Die verlorene Bibliothek : Autobiographie einer Kultur 354646446X

Mehring widmete seiner auf der Flucht vor dem NS-Regime verlorenen Bibliothek, die auf seinen Urgroßvater zurückging und

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German Pages [320] Year 1978

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Die verlorene Bibliothek : Autobiographie einer Kultur
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Walter Mehring DIE VERLORENE BIBLIOTHEK Autobiographie einer Kultur

claassen Verlag

WALTER MEHRING WERKE HERAUSGEGEBEN VON CHRISTOPH BUCHWALD

Copyright © 1978 by claassen Verlag GmbH, Düsseldorf Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und auszugsweisen Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind Vorbehal­ ten'. Gesetzt aus der Trump Mediäval der Linotype GmbH Papier: Papierfabrik Schleipen, Bad Dürkheim Gesamtherstellung: Bercker, Graphischer Betrieb GmbH, Kevelaer ISBN 3/546/46446/X

Meiner Frau In Liebe heute - wie ich einst Europa liebte

Inhalt POST SCRIPTUM: AN DEN LESER

Erster Teil MEINES VATERS BIBLIOTHEK

,5

ERSTES KAPITEL:

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Die Regimenter des Fortschritts Die Bücherschlacht in der St. James's Library und der Große Weltkrieg ■ So viele Leichen und keine Seelen ■ Der Tod und der Aufklärer ZWEITES KAPITEL:

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Von Märchenhexen und Hexenprozessen Vom Geschlecht Davids bis zu den israelitischen »Rougon-Macquart« ■ Satanische Genetik der Himmlischen Eingebung Von den »Künstlichen Paradiesen« bis zu den »Journees de Sodome« ■ »Ergötzliche” Perversitäten DRITTES KAPITEL:

78

Intermezzo »Das Liebeskonzil« Von irdischer Obrigkeit und Teu­ felsunschuld ■ Aus »Klingsors Zaubergarten” mit Strindberg »Nach Damaskus« ■ Ohne Gott und Liebe - Marx: »Das Kapital« VIERTES KAPITEL:

87

Die drei Einheiten • »Entweder/Oder«: Alles oder nichts! Hauptmann contra Sudermann im Bühnenring Salto mortale des Intellekts Pubertätstragödien und Traumspiele ■ Die Konstante FÜNFTES KAPITEL:

106

Das »Wachsende Schloß» und die Abtei von Theleme • Die Guillo­ tine der Freiheit • Baudelaires »Entblößtes Herz« und Schiffbrüche am Magnetpol der Schönheit Das Zeitalter der Mörder und die Bi­ bliothek der Heiligen Genoveva »O saisons! O chäteaux!» SECHSTES KAPITEL:

Die prophetische Vision des Arthur Rimbaud ■ Das »Allbuch« und das neue Glück • Die »Strategie der Verführung» - Seelenblindheit und der leere Raum ■ Die unverdauliche Hexensuppe der Madame Blavatsky Auf medialem Wege über die »Anima Mundi« zuSwinbume's Sprachorgel ■ Pre-Raphaelites - Futuristi - ein letzter Dandy und Stramms rasante Rhythmen Expressionen

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126

SIEBTES KAPITEL:

150

Vom Cafehaus und vom -Verlorenen Paradies- ■ Abschied vom Preußentum im -Größenwahn« Schach der Erotik und dem Kapi­ tal • Pfemfert - Walden und der -Silen im Sakko- • Die Dadaisti­ sche Manifestation zu Weimar und die Rückkehr zu den Wilden ACHTES KAPITEL:

En retrogradant • Volksverbunden und bodenständig Salonhyä­ nen und Finanzhaifische im Höllenrachen der Tradition Mystik und Aberglaube • Mit Jona im Bauch des »Weißen Wals»

Zweiter Teil DIE VERUNTREUTE BIBLIOTHEK NEUN PES KAPITEL:

»Kritik der reinen Vernunft- ■ Sibirischer Wettereinbruch und ro­ tes Schneesturm-Epos • Kantianer mit Schwert und Beil Begeg­ nung mit dem Geist der Bibliothek ■ Ein deutscher Danton: Toller ZEHNTES KAPITEL:

Monolog mit dem Geist der Bibliothek -Austria Ern In Orbe Ul tima . . .« • Von der -Wunderschönen Dame- • Von literarischer Ehre und fruchtbarer Eitelkeit Die Tragik des Sprachathleten Von der Geburt des Surrealismus ■ Reiz und Irrtum ELFTES KAPITEL:

Wo bleibt die Moral? ■ Von der Entpersönlichung bis zur Um­ schmelzung des Menschen Die Wollust der bräutlichen Ma­ schine ■ »Circe- und »Lady Chatterley« ■ Fluß-Gott des Blutes ZWÖLFTES KAPITEL:

Pestvögel in Sicht Abstecher ins tschechische Prag --Tiere in Ketten- ■ Über Franz Kafkas »Verwandlung» und den--Augenzeu­ gen« Dr. med. Emst Weiß • Wach- und Traumbiographien DREIZEHNTES KAPITEL:

Heldenromanze mit -Harfeniule--Liedern • Sturm im Tintenfaß Etüden in fremder Mundart und »Kulturelle Blutschande- - Von

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171

Riesenfriedhöfen und gekrönter Schamlosigkeit ■ Im Orden der Trunkenbolde zur Beichte beim »Heiligen Trinker« ■ Der Höllen­ sturz der Bibliothek ■ Ausgeplünderte Bildungsopfer und verstreu­ tes Gedankengut im toten Brunnen • Seelen-Wüsten-Wanderung

Epilog AUF EINER NEW-ENGLAND-FARM:

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Abstand von böser Erinnerung Sommergast im Land der "Zie­ genmelker« • »Gott ist die Liebe!« • Der »Schwarze Mönch« • SturmwindüberParis Halbwahrheiten ■ »Hinaus! Nichts als hin­ aus!« NAMENSVERZEICHNIS

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Post scriptum: An den Leser

»Autobiographie einer Kultur«

Den Untertitel gab Professor Barzun (von der Columbia University, New York), dem der amerikanische Verlag die englische Version (von 1946) zur Begutachtung vorgelegt hatte. Und so mag diese Benennung auch in die Neufassung übernommen sein, die - erweitert und so verändert, wie das zu geschehen pflegt, wenn man sich selbst nachliest - dem ursprünglichen Plan folgt und den gleichen Richtlinien, nämlich: der Auseinandersetzung aus dem Gedächtnis mit einem angelesenen, geplünderten, auf zweimaliger Flucht endgültig verlorenen Büchererbe. » ... es lag mir«, wie es im ersten Teil gesagt steht, »nicht so sehr an den Büchern im einzelnen, als vielmehr an jener historisch, ästhetisch, philosophisch einmaligen Konfiguration, wie sie sich in der Bibliothek meines Vaters, in seinem speziellen Horoskop des XIX. Jahrhunderts ein­ gestellt hatte.« 11

Es war eine Probe, die man bei jedem Vermächtnis machen sollte: wie weit stimmt das noch? - und eine Selbstprüfung: was hast Du eigentlich davon noch behalten? Es wurde eine Konfrontation mit den Büchern und Autoren und ihren Schicksalen - den fata meiner Generation doch ausschließlich mit denen, die im Augenblick der Nieder­ schrift mir wahrhaftig, erinnerungsgetreu dazu einfielen. Dies bildete das einzige Kriterium! So auch erklärt es sich, entschuldigt es vielleicht nicht, wenn sehr viele hervorragende Schriftsteller fehlen, die in der Bibliothek meines Vaters standen - und ebenfalls man­ che neuere, denen heut' unsere respektvolle Bewunderung gebührt. Ob auch morgen noch? Das hängt von uns nicht mehr ab; sondern allein von der Nachwelt - falls es noch eine geben sollte - oder von den Ereignissen, die ihr noch bevorste­ hen. Ich habe mich strikt an mein Gedächtnis gehalten, mit dem ich vorlieb nehmen mußte wie mit dem verwohnten Mobiliar des basement in einem abbruchreifen Brownstone-Haus, Manhattan uptown. Als Vorübung kam mir nun der Aufenthalt in einem Vi­ chy-Frankreich-Lager (Saint Cyprien) für feindliche Staa­ tenlose zustatten; mit seiner zur Gewohnheit gewordenen Alltäglichkeit von Stacheldraht; Typhus; und Müßiggang, der bekanntlich aller Laster Anfang ist — und somit auch der Literatur. Bei meiner Einlieferung waren, wie jedem der circa 5000 Zwangs-Asylberechtigten unter dem Jochbogen zur pyrenäischen Flugsandwüste, so auch mir alle Habseligkeiten abgenommen worden - 250 Papierfrancs, ein Päckchen

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»Caporal«-Zigaretten - und ein Schullesebändchen (Al­ phonse Daudet: »Tartarin«), das ich noch rasch in Eimes in einer Papeterie gekauft hatte; das Letzte - bis auf Hemd, Hose, espadrilles und mein notdürftiges Erinnerungsver­ mögen. Es lagerten (denn zum Aufrechtstehen bot Platz bloß der Mittelgang zur Unrattonne) in der Dachpappenbaracke des (Straf-)»Ilöt special» circa vierzig »Ehemalige«: Ex-Mini­ ster, Ex-Exzellenzen, Ex-Irgendetwasgewesene; ’u. a. vier Rechtsanwälte, die mit selbstmarkierten Pappstückchen Skat kloppten; zwei Spanienkämpfer, die einander das »Kommunistische Manifest« abhörten; ein (Wiener) Arithmetiker, der schwierige Zahlenkolonnen aus dem Kopf multiplizierte und dividierte; ein jugendlicher (Berli­ ner) Arbeiterdichter, der seine Barrikaden-, Freiheits- und (homosexuellen) Liebesgedichte uns und sich vortrug. Aber eben von dem Gedankenaustausch mit ihm - in Er­ mangelung von etwas Brauchbarerem (und von Schreibpa­ pier) profitierte ich viel für die späteren Aufzeichnungen,um so mehr, als auch er Berliner war; - mich schon früher »dem Namen nach gekannt«, ein paar meiner Verse in Carl von Ossietzkys »Weltbühne« gelesen hatte, ja, sogar ein Chanson auswendig wußte - was mir, obwohl gerade dies nicht von mir war, doch sehr schmeichelte. Sein Bildungshunger und -durst schien infolge der fleisch­ losen Gefangenenkost in rostigen Konservenbüchsen so unersättlich, infolge Sexualabstinenz wie ein Danaidenfaß so bodenlos, daß er mir bereitwillig, ja gierig zuhörte, wenn ich als Gegenleistung für seine poetischen Ergüsse auch mein Herz, meinen Kummer über die verlorene Bibliothek vor ihm ausschüttete; den ganzen Inhalt - Ästhetik, Belle­ tristik, Erotik, Schmutz und Schund. 13

Denn schließlich - wie Hermann Kesten schrieb: » . . . wie alle Schicksale sind auch jene der Exilierten nur in den Einzelheiten verschieden, in den großen, entschei­ denden Zügen (aber) einheitlich . . .« Grauenvoll einheitlich! Genau so für jene, die emigriert wurden, wie für irgend­ eine »innere Emigration» . . . für jeden der Bewegungs- und Meinungsfreiheit Beraubten. Nichts schien mir (es war einmall so sagenhaft unwahr­ scheinlich, wie: irgendwann mal noch der Anblick eines weiblichen Wesens - oder die Aussicht, an einem Schreib­ tisch zu sitzen - irgendwo. Daß ich doch noch zu beidem gekommen bin - in meiner Ehe mit Marie-Paule, einer französischen Malerin aus Di­ jon, und in unserem living-room basement, 89 street West 93 - verdanke ich meiner egozentrischen Eitelkeit und son­ stigen mehr oder weniger obskuren Motiven dieses Bu­ ches, das, Gott behüte uns alle davor, keine Endlösung ist, eine Notlösung! AMEN! Walter Mehring

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Erster Teil Meines Vaters Bibliothek

Die mit einem ' bezeichneten Übersetzungen ins Deutsche der im folgen­ den zitierten fremdsprachigen Texte sind vom Autor besorgt worden.

Erstes Kapitel Die Regimenter des Fortschritts Die Bücherschlacht in der St. James's Library und der Große Weltkrieg So viele Leichen und keine Seelen Der Tod und der Aufklärer

Gewohnt habe ich zum letzten Male wohl in Wien, bevor es stürzte. Denn dort hatte ich noch alle Bücher um mich, aus meines Vaters Bibliothek, und konnte mich zu Hause fühlen. Wie oft seitdem das Landschaftsbild im Fenster­ rahmen gewechselt hat - und ein paar Mal war es vergittert -, vermag ich mir nicht mehr zu vergegenwärtigen. In Wien stand noch mein Büchererbe vor seinem Fall - ins Exil geret­ tet dank der Komplizität der Berliner Tschechoslowaki­ schen Gesandtschaft, dank der Kollegialität ihres Attaches, des Lyrikers Camill Hoffmann (aus der Prager Dichterrunde der Werfel, Meyrink, Kafka, Capek, die alle etwas kabbali­ stisch angehaucht waren); - ihn aber hat man später in ei­ nem Brandofen vernichtet. Überallhin früher, als ich noch auf Reisen ging statt auf die Flucht, hatte ich stets ein paar Bände mitgenommen für jedes Klima: H. C. Andersens »Erzählungen« nach Odense - (sein pro-

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MEINES VATERS BIBLIOTHEK

vinzlerisches Giebelhaus und die Gasse, wo jeder Andersen hieß, rochen nach Museum; im säuberlich modernden Sa­ lon warteten »der trauernde Zylinderhut«, die ausgetrete­ nen »Galoschen des Glückes« und ein verbeulter Koffer, auf dem man aber durch den Kamin fliegen konnte, wenn man auf das Schloß drückte — und andere seiner Hauptpersonen, als wäre H. C. nur eben mit Spitzenhäubchen und Schürze transvestiert auf einem Altweiberklatsch in der Nachbar­ schaft). Captain Marryat, Sealsfieids »Kajütenbuch«, und - für den Notfall: Jules Vernes »20 000 Meilen unter dem Meeres­ spiegel« auf meine erste Seesturmfahrt Hamburg-New­ castle auf einem Kohlenfrachter. Des Louis-Sebastien Mercier prophetisch-satirische Re­ portagen aus den letzten Tagen des Absolutismus: »Ta­ bleau de Paris« und Balzacs »Comedie Humaine« zur lange vorgeplanten Übersiedlung nach Paris - noch immer die brauchbarsten Führer im Umgang mit französischen Äm­ tern, Justiz und Presse. Ovids »Metamorphosen« ans Mittelmeer, wo sie sich in Olivenhainen um die Gespensterstunde Pans ereignen, wenn die Sonne im Zenit steht. Immer und überallhin den Cervantes, als erste Hilfe und als Herzenstrost für jede Torheit - und als Textbuch zur Freiheitstravestie der letzten Spanischen Republik, die als schlechte Tragedia Soldades des verwaisten Sancho Pansa und des ritterlosen Rosses Rosinante endete. Den »Exodus*' in diesaharische Pyramidenstadt Ghardaja - im algerischen M'zab -, wo die Abaditen hausen, in ihrer islamischen Verbannung, unter ihnen die letzten authenti­ schen Israeliten, die sich »Ishuruni« nennen: die »Aufrech­ ten«.

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ERSTES KAPITEL

So hatte ich noch überall meines Vaters Bücher um mich gehabt, ein Stück Zuhause . . . Und als ich die Bibliothek im Stich lassen, als ich Hals über Kopf aus Wien auf und davon mußte - sodomitisches Gegeifer spie mir aus jedem Gassenschlund entgegen -, als ich, dem anrasenden Mob ausweichend, durchs Parkdunkel zum Westbahnhof hastete, vorbei unter dem öden Doppel­ fenster meines Lese-, Wohn- und Schlafzimmers, da begriff ich plötzlich den Exils-Rat der Engel an Lot: nach Sodom und Gomorrha sollte man sich nicht einmal umsehen . . . Und ich wandte mich ab, um nicht zur Salzsäule zu erstar­ ren. Ich ließ den Schutzwall hinter mir, den einst mein Vater mir errichtet hatte - aus Tausenden von Bänden -, jeder ein Anathema seiner weißen Aufklärungsmagie, kraft der er, der fortschrittsgläubige Atheist, sich gegen die Rückfälle ins Werwolftum gefeit geglaubt hatte. Gefangene nun, doch nicht entwaffnet, zum Schweigen nicht zu bringen, trotzten die Bücher weiter, Schulter an Schulter, widerstandsbereit - und stritten sich untereinan­ der noch weiter über Gott und die Welt. »Gott ist, weil meine Vernunft ihn in der Weltordnung so ansetzen muß wie die Geometer ihre Figuren . . .«, fingen die Cartesianer an. »Gott ist gewissermaßen aus einem Destillationsprozeß der vielen Götter entstanden . . . Cafe-GrößenwahnMaldororJe retrograde par la pensee meme . . .«), wo ich den ersten Löffel Tee nahm . . . Und plötzlich ist die Erinnerung aufgetaucht. . .«*

Und plötzlich, auf Proust zurückblickend, schienen mir die Anwesenden alle furchtbar alt, und unser Gastgeber er­ schien mir wie ein Gespenst aus den Miasmen eines Kran­ kenzimmers, als er wiederholte: »Mein teurer Marcel Proust hat seine Seele ausgehaucht, oder . . . ■■, setzte er nekkisch hinzu, »darf ich sagen: seine Halbseele?« Und dieses billige Bonmot war alles, was dem Geizhals einfiel, um rasch unter dem Rechtstitel: »Mein teurer Proust« seine literarischen Erbansprüche anzumelden. Aber nicht einmal dieser Einfall war ganz sein eigen, son­ dern ihm nur in den Mund gelegt, um sich proustisch zu charakterisieren; er war selber ganz und gar eine ProustKreatur - er und sein Kreis - und so nachträglich und ad usum Delphini erfunden wie die dort verbreitete Anekdote: »Als unser unvergeßlicher Marcel Proust im Sterben lag, verlangte er noch einmal nach seinen Manuskripten, um eine darin beschriebene Agonie an Hand der seinen nun zu revidieren . . .« Proust war kaum tot, als die Nachwelt ihn mit so viel Würdigungen und Erläuterungen schmückte, wie er es in seinen höchsten Ambitionen nur je hätte beanspruchen dürfen. - Selbst einer seiner strengsten Kritiker, Andre Gide, erwies ihm nun alle Ehren und bedauerte es aufrich­ tig, wenn er je versehentlich den zu früh Verstorbenen ge­ kränkt hatte - durch die Refüsierung einiger ihm einge­ reichter Manuskripte, die ihn durch gewisse Stilunebenhei­ ten, durch eine allzu willkürliche Behandlung der Tempi,

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MEINES VATERS BIBLIOTHEK

durch einen verschwenderischen Mißbrauch von Subjonctifs irritiert hatten. Doch diese von Gide gerügten Abweichungen von der Re­ gel haben gute Gründe; weil Marcel Proust nicht einer hi­ storisch bedingten, sondern einer in Wachträumen gültigen consecutio temporum folgte; weil er im Passe defini einer Tradition schon deren gegenwärtigen Verfall vorwegneh­ men möchte; und im Indikativ eines imperfekten Liebes­ kummers, den ihm Gilberte - das Töchterchen der Swann angetan, schon den Konjunktiv, den Möglichkeitsfall eines generellen Betruges aller Gefühle vorausgespürt hatte . . . Den Verrat aller menschlichen Bindungen über­ haupt . . . Rückschreitend . . . Zurückkehrend zu den Symbolen seiner Kindheit, ja bis zu den Urgestalten der Primitiven . . . Aber was sind denn nun die Primitiven? - Darwinistische Vorstufen unserer Evolution? Rousseau-Wilde, im Zustand der klassenlosen Unschuld, ehe die Menschheit ihren Ba­ belturm errichtete - Etage für Etage: erst für die Familie, dann für die Priesterschaft, für die absolute Monarchie, für den Staat der Individuen - immer höher und höher bis zur Spitze, bis zum allein selig gemachten Kollektiv? Doch schon ein deutscher Philosoph des »subjektiven Idealismus-, Schelling, hatte anfangs des XIX. Jahrhunderts sein Bedenken geäußert, als er die Reiseberichte des Natur­ forschers Alexander von Humboldt über die Eingeborenen der Südsee-Inseln hörte, ob diese wirklich »Wilde- wären oder nicht vielmehr degenerierte Nachkommen gewaltiger verschollener Zivilisationen. Und der amerikanische Dich­ ter Herman Melville, der als Tabu-Gefangener bei den Ty-

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ACHTES KAPITEL

pee-Kannibalen der Marquesas-Inseln gelebt, hatte in den rohen Fratzen der hölzernen Götzen Spuren göttlich schö­ ner Kunstwerke entdeckt. Ja, sind nicht vielleicht - und am Ende die menschenfres­ serischen Sagen, die unartikulierten Litaneien der Wilden, ihre zuweilen ein ganzes Jahr hindurch aufgeführten Tanz­ pantomimen Überbleibsel hochwertiger, aber von Priesterund Basileusdespotien verwirtschafteter Literaturen? Und wie weit reichen diese zurück? Denn in allen von ih­ nen kommen Drachen vor - diese naturgetreuen Abschilde­ rungen der Saurier —: der singhalesische Drache Shawo, der astronomisch Mond und Sonne verschlingt; der Drache der trotzkistischen Irrlehre, den der Ritter Dschugaschwili von Georgien köpfte (die Hydra der Konterrevolution, die aus je­ der politischen Kampfdichtung immer wieder ihre sieben Klischee-Häupter erhebt); sind sie vielleicht nicht Bruch­ stücke, fragmentarische Allegorien aus »vorsintflutlichen Poesien . . .«? Jedenfalls, wo immer ich diese Monstren erwähnt finde: in Leitartikeln, in Parteipropaganda-Schriften, respektiere ich ihr ehrwürdiges Alter - seit der Zeit, als ich mich mit den mittelalterlichen »Bestiarien«, den aristotelischen Zoologien, befaßt und die Kennzeichen der Lindwürmer, Greifen, Einhörner studiert hatte, um eine »Zoologie der Fabeltiere, der Mystik und des Aberglaubens« zu schreiben: »Das Neubestellte Abenteuerliche Tierhaus« (begonnen 1921 in Wien, nahe dem Basiliskenhaus in der Schönlatern-Gasse; und 1923 publiziert. . .). »Woher haftet aber«, hatte ich mich damals gefragt, »wo­ her haftet im Gedächtnis des Menschen, dessen Geburt un­ sere Paläontologen ja erst in viel späteren Epochen anset­ zen, die Erinnerung an Ungeheuer, Saurier heute und einst Drachen genannt?

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Aber womöglich ist die ganze Kultur nur ein Teil eines Verwesungsprozesses, vielleicht sind wir noch Existieren­ den nur eine Art Spaltpilze, die fäulniserregend in den Fau­ naresten eines auf den Aussterbe-Etat gesetzten Planeten wuchern. Und also sind unsere herrlichen Errungenschaf­ ten - die technischen wie die geistigen - nichts anderes als notwendige, unbewußte Zersetzungsmittel, um die Erd­ rinde von unseren Kadavern zu säubern . . .« »Oh, aber«, fuhr ich fort, einmal in dies Fahrwasser gera­ ten, »die Monstren haben noch eine Freistatt: das Meer. Dieses Riesen-Laboratorium der Ausgeburten, in dem eine wahnwitzig gewordene Natur herumexperimentiert - Säu­ getiere in Fischleiber steckt, Tiere in den Boden pflanzt, Fleischlappen sich begatten . . . und walzige Gurken und fi­ ligrane Arabesken durcheinander kriechen läßt . . . Was da unten fieberhaft gearbeitet und an Symbolen ausgeknobelt wird, läßt sich gar nicht ahnen - Taucher dürfen höchstens mal am Rande einen Blick hineintun; zuweilen aber wirft die Salzflut ihre Präparate an den Strand, spült sie bis in die Kanäle der Hafenstädte, wo die Schiffer «ihr Garn spinnen« und wo einem Matrosen ein Endchen Krakenarm aus der Hosentasche baumelt. . .« (Mit diesen Vorstellungen trug ich mich lange, und ich nahm sie noch nach Amerika hinüber, wo sie mir ein litera­ rischer Taschendieb entwendete . . .) Die Ungeheuer sterben aus aber die Symbole überle­ ben . . .; und der Rest ist Literatur . . . Denn die Symbole, mit denen die Wirklichkeit sich mas­ kiert, sich tätowiert, uns entsetzt, uns angeilt, uns verhetzt, sind unsern Sinnen eingeboren wie unsern Organen die An­ fälligkeiten für bestimmte Krankheiten. Diese Veranlagung äußert sich besonders kraß im Wahnbild eines Künstlers, im Sprachbild eines Schriftstellers (dem Grade seiner Origi­

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ACHTES KAPITEL

nalität entsprechend besonders heftig) - dergestalt, daß alle Gestalten, die ihn je verfolgen, die ihn je verführen werden, aus dem Fundus der von ihm erfundenen, erdichteten Per­ sonen kommen werden; oder daß er Landschaften, Milieus und Zeitläufte wird durchwandern müssen, die in der Vor­ stellung sich ihm schon prä-natal eingebildet hatten; und daß er einmal eines Todes stirbt, der sich auf seinen letzten Seufzer reimt. Vielleicht - da vielleicht das Wort im Anfang aller Wahr­ heit ist - vielleicht rührt von da die Tröstung her, die Beru­ higung, die das Kunstwerk auf unser Gemüt ausübt; es löst die uns unerträgliche Spannung zwischen dem Himmel und der Hölle, die Ungewißheit des Schicksals, die Gewißheit des Todes in einem Gleichnis. Die Dichtung - und damit überzeugt sie uns - ist die ein­ zig glaubwürdige Reportage über jenen Zwischenfall im Nichts, den wir Dasein nennen, - der einzige Bericht, in dem Ereignis und Ausdruck sich decken. Denn nicht der Schriftsteller wählt sich sein Stoffgebiet, sein Fatum wählt es ihm aus . . . »Obgleich ich oft unter die Seeschriftstellei gerechnet wurde«, schrieb Joseph Conrad, »hatte ich immer die Emp­ findung, weder auf diesem noch irgendeinem anderen Ge­ biet Spezialist zu sein. Es ist wahr: Mein Leben ist ein See­ mannsleben gewesen. Es gehörte mir und füllte mich aus. Als meine Träume die Wendung ins Geistige nahmen (Calderon sagt: »Das Leben ist ein Traum«), war es meine Ver­ gangenheit, die mit der Kraft des Erlebten zu einem be­ trächtlichen Teil in mein Werk einging. Sie war eine der Quellen geworden, die ich, da mir ein besseres Wort dafür fehlt, meine Inspirationen nennen möchte - Teil jener in­ neren Kräfte, die meine Feder in Bewegung setzen . . .«

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MEINES VATERS BIBLIOTHEK

Zur Welt gekommen war Joseph Conrad (Theodor Josef Konrad Korzeniowski) in der Ukraine als Sohn eines intel­ lektuellen Rädelsführers der polnischen Nationalpartei, der eines Nachts von den Soldaten des Zaren Alexander II. ver­ schleppt wurde. Als Waise wuchs Joseph Conrad bei einem reichen Onkel auf. Aber das war nicht seine Vergangenheit. Sein Fatum - seiner Inspiration höchste Instanz - hatte ihm eine andere zudiktiert, nicht die eines polnischen Freiheits­ kämpfers, sondern die eines hervorragenden englischen Seeroman- und Tropen-Romanciers. Als die Wandlung über den Geist seiner Träume kam, entlief er - siebzehnjährig in Marseille zur See, wurde ein Master in »The British Merchant Marine« und ein Patriot der -Sieben Weltmeere«; er steuerte »zu mysteriösen Küsten, wo eine heimtückische Nemesis auf der Lauer lag«, so lange, bis ein englischer Pas­ sagier Erster Klasse - in Weltreisen, Welterfolgen erfahrener Schriftsteller: Galsworthy - ihn entdeckte; worauf er sei­ nen Dienst quittierte, das Bücherschreiben zu seinem See­ mannshobby wählte und sich in England und in der engli­ schen Sprache niederließ; aber zeitlebens von ihr angefrem­ det, bepflanzte er sie mit exotischen Sprachblüten und brachte immer Menschenwracks mit, seine gescheiterten Schiffs- und Kolonialkumpane: einen halbkrepierten, deli­ rierenden, Ungetümen Nigger; zwei in Afrika auf »Vorpo­ sten des Fortschritts« verrückt gewordene Buchhalter; den blinden, abgetakelten Kapitän eines chinesischen Frachters voll Konterbande und Malayen-Ladung, der bloß noch im Schlepptau der Küstentransporte lavierte; den Auswurf der von Tropenkoller, Tropenbrunst infizierten Weißen und Farbigen des Fernen Ostens. Er brüskierte so nicht nur die landesübliche Kritik, sondern auch seinen besten Freund und Spracherzieher Madox Ford und schockierte seine eng­ lische Gemahlin, die es ihm bis übers Grab in ihren Memoi­

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ACHTES KAPITEL

ren nachgetragen haben, daß er sich in der englischen Spra­ che nie akklimatisiert hatte; daß er in gehobener Stimmung französisch parlierte, — in seinen Malariaausbrüchen pol­ nisch fluchte . . . Conrad - der Seefahrer - legte die Passion Arthur Rimbauds in umgekehrter Richtung zurück: heimkehrend von Höllenfahrten zu »siderischen Archipelen«, stürzte er sich in das Abenteuer der europäischen Literatur. Ein Geisterkapitän meuternder Seelen, brachte er den Fluch des »Fliegenden Holländers« über die Bücher - so auch über die Bibliothek meines Vaters, die in der Barbaren­ sintflut untergehen sollte. Und den Ereignissen vorausgreifend, flechte ich eine Epi­ sode aus Marseille - seinem Ausfahrthafen, dem Todesha­ fen Rimbauds - ein, wohin sich später das landlos und spra­ chenlos gewordene Europa flüchten mußte. In einer Mi­ stralsturmnacht des Zweiten Weltkrieges hatte ich mich von einer Flieger-Alarmverdunkelung auf der »Canebiere« überraschen lassen und im ständigen Davonrennen vor den Kopf- und Ausweisjägern von Vichy-Frankreich in »Snappy's Bar«, unsern bewährten Unterschlupf, gerettet, den ich voller Seevolk fand; und als ich dort schon gewohnheitsmä­ ßig nach der nächsten Ausreise eines Totenschiffes fragte, das manchmal für schlechtes Geld und demütige Worte ei­ nen von uns als Schattenpassagier mitnahm, verwies mich ein Matrose — ein wahrer Stevenson-Brigant — an einen »Master of the English Merchant Marine«, der unter fal­ scher Flagge segelte — an einen hochwüchsigen, hochfah­ renden, spitzbärtigen Kapitän-, der frappant Joseph Conrad ähnelte (soweit ich das im verrauchten Dustern erkennen konnte) und der mich auf mein Anliegen hin vom Scheitel

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MEINES VATERS BIBLIOTHEK

bis zur Sohle aufs Komma genau examinierte, doch so teil­ nahmsvoll zugleich, daß ich schon Hoffnung schöpfte . . . Da brummte über die Schulter ihm ein mächtiger vollbärti­ ger Seebär in einer meerestiefen Stimme zu, deren Schall ich nicht vergessen werde: »Heuern Sie bloß keinen schiefäugi­ gen, braunäugigen, hohläugigen Burschen an! Einen, der zum Spintisieren neigt! Einen, der sich mit dem Phaedon im Kopfe einschiffen will. Vor so einem hüten Sie sich!« Und ohne zu begreifen, was er meinte, verstand ich, daß es wieder einmal nichts war, und machte kehrt und schlich mich hinaus aus »Snappy's Bar« und ging weiter betteln vor allen Türen überseeischer Konsulate um ein Visum, bis ich auf Umwegen über die West-Indies in einer »Manhattan Public Library« strandete; und dort machte ich die Entdekkung, daß die Warnung an den Doppelgänger Conrads in »Snappy's Bar« ein Zitat war aus dem »Moby Dick« Her­ man Melville's, aus dem »Jona«-Kapitel dieser amerikani­ schen Leviathan-Bibel. Ob Conrad je Melville gelesen hat, ich weiß es nicht. Doch künstlerische Inspirationen übertragen sich zuweilen tele­ pathisch . . . Und Conrad kreuzte in den gleichen Schick­ salsgewässern unter den gleichen Taifunen, die Melville in die Wildnis des Ich-Selbst verschlagen hatten; auf Melvil­ le's längst wieder zugewachsenen Fährten drang er ins In­ nere - in Melville's stets wieder sich schließende »Sinnen­ welt, wo der Irrwanderer verwunderter um sich staunen mag als des Conquistadores Balbao Banden in den Goldlich­ tungen der Azteken . . .«. Gleich Jona war auch Melville ein »god-fugitive«, ein Gottesflüchtling (wie sein Pfarrer den New-England-Walfi­ schern predigte); und auch Melville entging nicht dem

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ACHTES KAPITEL

schwarzen Rachen des weißen Spermfisches, der ihn aus­ spie - dem größten Zwittermonstrum der Schöpfung - und nicht seinem Auftrag, davon zu berichten: in der ungeheu­ erlichsten Erzählung des XIX. Jahrhunderts, das dieser so­ wenig Gehör schenkte wie Niniveh dem Worte des Prophe­ ten. Der Walfisch des Jona wie der Moby Dick sind gar keine richtigen Walfische; sie stellen in Wirklichkeit etwas ganz anderes vor, - nämlich Gleichnisse, da Gott so im Prophe­ ten ist, wie der Prophet im Walfisch. Und so war auch Ishmael, der Schiffsmaat der »Pequod«, zugleich ihr Captain Ahab, der ausfuhr, um sein Fatum zu harpunieren: den »Moby Dick»; und - zugleich und gewaltiger als sie alle: Herman Melville, ihr Autor. Und so erwies auch der Marquis de Sade an den beiden Schwesternmonstren der Liebe: der Tugend und dem Laster Gottes erbarmungslose Gnade - und zugleich die UberMenschen-Moral des vollendeten Libertin. Justine, ou les Malheurs de la Vertu Juliette, ou les Prosperites du Vice

waren seine Kreaturen, sein Werk, über das Er allein, ihr Au­ tor, verfügte: gerichtet oder gerettet! - wie über Gretchen im Kerker der Johann Wolfgang Goethe, der seinem treuen Eckermann anvertraute: »Faust und Mephisto — das bin ei­ gentlich ich.« Wie Dostojewskij zugleich Raskolnikow, der Raubmörderstudent aus Edelmut, war — und der heilige »Idiot« - und ein teufelsbesessener Doppelagent der OcHRANA-Geheimpolizei und der »Allrussischen Weltrevo­ lution« (»In jedem von uns steckt ein Brandstifter«). (»Nazis und Kommunisten sind feindliche Brüder, aber sie sind Kinder des gleichen Verbrechens«, schrieb Thomas Mann, platterdings dostojewskanisch.) 187

MEINES VATERS BIBLIOTHEK

Doch was sind wir, die Doppelgänger all dieser Buchexi­ stenzen . . .? Was sind wir? Hieroglyphen? Das Alpha und Omega, aus denen ein anonymer Verfasser uns zu Subjek­ ten, Objekten, Beiwörtern, Zeitwörtern zusammenbuch­ stabiert hat? Letzte Seufzer eines Gekreuzigten oder das Amen der Hölle? Dionysische Zoten? Mythologische Ka­ lauer? Traum-Automaten, -tomaten und Traumata? Ge­ lehrter Leerlauf, ein endloser Endmonolog wie der »Ulys­ ses« des James Joyce: »Belegexemplare: nach Ihrem Tode zu senden an sämtli­ che großen Bibliotheken der Erde, einschließlich Alexan­ dria . . . Damit sie in ein paar tausend Jahren jemand nach­ lesen muß, ein mahamanvantara. Ganz wie ein Pico della Mirandola! Ach, ganz wie ein Walfisch! Wenn einer nach­ liest, die seltsamen Seiten, die einer einst schrieb, ist er auf eins gleich eins mit einem, der einst. . .«

»Und sollte mich nicht jammern solch einer großen Stadt«, sprach zu seinem Propheten Jona vor Niniveh der Jahwe Elohim, der doch Sodom und Gomorrha nicht verschont hatte, »sollte mich nicht jammern solch einer großen Stadt, darin sind mehr als 120 000 Menschen, die nicht Unter­ schied wissen, was Rechts und Links ist - dazu auch Tie­ re! . . .« Aber Gott führe besser dabei, wenn er einmal den Prophe­ ten Lügen strafte - wenn er, einmal, nicht gleich seinem Worte die Strafe auf dem Fuße folgen ließe und dem Dichter recht gäbe; wenn er, statt seinen abstrakten Willen durch­ zusetzen, die konkrete Vorstellung ausführt; wenn er, statt das Unrecht mitsamt der Unschuld, die Lüge mitsamt der Dichtung, statt zugleich mit dem ganzen Schund auch die seltenen Talente zu zerstören, sich im letzten Augenblick

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ACHTES KAPITEL

seiner Ewigkeit eines Besseren besänne; wenn er, statt nach dem Paragraphen der historischen Gesetze die Ehre toter Vorfahren und das Wohlergehen der Ungeborenen zu ver­ fechten, unser Recht aufs Leben anerkennen würde . . . Ja, der göttliche Autor einer höllischen Komödie, der zu­ gleich der Moral-Kritiker seiner eigenen Kreaturen ist - also ein minderwertiger Dichter - täte gut daran, von Zeit zu Zeit das Verfahren zu vertagen und unsem Verteidigern, unsern advocatis diaboli, Diabolikern, Schwarzsehern und Phantasten zu gestatten, ihre Plädoyers vorzubereiten und uns Angeklagten eine kurze Frist und Bedenkzeit zu geben wie dem Volk von Niniveh - wie der Cafe-Boheme des XIX. Jahrhunderts, so daß wir Einsicht nehmen können in die Anklageakten - wie ich in meines Vaters Bibliothek. Ausgeleert, Kiste um Kiste - Pandorabüchse des NachDenkers Epimetheus (mit einem trüben Bodensatz Hoff­ nung) - spukte ihr Inhalt auf den abgeschrubbten Dielen, dem ungemachten Hotelbett, dem rußigen Fensterbrett in der Lesegruft meines Wiener Voruntersuchungsexils. Krypta-Reliquien von Dichtung und Lüge - Shakes­ peare-Apotheke, Moliere-Maskenverleih, »Alice’s Wonderland«; »Lilliput« oder »Brobdignac« — je nach dem Größen­ verhältnis zwischen Hybris- und Inferioritätskomplexen. »La Citä morte« Dantes - sein Florenz, das er auf Ewig­ keit in die Sündenpfuhlgruben (bolle) und zur Unsterblich­ keit in seine »Terza rime« verdammt hatte wie Daniel Defoe sein London in seinem fingierten »Journal of a Plague«, um an der doppelten Buchführung einer Krämerseele nach­ zuweisen, daß jede Mischsorte von Rang und Stand: - Hefe, Handwerk, Handel, Obrigkeit, Hochadel - der vierfachen Apokalypse (Krieg, Hunger, Pest und Tod) ausgeliefert, gleichartig - wie eine gefräßige, krepierende Ratte - verroht, verbiestert, verrottet . . .; und wann und wo immer:

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- in einem Dostojewskij-»Unterwelts«-K.Z., - in einer Swedenborg-Strindberg-»Kothölle«, - in einem Joris-K.-Huysmans-»Ld-bas« der Obszönitä­ ten, - in einer H.-G.-Wells-Factory, »wo der neue Mensch in der Mache ist«, - auf einer Parteigaleere - einem Totenschiff Deportier­ ter .. .

Und gerettet aus dem »Untergang des Abendlandes«, ver­ armter als »Sindbad der Tausend-und-eine-Nacht-See/ahrer«, zerlumpter als »Robinson Crusoe«, in ausgeborgten Übersetzungskleidem; ausgeplündert bis aufs letzte Buch, ein Newcomer am anderen Ufer des Okeanos, laßt mich wenn es noch Leserherzen gibt - auf den Stufen unter dem Portikus einer Eurer »Mainstreet-Public-Libraries« ver­ schnaufen, etwas freien Atem schöpfen, bevor ich fortfah­ re .. . Denn ich habe einsehen gelernt, daß meine Gegenwart, daß meine Zukunft von den Büchern erblich belastet ist und bleiben wird; daß ich ihrer so wenig mich erwehren kann wie der Menschen, die ich liebte, verehrte, die mich anöde­ ten, angrausten, peinigten, obwohl meines Vaters Biblio­ thek - mein letztes Zuhause - genau so wie die Kapuziner­ gruft der letzten Habsburger, wie die Gräber der 1848er, wie die Boheme, die Liberte Frankreichs (der ich ewige Treue schwor und die mich betrog), wie das Tausendjährige Reich, das sie allesamt und sich zum Henker holte, längst dahin sind, so wie es rasch die Gegenwärtigen sein werden; denn aus Büchern kamen sie her und zu Büchern werden sie wer­ den - uns so unverständlich wie wir einer rein hypotheti­ schen Nachleserschaft. Laßt mich inzwischen - es eilt! zurückblättern, um weiter zu können auf einer vergebli­ chen Suche nach der verlorenen Zeit. . . 190

Zweiter Teil Die veruntreute Bibliothek

Neuntes Kapitel "Kritik der reinen Vernunft« Sibirischer Wettereinbruch und rotes Schneesturm-Epos Kantianer mit Schwert und Beil Begegnung mit dem Geist der Bibliothek Ein deutscher Danton: Toller

Die sechzehnbändige blütenweiß faserige Ausgabe von Prousts »A la Recherche du Temps Perdu« war das letzte gewesen, womit ich die väterliche Büchersammlung ergänzt hatte, zu der ich erst wieder im Wiener Exil gelang­ te. Nichts nämlich, was mich als Besitz hätte behelligen können, hatte ich in der Zwischenzeit freiwilliger Heimat­ losigkeit geduldet; was mir sonst an neuerer Literatur un­ tergekommen war, geschenkt oder manchmal nur geliehen — alles, was man gelesen haben mußte, hatte sich in Hotel­ schränken, auf Pensionskaminen, in Eisenbahngepäcknet­ zen verzettelt. Es beanspruchte ungefähr eine Woche, um das ursprüng­ liche Bibliotheksmosaik wieder zusammenzusetzen; und oft mußte ich mein optisches Gedächtnis zu Hilfe nehmen, dort wo sich meine Kenntnis auf ein Weinrotsamt oder ei­ nen gold gebräunten Ganzlederrücken beschränkte. Denn hatte sich mein Vater über die stereotype Frage einfältiger

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DIE VERUNTREUTE BIBLIOTHEK

Besucher: »Ach, Herr Redakteur, und haben Sie das alles ge­ lesen?» oft mokiert, so hatte er sich doch — im Gegensatz zu mir - insgeheim rühmen dürfen, von allem etwas zu wissen, von Goethes »Farbenlehre« und der Philosophie des »Alsob», von einem »vierten Aggregatzustand» bis zu Du Boys Reymonds »Ignorabismus«. Sobald das Ganze fertig war und drei Wände bedeckte, schien es mir, als ich abends zurückkehrend die Stehlampe einschaltete, ein mächtiges Pentagramm und andere Ne­ kromantenmuster zu formen, um Verstorbene damit zu zi­ tieren - anheimelnd und unheimlich zugleich. Mir war zumute, als träte ich erst jetzt die Erbschaft an; als wäre ich wieder in dem Sterbezimmer, aus dem man eben den Toten hinausgetragen hatte, während sein ver­ flüchtigtes Ich nun allen Gegenständen anhaftete - der ein­ getunkten, noch tintenfeuchten Feder, aufgeschlagenen Büchern, deren Seiten sich noch langsam nachblätterten; als hätte ich gerade zuvor die dem Sterbenden aus der Hand gefallene schwielige Schwarte-das Original 1781 von Kants »Kritik der reinen Vernunft«, das »Ding an sich» in seiner empirischen Urform - vom Teppich aufgeklaubt und in sein Fach zurückgestellt, so über den Tod hinaus pedantisch, wie mein Vater mich erzogen hatte. Denn damals, als er mitten in einem Satz daraus sich vio­ lett verfärbt hatte und mit entseelter Schwere mir in die Arme getaumelt war - in jenem Sekunden-Ewigkeitsbruchteil, mit dem alle seine Bücher an mich fielen, war ich wie ein Zauberlehrling zurückgeblieben, dem der Hexer wohl sein Gerät hinterlassen hat; aber den wirksamen Zauber hat er mit sich ins Jenseits genommen. Die Schwurformel, die ich aus dem Schlafe konnte, laute­ te: Bildung! - das »Sesam, öffne Dich!» zu der Schatzhöhle, wo der Stein der Weisen oder die »Leuchtende Materie», das

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kosmische Strahlendiadem der Trinität, das pure Mehrwertsgold des Sozialismus sich befand und Macht über alle Naturkräfte und Gewalt über alle Menschennatur verlieh; und die Aladin-Wunderlampe der Wissenschaft, die ich nur blankzuputzen brauchte, und der Geist eines Buches würde mir mit Rat und Trost zur Seite stehen. Doch im Todesjahre meines Vaters waren die Geister alle mobilisiert; alle Lehr- und Lesestätten in Vorschulen der Mordwissenschaft und in Lazarette transformiert; die Pro­ fessoren zu Instruktionsfeldwebeln avanciert, die uns als akademisches Kanonenfutter an die Oberste Heeresleitung ablieferten. Nach Absolvierung der Heeresdienst-Exerzi­ tien - der gründlichsten Pädagogik zur Aberziehung des Nachdenkens und Widersprechens - hatte ich meine ganze Hoffnung auf die Niederlage der Tradition gesetzt. Zur Bibliothek kehrte ich nicht mehr zurück . . . Ich schaute sie mir nur besuchsweise an wie das andere verwitwete Mobiliar in der Berliner Wohnung meiner Mut­ ter, das noch auf demselben Fleck stand; und meine literari­ sche Fortbildung, meine »education sentimentale«, betrieb ich in den Zirkuszelten und Panoptiken der Rummelplätze, auf den Schutthalden und auf den Schrottfeldern, in den submarinen Matrosenkneipen und den unterweltlichen Nachtlokalen der entlassenen »Frontschweine«, deren Poe­ sie die deftigen Gassenhauer und strammen Waden einer larmoyanten Chansonette sind; bei den Poeten der Militär­ baracken- und Latrinenwände, die Kraftausdrücke aus­ spien, daß ein Shakespeare sich danach gebückt, - und Re­ frains im Suffe grölten, die ein Kipling aufgegriffen hätte; und in den Kellermeetings der »Roten Illegalen«, wo das hungrige Pack den Partei-Ruf des Leitwolfes nachbellte. Es war, als hätte sich in einer titanischen Bombenexplo­ sion das Publikum - wie aus dem Erdboden gestampft -

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vermillionenfacht, anschwellend ohne Unterlaß aus De­ monstrantenzügen von der Straße, unübersehbar flutend schwarz gestaut bis an die Wolgaufer und die Abhänge des Ural; und Kopf an Kopf: die »Masse Mensch» Ernst Tollers, Alexander Bloks »Schiefäugige, gieräugige Skythenstäm­ me«, Isaak Babels »Budjonnij-Reiterei», Majakowskis »Würgeengelbataillone« , deren stampfende Synkopen wie Applaussalven knallten - Sphären-Jazzmusik in den Ohren erfolgshöriger, junger Schriftsteller. Der sibirische Wettereinbruch aus der bolschewistischen Literatur - aus dem roten Schneesturm-Epos der »Zwölf» von Alexander Blök (von dem er selbst als dreizehnter ver­ schüttet wurde) - hatte zur Folge, daß die Nachkriegsdich­ ter, zumal die Deutschen, sich in alle Massenversammlun­ gen hineindrängten, daß sie, um sich einzuheizen, das Tempo ihrer Sprachgymnastiken immer keuchender über­ hasteten und daß der Hauch ihrer Muse stark nach Wodka roch. Dagegen hielt der Wall, den mir mein Vater Band für Band aufgemauert hatte, längst nicht mehr stand; und nichts von dem, was die neuen Autoren produzierten, paßte mehr im Format in die Breschen. Die neue vitale oder staatsbiologi­ sche Philosophie schien die Risse in der positivistischen, pragmatischen Materie nur noch zu erweitern, und die Zie­ gel der exakten Wissenschaften, der Atom-Physik, hagelten dem Laien, der sich unbefugt unter ihr Schutzdach flüchten wollte, auf den Schädel. Aber vom Winter-Anfang 1933 an, als auch Deutschland total vereiste und die Luft schon über ganz Europa durchfro­ stete und den Nächten den Schlaf und den Atem raubte, so daß die Entkommenen in der Fremde bei jedem Krachen im Holze nächtlich zähneklappernd aus den Betten auffuhren, hatte ich mir oft ersehnt:

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Wären die Bücher doch wieder um mich, und wärmten sie doch meine Seele an! Und mein Heimweh nach ihnen wuchs seit jenem Mor­ gen, als ich aus der Heimat einen jener läppisch chiffrierten Briefe erhielt, der die Roheitsdelikte der Schreckensord­ nung zu bagatellisieren suchte: >>. . . gestern hatten wir noch spät abends Besuch, der sehr ungehalten war, Dich nicht anzutreffen. Es ging recht ausgelassen zu, so daß wir heute früh uns sehr plagen muß­ ten, um die Scherben und die Möbelfetzen und die Biblio­ thek Deines seligen Vaters wieder zusammenzuräu­ men.« Und sobald mich der Dichter Camill Hoffmann, PresseAttache der Berliner tschechoslowakischen Gesandtschaft, exterritorialer Diplomat im Hakenkreuz-Reich, hatte ver­ ständigen lassen, daß er dem Hauptbestand meiner Biblio­ thek zur Flucht verhülfen hätte - so wie er es unter größerer Gefahr für eine Reihe Geächteter gewagt hatte -, ging ich zu jeder Ankunft des Orientexpresses Berlin-Wien-Buda­ pest-Konstantinopel auf den Wiener Westbahnhof, täglich zweimal, als erwartete auch ich wie die übrige Menge die Ankunft eines glücklich entronnenen Angehörigen. Die Bedrücktheit der Isolierung auf der abbröckelnden deutschen Sprachinsel Österreich wich auch wirklich von mir, als die Bücher wieder zu mir sprechen konnten. Und anfangs bestürmte ich sie mit Fragen, vor allem die allwis­ senden des XIX. Jahrhunderts. Aber je häufiger ich das ver­ suchte, um so deutlicher wurde mir, daß vielmehr ich ihnen Rede und Antwort zu stehen hatte . . . . . . Wie hatte es so weit kommen können - mit den Söh­ nen, die inzwischen selber Väter geworden waren? (Helden­ väter und Bücherschreiber.) An bedrohlichen Frühdiagnosen hatte es ja nicht gefehlt (die mein Vater sich - und für mich angekreuzt hatte): 197

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An Heines Warnung vor der romantischen deutschen Phi­ losophie: »Lächelt nicht über den Rat eines Träumers . . . wenn Ihr es einst krachen hört, wie es noch nie in der Welt­ geschichte gekracht hat!« Aber daran hatten sich weder die Loreley-Deutschen noch die lächelnden Franzosen ge­ kehrt. Und: »Es werden Kantianer zum Vorschein kommen, die auch in der Erscheinungswelt von keiner Pietät etwas wissen wollen und erbarmungslos mit Schwert und Beil den Bo­ den unseres europäischen Lebens durchwühlen, um auch die letzten Wurzeln der Vergangenheit auszurotten. Es werden bewaffnete Fichteaner auf den Schauplatz treten, die in ihrem Willensfanatismus weder durch Furcht noch durch Eigennutz zu bändigen sind; denn sie leben im Gei­ ste, sie trotzen der Materie . . . Doch noch schrecklicher als alles wären Naturphilosophen, die handelnd eingriffen in eine neue deutsche Revolution und sich mit dem Zerstö­ rungswerk selbst identifizieren würden . . .« »Der Fall Wagner«, der doch bei Nietzsche mit allen mu­ sikaipathologischen Symptomen der »Alldeutschen Infek­ tion« beschrieben stand . . . Und auch bei seinem Kollegen von der Universität Basel, Jacob Burckhardt (Professor für Kulturgeschichte der An­ tike und Renaissance): daß »die Zustände Europas einst über Nacht plötzlich in eine Art Schnellfäule überschlagen könnten, mit plötzlicher Todesschwäche der jetzigen, scheinbar erhaltenden Kräf­ te . . .« Und bei Dostojewskij auf Grund seiner Beobachtungen an der russischen Seele (und seiner eigenen): daß »Tyrannei zur Gewohnheit wird und dann zur Krank­ heit . . . Blut berauscht, und das Gemüt wird den schlimm­

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sten Abnormitäten zugänglich; und das kann so ausarten, daß diese wie das reinste Vergnügen erscheinen. Die Gele­ genheit zu derartigen Ausschweifungen infiziert manch­ mal ein ganzes Volk. Die gute Gesellschaft verachtet zwar den staatlich besoldeten Henker, aber nicht den, der die uneingeschränkte Vollmacht besitzt. . .« Es waren außerdem einige Zeitgenossen meines Vaters noch am Leben, die ebenfalls alles vorausgewußt hatten, nämlich das Debakel, und also noch weiterschrieben und weiterprophezeiten und gar nicht bemerkten, daß es schon passiert war; ja, indem sie einen Kompromiß mit ihm schlossen, bildeten sie das traurigste Kapitel darin, wie jener hegeldeutsche Universalgelehrte Spengler, der schon vor dem Ersten Weltkrieg die Konjunktur gewittert hatte, »Ge­ schichte vorauszubestimmenFür das, was einer ist, haben seine Eltern die Kosten be­ zahle . . J Oder habt Ihr verlorenen Söhne noch etwas anderes -auf dem Herzen«, wie man zu sagen pflegt . . .?« Ja, das haben wir. In dieser gespensterhaften Mitternacht,

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allein zu zweit mit Deiner Bibliothek voller Hexenfibeln, voll gelehrter Zauberschmöker, voll seraphischer Porno­ graphien, mesmerischer Massensuggestionen bleibt mir nichts als das Einmaleins des Alphabetes - anders gesagt: meine literarische Eitelkeit, um aufzuschreiben, was wir noch auf dem Herzen haben. Der sowjetrussische Partisanensänger Alexander Blök . . . ich muß wieder zitieren: unsere Geister gegen Euren Geist; aber woher nähme ich sonst die Vollmacht, in unser aller Namen mich zu äußern; auch Blök hatte, was ich erst später erfuhr, etwas auf dem Herzen - einen dunklen Punkt in sei­ nem dichterischen, vorrevolutionären Dasein: seine Jugendverse »Auf eine Wunderschöne Dame«. Und in diesen stehen ein paar Schlußzeilen, die sogar noch in der stump­ fen Übersetzung eine scharfe zweischneidige Selbstanzeige verraten: »Es war mir bestimmt, Sie im Himmel zu lieben, nur, um Sie auf der Erde zu betrügen . . .«

Also klipp und klar sein Geständnis, daß er ein Verräter war . . . Und danach konnte es keinen überraschen, wenn er rückfällig wurde und auch seine zweite, die irdische Gelieb­ te, die Partei hinterging - mit der universellen, der ewigen Geliebten im Himmel . . .; mit ihr, die ihn in seiner Un­ schuld verdorben, mit der er sich in seinen ersten Versen öf­ fentlich gebrüstet hatte, bevor er sie für eine stramme Zu­ kunftsillusion aus dem Volk hatte sitzen lassen. Aber konnte ihm seine Jugendliebe noch verziehen wer­ den, weil er sich da bloß an einer »Wunderschönen Dame«, also an der depravierten Bourgeoisie vergangen hatte, so gab

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es für ihn keine Absolution mehr nach seinem Gelübde­ bruch am Zentralkomitee der gesamten Arbeiterklasse. Der Vorwurf: »Du hast mich betrogen!«, der auf den Lip­ pen einer Frau so gefährlich werden kann, falls man ihn nicht durch eine Zärtlichkeit entkräftet, wird aus dem Mundstück einer Freiheitsmaske zur mörderischen De­ nunziation: Er hat Hochverrat an der Idee begangen! Dem politischen Vogelfreien steht keine Heilige Stätte offen; denn die nackte Gewalt, der nichts heilig ist außer sie sich selbst, hat alle Altäre abreißen lassen — und auch den der »Reinen Kunst«, den die Kirche noch respektiert hatte. Keinen Schlaf wird er mehr finden. Unausweichlich werden eines Nachts Fäuste an die Zuflucht seiner Träume trom­ meln, werden ihn hinausschleifen und an einer feuchten Mauer in einer morgenschmutzigen Pfütze Stück für Stück entkleiden: seiner Ideale, seiner Ehre, seines Lebens . . . Wie Flaubert sagte: »Es gibt Ehrungen, die entehren.«

Ehrgeiz und Lebenswille sind voneinander nicht zu tren­ nen. Der Sauerstoff der Ehre nährt die Lebensflamme und darin den Funken Ich, solange dieser nicht im Brande einer Liebe auflodert, nicht in einem schwelenden Haß sich rauchvergiftet, in der Stickluft eines Kerkers, eines Massen­ lagers erlischt oder in ehrabschneidenden Verhören ab­ stirbt. So abgefeimt war noch kein Verbrecher, daß er nicht sei­ nen Ehrenstandpunkt mit Zähnen und Klauen verteidigt hätte, daß er nicht verbockt bis zuletzt wie ein stendhalischer Julien Sorel in der Mörderzelle geprotzt hätte: »Hier bin ich in Einzelhaft; aber kein Einzelfall auf Erden; denn, zu Recht oder Unrecht gehorchte ich meinem mächtigen Pflichtbewußtsein!«

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Denn kein gewöhnlicher Sterblicher ist frei von seinem Ehrgeiz; und eher läßt er sich unschuldig zum Tod verurtei­ len, ehe er ein Haarbreit von seinem Ehrenstandpunkt seiner Pflicht, zu Recht oder zu Unrecht - abweicht. Nur die Neunmal-Weisen, die Säulenheiligen, die sich je­ des Besitzes bis auf ihr »cogito, ergo sum« entäußern, die jede keimende Begierde in sich abgetrieben haben, die in Höhen, wo das Ich verkrüppelt, über Gut und Böse meditie­ ren, haben auch die Eitelkeit völlig abgetötet - oder jeden­ falls bilden sie sich das ein. Aber was wir alle, groß und klein, genial oder ein wenig ta­ lentiert, noch »auf dem Herzen haben», ist die Eitelkeit denn wie wäre ohne sie ein Kunstwerk je vollendet, in Töne gesetzt, aus dem Stein gemeißelt, auf Holz und Leinwand gemalt oder zu Papier gebracht worden . . .; Wäre die Vani­ tas nicht stärker als der Thanatos, nie wäre Orpheus aus dem Hades, nie Dante aus dem »Inferno« zurückgekehrt, nie Dostojewskij aus dem »Totenhaus« entronnen, um es zu schildern,- nie wäre Marcel Proust hinsiechend im Kran­ kenzimmer zu einem Schriftsteller geworden - nur da­ durch, daß er sich täglich eine Dosis Ehrgeiz sozusagen mit der Nadel eines Grammophons einimpfte, das unablässig wiederholte: »Du wirst den Prix Goncourt bekommen! Du wirst den Prix Goncourt bekommen!» (Und die Verleihung des »Prix Goncourt» wurde in der Tat auch dann seine letzte Ölung.) Und wäre die Eitelkeit eines Autors nicht eine gewalti­ gere Triebfeder als selbst der Eros, nie hätte Shakespeare seine »Dark Lady«, nie hätte Francois Villon seine »Dicke Margot«, nicht Alexander Blök seine »Wunderschöne Dame« für uns verewigt und veröffentlicht - und wir hätten uns nie zu einer heimlichen Liebe dichterisch bekannt.

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Selbst ein so asketischer Denker wie Pascal konnte nicht ohne den Beifall von «mindestens drei oder vier Personen« auskommen. Es ist auch gar nichts dagegen zu sagen, daß ein Schriftsteller sich der Eitelkeit verschreibt, solange er im Bannkreis seines Metiers bleibt und seinen künstleri­ schen Hochmut wahrt, solange er sie nicht an Machtwüst­ linge, an Militärkasinos oder politische Bordells verkuppelt. Denn ihr einmal erregtes Geltungsbedürfnis wird ihn teuer zu stehen kommen, weil sie sich dann für jeden Staatsgigolo und Caudillo schön macht und ihre Nachthemdchen jedem Pöbelgeschmack zuliebe so skrupellos wechselt wie die Charaktere ihrer Verehrer. Es ist deswegen auch ebenso unpassend wie unergiebig, in den Biographien und nachgelassenen Schriften nachzu­ schnüffeln, wie die «Wunderschöne Dame« eines Dichters von Natur beschaffen war, da sie, wie immer er sie be­ schrieb, nur ein Wunschbild blieb.

Ob wie Dantes Beatrice: »Und darauf himmelswärts wieder wendete sie ihr Antlitz.«

Oder wie Baudelaires »Promesses d’un Visage«:

». . . vom Nabel bis zum Popo. . .« Was immer man von ihr aufdeckt, ist die Rückenansicht ei­ ner vollendeten Eitelkeit. Erzähle mir nicht, Ihr hättet sie nicht gekannt! Jedes Eu­ rer Bücher bezeugt es. Ihr verschwiegt sie nur aus falscher künstlerischer Prüderie; und wer bei der Eitelkeit Glück hatte, den habt Ihr als »dekadent« abgestempelt.

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Ich schlage die erste beste, eine x-beliebige Literaturge­ schichte auf: Decadents = Anhänger einer Schule, die aus Frankreich kam; Hauptvertreter: Baudelaire, Verlaine, Rimbaud. Mal­ larme (auch Symbolistes genannt); von Oscar Wilde nach England eingeführt. . .

Eitelkeit! Wunderliche Göttin! Ihre fruchtbarsten Epochen heißen in der Geschichte: Dekadenz; dagegen in ihren hysterischen Perioden, wenn sie die kostbarsten Einrichtungen der Zivilisation in Scher­ ben schlägt, wird sie zum Prestige der Nationen, dem man die geistigen Schöpfungen und den lebendigen Nachwuchs zum Opfer bringt. »Ich möchte einmal wissen, für wen eigentlich alle die Taten getan worden sind, von denen man öffentlich be­ hauptet, sie seien für das Vaterland getan worden . . er­ kundigte sich der bucklige (also militäruntaugliche) klassi­ sche Aphoristiker Georg Christoph Lichtenberg. Für die Eitelkeit! wäre wohl die richtige Antwort. Ihr macht jeder etwas vor, der für die Galerie betet, eine Fahne hochhält, mit dem Säbel rasselt und sich dabei auf das »Urteil der Geschichte«, die »Kritik der Nachwelt« beruft. Wir, die Nachwelt, müssen das ganze Theater wieder miter­ leben - von Anfang bis zu Ende; demselben idiotischen Pa­ thos, demselben hahnebüchenen Schmierenkomödianten­ tum applaudieren. Aber: »Der Mensch, der eine Rolle in einem Drama der Ge­ schichte spielt«, sagte Tolstoj, »begreift nie die Bedeutung des Stückes. Und wenn er sich anmaßt, sie zu erfassen, wird er impotent.« 226

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Nein, kein Programmheld hat die blasseste Vorstellung, was die menschliche Tragödie mit ihm im Schilde führt und welche Wirkung sie mit ihm, wenn er ins Grab abtritt, bei der Nachwelt erzielen will. . . Kein Akteur weiß, ob er in der Versenkung verschwinden wird oder ein tragendes, zen­ trales Schicksal personifizierte. Einer, dem das Dach über dem Kopf zusammenstürzt, wird verröcheln, ohne zu erfahren: Hat eine feindliche Bombensättigung die ganze Stadt zerstört - zerschellt der Planet in einem Zusammenprall mit andern Himmelskör­ pern - oder ist bloß der Gasofen in seiner Stube explo­ diert? Genauso wenig lassen sich die Literatur der Gegenwart und die schriftlichen Äußerungen in extremis mitbetroffe­ ner Kollegen objektiv überprüfen: ihr Größenverhältnis zu einer solchen Katastrophe wie der unsern, in der wir, nun schon ein halbes Menschenalter lang, noch mittendrin stecken. - Die menschliche, allzu menschliche Schwäche unserer Eitelkeit verleitet uns dazu, daß wir, überwältigt von der kolossalen Aktualität, uns im Format vergreifen; daß wir das ungeheuerliche Thema eines Krieges, einer Re­ volution mit dem Kaliber unseres Talentes verwechseln. Nichts gerät so kümmerlich, als was im Rausch einer Hur­ rastimmung gezeugt wurde . . . Die nervöse Betriebsamkeit, die alle »Räte Geistiger Arbeiter«, »Sturmbrigaden der Poesie« und »Lyrischen Fachschaften« entfalteten, waren nur die Symptome einer Herzerweiterung des Ehrbegriffes, einer kollektiven Über­ spanntheit der Eitelkeit und der »unergründlichen Wirk­ lichkeit meiner selbst«. Aber welcher Literat traut sich noch, seine Herzens­ schwäche einzugestehen, über Privatgefühle zu klagen? 227

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Eher vernachlässigt er die wunderschönste Dame seines Herzens, ja, seinen Stil, als daß er auf einen Kotilionorden der neuesten politischen Maskerade verzichtete; und eher verheimlicht er, was er auf dem Herzen hat - seine echte Liebe, seine wahre Eitelkeit - bis zuletzt, bis er nicht mehr weiter kann und so zusammenbricht wie der Don Juan der Masse, Wladimir Majakowski, - der Sprachathlet, der »Die Tausend Straßen« an seine Brust preßte: »Ich bin Dein! Oh, Planetarisches Proletariat!«

Und der - als Paradenummer eines Diktaturzirkus total ausgenutzt, von den galonnierten Manege-Lakaien herum­ gestoßen, von den Stallknechten der Presse angespuckt, zum Hanswurst, zum Lückenbüßer herabbefördert - bevor er Hand an sich legt, der Wahrheit die Ehre gibt und auf ein paar Zettel kritzelt: »Lili, liebe mich!« »Towaritsch Regierung! Meine Familie ist Lili . . .!« »Wie man so sagt: die Akten sind geschlossen Der Nachen der Liebe zerschellte gegen die Lebensflut. . . Ich bin quitt mit dem Dasein . . . Da drunten, wo die Welt sich in den Tundren verliert und der Sturm des Arktischen Meeres dahintreibt. . . in meine Ketten werde ich noch den Namen Lili mit meinen Nägeln kratzen, und noch in der Finsternis des Bagno diese Ketten küssen . . .« 228

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In einer Hinsicht steht es mit Selbstmörderbriefen ähnlich wie mit Gedichten: die wirklichen Motive werden nur in den seltensten Fällen richtig gedeutet, weil oft der Schreiber sich genauso wie die andern täuscht. Und so bleibt es ungewiß, ob das Bagno in den letzten Zei­ len dieses Dichters poetisch gemeint war, oder ob er sich tatsächlich davon bedroht fühlte . . . »Aber!« meldet sich mir wieder der Büchergeist des ande­ ren Jahrhunderts . . . »Tragisch: gewiß, gewiß! Aber wer sich der Literatur verschreibt, muß auch das auf sich neh­ men - wie ein Arzt, dem es ja auch geschehen kann, daß er einmal in eine Pest hinein muß (Ce sont les risques du metier). Büchner - er war ja auch Arzt, Gehimarzt - ist in die Revolution und Konterrevolution hineingegangen; hat die Reaktion studiert im Zentralnervensystem der Fische, der subalternen Fanatiker und Klein-Despoten, den Blutrausch der Soldateska und eines schwachsinnigen Soldaten, der aus Eifersucht mordete - statt aus Vaterlandsliebe,- und der Ja­ kobiner, der »Polizeisoldaten des Himmels«, wie Büchners Danton Robespierre anredet. Und Zola! — »Seine Kröte, die man täglich frühstücken muß, bis einem vor nichts mehr graust, vor keiner Diffamation.« Auch »La Liberte« hat ihre blutigen Perioden - und Krankheiten, venerische, anstekkende . . . »Das ist so wenig ein Argument gegen sie« — steht irgendwo ungefähr so bei Lichtenberg - »wie die Syphilis gegen die Liebe. Das berührt doch nicht das Sinnbild des Zukunftsglaubens, der. . .« - der Berge von Vorurteilen versetzt. Bloß - je mehr er die Völker der Erde aufklärt, um so elender schaut sie im Fackellicht der Liberty aus. Und was man an ihr bewundert, ist das Mirakel der Technik, seitdem nationalökonomisch bewiesen wurde: es ist nichts dahinter! Freiheit wie Schönheit sind an sich fauler Zauber, taugen zu gar nichts, sofern sie nicht für politische Propa­

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ganda Nacktmodell sitzen, für das Klassenbewußtsein und Unterbewußte, für das Führer-Ich und das Unter-Wir {»die Reihen fest geschlossen«] »Giovinezza, giovinezza!« - »Evviva il Duce!« und »Du, Stiefvater der Hirse«, der »launi­ schen Steppentochter«, und ihres »Armen B. B.«.

»Und des Sowjetvolkes großer Ernteleiter Nannte die Hirse ein verwildert Kind . . . Helft der Geduldigen, Helft der Bescheidenen, Helft der kräftigen Guten Nährerin!« Und für die »Reine Rasse«: »Aus den Nahtlinien des Organismus stößt die Erbmasse ans Licht«, wie sich unser Geschlechtsarzt und poeta laureatus des Expressionismus sowie auch des National-Sozialismus ausdrückte. In diesem Moment fiel etwas aus der Buchgeisterhand der Bibliothek zu Boden.

»Von den Portes maudits,

dem Vers Libre und den freien Rhythmen« Erläutert und frei übersetzt von Sigmar Mehring

1912

Ja! sagte ich und bückte mich. Ja, das waren einmal unsere Vorbilder! Und das hat mir damals enorm imponiert. Ich

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hatte auf die letzte Umschlagseite ein paar Strophen ge­ klebt; diese hier aus dem Alterswerk des größten (»Ameri­ can democracy«) Anti-Poeten . . . Walt Whitman, der »sich selber und den modernen Menschen sang«:

»Repondez! Repondez!... Let Death be inaugurated! Let nothing but copies at second hand be peimitted to exist upon earth! Let the earth desert God, nor let there ever henceforth be mention’d the name of God! Let there be money, business, imports, exports, custom, authority, precedents, pallor, dyspepsia, smut, ignorance, Let the shadows be furnished with genitals! Let the substance be deprived of genitals . . .!« »Respondete! Respondete! Lasset den Tod seinen Einzug halten! - auf daß nichts mehr auf Erden erscheinen dürfe als verramschte Plagiate Lasset die Erde desertieren von Gott! - Sein Name sei nicht mehr genannt! Machet, daß da sei: money - business - Import und Export - Einfuhr- und Ausfuhrzoll - Autorität Priorität - Morbidität - Vorschrift, dyspepsia (schlechte Verdauung) - Unrat — Unkenntnis/Un-Glaube! Versorgt die Schatten mit Genitalien - und kastriert die Substanz!« *

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Moderner gedichtet: eine »creation« der »second hand poetry«, hervorgegan­ gen aus der Nachschöpferhandpresse als: -Der Letzte Mo­ derne (Walt-Whitman-)Mensch« - ein Schatten mit Genitalien und eine kastrierte Mate­ rie / Pocketbook-Edition der - let's say: »Demiurgos G • M • B • H«, eingeleitet mit einem autorisierten Nachdruck aus dem sokratischen Dialog »Eupalinos ou LArchitecte« par Paul Valery:

»Der Demiurg verfolgte Absichten, die seine Kreaturen nichts angehen . . . Der Kummer, der aus eben diesem Zwiespalt geboren wird, kümmerte ihn nicht. Ergab jedem von Euch etwas, wovon jeder leben, ja vieles, was jeder so­ gar genießen könnte, allerdings nicht immer, worauf jeder gerade Lust hat. . . Aber nach dem Demiurg komme Ich. Auch mich kann er ein paarmal beschwindeln; und wir werden eine Menge Ruinen erleben. Aber auch ein einge­ stürzter Bau hat seine Vorzüge: man kann ihn als Vorstufe zum Allerschönsten betrachten.«* Ja, was nach Eurem Demiurgos gekommen ist, war Eupa­ linos, der Architekt, dem es auf einige Ruinen - nämlich die Zertrümmerung der ganzen europäischen Zivilisation nicht ankam und der die Schutt- und Knochenhaufen als bloße Stufen seines Aufstieges zum Tempel seiner Schön­ heitsillusion benutzt. Dieser Eupalinos entwirft seine Aufbaupläne jedem Bo­ den der Tatsachen angemessen und passend für alle schein­ bar so heterogenen, materialistischen Religionen - als »Tie­ fenschicht-Ingenieur der Seele« und als »konstruktiver Demolierer der Formalistik« und als »Zukunftsbaumeister des Chaos«. 232

ZEHNTES KAPITEL

Ich führe wörtlich seine Titel an, die ihm unsere Dikta­ turarchitekten verliehen haben, wenn sie bei ihm eine Schreckensfassade bestellten, um dahinter ihre scheußlich­ ste Maitresse zu verbergen: die Furcht. Unser Sünden-Anatom Sigmund Freud, in Deiner Biblio­ thek vertreten mit einer Sexualanalyse des Witzes, hat spä­ ter diese Gemütsverfassung auf ein »Unbehagen in der Kul­ tur« zurückgeführt. . . »Die Schicksalsfrage der Menschheit«, erklärte er, »scheint mir zu sein, ob und in welchem Maße es ihrer Kulturentwicklung gelingen wird, der Störung des Zu­ sammenlebens durch den menschlichen Aggressions- und Selbstvernichtungstrieb Herr zu werden. In diesem Bezug verdient vielleicht gerade die gegenwärtige Zeit ein beson­ deres Interesse. Die Menschen haben es jetzt in der Beherr­ schung der Naturtriebe so weit gebracht, daß sie es mit de­ ren Hilfe leicht haben, einander bis auf den letzten Mann auszurotten. Sie wissen das, daher ein gut Stück ihrer ge­ genwärtigen Unruhe, ihres Unglückes, ihrer Angststim­ mung. Und nun ist zu erwarten, daß die andere der beiden »himmlischen Mächte*, der ewige Eros, eine Anstrengung machen wird, um sich im Kampf mit seinem ebenso un­ sterblichen Gegner zu behaupten . . .« Aber wie riesenhaft die Angststimmung schon gewach­ sen ist, verrät selbst dieser furchtlose Moralritter, indem er die »himmlischen Mächte« vorsichtshalber in Anführungs­ striche einkastelte. Denn im Greisenalter kamen ihm Be­ denken an seiner Libido, ob sie nicht in Todesangst tieferen Dämonentrieben ja sagen würde. (Und noch gerade, um Haaresbreite, ist er den Gewaltakten - aus Wien - entkom­ men. Und den Sieg der anderen Himmelsmacht, des Ewigen Eros, hat er nicht mehr erlebt, so wenig wie ich ihn noch er­ leben werde . . . Doch davon später . . .)

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Du wolltest aber wissen, auf welcher Seite der Barrikade ich heute stehe . . . Nun, in diesem nun längst über dreißigjäh­ rigen Glaubenskriege zwischen den Aggressions- und Selbstvemichtungstrieben schwört unsere Literatur teils auf die Eucharistie des Marxismus, die da sagt, daß auf ihre Sakramente nur Anspruch hat, wer an den historischen Ma­ terialismus und die Partei glaubt - teils schwört sie auf die Freudsche Psychoanalyse: die Sakramente seien nichts als »nuda et inania symbola«. Beide, Marx und Freud, obwohl beide Bücherschreiber, haben den Literaten die Absolution verweigert. »Sie (die Schriftsteller)«, dozierte Freud, »sind an die Be­ dingung gebunden, intellektuelle und ästhetische Lust so­ wie bestimmte Gefühlswirkungen zu erzielen, und darum können sie den Stoff der Realität nicht unverändert las­ sen.« Marx wie Freud verargten Künsten den Spiel-Trieb. In den staatsvergottenden Volkskirchen treibt man ihn ihnen aus - wie Teufelsbesessenen; in den »Freud-Tempeln« behan­ delt man sie als armselige Gemütskranke. Unsere empfindlichste Einbuße ist aber gerade der Hu­ morverlust. Der Unschuld seines Humors entledigt, irrt der zensurbeschnittene Literat wie ein stimmbrüchiger Chor­ knabe in den Komplexen der Sozial- und Sexualnot um­ her. Und um dem zu entkommen, bestiegen Hugo Ball [»Auf der Flucht aus der Zeit«], Hans Arp, Tristan Tzara, Richard Huelsenbeck simultan das »DaDa-Schaukelpferd«. Und aus dieser Bewegung wurde noch ein humorschwacher Sprößling gezeugt, dessen Geburt Louis Aragon in seinem Roman picaresque »Le Paysan de Paris« vaterstolz anzeig­ te:

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ZEHNTES KAPITEL

»Ich verkünde der Welt diese Neuigkeit erster Größe-, ein neues Laster erscheint; ein Schwindel mehr überfällt den Menschen: der »SURREALISMUS*,

Sohn des Wahnwitzes und des Schattens (de la Frenesie et de l'Ombre).«

Und da ich diesen (Apollinaire-)Zwitter noch in der Krippe sah (denn sie stand von Ochsen, Eseln kritisch beschnup­ pert im »Cafe zum letzten Europäer«), möchte ich, bevor auch diese Reminiszenzen in die Einbandsärge zurückmüs­ sen, noch eben die Novelle einer anders gefährlichen Lieb­ schaft skizzieren. Sie spielte um die Zeit, als an Bord des »Trunkenen Schiffes: Montparnasse« der Ruf erscholl: »Der große Proust ist tot!« (Und einige Passagiere behaupteten, deutlich verstanden zu haben: - Der Große Pan ist tot!) Wie dem auch sei: Als dieser Unheilstag sich wieder jährte - ich war im Begriff, wie allabendlich, am waldfinste­ ren Pariser »Jardin du Luxembourg« entlang den Montpar­ nasse zu ersteigen — fand ich beim Ausgehen im Hotelentree eine Drucksache in der Post. Sie entpuppte sich als eine Neuerscheinung, »De Proust ä Dada« betitelt, mit einer Widmung auf dem Vorblatt: »Hommage de l’Auteur«, - und der Autor war jener anrü­ chige Proust-Freund, der uns Gästen die Todesanzeige brühwarm aufgetischt hatte. Und beim ersten Blick in die noch unaufgeschnittene Broschüre stolperte ich über den Namen gerade desjenigen

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Dadaisten, der mich ihm vorgestellt hatte, und las: »Nicht nur seine Denkart ist gefährlich, sondern auch seine Per­ sönlichkeit. Gide, der ihn gut kennt, erbleicht, wenn er sei­ nen Namen hört, und ahnt genau, was für scheußliche Dinge da passieren würden, wenn diese Überspanntheit zur Tat würde.« Wie immer beim ersten Tauwetter waren die Cafehaus­ terrassen des Montparnasse über die Ufer der Bordschwel­ len getreten und überschwemmten den Straßendamm. Am Anstieg der Rue Vavin sah ich bereits über mir das Geflatter der Nachtschwärmer vom »Dome«, »La coupole«, »La Rotonde» - ganz verblüfft, daß ich schon so weit war; so sehr hatte mich auf dem Hinweg die boshafte Verdächtigung meines dadaistischen Kollegen irritiert, den ich aller Wahr­ scheinlichkeit nach doch am gewohnten Stammtisch an­ treffen sollte . . . Und tatsächlich, nachdem ich mich durch das schnat­ ternde Tischgeflügel des »Cafe Select» zum Keller durchge­ drängt hatte, bemerkte ich ihn gleich in unserm Kreis, von wo er mir leutselig zerstreut zuwinkte, um spornstreichs weiter, mit geschwollenem Kamm wie ein gallischer Kampfhahn, auf seinen Opponenten einzuhacken. Das Streitobjekt - wie ich bald erkannte - war Andre Gide, dessen »Nietzscheanischen Immoralismus» er zer­ rupfte und an dem er nichts übrig ließ als »die schäbige Hypocrisie eines verschämten Jansenisten«. »Päderasten und Lustknaben sonntags frei», krähte er, »Mörder zahlen die Hälfte. Es darf nichts kosten. Sogar die Freiheit möchte er umsonst haben. Dieser bigotte Liberti­ ner, der sich immer für seine Knabenliebschaften nach einer väterlichen Rückendeckung umsieht; dies entwurzelte normannische Muttersöhnchen ...» »Aber kein Polizeichef-Bastard», murmelte ein spani­

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ZEHNTES KAPITEL

scher Gideaner laut genug für alle, die etwas über die Her­ kunft des Dadaisten gehört hatten. »A propos Immoralismus«, näselte ein monokelbewaffneter blonder Hüne, in­ dem er ein Buch aus der Aktentasche zückte, »kennen Sie, meine Herren, die 'Ungewöhnlichen Abenteuer des Julio Jurenitod Kolossal! Ein Volltreffer, sage ich Ihnen. Mal alle aufpassen!« »Julio Jurenito«, rezitierte er mit gutturalem Akzent, »lehrte uns die Gegenwart hassen; und damit dieser Haß stark und mächtig sei, öffnete er vor unseren erstaunten Blicken ein wenig die Tür, die zum großen unvermeidlichen Morgen führt . . . Na, ist das nicht unser Nietzsche in Rein­ kultur?« »Jawohl! Sogar der furor teutonicus!« bemerkte der Spa­ nier. »Ich war unlängst in Berlin. In diesem Stiljargon brül­ len sich Eure hysterischen Bühnenhelden heiser. . . >Von Morgens bis Mitternachts* - so hieß ein Stück, das ich sah, und wo es zuging wie auf dem Exerzierplatz eines preußi­ schen Irrenhauses, stark und mächtig; oder wie Ihr sagt: ge­ ballt und gestellt - mit einem Modeausdruck Eurer Infla­ tionspoesie ... So wird man von jedem Wasserstoffsuper­ oxyd-Gretchen Eurer Nackttanz-Dielen angeredet . . . Blut und Boden - oder Kokain und Hakenkreuz . . .« »Fehlgeschossen!« ereiferte sich der Hüne und fuchtelte mit dem Buche. »Also sprach Zarathustra - ach, näh! wollte sagen: Also sprach ein Russe . . . Aber: >Ihr werdet nie unsere energische und schwärmerische, intensive und maßlose Seele ergründen, die uns eine Form des Innern auf­ zuzwingen vermocht hat«, um es glasklar mit einem unserer Stefan-George-Jünger auszudrücken . . . Man muß als Deutscher geboren sein, der am Kriege gelitten hat - oder

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man muß ein Julio Jurenito sein, um die tiefen Scherze un­ seres Hasses zu kapieren. Mal alle herhören: >furenito, der Meister, er würde vor allen Gerichtshöfen der Welt, vor dem Revolutionstribunal der UdSSR und vor den weisesten Marabus von Zentralafrika als ein Verräter, als ein Lügner und als der ideelle Urheber zahlloser Verbrechen dastehen . . .
In der nächsten Zukunft findet vor einem verehrlichen Publico die feierliche Ausrottung des Jüdischen Volkes zu Budapest, Kiew, Jaffa und Algier statt. . .< Prima, Primissima! Was? Davon kann sich Euer Dadais­ mus, wie er gebacken und gebraten ist, noch eine Scheibe abschneiden. Das reicht schon fast an unsere -Neue Deut­ sche Sachlichkeit- heran, an unsere letzte literarische Er­ rungenschaft. Eines solchen Erlebnisses ist freilich nur die germanisch-faustische Seele fähig - oder die russisch-karamasowische . . .« »Sie sind wieder einmal hereingefallen!« mokierte sich ein schmächtiger, schwarzlockiger Bohemien. »Ihr so be­ wunderter Autor ist Jude und hat das bitter ironisch ge­ meint . . .« »Jud oder Germane!« entgegnete jovial der Siegfried, sein Monokel putzend, »rein künstlerisch machen wir keine

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ZEHNTES KAPITEL

Rassenunterschiede, wenn es um die Sache geht. . . >Ich nehme das Gute, wo ich es findeJurenito< gehört... Da kommt er selber . . .«

Die Erwartung, die dem persönlichen Erscheinen eines namhaften Schriftstellers, falls man ihn nur aus seinen Bü­ chern kannte, vorausgeht, ähnelt dem Gruseln vor einem berühmten Gespenst der Weltgeschichte, das sich in einer spiritistischen Seance beim Tischrücken manifestieren soll. Ja, je kritischer man ihm entgegensieht, um so klein­ lauter fühlt man sich werden. Ich hatte, glaubte ich, eine sehr genaue Vorstellung von der Persönlichkeit dieses Autors und seines Julio Jurenito, da beide für mich ein und derselbe waren; außerdem hatte ich vorher schon eine Menge Details über sein Privatleben in den Cafes des Montparnasse gesammelt. Denn viele Be­ sucher dort erinnerten sich seiner noch aus Zeiten, als er im Gefolge des bartumwallten Symbolisten Francis Jammes des »bekehrten Faunes«, wie ihn Gide apostrophiert hatte dem Katholizismus sich hingegeben, ja in ein Kloster hatte eintreten wollen; als er beim Ausbruch des Ersten Welt­ krieges schleunigst zu Väterchen Zar und unter die Rock­ schöße von »Mütterchen Rußland« mit patriotischen Ver­ sen geeilt war; wie er dann - in den Oktobertagen der »pro­ letarischen Machtergreifung«, 1917, von den Bolschewiki gefangen worden, doch dank einem zum Roten General avancierten Kollegen (Leo Trotzki!) amnestiert worden war

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- sich den »Serapionsbriidern« angeschlossen hatte, und wie er, als diese in den Verruf »menschewistisch-konterrevolutionärer Umtriebe« gerieten, wieder am Montparnasse aufgetaucht war. In einem Winkel des damaligen »Tabac du Dome« hatte er die »Abenteuer des Julio Jurenito« ausgeheckt, eines me­ xikanischen (voltairischen) Zadig, der alle modernen Menschheitsbeglücker-Staatssysteme ad absurdum führte; mit besonderer rancune aber im Schlußkapitel den Kom­ munismus der Sowjet-Union, wo man »aus den Köpfen aller Faulenzer, Träumer und Speichellecker die Illusion der Freiheit herausgeohrfeigt hat. . .« Augenblicklich galt er hier als ein Protege des ausgespro­ chen russophilen Andre Gide. Die Diskussion am Stammtisch stockte, während er, von zwei Damen begleitet, die Kellertreppe des »Cafes Select« hinunterstieg, Stufe für Stufe, in kurzen Schrittchen eines tattrigen älteren Herrn - einen dicken Wollschal trotz der lauen Abendluft um den gebeugten Nacken und bis um das unrasierte Kinn gewickelt, darauf mit den fünf Fingern sei­ ner Rechten seine graumelierte Mähne kämmte, jeden von uns mit der Frechheit eines bösartigen Burschen fixierte und auf Russisch etwas äußerte, was die Damen zum La­ chen brachte. »Gestatten Sie: Karl Schmidt!« sagte der Blondling, in­ dem er aufsprang und die Hacken zusammenknallte. »Hie­ siger Vorsitzender des -Vereines Deutscher Jurenito-VerehrerennuiEs gibt Men­ schen, die unglücklich sind, nur, weil sie sind.« Auch der junge Russe Wolodja kränkelt um das Jahr 1930 an der Sinn­ losigkeit des Daseins ... Er versagt vor einer Welt, die wirk­ lich einen Sinn, ein Ziel, einen Glauben hat. Wolodjas schwermütige Einsamkeit wird dadurch furchtbar ver­ schärft, daß ihm, wie er selbst fühlt, nicht mehr die bor­ nierte Sattheit gegenübersteht, sondern eine echte Glau­ bensgemeinschaft, deren Glieder an den >Co-Opers< und an den Martinsöfen schaffen - «wie man« (hier spricht der Dich­ ter des Romanes) in alten Zeiten Mädchen umarmte oder zu Gott betete! . . .echte< Kranke wie . . . Simulanten; Hysterie auf der Höhe.« 267

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Und mit Beihilfe einer »Wunderkur» heilt er tatsächlich den schwersten Fall: die hysterische Blindheit des Gefreiten A. H., nicht aber das Massenmord-Heil, das sein Patient auf der Höhe der Hysterie über sein Volk brachte. Und ob zufällig oder nicht - ob von Dr. Brzk so gemeint oder nur implicite prophezeit - beiden hatte ich in natura begegnen müssen: dem Heil-Simulanten - und dem Arzt, den er als Augenzeugen der Wunderkur in der »Nacht der langen Messer» (des fingierten »Röhm-Putsches«) hatte umlegen lassen; was allerdings im Roman nicht vorkommt; auch nicht jene grause Pariser Exilepisode, als im »Cafe Royale» jener Psychiater, damals Professor an der Universi­ tät Jena, die verhängnisvollen Akten des Lazaretts Pasewalk den Mitarbeitern des »Neuen Tagebuchs«-. Leopold Schwarzschild, Joseph Roth, Emst Weiß und mir hochverrä­ terisch enthüllte. Und nun, in der letzten, entscheidenden Mitternacht, als durch die Porte de Vincennes die Elefantenpanzer der A.H.-Wehrmacht einrückten, und wir, Hertha Pauli und ich, schon fluchtbereit im Hotel de l'Univers-Entree mit unse­ ren Rucksäcken standen, stand Ernst Weiß vor uns, zum Mitkommen nicht zu bewegen, und machte wortlos verbit­ tert kehrtum - ich werde es mir nie mehr verzeihen - in seine Verlassenheit, verschrieb sich ein tödlich dosiertes Schlafmittel, schnitt sich die Pulsadern auf in der Bade­ wanne - zur Seelenauswanderung seines selbstgewählten Karma. »Neben jeder Wachbiographie», bemerkte einmal der Prager Essayist Willy Haas, »müßte eigentlich eine Traum­ biographie stehen.» Nun ist aber jede Biographie (und jede Autobiographie) authentisch nur bis zum Grade eines nach­ erzählten Traumes, den das wache Ich ja in einen anderen Zeitablauf und eine andere Raumdimension verlegen muß.

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ZWÖLFTES KAPITEL

Traum-Autobiographien waren Kafkas Romane, und daher Fragmente. »K.« (dem Landvermesser) schien es oft ein Kampf mit den Zimmern ... - ein »Schloß«, das ortsiden­ tisch ist mit dem »Wachsenden Schloß« in Strindbergs »Traumspielen«. Willy Haas erkannte Kafka - nicht nur, weil er ihm nahegestanden hatte, sondern weil er sich in Prag auskannte — und ließ sich in seiner Wachkritik durch nichts beschummeln; nicht durch den Hokuspokus der xtausend Feuilletons über Kafka (»phänomenologisch«, »empiriokritizistisch« - »als solcher« gedeutet) einer Man­ hattan-Cafesociety, einer Berliner-Kurfürstendamm(»Verwechsel-das-Sexchen«-)Elite, die sich mit KafkaCocktails, Kafka-Marijuana beduselt. Mit Kafka, Kafka, Kafka - bis ins Unlesbare. Autobiographisch waren die Ich-Arzt-Romane von Ernst Weiß {»Georg Letham, Arzt und Mörder«]-, die stalinomanen Kolportagen des »Rasenden Reporters« (und HaSek Kafka - Willy Haas - Franz Werfel - Kollegen) Egon Er­ win Kisch; seine absurdeste: sein Staatsbegräbnis auf einem Volksheldenfriedhof im sowjetrussifizierten Prag, über das er nicht mehr berichten durfte. Autobiographisch Franz Werfels »Abituriententag« und, im übertragenen Sinne, sein »Veruntreuter Himmel« und sein »Lied der Bernadette«. Im Unheilswaffenstillstandssommer (A. D. 1940), verirrt auf der Flucht kreuz und quer durch Vichy-Frankreich, tra­ fen wir, Hertha und ich, in einer Steilgasse des gott- und menschenverlassenen Wallfahrtsortes Lourdes, ihn am Arm seiner (und anderer Genies) Gemahlin Alma MahlerWerfel - gerade, nachdem er vor der mit Schutzbrettern ver­ schalten Wundergrotte der kleinen Provinz-Heiligen Ber­ nadette Soubirous all sein Talent niedergelegt, sie um Ver­ gebung seiner poetischen Jugendsünden, seines Irrglaubens an Emil Zola, ihres Verleumders, gebeten hatte. 269

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Und sie ist ihm drei Male erschienen, half ihm trockenen Fußes übers Meer nach Amerika, erhob seinen Roman auf die »Book ofthe month«-Bestsellerliste und schüttete über ihn die fabelhaften Höchsthonorare der »Motion Pictures« Hollywoods aus, um ihn nach dem letzten Federstrich sei­ nes Nachlaß-oeuvre »Stern der Ungeborenen«, einer pragerischen Astrologen-Utopie von seiner Wiedergeburt auf ei­ ner technokratisch-jüdisch-katholisch regierten Erde, in ihr besseres Jenseits abzuberufen - durch eine Herzembolie. Sein Prager Landsmann und Poeten-Pate, Rainer Maria Rilke, war schon 1926 auf einem Geisterschloß verblichen an Leukämie, dem Leiden, das »der verborgene schuldige Flußgott des Blutes« verhängt. Doch das gehört in ein andres Kapitel . . .

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Dreizehntes Kapitel Heldenromanze mit »Har/enfule«-Liedem Sturm im Tintenfaß Etüden in fremder Mundart und >■ Kulturelle BlutschandeVon Riesenfriedhöfen und gekrönter Schamlosigkeit Im Orden der Trunkenbolde zur Beichte beim »Heiligen TrinkerDer Höllensturz der Bibliothek Ausgeplünderte Bildungsopfer und verstreutes Gedankengut im toten Brunnen Seelen-Wüsten-Wanderung

»Reiten. Reiten. Reiten. Durch den Tag. Durch die Nacht. Durch den Tag...« Prompt wie eine Spieldose, die beim öffnen Händels »Harmonious Blacksmith« spielt, - unvermeidlich beim Antritt jeder Reise klimpern mir im Schädel die Anfangs­ sätze der »Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke«, die sein Nachfahr Rainer Maria auf seinen Ahnherrn aus dem Dreißigjährigen Kriege angestimmt hatte. Unvermeidlich - bei dem Namen Rilke - tänzelt ein ger­ tenschlankes Mädchen mit einer herbstbraunrötlichen Pa­ genfrisur auf das Kabarettpodium meiner Erinnerungen und zwitschert Robert Burns' »My heart’s in the Highland, my heart is not here . . .« und meines toten Freundes Kiabunds »Harfenjule«-Lieder und »Reiten. Reiten. Reiten. Durch den Tag. Durch die Nacht. Durch den Tag. . .« In grauen Friedenszeiten, in denen Rilke noch als ein schwächlicher Neutöner mißachtet wurde, war seine Hel­

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denromanze so populär wie ein Soldatengassenhauer. Ja, hätte er nicht mehr geschrieben als diese mozartistisch-militärische Prosa-Melodie, er wäre - trotz seiner slawisch­ französischen »Blutmischung« - im Regensburger Walhalla als Gipsbüste der Deutschen Poesie aufgestellt wor­ den . . . »Reiten. Reiten. Reiten. Durch den Tag. Durch die Nacht. Durch den Tag. . .« Doch, hol mich der Teufel! Ich hab vergessen, wie es wei­ tergeht, obwohl ich das mit einem Griff in die Bibliothek feststellen könnte, denn dort steht natürlich ein Exemplar in einem beblümten Unterwäsche-Einband der preziösen »Insel-Bücherei« [neben Rilkes Adaptationen seiner geisti­ gen Milchbrüder Andre Gide und Paul Valery . . Und unvermeidlich sehe ich Rilke, wenn ich an ihn zu­ rückdenke, die Treppe des windschiefen, dunkelgebeizten »Hotel Foyot« - an der Ecke der Rue de Tournon im Pariser Quartier Latin - in eben dieser Kadenz herabsteigen; ich sehe ihn, wie er sich unter den Topfpalmen im überglasten Foyer dieses einstigen Absteigequartiers der Bourbonenari­ stokratie - sein Seehundsbärtchen zupfend - ermattet aus­ ruht. Und ich begleite ihn - wie alltäglich - auf seinem Morgenspaziergang durch den diesigen »Jardin de Luxem­ bourg«, wo er, etwa anderthalb Zentimeter über dem Al­ leenboden schwebend, vor jeder Königinnenstatue pau­ sierte und diese versteinerte »Chronique scandaleuse« merkte er an - lorgnettierend kommentierte. Er war während seines letzten Aufenthaltes in Paris - wo er in seiner Jugend als schlecht entlohnter, en Canaille be­ handelter Sekretär bei dem Bildhauer Auguste Rodin ge­ dient hatte, wo er nun von den Weltdamen des Faubourg St. Germain auf einem Piedestal angeschmachtet wurde - fah­ ler und poröser schon als wetterverwitterter Sandstein.

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DREIZEHNTES KAPITEL

Und sobald er seinem Blutverfail erlegen war, pries sich jede der Damen (und zumal die Rotblondinen), die je ein Billetdoux von ihm empfangen hatte, glücklich, daß wenig­ stens doch sie ihm die höchste irdische Seligkeit gewährt hätte. Übrigens waren seine Briefe immer im Billetdoux-Stil ge­ halten; auch der folgende, an mich gerichtete, der sich auf das öffentliche Ärgernis bezog, das Rilkes letzte Liebschaft - sein allzu intimes Verhältnis mit der französischen Spra­ che - bei der tschechisch-deutschen Hinterwäldler-Minori­ tät hervorgerufen hatte:

»Mein lieber Heu Mehring. Die höchst überflüssige und törichte Angelegenheit, in der Sie mir so spontan zum Beistand geworden sind, fängt an, sich nach ihren Voraussetzungen zu ergänzen: eine Schweizer Freundin schickt mir soeben diese Stimmen, zwei (angreifende), beide aus Deutschböhmen, soweit ich begreife, und die dritte verständige der Prager Presse, die jene andern auf das rechte Maß verweist. . . Quelle tempete dans l’encrier! Welch Sturm im Tintenfaß! Ich beeile mich, Ihnen diese Stimmen zu schicken, damit Sie alles Material kennen und soweit als möglich die Herkunft der ganzen Erregung, die über mich fort sich ausnützen möch­ te, überschauen können . . . Lebhaften Dank und Händedruck

Ihr Rilke.«

Ich lag gerade mit einer heftigen Grippe zu Bett, war also zur Polemik aufgelegt. Temperaturen über 39 Grad erhöhen

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überdies die poetischen Impulse so heftig, wie man derer nur in frühester Kindheit fähig gewesen.

Eine Woche zuvor war Rilke auf der Türschwelle meines Hotelzimmers (Rue de Vaugirard, also in seiner Nachbar­ schaft) erschienen, hatte sich zu mir ans Bett gesetzt und mir an vertraut: »Ich hatte da unlängst halb zum Spiel eines meiner Ge­ dichte ins Französische übertragen. Und da empfand ich die französische Sprache als ein ganz neues Instrument ... als ob ich nie vorher etwas geschrieben hätte. Ich schrieb nun dieses direkt französisch. Wollen Sie es hören . . .?« Und mehr in pragerischem Fiedelton als in französischem Tonfall rezitierte er:

Chemins qui ne menent nulle part entre deux pres que l'on dirait avec art de leur but detournes. Dösig, im Aspirin-Dusel, mußte ich lächeln - nein, nicht über die Verse - über das Gedächtnisnachbild: den irrlichternden Rilke auf kunstvoll gewundenem Abweg zu unserm »kleinen Frühstück« in der Cremerie »Medicis« (dem Schauplatz einer Strindberg-Dichtertragödie »Verbrecher und Verbrechen«) . . . Man schmunzelt immer-etwas blöd und selbstgeniert - über einen jünglingshaften Verliebten. Ich ahnte aber nicht, wie ernst es um ihn stand. Das nächste Mal trat Rilke, zorngerötet trotz seiner Blut­ zersetzung, mit einem Packen Zeitungen unterm Arme ein: »Lesen Sie das! Für ein paar Etüden in fremder Mundart

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DREIZEHNTES KAPITEL

diffamiert man mich in meiner Muttersprache. Lesen Sie doch. Und vielleicht erteilen Sie an gegebener Stelle für mich die rechte Antwort. . .!« Ich überblätterte das Bündel: schäbig gedruckte, stereo­ typ wiederholte Schimpfereien - dick mit Blaustift von ihm angestrichen - hingeschludert in einem böhmischen Gren­ zer-Deutsch, das so falsch, so schmierig war wie seine ge­ heuchelt »nationale Entrüstung gegen die kulturelle Blut­ schande, die ein sich deutsch nennender Lyriker in Paris mit der Sprache des Erbfeindes treibt«. Es schien mir jeder Erwiderung unwürdig . . . »Eine höchst überflüssige und törichte Angelegenheit« . . und nicht im Fiebertraum ahnte ich, daß solch böhmisches Kauderwelsch eines Teutonen-»Talmuds« (»Mein Kampf«) einst zur deutschen Landessprache werden sollte . . . Aber Rilke war außer sich, aufbrausend wie ein Lieben­ der, dessen Herzallerliebste von ein paar dummen Lüm­ meln angeflegelt worden war. Er wütete — und ich schmun­ zelte über »diesen Sturm im Tintenfaß« schmieriger Win­ kelredaktionen; und darüber regte sich ein Rilke auf, den die erlauchte Poetin Anna Comtesse de Noailles in ihr »Coeur innombrable« geschlossen hatte, dem Andre Gide und seine Favoritenschar die Kur machten . . .! Ich begriff nicht; spürte nicht, wie verzweifelt es schon um uns alle stand; und daß sich da etwas Bösartigeres zu­ sammenbraute als ein Schmutz-Sturm im Tintenfaß; gei­ stiger Verrat und Unrat, der zum Olymp der Halbbildung stank; in einer Pandora-Konservenbüchse: die Zerstörungs­ lustseuche in Reinkultur - nach den modernsten, streng so­ zialwissenschaftlichen Experimenten hochgezüchtet - in Euthanasie-Sanatorien mit allem erdenklichen Zubehör; Rassenreinigungsbädern; kommunistischen Gehirnwä­ schereien; Purgatorien einer neuen Spanischen Inquisition,

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vor der sich so orthodox-katholische Gemüter entsetzten wie der Humanist Francois Mauriac; der Huysmans-Jünger Georges Bemanos: »Les Grands Cimetieres sous la Lune«

(Die Riesenfriedhöfe unterm Mond der mit Weihwasser und Benzin besprengten, lebendig verbrannten WiderstandsKetzer Mallorcas.) »Voyage au Bout de la Nuit« par Celine (alias Docteur De­ stouches, Armenspital-Assistenzarzt an der »Salpethere«); - Protokoll einer Forschungsreise durch die Weltkriegs­ schlachthöfe, die Börsenbusiness-Bordelle, die Heilanstal­ ten der Sexual- und Kolonialneurosen. Roman-Monolog der Selbstverzweiflung an der Menschlichkeit:

»11 faut choisir: mourir ou mentir. Je n’ai jamais pu me tuer, moi.« Eine, literarisch wie medizinisch betrachtet, summa-cumlaude-These der Schizophrenie, die in den Fortsetzungen: »Mort ä Credit». in einem Irrengelächter (»pour faire rire dans les tranchees«), in den »Bagatelles« eines billigen Ju­ denhasses endete.

Knut Hamsun, in den »Mysterien«: »Ein großer Dichter ist ein Mensch, der sich nicht schämt; der nicht im geringsten über den Humbug seines Berufes errötet.« Aber selbst eine «Nobelpreis-gekrönte Schamlosigkeit«,

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übersetzt in sämtliche Fremdsprachen, u. a. ins Nazideut­ sche, macht noch nicht einen genialischen Romancier zum »Großen Dichter«; selbst nicht zum Menschen das Misanthropie-Talent einen Louis-Ferdinand Celine mit seinen über zwei Seiten fettgedruckten Metaphern: ■•merde merde merde . . .« in infinitum . . .

»Reiten. Reiten. Reiten. Durch den Tag. Durch die Nacht. Durch den Tag. . .« Warum sage ich das in einem fort zwangsläufig wie einen Kling-Klang-Gloria-Ringelreihen auf, sobald ich irgendeine Reise an trete? Warum quält es mich, wie es weitergehen wird? ». . . Reiten. Reiten. Reiten.« Es galoppiert mir durch den Schädel - trochäisch - anapästisch . . . Eine rothaarige Hexe hoppelt am Stock über den Montparnasse ins »Cafe du Dome« . . . »Eine alte Liebe von Rilke . . .«, murmelt am Nebentisch jemand zu seinem Nachbarn hinüber. Dieser kreuzt den Zeige- und Mittelfinger gegen den bösen Blick. Und die Hexe besteigt ihren Krückstock und reitet mit einem Bün­ del »Erinnerungen an Rilke« über die Dächer zur »Nouvelle Revue Fran^aise«, rue Sebastien-Bottin . . .

Im Zimmer Rilkes des »Hotel Foyot« haust jetzt der öster­ reichische Romancier Joseph Roth - Rilke ähnelnd in der Musikalität des Stils, in der Zierlichkeit der Handschrift, in der Neigung zur religiösen Schwärmerei; auch ihm wächst ein Seehundsbärtchen; aber sein Gesicht trägt die gedun­ sene Silensmaske des Säufers, seit seine Frau - ein Wesen von beunruhigend sanfter Anmut - im Dunkel einer De­ mentia praecox verschwunden war. 277

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Tagsüber trinkt und schreibt er im Bistro gegenüber un­ unterbrochen Zug um Zug und Satz um Satz, am Fuße des Senates (des Medici-Schlosses). Bei Sonnenuntergang drängt sich um ihn sein Sprengel des Exils: altgläubige Re­ volutionäre, Autoren der im Mai 1935 verbrannten deut­ schen Literatur, bühnen- und sprachenlos gewordene Schauspieler und Schauspielerinnen, Ex-Minister, Ex-Pro­ fessoren, Ex-Militärs. Und immer neue - die Novizen gleichsam der Verbannung: Habsburger Legitimisten; ka­ tholische Geistliche, süddeutsche; dann spanisch-baski­ sche; Kriegsfreiwillige unterwegs zum spanischen »Frente populär« - streitbar und zerstritten, dünkelhaft und verbit­ tert, eifernd und eifersüchtig, Ahasvers und Beaux Brum­ meis des Exils, heulende Derwische und Hochstapler des Heimwehs, Helden und Münchhausens der Flucht; Ehe­ frauen und Freundinnen, deren Anhänglichkeit allen Heroenglanz der schändlichsten Misere überstrahlte; Bettelmönche der Einreisevisa- und Niemandslandvagabun­ den . . . Hadernd und intrigant, so beichteten sie ihre Nahrungs-, Paß- und Liebesnöte, ihre eschatologischen, ihre parteipolitischen Gewissenskonflikte dem Schriftsteller, dem der ganze Erdenwandel nichts als ein flüchtiges Exil der Ewigkeit war und der ihnen aus dem Beichtstuhl seiner scharfhörigen Besoffenheit zuhorchte - die Nächte durch. »Durch den Tag. Durch die Nacht. Durch den Tag . . .« Verdammt noch mal! Ich muß wissen, wie das weiter­ geht. Aber wo ist die Bibliothek? Beim Golem ist sie . . .! Der Golem hat sie geholt, in Wien - an jenem Sabbatvor­ abend des 12. März 1938 - und in der Josephsstadt und in Fa­ voriten, vor der Kirche -Maria am Gestade«, am Ballhaus­ platz und der Hofburg, am »Gürtel« außen und am »Ring« innen - an den Cafes »Central«, »Herrenhof« und »Reb­

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huhn« wo immer ich hindurch - zu ihr zurückwollte, an jeder Gossenecke, jeder Freiung, erbrach »Er« den Auswurf aus seiner heilrülpsenden Fresse, schiß »Er« den braunen Kot seines »Tausendjährigen Reiches« hin. Das ganze pantheistische, nihilistische Pandämonium: Dostojewskijs »Vom Teufel Besessenen«, Zolas »Bete Humaine«, Strindbergs »Infeino« - alle »Stahlgewitter«, eine außer Rand und Band geratene Bücherei war los und ge­ horchte nicht mehr dem Buchstaben ihrer »Zauberlehrlin­ ge«. »Rette die Bücher zuerst!« hatte die heilige Wiborada, die böhmische Schutzpatronin der Bibliotheken, dem verza­ genden Abt des Stiftes Sankt Gallen beim Einfall der Magya­ ren zugerufen. »Gott schütze Österreich!« schloß seine Radioverlautba­ rung der letzte Bundeskanzler des österreichischen Christ­ lichen Ständestaates, bevor er vor dem Antichrist abdankte, weil er mehr auf den Rundfunk als auf die Schriftsteller ver­ traut hatte. Und in zwei Telefon-Anfragen entschied sich mein und meiner Bücher Schicksal. Ein Kollege - Arnold Höllriegel -, den ich in der Panik an­ rief, rief zurück: »Wien verloren! Die tschechische Grenze gesperrt! Retten Sie sich!« Und mein Wirt, den ich anrief, antwortete: »Sie kommen besser nicht mehr heim! Sie haben Besuch gehabt und Ihre Bibliothek hat er schon mitgenommen!« Niemals hatte ich meine Bibliothek so leibhaft Band für Band besessen wie in diesem Augenblick des Verlu­ stes . . . Niemals, in Jahrzehnten nicht, sie so gründlich gelesen, wie ich jetzt vom Blitz getroffen sie von A bis Zett durch­ schaute . . .

DIE VERUNTREUTE BIBLIOTHEK

Niemals hatte ich mich so nach ihr gesehnt wie jetzt, da ich sie im Stich ließ, niemals ihre gedanklichen Reize, ihre formale Anmut so verführerisch empfunden wie jetzt, da ich auf und davon war in einem Schnellzug; ohne mich um­ zuschauen nach ihr, nach diesem Sodom und Gomorrha, nach den Geschändeten, den Erschlagenen, den von ihren Schreibtischen, aus ihren Bibliotheken, aus den Cafehäusem, den Betten in die Sklaverei verschleppten Lesern. Und während dieser Fahrt - via Salzburg, der versunke­ nen Festspielstadt Mozarts und des »Großen Welttheaters» Reinhardts und Hofmannsthals - bis ans Ende einer Nacht, durchblitzt von den Scheinwerfern der motorisierten Deut­ schen Wehrmacht, durchlodert von den Lagerfeuern des Hakenkreuzzuges, in überfüllten Waggons unter schreck­ verstummten Buchautoren, Buchgelehrten, Bibliophilen litaneite ich im Singsang und Getucker der Geleise »Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke«, de­ ren erste Takte sich seitdem mir unausweichlich mit dem Sturz der Bibliothek, dem -Sieg Heil« Himmlers vor dem Stephansdom, dem Pech und Stank der Siegesfackeln, mit den Paßprüfungen auf jeder Station dieser Kreuzesstrecke und mit der sechsstündigen, eine Höllensekunde dauernden Gestapo-Haft in Feldkirch an der österreichisch-schweize­ rischen Grenze verknüpfen, aus der ich nur durch ein strindbergisches Stations-Hintertürchen, auf einer nur in einem »Traumspiel« möglichen Flucht nach Paris ent­ kam.

Schlachtfleisch- und Gemüsekarren-Kolonnen versperrten wie an jedem Pariser Frühmorgen die Zufahrtsstraßen an der »Gare de l'Est« durch die Zentralmarkthallen-Viertel. Auf dem Kirchenplatz »de la Sorbonne« streunten wie an

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jedem Morgen schwarze Katzen um die Mülleimer. Im Buchantiquariat unter den Arkaden des »Theätre de l'Odeon« schnüffelte schon die erste Leseratte im grauen Privat­ gel ehrten-Havelock herum. An der Ecke -Rue de Vaugirard« und »— de Tournon« aber waren Bauarbeiter dabei, das windschiefe »Hotel Foyot» einzureißen . . .! Im Bistro gegenüber saß in seinem Winkel Joseph Roth und schrieb und trank und trank und schrieb: RAST ANGESICHTS DER ZERSTÖRUNG

Gegenüber dem Bistro, in dem ich den ganzen Tag sitze, wird jetzt ein altes Haus abgerissen, ein Hotel, in dem ich sechzehn Jahre gewohnt habe - die Zeit meiner Reisen aus­ genommen. Vorgestern abend stand noch eine Mauer da, die rückwärtige, und erwartete ihre letzte Nacht. Die drei andern Mauern lagen schon, in Schutt verwandelt, auf dem halb umzäunten Platz. Merkwürdig klein erscheint mir heute dieser Platz im Verhältnis zu dem großen Hotel, das einst auf ihm gestanden hatte! Man muß glauben, ein leerer Platz sei weiter als ein bebauter. Aber wahrscheinlich kommen mir die sechzehn fahre, nun sie vergangen sind, so köstlich vor, ja, von Kostbarem erfüllt, daß ich nicht be­ greifen kann, wie sie auf einem so kargen Platz abrollen konnten. Und, weil das Hotel jetzt ebenso zerschmettert ist, wie die fahre, die ich darin verlebt hatte, verronnen sind, erscheint mir in der Erinnerung auch das Hotel weit größer, als es gewesen sein mochte. An der einzigen Wand erkannte ich noch die Tapete meines Zimmers, eine him­ melblaue, goldgeränderte. Gestern schon zog man ein Ge­ rüst, auf dem zwei Arbeiter standen, vor der Wand hoch. Mit Pickel und Steinhammer schlug man auf die Tapete ein, auf meine Wand-, und dann, da sie schon betäubt und

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brüchig war, banden die Männer Stricke um die Mauer die Mauer am Schafott. Das Gerüst ging mit den Arbeitern nieder. An beiden Rändern der Mauer hingen die Stricken­ den herunter, feder der beiden Männer zog an je einem Strick-Ende. Und mit Gepolter stürzte die Mauer ein. Eine weiße, dichte Wolke aus Kalk und Mörtel verhüllte das Ganze. Aus ihr traten jetzt weißbestaubt, gewaltigen Mül­ lern ähnlich, die Steine mahlen, die zwei Männer. Sie ka­ men mir geradewegs entgegen, wie jeden Tag, ein paarmal am Tage. Sie kennen mich, seitdem ich hier sitze. Der Jün­ gere deutete mit dem Daumen über die Schulter rückwärts und sagte: »fetzt ist sie weg, Ihre Tapete!« - Ich lud beide ein, mit mir zu trinken, als hätten sie mir eine Wand aufge­ baut. Sie scherzten über die Tapete, die Mauern, meine teu­ ren fahre. Die Arbeiter waren Zerstörer; Niederreißen war ihr Beruf, für Aufbauen kamen sie niemals in Betracht. Und das ist recht so. sagten sie. Jedem sein Beruf und sein Verdienst! Dies ist der König der Zerstörer, sagte der Jünge­ re. Der Ältere lächelte. So heiteren Sinnes waren die Zer­ störer und ich mit ihnen. Jetzt sitze ich gegenüber dem leeren Platz und höre die Stunden rinnen. Man verliert eine Heimat nach der andern, sage ich Dir. Hier sitze ich am Wanderstabe. Die Füße sind wund, das Herz ist müde, die Augen sind trocken. Das Elend hockt sich neben mich, wird immer sanfter und grö­ ßer. Der Schmerz bleibt stehen, wird gewaltig und gütig, der Schrecken schmettert heran und kann nicht mehr schrecken. Und dies ist eben das Trostlose . . . Seit er sich im »Bistro de la Poste« niedergelassen hat, mit seinen 44 Jahren ein Greis, den seine wunden, geschwolle­ nen Füße nur noch zu umliegenden Bars oder sonntags zur

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DREIZEHNTES KAPITEL

Messe tragen (falls er diese im Rausche nicht verschläft): dieser ungetaufte Konvertit, der von seinem Judentum nicht loskommt; dieser eingefleischte Reaktionär, der wie ein Jakobiner höhnt; dieser zerlumpte, rücksichtslos bos­ hafte Eremit, der um jedes weibliche Wesen wie ein k. u. k. österreichisch-ungarischer Oberlieutenant (ohne es je ge­ wesen zu sein) herumscharwenzelt - um so luzider, je sinn­ loser er sich besäuft - wird von Laien wie von Priestern, von Apostaten jeder Gesinnung in seiner Exil-Einöde aufge­ sucht, daß der »Heilige Trinker« nicht ohne Getränke blei­ be .. .! Jeder neue Raubzug in Europa mehrt seine Bettlerge­ meinde der geistlich Verarmten, seit mit der Preisgabe erst Wiens, dann Prags, der stückweisen Verheerung Spaniens die Außenbastionen gegen die Barbarei eingefallen sind - in dem Zerstörungswerk, in dem Arbeiter an beiden StrickEnden zogen. In einem solchen Begriffs-Wanken des Abendlandes, sei­ ner christlich-jüdischen Moral, der hellenisch-lateinischen Aesthetik, wahrte allein der Torkelnde das Gleichgewicht, der wie ein Noah der Sintflut sich anpaßte. Roth war in den Orden der Trunkenbolde eingetreten, um den Versuchungen der Nüchternheit zu entgehen. Da die Sprache bis auf den letzten Wortgehalt ausgeleert worden war, schien ihm das geschriebene Wort buchstäblich der letzte Halt zu sein. Um die Quintessenz zu finden, trank er umschichtig jede Sorte Alkohol herunter, die Auslese der Bourgogne- und der Bordeauxweine, Rum und Bier, Benedictiner und Fernet Branca und jede Sorte Weltanschauung: Maimonides und Thomas d'Aquino, Spinoza, Marx und Bergson. Und so pilgerten zu seiner Höhle des »Bistro de la Poste» allabendlich die Fluchbeladenen, die an ihren Päpsten im

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Vatikan, im Kreml, in Walhalla zweifelten. Und er katechisierte sie alle auf ihre Stiltodsünden, während er seine »Le­ gende vom Heiligen Trinker» vollendete —die Parabel eines polnischen Vaganten, der in der Sakristei der Pariser »Chapelle Ste. Marie-des-Batignolles« am Altar seiner Schutz­ heiligen, der Schriftstellerin Teresa von Avila, am Delirium tremens zu Gott eingeht. . . Und nach dem letzten Ausrufzeichen des Satzes: »Gebe Gott uns allen, uns Trinkern, einen so leichten und schönen Tod!» sank Joseph Roth im »Bistro de la Poste« wie ein Stück mürbes Gemäuer um und starb drei Tage spä­ ter im Hospital am Delirium tremens. Bei seiner Beisetzung vor den Mauern von Paris legte ein. Herr im Gehrock einen Kranz mit einer schwarzgelben Schärpe: im Namen Seiner Allerkatholischsten Majestät Otto von Habsburg nieder; ein Prister - ohne Stola - sprach ein kurzes Gebet; Juden sagten das Kaddisch; ein Kollege der Ultra-Linken (Egon Erwin Kisch) deponierte einen Blumenstrauß mit roter Schleife: »Unserm Genossen!« im Namen des moskaugläubigen Schriftstellerverbandes; eine Schar verwitweter Sünderinnen beweinte den einzig Geliebten. Jeder von uns trauerte aus seiner tiefsten Überzeugung um den unersetzlichen Verlust eines so vieldeutigen Ge­ sinnungsfreundes in solcher Zeit eindeutiger Gesinnungs­ losigkeit - und um die ewig unvergeßliche Alkohol-Heil­ quelle im Quartier Latin und um die beerdigten Disputatio­ nen; und ohne seinen nächsten Opponenten noch eines Scheelblickes zu würdigen, ging jeder, auf den Wanderstab seiner Metapher gestützt, eiligst seinen Geschäften, seinen Pflichten, seiner Bestimmung nach - auf die »Flucht ohne Ende», wie Roth seinen Jugendroman betitelt hatte; denn in der Folge gab es für den Abendländer keine Rast, keine Ein­ kehr mehr.

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Nach der Austreibung der Ketzer, Weissager und Juden wütete der Golem unbehindert, da niemand mehr imstande war, die Schlüsselzahl seinem Eisenmaul zu entreißen; er schändete den Sabbat durch historische Gewalt-Aktionen; er demolierte die fortschritthinderlichen Hotels, deckte die Dächer des Privatlebens ab, stieß die Cafehäuser um, zerwalzte die Wälder, Wiesen, Almen; die Heiligen Stätten der schöpferischen Individualität; zerriß die Bindungen jeder Liebe, jeder Freimdschaft. Eine wahre Ausgeburt des Zweckes - garantiert störungs­ frei von psychischen Nebenschwingungen, patentiert gegen die Kurzschlüsse eines Eigenwillens - reguliert er automa­ tisch das Wohlbefinden nach dem Mindestgrad der unter­ durchschnittlichen Masse,- reinigt chemikalisch den Le­ bensgenuß; kanalisiert die Abwässer und Fäkalien des Un­ terbewußten; straft im Stratosphärenflug die Niststätten der Sinnlichkeit und entkeimt die Sümpfe der Kunst, der Philosophie von allem metaphysischen Ungeziefer. Ein technisches Gebild von Menschenhand, mißgönnt er dem Menschen jedes Traumgebilde . . . Vor allem ist er hinter Büchern drein, die von Lebensge­ nuß und Einzellied handeln - also nicht von ihm; und ganz besonders hat er es auf deren unzensurierte Ansammlungen abgesehen, besonders in Privatbibliotheken.

Indes, der Geist des XIX. Jahrhunderts - wenn ihn nächtens (da er tagblind ist) die Lesegier, der Wissensdurst, der Bil­ dungshunger erdabwärts ziehen zur Musterung seines Buchvorrats - findet einen Plunderhaufen vor: aus ihren Regalen, ihren Einbandnähten gerissene Druckseiten; ver­ manscht mit Widmungsexemplaren berühmter und vereh­ rungsvoller Kollegen; mit Fetzen unvollendeter, einge­

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reichter, abgewiesener Manuskripte; Photographien (seiner selbst und all seiner Geliebten); übersät von den Scherben seiner Tuberosen-Blumenvase und seiner Brillengläser und seiner Lieblingsgrammophonplatten: den ganzen Kehricht, den eine Haussuchungs- und Neuordnungs-Stiftung hinter­ läßt; und abseits auf einer hebräischen Urahnenbibel die kotigen Absatzspuren eines Golem-Kanonenstiebeis, Kennmale einer außer sich geratenen, gottlosen Wut und Furcht. Und da er nun mit dem augapfellosen Blick seines inneren Gesichtes, den Zeit und Raum nicht mehr verstellen, Um­ schau hält, sieht er das Arsenal seiner Waffen, seiner Bücher zwischen andern Siegestrophäen in den Kellereien einer Geheimen Staatspolizei unter den Folterkammern der von ihr ausgeplünderten Bildungsopfer; und überallhin ver­ schleudert, verschludert sein Gedankengut: da ein Kultur­ kuriosum aus seinem Gift schrank in den Pratzen säuisch grunzender Braunhemden; dort eine bibliophile Rarität mit galanten Kupfern in den manikürten Fingern eines blasier­ ten Mitglieds der Reichsschrifttumskammer; eine Incunabel, einen »Elzevier--Erstdruck; Balzacs von Gustave Dore illustrierte »Contes Drölatiques- im Antiquariat eines ari­ schen Hehlers der Pogrombeute; Heinrich Heines (Hoff­ mann & Campe) Ritualmordmärchen »Der Rabbi von Bacharach« im »Kriminalwissenschaftlichen Institut zur Er­ forschung JÜDISCHER GEISTESVERBRECHEN“ Und Jacob VOn Grimmelshausens katholische Greuelgeschichten des »Simplicius Siniplicissimus« aus dem 30jährigen Glaubenskrieg in einem zerlesenen, tränennassen 20-Pfennig-Broschürheftchen aus »Reclams Universal-Bibliothek« - versteckt unter fauligem Stroh der in einer Kafka-»Stra/kolonie« eingekäfigten Intelligenzbestien.

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Das alles sieht der Geist der Bibliothek sprachlos und gei­ sterhaft mit an: Es wird also, denkt er, noch gelesen - und, denkt er weiter, auch, wehe uns! noch geschrieben; denn es entgeht ihm nicht, daß ein Sträfling, verstohlen, um von der Lagerwache nicht ertappt zu werden, Tagebuch führt; des­ sen Name ihn stutzig macht, weil er ihn als Polarforscher, Schriftsteller, Philanthropen gleichermaßen hoch geschätzt hatte: Nansen . . .! Doch nicht Fridtjof ist es, sondern dessen Sohn Odd Nan­ sen, der da (als norwegische Geisel in germanischer Gefan­ genschaft), um nicht im Polarfrost einer Diktatur zu erfrie­ ren, für seine Leidengenossen sich erwärmt und aufno­ tiert: »Dantes Hölle konnte nicht gräßlicher sein. Da waren an die tausend Juden; das heißt: Juden, Menschenwesen wa­ ren sie einmal gewesen; jetzt waren sie lebende Skelette, vertiert von Hunger. . . Alltäglich war es, sich eines Leichnams zu bemächtigen, um auf ihm trocken zu liegen . . . Und zu aller dieser Betriebsamkeit bellten, plärrten, kreischten Lautsprecher ordinäre Operettenschlager, Cho­ räle, Militärmärsche, Frontsiegesmeldungen, Propagan­ da .. . Bach, Beethoven, Schubert, Schumann . . .«

»Mitternacht! Mitternacht! Mittelalter...!« klagt der Geist und - denn er weiß nichts hinzuzufügen - löst sich in Nichts-Wissen auf. »Wann aber hat die verdammte Mitternacht des Abend­ landes eigentlich begonnen; im XIX. Jahrhundert unserer aufgeklärten Väter - oder in unserm XX. der vatermorden­ den, selbstgeblendeten Oedipussöhne . . .?« fragte ich einen gelehrten, nobelpreisgekrönten Experten der theoretischen Atomphysik - und erhielt folgende Auskunft: 287

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»Um Mittag beginnt die Nacht - um Mitternacht der Tag . . . Ewig wird der Mensch zwischen diesen Gegensät­ zen hin und her geworfen - aber es gibt ein Drittes, den von Gegensätzen freien Weg des Friedens, den Sinn — das Tao. Diese Abstraktion spielt beim Taoisten eine ähnliche Rolle wie Christus beim Christen, nämlich die des Erlösungswe­ ges. Unversöhnlich ist wohl der Gegensatz der Erlösung ex opere operantis im Osten, ex opere operato im Christen­ tum . . . >Ich weiß nicht, wessen Sohn er ist: ohne Vergangenheit, ohne ZukunftTao-Te-King< vom Tao . . .« Begreife ich das richtig, so hätte das Leben, irgendein x-be­ liebiges Leben, z. B. mein Leben, ebenso viel und ebenso wenig Sinn wie ein x-beliebiges Buch - wie irgendein und jedes Natur- oder Phantasie-Geschöpf, das nicht weiß, wes­ sen Geistes Kind . . ein Wechselbalg von Sätzen und Ge­ gensätzen, Sprüchen und Widersprüchen, Thesen und Anti­ thesen - geboren in einer Muttersprache, aus der er ohne Schaden in eine Fremdsprache nicht übertragen werden kann; - erzogen in einer väterlichen Bibliothek, aus der ver­ stoßen, er nirgends mehr heimisch wird - es sei denn, er fände draußen irgendwo eine Geliebte, die auch ohne Worte seine Sehnsucht, seine Leidenschaft versteht. Erweckt er aber keine Gegenliebe, keine Echo-Nymphe, dann wird er sich selbstverliebt wie Narziß in seinem eige­ nen Spiegelbild ertränken oder am artesischen Brunnenrand aller Bücherweisheit auf dem Erlösungswege durch die Menschensahara verdursten und verschmachten, hilflos und ungehört von allen Lebewesen. Denn, wie cs im »I-Ging«, dem chinesisch-buddhisti­ schen Reiseführer der Seelen-Wüsten-Wanderung, ge­ schrieben steht: »Der Schlamm des Brunnens wird nicht getrunken - Zu einem toten Brunnen kommt kein Tier mehr . . .« 288

Epilog

Auf einer New-England-Farm Abstand von böser Erinnerung Sommergast im Land der -Ziegenmelker« »Gott ist die Liebe!« Der »Schwarze Mönch« Sturmwind über Paris Halbwahrheiten »Hinaus! Nichts als hinaus!«

Der Entschluß, die Lebensgeschichte einer Literatur, genauer gesagt: die Fabel einer mir verwandten Bibliothek zu erzählen, die in meiner Jugend gleich den Kristall-Kron­ leuchtern am Plafond, den Freilicht-Landschaften, den praeraffaelitischen Akt-Allegorien, den japanischen Holz­ schnitten an den Wänden, dem Pianino und den Persertep­ pichen, dem Glasglühlicht und den Sprungfeder-Patentbet­ ten zum Haushalt eines fortschrittlichen Europäers gehört hatte . . . Der Entschluß - nicht die Idee, die so viel Jahre hat wie mein Exil - kam mir auf der andern Erdhälfte, in Amerika, auf einer New-England-Farm, deren Entlegenheit, deren Urwüchsigkeit mich wieder lehrte, Schritt für Schritt des Gelesenen mich zu erinnern, das Gewesene zu vergessen und mich auf mich selbst zu besinnen. All meine ziellose Aufgeregtheit, die Nachwirkung überstandenen Schwin­ dels, verlief sich im blauen Dunst am Horizont ausschwin­

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EPILOG

gender Hügelwellen des unsichtbaren Housatonic-Flusses. Die Nacherinnerung an den blutigen Abendhimmel über der brennenden Stadt Orleans, als unter Fliegerbomben die letzte Brücke des französischen Exodus knapp hinter uns eingestürzt war, verblich an jedem Abend mehr vor der Tur­ bulenz sommerlicher Sonnenuntergänge in der schwarz­ grünen Schlucht des nahen Zauberwaldes. Das fletschende Gebiß jenes Polizeikommissars von Perpignan, der mich vor meinem Fluchtversuch über die französich-spanische Grenze abgefaßt und in einen brutheißen Dunkelkarzer eingeriegelt hatte, tauchte nur noch als vage Assoziation aus dem Unterbewußtsein auf, wenn die bissige AlligatorSchildkröte aus dem Wiesenteich ihre eisenscharfen Zähne bleckte. Den Tyrannennamen, dessen Echo mich aus jedem Radiomegaphon, jeder Schlagzeile von Land zu Land, von Traum zu Traum und über den Ozean via La Martinique zum amerikanischen Kontinent verfolgt hatte, übertönte der melodiöse Brunftschrei »whip-poor-will . . . whippoor-will« des -Ziegenmelkers«, der seinen Vogelnamen unablässig von nah und fern ausrief . . . Auch von dem Verlust meiner Bibliothek wäre ich gesun­ det - wie bei einer Entziehungskur - in ländlicher Umge­ bung, die ich deswegen aufgesucht hatte, wäre ich nicht wieder in Versuchung geraten. Aber der Farmer, bei dem ich mich einquartierte, ein rot­ blonder Bärenhäuter irischer Abkunft, hatte mich bei der ersten Begegnung, als er mich auf dem Dorfbahnhof in sei­ nem Wagen abholte, durch seine Rauheit ebenso sehr einge­ schüchtert wie dann in seinem Laubsäge-Colonialcottage durch Reproduktionen von Picasso und Braque, durch eine Grammophonplattensammlung von Vivaldi bis Strawinski, doch vor allem durch eine Blibliothek der indisch-chinesi­ schen Philosophie, der Griechen, der Engländer (von Chau-

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cer bis D. H. Lawrence) und der gefährlich hintergründigen Amerikaner (Poe, Melville, Ambrose Bierce, O'Neill, Tho­ mas Wolfe, Faulkner) verblüfft. Einigermaßen erklärte sich dieser Widerspruch zwischen seinem äußeren Wesen und seinen inneren Neigungen aus seiner Ehe mit einer sensiblen Jüdin, die er in Greenwich Village, dem New Yorker Bohemeviertel, geheiratet hatte. Durch Zeitungsannoncen suchte er Sommergäste (»Schriftsteller bevorzugt«) und Landarbeiter (»Rasse, Reli­ gion, Vorkenntnisse nebensächlich; Tolstoj-Anhänger, Mozartmusik-Liebhaber, Kriegs- und Gewaltgegner will­ kommen!«). Er selber hätte auch eine ausgezeichnete Figur in einer Tolstojparabel abgegeben: der Nachkomme aus altem Bau­ erngeschlecht, der vor dem lieblosen Zivilisationsbetrieb im Mutterschoß der Natur sich verkriechen möchte und der durch Monogamie, Vegetarier tum, christlichen Pazifismus und Feldarbeit die unbefriedigten Sünden seiner Pubertät abbüßt. Aber um die Harpunenschärfe seiner meereshellen Augen und seinen dickköpfigen Fatalismus zu versinnbildlichen, hätte besser der Erzählerstil eines Stevenson oder Joseph Conrad getaugt (obgleich - oder vielleicht weswegen - er ge­ rade diese beiden nicht leiden mochte). Auch war er rechthaberisch, halsstarrig wie ein Melville­ scher Walfischfänger-Kapitän, ein Ahab; intolerant wie ein Ibsenscher Landpfarrer in seinem Dogma von der Güte Got­ tes; und sobald wir in unsern mitternächtlichen Disputen an diesen Punkt gelangten (tagsüber nämlich pflügte er seine Tabaksplantage und ich ackerte auf meiner Schreib­ maschine), unterbrach er mich mitten im Satz und stapfte zu seiner Bibliothek, um mich und jeden andern Anwesen­ den durch eine stundenlange Vorlesung zu zerknirschen.

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Dies tat er jedesmal mit der These: »Gott ist die Liebe!« Und er sprach sie so jähzornig, so provozierend, daß er den Frömmsten zum Widerspruch gereizt hätte. Man konnte ihm da weder mit dem Argument beikom­ men, daß man der Incarnation der Ewigkeit und Unendlich­ keit keine menschlichen, also zeitlich und räumlich be­ schränkten Attribute anhängen dürfe - noch auch mit Gegenbeispielen aus der jüngsten europäischen Mensch­ heitsgeschichte, etwa damit, daß es über alle Menschen­ kräfte ging, unter Stahlruten, unter Brandbomben, in Verga­ sungskammern, in Todesfrachtzügen noch Glaube, Liebe, Hoffnung aufzubringen. Er verfluchte jede Regung eines Haßgefühls, jede aktive Resistenz selbst gegen die Gewalttätigen, die - genau so wie die Keimträger einer Seuche - Gottesgeißeln, Werkzeuge der göttlichen Güte seien, nämlich der Erlösung durch die Sühne für eine metaphysisch nie verjährte Schuld. »Für eine Schuld, die aus welcher Zeit stammt?« fragte ich. Er nahm ein Buch aus dem Regal und las: »Vom Neugeborenen bis zum fünfjährigen Kinde ist eine schreckliche Entfernung. Zwischen dem Embryo und dem Neugeborenen: ein Abgrund . . . Vom Nichtsein aber bis zum Embryo: da ist kein Abgrund mehr, sondern das Unerforschliche. . .« »Mhm! Von wem ist das übrigens?« »Von Tolstoj . . .!« »Sie meinen also damit, wenn ein Baby etwa durch Kin­ derlähmung verkrüppelt oder von einem siegestrunkenen Rassenvorkämpfer erwürgt wird, so wird es wahrscheinlich für ein embryonales oder sonstwie unerforschliches Verbre­ chen gemaßregelt? Ich dachte aber« — sagte ich, während

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sein Dreijähriger eine Tasse brühheißen Kaffee über meine Hosen ausschüttete, «ich dachte, in Ihrer Rangordnung seien alle Kinder Engel Gottes . . .!?« Als Antwort schlug er sofort ein anderes Buch auf und las: »Es gibt keine völlige Austilgung des Bösen - selbst nicht im Himmel; denn nichts, was je ein wesenhafter Bestand­ teil des menschlichen Geistes gewesen ist, kann je wieder ausgelöscht werden. Die Geister - well - sogar die Engelnehmen deswegen auch in den Himmel ihre mißbrauchten Zeugungsorgane mit sich, in denen das Böse latent geblie­ ben ist. Von Zeit zu Zeit ist es gestattet, ihre Sünden fleischlich wieder zu erleben, doch nicht ohne Nutzen für sie; denn durch solchen Wechsel im Zustand ihrer Seligkeit werden sie ständig zu einem Fortschritt angehalten. Und so setzt sich die Erneuerung des Menschen, die auf Erden begann, in alle Ewigkeit fort. . .« «Herzlichen Dank!« sagte ich, »soviel Lebenszeit habe ich nicht. . .« «Ich finde das auch pädagogisch ganz verkehrt!« be­ merkte seine Gattin und streichelte sinnend ihren ungezo­ genen Jüngsten. »Wo steht das geschrieben?« «Bei Swedenborg!« sagte er, mit dem Zeigefinger auf den Text pochend. Ohne Bücher mißverstanden er und ich, obwohl wir im Prinzip gar nicht so verschieden dachten, uns überhaupt fortwährend und gründlich, hauptsächlich im Sprach­ gebrauch von Ausdrücken wie Horror, Terror und Misery . . . Mein Wirt war vom Schicksal durch Austreibung und Er­ niedrigungen genau so häufig vorbestraft worden wie ich,

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der Europäer, doch niemals noch so systematisch; nicht von einer Diktatur, sondern vom Pech verfolgt; zufällig in den stupiden Existenzkampf einer großen »Depression« hinein­ geraten, die sich ebenso unberechenbar auswirkt wie das hiesige Klima, wenn es aus einer apathischen Dampfhitze in einen hysterischen Blizzard überschnappt. Gleich den ersten Squatters und wie die Goldgräber vor hundert Jahren lebte er in ständiger Alarmbereitschaft vor den Indianertücken des Wetters und vor der Wetterwendischkeit seiner Landsleute. Er hatte es von Kindesbeinen an gelernt, sich vor jedem Jähzornausbruch seines gotterge­ benen Vaters, sich in den »slums« vor den Überfällen einer jugendlichen Räuberbande aus dem New Yorker Staub zu machen; er hatte, ein halber Knabe noch, sein Herz und seine reinsten Jugendillusionen an eine Tavernenteufelin verloren, die kosmetisch engelhaft wie eine HollywoodFilmdiva und sophistisch wie eine Drehbuchdichterin war und unter Umständen, bei deren Beschreibung der abge­ feimteste Zola-Realist errötet wäre. An Vielseitigkeit der Berufe war er mir, dem Europäer, weit voraus: als Tellerwä­ scher, Leichenwäscher, als Musikant einer Straßen-Jazzband; als Wohnwagen-Tramp mit Frau und Kind auf den High-Ways quer durch die Schmutzpurgatorien der William-Faulkner-und-Henry-Miller-Verdammnis, durch die endlose Monotonie der Sinclair-Lewis-Main-Streets und »so lost, so naked and so lonely-wandering forever«, wie es nur ein Thomas-Wolfe-Amerikaner aushält; als Wollpflükker-Aufseher in Georgia; als Herausgeber einer »lost-generation-Zeitschrift« (für tolstojanisch überzeugte Kriegs­ dienstverweigerer - conscientious objectors welcome!), an der er bankrott ging; und als Tabakfarmer nun, mit einer wucherischen Bankanleihe unter polnischen Siedlern im puritanischen New England.

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Doch: »Gott ist die Liebe!« war immer die Moral all sei­ ner erläuternden Geschichten.

»Bevor wir hierher verzogen«, erzählte er so druckreif, als lese er es vor, »hatten wir ein Bungalow mit zwei Morgen Land auf dem Gut einer Bostoner Generalswitwe abgepach­ tet. Der Sommer war von einer seit 23 Jahren nicht mehr er­ lebten Trockenheit; es gab kein Trinkwasser im Umkreis von 19 Meilen, außer im Ziehbrunnen nahe dem Herrensitz. Ich wollte Wasser holen für die Familie, aber auf der »Ve­ randa« saß das alte Weib im Schaukelstuhl mit einer Flinte, und als ich mit dem Eimer kam, legte sie an und schoß zweimal nach mir und einmal nach Little Bill, meinem Äl­ testen. Sie verfehlte uns um ein Haar. Wir wären alle fast verdurstet. Sie war ein böser Mensch, aber wie ich später lernte — tief bedauernswert, litt an »Verdrängungen« (frustrations). Sie hatte sich ihr Leblang nach einem Mann gesehnt, der Sinn für Höheres - gute Bücher, schöne Bilder und klas­ sische Musik hatte. Und sie wähnte sich von lauter Feinden umdroht, gleichsam von Gläubigern der Blutschulden, die ihr Seliger, der General, gemacht und ihr später auf dem To­ tenbett gebeichtet hatte. Dem hartherzigsten Tyrannen nämlich wird die Gnade zuteil, daß früher oder später die Furcht ihn mahnt: Gehe in Dich und schütte Dein Herz aus! . . . Wir hören und wir sehen das bloß nicht. . . Doch, siehe, Gott ist die Liebe!« »Man sollte all solch tief bedauernswerte Scheusale, fru­ strierte Generalswitwen und überkompensierte Tyrannen, in geschlossenen Heil- Anstalten isolieren«, schlug ich vor, »noch bevor sie aus lauter selfpity und Furcht vor der ihnen zuteil gewordenen Gnade sich und die Nachbarschaft und die weitere Umwelt in Blutschulden gestürzt haben.« »What the matter - was hat denn das mit Gott und der Liebe zu tun?« fuhr er mich an. 297

EPILOG

(»Bitte, Liebling! Reg' Dich nicht so auf!« ermahnte ihn seine Gattin.) Aber ohne meine Antwort abzuwarten, griff er in seine Bibliothek und verlas ohne Punkt und ohne Absatz die Hi­ storie »Der schwarze Mönch«. Ein russischer Student der »Psychologie«, der Kolossales plant, epochale Meisterwerke, um die Welträtsel der Menschheit — speziell der russischen und überhaupt der des XIX. Jahrhunderts - zu lösen, der aber (ich hörte nur mit halbem Ohr und schläfrig zu) nichts zustande bringt und von Studien, Alkohol und Nikotin zerrüttet - an aller Wis­ senschaft, an sich selbst verzweifelnd - zum väterlichen Erbhof heimkehrt, seine Kinderliebe heiratet; der mit ihr und den Obstgärten des Schwiegerpapas hätte glücklich werden, hätte genesen können, wäre ihm nicht der »Schwarze Mönch« erschienen, das Utopia-Phantom, das nur zu den ganz Prominenten, zu Buddha, einem Moham­ med, einem Shakespeare spricht; und hätte es ihn nicht mit Vorträgen über »Die Ewige Wahrheit« und über die mitleid­ lose Menschenpflicht des Genies größenwahnsinnig ge­ macht und buchstäblich zu Tode geredet . . . Ein russischer Student, kurz: -. . . hier fiel mir G. K. Chesterton ein, der ir­ gendwo mal geschrieben hatte: »Er hatte etwas an sich, das den echten Bolschewisten ausmacht; etwas, das ich noch in jedem Russen, den ich bisher traf, vorfand. Ich kann nur sagen, wenn er aus der Tür ging, hatte man das Gefühl, er hätte ebensogut aus dem Fenster gehen können. Er war kein Kommunist, sondern ein Utopist, dessen Utopie viel, viel verrückter war als ein irgendwie gearteter Kommu­ nismus.« »Nun, was haben Sie dazu zu sagen?« examinierte mich mein Wirt so peremptorisch wie der »Schwarze Mönch«. »Sehr interessant!« sagte ich, mich aus meiner Schläfrig­ keit aufraffend. »Von wem, nebenbei, ist das?« 298

AUT EINER NEW-ENGLAND-FARM

»Tschechow! Also, was sagen Sie?« ». . . Ich . . . einen Moment, ich muß erst überlegen . . . Ich . . . finde, die Behauptung des verpatzten Studenten, daß ihm ein schwatzhafter -Schwarzer Mönch« erschienen sei und ihm die -Ewige Wahrheit« . . . also meiner Meinung nach, ist der Autor, Tschechow, den Wahrheitsbeweis schuldig geblieben, wie das so meistens in Geschichten über Erleuchtete und Genies passiert. . . Ich sehe nicht. . .« »Weil Sie blind sind!« unterbrach mich mein Wirt. »Der Student sah den -Schwarzen Mönch«, nicht wahr? Er hatte also eine Vision.«« »Eine ziemlich konfuse . . .« »Das ist belanglos! Sie bestätigte ihm sein Genie, auch wenn er es nicht realisieren konnte . . .«« »Mit anderen Worten: talentlos war. Alle Mediokritäten legitimieren ihren Mangel an Begabung durch einen -Schwarzen Mönch« - und die Nichtswürdigsten machen aus der Geistesnot ein Tugenddogma . . . Sie planen Unge­ heures und schwören darauf, so wahr wir leben und so wahr wie sie den -Schwarzen Mönch« gesehen haben. Sie sind von ihm autorisiert, erbarmungslos die Menschheit, das Volk, die Nation zu lieben. Ja, sie sind die -Ewige Wahrheit« - das heißt die offenbarte Mediokrität - in Person, und das kön­ nen sie beweisen — Schwarz auf Weiß durch die Unterschrift des -Schwarzen Mönches« auf ihrer unschuldsweißen See­ le .. . und . . .« Aber in diesem Augenblick schoß mein Wirt zwei Harpu­ nenblicke auf mich ab, leerte sein Glas Wacholderschnaps und ging in die finstere »Diele«, stellte das Grammophon an und legte die Platte von Mozarts »Kleiner Nachtmusik« auf.

299

EPILOG

Draußen streifte schon die Augustsonne das Nebelhemd des Tales ab; aber gegen Mittag umwölkte sie sich plötzlich aschgrau; ein rasendes Unwetter peitschte mit Hagelschlä­ gen auf die Hügelrücken und die Ackerschöße, und nach­ dem es sich ausgetobt hatte, war unter allen Tabaksplanta­ gen im weiten Umkreis allein die Jahresernte meines Wirtes hin, als hätte eine blinde Vorsehung vorsätzlich gerade ihn treffen wollen. Am Abend dieses fatalen Kalendertages - es war tatsäch­ lich ein Freitag, der dreizehnte August - herrschte ein betre­ tenes Schweigen um den Ahornküchentisch, wo wir Er­ wachsenen saßen, ja, auch in der Spielecke der Kinder, ja, sogar im Winkel des ausgemergelten Jagdhundes. Der Farmer, verstrubbelt wie ein Seemann nach einer Tai­ funfahrt, wanderte schlingernden Ganges auf und ab, auf und ab in der Küche, stampfte zur Bibliothek, warf sich in den Lehnstuhl und las lange vor sich hin. »Ja, hier ist es . . .BhagavadgitaBhagavadgita5' Bourignon, Antoinette 123 f., 127 Brahe, Tycho 259 Brahm, Otto 89 f., 96, 98 Brandes, Georg 93 Braque, George 292 Briand, Aristide 33 Brinvilliers, Marquise de 69 Bronnen, Amolt 209 Bronstein, Leo = Trotzki Bruant, Aristide 107

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NAM ENSVERZEICHNIS

Brzk 261-268 Buddha 50, 288, 294, 298 Büchner, Georg 206, 229, 252 Buffon, George Louis Ledere de 45 Bulwer, Edward 51 Buonaparte, Napoleone (Schrift­ steller) 15 5 Burckhardt, Jacob 198 Bums, Robert 271 Byron, Lord 73, 117, 252, 254

Caesar 21, 117 f., 305 Cagliostro, Graf Baisamo (= Uxküll, Baron von) 160 f. Caligula, Caesar 117 Öapek, Karel 17, 260 Carlyle, Thomas 44 Catull 21 Celine, Louis Ferdinand (= Destou­ ches, Docteur) 276 f. Cendrars, Blaise 162 Cervantes, Miguel de 18, 87, 166, 260 Cezanne, Paul 142 Chamberlain, Houston Stewart 69 Charcot, Jean-Baptiste 31 Chaucer 292 Chenier, Andre de 108 Chesterton, G. K. 208, 298 f. Citroen, Paul 149 Claudel, Paul 81, 207 Clausewitz, Karl von 69 Clos, Choderlos de la 129 Coleridge, Samuel Taylor 44,115, 131 Comte, Auguste 60, 221 Condillac, Abbe Etienne Bonnot de 138 Conrad, Joseph 183-186, 293 Cooper, F. J. 47

Coquelin 73 Corvin-Wiersbitzki, Otto von 66 Crecy, Odette de 177 Cremieux, Victor 33 Cyrano de Bergerac 73, 306 Däubler, Theodor 160 ff. Dante 31, 87, 128, 166, 189, 206, 224 f., 310 Danton 205, 229, 250 Dantschenko 89 Darwin, Charles 19, 27, 32, 140, 178 Daudet, Alphonse 13,51 Daumier, Honore 145 David, Louis 108 Debussy, Claude 20, 142, 144, 162 Defoe, Daniel 154, 189 Dekker, Douwes 33 Delacroix, Eugene 34, 145 Delaunay, Jules Elie 143 Desaugiers, Marc Antoine 107 Descartes, Rene 18, 44 Desorgues 108 Destouches, Docteur = Celine Dickens, Charles 50, 55, 61 Diderot, M. Denis 66, 154 Döblin, Alfred 149 Donne, John 86 Dostojewskij, Fedor 22, 31 f., 55, 61 ff., 73, 116, 129, 133, 153, 187-190, 198, 204, 224, 242, 250, 2 79 Drako 25 Dreyfus, Alfred 19, 35, 165, 175 f., 210 Dschingis-Khan 119 Du Bois-Reymond, Emil 194 Ducas, Paul 175 Ducasse, Isidore (= Lautreamont, Comte de) Dürer, Albrecht 128

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NAMENSVERZEICHNIS

Dühren, Eugen = Bloch, Ivan Dumas, Alexandre 52,215 Duncan, Isadora 216 Duret, Theodore 155 Düse, Eleonora 89, 101

Friedell, Egon 258 Friedländer, Dr. S. = Mynona Friedrich der Große 117,119

Eckermann, Johann Peter 88, 187 Edda 41 Edison, Thomas A. 31 Edward von Wales 177 Ehrenburg, Ilja = Jurenito, Julio Ehrlich, Dr. Paul 83 Einstein, Carl 157 Eisner, Kurt 203 Elia, Rabbi 260 Engels, Friedrich 19, 98 Ewers, Hanns Heinz 76 Faulkner, William 293, 296 Fechner, Gustav Theodor 264 Feininger, Lyonei 25 Ferrer, Guardia, Francisco 33 Feulillet, Octave 101 Fichte, Johann Gottlieb 198 Fikker, Dr. 255 Fischer, Sami 97 Fitzgerald, Edward 46 Flammanon, Camille 32 Flaubert, Gustave 33, 50, 58 f., 61, 81 , 7 Fontane, Theodor 44 Forel, Auguste 29 Fouqier-Tinville 109 Fourier 211 France, Anatole 33, 108, 176, 215, 263 Franck, Cesar 108 Franz Ferdinand, Erzherzog von Österreich 27 Franz Joseph II. Kaiser von Öster­ reich 202 Freud, Sigmund 31, 130-133, 155, 233 f.

Galsworthy 184 Gamelin, Evariste 108 Gapon, Goergij Apollonowitsch 33 Gautier, Theophile 151 George, Stefan 153, 164, 237 De Geyter 214 Gide, Andre 179 f., 207,216 f., 236, 239 f., 242 ff., 272, 275 Gleizes, Albert Leon 143 Gobineau, Joseph Arthur Comte de 34 Goethe, Johann Wolfgang von 26, 46, 55 f., 80, 87 f., 97, 128 f., 187, 194, 212 f. Gogol, Nikolai 55, 89, 215 Goll, Yvan 157 Goncourt, Edmont Huot u. Jules Huot de 47, 50 Gontscharow, Iwan Alexandrowitsch 5 5 Gorki, Maxim 64, 89, 102, 214 f. Gourmont, Remy de 169 Goya, Francisco de 173 Grabbe, Christian Dietrich 88 Gregoire (aus Aleppo) 154 Gremper, Jakob 68 Griesinger, Friedrich 30 Grimm, Jakob und Wilhelm 39 ff., 260 Grimmelshausen, Jakob von 286 Grosz, George 23, 161 Grünewald, Matthias (= Neithardt, Mathis) 120 Guilbert, Yvette 107 Guillotin, Dr. med. Joseph-Ignace 75. 3io Gumiljow, Nikolai 147

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NAMENSVERZEICHNIS

Haas, Charles 177 Haas, Willy 268 f. Habsburg, Otto von 284 Haeckel, Emst Heinrich 19, 35, 201 Hahn, Helena P. = Blavatsky, Ma­ dame Hamsun, Knut 276 Händel, Georg Friedrich 271 Hardekopf, Ferdinand 157 Harden, Maximilian 38, 44, 60 Harrington, James 154 Haäek, Jaroslaw 260 Hasenclever, Walter 209 Hauff, Wilhelm 42 Hauptmann, Gerhart 90, '97-100, 105 Haydn, Joseph 56 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 28, 44, 69, 199, 249 Heine, Heinrich 20, 90, 97 f., 109, 198, 201, 206, 286 Helmholtz, Hermann von 29 Hemingway, Ernest 209 Hennings, Emmy 162 Henschke, Alfred = Kiabund Herder, Johann Gottfried 41, 45 f. Hering = Alexis, Willibald Herzen, Alexander 47 Hille, Peter 156 Himmler, Heinrich 280 Hitzig, Julius Eduard 69 Hobbes, Thomas 25 Hoddis, Jakob van 139 Hoffmann, Camill 17, 197 Hoffmann, E. T. A. 31, $3, 36 f., 68, 214 Hoffmannsthal, Hugo von 132, 220, 280 Hofmann von Hoffmannswaldau 46 Hölderlin, Friedrich 31, 241, 243

Höllriegel, Arnold 279 Homer 42, 44, 119, 163, 165 Horaz 22 Horvath, Ödön von 307 f. Huelsenbeck, Richard 23, 162, 234 Hugo, Victor 109, 202, 206, 211 Humboldt, Alexander von 180 Hus, Jan 239 Huxley, Aldous 304 Huxley, Julian 142 Huxley, Thomas Henry 304 Huysmans, Joris K. 32, 70, 73, 81, 120, 175, 190, 276 Ibsen, Henrik 78, 90, 94 f., 101, 105, 119, 293 Innozenz VIII. 68 Institoris, Heinrich 68

Jacob, Max 102 Jaeger, Hans 83 James, William 31 Jammes, Francis 239 Jansenius, Bischof 123, 236 Jarry, Alfred 109 Jaures, Jean 21, 165 Jehuda, Rabbi 259 Jessenin, Sergej 216 Johannes, Evangelist 143, 168 Joly, Maurice 67 Joyce, James 188, 255 Jünger, Ernst 279 Jurenito, Julio (= Ehrenburg, Ilja| 238-244, 247, 253 Kafka, Franz 17,261,263,265,269, 286 Kainz, Joseph 90 Kaiser, Georg 208 Kaisersberg, Geyler von 263 Kandinsky, Vasilv 142 f., 138, 160

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NAMENSVERZEICHNIS

Kant, Immanuel 27, 37, 44, 194, 198, 203, 210 Keats, John 139 Kennan, George 22 Kesten, Hermann 14 Kierkegaard, Sören 95 f., 112 Kipling, Rudyard 195 Kisch, Egon-Erwin 269, 284 Kiabund (= Henschke, Alfred) 271 Klee, Paul 161 Kohl, Aage van 158 Kokoschka, Oskar 158 Kolzow, Michael 250 Kostrowitzki, ... de = Apollinaire, Guillaume Krapotkin, Fürst 33, 158 Krishna alias Vishnu 302 Kuh, Anton 254 Kuhlmann, Quirinus 33

Labe, Louise 46, 115 La Fontaine, Jean de 39, 42 Laforgue, Jules 107, 142 Landauer, Gustav 203 Landowska, Wanda 64 Lanzi, Abbate 57 Lao-Tse 131 Lasker-Schüler, Else 157, 160 Lautensack, Heinrich 76 Lautreamont, Comte de (= Ducasse, Isidorel 73, 120, 169 f. Law, John 154 Lawrence, D. H. 256, 293 Le Bon, Gustave 199 Le Fauconnier, Emile Eugene 143 Lenin, V. I. 155, 165, 212, 214 Lessing, Gotthold Ephraim 44, 87 Lessing, Theodor 118 Levy, Eliphas 133 Levy-Brühl, L. 172 Lewis, Leslie 255

Lewis, Sinclair 296 Lichtenberg, Georg Christoph 128, 226, 229 Livius, Titus 128 Loew, Rabbi 66, 259 Lombroso, Cesare 30, 32 Loyola, Hl. Ignatius von 241 Ludendorff, Erich 67 Ludwig XIV. 39, 44 Ludwig XV. 4j, 69 Lunatscharski 214 Macaulay, Thomas Babbington 150 Macchiavelli, Nicolo 67, 69 Madox Ford 184 Maeterlinck, Maurice 20, 33, 78, 103, 105, 107 Mahler-Werfel, Alma 269 Maimonides 283 Majakowski, Wladimir 214, 228, 242, 244 Mallarme, Stephane 107, 114,120, 143, 214, 226 Malraux, Andre 250 Manet, Edouard 14$, 15 5 Mann, Thomas 187 Marc, Franz 15 8 Marinetti, F. T. 143 f., 210 Marlow, Christopher 128 Marryat, Captain Frederick 18 Marx, Karl 69, 85, 97, 152, 211, 234, 250, 283 Masaryk, Thomas-Garrigue 260 Matisse, Henry 161 Maupassant, Guy de 47, 52, 55, 83 Mauriac, Francois 276 Mauthner, Fritz 44 Mehring, Sigmar 230 Meidner, Ludwig 149 Melville, Herman 181, 186 f., 293 f.

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NAMENSVERZEICHNIS

Mendelssohn-Bartholdy, Felix 120 Mercier, Louis-Sebastien 18 Merimee, Prosper 151 Mesmer, Franz 31 Metenier, Oscar 103 Metternich, Klemens Fürst von 41 Metzinger, Jean 143 Meyrink, Gustav 17, 260, 263 Michel, Louise 33 Miller, Henry 296 Milton, John 151 Mirbeau, Octave 103 Modigliani, Amadeo 161 Mohammed 30, 298 Moliere, Jean Baptiste Poquelin 31, 189, 239 Monet, Claude 15 5 Montesquieu, Charles de 67 Moreas, Jean 160 Morris, William 140 Morus, Thomas 49 Mozart, Wolfgang Amadeus 55, 280, 299, 302 Mühsam, Erich 156, 203 Münchhausen, Baron von 42, 278 Murger, Henri 152 Müsset, Alfred de 47 Mussolini, Benito 123, 144, 155, 165, 210 Mynona (= Friedländer, Dr. S.) 100, 149

Nansen, Odd 287 Napoleon I. 30, 56 f., 59, 117 Napoleon in. 67 Neithardt, Mathis = Grünewald, Mathias Nepomuk, St. Johann 239 f. Nero 21, 202 f. Newton, Isaac 31

Niepce, Nicephore de 53 Nietzsche, Friedrich 27, 31, 82 f., 89, 198, 221, 237 Nikolaus II. 202 Nilus, Sergej 67 Noailles, Anne Comtesse de 173, 24b *7S Nobel, Alfred 37, 276, 287 Novalis 56 Nucingen, Baron de 177 Offenbach, Jacques 33 Oleaus, Bischof Magnus 263 O'Neill, Eugene 293 Ortega y Gasset, Jose 210 Ossietzky, Carl von 13 Ostwald, Wilhelm 35 Ovid 18, 206 Owen 211

Palladino, Eusepia 160 Panizza, Oskar 76-80, 85, 87 Papini, Giovanni 216 Paracelsus, Theophrastus 133 Pascal (aus Aleppo) 154 Pascal, Blaise 129, 225 Pasteur, Louis 70 Pater, Walter 141 Paul, Jean 56 Pauli, Hertha 268 f. Peguy, Charles 155, 165 f. Peladan, Josephin 70 Perikies 78 Perrault, Charles 39, 44, 151 Peter der Große 119 Petöfi, Sandor 109 Petrarca, Francesco 72 f. Pfemfert, Franz i57 ffPhilippe, Charles Louis 83 Picasso, Pablo 161, 209, 292 Pitaval, Francois Gayot de 69 Platon 38, 69

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NAMENSVERZEICHNIS

Plutarch 20 Poe, Edgar Allan 31, 55, 112, 201, 293 Pottier, Eugene 214 Prevost d'Exiles, Abbe 66 Procope |Foire de Saint Germain) >54 Proust, Marcel 123, 174-180, 193, 212 f., 218, 224, 235 Prudhomme, Sully 108 Przybyszewski, Stanislaw 160 Puschkin, Alexander 109, 213 Quincey, Thomas de 128

Rabelais, Francois 58, 87, 107, 263 Racine, Jean Baptiste 119 Ravel, Maurice 254 Redon, Odilon 142 Reed, John 212 Reinhardt, Max 89 f., 96, 280 Renan, Emest 30 Renoir, Auguste 15 5 Richard (Cafe »Größenwahn« | >55. >57 Richepin, Jean 107, 155 Rilke, Rainer Maria 46, 115, 156, 161, 172, 257, 270-277 Rimbaud, Arthur 73, 120 ff., 125 ff., 147, 171, 226, 261 RimbaudSerbe 152 Robespierre, Maximilien de 108 Rodin, Auguste 272 Rolland, Romain 165 Rosenberg, Alfred 67 Rossetti, Dante Gabriel 139 Rostand, Edmond 73, 78, 103 Roth, Joseph 206, 268, 277, 281-285 Rousseau, J. J. 171 Rousselle, Albert 175 Ruskin, John 44, 140

Sacher-Masoch, Leopold Ritter von 7> fSade, Laura de 73 Sade, Marquis de 71-76, 128, 176, 244 Sainte-Beuve, Charles Augustin 44. 5>. 58. 73. >53 Saint-Hilaire, Geoffrey de 176 Saint-Simon, Claude Henry de 34 Salten, Felix 255 Savonarola, Girolamo 153 Scheerbart, Paul 156 Schelling, F. W. J. von 180 Schickele, Rene 157 Schiller, Friedrich 44, 46, 69, 92, 109, 165, 211 Schlegel, August Wilhelm von 88 Schnitzler, Arthur 132, 254 Scholl, Aurelien 154 Schopenhauer, Arthur 83 Schrenck-Notzing 30 Schubert, Franz 287 Schumann, Robert 287 Schwarzschild, Leopold 268 Scott, Sir Walter 47 Sealsfield, Charles 18 Seneca 68 Severini, Gino 143 Shakespeare, William 28, 40, 88, 101,118 f., 164, 173, 189, 195, 214, 224, 298, 304 f., 310 Shaw, George Bernard 78, 90, 101, 105, 118 f., 208 Siddal, Elizabeth 73, 139 Sokrates 68 Sorel, Georges 155,165 Sorge, Reinhold 209 Soupault, Philippe 169 Spencer, Herbert 33, 35 Spengler, Oswald 199 Spielhagen, Friedrich 52 Spinoza, Baruch de 283 Sprenger, Jakob 68 319

NAMENSVERZEICHNIS

Stadler, Emst 166 Stanislawskij, Konstantin Sergeje­ witsch 89, 215 Stein, Gertrude 209 Steiner, Rudolf 138, 160 Stendhal 20, 55, 118, 223 Stemheim, Karl 208 Stevenson, Robert Louis 18 5 Stramm, August 148 f., 159 Strauss, David 43 Strauß, Johann 254 Strawinski, Igor 292 Strindberg, August 33, 70, 78, 83, 90, 103 ff., 119, 190, 274, 279 Sue, Eugene 50, 170 Sueton 20 Suttner, Bertha von 33 Swedenborg, Emmanuel 103, 190, 295 Swift, Jonathan 28, 44 Swinbume, Charles 73, 108, 115, 140, 169 Sylva, Carmen 160 Synge, John Millington 103

Tacitus 20 Taine, Hippolyte 44, 57 Talleyrand, Charles Maurice de 118 Taylorj-System) 248 Thackeray, William 51 Thesing, Dr. Curt 29 Thukydides 20 Tieck, Ludwig 88 Toller, Ernst 22, 196, 200, 203-207 Tolstoj, Alexey 88 Tolstoj, Leo 31,33,61-65,85,214, 226, 293 Trotzki, Leo 155, 213, 2x6, 239 Tschechow, Anton 215, 299, 304 Turgenjew, Ivan 50 Tzara, Tristan 162, 234

Unamano, Miguel de 241 Üxküll, Baron von - Cagliostro, Graf Baisamo Valery, Paul 232, 272 Van Gogh, Vincent 142 Vergil 128 Verhaeren, Emile i°7 Verlaine, Paul 1 13, 120, 126, 226 Veme, Jules 18, 53 Verone, Docteur 51 Vigny, Alfred de 153 Villon, Fran?ois 115, 140, 224 Virchow, Rudolf 31 f. Vivaldi, Antonio 292 Voltaire 107, 154, 162

Wagner, Richard 35, 81 f., 89 Walden, Herwarth 149, 157 f., 161 Wedekind, Frank 76, 81,90,101 f., i°5 Weininger, Otto 132 ff. Weiß, Dr. Emst 263, 266-269 Wells, H. G. 138, 142, 190 Werfel, Franz 17, 162, 269 Whitman, Walt 34, 108, 231 f. Wiborada, Hl. 279 Wieland, Christoph Martin 56 Wilde, Oscar 55, 78, 81, 100, 141, 153, 226 Wilhelm II. 35, 97, 202 Winckelmann 44, 56 Wolfe, Thomas 293, 296 Wolff, Kurt 265 Wolff, Theodor 98 Wolff, Wilhelm 97 f. Wordsworth, William 44 Wright, Orville und Wilbur 36

Zeppelin, Graf 36 Zola, Emile 36,48,58-61,107,155, 206, 211, 229, 269, 279, 302 Zoroaster 133

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