Abs 1, zitiert nach Haunold, § 48 Ziff. 1; vgl. auch § 7 I b) des Vorarlberger Landesvergabegesetzes. 1112 Der Suspensiveffekt des § 115 I GWB verbietet eben nur den Zuschlag, bringt aber nicht das gesamte Vergabeverfahren inkl. des Laufs der Zuschlagsfrist zum Stillstand – siehe bereits im Teil 1, B. III. 3. b) und Franke/Kemper/Zanner/ Grünhagen, § 19 VOB/A Rn. 29. 1113 Die Verdingungsordnungen sehen also insoweit eine Abweichung von der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 147 II BGB der Antragende selbst die Frist bestimmen kann, in denen die Annahme erklärt werden kann. 1108

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Der Auftraggeber kann dem abhelfen, indem er vor oder auch noch nach Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist alle für die Vergabe noch in Betracht kommenden Unternehmen1114 auffordert, der Verlängerung der Zuschlagsund Bindefrist zuzustimmen.1115 Es kann dann eine Verlängerung der Frist vereinbart werden, innerhalb derer der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden kann.1116 Die Bieter, die der Verlängerung nicht zustimmen, scheiden aus dem Vergabeverfahren aus. Wenn kein für den Zuschlag in Betracht kommender Bieter der Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist zugestimmt hat, kann die Vergabestelle das Verfahren aufheben.1117 In der Regel sind die Bieter aber an der Erhaltung ihrer Zuschlagschance interessiert und stimmen der Verlängerung zu. De lege ferenda könnte man daran denken, wie in Österreich gesetzlich die Hemmung des Ablaufs der Zuschlagsfrist während des Nachprüfungsverfahrens einzuführen1118.1119 Es ist aber vorzugswürdig, die Möglichkeit der Zuschlagserteilung nach Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist – wie bisher – von der Zustimmung der Bieter abhängig zu machen. Mit der zwingenden Bindung an das Angebot während der gesamten Dauer des Nachprüfungsverfahrens wäre das Risiko der Veränderung von Umständen in dieser Zeit allein dem Bieter aufgebürdet, was als nicht sachgerecht erscheint.1120

1114 So müssen Bieter mit Angeboten, die bereits vor der Wertung ausgeschlossen worden sind, nicht zur Zustimmung aufgefordert werden – Ingenstau/Korbion – Kratzenberg, A § 19 Nr. 1–2 Rn. 14 a ff. m. w. N.; Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 19 VOB/A Rn. 27 ff.; Gesterkamp, VergabeR 2002, 454, 459 f. Diese Ansicht ist jedoch nicht unumstritten, dazu Waldner, 193 ff. 1115 Hierauf weist auch § 28 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A hin. Danach kann die „Zuschlagsfrist nur im Einvernehmen mit den in Frage kommenden Bietern verlängert werden“. 1116 Ingenstau/Korbion – Kratzenberg, A § 19 Nr. 1–2 Rn. 18 ff. m. w. N.; vgl. auch ausführlich Waldner, S. 187 ff., der als weitere Lösungsmöglichkeit diskutiert, dass schon in der Ausschreibung eine Klausel aufgenommen wird, dass sich die Bindefrist für den Fall der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens verlängert. 1117 Näher Gesterkamp, VergabeR 2002, 454, 460 f.; OLG Hamburg, Beschl. v. 25.2.2002 – 1 Verg 1/01, NZBau 2002, 519; VK Bund, Beschl. v. 16.7.2002 – VK 2 – 50/02, S. 22 (keine Aufhebungspflicht, solange die Zustimmung eines den Ausschreibungsbedingungen entsprechenden wirtschaftlichen Angebotes vorliegt). 1118 Eine solche Hemmung lässt sich dagegen nicht bereits de lege lata herleiten, so auch Reidt, § 115 Rn. 21. 1119 Vgl. zu Vorschlägen mit diesem Ergebnis Kapellmann, NZBau 2003, 1, 2 ff. 1120 Ausf. zur Anpassung eines Angebotes (insbes. im Hinblick auf den Preis und den Fertigstellungstermin) an die Verschiebung der Ausführungszeit durch Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens, Kapellmann, NZBau 2003, 1; Schmitt, S. 159 ff. und Putzier/Goede, VergabeR 2003, 391.

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6. Standort der Vorabinformationspflicht – Plädoyer für ein eigenständiges Vergabegesetz Die Vorabinformationspflicht wurde nicht gesetzlich, sondern mit § 13 VgV nur durch Rechtsverordnung geregelt. Dies sollte geändert werden. Der Vorabinformationsanspruch sollte in einem formellen Gesetz geregelt werden. Dafür spricht zum einen, dass der durch Verordnung geregelte § 13 S. 6 VgV verfassungswidrig ist [ausführlich unter C. II. 4. a)] und zum anderen, dass das gesamte Vergaberecht ohnehin in einem eigenständigen Vergabegesetz vereint werden sollte, in das dann auch die Vorabinformationspflicht zu integrieren ist: Der Verfassungswidrigkeit der Anordnung der Nichtigkeitsfolge § 13 S. 6 VgV sollte dadurch abgeholfen werden, dass die Vorabinformationspflicht inkl. der Anordnung der Nichtigkeitsfolge durch den Gesetzgeber selbst, d.h. durch formelles Gesetz geregelt wird.1121 Dem steht nicht entgegen, dass sich die Nichtigkeit des unter Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht geschlossenen Vertrages auch ohne diese gesetzliche Regelung bereits aus § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB ergibt.1122 Denn die Rechtsfolge des Vorabinformationsverstoßes sollte in der Vorabinformationsregelung selbst angeordnet sein. Diese Anordnung der Nichtigkeit im Vergaberecht selbst ist der Herleitung der Nichtigkeit aus dem allgemeinen Zivilrecht (§ 134 BGB) in systematischer Hinsicht vorzuziehen. Außerdem wird dem Auftraggeber durch die ausdrückliche Anordnung der Nichtigkeitsfolge in der Vorabinformationsregelung die Sanktion eines Vorabinformationsverstoßes auch besser vor Augen geführt, so dass eine erhöhte Präventionswirkung anzunehmen ist. Nicht jedem öffentlichen Auftraggeber ist die Geltung von § 134 BGB im Vergaberecht klar. Darüber hinaus erübrigt sich so die Prüfung der Voraussetzungen von § 134 BGB. Für die gesetzliche Regelung der Vorabinformationspflicht spricht auch, dass das gesamte Vergaberecht (Vergabeverfahrensrecht und die Rechtsschutzvorschriften) – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – ohnehin einheitlich in ein neu zu schaffendes eigenständiges Vergabegesetz integriert werden sollte, das dann auch die Vorabinformationspflicht enthält.1123 Dann 1121 Für die oben vertretene analoge Anwendung des § 13 S. 6 VgV bei de-factoVergaben folgt daraus, dass nach der hier vertretenen Auffassung dann die zu schaffende gesetzliche Anordnung der Nichtigkeitsfolge bei Informationsverstößen analog anzuwenden wäre. 1122 Ausführlich unter C. II. 4. a). 1123 Daher sollte den Bedenken gegen die Verfassungswidrigkeit nicht durch eine bloße Erweiterung der Ermächtigungsgrundlage in § 97 VI GWB begegnet werden.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

wären auch die systematischen Bedenken gegen den bisherigen Standort der Vorabinformationspflicht in der Vergabeverordnung ausgeräumt, die sich darauf stützen, dass die anderen Bekanntmachungs- und Informationspflichten in den Verdingungsordnungen geregelt sind.1124 a) Begründung für die Notwendigkeit eines eigenständigen und einheitlichen Vergabegesetzes Für die Schaffung eines eigenständigen Vergabegesetzes, das das gesamte Vergaberecht inklusive der Vorabinformationspflicht in sich vereint, sprechen vor allem 2 Gründe. Zum einen die Undurchschaubarkeit des bestehenden Vergabeverfahrensrechts (Kaskadenprinzip), (1). Zum anderen die Zweifel an der Verfassungskonformität des Kaskadenprinzips wegen des Verweises auf die Verdingungsordnungen als private Regelungen (2). aa) Zur Undurchschaubarkeit des Vergaberechts (Kaskadenprinzip) Für die Zusammenfassung des gesamten Vergaberechts in einem einheitlichen Vergabegesetz spricht die Unübersichtlichkeit der bisherigen Vergaberechtslage. Diese Unübersichtlichkeit ist nicht nur wegen der damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten (1) zu beseitigen, sondern sie führt auch zu Zweifeln an der Europarechts- und Verfassungskonformität des Vergaberechts (2). (1) Die praktischen Schwierigkeiten mit der Unübersichtlichkeit der deutschen Vergaberechtslage Das Vergaberecht in Deutschland ist mit seinem bereits ausführlich dargestellten Kaskadenprinzip sehr zersplittert und unübersichtlich. Wie gezeigt, findet sich das Vergaberecht in den Rechtsquellen: GWB, Vergabeverordnung und den 3 Verdingungsordnungen. Es ist nicht nur die Bestimmung der anwendbaren Verdingungsordnung problematisch1125, sondern 1124

Dieses systematische Argument spricht dagegen nach einer Ansicht dafür, dass die Verdingungsordnungen der geeignetere Standort für die Informationspflicht des § 13 VgV gewesen wären (vgl. Gröning, WRP 2000, 49, 55). Für die Einordnung in die Verdingungsordnungen spreche auch die Funktion von § 13 VgV als Verfahrensregel und die Tatsache, dass die Verdingungsordnungen den Auftraggebern am geläufigsten ist (Erdl, VergabeR 2001, 10, 12 Fn. 16, die daher die Einordnung in die Verdingungsordnungen befürwortet). Diese Ansicht ist aber abzulehnen, da hier die gleichen verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, wie gegen den Standort der Vorabinformationspflicht in der VgV. 1125 Dazu bereits im Teil 1, A. VI. 3. c) dd) (3).

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darüber hinaus sind die Verdingungsordnungen VOB/A und VOL/A ihrerseits wieder in 4 Teile untergliedert.1126 Hinzu kommt, dass der Rechtsanwender auch noch etwaige Widersprüche zwischen den Basisparagraphen und den diesen vorgehenden a) bzw. b) – Paragraphen auflösen muss. Im Einzelfall ist es aber oft nicht leicht festzustellen, ob die Regelungen kumulativ anzuwenden sind, oder ob ein solcher Widerspruch vorliegt.1127 Paradoxerweise ist diese Aufteilung der Verdingungsordnungen in Abschnitte damals vorgenommen worden, um dem Betroffenen deren Anwendung zu erleichtern.1128 Als weitere Rechtsquellen bestehen die Geschäftsordnungen der Vergabekammern und die landesgesetzlichen Vergabegesetze. Nimmt man noch die internationalen Einwirkungen durch GPA, Grundfreiheiten des EGV und Vergaberichtlinien hinzu, so erscheint die Unübersichtlichkeit des Vergaberechts noch größer. Vollends bestätigt wird dieser Befund durch die unterschiedlichen Vergaberechtsregime oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte. Im letzteren Bereich gelten zahlreiche Verwaltungsrichtlinien.1129 Zu der horizontalen Aufspaltung des Vergaberechts nach verschiedenen Auftragsarten durch die Verdingungsordnungen tritt also durch die Schwellenwerte noch eine vertikale Aufspaltung.1130 Es besteht also eine kaum mehr zu überschauende Normenvielfalt.1131 So ist zu Recht festgestellt worden, dass die „Rechtskaskade von GWB, Beschaffungsverordnung, drei in sich unterteilten Verdingungsordnungen und Landesvergabegesetzen nach § 97 IV HS. 2 GWB [. . .] selbst dem geschulten Juristen1132 ein unklares Bild [bietet], von Bietern aus anderen EU-Staaten ganz zu schweigen.“1133 1126 Bereits diese Aufteilung der VOB und VOL in vier Abschnitte wird als für den normalen Anwender verwirrend und unübersichtlich eingeschätzt. Es bedürfe großer Anstrengung einen Überblick über diese Regelungen zu erreichen. – Eberstein, BB 1994, 1230, 1231. 1127 Pietzcker in Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst II, Rn. 30; Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427, 437. Des Weiteren ist auch das „Schubladenprinzip“ nicht konsequent durchgehalten, so dass auch vereinzelt die Basisparagraphen im Abschnitt 1 der Verdingungsordnung von den Basisparagraphen in Abschnitt 2 und 3 der Verdingungsordnung abweichen – Bayer/Franke/ Opitz, S. 24 unter Verweis auf § 21 VOL/A. 1128 Dazu oben Teil 1, A. VI. 3. c) dd) (3). 1129 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 25 mit dem Hinweis, dass die Zusammenfassung dieser fragmentarischen Vergaberegeln eine Volumen von mehreren hundert Seiten ergibt. Dies bestätigen die bei mehreren Verlagen erschienenen Textsammlungen zum Vergaberecht. Diese enthalten zumeist nur eine Auswahl des Vergaberechts, sind aber dennoch immer mehrere hundert Seiten stark (z. B. die Textsammlung „Vergaberecht 2001“ des forum vergabe e.V). 1130 Vgl. Gutknecht, in: Gutknecht/Korinek/Holoubek, S. 9, 40. 1131 Dreher, ZIP 1995, 1869.

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Gerade für die zuletzt angesprochenen ausländischen Bieter ist die Lage problematisch: Will er die für einen Auftrag anwendbaren Regeln herausfinden, muss er auf 3 verschiedene Gesetzespublikationsstellen zurückgreifen. Nachdem er im BGBl. das GWB ausfindig gemacht hat, muss er über die VgV im BGBl. die entsprechende Verdingungsordnung im Bundesanzeiger finden. In den Verdingungsordnungen muss er die im Europarecht nicht vorgesehene Aufteilung in 3. und 4. Abschnitte verstehen1134, bevor er die für ihn einschlägige Regelung finden kann.1135 Hinzu kommt, dass je nach Zeitpunkt der Geltendmachung und Art des Anspruchs (Primärrechtsschutz und Sekundärrechtsschutz) unterschiedliche Rechtsschutzsysteme zugänglich sind: vergabespezifischer Rechtsschutz auf der einen Seite, Rechtsschutz durch die ordentlichen Gerichte auf der anderen. Aber nicht nur ausländische Bieter, sondern auch der Mittelstand leidet unter dem intransparenten Vergaberecht, denn die wegen der komplexen Vorschriften personal- und kostenintensive Beteiligung an Ausschreibung ist für größere Unternehmen leichter.1136 Die Schwierigkeiten, die ein Vergaberechtsunterworfener hat, um das für ihn anwendbare Vergaberecht zu finden, wird auch sehr schön durch die überall zu findenden opulenten Tabellen illustriert, die nach Auftragsart, Auftraggeber und Auftragssumme differenzierend das jeweilige anwendbare Vergaberecht angeben. Diese Tabellen enthalten nicht selten schon dann bis zu 90 Felder, wenn noch nicht einmal die Differenzierung der Schwellenwerte aufgenommen wurde1137 (schon allein letztere Tabellen sind 40 Felder groß1138). 1132 Da die meisten Mitarbeiter der Vergabestellen keine Juristen sind, wirkt sich hier die Unüberschaubarkeit der Rechtslage noch verstärkter aus. Auch ein Rechtsanwalt, der erstmals ein vergaberechtliches Mandat zu bearbeiten hat, muss „viele Stunden harte Einarbeitungszeit“ investieren, Marx, in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, S. 51, 59. 1133 Malmendier, DVBl 2000, 963, 967. Tempel, NZBau 2002, 465, 471 spricht im Hinblick auf das Kaskadenprinzip von „Chaos“. 1134 Jemand, der sich erstmals mit dem Vergaberecht befasst, wird bei der Lektüre der VOB/A und VOL/A verwundert feststellen, dass die Nummerierung der Paragraphen viermal wieder von vorn beginnt. Ihm wird ein Teil der Vorschriften „irgendwie bekannt vorkommen. Auch wird er auf eine Reihe von Vorschriften stoßen, die ein „b“ tragen, denen aber keine Vorschriften mit einem „a“ voranzugehen scheinen.“ – Marx, in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, S. 51, 59. 1135 Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1270. 1136 Marx, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 127, 131.

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Etwas überspitzt ist deshalb vertreten worden, dass wegen der Menge und der Kompliziertheit1139 der Vergaberegeln die Vergabestelle in Deutschland1140 bisweilen einen Aufwand betreiben muss, mit der sie die ausgeschriebene Leistung schon nahezu selbst erbringen könnte.1141 Wegen dieses Rechtszustandes wird auch davon ausgegangen, „dass das vergaberechtliche Kaskadenprinzip eher zu einer Umsatzsteigerung der rechtsberatenden Berufe denn zu einer effektiven Öffnung der deutschen Beschaffungsmärkte beitragen wird.“1142 Dementsprechend beginnt auch der Eckpunktebeschluss der Bundesregierung zur Verschlankung des Vergaberechts vom 12.5.20041143 mit dem Satz: „Das deutsche Vergaberecht ist komplex, verschachtelt und unübersichtlich“. Unter Ziff. 5. heißt es weiter: „Die Vergabeverfahrensregeln ent1137

Vgl. etwa die Tabelle im Leitfaden für Vergabe und Nachprüfung öffentlicher Aufträge, S. 5, der vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie herausgegeben wird – abrufbar auch unter www.stmwvt.bayern/ Themen.de. 1138 Vgl. S. 3 des Leitfadens. 1139 Nach Auffassung von Burgi ist das Vergaberecht zwar ein hochkompliziertes Regelwerk, das den praktischen Umgang mit ihm erschwert. Aber dies müsse man wegen der komplexen Interessenlage wohl hinnehmen – Burgi, FAZ v. 23.6.2001, S. 23. 1140 Auch in Österreich bietet sich ein ähnliches Bild der Rechtszersplitterung. Zunächst existieren die EG-rechtlichen Rechtsquellen mit EG-Vertrag und Vergaberichtlinien. Daneben steht das nationale Recht, dass auch nach der Einführung des Bundesvergabegesetzes 2002 aus Bundes- und Landesgesetzen, der ÖNORM und Rechts- und Verwaltungsverordnungen besteht. Hinzu kommen Erlasse und Rundschreiben des jeweiligen Fachbereichs. Gerade die Aufspaltung des Vergaberechts in 9 Landes- und ein Bundesvergabegesetz ist problematisch, da der Geltungsbereich der Vergabegesetze nicht immer exakt zu bestimmen ist (zu den daraus folgenden Schwierigkeiten – Winkler, S. 49 f.). Die unterschiedlichen Vergabegesetze haben auch nach Einführung des BVergG 2002 nach wie vor unterschiedlichen Inhalt im Hinblick auf die Vergabenachprüfung. Die Rechtsmittelrichtlinien lassen genügend Umsetzungsspielraum, um zumindest bezüglich der Vergabekontrolle ein „gerütteltes Maß an Rechtszersplitterung“ zu ermöglichen – Mikolasch, S. 26 m. w. N. Besonders für die Bieterseite ist diese Rechtszersplitterung (wirtschaftlich) belastend. Bieter, die in verschiedenen österreichischen Bundesländern über und unter den Schwellenwerten tätig sind, sehen sich einem Regelungschaos gegenüber. Die Rechtslage wird in Österreich so zusammengefasst, dass derjenige, der das österreichische Vergaberecht beschreiben wolle, sich schwer tun würde, „aus dem vorgefundenen Rechtsbestand ein plausibles System zu zeichnen.“ Dies sei geradezu ausgeschlossen – Korinek, in: Rill/Griller, S. 7, 17 ff.; vgl. auch vgl. auch Denk, S. 7. 1141 Burgi, FAZ v. 23.6.2001, S. 23. 1142 Schenk, S. 190. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, 97 Rn. 167 hält daher die Bezeichnung „Kaskadenprinzip“ nur für eine vornehme Umschreibung der zersplitterten und intransparenten Rechtslage. 1143 Abgedruckt in NZBau 2004, 317. Vgl. auch www.bmwa.bund.de.

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halten nicht nur eine hohe Anzahl von Doppelungen, Wiederholungen und Redundanzen, sondern auch eine ganze Reihe von Vorschriften, die nicht unbedingt erforderlich sind.“ (2) Rechtliche Folge der Unübersichtlichkeit Die Unübersichtlichkeit des deutschen Vergaberechts ist nicht nur wegen der damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten zu beseitigen, sondern dafür sprechen weiter europarechtliche Gesichtspunkte. Das Kaskadenprinzip und die dadurch bedingte Rechtszersplitterung verstoßen gegen das europarechtliche Transparenzgebot. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss in den Fällen, in denen eine Richtlinie Ansprüche des einzelnen schafft, die Rechtslage in den Mitgliedsstaaten für den einzelnen „hinreichend bestimmt und klar“ sein „und in die Lage versetzt, von allen seinen Rechten Kenntnis zu erlangen (und diese gegebenenfalls vor Gericht geltend zu machen.)“1144 Dies ist den (ausländischen) Bietern bei der unübersichtlichen Vergaberechtslage in Deutschland aber nicht möglich, so dass den Anforderungen des EuGH nicht genügt ist.1145 Weiter ist zu berücksichtigen, dass das gemeinschaftsrechtliche Vergaberecht zum Ziel hat, Markttransparenz für Bieter aus ganz Europa herzustellen.1146 Dem Gemeinschaftsrecht kommt es dabei (primär) auf die Transparenz des konkreten Vergabeverfahrens an. Der Vorwurf der Intransparenz durch die Rechtszersplitterung bezieht sich aber auf die Transparenz der Rechtsordnung, nicht des Vergabeverfahrens. Es muss aber berücksichtigt werden, dass die Transparenz der Rechtsordnung Bedingung für die Transparenz eines konkreten Vergabeverfahrens ist. Das Vergabeverfahren ist nur dann transparent, wenn das Recht, das es regelt, selbst transparent ist.1147 Dementsprechend hat auch die Europäische Kommission in ihrem Grünbuch zum Öffentlichen Auftragswesen gefordert, Weiterverweise im Verga1144 St. Rspr.: erstmals in Slg 1998, 1661, 1673; vgl. auch Slg. 1995, I-2303, 2317; Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1270. 1145 Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1270: Ein überzeugender Grund für die Aufspaltung der Normtexte auf ein Gesetz, eine Vergabeverordnung und 3 Verdingungsordnungen rechtfertigender Grund ist nicht ersichtlich. Dagegen: Schenk, S. 190 f. m. w. N.: Das Verweisungsmodell in Deutschland entbehre zwar „legislativer Ästhetik“, sei aber gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch nach Pietzcker, VgRÄG, 1999, S. 18 sind die europarechtlichen Anforderungen an die Rechtsklarheit, an die Auffindbarkeit der Regelungen, erfüllt. 1146 Öhlinger, in: Potacs, S. 5. 1147 Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1268; Öhlinger, in: Potacs, S. 5 Fn. 18; Malmendier, DVBl 2000, 963, 967.

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berecht zu reduzieren und alle einschlägigen Bestimmungen in einem einzigen Text zusammenzufassen.1148 Auch in der Mitteilung der Kommission „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union“ v. 11.3.1998, KOM (98) 143, S. 13 (abgedr. in BR-Drs. 296/98) hält sie eine „kodifizierende Klarstellung der geltenden einzelstaatlichen Regelungen“ für notwendig, um das mit der Zusammenfassung der Vergaberichtlinien angestrebte Ziel der Verbesserung der Rechtsklarheit zu erreichen. Auch das GPA, an dem sich der europäische Richtliniengeber orientierte, verpflichtet zur Transparenz. So sieht es schon die Präambel als wünschenswert an, „für die Transparenz der Gesetze, Vorschriften, Verfahren und Praktiken auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens zu sorgen. Auch Art. XIX betrifft die Transparenz der rechtlichen Regelungen: Danach müssen die das Auftragswesen betreffenden Gesetze, Vorschriften, gerichtliche Entscheidungen, allgemein anwendbaren Verwaltungsentscheidungen sowie alle Verfahrensbestimmungen in einem Publikationsorgan nach Anhang IV1149 veröffentlicht werden, so dass die Vertragsparteien (des GPA) und die Lieferanten davon Kenntnis nehmen können.1150 Für die Verbesserung der Durchschaubarkeit der Vergaberechtslage durch Ablösung des Kaskadenprinzips spricht weiter das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes.1151 Denn dies verlangt in seiner Ausprägung des Grundsatzes der Rechtssicherheit auch Rechtsklarheit, d.h. für den Gesetzesunterworfenen muss klar sein, welche Regelungen mit welchem Inhalt für ihn gelten. Die Norm muss für den Adressaten und die rechtsanwendenden Instanzen verständlich sein.1152 1148 Grünbuch der EG-Kommission „Das Öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union – Überlegungen für die Zukunft“ KOM 96, 583 v. 27.11.1996, S. 11 (Ziff. 3.5.): „Desgleichen ersucht die Kommission die Mitgliedsstaaten um eine möglichst eindeutige Gestaltung des einschlägigen innerstaatlichen Rechtsrahmens, indem beispielsweise die Verweise auf andere normative Texte eingeschränkt werden und versucht wird, alle einschlägigen Bestimmungen in einem einzigen Text zusammenzufassen“. 1149 Abgedruckt in nichtauthentischer deutscher Übersetzung bei Kunnert, S. 559 (Auszug). Das Publikationsorgan für Gesetzgebung und Verordnungen ist demnach in Deutschland der Bundesanzeiger, für Gerichtsentscheidungen die Entscheidungssammlungen des BVerfG, BGH, BVerwG, BFH sowie der OLG. 1150 Auch das UNCITRAL-Modellgesetz zum Beschaffungswesen enthält als wichtigsten Grundsatz den der Transparenz. Die daraus folgenden Pflichten (etwa Informations- oder Dokumentationspflichten) sind zwar denen des GPA ähnlich, sind aber oft detaillierter und umfassender formuliert – näher Kunnert, S. 446. So verpflichtet etwa Art. 5 des Mustergesetzes die öffentliche Hand bzw. deren Beschaffungsstellen zur Offenlegung bzw. Evidenzhaltung sämtlicher gesetzlicher bzw. administrativer Vergabevorschriften. 1151 Für einen Verfassungsverstoß wegen der mangelnden Rechtsklarheit: Byok/ Troost, Behördenspiegel 1/2001, B. V.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Die Unübersichtlichkeit des Vergaberechts steht gleichfalls im Widerspruch zu der im Vergaberecht selbst enthaltenen Vorgabe in § 97 I GWB.1153 Dieser macht die Transparenz des Verfahrens zum obersten Prinzip des Vergaberechts. Die Grundvoraussetzung eines transparenten Vergabeverfahrens ist aber – wie bereits ausgeführt – eine transparente Rechtslage.1154 Für die Vereinheitlichung und Zusammenfassung des Vergaberechts hat sich auch der Bundesrat mehrmals ausgesprochen. Er hatte bereits seiner Zustimmung zur Änderung der alten Vergabeverordnung von 1994 eine Entschließung nachgestellt, in der es heißt, dass er „eine gründliche Überarbeitung des materiellen Vergaberechts mit dem Ziel der Deregulierung und der Rechtsklarheit (sowie zur Wahrung der Mitwirkungsrechte beim Zustandekommen des normativen Teils der Vergabevorschriften)“1155 erwarte.1156 Da auch bei Erlass der VgV die unübersichtliche Struktur des deutschen Vergaberechts erhalten blieb1157, verband der Bundesrat seine vor diesem Hintergrund nur zögerlich1158 erteilte Zustimmung zur Vergabeverordnung mit folgender Entschließung:1159 „Der Bundesrat weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Zustimmung zur Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge und damit zu den Neufassungen der Verdingungsordnungen nur erteilt hat, um weitergehende nachteilige Folgen im Hinblick auf das von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden.[1160] Er nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, dass durch nicht fristgerechte Umsetzung der EG-Richtlinien 97/52/EG und 98/4/EG wiederum ein Zeitdruck entstanden ist, der eine Berücksichtigung seiner Entschließungen vom 25.4.1997 (BR-Drs. 1152 Vgl. Kirchhof, NJW 2002, 2760; Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 63 f.; Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 123 ff. 1153 Einen Verstoß gegen § 97 I GWB wegen der unübersichtlichen Vergaberechtslage bejaht Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1268. 1154 Malmendier, DVBl 2000, 963, 967; Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1268. 1155 Zur Verletzung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates gesondert unter cc) (1). 1156 Beschluss des Bundesrates zur Ersten Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung, BR-Drs. 82/97 vom 25.4.1997, S. 6; BT-Drs. 13/9340; Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1268 f. hält diesen Verweis für berechtigt; dazu auch Erdl, S. 222 f. Rn. 449. 1157 Kritisch dazu Ax, BauR 2000, 471 f.: „Gründlichkeit wurde hier augenscheinlich der Schnelligkeit geopfert.“ 1158 Wegen der hier dargestellten Kritik des Bundesrates wurde die Verabschiedung der VgV nach Gröning, wrp 2001, 1 Fn. 3 zu einer „Hängepartie“. 1159 BR-Drs. 455/00, S. 3 f. 1160 Vgl. dazu auch die Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/00, 31.10.2000), S. 10.

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82/97 – Beschluss) und 7.11.1997 (BR-Drs. 646/97 – Beschluss)[1161] verhindert und dies außerdem zur Folge hat, dass das neue Regelwerk systematische Brüche und Unstimmigkeiten[1162] aufweist.[1163] Der Bundesrat ist daher nach wie vor der Auffassung, dass eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des Vergaberechts dringend erforderlich ist“1164 [Fn. vom Verfasser hinzugefügt].

Insbesondere hat der Bundesrat auf das Ersuchen der Europäischen Kommission verwiesen, den innerstaatlichen Rechtsrahmen möglichst eindeutig zu gestalten und alle einschlägigen Bestimmungen in einem einzigen Text zusammenzufassen.1165 (3) Ergebnis Die dargestellte Unübersichtlichkeit des Vergaberechts ist nicht nur wegen der damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten zu beseitigen, sondern sie verstößt auch gegen das Europa- und Verfassungsrecht. bb) Zur Verfassungswidrigkeit des Kaskadenprinzips wegen des Verweises auf private Regelungen Im vergaberechtlichen Kaskadenprinzip wird über den statischen Verweis in der Vergabeverordnung den Verdingungsordnungen Rechtsnormcharakter zuerkannt. Die Verdingungsordnungen werden allerdings vom DVA als ei1161

Dazu auch Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/ 00, 31.10.2000), S. 10. 1162 Als solche werden in der Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BRDrs. 455/1/00, 31.10.2000), S. 10 beispielhaft genannt: – trotz Regelung der EG-Schwellenwerte in § 2 VgV werden diese in der VOF und der VOB/A wiederholt (in der VOL/A erfolgt dies – systematisch korrekt – nicht. Die dortigen Schwellenwertregelungen sind weggefallen, vgl. Byok/Troost, Behördenspiegel 1/2001, B V). – der „Basisparagraf“ 21 der VOL/A enthält in Abschnitt 1 und 2 unterschiedliche Fassungen. 1163 Zustimmend dazu Höfler, NJW 2001, 950, 951 – Bei der Vergabeverordnung insgesamt zeige sich, dass „hier mit Unlust Gesetzgebung betrieben worden ist.“ Eine besondere Eile will er als Grund für die Mängel der Vergabeverordnung angesichts des langen Zeitraums bis zur Veröffentlichung der Vergabeverordnung nicht gelten lassen (Höfler, NJW 2001, 950, 951). 1164 Folgenden Satzteil enthielt die Entschließungsempfehlung des federführenden Wirtschaftsausschusses (Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/00, 31.10.2000), S. 9) zusätzlich: „. . . und wesentliche Regelungen, die für alle Bereiche des öffentlichen Auftragswesens gelten, nicht in den Verdingungsordnungen (VOL, VOB, VOF), sondern in der Vergabeverordnung oder in einem Vergabegesetz geregelt werden sollten.“ 1165 Vgl. auch Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/00, 31.10.2000), S. 10.

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nem privaten Gremium1166, das selbst keine demokratische Legitimation1167 besitzt, geschaffen. Grundsätzlich ist ein Verweis auf Regelungen von demokratisch nicht legitimierten Gremien zulässig, soweit er durch statischen Verweis erfolgt.1168 Auf diesem Wege wird ein Verstoß gegen das Prinzip der demokratischen Legitimation und gegen das Rechtsstaatsprinzip vermieden. Das Verweisungsobjekt ist zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Norm bekannt. So ist der Inhalt der Vorschrift, auf die verwiesen wird, vom Willen des verweisenden Normgebers mit umfasst und damit hinreichend legitimiert.1169 Der Gesetzgeber hat selbst und abschließend entschieden, welche Normen im Einzelnen gelten sollen. Anders als bei der dynamischen Verweisung, bei der auf die Normsetzung einer anderen Stelle in der jeweils geltenden Fassung verwiesen wird, hat sich der Normgeber hier nicht eines Teils seiner Entscheidungsmacht entäußert.1170 Für die Zulässigkeit des Verweises muss aber weiter das Verweisungsobjekt für die Betroffenen zugänglich sein.1171 Auch diese Anforderung im Hinblick auf die Publizität der Verdingungsordnungen ist hier erfüllt. Die Verdingungsordnungen sind hinreichend im Bundesanzeiger publiziert (vgl. auch Art. 82 I 2 GG).1172 Dennoch ist der durch GWB und VgV vorgenommene statische Verweis auf die Verdingungsordnungen vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips und des Demokratiegebots unzulässig:1173 Zunächst ist festzuhalten, dass der vorliegende Verweis oberhalb der Schwellenwerte nicht mit den Fällen der normkonkretisierenden Verwal1166

Näher oben im Teil 1, unter A. VI. 3. c) dd) (3). Zu aktuellen Entwicklungen des Gebotes demokratischer Legitimation, Jestaedt, JuS 2004, 649 (insbesondere mit Blick auf die Entscheidung des BVerfG v. 5.12.2002 zur demokratischen Legitimation von Trägern funktioneller Selbstverwaltung). 1168 Eine dynamische Verweisung ist dagegen unzulässig: Pietzcker, VgRÄG, 1999, S. 18 f. 1169 BVerfGE 47, 285, 312; Erdl, S. 223 f. Rn. 453 m. w. N.; Pietzcker, NZBAu 2000, 64, 65. 1170 Pietzcker, NZBau 2000, 64, 65 und Pietzcker, VgRÄG, 1999, S. 16: Dem Verordnungsgeber stehe es jederzeit frei von der Verweisung ganz oder teilweise abzusehen oder einzelne Elemente des Vergabeverfahrens anders zu regeln. Boesen, § 97 Rn. 168 f. 1171 BVerwG, DVBl. 1961, 137 f.; BVerfGE 47, 285, 311 f. = NJW 1978, 1475; dazu auch Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1267. 1172 Sterner, S. 77 f. m.w.N; Pietzcker, NZBau 2000, 64, 65 und Pietzcker, VgRÄG, 1999, 16 f. 1173 So sehr instruktiv Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1265 ff.; ders. in, Immenga/ Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 30; für die Verfassungswidrigkeit wegen des Verweises auf Private auch Scheuer, RiA 2000, 271, 279; Malmendier, DVBl 2000, 963, 967; ohne nähere Begründung so auch Gonzáles-Varas, GewArch 2002, 317, 318. 1167

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tungsvorschriften vergleichbar ist. Dort wird vom Minister auf die privaten Regelwerke verwiesen, die dadurch zu Verwaltungsvorschriften werden. Bei den Verdingungsordnungen wird dagegen in einer Rechtsverordnung pauschal auf die Regelwerke der privaten Institutionen verwiesen.1174 Diese erhalten dadurch selbst den Charakter einer Rechtsverordnung. Aber auch für einen solchen Verweis einer Rechtsverordnung auf privat geschaffene Regelwerke gibt es gesetzliche Beispiele. So darf der Verordnungsgeber augrund von § 7 V BImSchG auf Regelwerke privater Institutionen (DIN oder VDI) verweisen. Auch dieser Verweis in § 7 V BImSchG ist aber nicht mit dem Verweis auf die Verdingungsordnungen vergleichbar, so dass aus der dort bejahten Zulässigkeit des Verweises auf private Regelungen1175 nicht auch auf die Zulässigkeit des Verweises auf die Verdingungsordnungen geschlossen werden kann: Bei den Verweisen auf technische Normen (wie durch § 7 V BImSchG) geht es um Fälle, in denen der Gesetzgeber den überwiegenden Teil der Regelungen selbst getroffen hatte und nur für einen Teil des Regelungskomplexes auf die privaten Regelungen verwiesen hatte. Die Regelungen des Privaten betreffen nur die Festlegung technischer Details. Im Vergaberecht hat sich der Gesetzgeber aber auf die Regelung einiger weniger Grundsätze beschränkt, die auch erst i. V. m. den umfangreichen Regelungen in den Verdingungsordnungen ihre Bedeutung erlangen.1176 Erst in den Verdingungsordnungen sind die wesentlichen materiellen Regelungen des Vergaberechts enthalten, sie haben also keine Ähnlichkeit zu technischen Regelwerken, sondern eine andere Qualität.1177 Mit den Verdingungsordnungen wird erst die eigentliche Vergaberechtsordnung geschaffen. Dies ist aber Aufgabe des Staates selbst.1178 Anders als bei einer nur punktuellen Verweisung fehlt es hier an der nötigen Eigenständigkeit des Willensbildungsprozesses des zuständigen staatlichen Rechtssetzungsorgans.1179 Es wurde zu Recht von einer „Selbstentmündigung des Gesetzge1174

Vgl. auch Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1266 f. Vgl. Jarass, BImSchG, 5. Aufl. 2002, § 7 Rn. 24; zweifelnd dagegen Rossnagel, in: GK-BImSchG § 7 Rn. 210 ff. 1176 Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1268: „Dies gilt sogar für die Bestimmung der Reichweite des Rechtsschutzes, da die notwendige bieterschützende Eigenschaft einer Bestimmung der Reichweite der Verdingungsordnungen, wenn überhaupt, nur aus ihrer Formulierung folgt.“ 1177 Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1267; Steller, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 43. 1178 Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1272. 1179 Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1268; Frenz/Kafka, GewArch 2000, 129, 130 m. w. N.; vgl. auch die Nachweise bei Wittig, S. 222 Fn. 356. Auch nach der Einschätzung von Gröning, wrp 2001, 1 Fn. 3 m. w. N. könnte es sich als „vergabe1175

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

bers in zentralen Bereichen des Vergaberechts“ gesprochen.1180 Dem Gesetzgeber bleibt hier praktisch nur „im Sinne eines Alles-oder-nichts-Prinzips die bloße Rezeption des privat erstellten, als Gesamtsystem vorgegebenen Regelwerks.1181 Auch das BVerfG hat im Zusammenhang mit einer Verweisung in einem Gesetz auf tarifvertragliche Regelungen entschieden, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Regelungen selbst treffen muss. Der Inhalt der privatrechtlichen Regelungen muss durch den Gesetzgeber im Wesentlichen vorgegeben sein. Nur dann kann nicht von einem Verzicht des Gesetzgebers auf seine Rechtssetzungsbefugnisse die Rede sein.1182 Bei der Übernahme eines kompletten Regelungsgebiets besteht auch die Gefahr, dass der Verordnungsgeber dies ohne ausreichende Prüfung übernimmt. Denn hier wird er sich nicht so genau mit der Regelung befassen, wie beim vollständigen Selbsterlass der Norm. Zum „Vorschlag“ der privaten Institution sind dann meist auch keine Alternativen bekannt.1183 Gegen die Zulässigkeit des vorliegenden pauschalen Verweises spricht weiter, dass die Privaten in den Verdingungsausschüssen nur Vertreter ihrer Partikularinteressen und nicht wie der Gesetz- und Verordnungsgeber ausschließlich dem Gesamtinteresse verpflichtet sind.1184 Nur letzterer hat eine Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit. Wegen dieser unterschiedlichen Interessenausrichtung wird es auch zu anderen Ergebnissen kommen, als bei Rechtssetzung durch den Gesetz- und Verordnungsgeber, der sich von den Privaten nur beraten lässt.1185 Die Beteiligung verschiedener Interessengruppen stellt noch keine Garantie für die Ausgewogenheit der Regelung dar.1186 Wenn die Befugnis zur Normgebung auf Private übertragen rechtliche Zeitbombe erweisen, dass die Verdingungsordnungen Regelungssysteme ohne demokratische Legitimation sind. Auch der Bundesrat hat an der demokratischen Legitimation der bisherigen materiellen vergaberechtlichen Bestimmungen gezweifelt – BR-Drs. 455/00, S. 3 f. 1180 Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1272. 1181 Dreher, Einführung zum Workshop 1 (Thema Kaskadenprinzip) der Badenweiler Gespräche 2003, abgedruckt in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, S. 71, 73. 1182 BVerfGE 64, 203, 214 f. 1183 Rossnagel, in: GK-BImSchG § 7 Rn. 210 ff. 1184 Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1267. 1185 Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1267; Wallerath, S. 432. 1186 Wallerath, S. 431 ff. Dem wird entgegengehalten, dass der DVA durch seine paritätische Zusammensetzung in seiner Gesamtheit doch ein abgerundetes Meinungsspektrum widerspiegele und daraus ein ausgewogenes Ganzes resultiert. Hinzukomme, dass der für die Fortentwicklung der VOB federführende HAA bisher immer einstimmige Entscheidungen getroffen hat (zum Ganzen Monatsinfo forum vergabe e. V. 11/2001, 144 f.; Roth, Einführung zum Workshop 3 der Badenweiler

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wird, muss die Gemeinwohlorientierung und die Ausgewogenheit der Regelungen durch entsprechende organisatorische und verfahrensmäßige Vorkehrungen, die der Gesetzgeber vorschreibt, getroffen werden.1187 Dies ist bei den Verdingungsausschüssen nicht der Fall. Die Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip lassen sich damit weiterhin auf die fehlende Transparenz der Arbeit des DVA bei der Erstellung der Verdingungswerke und die selektive Zulassung von Personen zur Mitarbeit und Mitgliedschaft stützen.1188 Insbesondere greift auch das Argument nicht mehr, die Selbstregelung durch die Normbetroffenen erlaube eine geringere demokratische Legitimation,1189 da die ebenso regelungsbetroffenen ausländischen Anbieter nicht in den Verdingungsausschüssen vertreten sind. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Verdingungsordnungen die Hauptaufgabe bei der Umsetzung der Koordinierungsrichtlinien übernehmen. Diese Richtlinien richten sich aber an die Mitgliedsstaaten selbst und nicht an private, auf Partikularinteressen fixierte Dritte.1190 Die private Rechtssetzung führt weiter zumindest in Teilbereichen zu unbefriedigenden Ergebnissen: Nach dem die fehlende Abstimmung der Verdingungsordnungen auf das GWB1191 durch deren Neufassungen beseitigt worden sind, stellt es aber einen auch heute noch bestehenden Mangel der privaten Rechtssetzung dar, dass sich VOB und VOL/A auch in Bereichen unterscheiden, in denen dies nicht wegen lieferungs- oder bauleistungsspezifischen Besonderheiten erforderlich ist. Dies hat seine Ursache in der grundsätzlich1192 unabhängigen Arbeit von DVA und DVAL. Für die meisten der Gespräche 2003, abgedruckt in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, 2003, S. 77, 78 f.; Pietzcker, VgRÄG, 1999, S. 15). Vgl. darüber hinaus zur Beurteilung der Ausgewogenheit der VOB/B nach Einführung des neuen Schuldrechts, Voppel, NZBau 2003, 6 ff. 1187 Rossnagel, in: GK-BImSchG § 7 Rn. 210 ff. 1188 Dreher, Einführung zum Workshop 1 (Thema Kaskadenprinzip) der Badenweiler Gespräche 2003, abgedruckt in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, S. 71, 73. 1189 So aber Pietzcker, NZBAu 2000, 64, 65 und ders., VgRÄG, 1999, S. 16. Schon als der Gesetzgeber 1914 ein Rechtssubmissionsgesetz plante, zogen Gewerbestände und Bauverwaltungen diesem Gesetz eine „Gemeinschaftsarbeit“ in einem „Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Lagern“ vor – Lampe-Helbig, S. 250. Weiterhin werden die Verdingungsordnungen im Hinblick auf das Demokratieprinzip damit verteidigt, dass wegen der weitgehenden Vorgaben durch die europäischen Richtlinien ohnehin nur ein geringer politischer Spielraum bestehe, der demokratisch legitimiert werden muss. 1190 Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1270. 1191 Dazu Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1269 f. mit Beispielen. 1192 Es bestehen personelle Überschneidungen.

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Unterschiede besteht kein sachlich überzeugender Grund.1193 Es kann nicht überzeugen, dass die einzelnen Verdingungsausschüsse für die jeweilige Verdingungsordnung über das gleiche Problem getrennt und möglicherweise mit anderem Ergebnis beraten.1194 Außerdem bestehen Mängel in der Abstimmung zwischen Basisparagraphen und a-Paragraphen.1195 Diese Mängel könnten vermieden werden, würde die Setzung der Verdingungsordnung in der Hand eines einzigen staatlichen Gesetzgebers liegen.1196 Der Rückgriff auf private Regelungen ist auch nicht nötig. Der Gesetzund Verordnungsgeber ist in der Lage, das materielle Vergaberecht selbst zu regeln. Anders als auf den technischen Gebieten muss er die Rechtsfindung nicht auf Private delegieren.1197 So hielten es auch viele Mitglieder der Arbeitsgruppe der Bundesregierung zum Vergaberecht für „nicht nachvollziehbar, dass nur Verdingungsausschüsse praktikable Regeln für Vergabeverfahren entwickeln könnten, zumal diese weitgehend europarechtlich vorgegeben sind.“1198 Es genügt, wenn wie in anderen Bereichen eine Anhörung der beteiligten Kreise erfolgen würde.1199 Die Verdingungsausschüsse werden damit von Rechtsfindungs- zu Beratungsgremien herabgestuft.1200 Auf privaten Sachverstand kann also auch bei staatlicher Rechtssetzung über diese Mechanismen zurückgegriffen werden. Dies ist in dieser Form auch wünschenswert.1201 So wird nicht nur der Sachverstand der Betroffenen berücksichtigt, sondern durch die Mitwirkung aller Beteiligten (Auftraggeberund Auftragnehmerseite) lassen sich leichter ausgewogene Bestimmungen erreichen und die notwendige Akzeptanz der Regelung wird erhöht.1202 Dementsprechend hat auch der Bundesrat seine Forderung nach einer Zusammenfassung des Vergaberechts mit dem Wunsch verbunden, „bei der Erarbeitung der neuen gesetzlichen Vorschriften die bisher in den Verdingungsausschüssen vertretenen Kreise der Wirtschaft so weit wie möglich einzubinden.“1203 1193

Näher Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1270. Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1272. 1195 Dazu Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1270. 1196 Dazu Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1269 f., der weiter darauf abstellt, dass diesem staatlichen Gesetzgeber auch Gesetzgebungspraktiker angehören, die die legislative Technik beherrschen. 1197 Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1270. 1198 Bericht der Arbeitsgruppe, NZBau 2004, 141, 142. 1199 So beschränkt sich auch in den meisten anderen Bereichen die Beteiligung privater Kreise auf eine Beratungs- und Vorschlagsfunktion (Versicherungsaufsicht, § 92 VAG; Bankaufsicht, § 23 II KWG; Wertpapieraufsicht, § 5 I WpHG). 1200 Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1267 und 1272. 1201 So auch Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1267 und 1272. 1202 Vgl. auch Wiesheu, in: forum vergabe 2000 – Badenweiler Gespräche, 2000, S. 23, 29 f. 1194

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cc) Weitere Zweifel an der Verfassungswidrigkeit des Kaskadenprinzips (unabhängig von der Frage der privaten Rechtssetzung) (1) Gefahr der Verkürzung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates (Art 80 II GG) Die Regelung des Vergaberechts im GWB ist ein Zustimmungsgesetz1204. Nach Art. 80 II GG ist damit auch die Vergabeverordnung zustimmungsbedürftig (vgl. auch § 97 VI GWB). Wenn nun aber in der Vergabeverordnung global auf die Verdingungsordnungen verwiesen wird, ohne dass der Bundesrat an deren Erstellung im Rahmen eines förmlichen Verfahrens mitwirken konnte, werden seine durch Art. 80 II GG geschützten Mitwirkungsrechte verletzt.1205 Der Bundesrat hatte nicht die Möglichkeit der Einflussnahme auf einzelne Vergabevorschriften, sondern konnte der Verweisungsnorm nur insgesamt die Zustimmung verweigern oder die Zustimmung unter die Maßgabe von Änderungen stellen, was jedoch angesichts des jeweils bestehenden Umsetzungs-Zeitdrucks nicht erfolgte.1206 Auch der Hinweis auf die Mitwirkung von Ländervertretern in den Verdingungsausschüssen ist nicht stichhaltig, da es an der nötigen Förmlichkeit und Unmittelbarkeit dieser Mitwirkung fehlt.1207 Dementsprechend hat auch der Bundesrat selbst die Verletzung seiner Mitwirkungsrechte durch das Kaskadenprinzip beklagt: Er hatte seiner Zustimmung zur Änderung der alten Vergabeverordnung eine Entschließung nachgestellt, in der es heißt, dass die Bundesländer „ihre grundgesetzlich verankerten Mitwirkungsrechte künftig auch bezüglich des Zustandekommens des materiellen Vergaberechts“ geltend machen werden.1208 Er erwarte „eine gründliche Überarbeitung des materiellen Vergaberechts mit dem Ziel der Deregulierung und der Rechtsklarheit [dazu schon oben] so1203 Vgl. dazu die Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/ 00, 31.10.2000), S. 11. 1204 Zur Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des VgRÄG: Teil 1, A. VI. 3. c) dd) (1). 1205 So auch Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1268 f., der dies damit begründet, dass die Verdingungsordnungen aufgrund des Verweises in der VgV inkorporiertes Verordnungsrecht darstellen. 1206 Steller, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 31, 35. 1207 Vgl. Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1269. 1208 Beschluss des Bundesrates zur Ersten Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung, BR-Drs. 82/97 vom 25.4.1997, S. 6; vgl. auch Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat (BR-Drs. 455/1/00, 31.10.2000), S. 10; Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1268 f. hält diesen Verweis für berechtigt; dazu auch Erdl, S. 222 f. Rn. 449.

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wie zur Wahrung der Mitwirkungsrechte beim Zustandekommen des normativen Teils der Vergabevorschriften“.1209 Der Bundesrat verlangte also eine unmittelbare Beteiligung an der Erstellung der Verdingungsordnungen im Rahmen eines förmlichen Verfahrens.1210 Trotz dieser Forderung des Bundesrates hatte aber die Bundesregierung bei der Einführung der neuen Vergabeverordnung das Gesamtkonzept des materiellen Vergaberechts nicht verändert. Auch bei Erlass der VgV wurden die Mitwirkungsrechte des Bundesrates nicht gewahrt. Dies wurde im Gesetzgebungsverfahren damit begründet, dass die Europäische Kommission gegen Deutschland aufgrund der bereits abgelaufenen Umsetzungsfristen für die Richtlinien 97/52/EG und 98/4/EG bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und Klage beim Europäischen Gerichtshof erhoben hatte.1211 Nur vor dem Hintergrund dieser Vertragsverletzungsverfahren hat der Bundesrat der Vergabeverordnung dann dennoch zugestimmt [dazu bereits unter (1)]. (2) Bedenken im Hinblick auf die Wesentlichkeitstheorie Weiterhin ist fraglich, ob mit der Regelung nur der Grundprinzipien der Vergabe in einem Gesetz (GWB) die Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie1212 erfüllt sind.1213 Man könnte etwa die Auffassung vertreten, dass der Wesentlichkeitstheorie dadurch nicht genügt ist, dass der Verordnungsgeber den Anwendungsbereich des gesamten Kartellvergaberechts bestimmen kann, indem er die Vorschriften zur Berechnung des Auftragswertes selbst erlässt.1214 b) Ergebnis und Ausblick auf die geplante Neuregelung des Vergaberechts durch das Verschlankungskonzept der Bundesregierung Für die Schaffung eines Vergabegesetzes, in dem alle Vergabevorschriften einschließlich der Vorabinformationspflicht zusammengefasst sind, spricht die Unübersichtlichkeit der bestehenden Vergaberechtslage mit den damit verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Konsequenzen.1215 Seine 1209

BT-Drs. 13/9340 und BR-Drs. 82/97. Vgl. Dreher, NVwZ 1999, 1265 f.; VN 1999, 27. 1211 Vgl. auch BR-Drs. 455/00, S. 2. 1212 Vgl. nur BVerfGE 78, 179, 198. 1213 Dies bejaht Boesen, § 97 Rn. 161. 1214 Näher Krist, S. 36 f. Weiter wird durch den Globalverweis auf die Verdingungsordnungen auch ein Verstoß des Kaskadenprinzips gegen die Wertung des Art. 80 I 4 GG geltend gemacht – näher Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1268. 1210

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Notwendigkeit ergibt sich weiter daraus, dass der Globalverweis auf die durch demokratisch nicht legitimierte Gremien geschaffenen Verdingungsordnungen rechtlich unhaltbar ist. Diese einheitliche Regelung durch den Staat selbst sollte in einem formellen Gesetz erfolgen. Eine bloße Zusammenfassung des Vergaberechts in der Vergabeverordnung erscheint nicht wünschenswert.1216 Hier bliebe fraglich, ob der Gesetzgeber den Verordnungsgeber so weitgehend ermächtigen kann. Außerdem müssten einige Vergaberegelungen in jedem Fall gesetzlich erfolgen (etwa die Rechtsschutzvorschriften oder die Vorabinformationspflicht), so dass eine zusätzliche Verordnung die Rechtszersplitterung nicht vollends aufheben würde. Mit der eigenen gesetzlichen Regelung des Vergaberechts wäre auch gewährleitstet, dass „zukünftige Änderungen des Vergaberechts im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren und unter [stärkerer] Kontrolle der Öffentlichkeit zu Stande kämen.“1217 Wenn man folglich die einheitliche gesetzliche Ausgestaltung des gesamten Vergaberechts fordert, so stellt sich die Frage nach dem Standort dieser gesetzlichen Regelung: Prinzipiell käme die Aufnahme des Vergaberechts in das GWB in Betracht. Abgesehen davon, dass die Einbeziehung des Vergaberechts in das GWB durch das Vergaberechtsänderungsgesetz schon im Gesetzgebungsverfahren kritisiert worden ist1218, sollte aber jedenfalls nicht das gesamte Vergaberecht in das GWB aufgenommen werden. Das GWB würde damit überfrachtet. Außerdem ist daran zu erinnern, dass die Aufnahme des Vergaberechtsänderungsgesetzes in das GWB insbesondere damit begründet wurde, dass auf erprobte Begriffe und Verfahrensregelungen des Kartellrechts unmittelbar Bezug genommen werden kann. Das herkömmliche Kartellrecht stelle in den Bereichen, in denen der öffentliche Auftraggeber als Nachfrager eine marktbeherrschende Stellung innehat, eine wichtige Ergänzung des Vergaberechts dar.1219 Inzwischen hat sich allerdings gezeigt, dass dieses Argument nicht tragfähig war. Es ist zu einer wirklich inneren Verbindung vom Kartellrecht mit dem Vergaberecht noch nicht gekommen. Das Vergaberecht führt vielmehr weitgehend ein Eigenleben.1220 1215 Für die Beibehaltung des Kaskadenprinzips dagegen: Rechten, Behördenspiegel 1/2002, 18; Voppel, VOF, Einl. Rn. 19; Roth, Einführung zum Workshop 3 der Badenweiler Gespräche 2003, abgedruckt in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, 2003, S. 77 ff. 1216 So Erdl, S. 225 Rn. 456 mit Einschränkungen auch Pietzcker, NZBau 2000, 64, 65 f. und ders., VgRÄG, 1999, S. 17; vgl. auch oben. 1217 Sterner, S. 100. 1218 Dazu im Teil 1, A. VI. 3. c) bb). 1219 Dazu im Teil 1, A. VI. 3. c) bb).

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

Es ist daher vorzugswürdig, ein eigenständiges Vergabegesetz zu schaffen. Dafür lässt sich anführen, dass das Vergaberecht einschließlich des Rechtsschutzverfahrens in den meisten anderen MS in einem eigenen Gesetz geregelt ist.1221 Hier lässt sich auch auf das Bundesvergabegesetz in Österreich verweisen. Im Sinne der Transparenz und Übersichtlichkeit der Vorschriften, die für die Vergabe öffentlicher Aufträge einschlägig sind, beinhaltet das BVergG 2002 selbst nunmehr sämtliche in diesem Zusammenhang relevanten Regelungen.1222 Anstatt der bisherigen Verweisungstechnik wurden die Vorschriften der ÖNORM in den Text des BVergG eingefügt. Insgesamt sollte folglich ein einheitliches und eigenständiges Vergabegesetz geschaffen werden, das alle materiellen Vergaberegeln selbst enthält (nicht nur Verweis1223) und auch den Rechtsschutz umfasst.1224 Der Rechtsschutz sollte also aus dem GWB und der VgV ausgelagert und in das Vergabegesetz übertragen werden.1225 Zusätzlich werden die materiellen Vergaberegeln aus den Verdingungsordnungen (A-Teile) in dieses Gesetz integriert und dort zusammengefasst.1226 In diesem Vergabegesetz 1220 Dreher, WuW 2000, 571; ders., NVwZ 1999, 1265, 1271; Frank, S. 298 m. w. N.; zur Bedeutung des Kartellrechts für Auftragsvergaben auch Noch, WuW 1998, 1059 ff. 1221 Z. B. in Österreich. In einigen Ländern wird auch zwischen der Umsetzung der Rechtsschutzregeln und des materiellen Vergaberechts differenziert (Frankreich), näher Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 240: (In Spanien und Portugal wurden gar keine speziellen Regelungen zur Umsetzung der Rechtsmittelrichtlinien erlassen, da man dort der Auffassung ist, das bestehende Rechtsschutzsystem entspreche deren Vorgaben bereits). 1222 Vgl. die Regierungsbegründung zum Entwurf des BVergG 2002, Punkt 2.1. 1223 So auch Sterner, S. 100. 1224 Dass der Gesetzgeber einer solchen Gesamtlösung gewachsen ist, zeigt nach Auffassung von Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1272 die Zusammenfassung und Ergänzung zahlreicher verstreuter Lösungen im Umwandlungsgesetz, im Bilanzrichtliniengesetz und im Transportrechtsgesetz. 1225 Nach Weitbrecht, in: Schwarze, S. 177, 178 steht das Vergaberecht mit der das materielle Vergaberecht betreffenden Rechtszersplitterung historisch gesehen da, wo das Zivilrecht im Jahr 1877 und das Verwaltungsrecht im Jahr 1960 standen. Zu dieser Zeit waren auch schon entsprechende Prozessordnungen in Kraft, die materiellen Regelungen wurden aber erst 1900 mit dem BGB und 1977 mit dem VwVfG vereinheitlicht. Auch im Vergaberecht sollte es zu einer Schaffung eines übersichtlich kodifizierten Gesetzes kommen. Zu Vorschlägen für eine Überarbeitung und Zusammenführung des Sekundärrechtsschutzes im Vergaberecht in einer einheitlichen Anspruchsgrundlage, Irmer, S. 308 ff. 1226 Die Forderung nach einem einheitlichen Vergabegesetz war auch schon bei Erlass des VgRÄG erhoben worden, dazu im Teil 1, A. VI. 3. c) bb). Erinnert sei auch daran, dass auch der Gesetzgeber schon 1914 ein eigenständiges Reichssubmissionsgesetz geplant hatte – siehe im Teil 1, A. V.

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

519

sollte dann auch die Vorabinformation geregelt werden.1227 Die hier vorgeschlagene Lösung über ein eigenständiges Vergabegesetz beschränkt sich folglich, anders als der Gesetzgeber bei der Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, nicht nur auf das unbedingt erforderliche, sondern hat das Potential, ein langfristig tragfähiges und stabiles Vergaberechtssystem zu schaffen. Eingeführt werden sollte dieses eigenständige Vergabegesetz im Zuge der Umsetzung des Legislativpaketes und der in diesem Zusammenhang durch die Bundesregierung angestrebten Verschlankung des Vergaberechts. Angesichts des dazu inzwischen von der Bundesregierung vorgelegten Referentenentwurfes vom 8.2.2005 (s. ausführlich im Teil 1, unter A. VII.) erscheint die Hoffnung auf den Erlass des eigenständigen Vergabegesetzes aber nach wie vor als unbegründet. Schon bei der Schaffung der haushaltsrechtlichen und der kartellrechtlichen Lösung hatte sich der Gesetzgeber von entsprechenden Vorschlägen zur Schaffung eines eigenständigen Vergabegesetzes nicht überzeugen lassen.1228 Auch im Entwurf der Begründung des Gesetzes zur Neuregelung des Vergaberechts (Stand 8. Februar 2005), S. 5 wird nunmehr die Schaffung eines eigenständigen Vergabegesetzes ausdrücklich abgelehnt: „Als Alternative käme ein eigenständiges Vergabegesetz in Betracht. Das würde jedoch eine weitergehendere Umstrukturierung bedeuten. Mit der Fortsetzung der Verankerung im GWB soll die wettbewerbliche Bedeutung der Regeln gestärkt und auch dem Wunsch der Praxis, weitgehend an Bewährtem festzuhalten, Rechnung getragen werden.“ Solange allerdings die hier befürwortete und wie gezeigt1229 vorzugswürdige Schaffung eines eigenständigen Vergabegesetzes nicht durchsetzbar ist, ist es jedenfalls als Minimallösung zu begrüßen, dass durch den Referentenentwurf der Bundesregierung wenigstens die erforderliche gesetzliche Ausgestaltung der Vorabinformationspflicht erfolgen soll (§ 101 a und b GWB-E) und die Zersplitterung des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte auf eine Zweiteilung reduziert werden soll. Neben dem GWB wird das Vergaberecht in einer einheitlichen Vergabeverordnung zusammengefasst werden, 1227 Auch nach Höfler/Bert, NJW 2000, 3310, 3317 gehört die Vorabinformationspflicht eigentlich (in den Allgemeinen Teil) eines einheitlichen Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge. Wegen der Funktion der Vorabinformationspflicht als Rechtsschutznorm spricht aber Erdl, VergabeR 2001, 10, 12 Fn. 16 lediglich die Möglichkeit der Aufnahme in das GWB an. 1228 Deshalb hielt Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1271 in der Vergangenheit das eigenständige Vergabegesetz nicht für durchsetzbar. Auch Malmendier, DVBl 2000, 963, 967 erscheint die Forderung nach einem einheitlichen Vergabegesetz nach den bisherigen Erfahrung eher als utopisch. 1229 Die Kritikpunkte an einer Verordnungslösung (Zusammenfassung des Vergaberechts in einer Verordnung) wurden bereits vorstehend im Text dargestellt.

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

in der auch die Regelungen der Verdingungsordnungen integriert werden.1230 Damit bestünden oberhalb der Schwellenwerte nur noch 2 Vergaberechtsquellen. Da dadurch das gesamte Vergaberecht in GWB und Vergabeverordnung geregelt ist, liegt es nunmehr auch insgesamt in der Hand des Staates. Für den DVA und DVAL bleibt oberhalb der Schwellenwerte noch die Bearbeitung von Teil B und C. der VOB und der VOL/B. Außerdem ist zu begrüßen, dass nach der geplanten Neuregelung die Unterscheidung nach Auftragsarten, also das sog. „Schubladenprinzip“, aufgeben werden soll.1231 Für eine solche Zusammenfassung der Verdingungsordnungen spricht insbesondere, dass auch durch das Legislativpaket die drei Koordinierungsrichtlinien zu einer einheitlichen Richtlinie zusammengefasst wurden.1232 Die dort dafür vorgetragenen Sachgründe lassen sich auch bei der Zusammenfassung der Verdingungsordnungen heranziehen.1233 Weiter hat es sich beispielsweise auch im österreichischen Vergaberecht bewährt, dass hier grundsätzlich nicht nach verschiedenen Auftragsarten differenziert wird.1234 Im Gegensatz dazu treten bei der deutschen Trennung nach Auftragsarten Schwierigkeiten zumindest insofern auf, als die Abgrenzung der Auftragsarten und damit der Verdingungsordnungen nicht immer unproblematisch ist.1235 Am Referentenentwurf ist aber im Hinblick auf die angestrebten und erforderlich Vereinfachung und systematische Verschlankung des Vergaberechts zu kritisieren, dass die Vergabeverordnung nur im Liefer- und Dienstleistungsbereich für Ober- und Unterschwellenvergaben einheitlich gilt. Für Bauaufträge wird dagegen oberhalb der Schwellenwerte die Vergabeverordnung und unterhalb der Schwellenwerte weiterhin die VOB/A gelten. Insoweit liegt gegenüber dem bisherigen Rechtszustand sogar eine Verschlechterung vor: Im Baubereich müssen sich die Beteiligten künftig mit 1230

So lautete bereits 1999 die Minimalforderung von Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1271. Vgl. auch Walthelm, S. 70. 1231 Dafür bereits Erdl, S. 225 Rn. 456; Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1271 f. Für die Beibehaltung aber: Schenk, S. 191: Die Rechtsanwendung sei für denjenigen, der erst einmal seinen einschlägigen Abschnitt gefunden hat und danach ohne weiteres Suchen und Subsumtion das Vergabeverfahren weiterverfolgen kann, einfacher. Auch Thieme/Correll, DVBl 1999, 884, 885 sprechen insoweit von einer bewährten Konstruktion. So auch Roth, Einführung zum Workshop 3 der Badenweiler Gespräche 2003, abgedruckt in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, 2003, S. 77 ff.: Das „Schubladenprinzip“ dürfe nicht durch ein „Truhenprinzip“ oder eine „Wühltischlösung“ ersetzt werden. 1232 Auch die Regelungen des GPA sind nicht nach Auftragsarten getrennt. 1233 So auch Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1272. 1234 So ist dies etwa auch in der Schweiz, wo ebenfalls keine Unterscheidung nach dem Leistungsinhalt vorgenommen wird – Stöckli, NZBau 2002, 7, 9. 1235 Siehe im Teil 1, A. VI. 3. c) dd) (3).

C. Rechtsschutz nach der Einführung von § 13 VgV

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zwei grundlegend verschiedenen Regelungswerken befassen müssen.1236 Diese unterschiedlichen Regelungen können müssen sich auch inhaltlich nicht parallel entwickeln, da für die VOB/A weiterhin der DVA zuständig bleibt. Die angestrebte und erforderliche Vereinheitlichung des Vergaberechts bleibt zwar nicht „auf dem halbem Wege stecken“1237, ist aber jedenfalls nicht konsequent zu Ende geführt. Dies hat seine Ursache in einem politischen Kompromiss. Die Abschaffung der VOB/A war politisch nicht durchsetzbar, obwohl sie vom federführenden BMWA gewünscht war. Hintergrund sind auch die unterschiedlichen Zuständigkeiten innerhalb der Bundesverwaltung für den VOB/A Bereich (BMVBW) und für den Liefer- und Dienstleistungsbereich (BMWA).1238 Dafür, dass die VOB/A weiterhin durch den DVA erarbeitet werden sollte, wurde auch angeführt, dass der DVA in jedem Fall weiter den Bund C-Teil der VOB erstellt. „Ein Verzicht auf die VOB/A würde für das dreistöckige Haus der VOB die Wegräumung des Erdgeschosses bedeuten“. Dies vermag aber nicht zu überzeugen. Es ist hier der Einschätzung von Steller1239 zuzustimmen, nach dem die VOB nicht ein „dreistöckiges Gebäude, sondern“ ein „Flachbau“ ist, „aus dem im Zuge der Reform ohne den Bestand des Hauses zu gefährden“ auch ein Gebäudeteil entfernt werden könnte.

1236

Ollmann, VergabeR 2004, 669, 670. So aber Steller, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 31, 38. 1238 Es gab erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen BMWA und BMVBW. Zur Kritik an der Gesamtstruktur des neuen Vergaberechts bereits ausführlich im Teil 1, unter VII. 1239 In: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 44. 1237

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2. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung

D. Anhang zum 2. Teil: Checklist – Zusammenfassung der Pflichten bzw. von Handlungsempfehlungen, die sich für Auftraggeber und Auftragnehmer aus § 13 VgV ergeben I. Handlungsempfehlungen für den Bieter Wenn Vorabinformation erhalten

Wenn keine Vorabinformation erhalten

Überprüfung, ob die Information den Anforderungen von § 13 VgV genügt (Textform, ausreichende Begründung)

14 Tage vor Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist sollte ggf. das Ausbleiben der Vorabinformation gerügt werden1 Ggf. Nachprüfungsantrag auf Erteilung der Information einlegen.

Falls keine korrekte Falls korrekte VorabVorabinformation information ! Rüge und ggf. Nachprüfungsantrag vor Ablauf der 14-Tagesfrist

! zügige Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung anhand der Vorabinformation Nach Erkennen eines Verstoßes: – unverzüglich Rüge aussprechen; spätestens kurz vor Ablauf der 14-Tagesfrist Einlegung des Nachprüfungsantrags (so rechtzeitig, dass innerhalb dieser Frist die VK den Nachprüfungsantrag noch an Vergabestelle zustellen kann). – kein Verzicht auf vergabespezifischen Rechtsschutz, um später Schadensersatz geltend zu machen2

Weiterhin sollte der Bieter nach wie vor einen Antrag auf Nachinformation gem. §§ 27 a VOB/A, VOL/A, 17 IV VOF stellen.

1 2

Näher Teil 2, C. II. 5. a) cc) (2). Näher Teil 2, C. IV. 2.

D. Checklist – Zusammenfassung der Pflichten

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II. Pflichten bzw. Handlungsempfehlungen für den Auftraggeber – Versendung der Vorabinformation nach § 13 VgV per Telefax oder E-Mail (ggf. unter Anforderung einer Rückantwort). Zu diesem Zweck sollte er vom Bieter in der Ausschreibung die Angabe einer Fax-Nummer und einer E-Mail Adresse verlangen.3 – Daneben Erfüllung der nach wie vor bestehenden Informationspflichten aus den Verdingungsordnungen.4 Weitere Hinweise:5 Wegen der Vorabinformationspflicht besteht nun in erhöhtem Maße die Gefahr, dass das Vergabeverfahren in einem Nachprüfungsverfahren überprüft wird. Die Vergabestelle sollte daher Wert auf eine Dokumentation des Wertungsvorgangs in der Vergabeakte achten, der schlüssig und nachvollziehbar ist.6 Weiter sollte die 14-tägige Verzögerung des Beschaffungsvorgangs durch die Vorabinformationspflicht von Anfang an in die zeitliche Planung einbezogen werden. So sollte die Zuschlags- und Bindefrist um 14 Tage länger angesetzt werden.7

3 4 5 6 7

Näher Teil 2, C. II. 2. c). Näher Teil 2, C. VII. 1. Zum Ganzen auch Wegmann, NZBau 2001, 475, 479. Wegmann, NZBau 2001, 475, 479. Näher Teil 2, C. II. 2. a) bb).

3. Teil

Der Primärrechtsschutz oberhalb der Schwellenwerte im Hinblick auf die Aufhebung des Vergabeverfahrens – Vorabinformationspflicht vor der Aufhebung? Im folgenden Teil 3 der Arbeit werden die Primärrechtsschutzmöglichkeiten des Bieters bei der Aufhebung des Vergabeverfahrens untersucht. Es wird danach gefragt, ob und in welchem Umfang die Aufhebung des Vergabeverfahrens einer vergaberechtlichen Nachprüfung unterliegt. Zunächst wird dazu kurz auf die Voraussetzungen für die Aufhebung des Vergabeverfahrens eingegangen (A.). Sodann soll die Abhängigkeit der Primärrechtsschutzmöglichkeiten der Bieter von der Aufhebung des Vergabeverfahrens nach der Entscheidungspraxis vor der EuGH-Entscheidung vom 18.6.2002 (Hospital Ingenieure) dargestellt werden (B.). Es wird sich zeigen, dass danach die Entscheidung über die Aufhebung des Vergabeverfahrens – wie die Entscheidung über die Zuschlagserteilung vor der Einführung des § 13 VgV1 – praktisch nicht überprüfbar war. Dieses in Bezug auf die Aufhebungsentscheidung aufzuzeigende Rechtsschutzdefizit ist mit dem Rechtsschutzdefizit vergleichbar, dass früher im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung bestand. Allerdings wurde nur für die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung Abhilfe durch die Einführung des § 13 VgV geschaffen. Im Anschluss daran wird auf die EuGH-Entscheidung vom 18.6.2002 in der Rechtssache C 92/00 – „Hospital Ingenieure“ eingegangen (C.). Nach dieser Entscheidung muss auch die Entscheidung über die Aufhebung des Vergabeverfahrens überprüfbar sein. Ebenso wie den mangelnden Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung in der Alcatel-Entscheidung hat der EuGH am 18.6.2002 auch den mangelnden Rechtsschutz gegen die Aufhebung des Vergabeverfahrens für unvereinbar mit den Rechtsmittelrichtlinien gehalten. Nachdem zur Entscheidung des EuGH Stellung genommen und deren Folgen für das deutsche Recht erörtert worden sind, sollen Lösungsmöglichkeiten für die Anpassung der deutschen Rechtslage auf das EuGH-Urteil erörtert werden (C. IV.), wobei insbesondere zu diskutieren ist, ob das in Bezug auf die Aufhebungsentscheidung bestehende Rechtsschutzdefizit durch eine Anpassung von § 13 VgV gelöst werden muss. 1

Siehe Teil 2, B. I. 2.

A. Voraussetzungen für die Aufhebung des Vergabeverfahrens

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A. Voraussetzungen für die Aufhebung des Vergabeverfahrens I. Regelungen in VOB/A und VOL/A Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Vergabeverfahrens sind in § 26 VOB/A, VOL/A geregelt. Diese gelten zunächst für die Aufhebung des Offenen und des Nichtoffenen Verfahrens. Das Verhandlungsverfahren mit Vergabebekanntmachung ist nach § 26 a Nr. 2 VOB/A durch die schlichte Einstellung des Verfahrens möglich. Auch dabei sind aber die Rechtsgrundsätze des § 26 sinngemäß zu beachten,1 zumindest dann, wenn die Interessenlage der im förmlichen Vergabeverfahren entspricht und der Verhandlungspartner sich darauf verlassen konnte, dass der Auftraggeber nicht grundlos (und ohne sie zu informieren) das Verfahren abbricht.2 Das Abstandnehmen vom Verhandlungsverfahren ohne Vergabebekanntmachung und von der Freihändigen Vergabe ist dagegen ohne das Vorliegen irgendwelcher Voraussetzungen möglich.3 Nach § 26 VOB/A, der inhaltlich nahezu deckungsgleich mit § 26 VOL/ A ist4, kann5 die Ausschreibung aufgehoben werden, wenn kein Angebot eingegangen ist, wenn die Verdingungsunterlagen grundlegend geändert werden müssen oder wenn andere schwerwiegende Gründe bestehen. Letztere stellen in der Regel nicht eigene Fehler der Vergabestelle im Rahmen des Vergabeverfahrens dar. Andernfalls hätte es die Vergabestelle in der Hand, nach seiner freien Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen. Berücksichtigungsfähig sind nur solche Umstände, die die Durchführung des Vergabeverfahrens und die Vergabe des Auftrages selbst aus1 Höfler, ZfBR 2000, 148; VK Brandenburg, Beschl. v. 17.9.2002 – VK 50/02, S. 20 ff. (LS in NZBau 2003, 173). Die VK Bund, Beschl. v. 28.4.2003 – VK 1-19/ 03, IBR 2003, 379 (Gottschalck) fordert wg. des Transparenzgebotes in § 97 I GWB das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die Aufhebung. Anders Schaller, VOL § 26 Rn. 32: Der Auftraggeber habe freie Hand, da die schutzwürdigen Interessen hier nicht so groß seien wie bei der formellen Ausschreibung. 2 Jasper, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 26 a, Rn. 5 m. w. N. 3 Kuß, VOB/A, § 26 a Rn. 3 ff. 4 § 26 VOL/A nennt als weiteren Aufhebungsgrund, dass die Ausschreibung kein wirtschaftliches Ergebnis gehabt hat. Zu den Unterschieden von § 26 VOB/A und § 26 VOL/A, Fett, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 26 Rn. 8 ff. 5 Unter Umständen ist die Vergabestelle aber auch zur Aufhebung verpflichtet, EuGH, Urt. v. 4.12.2003, C-448/01, VergabeR 2004, 36 und VK Südbayern, Beschl. v. 13.7.2004 – 40-06/04.

526 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

schließen, wie z. B. das Fehlen der Bereitstellung öffentlicher Mittel durch den Haushaltsgesetzgeber. Ein rechtlicher Fehler des Vergabeverfahrens stellt nur dann einen schwerwiegenden Grund nach § 26 dar, „wenn er einerseits von so großem Gewicht ist, dass eine Bindung des öffentlichen Auftraggebers mit Gesetz und Recht nicht zu vereinbaren wäre und andererseits von den am öffentlichen Ausschreibungsverfahren teilnehmenden Unternehmen, insbesondere auch mit Blick auf die Schwere des Fehlers, erwartet werden kann, dass sie auf diese rechtlichen und tatsächlichen Bindungen des Ausschreibenden Rücksicht nehmen.“6

II. Die Aufhebung in der VOF In der VOF ist die Aufhebung nicht ausdrücklich geregelt. Da freiberufliche Leistungen nicht ausgeschrieben werden, sondern das Verhandlungsverfahren anzuwenden ist (§ 5 I VOF), bedarf es keiner Regelung über die Aufhebung einer Ausschreibung. Aber auch beim Verhandlungsverfahren ist die Aufhebung des Vergabeverfahrens möglich.7 Dies folgt bereits aus § 17 V VOF, wonach bei einem Beschluss, auf die Vergabe zu verzichten, bestimmte Informationspflichten bestehen. Obwohl die VOF keine „Verzichtsgründe“ nennt, ist der Auftraggeber bei seiner Entscheidung nicht völlig frei.8 Die Grundsätze über die Einstellung des Verhandlungsverfahrens mit Vergabebekanntmachung nach VOB und VOL, die schon oben aufgezeigt wurden, gelten auch für die Einstellung des Verhandlungsverfahrens nach der VOF.9 Dass Gründe für den Verzicht vorliegen müssen, ergibt sich schon daraus, dass nach § 17 V VOF eine Mitteilungspflicht über diese Gründe besteht.10 Außerdem begründet die Einleitung eines Verhandlungsverfahrens ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis. Die Bieter können deswegen darauf vertrauen, dass dieses nicht leichtfertig eingeleitet worden ist, also auch nur bei Vorliegen von schwerwiegenden Gründen aufgehoben wird, die vom Auftraggeber nicht zu vertreten sind.11

6 BGH v. 12.6.2001 – X ZR 150/99, NZBau 2001, 517 = DVBl 2001, 1603 = NJW 2001, 3698 = VergabeR 2001, 293, 298 (m. Anm. Wagner) = IBR 2001, 504 und 505 (Schonebeck). 7 Portz, VergabeR 2002, 211, 216 m. w. N. 8 Voppel, VOF, § 16 Rn. 24 ff. 9 Vgl. auch Jasper, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 26 a, Rn. 36. 10 Voppel, VOF, § 16 Rn. 26. 11 Voppel, VOF, § 16 Rn. 27.

B. Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung

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B. Die Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung der Ausschreibung nach der bisherigen Entscheidungspraxis – Rechtslage vor der EuGH-Entscheidung v. 18.6.2002 in der Rs. Hospital Ingenieure Bei den Primärrechtsschutzmöglichkeiten des Bieters war (und ist) danach zu unterscheiden, ob vor oder nach Aufhebung des Vergabeverfahrens um Primärrechtsschutz nachgesucht wurde:

I. Der Primärrechtsschutz nach der Aufhebung des Vergabeverfahrens 1. Grundsätzlich kein Primärrechtsschutz nach Aufhebung des Vergabeverfahrens Bei Einleitung des Nachprüfungsverfahrens nach bereits erfolgter Aufhebung war nach der Entscheidungspraxis ein Nachprüfungsantrag sowohl auf Aufhebung der Aufhebung durch die Vergabekammer1 als auch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung nach § 114 II 2 GWB2 unzulässig: Zunächst bestand über diese Frage in der Entscheidungspraxis noch Uneinigkeit. Auslöser dafür war ein Beschluss der ersten Vergabekammer des Bundes vom 26.1.2000, in der diese entschieden hatte, dass eine fehlerhafte Aufhebung eines Vergabeverfahrens aufgehoben werden und so das Ziel der Fortsetzung des Vergabeverfahrens erreicht werden könne.3 Gegen diese Entscheidung hatte sich zuerst aber das OLG Düsseldorf4 gewandt. Ein nach Aufhebung gestellter Nachprüfungsantrag sei grundsätzlich unzulässig. Danach wandte sich auch die erste Vergabekammer des Bundes in neueren Entscheidungen von ihrer Entscheidung vom 26.1.2000 ab und schloss sich sowohl in Begründung als auch im Ergebnis der Auffassung des OLG Düsseldorf, das für die VK Bund die Beschwerdeinstanz 1 Ein solcher Antrag wird geprüft von: VK Bund, Beschl. v. 9.4.2001 – VK 1–7/ 01, VergabeR 2001, 238 m. Anm. Noch, 39; OLG Dresden, 13.7.2000, WVerg – 0003/00, WuW 2000, 1157 (Verg 359). 2 Beide Anträge prüft das OLG Naumburg, Beschl. v. 3.3.2000 – 1 Verg 2/99, IBR 2000, 253 – Waldner = Beschl. v. 17.1.2000 – 1 Verg 2/99, ZVgR 2000, 170, 172. 3 VK 1 – 31/99, NZBau 2000, 310 = IBR 2000, 102 – Wagner; vgl. dazu Ax, ZVgR 2000, 153 ff.; Byok, WuW 2000, 718, 719. 4 Beschl. v. 15.3.2000, Verg 4/00, WuW 2000, 821 = ZVgR 2000, 217 = IBR 2000, 251 – Boesen.

528 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

ist, an.5 Da danach auch andere OLG und VK6 einen nach Aufhebung der Ausschreibung gestellten Nachprüfungsantrag für unzulässig erklärten, hatte sich damit eine einheitliche Entscheidungspraxis durchgesetzt,7 der auch teilweise in der Literatur gefolgt wurde.8 Der durch die Aufhebung einer Ausschreibung in seinen Rechten verletzte Bieter war danach grundsätzlich darauf verwiesen, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. 2. Begründung für den Ausschluss des Primärrechtsschutzes durch die Entscheidungspraxis vor der Hospital-Entscheidung des EuGH Den Ausschluss des Primärrechtsschutzes nach Aufhebung begründete die Entscheidungspraxis damit, dass Gegenstand der Nachprüfung das noch nicht abgeschlossene Vergabeverfahren ist, a). Mit der Aufhebung der Aus5 VK Bund, Beschl. v. 17.4.2000, VK 1-5/00, IBR 2000, 353 – Kraus; VK Bund, Beschl. v. 9.4.2001 – VK 1–7/01, VergabeR 2001, 238 m. Anm. Noch. 6 Speziell für den Nachprüfungsantrag nach Aufhebung nehmen die Unzulässigkeit an: VK Bund, Beschl. v. 9.4.2001 – VK 1–7/01, VergabeR 2001, 238, 239 m. Anm. Noch; OLG Hamburg, Beschl. v. 12.12.2000 – 1 Verg 1/00, NZBau 2001, 460, 461 f.; OLG Dresden, 13.7.2000, WVerg – 0003/00, WuW 2000, 1157 (Verg 359) = ZVgR 2000, 222 = IBR 2000, 523 – Wittchen; OLG Rostock, Beschluss v. 2.8.2000 – 17 W 2/00, NZBau 2000, 597 = IBR 2000, 522 – Waldner, das ausdrücklich auf die Argumentation des OLG Düsseldorf zur Unzulässigkeit nach Zuschlagserteilung verweist; OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.9.2000 – 11 Verg 2/99; VK Lüneburg, Beschl. v. 22.5.2002 – 203-VK-08/2002, S. 5 f.; offen gelassen durch OLG Naumburg, Beschl. v. 17.1.2000 – 1 Verg 2/99, ZVgR 2000, 170, 175. Der Nachprüfungsantrag wurde teilweise sogar für offensichtlich unzulässig gehalten, so dass er durch die Kammer nicht zugestellt wurde (§ 110 Abs. 2 GWB), so VK Hannover, Beschl. v. Oktober 2001 – VK 8/2001, S. 4; anders VK Brandenburg, Beschl. v. 17.5.2002 – VK 23/02, S. 4 f. (Antrag nicht offensichtlich unzulässig, da durch VK Überprüfung, ob Scheinaufhebung vorliegt, nötig). 7 Von einer einheitlichen Entscheidungspraxis gehen auch aus VK Sachsen, Beschl. v. 21.8.2002 – 1/SVK/077-02, S. 5 ff.; VK Sachsen, Beschl. v. 5.9.2002 – 1/SVK/073-02, S. 11 ff.; Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502 m. w. N. 8 Fett, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 26 Rn. 129 ff.; vgl. auch die Nachweise für beide Ansichten bei Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502; Irmer, S. 194 ff. Die überwiegenden Literaturstimmen befürworteten dagegen nach wie vor die Möglichkeit der Aufhebung der Aufhebung: So etwa Daub/Eberstein, VOL/A § 26, Rz. 54; Daub/Eberstein – Kulartz, VOL, § 32a Rn. 25; Byok, WuW 2000, 718, 720 ff.; ders., Behörden Spiegel 11/2000, B V; Ingenstau/Korbion-Portz, 14. Aufl. 2001, A § 26 Nr. 2 Rn. 47 ff.: Nach dieser Auffassung kann die Vergabekammer nach § 114 I GWB auch die Aufhebung rückgängig machen und so die formelle Beendigungswirkung einer unwirksamen Aufhebung beseitigen und die Fortführung des Vergabeverfahrens anordnen.

B. Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung

529

schreibung ende aber das Vergabeverfahren, selbst wenn die Aufhebung rechtswidrig ist, b). a) Kein Rechtsschutz nach dem Ende des Vergabeverfahrens Dafür, dass nach dem Ende des Vergabeverfahrens Rechtsschutz vor der Vergabekammer unzulässig sei, wurde von der Entscheidungspraxis § 107 Abs. 2 GWB herangezogen. Dieser spricht nur denjenigen Unternehmen eine Antragsbefugnis zu, die ein Interesse am Auftrag haben. Mit Verwendung des Präsens („hat“) und nicht des Perfekts („gehabt hat“) oder Imperfekts („hatte“), habe der Gesetzgeber des GWB klargestellt, dass ein Antrag auf Nachprüfung grundsätzlich unzulässig sein soll, wenn das Vergabeverfahren zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der Vergabekammer bereits abgeschlossen war. Die Unzulässigkeit von Nachprüfungsanträgen vor der Vergabekammer nach dem Ende des Vergabeverfahrens ergab sich nach der Entscheidungspraxis auch aus § 114 II 2 GWB. Denn nur für den Spezialfall, dass die Beendigung des Vergabeverfahrens erst nach Einleitung des Vergabeverfahrens erfolgt, ist die Möglichkeit des Fortsetzungsfeststellungsverfahrens vorgesehen.9 b) Auch die Aufhebung beendet das Vergabeverfahren, unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit Aus § 114 II 2 GWB folgt, dass auch die Aufhebung zur Verfahrensbeendigung führen kann. Nach der Entscheidungspraxis ergibt sich aber aus dieser Norm nicht nur, dass die rechtmäßige Aufhebung das Vergabeverfahren beendet, sondern dass auch eine rechtswidrige Aufhebung das Vergabeverfahren abschließe und so zur Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages führe: Wenn man die verfahrensbeendigende Wirkung auf die rechtmäßige Aufhebung beschränkt, hätte das nach Auffassung des OLG Dresden die widersinnige Folge, dass die im Anschluss an die rechtmäßige Aufhebung gegebenenfalls zu treffende Feststellung nach § 114 II 2 GWB, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat, zwangsläufig nie getroffen werden kann.10 Der Ausschluss des Primärrechtsschutzes nach der Aufhebung sei 9

BT-Drs. 13/9340, S. 17; dazu auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.3.2000, Verg. 4/00, WuW 2000, 821, 827. 10 OLG Dresden, Beschl. v. 13.7.2000, WVerg – 0003/00, ZVgR 2000, 222 = IBR 2000, 523 – Wittchen = WuW 2000, 1157 (Verg 359).

530 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

auch nicht unbillig, da den durch die Aufhebung enttäuschten, schutzwürdigen Erwartungen des Bieters durch die Zubilligung von Schadensersatz genügt werde. Die Gegenansicht, die für die nachträgliche Aufhebungsmöglichkeit eintrete, unterschätze die Schadensersatzsanktion und den Einfluss, der von dieser drohenden Sanktion auf die Willensbildung des Auftraggebers ausgeht.11 Es wird weiter darauf verwiesen, dass ein Anspruch des Bieters auf Erteilung des Zuschlags nach ständiger Rechtsprechung der Vergabenachprüfungsbehörden nicht bestehe12 und dass nach der Aufhebung auch kein aktuelles Interesse am Auftrag gem. § 107 II GWB mehr vorliege.13 Eine Aufhebung ist also nach dieser Entscheidungspraxis wirksam, ohne dass es auf das Vorliegen von Aufhebungsgründen nach § 26 VOB/A bzw. § 26 VOL/A ankommt. Die Frage, ob die Aufhebungsvoraussetzungen von § 26 VOB/A bzw. § 26 VOL/A zu bejahen waren, also ein Aufhebungsgrund vorlag, hatte lediglich für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Ersatz des Vertrauensschadens Bedeutung, aber keine Relevanz für die Wirksamkeit der Aufhebung.14 3. Gewährung von Primärrechtsschutz aber in Ausnahmefällen Die Entscheidungspraxis bejahte zwar die Wirksamkeit der Aufhebung auch bei deren Rechtswidrigkeit, in bestimmten Ausnahmenfällen kam aber auch sie zur Unwirksamkeit der Aufhebung und damit zur Unbeendetheit des Vergabeverfahrens. In diesen Ausnahmefällen war dann auch weiterhin Primärrechtsschutz möglich: a) Unwirksamkeit der Aufhebung bei sog. Scheinaufhebungen Dem Bieter standen ausnahmsweise dann weiterhin Primärrechtsschutzmöglichkeiten zu, wenn sich erwiesen hatte, dass der öffentliche Auftraggeber eine Ausschreibung nicht wirklich (ernsthaft) aufgehoben oder wenn er unter Missbrauch seiner Gestaltungsmöglichkeiten nur den Schein einer 11 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.3.2000, Verg 4/00, WuW 2000, 821 = ZVgR 2000, 217, 219 = IBR 2000, 251 (Boesen); KG Berlin, Beschl. v. 7.6.2000 – KartVerg 3/00, ZIP 2000, 1746, 1749. 12 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.3.2000, a. a. O.; so auch OLG Dresden, Beschl. v. 13.7.2000, a. a. O., ZVgR 2000, 222, 223. 13 Fett, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 26 Rn. 127 ff.; vgl. auch Gnittke/Michels, VergabeR 2002, 571 und die Nachweise bei Lotze, Anm. zu EuGH, Urt. v. 18.6.2002, EWiR 2002, 1015, 1016. 14 VK Bund, Beschl. v. 9.4.2001 – VK 1–7/01, VergabeR 2001, 238, 239 m. Anm. Noch unter Verweis auf OLG Düsseldorf.

B. Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung

531

Aufhebung gesetzt hatte, mit dessen Hilfe er dem ihm genehmen Bieter, obwohl dieser nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte, den Auftrag zuschieben wollte (Scheinaufhebungen). Solche Aufhebungen wurden von der Entscheidungspraxis nicht als wirksam angesehen.15 Die Aufhebungserklärung als Willenserklärung verstößt dann wegen des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gegen § 138 BGB.16 Hier liegt in Wahrheit die Fortsetzung ein und desselben, in Wahrheit schon gar nicht aufgehobenen Vergabeverfahrens vor.17 In diesem Fall wurde also Primärrechtsschutz gewährt18. Dieser ging dann allerdings nicht auf die Aufhebung der Aufhebung, da eben jene Aufhebung gerade nicht vorliegt. Wurde in dem zum Schein aufgehobenen Verfahren bereits der Zuschlag erteilt, so war dieser oft gem. § 13 VgV nichtig, da die Bieter aus dem nicht wirksam aufgehobenen – mithin fortgesetzten Verfahren – nicht vorab über die bevorstehende Zuschlagserteilung informiert wurden. Eine Scheinaufhebung wurde aber dann übereinstimmend abgelehnt, wenn eine Vergabestelle im Anschluss an eine Aufhebung eine im wesentlichen andere Leistung vergeben wollte. Umstritten war dagegen, ob schon dann eine Scheinaufhebung zu bejahen war, wenn der Auftraggeber die öffentliche Ausschreibung „aufhob“, um dann in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang den inhaltlich unveränderten oder nicht nennenswert veränderten Auftrag im Verhandlungsverfahren einem der Bieter zu vergeben.19 Teilweise wurde hier die Scheinaufhebung angenommen.20 Teilweise wurde sie zumindest dann abgelehnt, 15

VK Bund, Beschl. v. 9.4.2001 – VK 1–7/01, VergabeR 2001, 238, 240 m. Anm. Noch; OLG Hamburg, Beschl. v. 12.12.2000 – 1 Verg 1/00 „Mühlenberger Loch“, NZBau 2001, 460, 461 f. 16 Vgl. auch Byok, WuW 2000, 718, 724; OLG Dresden, 13.7.2000, a. a. O., WuW 2000, 1157, 1159. 17 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.3.2000, Verg 4/00, WuW 2000, 821 = ZVgR 2000, 217, 219 f. = IBR 2000, 251 (Boesen). 18 OLG Düsseldorf, a. a. O., ZVgR 2000, 217, 220. 19 Davon konnte der Bieter erfahren, da für die Nachinformation über die Aufhebung gem. § 26 a VOB/A nach der Richtlinie des VHB 2002 zu § 26 VOB und zu § 26 a VOB das „Einheitliche Formblatt EFB (B/Z) Aufh 306“ zu verwenden ist. In diesem Formblatt ist unter dem Punkt „Weiteres Vorgehen“ anzugeben, ob der Auftraggeber nach der Aufhebung ein Vergabeverfahren durchführen wird und in welcher Verfahrensart er dies tun wird oder ob er „nicht beabsichtigt, ein neues Vergabeverfahren durchzuführen. 20 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.3.2000, Verg. 4/00, WuW 2000, 821, 825; 2. VK Bund, Beschluss v. 13.7.2000 – VK 2 – 12/00 (Sie hat eine Scheinaufhebung festgestellt und die Vergabestelle zu einer erneuten Wertung verpflichtet.); in diese Richtung auch OLG Dresden, 13.7.2000, WVerg – 0003/00, WuW 2000, 1157, 1159 f. (Verg 359, 361) = ZVgR 2000, 222 = IBR 2000, 523 – Wittchen.

532 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

wenn alle Bieter des aufgehobenen Verfahrens am Verhandlungsverfahren beteiligt werden21 bzw. es wurde das Vorliegen weiterer Voraussetzungen gefordert.22 b) Wirksamkeit der Aufhebung erst ab deren Bekanntgabe an die Bieter Die Aufhebungsentscheidung wird mit Wirkung nach außen nicht schon durch die behördeninterne Entscheidung23, sondern erst in dem Moment wirksam, wenn sie dem betreffenden24 Bieter bekannt gegeben wird. Das ist mit dem Zugang des Aufhebungsschreibens zu bejahen.25 Begründet wird dies damit, dass das vorvertragliche Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Bieter nicht allein durch eine behördeninterne Willensbildung beendet werden kann.26 4. Zwischenergebnis Aus dem Vorstehenden ergab sich für die Rechtsschutzmöglichkeiten der Bieter bei bereits erfolgter Aufhebung des Vergabeverfahrens nach der Entscheidungspraxis vor dem 18.6.2002 folgendes Ergebnis: Der Antrag auf Nachprüfung bei der Vergabekammer war nach erfolgter Aufhebung nur insoweit statthaft, als damit die Wirksamkeit der Aufhebung in Frage gestellt wurde. Der Bieter konnte bei der Vergabekammer gegen 21 VK Bund, Beschl. v. 9.4.2001 – VK 1–7/01, VergabeR 2001, 238, 239 f. m. Anm. Noch. 22 So die 1. VK Bund, Beschl. v. 4.12.2001 – VK 1 43/01, ZfBR 2002, 420 (LS); näher zum Vorliegen von Scheinaufhebungen auch VK Brandenburg, Beschl. v. 17.5.2002 – VK 23/02, S. 8 f. 23 Bei der Aufhebung handelt es sich um einen internen, aber endgültigen Beschluss des Auftraggebers, das Ausschreibungsverfahren zu beenden, vgl. u. a. Fett in Müller-Wrede, § 26 Rn. 80; VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 24.10.2003 VKSH 24/03, S. 7 ff. 24 Die Wirksamkeit der Aufhebung ist also nicht davon abhängig, dass sie allen Bietern bekannt geben wird. Vielmehr liegt eine relative Unwirksamkeit der Aufhebung nur gegenüber dem Bieter vor, dem sie nicht bekannt gegeben wurde. Nur dieser kann in einem vor Bekanntgabe (also Wirksamkeit) der Aufhebung anhängigen Nachprüfungsverfahren den Fortsetzungsfeststellungsantrag stellen – Rübartsch, Anm. zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.2.2002, VergabeR 2002, 381, 382. 25 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.2.2002, Verg 37/01, VergabeR 2002, 378, 379 f. m. Anm. Rübartsch; VK Bund, Beschl. v. 9.4.2001 – VK 1–7/01, VergabeR 2001, 238, 239 m. Anm. Noch; Braun/Seeger, NZBau 2001, 485, 488. 26 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.2.2002, Verg 37/01, VergabeR 2002, 378, 379 f. m. Anm. Rübartsch, der auch Gründe anführt, die für eine gegenteilige Annahme sprechen.

B. Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung

533

die Aufhebung einen Nachprüfungsantrag stellen. Diese musste dann zumindest prüfen, ob die Aufhebung wirksam war oder ob eine Scheinaufhebung vorlag. War dies nicht der Fall, so war der Nachprüfungsantrag unzulässig und wurde daher abgewiesen. Eine Prüfung weiterer gerügter Verstöße fand nicht statt.27

II. Rechtsschutz vor der Aufhebung – Vorbeugender Rechtsschutz gegen eine bevorstehende rechtswidrige Aufhebungsentscheidung Nach § 115 III GWB kann die VK auf besonderen Antrag eines Unternehmens mit weiteren vorläufigen Maßnahmen in das Vergabeverfahren eingreifen, wenn Rechte des Antragstellers aus § 97 Abs. 7 GWB im Vergabeverfahren auf andere Weise als durch drohenden Zuschlag an einen anderen Bieter gefährdet sind. Wenn der Bieter also von einer (unmittelbar bevorstehenden) beabsichtigten Aufhebung erfährt, kann er (nach Rüge) Antrag auf vorläufige Untersagung der Aufhebung stellen.28 Da das Vergabeverfahren noch andauert, kann die Vergabekammer die vom Auftraggeber beabsichtigte Aufhebung der Ausschreibung auf Antrag des Unternehmens abwenden.29 Weil § 115 III GWB nur vorläufige Maßnahmen erlaubt, gilt das Verbot allerdings nur einstweilig, d.h. nur bis zur Hauptsacheentscheidung.30 Durch diese Hauptsacheentscheidung31 kann dann die Aufhebung weiter nach § 114 I GWB untersagt werden.32 Es handelt sich bei dem Antrag nach § 115 III GWB nicht um „vorbeugenden“ Rechtsschutz ohne Vergabeverfahren (dazu bei der de-facto-Vergabe33). Da es hier um die vorbeugende Verhinderung der Aufhebung geht, liegt denknotwendig schon ein förmliches Vergabeverfahren vor. 27 So auch Gröning, ZIP 2000, 1714, 1718 für das entsprechende Problem der Wirksamkeit der Zuschlagserteilung. 28 So geschehen im Fall der VK Sachsen, Beschl. v. 4.3.2002 – 1/SVK/019-02, IBR 2002, 322 – Diekert. Dem folgend Heiermann/Riedl/Rusam – Rusam, A § 26 Rn. 33; diese Möglichkeit sehen auch Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502, 503. 29 Fett, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 26 Rn. 141. 30 VK Sachsen, Beschl. v. 4.3.2002 – 1/SVK/019-02, S. 5. 31 Es ist umstritten, ob für den Antrag nach § 115 III GWB ein anhängiges Hauptsacheverfahren erforderlich ist: verneinend Jasper, in: Motzke/Pietzcker/ Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 26 a, Rn. 31; bejahend Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 115 GWB, Rn. 45. 32 Jasper, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 26 a, Rn. 31. 33 Teil 2, C. II. 5. b).

534 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

Die Notwendigkeit zur Sicherung der Rechte durch die soeben dargestellte Untersagungsanordnung ließ sich damit begründen, dass bei bereits erfolgter Aufhebung des Vergabeverfahrens nach der Entscheidungspraxis vor der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Hospital-Ingenieure vom 18.6.2002 und dem danach einsetzenden Rechtsprechungswandel kein Primärrechtsschutz mehr möglich war und damit die Untersagungsverfügung nach § 115 III GWB die einzig wirksame Maßnahme zur Sicherung des Primärrechtsschutzes darstellte.34 Dem Rechtsschutzbedürfnis stand auch nicht § 115 I GWB entgegen, da das Zuschlagsverbot den Antragsteller nur vor einer wirksamen anderweitigen Zuschlagserteilung, nicht aber vor einer Aufhebung des Nachprüfungsverfahrens schützt.35 In der Sache steht die Entscheidung nach § 115 III GWB im Ermessen der Vergabekammer.36 Hierbei hat sie den Entscheidungsmaßstab des § 115 Abs. 2 S. 1 GWB zugrunde zu legen. Es müssen die Folgen der ungehinderten Fortführung des Vergabeverfahrens mit den Folgen des Eingriffs durch die Vergabekammer abgewogen werden. Dabei können auch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als zusätzlicher Abwägungsgesichtpunkt eine Rolle spielen.37 Es kann aber auch dazu kommen, dass dem Auftraggeber bis zu einer ohnehin schnellen Entscheidung in der Hauptsache, die Aufhebung verboten wird, auch wenn sie eigentlich gerechtfertigt wäre. Dies ist vorrangig zu der Alternative, diesem die Aufhebung, die das gesetzlich verankerte Recht des Bieters auf Einhaltung der Regeln über das Vergabeverfahren endgültig zunichte machen würde, weiterhin zu ermöglichen.38 Für die Anordnung der Untersagung ist allerdings erforderlich, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Aufhebung der Ausschreibung durch den Auftraggeber bestehen.39 Weiter muss diese Ausschreibung auch unmittelbar bevorstehen. Ansonsten besteht nicht die für die Anordnung notwendige Eilbedürftigkeit. Die Anhaltspunkte müssen zudem vom Antragsteller hinreichend schlüssig dargelegt werden.40 34

So VK Sachsen, Beschl. v. 4.3.2002 – 1/SVK/019-02, S. 5. VK Sachsen, Beschl. v. 4.3.2002 – 1/SVK/019-02, S. 4. 36 Zur Möglichkeit von Rechtsmitteln gegen die Zurückweisung des Antrags nach § 115 III GWB, Byok/Goodarzi, WuW 2004, 1024. 37 VK Sachsen, Beschl. v. 4.3.2002 – 1/SVK/019-02, S. 4 mit näherer Begründung für die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten, u. a.: „Wie jedes Instrument des einstweiligen Rechtsschutzes – § 115 Abs. 3 GWB kommt den Parallelregelungen in § 935, 940 ZPO und § 123 VwGO nahe – bedarf es für einen erfolgreichen Antrag eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs. Scheidet letztgenannter erkennbar oder sehr wahrscheinlich aus, so verbietet sich eine Anordnung gemäß § 115 Abs. 3 GWB.“ 38 VK Sachsen, Beschl. v. 4.3.2002 – 1/SVK/019-02, S. 6. 39 In diese Richtung VK Sachsen, Beschl. v. 4.3.2002 – 1/SVK/019-02, S. 5. 40 In diese Richtung VK Sachsen, Beschl. v. 4.3.2002 – 1/SVK/019-02, S. 5. 35

B. Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung

535

III. Folgen der Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung des Vergabeverfahrens für die Überprüfungsmöglichkeit der Aufhebungsentscheidung – Der mangelnde Primärrechtsschutz gegen die Aufhebungsentscheidung Vor der Aufhebung des Vergabeverfahrens besteht für den Auftraggeber keine Informationspflicht über die beabsichtigte Aufhebung, was nach der dargestellten früheren Entscheidungspraxis praktisch dazu führte, dass gegen die Aufhebung des Vergabeverfahrens kein Primärrechtsschutz möglich war. 1. Nur Nachinformationspflichten aus § 26 a VOB, § 26 a VOL/A, § 17 V S. 2 VOF Die §§ 26 a VOB, 26 a VOL/A41 und § 17 V S. 2 VOF42 sehen nur nach erfolgter Aufhebung eine Information der Bieter vor: Nach diesen Regelungen teilt der Auftraggeber den Bewerbern oder den Bietern unverzüglich43 die Gründe für seine Entscheidung mit, auf die Vergabe eines im Amtsblatt der EG bekannt gemachten Auftrages zu verzichten oder das Verfahren erneut einzuleiten. Auf Antrag muss er dies schriftlich mitteilen. Diese Benachrichtigungspflicht ergibt sich daraus, dass der Bieter während der Dauer der Zuschlags- und Bindefrist von einer Auftragserteilung ausgehen und daher dafür Kapazitäten für die Auftragsabwicklung bereithalten muss. Der Bieter soll informiert werden, wenn diese Vorhalteleistungen entbehrlich sind. Die Informationspflicht ergibt sich damit auch aus dem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis. Nach § 26 Nr. 2 VOB/A, § 26 a Nr. 1 VOB/A und § 17 V S. 2 VOF muss der Auftraggeber auch darüber informieren, wenn er die Absicht hat, ein neues Vergabeverfahren durchzuführen.44 Sinn dieser Information ist, 41 Die Informationsverpflichtungen in § 26 a VOB/A und § 26 a VOL/A entsprechen sich inhaltlich, auch wenn der Wortlaut teilweise anders gefasst ist, Fett, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 26 a Rn. 4 ff. (Unterschied ist aber, dass in § 26 a VOB/ A auch eine Unterrichtungspflicht für die Beendigung nach § 122 GWB (10 Tage nach Zuschlagsgestattung durch das OLG) vorsieht, während dies in der VOL/A nicht der Fall ist); Jasper, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 26 a, Rn. 35. Zu den Unterschieden der Informationspflichten nach § 26 VOB/A und § 26 VOL/A (also bei den Basisparagraphen = unterhalb der Schwellenwerte – Fett, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 26 Rn. 13 f. 42 Dazu ausf. Voppel, VOF, § 17 Rn. 41 ff. 43 Dies wird in Anlehnung an § 121 I BGB als „ohne schuldhaftes Zögern“ definiert – Höfler, ZfBR 2000, 148, 153.

536 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

dem Bieter die Teilnahme am neuen Vergabeverfahren zu ermöglichen und ihn darauf vorzubereiten. Die Nachteile durch die Aufhebung werden dann dadurch relativiert, dass er seine Kalkulationen und Planungsleistungen evtl. für das neue Verfahren nutzen kann.45 Die Bieter können u. U. auch aus der Begründung über die Aufhebung ersehen, wie Bewerbungen im neuen Verfahren aussehen müssen.46 Nach § 26 a Nr. 2 VOB/A gilt die Unterrichtungspflicht auch für europaweite Verhandlungsverfahren jedenfalls dann, wenn eine Vergabebekanntmachung vorangegangen ist. Diese müssen förmlich eingestellt werden, s. unter A. I. Sie gilt entsprechend bei Verhandlungsverfahren ohne Vergabebekanntmachung, in denen sich das vorvertragliche Vertrauensverhältnis soweit konkretisiert hat, dass der Unternehmer nicht mehr mit einem Abbruch des Verfahrens ohne Information rechnen konnte.47 Diese Informationspflichten aus den Verdingungsordnungen sind aber erst nach der erfolgten Aufhebung zu erfüllen (Nachinformationspflichten). Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut: Denn wenn Bieter und Bewerber „von der Aufhebung“ unterrichtet werden sollen, setzt dies schon begrifflich voraus, dass die Aufhebung zum Zeitpunkt der Information bereits stattgefunden hat.48 2. Vorabinformation über § 13 VgV? Es ist fraglich, ob sich nach der Einführung des § 13 VgV aus dieser Norm eine Vorabinformationspflicht auch für die Aufhebung der Ausschreibung ergeben kann. In § 13 VgV ist eine Vorabinformation aber nur für die Entscheidung, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll (Zuschlagsentscheidung), 44 Die Informationspflicht gilt auch dann, wenn er keine neue Ausschreibung, sondern eine freihändige Vergabe durchführen will. Denn § 26 Nr. 2 spricht nicht von einer neuen „Ausschreibung“, sondern von einem neuen „Vergabeverfahren“. In diesem Fall der freihändigen Vergabe ist das Informationsbedürfnis des Bieters auch am größten, da er von dem neuen Vergabeverfahren nicht durch die Bekanntmachung erfährt – Jasper, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 26, Rn. 49. 45 Zum Ganzen Jasper, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 26, Rn. 54. 46 Voppel, VOF, § 17 Rn. 68. 47 Jasper, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 26 a, Rn. 19 und Rn. 5 m. w. N. Dagegen geht Kuß, VOB, 3. Aufl., 2002, § 26 a, Rn. 4 f. davon aus, dass beim Verhandlungsverfahren ohne Vergabebekanntmachung keine Verpflichtung zur Information besteht. 48 Franke/Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 26 VOB/A Rn. 107.

B. Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung

537

vorgesehen. Nicht vorab informiert werden muss über die Entscheidung, den Auftrag nicht zu vergeben und die Ausschreibung gänzlich aufzuheben. § 13 VgV sieht keine Information über die beabsichtigte Aufhebung der Ausschreibung vor. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und dem Wortlaut: Im Entwurf der Vergabeverordnung vom 8.6.2000 war in § 13 II VgV49 auch eine Vorabinformationspflicht für die Aufhebung der Ausschreibung vorgesehen.50 Dies wurde aber auf Wunsch der Länder wieder gestrichen51, so dass die verabschiedete Fassung die Vorabinformationspflicht für die Aufhebung der Ausschreibung nicht mehr enthält.52 Damit spricht die Entstehungsgeschichte gegen die Herleitung einer Informationspflicht für die beabsichtigte Aufhebung aus § 13 VgV. Auch aus dem Wortlaut, der nur von einer Information „vor Vertragsschluss“ spricht und auch nur ein Verbot zum Zuschlag innerhalb der Stillhaltefrist und nicht ein Verbot für die Aufhebung enthält, ergibt sich, dass keine Vorabinformation über die beabsichtigte Aufhebung der Ausschreibung erfolgen muss. § 13 VgV ist in seiner jetzigen Fassung nicht für die Aufhebung des Vergabeverfahrens anwendbar.53 3. Folge der fehlenden Vorabinformationspflicht für den Rechtsschutz gegen die Aufhebungsentscheidung selbst Die nichtberücksichtigen Unternehmer erfahren also im Regelfall erst nach Aufhebung durch die Nachinformation nach den Verdingungsordnungen (oder durch andere Quellen, etwa aus der Presse) von der Aufhebung 49 „Beabsichtigt der Auftraggeber, das Vergabeverfahren durch Aufhebung zu beenden, sind alle Bieter spätestens 10 Werktage vor der Aufhebung zu informieren. Das Vergabeverfahren darf vor Ablauf der Frist oder ohne, dass der Auftraggeber nicht alle Bieter über die beabsichtigte Aufhebung informiert hat, nicht aufgehoben werden.“ Im jüngeren Entwurf v. 14.12.1999 fand sich eine entsprechende Regel im Hinblick auf die Aufhebung der Ausschreibung noch nicht. 50 Dazu Ax, Im Blickpunkt, ZVgR 2000, Heft 2, S. II ff. 51 Erdl, VergabeR 2001, 10, 13 m. w. N.; Byok, Behörden Spiegel 11/2000, B V. Zum Grund der Streichung die unterschiedlichen Ansichten von Schelle, BauR 2000, 1664, 1667; Rechten, Behördenspiegel 1/2002, 18 und Portz, VergabeR 2002, 211, 216. 52 Sie war schon nicht mehr in der vom Bundeskabinett am 26.7.2000 verabschiedeten Entwurfsfassung enthalten, vgl. Waldner, IBR 2000, 410 und Wittchen, IBR 2000, 523. 53 Jasper, in: Tagungsband – Zweiter Düsseldorfer Vergaberechtstag am 28. Juni 2001, S. 11, 17; Ingenstau/Korbion – Portz, § 13 VgV Rn. 15 f.; anders Erdl, VergabeR 2001, 10, 16 f.

538 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

und den Gründen für diese Entscheidung.54 Damit ist es ihnen auch erst zu diesem Zeitpunkt möglich, von einem bei der Aufhebungsentscheidung gemachten Vergabefehler Kenntnis zu erlangen. Allerdings nützt diese Kenntnis dann nichts mehr, da nach der dargestellten Entscheidungspraxis keine Primärrechtsschutzmöglichkeit mehr bestand, siehe unter B. I.55 Die Durchsetzung von Primärrechtsschutz war also bisher davon abhängig, dass die Bieter etwa durch Indiskretion von der beabsichtigten Aufhebung erfahren und so in Erfahrung bringen konnten, wo Vergaberechtsverstöße zu erwarten sind. In diesem seltenen56 Fall konnte noch vor Aufhebung ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet werden, das dann auch mit einem Antrag auf Unterlassung der Aufhebung gem. § 115 III GWB abgesichert werden konnte.57 Primärrechtsschutz gegen die Aufhebungsentscheidung war also in der Regel nach der Entscheidungspraxis nicht möglich. 4. Folge des Primärrechtsschutzausschlusses nach Aufhebung für den Rechtsschutz gegen andere Auftraggeberhandlungen als die Aufhebung Durch den Ausschluss des Primärrechtsschutzes nach der Aufhebung des Vergabeverfahrens wurde aber nicht nur der Primärrechtsschutz gegen die Aufhebungsentscheidung, sondern auch gegen andere Vergaberechtsverstöße vereitelt: Eine Aufhebung des Verfahrens ist auch noch während eines wegen anderer Vergaberechtsverstöße eingeleiteten Vergabeverfahrens möglich. Denn das Nachprüfungsverfahren, genauer die Zustellung des Nachprüfungsantrags an die Vergabestelle, schafft anders als für die Zuschlagserteilung kei54

Wegen ihrer gleichzeitigen Kenntniserlangung fallen daher auch Aufhebungsentscheidung und Aufhebung faktisch zusammen. 55 Da die Entscheidungspraxis davon ausging, dass das Vergabeverfahren mit der Aufhebung beendet wurde, waren im anschließenden neuen Vergabeverfahren auch nur die daran teilnehmenden Bieter, nicht aber die Bieter aus dem aufgehobenen und damit beendeten Verfahren zu informieren. Daher führte § 13 VgV hier auch nicht zu einer Nichtigkeit der Zuschlagserteilung im neuen Vergabeverfahren wegen der Nichtinformation der Bieter aus dem aufgehobenen Verfahren. Anders war dies nur bei den sog. Scheinaufhebungen. Hier stand also dem dann auch schon damals möglichen Rechtsschutz gegen die Aufhebung nicht die Zuschlagserteilung im neuen Vergabeverfahren entgegen. 56 Dies zeigt sich schon daran, dass – soweit ersichtlich – erst in einer Entscheidung die Aufhebung des Vergabeverfahrens nach § 115 III GWB untersagt wurde – VK Sachsen, Beschl. v. 4.3.2002 – 1/SVK/019-02. 57 Denn der Antrag nach § 115 III GWB setzt wie gezeigt voraus, dass die Aufhebung unmittelbar bevorsteht und dafür hinreichend konkrete Anhaltspunkte bestehen.

B. Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung

539

nen Suspensiveffekt für die Aufhebung der Ausschreibung. § 115 I GWB gilt hier nicht. Auch ein Antrag auf § 115 III GWB auf Untersagung der Aufhebung wird oft nicht gestellt bzw. hat wegen mangelnder Anhaltspunkte für eine bevorstehende Aufhebung keinen Erfolg. Ein Beispiel, das die Problematik der Aufhebung nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens verdeutlicht, ist die Entscheidung des OLG Hamburg zum Vergabeverfahren „Mühlenberger Loch“.58 Hier hatte der Antragsteller vor der Aufhebung einen Nachprüfungsantrag gestellt. Erst 4 Wochen nach Anrufung der Vergabekammer und einen Tag vor der Zuleitung des Beschlusses der Vergabekammer an die Verfahrensbeteiligten (!) hob die Vergabestelle die Ausschreibung auf.59 Der gegen die Entscheidung der Vergabekammer angerufene Hamburger OLG-Vergabesenat hielt die sofortige Beschwerde wegen der Aufhebung, die auch nicht rechtsmissbräuchlich war, für nicht mehr Erfolg versprechend. Die Anträge der Antragstellerin könnten nicht mehr Gegenstand einer auf das aufgehobenen Verfahren bezogenen Nachprüfung sein, weil dieses wegen der nicht rechtsmissbräuchlichen Aufhebung beendet sei. Sie seien mit der Aufhebung damit „gegenstandslos, und damit unzulässig geworden“.60 Damit wurde durch die Aufhebung auch Primärrechtsschutz gegen andere Vergaberechtsverstöße unmöglich. Wegen anderer Vergaberechtsverstöße bereits eingeleitete Nachprüfungsverfahren wurden wegen der Aufhebung unzulässig.61 Der hier angesprochene Fall der Aufhebung nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens ist in § 114 II 2 GWB ausdrücklich geregelt. Danach erledigt sich das Nachprüfungsverfahren auch durch Aufhebung. Es ist damit beendet (dies meint das OLG Hamburg mit „gegenstandslos“), wenn nicht einer der Beteiligten einen Antrag stellt, festzustellen, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat (§ 114 II 2 GWB). Wird nach Einlegung des Nachprüfungsantrags aufgehoben, kann der Antragssteller also nur noch Antrag auf Feststellung der Rechtsverletzung stellen.62 Die Fortsetzungs58 Beschl. v. 12.12.2000 – 1 Verg 1/00 „Mühlenberger Loch“, NZBau 2001, 460, 461 f. 59 Ähnlich im Fall des OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.2.2002, Verg 37/01, VergabeR 2002, 378. 60 OLG Hamburg, Beschl. v. 12.12.2000 – 1 Verg 1/00 „Mühlenberger Loch“, NZBau 2001, 460, 461 f., das wegen der mangelnden Erfolgsaussicht der sofortigen Beschwerde folglich den hier zu entscheidenden Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung für unbegründet hält. 61 So auch bei OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.2.2002, Verg 37/01, VergabeR 2002, 378 m. Anm. Rübartsch. 62 Zu einem solchen Fall, OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.2.2002, Verg 37/01, VergabeR 2002, 378 m. Anm. Rübartsch.

540 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

feststellungsmöglichkeit hat hier also – anders als bei der Zuschlagserteilung nach Einlegung des Nachprüfungsantrags – nicht nur Bedeutung für die Zeit zwischen Zugang des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer und der Zustellung des Antrags bei der Vergabestelle (weil dann das für den Zuschlag das Verbot des § 115 I GWB einsetzt), sondern für die ganze Dauer des Nachprüfungsverfahrens.

IV. Praktische Folgen des Rechtsschutzausschlusses nach Aufhebung Wegen des Ausschlusses des Primärrechtsschutzes nach Aufhebung war in der Praxis eine problematische „Flucht in die Aufhebung“ zu beobachten. Dies war insbesondere63 nach Erhalt eines Rügeschreibens gem. § 107 II GWB zu verzeichnen,64 wenn also wegen begangener Vergaberechtsverstöße ein Nachprüfungsverfahren drohte. Dies hatte zur Folge, dass nach Erlass des § 13 VgV zwar eine „Flucht in die Zuschlagserteilung“ unmöglich geworden war, ein öffentlicher Auftraggeber aber weiterhin die Möglichkeit hatte, eine Vergabe notfalls durch eine rechtswidrige65 Aufhebung zu stoppen, wenn er dafür das Risiko von 63

Die Aufhebung erfolgte auch dann durch den Auftraggeber, wenn er den Auftrag nicht dem gewünschten Bieter erteilen konnte. 64 Byok, WuW 2000, 718, 719; ders., Behörden Spiegel 11/2000, B V; Erdl, VergabeR 2001, 10, 13 m. w. N.; Prieß, NZBau 2002, 433. 65 Die Flucht in das Verhandlungsverfahren durch vom Auftraggeber provozierte (aber an sich rechtmäßige) Aufhebung als weitere Möglichkeit zur Rechtsschutzumgehung unter Einsatz der Aufhebungsmöglichkeit wurde von der Rechtsprechung jetzt aber für die Praxis faktisch ausgeschlossen: Bisher bestand die Möglichkeit für den Auftraggeber, im notwendigen offenen Vergabeverfahren unerfüllbare Bedingungen an die Leistung zu stellen. Da dann kein zuschlagsfähiges Angebot eingeht, kann er die Ausschreibung aufheben. Grundsätzlich könnte er dann nach § 3 a Nr. 2 a VOL/A; § 3 a Nr. 4 lit. a (Verhandlungsverfahren mit Vergabebekanntmachung) oder Nr. 5 (Verhandlungsverfahren ohne Vergabebekanntmachung) VOB/A in das Verhandlungsverfahren übergehen. Dies ist ihm aber jetzt der neuen Rechtssprechung verwehrt, wenn ihm das Scheitern des vorangegangenen Vergabeverfahrens zuzurechnen ist. Er darf sich nicht unter Berufung auf die gescheiterte Ausschreibung dem Verhandlungsverfahren zuwenden. Tut die Vergabestelle dies dennoch, so muss sie zumindest die Unternehmen am Verhandlungsverfahren beteiligen, die sie schon im vorangegangenen Verfahren zur Erfüllung des Auftrags als geeignet angesehen hatte. Diese Unternehmen hätten also rechtmäßigerweise beteiligt werden müssen. Deswegen sind sie auch über die Auftragsvergabe im Verhandlungsverfahren nach § 13 VgV zu informieren – OLG Dresden, Beschl. v. 16.10.2001 – Wverg 0007/01, ZfBR 2002, 298; näher dazu auch im Teil 2, C. II. 1. Insgesamt wird so die Flucht in das Verhandlungsverfahren durch vom Auftraggeber provozierte (aber an sich rechtmäßige) Aufhebung verhin-

B. Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung

541

Schadensersatzforderungen66 in Kauf nahm.67 Zunächst hatten Vergabestellen ebenso versucht, das Vergaberecht durch eine „Flucht in den öffentlichrechtlichen Vertrag“ zu umgehen. Nachdem dem in der Entscheidungspraxis ein Riegel vorgeschoben worden war, blieb ihnen nur noch die Flucht in die Aufhebung. Diese Flucht in die Aufhebung wurde – wie gezeigt – dadurch noch erleichtert, dass diese noch während des gesamten Nachprüfungsverfahrens möglich war. Das damit festgestellte Rechtsschutzdefizit im Hinblick auf die faktische Unüberprüfbarkeit der Aufhebungsentscheidung ist insbesondere deswegen problematisch, weil neben der Zuschlagsentscheidung auch die Aufhebungsentscheidung eine sehr wichtige Entscheidung ist: Die Möglichkeit der Kontrolle der Aufhebungsentscheidung ist bedeutsam, weil nach der Aufhebung – anders als bei der Zuschlagsentscheidung – nicht einmal ein Bieter die Chance auf Zuschlagserteilung hat.68 Die Aufhebung der Ausschreibung ist überdies ein schwerwiegender wettbewerbsbeeinflussender Eingriff. Durch sie werden die bei allen Bietern (kein berücksichtigter Bieter) und zusätzlich die beim Auftraggeber getätigten Aufwendungen zu vergeblichen.69 Ein nach Aufhebung anschließend durchgeführtes neues Vergabeverfahren stellt nicht die ursprüngliche Wettbewerbslage wieder her. Schon allein durch den Zeitablauf treten Veränderungen bei den Bieterinteressen ein. Außerdem haben die Bieter im Eröffnungstermin des aufgehobenen Vergabeverfahrens wettbewerbsrelevante Informationen erhalten: Sie erfahren dort, welche anderen Wettbewerbsteilnehmer am ausgeschriebenen Auftrag interessiert sind, und erhalten Informationen über das Preisgefüge nach der Ausschreibung.70 Das Fehlen von Primärrechtsschutz nach Aufhebung wird auch nicht durch die effektive Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatz kompensiert. Zu den bereits beschriebenen71 Schwierigkeiten der Geltenddert. – so auch Schulze-Hagen, Anm. zu OLG Dresden, a. a. O., IBR 2002, 90. Denn das Ausweichen auf das Verhandlungsverfahren erfolgt, damit der Bewerberkreis auf die gewünschten Unternehmen beschränkt werden kann. Dies ist aber nicht möglich, wenn beim Folgenden Verhandlungsverfahren alle ursprünglich geeigneten Bieter wieder beteiligt werden müssen und deren Beteiligung auch durch § 13 VgV mit der drohenden Nichtigkeitsfolge abgesichert ist. 66 Vgl. nur Jagenburg/Brück, NJW 2000, 2242, 2249. 67 Wittchen, IBR 2000, 523. 68 Killmann, ÖZW 2001, 7, 8, der die Widerrufsentscheidung daher im Vergleich zur Zuschlagsentscheidung für die beteiligten Unternehmen für die weitreichendere Entscheidung ansieht. 69 Höfler, ZfBR 2000, 148. 70 Höfler, ZfBR 2000, 148. 71 Siehe Teil 2, B. I. 4. b) aa) (1).

542 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

machung von Schadensersatz bei rechtswidrigem Verhalten des Auftraggebers treten bei der Aufhebung der Ausschreibung noch folgende zusätzliche Probleme: – In bestimmten Fällen der Aufhebung ist der Nachweis, dass man Bestbieter gewesen wäre, noch schwieriger als sonst. Muss die Ausschreibung etwa aufgehoben werden, weil der Auftraggeber keine Wertungskriterien angegeben hat, ist der Nachweis der Bestbieterstellung nahezu unmöglich.72 Allerdings ist für den Ersatz des negativen Interesses nach Aufhebungsausschreibung in bestimmten Fällen der Nachweis der Bestbieterstellung nicht erforderlich.73 – In vielen Fällen war die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatz von Anfang an auf das negative Interesse begrenzt: Wenn tatsächlich eine rechtswidrige Aufhebung erfolgt ist und der Unternehmer deswegen Schadensersatz verlangt, ist der Umfang des zu ersetzenden Schadens nach der Entscheidungspraxis beschränkt. Danach setzt der Ersatz des positiven Interesses nach der Aufhebung voraus, dass der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich später erteilt wird.74 Nur in diesem Fall wäre es dem Bieter möglich gewesen, im Rahmen der Auftragsausführung einen Gewinn zu erwirtschaften. Dies wird sogar dahingehend eingeengt, dass selbst bei späterer Auftragserteilung nur dann der entgangene Gewinn zu ersetzen ist, wenn der später erteilte Zuschlag einem Zuschlag auf die erste Ausschreibung gleichgesetzt werden kann. Das ist der Fall, wenn die spätere Vergabe bei wirtschaftlicher Betrachtung den gleichen Auftrag zum Gegenstand hat.75 Ist dagegen der später (also nach der Aufhebung) erteilte Zuschlag nicht identisch oder wird später gar kein Zuschlag erteilt, so soll der Unternehmer nur das negative Interesse76 verlangen können.77 72 So auch Pock, Anm. zu OGH, v. 17.12.2001, RPA 2002, 116 für die vergleichbare österreichische Rechtslage. 73 Vgl. Irmer, S. 270; Sturm, RPA 2004, 6, 10 ff. und Beyeler, RPA 2004, 25, 34 f., etwa für den Fall, in dem die aufgehobene Ausschreibung ohne den Vergabefehler von vornherein ganz unterblieben wäre oder sich der Bieter an ihr nicht beteiligt hätte. 74 Zuletzt BGH, Urt. v. 16.12.2003, ZfBR 2004, 404 = NZBau 2004, 283 = DVBl 2004, 826 = IBR 2004, 262 (Dähne); weiterhin: BGH, ZVgR 1998, 565 = BauR 1998, 1238 = ZIP 1998, 1920, 1925; dazu auch Schnorbus, BauR 1999, 77, 89. 75 Das positive Interesse wurde dementsprechend bewilligt von OLG Dresden, Urt. v. 9.3.2004 – 20 U 1544/03, VergabeR 2004, 484 (Weihraum) = IBR 2004, 264 (Wittchen). Vgl. auch BGH, ZVgR 1998, 565; Höfler, ZfBR 2000, 148, 153; Ax, ZVgR 2000, 153, 154 (hier werden auch Möglichkeiten des Auftraggebers erörtert, diese wirtschaftliche Identität zu vermeiden). 76 Zu den hier möglichen Schadenspositionen, Dähne, VergabeR 2004, 32, 34.

B. Abhängigkeit des Primärrechtsschutzes von der Aufhebung

543

Gegen diese Entscheidungspraxis zum Umfang des zu ersetzenden Schadens wird allerdings auch Kritik geübt. Sie ermögliche willkürliches Verhalten des Auftraggebers. Er könne den Auftragsgegenstand so ändern, dass keine Identität mehr gegeben ist. Damit könnte er den Ersatz des positiven Interesses an den Bestbieter ausschließen, wodurch eine wirksame Sanktionierung seines Fehlverhaltens scheitere. Es würde sich daher im Ergebnis für den Auftraggeber „lohnen“, Fehler in das Vergabeverfahren von vornherein einzubauen, um es – falls etwa der gewünschte Bieter den Zuschlag nicht erhalten kann – ohne größere Sanktionen aufheben zu können.78 Auch das OLG Düsseldorf hatte in einer Entscheidung aus dem Jahre 2002 unter Berufung auf Schelle, BauR 1999, 1233 ff. einen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns bejaht, wenn der Auftrag später nicht erteilt wird79, hat aber später in anderen Entscheidungen wieder die Linie des BGH vertreten.80

77 Näher auch Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 220 f. 78 Jasper, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 26, Rn. 71; Fett, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 26 Rn. 119 f.; anders als der BGH zumindest für die österreichische Rechtslage auch, Sturm, RPA 2004, 6, 11 ff.; 79 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.1.2002 – 21 U 82/01, IBR 2002, 321 (Hennemann) = VergabeR 2002, 326 m. Anm. Abel, der dagegen die Rechtsprechung des BGH mit beachtlichen Gründen verteidigt. 80 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.6.2003 – 5 U 109/02, IBR 2003, 566 (Schonebeck).

544 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

C. Vereinbarkeit des Ausschlusses des Primärrechtsschutzes für die Aufhebungsentscheidung mit dem Europäischen Vergaberecht? Lange war umstritten, ob das Europarecht verlangt, dass auch die Aufhebung der Ausschreibung einer Nachprüfung unterzogen und gegebenenfalls aufgehoben werden kann (I.). Am 18.6.2002 hat aber ein EuGH-Urteil diese Frage auf eine Vorlage zum Österreichischen Vergaberecht geklärt (II).

I. Meinungsstand vor dem EuGH-Urteil Vor dem EuGH-Urteil vom 18.6.2002 war die europarechtliche Notwendigkeit von Primärrechtsschutz teils bejaht, teils verneint worden. Es war umstritten, ob die Aufhebung einer Ausschreibung in einem Nachprüfungsverfahren überprüft und gegebenenfalls rückgängig gemacht werden kann. Teilweise wurde vertreten, dass das Europarecht keinen Primärrechtsschutz für die Aufhebung fordert.1 Dies wurde zum einen damit begründet, dass der EuGH in seiner Alcatelentscheidung nur verlange, dass die dem Vertrag vorangehende Auswahlentscheidung, nicht aber die Aufhebung einer Nachprüfung zugänglich gemacht werden muss.2 Weiter wurde vorgebracht, dass die Koordinierungsrichtlinien nach dem EuGH nicht vorschreiben, dass ein Verzicht auf die Vergabe eines Auftrags nur in Ausnahmefällen oder bei Vorliegen schwer wiegender Gründe zulässig ist.3 Die Koordinierungsrichtlinien enthielten keine Regelungen über Voraussetzungen und Form des Widerrufs. Sie verpflichte den Auftraggeber nicht einmal, das Vergabeverfahren (durch Auftragserteilung) auch zu Ende zu führen. Der Auftraggeber werde in Art. 12 II der Dienstleistungsrichtlinie lediglich verpflichtet, den Bietern auf Antrag die Gründe für den Widerruf mitzuteilen. Wenn aber die Koordinierungsrichtlinien den Verzicht auf die Auftragsvergabe nicht nur in 1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.3.2000, Verg 4/00, WuW 2000, 821 = ZVgR 2000, 217, 220; so auch OLG Dresden, 13.7.2000, WVerg – 0003/00, WuW 2000, 1157, 1159 f. (Verg 359, 361 f.) = ZVgR 2000, 222 = IBR 2000, 523 – Wittchen; Voppel, VOF, § 17 Rn. 67 f.; Opitz, NZBau 2002, 19, 20. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.3.2000, a. a. O., ZVgR 2000, 217, 220; so auch OLG Dresden, 13.7.2000, WVerg – 0003/00, WuW 2000, 1157, 1159 f. (Verg 359, 361 f.) = ZVgR 2000, 222 = IBR 2000, 523 – Wittchen; Fett, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 26 Rn. 137 f. 3 EuGH, Urt. v. 16.9.1999, C-27/98, Metallmeccanica Fracasso SpA und Leitschutz Handels- und Montage GmbH, EuZW 2000, 312, Rz. 23 und 25. Dies wird damit begründet, dass Koordinierungsrichtlinien den Auftraggeber nicht verpflichten, den Auftrag dem einzig als geeignet verbliebenen Bieter zu erteilen. Aus der Richtlinie lässt sich keine Verpflichtung zur Auftragsvergabe ableiten.

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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bestimmten Fällen zulassen, sondern daran keine Voraussetzungen stellen, könne dieser Verzicht (nach den Richtlinien) auch nicht Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens sein.4 Der Widerruf der Ausschreibung müsse also in den materiellen Vergaberichtlinien besonders geregelt sein. Nur dann würden die Rechtsmittelrichtlinien seine Überprüfbarkeit voraussetzen. Mangels Vorgaben in den materiellen Vergaberichtlinien sei damit der Widerruf auch keine Entscheidung i. S. der Rechtsmittelrichtlinie.5 Weiter wurde darauf abgestellt, dass die Rechtsmittelrichtlinien nur die Überprüfung von Entscheidungen voraussetze, die die Vergabestelle während des Vergabeverfahrens treffe. Beim Widerruf bzw. der Aufhebung handele es sich aber um einen Akt der Verfahrensbeendigung.6 Eine andere Auffassung hielt auch die Entscheidung über die Aufhebung für eine nach den RMRL aufzuhebende Entscheidung. Die den Primärrechtsschutz ausschließenden Entscheidungen bzw. die diesbezügliche Rechtslage sei daher unhaltbar.7 Dieser Auffassung folgte auch GA Tizziano in seinen Schlussanträgen zum im Folgenden zu erörternden EuGH-Urteil v. 18.6.2002.8 Dagegen hatte sich die Kommission in diesem Verfahren vor dem EuGH gegen die Gewährung von Rechtsschutz ausgesprochen.9 4

Vorlagebeschluss des VKS Wien vom 17.2.2000, H 504/99, CONNEX 9/2001, 46, 48; so auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.3.2000, Verg. 4/00, WuW 2000, 821, 825; VK Nordrhein-Westfalen (Münster), Beschl. v. 8.6.2001 – VK 13/01, S. 8; vgl. auch EuGH, Urt. v. 18.6.2002 – C 92/00 – „Hospital Ingenieure“, Rz. 20. 5 So das Vorbringen der Europäischen Kommission und der Republik Österreich im Vorabentscheidungsverfahren C-92/00, Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik/ Wiener Krankenanstaltenverbund – wiedergegeben in den Schlussanträgen des GA Tizziano v. 28.6.2001, RPA 2001, 90, 92; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.3.2000, Verg. 4/00, WuW 2000, 821, 825 ff.; VK Nordrhein-Westfalen (Münster), Beschl. v. 8.6.2001 – VK 13/01, S. 8. 6 So das Vorbringen der Republik Österreich zum Vorabentscheidungsverfahren, wiedergegeben in den Schlussanträgen des GA Tizziano v. 28.6.2001, RPA 2001, 90, 92 und in Rz. 35 des Urteils. 7 Kienast, S. 220; Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 181 und 192; in diese Richtung auch BVA, 1.9.1999, F-5/99-14, CONNEX 1/2000, 51, 53; vgl. auch Schenk, S. 116 f. Auf die Argumente dieser Ansicht wird im Rahmen der Erörterung der EuGH-Entscheidung zurückgekommen. 8 Schlussanträge des GA Tizziano v. 28.6.2001 im Vorabentscheidungsverfahren C-92/00, Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik/Wiener Krankenanstaltenverbund, RPA 2001, 90 m. Anm. Pock = VN 8/2001, 59, dazu ausf. Monatsinfo 6/2001, S. 76 ff. Auch der GA Saggio geht in seinen Schlussanträgen vom 25.3.1999 zur Rs. C-27/98, Metallmeccanica Fracasso SpA und Leitschutz Handels- und Montage GmbH unter Punkt 17 von einer zwingend vorzusehenden Möglichkeit, den Widerruf zu bekämpfen, aus. Er hält die Widerrufsentscheidung für eine zu überprüfende Entscheidung nach Art. 2 I lit b der RMRL. – so die Einschätzung des BVA, 1.9.1999, F-5/99-14, CONNEX 1/2000, 51, 53 und von Killmann, ÖZW 2001, 7, 9.

546 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

II. Das Urteil des EuGH vom 18.6.2002 – C 92/00 – „Hospital Ingenieure“10 Am 18.6.2002 hat der EuGH auf eine Vorlage zum Österreichischen Vergaberecht ein Urteil zu der Frage erlassen, ob das Europarecht verlangt, dass auch die Aufhebung bzw. der Widerruf der Ausschreibung einer Nachprüfung unterzogen und gegebenenfalls aufgehoben werden kann. Diese Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auch für Deutschland. Ein Vorabentscheidungsersuchen aus Österreich könnte erneut Anstoß zur Änderung der Rechtslage bzw. Entscheidungspraxis in Deutschland geben.11 1. Sachverhalt der Hospital-Entscheidung des EuGH Die Stadt Wien schrieb einen Auftrag zur Projektleitung für die Speiseversorgung in den Einrichtungen des Wiener Krankenanstaltenverbundes europaweit aus. Nach dem Eingang der Angebote widerrief die Stadt Wien das Vergabeverfahren.12 Mit diesem „Widerruf“ erfolgt in Österreich die Einstellung des Vergabeverfahrens. Der österreichische Terminus „Widerruf“ entspricht dem deutschen Terminus „Aufhebung“. Nach dem Widerruf (Aufhebung) der Ausschreibung beantragte der Antragssteller beim VKS Wien u. a. die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und die Nichtigerklärung des Widerrufs der Ausschreibung. Der VKS hielt aber die Anträge für unzulässig. Denn nach dem Wiener Vergaberecht – wie auch nach den meisten anderen Landesvergabegesetzen und dem BVergG – ist die Nachprüfungsinstanz nur bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens zur Nichtigerklärung von Entscheidungen des Auftraggebers zuständig.13 Da auch in Österreich ein Vergabeverfahren nicht nur durch Zuschlagserteilung, sondern auch durch Widerruf endet, kommt damit eine 9 Vgl. näher Dreher, Anm. zu EuGH, Urt. v. 18.6.2002, JZ 2002, 1101, 1102 und Fn. 5. 10 EuGH, Urt. v. 18.6.2002 – C 92/00 – Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik/Wiener Krankenanstaltenverbund, VergabeR 2002, 361 = EuZW 2002, 497 = NZBau 2002, 458 = WuW 2002, 1137 (Verg 651) = JZ 2002, 1098 = DVBl. 2002, 1539 = RPA 2002, 178 = EWiR 2002, 1015 (Lotze) = IBR 2002, 430 (Gottschalck). Anmerkungen: Bauer/Kegel, EuZW 2002, 502; Pock, RPA 2002, 183; Hübner, VergabeR 2002, 429; Portz, ZfBR 2002, 551; Prieß, NZBau 2002, 433; Dreher, JZ 2002, 1101. 11 So auch Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502. 12 Der Widerruf wurde damit begründet, dass sich erst nach der Ausschreibung herausgestellt habe, dass das Projekt dezentral abgewickelt werden sollte, so dass keine Notwendigkeit zur Beauftragung eines externen Projektleiters mehr bestehe. 13 Dies gilt sowohl vor als auch nach dem Erlass des Wiener Vergaberechtsschutzgesetzes (WVRG, WrLGBl. 25/2003 vom 30.6.2003) – vgl. dessen § 11 V.

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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Nichtigerklärung des bereits vorgenommenen Widerrufs nicht in Betracht.14 Nach dem Abschluss des Verfahrens durch den Widerruf der Ausschreibung kann ein Bieter nur die Feststellung des Vergaberechtsverstoßes begehren.15 Dies gilt nach wie vor auch nach dem BVergG 2002. Hiernach ist das BVA nach erfolgtem Widerruf nur noch zur Feststellung befugt, ob der Widerruf rechtswidrig war (§ 162 V i. V. m. 164 I S. 3).16 Da auch in Österreich für den Widerruf der Ausschreibung nur eine Nachinformation vorgesehen ist (vgl. nur § 32 VI WLVergG; § 57 I und 70 III KärntVergG 2000), war damit nach der bisherigen Auslegung der meisten Vergabegesetze17 wie in Deutschland kein effektiver Rechtsschutz bei der Aufhebung des Vergabeverfahrens gegeben. Gegen die dementsprechende Zurückweisung seines Antrags durch den VKS Wien erhob der Antragssteller Beschwerde zum österreichischen VfGH. Dieser stellte eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter fest, da der VKS die Frage, ob der Widerruf einer Ausschreibung eine Entscheidung nach Art. 2 I b) RMRL ist, dem EuGH zur Vorabentscheidung hätte vorlegen müssen.18 Wäre dies nämlich der Fall, wäre § 101 WLVergG gemeinschaftsrechtswidrig. Dann könnten die „Zuständigkeitsregeln des WLVergG . . . die Zuständigkeit des VKS auch zur Überprüfung der Entscheidungen über den Widerruf der Ausschreibung tragen“. 14

Dies ist inzwischen st. Rspr. des BVA – vgl. BVA 25.8.1998, N-20/98-9; Kienast, S. 220; Heid/Hauck/Preslmayr, S. 221 f. m. w. N. Der VKS Wien begründete die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags dementsprechend damit, dass ihm mit der Aufhebung die Grundlage entzogen worden ist. Denn mit dem Widerruf ende das Vergabeverfahren und daher fehle mangels überprüfbaren Vergabeverfahren das Rechtsschutzinteresse. Den Antrag auf Nichtigerklärung hielt der VKS für unzulässig, da im enumerativen Katalog des § 101 WLVergG die Aufhebungsentscheidung nicht als Entscheidung, die nichtig erklärt werden könne, genannt sei. Inzwischen ist dies in § 11 V des WVRG ausdrücklich so geregelt. 15 Zuletzt BVA, Beschl. v. 3.4.2003, RPA 2003, 147, 152 ff. m. Anm. Heid. In einigen Bundesländern ist dies anders. Hier kann nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Zuschlags begehrt werden – vgl. OGH, 2.9.1999, wbl 2000, 185 = ecolex 2000, 109 für die Rechtslage in Tirol. 16 Gölles/Houlobek, Bundesvergabegesetz 2002, S. 28. 17 Anders ist dies wohl in Kärnten; Oberösterreich und Salzburg: Hier endet zwar das Vergabeverfahren mit dem Widerruf, diese Landesvergabegesetze sehen aber eine Beschränkung der Nachprüfungsbehörden auf die Feststellungskompetenz nur „nach Zuschlagserteilung“, nicht nach Abschluss des Vergabeverfahrens vor (§ 83 IV VergG Kärnten; § 61 IV OÖ VergG; § 8 VII Salzburger VergG). Daher können die Nachprüfungsbehörden hier auch noch nachträglich einen Widerruf für nichtig erklären – so Denk, S. 153 f. Fn. 752. 18 Zur Entscheidung des VfGH, Kargl, S. 32 ff., der die Vorlagepflicht des VKS entgegen dem VfGH ablehnt, da dieser kein vorlagepflichtiges „Gericht“ sei; kurz dazu: Haunold/Hechter, § 32 Ziff. 10.

548 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

Daraufhin hat der VKS Wien, der sich unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des VfGH für vorlageberechtigt hielt (Gericht i. S. Art. 234 EG), am 17.2.2000 folgende Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt:19 1. Verlangt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/665/EWG, dass die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, die Ausschreibung eines Dienstleistungsauftrags zu widerrufen, in einem Nachprüfungsverfahren überprüft und gegebenenfalls aufgehoben werden kann? 2. Bei Bejahung der Frage 1: Steht eine Bestimmung der Richtlinie 89/ 665/EWG oder der Richtlinie 92/50/EWG einer Nachprüfung entgegen, die sich nur auf die Prüfung, ob der Widerruf der Ausschreibung willkürlich oder zum Schein erfolgt ist, beschränkt? 3. Bei Bejahung der Frage 1: Welcher Zeitpunkt ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Auftraggebers, die Ausschreibung zu widerrufen, maßgeblich? 2. Die Entscheidung des EuGH zur ersten Vorlagefrage Zunächst stellt der EuGH die Vorlagefrage des VKS Wien richtig. Entscheidend für die Frage, ob auch die Aufhebungsentscheidung nach dem Gemeinschaftsrecht aufhebbar sein müsse, sei nicht Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/665 sondern Artikel 1 Absatz 1 dieser Richtlinie. Denn Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/665 bestimme nicht, welche rechtswidrigen Entscheidungen auf Antrag aufgehoben werden können, sondern zähle lediglich Maßnahmen auf, die die Mitgliedsstaaten treffen müssen, um die in Artikel 1 Absatz 1 dieser Richtlinie vorgesehene Nachprüfung zu ermöglichen, während der Anwendungsbereich der betreffenden Richtlinie durch die zuletzt genannte Bestimmung festgelegt werde. Nach Auffassung des EuGH wollte der VKS daher tatsächlich wissen, ob die Entscheidung über den Widerruf der Ausschreibung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags zu den Entscheidungen der Vergabebehörden gehört, für die die Mitgliedsstaaten nach Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 89/665 in ihrem nationalen Recht wirksame und möglichste rasche Nachprüfungsverfahren schaffen müssen. Die erste Frage sei deshalb der Sache nach dahin zu verstehen, ob Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 89/665 verlangt, dass die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, die Ausschreibung eines Dienstleistungsauftrags zu widerrufen, in einem Nachprüfungsverfahren auf 19 Vorlagebeschluss des VKS Wien vom 17.2.2000, H 504/99, CONNEX 9/2001, 46 = ZVB 2001, 39 (Gutknecht).

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, überprüft und gegebenenfalls aufgehoben werden kann. Zur Beantwortung der solchermaßen umformulierten Frage sei folglich der Begriff Entscheidungen der Vergabebehörden in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 89/ 665 auszulegen (Rz. 29–32).20 Der EuGH beruft zur Begründung der alleinigen Maßgeblichkeit von Art. 1 I auch auf die Rz. 30 und 31 der AlcatelEntscheidung des EuGH.21 Die dementsprechend formulierte Frage, ob die Aufhebungsentscheidung eine zu überprüfende Entscheidung ist, hat der EuGH dann zu Recht bejaht: Schon oben wurde bei der Alcatel-Entscheidung herausgearbeitet22, dass der Begriff der Entscheidungen weit zu verstehen ist. Nach den Rechtsmittelrichtlinien muss jede Vergabeentscheidung, die gemeinschaftsrechtlich determiniert ist, aufhebbar sein. Daher muss die Entscheidung über die Aufhebung der Ausschreibung überprüft werden können, wenn sie unter das Gemeinschafsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens fällt (Rz. 38 der Entscheidung). Die einzige Bestimmung der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie, die einen spezifischen Bezug zur Entscheidung über den Widerruf einer Ausschreibung aufweist, ist Artikel 12 Absatz 2, der insbesondere vorschreibt, dass die Vergabebehörden, falls sie beschlossen haben, auf ein Vergabeverfahren zu verzichten, den Bewerbern und Bietern so rasch wie möglich die Gründe ihrer Entscheidung mitteilen (Rz. 39 der Hospital-Entscheidung).23 Aber auch wenn die Koordinierungsrichtlinien außer der Verpflichtung, die Gründe für den Widerruf der Ausschreibung mitzuteilen, keine Bestimmung enthalten, die sich speziell auf die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Aufhebungsentscheidung beziehen, bleibt diese den fundamentalen Regeln des Gemeinschaftsrechts unterworfen (Rz. 42). Denn das Verga20

Es ist also falsch, wenn Gottschalck, Anm. zu EuGH, Urt. v. 18.6.2002, VergabeR 2002, 368 davon ausgeht, dass der EuGH „zur Auslegung von Art. 2 Abs. 1 lit. b“ der RMRL Stellung genommen hat. Ebenso ist es nicht korrekt, wenn ders. in IBR 2002, 430 die Entscheidung des EuGH so zusammenfasst, dass nach ihr „Art. 2 I Abs. 1 b . . . eine Überprüfbarkeit von Aufhebungsentscheidungen . . . verlangt“. 21 Es ist aber unklar, ob die Alcatel-Entscheidung hier wirklich diese Auffassung des EuGH stützt. Denn hier wird die Verpflichtung zur Schaffung einer Überprüfungsmöglichkeit der Zuschlagsentscheidung ausdrücklich über eine Auslegung von Art. 2 I lit. a und b (und nicht des Art. 1 I) gewonnen (Rz. 43 der Alcatel-Entscheidung). Allerdings lassen sich die Rz. 31–34 der Alcatel-Entscheidung demgegenüber im Sinne der Hospital-Entscheidung verstehen. 22 Vgl. Teil 2, B. III. 1 e) cc); vgl. auch Rz. 36, 37 der Hospital-Entscheidung. 23 Für Bauaufträge ergeben sich die gleichen Vorgaben aus Art. 8 II BKRL und für Lieferaufträge aus Art. 7 II LKRL.

550 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

berecht will die EG-Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot durchsetzen. Daher muss der Auftraggeber auch bei der Aufhebungsentscheidung insbes. die Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot beachten (näher Rz. 42–47)24.25 Da die Aufhebungsentscheidung damit den materiellen Regelungen des Gemeinschaftsrechts unterliegt, ist sie auch eine Entscheidung i. S. v. Art. 1 I der RMRL. Auch der Zweck der Rechtsmittelrichtlinien kann für die Überprüfbarkeit der Aufhebungsentscheidung herangezogen werden.26 Sie streben eine möglichst umfassende Sicherung der praktischen Wirksamkeit der europäischen Vergaberegeln an. Wäre nun die Aufhebungsentscheidung nicht überprüfund aufhebbar, so wäre dem Auftraggeber aber eine Flucht in die Aufhebung möglich. Damit würde – wie gezeigt – auch eine Überprüfung des Vergabeverfahrens auf andere Vergaberechtsverstöße unmöglich. Der Auftraggeber könnte durch die Aufhebung das gesamte für die öffentliche Auftragsvergabe bestehende System der Nachprüfung umgehen.27 Damit spricht für die Notwendigkeit der Überprüfungsmöglichkeit der Aufhebungsentscheidung weiter, dass die Richtlinien so ausgelegt werden müssen, dass ihre praktische Wirksamkeit nicht beeinträchtigt wird. Weiter spricht dafür, dass das Gemeinschaftsrecht auch eine Überprüfbarkeit der Aufhebungsentscheidung fordert, dass in den Koordinierungsrichtlinien ausdrücklich die Information über die Gründe für die Aufhebung vorgeschrieben ist. Eine solche Begründungspflicht macht nur Sinn, wenn der Inhalt dieser Begründung auch gerichtlich überprüfbar ist. Wenn die Richtlinien daher eine Begründungspflicht vorsehen, ist erst recht davon auszugehen, dass eine Pflicht zur Schaffung gerichtlichen Schutzes besteht.28 Gegen die europarechtliche Forderung nach einer Überprüfung der Aufhebung des Vergabeverfahrens lässt sich auch nicht anführen, dass es sich 24 Die Vergaberichtlinien begrenzen nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 16. September 1999 in der Rechtssache C-27/98 – Fracasso und Leitschutz, Slg. 1999, I-5697 = EuZW 2000, 312, Rn. 23 und 25) die dem Auftraggeber verliehene Aufhebungsbefugnis weder auf Ausnahmefälle noch muss sie auf schwerwiegende Gründe gestützt werden. 25 Nach Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502 hat der EuGH genau die Argumente abgewiesen, mit denen vom OLG Düsseldorf, 15.3.2000 – Verg 4/00, WuW 2000, 821 = ZVgR 2000, 217 = NZBau 2000, 306 = IBR 2000, 251 (Boesen) die Vereinbarkeit des Rechtsschutzausschlusses mit dem Europarecht angenommen worden war. 26 Rz. 52 f. der Hospital-Entscheidung; so auch Schlussanträge des GA Tizziano v. 28.6.2001 im Vorabentscheidungsverfahren C-92/00, Hospital Ingenieure, RPA 2001, 90, 93. 27 Vgl. auch Reidt/Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, 580, 584. 28 Schlussanträge des GA Tizziano v. 28.6.2001, a. a. O., RPA 2001, 90, 93.

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

551

beim Widerruf um einen Akt der Verfahrensbeendigung handelt.29 Dieses Argument stützt sich auf Art. 2 VI der RMRL. Es übersieht jedoch, dass sich diese Norm nur auf den dem Vertragsschluss nachfolgenden Abschnitt bezieht. Bei der Widerrufsentscheidung geht es aber um den davor liegenden Zeitraum, für den Art. 2 I RMRL einschlägig ist.30 Dass das Argument der Verfahrensbeendigung nicht überzeugen kann, ergibt sich auch aus der Alcatel-Entscheidung des EuGH. Denn die Zuschlagsentscheidung bzw. der Zuschlag ist (nach dieser Argumentation) auch ein Akt der Beendigung des Vergabeverfahrens, wurde aber vom EuGH dennoch für überprüfbar gehalten. Den Rechtsmittelrichtlinien kann auch nur dann eine Beschränkung des Rechtsschutzes für bestimmte Abschnitte des Vergabeverfahrens entnommen werden, wenn dies ausdrücklich geregelt ist.31 Dies ist aber für die Aufhebungsentscheidung nicht der Fall. Vielmehr enthalten Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 I lit b. keine Eingrenzung in Bezug auf Art und Inhalt der „Entscheidungen“, sondern erfassen sämtliche vom Beginn bis zum Ende des Verfahrens getroffenen Entscheidungen.32 Daher antwortet der EuGH zu Recht auf die erste Vorlagefrage, dass die Aufhebungsentscheidung zu den Entscheidungen gehört, die im Nachprüfungsverfahren überprüft und gegebenenfalls aufgehoben werden können müssen. Für dieses Ergebnis sprach schon nach der Alcatel-Entscheidung des EuGH sehr viel.33 3. Die Entscheidung des EuGH zur zweiten Vorlagefrage34 Wenn also grundsätzlich gerichtlicher Rechtsschutz erforderlich ist, so ist fraglich, wie weit der Prüfungsumfang der Nachprüfungsinstanz für die Aufhebungsentscheidung aus europarechtlicher Sicht35 gehen muss. Der EuGH führt dazu aus, dass die RMRL nicht ausdrücklich den Umfang der 29 So das Vorbringen der Republik Österreich zum Vorabentscheidungsverfahren, wiedergegeben in den Schlussanträgen des GA Tizziano v. 28.6.2001, RPA 2001, 90, 92 und in Rz. 35 des Urteils. 30 Schlussanträge des GA Tizziano v. 28.6.2001, a. a. O., RPA 2001, 90, 93. 31 Schlussanträge des GA Tizziano v. 28.6.2001 im Vorabentscheidungsverfahren C-92/00, Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik/Wiener Krankenanstaltenverbund, RPA 2001, 90, 92. 32 Schlussanträge des GA Tizziano v. 28.6.2001, a. a. O., RPA 2001, 90, 92 f. 33 So auch Reinbacher, S. 158. 34 Zunächst korrigiert der EuGH wieder die Vorlagefrage des VKS Wien. Da sich in der Richtlinie 92/50 nichts zum Umfang der Nachprüfung der Aufhebungsentscheidung finde, beschränkt er die Vorlagefrage auf die RMRL. 35 Zum Prüfungsumfang aus Sicht der deutschen, nationalen Rechtsordnung, unter C. IV. 1. d) aa).

552 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

Nachprüfung, den die Mitgliedsstaaten ermöglichen müssen, definiert (Rz. 59). Daher ist zur Beantwortung auf den Zweck der Richtlinie abzustellen: Im Hinblick auf das mit der Richtlinie 89/665 verfolgte Ziel, die Nachprüfungsmöglichkeiten zu verstärken, kann der Umfang der notwendigen gerichtlichen Kontrolle durch die in der Richtlinie vorgesehenen Nachprüfungsverfahren nicht eng ausgelegt werden (Rz. 61). Der EuGH führt weiter aus: Rz. 62: „Selbst in den Fällen, in denen die Vergabebehörden nach der anwendbaren nationalen Regelung über einen weiten Ermessensspielraum in Bezug auf den Widerruf der Ausschreibung verfügen, müssen die nationalen Gerichte gemäß der Richtlinie 89/665 folglich die Vereinbarkeit einer Entscheidung über den Widerruf einer Ausschreibung mit dem einschlägigen Gemeinschaftsrecht überprüfen können.“ Rz. 63: „Unter diesen Umständen lassen weder der Buchstabe noch der Geist der Richtlinie 89/665 den Schluss zu, dass es den Mitgliedsstaaten freistünde, die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, eine Ausschreibung zu widerrufen, auf die Prüfung zu beschränken, ob diese Entscheidung willkürlich erfolgt ist.“

Er antwortet daher auf die zweite Vorlagefrage, „dass die Richtlinie 89/ 665 einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Ausschreibung auf die Prüfung beschränkt, ob diese Entscheidung willkürlich erfolgt ist“ (Rz. 64). Diese Ausführungen des EuGH zur 2. Vorlagefrage vermögen sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu überzeugen. Die Vergabestellen haben bei der Aufhebung insbesondere die Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung zu beachten. Darauf muss sich daher auch die gerichtliche Kontrolle erstrecken. Sie kann sich daher nicht auf eine Willkürkontrolle beschränken.36 Dagegen, die Überprüfung der Aufhebung nur auf Willkür zu beschränken, spricht auch, dass eine Abgrenzung zwischen einer „nur“ rechtswidrigen Vergabe und einer willkürlichen Aufhebung bzw. einer Scheinaufhebung in der Praxis oft sehr schwierig ist.37 36

Vgl. auch die Schlussanträge des GA Tizziano v. 28.6.2001 im Vorabentscheidungsverfahren C-92/00, Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik/Wiener Krankenanstaltenverbund, RPA 2001, 90, 93 f.: Er macht weiter geltend, dass es keine Vorschrift der Rechtsmittelrichtlinie oder der Dienstleistungsrichtlinie die es erlaubt, die gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Ausschreibung auf die Prüfung zu beschränken, ob sie willkürlich oder zum Schein erfolgte. 37 Portz, ZfBR 2002, 551, 553. Damit ist der europarechtlich geforderte Minimalumfang der Überprüfung der Aufhebungsentscheidung festgelegt. Auf die Frage, ob der Umfang der Prüfung unabhängig von der Forderung des Europarechts nicht darüber hinausgehen sollte, ins-

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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4. Die Entscheidung des EuGH zur 3. Vorlagefrage – Zum Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung Da die Rechtsmittelrichtlinie keine ausdrückliche Festlegung darüber enthält, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers abzustellen ist, ist es nach dem EuGH Sache der Mitgliedsstaaten, diesen zu bestimmen. Dabei dürfen aber die anwendbaren nationalen Regelungen nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die Regelungen für entsprechende innerstaatliche Nachprüfungsverfahren (Äquivalenzgrundsatz) und dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz).38

III. Folge für das deutsche und österreichische Recht Da in Deutschland die Aufhebungsentscheidung nach der Entscheidungspraxis zumindest faktisch nicht überprüfbar war, verstößt die deutsche Rechtslage zumindest in ihrer bisherigen Anwendung gegen die Rechtsmittelrichtlinie. Die ausnahmsweise bestehende Möglichkeit der Nachprüfung auf die Frage, ob die Aufhebung nur zum Schein erfolgt ist, ist europarechtlich nicht ausreichend. Denn auf diese Prüfung darf sich nach dem Europarecht die Nachprüfungsinstanz nicht beschränken. Erneut hat also ein Vorabentscheidungsersuchen aus Österreich die Unvereinbarkeit auch der deutschen Vergaberechtslage mit den europarechtlichen Vorgaben aufgezeigt. Ebenso war auch die Rechtslage in Österreich zumindest in ihrer Anwendung durch die Entscheidungspraxis (s. unter C. II. 1.) mit dem Europarecht unvereinbar.39 besondere ob sie auch anhand der nationalrechtlichen §§ 26 VOB/A und VOL/A erfolgen sollte, wird später unter C. IV. 1. d aa) eingegangen. 38 Vgl. Rn. 65 ff.; so auch die Schlussanträge des GA Tizziano v. 28.6.2001, RPA 2001, 90, 94. Im Vorlagebeschluss des VKS Wien vom 17.2.2000, H 504/99, CONNEX 9/ 2001, 46, 49 = EuGH, Urt. v. 18.6.2002 – C 92/00 – „Hospital Ingenieure“, Rz. 22 werden jeweils Argumente erörtert, nach der nationalen Rechtslage bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Auftraggebers oder auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch die Nachprüfungsinstanz abzustellen. 39 Gölles/Houlobek, Bundesvergabegesetz 2002, S. 28.; Pock, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, RPA 2002, 183, 184 sahen hier sogar Novellierungsbedarf für das BVergG 2002 schon vor dessen In-Kraft-Treten. Vgl. aber Fn. 43.

554 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

IV. Möglichkeiten, um den gemeinschaftsrechtswidrigen Zustand zu beseitigen Im Folgenden ist zu untersuchen, ob dem festgestellten gemeinschaftsrechtswidrigen Rechtszustand dadurch abgeholfen werden kann, dass eine Änderung der bisherigen Auslegung des deutschen Rechts durch die Nachprüfungsinstanzen erfolgt und diese so schon de lege lata die Überprüfbarkeit und Aufhebbarkeit der Aufhebungsentscheidung sicherstellen können (1. Lösungsmöglichkeit, siehe unter 1.). Als Lösung de lege ferenda kommt eine Erweiterung von § 13 VgV40 dahingehend in Betracht, dass er auch eine Vorabinformationspflicht für die Aufhebung der Ausschreibung vorsieht. Der Auftraggeber müsste danach mit der eigentlichen Aufhebung 14-Tage zuwarten. Innerhalb dieser Wartefrist könnten die Bieter dann gegen die beabsichtigte Aufhebung um Rechtsschutz nachsuchen (2. Lösungsmöglichkeit, s. unter 2.).41 1. Änderung der bisherigen Auslegung des deutschen Rechts, so dass schon de lege lata die Überprüf- und Aufhebbarkeit der Zuschlagsentscheidung sichergestellt werden kann Im Folgenden ist zu untersuchen, ob sich die §§ 97 ff. GWB entgegen der bisherigen Entscheidungspraxis so richtlinienkonform auslegen lassen, dass eine Überprüfung der Aufhebung und ggf. ihre Rückgängigmachung möglich ist. Dies käme in Betracht, wenn man auch nach der erfolgten (rechtswidrigen) Aufhebung das Nachprüfungsverfahren zulassen würde, so dass dort die Rechtmäßigkeit der Aufhebung überprüft und eine rechtswidrige Aufhebung gegebenenfalls aufgehoben werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage sind auch die nach der Entscheidung des EuGH vom 18.6.2002 zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen der Vergabenachprüfungsinstanzen mit einzubeziehen.

40 Bzw. der vorgeschlagenen Vorabinformationsregelung in einem eigenständigen Vergabegesetz. 41 Diese zwei Möglichkeiten sehen auch Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502, 503; vgl. auch Monatsinfo forum vergabe e. V. 6/ 2002, 91, 92; Ingenstau/Korbion-Portz, A § 26 Nr. 2 Rn. 47 ff.; Auch Hübner, VergabeR 2002, 429, 431 fragt danach, ob die §§ 107 ff. GWB eine richtlinienkonforme Auslegung erlauben oder ob eine Informationspflicht durch den Verordnungsgeber eingeführt werden muss. Allein die Lösung über § 13 VgV schlagen Gottschalck, IBR 2002, 430 und Portz, ZfBR 2002, 551, 554 vor.

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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a) 1. Ansicht – Nachträgliche Aufhebung der Aufhebung nicht über richtlinienkonforme Auslegung möglich Nach Entscheidungen der VK Nordbayern, der VK Lüneburg und der VK Berlin bleibt auch nach der Hospital-Entscheidung des EuGH ein nach Aufhebung gestellter Nachprüfungsantrag unzulässig, es sei denn, die Aufhebung erfolgte rechtsmissbräuchlich. Der Zulässigkeit stehe § 114 II GWB entgegen, wonach nach Verfahrensbeendigung kein Nachprüfungsverfahren mehr zulässig ist. Für eine Auslegung des § 114 Abs. 2 GWB im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, also der Überprüfbarkeit der Aufhebungsentscheidung, bleibt nach dieser Auffassung aufgrund dessen klaren Wortlauts kein Raum. Der deutsche Gesetzgeber müsse erst zur Umsetzung tätig werden.42 b) 2. Ansicht – Nachträgliche Überprüfung der Aufhebung ist über richtlinienkonforme Auslegung möglich Nach zutreffender Ansicht ist aber auch de lege lata nach (rechtmäßiger) Aufhebung noch Primärrechtsschutz möglich. Das deutsche Recht kann also im Wege der richtlinienkonformen Auslegung dahingehend interpretiert werden, dass auch die Aufhebung überprüft und ggf. aufgehoben werden kann. Diese bereits bis zum Jahr 2000 von Teilen der Entscheidungspraxis vertretene, später aber aufgegebene Ansicht (s. o.), ist nach der Hospital – Entscheidung des EuGH auch in der Entscheidungspraxis wieder aufgelebt. Die bisher angenommene Unzulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens nach der Aufhebung kann danach nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 18.06.2002 keinen Bestand mehr haben. Dies ist nach einer dementsprechenden Entscheidung des BGH vom 18.2.2003 inzwischen auch durchgängige Entscheidungspraxis.43 42 VK Nordbayern, Beschl. v. 12.9.2002 – 320.VK-3194-25/02, ZfBR 2003, 82 (Umdr. S. 4 f.) (bestandskräftig): Der Nachprüfungsantrag sei auch nicht als Feststellungsantrag zulässig. VK Nordbayern, Beschl. v. 28.10.2002 – 320.VK-3194-33/ 02, IBR 2002, 680 (Wirner); VK Lüneburg, Beschl. v. 29.8.2002 – 203-VgK-13/ 2002, S. 8 ff.; VK Berlin, Beschl. v. 5.11.2002 – VK-B2-51/02, IBR 2002, 679 (Claussen); so auch Zirbes, Anm. zu OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.12.2002 – Verg W 9/02, VergabeR 2003, 174. Die VK Bund, Beschl. v. 13.11.2002, VK 2 – 78/02 hält den Nachprüfungsantrag nach Aufhebung jedenfalls dann für unzulässig, wenn am Vergabeverfahren nur deutsche Bieter beteiligt waren, so dass für eine richtlinienkonforme Auslegung kein Raum sei. Vgl. auch den Überblick über die Entscheidungspraxis der Vergabekammern bei Hugenroth, ZfBR Sonderbeilage 5/ 2003, 3, 4 ff. 43 BGH, Beschl. v. 18.2.2003 – C ZB 43/02, WuW 2003, 561, 56 3 ff. = NZBau 2003, 293 = ZfBR 2003, 401= VergabeR 2003, 313 m. Anm. Müller-Wrede = IBR 2003, 262 (Boesen); OLG Koblenz, Beschl. v. 10.4.2003 – 1 Verg 1/03, VergabeR

556 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

Für die nachträgliche Überprüfbarkeit der Aufhebung sprechen folgende Gründe: Gegenstand eines auf Primärrechtsschutz gerichteten Nachprüfungsantrags kann zwar nur das nicht beendete, also das noch laufende Vergabeverfahren sein.44 Dem deutschen Recht ist aber nicht der einer richtlinienkonformen Auslegung entgegenstehende Grundsatz zu entnehmen, dass jede Aufhebung zur Beendigung des Vergabeverfahrens führt.45 Vielmehr hängt die Frage, ob die Beendigungswirkung der Aufhebung auch tatsächlich ein2003, 448 m. Anm. Erdl = ZfBR 2003, 506 = IBR 2003, 380 (Horn) und dass., Beschl. v. 23.12.2003 – 1 Verg 8/03, VergabeR 2004, 244 m. Anm. Benedict = ZfBR 2004, 488; OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.12.2002 – Verg W 9/02, NZBau 2003, 229, 230 f. = ZfBR 2003, 287; OLG Bremen, Beschl. v. 7.1.2003 – Verg 2/02, ZfBR 2003, 291 = VergabeR 2003, 175 m. Anm. Hartung; OLG Hamburg, Beschl. v. 4.11.2002 – 1 Verg 3/02, VergabeR 2003, 40; OLG Dresden, Beschl. v. 3.12.2002 – Wverg 15/02, VergabeR 2003, 45 = ZfBR 2003, 194 m. Anm. Kaelble = IBR 2003, 36 (Weyand); dass., Beschl. v. 10.7.2003 – W Verg 16/02, VergabeR 2004, 92, 93 ff.; OLG Naumburg, Beschl. v. 13.5.2003 – 1 Verg 2/03, NZBau 2004, 62; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.11.2003 – Verg 59/03, ZfBR 2004, 202 = IBR 2004, 161 (Wittchen); VK BW, Beschl. v. 11.8.2004 – 1 VK 56/04; VK Thüringen, Beschl. v. 13.2.2003 – 216-402.20-003/03-EF-S, IBR 2003, 210 (Franz) = VN 3/2003, 23; VK Hamburg, Beschl. v. 25.7.2002 – VgK FB 1/02, S. 8; VK Brandenburg, Beschl. v. 30.7.2002 – VK 38/02 (bestandskräftig), ZfBR 2003, 88; VK Brandenburg, Beschl. v. 17.9.2002 – VK 50/02 (LS in NZBau 2003, 173; VK Hessen, Beschl. v. 10.6.2004 – 69d-VK-27/2004. Kurz vor der EuGH – Entscheidung hatte die VK Brandenburg einen nach Aufhebung der Ausschreibung gestellten Nachprüfungsantrag noch für unzulässig gehalten, Beschl. v. 17.5.2002 – VK 23/02); VK Sachsen, Beschl. v. 21.8.2002 – 1/SVK/077-02; VK Arnsberg, Beschl. v. 23.1.2003 – VK 2-27/2002, S. 8 ff. Die VK Bund, Beschl. v. 19.7.2002 – VK 2 – 44/02, S. 7 f. konnte die Entscheidung dieser Frage offen lassen, da die Aufhebung hier rechtmäßig war (insbesondere ein Aufhebungsgrund nach § 26 VOB/A vorlag) und daher das Vergabeverfahren in jedem Fall beendet war. Aus der Literatur vertreten diese Ansicht: Reidt/Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, 580 ff.; Hübner, VergabeR 2002, 429, 432; Irmer, S. 200 ff.; im Erg. auch Gnittke/Michels, VergabeR 2002, 571, 572 ff. Auch für die österreichische Rechtslage nach dem BvergG 1997 geht das BVA davon aus, dass eine Überprüfung (Nichtigerklärung) des Widerrufs in gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des BVergG (von 1997) möglich ist, BVA, 29.8.2002, N-19/02-19, RPA 2002, 284, 288 und BVA, v. 22.11.2002, RPA 2002, 350, 355 f. Dagegen scheidet ein Rechtsschutz gegen den Widerruf einer Ausschreibung nach dem BvergG 2002 aus, da die Widerrufsentscheidung nicht zu den gesondert anfechtbaren Entscheidungen im Sinne von § 166 BvergG 2002 gehört, BVA, v. 11.8.2003, RPA 2004, 45; BVA, v. 12.1.2004, RPA 2004, 52 und Madl, RPA 2004, 15 ff. Das BVA hat daher dem EuGH die Frage vorgelegt, ob sich eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Widerrufsentscheidung aus einer unmittelbaren Anwendbarkeit der betreffenden Richtlinienbestimmungen herleiten lässt, BVA, v. 12.1.2004, RPA 2004, 52. 44 Hübner, VergabeR 2002, 429, 432; vgl. auch bereits unter B. I. 2. a). 45 Hübner, VergabeR 2002, 429, 432.

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

557

getreten, also das Vergabeverfahren wirksam beendet worden ist, davon ab, ob die Aufhebung materiell rechtmäßig erfolgte.46 Soweit bislang überwiegend aus § 114 Abs. 2 S. 2 GWB hergeleitet worden ist, dass eine Aufhebung eines Vergabeverfahrens in jedem Fall, d.h. auch bei ihrer Rechtswidrigkeit, zu dessen Beendigung und damit zur Unzulässigkeit eines erst nach der Aufhebung eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens führt, ist diese Auslegung nicht mit Art. 1 Abs. 1 der Rechtsmittelrichtlinie 89/665 in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in seinem jüngsten Urteil vom 18.06.2002 vereinbar. § 114 Abs. 2 S. 2 GWB sieht lediglich vor, dass im Falle der Erledigung eines zuvor eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens, die auch durch eine Aufhebung geschehen kann, auf Antrag festzustellen ist, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat. Aus dieser Bestimmung ergibt sich zwar, dass auch die Aufhebung ein Erledigungsgrund sein kann, aber dies nicht bei jeder Aufhebung sein muss. § 114 II 2 will die Befugnisse der Vergabekammer nicht beschränken, sondern erweitern. Eine Erledigung liegt nur vor, wenn die Aufhebung rechtmäßig ist.47 Bisher wurde gegen einen Rechtsschutzmöglichkeit für die Aufhebung des Vergabeverfahrens weiter vorgebracht, dass § 114 II S. 2 GWB keinen Anwendungsbereich mehr besäße, wenn die dort vorausgesetzte Erledigung nur bei rechtmäßiger Aufhebung eintreten würde. Denn dann könne die nach § 114 II S. 2 GWB zu treffende Feststellung, dass „eine Rechtsverletzung vorgelegen hat“, zwangsläufig nie getroffen werden.48 Dieser Schluss ist aber nicht zwingend, da auch bei rechtmäßiger Aufhebung des Vergabeverfahrens noch die Rechtswidrigkeit anderer Maßnahmen im Vergabeverfahren, die vor der Aufhebung erfolgt sind, festgestellt werden kann. Es muss nicht immer um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebungsentscheidung selbst gehen.49 Außerdem bleibt er für den § 114 II 2 GWB auch insoweit noch Anwendungsbereich, als er für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuschlagserteilung anwendbar bleibt.50 Daher 46 VK Brandenburg, Beschl. v. 17.9.2002 – VK 50/02, S. 14 (LS in NZBau 2003, 173); näher Hübner, VergabeR 2002, 429, 432 f. Demnach ist ein Nachprüfungsantrag weiterhin unzulässig, wenn sich nach Überprüfung der Aufhebungsentscheidung herausstellt, dass diese rechtmäßig ist. 47 OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.12.2002 – Verg W 9/02, NZBau 2003, 229, 230 f. = ZfBR 2003, 287; VK Brandenburg, Beschl. v. 30.7.2002 – VK 38/02, ZfBR 2003, 88 (Umdr. S. 10 f.); Hübner, VergabeR 2002, 429, 432; so auch schon vor der EuGH Entscheidung: VK Bund, VK 1 – 31/99, NZBau 2000, 310 = IBR 2000, 102 – Wagner; dazu auch Ax, ZVgR 2000, 153. 48 Zu dieser Argumentation oben unter B. I. 2. b). 49 Vgl. näher auch Hübner, VergabeR 2002, 429, 432. 50 Hübner, VergabeR 2002, 429, 432.

558 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

steht nicht bereits § 114 II S. 2 GWB einer Auslegung entgegen, nach der eine rechtswidrige Aufhebung der Ausschreibung – anders als die rechtswidrige Zuschlagserteilung – das Vergabeverfahren nicht beendet.51 Der Herleitung der Aufhebungsmöglichkeit für die Aufhebung des Vergabeverfahrens aus dem deutschen Recht steht auch nicht § 114 Abs. 2 S. 1 GWB entgegen, der bestimmt, dass ein bereits erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden kann. Aus dieser Vorschrift lässt sich nur ableiten, dass die Vergabekammer lediglich einen bereits erteilten Zuschlag nicht aufheben kann. Die Aufhebung einer Aufhebung ist nach dem Wortlaut aber nicht ausgeschlossen.52 Die weitgehende Entscheidungskompetenz der Vergabekammer nach § 114 I GWB ist nur speziell in Bezug auf das im deutschen Vergaberecht geltende Prinzip „pacta sunt servanda“ eingeschränkt worden.53 Der Zuschlag ist nicht anfechtbar, da mit ihm ein bindender Vertrag mit dem erfolgreichen Unternehmen zustande kommt. Auf diesen Vertrag soll die Vergabekammer wegen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit keinen Zugriff haben.54 Dieser Gesichtspunkt spielt bei der Überprüfung der Aufhebung der Ausschreibung aber keine Rolle.55 Ein vergleichbares Interesse der Vergabestelle am Fortbestand der Aufhebungsentscheidung ist nicht anzuerkennen.56 Es greift also der Grund für die Unzulässigkeit der Rückgängigmachung der Zuschlagserteilung für die Aufhebung der Ausschreibung nicht durch. Deshalb muss es hier bei der weitgehenden Entscheidungskompetenz57 der Vergabekammer nach § 114 I GWB bleiben.

51

So auch Marx, Behördenspiegel, 9/2002, S. 21. VK Brandenburg, Beschl. v. 30.7.2002 – VK 38/02, ZfBR 2003, 88 (Umdr. S. 27); so auch schon vor der EuGH Entscheidung: VK Bund, VK 1 – 31/99, NZBau 2000, 310 = IBR 2000, 102 – Wagner; Waldner, IBR 2000, 522; Daub/ Eberstein – Kulartz, VOL, § 32a Rn. 25; Ingenstau/Korbion – Müller-Wrede, 14. Aufl. 2001 § 114, Rn. 8. 53 So auch schon vor der EuGH Entscheidung: VK Bund, VK 1 – 31/99, NZBau 2000, 310 = IBR 2000, 102 – Wagner; Waldner, IBR 2000, 522; Daub/Eberstein – Kulartz, VOL, § 32a Rn. 25. 54 Waldner, IBR 2000, 522. 55 Daub/Eberstein – Kulartz, VOL, § 32a Rn. 25; Waldner, IBR 2000, 522: In der Regel seien die aussichtsreichen Bieter immer noch bereit, das Vergabeverfahren (nach Aufhebung der Aufhebung) unverändert fortzuführen. Die Aufhebung der Ausschreibung schließe damit nicht zwangsläufig das (Fort-)Bestehen eines Interesses am Auftrag aus. 56 Hübner, VergabeR 2002, 429, 433. 57 Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 13/9340, S. 19. 52

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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c) Ergebnis Danach können und müssen die §§ 97 ff. GWB, insbes. § 114 Abs. 2 GWB, europarechtskonform dahingehend ausgelegt werden, dass eine Vergabekammer auch eine bereits erfolgte Aufhebung, die keine Scheinaufhebung ist (dazu sogleich), einer Ausschreibung noch in zulässiger Weise überprüfen und ggf. auch wiederum aufheben kann.58 Die Vergabekammern sind wegen des Vorrangs des Europarechts zu einer solchen Prüfung auch verpflichtet. Damit ist auch keine Flucht in die Aufhebung mehr möglich, wenn ein Nachprüfungsverfahren wegen eines anderen Vergaberechtsverstoßes droht oder eingeleitet wurde. Ist jetzt die Aufhebung korrigierbar, können damit auch die anderen Vergaberechtsverstöße wieder zum Gegenstand der Nachprüfung gemacht werden. Die Vergabekammer hat in diesem Fall also die Vorfrage zu klären, ob die Aufhebung rechtmäßig war. Ist dies nicht der Fall, kann sie auch über das materielle Begehren des Antragsstellers entscheiden.59 Die §§ 97 ff. GWB lassen sich also mit Hilfe der richtlinienkonformen Auslegung mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Einklang bringen, zu einer legislativen Umsetzung dieses Urteils ist Deutschland also nicht gezwungen.60 Da eine richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechts möglich ist, kommt es somit auf die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 1 I und 2 I RMRL nicht an.61 Der soeben bejahten Möglichkeit der nachträglichen Aufhebbarkeit der Aufhebung bedarf es aber nach wie vor dann nicht, wenn die Aufhebung als Scheinaufhebung62 bereits unwirksam ist.63 Der Primärrechtsschutz geht hier nicht auf die Aufhebung der Aufhebung, da eben jene Aufhebung gerade 58 Zu dem Fall, in dem vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gegen die Aufhebung der Ausschreibung bereits der Zuschlag in dem „neuen“ Vergabeverfahren erteilt wurde, aber unten unter 2. b. aa). 59 Reidt/Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, 580, 589. 60 VK Hamburg, Beschl. v. 25.7.2002 – VgK FB 1/02, S. 8, nach der dies „ohne weiteres“ der Fall ist; vgl. auch Reidt/Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, 580, 592: Die Möglichkeit von Primärrechtsschutz „ist durch Gesetzesauslegung ohne weiteres ermittelbar, ohne dass dem der Wortlaut des § 114 II S. 2 GWB entgegensteht. Einer Änderung der Bestimmung durch den Gesetzgeber bedarf es somit nicht.“; Vehslage, IBR 2003, 35; so im Erg. auch Hübner, VergabeR 2002, 429, 433; anders Otting, Anm. zu KG Berlin, Beschl. v. 10.12.2002, VergabeR 2003, 185, 186. 61 So auch VK Sachsen, Beschl. v. 21.8.2002 – 1/SVK/077-02, S. 8. 62 Dazu bereits unter B. I. 3. a). 63 VK Bund, Beschl. v. 26.9.2003 – VK 1-81/03, S. 7 ff. und VK Bund, Beschl. v. 13.10.2004, VK 2-151/04, S. 6.

560 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

nicht vorliegt. Wurde in dem zum Schein aufgehobenen Verfahren bereits der Zuschlag erteilt, so ist dieser oft gem. § 13 VgV nichtig, da die Bieter aus dem nicht wirksam aufgehobenen – mithin fortgesetzten Verfahren – nicht vorab über die bevorstehende Zuschlagserteilung informiert werden.64 d) Folgen der Überprüfbarkeit der Aufhebung Im Folgenden ist auf die Folgen der soeben hergeleiteten Verpflichtung der Nachprüfungsinstanzen, auch nach der Aufhebung noch Primärrechtsschutz zu ermöglichen, einzugehen: aa) Die Entscheidung der Nachprüfungsinstanz Zunächst ist zu untersuchen, anhand welcher Normen die Nachprüfungsinstanz die Rechtmäßigkeit der Aufhebung überprüfen muss, (1). Sodann wird die Frage erörtert, welche Befugnisse die Nachprüfungsinstanz hat, wenn sie die Rechtswidrigkeit der Aufhebung bejaht, (2). (1) Zur Begründetheit des Nachprüfungsantrags gegen die Aufhebung des Vergabeverfahrens – Der Beurteilungsmaßstab der Nachprüfungsinstanz für die Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung Der erforderliche Mindestumfang für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung wird durch das Europarecht festgelegt. Der EuGH hat ausgeführt, dass auch wenn die Richtlinie 92/50 außer der Verpflichtung, die Gründe für den Widerruf der Ausschreibung mitzuteilen, keine Bestimmung enthält, die sich speziell auf die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Aufhebungsentscheidung bezieht, diese gleichwohl den fundamentalen Regeln des Gemeinschaftsrechts unterworfen bleibt (Rz. 42). Denn das Vergaberecht will die EG-Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot durchsetzen. Daher muss der Auftraggeber auch bei der Aufhebungsentscheidung insbes. die Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot beachten (näher EuGH, Rz. 42–47).65 Das europäische Vergaberecht fordert dementsprechend in Art. 1 der RMRL, dass Entscheidungen, also auch die Aufhebungsentscheidung, auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auf64

So bei VK Bund, Beschl. v. 26.9.2003 – VK 1-81/03, S. 7 ff. Die Nachprüfungsinstanz muss also im Einzelfall prüfen, ob die Aufhebung der Ausschreibung inländische Bieter and Bieter aus anderen Mitgliedsstaaten tatsächlich in gleicher Weise trifft, Reidt/Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, 580, 592. 65

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

561

tragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, überprüft werden.66 Es verlangt dagegen nicht eine Erstreckung des Nachprüfungsverfahrens auch auf Entscheidungen, die gegen einzelstaatliche Vorschriften verstoßen, die nicht der Umsetzung des Gemeinschaftsvergaberechts dienen. Ein entsprechender Richtlinienvorschlag der Kommission konnte sich nicht durchsetzen.67 Die Überprüfung der Aufhebung müsste danach jedenfalls dann auch anhand der in den Verdingungsordnungen genannten Aufhebungsgründen (§§ 26 VOB/A und VOL/A) erfolgen, wenn diese gemeinschaftsrechtlich determiniert sind: In der Entscheidungspraxis hatte sich über die Frage, ob die Aufhebung auch am Maßstab der § 26 VOB/A und VOL/A überprüft werden können muss, eine Kontroverse entwickelt.68 Deshalb hatte das OLG Dresden diese Frage nach § 124 II GWB dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.69 Über die Vorlage hat der BGH am 18.2.2003 entschieden.70 Obwohl er die Vorlage als unzulässig abgewiesen hat, weil er keine Divergenz zwischen den OLG bei den tragenden Entscheidungsgründen sah,71 hat der BGH dennoch in der Sache Ausführungen gemacht, d.h. Hinweise zur Nachprüfbarkeit der Aufhebungsentscheidung gegeben. Diesen Hinweisen kommt zwar keine Bindungswirkung zu, als Indizien für die Auffassung des Bundesgerichtshofes haben sie aber erhebliche Bedeutung für die weitere Entwicklung der vergaberechtlichen Rechtsprechung.72 66 Vgl. auch EuGH, Urt. v. 18.6.2002 – C 92/00 – „Hospital Ingenieure“, a. a. O., Rz. 31 und 54. 67 Näher dazu EuGH, Urt. v. 18.6.2002 – C 92/00 – „Hospital Ingenieure“, Rz. 34. 68 Dafür: OLG Hamburg, Beschl. v. 4.11.2002 – 1 Verg 3/02, VergabeR 2003, 40 = IBR 2003, 35 (Vehslage); VK Sachsen, Beschl. v. 21.8.2002 – 1/SVK/077-02, S. 10. VK Sachsen, Beschl. v. 21.8.2002 – 1/SVK/077-02, S. 10; VK Arnsberg, Beschl. v. 23.1.2003 – VK 2-27/2002, S. 8 ff. Dagegen: OLG Dresden, Beschl. v. 3.12.2002 – Wverg 15/02, VergabeR 2003, 45 = NZBau 2003, 169 = ZfBR 2003, 194 m. Anm. Kaelble = IBR 2003, 36 (Weyand); Otting, Anm. zu KG Berlin, Beschl. v. 10.12.2002, VergabeR 2003, 185, 186; Mantler, VergabeR 2003, 119, 122 ff., nach dem § 26 VOB/A bzw. VOL/A nicht auf der Ebene des Primärrechtsschutzes, sondern nur auf der des Sekundärrechtsschutzes maßgeblich ist. 69 OLG Dresden, Beschl. v. 3.12.2002 – Wverg 15/02, VergabeR 2003, 45 = NZBau 2003, 169 = ZfBR 2003, 194 m. Anm. Kaelble = IBR 2003, 36 (Weyand). 70 BGH, Beschl. v. 18.2.2003 – C ZB 43/02, WuW 2003, 561 (Verg 743) = NZBau 2003, 293 = ZfBR 2003, 401= VergabeR 2003, 313 m. Anm. Müller-Wrede = IBR 2003, 262 (Boesen). 71 BGH, v. 18.2.2003, a. a. O., WuW 2003, 561, 562 f. und das Parallelverfahren: BGH, Beschl. v. 18.2.2003 – X ZB 44/02, IBR 2003, 328 (Schwenker). 72 Müller-Wrede, Anm. zu BGH, v. 18.2.2003 a. a. O., VergabeR 2003, 318, 319.

562 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

Nach dem BGH sind die Aufhebungsgründe in den §§ 26 Nr. 1; 26 a Nr. 1 VOL/A bzw. VOB/A gemeinschaftsrechtlich determiniert. Sie seien als Umsetzung des in den europäischen Vergaberichtlinien normierten Diskriminierungsverbotes anzusehen,73 so dass die Rechtmäßigkeit der Aufhebung anhand dieser Aufhebungsgründe zu erfolgen hat. Es muss danach in diesen Fällen kein gesonderter Verstoß gegen das europäisches Vergaberecht geltend gemacht werden. Wenn die Aufhebung gegen §§ 26 Nr. 1; 26 a Nr. 1 VOL/A bzw. VOB/A verstößt, sei der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet.74 Gegen diese Argumentation des BGH spricht, dass jedenfalls dann, wenn der Auftrag nach der Aufhebung gar nicht mehr vergeben wird, eine Diskriminierung eines Bieters nicht möglich ist. Hier werden alle Bieter gleich behandelt, da kein Bieter den Auftrag erhält.75 Weiterhin ist bei der Frage der gemeinschaftsrechtlichen Determination der §§ 26 VOB/A bzw. VOL/ A zu beachten, dass die Vergaberichtlinien nach der Rechtsprechung des EuGH76 (bisher)77 die dem Auftraggeber verliehene Aufhebungsbefugnis nicht auf Ausnahmefälle begrenzen. Sie muss auch nicht auf schwerwiegende Gründe gestützt werden. Es spricht daher einiges dafür, dass die §§ 26 VOL/A bzw. VOB/A nicht durch die Vergaberichtlinien gefordert sind, sondern dass ihre Einführung auf einer autonomen Entscheidung des deutschen Gesetzgebers beruht. In 73

Näher BGH, v. 18.2.2003, a. a. O., WuW 2003, 561, 565 f.; näher zur bei der Aufhebung vorliegenden Diskriminierung auch: Müller-Wrede, Anm. zu BGH, v. 18.2.2003 a. a. O., VergabeR 2003, 318, 319. 74 Vgl. Müller-Wrede, Anm. zu BGH, v. 18.2.2003 a. a. O., VergabeR 2003, 318, 319; vgl. auch VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 24.10.2003 VK-SH 24/03, S. 14. 75 Anders Müller-Wrede, Anm. zu BGH, v. 18.2.2003 a. a. O., VergabeR 2003, 318, 320 f.; wie hier dagegen: Mantler, VergabeR 2003, 119, 127; Opitz, NZBau 2003, 252, 259 f.; Gnittke/Michels, VergabeR 2002, 571, 575, die die Möglichkeit des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot nur bei Scheinaufhebungen bejahen. Sie widersprechen ausdrücklich (vgl. insbes. a. a. O., Fn. 32) der Entscheidung der VK Brandenburg, Beschl. v. 30.7.2002 – VK 38/02, ZfBR 2003, 88 (Umdr. S. 19), wonach sich aus der Notwendigkeit der Prüfung, ob die Aufhebung die Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot beachtet, zwingend ergibt, dass eine Begrenzung der Überprüfung einer Aufhebungsentscheidung auf das Vorliegen einer Scheinaufhebung nicht möglich ist. Andernfalls wäre nach der VK eine effektive Durchsetzung der genannten gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze nicht gewährleistet. 76 Urteil vom 16.9.1999 in der Rechtssache C-27/98 – Fracasso und Leitschutz, Slg. 1999, I-5697 = EuZW 2000, 312, Rn. 23 und 25. 77 Im Rahmen der Arbeiten am Legislativpaket hat das Europäische Parlament die Einführung von abschließenden Aufhebungsgründen in der neuen Basisrichtlinie vorgeschlagen. Dies wird von der Kommission abgelehnt, näher Opitz, NZBau 2003, 183, 196.

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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diesem Fall muss daher aus europarechtlicher Sicht die Aufhebungsentscheidung nicht auf die Vereinbarkeit mit §§ 26 VOB/A und VOL/A überprüft werden können, da diese Normen nicht in Umsetzung des Gemeinschaftsvergaberechts ergangen sind, sondern rein nationale Normen sind.78 Die Entscheidung über diese Frage kann aber dahinstehen. Selbst wenn das Europarecht und der EuGH eine Überprüfung der Aufhebungsentscheidung an den Aufhebungsgründen von § 26 der VOB und VOL nicht verlangen, sondern diese rein nationale Normen sind, sollten die Nachprüfungsinstanzen die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung in Zukunft dennoch in diesem Umfang wahrnehmen:79 Der deutsche Gesetzgeber des Vergaberechtsänderungsgesetzes hat bewusst den Rechtsschutz nicht nur auf Verstöße gegen umgesetztes Gemeinschaftsvergaberecht beschränkt, sondern auch auf die Einhaltung sonstiger bieterschützender Vorschriften erstreckt.80 Die §§ 26 VOL/A, VOB/A sind auch bewerber- bzw. bieterschützend. Sie sollen die Transparenz und die Willkürfreiheit der Aufhebung garantieren, um zu verhindern, dass der Aufwand eines Bewerbers bzw. Bieters für die Erstellung eines Angebots nutzlos ist.81 Die §§ 26 VOB/A bzw. VOL/A schaffen damit subjektive Rechte.82 Daraus folgt ein gemäß § 97 Abs. 7 GWB durchsetzbarer Anspruch des Bieters darauf, dass das Vergabeverfahren nur bei Vorliegen rechtlich vorgegebener Tatbestandsvoraussetzungen (§ 26 VOB/A) aufgehoben wird.83 Außerdem werden bei der Prüfung anhand von § 26 VOB/A bzw. VOL/A Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Frage vermieden, wann 78 So auch Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502, 503; Otting, Anm. zu KG Berlin, Beschl. v. 10.12.2002, VergabeR 2003, 185. 79 Bauer/Kegel, a. a. O.; Reidt/Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, 580, 585 ff.; anders Gnittke/Michels, VergabeR 2002, 571, 577 ff.; OLG Dresden, OLG Dresden, Beschl. v. 3.12.2002 – Wverg 15/02, VergabeR 2003, 45 = NZBau 2003, 169 = ZfBR 2003, 194 m. Anm. Kaelble = IBR 2003, 36 (Weyand): Wenn nur ein Verstoß gegen nationales Recht geltend gemacht wird, ist der Nachprüfungsantrag nicht nur unbegründet, sondern auch nicht statthaft (unzulässig). vgl. auch Meier, NZBau 2003, 137, 138 f. 80 Bauer/Kegel, a. a. O. m. w. N.; vgl. aber auch oben im Teil 1, A. VI. 3. c) aa). 81 VK Brandenburg, Beschl. v. 30.7.2002 – VK 38/02, ZfBR 2003, 88 (Umdr. S. 12); VK Sachsen, Beschl. v. 5.9.2002 – 1/SVK/073-02, S. 21; Fett, in: MüllerWrede, VOL/A, § 26 Rn. 124 ff.; VK Hessen, Beschl. v. 10.6.2004 – 69d-VK-27/ 2004, S. 5. 82 VK Sachsen, Beschl. v. 4.3.2002 – 1/SVK/019-02, S. 5; Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502, 503; vgl. auch Fett, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 26 Rn. 124 ff.; Reidt/Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, 580 mit weiteren Argumenten. 83 VK Sachsen, Beschl. v. 4.3.2002, a. a. O.; Bauer/Kegel, a. a. O.; vgl. auch Fett, a. a. O.; anders z. T. Erdl, VergabeR 2001, 10, 14 ff. m. w. N.; VK Hessen, Beschl. v. 10.6.2004 – 69d-VK-27/2004, S. 5.

564 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

eine Aufhebung noch die Grenzen des Gemeinschaftsrechts einhält (s. o.), obwohl sie nicht mehr von den Aufhebungsgründen in §§ 26 VOB und VOL gedeckt ist.84 Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung ist also anhand der § 26 VOB/A bzw. § 26 VOL/A vorzunehmen. Bei der Beurteilung der in diesen Normen vorgesehenen Aufhebungsvoraussetzungen ist auch in der Regel kein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum des Auftraggebers anzuerkennen. Eine Ausnahme kann sich allenfalls dann ergeben, wenn die Aufhebung aus „anderen schwerwiegenden Gründen“ erfolgt und hier prognostische Gesichtspunkte eine Rolle spielen oder die Entscheidung durch ein weisungsfreies, pluralistisch zusammengesetztes Gremium erfolgt.85 Liegen danach die Aufhebungsvoraussetzungen der Verdingungsordnungen nicht vor, ist die Aufhebung rechtswidrig. (2) Zum Umfang der Befugnisse der Nachprüfungsinstanz Es ist fraglich, welche Anordnungen die Nachprüfungsinstanz treffen darf, wenn sie nach dem oben hergeleiteten Maßstab die Rechtswidrigkeit der Aufhebung bejaht hat. Die Vergabekammer hat gemäß § 114 Abs. 1 GWB grundsätzlich die Möglichkeit, die Entscheidung des Auftraggebers, das Vergabeverfahren aufzuheben, ihrerseits aufzuheben (= rückgängig machen).86 Mit der Aufhebung der Aufhebung wird eigentlich selbst schon klargestellt, dass das Vergabeverfahren noch nicht beendet ist.87 Dennoch wird der Auftraggeber durch die Aufhebung der Aufhebung auch verpflichtet, seine Aufhebungsentscheidung seinerseits wieder aufzuheben und dies gegenüber den Bietern zu erklären.88 Dadurch ist sichergestellt, dass jeder Teilnehmer am Vergabeverfahren von der Rückgängigmachung der Aufhebung erfährt.89 84

Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502, 503. Würde man die Aufhebung nicht am Maßstab des § 26 VOL/A bzw. VOB/A überprüfen, wäre zwar die Nachprüfung der Aufhebungsentscheidung vor der VK grundsätzlich möglich, würde aber wegen des großen Entscheidungsmaßstabes zumeist nicht zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung führen. 85 Vgl. auch Reidt/Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, 580, 588. 86 So geschehen bei: VK Sachsen, Beschl. v. 21.8.2002 – 1/SVK/077-02, S. 13; VK Brandenburg, Beschl. v. 30.7.2002 – VK 38/02, ZfBR 2003, 88 (Umdr. S. 27); VK Brandenburg, Beschl. v. 17.9.2002 – VK 50/02, S. 19 (LS in NZBau 2003, 173); VK Arnsberg, Beschl. v. 23.1.2003 – VK 2-27/2002, S. 11 f.; VK Thüringen, Beschl. v. 13.2.2003 – 216-402.20-003/03-EF-S, IBR 2003, 210 (Franz) = VN 3/ 2003, 23. 87 VK Brandenburg, Beschl. v. 17.9.2002 – VK 50/02, S. 31 (LS in NZBau 2003, 173).

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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Ein Anspruch der Antragstellerin oder eines anderen Bieters auf einen späteren Vertragsschluss ist mit der Aufhebung der Aufhebung allerdings nicht verbunden, da die Aufhebung allein zur Beseitigung der Umstände führen muss, die die Rechtswidrigkeit der Aufhebung begründen. Es kann also danach eine diesmal rechtmäßige Aufhebung erfolgen.90 Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass die Vergabekammer von sich aus, d.h. ohne einen dementsprechenden Anspruch des Antragstellers, zu dem Ergebnis kommt, dass nicht nur die Aufhebung aufzuheben ist, sondern auch die Verpflichtung des Auftraggebers zur Erteilung des Zuschlags an einen bestimmten Bieter auszusprechen ist.91 Es ist aber fraglich, ob die soeben dargestellte Möglichkeit der Rückgängigmachung der Aufhebung durch die Nachprüfungsinstanz bei jeder nach § 26 VOB/A bzw. VOL/A rechtswidrigen Aufhebung besteht. Dies hätte grundsätzlich92 zur Konsequenz, dass der Auftraggeber bei Fehlen der Aufhebungsvoraussetzungen in § 26 VOB bzw. VOL im Endeffekt den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot auch dann erteilen muss, wenn er den Auftrag endgültig nicht mehr vergeben will, also nicht der Fall der missbräuchlichen Aufhebung vorliegt (faktischer Kontrahierungszwang)93. 88 VK Sachsen, Beschl. v. 21.8.2002 – 1/SVK/077-02, S. 13 und VK Sachsen, Beschl. v. 5.9.2002 – 1/SVK/073-02, S. 21; VK Thüringen, Beschl. v. 13.2.2003, a. a. O. 89 Eine solche Rückgängigmachung einer rechtswidrigen Aufhebung kann die Vergabestelle auch autonom, ohne eine entsprechende Verpflichtung der Nachprüfungsinstanz vornehmen, OLG Bremen, Beschl. vom 7.1.2003 – Verg 2/02, ZfBR 2003, 291 = VergabeR 2003, 175 m. Anm. Hartung = IBR 2003, 434 (Mussaeus). 90 Vgl. auch VK Brandenburg, Beschl. v. 30.7.2002 – VK 38/02, ZfBR 2003, 88 (Umdr. S. 27). 91 Näher VK Hamburg, Beschl. v. 14.8.2003 – VgK FB 3/03, IBR 2003, 565 (Vehslage) und sogleich im Text. 92 Die Möglichkeit des Auftraggebers, dem Vergabeverfahren zu entkommen, ist jedoch nicht vollständig ausgeschlossen: Zum einen könnte er sich dem Vergabeverfahren entziehen, wenn er schwerwiegende, nicht revidierbare Fehler des Vergabeverfahrens begeht. In diesen Fällen kann (ggf. muss) die VK im Nachprüfungsverfahren das Vergabeverfahren nach § 114 I GWB aufheben. Zum anderen kann die Vergabestelle im Nachprüfungsverfahren vor dem OLG einen Antrag nach § 121 GWB stellen. Wenn sie mit diesem unterlegen ist, gilt das Vergabeverfahren nach § 122 GWB als beendet und darf nicht fortgeführt werden, wenn der Auftraggeber nicht die Maßnahmen zur Herstellung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens ergreift – vgl. zum Ganzen auch Gnittke/Michels, VergabeR 2002, 571, 578 Fn. 43. Reidt/Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, 580, 590 sehen für den Auftraggeber, der das Vergabeverfahren nicht weiterbetreiben will, neben der Möglichkeit der Aufhebung nach den Voraussetzungen von § 26 der VOB bzw. VOL weiter die Möglichkeit, dass er die Aufhebung einfach auslaufen lassen kann (faktische Aufhebung). Ein solches Verhalten ist aber gerade nicht zulässig. 93 Dazu Kaelble, ZfBR 2003, 657 ff.

566 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

Denn die Nachprüfungsinstanz würde beim Fehlen der Aufhebungsvoraussetzungen die Aufhebung jedes Mal rückgängig machen, bis entweder tatsächlich ein Aufhebungsgrund nach § 26 VOB/A bzw. VOL/A eingreift oder der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird.94 Dieses Ergebnis wird aber – wie bereits vor der EuGH-Entscheidung vom 18.6.2002 – überwiegend abgelehnt.95 So hat auch der Bundesrat in seiner Zustimmung zur 2. Änderungsverordnung der Vergabeverordnung folgende Entschließung gefasst: „Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, mit den Ländern schnellstmöglich eine rechtsverbindliche Regelung zur Frage der Nachprüfbarkeit der Entscheidung der Vergabestelle über die Aufhebung eines Vergabeverfahrens im Rahmen von Nachprüfungsverfahren nach §§ 102 ff. GWB herbeizuführen. Dabei ist sicherzustellen, dass die Freiheit des Vertragsabschlusses durch öffentliche Auftraggeber gewahrt bleibt, keine unangemessene Behinderung der Vergabegeschäfte entsteht und es nicht zu Vertragsschlüssen kommt, die nicht gewollt sind und daher die Aufhebung des Vergabeverfahrens begründen.“96 Der BGH hat sich in seiner Entscheidung vom 18.2.200397 auf eine Divergenzvorlage des OLG Dresden erstmals für den Primärrechtsschutz mit dieser Frage befasst. Er hat entschieden, dass auch derjenige, der nach §§ 26 Nr. 1; 26 a Nr. 1 VOL/A bzw. VOB/A keinen Grund zur Aufhebung hat (rechtswidrige Aufhebung), nicht generell zur Zuschlagserteilung gezwungen werden darf.98 Die Nachprüfungsinstanz darf die Aufhebung ihrer94 Vgl. auch Mantler, VergabeR 2003, 119, 121 f. (auch zur Unmöglichkeit des einfachen „Auslaufenlassens“ der Ausschreibung. 95 Gnittke/Michels, VergabeR 2002, 571, 577 ff.; Reidt/Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, 580, 590 ff.; Jasper/Pooth, Anm. zu BGH, v. 5.11.2002, VergabeR 2003, 166, 167; Mantler, VergabeR 2003, 119, 122 ff.; Scharan, NZBau 2003, 585 ff.; a. A.: Marx, Behördenspiegel, 9/2002, S. 21: „Auf das seit langem in der Rechtsprechung für den öffentlichen Auftraggeber reklamierte Recht, jederzeit von einem in Gang gebrachten Vergabeverfahren Abstand zu nehmen, muss . . . in Zukunft verzichtet werden.“; Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502, 503, die eine Prüfung anhand der §§ 26 VOB/A, VOL/A befürworten, auch wenn daraus ein faktischer Kontrahierungszwang für den Auftraggeber folge. Vgl. auch VK Sachsen, Beschl. v. 4.3.2002 – 1/SVK/019-02, S. 5; VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 24.10.2003 VK-SH 24/03, S. 14 ff.; in diese Richtung auch BayObLG, Beschl. v. 5.11.2002 – Verg 22/02, VergabeR 2003, 186, 192 f. m. Anm. Schabel, das als erstes Gericht festgestellt hat, dass der Bieter auch einen Anspruch auf Zuschlagserteilung haben kann; vgl. auch Höfler, ZfBR 2000, 148, 149 ff. und Sturm, RPA 2004, 6, 13. 96 Begründung zur Neuregelung des § 13, BR-Drs 826/02 (Beschluss) v. 20.12.2002, S. 3. 97 BGH, Beschl. v. 18.2.2003 – C ZB 43/02, WuW 2003, 561 (Verg 743) = NZBau 2003, 293 = ZfBR 2003, 401= VergabeR 2003, 313 m. Anm. Müller-Wrede = IBR 2003, 262 (Boesen).

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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seits dann nicht aufheben, wenn der Auftraggeber seine Vergabeabsicht tatsächlich endgültig aufgegeben hat.99 Dem ist beizupflichten. Im Ergebnis muss die Aufhebung der Ausschreibung durch den Auftraggeber auch möglich sein, wenn diese rechtswidrig ist, weil die Aufhebungsvoraussetzungen in § 26 VOB/A bzw. VOL/A nicht vorliegen.100 Es gibt anzuerkennende Gründe des Auftraggebers, ein bereits begonnenes Vergabeverfahren zu beenden, die aber nicht ausreichen, um eine Aufhebung nach § 26 VOB/A oder VOL/A zu rechtfertigen. Zum Beispiel können Finanzierungslücken ein Großprojekt als unfinanzierbar erscheinen lassen.101 Hier darf die öffentliche Hand nicht durch das Vergaberecht an unfinanzierbare Projekte gebunden sein.102 In diesem Fall liegt zwar ein Verstoß gegen § 26 Nr. 1 b und c VOB vor, wenn dem Auftraggeber die fehlende Finanzierung bei einer mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführten Ermittlung des Kostenbedarfs bereits vor der Ausschreibung hätte bekannt sein müssen. Dennoch muss der Auftraggeber die Ausschreibung aufheben können. Er ist dann aber Schadensersatzansprüchen des Bestbieters ausgesetzt, da die Bieter davon ausgehen können, dass nur Leistungen ausgeschrieben werden, von denen der Ausschreibende bei pflichtgemäßer Ermittlung ihrer voraussichtlichen Kosten annehmen kann, sie mit den hierfür zur Verfügung stehenden Mitteln auch bezahlen zu können.103 Doch nicht allein finanzielle Gründe können eine Aufhebung außerhalb von § 26 der VOL und VOB sinnvoll erscheinen lassen. Der Auftraggeber kann auch durch geänderte politische Mehrheiten, Bürgerinitiativen oder -begehren veranlasst sein, ein Vergabeverfahren zu beenden.104 98 Dies ist auch ständige Rspr. des BGH für die Fälle, in denen es um Sekundärrechtsschutz bei der Aufhebung geht, vgl. nur BGH, Urt. v. 5.11.2002 – X ZR 232/ 00, WuW 2003, 337, 339 f. = NZBau 2003, 168 = ZfBR 2003, 194 = VergabeR 2003 m. Anm. Jasper/Pooth = IBR 2003, 34 (Völlink). 99 Dem folgend OLG Celle, Beschl. v. 22.5.2003 – 13 Verg 9/03, VergabeR 2003, 455 m. Anm. Stolz = ZfBR 2003, 615 m. Anm. Terner = IBR 2003, 371 (Franke); OLG Dresden, Beschl. v. 10.7.2003 – W Verg 16/02, VergabeR 2004, 92, 93; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.11.2003 – Verg 59/03, ZfBR 2004, 202, 203 = IBR 2004, 161 (Wittchen). 100 Die Argumente dafür, dem Auftraggeber die Verweigerung des Vertragsschlusses nicht zu gestatten, wenn Aufhebungsgründe nach § 26 VOB/VOL nicht vorliegen, müssen demnach zurücktreten. 101 Jasper/Pooth, NZBau 2003, 261; zur Aufhebungsmöglichkeit bei schon bei der Ausschreibung bekannten Finanzierungslücken auch OLG Hamburg, Beschl. v. 4.11.2002 – 1 Verg 3/02, VergabeR 2003, 40, 42 ff. 102 Jasper/Pooth, Anm. zu BGH, v. 5.11.2002, VergabeR 2003, 166, 167; Scharan, NZBau 2003, 585, 588. 103 BGH, Urt. v. 5.11.2002 – X ZR 232/00, WuW 2003, 337, 338. 104 Jasper/Pooth, Anm. zu BGH, v. 5.11.2002, VergabeR 2003, 166, 167.

568 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

Dementsprechend ist also eine Aufhebung ohne Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 26 VOL/A oder VOL/B zwar rechtswidrig, dies verhindert aber nicht die Aufhebung als solche105, sondern aus der Rechtswidrigkeit folgt nur die Verpflichtung des Auftraggebers, dem erstrangigen Bieter (grundsätzlich nicht den anderen106) die entstandenen Bearbeitungskosten107 zu ersetzen, da die in § 26 VOB nicht genannten Aufhebungsrisiken in der Sphäre des Auftraggebers liegen.108 Die Vorschriften über die Voraussetzungen der Aufhebung schreiben danach nur vor, wann sich ein Auftraggeber von einem eingeleiteten Vergabeverfahren trennen kann, ohne sich gegenüber den Bietern schadensersatzpflichtig zu machen.109 Einen weitergehenden Regelungszweck, etwa den Auftraggeber zu zwingen, bei Fehlen eines Aufhebungsgrundes dem Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag zu erteilen, verfolgen die Vorschriften nicht.110 Außerdem hat der Bieter, der bei der Ausschreibung das annehmbarste Angebot abgeben hat, nicht von vornherein Anlass, darauf zu vertrauen, dass der ausgeschriebene Auftrag erteilt wird und er sein positives Interesse daran realisieren kann. Ein Vertrauenstatbestand, der zu einem Ersatz des entgangenen Gewinns führt, kann nur dann gegeben sein, wenn der Auftrag tatsächlich erteilt wird. Unterbleibt die Vergabe, kommt eine Entschädigung nur für das Vertrauen in Betracht, nicht nutzlose Aufwendungen für die Erstellung des Angebots und die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren tätigen zu müssen. Gleiches gilt, wenn der später tatsächlich erteilte Auftrag bei wirtschaftlicher Betrachtung erhebliche Unterschiede zum ausgeschriebenen Auftrag aufweist.111 105 Vgl. dazu auch näher Mantler, VergabeR 2003, 119, 122 f.; zur Frage, ob nach Vorabinformation gemäß § 13 VgV, mit der der Wille zur Auftragsvergabe dokumentiert wird, noch eine Aufhebung der Ausschreibung zulässig ist, Kalble, ZfBR 2003, 657, 671. 106 Siehe oben unter B. IV. und im Teil 2, B. I. 4. b) aa) (1). 107 Einen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses hätte auch der Bestbieter nur, wenn der Auftrag später tatsächlich später erteilt wurde (s. o. und BGH, Urt. v. 16.12.2003, ZfBR 2004, 404). 108 Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 222. 109 VK Bund, Beschl. v. 4.12.2001 – VK 1 43/01, ZfBR 2002, 420 (LS); VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 24.10.2003 VK-SH 24/03, S. 14 ff. 110 OLG Düsseldorf, 15.3.2000 – Verg 4/00, WuW 2000, 821, 823 = ZVgR 2000, 217 = NZBau 2000, 306 = IBR 2000, 251 (Boesen); dem folgend VK Bund, Beschl. v. 4.12.2001 – VK 1 43/01, ZfBR 2002, 420 (LS); Jasper, in: Motzke/ Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 26, Rn. 3 ff.; Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 212 und 222. 111 BGH, Urt. v. 5.11.2002 – X ZR 232/00, WuW 2003, 337, 339 f.

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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Im Ergebnis kann danach die Nachprüfungsinstanz nur dann eine Aufhebung der Aufhebung aussprechen112 und daneben sogar ggf. die Verpflichtung zur Zuschlagserteilung an einen bestimmten Bieter aussprechen,113 wenn der Auftraggeber nach wie vor den Willen hat, den wirtschaftlich gleichwertigen Auftrag noch zu vergeben (fortbestehende Vergabeabsicht).114 Dies lässt sich für die typischen Fälle der missbräuchlich eingesetzten Aufhebung bejahen, in denen der Auftraggeber das Verfahren der öffentlichen Ausschreibung aufgehoben hat und bereits dabei ist, den Auftrag im Verhandlungsverfahren an einem ihm genehmen Bieter zu erteilen.115 Ist ein fortbestehender Vergabewille durch die Vergabekammer nicht feststellbar116, so kommt eine Anordnung an den Auftraggeber, mit der Vergabe fortzufahren, nicht in Betracht. Die Vergabekammer kann nur die Rechtswidrigkeit der Aufhebung nach § 114 II S. 2 GWB feststellen.117 Diese Feststellung hat insofern Bedeutung, als die ordentlichen Gerichte daran im Schadensersatzprozess wegen der rechtswidrigen Aufhebung nach § 124 I GWB gebunden sind.118 Zu weiteren Argumenten gegen den faktischen Kontrahierungszwang: Mantler, VergabeR 2003, 119, 122 ff. (Es handele sich etwa um einen ungerechtfertigten Eingriff in die Vertragsfreiheit nach Art. 2 I GG). 112 Zur dementsprechenden Antragstellung im Nachprüfungsverfahren – Stolz, Anm. zu OLG Celle, Beschl. v. 22.5.2003, VergabeR 2003, 456, 457. 113 So VK Hamburg, Beschl. v. 14.8.2003 – VgK FB 3/03, IBR 2003, 565 (Vehslage). 114 Vgl. auch Scharan, NZBau 2003, 585, 588. Diese Beschränkung der Aufhebungsmöglichkeit ist auch nicht europarechtswidrig – BGH, Beschl. v. 18.2.2003, a. a. O., WuW 2003, 561, 565; Jasper/Pooth, NZBau 2003, 261 ff.; Mantler, VergabeR 2003, 119, 122; Boesen, Anm. zu BGH v. 18.2.2003, IBR 2003, 262; BVA, v. 22.11.2002, RPA 2002, 350, 358 f. unter Berufung auf die Schlussanträge des GA Saggio zu EuGH, Urt. v. 16.9.1999, C-27/98, Metallmeccanica Fracasso; a. A.: Müller-Wrede, Anm. zu BGH, v. 18.2.2003 a. a. O., VergabeR 2003, 318, 321. 115 Auch in anderen Fällen kann der Bieter von der fortbestehenden Vergabeabsicht erfahren, da für die Nachinformation über die Aufhebung gem. § 26 a VOB/A nach der Richtlinie des VHB 2002 zu § 26 VOB und zu § 26 a VOB das „Einheitliche Formblatt EFB (B/Z) Aufh 306“ zu verwenden ist. In diesem Formblatt ist unter dem Punkt „Weiteres Vorgehen“ anzugeben, ob der Auftraggeber nach der Aufhebung ein Vergabeverfahren durchführen wird und in welcher Verfahrensart er dies tun wird oder ob er „nicht beabsichtigt, ein neues Vergabeverfahren durchzuführen. 116 Dazu auch Scharan, NZBau 2003, 585, 588. 117 OLG Dresden, Beschl. v. 10.7.2003 – W Verg 16/02, VergabeR 2004, 92, 93 ff. = IBR 2003, 568 (Franke). Beim Fehlen eines Feststellungsinteresses ist der Nachprüfungsantrag nach dem OLG Dresden mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Näher dazu auch Müller-Wrede, Anm. zu BGH, v. 18.2.2003, a. a. O., VergabeR 2003, 318, 319 ff. und Jasper/Pooth, NZBau 2003, 261, 262 ff. Nach Mantler, VergabeR 2003, 119, 127 ist hier der Nachprüfungsantrag als unbegründet abzuweisen. 118 Ingenstau/Korbion-Portz, A. § 26 Rn. 45.

570 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

Will der Auftraggeber den Auftrag unter geänderten Bedingungen vergeben, ist eine Aufhebungsbefugnis für eine fortbestehende Vergabeabsicht und damit die Aufhebungsmöglichkeit dann gegeben, wenn der neue Auftrag bei wirtschaftlicher Betrachtung lediglich als die Fortsetzung des zunächst aufgehobenen Verfahrens erscheint und nicht auf einem neuen, selbstständigen Beschluss des Auftraggebers beruht. Dafür ist zu prüfen, ob die vorgenommenen bzw. beabsichtigten Änderungen des Auftragsgegenstandes auf Grund eines geänderten Bedarfs sachlich gerechtfertigt sind oder diese lediglich vom Auftraggeber vorgeschoben wurden, um das ursprüngliche Verfahren nicht zu Ende bringen zu müssen.119 bb) Erhöhte Bedeutung der Nachinformationspflicht über die Aufhebung Hält man die Aufhebung für nachträglich aufhebbar, kommt der Nachinformationspflicht über die Aufhebung nach § 26 Nr. 2 VOB/A und § 26 VOL/A besonderes Gewicht zu. Nach dieser Vorschrift muss die Vergabestelle den Bietern auf Antrag die Gründe für eine Aufhebung der Ausschreibung mitteilen. Aufgrund dieser Regelung werden die Bieter in die Lage versetzt, zu überprüfen, ob die Aufhebung rechtmäßig war. Die Mitteilung der Gründe muss so beschaffen sein, dass der Unternehmer, die Aufhebungsentscheidung nachvollziehen kann.120 Zur Sicherstellung der Effektivität des Rechtsschutzes gegen die Aufhebungsentscheidung muss die Information, auch wenn eine ins Einzelne gehende Begründung nicht erforderlich ist, so beschaffen sein, dass der Bieter über die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens entscheiden kann.121 Die gegenteilige Auffassung, wonach die Begründung nicht so ausführlich sein muss, dass die Bieter entscheiden können, ob die Ausschreibung zu Recht aufgehoben worden ist und eine knappe Angabe oder Gründe in allgemeiner Form genügten,122 kann nicht mehr aufrecht erhalten werden. Nach dem durch die VOB 2000 neu angefügten § 26 Nr. 2 S. 2 VOB/A muss die Information auf Antrag des Bieters schriftlich erfolgen. Mit dieser Neuregelung sollte eine Anpassung der VOB an Art. 8 II BKR erreicht werden.

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Stolz, Anm. zu OLG Celle, Beschl. v. 22.5.2003, VergabeR 2003, 456, 457. Näher Fett, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 26 a Rn. 12 f. 121 Vgl. auch Kuß, VOB, 3. Aufl., 2002, § 26 Rn. 22. 122 Jasper, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 26 a, Rn. 21 m. w. N. und § 26, Rn. 53 m. w. N. 120

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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cc) Auswirkungen der Primärrechtsschutzmöglichkeit auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen Bieter, die die jetzt bestehende Möglichkeit der Geltendmachung von Primärrechtsschutz versäumen, laufen Gefahr, dass ihre Schadensersatzansprüche gemäß § 254 BGB zumindest gekürzt werden (Verbot des „Dulde und liquidiere“).123 dd) Zu den weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Antrags auf Aufhebung der Aufhebung des Vergabeverfahrens Erkennt man die Möglichkeit der nachträglichen Rückgängigmachung der Aufhebung an, so müssen für einen solchen Antrag aber auch die sonstigen allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Nachprüfungsverfahren vorliegen: (1) Antragsbefugnis Für die Antragsbefugnis muss der Antragsteller darlegen124, dass er im aufgehobenen Vergabeverfahren eine Aussicht auf die Zuschlagserteilung gehabt hätte.125 Der Antragsbefugnis (Rechtsschutzbedürfnis) steht auch nicht entgegen, dass der Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer vor dem Wirksamwerden der Aufhebung durch Zugang des Aufhebungsschreibens gestellt wird. Der Nachprüfungsantrag wächst nach dem Wirksamwerden der Aufhebung in die Zulässigkeit hinein. Vom Antragssteller zu verlangen, nach Wirksamkeit der Aufhebung einen neuen Nachprüfungsantrag zu stellen, wäre eine nicht zumutbare Förmelei.126 Die Antragsbefugnis ist aber zu verneinen, wenn die (rechtswidrige) Aufhebung noch gar nicht erfolgt ist, sondern von der Vergabestelle bisher im 123 Reidt/Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, 580, 591; Mantler, VergabeR 2003, 119, 128; vgl. auch oben im 2. Teil unter C. IV. 2. 124 Näher zu dieser Darlegung, Teil 1, B. III. 1. a). Die VK kann inzwischen nur noch eingeschränkter darauf abstellen, dass das Angebot zwingend auszuschließen gewesen wäre (so aber noch VK Hessen, Beschl. v. 10.6.2004 – 69d-VK-27/2004, S. 5 ff.). 125 Braun/Seeger, NZBau 2001, 485, 488; VK Bund, Beschl. v. 19.7.2002 – VK 2 – 44/02, S. 8 f. Nach einer weitergehenden Auffassung genügt bei einem Bieter, der darlegen kann, dass er ein bedingungsgemäßes Angebot abgegeben hat, zur Antragsbefugnis schon der Hinweis darauf, dass ihm sei durch die Aufhebung die Chance auf Zuschlagserteilung genommen worden – Beschl. v. 26.1.2000, VK 1 – 31/99 (Schutzwesten), NZBau 2000, 310; Hübner, VergabeR 2002, 429, 433. 126 VK Brandenburg, Beschl. v. 30.7.2002 – VK 38/02, ZfBR 2003, 88 (Umdr. S. 16).

572 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

Rahmen eines noch nicht abgeschlossenen Willensbildungsprozesses nur in Erwägung gezogen worden ist.127 (2) Rügepflicht nach Aufhebung? Unzweifelhaft besteht dann keine Rügepflicht für die Rechtswidrigkeit der Aufhebung, wenn die Aufhebung erst während des wegen anderer Vergaberechtsverstöße eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens erfolgt. Hier kommt der Sinn der Rüge, die Vermeidung von unnötigen Nachprüfungsverfahren, nicht zum Tragen. Es genügt, wenn die vor dem Nachprüfungsverfahren liegenden Verstöße gerügt worden sind.128 Für den Fall, dass vor der Aufhebung noch kein Nachprüfungsverfahren wegen anderer Vergaberechtsverstöße eingeleitet worden war, wird die Rügepflicht aber unterschiedlich beurteilt. Nach der überwiegenden Auffassung ist vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens wegen der Unzulässigkeit einer Aufhebung eine Rüge nach § 107 III GWB erforderlich.129 Dagegen muss der Bieter nach Auffassung der VK Brandenburg die Aufhebung vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens nicht rügen. Zunächst war sie noch davon ausgegangen, dass auch im Fall der Aufhebung eines Vergabeverfahrens eine Rüge erforderlich ist.130 Davon ist sie jedoch im Beschl. v. 17.9.2002131 abgewichen. Hebt ein öffentlicher Auftraggeber ein Vergabeverfahren auf, gebe er damit zu erkennen, dass er auf die Auftragsvergabe definitiv verzichten will. Eine Rüge sei zwecklos, da ein Bewerber im Falle einer Aufhebung davon ausgehen könne, dass der Auftraggeber von seinem Standpunkt nicht mehr abweichen will. Eine Rüge an den Auftraggeber wäre dann nur noch bloße Förmelei.132 Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen. Denn auch nach Aufhebung der Ausschreibung erscheint es 127

OLG Naumburg, Beschl. v. 13.5.2003 – 1 Verg 2/03, NZBau 2004, 62 = IBR 2003, 445 (Wittchen). 128 Hübner, VergabeR 2002, 429, 434 m. w. N. 129 OLG Koblenz, Beschl. v. 10.4.2003 – 1 Verg 1/03, VergabeR 2003, 448 m. Anm. Erdl = ZfBR 2003, 506 = IBR 2003, 380 (Horn); VK Bund, Beschl. v. 19.7.2002 – VK 2 – 44/02, S. 8 f.; VK Sachsen, Beschl. v. 21.8.2002 – 1/SVK/ 077-02, S. 10; Reidt/Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, 580, 591; Mertens, S. 76 f. Auch nach Hübner, VergabeR 2002, 429, 433 wirft die Rügepflicht bei Verfahrensaufhebungen keine gesonderten Probleme auf. 130 VK Brandenburg, Beschl. v. 30.7.2002 – VK 38/02, ZfBR 2003, 88 (S. 15 f.). 131 VK Brandenburg, Beschl. v. 17.9.2002 – VK 50/02, S. 18 f. (LS in NZBau 2003, 173). 132 VK Brandenburg, Beschl. v. 17.9.2002 – VK 50/02, S. 18 f. (LS in NZBau 2003, 173).

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Auftraggeber auf eine Rüge hin die Aufhebung rückgängig macht. Einen anderen Begründungsansatz zur Verneinung der Rügepflicht bei Aufhebung der Ausschreibung verfolgt die VK Hamburg.133 Sie lässt zunächst mangels Wartefrist zwischen Rüge und Nachprüfungsantrag auch bei der Aufhebung eine nahezu gleichzeitige Erhebung von Rüge und Nachprüfungsantrag zu. Die Kammer geht darüber hinaus auch davon aus, dass eine Rüge im vorliegenden Fall sogar entbehrlich gewesen wäre. Denn die Erfüllung einer Rügeobliegenheit darf nicht dazu führen, dass der Bieter Gefahr läuft, im Falle eines vorgeschalteten Rügeverfahrens seinen Rechtsschutz zu verkürzen. Eine solche Gefahr sah sie darin, dass ein weiteres Zuwarten die potenzielle Möglichkeit der Vergabekammer, die Aufhebung einer Ausschreibung gem. § 115 III GWB einstweilen zu untersagen, verschlechtert hätte. Auch diese Begründung für das Entfallen der Rügepflicht ist abzulehnen. Wenn man – wie hier vertreten – die Aufhebung auch nachträglich für aufhebbar hält134, dann droht durch die Unmöglichkeit einer vorbeugenden Untersagung der Zuschlagserteilung durch die VK nach § 115 III GWB keine Verschlechterung der Rechtsposition der Bieter. Im Ergebnis besteht die Rügepflicht daher auch bei Vergabeverfahren, die nach der Aufhebung eingeleitet werden.135 2. Lösungsmöglichkeit zur Beseitigung des Rechtsschutzdefizits – Einführung einer Vorabinformationspflicht vor der beabsichtigten Aufhebung des Vergabeverfahrens Als Lösung de lege ferenda kommt eine Erweiterung von § 13 VgV136 dahingehend in Betracht, dass er auch eine Vorabinformationspflicht für die Aufhebung der Ausschreibung vorsieht. Der Auftraggeber müsste danach mit der eigentlichen Aufhebung 14-Tage zuwarten. Innerhalb dieser Wartefrist könnten die Bieter dann gegen die beabsichtigte Aufhebung um 133

VK Hamburg, Beschl. v. 25.7.2002 – VgK FB 1/02, S. 9. Dies vertritt auch die VK Hamburg. 135 Für den Fall, dass nach der Aufhebung ein neues Vergabeverfahren eingeleitet worden ist, muss der Antragssteller nach Auffassung des OLG Koblenz, Beschl. v. 10.4.2003 – 1 Verg 1/03, VergabeR 2003, 448 m. Anm. Erdl = ZfBR 2003, 506 = IBR 2003, 380 (Horn) neben der Aufhebung des ursprünglichen Verfahrens auch die Neuausschreibung rügen und ggf. mit einem Nachprüfungsantrag anzugreifen. Das gegen die Aufhebung eingeleitete Nachprüfungsverfahren wirke nicht automatisch auch für die Neuausschreibung. 136 Bzw. der vorgeschlagenen Vorabinformationsregelung in einem eigenständigen Vergabegesetz. 134

574 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

Rechtsschutz nachsuchen. Auch die Generalanwältin beim EuGH, StixHackl, hat diese Lösungsmöglichkeit zur Sicherung des vom Europarecht verlangten Rechtsschutzes gegen die Aufhebung der Ausschreibung in ihrem Schlussantrag vom 16.12.2004 in der Rs. Koppensteiner ausdrücklich anerkannt.137 Wegen der Möglichkeit der nachträglichen Aufhebung der Aufhebung des Vergabeverfahrens ist die Einführung einer Vorabinformationspflicht vor der beabsichtigten Aufhebung für den Rechtsschutz des Bieters bei der Aufhebung – anders als bei der Zuschlagserteilung mit dem dort geltenden Grundsatz „pacta sunt servanda“ – zwar nicht zwingend erforderlich. Im Folgenden soll aber gezeigt werden, dass diese Lösung de lege ferenda dennoch vorzugswürdig ist. Zunächst wird herausgearbeitet, dass § 13 VgV auch nach der Hospital-Entscheidung des EuGH nicht schon de lege lata eine Vorabinformationspflicht vor Aufhebung schafft, so dass die Vorabinformationspflicht erst gesetzlich eingeführt werden muss, a). Sodann werden die Vorteile der Ermöglichung des Rechtsschutzes bereits vor Aufhebung des Vergabeverfahrens gegenüber der nachträglichen Ermöglichung des Rechtsschutzes dargestellt, b). Im Anschluss daran, wird die Ausgestaltung der Vorabinformationspflicht über die beabsichtigte Aufhebung im Einzelnen erörtert, c). a) De lege lata schafft § 13 VgV auch nach der Hospital-Entscheidung des EuGH keine Vorabinformationspflicht vor Aufhebung der Ausschreibung aa) Keine unmittelbare Anwendung von § 13 VgV zur Herleitung einer Information vor Aufhebung Eine (direkte) Anwendung über die (richtlinienkonforme) Auslegung scheitert am Wortlaut des § 13 VgV, denn dieser bezieht sich ausdrücklich nur auf eine Vorabinformation vor dem Zuschlag, nicht aber vor der beabsichtigten Aufhebung.138

137 Schlussanträge der GA Stix-Hackl vom 16.12.2004 in der RS C-15/04 – Koppensteiner, Monatsinfo forum vergabe e. V., 12/2004, S. 197. 138 Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502, 503; vgl. auch ausführlich unter B. III. 2. Anders Erdl, VergabeR 2001, 10, 16 f., die die Informationspflicht vor einer beabsichtigten Aufhebung schon de lege lata mit einer gemeinschafts- und verfassungskonformen Auslegung des § 13 S. 1 VgV herleiten will. Die Entstehungsgeschichte stehe dem nicht entgegen, da der Verordnungsgeber vor allem das Ziel hatte, den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen nachzukommen.

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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bb) Keine analoge Anwendung des § 13 VgV Auch eine analoge Anwendung von § 13 VgV kommt nicht in Betracht, da der Verordnungsgeber – wie gezeigt – bewusst auf eine Pflicht zur Vorabinformation über die Aufhebung verzichtet hat. Es fehlt also an einer planwidrigen Regelungslücke.139 Wegen der Nachinformationspflicht über die Aufhebung in § 26 Nr. 4 VOL/A wird auch bereits das Vorhandensein einer Regelungslücke abgelehnt.140 Da die Aufhebung – anders als die Zuschlagserteilung, für die § 13 VgV gilt – nachträglich überprüfbar ist, fehlt es auch an dem für die Analogie weiter erforderlichen vergleichbaren Interessenlage bzw. vergleichbarem Sachverhalt.141 Es müsste also durch den Gesetzgeber (im vorgeschlagenen neuen Vergabegesetz) die Vorabinformationspflicht für die Aufhebung der Ausschreibung eingeführt werden.142 Dem entspricht auch die Rechtlage in Österreich. Der BVA hat mit seiner Entscheidung vom 11.8.2003 abgelehnt, eine Pflicht des Auftraggebers zur Information über die beabsichtige Widerrufsentscheidung direkt oder analog aus den Vorabinformationspflichten über die Zuschlagsentscheidung (hier § 53 a BVergG 1997) herzuleiten.143 b) De lege ferenda: Vorteile der Einführung einer Vorabinformationspflicht Die Lösung über die Einführung einer Vorabinformationspflicht vor Aufhebung hat für die Beseitigung des Rechtsschutzdefizits gegenüber der nachträglichen Rückgängigmachung der Aufhebung folgende Vorteile:

139 Bauer/Kegel, a. a. O. Wegmann, NZBau 2001, 475, 477; Portz, VergabeR 2002, 211, 216; Ingenstau/Korbion – Portz, § 13 VgV Rn. 16. Deswegen spricht sich auch das OLG Dresden gegen eine Verpflichtung des Auftraggebers zur Vorabinformation aus, OLG Dresden, 13.7.2000, WVerg – 0003/00, WuW 2000, 1157, 1159 (Verg 359, 361) = ZVgR 2000, 222 = IBR 2000, 523 – Wittchen. Eine Nichtigkeit der Aufhebungsentscheidung gem. § 13 VgV wurde nicht einmal angesprochen von VK Nordrhein-Westfalen (Münster), Beschl. v. 8.6.2001 – VK 13/01, IBR 2001, 696 (Noch). 140 VK Hamburg, Beschl. v. 25.7.2002 – VgK FB 1/02, S. 13. 141 VK Hamburg, Beschl. v. 25.7.2002 – VgK FB 1/02, S. 13. 142 Zu deren näherer Ausgestaltung unter 2. c). 143 BVA, v. 11.8.2003, RPA 2004, 45; anders Madl, RPA 2004, 15 ff.

576 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

aa) Gefahr des Rechtsschutzausschlusses, wenn nach Aufhebung im anschließenden freihändigen Vergabeverfahren der Zuschlag bereits erteilt ist Für die Durchsetzung des Primärrechtsschutzes nach der Aufhebung ist die Information nach § 26 Nr. 2 VOB/A entscheidend. Problematisch ist allerdings, dass die Einhaltung dieser Nachinformationspflichten nicht sichergestellt bzw. ggf. erst in einem eigenen Nachprüfungsverfahren durchgesetzt werden muss.144 Erteilt der Auftraggeber die Nachinformation nicht, verfolgt seine ursprünglich bestehende Vergabeabsicht nach Aufhebung im freihändigen Vergabeverfahren weiter und erteilt hier freihändig den Zuschlag, so kann es nach wie vor zu Rechtsschutzdefiziten der Bieter kommen: Der Zuschlag wird nämlich von der Entscheidungspraxis unter bestimmten Umständen als wirksam angesehen, so dass der Erlangung von Rechtsschutz gegen die Aufhebung zwar nicht mehr die Aufhebung der Ausschreibung, aber der später erteilte Zuschlag und damit § 114 II GWB entgegenstehen kann: Der im freihändigen Vergabeverfahren erteilte Zuschlag setzt nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 19.11.2003145 keine Vorabinformation nach § 13 VgV voraus, da nur mit einem Bieter verhandelt werde. Der Auftrag wurde nicht mehr im Rahmen des offenen Verfahrens vergeben, da dies durch die Aufhebung beendet wurde und keine Scheinaufhebung vorlag. Danach greift hier auch die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV nicht ein.146 Im Ergebnis kann also nach der Entscheidungspraxis unter bestimmten Umständen die Erlangung von Rechtsschutz gegen die Aufhebung zwar nicht mehr an der Aufhebung der Ausschreibung, aber am später erteilten Zuschlag und damit an § 114 II GWB scheitern. Bei Einführung eines Vorabinformationsanspruchs vor Aufhebung, der mit einer Nichtigkeitsfolge abgesichert ist, wäre dies anders.

144

Vgl. auch Erdl, VergabeR 2001, 10, 16. Verg 59/03, ZfBR 2004, 202, 203 ff. 146 Nach der Literatur hilft aber in der Regel in Fällen, in denen vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gegen die Aufhebung der Ausschreibung bereits der Zuschlag in dem „neuen“ Vergabeverfahren erteilt wurde, § 13 VgV. Dieser Zuschlag sei wegen Verstoßes gegen § 13 nichtig, da das unwirksam aufgehobene Vergabeverfahren noch andauere und daher auch die Bieter aus diesem Vergabeverfahren informiert hätten werden müssen (vgl. Mantler, VergabeR 2003, 119, 128; Erdl, Anm. zu OLG Koblenz, Beschl. v. 10.4.2003, VergabeR 2003, 453, 454; so auch entsprechend für die österreichische Rechtslage, BVA, 29.8.2002, N-19/02-19, RPA 2002, 284, 290). 145

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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bb) Vermeidung überflüssiger Vergabeverfahrenshandlungen Wird Rechtsschutz erst nach Aufhebung des Vergabeverfahrens eingeräumt, so ist zumeist schon das „neue“ Vergabeverfahren (i. d. R. ein Verhandlungsverfahren) begonnen, weshalb unnötige Verfahrenshandlungen vorgenommen werden. Dies kann verhindert werden, wenn man den Rechtsschutz vor der Aufhebung ermöglicht: Erfolgt vor Aufhebung die Vorabinformation über die Gründe für die beabsichtigte Aufhebung, müssen daraus erkennbare Rechtsverstöße auch noch vor Aufhebung gerügt werden. Erfolgt keine Rüge, so gewinnt der Auftraggeber schnell abschließend Sicherheit darüber, ob er mit dem neuen Vergabeverfahren beginnen kann.147 Es kann nicht dazu kommen, dass ein nach Aufhebung begonnenes Vergabeverfahren wegen der Unzulässigkeit der Aufhebung umsonst betrieben wurde. Problematisch ist allerdings der Fall, dass zwar eine Rüge erfolgt, danach aber kein Nachprüfungsantrag eingeleitet wird.148 Der Bieter ist nämlich beim Rechtsschutz gegen die bevorstehende Aufhebung nicht unbedingt zur schnellen Einlegung des Nachprüfungsantrags gezwungen. Denn zum einen droht hier nicht der Ausschluss der Primärrechtsschutzmöglichkeit durch die erfolgte Aufhebung, sondern Primärrechtsschutz ist auch danach noch möglich. Zum anderen ist auch keine Frist für die Einlegung des Nachprüfungsantrags nach der Rüge vorgeschrieben. Allerdings kann der Bieter nach Aufhebung nicht „unendlich lange“ mit seinem Nachprüfungsantrag zuwarten, denn es droht zumindest die Rechtsschutzvereitelung durch den Zuschlag im nach Aufhebung eingeleiteten neuen Vergabeverfahren. cc) Weiteres Folgeproblem der nachträglichen Aufhebbarkeit der Aufhebung Ist die Aufhebungsentscheidung mit Erfolg angefochten, müssen die durch die Aufhebung erloschenen Angebote wieder aktiviert werden: Mit der Aufhebungserklärung (empfangsbedürftige Willenserklärung) lehnt der Auftraggeber sämtliche Angebote ab, so dass diese nach § 146 BGB erlöschen.149 Das deutsche einstufige („monistische“) Vergaberechtssystem kennt also neben der (faktischen) Einheit von Zuschlagserteilung (Zuschlag) und Vertragsschluss, auch die Einheit von Aufhebung und Ablehnungserklärung.150 Es ist zweifelhaft, wie mit der vergaberechtlich mögli147

Vgl. auch Hübner, VergabeR 2002, 429, 433. Dies übersieht Hübner, VergabeR 2002, 429, 433. 149 Höfler, ZfBR 2000, 148, 152 m. w. N.; Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502, 503. 148

578 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

chen Aufhebung der Aufhebung durch die Vergabekammer die zivilrechtliche Ablehnungserklärung wieder beseitigt werden kann. Für ein automatisches Wiederaufleben gibt es nach richtiger Ansicht keine zivilrechtliche Grundlage.151 Die §§ 26 VOB und VOL sind auch keine Verbotsgesetze i. S. v. § 134 BGB.152 In der Praxis lässt sich das Problem aber folgendermaßen lösen: Ist der Auftraggeber bei rechtswidriger Aufhebung zur Rückgängigmachung der Aufhebung verpflichtet, teilt er allen Bietern die Fortsetzung des aufgehobenen Vergabeverfahrens mit. Die an der Auftragsvergabe weiterhin interessierten Bieter können ihr Angebot dann durch Erklärung wieder aufleben lassen. Wenn durch die Dauer des Nachprüfungsverfahrens gegen die Aufhebung die Bindefrist für die Bieter abgelaufen ist, folgt die Notwendigkeit der Zustimmung der in Betracht kommenden153 Bieter zur Weitergeltung ihrer Angebote (Verlängerung der Zuschlagsfrist) nicht nur aus der Ablehnungserklärung, sondern auch aus dem zeitlichen Erlöschen des Angebotes.154 Die Lösung über die Vorabinformationspflicht hat den Vorteil, dass es vor dem Ablaufen der Zuschlags- und Bindefrist nicht zu einem Erlöschen der Angebote kommt und so auch die Zustimmung der Bieter zum Wiederaufleben der Angebote nicht erforderlich ist. Denn durch die Vorabinforma150

Bauer/Kegel, a. a. O. Bauer/Kegel, Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502, 503 m. w. N. Nach anderer Auffassung wird durch Rückgängigmachung der Aufhebung das Erlöschen der Angebote ex tunc wieder beseitigt, solange die Zuschlagsfrist noch nicht abgelaufen ist. Das Vergabeverfahren werde in den Stand vor der Aufhebung zurückversetzt, was zivilrechtlich bewirke, dass das nach § 146 BGB angeordnete Erlöschen der Angebote mit Wirkung ex tunc automatisch wieder beseitigt wird. – VK Bund, Beschl. v. 26.1.2000 – VK 1 – 31/99, NZBau 2000, 310, 312 (so auch nach der österreichischen Rechtslage: BVA, 29.8.2002, N-19/02-19, RPA 2002, 284, 290 – Nichtigerklärung der Aufhebung wirkt ex nunc). Davon geht auch Schelle, BauR 2000, 1664, 1665 aus. Er bewertet dies kritisch, da das Wiederaufleben unabhängig vom Willen der Bieter geschieht. Diese seien nach Aufhebung der Ausschreibung vielfach nicht mehr am Auftrag interessiert, jedenfalls nicht mehr zu den bisherigen Konditionen. Sie wollen nach der Aufhebung der Ausschreibung anderweitig disponieren und nicht abwarten; vgl. auch Ax, ZVgR 2000, 153, 154. 152 Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502, 503 m. w. N.; für die Verbotsgesetzeigenschaft dagegen zu Unrecht Byok, WuW 2000, 718, 724 f. 153 Mit den übrigen Bietern muss er nichts eine Verlängerung vereinbaren, da er mit diesen ja auch keinen Vertrag schließen will und ihn so der Ablauf der Zuschlagsfrist nicht stört. 154 Dazu schon im Teil 2, C. VII. 5. Eine Zustimmung zur zeitlichen Weitergeltung des Angebotes in einem Fall des Rechtsschutzes gegen die Aufhebung erfolgte in den Fällen der VK Sachsen, Beschl. v. 21.8.2002 – 1/SVK/077-02, S. 5 ff. und VK Sachsen, Beschl. v. 5.9.2002 – 1/SVK/073-02, S. 21. 151

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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tionspflicht wird bereits die Aufhebung verhindert, so dass auch die Angebote wegen der Aufhebungserklärung nicht erlöschen können. Insgesamt ist daher der Lösung des Rechtsschutzdefizits über die Einführung einer Vorabinformationspflicht vor Aufhebung der Vorzug vor der nachträglichen Aufhebung der Ausschreibung zu geben. Denn die Beseitigung einer bereits vorgenommenen Aufhebung und deren Folgen in einem anschließenden Nachprüfungsverfahren kann – wie gezeigt – erheblich größere Schwierigkeiten bereiten, als dies bei der Nachprüfung im Vorfeld der Aufhebung der Fall ist.155 Eine Informationspflicht vor Aufhebung der Ausschreibung sollte folglich de lege ferenda eingeführt werden.156 Die Nachprüfungsinstanz hat dann die Möglichkeit, die rechtswidrige Aufhebung zu verbieten. Allerdings kann sie dies nach dem unter C. IV. 1. d) aa) (2) Ausgeführtem nur dann, wenn die Vergabeabsicht des Auftraggebers fortbesteht. c) Ausgestaltung der Vorabinformation über die Aufhebung de lege ferenda im Einzelnen Für die Ausgestaltung der Vorabinformation über die Aufhebung bietet sich die Erweiterung des schon erwähnten Vorschlags einer Vorabinformationspflicht im Entwurf der VgV v. 8.6.2000 an.157 Dementsprechend sollte in der oben vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung der Vorabinformationspflicht vor Zuschlagserteilung ein eigenständiger zweiter Absatz158 für die Vorabinformation vor beabsichtigter Aufhebung angefügt werden:159 155

So auch Ingenstau/Korbion-Portz, A § 26 Rn. 46. Die Einführung einer Vorabinformationspflicht favorisieren auch Lotze, Anm. zu EuGH, Urt. v. 18.6.2002, EWiR 2002, 1015, 1016; Irmer, S. 205 m. w. N. Auch im Monatsinfo forum vergabe e. V. 6/2002, 91, 92 wird die Einführung einer Vorabinformationspflicht für die „elegantere Lösung“ gehalten; Ingenstau/Korbion-Portz, A § 26 Rn. 46. Nach Dreher, Anm. zu EuGH, Urt. v. 18.6.2002, JZ 2002, 1101, 1102 m. w. N. ist diese Einführung der Vorabinformationspflicht deswegen rechtlich zwingend geboten, da die im Wege hergeleitete nachträgliche Aufhebbarkeit der Aufhebung zur korrekten Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben im Hinblick auf den Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung nicht genüge. Eine richtlinienkonforme Verwaltungs- und Gerichtspraxis reiche dafür nicht aus. Denn da Vergaberichtlinien subjektive Rechte begründen, müsse die Rechtslage hinreichend klar und bestimmt sein, was bei einer richtlinienkonformen nicht ausreichend der Fall sei. 157 Einen solchen Vorschlag machen auch Gottschalck, Anm. zu EuGH, Urt. v. 18.6.2002, VergabeR 2002, 368, 369; Bauer/Kegel, Anm. zu EuGH v. 18.6.2002, EuZW 2002, 502, 503. 158 Man könnte daran denken, keinen selbstständigen neuen Absatz für die Vorabinformation vor der beabsichtigten Aufhebung einzuführen, sondern eine Ergänzung des jetzigen § 13 VgV um die Aufhebung vorzunehmen. Dies ist abzulehnen, da die jetzige Formulierung dann überfrachtet würde. 156

580 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens „Beabsichtigt der Auftraggeber, das Vergabeverfahren durch Aufhebung zu beenden, sind alle Bieter spätestens 14 Kalendertage vor der Aufhebung unter Angabe des Grundes der Aufhebung schriftlich zu informieren. Das Vergabeverfahren darf vor Ablauf der Frist oder ohne dass die Information zuvor an alle Bieter erteilt worden ist, nicht aufgehoben werden. Eine dennoch vorgenommene Aufhebung des Vergabeverfahrens ist unwirksam. Sie führt insbesondere nicht zum Erlöschen der Angebote der Bieter.“

Mit der Einführung der Vorabinformationspflicht wird – wie bei der Regelung zur Zuschlagsentscheidung – zwischen Aufhebungsentscheidung und Aufhebung differenziert. Die Aufhebungsentscheidung ist die im internen Organisationssystem des Auftraggebers getroffene Entscheidung, das Vergabeverfahren aufzuheben. Sie ist den Bietern unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Nach der Widerrufsentscheidung ist eine Stillhaltefrist vorzusehen. Erst nach deren Ablauf erfolgt die Aufhebung, die das Vergabeverfahren nach außen beendet. Während der Stillhaltefrist haben die Bieter die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung überprüfen zu lassen.160 Die Anordnung der Nichtigkeit der Aufhebung der Ausschreibung beim Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht ist nicht zwingend erforderlich, da auch nach der Aufhebung Primärrechtsschutz (bei fortbestehender Vergabeabsicht) erlangt werden kann.161 Dennoch sollte sie in die Vorabinformationsregelung aufgenommen werden, da nur so die Information über die Aufhebung, insbes. deren Gründe, in jedem Fall sichergestellt werden kann und durch die Anordnung der Nichtigkeitsfolge bei den Vergabestellen auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Vorabinformation erhöht wird. Außerdem stellt die nachträgliche Möglichkeit der Aufhebung wie gezeigt gerade kein vollwertiges Äquivalent zur Verhinderung der rechtswidrigen Aufhebung schon im Vorfeld dar. Da damit eine Vorabinformation vor der Aufhebung sichergestellt wird, ist nicht einzusehen, warum der Bieter die ihm damit gebotene Rechtsschutzmöglichkeit verstreichen lassen kann, um erst nach der Aufhebung um Rechtsschutz nachzusuchen. Der Auftraggeber hat nach Erteilung der Vorabinformation ein berechtigtes Interesse daran, schnell Sicherheit über 159 Solange das einheitliche Vergabegesetz noch nicht erlassen ist, sollte § 13 VgV durch einen Absatz 2 ergänzt werden. 160 So auch der Vorschlag von Pock, Anm. zu den Schlussanträge des GA Tizziano v. 28.6.2001 im Vorabentscheidungsverfahren C-92/00, Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik/Wiener Krankenanstaltenverbund, RPA 2001, 94, 95 zur entsprechenden österreichischen Rechtslage. 161 Dementsprechend wird die Einführung der Vorabinformationspflicht ausdrücklich ohne die Nichtigkeitsfolge auch vorgeschlagen von Hübner, VergabeR 2002, 429, 433.

C. Behebung des fehlenden Rechtsschutzes wegen EG-Rechtswidrigkeit

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die Anfechtung der beabsichtigten Aufhebung der Ausschreibung zu haben.162 Daher sollte vor dem Hintergrund der Anordnung der Unwirksamkeit der Aufhebung bei Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht in § 114 II S. 1 GWB ausdrücklich vorgesehen werden, dass eine einmal vorgenommene Aufhebung nicht mehr überprüft werden kann. Mit Einführung der Vorabinformationspflicht für die Aufhebung sollten die entsprechenden Nachinformationspflichten in den Verdingungsordnungen gestrichen werden. Allein mit der vorgeschlagenen Einführung der Vorabinformationspflicht ist allerdings die Möglichkeit von Primärrechtsschutz vor der Aufhebung nicht sichergestellt: Das mit der Vorabinformation noch vor Aufhebung ermöglichte Nachprüfungsverfahren hat keinen Suspensiveffekt im Hinblick auf die Aufhebung des Vergabeverfahrens. § 115 I GWB gilt nicht für die Aufhebung, so dass der Auftraggeber nach Ablauf der vorgeschlagenen Wartefrist trotz anhängigem Nachprüfungsverfahren (genauer: trotz Zustellung des Nachprüfungsantrages bei der Vergabestelle) das Vergabeverfahren aufheben kann. Er kann also die Aufhebung noch kurz bis vor dem Ende des Nachprüfungsverfahrens vornehmen.163 Mit der Aufhebung des Vergabeverfahrens durch die Vergabestelle gehen wegen der nachträglichen Aufhebbarkeit der Aufhebung zwar nicht die Primärrechtsschutzmöglichkeiten der Bieter verloren.164 Aber der dargestellte Zweck der Einführung der Vorabinformation, die Aufhebung schon zuvor zu verhindern, wird nicht erreicht. Zur Lösung der aufgezeigten Problematik bieten sich 2 Ansätze an: – Untersagung der Aufhebung nach § 115 III GWB durch die VK Die Vergabekammer kann nach § 115 III GWB die bevorstehende Aufhebung untersagen (dazu schon unter B. II.). Bisher ist diese Untersagung der Aufhebung von der Entscheidungspraxis kaum vorgenommen worden. Ansonsten wäre es nicht zu den Entscheidungen gekommen, bei denen die Aufhebung noch während des Nachprüfungsverfahrens bis kurz vor dessen Beendigung erfolgte.165 Inzwischen wurde aber in der Entscheidungspraxis durch die VK Sachsen166 erstmalig die drohende Aufhebung einer Ausschreibung durch die Anwendung von § 115 III GWB verhindert. Dieckert spricht in seinem Entscheidungskommentar167 zu 162

Siehe bereits oben unter b) aa). Zu dementsprechenden Fällen unter B. III. 4. 164 Sofern man nicht die soeben vorgeschlagene Änderung von § 114 II GWB vornimmt. 165 Siehe unter B. III. 4. 166 Beschl. v. 4.3.2002 – 1/SVK/019-02, IBR 2002, 322 – Dieckert. 167 IBR 2002, 322. 163

582 3. Teil: Primärrechtsschutz im Hinblick auf Aufhebung des Vergabeverfahrens

Recht von „Pionierarbeit“ der Vergabekammer. Wegen der beschriebenen Vorteile eines Rechtsschutzes bereits vor der erfolgten Aufhebung wäre auch das für einen solchen Antrag erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen. Die Notwendigkeit zur Sicherung der Rechte durch die Anordnung lässt sich nach der notwendigen Änderung der Entscheidungspraxis allerdings nicht mehr damit begründen, dass nach der Aufhebung des Vergabeverfahrens kein Primärrechtsschutz mehr möglich ist und damit die Untersagungsverfügung nach § 115 III GWB damit die einzig wirksame Maßnahme zu Sicherung des Primärrechtsschutzes ist.168 – Zweiter Ansatz wäre, de lege ferenda § 115 I GWB dahingehend zu erweitern, dass nach Zustellung des Nachprüfungsantrags an die Vergabestelle nicht nur die Zuschlagserteilung, sondern auch die Aufhebung der Ausschreibung gehindert ist. Diese Lösung ist auch zu favorisieren, da der Suspensiveffekt hier automatisch eintritt und nicht ein besonderer Antrag nach § 115 III GWB nötig ist. Außerdem erfolgt die Untersagung der Aufhebung nach § 115 III GWB nur, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine unmittelbar bevorstehende Aufhebung bestehen. Solche werden zur Zeit der Entscheidung der VK über den Antrag nach § 115 III GWB oft nicht vorliegen, so dass der Antrag abzuweisen ist. Später könnte dann die Vergabestelle dennoch das Vergabeverfahren aufheben.169

168

So vor der Änderung der Entscheidungspraxis noch VK Sachsen, Beschl. v. 4.3.2002 – 1/SVK/019-02, S. 5. 169 Etwa, weil sie fest davon überzeugt ist, der Nachprüfungsantrag gegen die Aufhebung werde ohnehin unbegründet sein.

D. Ergebnis für den 3. Teil der Arbeit

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D. Ergebnis für den 3. Teil der Arbeit Zwar kann den Vorgaben des Europarechts genügender effektiver Rechtsschutz bei der Aufhebung des Vergabeverfahrens schon de lege lata dadurch entsprochen werden, dass die nachträgliche Überprüf- und Aufhebbarkeit der Aufhebung ermöglicht wird. Dennoch sollte zur Sicherung des Rechtsschutzes bei der Aufhebung eine Vorabinformationspflicht vor Aufhebung durch Erweiterung der in § 13 VgV enthaltenen Regelung eingeführt werden. Es ist daher zu bedauern, dass dies bisher bei der geplanten Überführung der Vorabinformationsregelung in § 101 a/b GWB im Zuge der angestrebten Verschlankung des Vergaberechts1 nicht vorgesehen ist. Ein Formulierungsvorschlag für die Gesamtregelung der Vorabinformationspflicht unter Einschluss der Information über die Aufhebung findet sich beim Gesamtergebnis der Arbeit (Teil 5). Darüber hinaus ist in § 115 I GWB auch ein Suspensiveffekt des Nachprüfungsverfahrens für die Aufhebung des Vergabeverfahrens vorzusehen.2

1

Ausführlich im Teil 1, A. VII. und Teil 2, C. I. 2. Für den Prüfungsumfang der Vergabekammer im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung und die Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Nachprüfungsverfahren gegen die beabsichtigte Aufhebung kann auf das zur 1. Lösungsmöglichkeit Ausgeführte verwiesen werden. 2

4. Teil

Der Primärrechtsschutz in Deutschland unterhalb der Schwellenwerte1 – Absicherung durch einen Vorabinformationsanspruch? A. Einführung in die Problematik In den vorangegangenen Ausführungen spielte die Vorabinformationspflicht nur für die Rechtslage oberhalb der Schwellenwerte eine Rolle. Durch die jüngsten Entwicklungen in einigen Bundesländern (Sachsen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen) hat der Informationsanspruch aber auch unterhalb der Schwellenwerte Bedeutung erlangt: Unterhalb der Schwellenwerte sind den nicht berücksichtigten Bietern und Bewerbern weitgehend keine Primärrechtsschutzmöglichkeiten eingeräumt. Dieser Rechtsschutzausschluss wird als eines der zentralen Problemfelder des Vergaberechtsschutzsystems angesehen2 und war daher schon Gegenstand zahlreicher Monographien, Aufsätzen und Urteile.3 Dies hängt insbesondere mit der wirtschaftlichen Bedeutung der Auftragsvergabe unterhalb der Schwellenwerte zusammen. Denn es werden ungefähr 50% des 1 Die nachfolgenden Ausführungen gelten nicht nur für Aufträge unterhalb der Schwellenwerte, sondern auch für die Aufträge, die nach dem enumerativen Katalog des § 100 II GWB ausdrücklich von der Anwendung des durch die Richtlinien bestimmten Vergaberechts ausgenommen sind. Dies sind bspw. Grundstückskauf- und -mietverträge, Arbeitsverträge sowie Aufträge mit militärischem Bezug oder Geheimhaltungscharakter. 2 Nach sehr weit verbreiteter Auffassung ist der Rechtsschutzausschluss rechtlich und auch vor dem Hintergrund seiner praktischen Auswirkungen nicht haltbar, näher unter C. 3 Monographien: Pietzcker (2001); Krist (2001); Kraft-Lehner (2002); Aufsätze: Dreher, NZBau 2002, 419; Freitag, NZBau 2002, 204; Huber, JZ 2000, 877; Binder, ZZP 113. Band (2000), 195; Krist, VergabeR 2001, 373; Loewenich, ZVgR 1999, 34; Gutknecht, Behördenspiegel März 2001, S. B III. Als Urteile zur Problematik sind insbesondere OLG Stuttgart, Urt. v. 11.4.2002 – 2 U 240/01, WuW 2002, 653, 655 f. (Verg 591) = IBR 2002, 266 (Schulze-Hagen) und OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.4.2003, NZBau 2003, 462 = VergabeR 2003, 429 m. Anm. Krist = WuW 2003, 845 zu nennen. Auch in der Fragebogenaktion des BMWi zu den Erfahrungen mit dem VgRÄG kristallisierte sich der Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte als das zentrale Problem der Vergaberechtspraxis heraus.

A. Einführung in die Problematik

585

Gesamtvolumens aller öffentlichen Aufträge in diesem Bereich vergeben.4 Wegen der geringeren Auftragswerte liegt die Anzahl der Aufträge, die unterhalb der Schwellenwerte liegen, sogar deutlich über 50 Prozent.5 Für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte haben nun Sachsen zum 1.1.2003 und Schleswig-Holstein zum 1.10.2003 durch die dort neu geschaffenen Vergabegesetze6 ausdrücklich eine Vorabinformationspflicht über die Zuschlagsentscheidung vor Vertragsschluss für ihre öffentlichen Auftraggeber eingeführt. Auch für das zum 1.1.2003 in Niedersachsen in Kraft getretene niedersächsische Landesvergabegesetz wird diskutiert, ob es für Aufträge unterhalb der Schwellenwerte eine Vorabinformationspflicht enthält. Die Auswirkungen dieser, in Vergaberechtskreisen viel beachteten und mit großen Erwartungen begleiteten7 Einführung dieser Vorabinformationspflichten auf die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte, insbesondere auf die Rechtsschutzmöglichkeiten der nichtberücksichtigten Bieter sollen im Folgenden analysiert werden. Dazu ist zunächst die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte darzustellen. Insbesondere soll auf die Rechtsschutzmöglichkeiten der Bieter in diesem Bereich eingegangen werden (B.). Sodann ist im Überblick die Kritik am bestehenden Rechtszustand zu umreißen, um so die Motivation für die Einführung der Vorabinformationspflichten in Sachsen und (unmittelbar bevorstehend) in Schleswig-Holstein zu verdeutlichen und auch die Bedeutung dieser Neuregelungen aufzuzeigen (C.). Im Anschluss daran werden die Auswirkungen der Einführung der 4 Puhl, 2. Bericht zur Staatsrechtslehrertagung 2000 zum Beratungsgegenstand „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber“, VVDStRL 60, S. 456, 473 m. w. N. 5 Es wird sogar davon ausgegangen, dass 87% der Aufträge unterhalb der Schwellenwerte vergeben werden. Im Bereich der VOB seien dies sogar 98%, so Mittenbacher auf einer Vortragsveranstaltung des forum vergabe e. V. am 18.4.2002 in Leipzig und Dreher, NZBau 2002, 419, 420; Ebenso schätzt Schulze-Hagen, Anm. zu OLG Stuttgart, Urt. v. 11.4.2002 – 2 U 240/01, IBR 2002, 266, dass mehr als 90% aller Aufträge unterhalb der Schwellenwerte liegen. Auch nach dem österreichischen Bundesgesetzgeber beträgt das Verhältnis der Verfahren im Oberschwellenbereich zu den Verfahren im Unterschwellenbereich durchschnittlich ca. 1 : 10 (so A 7.7 der Begründung für die Regierungsvorlage des BVergG 2002). Zum Verhältnis von Ober- und Unterschwellenvergaben vgl. auch die Statistiken des BMWA, die nach den Statistikpflichten der Verdingungsordnungen für die Jahre 2000 und 2001 erstellt worden sind, näher dazu Monatsinfo forum vergabe e. V. 1/2003, S. 4 f. (Das dort aufgeführte Zahlenmaterial unterscheidet aber nur teilweise zwischen Ober- und Unterschwellenvergaben). Danach wurden 2001 im VOL- und VOF-Bereich von den Bundesbehörden nur 743 Aufträge über, aber 84.604 Aufträge unterhalb der Schwellenwerte vergeben! 6 Und in Sachsen durch die darauf basierende Verordnung. 7 Dazu näher unter E.

586

4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

Vorabinformationspflicht auf die Rechtsschutzmöglichkeiten der übergangenen Bieter in Sachsen untersucht (D). Allerdings wird kein eigenes System zum Vergaberechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte entworfen. Die Untersuchung soll sich vielmehr auf die Auswirkungen des sächsischen und schleswig-holsteinischen Modells der Einführung einer Vorabinformationspflicht unterhalb der Schwellenwerte beschränken. Es erfolgt somit auch keine Auseinandersetzung mit der Frage, ob nicht sogar eine Pflicht zur Einführung einer Vorabinformation unterhalb der Schwellenwerte besteht.8 Von dieser Würdigung der Notwendigkeit von Vorabinformationspflichten wird abgesehen, da dies nicht ohne eine umfassende Gesamtwürdigung der Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte (Haltbarkeit des Ausschluss von subjektiven Rechten und Primärrechtsschutz) möglich ist, dies aber den Rahmen der Arbeit sprengen würde.

8

Vgl. dazu aber die Nachweise in Fn. 2.

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte Unterhalb der Schwellenwerte ist das Vergaberecht nach wie vor Haushaltsrecht. Das Vergabewesen wird hier durch das Haushaltsrecht des Bundes, der Länder und Gemeinden geregelt. Die einschlägigen gesetzlichen Regelung sind auf Bundesebene insbesondere § 55 BHO1 und § 30 HGrG2: § 30 des HGrG sieht vor, dass ein öffentlicher Auftrag vor dessen Vergabe auszuschreiben ist. Die Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung ist auch in § 55 BHO bzw. § 55 der jeweiligen Landeshaushaltsordnung enthalten, die in vollem Umfang dem § 30 HGrG entsprechen.3 Im Gemeindebereich schreiben die Vorschriften der jeweiligen Gemeindehaushaltsverordnung4 vor, dass ein öffentlicher Auftrag vor dessen Vergabe auszuschreiben ist. In § 55 II der Haushaltsordnung des Bundes wird darüber hinaus festgelegt, dass die öffentlichen Auftraggeber beim Abschluss von Verträgen „nach einheitlichen Grundsätzen“ vorgehen müssen. Gleiches ist auch in den Landeshaushaltsordnungen und den Gemeindehaushaltsverordnungen vorgesehen.5 Aufgrund dieser Haushaltsregelungen werden vom zuständigen Ministerium Verwaltungsvorschriften erlassen, die die Anwendung des ersten Abschnittes6 von VOB und VOL, nicht aber der VOF, die nur oberhalb der Schwellenwerte gilt, vorschreiben.7 Die VOB und die VOL erhalten also Wirksamkeit nur durch die Beschlüsse der zuständigen Ministerien, die ihre Anwendung im Behördenbereich verbindlich vorschreiben.8 Sie 1

Daneben sind die §§ 24 und 54 BHO zu erwähnen. Vgl. auch §§ 16 und 29 HGrG. 3 Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst III, Rn. 65. 4 Vgl. nur § 31 I BadWürttGemHVO; § 29 S. 1 GemHVO Bbg. 5 Vgl. bspw. für eine dementsprechende Verwaltungsvorschrift aus RheinlandPfalz: ZfBR 2002, 96. 6 Die Verbindlicherklärung erstreckt sich also nur auf die Basisparagraphen. Allerdings werden in einigen Bundesländern unterhalb bestimmter Wertgrenzen Erleichterungen in der Anwendung der Verdingungsordnungen ermöglicht (etwa leichtere Anwendung der beschränkten Ausschreibung). Unterhalb einer Bagatellgrenze ist dann auch eine freihändige Vergabe möglich. Zu entsprechenden Regelungen in Hamburg und Bayern, Monatsinfo forum vergabe e. V., 12/2004, S. 194 f. 7 So sehen beispielsweise § 55 II Sächsische Haushaltsordnung und § 55 II der Baden-Württembergischen Haushaltsordnung über die Regelung in der BHO und den anderen LHO hinausgehend vor, dass „Verträge . . . nach einheitlichen Richtlinien abzuschließen [sind], die vom zuständigen Ministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium aufzustellen oder einzuführen sind“. 8 Für die Neufassung 2000 durch die Veröffentlichung im Bundesanzeiger (VOL am 24.10.2000). 2

588

4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

sind dann Dienst- und Verwaltungsanweisungen für alle nachgeordneten Behörden. Bei der VOB und VOL handelt es sich also um behördeninterne Verwaltungsvorschriften.9 Verwaltungsintern liegt somit eine Bindung an die Verdingungsordnungen vor.10 Die Verdingungsordnungen haben aber als Verwaltungsvorschriften im Bereich unterhalb der Schwellenwerte keinen Rechtsnormcharakter.11 Dagegen hatte der BGH für einen Fall oberhalb der Schwellenwerten, aber in der Zeit, in der auch oberhalb der Schwellenwerte die Verdingungsordnungen nur als Verwaltungsvorschriften galten, die Rechtssatzqualität und die Außenwirkung der Verdingungsordnungen bejaht. Er erkannte der VOB/A ausdrücklich schon dann Rechtssatzqualität zu, wenn die Vergabestelle nach Maßgabe der Verdingungsordnungen ausgeschrieben und damit die VOB/A als Rahmen für das Ausschreibungsverfahren festgelegt hatte.12 Dies ist allerdings abzulehnen. Allein der Umstand, dass ein verwaltungsinternes Regelwerk, (seinem Zweck entsprechend) im Außenverhältnis eingesetzt wird, indem auf seine Geltung hingewiesen wird, kann einen Formwechsel nicht rechtfertigen.13 Außerdem ist auch die Rechtsprechungspraxis selbst in der Folge weiterhin von der fehlenden Rechtsnormqualität der Verdingungsordnungen ausgegangen, hat den Ansatz des BGH also nicht aufgegriffen. So geht auch Gröning14 davon aus, dass der BGH mit diesem 9 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Elverfeld, S. 100; Daub/Eberstein – Eberstein, Einf. Rn. 66 ff.; BVerwG, NVwZ 1999, 653; BVerwG, Urt. v. 24.1.2001, NJW 2001, 1440 („allenfalls eine Verwaltungsvorschrift“), das deswegen die Verdingungsordnungen auch nicht als revisible Rechtsnorm ansieht. (Der Charakter der Verwaltungsvorschrift im entschiedenen Fall ist aber zweifelhaft, da dort eine Gemeinde den Auftrag vergeben hatte.) Diese überwiegende Einstufung der Rechtsnatur ist aber nicht ganz unumstritten – vgl. Wittig S. 67 ff.; vgl. die Nachw. bei Faber, DÖV 1995, 404, 408. 10 Vgl. auch Ingenstau/Korbion-Vygen, Einl. Rn. 105 ff. mit Wiedergabe der vorläufigen Verwaltungsvorschrift zur BHO. Hier wird die Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung konkretisiert und die Anwendung der Verdingungsordnungen bei der Vergabe vorgeschrieben; vgl. auch Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst III, Rn. 17 m. w. N. 11 Müller-Wrede, VOL/A, Einl. Rn. 43. Die Verdingungsordnungen gelten auch nicht als Gewohnheitsrecht oder Handelsbrauch – dazu Walthelm, S. 77 ff. und Ingenstau/Korbion-Vygen, Einl. Rn. 40 ff. (keine allg. Verbreitung, insbesondere nicht bei den privaten Baubeteiligten). 12 NJW 1998, 3636, 3638; ausdrücklich wiederholt wird diese Ansicht auch in BGH, WuW 1999, 655. 13 Näher Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst III, Rn. 7, 19, 23, 147 ff. und 191 f.; ablehnend zum BGH auch Pietzcker, in: Schwarze, S. 61, 71. 14 In Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst IV, Rn. 107.

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

589

„Nebensatz“ nicht mit seiner jahrzehntelang anders lautenden Rechtsprechung brechen wollte. Nach dem OLG Stuttgart handelt es bei den Aussagen des BGH nur um ein obiter dictum.15 Tatsächlich Rechtsnormqualität haben die Verdingungsordnungen dagegen teilweise im Gemeindebereich, in dem ca. 60% der öffentlichen Aufträge16 bzw. mit Aufträgen im Wert von ca. 100 Mrd. Euro 50% des Auftragsvolumens17 in Deutschland vergeben werden. Die Verdingungsordnungen haben im Gemeindebereich dort, wo sie von den Gemeindehaushaltsverordnungen selbst für anwendbar erklärt werden, Rechtsnormcharakter:18 Aus der jeweiligen GemHVO ergibt sich eine Verpflichtung zur Anwendung der Verdingungsordnungen, denn die GemHVO19 verweisen in den Ländern unmittelbar20 oder per Ermächtigung mittelbar über Erlasse der Innenministerien21 auf die Verdingungsordnungen.22 Durch die Verwei15 Urt. v. 11.4.2002 – 2 U 240/01, WuW 2002, 653 (Verg 591) = VergabeR 2002, 374, 376; a. A. Dreher, NZBau 2002, 419, 426 f. und Prieß, Anm. zu OLG Stuttgart, Urt. v. 11.4.2002 – 2 U 240/01, VergabeR 2002, 377, der ebenfalls die Rechtsnormqualität der Verdingungsordnungen bejaht. 16 Näher Koch, VerwArch 2000, 354, 358 m. w. N. Nach Elverfeld, S. 5 und 47 m. w. N. sind dies 40–50%. 17 Waldner, S. 23; vgl. auch Krist, S. 40 f. unter Berufung auf eine Studie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 1999. 18 Riese, S. 14; Gallwas S. 31 und 29; Kraft-Lehner, S. 71 ff. 19 Die Ermächtigung zum Erlass dieser Verordnungen mit Regelungen zur Ausschreibung von Aufträgen ergibt sich aus den jeweiligen Kommunalverfassungen/ Gemeindeordnungen (vgl. bspw. Art. 123 I S. 2 Nr. 3 BayGO und § 152 I Nr. 6 GO LSA). 20 Vgl. § 31 II ThürGemHVO; § 29 BbgGemHVO; § 29 MVGemHVO. 21 Danach sind die „Vorschriften anwendbar, die der . . . Minister bekannt gibt“. – vgl. etwa § 32 SachsAnhGemHVO, und § 31 BayKommHV. Eine Übersicht über diese Erlasse findet sich bei Koch, VerwArch 2000, 354, 358 in Fn. 14. Die Verweisungskette von Gemeindeordnung mit Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung ! darauf basierender GemHVO, nach der die Gemeinden die vom Innenminister an bestimmter Stelle bekannt gemachten Vergabegrundsätze anzuwenden haben ! Bekanntgabe der Verdingungsordnungen als diese Vergabegrundsätze ist in der Literatur unter verschiedenen Gesichtspunkten kritisiert worden – vgl. Koch, VerwArch 2000, 354, 358 ff. und Elverfeld, S. 106 ff. Dagegen hat die Entscheidungspraxis die gewählte Rechtsgestaltung ausdrücklich bestätigt – VGH Bad.-Württ., Urt. v. 14.3.1988, DÖV 1988, 649 ff., bestätigt durch BVerwG, 15.3.1989, NVWZ-RR 1989, 377; so auch Kraft-Lehner, S. 72 ff., die nur eine dynamische Verweisung für rechtswidrig hält. 22 Tomerius, NVwZ 2000, 727, 728; Koch, VerwArch 2000, 354, 358 ff.; Elverfeld, S. 105 m. w. N.; VGH Bad.-Württ, Urt. v. 29.6.1998 – 1 S 1580, DÖV 1999, 79. In NRW läuft zurzeit ein Pilotprojekt, nachdem 16 Gemeinden und 1 Landkreis Mitte 2005 von der Bindung an bestimmte Vorschriften der Verdingungsordnungen befreit sind. Die weitergehenden Pläne, die Bindung der Kommunen an die VOB/A gänzlich aufzuheben, sind damit bis zum Abschluss dieser Experimentierphase ver-

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

sung werden die Verdingungsordnungen als Verweisungsobjekt in die bezugnehmende Vorschrift implementiert. Die Vorschriften, auf die verwiesen wird, werden zum Bestandteil der verweisenden Norm.23 Da die Gemeindehaushaltsverordnungen Gesetze im materiellen Sinn sind, nehmen daher auch die Verdingungsordnungen, soweit sie von der Haushaltsverordnung selbst für anwendbar erklärt werden, an deren Rang teil. Sind dann also Rechtsnormen i.F.d. Rechtsverordnung, mithin nicht nur bloße Verwaltungsvorschriften.24 Den Regelungen des Haushaltsrechts und den Verdingungsordnungen (als Verwaltungsvorschriften) kommt allerdings keine Außenwirkung zu, subjektive Rechte können daher daraus nicht abgeleitet werden.25 Sie sollen nur die sparsame Verwendung der Haushaltsmittel sicherstellen, nicht aber dem Schutz potentieller Auftragnehmer dienen.26 Die Verdingungsordnungen räumen dem Bieter kein Recht ein, auf das er sich vor den nationalen Gerichten berufen kann.27 Der Gesetzgeber wollte die Schaffung subjektiver Rechte auf den Bereich oberhalb der Schwellenwerte beschränken. Soweit sich aus den EG-Richtlinien keine Notwendigkeit ergab, wollte er den bestehenden Rechtszustand, nach dem keine subjektiven Rechte bestanden, nicht ändern.28 schoben worden – Monatsinfo forum vergabe e. V. 4/2003, 59; 4/2002, 54; 3/2002, 34 f. und Behördenspiegel, 4/2002, S. 18. Zu den ersten durchwachsenen Erfahrungen der dispensierten Gemeinden, Monatsinfo forum vergabe e. V. 12/2003, 188 f. 23 Dazu Koch, VerwArch 2000, 354, 362 m. w. N.; Quack, ZVgR 1997, 92, 93; Elverfeld, S. 105 ff. 24 Riese, S. 14; Puhl, 2. Bericht zur Staatsrechtslehrertagung 2000 zum Beratungsgegenstand „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber“, VVDStRL 60, S. 456, 474; dazu auch Koch, VerwArch 2000, 354, 362; vgl. auch H.-U. Gallwas, VergabeR 2001, 2, 4, der aber noch die Frage aufwirft, ob die Verdingungsordnungen nur den Gemeinden nicht jedoch den Bietern gegenüber als Verordnung gilt. Er lehnt dies aber ab. 25 Faber, DÖV 1995, 403, 404 f. und 408; vgl. BW VGH Bad.-Württ, Urt. v. 29.6.1998 – 1 S 1580, DÖV 1999, 79 für die Vorschriften der GemHVO. 26 Schuhmacher, S. 136 m. w. N. 27 Der BGH hat dies durch folgenden Leitsatz verdeutlicht: „Die VOB/A ist keine Rechtsnorm. Sie ist vielmehr im Innenverhältnis der öffentlichen Auftraggeber eine Verwaltungsvorschrift. Ihre innerdienstliche Verbindlichkeit kann eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen nicht begründen. Dementsprechend ergeben sich allein daraus, dass ein öffentlicher Auftraggeber sich nicht an die VOB/A gehalten hat, keine unmittelbaren Rechtswirkungen.“ – BGH, BauR 1992, 221 (einschränkend aber in Leitsatz 2). 28 Vgl. BT-Drs. 13/9340, S. 12 f.; vgl. dazu Pietzcker, in: Schwarze, S. 61, 69; Binder, ZZP, 113. Band (2000), 195, 205; von Loewenich, ZVgR 1999, 34, 37; Pietzcker, Zweiteilung, S. 85 bezeichnet dies als „unbezweifelbar“. Daher nicht überzeugend die a. A. von Hoffmann, S. 142 f.

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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Ein weiterer Unterschied zur oberhalb der Schwellenwerte geltenden Rechtslage besteht darin, dass eine Bindung von privatrechtlich organisierten Auftraggebern an das Vergaberecht bei deren Beschaffungen grundsätzlich nicht vorliegt.29 Diese müssen unterhalb der Schwellenwerte die Verdingungsordnungen ausnahmsweise nur anwenden, wenn sie durch einen Zuwendungsbescheid oder einen Zuwendungsvertrag dazu verpflichtet sind.30

I. Einführung zu den herkömmlichen Möglichkeiten des Primärrechtsschutzes unterhalb der Schwellenwerte Unterhalb der Schwellenwerte hat der Bieter sehr viel weniger Möglichkeiten, gegen ein fehlerhaftes Vergabeverfahren vorzugehen. Das Rechtsschutzverfahren des GWB gilt nach § 100 GWB nur für Verfahren oberhalb der Schwellenwerte und die Bieter haben auch nicht den in § 97 VII GWB ausdrücklich normierten Anspruch auf Einhaltung der Vergaberegeln. Unter den Schwellenwerten bleibt es bei der traditionellen Ausgestaltung, wonach dem Bieter nur sehr wenige Primärrechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen. In Betracht kommt hier hauptsächlich die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Die wenigen (eher theoretisch bestehenden) Primärrechtsschutzmöglichkeiten sollen im Folgenden näher dargestellt werden.

II. Darstellung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Bieter im Einzelnen Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob ein Auftrag über den Schwellenwerten liegt, Gegenstand der Nachprüfung vor den vergabespezifischen Nachprüfungsinstanzen sein kann.31 Der Bieter kann einen Nachprüfungsantrag nach dem Vergaberecht von oberhalb der Schwellenwerte einlegen. Es wird dann von der Vergabekammer inzident geprüft, ob dieses Recht überhaupt anwendbar ist. Stellt sich heraus, dass der Auftrag oberhalb der Schwellenwerte liegt, so ist ein schon erteilter Zuschlag meist nichtig, da die Vergabestelle keine Vorabinformation erteilt hat (§ 13 VgV).32 29 Puhl, 2. Bericht zur Staatsrechtslehrertagung 2000 zum Beratungsgegenstand „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber“, VVDStRL 60, S. 456, 475. Sie sind den Verdingungsordnungen nur dann unterworfen, wenn sie sich vertraglich dazu verpflichtet haben oder durch VA (etwa bei Subventionsbescheiden) dazu angehalten sind. 30 Dazu bereits oben im Teil 1, A. II. 31 Näher Sturmberg, in: FS für Mantscheff, S. 445, 454 f. m. w. N. aus der Vergabe-Rspr.; anders z. T. noch die Einschätzung von Krist, S. 37 f.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

1. Zuständigkeit der Zivilgerichte für die Unterlassungsansprüche Bevor die denkbaren Unterlassungsansprüche erörtert werden, stellt sich aber die Frage, welcher Rechtsweg dafür einschlägig ist. Die Eröffnung des Rechtsweges richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird.33 Das Vergabeverfahren und das Verhältnis zwischen Bieter und öffentlichem Auftraggeber werden dem Privatrecht zugeordnet. Daher ist hier der ordentliche Rechtsweg für die Unterlassungsansprüche gegeben.34 Allerdings könnte die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen vor den Zivilgerichten nach der Argumentation des LG Oldenburg, Beschl. v. 16.5.200235 von vornherein ausgeschlossen sein. Es hatte hier die Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit für einen mit der einstweiligen Verfügung aus § 1 UWG geltend gemachten Anspruch auf Untersagung der Zuschlagserteilung abgelehnt. Das LG beruft sich dabei auch unterhalb der Schwellenwerte auf § 104 II GWB. Dieser schließe nicht nur oberhalb der Schwellenwerte, sondern auch darunter die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen vor den Zivilgerichten aus. Die Tatsache, dass hier gerade kein exklusiver vergabespezifischer Rechtsschutz vom Gesetzgeber geschaffen wurde, stehe dem nicht entgegen. Dass der Gesetzgeber von der Einräumung eines vergabespezifischen Rechtsschutzes abgesehen hat, spreche auch gegen die Zuständigkeit der Zivilgerichte. Diese Auffassung ist in der Entscheidungspraxis einmalig geblieben und überzeugt nicht. Vielmehr sollte nach Ansicht des Gesetzgebers unterhalb der Schwellenwerte das Rechtsschutzinstrumentarium unverändert bleiben. 32 Vgl. den Fall der VK Bremen, Beschl. v. 25.9.2001 – VK 5/01, IBR 2002, 96 (Weyand) und näher bei der de-facto-Vergabe im Teil 2, C. II. 5. b). 33 Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB), Beschl. v. 10.4.1986, BGHZ 97, 312, 313 f. = WuW 1987, 313 = NJW 1986, 2359 – orthopädische Hilfsmittel; GmS-OGB, Beschl. v. 29.10.1987, BGHZ 102, 280, 283 = NJW 1988, 2297. 34 BGHZ 36, 91, 92 ff.; GmS-OGB, Beschl. v. 10.4.1986, BGHZ 97, 312, 313 f. = WuW 1987, 313 = NJW 1986, 2359 – orthopädische Hilfsmittel; GmS-OGB, Beschl. v. 29.10.1987, BGHZ 102, 280, 283 = NJW 1988, 2297; Binder, ZZP, 113. Band (2000), 195, 215 f.; BT 13/9340, S. 20; Hertwig S. 21; VG Chemnitz, Beschl. v. 23.5.1996 – 4 K 813/96, NVwZ-RR 1997, 198; KG, EuZW 1995, 645, 646; so auch Pietzcker, in: Schwarze, S. 61, 75; Gröning, VergabeR 2002, 24, 29; Riese, S. 306; so auch in Österreich das BVA, 20.9.1999 N-35/99-21 ; N 41/99-4, CONNEX, November 1999, 52, 54 f. Nach anderer Ansicht ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, denn das Vergaberecht sei öffentliches Recht: Puhl, a. a. O.; vgl. auch Freitag, NZBau 2002, 204, 206; Hermes, JZ 1997, 909, 915; Achenbach, S. 273. 35 5 O 1319/02 – Straßenreinigungsarbeiten, ZfBR 2003, 181 f.

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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Hierzu gehören – wenn auch nur Ausnahmefällen – Unterlassungsansprüche vor den Zivilgerichten. Auch ist in der übrigen Entscheidungspraxis die Möglichkeit der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen anerkannt.36 2. Unterlassungsansprüche aus Deliktsrecht a) §§ 823 II, 1004 BGB Ein Unterlassungsanspruch (etwa auf Unterlassung eines vergaberechtswidrigen Verhaltens und auf Untersagung des Zuschlags) könnte sich aus den §§ 823 II, 1004 BGB ergeben.37 aa) Schutzgesetzcharakter der Verdingungsordnungen Der Schutzgesetzcharakter der Verdingungsordnungen lässt sich aber unter 2 Gesichtspunkten verneinen: Zum einem wegen des fehlenden Gesetzescharakters der Verdingungsordnungen und zum anderen wegen deren fehlenden Drittschutzzwecks: (1) Fehlende Gesetzesqualität der Verdingungsordnungen Die Verdingungsordnungen sind unterhalb der Schwellenwerte lediglich interne Verwaltungsvorschriften. Die Schutzgesetzeigenschaft scheitert also schon daran, dass die Verdingungsordnungen keine Rechtsnormen im rechtstechnischen Sinne darstellen und schon deswegen keine Schutzgesetze sein können.38 Daher sind die Verdingungsordnungen unterhalb der Schwellenwerte schon kein Gesetz i. S. des § 823 II BGB. Eine Ausnahme kann insoweit für den Kommunalbereich gelten, wo die Verdingungsordnungen wie gezeigt ggf. Rechtsnormcharakter haben.39 36 Auch das LG Oldenburg vertraut nicht ganz auf seine eigenen Ausführungen, sondern prüft den Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG dann in der Sache weiter und lehnt ihn dann ab. 37 Einen solchen prüft auch OLG Schleswig, Urt. v. 6.7.1999 – 6 U Kart 22/99, NZBau 2000, 100, 102. 38 Erdl, S. 185, Fn. 324; Roebling, Jura 2000, 453, 454; Schnorbus, BauR 1999, 77, 85; OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431 (WuW/E Verg 197) = IBR 1998, 508 (Boesen); OLG Stuttgart, Urt. v. 11.4.2002 – 2 U 240/01, WuW 2002, 653, 654 = IBR 2002, 266 (Schulze-Hagen) = Monatsinfo forum vergabe e. V. 2002, 52 und 61. 39 Trotz dieser Außenrechtsqualität dienen sie aber nach wie vor nur der sparsamen Mittelverwendung, schaffen also keine subjektiven Rechte der Bieter – Puhl, 2. Bericht zur Staatsrechtslehrertagung 2000 zum Beratungsgegenstand „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber“, VVDStRL 60, S. 456, 474 m. w. N.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

(2) Fehlende Drittschutzqualität der Verdingungsordnungen Aber selbst wenn man die Rechtsnormqualität der Verdingungsordnungen bejahen würde (oder im Kommunalbereich teilweise bejahen muss), so fehlt es ihnen jedenfalls am Drittschutzcharakter: Nach ständiger Rspr. des BGH hat eine Norm dann Schutzcharakter, wenn sie – sei es auch neben dem Schutz der Allgemeinheit – gerade dazu dienen soll, den einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines Rechtsguts oder eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen. Es kommt nicht auf die Wirkung, sondern auf den Inhalt und Zweck des Gesetzes an.40 Die Verdingungsordnungen sollen aber unterhalb der Schwellenwerte nach wie vor in erster Linie eine sparsame und wirtschaftliche Mittelverwendung sicherstellen.41 Ein Schutz des Bieters ist daher nur als Reflex möglich, was allerdings für den Drittschutz nicht ausreicht.42 Genau so wenig, wie der Gesetzgeber unterhalb der Schwellenwerte subjektive Rechte schaffen wollte, wollte er den dortigen Vergabevorschriften Schutznormcharakter zusprechen.43 Zur Begründung der mangelnden drittschützenden Qualität der Verdingungsordnungen lässt sich auch der Meinungsstand zu den Verdingungsordnungen im Bereich oberhalb der Schwellenwerte nach Erlass der haushaltsrechtlichen Lösung heranziehen, durch die die Verdingungsordnungen wegen der statischen Verweisung Rechtsnormqualität erhielten. Damit war zumindest die erste Hürde – die der Rechtsnormqualität – genommen. Allerdings blieb noch die Frage des Schutzcharakters. Dieser wurde verneint: Die Vergaberegeln der Verdingungsordnungen sollten nach dem Willen des Gesetzgebers der haushaltsrechtlichen Lösung zwar Gesetzescharakter erhalten, nicht jedoch zu einem Schutzgesetz für den einzelnen Bieter werden.44

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Vgl. nur BGH, ZIP 1991, 1597; vgl. auch die Nachweise bei Waldner, S. 140. Waldner, S. 140 m. w. N. 42 BGH, BauR 1992, 221 f.; Waldner, S. 140; ablehnend zum Schutzzweck auch BGH, VersR 1965, 764, 765 und BGH, NJW 1980, 180; dagegen für die Schutzgesetzqualität: Quack, ZVgR 1997, 92, 93; Pietzcker, Der Staatsauftrag, S. 387; für die Verdingungsordnungen im Kommunalbereich: Puhl, a. a. O., S. 456, 504 und Kraft-Lehner, S. 254 f.; vgl. auch Ingenstau/Korbion-Vygen, Einl. Rn. 83 ff. 43 Pietzcker, Zweiteilung, S. 85 bezeichnet dies als „unbezweifelbar“. 44 KG Berlin, Beschl. v. 31.5.1995, BauR 1995, 837, 840 f. (Saalebrücke); a. A. Feber, S. 97. 41

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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bb) Schutzgesetzcharakter der Vorschriften des Haushaltsrechts Auch die Vorschriften des Haushaltsrechts, die die sparsame Mittelverwendung und den Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung festschreiben, haben keine drittschützende Wirkung. Sie dienen einzig der sparsamen Mittelverwendung.45 cc) Art. 3 I GG als Schutzgesetz46 Sieht man Art. 3 I GG als Schutzgesetz an47, kommt § 823 II BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht.48 Zwar ist die Grundrechtsbindung49 des Staates bei Auftragsvergabe nach wie vor umstritten, nach allgemeiner Auffassung wird aber jedenfalls die Bindung an Art. 3 I GG bejaht.50 Bei der 45

VGH BW, DÖV 1999, 79 für § 31 GemHVO BW. Neben der Frage, ob die Grundrechte als Schutzgesetze über § 823 II BGB Unterlassungsansprüche ergeben, wird diskutiert, ob sich aus den Grundrechten bei deren Verletzung unmittelbar Abwehransprüche (Primäransprüche) ergeben – vgl. Kraft-Lehner, S. 265–282. 47 OLG Stuttgart, Urt. v. 11.4.2002 – 2 U 240/01, WuW 2002, 653, 655 = IBR 2002, 266 (Schulze-Hagen) = Monatsinfo forum vergabe e. V. 2002, 52 und 61, das den Anspruch aber wegen fehlenden Verstoßes gegen Art. 3 I GG ablehnt; Walthelm, S. 216 f.; in diese Richtung auch Pietzcker, NVwZ 1983, 121, 124. 48 Vgl. Walthelm, S. 216 f. Auch in Österreich ist der Gleichheitsgrundsatz ein Schutzgesetz. 49 Davon zu unterscheiden ist die bei Art. 19 IV GG zu beantwortende Frage, ob bei der Auftragsvergabe ein Akt öffentlicher Gewalt vorliegt. 50 Nachw. bei Sterner, S. 79 f. und Kunnert, S. 17 f.; vgl. auch Huber, JZ 2000, 877, 878 m. w. N., Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 88; vgl. auch Triantafyllou, NVwZ, 1994, 943, 944 ff.; mit ausf. Nachweisen auch Walthelm, S. 152 ff. und Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 90 Fn. 156; auch Wittig, insbes. S. 124 Fn. 10, S. 131 ff. insbes. S. 137; Malmendier, DVBl 2000, 963, 964; Huber, JZ 2000, 877, 878 m. w. N.; vgl. auch ausführlich Waldner, S. 122 ff.; Kraft-Lehner, S. 186 ff. Für die unmittelbare Grundrechtsbindung: Dreher, NZBau 2002, 419, 425; Faber, DÖV 1995, 403, 405 f. m. w. N.; Huber, S. 442; vgl. die zahlreichen Nachweise von Dörr, DÖV 2001, 1014, 1015 Fn. 19; Wallerath, S. 318; Pietzcker, Zweiteilung, S. 16 f.; Binder, ZZP, 113. Band (2000), 195, 207 ff. m. w. N.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 202 ff., 216; Pietzcker, Der Staatsauftrag, S. 370 und 378; Stern, § 74 IV 4, S. 1408 ff., 1412; Waldner, S. 124 ff. (m. zahlreichen weiteren Nachweisen in Fn. 570); Dreier, Art. 1 Rn. 49; Pieroth/Schlink, Rn. 171 f.; Hösch, BayVBl. 97, 193, 196; Walthelm, S. 152 ff. Zur Grundrechtsbindung bei der Auftragsvergabe gibt es auch 2 ältere Dissertationen (60er Jahre): Haak, D., Die Grundrechtsbindung des Staates bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, Diss. Bonn 1962 und Furtwängler, E., Die Bindung des öffentlichen Auftraggebers an den Gleichheitssatz und andere Grundrechte, Diss. Hamburg 1967. 46

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

Auftragsvergabe kann Art. 3 I GG verletzt sein, da dieser hier bestimmte Verfahrensrechte schafft. Er enthält das Verbot unsachgemäßer Differenzierungen zwischen den Bietern, insbes. der sachwidrigen Bevorzugung eines Bieters. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz folgt die Verpflichtung, für alle Bieter Chancengleichheit beim Zugang zum Wettbewerb um die Vergabeentscheidung zu schaffen.51 Es ist aber zu beachten, dass es nicht möglich ist, über den Gleichheitssatz Vorgaben für alle verfahrensrechtlichen Detailfragen abzuleiten.52 Über Art. 3 I GG lässt sich nicht jede Verletzung gegen die Verdingungsordnungen sanktionieren, denn ansonsten würde den Verdingungsordnungen als Verwaltungsvorschriften doch noch unmittelbare Rechtswirkungen nach außen verliehen werden.53 Außerdem würde der deliktische Unterlassungsanspruch nicht schon bei der bloßen Verletzung der Vergabevorschrift gegeben sein, sondern diese muss ohne sachlich rechtfertigenden Grund geschehen sein.54 Auch der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz reicht nach der Entscheidungspraxis nicht soweit, dass den Vorschriften der Verdingungsordnungen im Endeffekt doch noch die Schutzgesetzeigenschaft und damit unmittelbare Rechtswirkung nach außen verliehen wird.55 Es wird allerdings diskutiert, ob sich nicht ein Unterlassungsanspruch aus Art. 3 I GG i. V. m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung herleiten lässt. Unter Umständen könnte man über die Selbstbindung der Verwaltung zu einem Anspruch auf Beachtung der Verdingungsordnungen kommen.56 Die Vergabestelle, die sich in der Vergangenheit an die Vergaberegeln gehalten hat und die Vergabenormen in bestimmter, rechtmäßiger Weise angewendet hat, kann nicht ohne sachlichen Grund davon abweichen.57 Auf diese Weise könnte über Art. 3 I GG ein subjektives Recht auf 51

Näher zu den daraus folgenden verfahrensmäßigen Grundanforderungen: Wallerath, S. 329 f.; Pietzcker, Der Staatsauftrag, S. 379 ff.; Wittig, S. 171 ff.; Hermes, JZ 1997, 909, 912 ff.; Achenbach, S. 245 ff.; Kraft-Lehner, S. 195 ff. 52 Wallerath, S. 327. 53 Vgl. auch OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431, 437 (WuW/E Verg 197). 54 OLG Schleswig, Urt. v. 6.7.1999 – 6 U Kart 22/99, NZBau 2000, 100, 102 f. 55 OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431, 437 (WuW/E Verg 197) = IBR 1998, 508 (Boesen); anders Prieß, Anm. zu OLG Stuttgart, Urt. v. 11.4.2002 – 2 U 240/01, VergabeR 2002, 377. 56 Malmendier, DVBl 2000, 963, 968; Wittig, S. 168 ff., Marx, in: Jestaedt/Kemper/Marx/Prieß, S. 145; Gallwas, GewArch 2000, 401, 402; Dörr, DÖV 2001, 1014, 1017 und 1020; zur Selbstbindung auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.3.1993, BauR 1993, 597, 598 und Maurer, § 24 Rn. 21 f.

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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eine bestimmte Handhabung von Vergabebestimmungen, die Ermessen oder Beurteilungsspielräume einräumen, hergeleitet werden, wenn kein überzeugender Grund für das Abweichen der Vergabepraxis besteht.58 Der Anspruch des Bieters ginge dann auf eine bestimmte Handlung des AG im Vergabeverfahren und wäre auch durch einstweilige Verfügung durchsetzbar.59 Der Anspruch aus Art. 3 I GG i. V. m. gleichförmiger Verwaltungspraxis kann also einen Verfügungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 935 ZPO begründen.60 Dennoch hätte die Geltendmachung eines Anspruchs aus der Selbstbindung der Verwaltung nur begrenzte Durchschlagskraft: Zum einen muss sich dann, wenn sich das Verhalten der Behörde zu einer bestimmten Verwaltungspraxis verdichtet hat61, diese auch rechtmäßig sein, da es eine Gleichheit im Unrecht nicht gibt.62 Angesichts der geringen Akzeptanz des Vergaberechts ist aber gerade diese Rechtmäßigkeit der Verwaltungspraxis nicht selbstverständlich.63 Darüber hinaus bestünde ein Anspruch auch nur dann, wenn es für das Abweichen von der Verwaltungspraxis keinen rechtfertigenden Grund gibt. Hinsichtlich dieses Grundes besteht allerdings ein weites Ermessen der Vergabestelle, „so dass nur in extremen Ausnahmefällen ein durchsetzbarer Anspruch entstehen dürfte“.64 Daher ist die Geltendmachung dieses Anspruchs wenig Erfolg versprechend.65 Insgesamt haben daher die Ansprüche über Art. 3 I GG, sei es direkt oder mittelbar über die Selbstbindung, wenig Aussichten auf Erfolg.66 Folglich hat der Anspruch aus Art. 3 I GG auch in der Rechtsprechungspraxis 57

Faber, DÖV 1995, 403, 408; Pietzcker, Zweiteilung, S. 87. Malmendier, DVBl 2000, 963, 968; Portz, ZVgR 1998, 596, 597. 59 Marx, in: Müller-Wrede, VOF, § 21 Rn. 4 und 10; Riese, S. 289 f. 60 Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Vor § 102 GWB, Rn. 18. 61 In den Fällen, in denen noch keine gefestigte Verwaltungspraxis der Vergabestelle vorliegt, wäre zu prüfen, ob die sog. „antizipierte Verwaltungspraxis“ (näher Maurer, § 24 Rn. 21 f.) weiterhelfen kann. 62 Damit führt ein Verstoß gegen die Verwaltungsvorschriften (hier Verdingungsordnungen) nicht auch zu einer Verletzung von Art. 3 I GG, die aber für Ansprüche aus Selbstbindung der Verwaltung erforderlich ist. Vgl. auch Riese, S. 282 und Maurer, § 24 Rn. 21 f. 63 Vgl. ausführlich im Teil 1, A. IV 1. und 2. und Riese, S. 287. Bisher war bspw. häufig festzustellen, dass die Vergabestellen den Vorrang des Verfahrens der Öffentlichen Ausschreibung nicht beachten. 64 Marx, in: Jestaedt/Kemper/Marx/Prieß, S. 145; ders., in: Müller-Wrede, VOF, § 21 Rn. 4. 65 Müller-Wrede, VOL/A, Einl. Rn. 63. zur begrenzten Reichweite des Schutzes über die Selbstbindung auch Riese, S. 263; Breloer, S. 130 m. w. N. 66 Riese, S. 282. 58

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

noch keine Rolle für den Bieterrechtsschutz gespielt. Soweit ersichtlich, gibt es kein erfolgreiches Urteil, das auf Art. 3 I GG gestützt würde.67 dd) Schutzgesetze aus den Grundfreiheiten? Wenn Bieter aus anderen Mitgliedsstaaten involviert sind, kommen als Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB die Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot in Betracht. Diese Normen können Schutzgesetze sein.68 Wird also ein ausländischer Bieter in diesen Rechten verletzt, kann er über § 823 II BGB einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Aus dem primären Gemeinschaftsrecht können allerdings nicht so detaillierte Regelungen abgeleitet werden, wie sie in den Verdingungsordnungen und den Vergaberechtlinien bestehen. Sie erreichen also nicht deren Schutzniveau, sondern gewährleisten nur einen gewissen Mindestschutz. Das europäische Primärrecht kann in erster Linie zur Abwehr von Diskriminierungen, nicht aber zur Herleitung konkreter Verfahrensanforderungen herangezogen werden.69 Sie geben z. B. keinen Anspruch auf ein bestimmtes Vergabeverfahren oder auf eine europaweite Bekanntmachung.70 Außerdem greifen sie nur gegenüber ausländischen Bietern ein, die aber unterhalb der Schwellenwerte nur selten am Vergabeverfahren teilnehmen. In der Entscheidungspraxis hat daher noch kein Antragsteller Primärrechtsschutz über die Verletzung von europäischem Primärrecht geltend zu machen versucht.71 Sollte dies dennoch im Einzelfall einmal erfolgen, kann der Unterlassungsanspruch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgt werden. Der Bieter kann nach den §§ 935 ff. ZPO eine einstweilige Verfügung beantragen. Dies ist von der Entscheidungspraxis und der h. M. in der Literatur anerkannt.72 67

So auch die Einschätzung von Riese, S. 288 f. Vgl. nur Quack, ZVgR 1997, 92, 93; vgl. auch RGRK-Steffen § 823 Rn. 538. 69 Hailbronner, in: Ipsen, S. 19, 25; Pietzcker, Zweiteilung, S. 69 ff.; ders., in: Schwarze, S. 61, 72 f. Wie schon erörtert, wurden aus diesem Grund auch die Vergaberichtlinien erlassen, nachdem sich gezeigt hatte, dass allein über die Grundfreiheiten eine Änderung des nationalen Beschaffungsverhaltens nicht zu erreichen war. 70 Pietzcker, in: Schwarze, S. 61, 73. 71 So auch die Einschätzung von Dreher, NZBau 2002, 419, 423. 72 Im Vergabebereich stattgegeben wurde einem Unterlassungsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung in folgenden Entscheidungen: LG Hannover, Urt. v. 17.4.1997 (21 0 38/97 (Kart), WuW 1997, 737 ff. (dazu auch Herrmann, ZVgR 1997, 320, 321 f.; Prieß, EuZW 1999, 196, 199 und Noch, WuW 1998, 1059, 1062 ff. m. w. N.); LG Meiningen, Beschl. v. 7.7.2000, IBR 2000, 471 = VN 2000, 68

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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Die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes während des noch laufenden Vergabeverfahrens ist für den Bieter auch von entscheidender Bedeutung. Denn nach der Erteilung des Zuschlags geht für den Bieter die Möglichkeit des Primärrechtsschutzes auch unterhalb der Schwellenwerte verloren. Auch hier ist nach dem Vertragsschluss kein Primärrechtsschutz mehr möglich.73 Würde der Bieter dagegen nur eine im Hauptsacheverfahren eingereichte Klage verfolgen, die nicht durch eine einstweilige Verfügung unterstützt wird, hätte er selten Erfolg, da während des Laufs des Hauptsacheverfahrens regelmäßig der Zuschlag durch die Vergabestelle erteilt und damit vollendete Tatsachen geschaffen würden.74 Aus der dargestellten drohenden Rechtsschutzvereitelung ergibt sich auch der für den An77 (Hier hat das Gericht dem Auftraggeber untersagt, das Vergabeverfahren unter Ausschluss des Angebots des Unternehmens weiterzuführen. Allerdings hat das LG Meiningen auf den Widerspruch der Vergabestelle hin mit Urteil v. 28.9.2000, VN 2000, 77 die einstweilige Verfügung wieder aufgehoben. Dies erfolgte, weil der Zuschlag bereits erteilt und damit das Rechtsschutzbedürfnis entfallen war.). Auch das LG Heilbronn, Beschl. v. 20.8.2001, 22 O 294/01 KfH, WuW 2002, 432 (Verg 570) (auf den Widerspruch des AG hin bestätigt durch LG Heilbronn, Urt. v. 19.11.2001 – 22 O 294/01, NZBau 2002, 239 = WuW 2002, 433 (Verg 571) = IBR 2002, 205 (Hennemann)) spricht eine einstweilige Verfügung aus. Es ordnet im Wege der einstweiligen Verfügung an, dass es der Auftraggeber zu unterlassen habe, den Zuschlag an einen bestimmten Bieter zu erteilen. Für den Fall der Zuwiderhandlung droht die VK ein Ordnungsgeld in Höhe von 500.000 DM, ersatzweise/oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten an. Auch die Vorinstanz zu OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431 (WuW/E Verg 197) = IBR 1998, 508 (Boesen) hatte der Vergabestelle im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt den Zuschlag zu erteilen, ohne der Antragsstellerin zuvor die Angebotsabgabe ermöglicht zu haben. In einem Fall der Vergabe von BSE-Tests hat das LG Kiel, Az.: 14 O 38/01, dem Auftraggeber zunächst per einstweiliger Verfügung untersagt, BSETests ausschließlich an bestimmte Firmen zu vergeben (vgl. dazu die Sachverhaltsdarstellung des Berufungsurteils des OLG Schleswig, Urt. v. 6.11.2001 – 6 Kart U 45/01, ZfBR 2002, 296). Anschließend wurde er sogar verpflichtet, die Antragstellerin (Verfügungsklägerin) anteilig mit BSE-Tests zu beauftragen. Dagegen wendete sich das Berufungsurteil des OLG Schleswig, Urt. v. 6.11.2001 – 6 Kart U 44/01, ZfBR 2002, 189. Eine anteilige Vergabe könne nicht zugesprochen werden. Weitere Urteile in Vergabesachen, in denen die Möglichkeit der einstweiligen Verfügung anerkannt wird: LG Berlin, v. 18.10.1994, Europäisches Vergaberecht 4/1994, 49; dazu das Berufungsurteil des KG Berlin, 10.4.1995, EuZW 1995, 645; vgl. auch KG Berlin, WRP 1995, 948. Nach einer anderen Ansicht ist im Bereich des öffentlichen Auftragswesens kein einstweiliger RS durch die einstweilige Verfügung möglich. Gehrlein, NZBau 2001, 483, 484 m. w. N.; Lötzsch/Bornheim, NJW 1995, 2134, 2138; Schäfer, S. 58 f.; vgl. aber dazu auch Krist, VergabeR 2001, 373, 375. 73 Pietzcker, in: Schwarze, S. 61, 67; Ax/Schneider/Nette, Kap. 21 Rn. 25; Ingenstau/Korbion-Portz, A § 31 Rn. 6 f.; Hoffmann, S. 121; vgl. auch BT 13/9340, S. 20 und Fn. 139. 74 Gehrlein, NZBau 2001, 483.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

spruch aus § 935 ZPO notwendige Verfügungsgrund. Dem Unternehmen wird die Möglichkeit genommen, den Auftrag zu bekommen und damit Gewinn zu erwirtschaften. Die möglichen Schadensersatzansprüche sind keine ausreichende Kompensation.75 Beim Ausspruch der einstweiligen Verfügung ist aber das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache zu beachten. Daher ist eine direkte Verpflichtung auf Unterlassung der Zuschlagserteilung problematisch.76 Allerdings kann der Vergabestelle in jedem Fall untersagt werden, den Auftrag zu vergeben, ohne näher bestimmte Unkorrektheiten beseitigt zu haben.77 Folglich kann die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen im Zivilrechtsweg im Verfahren der einstweiligen Verfügung zu erheblichen Verzögerungen der Auftragsvergabe führen. Zeitliche Verzögerungen können durch das im Anschluss an die einstweilige Verfügung stattfindende Hauptsacheverfahren eintreten, das u. U. über mehrere Instanzen geführt werden kann.78

75 Teil 2, B. I. 4. b) aa) und Sterner, S. 135 f.; Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Vor § 102 GWB, Rn. 19. 76 So lehnt das BayObLG, Urteil v. 10.2.2000, U (K) 4883/99 – Gleisbauarbeiten, WuW 2000, 947, 948 einen Anspruch auf Aussetzung der Vergabe, also auf Unterlassung der Zuschlagserteilung ab. Es kann immer nur ein Anspruch auf Unterlassung des als rechtswidrig beanstandeten Verhaltens selbst (etwa der Wertung eines Angebotes in bestimmter Form) geltend gemacht werden. Von anderen Gerichtsentscheidungen wird aber auch eine Untersagung der Zuschlagserteilung ausgesprochen vgl. Fn. 72. Auch im Fall des LG Oldenburg, Beschl. v. 16.5.2002, 5 O 1319/02 – Straßenreinigungsarbeiten, ZfBR 2003, 181 f. hatte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die dem Auftraggeber die Zuschlagserteilung untersagt, beantragt. 77 Näher zu diesen „ohne-zu-Anträgen“ für den Vergabebereich – Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst IV, Rn. 111 f.; zu den Auswirkungen des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache im Vergabebereich auch Riese, S. 293; Jasper, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOBKommentar, VOB/A, § 26, Rn. 74. 78 Nach Gehrlein, NZBau 2001, 483, 484 versteht es sich von selbst, dass durch das möglicherweise über 3 Instanzen geführte Hauptsachverfahren „unabsehbare zeitliche Turbulenzen“ eintreten könnten. Das auf der einstweiligen Verfügung basierende fortwirkende Zuschlagsverbot würde Investitionsblockaden „ungeahnten Ausmaßes“ hervorrufen. Anders Krist, VergabeR 2001, 373, 374 f.: Das Verfahren der einstweiligen Verfügung führe nicht zwangsläufig zu den befürchteten „Investitionsblockaden ungeahnten Ausmaßes“, sondern dies zu verhindern, liege in der Hand des Gerichtes. Wenn das Zivilgericht ausspricht, einen bestimmten Vergabeverstoß zu unterlassen, kann die Vergabestelle danach das Vergabeverfahren unter Vermeidung des Fehlers fortführen und sogar den Zuschlag erteilen. Außerdem steht auch die Beschwerdeentscheidung des OLG-Vergabesenates oberhalb der Schwellenwerte ebenso wenig wie die Berufungsentscheidung im Verfahren nach § 935 ZPO unter einer Befristung.

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

601

b) §§ 1004, 826 BGB Ein Unterlassungsanspruch über § 826 BGB wird nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht kommen.79 c) § 839 BGB – Amtshaftung Unterlassungsansprüche (Primärrechtsschutz) aus dem Amtshaftungsanspruch nach § 839 i. V. m. Art. 34 GG scheitern jedenfalls daran, dass dieser Anspruch als übergeleitete Haftung des Beamten nur auf Schadensersatz gehen kann. d) §§ 1004, 823 I BGB Unterlassungsansprüche wegen Verletzung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes scheitern regelmäßig daran, dass der Eingriff nicht betriebsbezogen ist.80 Das RaGwB greift aber auch wegen seiner Subsidiarität nicht eing.81 Zwar besteht unterhalb der Schwellenwerte mangels des Bestehens von Rechtsschutzmöglichkeiten bzw. Rechtsschutzvorschriften eine Regelungslücke. Jedoch ist diese Regelungslücke nicht planwidrig.82 Der Gesetzgeber hatte aber bei Schaffung des VgRÄG nicht den Willen, im Bereich unterhalb der Schwellenwerte Rechtsschutzmöglichtkeiten zu schaffen. Das Nichteingreifen von Primärrechtsschutz war also gerade von ihm gewollt. 3. Unterlassungsansprüche aus dem Kartellrecht Die Geltendmachung von Primärrechtsschutz über das Kartellrecht scheitert zumeist daran, dass in der Regel keine marktbeherrschende Stellung des öffentlichen Auftraggebers gegeben ist.83 Liegt aber im Einzelfall ein Nachfragemonopol oder eine überragende Stellung des öffentlichen Auftraggebers i. S. der §§ 19, 20 GWB vor, kann nach § 33 GWB ein Unterlas79

Teil 2, B. I. 4. b) bb) (3) (c). Siehe Teil 2, B. I. 4. b) bb) (3) (b). 81 Anders ohne Problematisierung Sterner, NZBau 2001, 423, 426. 82 Dies fordernd auch Erdl, S. 187, Rn. 373. Mit dem subsidiären Charakter des RaGwB beschäftigen sich auch BGHZ, 45, 296, 307; BGHZ, 105, 346, 350. 83 Teil 2, B. I. 4. b) dd) und Gehrlein, NZBau 2001, 483, 484 m. w. N. davon aus, dass sich gerade bei den unterhalb der Schwellenwerte vorliegenden kleineren Aufträgen, die marktbeherrschende Stellung nur schwer oder gar nicht nachweisen lassen wird. 80

602

4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

sungsanspruch hergeleitet werden.84 Dieser kann dann mit der einstweiligen Verfügung gesichert werden [siehe unter 3. a) dd)].85 Weiter kommt vor Zuschlagserteilung eine Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts nach der Missbrauchsaufsicht (§ 32 GWB) in Betracht.86 Hat ein Konkurrent des Klägers am Verstoß des AG gegen § 20 GWB mitgewirkt, ist auch ein Vorgehen gegen ihn möglich.87 4. Unterlassungsansprüche aus Wettbewerbsrecht – § 1 UWG Auch Aufträge unterhalb der Schwellenwerte sind wettbewerbsrechtlich relevant. Dafür spricht schon die Fassung der Basisparagraphen. § 2 Nr. 1 84

So hatte der BGH, WuW 1999, 215, 216 f. (Straßenbauarbeiten) Unterlassungsansprüche nach §§ 26 II, 35 GWB a. F. bejaht (vgl. auch OLG Düsseldorf, NWVBl 1994, 193 und LG Hannover v. 17.4.1997 (21 0 38/97 (Kart)), WuW 1997, 737 ff.). Einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 26 II, 35 bejaht auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.1980 – U (Kart) 8/79 – Fernmeldetürme, DÖV 1981, 537 m. Anm. Pietzcker. Hier wurde aber auch eine Verpflichtung des Auftraggebers festgestellt, bei zukünftigen Beschaffungen eine Ausschreibung vorzunehmen und dem Kläger Chancengleichheit einzuräumen. Auch nach § 26 II wurde vom KG Berlin, Beschl. v. 20.5.1998 – Kart 24/97, ZIP 1998, 1600 und vom BGH, Beschl. v. 18.1.2000 – KVR 23/98, ZIP 2000, 426 das Verlangen einer Tariftreueerklärung des Berliner Senats für unzulässig gehalten. Das Land dürfe seine marktbeherrschende Stellung als Nachfrager im Bereich des Straßenbaus nicht dazu missbrauchen, mit der Tariftreue-Erklärung wirtschaftspolitische Ziele durchzusetzen. Ebenso hat das BKartA mit Schreiben vom 16.1.1984, WuW 1984, 926 die in NRW durch Runderlass vorgeschriebene Bevorzugung von Ausbildungsbetrieben wegen ihrer (potentiellen) Verstoßes gegen § 26 I, II GWB für unzulässig gehalten. In letzter Zeit rückt zunehmend die kartellrechtliche Zulässigkeit von koordinierten Beschaffungen (etwa wenn mehrere Gemeinden ihren Bedarf zusammenfassen, um so günstigere Preise zu erhalten) in das Blickfeld, vgl. Noch, Vergaberecht kompakt, 2. Aufl., S. 232 ff. m. w. N. auch aus der Entscheidungspraxis. 85 Krist, VergabeR 2001, 373, 374 m. w. N.; LG Berlin, Urt. v. 1.11.1983, BauR 1985, 600 f., wo eine einstweilige Verfügung wegen Verstoß gegen § 26 II, 35 a. F. GWB bejaht wurde. Auch das BayObLG, Urteil v. 10.2.2000, U (K) 4883/99 – Gleisbauarbeiten, WuW 2000, 947, 948 hat es bejaht, dass aus § 20 I, § 33 GWB ein Anspruch auf Unterlassung eines beanstandeten Verhaltens selbst hergeleitet werden kann, der dann durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden kann (näher zu dieser Entscheidung unter B. I. 3. a) dd) – zur Vorwegnahme der Hauptsache bei der einstweiligen Verfügung). Ebenso das OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431, 432 (WuW/E Verg 197) prüft einen Unterlassungsanspruch (aus § 35, 26 II GWB). 86 Beispiel: Untersagung des BkartA hinsichtlich der Tariftreueerklärungen in Berlin, bestätigt durch KG Berlin, Beschl. v. 20.5.1998 – Kart 24/97, ZIP 1998, 1600 und nachfolgend BGH, Beschl. v. 18.1.2000 – KVR 23/98, ZIP 2000, 426; näher zur Untersagungsverfügung des BkartA Wittig, S. 257 ff. und Riese, S. 387. 87 Byok, WRP 1999, 402, 403 f. m. w. N.

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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und 2 VOB/A sehen vor: „Der Wettbewerb soll die Regel sein. Ungesunde Begleiterscheidungen, wie z. B. wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, sind zu bekämpfen“.88 Liegen die Voraussetzungen von § 1 UWG vor, so kann sich aus § 1 UWG ein Anspruch auf Unterlassung der Zuschlagserteilung ergeben.89 Dieser kann dann über eine einstweilige Verfügung abgesichert werden.90 Zumeist wird es aber an einer Wettbewerbsförderungsabsicht des Auftraggebers fehlen.91 Ist aber der Wettbewerbsverstoß nach der Fallgruppe „Vorsprung durch Rechtsbruch“ zu bejahen und ist der bevorzugte Bieter am Rechtsbruch beteiligt oder hat er einen eigenen Rechtsbruch begangen, kann der Anspruchsteller unter Umständen auch gegen den bevorzugten erfolgreichen Bieter klagen.92

88

Vgl. auch Sturmberg, in: FS für Mantscheff, S. 445, 453 f. Bejaht von LG Hamburg v. 28.10.1998, ZVgR 1999, 169 = WRP 1999, 441 ff. Ein Anspruch auf einstweilige Verfügung aus § 1 UWG wurde bejaht vom KG Berlin, Urt. v. 28.4.1999, Kart U 1830/99 – Elisabeth Aue, WuW 1999, 873 (Verg 325). Auch der österreichische OGH hat in jüngerer Zeit bei Vergaberechtsverletzungen Unterlassungsansprüche aus § 1 des österreichischen UWG hergeleitet, der die gleichen Voraussetzungen normiert, wie § 1 UWG in Deutschland. So wurde etwa einem Auftraggeber untersagt, Lieferaufträge ohne vorangegangene Ausschreibung zu vergeben. näher OGH, 12.3.1996, 4 Ob 10/96, wbl 1996, 501 (LS) = Obl 1996, 241 = RZ 1997, 38; Heid/Hauck/Preslmayr, S. 179 m. w. N. 90 Bejaht von LG Heilbronn, Beschl. v. 20.8.2001, 22 O 294/01 KfH – Weinbergmauer, WuW 2002, 432 (Verg 570), auf den Widerspruch des Auftraggebers hin bestätigt durch LG Heilbronn, Urt. v. 19.11.2001 – 22 O 294/01 – Weinbergmauer, NZBau 2002, 239 = WuW 2002, 433 (Verg 571) = IBR 2002, 205 (Hennemann). Zu einem (zu bejahenden) Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 analog i. V. m. 1 UWG gegen einen öffentlichen Auftraggeber, der den Auftragnehmer zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten (hier Unterbietung der Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten) veranlasst hat, BGH NJW RR 1991, 1258 (Haftung als Störer). 91 Näher unter Teil 2, B. I. 4. b) cc) (1). 92 Byok, WRP 1999, 402, 403 f.; Wittig, S. 277. Zu einem Fall, in dem dies im Ergebnis abgelehnt wurde, LG Köln, Urt. v. 21.10.2004 – 3 O 186/04. In Österreich sind schon mehrfach durch übergangene Bieter auf Unterlassung gerichtete Klagen gegen den Zuschlagsempfänger auf Unterlassung der Leistungserbringung eingereicht, die auf § 1 des österreichischen UWG, das insoweit mit dem deutschen identisch ist, gestützt worden. Zuletzt war dies etwa im Verfahren OGH, v. 13.11.2001, 4 Ob 261/01p – Chipcard/UWG 1, RPA 2002, 40 m. Anm. Stempkowski der Fall. Hier wurde ein solcher Anspruch aber abgelehnt. Ein Bieter handele nur dann sittenwidrig, wenn die Gesetzeswidrigkeit des Vergabeverfahrens offenkundig ist und er dennoch den Vertrag ausführt. 89

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

5. Unterlassungsansprüche aus cic (§§ 311 II i. V. m. 241 II, 280 I BGB)? In Österreich ist anerkannt, dass vorbeugende Unterlassungsansprüche auch aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis hergeleitet werden können.93 Zur Sicherung dieses Unterlassungsanspruchs ist auch der Erlass einer einstweiligen Verfügung möglich. Damit kann dem Auftraggeber bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Unterlassungsbegehren die Zuschlagserteilung an das ausgewählte Unternehmen untersagt werden.94 Es sei nicht einzusehen, dass ein übergangener Bieter, der von der Zuschlagsentscheidung erführe, untätig der Zuschlagserteilung an den anderen Bieter und so die Schadensentstehung dulden müsste und danach erst Schadensersatz verlangen könnte.95 Dieser könnte dann evtl. den Schaden aber nicht (voll) wiedergutmachen. Auch in Deutschland ist dieser Ansatz inzwischen diskutiert worden: So hat das OLG Düsseldorf in einer Entscheidung aus dem Jahr 1998 die Frage aufgeworfen, ob nicht auch aus der cic (§§ 311 II i. V. m. 241 II, 280 I BGB) ein vorbeugender Unterlassungsanspruch hergeleitetet werden kann.96 Zwar lässt das OLG offen, ob es nicht in Fällen, in denen der Anbieter schon vor dem Zuschlag von dem maßgeblichen (eventuell bevorstehenden) Verstoß gegen die Vergaberegeln erfährt, möglich ist, einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch aus cic geltend zu machen. Dafür spreche aber, dass es für den Betroffenen besser ist, schon den Schadenseintritt zu vermeiden, als den Schaden später zu liquidieren. Auch das OLG Schleswig prüft einen Unterlassungsanspruch aus cic i. V. m. § 1004 BGB.97 Allerdings hat der Vergabesenat des OLG Düsseldorf in einer Entscheidung aus dem Jahr 1998 ausdrücklich festgestellt, dass der Anspruch aus 93 Ein Unterlassungsanspruch bejaht wurde vom OGH, v. 28.1.1997, 4 OB 2360/ 96d, WBl. 1997, 217, 219 m. w. N.; vgl. zu dieser Entscheidung: Wilhelm, Bestbieters Sieg, S. 59 ff.; Wilhelm, in: Rill/Griller, S. 265, 300 ff.; Aicher, JRP 1999, 253, 254 und Elsner, A 177; vgl. auch die Nachweise bei Denk, S. 160 f. Fn. 792. 94 So geschehen im Fall: OGH, v. 28.1.1997, 4 OB 2360/96d, WBl. 1997, 217. Allerdings ist der Antragsteller der Gefahr von Schadensersatzansprüchen ausgesetzt, wenn die einstweilige Verfügung später in der Hauptsache revidiert wird – Aicher, JRP 1999, 253, 254. 95 OGH, v. 28.1.1997, wbl 1997, 217, 219. 96 OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431, 434 (WuW/E Verg 197). Pietzcker stellt 1993 fest, dass die Möglichkeit von Primäransprüchen (Abwehransprüchen) aus cic bislang kaum erörtert wurde – Pietzcker, in: Festschrift für Konrad Redeker zum 70. Geburtstag, S. 501, 503. Daran hat sich nicht viel geändert. 97 OLG Schleswig, Urt. v. 6.7.1999 – 6 U Kart 22/99, NZBau 2000, 100, 103, das ihn aber im Ergebnis ablehnt.

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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cic ausschließlich auf den Ersatz in Geld gerichtet ist und daher keinen Unterlassungsanspruch zu tragen vermag.98 Zu Recht hat sich auch die Literatur mit überzeugenden Argumenten99 gegen einen Unterlassungsanspruch aus cic gewandt. Aus ihr lassen sich keine Unterlassungsansprüche herleiten. Selbst wenn man dies aber anerkennen würde, so müssten dafür jedoch auch die herkömmlichen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.100 Dies wäre allerdings meist nicht der Fall, da zumindest die für die haftungsausfüllende Kausalität erforderlich Bestbieterstellung des Anspruchsstellers sehr selten festgestellt werden kann.101 Der Nachweis der Bestbieterstellung ist für den Unterlassungsanspruch sogar noch schwieriger, als für die Geltendmachung von Schadensersatz. Denn bei der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruches ist das Vergabeverfahren noch nicht abgeschlossen, so dass die Feststellung, wem der Zuschlag vergeben werden müsste, sehr oft unmöglich ist.102 Über die cic ergeben sich damit keine Primärrechtsschutzmöglichkeiten des Bieters unterhalb der Schwellenwerte. 6. Zwischenergebnis für die Geltendmachung von Primärrechtsschutz über Unterlassungsansprüche vor den Zivilgerichten – Das Informationsdefizit des Bieters Unterhalb der Schwellenwerte bestehen zwar einige wenige Ansatzpunkte für die Durchsetzung von Primärrechtsschutz durch Unterlassungsansprüche. Selbst diese Ansätze sind aber von der Entscheidungspraxis weitgehend ungeklärt und können auch nur bei bestimmten Verfahrensverstößen, nicht jedoch bei der Verletzung aller Vorschriften der Verdingungsordnungen eingreifen.103 Im Ergebnis ist daher die Geltendmachung von Primär98

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.3.2000, Verg. 4/00, WuW 2000, 821, 822 = ZVgR 2000, 217, 219 (Allerdings hatte das OLG hier nur einen Fall oberhalb der Schwellenwerte zu entscheiden, so dass fraglich ist, ob diese Aussage trotz ihres allgemein gefassten Gehalts auch auf den Umfang des cic-Anspruchs unterhalb der Schwellenwerte übertragen werden kann.). 99 Näher dazu Motzke, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Syst V, Rn. 26 und 47; Schnorbus, BauR 1999, 77, 81; Höfler, ZfBR 2000, 148, 153; Waldner, S. 37; Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOBKommentar, VOB/A, Syst IV, Rn. 120; Binder, ZZP, 113. Band (2000), 195, 200. 100 OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431, 434 (WuW/E Verg 197). 101 Teil 2, B. I. 4. b) aa) und für einen geltend gemachten Unterlassungsanspruch OLG Düsseldorf, 29.7.98 – U (Kart) 24/98, WuW 1999, 431, 434 (WuW/E Verg 197). 102 Kraft-Lehner, S. 290. 103 Denn die Grundrechtspositionen und Rechte aus den Grundfreiheiten sind in erster Linie ergebnis- und nicht verfahrensbezogen, vgl. Dreher, NZBau 2002, 419, 427.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

rechtsschutz über Unterlassungsansprüche schon aus rechtlichen Gründen weitgehend ausgeschlossen. Darüber hinaus muss beachtet werden, dass die wenigen Primärrechtsschutzmöglichkeiten nur vor Zuschlagserteilung zum Erfolg führen können. Dies führt für viele Vergabefehler in tatsächlicher Hinsicht zu einem vollständigen Ausschluss der Primärrechtsschutzmöglichkeiten: Wie im Bereich oberhalb der Schwellenwerte vor Einführung des § 13 VgV erfährt der Bieter wegen des faktischen Zusammenfallens von Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung im Regelfall erst nach der rechtsschutzausschließenden Zuschlagserteilung von der Zuschlagsentscheidung und den Gründen dafür. Eine Vorabinformationspflicht gibt es nicht.104 Der Bieter hat nur Nachinformationsrechte. Unterhalb der Schwellenwerte gilt für die nichtberücksichtigten Bieter § 27 Nr. 2 VOB/A105 bzw. § 27 Nr. 2 VOL/A. Auch aus den neu geschaffenen Informationsfreiheitsgesetzen der Länder ergeben sich keine vor Zuschlagserteilung zu erfüllenden Informationspflichten bzw. Informationsrechte des Bieters.106 Es zeigt sich hier, dass auch der rudimentäre Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte über die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen davon abhängt, dass der Bieter zufällig vor der beabsichtigten Auftragsvergabe erfährt, dass und warum er den Auftrag nicht erhalten soll. 7. Primärrechtsschutz außerhalb von Unterlassungsansprüchen über eine Nichtigkeitsklage nach §§ 134 oder 138 BGB Es ist weiter zu untersuchen, ob der Bieter Primärrechtsschutz über eine zivilrechtliche Feststellungsklage erreichen kann, in der die Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages nach § 134 oder § 138 BGB festgestellt wird.107 a) § 138 BGB Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die Voraussetzungen des § 138 BGB in der Praxis einmal gegeben sein werden:108 104

Stolz, Anm. zu VfGH Österreich, Urt. v. 30.11.2000, VergabeR 2001, 37 f.; Faber, DÖV 1995, 403, 409. 105 Näher zu dieser Norm Brinker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOBKommentar, VOB/A, § 27, Rn. 18 ff. 106 Teil 2, B. I. 2. 107 Dazu auch Erdl, S. 188, Rn. 376 für die Rechtsschutzmöglichkeiten nach der haushaltsrechtlichen Lösung. Auch die Anrufung der Verwaltungsgerichte ist zur Rechtsschutzerlangung nicht möglich, VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 15.10.2004, IBR 2004, 710 (Mussaeus).

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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§ 138 I BGB dient der Verhinderung des Missbrauchs der Privatautonomie in einer besonders eklatanten, nach dem „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ nicht mehr hinzunehmenden Weise. Es genügt nicht, wenn ein einfacher Verstoß der Vergabestelle gegen (bieterschützendes) Vergaberecht vorliegt. Vielmehr müssen zusätzliche sittenwidrige Umstände hinzu treten.109 § 138 kommt daher – als Ausnahme vom Grundsatz, dass beim Verstoß gegen Verfahrensregeln keine Nichtigkeit gegeben ist – zum einen nur bei ganz massiven Verstößen gegen Vergaberecht in Betracht, durch die gezielt ganz bestimmte Unternehmen benachteiligt werden sollen.110 Außerdem ist bei § 138 BGB hinsichtlich der Sittenwidrigkeit danach zu unterscheiden, ob sie sich wegen des Inhalts des Rechtsgeschäfts oder aus seinem Gesamtcharakter, insbesondere der Art und Weise des Zustandekommens (und Motive/Zwecke des Rechtsgeschäfts) ergibt.111 Bei Vergaberechtsverstößen kommt eine Sittenwidrigkeit nicht wegen des Inhalts des Beschaffungsvertrages, sondern allenfalls wegen der Art und Weise des Zustandekommens des Vertrages in Betracht. In den Vergaberechtsfällen besteht aber die Sittenwidrigkeit nicht gegenüber dem Vertragspartner, sondern gegenüber Dritten oder der Allgemeinheit. In diesem Fall müssen für das Eingreifen von § 138 BGB aber beide Vertragsparteien sittenwidrig handeln.112 Es kommt also eine Nichtigkeit des Vertrages zum anderen nur in Betracht113, wenn beide Vertragsparteien in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Verstoßes handeln. Eine Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 I BGB kommt also nur in Betracht, wenn nicht nur der Auftraggeber, sondern auch der Unternehmer114 vom Vergaberechtsverstoß wusste oder 108 So wurde das Durchgreifen des § 138 BGB bspw. verneint von OLG Naumburg, Beschl. v. 3.3.2000 – 1 Verg 2/99, IBR 2000, 253 – Waldner = Beschl. v. 17.1.2000 – 1 Verg 2/99, ZVgR 2000, 170, 174; VG Regensburg, IBR 1998, 134; weitere Nachweise bei Erdl, S. 188, Rn. 376; bejaht wurde die Nichtigkeit eines Auftragsvertrages dagegen im Fall des OLG Dresden, Urt. v. 5.1.1998 – zitiert nach Putzier, DÖV 2002, 517, 519. 109 OLG Naumburg, Beschl. v. 3.3.2000 – 1 Verg 2/99, IBR 2000, 253 – Waldner = Beschl. v. 17.1.2000 – 1 Verg 2/99, ZVgR 2000, 170, 174; VK Baden-W. beim Landesgewerbeamt BW, Beschl. v. 8.11.2000 – 1 VK 23/00 (Kardiotechnische Dienstleistungen), S. 12; BGH NJW 1998, 2531 für einen UWG-Verstoß). 110 Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, § 114, Rn. 23. 111 Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 7 f. 112 Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 8; VK Baden-W. beim Landesgewerbeamt BW, Beschl. v. 8.11.2000 – 1 VK 23/00 (Kardiotechnische Dienstleistungen), S. 12 f.; OLG Rostock, Beschl. v. 16.5.2001 – 17 W 1/01, 2/01, VergabeR 2001, 315, 317 m. Anm. Gesterkamp = NZBau 2002, 170 = VN 2001, 54. 113 OLG Düsseldorf, IBR 2000, 202. 114 Für diesen genügt also nicht bloß die Kenntnis der bloßen Vertragsdaten, sondern es muss zusätzlich die Kenntnis des Umstandes bestehen, der dem Vertrag sein

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

sich dieser Erkenntnis grob fahrlässig verschloss.115 Dies ist kaum nachzuweisen.116 Es soll sich nach der Entscheidungspraxis auch nicht von selbst verstehen, dass die Vertragsparteien ihre Verpflichtungen zur Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften kannten oder sich dieser Kenntnis grob fahrlässig verschlossen haben.117 Der Nachweis der beiderseitigen Kenntnis erscheint dagegen ausnahmsweise in Fällen des unzulässigen Nachverhandelns mit einem Interessenten möglich. b) § 134 BGB Eine Nichtigkeit von Auftragsverträgen, die unter Verstoß gegen die unterhalb der Schwellenwerte bestehenden Vergabevorschriften zu Stande gekommen sind, kommt nach § 134 BGB nicht in Betracht. Die Vergabevorschriften sind keine Verbotsgesetze: Sie richten sich zum einen nicht gegen die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Die Vergaberegeln schreiben nur ein bestimmtes Verfahren zum Erreichen des angestrebten Rechtsgeschäftes vor, wollen aber nicht die Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte verhindern. Sie wenden sich nicht gegen das Rechtsgeschäft selbst, also auch nicht gegen die Ausführung eines bestimmten Auftrages.118 Die Vergabevorschriften sind also bloße Ordnungsvorschriften. Dafür spricht auch der Grundsatz des Vergaberechts, dass ein einmal erteilter Zuschlag wegen Versittlich verwerfliches Gepräge gibt: die Verpflichtung des Auftraggebers zur Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften und als Kehrseite das Sich-Entziehen dieser Verpflichtung durch Schaffung vollendeter Tatsachen zum Nachteil potentieller Bewerber und der Allgemeinheit (OLG Düsseldorf, 12.1.2000 – Verg 4/99, ZVgR 2000, 209, 213 = IBR 2000, 201 – Wagner und IBR 2000, 202 (gleiches AZ). 115 OLG Düsseldorf, 12.1.2000 – Verg 4/99, ZVgR 2000, 209 = IBR 2000, 201 f. (Wagner); VK Baden-W. beim Landesgewerbeamt BW, Beschl. v. 8.11.2000 – 1 VK 23/00 (Kardiotechnische Dienstleistungen), S. 12 f.; OLG Rostock, Beschl. v. 16.5.2001 – 17 W 1/01, 2/01, VergabeR 2001, 315, 317 m. Anm. Gesterkamp = NZBau 2002, 170 = VN 2001, 54. 116 Vgl. nur OLG Schleswig, Urt. v. 6.7.1999 – 6 U Kart 22/99, NZBau 2000, 100, 101. Auch bei der Zahlung von Schmiergeld an den Auftraggeber, die selbst nach § 138 BGB nichtig ist, ist nach einer Auffassung nicht zwingend auch die Nichtigkeit des infolge der Nichtigkeit abgeschlossenen Auftragsvertrages anzunehmen. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn der Vertrag den Auftraggeber objektiv nicht benachteiligt (vgl. Ingenstau/Korbion-Vygen, Einl. Rn. 100 unter Verweis auf BGH, NJW 1962, 1099; anders Lötzsch/Bornheim, NJW 1995, 2134, 2136, die bei einer Bestechung von einer Nichtigkeit nach § 138 BGB ausgehen). 117 OLG Düsseldorf, 12.1.2000 – Verg 4/99, ZVgR 2000, 209; VK Baden-W. beim Landesgewerbeamt BW, Beschl. v. 8.11.2000 – 1 VK 23/00 (Kardiotechnische Dienstleistungen), S. 12 f. 118 Wittig, S. 312; Lötzsch/Bornheim, NJW 1995, 2134, 2136; dazu auch Erdl, S. 188, Rn. 376.

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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gabeverstößen nicht mehr in Zweifel gezogen werden soll.119 Sie sind daher nicht als Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB anzusehen.120 Die Vergabevorschriften in den Verdingungsordnungen kommen zum anderen auch wegen ihrer Qualifikation als Verwaltungsvorschriften nicht als Verbotsgesetz in Betracht.121 Ausnahmsweise kann aber dann ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz vorliegen und damit zur Nichtigkeit nach § 134 BGB führen, wenn bei der Vergabe gegen Grundfreiheiten ausländischer Bieter verstoßen wurde.122 Denn das europäische Primärrecht schafft gesetzliche Verbote.123 8. Außergerichtliche „Rechtsschutzmöglichkeiten“ a) Anrufung der Nachprüfungsstellen (= Rechtskontrolle durch die Aufsichtsbehörden) Die Bieter können bei einem Vergaberechtsverstoß auch die Aufsichtsbehörde des öffentlichen Auftraggebers einschalten (Rechts- bzw. Fachaufsichtsbehörden).124 Bei diesen sind regelmäßig sog. „Nachprüfungsstellen“125 eingerichtet.126 Ist also die Gemeinde die Vergabestelle, so ist in der Regel die Nachprüfungsstelle beim Landkreis angesiedelt. Bei der Vergabe durch kreisfreie Städte, ist die Nachprüfungsstelle beim Regierungspräsidium zuständig. In Sachsen-Anhalt existiert insoweit eine Besonderheit, als nach einem Runderlass auch für die kreisangehörigen Gemeinden das Regie119

OLG Schleswig, Urt. v. 6.7.1999 – 6 U Kart 22/99, NZBau 2000, 100, 101. BGH, ZfBR 1997, 29, 29 f.; so auch Erdl, S. 188, Rn. 376 m. w. N.; Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, § 114, Rn. 23; im Ergebnis so auch OLG Schleswig, Urt. v. 6.7.1999, a. a. O. Zur haushaltsrechtlichen Lösung hat das OLG Düsseldorf, 12.1.2000 – Verg 4/99, ZVgR 2000, 209 entschieden, dass eine nach diesem Recht nach § 57 b IV S. 4 HGrG von der Vergabeprüfstelle erteilte Aussetzungsverfügung allenfalls ein relatives Verfügungsverbot i. S. d. §§ 136, 135 BGB enthalte, also eine Nichtigkeit nach § 134 BGB nicht tragen kann. 121 Zu den Besonderheiten im Gemeindebereich aber oben. 122 Zur begrenzten Reichweite des Schutzes durch das europäische Primärrecht aber unter B. I. 3. a) dd). 123 Näher Dreher, NZBau 2002, 419, 423. 124 Ein Muster für eine solche aufsichtsrechtliche Beschwerde nebst Erläuterungen findet sich im Beck’schen Formularbuch für Vergaberecht unter C. IV. 1. 125 Vgl. § 31 VOB/A. Der ähnliche § 21 VOF gilt nur oberhalb der Schwellenwerte. 126 Die Nachprüfungsstellen sind also in der Regel die Aufsichtsbehörden des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers – Riese, S. 306 f.; Kuß, § 31 VOB/A, Rn. 2; Heiermann/Riedl/Rusam – Heiermann, VOB, 9.A. 2000, A § 31 Rn. 4; Sterner, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 31 Rn. 4. 120

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

rungspräsidium, und nicht der Landkreis, für die Kontrolle der Auftragsvergabe zuständig ist.127 Nach § 31 VOB/A und § 21 VOF sind die Nachprüfungsstellen mit Anschrift in der Vergabebekanntmachung und in den Vergabeunterlagen anzugeben. In der VOL/A existiert keine solche Vorschrift. Bei Bundes- und Landesvergaben prüfen die Nachprüfungsstellen als Aufsichtsbehörde die Vergaben auf ihre Recht- und Zweckmäßigkeit. Bei Gemeindebeschaffungen, die in den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung fallen128, obliegt ihnen als Rechtsaufsichtsbehörde nur die Prüfung der Rechtmäßigkeit.129 Die Nachprüfungsstelle klärt von Amts wegen den ihr vorgetragenen Sachverhalt auf. Sie wirkt auf die Beseitigung von VOB- und haushaltsrechtlichen Verstößen hin. Der Nachprüfungsstelle stehen die Befugnisse einer Aufsichtsbehörde zu. Sie hat vor Zuschlagserteilung das Recht, falsche Entscheidungen der Vergabestelle aufzuheben und diese anzuweisen, das Verfahren bis zu vollständigen Klärung auszusetzen bzw. sogar die Zuschlagserteilung zu unterlassen. Selbst eine Anweisung, die Ausschreibung aufzuheben, ist denkbar.130 Bei Gefahr im Verzug oder aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung ist sogar eine Ersatzvornahme möglich.131 Kommt die Vergabestelle einer Anordnung der Aufsichtsbehörde nicht nach, so kann die Aufsichtsbehörde den Auftrag im Wege des Selbsteintritts selbst neu ausschreiben.132 Die Anweisungen der Fachaufsichtsbehörde sind für die Vergabestelle als nachgeordnete Behörde bindend und nicht angreifbar. Demgegenüber stellt 127

Die Nachprüfungsstellen sind von den VOB-Beratungsstellen zu unterscheiden. Zu den VOB-Stellen näher unter 9. b). 128 In jedem Fall besteht hierbei nur eine Rechtsaufsicht durch die Kommunalaufsicht, wenn die Gemeinden im eigenen Wirkungskreis Aufträge vergeben. Fraglich ist, ob die Auftragsvergabe auch dann eine Selbstverwaltungsangelegenheit ist, wenn sie zur Erfüllung der Gemeindeaufgaben im übertragenen Wirkungskreis erfolgt. Der Runderlass in Brandenburg spricht allgemein davon, dass die Auftragsvergabe eine Selbstverwaltungsangelegenheit ist und ordnet daher immer die Rechtsaufsicht an (anders für Beschaffungen bei Auftragsangelegenheiten wohl Ax/Schneider/Nette, Kap. 21 Rn. 5 ff. und 26 ff.). 129 Riese, S. 308 f.; Heiermann/Riedl/Rusam – Heiermann, VOB, 9.A. 2000, A § 31 Rn. 4; vgl. auch: Runderlass des Ministeriums des Inneren für die Ausübung der Kommunalaufsicht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens Nr. 1/2001 v. 5.1.2001, ABl. für Brandenburg Nr. 5 v. 31.1.2001, S. 101 (z. B. mit besonderen Beratungspflichten der Aufsichtsbehörde). 130 Zum Ganzen Sturmberg, in: FS für Mantscheff, S. 445, 452 m. w. N.; Riese, S. 308 f.; Seidel, EuR 1990, 158, 168 ff.; Heiermann/Riedl/Rusam – Heiermann, VOB, 9.A. 2000, A § 31 Rn. 5. 131 Riese, S. 308 f. 132 Seidel, EuR 1990, 158, 169.

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die Maßnahme der Vergabeprüfstelle im Kommunalbereich, wo die Aufsichtsbehörde nur die Rechtsaufsicht ausübt133, einen Verwaltungsakt dar, gegen den die Gemeinde den Verwaltungsrechtsweg beschreiten kann.134 Dies hat zur Folge, dass es unter Umständen bei der gerichtlichen Beurteilung einer Auftragsvergabe zu einer Spaltung des Rechtsweges kommen kann: Bei einer Auftragsvergabe durch die Gemeinde kann der Unternehmer die zuständige Landesbehörde als Vergabeprüfstelle einschalten. Gegen deren feststellenden Verwaltungsakt steht der Gemeinde der Verwaltungsrechtsweg offen. Da der Unternehmer gleichzeitig Schadensersatzansprüche und Unterlassungsansprüche vor dem ordentlichen Gericht geltend machen kann, besteht die Gefahr divergierender Entscheidungen.135 Der Vorteil der Anrufung der Nachprüfungsstelle liegt darin, dass hier alle Rechtsverstöße gerügt werden können. Eine Beschränkung auf die Geltendmachung subjektiver Rechte wie bei der Anrufung der VK und des OLG oberhalb der Schwellenwerte gibt es nicht. Weiterhin ist das Einschalten der Aufsichtsbehörde kostenfrei. Auch kann die Aufsichtsbeschwerde schon vorbeugend vor einer erwarteten Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers erhoben werden, ein konkreter Schaden des Unternehmens muss noch nicht eingetreten sein.136 Diese Vorteile werden aber durch folgende Gesichtspunkte weitgehend entwertet (Grenzen der Durchschlagskraft einer Anrufung der Nachprüfungsstelle / Aufsichtsbehörden): Auch bei der Anrufung der Aufsichtsbehörde besteht – wie bei der Geltendmachung der Unterlassungsansprüche – das von oberhalb der Schwellenwerte bekannte Problem, dass diese Möglichkeiten der Nachprüfungsstelle oft nur theoretisch sind. Oft wird der Bieter von der Zuschlagserteilung überrascht und Mängel der Zuschlagserteilung kann er nicht geltend machen. Der Bieter hat nur Nachinformationsrechte. Ein substantiierter Vortrag von Verstößen gegen die Verdingungsordnungen vor der Prüfstelle ist erst nach Zuschlagserteilung möglich.137 Nach erfolgtem Zuschlag hat aber die Nachprüfungsstelle ebenso wenig ein Eingriffsrecht in den geschlossenen Auftragsvertrag wie die vergabespezifischen Nachprüfungsinstanzen oberhalb der Schwellenwerte.138 Zwar kann sie danach verlangen, dass rechtswidrige Maßnahmen rückgängig gemacht werden, bereits geschlossene 133

Vgl. Fn. 128. Heiermann/Riedl/Rusam – Heiermann, VOB, 9.A. 2000, A § 31 Rn. 5 f.; Sterner, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 31 Rn. 4; Riese, S. 310 f. 135 Sterner, S. 129. 136 Riese, S. 309 m. w. N. 137 Siehe schon unter 7. 134

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

Verträge können aber gegen den Willen des Auftragnehmers nicht mehr beseitigt werden.139 So kann also etwa eine Kommunalaufsichtsbehörde zwar auch nach Zuschlagserteilung die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses über die Zuschlagsentscheidung binnen eines Monats verlangen, nicht aber die Rückgängigmachung des Auftragsvertrages fordern.140 Weiter muss berücksichtigt werden, dass die Vorbehalte der Bieter, den hier bestehenden innerbehördlichen Beschwerdeweg zu gehen, größer sind als bei den Rechtsschutzmöglichkeiten über den Schwellenwerten. Unterhalb der Schwellenwerte kann nämlich der „Kreis der Exekutive nicht durchbrochen werden“.141 Es besteht hier für das Verhältnis der Aufsichtsbehörde zur nachgeordneten Behörde oft auch die Vermutung der Bieterseite, dass „eine Krähe der anderen kein Auge aushackt“.142 Tatsächlich ist in bestimmten Fällen auch die Aufsichtsbehörde nicht an einer lückenlosen Einhaltung der Vergabebestimmungen interessiert. Zu denken ist hier etwa an Fälle, in denen aus wirtschaftspolitischen bzw. vergabefremden Gründen ein bestimmter – oft lokaler – Bieter bevorzugt werden soll. Von Bieterseite wird weiterhin zuweilen befürchtet, dass die Aufsichtsbehörde auch deshalb nicht mit letzter Konsequenz Fehler aufdeckt, weil die Fehlerfeststellung als Zeichen für die mangelnde organisatorische Sicherstellung von rechtmäßigem Handeln der zu überwachenden Instanz gedeutet werden und damit die Aufsichtbehörde selbst in schlechtem Licht erschei138

So auch Sturmberg, in: FS für Mantscheff, S. 445, 452 „Rechts- und Fachaufsicht“ haben dann kein Eingriffsrecht. (Seine weitere Einschätzung, erst nach Erhalt der Nachinformationen sei ein Vortrag der Verletzung „subjektiver Rechte“ möglich, ist nicht korrekt. Unterhalb der Schwellenwerte fehlt es gerade an diesen.); KraftLehner, S. 125. 139 Rittner, Rn. 338; Schäfer, S. 62; VGH Mannheim, Urt. v. 5.8.2002 – 1 S 379/ 01, NZBau 2002, 640 = ZfBR 2003, 405; Riese, S. 308 f.; Faber, DÖV 1995, 403, 407; Hoffmann, S. 121 (Grundsatz „pacta sunt servanda“). Vgl. dazu auch Punkt 3.5.3. des Runderlasses Brandenburg: Danach ist in Fällen, in denen der Zuschlag bereits erteilt wurde, auch eine Anordnung (§ 126 GO BrB), den Vertrag zu kündigen (vgl. § 8 VOB/A und VOL/A) wegen der folgenden Schadensersatzansprüche des Auftragnehmers als unverhältnismäßig anzusehen. Im Zweifel sei daher, die Rückabwicklung einer rechtswidrigen Auftragsvergabe als rechtlich oder tatsächlich aussichtslos anzusehen. Maßnahmen nach § 124 bis 129 GO kämen nicht in Betracht. So auch Kraft-Lehner, S. 258 f., nach der keine Verpflichtung der Vergabestelle besteht, zivilrechtliche Rücktrittsgründe (insbes. aus § 649 BGB oder § 8 Nr. 1 VOB/B) wahrzunehmen. Anders Achenbach, S. 271 ff., der bei grundrechtsverletzender Auftragsvergabe aus diesen Normen eine Kündigungspflicht des Auftraggebers bejaht. 140 VGH Mannheim, Urt. v. 5.8.2002 – 1 S 379/01, NZBau 2002, 640 = ZfBR 2003, 405. 141 Sturmberg, in: FS für Mantscheff, S. 445, 450. 142 Schäfer, S. 63.

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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nen könnte.143 Weiterhin wird die „Durchschlagskraft“ einer Beschwerde bei der Nachprüfungsstelle dadurch gehindert, dass sie als Aufsichtsstelle nicht bestrebt ist, die Vergabestelle Schadensersatzansprüchen auszusetzen.144 Sie wird daher dem beschwerdeführenden Bieter oft nur eine knappe Stellungnahme zu seiner Beschwerde geben, die sich auch nur auf die dort gerügten Mängel beziehen wird. Die Vergabestelle dagegen erhält eine umfassende Mängelrüge auch zu anderen als den gerügten Fehlern.145 Im Übrigen nehmen die Nachprüfungsstellen in den einzelnen Bundesländern ihre Aufgaben in ganz unterschiedlichem Umfang wahr.146 Nachteilig ist weiter, dass die Aufsichtsbeschwerde keinen Suspensiveffekt hat.147 Die Vergabestelle könnte also trotz der Einschaltung der Aufsichtsbehörde evtl. auch unter Missachtung von direkten Weisungen den Zuschlag rechtswidrig erteilen. Der Vertrag wäre trotzdem rechtsgültig zu Stande gekommen, denn anders als bei Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte, wo § 115 I GWB eingreift, tritt hier keine Nichtigkeitsfolge ein, sondern der Bieter ist dann auf Schadensersatzansprüche verwiesen.148 Außerdem liegt es im Ermessen der Aufsichtsbehörde, ob sie einschreiten will und wenn, mit welchen Mitteln sie es tut.149 Es besteht (grundsätzlich) 143

Eggenberger, VergabeRecht 1/97, 15. So wird auch als Antwort auf die Fragebogenaktion des BMWi zu den Erfahrungen mit dem VgRÄG oft angegeben, die Vergabeprüfstellen seien oft weder neutral noch kompetent, dazu Pukall, BMWi, auf einer Vortragsveranstaltung des forum vergabe e. V. am 25.4.2002 in Berlin. 145 Dies wurde von verschiedener Seite (etwa Nachprüfungsstellen und Gemeinden) in der Diskussion bei einer Tagung des forum-vergabe e. V. am 18.4.2002 in Leipzig bestätigt. 146 Dies ergaben auch die Statements auf einer Tagung des forum-vergabe e. V. am 18.4.2002 in Leipzig zum Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte. Besonders auftraggeberfreundlich ist danach die Tätigkeit der Nachprüfungsstellen in Brandenburg (so der Vortrag von Plumbach, Vortrag auf einer Tagung des forumvergabe e. V. am 18.4.2002 in Leipzig): Hier bleibt es bei der reinen Kommunalaufsicht. Nachprüfungsstellen nach § 31 der VOB sind hier nicht eingerichtet bzw. wurden abgeschafft. (Dazu ist das Land auch nicht verpflichtet, da die Verdingungsordnungen unterhalb der Schwellenwerte keinen Gesetzesrang haben.) In Brandenburg wird aber auch die – auch hier – bestehende Kommunalaufsicht viel weniger tätig. Die Rechtsaufsicht wird hier als durch das Recht auf kommunale Selbstverwaltung weitgehend eingeschränkt angesehen. Vielmehr wird der beschwerdeführende Bieter auf den Sekundärrechtsschutz verwiesen. vgl. dazu den Runderlass des Ministeriums des Inneren für die Ausübung der Kommunalaufsicht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens Nr. 1/2001 v. 5.1.2001, ABl. für Brandenburg Nr. 5 v. 31.1.2001, S. 101: So darf etwa nach Punkt 3.6.2. eine auf Aussetzung des Vergabeverfahrens gerichtete Anordnung nach § 126 GO nicht ergehen. 147 Riese, S. 309. 148 Ingenstau/Korbion-Portz, A § 31 Rn. 4; Hoffmann, S. 154. 144

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

keine Verpflichtung der Aufsichtsbehörde zum Einschreiten.150 Damit geht einher, dass der Antragsteller auch keinen Anspruch auf Tätigwerden der Aufsichtsbehörde hat. Er kann daher keine Verpflichtungsklage auf deren Tätigwerden erheben.151 Es besteht nicht einmal ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Einschreiten.152 Allerdings muss berücksichtigt werden, dass sich das Recht, eine Aufsichtsbeschwerde als formlosen Rechtsbehelf einzulegen, aus Art. 17 GG ergibt. Es ist heute in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass der Petent über den Wortlaut des Art. 17 GG hinaus zumindest einen Anspruch auf Erlass eines informatorischen Bescheides hat, bei dessen Nichtbeachtung allg. Leistungsklage erhoben werden kann. Die Bescheidung darf sich nicht auf eine bloße Empfangsbestätigung beschränken, sondern muss erkennen lassen, dass die Vergabeprüfstelle vom Inhalt der Gegenvorstellung Kenntnis genommen hat und wie sie diese weiter behandelt hat.153 Insgesamt ergibt sich daraus, dass die Anrufung der Nachprüfungsstelle oft zu spät kommen wird. Falls sie rechtzeitig eingelegt wird, kann sie im Einzelfall jedoch eine rechtmäßige Vergabe durchsetzen. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass neben der Anrufung der Nachprüfungsstelle auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde möglich ist. Denn die Fach- und Rechtsaufsicht ist von der Dienstaufsicht zu unterscheiden. Bei ersterer geht es um die richtige Erledigung der sachlichen Aufgaben einer Behörde, während es bei letzterer um die personelle Seite, um das Verhalten der einzelnen Person geht.154 Die Unterscheidung kann praktische Bedeutung haben, da für Fach- und Dienstaufsicht unterschiedliche Behörden zuständig sein können.155 Auch die Dienstaufsichtsbeschwerde gibt 149 Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Vor § 102 GWB, Rn. 12 und ders., in: Müller-Wrede, VOF, § 21 Rn. 5. 150 Wiegand/Grimberg, § 133 Rn. 11 m. w. N.; Klang/Gundlach, § 133 Rn. 3. Diese Ansicht ist aber nicht unumstritten. Eine Literaturmeinung bejaht eine Pflicht zum Einschreiten: Seidel, in: Dauses, Hdb. des EU-Wirtschaftsrechts, H. IV, Rn. 281: Die Aufsichtsbehörden hätten nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 III GG) nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, den Vergaberechtsverstößen nachzugehen. So im Ergebnis auch Ingenstau/KorbionPortz, A § 31 Rn. 4, der von einer Verpflichtung zum Eingreifen (zur Durchsetzung einer rechtmäßigen Vergabe) und zur Aufklärung des Sachverhalts ausgeht. 151 Schäfer, S. 62 f.; Heiermann/Riedl/Rusam – Heiermann, VOB, 9.A. 2000, A § 31 Rn. 4. 152 Wiegand/Grimberg, § 133 Rn. 11 m. w. N. 153 Schmitt Glaeser/Horn, Einl. Rn. 15; Riese, S. 385 ff. m. w. N.; Schumacher, S. 141 m. w. N. 154 Vgl. auch Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Vor § 102 GWB, Rn. 13; Ax/Schneider/Nette, Kap. 21 Rn. 36 ff. 155 Ax/Schneider/Nette, Kap. 21 Rn. 37.

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aber keinen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Vornahme oder Unterlassung einer Handlung durch die Behörde. Ebenso kann im Falle der Untätigkeit der Dienstaufsichtsbehörde keine Untätigkeitsklage (§§ 42 I, 75 VwGO) erhoben werden.156 Sie unterliegt im Übrigen den gleichen Defiziten wie die Fach- und Rechtsaufsicht. b) Auftragsberatungsstellen (VOB-Beratungsstellen) Der Bieter kann sich ferner an die VOB157-Beratungsstellen bzw. VOBPrüfstellen wenden, die in allen Bundesländern (meist auf der mittleren Verwaltungsebene) existieren.158 Sie sind nicht nur Beratungsstellen für jede Seite der Vergabebeteiligten, sondern man kann sich an sie auch mit einer Beschwerde wenden. Wenn sich die Vergabestelle nicht bereit zeigt, den Empfehlungen der VOB-Stellen zu folgen, stehen diesen zwar keine eigenen Weisungsbefugnisse zu, sie können aber die zuständigen Aufsichtsbehörden einschalten.159 c) Vergabekontrolle über die Rechnungshöfe Der Unternehmer kann weiter die Rechnungshöfe vom (vermeintlichen) Vergaberechtsverstoß informieren.160 Sie überprüfen u. a., ob durch rechtswidrig durchgeführte Vergabeverfahren, etwa durch unterlassene Ausschreibungen, zu teuer beschafft wurde. Die Berichte der Rechnungshöfe enthalten daher auch meist Bemerkungen zu Unregelmäßigkeiten bei Beschaffungen.161 156 Portz, ZVgR 1998, 596, 598; Ingenstau/Korbion-Vygen, 14. Aufl. 2001, Einl. Rn. 39. 157 Die Tätigkeit dieser Stellen beschränkt sich aber zumeist nicht ausschließlich auf VOB-Vergaben, sondern auch auf die Vergabeverfahren nach der VOL/A (und oberhalb der Schwellenwerte nach der VOF). 158 Genaue Anschriften im Jahrbuch Baurecht 2000, S. 404 ff. und bei Ax/Schneider/Nette, Anhang. 159 Zu den Erfahrungen mit den VOB-Stellen unter der Geltung des VgRÄG, Behördenspiegel 1/2003, S. 15; näher auch Schumacher, S. 145 f., der deren Tätigkeit positiv bewertet; Seidel, EuR 1990, 158, 171 ff.; Rittner, Rn. 340; Schäfer, S. 63 f.; Ax/Schneider/Nette, Kap. 21 Rn. 42 ff. Zu den VOB-Stellen und den Auftragsberatungsstellen in Rheinland-Pfalz: Die neue Verwaltungsvorschrift vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, dem Ministerium für Sport, dem Ministerium des Inneren und dem Ministerium der Finanzen (MwVlW 8205 – 38 10 15, Ministerialblatt der Landesregierung v. 14.12.2001, S. 475, abgedruckt in ZfBR 2002, 96). 160 Zur Kontrolle der Auftragsvergabe durch interne ex-post Rechnungskontrolle der öffentlichen Körperschaften und durch überörtliche Rechnungsprüfung als Bestandteil der Rechtsaufsicht, Kraft-Lehner, S. 128 ff.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

Über die Appellfunktion dieser Berichte der Rechnungshöfe162 kann mittelbar eine Durchsetzung des Haushaltsrechts erreicht werden:163 Die Rechnungshöfe üben wegen des Medieninteresses und dem damit entstehenden öffentlichen Druck164 einen gewissen Einfluss auf die Beschaffung der öffentlichen Hand aus165, können aber als nachträgliche Kontrolle auf das betreffende Vergabeverfahren keinen Einfluss mehr nehmen und so auch die Interessen der Beteiligten nicht sichern.166 Die Rechnungshöfe haben auch nicht die Aufgabe, Bieterschutz zu gewährleisten, sondern sie sollen die Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Hand überwachen. Sie sind daher Kontrollinstanz, aber für die Bieter keine Rechtsschutzinstanz.167 Außerdem kann die Kontrolle der Rechnungshöfe bei der Vielzahl der Aufträge nur stichprobenartig erfolgen, so dass sie für eine wirksame Kontrolle nicht ausreicht.168

161 Vgl. nur den Bericht des baden-würtenbergischen Rechnungshofes zur rechtswidrigen Auftragsvergabe im Bereich der Straßenunterhaltung (LT-Drs. 12/829, S. 3) oder den Bundesrechnungshof zur Zurückdrängung der öffentlichen Ausschreibung (BT-Drs. 10/3848, S. 8). Zur Kritik des Bundesrechnungshofes an nicht ordnungsgemäßen Ausschreibungen für 2 Arbeitsamt-Neubauten in Ostdeutschland, Focus 45/2001, S. 60 f.; zum Bereicht des Rechnungshofes vom 19.11.2002, Monatsinfo forum vergabe e. V., 11/2002, 152 f. 162 Vgl. §§ 88 ff. BHO. 163 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 109. 164 Die Feststellungen des Rechnungshofes sind aber nicht rechtlich sanktioniert. Allerdings ist zu beachten, dass nach der Erstellung des Berichts des Bundesrechnungshofes, die dort festgestellten Ergebnisse nach Abklingen des Medienechos nicht in den „Schubladen“ verschwinden. Vielmehr befasst sich der Rechnungsprüfungsausschuss (Unterausschuss) des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages mit den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes. Überwiegend schließt er sich der Kritik des Rechnungshofes an und bestimmt, mit welchen Maßnahmen und in welchem Zeitraum die betroffene Behörde zu reagieren hat. Über diese Maßnahmen der betroffenen Behörden und der Reaktionen des Rechnungsprüfungsausschusses berichtet der Bundesrechnungshof dann noch einmal in einem Ergebnisbericht. Dieser zeigt also auf, wie auf die Kritik des BRH zu einem bestimmten Jahr in der Folge reagiert wurde. Diese nachträgliche „Umsetzungskontrolle“ schafft also einen weiteren Anreiz, auf die Bemerkungen des BRH auch zu reagieren. 165 Kraft-Lehner, S. 141 f. 166 Vgl. Korinek, ecolex 1999, 523, 527 für die vergleichbare österreichische Rechnungshofkontrolle. Zur Rechnungshofkontrolle in Österreich auch Bartmann, S. 50 ff. und Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/Rill, S. 195, 450 ff.). 167 Scherling, S. 41. 168 Bartmann, S. 50 ff.

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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III. Ergebnis für den Primärrechtsschutz unter den Schwellenwerten Es bleibt festzuhalten, dass der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte für die Bieter schon in rechtlicher Hinsicht weitgehend nicht möglich ist. Hinzu kommt in tatsächlicher Hinsicht das aus dem Bereich oberhalb der Schwellenwerte bekannte Problem: Die Verfolgung dieser wenigen bestehenden Rechtsschutz- bzw. Beschwerdemöglichkeiten ist nur vor Zuschlagserteilung möglich bzw. für den Bieter sinnvoll. Der Bieter erfährt aber oft – bzw. im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung immer – erst nach dieser Zuschlagserteilung von etwaigen Vergaberechtsverstößen.169 Im Ergebnis geht durch die stetigen Verbesserungen des Rechtsschutzes oberhalb der Schwellenwerte die Schere zum Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte immer weiter auseinander.170 Dreher171 hat dies sehr schön bildlich folgendermaßen zusammengefasst: „Im Ergebnis teilen die Schwellenwerte die Auftragsvergabe damit in zwei Welten: Auf der einen Seite in die Welt des Vergaberechts. In dieser hellen Welt scheint auch die Sonne des Vergaberechtsschutzes. Sie lässt die Vergaben im Lichte von Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung erstrahlen. Dem steht auf der anderen Seite die dunkle Welt des Vergabewesens gegenüber. Diese Welt wird von den erhellenden und reinigenden Strahlen des Vergaberechtsschutzes nicht erfasst. Hier herrschen Intransparenz und Rechtsschutzlosigkeit.“172 Folge dieser Rechtslage ist, dass wegen der begrenzten Durchsetzbarkeit des Vergaberechts unterhalb der Schwellenwerte bei einigen Vergabestellen nicht immer die Motivation besteht, das Vergaberecht vollständig zu beachten. Anders ist dies allerdings in den Fällen von Zuwendungen staatlicher Stellen an andere staatliche Stellen (etwa an Gemeinden) für eine Beschaffungsmaßnahme: Hier ist die Zuwendung oft an die Auflage gebunden, die Verdingungsordnungen bei der Auftragsvergabe einzuhalten. Geschieht dies dann nicht, ist ein Widerruf des Bewilligungsbescheides wegen Auflagenverstoß nach § 49 II a 1 Nr. 2 VwVfG möglich.173 169 Nach den Erfahrungen von Mittenbacher, Leiter der Nachprüfungsstelle beim RP Leipzig, Vortrag auf einer Tagung des forum-vergabe e. V. am 18.4.2002 in Leipzig, wird die Nachprüfungsstelle in 80% der Fälle vor Zuschlagserteilung tätig. 170 So auch Sturmberg, in: FS für Mantscheff, S. 445, 447. 171 NZBau 2002, 419. 172 In Anschluss stellt er dann die Frage, ob die „vergaberechtliche Unterwelt aber auf Dauer vor dem Glanz des Vergaberechts verborgen bleiben soll“. 173 Zu einem solchen Fall BVerwG, Urt. v. 24.1.2001 – 8 C 8/00, NJW 2001, 1440 = DVBl. 2001, 1221.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

Verschärft werden könnten die dargestellten Rechtsschutzprobleme der Bieter dadurch, dass die Schwellenwerte nach dem Referentenentwurf des BMWA vom 8.2.2005 im Rahmen der Neuregelung des Vergaberechts um nahezu 1/3 erhöht werden sollen. Damit orientiert sich der Referentenentwurf an der dementsprechenden Entwicklung im Legislativpaket.

IV. Gründe für den Ausschluss des Primärrechtsschutzes im Bereich unterhalb der Schwellenwerte Die Zweiteilung des deutschen Vergaberechts ist durch das Europarecht veranlasst, aber nicht zwingend gefordert:174 Grund für die Festlegung von Schwellenwerten im europäischen Vergaberecht war, dass die Aufträge nur oberhalb bestimmter Auftragswerte Relevanz für die Verwirklichung des Binnenmarktes haben. Nur dafür besteht aber eine Kompetenz der Gemeinschaft. Außerdem war zu berücksichtigen, dass eine gemeinschaftsweite Vergabe nur ab bestimmten Auftragswerten Sinn macht. Denn die Bieter selbst werden bei Aufträgen kleinen Umfangs die hohen Kosten für eine Bewerbung über die Grenzen nicht auf sich nehmen.175 Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips stellt aber das Europarecht weder eine positive noch eine negative Aussage über die Zweck- und Notwendigkeit subjektiver Bieterrechte außerhalb des gemeinschaftsrechtlich geregelten Bereichs auf.176 Der Ausschluss des Primärrechtsschutzes beruht also auf einer freien Entscheidung des deutschen Gesetzgebers. Dieser entschloss sich aus folgenden Gründen gegen die Einführung von Primärrechtsschutzmöglichkeiten auch im Bereich unterhalb der Schwellenwerte: Der Gesetzgeber befürchtete wegen der Vielzahl der Fälle unterhalb der Schwellenwerte vor allem eine nicht zu bewältigende Fülle von Rechtsstreitigkeiten, wenn er allen potenziellen Auftragnehmern subjektive Rechte und damit Rechtsschutzmöglichkeiten gewährt hätte.177 Außerdem sollte die im Allgemeininteresse erwünschte zügige Auftragsvergabe nicht durch (langwierige) Prozesse behindert werden. Weiterhin sollten durch die Erhaltung eigener Vergabeverfahrensvorschriften unterhalb der Schwellenwerte bestimmte Erleichterungen für das Vergabeverfahren in diesem Bereich erhalten bleiben: 174

So auch Pietzcker, in: Schwarze, S. 61, 62. Dreher, NZBau 2002, 419, 420; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 9; Begründungserwägung zur RL 92/50/EWG, Abl. EG Nr. L 209 vom 24.7.92, S. 2; Malmendier, DVBl 2000, 963, 967. 176 Malmendier, DVBl 2000, 963, 967 f. 177 BT-Drs. 13/9340, S. 15; Malmendier, DVBl 2000, 963, 968. 175

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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1. Die Bekanntmachung muss unterhalb der Schwellenwerte nicht zusätzlich auch europaweit (im Amtsblatt der EU) erfolgen, sondern es genügt eine Veröffentlichung in nationalen Medien (vgl. etwa § 17 VOB/A). 2. Beim Offenen Verfahren oberhalb der Schwellenwerte ist eine Angebotsfrist von mindestens 52 Kalendertagen nach § 18 a Nr. 1 Abs. 1 VOB/ A, VOL/A vorgesehen (ausnahmsweise Verkürzung auf 36 Kalendertage nach § 18 a Nr. 1 Abs. II VOB/A, VOL/A falls eine Vorinformation über die beabsichtigte Vergabe178 erfolgt war). Dagegen ist im nationalen Vergabeverfahren lediglich die Festsetzung einer „ausreichenden“ Angebotsfrist vorgeschrieben. Bei Vergaben nach der VOB darf diese jedoch auch bei Dringlichkeit nicht unter 10 Tagen liegen. 3. Nach § 97 IV GWB dürfen vergabefremde Aspekte oberhalb der Schwellenwerte bei der Auftragsvergabe nur berücksichtigt werden, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist. Dagegen ist unterhalb der Schwellenwerte eine Berücksichtigung dieser Aspekte auch durch Verwaltungsvorschrift möglich.179 Für die rein nationale „Beschränkte Ausschreibung“ sind im Vergleich zum europaweiten „Nichtoffenen Verfahren“ weitere Erleichterungen vorgesehen: 1. Im nationalen Bereich müssen nur mind. 3 Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden (§ 8 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A und § 7 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A), anstatt mind. 5 (§ 8 a Nr. 2 S. 1 VOB/A und § 3 a Nr. 1 Abs. 2 S. 3 VOL/A). 2. Im nationalen Bereich ist es bei einer beschränkten Ausschreibung nicht zwingend erforderlich, dass ein Teilnahmewettbewerb stattfindet. Bei einer beschränkten Ausschreibung kann sich der Auftraggeber auch unmittelbar an einen begrenzten Kreis von Unternehmen wenden, die er zur Abgabe eines Angebotes auffordert.

V. Der Sekundärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte Um das Rechtsschutzsystem unterhalb der Schwellenwerte insgesamt zu würdigen, ist auch auf den Sekundärrechtsschutz (Schadensersatzmöglichkeiten) einzugehen. Dieser hat hier viel größere praktische Bedeutung, da wie gezeigt weitgehend kein wirksamer Primärrechtsschutz besteht. Dennoch scheiden auch Schadensersatzansprüche des Bieters180 unterhalb der Schwellenwerte zumeist aus den gleichen Gründen aus wie oberhalb der 178 Diese Vorinformation ist nicht zu verwechseln mit der Vorabinformation über die beabsichtigte Zuschlagserteilung. 179 Dazu näher Pietzcker, in: Schwarze, S. 61, 65 und Breloer, S. 141 f.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

Schwellenwerte181. Unterhalb der Schwellenwerte sind darüber hinaus noch folgende Besonderheiten zu beachten: 1. Amtshaftung Die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen scheitert hier schon an der Verletzung einer drittschützenden Amtspflicht: Da die Verdingungsordnungen intern bindend sind, schaffen sie zwar Amtspflichten, sie gewähren aber wegen der rein haushaltsrechtlichen Ausgestaltung des Vergabewesens unterhalb der Schwellenwerte keine Bieterrechte und sind damit nicht drittschützend.182 Ein Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung ist daher nur bei Verletzung der allgemeinen Amtspflichten – etwa unrichtige Auskunftserteilung – möglich.183 2. § 823 II BGB Die Verdingungsordnungen sind unterhalb der Schwellenwerte – anders als darüber – keine Schutzgesetze (s. schon bei den Unterlassungsansprüchen).

VI. Ausblick auf die geplante Neuregelung der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte durch das Verschlankungskonzept der Bundesregierung Der festgestellte Befund, dass den Bietern unterhalb der Schwellenwerte keine Primärrechtsschutzmöglichkeiten (und auch keine Schadensersatzmöglichkeiten) zustehen, wird auch nach der geplanten Neuregelung des Vergaberechts durch das Verschlankungskonzept der Bundesregierung (Referentenentwurf vom 8.2.2005)184 seine Geltung behalten: 180

Zu den Schadensersatzansprüchen des Auftraggebers unterhalb der Schwellenwerte: BGH, Urt. v. 18.9.2001, X ZR 51/00 – Heizanlage, WuW 2001, 1272 (Verg 520) = NZBau 2001, 695 = VergabeR 2002, 36 m. Anm. Benedict: Kann dem günstigsten Bieter wegen einer Manipulation am Angebot wegen Unzuverlässigkeit nicht der Zuschlag erteilt werden, so kann die Vergabestelle dennoch nicht von ihm die Differenz zwischen seinem Angebot und dem höheren zugeschlagenen Angebot ersetzt verlangen. Dies sei von der Ersatzpflicht, des hier offen gelassenen, aber unterstellten Vertrauensverhältnisses und des § 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB nicht erfasst. Diese Entscheidung wird heftig von Benedict in seiner Urteilsanm., a. a. O., kritisiert. 181 Vgl. Teil 2, B. I. 4. b). 182 Riese, S. 302; Schäfer, S. 57 m. w. N. 183 Riese, S. 303.

B. Überblick über die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte

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Nach dem Gesetzgebungsvorschlag findet auch im Bereich unterhalb der Schwellenwerte im Liefer- und Dienstleistungsbereich die neue einheitliche Vergabeverordnung Anwendung. Nur für Bauaufträge wird weiterhin die VOB/A (Abschnitt 1) gelten, die im Verantwortungsbereich des DVA bleibt. Da das Vergaberecht hier aber auch im Bereich der Liefer- und Dienstleistungsaufträge nach wie vor als Haushaltsrecht gilt, wird es keine subjektiven Rechte und damit keinen Rechtsschutz geben. Dies wird damit begründet, dass ansonsten nicht hinnehmbare Investitionsverzögerungen eintreten würden. Allerdings hat das Vergaberecht im Liefer- und Dienstleistungsbereich durch die Geltung der Vergabeverordnung Rechtsnormcharakter. Im Unterschied zu den bisherigen Verdingungsordnungen kommt der Verordnung Außenwirkung zu. Nur die VOB/A gilt weiter als Verwaltungsvorschrift.185 Für freiberufliche Leistungen und Aufträge im Sektorenbereich gilt die Vergabeverordnung im Bereich unterhalb der Schwellenwerte nicht. Sie soll auch nicht für Aufträge mit einem geschätzten Auftragswert von unter 7.500 Euro gelten.186

184

Dazu ausführlich im Teil 1, unter VII. d). Ollmann, VergabeR 2004, 669, 671. 186 Eine grafische Übersicht über das neue System des geplanten deutschen Vergaberechts findet sich bei Ollmann, VergabeR 2004, 669, 671. 185

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

C. Kritik am Ausschluss des Primärrechtsschutzes Die Zweiteilung des Vergaberechts, insbesondere der weitgehende Ausschluss von Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte wird von einer weit verbreiteten Auffassung heftig kritisiert. Es müsse bei allen Vergabeverfahren zumindest ein vereinfachtes Rechtsschutzverfahren zur Verfügung stehen. Dafür werden Argumente sowohl aus den praktischen Folgen der Zweiteilung als auch aus rechtlichen Argumenten hergeleitet. Auf diese Bedenken soll im Folgenden eingegangen werden, um die Motivation für die Neuregelung in Sachsen und Schleswig-Holstein zu verdeutlichen und auch ihre Bedeutung aufzuzeigen.

I. Argumente für die Vereinheitlichung, die sich aus den praktischen Folgen der Zweiteilung ergeben 1. Auswahl zwischen den beiden Vergaberegimes schwierig Zum einen ist die Auswahl zwischen den beiden Vergaberegimes schwierig, insbesondere, weil die Ermittlung der Auftragssumme kompliziert sein kann. Auch die Abgrenzung von Bau- und Lieferaufträgen ist nicht einfach, aber für den geltenden Schwellenwert entscheidend (bei Bauvergabe 5 Mio. Euro, bei Lieferung 200.000 Euro).1 Die Ermittlung der Auftragssumme ist insbesondere2 deshalb schwierig, weil dafür der Zeitpunkt des Beginns des Vergabeverfahrens relevant ist. Das Ergebnis der Ausschreibung und die weitere Entwicklung des Auftragswertes nach dem Zuschlag sind für die Bestimmung des Auftragswertes grundsätzlich ohne Belang.3 Bei Aufträgen dieser Größenordnung sind bei der prognostischen Schätzung des Auftraggebers Schwankungsbreiten normal, so dass auch vom Auftraggeber manipuliert werden kann.4 1

Näher Dreher, NZBau 2002, 419, 420 f. Die Manipulationsmöglichkeiten bei losweiser Vergabe über die 20% Kontingentregelung in § 1 a Nr. 1 Abs. 2 VOB/A (vgl. von Loewenich, ZVgR 1999, 34, 36 ff.) wurden inzwischen durch Urteile des BayObLG stark eingeschränkt (BayObLG, Beschl. v. 1.10.2001 – Verg 6/01, VergabeR 2002, 64 m. Anm. Dähne = IBR 2002, 95 (Hennemann); BayObLG, Beschl. v. 13.8.2001 – Verg 10/01, VergabeR 2001, 402 m. Anm. Waldner; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 23.5.2002 – Verg 7/02, VergabeR 2002, 510 m. Anm. Köhler (der die Rspr. des BayObLG zu dieser Frage zusammenfasst). 3 Sturmberg, in: FS für Mantscheff, S. 445, 449 m. w. N.: Der Gesamtauftragswert kann sich im Nachhinein durch Nachträge oder andere preisbildende Umstände derart erhöhen, dass eigentlich das Vergaberegime oberhalb der Schwellenwerte hätte angewendet werden müssen. – Sturmberg, in: FS für Mantscheff, S. 445, 447; vgl. auch Krist, S. 37 f. 2

C. Kritik am Ausschluss des Primärrechtsschutzes

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Aus der Arbeit mit zwei verschiedenen Vergaberegimes entstehen für den Rechtsanwender zahlreiche praktische Schwierigkeiten. 2. Rechtspolitische Kritik Weiter wird geltend gemacht, dass die Aufspaltung auch rechtspolitisch nicht überzeugen könne, da sie der Zielsetzung des Gesetzgebers, den Mittelstand zu fördern (vgl. auch § 97 III GWB), entgegenstehe. Diesem Ziel laufe es zuwider, wenn das Kartellvergaberecht gerade im Bereich der mittelstandstypischen Auftragswerte nicht gilt.5 Das Rechtsschutzsystem des Kartellvergaberechts bleibe wegen seines beschränkten Anwendungsbereichs (Geltung nur bei großen Aufträgen) „ohne Auswirkungen und damit ohne Nutzen für weite Bereiche insbesondere der mittelständischen Wirtschaft.“6 Denn der überwiegende Teil der Aufträge wird unterhalb der Schwellenwerte vergeben. 3. Kritik am wechselnden Normcharakter der Verdingungsordnungen Die Verdingungsordnungen haben nur oberhalb der Schwellenwerte Gesetzescharakter und schaffen auch nur dort subjektive Rechte. Diese Aufspaltung des Charakters der Verdingungsordnungen, die allein an ein quantitatives Element (geschätzter Auftragswert) und nicht wie üblich an ein qualitatives Moment anknüpft, wird kritisiert.7 Eine solche „Zwitterstellung“, bei der ein und dieselbe Regelung je nach Auftragswert zum „rechtlichen Chamäleon“8 werde, ist dem deutschen Rechtssystem bislang nicht bekannt gewesen.9 4

Von Loewenich, ZVgR 1999, 34, 36. Malmendier, DVBl 2000, 963, 968; Sturmberg, in: FS für Mantscheff, S. 445, 448; Dreher, NZBau 2002, 419, 421. 6 Krist, S. 39. 7 Krist, S. 48 ff. und ders. in VergabeR 2003, 17, 19. Dagegen stellt die Aufspaltung nach Erdl, S. 236 f. Rn. 481 zwar ein rechtsphilosophisches Problem dar, der Charakter der Basisparagraphen werde selbst aber doch nicht aufgespalten. Dies begründet sie damit, dass die Vergaberegeln (in diesem Zusammenhang sind die Basisparagraphen gemeint) „nicht selbst – isoliert gesehen – zu subjektiven Rechten erhoben werden, sondern die letztlich nur über die Kaskadenlösung Gesetzescharakter erhalten“. Demnach blieben die Verdingungsordnungen selbst Regelungen von Ausschüssen ohne hoheitlichen Charakter. 8 Krist, S. 6 und 45 ff., wo er von Janusköpfigkeit der Bestimmungen spricht. 9 Erdl, S. 236 Rn. 480, hier auch zur Abgrenzung zu ähnlichen Instituten, die man als „Zwitterstellung“ deuten könnte. 5

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

4. Neue Argumente aus der Einführung der elektronischen Beschaffung/Ausschreibung Bisher war eins der Hauptargumente gegen die Erstreckung des Vergaberegimes von oberhalb der Schwellenwerte der ansonsten unüberschaubare Verwaltungsaufwand. Die zunehmend genutzte elektronische Beschaffung verringert den Aufwand bei einer Ausschreibung erheblich. Zudem werden die Vergabeverfahren dadurch beschleunigt. Ist aber nun die (europaweite) Vergabe durch die elektronische Beschaffung schneller, unkomplizierter und kostengünstiger möglich, falle das Argument der drohenden Überlastung der Vergabestellen weg. Die Schwellenwerte könnten gesenkt und der Anwendungsbereich des gesetzlichen Vergaberechts ausgedehnt werden.10 5. Keine Bagatellfälle unterhalb der Schwellenwerte Die Fälle unterhalb der Schwellenwerte gehen hinsichtlich ihrer Größenordnung weit über typische Bagatellfälle hinaus11 Da der Schwellenwert bei Bauaufträgen bei 5 Mio. Euro liegt, kann es auch unterhalb der Schwellenwerte um Auftragswerte in Millionenhöhe gehen, so dass ebenso aus diesem Grund kein „rechtsfreier Raum“ gerechtfertigt sei.12 Die Schwellenwerte führten „zu willkürlich erscheinenden Zufallsergebnissen, je nachdem, ob nach einer ex ante“ erfolgten Schätzung „das Auftragsvolumen ein paar Euro über den Schwellenwerten liegt.“ So wird geltend gemacht, man könne nicht bei 5, 1 Mio. Euro Rechtsschutz zusprechen, bei 4,95 Mio. aber nicht.13 Was aus Sicht eines Bieters eines anderen Mitgliedsstaates wegen der Schwierigkeiten grenzüberschreitender Auftragsvergaben (vgl. Teil 1, A. VI. 2. b) cc) (2) und der Entfernung als kleiner Auftrag erscheint, ist oft aus Sicht des nationalen Bieters eine große Vergabe.14

10 So Pache, DVBl 2001, 1781, 1792, der die fortschreitende Entwicklung der elektronischen Ausschreibungen als die wichtigste tatsächliche Veränderung im Vergaberecht bezeichnet. 11 So auch Willenbruch, NVwZ 1999, 1062, 1067. 12 Malmendier, DVBl 2000, 963, 968. 13 Malmendier, DVBl 2000, 963, 968 f.; vgl. auch Denk, S. 286 ff. für die österr. Rechtslage; Dreher, NZBau 2002, 419; generell zur Zulässigkeit von Typisierungen und Wertgrenzen: von Loewenich, ZVgR 1999, 34, 37 und Thienel, Anm. zu VfGH v. 30.11.2000, ÖZW 2001, 12, 13 m. w. N. 14 Dreher, NZBau 2002, 419, 420.

C. Kritik am Ausschluss des Primärrechtsschutzes

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6. Keine drohende unerträgliche Verzögerung der Vergabeverfahren Auch das Argument der drohenden unerträglichen Verzögerung der Vergabeverfahren könne nicht überzeugen. Das Interesse an der zügigen Auftragsvergabe könne über eine entsprechende Ausgestaltung des Rechtsschutzverfahrens berücksichtigt werden und rechtfertige nicht eine gänzliche bzw. so weitgehende Rechtsschutzverweigerung.15

II. Rechtliche Argumente gegen die Zweiteilung des Vergaberechts und den Ausschluss des Primärrechtsschutzes 1. Notwendigkeit des Rechtsschutzes wg. Verletzung von Gemeinschaftsrecht Die Notwendigkeit von Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte wird aus dem europäischen Primärrecht hergeleitet. Bei einem ausländischen Unternehmer, der in seinen Grundfreiheiten verletzt sei oder gegenüber dem ein Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot vorläge, verlange das Primärrecht dann auch, dass er diese Verletzung gerichtlich geltend machen kann. Er müsse also seine Rechte vor den nationalen Gerichten durchsetzen können.16

15

So auch Hermes, JZ 1997, 909, 915. Wittig S. 22 und S. 66 f.; Ackermann, ZHR 164 (2000), 394, 406 ff.; Hirsch, NJW 2000, 1817, 1821; Erhart, in: Potacs, Beiträge zum Kärntner Vergaberecht, 2000, S. 23 f.; vgl. auch Pietzcker, Zweiteilung, S. 79 ff. (nach dem der bestehende Primärrechtsschutz aber den Anforderungen des Primärrechts genügt). Oft wird dafür auch der EuGH mit seiner Entscheidung in der Rs. Teleaustria Verlags GmbH herangezogen (EuGH, Urt. v. 7.12.2000, Rs C-324/98; Teleaustria Verlags GmbH, EuZW 2001, 90, 94 (Rz. 60–63 m. w. N.): so von Freitag, NZBau 2002, 204, 205; vgl. auch Gröning, VergabeR 2002, 24, 31 und Dreher, NZBau 2002, 419, 422 f. Nach BayObLG, Beschluss vom 11.12.2001 – Verg 15/01, WuW 2002, 656, 660 (Verg 594, 598) ist den Anforderungen des EuGH aber durch die Möglichkeit von Sekundärrechtsschutz genügt bzw. zwingt das Primärrecht nicht zur Rechtsschutzgewährung unterhalb der Schwellenwerte, vgl. nur Drügemöller, S. 285. Inzwischen hat auch das Europäische Parlament im Rahmen der Arbeiten am Legislativpaket eine – wohl nur deklaratorische – Regelung in der neuen Basisrichtlinie zu den Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte gefordert. Die Kommission hat sich dazu kritisch geäußert, näher Opitz, NZBau 2003, 183, 189. 16

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

2. Verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer effektiven Rechtsschutzmöglichkeit Die Notwendigkeit der Aufgabe des fast vollständigen Ausschlusses von Primärrechtsschutz wird in verfassungsrechtlicher Hinsicht vor allem aus Art. 19 IV GG und Art. 3 I GG hergeleitet. a) Art. 19 IV GG Es wird geltend gemacht, die Notwendigkeit der Ausweitung der Primärrechtsschutzmöglichkeiten unterhalb der Schwellenwerte ergebe sich aus Art. 19 IV.17 Wie schon gezeigt18, ist Art. 19 IV GG bei der Auftragsvergabe grundsätzlich anwendbar („Akt öffentlicher Gewalt“). Art. 19 IV verlangt auch eine Entscheidung des Gerichts, die geeignet ist, eine festgestellte Rechtsverletzung wirksam zu beseitigen. Ein reines Feststellungsurteil oder der Verweis auf Geldentschädigung genügt regelmäßig nicht.19 Die für das Eingreifen von Art. 19 IV GG erforderlichen subjektiven Rechte werden für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte unterschiedlich hergeleitet: Zum einen erfolgt hier eine Ableitung der subjektiven Rechte aus den Grundfreiheiten. Die Grundfreiheiten enthalten für EG-Ausländer (Grenzüberschreitung erforderlich) unmittelbar wirksame Individualrechte, die als subjektiv-öffentliche Rechte i. S. d. Art. 19 IV GG wirken.20 Weiter bestünden subjektive Rechte aus den Grundrechten: Bei der Auftragsvergabe kann dann vor allem Art. 3 I GG verletzt sein, da dieser hier bestimmte Verfahrensrechte schafft [vgl. unter B. I. 3. a) cc)]. Da die Verdingungsordnungen, die Verpflichtungen des Gleichheitssatzes konkretisieren21, besteht nach einer Auffassung über Art. 3 I GG auch ein Anspruch auf Einhaltung (bestimmter Vorschriften) der Verdingungsordnungen.22 Aus Art. 19 IV GG folgt dann, dass dieser Anspruch auch gerichtlich durchsetzbar sein muss.23 Wie schon ausgeführt, ist aber zu beachten, dass es nicht möglich 17

Anders: Pietzcker, Zweiteilung, S. 63; Gehrlein, NZBau 2001, 483, 484. Teil 2, B. III. 3. 19 Dörr, DÖV 2001, 1014, 1021 m. w. N. 20 Dörr, DÖV 2001, 1014, 1020. 21 Die in den Verdingungsordnungen festgelegten Maßstäbe und Verfahrensweisen sind als gerecht im Sinne des Gleichheitssatzes anzusehen. (Sie stellen allerdings nicht die einzig mögliche, nach Art. 3 I GG „gerechte“ Lösung dar.) näher dazu Walthelm, S. 196 ff. 22 Walthelm, S. 195 ff.; Prieß, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOBKommentar, VOB/A, Vor Abschnitt 1, Rn. 11. 18

C. Kritik am Ausschluss des Primärrechtsschutzes

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ist, über den Gleichheitssatz Vorgaben für alle verfahrensrechtlichen Detailfragen abzuleiten. Teilweise wird auch vertreten24, dass bei der Vergabe eines Auftrages durch den Staat auch der Schutzbereich der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) berührt sei. Ein nichtberücksichtigtes Unternehmen könne sich auf die Berufsfreiheit berufen, was u. a.25 dazu führen soll, dass die Auftragsvergabe der öffentlichen Hand insgesamt unter Gesetzesvorbehalt stehe (Eingriffsrechtfertigung nur durch oder aufgrund Gesetzes möglich). Die Gegenauffassung lehnt das Eingreifen von Art. 12 I GG bei der Auftragsvergabe aber ab.26 Ein Verstoß des Staates bei seinem Beschaffungsverhalten gegen Art. 14 GG kommt nur in Betracht, wenn das Unternehmen durch den Staat zielgerichtet zur Betriebsaufgabe gezwungen wird (Schutzobjekt: eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb). Dies kann etwa durch eine länger andauernde Auftragssperre durch den öffentlichen Auftraggeber in einem von diesem beherrschten Marktsegment der Fall sein.27 Weiter werden die für die Anwendung von Art. 19 IV GG erforderlichen subjektiven Rechte auch über § 97 VII GWB hergeleitet. Wenn der Gesetzgeber über diese Norm subjektive Rechte schaffe, so könne diese Rechtsnatur unterhalb von bestimmten Wertgrenzen nicht entfallen.28 23

Walthelm, S. 190 ff.; Prieß, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOBKommentar, VOB/A, Vor Abschnitt 1, Rn. 11; vgl. auch Broß, in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, S. 31 ff. 24 Huber, JZ 2000, 877, 878 ff. m. w. N.; ders., Konkurrenzschutz, S. 443 ff.; ders., Kampf um den öffentlichen Auftrag, S. 30 ff.; Wittig, S. 159 ff.; Puhl, 2. Bericht zur Staatsrechtslehrertagung 2000 zum Beratungsgegenstand „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber“, VVDStRL 60, S. 456, 481 ff. (jeder übergangene Unternehmer erleide einen Eingriff in Art. 12 I GG); H.-U. Gallwas, VergabeR 2001, 2, 5; so auch Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, vor §§ 97 Rn. 93 für Tariftreueregelungen oder Scientology-Erklärungen; vgl. auch Achenbach, S. 221 ff. und Kraft-Lehner, S. 211 ff. und 271 ff. 25 Zu den Folgerungen aus Art. 12 GG näher Huber, S. 443 ff. und Kraft-Lehner, S. 271 ff. 26 Pietzcker, Zweiteilung, S. 22 ff. und NZBau 2003, 242, 243 f. mit ausf. Argumentation (ablehnend auch für den marktbeherrschenden Auftraggeber und die Auftragssperre). Wesentliches Argument ist, dass der grundrechtliche Gewährleistungsgehalt von Art. 12 I GG zu weit ausgedehnt werde und Art. 3 I GG hier besser passe und – vereinfacht ausgedrückt – eine abschließende Wertung enthalte, so auch Böckenförde, Diskussionsbeitrag auf der Staatsrechtslehrertagung 2000, VVDStRL 60, 593 ff. und dort auch Gallwas, VVDStRL 60, 612 f. und Sachs, VVDStRL 60, 629, 630; vgl. auch die Diskussionsbeiträge von Masing, VVDStRL 60, 596 f.; Ehlers, VVDStRL 60, 598, 599; Wieland, VVDStRL 60, 605; Hohmann, VVDStRL 60, 644; dazu auch die Zusammenfassung der Aussprachen im Tagungsbereicht von Lepsius, AöR Band 126 (2001), S. 441, 465 f.; Bultmann, s. 229 ff. 27 Zu Art. 14 GG bei der Auftragsvergabe: Wittig, S. 178 f.; Sterner, NZBau 2001, 423, 426 (geht bei Auftragssperre generell von Auftragssperre aus); Achenbach, S. 234.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

b) Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses von Rechtsschutz wegen der Verletzung von Art. 3 I GG durch die Ungleichbehandlung der Bieter über und unter den Schwellenwerten Die Zweiteilung des Vergaberechtsregimes könnte auch gegen Art. 3 I GG verstoßen.29 Wegen der unterschiedlichen Primärrechtsschutzmöglichkeiten30 könnte hier eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Bieter oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte vorliegen.31 Einen erheblichen Anstoß bekam die Diskussion um die Vereinbarkeit der Zweiteilung mit dem Gleichheitssatz durch mehrere Entscheidungen des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs. Grundlegend war hier die Entscheidung des VfGH vom 30.11.2000, G 110/9932. Die Entscheidung erging zum BVergG 1993. Bei diesem fehlte unterhalb der Schwellenwerte – wie in Deutschland – sowohl eine gesetzliche Verfahrensbindung als auch ein vergabespezifischer Rechtsschutz. Zwar enthielt es eine Erstreckungsmöglichkeit für das materielle Vergaberecht und den Rechtsschutz, von dieser war aber – mit einer Ausnahme33 – nicht Gebrauch gemacht worden.34 28

Krist, VergabeR 2003, 17, 19. Es ist diskutiert worden, ob wegen der unterschiedlichen Regelungen oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte ein Verstoß gegen Art. 3 I GG unter dem Gesichtspunkt der Inländerdiskriminierung vorliegt, so Sterner, S. 76 Fn. 32 m. w. N. Es liegt hier aber kein Problem der Inländerdiskriminierung vor, da bei der Frage der Anwendbarkeit des jeweiligen Regelungsbereiches (also oberhalb oder unterhalb der Schwellenwerte) nicht nach der Herkunft der Bieter, sondern nur nach Auftragswert differenziert wird. Das Fehlen der Rechtsschutzmöglichkeiten unterhalb der Schwellenwerte wirkt sich nicht nur zu Ungunsten der nationalen, sondern auch der ausländischen Bieter aus. Den EU-Ausländern werden hier also keine günstigeren Regelungen gewährt (so auch Pietzcker, Zweiteilung, S. 46 und 49). 30 Auch hinsichtlich des Sekundärrechtsschutzes ergeben sich bei der gegenwärtigen Aufspaltung des Vergaberechts signifikante Unterschiede für Verfahren oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte: Oberhalb der Schwellenwerte greift die neue Anspruchsgrundlage des § 126 GWB, die die herkömmlichen Anspruchsgrundlagen ergänzt. § 126 GWB erleichtert die Geltendmachung des negativen Interesses. Näher zur Kritik am unterschiedlichen Sekundärrechtsschutz: Ackermann, ZHR 164 (2000), 394, 401. 31 So etwa Brenner, Behördenspiegel 8/2001, 21; Achenbach, S. 252 ff. (Verstoß gegen die Rechtssetzungsgleichheit); Hoffmann, S. 114 ff. 32 VfGH Österreich, Urt. v. 30.11.2000, G 110, 111/99; ÖZW 2001, 11 = IBR 2001, 135 (Schwenker) = EWiR 2001, 387 (Voigtländer) = VergabeR 2001, 32. Anmerkungen: Voigtländer, EWiR 2001, 387, 388; Stolz, VergabeR 2001, 37 f.; Thienel, ÖZW 2001, 12; Gutknecht, Behördenspiegel März 2001, S. B III; vgl. auch Monatsinfo forum vergabe e. V., 1/2001, 1 f. 33 Erstreckungsverordnung 2000 des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten: Erstreckung des Rechtsschutzes des BVergG für unterhalb des Schwellenwertes liegende Bauaufträge seines Ressorts und für bestimmte ausgegliederte 29

C. Kritik am Ausschluss des Primärrechtsschutzes

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Der österreichsiche VfGH hat hier die Schwellenwertregelungen für unvereinbar mit dem Gleichheitssatz gehalten, was den Befürwortern einer Vereinheitlichung des Vergaberechts Rückenwind gegeben hat. Er stützte die Gleichheitswidrigkeit der österreichischen Schwellenwertregelung auf zwei Gründe:35 Zum einen hat er eine Mindestverfahrensbindung durch außenwirksame gesetzliche Regelungen verlangt. Dem Gleichheitssatz sei aber entsprochen, wenn vereinfachte Vergabevorschriften existieren, die auf ein aufwendiges Vergabeverfahren verzichten. So bestünden „keine Bedenken dagegen, vergebenden Stellen bei der Beschaffung von Gütern und Leistungen geringeren Wertes freihändige Vergaben ohne formalisiertes Vergabeverfahren zu ermöglichen.“ Es müsse nur ein Minimum an Verfahrensgarantien gewährleistet sein. Der zweite Gesichtspunkt, der zur Verfassungswidrigkeit führte, war die Tatsache, dass es unterhalb der Schwellenwerte einen vergabespezifischen primärrechtlichen Rechtsschutz überhaupt nicht gibt.36 Nach Auffassung des VfGH ist es schon gleichheitswidrig, dass es in einigen Bereichen den schnellen und effektiven Vergaberechtsschutz gibt, während in anderen Bereichen nur gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung steht. Die Tatsache, dass die Zivilgerichte in gewisser Weise Rechtsschutz gewährleisteten, geRechtsträger. Diese gilt ab 1.3.2001 (BGBl 35/2000). Vorher galt die Erstreckungsverordnung, die zur Stammfassung des BVergG ergangen war (BGBl 802/1995). 34 Später wurde dann im Bundesvergabegesetz 1997 zumindest gesetzlich eine Mindestverfahrensbindung angeordnet. Rechtsschutzvorschriften galten nach wie vor unterhalb der Schwellenwerte (in der Regel) nicht. Auch diese Ausgestaltung hielt der VfGH wegen des Fehlens von Rechtsschutz für nicht ausreichend (VfGH, v. 26.2.2002, G 351/01 ua, RPA 2002, 124 m. Anm. Gölles). Daher erfolgte auf Bundesebene mit dem BVergG 2002 eine erneute Neuregelung für die Vergaben unterhalb der Schwellenwerte – zu dessen Regelungen unterhalb der Schwellenwerte: Gutknecht, ÖZW 2002, 65, 68 ff.; Fruhmann, ZVB 2002, 52, 53. In den österreichischen Bundesländern gilt bisher teilweise das gesetzliche Vergabeverfahrensrecht unterhalb der Schwellenwerte (Salzburg, Steiermark, Oberösterreich, Burgenland und Kärnten), teilweise nicht (z. B. Wien) – zu den einzelnen Landesregelungen unterhalb der Schwellenwerte: Denk, S. 186 ff. (allerdings mit Stand 2/1999). Spätestens ab 1.7.2003 werden aber die landesvergabegesetzlichen Regelungen des Vergabeverfahrens durch das BVergG 2002 abgelöst [näher im Teil 2, B. III. 1. a)]. Damit wird dann auch unterhalb der Schwellenwerte ein einheitliches materielles Vergaberecht gelten. Die Vergaberechtsschutzvorschriften der Länder werden allerdings erhalten bleiben. Bisher gelten solche Vorschriften nur in der Steiermark. 35 ÖZW 2001, 11 ff. = VergabeR 2001, 32 ff. 36 Der Gerichtshof bezieht hier wohl auch den Bagatellbereich ein, sodass auch hier kein vollst. Ausschluss des vergabespezifischen Rechtsschutzes möglich ist. – dazu Thienel, Anm. zu VfGH v. 30.11.2000, ÖZW 2001, 12, 14.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

nügte dem Gerichtshof nicht. Dieser gerichtsförmigen Kontrolle des Vergabeverfahrens hafteten entscheidende Nachteile an. Es sei (derzeit37) mangels entsprechender zivilverfahrensrechtlicher Vorschriften nicht hinreichend effektiv, da es zu aufwendig und zu langsam sei.38 Der Verweis auf diesen komplizierteren und aufwendigeren Rechtsschutz sei sachlich nicht zu rechtfertigen. Es müsse also auch unterhalb der Schwellenwerte ein (vereinfachter) vergabespezifischer Rechtsschutz eingeführt werden. Der Gesichtspunkt der Überlastung der Nachprüfungsinstanzen und damit einer Hemmung des Vergabeverfahrens spielte bei der Entscheidung des VfGH keine Rolle. Inzwischen sind weitere Entscheidungen des österreichischen VfGH zur Geltung des Gleichheitssatzes durch unterschiedliche Regelungsregime im Vergabebereich ergangen39, in denen er seine Judikatur bestätigt hat.40 Für die deutsche Rechtslage hat sich erstmals das OLG Stuttgart41 mit der Frage der Vereinbarkeit der Zweiteilung des Vergaberechts mit Art. 3 I GG auseinandergesetzt. Es hat auch ausdrücklich auf die eben dargestellte Rechtsprechung des österreichischen VfGH Bezug genommen. Es hat einen 37

Dies ist so zu verstehen, dass bei Einführung verfahrensrechtlicher Vorkehrungen für schnelle und einfache Entscheidungen durchaus zivilrechtlicher Primärrechtsschutz zulässig wäre – Thienel, Anm. zu VfGH v. 30.11.2000, ÖZW 2001, 12, 14 (Die Einführung dieser Regelungen würde aber über den Gleichheitssatz wiederum zur Übernahme der Regelungen in vergleichbaren Bereichen führen.). 38 So auch Denk, S. 286; zustimmend auch Thienel, Anm. zu VfGH v. 30.11.2000, ÖZW 2001, 12, 14 m. w. N.: Es sei nicht einzusehen, warum Bietern gerade bei geringerem Auftragswert der einfachere und kostengünstigere verwaltungsbehördliche Rechtsschutz vorenthalten wird. Er begründet, das Ergebnis aber nicht nur mit dem Gleichheitsgebot, sondern angesichts der mangelnden Effektivität des Rechtsschutzes vor den Zivilgerichten auch mit dem Rechtsstaatsgebot. 39 VfGH, v. 26.2.2002, G 351/01 ua, RPA 2002, 124 m. Anm. Gölles (zum BVergG 1997); VfGH v. 26.2.2001, G 43/00; VfGH v. 26.2.2001 (Prüfungsbeschluss für G 146/01), VfGH v. 5.12.2000 (Prüfungsbeschluss für G 10/01) – Auszüge aus diesen Entscheidungen in ZVB 2001, 19 ff. (Denk); zu den weiteren VfGH-Entscheidungen auch Reinbacher, S. 163 f. Schon im Erkenntnis VfSlg 15106/98 = ZfVB 1998, 1421 G 450/97; dazu auch Kargl, S. 25 ff.; Holoubek/Lang, ecolex 1998, 668, 669 und Winkler, S. 38 ff. hatte der VfGH entschieden, dass ein Ausschluss des (vergabespezifischen) Rechtsschutzes für den Sektorenbereich verfassungswidrig ist. Weiter ist nach Ansicht des VfGH auch im Sektorenbereich das gänzliche Fehlen außenwirksamer Regelungen gleichheitswidrig – Prüfungsbeschluss v. 28.2.2001, B 1061/98-9. Der VfGH hat also nicht nur die horizontale Trennung nach Wertgrenzen, sondern die vertikal durchgeführte Trennung nach unterschiedlichen Auftraggebern bzw. Auftragsarten für verfassungswidrig gehalten (Denk, S. 288 und 291). 40 Sehr kritisch zu dieser Rechtsprechung etwa Hattenberger, ZVB 2001, 93 ff. 41 OLG Stuttgart, Urt. v. 11.4.2002 – 2 U 240/01, WuW 2002, 653 (Verg 591) = VergabeR 2002, 374 m. Anm. Prieß = NZBau 2002, 396 = ZfBR 2002, 517 = IBR 2002, 266 (Schulze-Hagen) = Monatsinfo forum vergabe e. V. 2002, 52 und 61.

C. Kritik am Ausschluss des Primärrechtsschutzes

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Verstoß gegen Art. 3 I GG des Grundgesetzes abgelehnt, da dieses Grundrecht hier schon nicht anwendbar sei. Diese Norm setzt eine Ungleichbehandlung durch die gleiche Hoheitsgewalt voraus: Der Anwendungsausschluss des Art. 3 I GG für Regelungen verschiedener innerstaatlicher Gesetzgeber sei auch auf das Verhältnis des nationalen zum (sekundären) Gemeinschaftsgesetzgeber zu übertragen.42 Damit ist der Gleichheitssatz nicht nur unanwendbar beim Verhältnis von nationalem Recht zu sekundärem Gemeinschaftsrecht (etwa Verordnungen)43, sondern auch im Verhältnis von nationalem Recht und in Umsetzung der sekundärrechtlichen Vorgaben ergangenem nationalen Recht.44 Dies wird damit begründet, dass über die Anwendung des Gleichheitssatzes eine Rechtsangleichung an die europarechtlichen Vorgaben erzwingbar wäre, für die die EG gar keine Kompetenz habe45 oder – wie hier – nicht in Anspruch genommen hat46. Art. 3 I GG würde unberechtigt zu einem weit reichenden Harmonisierungshebel werden.47 Die Umsetzungsakte änderten, da sie durch die Richtlinien determiniert sind, nichts an der Zuordnung der Normen zur Gemeinschaft. Die Regelungen oberhalb der Schwellenwerte basieren nicht auf einer eigenständigen Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, er ist nur selbst für die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte verantwortlich.48 Bei dem Vergaberechtsschutzsystem handelt es sich um eine innerstaatliche Umsetzung von Gemeinschaftsrecht. Daher könne die (europarechtlich geprägte) Rechtslage oberhalb der Schwellenwerte nicht an dem rein nationalen Recht unterhalb der Schwellenwerte über Art. 3 I GG gemessen werden. Daher sei Art. 3 I GG wegen der Ungleichbehandlung durch verschiedene Regelungsgeber hier nicht anwendbar.49 42 OLG Stuttgart, a. a. O., WuW 2002, 653, 655 f.; BGH, Beschl. v. 24.10.1995, JZ 1996, 1022, 1024 f.; Dreher, Anm. zu BGH, Urt. v. 11.4.2002, a. a. O., JZ 2002, 1025, 1027; a. A. Schilling, JZ 1994, 8, 10 ff. m. w. N. (für das vergleichbare Problem der Inländerdiskriminierung, das aber im vorliegenden Fall nicht einschlägig ist, a. a. O.). 43 BGH, Beschl. v. 24.10.1995, JZ 1996, 1022, 1024 f. (für die Fusionskontrollverordnung). 44 OLG Stuttgart, a. a. O., WuW 2002, 653 (Verg 591). 45 OLG Stuttgart, a. a. O., WuW 2002, 653, 655 f. (Verg 591). 46 So zu Recht: Monatsinfo forum vergabe e. V. 2002, 52. Dies wurde zwar in der Entscheidung so nicht ausgesprochen, ist aber für das vorliegende Vergaberechtsproblem richtigerweise anzufügen. Denn die EG hätte auch für die Regelung unterhalb der Schwellenwerte eine Kompetenz gehabt (solange noch von einem Einfluss der Regelungen auf den Binnenmarkt ausgegangen werden kann.). 47 Dreher, Anm. zu BGH, Urt. v. 11.4.2002, a. a. O., JZ 2002, 1025, 1027; ders., NZBau 2002, 419, 424; Pietzcker, Zweiteilung, S. 48 f.; a. A.: Schilling, JZ 1994, 8, 10 ff. m. w. N. 48 Vgl. auch Ackermann, ZHR 164 (2000), 394, 411 f.; Pietzcker, Zweiteilung, S. 46 ff.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

Später hat sich auch das OLG Saarbrücken durch Beschluss vom 29.4. 200350 mit der Vereinbarkeit des Rechtsschutzausschlusses mit Art. 3 I GG auseinandergesetzt. Zwar hält es anders als das OLG Stuttgart Art. 3 I GG hier für grundsätzlich anwendbar, es sieht aber die Ungleichbehandlung angesichts des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers und der von ihm angeführten Gründe für die Differenzierung als sachlich gerechtfertigt an.51 c) Verfassungswidrigkeit der Aufteilung des Vergaberechts wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip Die Zuordnung eines öffentlichen Auftrages zum Vergaberechtsregime von oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte unterliegt erheblichen Unsicherheiten. Insbesondere bestehen hier Gestaltungsmöglichkeiten des Auftraggebers für die Zuordnung eines Auftrages (vgl. näher auch C. I. 1).52 Dies verursacht nicht nur unter praktischen Gesichtspunkten (dazu C. I.), sondern auch in rechtlicher Hinsicht im Hinblick auf die Rechtssicherheit Bedenken. Der Anwendungsbereich des GWB ist nicht von vornherein si49 OLG Stuttgart, a. a. O., WuW 2002, 653, 655 f. (Verg 591); so auch Ackermann, ZHR 164 (2000), 394, 411 f.; Pietzcker, Zweiteilung, S. 46 ff. Sehr kritisch zu Entscheidung des OLG Stuttgart und der Begründung zur Ablehnung von Art. 3 I GG: Prieß, Anm. zu OLG Stuttgart, a. a. O., VergabeR 2002, 377 f.: Es handele sich um eine „enttäuschende Entscheidung“, „die eher als Irrlicht zu bewerten sein dürfte“. 50 NZBau 2003, 462 = VergabeR 2003, 429 m. sehr krit. Anm. von Krist = WuW 2003, 845 (Verg 773) = IBR 2003, 558 (Krist). 51 So auch: Marx, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 100 GWB, Rn. 2; Gehrlein, NZBau 2001, 483, 484; Dreher, NZBau 2002, 419, 424 f.; Noch, Vergaberecht kompakt, 2. Aufl., S. 25; Pietzcker, Zweiteilung, S. 52 f.; ebenso mit dem nicht überzeugenden Hinweis auf die Umsetzung von EG-Recht Hailbronner, Möglichkeiten einer Begrenzung gerichtlichen Rechtsschutzes auf die Beachtung bzw. Einhaltung EG-rechtlicher Vergaberegeln zum Schutz von Unternehmen im Recht der Vergabe öffentlicher Aufträge – Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft (Zusammenfassung), BT-Drs. 13/9340, S. 25 (Anl. 1 zur Begründung des VgRÄG). Wegen der Gründe für und gegen die Zweiteilung hatte Pietzcker, in: Schwarze, S. 61, 66 noch von einer „Ambivalenz der Gefühle, die der gegenwärtige Rechtszustand auslöst“, gesprochen. Die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung verneinen dagegen: Prieß, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Vor Abschnitt 1, Rn. 7, der dies als „offensichtlich“ bezeichnet. Voppel, VOF, Einl. Rn. 42; Achenbach, S. 255 ff. Abgelehnt wird vor allem die Stützung der Zweiteilung auf die drohende Überlastung der Nachprüfungsinstanzen durch die Vielzahl der Verfahren. Diese Sorge um eine „Massenhysterie“ im Vergaberechtsschutz sei unbegründet bzw. diese sei „ohne weiteres zu bewältigen“ – Krist, VergabeR 2003, 17, 19; Hoffmann, S. 115 f. 52 Er kann also das für ihn anwendbare Recht im gewissen Umfang selbst bestimmen.

C. Kritik am Ausschluss des Primärrechtsschutzes

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cher bestimmbar.53 Daher wird teilweise ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des GG bejaht.54 d) Verfassungswidrigkeit der Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte wegen Verstoßes gegen die Wesentlichkeitstheorie Ein Verstoß gegen die Wesentlichkeitstheorie wird hier unter verschiedenen Gesichtspunkten geltend gemacht. aa) Verstoß wegen großer Bedeutung der Auftragsvergabe Zum einen verstoße das Fehlen von außenwirksamen gesetzlichen Regelungen unterhalb der Schwellenwerte wegen der hohen wirtschaftlichen Bedeutung der Auftragsvergabe insgesamt und für den einzelnen Unternehmer gegen die Wesentlichkeitstheorie. Es müssten wesentliche Fragen des Verfahrens55 und der Zuschlagskriterien durch Parlamentsgesetz geregelt werden. Eine Regelung durch Verwaltungsvorschriften ohne Außenrechtsqualität genüge nicht.56 bb) Verstoß gegen Wesentlichkeitstheorie durch Bestimmungsmöglichkeit des Anwendungsbereiches des Kartellvergaberechts durch den Verordnungsgeber Weiter wird ein Verstoß gegen die Wesentlichkeitstheorie deswegen geltend gemacht, weil es in der Hand der Exekutive liege, wann das Vergaberechtsregime oberhalb der Schwellenwerte zur Anwendung kommt:

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Voppel, VOF, Einl. Rn. 42; von Loewenich, ZVgR 1999, 34, 38 f. Voppel, VOF, Einl. Rn. 42; von Loewenich, ZVgR 1999, 34, 38 f.; Hoffmann, S. 117; so wohl auch Prieß, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, Vor Abschnitt 1, Rn. 7. 55 Zu den als wesentlich anzusehenden Einzelregelungen, die der Gesetzgeber selbst regeln müsste: Wallerath, S. 435 f. (Sie überdecken sich z. T. mit den Verfahrensvorgaben, die der Gleichheitssatz macht, a. a. O.). 56 Voppel, VOF, Einl. Rn. 42 m. w. N.; Hermes, JZ 1997, 909, 912 ff., insbes. 914; vgl. auch Wittig, S. 226 und 223 f. Anderer Ansicht ist ohne näher Begründung Pietzcker, Der Staatsauftrag, S. 387, der davon ausgeht, dass sich eine verfassungsrechtliche Pflicht zur gesetzesförmigen Ausgestaltung des Vergaberechts nicht herleiten lässt. 54

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(1) Bestimmung des Anwendungsbereiches des Kartellvergaberechts durch den Verordnungsgeber über die Festlegung der Schwellenwerte Der Gesetzgeber hat in §§ 100 I, 127 Nr. 1 GWB dem Verordnungsgeber die Kompetenz eingeräumt, die Schwellenwerte zu bestimmen. Zwar wird diese Ermächtigung des Verordnungsgebers in einer Richtung durch die Vorgaben des Europarechts begrenzt, da ab den Mindestsummen der Vergaberichtlinien das Kartellvergaberecht gelten muss. Für kleinere Auftragswerte machen die Vergaberichtlinien aber keine Vorgaben, so dass dem Verordnungsgeber hier vor allem nach Auffassung von Krist57 ein Spielraum für die Festlegung des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts bleibe. Damit könne der Verordnungsgeber über den Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts bestimmen. Der Adressat des formellen Gesetzes könne entscheiden, wann es auf ihn Anwendung finden soll. Dies sei mit der Wesentlichkeitstheorie und Art. 80 I GG nicht vereinbar. Das OLG Saarbrücken58 hat dagegen diese Argumentation mit beachtlichen Gründen verworfen. Die Auslegung der Ermächtigungsgrundlage in § 127 GWB ergebe, dass der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber auch nicht zu einer Abweichung von den europarechtlich Schwellenwerte nach unten ermächtigen wollte. Der Gesetzgeber wollte den Vergaberechtsschutz von oberhalb der Schwellenwerte ausdrücklich nicht auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte erstrecken. Davon könne der Verordnungsgeber nicht abweichen. (2) Bestimmung des Anwendungsbereiches des Kartellvergaberechts durch die Normierung der Berechnungsvorschriften für die Errechnung des Auftragswertes Der Verordnungsgeber könne nicht nur durch die Festlegung der Schwellenwerte, sondern auch dadurch den Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts bestimmen, dass er die Berechnung des Auftragswertes regeln kann. In § 1–3 VgV in Verbindung mit Vorschriften der Verdingungsordnungen wird die Berechnung des Auftragswertes geregelt. Auch hierdurch habe der Verordnungsgeber die Möglichkeit der Bestimmung des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts. Wiederum könne die Exekutive als Normadressatin selbst darüber entscheiden, ob das Gesetz auf ihr eigenes Vergabeverhalten Anwendung findet, was gegen die Wesentlichkeitstheorie verstoße.59 57 Krist, S. 32 ff., insbes. S. 35 f.; ders., VergabeR 2003, 17, 19 ff.; dem folgend Irmer, S. 296 ff. 58 Beschl. v. 29.4.2003, NZBau 2003, 462 f. = VergabeR 2003, 429 m. Anm. Krist = WuW 2003, 845 (Verg 773). 59 Krist, S. 36 f.; ders., VergabeR 2003, 17, 19 ff.; dem folgend Irmer, S. 296 ff. Neben den soeben aufgeführten Argumenten wird gegen die Zweiteilung weiter

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III. Zusammenfassung Nach weit verbreiteter Auffassung ist die Zweiteilung des Vergaberechts, insbesondere der weitgehende Ausschluss von Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte, aus rechtlichen und praktischen Gründen aufzugeben.60 Andere Stimmen sprechen sich aber nach wie vor für die Aufrechterhaltung der Zweiteilung des Vergaberechts aus.61 Rechtliche Klarheit könnte hier ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts bringen, wenn ein Vergabesenat eines OLG eine konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 GG verfolgt oder wenn vorgebracht, dass es auch bei anderen Vergabeentscheidungen, beispielsweise der Standplatzvergabe auf Jahrmärkten, keinen von Schwellenwerten abhängigen rechtsschutzfreien Raum gäbe, Broß, in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, S. 31, 40 ff. 60 Faber, DÖV 1995, 403, 412 f., Sterner, S. 100; Pietzcker, NVwZ 1996, 313 f.; Malmendier, DVBl 2000, 963, 965 und 967 m. w. N.; Ackermann, ZHR 164 (2000), 394 ff.; Dreher, NZBau 2002, 419 ff.; Grieger, in: Kapellmann/Vygen, Jahrbuch Baurecht 1999, 231 f.; Denk, S. 286 ff. (für die österr. Rechtslage); Broß, in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, S. 31 ff.; Irmer, S. 303. Dementsprechend war auch schon vor und während der Einführung des VgRÄG gefordert worden, das neue Rechtsschutzsystem auch für Verfahren unterhalb der Schwellenwerte einzuführen (evtl. begrenzt durch eine Bagatellschwelle): z. B. von Eggenberger, VergabeRecht 1/97, 15; vgl. auch Erdl, S. 235 Rn. 477 ff. m. w. N. (insbes. Fn. 598); Wittig, S. 344 ff. m. w. N.; vgl. weiter den Referentenentwurf der Vergaberechtsänderung vom 20.4.1997, zu § 109 I GWB, abgedruckt in VergR 3/97, S. 40 – zit. nach Wittig, S. 345. Nicht nur ablehnend, sondern das baldige Ende der Zweiteilung prophezeien: Dreher, NVwZ 1999, 1265, 1272; Otting, NVwZ 2001, 775, 777; Drügemöller, S. 285 f. Auch nach H.-U. Gallwas, VergabeR 2001, 2, 6 kann man „Wetten abschließen, dass es aus rechtspolitischen Gründen bei dieser Zweiteilung unseres Vergaberechts nicht bleiben werde“. Prieß, Hdb. d. europ. Vergaberechts, S. 58; Huber, in: Festschrift für Schiedermair, S. 765, 781; Malmendier, DVBl 2000, 963, 969. 61 So zwei wissenschaftliche Gutachten, die die Bundesregierung in Auftrag gegeben hat. Das eine Gutachten wurde schon 1997 bei der Schaffung des VgRÄG vorgelegt (Hailbronner, Möglichkeiten einer Begrenzung gerichtlichen Rechtsschutzes auf die Umsetzung bzw. Einhaltung EG-rechtlicher Vorgaben zum Schutz von Unternehmen im Recht der Vergabe öffentlicher Aufträge, Anlage 1 zur Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drs. 13/9340). Das zweite Gutachten wurde 2001 von Pietzcker erstellt (Die Zweiteilung des Vergaberechts: subjektive Rechte – Rechtsschutz – Reform, Baden-Baden 2001). Pietzcker hält seine Ansicht auch für die (auch implizit vertretene) vorherrschende Meinung (S. 53); für die Zulässigkeit des Ausschlusses des Primärrechtsschutzes auch Gehrlein, NZBau 2001, 483 f.; Schumacher, S. 147 f.; zurückhaltend auch Burgi, FAZ v. 23.6.2001, S. 23; ganz allgemein zustimmend zum 1988 noch bestehenden weitgehenden Ausschluss des Rechtsschutzes Rittner, Rn. 342; für die Beibehaltung der Zweiteilung auch die Direktorin am Hessischen Rechnungshof Gesine Göschel, Einführung zum Workshop 3 (Thema: Rechtsverbindlichkeit der Verdingungsordnungen unterhalb der Schwellenwerte) der Badenweiler Gespräche 2003, abgedruckt in: Neunte Badenweiler Gespräche [Mai 2003], Dokumentationsband, 2003, S. 101, 105.

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ein Bieter bei einer Auftragssumme unterhalb der Schwellenwerte dennoch den Vergaberechtsweg von oberhalb der Schwellenwerte ausschöpft und dann Urteilsverfassungsbeschwerde einlegt. Letzteres ist zwischenzeitlich geschehen. Der Antragsteller im bereits erwähnten Nachprüfungsverfahren des OLG Saarbrücken62 hat Verfassungsbeschwerde erhoben, die beim BverfG unter dem Aktenzeichen 1 BvR 1160/03 geführt wird.63 De lege ferenda64 werden zur Beseitigung des Rechtsschutzausschlusses verschiedene Lösungen vorgeschlagen: Hauptsächlich wird befürwortet, unter den Schwellenwerten ein vereinfachtes Vergabeverfahren gesetzlich vorzuschreiben65 (etwa keine europaweite Ausschreibung nötig) und den Rechtschutz von oberhalb der Schwellenwerte in „abgespeckter“ Form auf den Bereich unter den Schwellenwerten zu erstrecken.66 Nur unterhalb einer wirklichen „Bagatellgrenze“ könnte es dabei bleiben, dass das Vergabeverfahren überhaupt nicht gesetzlich geregelt ist und ein vollständiger Ausschluss des Rechtsschutzes erfolgt. Teilweise wird im Hinblick auf den Rechtsschutz die bloße Erstreckung des Rechtsschutzsystems nicht für ausreichend gehalten. Es wird ein eigenständiges Rechtsschutzverfahren mit eigenen Nachprüfungsinstanzen vorgeschlagen.67 Darüber hinaus wurde von einer weiteren Auffassung die bloße Anpassung der Haftungsvoraussetzungen (etwa Kausalitätsnachweis) der vorbeugenden Unterlassungsansprüche erörtert.68 62 Beschl. v. 29.4.2003, NZBau 2003, 462 = VergabeR 2003, 429 m. Anm. Krist = WuW 2003, 845 (Verg 773). 63 Krist, Anm. zu OLG Saarbrücken, a. a. O., VergabeR 2003, 434 und ders., VergabeR 2003, 17, 18; vgl. auch das Vorgehen des Bieters im Verfahren des BayObLG, Beschl. v. 2.11.2000 – Verg 8/00. 64 Zur geplanten Ausgestaltung des Vergaberechts unterhalb der Schwellenwerte nach dem Verschlankungskonzept der Bundesregierung, oben unter B. V. und unten unter E. 65 Eine solche Regelung für das Vergabeverfahrensrecht findet sich in Österreich (jetzt im BVergG 2002 einheitlich für Bund und Länder). Nur bei Aufträgen unterhalb von 5000 Euro besteht die Möglichkeit der formfreien Direktvergabe. 66 Vgl. nur Gehrlein, NZBau 2001, 483, 484; Dreher, NZBau 2002, 419, 428 ff.; Breloer, S. 144 ff.; Hoffmann, S. 118 f.; Irmer, S. 303 ff.; Faber, DÖV 1995, 403, 413 für das Nachprüfungsverfahren nach der haushaltsrechtlichen Lösung; Denk, S. 286 ff. für die österr. Rechtslage. Die vorgeschlagene Erstreckung könne durch die Absenkung der Schwellenwerte erreicht werden – Binder, ZZP, 113. Band (2000), 195, 215 ff.; Rechten, Behördenspiegel 1/2002, 18; Kraft-Lehner, S. 310; zur Orientierung am österreichischen BVergG 2002 unter E. 67 Krist, S. 51 ff. 68 Ackermann, ZHR 164 (2000), 394, 409 ff. Zu weiteren Alternativen für die Ausgestaltung der Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte, Pietzcker, Zweiteilung, S. 90 ff.

D. Auswirkungen der Einführung von Vorabinformationspflichten

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D. Auswirkungen der Einführung von Vorabinformationspflichten auf die Rechtslage unterhalb der Schwellenwerte Zunächst sind die Neuregelungen der Bundesländer, die eine Vorabinformationspflicht unterhalb der Schwellenwerte eingeführt haben, vorzustellen. Im Anschluss sollen die Auswirkungen auf die Rechtsschutzmöglichkeiten der Bieter näher dargestellt werden.

I. Die Neuregelung der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte durch den Freistaat Sachsen 1. Zur Neuregelung allgemein Im Freistaat Sachsen wurde am 13. Juni 2002 durch den Landtag das Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Freistaat Sachsen (Sächsisches Vergabegesetz – SächsVergabeG)1 beschlossen.2 Das Vergabegesetz enthält in § 7 eine Verpflichtung der Sächsischen Staatsregierung zum Erlass einer ergänzenden Rechtsverordnung bis zum 31.12.2002.3 Die Sächsische Staatsregierung kam dieser Verpflichtung Ende Dezember 2002 nach und beschloss die „Verordnung der Sächsischen Staatsregierung zur Durchführung des Sächsischen Vergabegesetzes (Sächsische Vergabedurchführungsverordnung – SächsVergabeDVO)“. Diese trifft ergänzende Regelungen zum Vergabegesetz.4 Gesetz und Rechtsverordnung traten gleichzeitig zum 01.01.2003 in Kraft.5 Sie gelten für Vergabeverfahren, die nach dem 1.1.2003 begonnen werden (vgl. § 8 des SächsVergG). Durch die Ausführungsverordnung wird die Geltung der VOB 2002 und VOL 20026 unterhalb der Schwellenwerte gesetzlich angeordnet. Auch § 1 I 1

Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Freistaat Sachsen (Sächsisches Vergabegesetz – SächsVergabeG) vom 8.7.2002, Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt v. 26.7.2002, S. 218 (abgedruckt auch bei Schaller, VOL, S. 725 ff.). 2 Zum Gesetzgebungsverfahren, Dammert/Köhler, SächsVBl. 2002, 257 f.; LTDrs. 3/5827, vgl. auch Sächsisches GVBl. Nr. 10/2002 v. 26.7.2002, S. 218 ff. 3 Diese Verpflichtung trat nach § 8 S. 1 des Gesetzes auch schon am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft, wohingegen die anderen Regelungen des Gesetzes nach § 8 S. 2 erst am 1.1.2003 in Kraft treten. 4 Abgedruckt bei Schaller, VOL, S. 728 ff. Einen Überblick über das Sächsische Vergabegesetz und die Durchführungsverordnung geben Dammert/Köhler, SächsVBl. 2002, 257 ff. 5 Vgl. auch Fn. 3. 6 Eine Anordnung der Geltung der VOF erfolgt nicht, da diese nur bei Aufträgen ab Erreichen der EG-Schwellenwerte anzuwenden ist und insoweit der Bundesge-

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S. 27 des Vergabegesetzes lässt sich in diese Richtung verstehen, enthält selbst aber keine Anordnung der Geltung der Verdingungsordnungen, sondern nur die Klarstellung, dass ein dynamischer Verweis vorliegt.8 Durch die Anordnung der Geltung von VOB und VOL in der Ausführungsverordnung erhalten diese – wie oberhalb der Schwellenwerte – Rechtsnormcharakter.9 Vor dem 1.1.2003 war die Beachtung der Verdingungsordnungen – wie unterhalb der Schwellenwerte üblich – nur in einer Verwaltungsvorschrift10 vorgeschrieben. Mit der gesetzlichen Anordnung der Geltung der Verdingungsordnungen soll eine Bündelung der Vergabevorschriften im Bereich unterhalb der EU-Schwellenwerte erfolgen. Denn bisher existierten hier oft unterschiedliche Regelungen (unterschiedliche Anweisungen etwa im Kommunalbereich).11 2. Zur Vorabinformationspflicht Das Sächsische Vergabegesetz selbst regelt die Informationspflicht nicht. Allerdings enthält der schon erwähnte § 7 des Gesetzes die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung. In dieser Rechtsverordnung können nach § 7 Nr. 5 SächsVergabeG auch Regelungen über „die Information, die der Auftraggeber dem Bieter zukommen lassen muss, dessen Angebot nicht berücksichtigt werden soll, und die dabei einzuhaltende Frist“ getroffen werden. Weiterhin können danach auch Vorschriften über „6. das Verfahren setzgeber eine abschließende Regelung getroffen hat. – Begründung zum Vorentwurf der SächsVergDVO (Stand 5.4.2002), B. zu § 1. 7 „Die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge, insbesondere der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL), der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) und der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) sind in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. In Gesetzentwurf (LT-Drs. 3/5827) hatte es noch geheißen: „Die Anwendung der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge, insbesondere der Verdingungsordnung für Leistungen – ausgenommen Bauleistungen (VOL), der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) und der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) bleiben unberührt, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.“ 8 Davon, dass die Bindung an die Verdingungsordnungen erst in der VO angeordnet wird, geht auch das Vorblatt zur SächsVergabeVO, B. aus. 9 Die gesetzliche Anordnung der Geltung der Verdingungsordnungen gilt laut Verordnungsbegründung der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit – Begründung zum Vorentwurf der SächsVergDVO (Stand 5.4.2002), B. zu § 1. 10 Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit, des Sächsischen Staatsministeriums des Innern und des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen über die Einführung VOB, der VOL und der VOF vom 14. August 2000 (SächsABl. S. 694). 11 Näher die Begründung des Gesetzentwurfes zu § 1.

D. Auswirkungen der Einführung von Vorabinformationspflichten

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bei Beanstandungen der Nichteinhaltung der Vergabevorschriften durch den nicht berücksichtigten Bieter, 7. die Höhe des Auftragswerts, bis zu dem eine Informationspflicht nicht besteht, die Erhebung von Gebühren und Auslagen für das Tätigwerden der Nachprüfungsbehörde sowie über 9. weitere auftragsbezogene Kriterien in der Leistungsbeschreibung.“ erlassen werden.12 Mit § 9 der SächsVergabeDVO machte die Sächsische Landesregierung dann tatsächlich von dieser Möglichkeit Gebrauch und erließ folgende Vorabinformationsregelung: „§ 9 Informationspflicht“ „(1) Der Auftraggeber informiert die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll, und über den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebotes. Er gibt die Information schriftlich spätestens 7 Kalendertage13 vor dem Vertragsabschluss ab.“ (2) Beanstandet ein Bieter vor Ablauf der Frist schriftlich beim Auftraggeber die Nichteinhaltung der Vergabevorschriften, hat der Auftraggeber die Nachprüfungsbehörde zu unterrichten, es sei denn, der Beanstandung wurde durch die Vergabestelle abgeholfen. Der Zuschlag darf in dem Fall nur erteilt werden, wenn die Nachprüfungsbehörde nicht innerhalb von 10 Kalendertagen nach Unterrichtung das Vergabeverfahren mit Gründen beanstandet; andernfalls hat der Auftraggeber die Auffassung der Nachprüfungsbehörde zu beachten. Ein Anspruch des Bieters auf Tätigwerden der Nachprüfungsbehörde besteht nicht. Nachprüfungsbehörde ist die Aufsichtsbehörde. Bei Zuwendungsempfängern, die nicht öffentliche Auftraggeber sind, tritt an die Stelle der Aufsichtsbehörde die Bewilligungsbehörde. (3) Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn der Auftragswert bei Bauleistungen 150.000 EUR (ohne Umsatzsteuer), bei Leistungen und Lieferungen 50.000 EUR (ohne Umsatzsteuer) nicht übersteigt. (4) Für Amtshandlungen der Nachprüfungsbehörde werden Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwal12 Noch Anders die Verordnungsermächtigung im Gesetzentwurf (LT-Drs. 3/ 5827): „Die Sächsische Staatsregierung erlässt zur Ausführung dieses Gesetzes eine Rechtsverordnung. In der Rechtsverordnung sind insbesondere Regelungen zur Prüfung und Wertung von Angeboten, zur Prüfung der Bonität und zu Sicherheitsleistungen des Auftragnehmers, zur Qualifizierung der Vergabeverantwortlichen sowie zu weiteren auftragsbezogenen Kriterien zu treffen.“ Der Gesetzentwurf war also insoweit enger, als sich die Ermächtigung zum Erlass einer Bestimmung über eine Vorabinformationspflicht nicht direkt aus dem Wortlaut ergab. Auf der anderen Seite ging die Regelung der Verordnungsermächtigung im Gesetzentwurf insofern weiter, als er eine Verpflichtung zum Erlass der exemplarisch aufgezählten Regelungsbestandteile enthielt. In der verabschiedeten Fassung ist der Verordnungserlass zu den aufgezählten Regelungen nicht verpflichtend. 13 Im Vor-Entwurf der Ausführungsverordnung vom 5.4.2002 waren noch 14 Kalendertage vorgesehen.

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tungskostengesetz des Freistaates Sachsen (SächsVwKG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1999 (SächsGVBl. S. 545), geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 28. Juni 2001 (SächsGVBl. S. 426, 427), in der jeweils geltenden Fassung, findet Anwendung. Die Höhe der Gebühren bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Nachprüfungsbehörde unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands der Nachprüfung. Die Gebühr beträgt mindestens 100 EUR, soll aber den Betrag von 1.000 EUR nicht überschreiten. Ergibt die Nachprüfung, dass ein Bieter zu Recht das Vergabeverfahren beanstandet hat, sind keine Kosten zu seinen Lasten zu erheben.“

Mit der Verpflichtung der sächsischen Vergabestellen zur Information der Bieter über die bevorstehende Nichtberücksichtigung und deren Gründe wollte der Verordnungsgeber die Informationspflicht an die Regelung des § 13 VgV anlehnen.14 Das Informationsrecht wurde den nichtberücksichtigten Bietern laut Begründung zum Vor-Entwurf der Ausführungsverordnung eingeräumt, um auch das Vergabeverfahren unterhalb der EG-Schwellenwerte transparenter zu gestalten.15 Die zur Vorabinformation verpflichteten „Vergabestellen“ sind nach § 1 SächsVergG neben den sächsischen öffentlichen Auftraggebern, zu denen auch die kommunalen Vergabestellen gehören,16 ebenso „Zuwendungsempfänger, die nach den allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen die Vergabevorschriften anzuwenden haben“. Auch wenn in § 9 der SächsVergabeDVO die Pflicht des Auftraggebers vorgesehen ist, die Aufsichtsbehörde zu unterrichten, wenn das Vergabeverfahren durch einen der informierten Bieter vor dem Vertragsschluss beanstandet wird, kann der Bieter sich unabhängig davon aber auch unmittelbar an die Aufsichtsbehörde wenden.17 Wenn die Vergabestelle ein Zuwendungsempfänger ist, der nicht öffentlicher Auftraggeber ist, muss sie die Bewilligungsbehörde unterrichten. Da Zuwendungsempfänger, die nicht öffentliche Auftraggeber sind, keiner Aufsicht unterliegen, kommt eine Unterrichtung der Aufsichtsbehörde nicht in Betracht.18 14 So ausdrücklich Begründung zum Vorentwurf zur SächsVergDVO vom 5.4.2002, B. zu § 9. 15 Begründung zum Vorentwurf zur SächsVergDVO (Stand 5.4.2002), B. zu § 9, vgl. auch Vorblatt zum Vor-Entwurf der SächsVergabeVO vom 5.4.2002, A., wo die Vorabinformationspflicht neben der Pflicht der Staatsregierung, einen jährlichen Vergabebericht zu erstellen, als Mittel genannt wird, die Transparenz der Auftragsvergabe zu verbessern. 16 Näher zu den öffentlichen Auftraggebern in § 1 SächsVergG. 17 Begründung zum Vorentwurf zur SächsVergDVO vom 5.4.2002, B. zu § 9. 18 Begründung zum Vorentwurf zur SächsVergDVO vom 5.4.2002, A. und B. zu § 9.

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Die Nachprüfungsbehörde hat, nachdem sie von der Vergabestelle von der Beanstandung unterrichtet worden ist, 10 Kalendertage19 Zeit, das Vergabeverfahren ihrerseits mit Gründen zu beanstanden. Tut sie dies bis zu diesem Zeitpunkt nicht, so kann der Auftraggeber den Zuschlag erteilen. Für den Fall der Beanstandung des Vergabeverfahrens verlängert sich also die 7-tägige Wartefrist (§ 9 I – Information spätestens 7 Tage vor Vertragsschluss)20 um die 10-tägige Bearbeitungsfrist der Nachprüfungsbehörde, die mit deren Unterrichtung beginnt. In § 9 II S. 3 SächsVergabeDVO ist ausdrücklich geregelt, dass der Bieter keinen Anspruch auf Tätigwerden der Aufsichtsbehörde bzw. der Bewilligungsbehörde hat. Der Verordnungsgeber will so die Eröffnung eines förmlichen Beschwerdeverfahrens verhindern, um damit einer unverhältnismäßigen Belastung und Verzögerung der Vergabeverfahren unterhalb der EG-Schwellenwerte vorzubeugen.21 Er geht vielmehr davon aus, dass bei Beanstandungen des Vergabeverfahrens auch mit der vorliegenden Regelung die Aufsichtsbehörde bzw. die Bewilligungsbehörde wegen ihrer Bindung an Recht und Gesetz die erforderliche Prüfung durchführt („die Beanstandungen verantwortungsbewusst handhabt“22) und damit ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren sicher gestellt wird.23 Die Vorabinformationspflicht nach § 9 III SächsVergabeDVO gilt nur ab dem Erreichen bestimmter Auftragswerte: bei Bauleistungen 150.000 EUR (ohne Umsatzsteuer), bei Leistungen und Lieferungen 50.000 EUR (ohne Umsatzsteuer).24 Die Einführung dieser Schwellenwerte wurde damit be19 Im Vorentwurf für die Ausführungsverordnung vom 5.4.2002 war noch eine Frist von 14 Kalendertagen vorgesehen. 20 Die Wartefrist beginnt hier nicht bereits mit Absendung der Vorabinformation, sondern erst mit ihrem Zugang (in diese Richtung auch Monatsinfo forum vergabe e. V. 12/2002, 170). Zwar spricht der Wortlaut des § 9 I, der insoweit an die ursprüngliche Fassung des § 13 S. 2 VgV angelehnt ist, für ein Abstellen auf den Absendetag („gibt. . .ab“). Dennoch ergibt sich aus dem Telos von § 9 I, den Bietern rechtzeitig vor Vertragsschluss die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens und die Einschaltung der Aufsichtsbehörde vor Vertragsschluss zu ermöglichen, dass für den Fristbeginn auf den Zugang abzustellen ist. Im Einzelnen kann zu diesem und zu weiteren Argumenten auf die Auslegung der Ursprungsfassung von § 13 VgV verwiesen werden, vgl. Teil 2, C. II. 2. 21 Begründung zum Vorentwurf zur SächsVergDVO vom 5.4.2002, A. und B. zu § 9. 22 Begründung zum Vorentwurf zur SächsVergDVO vom 5.4.2002, A. 23 Begründung zum Vorentwurf zur SächsVergDVO vom 5.4.2002, A. und B. zu § 9. 24 Im Vorentwurf für die Ausführungsverordnung vom 5.4.2002 war als Alternativregelung eine Regelung mit geringeren Schwellenwerten vorgeschlagen: bei Bauleistungen 50.000 Euro und bei Lieferungen und Leistungen 25.000 Euro. Eine Bezugnahme auf die Umsatzsteuer fand sich nicht.

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gründet, dass Vergabeverfahren mit relativ geringem Auftragsvolumen nicht unverhältnismäßig verzögert werden und die Vergabestellen und Aufsichtsbehörden nicht übermäßig belastet werden sollen.25 Die Aufsichtsbehörde kann nach § 9 IV SächsVergabeDVO zur Deckung ihrer Kosten von dem Bieter, der das Vergabeverfahren beanstandet, Gebühren verlangen. Für den Fall, dass die Beanstandung des Bieters Erfolg hat, sind die Kosten von der Verwaltung selbst zu tragen.26

II. Die Einführung der Vorabinformationspflicht in Schleswig-Holstein Am 20.6.2003 wurde in Schleswig-Holstein das Gesetz zur Förderung des Mittelstandes (Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz MFG) verabschiedet.27 Es geht zurück auf einen Entwurf der CDU-Fraktion28 im schleswig-holsteinischen Landtag und gilt für alle Vergabeverfahren, die nach seinem In-Kraft-Treten am 1.10.2003 begonnen worden sind. Das Gesetz enthält in § 14 Abs. 6 eine Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Vorabinformation. Dort heißt es: „Der öffentliche Auftraggeber informiert auch unterhalb der in § 2 Vergabeverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Februar 2003 (BGBl. I, S. 169) genannten Schwellenwerte, jedoch nicht unterhalb eines Auftragswertes von 10.000 Euro netto, die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll, und über den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebotes. Er sendet diese Information in Textform spätestens 14 Kalendertage vor dem Vertragsabschluss an die Bieter ab.“

Darüber hinaus wird der Auftraggeber in § 14 III29 durch statischen Verweis verpflichtet, die A- und B-Teile von VOB und VOL sowie die VOF 25 Begründung zum Vorentwurf zur SächsVergDVO vom 5.4.2002, B. zu § 9 (Begründung für Alternativvorschlag). 26 Nach der Begründung zum Vor-Entwurf der Ausführungsverordnung vom 5.4.2002, B zu § 9 (zum Alternativvorschlag) lehnt sich die Regelung des Abs. 4 an § 128 GWB an. Die Höhe der Gebühren wurde entsprechend der Besonderheit der zu regelnden Fälle, sowohl was den Mindest- als auch den Höchstbetrag angeht, dabei wesentlich niedriger bestimmt. 27 GVBl SH v. 30.9.2003. Die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses ist in LT-Drs. 15/2734 vom 11.6.2003 veröffentlicht. 28 LT-Drs. 15/2056 (neu) v. 6.9.2002. 29 „(3) Bei öffentlichen Aufträgen sind: 1. die Verdingungsordnung für Leistungen (VOL), Teile A und B, in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. September 2002 (BAnz. Nr. 216a vom 20. November 2002),

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auch unterhalb der Schwellenwerte anzuwenden. Die Verdingungsordnungen erhalten dadurch auch im Bereich unterhalb der Schwellenwerte Rechtsnormcharakter. Inzwischen ist am 1.8.2004 die erste Änderung des MFG Schleswig-Holstein in Kraft getreten. Das Änderungsgesetz vom 15.5.2004 wurde im GVOBl. Nr. 7, S. 142 veröffentlicht.30 Die vorgenommenen Änderungen betreffen auch die Vorabinformationspflicht. Sie gilt nicht mehr für alle Aufträge, sondern wurde auf die Vergabe von Bauaufträgen beschränkt. Die nunmehr in § 14 Abs. 5 geregelte Vorabinformationspflicht hat dementsprechend folgenden Wortlaut (Änderung zur Ursprungsfassung kursiv hervorgehoben): „Der öffentliche Auftraggeber informiert bei der Vergabe von Bauleistungen nach Öffentlicher oder Beschränkter Ausschreibung auch unterhalb der in § 2 Vergabeverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Februar 2003 (BGBl. I, S. 169) genannten Schwellenwerte, jedoch nicht unterhalb eines Auftragswertes von 10.000 Euro netto, die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll, und über den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebotes. Er sendet diese Information in Textform spätestens 14 Kalendertage vor dem Vertragsabschluss an die Bieter ab.“

2. die Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 2002 (BAnz. Nr. 203a vom 30. Oktober 2002) entsprechend, wobei die Bekanntmachung gemäß § 9 VOF nicht EU-weit erfolgen muss, 3. die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB), Teile A und B, in: der Fassung der Bekanntmachung vom 12. September 2002 (BAnz. Nr. 202a vom 29. Oktober 2002) sowie 4. das Schleswig-Holsteinische Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen (Tariftreuegesetz) vom 7. März 2003 (GVOBl. S. 136, ber. S. 283) im Rahmen des dort in § 2 bezeichneten Anwendungsbereichs anzuwenden. Die Landesregierung schreibt jeweils durch Rechtsverordnung dem öffentlichen Auftraggeber die Anwendung von Änderungen und Neufassungen der in Satz 1 Nr. 1 bis 3 genannten Regeln vor; sie kann diese Befugnis auf das fachlich zuständige Ministerium übertragen. . . .“ 30 Zur Gesetzgebungsgeschichte Monatsinfo forum-vergabe e. V., 7-8/2004, S. 116. Daneben wurde auch eine LandesvergabeVO erlassen – näher dazu Monatsinfo forum-vergabe e. V., a. a. O.

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III. Vorabinformationspflicht durch die Neuregelung der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte in Niedersachsen? Am 2.9.2002 wurde auch in Niedersachsen ein Landesvergabegesetz31 erlassen, das am 1.1.2003 in Kraft trat.32 Es sieht in § 2 I vor, dass die Vergabegrundsätze in „§ 97 Abs. I bis V und die §§ 98 bis 101 GWB sowie die Vergabeverordnung vom 9. Januar 2001 (BGBl. I S. 110), geändert durch Art. 3 Abs. I des Gesetzes vom 16.5.2001 (BGBl. I S. 876)“ zukünftig auch bei Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte anzuwenden sind. Es handelt sich dabei um eine statische Verweisung.33 Die Erstreckung dieser Vergabenormen aus dem oberhalb der Schwellenwerte geltenden Vergaberechtsregime gilt allerdings nur für Aufträge, deren Wert 10.000 Euro34 übersteigt (§ 1 LVergG Nds).35 Mit der Anordnung der Geltung der VgV wird zunächst die Geltung der Verdingungsordnungen (sogar die VOF!) unterhalb der Schwellenwerte angeordnet36, da die VgV in den §§ 4 ff. auf die Verdingungsordnungen verweist. § 2 I a. E. des Niedersächsischen Vergabegesetzes stellt allerdings klar, dass nur der erste Abschnitt der VOB und VOL Anwendung findet. Dadurch wird die nur in den Abschnitten 2 f. geregelte Verpflichtung, europaweit auszuschreiben, vermieden.37 Im Ergebnis führt die Anordnung der Geltung der VgV dazu, dass die Verdingungsordnungen (bei VOB und VOL der erste Abschnitt) Rechtsnormcharakter erhalten. Fraglich ist aber darüber hinaus, ob dadurch, dass in § 2 I des Landesvergabegesetzes die Geltung der Vergabeverordnung insgesamt, also ohne Einschränkung angeordnet ist, auch die Vorabinformationspflicht des § 13 VgV 31 Nds.GVBl. 2002, 370 ff. Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion v. 15.11.2002 ist abgedruckt in LT-Drs. 14/2893. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr v. 14.8.2002 findet sich in LT-Drs. 14/3574. 32 Einen Überblick über das Gesetz gibt Losch, NdsVBl. 2003, 73 ff. 33 Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Landesvergabegesetzes, Zu § 1, LTDrs. 14/3628, S. 2. 34 Im Gesetzentwurf der SPD-Fraktion (a. a. O.) waren als Schwellenwerte noch 20 000 Euro vorgesehen – näher Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Landesvergabegesetzes, Zu § 1, LT-Drs. 14/3628, S. 2 und die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr v. 14.8.2002, LT-Drs. 14/3574. 35 Das Niedersächsische Vergabegesetz dient weiterhin vor allem der Einführung des Tariftreuekriteriums für alle Aufträge oberhalb von 10.000 Euro, also auch oberhalb der Schwellenwerte. Für letzteres ist nach § 97 IV GWB eine gesetzliche Grundlage nötig. 36 Davon geht auch § 2 I a. E. aus. 37 Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Landesvergabegesetzes, Zu § 2, LTDrs. 14/3628, S. 3.

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unterhalb der Schwellenwerte gilt. Dies ist bereits bejaht worden.38 Würde man dem folgen, wäre in Niedersachsen anders als in Sachsen keine eigene Vorabinformationspflicht geschaffen worden, sondern es würde auf § 13 VgV verwiesen.39 Dadurch erhielten die im Zusammenhang mit der Vorabinformation des § 13 VgV diskutierten Fragen auch im bisher gesetzlich nicht erfassten Bereich unterhalb der Schwellenwerte Bedeutung. Dies wäre umso beachtlicher, als die überwiegende Anzahl der Aufträge unterhalb eben jener Schwellenwerte vergeben wird.40 Bei näherer Betrachtung ist aber durch § 2 I des Landesvergabegesetzes nicht auch § 13 VgV verbindlich gemacht worden: Dagegen spricht zunächst, dass der Gesetzgeber während des Gesetzgebungsverfahrens die Geltung der Vergabeverordnung nur im Hinblick auf die daraus folgende gesetzliche Verbindlichmachung der Verdingungsordnungen vor Augen hatte. Nur dies, nicht aber die Bindung der Auftraggeber an andere Vorschriften der VgV, etwa an § 13 VgV, spielt in den Gesetzgebungsmaterialien eine Rolle.41 Der Gesetzgeber wollte nicht, dass mit der Geltung der VgV auch die Vorabinformationspflicht des § 13 VgV Geltung erlangt. Die nach dem Wortlaut uneingeschränkte Verbindlichmachung der gesamten VgV, also auch von § 13 VgV, beruhte damit vielmehr auf einem Versehen des Niedersächsischen Landesgesetzgebers. Dafür lässt sich weiter anführen, dass die im Gesetzgebungsverfahren angestellten Erwägungen zum erhöhten Verwaltungsaufwand durch das niedersächsische Vergabegesetz nur die Einführung des Tariftreuekriteriums und dessen Überwachung42 betreffen. Aber auch die Erfüllung der Vorabinformationspflichten des § 13 VgV würde zu einem erhöhten Aufwand bei den öffentlichen Auftraggebern führen. Außerdem ermöglicht die Vorabinformation zumindest eine bessere Inanspruchnahme der Aufsichtsbehörden, so dass durch deren vermehrte Anrufung weitere Mehrkosten entstehen.43 38

So Monatsinfo forum vergabe e. V. 9/2002, S. 118 f. Danach müsste § 13 VgV nach § 2 II LVergG Niedersachsen nicht nur von den „klassischen“ niedersächsischen öffentlichen Auftraggebern beachtet werden, sondern auch von solchen Auftraggebern aus Niedersachsen, die die Voraussetzungen des § 98 Nr. 2, 4 oder 5 GWB erfüllen. 40 Vgl. unter A. 41 Begründung zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, LT-Drs. 14/2893; Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr v. 14.8.2002, LT-Drs. 14/3574; schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Landesvergabegesetzes, LT-Drs. 14/3628. 42 Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Landesvergabegesetzes, LT-Drs. 14/ 3628, S. 1 f.; vgl. auch die Begründung zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, LT-Drs. 14/2893, Begründung III., S. 7. 43 Dazu unten näher unter V. 39

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

Gegen die Geltung von § 13 VgV spricht darüber hinaus, dass durch das Landesvergabegesetz gerade die Vorschriften des GWB über den VergabeRechtsschutz der Bieter nicht für anwendbar erklärt werden und auch nicht auf § 97 VII GWB mit der Schaffung subjektiver Rechte verwiesen wird. Den Bietern sollten laut der Gesetzesbegründung gerade keine neuen Rechtsschutzmittel eingeräumt werden.44 Es ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dementsprechend auch nicht die Geltung des § 13 VgV nicht anordnen wollte. Denn er dient oberhalb der Schwellenwerte der Durchsetzung der subjektiven Rechte der Bieter und ist daher den Rechtsschutzvorschriften zuzuordnen.45 Dass der Verweis des Landesvergabegesetzes auf die Vergabeverordnung nicht die gesamte Vergabeverordnung verbindlich macht, lässt sich auch damit begründen, dass ansonsten auch § 17 – 22 VgV der Vergabeverordnung unterhalb der Schwellenwerte gelten müssten. §§ 17 und 18 der VgV setzen aber die Geltung der Rechtsschutzvorschriften des GWB voraus, die gerade nicht angeordnet ist.46 So kann bspw. durch das Landesvergabegesetz nicht unterhalb der Schwellenwerte ein Schlichtungsverfahren eingeführt werden, in das die Kommission eingebunden. Dies soll nur oberhalb der Schwellenwerte gelten. Im Ergebnis wird § 13 VgV47 durch das Niedersächsische Vergabegesetz nicht für verbindlich erklärt. Dieses Ergebnis lässt sich über eine teleologische Reduktion des Verweises in § 2 I Nds. LVergG begründen. Eine teleologische Reduktion ist durchzuführen, wenn eine Gesetzesvorschrift einer Einschränkung bedarf, die im Gesetzestext nicht enthalten ist.48 Der teleologischen Reduktion vorgelagert ist also die Annahme, dass eine einschränkende Auslegung nicht möglich ist.49 Dies ist hier der Fall, da der Wortlaut von § 2 I Nds. LVergG der einschränkenden Auslegung entgegensteht. 44

So wird die Geltung von § 97 VII GWB laut Gesetzesbegründung deswegen nicht angeordnet, „da unterhalb der EG-Schwellenwerte den Unternehmern (Bewerbern, Bietern) kein subjektives Recht mit den entsprechenden Rechtsschutzmitteln eingeräumt werden soll.“ – Begründung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 14/2893, Begründung I., S. 4. Vgl. auch Monatsinfo forum vergabe e. V. 9/2002, S. 118 f. 45 So auch Losch, NdsVBl. 2003, 73. 46 Losch, NdsVBl. 2003, 73. 47 Dies gilt jedenfalls auch für die Rechtsschutzvorschriften in den §§ 17–22 VgV – so auch Losch, NdsVBl. 2003, 73. Ob neben den Vorschriften der VgV, die den Verweis auf die Verdingungsordnungen betreffen, überhaupt weitere Normen der VgV verbindlich gemacht werden, kann hier dahinstehen. 48 Larenz/Canaris, S. 210 f. 49 Schmalz, Methodenlehre, S. 131. Die teleologische Reduktion verhält sich damit zur einschränkenden Auslegung, wie die Analogie zur erweiternden Auslegung, Larenz/Canaris, S. 210 f. In der Praxis wird allerdings oft nicht zwischen teleologischer Reduktion und einschränkender Auslegung unterschieden. Letztere wird oft

D. Auswirkungen der Einführung von Vorabinformationspflichten

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Denn nach seinem Wortlaut wird die Vergabeverordnung uneingeschränkt für verbindlich erklärt.50 Bei der teleologischen Reduktion wird der zu weite, undifferenzierte Wortsinn auf den Anwendungsbereich reduziert, der der Ratio-Legis entspricht.51 Wie gezeigt, kann dem Telos des niedersächsischen Landesvergabegesetzes nur entsprochen werden, wenn man § 13 VgV aus dem Verweisumfang des § 2 I Nds. LVergG herausnimmt.52

IV. Die Landesvergabegesetze in den anderen Bundesländern Neben den Landesvergabegesetzen in Sachsen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurden bisher Vergabegesetze in Bayern, Berlin, Bremen und im Saarland erlassen. Durch diese wurden aber – anders als in Sachsen und Schleswig-Holstein – keine Vorabinformationsregelungen eingeführt.53 Weiterhin befindet sich in Nordrhein-Westfalen ein Landesvergabegesetz im Gesetzgebungsverfahren.54 auch gegen den Wortlaut der Norm vorgenommen, Schmalz, S. 131. Die Grenzen sind tatsächlich fließend, Larenz/Canaris, S. 211. 50 So wird auch in Fällen, in denen eine Norm für eine Fallgruppe zwar im Wortlaut nicht explizit als vom Anwendungsbereich umfasst erwähnt ist, sich dies aber aus der insoweit bestehenden Uneingeschränktheit des Wortlauts ergibt, ihre Nichtanwendung für diese Fallgruppe mit der teleologischen Reduktion begründet. Typisches Beispiel dafür ist § 181 BGB, der trotz seinem uneingeschränkten Wortlaut nicht für Insichgeschäfte angewandt wird, vgl. nur Larenz/Canaris, S. 210 f.; Kramer, S. 162 f. 51 Kramer, S. 161 ff.; Larenz/Canaris, S. 211. 52 Bei den typischen Fällen der teleologischen Reduktion wird eine abstrakte Fallgruppe aus dem Anwendungsbereich der Norm ausgenommen. Gleich zu behandeln ist aber die vorliegende Konstellation, in der eine Norm aus dem Verweisumfang der Norm ausgenommen wird. 53 In Bayern ist aber ausdrücklich in § 18 IV des Entwurfes eines neuen Mittelstandsförderungsgesetzes angeordnet, dass die Aufsichtsbehörde im Unterschwellenbereich die Prüfung von Bieterbeschwerden unter besonderer Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes vornehmen und im öffentlichen Interesse auf die Einhaltung der Vergabevorschriften hinwirken muss, näher Monatsinfo forum vergabe, 3/2003, 43 und 5/2003, 79. In Bremen sind bei Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte mit einem Wert von mindestens 10.000 Euro nach § 3 Abs. I des Bremer Vergabegesetzes vom 17.12.2002 (BremGBl. Nr. 66 v. 19.12.2002 S. 594), der am 1.3.2003 in Kraft getreten ist, „§ 97 Abs. 1 bis 5 und die §§ 98 bis 101 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie die §§ 4, 6 und 16 der Vergabeverordnung [. . .], entsprechend anzuwenden, jedoch mit der Maßgabe, dass von der Verdingungsordnung für Leistungen und von der Verdingungsordnung für Bauleistungen jeweils nur der erste Abschnitt Anwendung findet.“ In Bremen wird also weder die Vorabinformationsregelung des § 13 VgV für anwendbar erklärt, noch eine eigene Vorabinformationsregelung im Vergabegesetz geschaffen. Insoweit ist im Rahmen der hier angestellten Untersuchung nicht vertieft auf das Bremer Vergabegesetz einzugehen.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

V. Auswirkungen der Vorabinformationsregelung in Sachsen und Schleswig-Holstein Die Vorabinformationspflicht unterhalb der Schwellenwerte führt in tatsächlicher Hinsicht dazu, dass das vor Zuschlagserteilung bestehende Informationsdefizit der Bieter über das Vergabeverfahren in Sachsen und Schleswig-Holstein abgebaut wird. Die Bieter erhalten jetzt insbesondere die Möglichkeit, noch vor der Zuschlagserteilung, die auch im Bereich unterhalb der Schwellenwerte die Zuschlagschancen des nichtberücksichtigten Bieters beseitigt, von Vergaberechtsverstößen bei der Zuschlagsentscheidung zu erfahren.55 Im Folgenden ist zu untersuchen, wie sich diese Verbesserung der Position des Bieters in tatsächlicher Hinsicht auf seine Möglichkeiten auswirkt, ein rechtmäßiges Vergabeverfahren, insbesondere eine rechtmäßige Zuschlagsentscheidung zu erreichen: Durch die Vergabegesetze in Sachsen und Schleswig-Holstein erhielten die Verdingungsordnungen zwar Rechtsnormqualität, den Bietern wurden aber keine subjektiven Rechte eingeräumt.56 Denn den Bietern sollten durch die Neuregelung keine förmlichen, gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten gewährt werden (zur Geltendmachung der wenigen Unterlassungsansprüche sogleich). Damit soll einer unverhältnismäßigen Belastung und Verzögerung der Vergabeverfahren unterhalb der EG-Schwellenwerte vorgebeugt werden.57 54 Eine Übersicht über die Landesvergabegesetze mit Stand 3/2003 findet sich im Monatsinfo forum vergabe, 2/2003, Anlage 1. 55 Nach der Änderung des MFG Schleswig-Holstein haben diese Informationsmöglichkeit nur noch die Bieter bei Bauvergaben (vgl. unter II.). 56 Dies gilt ebenso für das Niedersächsische Vergabegesetz (oben unter II.) und das Bremer Vergabegesetz (näher 3 Fn. zuvor), vgl. auch Monatsinfo forum vergabe e. V. 10/2002, S. 130 f. 57 Begründung zum Vorentwurf zur SächsVergDVO vom 5.4.2002, A. und B. zu § 9. Das Fehlen subjektiver Rechte ergibt sich auch aus § 9 II S. 3 SächsVergabeDVO. Dort ist ausdrücklich geregelt, dass der Bieter keinen Anspruch auf Tätigwerden der Aufsichtsbehörde bzw. der Bewilligungsbehörde hat. Auch für das niedersächsische Gesetzgebungsverfahren finden sich für einen anders gerichteten Willen des Gesetzgebers keine Anhaltspunkte. So wurde im Wirtschaftsausschuss lediglich die Ermöglichung der Einschaltung der Kommunalaufsicht diskutiert (Niederschrift der Sitzung vom 11.6.2003, S. 8). Zur Ablehnung von subjektiven Rechten auch die Argumentation bei der Verneinung der Schutzgesetzeigenschaft der Verdingungsordnungen [oben unter B. I. 2. a) aa) (2)]. Dass allein die Rechtsnormqualität der Verdingungsordnungen nicht gleichzeitig auch subjektive Rechte entstehen lässt, zeigt auch der Verweis auf die vergleichbare Rechtslage nach der haushaltsrechtlichen Lösung [vgl. unter Teil 1, A. VI. 3. b) bb)].

D. Auswirkungen der Einführung von Vorabinformationspflichten

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Trotz des nach wie vor zu verzeichnenden Fehlens von gerichtlichem Rechtsschutz ermöglicht die Beseitigung des Informationsdefizits durch die Einführung der Vorabinformationspflicht dem Bieter jedoch, die Befassung der Aufsichtsbehörden vor Zuschlagserteilung zu erreichen, was zuvor – wie dargestellt58 – selten möglich war. Außerdem scheitern auch die wenigen, den Bietern zustehenden Unterlassungsansprüche59 nicht mehr daran, dass die Zuschlagserteilung bereits erfolgt ist. Die Ermöglichung der Anrufung der Aufsichtsbehörden vor Zuschlagserteilung ist insofern eine deutliche Besserstellung der Bieter, als die Aufsichtsbehörden nur vor Zuschlagserteilung noch die Zuschlagserteilung verhindern und einen rechtmäßigen Vertragsschluss durchsetzen können (zu den Befugnissen der Aufsichtsbehörden näher unter B. I. 8. a). Es besteht allerdings kein Anspruch auf das Tätigwerden der Aufsichtsbehörden (vgl. nur § 9 II 3 SächsVergabeDVO). Der Verordnungsgeber in Sachsen hielt dies für unschädlich. Er geht davon aus, dass bei Beanstandungen des Vergabeverfahrens auch mit der vorliegenden Regelung die Aufsichtsbehörde bzw. die Bewilligungsbehörde wegen ihrer Bindung an Recht und Gesetz die erforderliche Prüfung durchführt („die Beanstandungen verantwortungsbewusst handhabt“60) und damit ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren sicher gestellt wird.61 Es ist zweifelhaft, ob diese optimistische Vorstellung angesichts der beschriebenen Unzulänglichkeiten der verwaltungsinternen aufsichtsbehördlichen Tätigkeit vollständig geteilt werden kann: Es besteht hier für das Verhältnis der Aufsichtsbehörde zur nachgeordneten Behörde oft nicht zu Unrecht die Vermutung der Bieter, dass „eine Krähe der anderen kein Auge aushackt“. Bei den Unternehmen werden die Vorbehalte gegen eine Inanspruchnahme von Aufsichtsbeschwerden häufig noch größer sein, als gegen eine Inanspruchnahme eines förmlichen Nachprüfungsverfahrens62, da bei dem hier in Frage stehenden innerbehördlichen Beschwerdeweg der Kreis der Exekutive nicht durchbrochen werden kann.

Wegen des Fehlens subjektiver Rechte wird an der Effektivität des Rechtsschutzes nach wie vor gezweifelt – Monatsinfo forum vergabe e. V. 5/2002, 70, 71 und 9/2002, S. 118 f. 58 B I. 8. a). 59 Ausführlich unter B. I. 3. 60 Begründung zum Vorentwurf zur SächsVergDVO vom 5.4.2002, A. 61 Begründung zum Vorentwurf zur SächsVergDVO vom 5.4.2002, A. und B. zu § 9. 62 Zu den Vorbehalten der Bieter gegen die Verfolgung dieser Rechtsschutzmöglichkeiten unter Teil 5, B.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

Weiter muss beachtet werden, dass das Zuschlagsverbot in Sachsen nur 10 Kalendertage nach der Unterrichtung der Aufsichtsbehörde beim Bieter besteht. Einen darüber hinausgehenden bzw. eigenen Suspensiveffekt hat die Inanspruchnahme der Aufsichtsbehörde nicht. Eine Regelung wie § 115 I GWB gibt es im Bereich unterhalb der Schwellenwerte nicht. Nimmt also die Aufsichtsbehörde innerhalb dieser Fristen keine Beanstandungen vor, kann die Vergabestelle trotz Anrufung der Aufsichtsbehörde den Zuschlag erteilen. Aber auch dann, wenn die Aufsichtsbehörde eine Weisung an die Vergabestelle erlässt, also bspw. die Zuschlagserteilung untersagt, hat die Vergabestelle (theoretisch)63 die Möglichkeit, der Weisung nicht nachzukommen und den Zuschlag zwar rechtswidrig aber wirksam zu erteilen. Der Vertrag ist dann dennoch rechtsgültig zu Stande gekommen ist, so dass der Bieter dann auf Schadensersatzansprüche verwiesen ist.64 Insofern hilft dem Beschwerdeführer in Sachsen auch nicht folgendes Vorgehen: Für den Fall, dass die Aufsichtsbehörde sein Rechtsschutzgesuch ablehnt, muss sie ihm nach § 9 IV SächsVergabeDVO Gebühren für ihre Nachprüfungshandlung zw. 100 und 1000 Euro auferlegen. Nur, wenn die Beanstandung zu Recht erfolgte, sind nach § 9 IV S. 5 der SächsVergabeDVO keine Gebühren zu erheben. Gegen den Gebührenbescheid, der ein Verwaltungsakt ist, kann der Bieter dann die Verwaltungsgerichte mit dem Argument anrufen, seine Beanstandung sei gerechtfertigt, das Vergabeverfahren also rechtswidrig gewesen.65 Insofern kann es dann doch zu einer gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Auftragsvergabe kommen. Aber auch hier besteht häufig das Problem, dass die Vergabestelle bis zur Beanstandung durch die Aufsichtsbehörde bzw. bis zur Anrufung des Verwaltungsgerichts den Zuschlag bereits erteilt hat und damit eine Auftragserlangung nicht mehr möglich ist. Trotz dieser Nachteile einer Befassung der Aufsichtsbehörden darf die Wirkung der Anrufung der Aufsichtsbehörden nicht unterschätzt werden. Zumeist lassen sich auch so die Interessen der Unternehmer sichern. Formlose Rechtsbehelfe führen nicht selten eher zum Erfolg als die gerichtliche Durchsetzung der eigenen Position.66 Schuhmacher67 begründet dies auch 63 Ein solches Widersetzen gegen Anordnungen der Aufsichtsbehörde wird in der Praxis allerdings selten vorkommen, da die handelnden Mitarbeiter/Beamten der Vergabestelle mit Abmahnungen/Disziplinarverfahren rechnen müssen. 64 Wegen ihrer Nachteile wird auch die Aufsichtsbeschwerde in Österreich für ein „bedeutungsloses Instrument des Rechtsschutzes“ gehalten (Scherling, S. 40 f.; vgl. auch Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/Rill, S. 195, 447). 65 In diese Richtung auch einige Teilnehmer auf einer Vergaberechtstagung des forum vergabe e. V. im Dezember 2002 in Nürnberg, Behördenspiegel 1/2003, S. 15.

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damit, dass sich bei der Vergabe öffentlicher Aufträge keine „feindlichen“ Parteien gegenüberstehen. Deswegen wird es wegen der gegebenen erhöhten Erfolgaussichten einer Anrufung bzw. Inanspruchnahme der Aufsichtsbehörden durch die Beseitigung des Informationsdefizits der Bieter vor Zuschlagserteilung zu deren erhöhten Inanspruchnahme kommen. Davon ging auch der Sächsische Verordnungsgeber aus. Er erwartet, dass der öffentlichen Hand durch die mit der Einführung der Informationspflicht vermehrte Anrufung der Aufsichtsbehörden, insbesondere durch das erforderliche zusätzliche Personal, erhöhte Kosten entstehen.68 Zur Gegensteuerung sieht nur das Landesvergabegesetz in Sachsen vor, dass Gebühren für das Nachprüfungsbegehren vor der Aufsichtsbehörde erhoben werden können. Mit Blick auf die Vorabinformationsregelungen in Sachsen und Schleswig-Holstein ist weiter festzustellen, dass hier keine Sanktionierung dafür vorgesehen ist, – dass der Auftraggeber die Information vor Zuschlagserteilung überhaupt nicht oder nicht in ausreichendem Maße erteilt. – dass der Auftraggeber den Zuschlag vor Ablauf der Wartefristen erteilt. Es ist zu untersuchen, ob damit der Auftraggeber folgenlos gegen die Vorabinformationspflicht verstoßen könnte, so dass deren Beachtung in Frage gestellt sein würde: Die Sanktionierung des Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht könnte sich in Bezug auf das Sächsische Vergabegesetz daraus ergeben, dass der geschlossene Auftragsvertrag in diesen Fällen nach § 134 BGB i. V. m. mit § 9 SächsVergabeDVO nichtig ist.69 Dafür müsste § 9 SächsVergabeDVO ein Verbotsgesetz sein. Der dafür zunächst erforderliche Normcharakter von § 9 ist zu bejahen, da auch Rechtsverordnungen Verbotsgesetze sein können. In dem Gebot der Vorabinformation ist auch gleichzeitig das Verbot enthalten, ohne Vorabinformation den Zuschlag zu erteilen, so dass auch der Verbotscharakter von § 9 I, II SächsVergabeDVO angenommen werden kann. Für den Fall der vorzeitigen Zuschlagserteilung vor der Entscheidung der Nachprüfungsbehörde ergibt sich die Verbotsgesetzeigenschaft explizit aus dem Wortlaut von § 9 II S. 2 SächsVergabeDVO. 66 Nach Schmitt/Glaeser/Horn, Einl. Rn. 16 führen formlose Rechtsbehelfe „in der Praxis häufiger und meist auch schneller zur Beseitigung rechtswidriger Akte, als förmliche Rechtsbehelfe.“; vgl. auch Schumacher, S. 147. 67 Zum Ganzen Schumacher, S. 147 f. 68 Vorblatt zum Entwurf der SächsVergabeDVO vom 5.4.2002, D. Kosten. 69 Dies wird auch im Monatsinfo forum vergabe e. V. 5/2002, 70 f. als interessante, noch zu beantwortende Frage angesehen.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

Es ist aber problematisch, ob sich das Verbot auch gegen das Rechtsgeschäft als solches richtet, ob also der Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht auch die Nichtigkeit des Vertrages nach sich ziehen soll. Dies ist abzulehnen, da der Sächsische Verordnungsgeber gerade die Durchsetzbarkeit der Vergaberegelungen unterhalb der Schwellenwerte verhindern wollte (keine Einräumung subjektiver Rechte und kein Anspruch auf Tätigwerden der Nachprüfungsbehörde). Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Wille des Verordnungsgebers auch auf die mangelnde Durchsetzbarkeit der Vorabinformationsregelung selbst erstreckte und er nicht den Willen hatte, § 9 als die einzige Vorschrift auszugestalten, die vom Bieter durchsetzbar ist. So wie der Verordnungsgeber für die Wahrnehmung der Vergabenachprüfung durch die Aufsichtsbehörden auf die Wirkung der Gesetzesbindung der Verwaltung vertraut hat, hat er sich auch für die Erfüllung der Vorabinformationspflichten durch die öffentlichen Vergabestellen auf deren Gesetzesbindung verlassen. Weiterhin zielt die Einführung der Vorabinformationsregelung in Sachsen wie gezeigt nach der Verordnungsbegründung eher auf die Verbesserung der Transparenz der Auftragsvergaben, als auf die Schließung von Rechtsschutzlücken im Bereich unterhalb der Schwellenwerte, was gegen die Verbotsgesetzeigenschaft von § 9 spricht. Ein Verstoß des öffentlichen Auftraggebers gegen die Vorabinformationspflicht führt daher nicht zur Nichtigkeit des geschlossenen Auftragsvertrages.70 Für die Vorabinformationsregelung in Schleswig-Holstein lässt sich das Fehlen der Nichtigkeitssanktion darüber hinaus bereits daraus ableiten, dass im ursprünglichen Gesetzentwurf der CDU Fraktion (LT-Drs. 15/2056 v. 6.9.2002)71 noch ausdrücklich das mit der Nichtigkeitsfolge bedrohte Verbot des Vertragsabschlusses ohne Vorabinformation enthalten war, aber in der am 20.6.2003 verabschiedeten Fassung weder diese Verbotsregelung noch die Nichtigkeitsfolge vorgesehen sind.72 70 So im Ergebnis, aber ohne nähere Begründung auch Dammert/Köhler, SächsVBl. 2002, 257, 261. Zur Bewertung der fehlenden Sanktionierung siehe unter E. beim Endergebnis. 71 § 16 V: „Der öffentliche Auftraggeber hat auch unterhalb der Schwellenwerte der Vergabeverordnung, jedoch nicht unterhalb eines Gesamtauftragswertes von 25.000,00 Euro, die Informationspflicht nach § 13 VgV zu wahren. Der Auftraggeber informiert demnach die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll und über den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebotes. Er gibt die Informationen schriftlich spätestens 14 Kalendertage vor dem Vertragsabschluss ab. Ein Vertrag darf vor Ablauf der Frist oder ohne, dass die Information erteilt worden und die Frist abgelaufen ist, nicht geschlossen werden. Ein dennoch abgeschlossener Vertrag ist nichtig.“ 72 Grund für diese Änderung war, dass der Gesetzgeber an seiner Kompetenz zweifelte, durch die Nichtigkeitsfolge in die bundesrechtliche Regelung der Vertragsfreiheit einzugreifen. Die Nichtigkeitsfolge sei auch nicht erforderlich, da der

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VI. Exkurs: Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer für die Einführung einer Vorabinformationspflicht unterhalb der Schwellenwerte Wie gezeigt, hat die Einführung der Vorabinformationspflicht durch Sachsen und Schleswig-Holstein Einfluss auf die Möglichkeiten der Bieter, ein rechtmäßiges Vergabeverfahren durchzusetzen. Deswegen ist fraglich, ob den Ländern für eine solche Regelung überhaupt die Gesetzgebungskompetenz zusteht, da der Bundesgesetzgeber beim Erlass des Vergaberechtsänderungsgesetzes auf die Einführung von Rechtsschutzmöglichkeiten und durchsetzbaren Rechten unterhalb der Schwellenwerte verzichtet hat: Die Gesetzgebungskompetenz für den Bereich oberhalb der Schwellenwerte folgt im Hinblick auf das Vergabeverfahrensrecht für den Bundesgesetzgeber aus Art. 74 I Nr. 11 GG und zusätzlich aus Art. 109 III GG. Für das Nachprüfungsverfahren folgt die Bundeskompetenz aus Art. 74 Nr. 1 GG.73 Demnach liegt hier eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Länder vor (bzw. der Bund hat nach Art. 109 III GG gar nur eine Rahmenkompetenz). Bei dieser verbleibt den Ländern die Gesetzgebungskompetenz, soweit der Bund noch nicht von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht hat, Art. 72 I GG. Den Ländern könnte also für das Vergaberecht unterhalb der Schwellenwerte die Gesetzgebungskompetenz weiterhin zustehen, da der Bund für diesen Bereich keine Regelung getroffen hat. Ein Gebrauchmachen des Bundes von seiner Gesetzgebungskompetenz im Sinne von Art. 72 I GG liegt allerdings nach dem BVerfG „nicht nur dann vor, wenn der Bund eine Regelung getroffen hat. Auch in dem absichtsvollen Unterlassen einer Regelung kann ein Gebrauchmachen von einer Bundeszuständigkeit liegen, das dann insoweit Sperrwirkung für die Länder erzeugt (vgl. BVerfGE 32, 319, 327 f.). Zu einem erkennbar gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, darf sich ein Landesgesetzgeber nicht in Widerspruch setzen, [. . .]. Ob der Gebrauch, den der Bund von einer Kompetenz gemacht hat, abschließend ist, muss aufgrund einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes festgestellt werden (. . .). In jedem Fall setzt die Sperrwirkung Unternehmer ja die Aufsichtsbehörde anrufen könne (Niederschrift der Sitzung des Wirtschaftsausschusses vom 11.6.2003, S. 8). 73 Zur Unterscheidung nach materiellen Vergaberecht und Nachprüfungsrecht im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz: Pietzcker, Zweiteilung, S. 91 ff.; ders., in: Festschrift für Konrad Redeker zum 70. Geburtstag, S. 501, 507; zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Vergabebereich auch Teil 1, A. VI. 3. c) dd) (1). Zu Unrecht geht daher Losch, NdsVBl. 2003, 73, 75 von einer ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 72 Nr. 9 GG aus.

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für die Länder voraus, dass der Gebrauch der Kompetenz durch den Bund hinreichend erkennbar ist.“ Die Sperrwirkung muss also für die Länder erkennbar sein. Es muss erkennbar eine absichtliche bundesrechtliche Nichtregelung vorliegen.74 Beim Erlass des Vergaberechtsänderungsgesetzes hat der Bundesgesetzgeber sich deshalb nur auf die Umsetzung der europäischen Vorgaben im Bereich oberhalb der Schwellenwerte beschränkt, weil er wegen der Vielzahl der Fälle unterhalb der Schwellenwerte eine nicht zu bewältigende Fülle von Rechtsstreitigkeiten, wenn er allen potenziellen Auftragnehmern subjektive Rechte und damit Rechtsschutzmöglichkeiten gewährt hätte.75 Der Bundesgesetzgeber wollte also den Bietern im Bereich unterhalb der Schwellenwerte ausdrücklich vor allem keine Rechtsschutzmöglichkeiten einräumen. Die Frage, ob diese Nichtregelung damit Sperrwirkung für den Erlass von gesetzlichem Vergabeverfahrensrecht, subjektiven Rechten und einem durchnormierten förmlichen Nachprüfungsverfahren hat, kann offen bleiben.76 Die Nichtregelung durch den Bundesgesetzgeber schließt jedenfalls nicht aus, dass die Länder eine Vorabinformationsregelung erlassen, mit der im wesentlichen nur die Möglichkeit der Geltendmachung von Aufsichtsbeschwerde erleichtert wird, die aber – wie gezeigt – gerade nicht zur „flächendeckenden“ Einführung von förmlichen Rechtsschutzmöglichkeiten führt. Pietzcker77 zweifelt daran, ob der Bund die Gesetzgebungskompetenz zur umfassenden Regelung des Vergabeverfahrens für die Landesverwaltungen auch außerhalb der europarechtlichen Vorgaben, also auch unterhalb der Schwellenwerte hat.78 Würde man diese Auffassung vertreten, könnte schon mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Regelung unterhalb der Schwellenwerte keine Sperrwirkung für eine Landesregelung in diesem Bereich eintreten. 74

BVerfGE 98, 265 = NJW 1999, 841 (zum Bayrischen Schwangerenhilfege-

setz). 75

BT-Drs. 13/9340, S. 15; Malmendier, DVBl 2000, 963, 968. Zu einem Teilbereich dieser Fragen (Kompetenz der Länder zu ergänzenden Regeln über die Auswahl des Bieters und die Anforderungen an ihn (Tariftreue etc.)), vgl. nur aus jüngerer Zeit v. Loewenich, ZfBR 2004, 23. 77 In Schwarze, S. 61, 62. 78 Dementsprechende Zweifel, „ob die Grundlagenkompetenz des Bundesgesetzgebers die detaillierten Regelungen im Unterschwellenbereich ermöglicht“, wurden auch für die geplante Neuregelung des Vergaberechts im Rahmen des Verschlankungskonzepts der Bundesregierung geltend gemacht – Marx, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 127, 135; Ollmann, VergabeR 2004, 669, 670 f. 76

D. Auswirkungen der Einführung von Vorabinformationspflichten

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Diese Ansicht vermag aber nicht zu überzeugen. Wenn man die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bereich oberhalb der Schwellenwerte bejaht, stellt sich diese für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte nicht anders dar. Die Bundeskompetenz beruht nicht auf der Umsetzung von EG-Recht, denn diese ist dem Bund nicht per se zugewiesen, sondern richtet sich nach den innerstaatlichen Kompetenzvorschriften.

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E. Ergebnis zu den Auswirkungen der Vorabinformationspflichten unterhalb der Schwellenwerte und Ausblick auf die geplante Neuregelung der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte durch das Verschlankungskonzept der Bundesregierung Die Position der Bieter unterhalb der Schwellenwerte, die an Vergabeverfahren sächsischer und schleswig-holsteinischer Auftraggeber teilnehmen, wird durch die Einführung der Vorabinformationspflicht in diesen Bundesländern verbessert. Die Regelungsinitiativen in Sachsen und Schleswig-Holstein wurden daher zu Recht begrüßt1 und die ihnen zu Teil gewordene große Aufmerksamkeit in Vergaberechtskreisen war gerechtfertigt.2 Folglich ist es auch kritikwürdig, dass der Landesgesetzgeber in Schleswig-Holstein die ursprünglich für alle Auftragsarten geltende Vorabinformationspflicht zum 1.8.2004 auf Bauvergaben beschränkt hat (näher unter D. II.). Die Vorabinformationspflichten führen aber nicht dazu, dass in Zukunft in jedem Fall rechtmäßige Vergabeverfahren und rechtmäßige Zuschlagserteilungen durchgesetzt werden können. Zum Problem der nicht selten begrenzten Wirkung der Inanspruchnahme aufsichtsrechtlicher Mittel tritt in Sachsen und Schleswig-Holstein das Problem der mangelnden Sanktionierung eines Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht durch den Auftraggeber. Damit konnte sich die Hoffnung, die nach der Ankündigung der Einführung einer Vorabinformationspflicht in Sachsen geäußert worden war, dass nach der Neuregelung effektiver Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte gewährleistet und ein formaler Rechtsschutz vor den Gerichten auch aus Bietersicht nicht mehr erforderlich sei3, nicht erfüllen. 1 So insbesondere auf einer Tagung des forum-vergabe e. V. am 18.4.2002 in Leipzig, wo die Planungen für die Einführung einer Vorabinformationspflicht von Dr. Mittenbacher (RP Leipzig) vorgestellt worden waren. 2 Die Einführung einer Vorabinformationspflicht für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte war auch schon vor dem Erlass der dargestellten Regelung in Sachsen und Schleswig-Holstein gefordert bzw. für rechtlich erforderlich gehalten worden, etwa von: Riese, S. 283 (Vergleich zur Rechtslage bei beamtenrechtlichen Konkurrentenklagen); Brinker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 27, Rn. 25; Hoffmann, S. 123 ff. (mit z. T. fehlgehender Argumentation) und Kraft-Lehner, S. 183 f., 280 ff. und 311. Gegen die Einführung einer Vorabinformationspflicht unterhalb der Schwellenwerte dagegen Pietzcker, Zweiteilung, S. 63 ff. 3 So mehrere Äußerungen auf einer Tagung des forum-vergabe e. V. am 18.4.2002 in Leipzig. Es wurde geäußert, dass mit der sächsischen Neuregelung jede weitere legislatorische Maßnahme obsolet werden würde. Der behördeninterne,

E. Ergebnis

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Insgesamt ist die Einführung der Vorabinformationspflichten – greift man das oben vorgestellte Bild von Dreher wieder auf – zwar nicht der Aufgang der Sonne, aber ein erhellender und hoffnungsvoll stimmender Lichtstrahl in der dunklen Welt des Vergabewesens unterhalb der Schwellenwerte. Dies ist umso bedeutender, als in dieser Welt die überwiegende Anzahl der öffentlichen Aufträge vergeben wird. Die Energie für diesen Lichtstrahl stammt allerdings aus dem erheblichen Mehraufwand der Auftraggeber, der sich für diese durch die Verpflichtung zur Vorabinformation in der Vielzahl der Vergabeverfahren im Bereich unterhalb der Schwellenwerte ergibt. Die isolierte Einführung von Vorabinformationspflichten ohne weitere strukturelle Änderungen der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte (keine subjektiven Rechte) ist trotz des positiven Ansatzes mittel- und langfristig wegen der jedenfalls z. T. berechtigten Kritik am hier geltenden Rechtszustand der falsche Weg. Der Bundesgesetzgeber sollte deswegen die im 2. Teil vorgeschlagene Zusammenfassung des gesamten, oberhalb der Schwellenwerte geltenden Vergaberechts in einem eigenständigen Vergabegesetz zum Anlass nehmen, auch den Bereich unterhalb der Schwellenwerte in dieses Vergabegesetz einzubeziehen.4 Eine Beschränkung der Regelung auf den Bereich der europarechtlichen Vorgaben wäre wieder nur ein Zurücklegen der halben Wegstrecke. Dementsprechend ist es zu begrüßen, dass das BMWA in seinem Referentenentwurf vom 8.2.2005 auch die Vergaberechtslage unterhalb der Schwellewerte mit einbezieht (dazu oben unter B. V.). Zu kritisieren ist allerdings, dass die Vergabeverordnung unterhalb der Schwellenwerte nur für Liefer- und Dienstleistungsaufträge nicht aber für Bauaufträge gelten soll, wo weiterhin die VOB/A zur Anwendung kommt [dazu bereits ausführlich im Teil 2, unter C. VII. 6. b)]. Kritikwürdig ist weiterhin, dass auch nach dem Neuregelungsvorschlag des BMWA den Bietern keine subjektiven Rechte eingeräumt werden. Dadurch wird die kritikwürdige Zweiteilung des Vergaberechts aufrechterhalten. Verschärft werden die damit zusammenhängenden Probleme dadurch, dass die Schwellenwerte nach dem Referentenentwurf des BMWA vom 8.2.2005 um nahezu 1/3 erhöht werden sollen. Damit orientiert sich der Referentenentwurf leider an der dementsprechenden Entwicklung im Legislativpaket. Demgegenüber zu befürworten wäre für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte etwa eine Ausgestaltung wie in Österreich. Dort gelten nach dem neuen BVergG 2002 unterhalb der Schwellenwerte ausgehend aber formal geregelte Rechtsschutz würde den Interessen aller Beteiligter wegen seiner Flexibilität sogar eher genügen. 4 Zur zu bejahenden Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers in diesem Bereich – unter D. VI.

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4. Teil: Der Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

vom Vergaberecht von oberhalb der Schwellenwerte vereinfachte Vergabeverfahren und ein „abgespecktes“ Rechtsschutzverfahren zu deren Durchsetzung.5 Hier hat sich die Befürchtung, dass angesichts der Vielzahl der Unterschwellenvergaben eine Rechtsschutzlawine losgetreten werden könnte, nicht bewahrheitet. Die Inanspruchnahme der Bundes- und Landesrechtsschutzbehörden im Unterschwellenbereich hält sich hier in sehr bescheidenen Grenzen.6 Der Gefahr der Überlastung der Nachprüfungsinstanzen und der unangemessenen Verzögerung der Auftragsvergaben lässt sich auch durch eine entsprechende Ausgestaltung des Nachprüfungsverfahrens begegnen.7 Ein Ausschluss jeglichen Rechtsschutzes ist nur bei wirklichen Bagatellaufträgen gerechtfertigt. Zur Sicherung der subjektiven Rechte ist die Erstreckung der Vorabinformationspflicht von oberhalb der Schwellenwerte zu befürworten. Vorbild kann hier wiederum die Rechtslage in Österreich sein, wo die durch eine Nichtigkeitsfolge abgesicherte Vorabinformationspflicht des § 100 BVergG 2002 grundsätzlich auch unterhalb der Schwellenwerte gilt.8

5

Näher dazu Pock, RPA 2002, 266, 275 f.; Freise, NZBau 2004, 83, 84 und Aicher, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 11 ff. Das BVA entscheidet etwa unterhalb der Schwellenwerte durch ein einzelnes Senatsmitglied und die Fristen zur Einreichung eines Nachprüfungsantrags sind deutlich verkürzt. 6 Näher Aicher, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 11, 17. 7 Ollmann, VergabeR 2004, 669, 676 f. mit dementsprechenden Vorschlägen. Zur Vereinfachung des Rechtsschutzverfahrens unterhalb der Schwellenwerte könnte etwa eine eingeschränktere Amtsermittlung beitragen. 8 Vgl. dazu Fruhmann, ZVB 2002, 52, 54.

5. Teil

Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick A. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit I. Der Primärrechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers 1. Der in Deutschland gewährleistete Rechtsschutz im Hinblick auf die Überprüfung der Zuschlagsentscheidung war vor der Einführung von § 13 VgV ungenügend und verstieß gegen Gemeinschaftsrecht und deutsches Verfassungsrecht. Dies war angesichts der Besonderheiten der öffentlichen Auftragsvergabe, die ein verstärktes Bedürfnis nach effektivem Rechtsschutz bedingen1 und der wirtschaftlichen Bedeutung der Auftragsvergabe2 besonders kritikwürdig: – Der Primärrechtsschutz3 in Deutschland ist davon abhängig, ob der Zuschlag bereits wirksam4 an einen der Bieter erteilt wurde (Teil 2, A.). Nach § 114 II 1 GWB kann ein bereits erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden, unabhängig davon, ob das vorausgehende Vergabeverfahren rechtmäßig oder rechtswidrig gewesen ist. Damit ist nach der Zuschlagserteilung kein Primärrechtsschutz mehr möglich. – Dies hatte wegen der Ausgestaltung des deutschen Vergabeverfahrensrechts zur Folge, dass die Vergabeentscheidung/Zuschlagsentscheidung5, als die Entscheidung, an welchen Bieter der ausgeschriebene Auftrag vergeben wird, zwar nach den Rechtsschutzvorschriften, nicht aber praktisch (tatsächlich) im Primärrechtsschutz überprüfbar war (Teil 2, B.). Dies war besonders problematisch, da sie die für den Bieter wichtigste Entscheidung ist und dieses Fehlen von Primärrechtsschutz meist nicht durch 1

Vgl. unter Teil 1, A. IV. (insbes. 2. b) und A. VI. 2. b) cc). Teil 1, A. II. 3 Die durch das Vergaberechtsänderungsgesetz neu geschaffene vergabespezifische Primärrechtsschutz wird im Teil 1, unter B. im Überblick dargestellt. 4 Teil 2, A. 1. b). 5 Diese Zuschlagsentscheidung ist von der Zuschlagserteilung genau zu unterscheiden – ausf. Teil 2, B. III. 3. a) aa). 2

660

5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

Sekundärrechtsschutzmöglichkeiten (Schadensersatzansprüche) zumindest teilweise kompensiert werden konnte.6 – Die herausgearbeitete (faktische) Unüberprüfbarkeit der Zuschlagsentscheidung verstieß gegen die europäische Rechtsmittelrichtlinie,7 war somit gemeinschaftsrechtswidrig. Dies hat der EuGH in seiner Alcatel-Entscheidung vom 28.10.1999 zu Recht festgestellt.8 – Der damit fest stehenden Europarechtswidrigkeit des deutschen Vergaberechts konnte nicht dadurch begegnet werden, dass es im Wege einer europarechtskonformen Auslegung modifizierend so ausgelegt wurde, dass es doch eine Überprüfung der Zuschlagsentscheidung sicherstellte, Teil 2, B. III. 3 a). Es war also eine ausdrückliche Änderung der Vergaberechtslage durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber erforderlich.9 2. Mit der Einführung der Vorabinformationspflicht des § 13 VgV ist nun aber effektiver, den Vergaberichtlinien genügender Rechtsschutz sichergestellt worden. Erforderlich dafür ist allerdings, § 13 VgV dahingehend zu ändern, dass er für den Beginn der 14-tägigen Wartefrist nicht mehr auf den Tag der Absendung der Vorabinformation, sondern auf deren Zugang abstellt. Mit der Vorabinformationspflicht des § 13 VgV ist damit das Rechtsschutzdefizit, dass auf dem Informationsdefizit vor Zuschlagserteilung beruhte, beseitigt worden. Dies bestätigt die Entscheidungspraxis, die basierend auf der Vorabinformation zunehmend auch Mängel der Zuschlagsentscheidung zum Gegenstand hat. Außerdem ist durch die erweiterten Primärrechtsschutzmöglichkeiten die Anzahl der Nachprüfungsverfahren angestiegen. Um aufzuzeigen, dass der über § 13 VgV gewährleistete Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung wirklich lückenlos ist, war eine genaue Untersuchung der sich zu § 13 VgV stellenden Einzelfragen notwendig. Danach ist § 13 VgV wie folgt anzuwenden: – Nach § 13 VgV ist die Vorabinformation über die getroffene10 Zuschlagsentscheidung zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung auch an die Bieter zu versenden, die nur teilweise 6

Zu letzterem ausführlich unter Teil 2, B. I. 4. Für einen Überblick über das europäische Vergaberecht generell, Teil 1, A. VI. 2. 8 Teil 2, B. III. 1. Sie verstieß auch gegen Verfassungsrecht (Teil 2, B. III. 2.). 9 Die sich für die Zeit bis zu dieser Neuregelung des Vergaberechtsschutzes durch § 13 VgV stellende Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit der Gemeinschaftsnormen war zu verneinen, Teil 2, B. III. 3. b). 10 Nicht bevorstehende, näher Teil 2, C. II. 3. a). 7

A. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit

661

nicht berücksichtigt werden sollen.11 § 13 VgV schafft zudem auch für das Verhandlungsverfahren eine Verpflichtung zur Vorabinformation.12 Es ist nicht nur der nicht berücksichtigte Bieter, sondern auch der erfolgreiche Bieter von der bevorstehenden Zuschlagserteilung an ihn zu informieren.13 Dagegen müssen ausgeschlossene Bieter, die von ihrem Ausscheiden bereits unter Angabe von Gründen nach den Vorschriften der Verdingungsordnungen informiert worden sind, nicht mehr nach § 13 VgV über die bevorstehende Zuschlagserteilung informiert werden.14 – Die Ausführungen zur Angemessenheit der 14-tägigen Vertragssperrfrist haben ergeben, dass dem Bieter genügend Zeit für die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsverfahrens zur Verfügung steht, so dass unter diesem Gesichtspunkt die Effektivität des durch § 13 VgV gesicherten Rechtsschutzes nicht in Frage gestellt ist:15 Der Zeitraum, der dem Bieter für die Prüfung der Tragfähigkeit seiner Nichtberücksichtigung und damit der Erfolgsaussichten des Nachprüfungsverfahrens zur Verfügung steht, schmilzt nicht durch ein vorheriges Rügeerfordernis zusammen. Im Fall der Versendung der Vorabinformation per Post verkürzt der Postlauf der Vorabinformation vom Auftraggeber zum Bieter die Vertragssperrfrist nicht, wenn man § 13 VgV wie vorgeschlagen de lege ferenda dahingehend ändert, dass für den Fristbeginn auf den Zugang des Vorabinformationsschreibens abzustellen ist. Der Auftraggeber sollte aber ohnehin die von § 13 VgV eingeräumte Möglichkeit wahrnehmen, die Vorabinformation durch Fax oder E-Mail zu versenden. Allein der Zeitraum der Zustellung des Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer an den Auftraggeber inkl. der Prüfung der Zustellungsvoraussetzungen (§ 110 II GWB) schmälert die Vertragssperrfrist, was allerdings akzeptiert werden kann. – Bei der Darstellung der Auswirkungen eines Nachprüfungsantrags auf den Lauf der Stillhaltefrist wurde gezeigt, dass der Lauf der Stillhaltefrist nicht durch die Einlegung eines Nachprüfungsantrages gehemmt wird. Auch wenn die Vergabestelle nach Anordnung der Neubewertung durch die Vergabekammer wieder dem gleichen Bieter den Zuschlag erteilen will, muss sie noch einmal eine erneute Vorabinformation mit anschließender Wartefrist vornehmen.16 11

Teil 2, C. II. 1. b) bb). Teil 2, C. II. 1. b) cc). 13 Teil 2, C. II. 1. b) aa). Zur dementsprechendem Vorschlag de lege ferenda beim Vorschlag der Vorabinformationsregelung. 14 Teil 2, C. II. 1. b) dd). 15 Teil 2, C. II. 2. 16 Näher zu den Konsequenzen, Teil 2, C. II. 2. h). 12

662

5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

– Der durch § 13 VgV geforderte Informationsumfang ermöglicht dem Adressaten der Information in hinreichender Weise die Einlegung von Vergaberechtsschutz, soweit die herausgearbeiteten Konkretisierungen des Inhalts der Vorabinformation17 beachtet werden. Auch insoweit ist § 13 VgV also zur Sicherstellung eines effektiven Primärrechtsschutzes geeignet. Die in der Praxis verbreitete Nutzung von Formblättern für die Erteilung der Vorabinformation ist unter den dargestellten Voraussetzungen zulässig. De lege ferenda sollte in § 13 VgV der Informationsumfang dahingehend erweitert werden, dass der Auftraggeber verpflichtet wird, eine Art Rechtsbehelfsbelehrung in die Vorabinformation aufzunehmen. Darin müsste darauf hingewiesen werden, dass der Bieter (nur) innerhalb der nächsten 14 Tage Gelegenheit hat, seine Rechtsschutzinteressen durchzusetzen, so dass ihm die Eilbedürftigkeit des Handelns deutlich vor Augen geführt wird. – Erkennt der Auftraggeber schon vor Zuschlagserteilung, dass er einen Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht begangen hat und daher die Vornahme eines nichtigen Vertragsschlusses droht, kann er die Vorabinformation korrekt nachholen („heilen“). Erst dann beginnt die Wartefrist zu laufen. Soweit bereits ein Nachprüfungsverfahren wegen einer Verletzung der Vorinformationspflicht eingeleitet wurde, erledigt sich dieser Antrag insoweit durch die Nachholung der § 13 VgV entsprechenden Vorinformation.18 – Wenn die Zuschlagserteilung nach einem Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht bereits erfolgt ist, ordnet § 13 S. 6 VgV die Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages an. Die eigenständige Anordnung der Nichtigkeitsfolge in § 13 S. 6 VgV ist allerdings wegen Überschreitung der Verordnungsermächtigung in § 97 VI GWB verfassungswidrig. Dies bleibt aber ohne Auswirkungen, weil ein unter Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht geschlossener Vertrag nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB nichtig ist19, was zu den im Teil 2, C. II. 4. b) herausgearbeiteten Folgen führt. Der Verfassungswidrigkeit von § 13 S. 6 VgV wird aber dennoch dadurch Rechnung getragen, dass für die Rechtslage de lege ferenda die Integration der Vorabinformationspflicht in ein eigenständiges Vergabegesetz gefordert wird (dazu sogleich). Dementsprechend ist es zu begrüßen, dass auch die Bundesregierung nach ihrem Referentenentwurf vom 17 18 19

Teil 2, C. II. 3. c). Teil 2, C. II. 3. e). Teil 2, C. II. 4. a).

A. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit

663

8.2.2005, den sie zur Verschlankung des Vergaberechts und Umsetzung des Legislativpaketes vorgelegt hat (ausführlich im Teil 1, unter A. VII.), plant, die Vorabinformationspflicht in das GWB – und zwar in § 101 a und 101 b GWB – zu überführen (zu dieser geplanten Vorabinformationsregelung bereits unter C. I. 2.). – Die Nichtigkeit des Vertrages kann im Nachprüfungsverfahren nur von Teilnehmern am Vergabeverfahren geltend gemacht werden.20 Der erfolgreichen Bieter, dem der Zuschlag erteilt wurde, kann sich nicht auf die Nichtigkeit des Vertrages nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB berufen, weil ein anderer – unterlegener – Bieter nicht korrekt informiert wurde. Das gleiche gilt für den Auftraggeber, der die inkorrekte Vorabinformation vorgenommen hat.21 – Die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB greift zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes der Bieter im Falle inhaltlicher Mängel der Information (Begründungsmängel) nach erfolgter Zuschlagserteilung nur ein, wenn überhaupt keine Begründung in der Vorabinformation enthalten ist oder der Name des erfolgreichen Bieters nicht angegeben wurde.22 In den sonstigen Fällen inhaltlich ungenügender Begründung der Zuschlagsentscheidung ist der Bieter verpflichtet, die korrekte Information mit Hilfe des Nachprüfungsverfahrens durchzusetzen.23 Die Kosten dieses Nachprüfungsverfahrens trägt dann allerdings die Vergabestelle. – Ist allerdings der Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht der einzige Vergaberechtsverstoß des Auftraggebers, wurde also das Vergabeverfahren ansonsten rechtmäßig durchgeführt, so ist zwar wegen des Informationsverstoßes die Nichtigkeit des Vertrages nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB zu bejahen, sie kann allerdings im Nachprüfungsverfahren mangels Antragsbefugnis der unterlegenen Bieter nicht geltend gemacht werden. Das nichtige Rechtsgeschäft kann nach §§ 141, 144 BGB bestätigt werden.24 – Sodann wurde die sehr wichtige offene Frage erörtert, ob die Nichtigkeitsfolge nach § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB auch gilt, wenn der Zuschlag erteilt wird, nachdem die Vergabestelle rechtswidrig überhaupt gar kein Vergabeverfahren durchgeführt hat und sie dementsprechend von Anfang an nur mit einem Unternehmen informell über die Auftragserteilung gesprochen hat (sog. „de-facto-Vergabe“). Würde die Nichtigkeits20 21 22 23 24

Teil 2, C. II. 4. c) aa). Teil 2, C. II. 4. c) bb) und cc). Teil 2, C. II. 5. a) bb). Dazu näher Teil 2, C. II. 5. a) aa). Teil 2, C. II. 5. a) dd).

664

5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

folge hier nicht gelten, hätte die Vergabestelle, die von vornherein einem bestimmten Bieter den Auftrag erteilen will, eventuell die Möglichkeit, das durch § 13 VgV gesicherte Rechtsschutzsystem dadurch zu umgehen, dass sie von jeglichem Vergabeverfahren absieht und dem feststehenden Bieter den Auftrag direkt erteilt.25 Es wurde herausgearbeitet, dass die Unternehmen vor Zuschlagserteilung die Möglichkeit haben, gegen die de-facto-Vergabe vor der Vergabekammer vorzugehen und eine rechtmäßige förmliche Vergabe durchzusetzen.26 Insbesondere das für die Zulässigkeit des vergabespezifischen Nachprüfungsverfahrens gem. § 104 II GWB erforderliche „Vergabeverfahren“ liegt auch bei der (konkretisierten) de-facto-Vergabe vor, da der Begriff „Vergabeverfahren“ nicht im formellen, sondern im materiellen Sinn zu verstehen ist. Vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens besteht dabei auch keine Pflicht des Bieters zur Rüge des unterbliebenen förmlichen Vergabeverfahrens gegenüber dem Auftraggeber.27 Den potentiellen Bieter steht also vor Zuschlagserteilung rechtlich gegen de-facto-Vergaben eine vergabespezifische Rechtsschutzmöglichkeit offen. Tatsächlich besteht aber in der Praxis das Problem, dass die defacto-Vergabe meist erst nach Zuschlagserteilung bekannt wird. Es besteht also auch hier das Problem, dass der potentielle Bieter erst dann vom faktischen Vergabeverfahren erfährt, wenn es durch Zuschlagserteilung schon wieder beendet, das Nachprüfungsverfahren also schon wieder unzulässig ist. Dieses Informationsdefizit bei de-facto-Vergaben wird nicht durch die Vorabinformationspflicht nach § 13 VgV behoben. Denn eine Verpflichtung zur Vorabinformation nach § 13 VgV bei rechtswidrig unterlassenem Vergabeverfahren besteht nicht.28 Es konnte also verdeutlicht werden, dass es für die Sicherung der Primärrechtsschutzmöglichkeiten der Unternehmen in Fällen der de-facto-Vergabe entscheidend darauf ankommt, dass ein Zuschlag, der gänzlich ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens erteilt wurde, nichtig ist. Die sodann zu dieser Frage angestellten ausführlichen Überlegungen haben ergeben, dass die Nichtigkeit des nach de-facto-Vergabe geschlossenen Vertrages zwar nicht aus § 134 BGB i. V. m. §§ 97 I, 101 GWB oder 25 Zur Frage des Rechtsschutzes und der Geltung der Nichtigkeitsfolge, wenn zwar ein förmliches Vergabeverfahren durchgeführt wurde, die aber rechtswidrig nicht europaweit, sondern nur national erfolgte oder rechtswidrig nur das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bzw. ohne öffentliche Vergabebekanntmachung durchgeführt wurde: unter Teil 2, C. II. 5. b) gg) bzw. hh). 26 Teil 2, C. II. 5. b) ee). 27 Teil 2, C. II. 5. b) ee) (1) (b) (bb). 28 Teil 2, C. II. 5. b) ee) (4) (a).

A. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit

665

über § 138 BGB29 folgt, sich aber aus der analogen Anwendung von § 13 S. 5 VgV i. V. m. § 134 BGB ergibt.30 In diesem Zusammenhang erfolgte auch ein Ausblick auf die geplante Regelung zu de-facto-Vergaben nach dem Referentenentwurf des BMWA vom 8.2.2005 zur Verschlankung des Vergaberechts.31 3. Zur umfassenden Beurteilung der durch § 13 VgV geschaffenen Rechtslage wurde im Folgenden weiter auf die Folgen der Einführung der Vorabinformationsregelung bzw. der Erteilung der Vorabinformation eingegangen (Teil 2, C. IV.). – Die Ausführungen dazu haben insbesondere ergeben, dass der Auftraggeber von der mitgeteilten Zuschlagsentscheidung vor Zuschlagserteilung jederzeit abweichen kann. Eine Rücknahme und Änderung der Zuschlagsentscheidung ist daher jederzeit möglich.32 Es wurde herausgearbeitet, dass weder die Rechtsnatur der Zuschlagsentscheidung noch die der Vorabinformation selbst der Abweichung von der Vorabinformation entgegenstehen. Die Vorabinformation ist eine von den Willenserklärungen zu unterscheidende Wissenserklärung. Die Zuschlagsentscheidung selbst ist kein Verwaltungsakt, sondern ein privatrechtlicher Akt. Folge der Änderung der Zuschlagsentscheidung33 ist insbesondere, dass sich ein gegen die ursprüngliche Zuschlagsentscheidung eingeleitetes Nachprüfungsverfahren erledigt und dass eine Vorabinformation nach § 13 VgV über die neue Zuschlagsentscheidung nötig ist. Dem ursprünglich begünstigten Bieter stehen wegen der Änderung der Zuschlagsentscheidung keine Schadensersatzansprüche zu. – Der Bieter sollte die durch § 13 VgV eingeräumten Primärrechtsschutzmöglichkeiten nutzen und nicht auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen des Vergaberechtsverstoßes hoffen. Die Schadensersatzansprüche können im Einzelfall wegen des Unterlassens der Schadensabwendung nach § 254 II 1 2. Alt. BGB gemindert sein.34 – Die Vorabinformationspflicht hat auch Rückwirkungen auf die Voraussetzungen für die Einleitung und den Ablauf des Nachprüfungsverfahrens. Ihre Einführung hat insbesondere Einfluss auf den Zeitpunkt und den Umfang der vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erforderlichen 29

Teil 2, C. II. 5. b) ff) (1) und (2). Teil 2, C. II. 5. b) ff) (3). Zu den Konsequenzen der Nichtigkeit des Vertrages bei de-facto-Vergaben unter ff) (7). 31 Teil 2, C. II. 5. b) ff) (8). 32 Teil 2, C. IV. 1. 33 Teil 2, C. IV. 1. c). 34 Teil 2, C. IV. 2. 30

666

5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

Rüge. Eine parallele Einlegung von Rüge und Nachprüfungsantrag ist grundsätzlich nicht mehr erforderlich.35 4. Danach wurde gezeigt, dass der EuGH in seiner Alcatel-Entscheidung über die Forderung eines effektiven Rechtsschutzes hinsichtlich der Vergabeentscheidung hinaus keinen weitergehenden Eingriff in das deutsche Vergaberecht im Sinne einer vollständigen Abkopplung der Zuschlagserteilung vom Vertragsschluss36 verlangt hat (Teil 2, C. V.). Die deutsche Konstruktion des Verhältnisses von Zuschlag und Vertragsschluss ist weder wegen der Alcatel-Entscheidung des EuGH noch wegen Art. 2 VI der Rechtsmittelrichtlinie gemeinschaftsrechtswidrig. 5. Weiter konnte herausgearbeitet werden, dass die Alternativen, die zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes gegen die Zuschlagsentscheidung bestehen, gegenüber der Einführung der Vorabinformationspflicht nicht vorzugswürdig sind (Teil 2, C. VI.). Insbesondere ist im Vergaberecht nicht die im Subventionsrecht entwickelte so genannte „Zweistufentheorie“ zu übernehmen, nach der die Zuschlagserteilung dem öffentlichen Recht zuzuordnen und als VA anzusehen wäre. Nur der nach Zuschlagserteilung geschlossene Vertrag unterfiele danach dem Zivilrecht. 6. Nachdem festgestellt worden ist, dass es keine vorzugswürdigere Ausgestaltungsmöglichkeit zur Sicherung des effektiven Rechtsschutzes durch die Einführung der Vorabinformationspflicht gibt, wurde darauf eingegangen, wo sich wegen der Einführung der Vorabinformationspflicht Änderungsbedarf an der Vergaberechtslage ergibt (Teil 2, C. VII.). – Die nach wie vor in den Verdingungsordnungen enthaltenen Nachinformationspflichten nach § 27 a VOB/A, § 27 a VOL/A, § 17 IV VOF sind auch nach der Einführung von § 13 VgV weiter zu erfüllen. Diese mangelnde Abstimmung zwischen Verdingungsordnungen und Vergabeverordnung sollte de lege ferenda dahingehend beseitigt werden, dass in § 13 VgV die Verpflichtung des Auftraggebers aufgenommen wird, auch die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt zu geben, sofern nicht die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen von Unternehmen widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde. Die Nachinformationspflichten über die Nichtberücksichtigung in den Verdingungsordnungen sollten mit der hier vorgeschlagenen Erweiterung des § 13 VgV gestrichen werden.37 35

Teil 2, C. IV. 3. Zur Unterscheidung von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss, Teil 2, A. II. 1. a) bb). 37 Teil 2, C. VII. 1. 36

A. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit

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– Die Vorabinformationspflicht wurde nicht gesetzlich, sondern mit § 13 VgV nur durch Rechtsverordnung geregelt. Dieser Standort der Vorabinformationspflicht sollte dahingehend geändert werden, dass sie in einem formellen Gesetz geregelt wird (Teil 2, C. VII. 6.). Dafür spricht zum einen, dass der durch Verordnung geregelte § 13 S. 6 VgV verfassungswidrig ist38 und zum anderen, dass das gesamte Vergaberecht ohnehin in einem eigenständigen (formellen) Vergabegesetz vereint werden sollte, in das dann auch die Vorabinformationspflicht zu integrieren ist. Für die Schaffung dieses eigenständigen Vergabegesetzes, das das gesamte Vergaberecht inklusive der Vorabinformationspflicht in sich vereint, wurden vor allem 2 Gründe angeführt: zum einen die Unübersichtlichkeit der bestehenden Vergaberechtslage mit den damit verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Konsequenzen. Zum anderen die Unhaltbarkeit des Globalverweises auf die durch demokratisch nicht legitimierte Gremien geschaffenen Verdingungsordnungen. Solange allerdings die hier befürwortete und wie gezeigt vorzugswürdige Schaffung eines eigenständigen Vergabegesetzes nicht durchsetzbar ist, ist es jedenfalls als Minimallösung zu begrüßen, dass durch den Referentenentwurf der Bundesregierung vom 8.2.2005 wenigstens die erforderliche gesetzliche Ausgestaltung der Vorabinformationspflicht erfolgen soll (§ 101 a und b GWB-E) und die Zersplitterung des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte auf eine Zweiteilung reduziert werden soll. Auch unterhalb der Schwellenwerte soll eine Straffung des Vergaberechts erfolgen, wobei allerdings zu kritisieren, dass die geplante Vergabeverordnung nur im Liefer- und Dienstleistungsbereich für Ober- und Unterschwellenvergaben einheitlich gilt. Für Bauaufträge wird dagegen oberhalb der Schwellenwerte die Vergabeverordnung und unterhalb der Schwellenwerte weiterhin die VOB/A gelten.39

II. Der Primärrechtsschutz gegen die Entscheidung des Auftraggebers, das Vergabeverfahren aufzuheben Gegenstand des Teils 3 der Arbeit sind die Primärrechtsschutzmöglichkeiten des Bieters gegen die Entscheidung des Auftraggebers, das Vergabeverfahren aufzuheben. Zunächst wurde die Abhängigkeit der Primärrechtsschutzmöglichkeiten der Bieter von der Aufhebung des Vergabeverfahrens nach der bisherigen Entscheidungspraxis dargestellt (B.). Es konnte gezeigt werden, dass da38 39

Ausführlich Teil 2, unter C. II. 4. a). Dazu näher Teil 2, C. VII. 6 b).

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5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

nach die Entscheidung über die Aufhebung des Vergabeverfahrens – wie die Entscheidung über die Zuschlagserteilung vor der Einführung des § 13 VgV – praktisch nicht überprüfbar war. Ausnahmen waren nur für sog. Scheinaufhebungen anerkannt. Dies ist nach der zustimmungswürdigen EuGH – Entscheidung vom 18.6.2002 in der Rechtssache C 92/00 – „Hospital Ingenieure“ gemeinschaftsrechtswidrig (C). Auch die Entscheidung über die Aufhebung des Vergabeverfahrens muss überprüfbar sein. Ebenso wie der mangelnde Rechtsschutz gegen die Zuschlagsentscheidung ist auch der mangelnde Rechtsschutz gegen die Aufhebung des Vergabeverfahrens unvereinbar mit den Rechtsmittelrichtlinien. Damit verstieß die deutsche Rechtslage zumindest in ihrer bisherigen Anwendung gegen die Rechtsmittelrichtlinie. 1. Dem festgestellten gemeinschaftsrechtswidrigen Rechtszustand kann zum einen dadurch abgeholfen werden, dass in richtlinienkonformer Auslegung eine Änderung der bisherigen Anwendung des deutschen Rechts durch die Nachprüfungsinstanzen erfolgt und diese so schon de lege lata die Überprüfbarkeit und Aufhebbarkeit der Aufhebungsentscheidung sicherstellen (1. Lösungsmöglichkeit, siehe Teil 3, C. IV. 1.). Die Nachprüfungsinstanz muss dabei die Rechtmäßigkeit der Aufhebung auch anhand der in § 26 VOB/A bzw. § 26 VOL/A genannten Aufhebungsgründe prüfen (Beurteilungsmaßstab für die Überprüfung der Aufhebungsentscheidung).40 Dennoch kann die Nachprüfungsinstanz auch dann, wenn sie nach diesem Beurteilungsmaßstab die Rechtswidrigkeit der Aufhebung festgestellt hat, nur dann eine Rückgängigmachung der Aufhebung aussprechen (Aufhebung der Aufhebung), wenn der Auftraggeber nach wie vor den Willen hat, den wirtschaftlich gleichwertigen Auftrag noch zu vergeben (fortbestehende Vergabeabsicht). Ansonsten würde es zu einem nicht gerechtfertigten Kontrahierungszwang des Auftraggebers kommen. Ist danach die Aufhebung der Aufhebung nicht möglich, kommen wegen der Rechtswidrigkeit der Aufhebung nur Schadensersatzansprüche des erstrangigen Bieters in Betracht. 2. Als Lösung de lege ferenda kommt zum anderen eine Erweiterung der Vorabinformationsregelung für die Zuschlagsentscheidung dahingehend in Betracht, dass diese auch eine Vorabinformationspflicht für die Aufhebung der Ausschreibung vorsieht (2. Lösungsmöglichkeit, s. Teil 3, C. IV. 2.). Diese Lösung ist vorzugswürdig und daher vom Gesetzgeber umzusetzen. Es ist daher zu bedauern, dass dies bisher bei der geplanten Überführung der Vorabinformationsregelung in § 101 a/b GWB im Zuge der angestrebten Verschlankung des Vergaberechts41 nicht vorgesehen ist. 40 41

Teil 2, C. IV. 1. d) aa) (1). Ausführlich im Teil 1, A. VII. und Teil 2, C. I. 2.

A. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit

669

Im Gefolge der vorgeschlagenen Vorabinformationsregelung ist in § 115 I GWB der Suspensiveffekt des Nachprüfungsverfahrens für die Aufhebung des Vergabeverfahrens einzuführen.

III. Regelungsvorschlag für die Vorabinformationspflichten vor Zuschlagsentscheidung und vor Aufhebung der Ausschreibung Die Vorabinformationspflichten vor Zuschlagsentscheidung und vor Aufhebung der Ausschreibung sind in einer Norm zusammenzufassen und in das befürwortete eigenständige Vergabegesetz zu integrieren, welches sowohl das Vergabeverfahrensrecht als auch den Vergaberechtsschutz umfasst. Diese Vorabinformationsregelung könnte folgenden Wortlaut haben: „Pflicht zur Vorabinformation über die beabsichtigte Zuschlagserteilung und die Aufhebung des Vergabeverfahrens“ Abs. I „Nachdem der Auftraggeber die Entscheidung getroffen hat, welchem Bieter er den Zuschlag erteilen will (Zuschlagsentscheidung), sind alle am Verfahren beteiligten Bieter darüber zu informieren. Die Information hat in Textform zu erfolgen. Den Bietern, deren Angebote bei der anstehenden Zuschlagserteilung nicht oder nur teilweise berücksichtigt werden sollen, teilt der Auftraggeber den Grund der Nichtberücksichtigung ihres Angebotes und den Namen des Bieters mit, dessen Angebot angenommen werden soll. Ferner sind diesen Bietern die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt zu geben, sofern nicht die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen von Unternehmen widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde.42 Der Vertrag darf erst 14 Kalendertage nach Zugang des Informationsschreibens bei sämtlichen Bietern geschlossen werden. Ein dennoch geschlossener Vertrag ist nichtig.“ Abs. II „Die Information an die nichtberücksichtigten Bieter muss weiter den Hinweis darauf enthalten, dass der Bieter nur innerhalb der nächsten 14 Kalendertage nach Zugang des Schreibens Gelegenheit hat, sein Interesse an der Zuschlagserteilung im Wege des Primärrechtsschutzes vor der zuständigen Vergabekammer geltend zu machen.“ Abs. III „Hat sich ein Auftraggeber entschieden, das Vergabeverfahren aufzuheben, gilt Abs. I mit Ausnahme der Sätze 3 und 4 entsprechend. Er teilt den Bietern den Grund für seine Entscheidung mit. Die Information muss weiter den Hinweis darauf enthalten, dass der Bieter nur innerhalb der nächsten 14 Kalendertage nach 42

Zur Notwendigkeit dieses Satzes ausführlich im Teil 2, C. VII. 1. a).

670

5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

Zugang des Schreibens Gelegenheit hat, sein Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens im Wege des Primärrechtsschutzes vor der zuständigen Vergabekammer geltend zu machen.43“

Möglich wäre, diese Vorabinformationsregelung im Vergabegesetz im Zusammenhang mit der Regelung des Rechtsschutzes zu regeln. Im Hinblick auf den Standort dieser Vorabinformationspflichten vor Zuschlagserteilung und vor Aufhebung der Ausschreibung erscheint es allerdings auch als denkbar, sie systematisch im Vergabeverfahrensrecht einzuordnen. Dort wäre die Pflicht zur Vorabinformation vor Zuschlagserteilung, wie sie soeben in Abs. I und II der Musterregelung formuliert wurde, vor die Regelung zur Zuschlagserteilung (heute § 28 VOB/A bzw. VOL/A) zu integrieren. Die Pflicht zur Vorabinformation vor Aufhebung wäre vor die Voraussetzungen der Aufhebung (heute § 26 a VOB/A bzw. VOL/A) einzufügen. Die Vorabinformationspflicht vor Aufhebung könnte, wie in Abs. III der Musterregelung vorgeschlagen, entsprechend auf die Vorabinformationspflicht vor Zuschlagserteilung verweisen oder aber auch selbst die vollständige Regelung enthalten.

IV. Die aktuellen Entwicklungen in einigen Bundesländern unterhalb der Schwellenwerte Durch die jüngsten Entwicklungen in einigen Bundesländern (Sachsen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen) hat die Vorabinformationspflicht auch unterhalb der Schwellenwerte Bedeutung erlangt: Unterhalb der Schwellenwerte besteht für die Bieter schon in rechtlicher Hinsicht weitgehend keine Möglichkeit der Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz. Hinzu kommt in tatsächlicher Hinsicht das aus dem Bereich oberhalb der Schwellenwerte bekannte Problem: Die Verfolgung dieser wenigen bestehenden Rechtsschutz- bzw. Beschwerdemöglichkeiten ist nur vor Zuschlagserteilung möglich bzw. für den Bieter sinnvoll. Der Bieter erfährt aber oft – bzw. im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung immer – erst nach dieser Zuschlagserteilung von etwaigen Vergaberechtsverstößen (Teil 4, B.). 43 Dieser Satz ergibt sich daraus, dass befürwortet wird, die Vorabinformationspflicht mit der Sanktion der Nichtigkeit der Aufhebung abzusichern und daher eine Vorabinformation vor der Aufhebung sichergestellt ist. Dementsprechend ist dann nicht einzusehen, warum der Bieter die ihm damit gebotene Rechtsschutzmöglichkeit verstreichen lassen kann, um erst nach der Aufhebung um Rechtsschutz nachzusuchen, so dass in § 114 II S. 1 GWB ausdrücklich vorgesehen werden sollte, dass eine einmal vorgenommene Aufhebung nicht mehr überprüft werden kann [Teil 3, C. IV. 2. c)].

A. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit

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Dieser Rechtsschutzausschluss ist wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Auftragsvergabe unterhalb der Schwellenwerte eins der zentralen Problemfelder des Vergaberechtsschutzsystems und wird von der überwiegenden Ansicht aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen als unhaltbar angesehen (Teil 4, C.). Für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte haben nun Sachsen zum 1.1.2003 und Schleswig-Holstein zum 1.10.2003 durch die dort neu geschaffenen Vergabegesetze44 ausdrücklich eine Vorabinformationspflicht über die Zuschlagsentscheidung vor Vertragsschluss für ihre öffentlichen Auftraggeber eingeführt (Teil 4, D.). Dagegen wurde durch das am 1.1. 2003 in Kraft getretene Niedersächsische Landesvergabegesetz entgegen anders lautenden Stimmen eine Vorabinformationspflicht für diesen Bereich nicht geschaffen, obwohl der Wortlaut von § 2 I des Gesetzes zunächst diesen Anschein erweckt (Teil 4, D. III.). Die Position der Bieter unterhalb der Schwellenwerte, die an Vergabeverfahren sächsischer und schleswig-holsteinischer Auftraggeber teilnehmen, wird durch die Einführung der Vorabinformationspflicht in diesen Bundesländern verbessert (Teil 4, D. V.). Trotz des nach wie vor zu verzeichnenden Fehlens von gerichtlichem Rechtsschutz ermöglicht die Beseitigung des Informationsdefizits durch die Einführung der Vorabinformationspflicht dem Bieter zumindest, die Befassung der Aufsichtsbehörden vor Zuschlagserteilung zu erreichen, was zuvor – wie dargestellt45 – selten möglich war. Außerdem scheitern die wenigen, den Bietern zustehenden Unterlassungsansprüche46 nicht mehr daran, dass die Zuschlagserteilung bereits erfolgt ist. Die Regelungsinitiativen in Sachsen und Schleswig-Holstein wurden daher zu Recht begrüßt und die ihnen zu Teil gewordene große Aufmerksamkeit in Vergaberechtskreisen war gerechtfertigt. Die dort geltenden Informationspflichten führen aber nicht dazu, dass in Zukunft in jedem Fall rechtmäßige Vergabeverfahren und rechtmäßige Zuschlagserteilungen durchgesetzt werden können. Zum erörterten47 Problem der nicht selten begrenzten Wirkung der Inanspruchnahme aufsichtsrechtlicher Mittel tritt in Sachsen und Schleswig-Holstein das Problem der mangelnden Sanktionierung eines Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht durch den Auftraggeber. Ohnehin ist die isolierte Einführung von Vorabinformationspflichten ohne weitere strukturelle Änderungen der Vergaberechtslage unterhalb der Schwellenwerte (keine subjektiven Rechte) trotz des positiven Ansatzes 44 45 46 47

Und in Sachsen durch die darauf basierende Verordnung. Teil 4, B. I. 9 a). Ausführlich Teil 4, unter B. I. 3. Teil 4, B. I. 9 a) und D. V.

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5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

mittel- und langfristig wegen der jedenfalls zum Teil berechtigten Kritik am hier geltenden Rechtszustand der falsche Weg. Dementsprechend ist es zwar zu begrüßen, dass das BMWA in seinem Referentenentwurf vom 8.2.2005 auch die Vergaberechtslage unterhalb der Schwellewerte mit einbezieht (dazu Teil 4, B. V.). Zu kritisieren ist allerdings, dass die geplante Vergabeverordnung unterhalb der Schwellenwerte nur für Liefer- und Dienstleistungsaufträge nicht aber für Bauaufträge gelten soll, wo weiterhin die VOB/A zur Anwendung kommt.48 Kritikwürdig ist weiterhin, dass auch nach dem Neuregelungsvorschlag des BMWA den Bietern keine subjektiven Rechte eingeräumt werden. Dadurch wird die kritikwürdige Zweiteilung des Vergaberechts aufrechterhalten. Verschärft werden die damit zusammenhängenden Probleme dadurch, dass die Schwellenwerte nach dem Referentenentwurf des BMWA vom 8.2.2005 um nahezu 1/3 erhöht werden sollen. Damit orientiert sich der Referentenentwurf leider an der dementsprechenden Entwicklung im Legislativpaket. Demgegenüber zu befürworten wäre daher, dass der Bundesgesetzgeber im Zuge der vorgeschlagenen Zusammenfassung des gesamten, oberhalb der Schwellenwerte geltenden Vergaberechts in einem eigenständigen Vergabegesetz hier auch für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte vereinfachte Vergabeverfahren schafft, deren Einhaltung auch über subjektive Rechte und daraus folgend über eine „abgespecktes“ Vergabenachprüfungsverfahren durchgesetzt werden kann. Zur Absicherung des Rechtsschutzes sollte dann auch hier auf die Vorabinformationspflichten zurückgegriffen werden (dazu Teil 4, E.). Insgesamt kann (nur) mit dem so ausgestalteten eigenständigen Vergabegesetz ein langfristig tragfähiges Vergaberechtssystem geschaffen werden, das auch in der Lage ist, die weitere dynamische Entwicklung des Vergaberechts (dazu sogleich im Ausblick) aufzufangen.

48

Dazu bereits ausführlich im Teil 2, unter C. VII. 6. b).

B. Ausblick

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B. Ausblick „Panta rhei“ = Alles fließt.1 Das Vergaberecht gleicht einem Mobile, ständig in Bewegung.2 Auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene gibt es genügend Schrittmacher für die zukünftige Weiterentwicklung des Vergaberechts.3 So setzt sich auf europäischer Ebene die dynamische Entwicklung des Vergaberechts fort. Die Europäische Kommission hat „noch eine ganze Reihe von Pfeilen im Köcher“4. Nachdem inzwischen nach jahrelangen Bemühungen die drei Koordinierungsrichtlinien durch das Legislativpaket in einer einzigen Richtlinie kodifiziert und neu gefasst wurden und auch die Sektorenrichtlinie eine Überarbeitung erfahren hat,5 denkt nun die Europäische Kommission insbesondere6 weiter über eine Revision der Rechtsmittelrichtlinien nach.7 Dabei sollen zwar keine grundlegenden Änderungen des Regelungssystems erfolgen. Die Kommission überlegt allerdings, ob nicht einzelne Bestimmungen der Rechtsmittelrichtlinien an die AlcatelEntscheidung des EuGH angepasst werden sollten und wie diese Anpassung aussehen könnte. Sie erwägt, zwischen Zuschlagsentscheidung und Abschluss des Vertrages eine stand-still-Periode einzuführen, die den Bietern die Möglichkeit gibt, die Zuschlagsentscheidung vor Abschluss des Vertrages anzufechten.8 Dementsprechend hat sie in dem Fragebogen, den sie zur Vorbereitung der Revision der Rechtsmittelrichtlinien an die Mitgliedsstaaten9 versandt hat, die Frage gestellt (Ziff. 2.), ob die Rechtsmittelrichtlinien vor dem Hintergrund der Alcatel-Entscheidung eine Wartefrist zwischen 1

Zur Heranziehung dieser Weisheit des Philosophen Heraklit für die Entwicklung des Vergaberechts auch: Behördenspiegel 1/2001, B. I (Franz Drey) und Monatsinfo forum vergabe e. V. 12/2001, S. 155 f. 2 In Anlehnung an Schulze-Hagen, IBR 11/2001, S. I (Vorwort), der dies für das gesamte Bau- und Immobilienrecht feststellt. 3 Monatsinfo forum vergabe e. V. 12/2001, S. 155. 4 Rechten, NZBau 2004, 366, 375. 5 Dazu näher bereits im Teil 1, unter VI. 2. b) aa) (4). 6 Zu weiteren Aktivitäten auf europäischer Ebene, Rechten, NZBau 2004, 366, 375. 7 Näher dazu aus Sicht der Kommission, insbesondere zu den Gründen für diese Reformüberlegungen, Petschke, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 173 ff. und „Reflection paper [der Kommission] on a possible improvement of the remedies directives“ vom 4.11.2004. Als Gründe werden die in allen MS unbefriedigenden Regelungen zu de-facto-Vergaben genannt. Außerdem sei überall auch eine Klage auf Schadensersatz bei Vergabefehlern nahezu nie erfolgreich und werde daher auch nicht eingereicht. 8 Petschke, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 173, 174.

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5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

der Information über die Entscheidung über den Zuschlag („notification of an award decision) und dem späteren Vertragsschluss ausdrücklich vorsehen sollten. Die Kommission fragt weiter danach, wie lang diese Wartefrist mindestens sein sollte und wie ihre Einhaltung abgesichert werden sollte.10 Da im deutschen Recht mit § 13 VgV eine 14-tägige Wartefrist ausdrücklich eingeführt wurde, deren Einhaltung auch abgesichert ist, könnten demnach die Erfahrungen mit § 13 VgV als der deutschen Reaktion auf die Alcatel-Entscheidung und damit auch die in der vorliegenden Arbeit erörterten Fragen ebenso auf europäischer Ebene Bedeutung erhalten. Die angedachte Einführung der Vorabinformationspflicht auf europäischer Ebene würde der Tatsache entsprechen, dass hier in vielen Rechtsgebieten (insbesondere im Umwelt- und Kartellrecht) in den letzten Jahren zur Verbesserung der Transparenz sowohl auf der primär- als auch auf der sekundärrechtlichen Ebene die subjektivrechtlichen Informations-, Dokumentenzugangs- und Akteneinsichtsrechte zunehmend erweitert und verfestigt worden sind.11 Auf der nationalen Ebene in Deutschland arbeitet die Bundesregierung an einer Reform des Vergaberechts. Durch diese Reform soll zum einen das im Februar 2004 in Kraft getretene Legislativpaket der Europäischen Gemeinschaft umgesetzt werden. Die Umsetzungsfrist endet dafür am 31.1.2006. Zum anderen wird damit von der Bundesregierung im Rahmen ihres „Gesamtpaketes Bürokratieabbau“ eine Verschlankung des Vergaberechts angestrebt. Danach soll das „gegenwärtig umfangreiche und intransparente Vergaberecht auf die Notwendigkeit jeder Vorschrift überprüft und gleichzeitig modernisiert werden.“ Zur Umsetzung dieser Vergaberechtsreform hat das BMWA am 8.2.2005 einen Referentenentwurf vorgelegt (dazu ausführlich im Teil 1, A. VII.). Insgesamt bleibt dabei zu hoffen, dass die nach 1993 und 1998 nunmehr anstehende dritte grundlegende Änderung des deutschen Vergaberechtes zu einem langfristigen und stabilem Rechtsrahmen führen wird.12 Das Vergaberecht in Deutschland wird aber auch dann deswegen weiter spannend bleiben, weil hier nach wie vor in verschiedensten Anwendungsproblemen reichlich Zündstoff liegt.13 Es handelt sich um eine junge 9 Später hat sie Ende 2003 bis Anfang 2004 zwei Internet-Fragebögen veröffentlicht, in denen sie sich an öffentliche Auftraggeber, aber auch an Unternehmen und Wirtschaftsverbände wendet. 10 Vgl. dazu auch Monatsinfo forum vergabe e. V. 3/2003, S. 48 f. Zu den Ergebnissen dieser Befragung: Petschke, in: Zehnte Badenweiler Gespräche, Dokumentationsband, Berlin 2004, S. 173, 174 f. 11 Ausführlich Nowak, DVBl 2004, 272. 12 Rechten, NZBau 2004, 366, 374 f.

B. Ausblick

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Rechtsmaterie, bei der sich ständig neue Fragen stellen.14 Da das Interesse der Fachöffentlichkeit am Vergaberecht im letzten Jahrzehnt immens angewachsen ist (dazu im Teil 1, unter A. III.), werden auch von dieser Seite zahlreiche neue Impulse für das Vergaberecht ausgehen.15 Bei den (erwähnten) zukünftigen Gesetzgebungsvorhaben und der Beurteilung des bereits eingeführten Vergaberechtsschutzsystems, zu dem auch die Vorabinformationspflicht des § 13 VgV gehört, darf man aber nicht verkennen, dass die Möglichkeiten selbst eines noch so ausgefeilten Vergaberechtssystems begrenzt sind: Auch unter Geltung eines effektiven Rechtsschutzsystems werden viele potentiell verletzte Bieter von der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens absehen. Die Indienstnahme der Bieter für die Durchsetzung eines rechtmäßigen Vergabeverfahrens wird also nicht in jedem Fall zum Erfolg führen, I. Darüber hinaus darf man auch unter einem anderen Gesichtspunkt keine zu optimistischen Vorstellungen über die Möglichkeiten des Vergaberechts haben: Auch die Liberalisierung des Vergabewesens in Europa unterliegt selbst bei vollständiger Umsetzung und Beachtung der Vergaberichtlinien Grenzen, so dass die angestrebte Steigerung der grenzüberschreitenden Vergaben nur beschränkt möglich ist, II.

I. Zu den begrenzten Möglichkeiten des Vergaberechtsschutzes Selbst unter Geltung eines effektiven Rechtsschutzessystems werden viele potentiell verletzte Bieter kein Nachprüfungsverfahren anstrengen, so dass die Indienstnahme der Bieter für die Durchsetzung eines rechtmäßigen Vergabeverfahrens nicht in jedem Fall zum Erfolg führen wird. Dafür gibt es verschiedene Gründe: – Nicht selten wird durch den Bieter von der Inanspruchnahme vom Vergaberechtsschutz abgesehen, um sich nicht mit dem Auftraggeber zu überwerfen und so seine Position für zukünftige Vergabeverfahren zu schwächen.16 Die „fütternde Hand wird nicht gerne gebissen“. Daran hat nicht 13

So zu Recht die Einschätzung von Binder, ZZP, 113. Band (2000), 195, 217. Latzenhofer, in: Potacs, Beiträge zum Kärntner Vergaberecht, 2000, S. 96. 15 Dörr, JZ 2004, 703, 712 geht davon aus, dass die „geweckten Hunde nicht mehr einzuschläfern sein werden.“ 16 Es wird befürchtet, der Nachprüfungsantrag könne als „Querulantentum“ aufgefasst werden. Nach anwaltlichen Erfahrungen wird aus diesen Gründen in 50% der Fälle von der Einlegung von Rechtsschutz abgesehen, was von Auftraggeberund Auftragnehmerseite gern tabuisiert werde – Peters, Behördenspiegel 12/2001, 25; vgl. zum Ganzen auch Sterner, S. 101. 14

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5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

zuletzt auch die Entscheidungspraxis Anteil, indem sie die Prozessfreudigkeit eines Bieters als sachlichen Grund für die Nichterteilung eines Auftrags angesehen hat.17 Schon 1982 wurde daher wegen der Abhängigkeit des Bieters vom Willen der Vergabestelle vertreten, dass die Forderung nach für den Bieter selbst durchsetzbaren subjektiven Rechten „von einer gewissen vergaberechtlichen Romantik [zeuge], weil man dem Bieter etwas viel Zivilcourage abverlangt, wenn man ihn selbst zum Anwalt seiner Rechte gegenüber dem Auftraggeber macht, der die wirtschaftliche Zukunft des Bieters durch weitere Aufträge wesentlich mitbestimmt.“18 – Ausländische Bieter werden darüber hinaus auch aus anderen praktischen Gründen (insbes. der Sprachbarriere) vor einer Streitigkeit im Ausland zurückschrecken.19 Dementsprechend ist auch nach den bisherigen Erfahrungen zur Inanspruchnahme der Vergaberechtsschutzmöglichkeiten in Deutschland eine extrem geringe Anzahl von ausländischen Antragsstellern festzustellen.20 – Von der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens wird ebenso deswegen oft Abstand genommen, weil sich aus den Kostenregelungen für das Nachprüfungsverfahren21 im Zusammenhang mit der Schwierigkeit, eine vorprozessuale Aufklärung des Sachverhalts zu erreichen22 (daher schwierige Erfolgsprognose), ein erhebliches, und schwer kalkulierbares Kostenrisiko für den Bieter ergibt23: Im Fall des Unterliegens droht neben den Kosten für die Nachprüfungsinstanz auch ein Kostenerstattungsanspruch der Vergabestelle24 (ggf. inkl. RA-Gebühren) und ein SchadensAber auch dann, wenn ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet wurde, ist der Antragssteller nach Erfahrungen des Verfassers immer bemüht, gegenüber dem Auftraggeber zu betonen, dass es allein um die Abstellung des Vergabeverstoßes geht, nicht aber das Verhalten des Auftraggebers insgesamt als kritikwürdig angesehen wird. Der Antragssteller ist über seine anwaltliche Vertretung bemüht, trotz Antragsstellung die Atmosphäre zum Auftraggeber nicht (gänzlich) „zu vergiften“, m. a. W. sie nicht noch weiter zu belasten. 17 BVerwGE 34, 213, 219; vgl. dazu auch Pietzcker, Der Staatsauftrag, S. 395. 18 Aicher, Schlussbericht, in: Korinek/Rill, S. 195, 472. 19 Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 244. 20 Dazu Teil 1, B. V. 21 Dazu Teil 1, B. III. 7 und B. IV. 5. 22 Die Vorabinformationspflicht des § 13 VgV hilft hier auch nur zum Teil. 23 So auch das OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.2.2002 – Verg W 9/01, VergabeR 2002, 417, wonach das „ohnehin bereits erhebliche Kostenrisiko des Antragsstellers“ nicht auch noch durch eine weite Bejahung des Kostenerstattungsanspruch des Beigeladenen erhöht werden soll, so dass sich nicht für den Antragssteller „die Ingangsetzung des Nachprüfungsverfahrens aus wirtschaftlichen Gründen verbietet“. 24 Zur Frage, inwieweit auch Beigeladene (erstrangige Bieter) einen Anspruch auf Erstattung ihrer Auslagen haben, Gröning, in: Motzke/Pietzcker/Prieß,

B. Ausblick

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eratzanspruch nach § 125 I GWB.25 Nach § 125 I GWB ist der Antragsteller bzw. der Beschwerdeführer im Falle rechtsmissbräuchlicher Verzögerung des Vergabeverfahrens durch von Anfang an ungerechtfertigte Einleitung des Nachprüfungsverfahrens verpflichtet, dem Gegner und den Beteiligten den Schaden zu ersetzen, der ihnen durch den Missbrauch entstanden ist. – Auch wegen der mangelnden Möglichkeit der Nachprüfungsbehörden, direkt den Zuschlag an eine bestimmten Antragsteller zu erteilen, werden einige Bieter von der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens absehen: Kann der Auftraggeber allenfalls zur Neubewertung der Angebote verpflichtet werden, besteht die Gefahr, dass er auch bei dieser Neubewertung Gründe finden wird, um den Auftrag gerade nicht dem „Querulanten“ zu erteilen. Gegen die Neubewertung müsste dann wiederum ein Nachprüfungsantrag eingeleitet werden. Insgesamt ergibt sich für den Bieter, der den Vergabefehler erkennt und dagegen vorgeht, das Problem, dass er nicht zwangsläufig Nutznießer der von ihm veranlassten Untersuchung ist (ausf. dazu im Teil 2, unter C. IV.). Vielmehr werden oft auch Konkurrenten von seiner Aufklärungsarbeit profitieren, denen der Mangel gar nicht aufgefallen war. Daher werden einige Bieter, die einen Vergaberechtsverstoß – etwa in der Ausschreibung – erkannt haben, aus taktischen Überlegungen nicht automatisch den Weg vor die Nachprüfungsinstanzen suchen. Sie werden vielmehr den Mangel nicht öffentlich rügen, sondern versuchen, ein Angebot abzugeben, dabei ihren Informationsvorsprung auszunutzen und so den Zuschlag zu erhalten.26

Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 28 GWB, Rn. 23; OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.2.2002 – Verg W 9/01, VergabeR 2002, 417; OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.1.2004 – 2 Verg 6/03, VergabeR 2004, 265; BayObLG Beschl. v. 11.5.2004 – Verg 3/04, VergabeR 2004, 666 = IBR 2004, 542 (Oelrichs). 25 Dies wird (überzeugend) kritisiert von Ulbrich/Waldner, BauR 1999, 1082, 1092 f. Zur Frage, ob die Aufbürdung des erhebliche Kostenrisikos auf den antragsstellenden Bieter verfassungs- bzw. gemeinschaftskonform ist, vgl. Waldner, S. 228 ff. 26 Die dem Bieter bei mangelhafter Ausschreibung hierbei zur Verfügungen stehenden taktischen Möglichkeiten (ähnlich spieltheoretischen Überlegungen) erörtern Reckerzügl/Schwarz, RPA 2001, 62 ff. und 113 ff. Petersen hält den durch das Vergaberechtsänderungsgesetz geschaffenen Rechtsschutz ohne diese Möglichkeit der Vergabekammer, den Zuschlag zu erteilen, für nicht hinreichend effektiv, BauR 2000, 1574 ff. und in seiner Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2003, ZfBR 2003, 611, 614.

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5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

II. Die Grenzen für die Steigerung der grenzüberschreitenden Vergabe Ca. 30 Jahre nach Verabschiedung der ersten Richtlinie über das öffentliche Auftragswesen lassen die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Koordinierungs- und Liberalisierungsbemühungen der Gemeinschaft noch zu wünschen übrig.27 Auch trotz der Liberalisierung der Vergaberegeln durch die Gemeinschaft werden auch nach wie vor nur 3%28 der Aufträge grenzüberschreitend vergeben. Die geringe grenzüberschreitende Vergabe illustriert auch sehr schön die jährlichen Tätigkeitsberichte des Beschaffungsamtes des Bundesinnenministeriums, das mit einem Einkaufsvolumen von ca. 420 Mio. Euro29 zweitgrößter Einkäufer in Deutschland ist. Danach hat es etwa im Jahre 2000 nur 0,3 Prozent! der Aufträge (11 Stück) mit einem Anteil am Gesamtauftragsvolumen von 0,8 Prozent (ca. 1,35 Mio. Euro) an Unternehmen aus der EG erteilt. In Länder außerhalb der EU wurden neun (0,3 Prozent) Aufträge mit einem Gesamtvolumen von ca. 0,5 Millionen Euro (0,3 Prozent) vergeben. Diesen Anteil hält das Beschaffungsamt selbst für „erstaunlich gering“.30 27 Zu den Gründen der mangelnden Erfolge bisher (auch aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft): Sterner, S. 31 f.; Westphal, in: Rill/Griller, S. 305 ff. insbes. 319 f.; Frank, S. 343; zu den Untersuchungen der EG zum Erfolg ihrer Regelungsbemühungen: Gordon/Rimmer/Arrowsmith, in: Arrowsmith/Davis (ed.), Public procurement: global revolution, 1998, S. 27, 32 ff.; Frank, S. 329 ff. Auch im Grünbuch von 1996 („Das Öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union – Überlegungen für die Zukunft“ KOM 96, 583 v. 27.11.1996) hat sich die Europäische mit den Ergebnissen der Koordinierungsmaßnahmen beschäftigt. Zu dieser Bestandsaufnahme der Kommission sind mehr als 300 Stellungnahmen abgegeben worden. Vgl. dazu und zu weiteren Stellungnahmen Frank, S. 333 ff. 28 Grünbuch, a. a. O., Ziffer 2.11; vgl. auch Meyer, in: Schwarze, S. 47, 57 und ausführlich Frank, S. 333 ff. Es ergeben sich aber Abweichungen im Vergleich der einzelnen Branchen (dazu Frank, S. 335) und im Vergleich der einzelnen Mitgliedsstaaten (Gordon/Rimmer/Arrowsmith, a. a. O., S. 27, 38 ff. zur EuroStrategy Consultants-Sudie). Zur geringen Verlässlichkeit des Zahlenmaterials im öffentlichen Auftragswesen schon im Teil 1, unter A. II. Im vorliegenden Zusammenhang der Ermittlung der „Importraten“ kommt noch als Problem hinzu, dass bei dem Ergebnis „3%“ nicht berücksichtigt ist, dass Ausländer auch über inländische Niederlassungen oder über Kooperationen mit inländischen Unternehmen an inländischen Ausschreibungen beteiligt sind. Dies wird nicht als grenzüberschreitende Vergabe erfasst. Tut man dies (und schlägt diese Bereiche dem Ausland zu), erhöht sich die Zahl der an ausländische Bieter vergebenen Aufträge auf 7% (Grünbuch, Ziffer 2. 11), nach Einschätzung der Checcini II Studie sogar auf 7–13%, S. 25. Hinzu kommt, dass die Vergabestatistiken nur darauf abstellen, wo der erfolgreiche Bieter seinen Sitz hat, nicht aber, dass auch dieser Bieter bei der Erfüllung des Auftrags auf ausländische Anbieter zurückgreift (zum Ganzen Frank, S. 334 f.). 29 Jahr 2002 – Monatsinfo forum vergabe e. V. 10/2003, 155.

B. Ausblick

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Damit steht den tief greifenden Reformen auf rechtlicher Ebene in tatsächlicher Ebene ein ernüchternder Befund gegenüber.31 Es ist wohl nicht zu erwarten, dass sich diese bisher zu verzeichnenden mäßigen Effekte der Koordinierung in erheblichem Umfang verstärken werden.32 Selbst wenn das Vergaberecht vollständig den europäischen Vorgaben entspricht und auch beachtet wird, gibt es Grenzen für die angestrebte europaweite Steigerung des Wettbewerbs im öffentlichen Auftragswesen. Die Vergabegesetzgebung allein genügt nicht, die Beschaffungsmärkte signifikant international zu öffnen.33 Der Anteil der grenzüberschreitenden Vergabe lässt sich nicht beliebig steigern. Dafür gibt es verschiedene Ursachen: – Schon auf der Seite der Unternehmen besteht nach wie vor oft wenig Interesse an grenzüberschreitenden Aufträgen.34 Zum einen ist hier für den Baubereich die schon beschriebene35 „Regionalität des Bauens“ zu nennen. Zum anderen werden viele Bieter durch die – selbst bei der erreichten Harmonisierung des Auftragswesens weiter bestehenden – unterschiedlichen Rechtskulturen36 und der unterschiedlichen Vergabepraxis in den Mitgliedsstaaten von einer grenzüberschreitenden Tätigkeit abgeschreckt. Darüber hinaus werden auch weiterhin die Sprachbarrieren eine erhebliche Rolle spielen. Viele Unternehmen, insbesondere die kleineren, haben ferner Schwierigkeiten, die Informationsflut durch die enorm 30 Vgl. dazu auch Monatsinfo forum vergabe 7–8/2001, 87, 88; 10/2001, 126 und 10/2003, 155. 31 Mit der Liberalisierung der Auftragsvergabe war auch die Erhöhung der Preiskonvergenz der Beschaffungsprodukte in den Mitgliedsstaaten angestrebt worden (Anpassung der Preisentwicklung). Auch dieses Ziel konnte nur in einigen Branchen erreicht werden. Der mit der Koordinierung bezweckte und erwartete Wettbewerbseffekt ist daher (in den meisten Branchen) noch nicht eingetreten (Checcini-IIBericht, S. 26; vgl. auch Frank, S. 344 und 366). Ferner wurde auch die angestrebte Einsparung von öffentlichen Haushaltsmitteln durch die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung (mangels stark erhöhtem europaweiten Wettbewerb) nur in geringem Umfang erreicht – näher Gordon/Rimmer/Arrowsmith, a. a. O., S. 27, 41 ff. Wegen dieser mangelnden Erfolge der Liberalisierungsbemühungen der Gemeinschaft gibt es Stimmen, die das europäische Vergaberecht für konzeptionell ungeeignet halten. Das Verhältnis von Aufwand und Nutzen wird in Frage gestellt – näher Rüßmann/Diedrich, in: Ranieri (Hrsg.), Die Europäisierung der Rechtswissenschaft, S. 145 und 161 m. w. N. 32 Frank, S. 369 f. m. w. N. 33 Dazu Schäfer, S. 158 ff. 34 So im Erg. auch Westphal, in: Rill/Griller, S. 305, 320. 35 Dazu im Teil 1, unter A. VI. 2. c) dd) (3). 36 Zur international-privatrechtlichen Frage des anwendbaren Vertragsrechts bei grenzüberschreitenden Auftragsvergaben: OLG Brandenburg v. 29.11.2000, NZBau 2001, 35 und dazu die Anm. von Ehlers, NZBau 2002, 19.

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5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

große Anzahl der Vergabebekanntmachungen zu verarbeiten.37 Ausländische Unternehmen können auch deshalb bereits von einer Bewerbung im Ausland absehen, dass zwar Rechtsschutzmöglichkeiten zur Durchsetzung der eigenen Interessen bestehen, sie aber aus praktischen Gründen vor einer Streitigkeit im Ausland zurückschrecken.38 In Verkennung dieser Umstände ist aber das Interesse der Bieter an Aufträgen aus anderen Mitgliedsstaaten oft überschätzt worden.39 – Grund für die geringe grenzüberschreitende Vergabe war bisher oft auch die Unkenntnis des Vergaberechts bei vielen (kleineren) Vergabestellen (insbes. Kommunen)40. Bei nicht wenigen öffentlichen Auftraggebern41 ist es versäumt worden, auf die neue rechtliche Qualität des Vergaberechts mit der Vertiefung der vergaberechtlichen Kenntnisse und der Entwicklung von Vergaberoutinen zu reagieren.42 Das Vergaberecht stellt aber hohe Anforderungen an die damit Befassten. Ein Experte im öffentlichen Auftragswesen muss eigentlich ein guter Jurist, ein guter Kaufmann und ein guter Techniker sein.43 Für viele Vergabestellen ist daher die Beachtung aller Vergaberegeln selbst bei gutem Willen schwierig.44 Dieses Problem der Unkenntnis des Vergaberechts und der Überforderung der damit Befassten wird sich auch in Zukunft nicht einfach (und schnell) lösen lassen.45

37 Gutknecht, in: Gutknecht/Korinek/Holoubek, S. 41, die schon 1991 zweifelte, ob die Liberalisierungsbemühungen Erfolg haben werden. Weiterer Grund für die Zweifel: Auch wenn man die Akzeptanz der Vergabestellen am gemeinschaftsrechtlich vorgegebenem Vergaberecht unterstellt, so wäre selbst bei deren unterstelltem guten Willen fraglich, ob sie die EG-weite Ermittlung und sachgerechte Auswahl der Bieter ordnungsgemäß bewältigen könnten. 38 Prieß, HdB d. europ. Vergaberechts, S. 244. 39 So sind in München auf 2000 europaweite Ausschreibungen etwa 20000 Angebote gegeben, davon aber nur 20 aus dem Ausland – Wiesheu, in: forum vergabe 2000 – Badenweiler Gespräche, 2000, S. 23, 24, der allerdings zu Recht darauf hinweist, dass sich die ausländischen Unternehmen oft über ihre deutschen Beteiligungen an der Ausschreibung beteiligen. 40 Dagegen haben sich die großen zentralen Vergabestellen auf der Bundesebene relativ schnell an die neuen Vorschriften angepasst. Auch die Zentralisierung von Beschaffungsvorhaben (z. B. bei Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums) hat sich insoweit bewährt. 41 Aber auch bei Unternehmen. 42 Grundner, RPA 2001, 121. 43 Europäisches Vergaberecht 2/96, 120 (ohne Autor). 44 Gutknecht, in: Gutknecht/Korinek/Holoubek, S. 9, 41. 45 Hier gibt es aber verschiedene Bestrebungen auf gemeinschaftsweiter und nationaler Ebene diese Informationsdefizite abzubauen (Auftragsberatungsstellen; Informationen der IHK; TED; SIMAP – dazu näher im Teil 1, unter A. VI. 2. c).

B. Ausblick

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Auch die beschriebene46 geringe Akzeptanz des Vergaberechts, insbesondere die fehlende Überzeugung vom Sinn des europaweiten Wettbewerbs um einen öffentlichen Auftrag bei vielen Vergabestellen ist nicht leicht und nur langfristig zu erhöhen. Nach wie vor ist festzustellen, dass das Vergaberecht oft nicht beachtet wird bzw. nach Strategien zur Umgehung des Vergaberechts gesucht werden.47 Dies zeigen insbesondere die jährlichen Berichte des Bundesrechnungshofes, in denen der Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe immer einen neuralgischen Punkt darstellt.48 Die Vergabestellen empfinden die neuen Regelungen als Einschränkungen ihres bisherigen „bewährten“ Entscheidungsspielraums und erleben die Abläufe als zu formalisiert und langwierig.49 Die zumeist technisch oder ökonomisch ausgebildeten Vergabepraktiker akzeptieren die Vorgaben des Vergaberechts und der sie beratenden oder kontrollierenden Juristen oft nicht. Sowohl die Verbesserung der Kenntnis als auch der Akzeptanz des Vergaberechts ist aber erforderlich, denn „selbst einer noch so ausgefeilten Gesetzgebung ist kein Erfolg beschieden, wenn die Betroffenen sie nicht kennen, nicht verstehen oder nicht akzeptieren.“50 – Außerdem werden wohl weitere Harmonisierungsbemühungen durch die Europäische Gemeinschaft zur Steigerung der grenzüberschreitenden Vergabe auch in Zukunft durch die unterschiedlichen Rechtskulturen in den Mitgliedsstaaten behindert werden. Die Gemeinschaftsvorschriften treffen im Vergabebereich auf unterschiedliche tatsächliche nationale Verhältnisse.51 Darüber hinaus bestehen auch oft unterschiedliche Interessenlagen der Mitgliedsstaaten. Bestes Beispiel dafür sind die jahrelangen Bemühungen um die Einführung des Legislativpakets, das die Koordinierungsrichtlinien zusammenfasst.52 Hierzu ergingen sehr viele Änderungsanträge mit unterschiedlichster Interessenrichtung. Im Ergebnis sind also die Möglichkeiten des (europäischen) Vergaberechts zur Steigerung der grenzüberschreitenden Vergabe begrenzt.53 Die 46

Teil 1, A. IV. 2. b). Winkler, S. 53 zieht hier einen Vergleich zur StVO. Die dortigen Bestimmungen werden nicht streng eingehalten, obwohl sie jeder kenne. Dieser Vergleich hinkt aber insoweit, da viele Vergabestellen das Vergaberecht nicht einmal richtig kennen. 48 Vgl. etwa Monatsinfo forum vergabe e. V. 11/2003, 168. 49 Grundner, RPA 2001, 121. 50 Schäfer, S. 168. 51 Westphal, in: Rill/Griller, S. 305, 314 ff. 52 Dazu im Teil 1, A. VI. 2. b) aa) (4). 53 Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auch private Auftraggeber nur etwa 10% ihrer Bauaufträge an Unternehmen aus anderen MS der EG vergeben – Gast, S. 7 m. w. N. Seidel, in: Dauses, Hdb. des EU-Wirtschaftsrechts, H. IV, Rn. 4 geht von 20% aus. 47

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5. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

Kommission hat bis heute eine zu optimistische Vorstellung von dem erreichbaren Grad der grenzüberschreitenden Vergabe.54 Darüber hinaus muss festgehalten werden, dass das Vergaberecht insgesamt die hohen Erwartungen, denen es angesichts der mit ihm verfolgten gewichtigen Ziele55 ausgesetzt ist, nur begrenzt erfüllen kann.56

54 Vgl. dazu Puhl, 2. Bericht zur Staatsrechtslehrertagung 2000 zum Beratungsgegenstand „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber“, VVDStRL 60, S. 456, 461 f. 55 Dazu Teil 1, A. IV. 2. und A. VI. 2. b) cc). 56 Vgl. auch Hermes, JZ 1997, 909. Es ist schon früh davor gewarnt worden, die Erwartungen an die Wirksamkeit einer gesetzlichen Regelung des Vergabeverfahrens zu hoch zu stecken, Grün, in: Korinek/Rill, S. 147, 151 und 162 ff., der daher flankierende Maßnahmen wie Schulung der Mitarbeiter und Reorganisation der Vergabestellen für notwendig erachtet [dazu auch Teil 1, A. IV. 2. b)]; Pietzcker, AöR 1982, 100.

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Stichwortverzeichnis Adressat der Vorabinformation nach § 13 VgV 266 ff. Akteneinsicht 128 – nach den Informationsfreiheitsgesetzen 172 ff. Akzeptanz des Vergaberechts 54 ff., 681 Alcatel-Entscheidung des EuGH 200 ff., insbes. 215 ff. Alternativen zur Einführung von Vorabinformationspflichten 477 ff. Anspruch auf Zuschlag 260 – für den in der Vorabinformation genannten Bieter 441 ff. Antragsbefugnis im Nachprüfungsverfahren 121 ff. Anwendbarkeit, unmittelbare (der Vergaberichtlinien) 251 ff. Anwendungsbereich – der Vorabinformationspflicht nach § 13 VgV 265 ff. – des Vergaberechts 375 ff. Aufhebung des Vergabeverfahrens 524 ff. Aufschiebende Wirkung des Nachprüfungsverfahrens 128 ff., 139 ff. Auftraggeberbegriff 375 Ausblick auf die Zukunft des Vergaberechts(schutzes) 673 ff. – Möglichkeiten des Vergaberechtsschutzes 673 ff. Begründung der Zuschlagsentscheidung in der Vorabinformation nach § 13 VgV 322 ff. Beihilfe, Verbot durch Europarecht und Einfluss auf das Vergaberecht 65 f. Beschaffung, staatliche

– Besonderheiten staatlicher Marktteilnahme 46 ff. Beschwerde, sofortige 138 ff. Beurteilungsspielraum des Auftraggebers bei der Zuschlagsentscheidung 185 ff. Bindefrist 159 ff., 281 f., 499 ff., 578 f. Bundesvergabegesetz in Österreich 208 ff., siehe auch Österreichisches Vergaberecht Checkliste zu den Informationspflichten des Auftraggebers 522 f. CPV (Common Procurement Vocabulary) 84 Culpa in Contrahendo bei Vergaberechtsverletzungen 178 ff. de facto Vergabe 374 ff. – Anwendung der Nichtigkeitsfolge von § 13 S. 6 VgV 411 ff. – Anwendung der Vorabinformationspflicht von § 13 S. 1 VgV 400 ff. – Bedeutung des Rechtsschutzes 379 ff. – Rechtsschutz nach Zuschlagserteilung – Nichtigkeit des Vertrages 403 ff. – Rechtsschutz vor Zuschlagserteilung 385 ff. – Schadensersatz 382 ff. Deutsche Verdingungsausschüsse 58, 107 f. Dienstaufsichtsbeschwerde 614 Dienstleistungsfreiheit 64 Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie 69 Divergenzvorlage beim BGH 142

Stichwortverzeichnis elektronische Vergabe 73, 104 f. Erfüllungsinteresse (Schadensersatz) 183 ff., 190 ff., 542 f., 568 Erledigung des Nachprüfungsverfahrens 168 ff., 291 – bei Änderung der Zuschlagsentscheidung 448 ff. – bei Aufhebung des Vergabeverfahrens 557 Ermächtigungsgrundlage für § 13 S. 6 VgV 345 „Ermessenspielraum“ bei der Zuschlagsentscheidung 185 f.

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Haushaltsrecht unterhalb der Schwellenwerte 584 ff. Haushaltsrechtliche Lösung 87 ff. Heilung eines Vorabinformationsmangels 340 ff. Hospital-Ingenieure-Entscheidung des EuGH 527 ff., insbes. 544 ff. Informationspflicht siehe bei Vorabinformationspflicht Inhalt der Vorabinformation 322 ff. In-house-Vergaben 376 invitatio ad offerendum 153

Feststellung der Rechtsverletzung durch ein Nachprüfungsverfahren nach § 114 II GWB 168, 250 f., 556 f., 569 Folgen der Erteilung der Vorabinformation nach § 13 VgV 441 ff. – Anspruch auf Zuschlagserteilung für den genannten Bieter 441 ff. Form der Vorabinformation nach § 13 VgV 307 ff. Frist, für die – Rüge 124 ff., 287 ff. – Vorabinformation 278 ff. siehe auch Vertragssperrfrist

Kaskadenprinzip 97 ff. – Verfassungswidrigkeit 502 ff. Kausalität, schwieriger Nachweis für Schadensersatzansprüche 183 ff. Kontrahierungszwang bei Rückgängigmachung der Aufhebung 565 ff. Kosten des Nachprüfungsverfahrens und der Beschwerde 45, 136 ff., 143 f., 358 f., 450 Kostenrisiko bei Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens 45, 323, 676 f.

Gegenstand der Vorabinformation nach § 13 VgV 322 Gemeindehaushaltsverordnungen unterhalb der Schwellenwerte 587, 589 f. Gesetzgebungsverfahren – Legislativpaket 72 f. – Referentenentwurf v. 8.2.2005 zur Verschlankung des Vergaberechts 115 f. – Vergaberechtsänderungsgesetz 93 Gewinn, entgangener 183 ff., 190 ff., 542 f., 568 GPA (Government Procurement Agreement) 59 ff. Grundfreiheiten 63 ff.

Münzplättchen-II-Entscheidung 233 ff., insbes. 239 ff.

Legislativpaket der Europäischen Kommission 71 ff., 112 ff.

Nachinformationspflichten nach den Verdingungsordnungen – nach der Aufhebungsentscheidung 535 ff., 570 f. – nach der Zuschlagsentscheidung 171, 243 ff., 490 ff. Nebenangebot, Vorabinformation über Nichtberücksichtigung des 336 Nichtigkeit des Vertrages bei Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht; Rückabwicklung des Vertrages 342 ff.

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Stichwortverzeichnis

Öffentlicher Auftrag, Anwendungsbereich des Vergaberechts 375 ff. OLG, sofortige Beschwerde 138 ff. Österreichisches Vergaberecht 206 ff., 268 ff., 518 – Bundesvergabegesetz 208 ff. – Rechtsschutz gegen die Aufhebung der Ausschreibung 546 ff. – Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte 628 ff. – Vorabinformationspflichten in Österreich 268 ff., 301, 326, 443 ff. Positives Interesse 183 ff., 190 ff., 542 f., 568 PPP (Public Private Partnerships) 376 Primärrecht, Europäisches 63 ff. Primärrechtsschutz 118 Recht, subjektives – auf Einhaltung der Vergabevorschriften 229 – auf (korrekte) Vorabinformation 257, 356 Rechts- und Fachaufsicht bei Auftragsvergaben 120 – unterhalb der Schwellenwerte 609 ff., 641 f., 645, 648 ff. Rechtsmittelrichtlinie 69 f., 225 ff., 251 ff., 471 ff., 548 ff. Rechtsnatur der Vorabinformation nach § 13 VgV 441 ff. Rechtsquellen des Vergaberechts 59 ff. Rechtsschutz – gegen die Aufhebung des Vergabeverfahrens 524 ff. – gegen die Zuschlagsentscheidung 151 ff. – oberhalb der Schwellenwerte 118 ff. – unterhalb der Schwellenwerte 584 ff. Rügepflicht 124 ff., 287 ff., 459, 572

Schadensersatz wegen Vergabefehlern 178 ff., 253, 382 ff., 433 ff., 611 ff. – Durchsetzungsprobleme/mangelnde Erfolgsaussicht 180 ff. siehe auch „Gewinn, entgangener“ und „negatives Interesse“ Scheinaufhebung 530 ff. Schwellenwerte 74, 99 Sekundärrecht, Europäisches 66 ff. Sekundärrechtsschutz siehe Schadensersatz Staatshaftungsansprüche 192, 253 ff. Strafrecht, Verfolgung der Korruption bei der Auftragsvergabe 52 f. Suspensiveffekt des Nachprüfungsverfahrens 128 ff., 139 Trennung von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss siehe Zusammenfallen von Zuschlag und Vertragsschluss Umfang (Begründung) der Vorabinformation nach § 13 VgV 322 ff. Umsetzung – der Vergaberichtlinien 85 ff. – des Legislativpaketes 112 ff. unmittelbare Anwendbarkeit der Rechtsmittelrichtlinien 251 ff. Verbot des Zusammenfallen von Zuschlag und Vertragsschluss 233 ff., inbes. 235 ff., 324 ff., 464 ff. Verbotsgesetzcharakter von Vergabevorschriften 129, 347 f., 404 ff., 609, 651 f. Verdingungsausschüsse 58, 107 f. Verdingungsordnungen 107 ff., 593, 623 Verfassungswidrigkeit – des Kaskadenprinzips und der Aufteilung in Ober- und Unterschwellenvergaben 509 ff., 626 ff. – von § 13 S. 6 VgV 342 ff.

Stichwortverzeichnis Vergabefremde Kriterien bei der Zuschlagsentscheidung 49, 55, 619 Vergabehandbuch des Bundes (VHB) 266 f., 448, 493 Vergabekammer, Rechtsschutz vor der 120 ff. Vergaberecht – Begriff 38 – wachsende Bedeutung des Rechtsgebietes 41 ff. Vergaberechtsänderungsgesetz 92 ff. Vergaberichtlinien, Europäische 66 ff. Vergabeverordnung (VgV) 100 ff. Verschlankung des Vergaberechts, Konzept des BMWA 112 ff., 516, 620 ff., 656 ff. – Neuregelung der Vorabinformationspflicht 262 ff., 354 ff., 427 f. Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht 342 ff. Vertragssperrfrist 278 ff. – Beginn der Frist 295 ff. – Berechnung 314 Vertrauensschaden, Anspruch auf 183 ff., 190 ff. – bei der Aufhebung der Ausschreibung 542 – bei der de-facto-Vergabe 382 f. – des ursprünglich bezuschlagten Bieters bei Anfechtung der Zuschlagsentscheidung 350 Verwaltungsvorschriftscharakter der Verdingungsordnungen? 112, 511, 587ff, 593 ff. Vorabinformationspflicht nach § 13 VgV – Adressat der Vorabinformation 266 ff. – Alternativen zur Einführung von Vorabinformationspflichten 477 ff. – Anwendungsbereich 265 ff. – Begründung der Zuschlagsentscheidung in der Vorabinformation nach § 13 VgV 322 ff.

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– Ermächtigungsgrundlage für § 13 S. 6 VgV 345 – Folgen der Erteilung der Vorabinformation 441 ff. – Anspruch auf Zuschlagserteilung für den genannten Bieter 441 ff. – Form 307 ff. – Gegenstand der Vorabinformation 322 – Heilung eines Informationsmangels 340 ff. – Inhalt 322 ff. – Nachinformationspflichten nach den Verdingungsordnungen – nach der Aufhebungsentscheidung 535 ff., 570 f. – nach der Zuschlagsentscheidung 171, 243 ff., 490 ff. – Nebenangebot, Vorabinformation über Nichtberücksichtigung des 336 – Nichtigkeit des Vertrages bei Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht; Rückabwicklung des Vertrages 342 ff. – Rechtsnatur der Vorabinformation 441 ff. – Umfang (Begründung) 322 ff. – Verstoß 342 ff. – Vertragssperrfrist 278 ff. – Beginn der Frist 295 ff. – Berechnung 314 – Vorabinformation bei Aufhebung des Vergabeverfahrens 536 f., 573 ff. – Vorabinformationspflichten in Österreich 268 ff., 301, 326, 443 ff. – Vorabinformationspflichten unterhalb der Schwellenwerte 637 ff. – Sachsen 637 ff. – Schleswig-Holstein 642 ff. – Zuschlagsverbot vor Ablauf der Vorabinformationsfrist 257 ff. Wartefrist siehe Vertragssperrfrist Welthandelsorganisation (WTO) 59 ff. Wettbewerblicher Dialog 73

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Stichwortverzeichnis

Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens 121 ff. Zusammenfallen von Zuschlag und Vertragsschluss 233 ff., inbes. 235 ff., 324 ff., 464 ff. Zuschlag – Definition 152 ff. – Wirksamkeit 156 ff. Zuschlags- und Bindefrist 159, 281 ff., 499 ff.

Zuschlagsentscheidung – Rechtsschutz gegen 151 ff. – Verhältnis von Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung 235 ff. Zuschlagsverbot siehe Suspensiveffekt – vor Ablauf der Vorabinformationsfrist 257 ff. Zustellung des Nachprüfungsantrags an den Auftraggeber 130 f., 286 f. Zweistufentheorie 480 ff.