Die Urkunde im Zivilprozeß [1 ed.] 9783428451784, 9783428051786


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Die Urkunde im Zivilprozeß [1 ed.]
 9783428451784, 9783428051786

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KLAUS SCHREIBER

Die Urkunde im Zivilproze.f3

Schriften zum Prozessrecht

Band 76

Die Urkunde im Zivilprozeli

Von

Dr. Klaus Schreiber

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Alle Rechte vorbehalten

© 1982 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1982 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3428 051785

Vorwort In seiner Beweislehre des Zivilprozesses (S. 292) hat Endemann die Lehre von den Urkunden als "eine Sammlung widerstreitender Sätze ohne allen leitenden Faden" charakterisiert. Dieses Urteil hat für das Beweisrecht mit Inkrafttreten der ZPO an Gültigkeit verloren. Denn die Maßstäbe der §§ 415 ff. ZPO sind hinreichend, um im Stadium des Urkundenbeweises Unsicherheiten zu vermeiden. Jene Kritik trifft aber nach wie vor auf das Stadium der Parteibehauptungen zu. Den hier vermißten roten Faden zu finden ist Ziel der vorliegenden Abhandlung. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Ruhr-Universität Bochum hat die Arbeit im Sommersemester 1981 als Habilitationsschrift angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum bis Dezember 1981 sind noch berücksichtigt. Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Walter Zeiss, danke ich herzlich für seine Anregungen zu dieser Abhandlung, darüber hinaus für seine großzügige Unterstützung und Förderung während all der Jahre, die ich als Assistent an seinem Lehrstuhl tätig war. Mein besonderer Dank gilt weiterhin Herrn Bundesrichter a. D. Prof. Dr. Erhard Bökelmann für das Interesse, das er meiner Arbeit entgegengebracht hat. Bochum, im Februar 1982

Klaus Schreiber

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel

Einleitung § 1. Verwendbarkeit und gesetzliche Regelungen der Urkunde im Zivil-

prozeß ............................................................

13

§ 2. Die praktische Bedeutung der Urkunde im Zivilprozeß ............

15

§ 3. Eingrenzung des Themas. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . ..

16

§ 4. Gang der Untersuchung ..... . ............................ . ...... '.

18

2. Kapitel

Der Urkunden begriff im Zivilprozeßrecht § 5. Die Urkunde als Substrat einer Erklärung .........................

19

§ 6. Die beweisrechtliche Relevanz der Urkunde

20

I. Die Beweiskraft ..............................................

20

II. Die Echtheit der Urkunde .....................................

22

III. Die Erkennbarkeit des Ausstellers

23

IV. Die Unterschrift des Ausstellers

24

V. Die Beweisbestimmung ................... . ...................

24

VI. Zusammenfassung ........................................ . ...

26

Inhaltsverzeichnis

8

§ 7. Die Urkunde als Verkörperung einer Gedankenerklärung

26

1. Die Verkörperung durch Zeichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

26

H. Das Zeichen als Erklärungsträger ...... . ......................

27

IH. Die Urkundenqualität von Vervielfältigungen der Originalurkunde ........................................................

28

IV. Zusammenfassung ....................... . ....................

32

§ 8. Das Schriftlichkeitserfordernis ................................ . ...

32

I. Die Verkörperung durch Lautzeichen ..........................

32

11. Einzelfälle ................................... . ................

34

HI. Die Unzulänglichkeit der Bestimmungen über Urkundtm .......

36

IV. Beweiszeichen ................................................

39

V. Zusammenfassung ............................................

41

§ 9. Ergebnis: Die Definition der Urkunde .................... " . . . . . . ..

42

3. Kapitel

Die Urkunde im Verfahren .... . ............. . ............................ .

43

§ 10. Die vorlegungsbelastete oder -belastbare Partei ............ . . ..

45

I. Funktionale Betrachtungsweise ......... . .................

45

H. Einzelfälle ........ . .......................................

47

IH. Der Zweck der Vorlegungsbestimmungen .......... . . . . . . ..

50

1. Der Zweck der §§ 131, 134 ZPO ........................

50

A. Die Vorlegungslast

·a) Die Prozeßbeteiligung als konstitutives Merkmal der Parteistellung ...................................... 51

Inhaltsverzeichnis

9

b) Zweckmäßigkeit als Korrektiv Präklusion des Rechtsinhabers bei Versäumung der Vorlegungslast? 53 c) Die "Beteiligung" des an der Prozeßführung nicht beteiligten Gesellschafters ............................. 61 2. Der Zweck des § 273 ZPO

62

3. Der Zweck des § 142 ZPO

64

a) Vorlegungsanordnung zur Prozeßbeschleunigung oder auf Grund mündlicher Verhandlung? ................ 64 b) Die Wahrheitsermittlung als Zweck und Chance mündlicher Verhandlung ................................. 69 c) Amts'ermittlungs- und Verhandlungsprinzip als Mittel zur Wahrheitsfeststellung ........................... 70 IV. Zusammenfassung .. . ......................... . ...........

72

§ 11. Die Bezugnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

72

I. § 142 ZPO und § 273 11 Nr. 1 ZPO in ihrer Wechselwirkung

73

1. Das Erfordernis der Bezugnahme im Rahmen des § 273 11

Nr.l ZPO .............................................

73

2. Die Vorlegungsanordnung an den Gegner der ris·ikobelasteten Partei .......................................... 74 3. Das Erfordernis der Bezugnahme im Rahmen des § 142 ZPO .................................................. 76 4. Zusammenfassung ......................... . ...........

78

11. Die Vorlegungsbestimmungen des HGB ....................

78

1. Die Vorlegungsanordnung an den Gegner der risiko be-

lasteten Partei ........................................

78

2. Die Sperrwirkung der §§ 45 I, 102 HGB bei einer Vorlegungsanordnung Tatsachenurkunden betreffend ......

79

111. Exkurs: Anordnungen betreffend die Vorlegung von Zeichnungen, Partei- und Behördenakten ......................

81

1. Die Anforderung von Zeichnungen (§§ 142 I, 273 11 Nr.l ZPO) ..................................................

81

2. Die Anforderung von Parteiakten (§ 143 ZPO)

86

3. Die Anforderung amtlicher Akten (§ 273 ZPO)

89

10

Inhaltsverzeichnis a) Die Voraussetzungen des § 273 II Nr. 2 ZPO

90

b) Die Generalklausel in § 273 I S. 1 ZPO ..............

91

IV. Die Bezugnahme als Ausdruck des Gebrauchswillens ......

97

V. Die Bezugnahme als Vorlegungsgrund bei Tatsachenurkunden ...................................................... 101 1. Die heutigen Regelungen der ZPO .................... . 101

2. Die historische Entwicklung der Vorlegungsbestimmungen ................................................... 102 a) Die Motive zum Entwurf III zur ZPO (1874) ... . .... 103 b) Die Vorarbeiten zur ZPO ........................... 104 c) Die Bezugnahme auf eine Urkunde im historischen Sprachgebrauch .................................... 107 Die Hannoversche Bürgerliche Proceßordnung (1850) Der Hannoversche Entwurf (1866) - Der Preußische Entwurf (1864) - Der Norddeutsche Entwurf (1870) Die Entwürfe I (1871), II (1872) und III (1874) zur ZPO 3. Die doppelte Bedeutung des Bezugnahmebegriffs ...... 119 VI. Zusammenfassung ....... . ................................ 119 § 12. Zurechenbarkeit der Bezugnahme ............................. 120 § 13. Besitz oder tatsächliche Verfügungsmacht -

"In-Händen-Habens"

das Merkmal des ......................................... 123

I. Unmittelbarer Besitz .. , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 124 II. Besitz ohne tatsächliche Verfügungsmacht .............. . .. 127 III. Die Anforderung noch herzustellender Zeichnungen und Urkunden ................................................... 134 IV. Zusammenfassung ........................................ 135

B. Die Versäumung der Vorlegungslast ................................ 135 § 14. Die Unterscheidung der Bezugnahme zur Beweisführung von der

Bezugnahme zwecks Tatsachenvortrags ........................ 136

Inhaltsverzeichnis I. Die Auslegbarkeit der eindeutigen Bezugnahme

11

138

11. Die Sachdienlichkeit der Bezugnahme als Auslegungskriterium .................................................... 140 111. Die Grenzen der formellen Beweiskraft als Grenzen der Auslegung ................................................ 142 IV. Zusammenfassung ........................ . ............... 144 § 15. Die Versäumung der Vorlegungslast durch Nichtvorlegung der

Urkunde ...................................................... 144 I. Die Weigerung der behauptungs- und beweisbelasteten Partei ....................................................... 144

11. Die Weigerung der ausschließlich vorlegungsbelasteten Partei ....................................................... 145 1. Sanktionen bei Nichtvorlegung einer Beweisurkunde '"

146

a) Die Erleichterung der Beweisführungslast nach § 427 ZPO ............................................... 146 b) Keine Erleichterung der Beweisführungslast nach § 444 ZPO .......................................... 149 c) Keine Erleichterung der Feststellungslast nach § 286 ZPO ............................................... 149 2. Sanktionen bei Nichtvorlegung einer Tatsachenurkunde 150 a) Das Wahrheits- und VoUständigkeitsgebot des § 138 I ZPO ............................................... 150 b) Die Bedeutung der §§ 422, 423 ZPO für die strikte Beachtung des Wahrheitsgebots ........................ 152 111. Zusammenfassung ........................................ 153

§ 16. Sanktionen auf die Versäumung der Vorlegungslast durch ver-

zögerte Vorlegung der Urkunde ............................... 154 I. Präklusion (§§ 296, 528, 615, 640 ZPO) ...... . . . ...... . ...... 154 1. Präklusion infolge Fristversäumung .................... 155

2. Präklusion infolge Verletzung der allgemeinen Prozeßförderungspflicht ...................................... 158 3. Sonstige Präklusionsgründe ............................ 159 a) Präklusion infolge widersprüchlichen Verhaltens .... 159

12

Inhaltsverzeichnis b) Keine Präklusion in folge Verwirkung

161

c) Keine Präklusion durch Beweisbeschluß ............ 161 4. Zusammenfassung ......... . ........................... 165 11. Sonstige Sanktionen ...................................... 165 1. Die Unzulässigkeit einer Entscheidung nach Lage der Akten (§ 331 a ZPO) und eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten (§ 335 I Nr.3 ZPO) ...................... 167 2. Vertagung (§ 227 ZPO) oder Schriftsatzfrist (§ 283 ZPO) 169 3. Kostenrechtliche Sanktionen (§§ 95 ZPO, 34 GKG) ...... 171 § 17. Zurückhaltungsrechte ...................... . .................. 173

I. Wirkung eines Zurückhaltungsrechts ...................... 173 11. Sanktionen der Nichtvorlegung trotz eines Zurückhaltungsrechts .................................................... 175

111. Grundlagen für Zurückhaltungsrechte ..................... 177 1. Keine Reflexwirkung des Zeugnisverweigerungsrechts .. 177 2. Geheimhaltungsinteresse und Zeugnisverweigerungsrecht 178 IV. Zusammenfassung ......................... . ........ . ..... 181

4. Kapitel

Schlußbetrachtung

182

Anhang A. Literaturverzeichnis ............................................... 183

B. Verzeichnis der Materialien

197

I. Zur ZPO ....................... . ......................... . ..... 197 11. Sonstige ................. . ............. . ........................ 199

1. KapiteZ

Einleitung § 1. Verwendbarkeit und gesetzlich.e Regelungen der Urkunde im Zivilprozeß

Eine Urkunde kann in einen Zivilprozeß eingebracht werden mit dem Ziel, Gericht und Gegner von der Wahrheit des durch die Urkunde beweisbaren Vorbringens zu überzeugen. Diese überzeugung wird sodann auf zweierlei Weise vermittelt. Einmal hat das Gericht in dem durch die Beweisregeln der §§ 415 ff. ZPO abgesteckten Rahmen eben wegen dieser Regeln den Urkundeninhalt als voll l beweiskräftig hinzunehmen (§ 286 II ZPO). Zum anderen muß das Gericht, soweit der Verhandlungsgrundsatz reicht, von der Wahrheit des Vorbringens ausgehen, wenn der Urkundeninhaber mit der Urkunde auch ohne Beweisaufnahme seinen Gegner überzeugt hat und dieser deswegen nicht bestreitet (§ 138 III ZPO) oder zugesteht (§ 288 ZPO). Dem steht gegenüber die landläufige Praxis, sich "zur Vermeidung von Wiederholungen" auf Urkunden zu beziehen. Eine Bezugnahme in diesem Fall erfolgt nicht zum Zwecke der Beweisführung. Sie soll z. B. ein bloßes Abschreiben der Urkunde entbehrlich oder ein bis dahin unverständliches Vorbringen verständlich machen. Trotz dieser verschiedenen Verwendungszwecke ist die Neigung groß, Urkunden, die in Bezug genommen, die einem Schriftsatz beigefügt sind oder deren Vorlegung angekündigt ist, lediglich unter dem Blickwinkel des Urkundenbeweisrechts zu sehen2 • Das wird einmal durch die schwerpunktmäßige Behandlung der Urkunden in den §§ 415 ff. ZPO, mehr aber noch damit zu erklären sein, daß in diesen Bestimmungen dem Gericht und den Parteien klare Maßstäbe für die Behandlung und die Bewertung von Urkunden an die Hand gegeben werden. Auf das 1 Die Ausdrucksweise der §§ 415--418 ZPO, wonach Urkunden "vollen Beweis" erbringen, ist eine Reminiszenz an die Zeiten gesetzlicher Beweisregeln, in denen z. B. auch dem halben Beweis Bedeutung zukam (vgl. Endemann, Beweislehre, S. 57 ff.; Zink, S.12). Unter dem Prinzip der freien Beweiswürdigung, das keine "stehenden Tarife" (Zink, aaO.) für die Ermittlung des Beweiswertes kennt, ist diese Unterscheidung und damit die Fassung der §§ 415--418 ZPO heute (§ 286 I ZPO) überholt (anders Bruns, Rz. 194). ! Vgl. etwa Bergerjurth, Rz. 363.

14

1. Kapitel: Einleitung

Problem, wie denn mit Urkunden zu verfahren ist, die nicht in den Geltungsbereich der §§ 415 ff. ZPO fallen, etwa weil ihre Ankündigung ein unzulässiger Beweisantritt sein so11 3 , wird nur selten eingegangen dies vielleicht deswegen, weil die Frage von der ZPO nur sporadisch und zudem in Bestimmungen (§§ 131, 134, 135, 142, 273 II Nr. 1 ZPO) beantwortet wird, die aufs Ganze gesehen eine klare Linie vermissen lassen. So fällt schon auf den ersten Blick der Mangel an Übereinstimmung zwischen den in der Konsequenz gleichen Bestimmungen in § 142 I ZPO einerseits und in § 273 II Nr. 1 ZPO andererseits auf. Während dort die Vorlegungsanordnung von einer Bezugnalune auf die Urkunde abhängig sein soll, sieht § 273 II Nr. 1 ZPO für die Zulässigkeit einer vorbereitenden Maßnahme von diesem Erfordernis ab. Die W~dersprüch­ lichkeit, die darin zu liegen scheint, führt zu gleichermaßen entgegengesetzten Folgerungen. Während nämlich die einen4 für eine Einschränkung des § 142 ZPO in dem Sinne plädieren, daß im Rahmen dieser Bestimmung eine Bezugnahme ebenfalls entbehrlich sein soll, beharren andere5 in Anlehnung an den Gesetzeswortlaut auf der Forderung nach einer Bezugnahme als Voraussetzung der Urkundenvorlegung nach § 142 ZPO. Für eine Bevorzugung der vermeintlich eindeutigen Bestimmungen des Urkundenbeweisrechts besteht dennoch kein Grund. Das sei zunächst mit wenigen Worten wiederum am Beispiel der §§ 142, 273 II Nr. 1 ZPO gezeigt. Gibt man sich nämlich nicht damit zufrieden, in der mangelnden Anpassung von § 273 II Nr. 1 ZP06 an § 142 ZPO ein gesetzgeberisches Versehen zu erblicken, und versucht man statt dessen, beiden Bestimmungen ihren Platz einzuräumen, so finden sich dafür ausreichende Anhaltspunkte. Es ist vorstellbar, daß allein eine Anordnung nach § 142 ZPO von einer vorgängigen mündlichen Verhandlung abhängig ist7 • Ferner könnte der Begriff der Bezugnahme 3 Man denke an den auch in anwaltlichen Schriftsätzen häufig anzutreffenden Passus: "Beweis: Vorlage der (näher bezeichneten) Urkunde im Termin"; siehe Bergerfurth, Rz.363; Bernhardt, ZPR, § 38 IV 1 a, S. 243; Hoche I Haas, § 62, S.141. 4 Vgl. statt vieler Stein / Jonas / Pohle, 19. Aufl., § 142 Anm. I; ferner unten § 11 I 3 Fn. 176. 5 Rosenberg / Schwab, § 78 IU 3, S.441; Baumbach I Lauterbach I Hartmann, § 142 Anm. 1. 8 § 273 ZPO stimmt weitgehend mit § 272 b ZPO a. F. (bis zum Inkrafttreten der Vereinfachungsnovelle am 1. 7. 1977 [BGBl. 1976 I 3281; zum Zeitpunkt des Inkrafttretens siehe dort Art. 12]) überein. Diese Vorschrift war in ihrer früheren Gestalt eingefügt worden erst durch die Novelle 1924 (Verordnung über das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten [RGBl. I 135; 437 (Neubekanntmachung des Textes der ZPO)]}. 7 Vgl. Rosenberg I Schwab, § 78 IU 3, S. 441; Baumbach / Lauterbach I Hartmann, § 142 Anm.1.

§ 2. Die praktische Bedeutung der Urkunde

15

in § 142 ZPO nicht wertungsfrei in dem Sinne zu verstehen sein, daß wie nach § 273 ZPO - jede auch nur erwähnte Urkunde nach Maßgabe des § 142 ZPO vorzulegen ist. Faßt man nämlich als Bezugnahme nur die Äußerung des Willens auf, die Urkunde gegebenenfalls als Beweismittel zu benutzen8 , so scheiden aus dem Anwendungsbereich des § 142 ZPO solche Urkunden aus, auf die eine Partei lediglich zum Zwecke der Erläuterung oder Ergänzung ihres Vorbringens verweist. Die Geeignetheit der Urkunde zu diesem Zweck ist aber auf der anderen Seite vielleicht eines der Kriterien, die über die Zulässigkeit einer vorbereitenden Maßnahme nach § 273 II Nr. 1 ZPO entscheiden. Denn die Vorlegung von Urkunden setzt anders als die Ladung von Zeugen und Sachverständigen (§ 273 II Nr. 4, III ZPO) nicht voraus 9 , daß der Beklagte dem Klageanspruch widersprochen hat und deswegen eine Beweisaufnahme zu erwarten ist. Darum soll nach § 273 II Nr. 1 ZPO auch die Klarstellung tatsächlichen Vorbringens und somit die Vorlegung von Urkunden zu diesem Ziel aufgegeben werden können1o • Noch ein weiteres Merkmal des § 142 ZPO fehlt in § 273 II Nr. 1 ZPO. Während nämlich § 142 ZPO die Vorlegungslast nur derjenigen Partei begründen kann, welche die Urkunden in ihren Händen hatl l , kann dem Wortlaut des § 273 II Nr. 1 ZPO zufolge auch der Partei die Vorlegung aufgegeben werden, die in keiner derart engen tatsächlichen Beziehung zur Urkunde steht. Schließt man etwa den mittelbaren Besitzer einer Urkunde aus dem Kreise der Personen aus, die nach § 142 ZPO vorlegungsbelastet sind12 , so kann sich für ihn folglich eine Vorlegungslast doch aufgrund einer nach § 273 II Nr. 1 ZPO ergangenen Anordnung ergeben. § 2. Die praktisch,e Bedeutung der Urkunde im Zivilprozeß

Wegen ihrer vielseitigen Verwendbarkeit sind Urkunden, die zunächst für außerprozessuale Zwecke gefertigt wurden, im Zivilprozeß häufig anzutreffen. So gehört die Konfrontation mit schriftlichen VerSo z. B. Planck, Bd. II 1, § 97 II 4, S.107; Siegel, S. 96 f. Zum Streit um die zwingende Natur von Sollvorschriften (§ 273 II! S. 1 ZPO) Pohle, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 39 ArbGG (unter 3.). 10 Wenn darüber hinaus nach § 273 II Nr.1 ZPO auf die Bereitstellung von Urkunden als Beweismittel hingewirkt werden könnte (Thomas / Putzo, § 273 Anm. 1; Wieczorek, § 272 b Rz. C I b; Zöller / Stephan, § 273 Anm. I! 2 a; ferner Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 273 Anm. 3 B), würde der Gesichtspunkt der Bezugnahme wiederum zu einer partiellen überschneidung der Anwendungskreise von § 142 ZPO und § 273 II Nr. 1 ZPO führen. 11 Zu diesem Begriff zunächst Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Aufl., § 421 Anm. II!. 12 So anscheinend Thomas / Putzo, Anm. zu § 421, zu dem dort ebenfalls gebrauchten Begriff des "In-Händen-Habens". 8 g

16

1. KapiteL Einleitung

trägen, Mahnschreiben, Rechnungen usw., die in Urschrift oder als Reproduktion 13 den Schriftsätzen beigefügt oder im Verhandlungstermin vorgelegt werden, zur täglichen Praxis der Gerichte. Nahezu keines dieser Schriftstücke erlangt jedoch seine prozessuale Bedeutung aus der Berücksichtigung als Beweismittel. So provokant dieser Satz anmuten mag, weil die ZPO die Gewichte anders verteilt hat, so trifft er doch zu. Seine Richtigkeit ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Vorschriften über den Urkundenbeweis mit dem Verhandlungsgrundsatz. Denn vor allem wegen der Beweisregeln (§§ 415-418 ZPO) ist der Erfolg einer Beweisführung mit Urkunden, die diesen Vorschriften genügen, gewiß, das Ergebnis einer Beweiswürdigung durch das Gericht also absehbar. Ein fortgesetztes Bestreiten des durch Urkunden beweisbaren Vorbringens ist darum letztlich nutzlos und darüber hinaus kostspielig (§§ 31 I Nr. 3 BRAGO, 68 GKG). Deswegen dreht sich nach der Vorlegung einer Urkunde der Streit zumeist nicht um die Behauptung, die durch die Urkunde bewiesen werden würde, sondern um die Echtheit oder die Auslegung der Urkunde. Der beweisbare Vortrag wird nicht länger bestritten, oder er wird zugestanden14 • Zur Würdigung der Urkunde unter beweisrechtlichen Aspekten kommt es nicht mehr, weil die Beweisregeln der §§ 415 ff. ZPO, obwohl auf das Beweisstadium zugeschnitten, zurückwirken auf das Stadium der Parteibehauptungen15 • § 3. Eingrenzung des Themas

Die geringe praktische Bedeutung der Vorschriften, welche die Urkunde im Beweisstadium behandeln, macht es entbehrlich, ihnen im Rahmen dieser Arbeit einen besonderen Platz einzuräumen. Sie werden erörtert werden im Zusammenhang mit dem Stadium, in dem sie die ihnen zugedachten Aufgaben erfüllen. Das ist das Stadium der Parteibehauptungen. Diese werden durch Urkunden ergänzt oder vervollständigt; sie sind infolge der Urkunde vom Gericht als erwiesen anzusehen. Voraussetzung ist jeweils die Vorlegung der Urkunde. Auf den Vorschriften, die sich mit der Vorlegungslast der Parteien kraft Gesetzes (§ 131 ZPO) oder kraft Aufforderung (§§ 134, 135; 142; 273 II Nr. 1 ZPO) befassen, wird deswegen das Schwergewicht der folgenden Überlegungen liegen. Dazu unten § 7 UI. Vgl. Baur, ZPR, Rz. 190; Zeiss, ZPR, § 62 IV, S.168; anders Arens, Rz. 310; Blomeyer, ZPR, § 77 I 3, S. 384; M. Wolf, § 32 IV, S.225. 15 Einer Aufspaltung des Verfahrens, wie es Folge etwa des gemeinrechtlichen Beweisinterlokuts und Voraussetzung für das Eingreifen der Eventualmaxime insoweit war, soll damit nicht das Wort geredet werden (vgl. dazu unten § 16 I 3 a). 13

14

§ 3. Eingrenzung des Themas

17

Wie notwendig zudem das in § 131 ZPO aufgestellte Vorlegungsgebot ist und die durch §§ 134, 142, 273 II Nr. 1 ZPO an die Hand gegebenen Mittel sind, um die Vorlegung einer Urkunde im Prozeß zu bewirken, und wie wichtig deshalb eine Beschäftigung besonders mit diesen Bestimmungen ist, zeigt ferner ein Blick auf die Vorschriften über den Beweisantritt. Sie ähneln von ihrem Regelungsgegenstand her den genannten Bestimmungen, ohne jedoch deren praktische Relevanz zu erreichen. Ihre Bedeutung ist schon dadurch eingeschränkt, daß sie nur in der vergleichsweise - betrachtet man die Gesamtdauer eines Prozesses - kurzen Zeit der mündlichen Verhandlung zur Anwendung kommen sollen1s. Der Verhandlungsgrundsatz trägt, wie gesehen, ein übriges dazu bei, die Beweisantrittsregeln für viele Prozesse bedeutungslos zu machen. Denn namentlich beim Vorhandensein von Urkunden richten die Parteien ihr Verhalten nach dem absehbaren Ergebnis der Beweisaufnahme ein. Bei einer derartigen Rückwirkung der Beweisregeln fehlt es schon an der Beweiserheblichkeit des Vorbringensl1 • Den Beweisantrittsregeln kommt deshalb gar keine Funktion zu. Beginn und Ende der mündlichen Verhandlung stellen also nach verbreiteter oder, soweit es um die Vorlegung von in den Händen des Beweisführers befindlichen Urkunden geht, sogar nach allgemeiner AnSJicht eine Zäoor dar. Nur innerhalb der mündlichen Verhandlung soll das Vorbringen von Urkunden unter dem Aspekt der beweisrechtlichen Bestimmungen (§§ 415 ff. ZPO) gewürdigt werden können. Das weite F'eld des Urkundenvorbringens außerhalb der mündlichen Verhandlung wäre damit nur lückenhaft g'eregelt. Unterscheidet man nämlich bei der Frage nach der Anwendbarkeit des § 273 II Nr. 1 ZPO einerseits und der §§ 131, 134, 142 ZPO andererseits danach, ob die Erwähnung der Urkunde zum Zwecke der Beweisführung erfolgt ist - nur dann greifen möglicherweise die §§ 131, 134, 142 ZPO ein -, so sind, sofern dieser Zweck im Einzelfall feststellbar ist, sogar diese Regelungen des Ur16

Das soll sowohl für den Beweisantritt durch Vorlegung einer Urkunde

(§ 420 ZPO) wie nach verbreiteter Ansicht grundsätzlich (Ausnahmen etwa in

den Verfahren nach §§ 128 II, III; 251 a ZPO; vgl. ferner Wieczorek, § 421 Rz. B) auch für den Beweisantritt durch Stellung von Vorlegungsanträgen (§§ 421 ff., 428, 432 ZPO) gelten (vgl. statt vieler Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Auf!., § 420 Anm. II; § 421 Anm.III; § 428 Anm.lI; Thomas / Putzo, § 432 Anm. 1; a. A. wohl Wieczorek, § 428 Rz. B; § 432 Rz. B 11 b, für die Fälle des Fristsetzungsantrags nach §§ 428, 431 I S.2, 432 111 ZPO; ebenso für den Antrag nach § 428 ZPO Thomas / Putzo, Anm. zu § 428; dagegen Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Aufl., § 428 Anm.II). Die Vorlegungsanträge werden indessen regelmäßig jedenfalls durch Bezugnahme (§ 137 III ZPO) in der mündlichen Verhandlung gestellt, selbst wenn sie bis dahin lediglich angekündigt sein sollten. Der Streit um den frühestmöglichen Zeitpunkt für die Stellung solcher Anträge ist deshalb weitgehend müßig. Immerhin können Vorlegungsanträge bzw. kann deren Ankündigung vor der mündlichen Verhandlung so oder so den Geltungsbereich der §§ 421 ff., 428, 432 ZPO schon auf die Zeit vor der mündlichen Verhandlung ausdehnen. 17 Hieraus folgt zwangsläufig die Bedeutung der anderen, sich nicht mit dem Beweisantritt befassenden Vorschriften des Urkundenbeweisrechts über ihren eigentlichen Geltungsbereich, das Stadium des Beweises, hinaus. 2 Schreiber

1. Kapitel: Einleitung

18

kundenvorbringens unvollständig. Denn die §§ 131, 134, 142 ZPO setzen voraus, daß die eine Urkunde in Bezug nehmende Partei jene in Händen hat. In diesem Rahmen würde also schon der Gewahrsam des Gegners verhinc1ern, daß die 2lum Beweis vorgesehene Urkunde vorzeitig, d. h. vor Beginn der (näch'sten 18) mündlichen Verhandlung in den Prozeß eingebracht wird: Erst innerhalb der mündlichen Verhandlung, di:e es folglich abzuwarten gälte, könnte der Vorlegungsantrag gestellt werden (§§ 421 ff. ZPO). Angesichts derartiger, auf den ersten Blick lückenhafter Regelungen des Urkundenvorbringens außerhalb der mündlichen Verhandlung erscheint es zweifelhaft, ob dem Beginn der mündlichen Verhandlung entscheidende Bedeutung für die Behandlung des Urkundenvorbringens zukommt. Auch darum ist es notwendig, den Anwendungsbereich der §§ 131, 134, 142,273 II Nr. 1 ZPO zu bestimmen. § 4. Gang der Untersuchung

Im folgenden werden zunächst die Merkmale des zivilprozessualen Urkundenbegriffs erörtert werden19• Er steht an zentraler Stelle auch, wenn es darum geht, die Voraussetzungen für die Entstehung der Vorlegungslast zu konkretisieren20 • Liegen diese Voraussetzungen vor, ist das solange ohne Belang, wie die vorlegungsbelastete Partei ihnen genügt. Geschieht dies jedoch nicht, so richten sich die Konsequenzen dieser Versäumung auch danach, welchem Zweck eine von der Partei angekündigte Urkunde dienen sollte. Um ihn zu ermitteln, bedarf es der Auslegung der Bezugnahme21 • Erst hiernach können die Sanktionen, die sich aus der Versäumung der Vorlegungslast ergeben, beurteilt werden22 • Diese Sanktionen werden beeinflußt davon, ob der zögernden Partei ein Recht zustand, die Urkunde zurückzuhalten. Im letzten Teil dieser Untersuchung wird deshalb die Frage nach den Grundlagen derartiger Zurückhaltungsrechte zu beantworten sein23 •

18

19 20

21 22 23

Wegen der Anwendbarkeit von § 142 ZPO siehe unten § 10 III 3. Unten §§ 5-9. Unten §§ 10-13. Unten § 14. Unten §§ 15, 16. Unten § 17.

2. Kapitel

Der Urkundenbegriff im Zivilproze.f3recht Die ZPO enthält keine Definition der Urkunde. Dieser Mangel hat eine Fülle von Versuchen einer Begriffsbestimmung provoziertl. Sie bewegen sich zwischen zwei Extremen. Auf der einen Seite soll eine Urkunde im ganz allgemeinen Sinn\! ein mit dem Gesichtssinn wahrnehmbares, zum Ausdruck eines Gedankens dienendes Zeichen sein3 • Zu den Urkunden im juristischen Sinn 4 wird auf der anderen Seite gezählt nur der beweiskräftige schriftliche Bericht über Tatsachen5 • § 5. Die Urkunde als Substrat einer Erklärung Die Unzulänglichkeit der beiden vorangestellten Definitionen liegt wenigstens für den Bereich des Zivilprozeßrechts auf der Hand. Ist nämlich jedes sichtbare Zeichen Urkunde, so "stellt denn glücklich derjenige eine Urkunde aus, der auf die Frage, ob er gut geschlafen habe, mit dem Kopf nickt"6. Auf eine Äußerung in dieser Form sind die Vorschriften der ZPO, welche die Verwendung von Urkunden im Prozeß betreffen, offenbar nicht zugeschnitten und nicht anwendbar. Die Bestimmungen über die Antretung des Urkundenbeweises (§§ 420 ff. ZPO) gehen durchgängig von einem zur Vorlegung geeigneten Beweismittel aus. Gleiches gilt für die Regelungen der Vorlegungslast, wie sie in §§ 131, 134, 135, 142, 273 II Nr. 1 ZPO enthalten sind. Um der Vorlegungslase zu genügen, muß die Urkunde dem vorbereitenden Schriftsatz beige1

Vgl. die übersicht auch über die ältere zivilprozessuale Literatur bei

Brodmann, Der Gerichtssaal Bd.47, S.402--409. 2 Vgl. Brodmann, S.402. S Seuffert / Walsmann, Bem. 1 vor § 415. 4 Vgl. Brodmann, Der Gerichtssaal Bd.47, S.402. 5 Heusler, AcP 62, 280, 285. Diese Definition ist zum Teil umfassender

als die anderer, welche die Verkörperung eines Gedankens, einer inneren Tatsache also, für begriffsnotwendig halten (vgl. statt vieler Rosenberg / Schwab, § 122 I, S. 708). Davon abgesehen impliziert das Erfordernis der Beweiskraft aber weitere, einschränkende Voraussetzungen (dazu sogleich im Text). 6 Brodmann, Der Gerichtssaal Bd.47, S.402--409. 7 Der umfassende Begriff der Präsentationslast (vgl. §§ 131, 134, 135 ZPO) ist unüblich. Deshalb soll die gängige Bezeichnung als Vorlegungslast beibehalten werden. 2"

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2. Kapitel: Der Urkundenbegriff im Zivilprozeßrecht

fügt (§ 131 ZPO), bei Gericht niedergelegt (§ 134 ZPO), dem gegnerischen Anwalt ausgehändigt (§ 135 ZPO) oder muß die Urkunde vorgelegt werden (§§ 142, 273 II Nr. 1 ZPO). Danach reicht ein irgendwie geartetes, auch flüchtiges Zeichen wie das Kopfnicken nicht aus. Das Zeichen muß vielmehr eine beständige Gestalt angenommen haben, es muß verkörpert worden sein. Denn nur die Sache, die ein Zeichen trägt, kann vorgelegt werdenS. § 6. Die beweisrechtliche Relevanz der Urkunde I. Die Beweiskraft

Kann somit einerseits nur das verkörperte Zeichen den Anforderungen gerecht weI'den, denen eine Urkunde genügen muß, so dürfen diese Anforderungen andererseits - und auch das zeigt die ZPO selbst - nicht zu hoch angesetzt werden. Die Beweiskraft gehört darum nicht zu den begriffsbildenden Merkmalen einer Urkunde. Schon ein Blick auf die §§ 415-418 ZPO macht das deutlich. Denn z. B. nach § 415 ZPO beweisen Urkunden, wenn sie von einer Urkundsstelle oder -person aufgenommen und über eine vor ihr abgegebene Erklärung errichtet sind. Die Urkunde beweist also nicht, weil sie Urkunde ist9 , sondern die Urkunde beweist, weil sie eine öffentliche Urkunde ist und einen bestimmten Inhalt hat. Die gedankliche Abfolge ist die gleiche in den §§ 416-418 ZPO. Stets müssen weitere Voraussetzungen hinzukommen, um der Urkunde die Beweiskraft beizumessen, die ihr noch fehlt, obwohl sie Urkunde ist. Zudem ist die Entscheidung für die Beweiskraft eines Zeichens außerhalb des Rahmens, der durch die Beweisregeln der §§ 415-418 ZPO abgesteckt ist, häufig unsicher. Denn dort ist das Gericht in der Beweiswürdigung frei (§ 286 I S. 1, II ZPO). Es hieße hier das Ergebnis der Beweiswürdigung und darüber hinaus die Verlautbarung der Gründe abwarten, die das Gericht zu diesem Ergebnis bewogen hat. Denn nur wenn das Gericht einem Zeichen Beweiskraft zugemessen hat und das zum Ausdruck bringt, stände nunmehr mit ex-post-Wirkung fest, daß 8 Mit dieser Einschränkung, im übrigen aber wie Seujfert I Walsmann, Bem.l vor § 415, die weite Definition der Urkunde etwa bei Bruns, Rz.192; Planck, Bd. II 1, § 113 I, S. 215; Förster I Kann, Bem. 1 vor § 415; Wilmowski I Levy, Bem. vor § 380; Siegel, S. 18. - Die Unhandlichkeit des Zeichenträgers spielt hingegen für den Urkundenbegriff keine Rolle (vgl. aber Reithmann, S. 3 f.), sondern hindert lediglich die Anwendung der Vorlegungsbestimmungen. e So aber müßte es sein, wenn der Charakterisierung eines Zeichens als Urkunde die Feststellung von dessen Beweiskraft vorauszugehen hätte.

§ 6. Die beweisrechtliche Relevanz der Urkunde

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es sich um eine Urkunde handelt1o. Jetzt, am Ende des Beweisstadiums, könnte es darum notwendig werden, den Blick zurückzuwenden und etwa zu erörtern, ob ein Vorlegungsantrag des Beweisführers den Voraussetzungen der §§ 421, 424 ZPO entsprach. Gesetzt den Fall, dies wäre zu verneinen: der Beweisführer bliebe dann beweisfällig; denn es würde an einem ordnungsgemäßen Vorlegungsantrag fehlen, weil die antragsgemäß angeforderte und vorgelegte Urkunde beweiskräftig ist. Wie grotesk diese Betrachtungsweise in ihren Konsequenzen ist, hat sich damit gezeigtl l • Von welchen Zufällen die Einordnung eines Schriftstücks als Urkunde abhängt, wird zudem an einem Beispiel deutlich, das zur Stützung jener Auffassung angeführt wird12 : Der klagende Verkäufer A will den Beweis des Kaufvertragsschlusses mit B durch Vorlage eines Scheins führen, in dem es heißt: "Wir Unterzeichnete X und Y erklären hiermit, daß wir dabei gewesen sind, als B dem A sein Pferd (wird näher beschrieben) für 600 Mark abgekauft hat, und daß dieser Kauf von beiden durch Handschlag bekräftigt worden ist". Die Urkundenqualität des Scheins soll hier beruhen auf der richterlichen Einschätzung der Zuverlässigkeit von X und Y. Sind sie dem Gericht bekannt "als zwei so vortreffliche, gewissenhafte, vorsichtige, über alle Beanstandung und über den leisesten Verdacht erhabene Leute", die deswegen dem Gericht so imponieren, daß es "auf ihren Brief Alles zu bauen wagt"13, sei der Schein Urkunde. Er beweise folglich die Erklärung von X und Y, die ihrerseits Indiz für den Vertragsschluß sei14• - An einer Grundlage für eine einigermaßen sichere Unterscheidung zwischen einer Urkunde und einem nicht-urkundlichen Zeichen fehlt es damit völlig. Ob eine Person als in dem angeführten Grad zuverlässig eingestuft wird, ist überhaupt nicht voraussehbar. Darüber hinaus tauchen gerade angesichts dieses Beispiels weitere Bedenken auf. Sind die Personen, die das verbriefte Zeugnis abgelegt haben, nicht derart zuverlässig, würde der Brief den Vertragsschluß nicht einmal indiziell beweisen können15. Ginge es hingegen in einem anderen Prozeß darum, ob X und Y jenes Zeugnis abgelegt haben, wäre der Brief beweiskräftig (vgl. auch § 416 ZPO). Hier wäre er Urkunde, dort nicht16. Auch wegen der aus ihr folgenden Relativität des Urkundenbegriffs ist eine Auffassung wie diese abzulehnen. Vgl. Wendt, AcP 63, 316. Dazu auch Schultze, GrünhutsZ 22, 75 f. 12 Heusler, AcP 62, 281 f. 13 Eine weitere Unklarheit: Was ist, wenn der Brief zwar beweiskräftig ist, aber ein Beweismittel neben anderen ist? U Heusler, AcP 62, 282. 15 Vgl. Heusler, S.281. 10

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2. Kapitel: Der Urkundenbegriff im Zivilprozeßrecht

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Schließlich steht die Abgrenzung der Urkunde von sonstigen Zeichen im Beweisstadium - denn hier erst stellt sich die Frage nach der Beweiskraft - unter der Prämisse, daß das Zeichen, um dessen Einordnung es geht, erstmals überhaupt im Beweisstadium Bedeutung erlangen kann. Wie aber wäre dann zu verfahren, wenn dieses Stadium nicht erreicht wird oder jedenfalls vor dessen Erreichung das Gericht sich Gedanken über die UrkundenquaIität eines Zeichens machen muß? Man stelle sich vor, eine Partei nehme etwa auf einen Brief in ihren Händen Bezug, ohne ihn jedoch vorzulegen. Zum einen sind Sanktionen davon abhängig, ob die Partei kraft ihrer Bezugnahme vorlegungsbelastet war (§§ 131, 134 ZPO), weil es sich bei dem Brief um eine Urkunde handelt. Auf die Beweiskraft des Briefes kommt es an dieser Stelle (noch) nicht an. Und soll die Sanktion auf die Nichtvorlegung einer Urkunde gar in der Präklusion des Briefes bestehen17 , so wird das Gericht gar keine Gelegenheit erhalten, auf dessen Beweiskraft einzugehen. Zum anderen besteht nach §§ 142, 273 II Nr. 1 ZPO die Möglichkeit, die Vorlegung von Urkunden anzuordnen. Wiederum geht das Gesetz davon aus, daß ein Zeichen unabhängig von seiner Beweiskraft Urkunde ist. Denn die Beweiskraft ist ohne Kenntnis des Inhalts nicht zu beurteilen. Diese Kenntnis will sich das Gericht durch eine Anordnung nach § 142 ZPO oder § 273 II Nr. 1 ZPO, die deswegen gleichwohl auf die Vorlegung einer Urkunde gerichtet ist, aber erst verschaffen. Die Beweiskraft ist hier also erst feststellbar, wenn die Urkunde vorliegt. Zudem gibt es Urkunden auch außerhalb des Bereichs, in dem ein Zeichen als Mittel des Urkundenbeweises von Bedeutung werden könnte. Denn die Last zur Vorlegung entsteht kraft Bezugnahme (§§ 131, 134 ZPO) oder richterlicher Anordnung (§§ 142, 273 II Nr. 1 ZPO) auch hinsichtlich solcher Urkunden, die der Aufklärung des unstreitigen und deswegen nicht beweisbedürftigen Parteivorbringens dienen18 • Die Beweiskraft, ja sogar die Beweiserheblichkeit des Zeichens, das zu diesem Zweck eingesetzt wird, ist insoweit ohne Belang19 . 11. Die Echtheit der Urkunde

Unter Hinweis auf die hier sog. Tatsachenurkunde, die auch Urkunde im Sinne der ZPO ist, lassen sich weitere Merkmale als für den UrVgl. auch Schultze, GrünhutsZ 22, 73; Wendt, AcP 63, 316 f. Siehe unten § 16 1. 18 Einzelheiten unten § 11 V. U Zur Beweiserheblichkeit im Ergebnis ebenso Wendt, AcP 63, 317 f., der aber unzutreffend davon ausgeht, im Zivilprozeß sei von Urkunden nur beim Beweis die Rede (aaO., S.318). Vgl. zu dieser einengenden Betrachtung auch noch unten § 11 V. 16 17

§ 6. Die beweisrechtliche Relevanz der Urkunde

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kundenbegriff unwesentlich ausscheiden. Es sind dies die Merkmale, welche die Beweiseignung einer Urkunde ausmachen 20 • Zu ihnen gehört die Echtheit der Urkunde. Sie ist Voraussetzung nur für die Beweiskraft einer Urkunde 21 und gehört darum nicht zu den Bestandteilen des Urkundenbegriffs22 , 23. UI. Die Erkennbarkeit des Ausstellers

Eine Urkunde ist im Sinne des Zivilprozeßrechts echt, wenn sie auf den Willen desjenigen zurückgeführt werden kann, den der Beweisführer als Aussteller bezeichnet24 • In letzterem liegt der Unterschied zum Echtheitsbegriff des materiellen Strafrechts, vielleicht auch des Strafprozeßrechts25 • Die eine Grundlage für den Vergleich zwischen wirklichem Aussteller und dem als Aussteller Bezeichneten ist nämlich im Strafrecht insoweit eine andere, als es nicht auf die Behauptung des Beweisführers zur Person des Ausstellers ankommt. Maßgebend ist statt dessen, ob der aus der Urkunde ersichtliche Aussteller mit dem wirklichen Aussteller identisch ist26 • Dort ist deshalb die Erkennbarkeit des Ausstellers anhand der Urkunde Voraussetzung für die Feststellung der Urkundenechtheit und - je nach dem Zweck der Vorschriften, welche sich auf Urkunden beziehen - Charakteristikum der Urkunde 21 • Im Zivilprozeß aber kommt es, wie gesehen, auf den Inhalt der Urkunde zwecks Feststellung von deren Echtheit nicht notwendig an2R • 20 Anders ZöHer / Stephan, Bem. II vor § 415, wonach die Beweiseignung Merkmal der Urkunde i. S. der §§ 415 ff. ZPO sein soll. 21 Unabhängig davon, ob die Beweiskraft aus den Beweisregeln der §§ 415-418 ZPO folgt (zum Echtheitserfordernis insoweit Thomas / Putzo, Bem. 3 vor § 415) oder ob eine Urkunde nach § 286 I S. 1 ZPO für beweiskräftig erachtet wird. 22 a. A. ZöHer I Stephan, Bem. II vor § 415 (unter Verkennung von BGHZ 65, 300 [vgl. dort S.301]). Daß das nicht richtig ist, folgt darüber hinaus aus dem Sprachgebrauch der ZPO. So ist z. B. die Echtheit einer Urkunde (!) notfalls zu beweisen (§ 440 I ZPO). 23 Für das Strafprozeßrecht wie hier Krause, S. 106. Der Echtheitsbegriff ist dort allerdings ein anderer (vgl. dazu unten III). 24 Statt vieler Stein I Jonas / Schumann I Leipold, 19. Aufl., § 437 Anm. I 1 (mißverständlich Bem. I 3 vor § 415). 25 Für einen insoweit einheitlichen prozessualen Urkundenbegriff, dem die Erkennbarkeit des Ausstellers aus der Urkunde nicht wesentlich ist, LK / Tröndle, § 267 Rz.1; Löwe / Rosenberg / Gollwitzer, § 249 Rz.7; Kienapfel, Urkunden im Strafrecht, S. 255; Krause, S. 105; gegenteiliger Ansicht Binding, S. 193 ff., 199 ff. 26 BGHSt 3, 82 (85); Schönke I Schröder / emmer, § 267 Rz. 2 mit zahlr. Nachw.; Kienapfel, Urkunden im Strafrecht, S. 256 f.; NJW 1971, 1781. 27 Vgl. Krause, S. 104 f. mit weiteren Nachw.; siehe auch BGHSt 24, 140

(141). 28

Selbstverständlich kann die Feststellung des Urkunden ausstellers und

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2. Kapitel: Der Urkundenbegriff im Zivilprozeßrecht

Deshalb müssen weitere Überlegungen erweisen, daß die Erkennbarkeit des Ausstellers nicht Begriffsmerkmal der Urkunde ist. Die §§ 437, 438, 439 H, 440 H ZPO weisen den Weg zu diesem Ergebnis. Diese Vorschriften ordnen sämtlich Konsequenzen an, die sich daraus ergeben, daß eine Urkunde Indizien enthält, die auf einen bestimmten Aussteller schließen lassen. Daß diese Konsequenzen je nach der überzeugungskraft des Indizes unterschiedlich sind, ist in diesem Zusammenhang unwichtig. Bedeutsam ist allein, daß ausschließlich diese Folgerungen an die Erkennbarkeit des Ausstellers geknüpft sind, die Qualifizierung des Beweismittels als Urkunde hingegen vorausgesetzt wird. IV. Die Unterschrift des Ausstellers

Alle die in §§ 437-440 ZPO angeführten Anhaltspunkte sind, wie gesagt, Indizien, mit deren Hilfe der Urkundenaussteller identifizierbar ist. Sie haben darum nur den Einfluß auf die Bildung des Urkundenbegriffs, den das durch sie konkretisierte Merkmal der Erkennbarkeit des Ausstellers hat. Hierin liegt der Grund dafür, daß die Unterschrift des Ausstellers einer Privaturkunde (vgl. §§ 416, 439 H, 440 H ZPO) für die Urkunde nicht wesentlich ist 29 • V. Die Beweisbestimmung

Ebenso wie das Strafrecht kennt das Zivilprozeßrecht die "geborene" und die "gekorene" Urkunde 3{), mit anderen Worten die Absichts- und die Zufallsurkunde. Jene ist bei ihrer Errichtung zum Beweis bestimmt worden, diese sollte ursprünglich anderen als Beweiszwecken dienen. Diese Unterscheidung ist für den zivilprozessualen Urkundenbegriff belanglos 31 • Denn es geht wiederum um die Verwendbarkeit eines Zeichens zum Beweise und damit um nur einen der Zwecke, denen eine damit die Feststellung der Echtheit durch die Urkunde erleichtert werden (Wieczorek, § 415 Rz. A II a 1). Das ändert aber nichts an der Prämisse, von der aus die Echtheitsfeststellung zu erfolgen hat. 29 Im Ergebnis ebenso RGZ 2, 415 (416 f.); Jauernig, ZPR, § 55 I, S.181; Nikisch, § 88 I 1, S.341; Rosenberg I Schwab, § 122 I, S.708; Schönke I Kuchinke, § 64 I, S.287; Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., Bem. I 3 vor § 415; Wieczorek, § 415 Rz. A II aLFür den Strafprozeß ebenso Krause, S.106. 30 Vgl. Kienapfel, GA 1970, 193 f. 31 a. A. soweit ersichtlich nur Pinner, S. 14 (für den Brief); Wendt, AcP 63, 314 f., 318; wie hier z. B. Arens, Rz.310; Jauernig, ZPR, § 55 I, S. 181; Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., Bem. I 2 vor § 415. - Zum Beweis mit Zufallsurkunden im gemeinen Recht Bruns, Rz. 192 a.

§ 6. Die beweisrechtliche Relevanz der Urkunde

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Urkunde im Zivilprozeß dienen kann. Deswegen kann die Bestimmung der Urkunde zum Beweis für den Urkundenbegriff nicht mitentscheidend sein 32 • Die strafprozessuale Definition der Urkunde stimmt in diesem Teil mit der zivilprozessualen nicht überein. Zur Urkunde im Sinne der Strafprozeßordnung wird ein Schriftstück33 erst mit der Beweisbestimmung34 • Diese Divergenz ist indes'sen auch vom hier vertretenen Standpunkt erklärbar. Im Strafproz.eßrecht nämlich können beweisrechtliche Qualifikationen deswegen in den Urkundenbegriff einfließen, weil die Urkunde im Strafprozeß nur als Beweismittel Bedeutung erlangen kann 35 • Dem Strafprozeß ist dile Trennung zwischen Behauptungs- und Beweisstadium fremd 36 • Die Instruktionsmaxime, die das Verfahren dort beherrscht, verbindet - in zivilprozessualer Sicht beide zu einer Einheit. Die Wahrheit ist deswegen auch nicht die formelle W,ahrheit des (bewiesenen) Parteivorbringens, sondern die materirelle Wahrheit, die von Gerichts wegen unter sofortigem Einsatz der zur Verfügung stehenden Beweismittel zu ermitteln ist3 7 • Im Strafprozeß bestätigt eine Urkunde also nicht einen bereits vorgestellten Sachverhalt, sondern sie ist Mittel 2JU dessen Feststellung. Darum kann die Urkunde dort nicht die doppelte Funktion wie im Zivilprozeß haben. Ähnliches gilt für den Begriff im Bereich des Urkundenstrafrechts. Die Urkunde dort wird definiert als verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweise von rechtlich erheblichen Umständen geeignet und bestimmt ist und ihren Aussteller erkennen läßt 38 • Die Voraussetzung der Beweisbestimmung ergibt s[ch aus der Bedeutung der §§ 267 ff. StGB. Deren Schutzobjekt ist die Urkunde als BeweismitteP9. Auch dieser Urkundenbegriff ist somit durch das Beweisrecht geprägt und für den Zivilprozeß nicht gültig.

32 Jedenfalls damit ist der Boden dafür entzogen, als Urkunde ein solches Schriftstück zu bezeichnen, das zur Konstatierung von Tatsachen ab ge faßt ist (vgl. aber Bolgiano, ZZP 24, 129; Heusler, AcP 62, 2.80; ablehnend auch Wendt, AcP 63, 314 f.; siehe ferner Hürlimann, S. 46). 33 Zu diesem Erfordernis hier siehe unten § 8. 34 Krause, S. 112. 35 Vgl. § 249 I S. 1 StPO: "Urkunden und andere als Beweismittel dienende Schriftstücke werden in der Hauptverhandlung verlesen." (Hervorhebung nur hier.) 38 Vgl. auch Eh. Schmidt, Lehrkommentar Teil I, S. 204 f. 37 Vgl. Löwe I Rosenherg I Schäfer, Einl. Kap. 7 Rz.4; Eh. Schmidt, Lehrkommentar Teil II, § 249 Rz. 1. 38 Vgl. statt vieler BGHSt 3, 82 (84/85); 4, 284 (285); Schönke I Schröder / Cmmer, § 267 Rz. 2; SK / Samson, § 267 Rz. 11. 39 Maurach, § 53 II, S.475; Schönke I Schröder I Cramer, § 267 Rz.1; SK ( Samson, § 267 Rz.3. - über das durch die §§ 267 ff. StGB geschützte Rechtsgut besteht keine Einigkeit (vgl. einerseits SK / Samson, § 267 Rz.3-5; andererseits Maurach, S. 475 f.; Schönke I Schröder I Cmmer, § 267 Rz.1. überblick bei Samson, Urkunde und Beweiszeichen, S. 102 ff.; Schilling, S. 133 ff.). Die hier allein entscheidende Funktion der §§ 267 ff. StGB, die Urkunde als Beweismittel zu schützen, bleibt von dem Streit aber unberührt (vgl. Samson, Urkunde und Beweiszeichen, S.108; ferner Schilling, S. 141 f.).

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2. Kapitel: Der Urkundenbegriff im Zivilprozeßrecht VI. Zusammenfassung

Die Urkunde wird nicht charakterisiert durch deren Beweiskraft oder durch Merkmale, welche allein über die Beweiseignung eines Zeichens entscheiden. Zu diesen Merkmalen gehören die Echtheit der Urkunde, die Erkennbarkeit des Ausstellers, dessen Unterschrift, aber auch die Beweisbestimmung. § 7. Die Urkunde als Verkörperung einer Gedankenerklärung I. Die Verkörperung durch Zeichen

Eine Urkunde kann nur vorhanden sein, wenn eine Erklärung ihre Verkörperung durch Zeichen erfahren hat. Dieser Satz enthält eine Hypothese, die es nun zu beweisen gilt. Denn aus den Bestimmungen der ZPO über den Antritt des Urkundenbeweises und die Vorlegung von Urkunden läßt sich nicht herleiten, das verstofflichte Anzeichen müsse mehr als ein bloßes Anzeichen sein. Dies nämlich ist ein Zeichen: es ist ein Anzeichen mit einem bestimmten Erklärungswert4o • Entscheidend ist allein, daß das Anzeichen einen Erklärungswert hat. Ob im Einzelfall an den Erklärungswert des Anzeichens angeknüpft wird, ist für die Definition der Urkunde hingegen bedeutungslos 41 • Hieraus folgt aber das Kriterium zur Unterscheidung von Urkundenbeweis und Augenscheinsbeweis: Geht es um den Beweis durch Zeichen, soll also bewiesen werden durch die Erklärung, die in den Zeichen zum Ausdruck kommt, handelt es sich um einen Urkundenbeweis 42 • Kommt es nicht auf diese Erklärung, sondern allein auf das Vorhandensein und die Betrachtung der Zeichen an, wird eine Urkunde zum Gegenstand des Augenscheinsbeweises. Damit ist zugleich die anfangs aufgestellte Hypothese bewiesen. Entscheidet die Benutzung der verkörperten Symbole als Anzeichen oder Zeichen über deren Verwendung als Mittel des Augenscheins- oder Urkundenbeweises, so ist die Benutzbarkeit das Merkmal, das Augen40 VgI. Nehring, S. 22 ff.; Puppe, Fälschung technischer Aufzeichnungen, S. 25 ff.; Jura 1980, 18; Samson, Urkunde und Beweiszeichen, S. 34 ff.; ebenso im Ansatz Reithmann, S. 3. 41 VgI. auch Samson, Urkunde und Beweiszeichen, S.39 unter III 5. 42 Bernhardt, ZPR, § 38 I, S. 241; Rosenberg I Schwab, § 121 I, S. 704; Baumbach I Lauterbach I Hartmann, übersicht 1 vor § 371. Ablehnend Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., Bem. II 3 vor § 371. über die Zuordnung etwa von Tonbandaufnahmen ist damit noch nicht entschieden (vgI. aber Stein I Jonas I Schumann I Leipold, aaO., Fn. 8). Daß sie bis hierhin Urkunde sein können, hindert selbstverständlich nicht die Feststellung, daß es an der Urkundenqualität mangels Erfüllung einer anderen Voraussetzung, der Schriftlichkeit (dazu unten § 8 II) fehlt.

§ 7. Die Verkörperung einer Gedankenerklärung

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scheinsobjekt und Urkunde trennt. Das Anzeichen kennzeichnet das Augenscheinsobjekt, das Zeichen charakterisiert die Urkunde. 11. Das Zeichen als Erklärungsträger Das Zeichen also ist ein Werkzeug zur Übermittlung einer Erklärung43 • Es kann seinen Erklärungswert aus allgemeinen Regeln (Gesetz, Herkommen) oder aus individueller Abrede44 , einem Code45 , gewinnen. Von daher können urkundliche Zeichen alle Zeichen sein, denen eine bestimmte Bedeutung zugeordnet ist. Hierzu gehören Zahlenschriften und chiffrierte Mitteilungen46 , Geheimschriften47 , Kurzschriften48 , Blindenschrift49 , jede in fremder Sprache abgefaßte SchriftSO sowie - wieder unter der Voraussetzung eines Codes - Striche, Farbkleckse und Löchers1, 52. 43 Dem wird eine Auffassung nicht gerecht, nach der es für eine Urkunde begriffswesentlich ist, daß sie eine Tatsache unmittelbar zum Ausdruck bringt (so aber Heusler, AcP 62, 281). Auch wären Berichte über Tatsachen danach keine Urkunden (Heusler, AcP 62, 281; a. A. Bähr, JherJb 14, 36 ff.). Das allerdings steht im Widerspruch zu den §§ 416, 418 ZPO. (überhaupt trifft Heusler - sein Aufsatz ist 1879 veröffentlicht, dem Jahr des Inkrafttretens der ZPO - der Vorwurf, die ZPO im wesentlichen unberücksichtigt gelassen zu haben. Man beachte in diesem Zusammenhang nur die Dreiteilung der Beweismittel [Zeuge, Urkunde, Eid] bei Heusler, S.209, 225 ff.) 44 Vgl. Samson, Urkunde und Beweiszeichen, S.34. 45 Cherry, S. 303; Puppe, Fälschung technischer Aufzeichnungen, S.25. 46 Jauernig, ZPR, § 55 I, S. 181; Nikisch, § 88 I 1, S. 341; R. Schmidt, ZPR, § 82 I, S. 512; Schultze, GrünhutsZ 22, 77. 47 Dazu einschränkend unten II. 48 Bernhardt, ZPR, § 38 I, S. 240; Nikisch, § 88 I 1, S. 341; R. Schmidt, ZPR, § 82 I, S.512; Schänke I Kuchinke, § 64 I, S.287; Struckmann I Koch, Bem. 1 vor § 415; Eb. Schmidt, Lehrkommentar Teil II, § 249 Rz.7; einschränkend Krause, S. 117. 49 Lang, S.94. 50 Jauernig, ZPR, § 55 I, S.181; Rosenberg I Schwab, § 122 I, S.708; R. Schmidt, ZPR, § 82 I, S. 512; differenzierend Blomeyer, ZPR, § 77 I 1, S.383; Wieczorek, § 415 Rz. Alb; Eb. Schmidt, Lehrkommentar Tell II, § 249 Rz.7; wohl auch RGZ 162, 282 (287); a. A. Krause, S. 118. Der Urkundencharakter einer fremdsprachigen Schrift wird vorausgesetzt in § 2 I der VO zur Vereinfachung des Verfahrens auf dem Gebiet des Beurkundungsrechts vom 21. 10. 1942 (RGBl. I 609): "Die übersetzung einer Urkunde (!), die in fremder Sprache abgefaßt ist, ... " (ähnlich § 50 I S. 1 BeurkG). 51 Puppe, Jura 1980, 18. 52 Zahlreiche weitere Beispiele für codifizierte Nachrichten bei Cherry, S. 31 ff. Nachweise zur strafrechtlichen Literatur bei Kienapfel , Urkunden und andere Gewährschaftsträger, S. 5 f. Röntgenbilder, Elektrokardiogramme, Elektroenzephalogramme und andere technische Aufzeichnungen vor allem aus dem medizinischen Bereich (vgl. Daniels, NJW 1976, 347) sind danach keine Erklärungsträger und dementsprechend keine Urkunden (vgl. BGH NJW 1963, 389; Daniels, S.348, dort auch Fn.31).

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2. Kapitel: Der Urkundenbegriff im Zivilprozeßrecht Sie alle sind entzifferbar, in Erklärungen übersetzba~3.

Allerdings ist eine Einschränkung zu machen. Die Urkunde gewinnt ihren Wert auch im Zivilprozeß aus der Tatsache, daß ihr Erklärungsinhalt jederzeit verfügbar ist54 • Denn nur der offengelegte Urkundeninhalt kann den Parteivortrag ergänzen oder erläutern, nur er kann im Wege des Urkundenbeweises Verwendung finden. An dieser Verfügbarkeit fehlt es, wenn der Code, der die Ermittlung des Urkundeninhalts ermöglicht, nur wenigen Personen zugänglich ist, er insbesondere zwischen ihnen verabredet ist. Hier ist das Gericht auf das Gutdünken desjenigen angewiesen, dem der Code zugänglich ist. Weigert sich jener, den Code preiszugeben, fehlt es faktisch an einer Übersetzungsmöglichkeit des Zeichens; erklärt der Eingeweihte den Code oder übersetzt er ohne dessen Preisgabe die Zeichen, bleibt es im Ungewissen, ob Code oder Erklärungsinhalt richtig wiedergegeben sind. In letzter Konsequenz läge es also sogar im Belieben der eingeweihten Partei, über die Anwendbarkeit der Beweisregeln (§§ 415 ff. ZPO) und folglich über eine Bindung des Gerichts in der Beweiswürdigung (§ 286 II ZPO) zu bestimmen. Daraus ergibt sich, daß nur solche Zeichen urkundlichen Charakter haben, die objektiv oder wenigstens dem Gericht verständlich sind55 • Geheimschriften z. B. sind deshalb keine Urkunden im Sinne des Zivilprozeßrechts56 • III. Die Urkundenqualität von Vervielfältigungen der Originalurkunde

Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen sind die Fälle lösbar, in denen nur ein Zeichen vorhanden ist, in dem sich eine 53 An dieser Hürde auf dem Weg zur Urkunde brauchen Tonbänder, Schallplatten, Tonwalzen u. ä. noch nicht zu scheitern. Denn als Code zu ihrer Entzifferung können Abnahmesysteme usw. angesehen werden. - Anders steht es um Blankett-"Urkunden". Sie enthalten kein der übersetzung zugängliches Zeichen und sind daher in Wahrheit keine Urkunden (R. Schmidt, ZPR, § 82 I, S.512 Fn. 1). 54 Vgl. auch SK / Samson, § 267 RZ.24. 55 Blomeyer, ZPR, § 77 I 1, S. 383; Wieczorek, § 415 Rz. A I a; zu weit Rosenberg / Schwab, § 122 I 1, S. 708; für das Strafrecht Wetzet, § 59 II 1 b, S. 403 f.; SK / Samson, § 267 Rz. 25 (mit anderer Begründung [Rz. 24]); Puppe, Jura 1980, 18, alle mit weiteren Nachw. - Vgl. auch § 43 I S. 2 HGB. Verständlichkeit für jeden des Lesens Kundigen fordert hingegen Krause, S.117. 16 Blomeyer, ZPR, § 77 I 1, S.383; Wieczorek, § 415 Rz. A I a; siehe auch Krause, S. 117. - Im übrigen ist die Abgrenzung fließend (vgl. zu Verschlüsselungen und Verkürzungen vor allem Samson, Urkunde und Beweiszeichen, S. 123 ff.). Sie ist, wie gesagt, stets danach zu treffen, welchen Verbreitungsgrad der Code zur Ermittlung des Zeicheninhalts erreicht hat. Chiffrierte Mitteilungen sind deswegen nicht notwendig Urkunden. Auch Strichen, Farbklecksen und Löchern wird es schon darum regelmäßig an der Urkundenqualität fehlen.

§ 7. Die Verkörperung einer Gedankenerklärung

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Erklärung verkörpern kann. Neue Probleme tauchen aber dann auf, wenn auf ein und dieselbe Erklärung aus mehreren Anzeichen geschlossen werden könnte. Wird beispielsweise von einer schriftlichen Erklärung eine Abschrift oder Fotokopie hergestellt, wird die Erklärung durchgeschrieben oder auf andere Weise vervielfältigt57 , so sind diese Reproduktionen Urkunden nur, wenn sie den Schluß auf die Erklärung zulassen 58 • Jene müssen mit anderen Worten Zeichenträger sein, um selbst Urkundenqualität zu haben. Soweit Reproduktionen hingegen nur Anzeichen, Indizien für das Vorhandensein der Urschrift sind, der Weg zu der Erklärung also über die Urschrift führt, ist nur die Urschrift Urkunde. Denn sie allein verkörpert sodann die Erklärung. Sofern sich aus einem Anzeichen die Erklärung ermitteln läßt, kommt es auf die Art und Weise von dessen Herstellung nicht an. Hieraus darf aber nicht gefolgert werden, daß deswegen z. B. Fotokopien UrklUnden seien59 • Es bedarf nach wie vor des Beweises, daß die Fotokopie Träger eines Zeichens im soeben dargestellten Sinne ist. Auch lassen sich die Erkenntnisse, die aus dem strafrechtlichen UrkundenbegJriff für die Urkundenqualität von Durchschriften, Abschriften, Fotokopien usw. 60 .abgeleitet werden, für das Zivilprozeßrecht nicht ohne weiteres fruchtbar machen 61 • Soweit derartige Reproduktionen nicht zu den Urkunden gezählt werdenG2 , soll das seine Ursache darin haben, daß jene den Aussltel!.er nicht erkennen lassen 63 • Damit fehlt es an einem Merkmal des strafrechtlichen, nicht aber des zivilprozessualen Urkundenbegriffs. Ob er auf Reproduktionen der bezeichneten Arten zutrifft, muß sich daher bei der Prüfung eines anderen Erfordernisses, eben dem der Verkörperung der Erklärung erweisen. Im Ergebnis dasselbe gilt für den str.afprozessualen Urkundenbegriff. Er verzichtet zwar auf das Merkmal der Erkennbarkeit des Ausstellers 64 • Allein deswegen Reproduktionen als Urkunden zu bezeichnen65 , geht aber aus den genannten Gründen nicht an 66 • 57 Zum "Computerbescheid" unten § 8 II Fußn.93, § 8 III. 58 a. A. Planck, Bd. II I, § 113 II B 2, S.217, wonach eine Abschrift stets Urkunde sein soll. 58 So aber FinG Berlin, NJW 1977, 2232; Baumbach I Lauterbach I Hartmann, übersicht 1 vor § 415; Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., Bem. I 3 vor § 415; Wieczorek, § 415 Rz. A; a. A. Brüggemann, S.392 Rz. 35 ff. 60 Dazu Schönke / Schröder / Cramer, § 267 Rz. 39 ff.; SK / Samson, § 267 Rz. 35 ff. 61 Anders ZöHer I Stephan, Bem. II vor § 415, unter Berufung auf BGH NJW 1971, 1812, und auf Kienapfel, NJW 1971, 1780 (dazu unten Fn. 63). 62 Abschriften (auch beglaubigte hinsichtlich des Teils, der das Original wiedergibt), Fotokopien, Xerokopien (Kienapfel, NJW 1971, 1780 f.). Für Durchschriften, Hektographien, Drucke soll etwa anderes gelten. Zum ganzen Schönke I Schröder I Cramer, § 267 Rz. 39 ff.; SK I Samson, § 267 Rz. 35 ff. 63 BGHSt 5,291 (293); 24,140 (141) = BGH NJW 1971, 1812 (1813); Maurach, § 53 III F, S. 482; SK I Samson, § 267 Rz. 35; Kienapfel, NJW 1971, 1780 f. 64 Siehe oben § 6 III. es Vgl. für den Strafprozeß Löwe I Rosenberg I GoHwitzer, § 249 Rz.7; Wömpner, MDR 1980, 889.

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2. Kapitel: Der Urkundenbegriff im Zivilprozeßrecht

Urkundenreproduktionen können eindeutig und allgemeingültig weder den Urkunden noch den Augenscheinsobjekten zugerechnet werden. Das zeigen prägnant Beispiele aus dem zivilprozessualen Bereich67 • Anwaltliche Schriftsätze werden häufig nicht in Urschrift bei Gericht eingereicht. An die Stelle des Originals treten Abschriften oder Durchschriften, in zunehmendem Maße auch Fotokopien der Schriftsätze. Diese Praxis ist zu billigen68 , sofern nur die Reproduktion für den Verkehr bestimmt worden ist69 • Das impliziert, daß die Abschrift oder die Fotokopie der Schriftsatz ist, nicht ihn lediglich wiedergibt. Denn etwa Klage- oder Rechtsmittelschrift sind, um wirksam zu werden, bei Gericht einzureichen (§§ 253 V, 518 I, 553 I S. 1 ZPO). Ein bloßer Hinweis auf das zurückgehaltene Original genügt selbstverständlich nicht. Fragt man sich, warum in diesen Fällen die Reproduktion des Originals Urkunde ist, so liegt nach dem, was soeben zur Zulässigkeit beispielsweise der Klageerhebung durch Zustellung einer Fotokopie gesagt worden ist, die Antwort auf der Hand. Die Fotokopie ist die Klage, weil sie nach dem Willen des Klägers in die Stelle des Originals "aufrücken" sollte70 • So ist ein Kriterium gewonnen, anhand dessen eine Reproduktion als Urkunde einzustufen ist. Eine Vervielfältigung ist danach Urkunde, wenn sie von dem Urheber der Erklärung dazu bestimmt ist, eine (weitere) Originalerklärung zu sein71 • 66 Daß im Strafprozeß die Verlesung von Reproduktionen zulässig sein soll, mag sich immerhin aus § 249 StPO ergeben. Denn dort ist die Rede nicht nur von Urkunden, sondern auch von anderen als Beweismittel dienenden Schriftstücken (vgl. die Begründung in RG GA 39, 234 [235]). Zudem scheint es manchmal, als sei bei der Verlesung etwa von Abschriften nicht die Abschrift das Mittel des Urkundenbeweises, sondern als sei dies nach wie vor das Original (vgl. RG aaO.; ferner RGSt 36, 371 [372]; 50, 129 [130]; BGH NJW 1966, 1719 [1720]; Eb. Schmidt, Lehrkommentar Teil II, § 249 Rz. 8. Hier überall wird die übereinstimmung zwischen Abschrift und Urschrift gefordert.). 67 Zahlreiche sonstige Beispiele bei Kienapfel, Urkunden und andere Gewährschaftsträger, S. 8 f. 68 Vgl. Stein / Jonas / Pohle, 19. Aufl., § 129 Anm. I 2 mit zahlr. Nachw. ~9 Meistens durch eigenhändige Unterschrift; vgl. Stein / Jonas / Pohle, 19. Aufl., § 129 Anm. I 2; Vollkommer, S. 260 ff., passim. 70 Vgl. Maurach, § 53 III F, S.482. 71 Vgl. RGSt 26, 270 (271); 29, 357 (359 f.); Kienapfel, Urkunden und andere Gewährschaftsträger, S. 8; a. A. Merkel, S.257. Siehe auch Samson, Urkunde und Beweiszeichen, S. 38 f.: Urkundliche Zeichen gewinnen diese Eigenschaft erst dadurch, daß sie von ihrem Urheber zum Erklärungsträger bestimmt werden. Schreibübungen, Schriftproben u. ä. sind deshalb keine Urkunden (im Ergebnis wie hier Blomeyer, ZPR, § 77 11, S. 383; Jauernig, ZPR, § 55 I, S. 181; a. A. Siegel, S.20; einschränkend BGHSt 17, 297 [298]). Ablehnend für die Fotokopie auch Puppe, Jura 1979, 635, weil sie in der Regel durch den Aussteller der Originalurkunde nicht autorisiert sei.

§ 7. Die Verkörperung einer Gedankenerklärung

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Auch hier ist freilich eine Einschränkung notwendig. Die subjektive Vorstellung einer Partei ist dort nicht ausreichend, einer Vervielfältigung Urkundenqualität zu verschaffen, wo das Gesetz dem entgegensteht. Dies ist im Bereich des Urkundenbeweisrechts (§§ 420 ff. ZPO) der Fall. Man stelle sich vor, eine Partei fügt ihrem Schriftsatz zum Beweise ihrer Behauptungen die Fotokopie (Abschrift, Durchschrift, usw.) einer Urkunde bei und kündigt die Vorlegung des Originals für den Verhandlungstermin an. Hier ist die Fotokopie lediglich ein Abbild des Originals. Nur dieses hat Urkundenqualität. Denn § 420 ZPO macht die Verwertung einer Urkunde, die sich in den Händen des Beweisführers befindet, von der Vorlegung der Urkunde in der mündlichen Verhandlung abhängig. Urkunde in diesem Sinne ist aber allein das U rkundenoriginal 72 • Darüber hinaus stehen die §§ 134, 135, 142, 273 II Nr. 1, 2 ZPO in ihrem Anwendungsbereich dem Versuch entgegen, eine Reproduktion des Originals als Urkunde anzusehen. Auch hier verlangt das Gesetz die Vorlegung des Originals, "der Urkunde". Abschriften sind in diesem Zusammenhang (§ 131 I ZPO) wie auch an anderen Stellen in der ZPO, an denen Urkunden eine besondere Regelung erfahren haben, den Urkunden gegenübergestellt (§§ 427, 593 II S. 1, 750 II, 751 II ZP0 72 a)72 b • Diese gesetzlichen Ausnahmen von der Regel lassen also für die Regel selbst im Zivilprozeßrecht wenig Raum. Denn zu Urkunden kraft Parteiwillens können Vervielfältigungen nur werden, soweit die ZPO Urkunden keiner ausdrücklichen Regelung unterworfen hat. Auf der anderen Seite zeigt das Gesetz, daß Vervielfältigungen einer Urkunde ihrerseits im Einzelfall Urkundencharakter haben können. Es sind im Prozeßrecht häufige Erscheinungen, daß Urschriften gar nicht für den Rechtsverkehr bestimmt sind, sondern lediglich das Vorbild für Abschriften, auch für Ausfertigungen abgeben. So verbleiben Originale von Urteilen bei den Gerichtsakten, zugestellt werden nur die in § 317 ZPO näher bezeichneten Reproduktionen. Die Urteilsausfertigung, nicht die Urschrift, ist sodann die Grundlage der Zwangsvollstreckung (vgl. § 724 ZPO). Es bedarf hier nicht des Rückgriffs auf das Original. Deshalb ist die Ausfertigung selbst Urkunde. Ebenso verhält es sich mit den Sitzungsprotokollen, die einen gerichtlichen Vergleich enthalten 72 BGH NJW 1980, 1047 (1048); Baumbach I Lauterbach I Hartmann, § 420 Anm. 2 A; Thomas I Putzo, Anm. zu § 420. - Vgl. ferner unten § 8 III. 72a Etwas anders die Formulierung in den §§ 131, 593 II S.l ZPO, wonach die Urkunde in Abschrift vorzulegen ist. Auch demzufolge hat die Abschrift selbst also keine Urkundenqualität. 72b Die gleiche Gegenüberstellung fand sich in § 111 der VO zur Vereinfachung des Verfahrens auf dem Gebiet des Beurkundungsrechts vom 21. 10. 1942 (RGBl. I 609); aufgehoben durch § 55 Nr.11 BeurkG.

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2. Kapitel: Der Urkundenbegriff im Zivilprozeßrecht

(§§ 794 I Nr. 1, 795, 724, 160 IU Nr. 1 ZPO), aber auch mit solchen ohne diese Titelwirkung73 • Erneut haben die Abschriften die Funktion, die in dem Protokoll verkörperte Erklärung wiederzugeben. In diesem Sinn sind gesetzliche Vertreter 74 der Urschrift ferner Auszüge - nichts anderes als Teilabschriften des Originals - namentlich aus Registern 75.

Alle diese Reproduktionen sind Urkunden, weil sie nach der Intention des Gesetzes an die Stelle des Originals treten. Damit ist das zweite Kriterium gewonnen, nach dem Vervielfältigungen von Urkunden selbst Urkundenqualität haben: Vervielfältigungen sind Urkunden, wenn sie kraft Gesetzes dazu bestimmt sind, die Originalerklärung im Rechtsverkehr zu ersetzen76 • IV. Zusammenfassung

Für die Urkunde ist begriffswesentlich die Verkörperung einer Gedankenerklärung. Das Mittel der Verkörperung ist ein Symbol, dem kraft allgemeiner Regeln oder kraft individueller Abrede ein bestimmter Erklärungswert zukommt. Urkundliches Zeichen in diesem Sinne sind aber solche Symbole nicht, deren Erklärungswert nur wenigen Eingeweihten verständlich ist. Vervielfältigungen der Originalurkunde sind ihrerseits Urkunden, wenn sie vom Urheber der Erklärung innerhalb der gesetzlichen Grenzen dazu bestimmt sind, das Original zu vertreten, oder wenn eben diese Bestimmung sich aus dem Gesetz ergibt. § 8. Das Schriftlichkeitserfordernis I. Die Verkörperung durch Lautzeicllen

Im Zivilprozeßrecht kann nur das schriftliche Zeichen auch urkundliches Zeichen sein71 • Für die Urkunde begriffsnotwendig ist zudem die Verkörperung einer Gedankenerklärung durch Lautzeichen. Wieczorek, § 415 Rz. C III a 8. Planck, Bd. II 1, § 113 II B 2 a, S. 217. 75 Planck, S. 217; Wieczorek, § 415 Rz. C IU a 6. Siehe auch OLG Nürnberg, NJW 1955, 1845; Riedell Sussbauer I Keller, § 34 RZ.3 (zu § 34 I BRAGO). 76 Weitergehend Kienapfel, Urkunden und andere Gewährschaftsträger, S.8; Merkel, S. 256 f. Entscheidend sei, ob die Vervielfältigungen nach der 73

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Verkehrsauffassung die Originalerklärung sein will und sein soll. n Vgl. statt aller Motive E III, Hahn, Bd.2, S.320; BGHZ 65, 300 (301); Arens, Rz. 310; Bernhardt, ZPR, § 38 I, S. 240; Blomeyer, ZPR, § 77 I 1, S.383; Bruns, Rz. 192; Kleinfeller, ZPR, § 97, 1, S.360; Rosenberg I Schwab, § 122 I, S. 708; Zeiss, ZPR, § 62 IV, S. 168; Förster / Kann, Bem. 1 vor § 415; Stein / Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., Bem. I 1 vor § 415; Wilmowski I Levy, Bem. vor § 380; Bolgiano, ZZP 24, 130; Hürlimann, S. 51; Schultze, GrünhutsZ 22, 74 ff.

§ 8. Das Schriftlichkeitserfordernis

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Die ZPO selbst gibt nur wenige, überdies anderwärts in Frage gestellte Anhaltspunkte dafür, daß allein der Gedankenausdruck durch Lautzeichen Urkundenqualität haben kann78 . Denn beispielsweise auch Pläne können unterschrieben oder unterzeichnet sein, sie können in1 Original und in Abschrift1 9 existieren. Von daher können deshalb keine Rückschlüsse auf den Urkundenbegriff gezogen werden80 . Eindeutig scheint es insoweit lediglich zu sein, wenn nach § 441 ZPO der Beweis der Urkundenechtheit oder -unechtheit durch Schriftvergleichung geführt werden kann81 . Indes setzt eine Argumentation aus dieser Vorschrift das zu Beweisende voraus. Warum ausschließlich das Laut- oder Wortzeichen "Schrift" sein soll, ist nämlich nach wie vor unbewiesen und steht sogar mit dem Gesetzeswortlaut des § 142 II ZPO in Widerspruch. Denn Schriftstücke sind danach "Urkunden ... sowie Stammbäume, Pläne, Risse und sonstige Zeichnungen" (§ 142 I ZPO)82. Die Beschränkung des Urkundenbegriffs der ZPO auf die Verkörperung von Lautzeichen folgt aber aus den Vorschriften der §§ 415-418 ZPO, in denen Urkunden besondere Beweiskraft zugemessen wird83. Denn der Grund hierfür liegt in der vergleichsweise hohen Zuverlässigkeit des Lautzeichens, namentlich des Buchstabens. Seine Bedeutung ist zweifelsfrei, sein Sinn kann ohne weiteres und sicher festgestellt werden. Auch ist die Gefahr gering, daß an Lautzeichen unauffällige Veränderungen vorgenommen werden 84 • So können zwar etwa in Zeichnungen häufig Zusätze angebracht werden, die als solche nicht zu erkennen sind. Bei Lautzeichen aber bietet deren Anordnung auf dem Zeichen träger Gewähr dafür, daß Zeichen weder hinzugefügt noch entfernt werden. Änderungen des geschriebenen Wortes sind regelmäßig offensichtlich. Wird ein Buchstabe den vorhandenen Buchstaben hinzugefügt, wirkt er wegen seiner Anordnung als Fremdkörper; wird ein Buchstabe durch einen anderen ersetzt, fallen meistens die Spuren von Radierungen, Löschungen usw. ins Auge 85 .

78

Vgl. aber Schultze, GrünhutsZ 22, 74; siehe auch Hürlimann, S. 51.

a "Abzeichnung" ist das richtige, aber ungebräuchliche Wort.

Anders Schultze, GrünhutsZ 22, 74. Vgl. Schultze, GrünhutsZ 22, 74. 82 Ebenso RGSt 47, 223 (224); dem RG folgend BGH JZ 1960, 289; siehe auch Pinner, S. 14; Gerold I Schmidt, § 34 Rz. 2. - Dazu, daß Zeichnungen aus anderem Grund keine Urkunden sind, aber bereits oben § 7 11. 83 Ebenso Roggemann, S. 69. 8' Daß auch hierin ein Grund für die Beweisregeln der §§ 415-418 ZPO liegt, zeigt sich an § 419 ZPO (dazu unten III.). 85 Vgl. RG Gruchot 61, 489 (490); siehe aber auch Döring, S. 291 f. 80

81

3 Sdueiber

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2. Kapitel: Der Urkundenbegriff im Zivilprozeßrecht 11. Einzelfälle

Die spezifische Bedeutung der nunmehr aufgestellten Voraussetzung, daß eine urkundliche Erklärung eine Verkörperung durch Lautzeichen zu erfahren hat, ist allerdings geringer als gemeinhin angenommen. Von Hand oder selbsttätig durch ein technisches Gerät86 gefertigte

graphische Darstellungen, die einen Vorgang oder einen Zustand wieder-

geben, verkörpern keine Gedankenerklärung und sind schon deshalb keine Urkunden. Die Forderung nach Wortzeichen entscheidet in diesem Zusammenhang allenfalls dann über die Urkundeneigenschaft, wenn z. B. mit einer Zeichnung eine Erklärung zum Ausdruck gebracht wird, die ebenso durch Worte hätte verkörpert werden können 87 • Es läßt sich vorstellen, daß einem Ortsunkundigen anstelle einer weniger anschaulichen Wegbeschreibung in Worten eine Zeichnung in die Hand gegeben wird, in der Wege und markante Stellen im Landschaftsbild dargestellt sind. Will man hier überhaupt annehmen, daß in einer solchen Zeichnung eine Erklärung verkörpert ist88 , so fehlt es jedenfalls an einer Verkörperung durch Lautzeichen89• In gleicher Weise verkörpern Ablichtungen eines Vorgangs oder eines Zustands (fotografische Platten und Negative sowie die Abzüge davon, Diapositive, Filme, usw.) keine Erklärung. Ob indessen Ablichtungen von Lautzeichen (einer Klage- oder Rechtsmittelschrift, eines notariel-

len Vertrages, usw.) Urkunden sind, ist ferner nicht anhand des hier in Frage stehenden Merkmals der Urkunde zu bestimmen90 • Denn ebenso wie Fotokopien, die im übrigen selbst nichts anderes sind als Fotografien, sind Ablichtungen solchen Inhalts Vervielfältigungen des Urkull'denoriginals. Sie beinhalten also jedenfalls Lautzeichen. Ob sie die Lautzeichen verkörpern oder lediglich die Urschrift widerspiegeln, ob sie also Urkundenqualität haben können oder nicht, hängt deshalb davon ab, ob sie vom Urheber der Originalurkunde oder kraft Gesetzes bestimmt sind, ,an die Stelle des Originals zu treten91 •

Vgl. die Definition der technischen Aufzeichnung in § 268 II StGB. Diesen Maßstab legen Nikisch, § 88 I 1, S.341, und Rosenberg I Schwab, § 122 I, S. 708, an alle Zeichnungen, gleich welchen Inhalts, an. 88 Die Annahme liegt zumindest nahe, wenn die Zeichnung parallel zu der gesprochenen Beschreibung erstellt wird. 8g So Nikisch, § 88 I 1, S. 341; Rosenberg I Schwab, § 122 I, S. 708; im Ergebnis anders Endemann, Der deutsche Zivilprozeß, Bd. 1, Anm. zu § 133. go Anders aber pauschal BGHZ 65, 300 (301; Fotografie); Rosenberg I Schwab, § 122 I, S. 708 (fotografische Platten [insoweit offengelassen in RGZ 82, 268, 271] und Abzüge). Für den Urkundencharakter von Fotografien aber Bolgiano, ZZP 24, 130. U Siehe oben § 7 III. 86

87

§ 8. Das Schriftlichkeitserfordernis

35

(Technische) Originalaufzeichnungen sind demgegenüber Schrift- oder Bildträger wie Mylarbänder92 , Mikrofilme sowie die Speicherungsobjekte der elektronischen Datenverarbeitung93 und Tonträger wie Schallplatten, Tonbänder oder Filme als Objekte des Lichttonverfahrens 94 • Diese Beispiele zeigen aber die Grenzen des Urkundenbegriffs auf, wie er, von Nuancen abgesehen, seit Inkrafttreten der ZPO unverändert vertreten wird. Ist nämlich danach die Schriftform Wesensmerkmal der Urkunde95 , so soll auch der Maßstab gegeben sein, der an jene Objekte anzulegen sei: die Suche nach den schriftlichen Zeichen erschöpft sich darin, daß der jeweils zur Qualifizierung als Urkunde oder Augenscheinsobjekt anstehende Gegenstand buchstäblich unter die Lupe genommen wird. Wenn auf diese Weise Zeichen entdeckt werden, soll damit jedenfalls der erste Schritt auf dem Weg zur Urkunde getan96 , wenn nicht gar das Ziel schon erreicht seinl17 • Urkunden sind diese Aufzeichnungen jedoch sämtlich nicht98 • Denn neben der besonderen Zuverlässigkeit, die der Urkunde innewohnt, hat die hel'ausgehobene Stellung der Urkunde ihren Grund in der 92 Nach dem Herstellungsverfahren oft auch als Ampex-Bänder bezeichnet. Vgl. dazu Lang, S. 12 f. 93 Dazu Baltzer, Gedächtnisschrift für Bruns, S. 74. Der "Computerbescheid" (damit ist die Datenausgabe durch einen Drucker gemeint [vgl. Sieber, S.13]) ist deshalb allenfalls wie eine sonstige Vervielfältigung des Urkundenoriginals zu behandeln (Baltzer, S.81) - dies allerdings von vornherein nur insoweit, als der "Computerbescheid" Reproduktion einer Urkunde ist (verneinend Baltzer, S.80, 82). Bereits hieran fehlt es, wenn ein Rechner Vorgänge oder Zustände darstellt (etwa die Analyse einer chemischen Verbindung) oder er aus registrierten Daten selbsttätig den Inhalt des Bescheides errechnet und den Bescheid fertigt (z. B. Lohn- und Gehaltsabrechnungen [ferner Baltzer, S. 80/81 Fn. 17]). Denn hier stammt der Bescheid originär aus dem Computer und verkörpert deshalb keine Gedankenerklärung. Für den Urkundencharakter von "Computerbescheiden", in denen Erklärungen verkörpert sind, Bruns, Rz. 192 Fn.3 (S. 302); Baumbach / Lauterbach / Hartmann, übersicht 1 vor § 415; vgl. aber Baltzer, S. 80 f., und auch unten § 8 II!. 94 Lang, S.l1. 95 Vgl. die Nachw. oben § 8 I Fn.77. 96 Vgl. Scupin, DÖV 1957, 554. 91 Vgl. für das Tonband Kohlhaas, DRiZ 1955, 83; NJW 1957, 83; Siegert, NJW 1957, 691 (beide wie auch Scupin, DÖV 1957, 554, von der falschen Prämisse [vgL Lang, S.l1] ausgehend, auf einem Tonband werde das Wort durch Rillen fixiert); für die Grammophonplatte RGSt 47, 223 (224). 98 Vgl. für das Tonband Blomeyer, ZPR, § 71 I 2 b, S.357; Jauernig, ZPR, § 52 I, S.174; Rosenberg / Schwab, § 113 IV 1, S.656; Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Aufl., Bem. I! 3 vor § 371 (für alle Schall aufnahmen) ; Brüggemann, S. 391 f.; Coing in: Tonbandaufnahmen ... im Rechtsstaat, S.32; Dilcher, AcP 158, 494; Lang, S.104; Pleyer, ZZP 69, 322; Roggemann, S.73; Siegert, Mißbrauch von Schallaufnahmegeräten, S. 68 (anders aber NJW ~~57, 691; dazu oben Fn. 97); für die Tonwalze KG JW 1924, 912; für Datentrager und Datensichtgeräte Baltzer, aaO., S. 80; für Bildträger Lang, S. 104.

3"

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2. Kapitel: Der Urkundenbegriff im Zivilprozeßrecht

jederzeitigen Verfügbarkeit der in der Urkunde verkörperten Erklärung 99 • Anders sind auch die §§ 131, 134, 135 ZPOlOO nicht zu erklären. Denn die Vorlegung von Urkunden zum Zwecke der Einsichtnahme durch Gericht und Gegner (vgl. § 134 II S. 1 ZPO) gewinnt ihre Bedeutung nicht aus der bloßen Wahrnehmung des Zeichenträgers Urkunde, sondern aus dem Erfassen von deren Inhalt. Die Ton-, Bild- und Schriftträger der vorgestellten Art sind aber nicht ohne weiteres zu verstehen. Es bedarf vielmehr der Anwendung zum Teil aufwendiger Techniken, um die dort gespeicherte Erklärung hörbar oder sichtbar zu machen. Dieser Aufwand kann sogar so groß sein, daß er die Visualisierung der Erklärung durch das Gericht oder den Gegner101 faktisch unmöglich macht102 • Das Schriftformerfordernis ist deswegen weiter zu konkretisieren103 • Es ist für eine Urkunde im zivilprozessualen Sinn begriffswesentlich, daß die verkörperte Erklärung sich durch die Wahrnehmung der Lautzeichen ermitteln läße 04 • 10. Die Unzulänglichkeit der Bestimmungen über Urkunden

Nach diesem Verständnis ist der Urkundenbegriff zu eng, um den Entwicklungen auf dem Gebiet der Textverarbeitung gerecht zu werden. Auch deswegen aber hat die Einschränkung des Urkundenbegriffs auf die ohne technische Hilfsmittel lesbaren Zeichenträger ihren guten Sinn. Nur durch sie ist es nämlich möglich, derartige technische Aufzeichnungen einheitlich zu behandeln und die Anwendung etwa der §§ 131, 134, 135 ZPO oder auch der §§ 415 ff. ZPO nicht von dem jeweiligen Stand der Technik abhängig zu machen. Das alles hindert für sich gesehen nicht, die Bestimmungen über Urkunden auf die Ton-, Bild- und Schriftträger, soweit sie eine Erklärung enthalten, analog anzuwenden105 • Siehe oben § 7 H. Zu den §§ 415 ff. ZPO siehe oben § 7 Ir. 101 Daß vielleicht die vorlegende Partei über die notwendigen technischen Hilfsmittel verfügt, ist insoweit einerlei (vgl. aber § 47 a HGB). Denn die §§ 131, 134, 135 ZPO gehen von der Verwertbarkeit eben durch Gericht oder Gegner aus. 102 Vgl. den Hinweis bei Roggemann, S.71 Fn.394, auf das Visible-SpeechVerfahren zur Schallfixierung. 103 Im Ansatz wie hier Schultze, GrünhutsZ 22, 72. 104 So verstanden ist es zutreffend, die Lesbarkeit der Zeichen zu fordern; vgl. dazu Roggemann, S. 71. Wegen § 249 stPO, der die Verlesung von Urkunden in der Hauptverhandlung zur Pflicht macht, basieren die überlegungen zum strafprozessualen Urkundenbegriff auf einer anderen Grundlage als die hier angestellten (siehe auch Brüggemann, S. 391/392 Fn.983; Krause, S.113) und sind nicht hierher übertragbar. 105 Dafür Wieczorek, § 415 Rz. A; Lampe, NJW 1970, 1100; Siegert, NJW 1957, 691. 99

100

§ 8. Das Schriftlichkeitserfordernis

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Freilich ist das Gesetz lückenhaft nur dort, wo die Urkunde besonderen Regelungen unterworfen ist - Regelungen also, die im übrigen Bereich insbesondere des Beweisrechts in vergleichbarer Weise nicht vorkommen. Es sind dies die Echtheitsvermutungen106 der §§ 437, 440 H ZPO und die Beweisregeln der §§ 415--418 ZPO; hierher gehört ferner § 34 I BRAGO. Im übrigen finden sich Bestimmungen über die Behandlung der durch technisches Gerät gefertigten Erklärungen, die, wenn nicht Urkunde, so Augenscheinsobjekt sind107, in den §§ 144; 273 I S.l, II Nr.1; 371 ZP0108. Insoweit fehlt es also an einer Gesetzeslücke. Den §§ 131, 134, 13S ZPO vergleichbare Bestimmungen fehlen hingegen. Ihnen liegt die Vorstellung zugrunde, daß der Inhalt der vorgelegten Sache für Gericht und Gegner ohne weiteres ersichtlich ispo9. Dies ist bei Ton-, Bild- und Schriftträgern nicht der Fall. Eine Analogie zu den Vorlegungsbestimmungen scheidet deshalb aus. Aber auch von den übrigen Bestimmungen, in denen Urkunden eine besondere Behandlung erfahren haben, ist keine auf Ton-, Bild- und Schriftträger, die eine Erklärung verkörpern, entsprechend anzuwenden. Zwar sind die Beweisregeln der §§ 415--418 ZPO für Urkunden geschaffen worden, weil diese "regelmäßig in der Absicht errichtet (werden), Rechtsverhältnisse sicherzustellen"l1O. Diese Absicht wird mittlerweile in weiten Bereichen gar nicht mehr unter Zuhilfenahme von Schriftstücken verfolgt. An ihre Stelle sind vielmehr Ton-, Bild- und Schriftträger getreten, die demselben Zweck zu dienen bestimmt sind. So sieht auch die ZPO in § 160a immerhin zur vorläufigen Protokollierung den Einsatz von Tonaufnahmegeräten1ll vor112 . Darüber hinaus lassen die §§ 38 H, 43 IV, 44 III, 47a HGB die Aufbewahrung kaufmännischer Buchführungsunterlagen in Datenträgern zu. Erscheint von daher eine analoge Anwendung der §§ 415--413 ZPO noch zulässig, so verbietet sie sich im Hinblick auf die Wertung, die 108 Gegen die im übrigen einhellige Auffassung der §§ 437, 440 II ZPO als Vermutung Rosenberg, Beweislast, S. 221 Fn. 1. 101 Einschränkend für den Strafprozeß Henkel in: Tonbandaufnahmen ... im Rechtsstaat, S.47, 52. 108 Vgl. aber Lampe NJW 1970, 1100 (für eine Analogie zu den §§ 420 ff. ZPO). 108 Siehe oben II. 110 Motive E III, Hahn, Bd.2, S. 275 f. 111 Vielleicht auch anderer Techniken; dafür Baumbach I Lauterbach I Hartmann, § 160 a Anm. 1. 112 Man wende nicht ein, die Vorläufigkeit der Aufzeichnung, die schließlich weitgehend durch das schriftliche Protokoll zu ersetzen ist (§ 160 a II S. 1 ZPO), zeige die Minderwertigkeit von Tonaufnahmen. Denn die vorläufige Aufzeichnung ist Grundlage des Protokolls, dort enthaltene Fehler fließen ins Protokoll ein.

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2. Kapitel: Der Urkundenbegriff im Zivilprozeßrecht

in § 419 ZPO Zllffi Ausdruck kommt. Die Beweiskraft einer Urkunde nach §§ 415-418 ZPO beruht nämlich unmittelbar oder mittelbar113 auf der äußeren Mängelfreiheit der Urkunde. Sie ist bei Erklärungen, die in Wortzeichen niedergeschrieben sind, unschwer zu beurteilen. An dieser Perpetuierungsfunktion der Urkunde fehlt es indessen zunächst dem Tonband114 und den Datenträgern aus dem Bereich der EDV. Sie sind nachträglichen, nicht zu bemerkenden Manipulationen durch Überspielen bzw. Einspeicherung neuer Daten ansteIle der bisherigen zugänglich1l5 • Das gleiche gilt für die Schallplatte und für andere als die im EDV-Verfahren hergestellten Bild- und Schriftträger. Denn sie sind Darstellungen des Originalsll~ und eben wegen dieser Vermittlungsfunktion für nicht konstatierbare Verfälschungen besonders geeignet. So lassen z. B. Fotokopien sorgfältig ausgeführte Veränderungen des Originals gar nicht erkennen. Jenen Urkundenqualität beizumessen, hieße deshalb § 419 ZPO praktisch außer Kraft setzen. Aus demselben Grund kommt eine Analogie zu den §§ 437, 440 II ZPO nicht in Betracht. Denn die Vermutung der Urkundenechtheit basiert auf dem Schein der Zusammengehörigkeit, den die auch räumliche Verknüpfung zwischen der Erklärung und den Merkmalen schafft, anhand derer sich der Urkundenaussteller identifizieren läßt. Das sind bei einer öffentlichen Urkunde deren Form und Inhalt (§ 437 I ZPO), das ist bei einer Privaturkunde die Unterschrift oder das Namenszeichen. So wie jene Erklärungsträger teilweise verändert werden können, so ist aber auch ein Austausch der gesamten auf ihnen enthaltenen Erklärung möglich. Der in § 419 ZPO zutage tretende Gedanke, daß nur erkennbar unverfälschte Urkunden eine besondere Behandlung verdienen, gilt somit auc.~ in diesem Zusammenhang117 • Er steht einer 113 Je nachdem, ob man § 419 ZPO Einfluß zuschreibt nur auf die Echtheitsvermutungen der §§ 437, 440 II ZPO oder (auch) auf die Beweisregeln der §§ 415 ff. ZPO (dazu Olzen, JR 1980, 378). 114 Vgl. auch Rosenberg / Schwab, § 113 IV 1, S.656; Henkel, Tonbandaufnahmen ... im Rechtsstaat, S. 53. 115 Zu den Möglichkeiten, einen Computer zu manipulieren, Sieber, S. 40 ff. - Datenträger können durch sog. kryptographische Verfahren (dazu eingehend Ryska / Herda, S. 5 ff., 32 ff.; siehe auch v. zur Mühlen, S. 146 ff.) praktisch fälschungssicher gemacht werden. Diese Verfahren bestehen in der zusätzlichen Einspeicherung eines Kontrollschlüssels. Um seine Effizienz zu gewährleisten, bedarf es allerdings der Geheimhaltung. Die Feststellung der Verfälschung ist somit davon abhängig, daß der Schlüssel preisgegeben wird oder ohne dessen Preisgabe eine Verfälschung behauptet wird. Deswegen sind dergestalt geschützte Datenträger den Zeichen vergleichbar, deren Code nur wenigen bekannt ist (dazu oben § 7 II). Sie sind aus diesem Grunde ebenfalls keine Urkunden. 11G Die Schallplatte gibt die Laute wieder, die zuvor auf ein Tonband aufgenommen und dann im Nadeltonverfahren auf eine Lackfolie, die Schallplatten-"Urschrift", übertragen wurden.

§ 8. Das Schriftlichkeitserfordernis

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analogen Anwendung der Echtheitsvermutungen auf Ton-, Bild- und Schriftträger entgegen. § 34 I BRAGO schließlich stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 31 I Nr. 3 BRAGO dar. Die dem Rechtsanwalt hier zugestandene Beweisgebühr soll dem Mehraufwand an Zeit und Arbeit Rechnung tragen, den eine Beweisaufnahme mit sich bringt1l8 • An diesem Mehraufwand fehlt es bei Urkunden, die zur Beweisführung und Beweisaufnahme lediglich vorzulegen sind; das erklärt die Regelung des § 34 I BRAGO l19 • § 34 I BRAGO beruht folglich ebenfalls auf dem Gedanken, daß der Beweiswert von Urkunden, mindestens aber deren Inhalt, offensichtlich ist, und findet keine Anwendung auf Aufzeichnungen, deren Inhalt erst durch technische Hilfsmittel feststellbar ist. IV. Beweiszeicb.en

Die urkundlichen Zeichen, wie sie bisher Gegenstand der überlegungen gewesen sind, hatten eines gemeinsam. Sie waren sämtlich geeignet, die Erklärung insgesamt zu verkörpern. Die sog. Beweiszeichen teilen diese Gemeinsamkeit nicht. Um ihren Erklärungswert zu bestimmen, bedarf es der Heranziehung weiterer außerhalb ihrer selbst liegender Umstände. Die Beispiele hierfür sind vielfältig. So werden zu den Beweiszeichen gezählt der Strich auf dem Bierfilz120 , der Einschnitt in einem Kerbholz12\ die Ziffer 1 auf einer Blechmarke, die der Abrechnung von Hopfenlieferungen an einen Gutsherren dientel22 , der Waldhammerschlagl23 zum Zwecke der Eigentumsübertragung, der Fleischbeschaustempelt24 • 117 Vgl. BGH JR 1980, 376; Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Aufl., § 440 Anm. II!. Dazu (zweifelnd) Olzen, JR 1980, 378. - Es ist deshalb zweitrangig, ob man die Identifizierungsmöglichkeiten, die etwa ein Tonband bietet (Sprechweise, Stimme, Namensnennung), einer Unterschrift gleichsetzt (dafür Scupin, DÖV 1957, 554; a. A. Siegert, Österr. JZ 1959, 231). 116 Motive zu dem Entwurf einer Gebührenordnung für Rechtsanwälte, Anlagen zu den Verhandlungen des Reichstags, 4. Legislaturperiode - II. Session 1879, Nr. 6, S. 132. 119 BFH BStBl. 1970 II 82 (83); OLG Hamm, JMBl. NW 1970, 203. 120 Maurach, § 53 III C 3, S. 479. 12! Rosenberg / Schwab, § 122 I, S. 708. 122 RGSt 4, 3. 123 Das ist die Kenntlichmachung eines Baumstammes durch eine Zahl, ein Namenszeichen o. ä. (vgl. BGH 2 StR 385/57 bei DaHinger, MDR 1958, 140). 124 Das ist der Tauglichkeitsvermerk auf Schlachtfleisch, der etwa in der Stempelung mit dem Namen des Fleischschaubezirks und der Nummer des Beschauers bestehen kann (vgl. RGSt 29, 67 [68/69]). Zahlreiche weitere Beispiele bei Schönke / Schröder / Cmmer, § 267 Rz. 23.

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2. Kapitel: Der Urkundenbegriff im Zivilprozeßrecht

Die Beweiszeichen sind im Sinne des Zivilprozeßrechtsl25 keine Urkunden, weil in ihnen die Erklärung nicht schriftlich wiedergegeben istl26 , 127. Das liegt auf der Hand, soweit eine Erklärung durch Striche, Kerben, Löcherl28 verkörpert wird. Das gilt aber in gleicher Weise, wenn das Beweiszeichen dem Schriftformerfordernis insoweit genügt, als es sich als Zahl, Namenszeichen oder sogar als ausgeschriebenes Wort darstellt. Denn das Beweiszeichen isoliert betrachtet ist ohne Erklärungswert: die Ziffer 1 hat nicht den beabsichtigten Erklärungsinhalt, wenn sie nicht auf der vom Gutsherrn herausgegebenen Blechmarke auftaucht, der "Waldhammerschlag" oder der Fleischbeschaustempel wäre auf einem Blatt Papier sinnlos. Bei diesen Arten von Beweiszeichen ist der Erklärungsträger somit Teil der Erklärung129 • Ihm aber fehlt es an der Schriftlichkeit, er ist nur Augenscheinsobjekt. Keines der Beweiszeichen ist also Urkunde im Sinne des Zivilprozeßrechts. Aber auch eine extensive Auslegung des Urkundenbegriffs oder die analoge Anwendung der Bestimmungen über die Urkunden ist insoweit nicht möglichl30 • Die Urkunde im zivilprozessualen Sprachgebrauch umfaßte zu keiner Zeit die heute sog. Beweiszeichen. Vielmehr wurden diese und hier namentlich die Kerbhölzer in früheren Prozeßgesetzen begrifflich neben die Urkunden gestellt und besonderen Regelungen unterworfen. Das zeigt, daß jene keine Urkunden waren13l • So enthielten die AGO (§ 164 I 10), der code civil (Art. 1333) und die Bayerische Prozeßordnung von 18691 3'2 (Art. 394) schon zur Zeit der Entstehung der ZPO eine Beweis125 Zum Meinungsstand im Strafrecht Schönke / Schröder / Cramer, § 267 Rz. 20 ff.; zum Strafprozeßrecht Krause, S. 109 f. 125 Bernhardt, ZPR, § 38 I, S.240; Bruns, Rz. 192; Jauernig, ZPR, § 55 I, S. 181; Rosenberg / Schwab § 122 I, S. 708; Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Aufl., Bem. I 1 vor § 415; Wieczorek, § 415 Rz. A I; einschränkend SchuUze, GrünhutsZ 22, 74 f. Es kann aber auch schon an einem urkundlichen Zeichen fehlen, weil etwa hinter dem Waldhammerschlag keine Erklärung steht, sondern er lediglich der Unterscheidung des gekennzeichneten Stammes von anderen Stämmen dient (BGH aaO.; kritisch z. B. Schönke / Schröder / Cramer, § 267 Rz. 22). 127 Unrichtig aber Bolgiano, ZZP 24, 130 mit Fn. 2. Daß zum Verständnis von Grenzsteinen, Siegeln usw. Hilfswissenschaften nötig sind, ist keine Besonderheit des Beweiszeichens, derentwegen dem Beweiszeichen die Urkundenqualität abgesprochen werden kann (siehe oben § 7 II). 128 Die Worte Bindings (S.184/185 Fn.4: "Das Loch als Urkunde ist wol der tiefste Punkt, bis zu welchem deren Verkennung herabsinken kann.") treffen somit jedenfalls für den zivilprozessualen Urkundenbegriff zu. Kritisch aber Puppe, Jura 1980, 18 f. 129 Vgl. Maurach, § 53 III C 3, S. 478/479. 130 Für Analogie aber Planck, Bd. II 1, § 113 I, S. 215. 131 Vgl. auch Hürlimann, S. 51 f., unter Hinweis auf § 158 der zugerischen ZPO, wo sich immer noch eine besondere Regelung der Beweiszeichen findet. 132 Neudrucke zivilprozessualer Kodifikationen, Bd. 4.

§ 8. Das Schriftlichkeitserfordernis

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regelung eigens für Kerbhölzer. Die Civilprozeßordnung für Württemberg von 1868133 ging darüber sogar hinaus, indem sie die sinngemäße Anwendung der Vorschriften betreffend den Urkundenbeweis "auch auf andere zum Andenken an eine Begebenheit oder zum Zeichen eines Rechts verfertigte Denkmäler" vorsah, "soweit die Natur der Sache es gestattet" (Art. 568); unter den hier genannten Denkmälern waren die anderwärts ausdrücklich erwähnten Kerbhölzer, aber auch Marksteine, Grenzzeichen, Denkmünzen usw. zu verstehen134 • Daß derartige, ausdrückliche Regelungen der Beweiszeichen in der ZPO ebenso wie zuvor bereits in den Vorläufern der ZP0 135 fehlten, bedeutet keine Abkehr von diesem Verständnis der Beweiszeichen. Diesen wurde nach wie vor die Urkundenqualität abgesprochen, und zwar mit dem erklärten Ziel, sie aus dem Geltungsbereich der §§ 415 ff. ZPO bzw. der entsprechenden Vorschriften vorausgegangener Entwürfe auszuklammern und ihre Würdigung dem Gericht freizustellen l36 • Die so ins Auge gefaßte Bestimmung des § 286 I S. 1 ZPO steht zudem auch einer Analogie zu den §§ 415 ff. ZPO entgegen; die gleiche Wirkung haben die Regelungen des Augenscheinsbeweises (§§ 371 ff. ZPO). Denn sie lassen Lücken im Beweisrecht, die durch die Nichtanwendung der §§ 415 ff. ZPO hervorgerufen werden könnten, gar nicht zur Entstehung gelangen. Wo die Beweisregeln der §§ 415-418 ZPO nicht gelten, verbleibt es bei der allgemeinen Vorschrift des § 286 I S. 1 ZPO, wo die §§ 419 ff. ZPO keine Anwendung finden, greifen die Normen des Augenscheinsbeweises ein137 • V. Zusammenfassung

Ein Merkmal der Urkunde ist die Schriftlichkeit. Dies besagt hier, daß die Verkörperung der Gedankenerklärung durch Lautzeichen zu erfolgen hat, deren Sinn sich allein durch ihre Wahrnehmung ermitteln läßt.

Regierungsblatt für das Königreich Württemberg, 1868, S. 191. Vgl. § 668 des württembergischen Entwurfs einer CPO, zitiert in den Hannoverschen Protokollen, S. 2619. 135 Dazu unten § 11 V 2. 138 Motive E !II, Hahn, Bd.2, S. 320; S. 2619 Hannoversche Protokolle. 137 Allerdings decken beweisrechtliche Bestimmungen wie die §§ 286, 371 ff. ZPO nicht den Bereich ab, in dem es noch nicht um den Beweis durch Urkunden geht. Deswegen hindern sie nicht, die §§ 131, 134, 135 ZPO auf Beweiszeichen analog anzuwenden. Auch hier fehlt es indessen an einer Gesetzeslücke. Denn das Schweigen des Gesetzes ist insoweit beredt (siehe die Nachw. oben Fn. 136). - Zum "beredten Schweigen" Canaris, S.39, mit weiteren Nachw. 133

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2. Kapitel: Der Urkundenbegriff im Zivilprozeßrecht

Soweit fixierte Erklärungen danach vom Urkundenbegriff nicht erfaßt sind, kommt auch eine analoge Anwendung der Normen, welche die Urkunde betreffen, nicht in Betracht. § 9. Ergebnis: die Definition der Urkunde

Urkunde im Sinne des Zivilprozeßrechts ist die schriftliche Verkörperung einer Gedankenerklärung durch solche Lautzeichen, die einer objektiven Deutung allein aufgrund ihrer Wahrnehmung zugänglich sind.

3. Kapitel

Die Urkunde im Verfahren A. DIE VORLEGUNGSLAST

Die Bestimmungen der §§ 131, 134, 142 ZPO haben drei Merkmale gemeinsam: Die Last1 der Vorlegung einer Urkunde trifft - in einem Fall (§ 131 ZPO) kraft Gesetzes, in den anderen Fällen kraft Aufforderung (§ 134 ZPO) oder gerichtlicher Anordnung (§ 142 ZPO) - nur die Partei, welche die Urkunde in Hünden und sie in Bezug genommen hat2 • Demgegenüber beschränkt § 273 II Nr.1 ZPO die Anforderungen an eine Vorlegungsanordnung darauf, daß sie sich gegen eine Partei zu richten habe. § 135 ZPO nennt für die übermittlung von Urkunden unter Rechtsanwälten keine dieser Voraussetzungen. Sie gelten aber sämtlich auch in diesem Rahmen 3 • Denn § 135 ZPO muß im Zusammenhang mit § 134 ZPO gesehen werden: Ist eine Aufforderung nach § 134 I ZPO ergangen, so kann ihr bei anwaltlicher Vertretung der Parteien nicht nur durch Niederlegung der Urkunde auf der Geschäftsstelle und Benachrichtigung des Gegners hiervon nachgekommen werden4 , sondern außerdem 5 durch Aushändigung der Urkunde gegen Empfangsbekenntnis.

Schon die sprachliche Fassung des § 135 ZPO zeigt diese Verknüpfung der §§ 134, 135 ZPO auf. Denn von der (welcher anderen als der in § 134 ZPO angesprochenen?) Mitteilung von Urkunden ist die Rede, ebenso 1 Im folgenden wird die Hypothese von der Last der Urkundenvorlegung beibehalten. Die Unterscheidung zwischen prozessualen Lasten und Pflichten wird nicht behandelt werden. Denn im Hinblick etwa auf prozessuale Sanktionen kommt es allein darauf an, ob durch ein Verhalten mindestens einer Last nicht genügt wird. Daß darüber hinaus gleichzeitig einer Pflicht nicht nachgekommen wird, ist wegen der identischen Rechtsfolgen im Prozeß ohne Belang (ebenso Konzen, S. 58). 2 §§ 131, 134 ZPO. Nur sprachlich etwas anders § 142 ZPO. 3 Das hat praktisch bedeutsam zur Folge, daß der Streit um die Rückgabe nur unter den Voraussetzungen des § 134 I ZPO durch Zwischenurteil entschieden werden darf (vgl. § 135 UI ZPO). ( Diese Möglichkeit des § 134 ZPO besteht freilich auch im Falle des § 135 ZPO ("Den Rechtsanwälten steht es frei, ... " [§ 135 I ZPO]). :; So ausdrücklich § 138 I Hannoversche Bürgerliche Proceßordnung (bei Dahlmanns, Bd. 1, S. 305 ff.).

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

von der bestimmten Frist zur Rückgabe der Urkunde; über eine derartige Fristbestimmung verhält sich wiederum allein § 134 ZPO, dort Abs.26 • Man mag das letzte Argument damit auszuräumen versuchen, daß § 135 II ZPO zwar lediglich die Sanktion auf die Versäumung der Rückgabefrist regele, daß aber dort, wo eine Sanktion vorgesehen sei, zugleich die Voraussetzungen für das Eingreifen dieser Sanktion geschaffen sein müßten. Aus solcher Sicht allerdings wäre § 135 II ZPO selbst Grundlage für eine Fristsetzung, die deswegen auch, anders als nach § 134 II S. 2 ZPO, durch die aushändigende Partei oder ihren Anwalt erfolgen könnte7 • Ob dieser Einwand begründet ist, mag hier dahinstehen. Selbst wenn nämlich § 135 ZPO eine Fristbestimmung über den durch § 134 II ZPO gesteckten Rahmen zuließe, so wäre § 135 ZPO damit eben nur insoweit von § 134 ZPO losgelöst. Für eine Verknüpfung beider Vorschriften im übrigen spricht hingegen noch folgendes: Würde man § 135 ZPO isoliert betrachten, so wäre Abs. 1 der Bestimmung überflüssig, weil er Selbstverständliches besagte. Denn daß die Parteien, ob anwaltlich vertreten oder nicht, Urkunden, aber auch deren Abschriften, Durchschriften usw. außerhalb des Prozesses beliebig austauschen können, unterliegt keinem Zweifel. Diese Befugnis kann § 135 ZPO den Parteien also nicht geben, sie steht ihnen ohnehin zu. § 135 I ZPO hat aber Bedeutung (und sollte in diesem ihm Bedeutung zumessenden Sinn verstanden werden), wenn die Bestimmung Freiheiten einräumt, die den Parteien anderwärts genommen sind. Dies eben ist der Fall in § 134 I ZPO, der nun - nach Eintritt der dort genannten Voraussetzungen - nicht mehr jede Art der Mitteilung von Urkunden zuläßt.

8 Eine ausdrückliche Verweisung auf die dem § 134 ZPO entsprechende Vorschrift (§ 193 Nordd. Entwurf) enthielt der Norddeutsche Entwurf in § 194. 7 Einzelheiten sind bislang ungeklärt. Soweit dem Anwalt ein Recht zur einseitigen Fristbestimmung eingeräumt wird (so etwa Baumbach I Lauterbach I Hartmann, § 135 Anm. 1; Stein I Jonas I Pohle, 19. Auf!., § 135 Anm. I; Thomas I Putzo, § 135 Anm.1; WHmowski I Levy, § 126 Anm. 2), soll nach Ansicht mancher überhaupt nur eine längere als die 3-Tage-Frist des § 134 11 ZPO gesetzt werden können (Baumbach I Lauterbach I Hartmann, aaO.; Stein I Jonas I Pohle, aaO.; differenzierend WHmowski I Levy, aaO.). Andere lassen über § 224 I ZPO hinaus die Vereinbarung einer längeren Frist zu, wobei aber über die Wirkung einer solchen Vereinbarung Streit herrscht (außerprozessuale Wirkung, also nicht als Grundlage eines Rückgabestreits [§ 13511 ZPOj ausreichend: Wieczorek, § 135 Rz. A; anders ZäHer / Stephan, § 135 Anm. I). Nur vereinzelt findet sich die Auffassung, mit der in § 135 11 ZPO angesprochenen Frist sei ausschließlich die in § 134 11 ZPO gemeint (so Stein, 11. Auf!., § 135 Anm. I; Struckmann I Koch, § 135 Anm. 2).

§ 10. Die vorlegungsbelastete Partei

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§ 10. Die vorlegungsbelastete oder -belastbare Partei

Die Parteien des Zivilprozesses werden heute durchweg anhand von Definitionen wie dieser bestimmt: "Parteien im Zivilprozeß sind diejenigen Personen, von welchen und gegen welche die staatliche Rechtsschutzhandlung, insbesondere Urteil und Zwangsvollstreckung, im eigenen Namen begehrt wird"s. - So nützlich diese Begriffsbildung wegen ihrer Einfachheit zu sein scheint9 , so ist sie doch wirklich vorteilhaft nur dort, wo das zu erreichende Ziel klar vor Augen steht: Weil der Kläger Partei geblieben ist, soll er auch nach Abtretung der eingeklagten Forderung den Rechtsstreit im eigenen Namen weiterführen dürfen (§ 265 II S. 1 ZPO); weil er Partei geworden ist, soll der Pfändungsgläubiger die überwiesene Forderung (§ 836 I ZPO), der Miterbe Nachlaßforderungen einklagen können (§ 2039 BGB). Der formelle Parteibegriff ist so gesehen ein funktionellero, weil er der Begründung gesetzlich vorgegebener Ergebnisse dientl l • Diese Funktion begrenzt andererseits aber auch den Anwendungsbereich des Begriffs. Er versagt deshalb in problematischen Fällen, in denen es festzustellen gilt, welche Person denn Partei im Sinne der zivilprozessualen Vorschriften ist. Nach dem formellen Parteibegriff "sind Parteien eben die Parteien"12. I. Funktionale Betrachtungsweise Wie aber kann die Partei im Sprachgebrauch der hier in Rede stehenden §§ 131, 134, 142 ZPO sonst bestimmt werden? Die Antwort folgt 8 Statt vieler nur in Formulierungen abweichender Begriffsbestimmungen vgl. Rosenberg I Schwab, § 40 I 1, S. 203 f., wonach dieser formelle Parteibegriff aber funktionell zu ergänzen sei; zur eigentlichen Bedeutung eines funktionellen Parteibegriffs de Boor, S.50/51, der von einem Umbau des formellen Parteibegriffs spricht; siehe ferner Henckel, Parteilehre, S.126, passim. 9 Vgl. aber BGH JR 1978, 511 mit Anm. Schreiber. 10 Darüber darf nicht hinwegtäuschen, daß die im Text angeführten Fallgestaltungen durchweg nur zwecks Ablehnung des materiellen Parteibegriffs angeführt werden, der mit den §§ 265 II S. 1, 836 I ZPO, § 2039 BGB vermeintlich nicht in Einklang zu bringen ist (vgl. Blomeyer, ZPR, § 6 I 3, S. 41; Zeiss, ZPR, § 19 IV, S. 46; weitere Beispiele bei Bernhardt, ZPR, § 19 I 1, S. 107; Stegemann, ZZP 17, 329 ff.). Dagegen Henckel, Parteilehre, S. 16 f., unter Hinweis darauf, daß die Kritik sich gegen den materiellen Parteibegriff mit einem Inhalt wendet, den jener seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr hat. Auch der neuere materielle Parteibegriff wird also z. B. den §§ 265 II S. 1, 836 I ZPO, § 2039 BGB gerecht. 11 Oetker, Jur.Litt.Bl. 1890, 189; Rüßmann, AcP 172, 536. § 836 I ZPO allein maChte eine Abkehr vom materiellen Parteibegriff, von dem die ZPO ausgeht, freilich nicht notwendig, solange man sich auf den Standpunkt stellte, der Pfändungsgläubiger klage als Vertreter des Schuldners (RGZ 21, 360 [366]). Und § 265 ZPO enthielt vom Standpunkt des materiellen Parteibegriffs eine Ausnahme, die als solche zu kodifizieren war (de Boor, S.33). 12 De Boor, S. 45; zustimmend Bruns, Rz. 51.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

aus dem Parteibegriff, der den Verfassern der ZPO vor Augen stand13 , 14: Nicht nur die Beteiligung am Prozeß als Subjekt des Prozeßrechtsverhältnisses, sondern zusätzlich als Subjekt des streitigen materiellen Rechts machte die Parteistellung aus. Wo die ZPO einen Prozeßbeteiligten als Partei ansprach, konnte dies also seinen Grund in jeder einer dieser beiden Eigenschaften finden. Sowohl die prozessuale als auch die materiellrechtliche Beteiligung können somit heute noch die Ursache dafür sein, einem Prozeßbeteiligten prozessuale Rechte zu geben und Lasten oder Pflichten aufzuerlegen15 • Dem läßt sich nicht entgegenhalten, in der Hervorhebung auch einer materiellrechtlichen Seite des Parteibegriffs sei ein Rückfall in vergangen geglaubte Zeiten des materiellen Parteibegriffs zu sehen. Zum einen ist der formelle Parteibegriff, wie gesehen, nur scheinbar vorteilhaft. Zum anderen sind auch von Vertretern des formellen Parteibegriffs materiellrechtliche Aspekte nie gänzlich aufgegeben worden. Nahezu durchgängig finden sich Formulierungen, die bei grundsätzlicher Neigung zu einem formellen Parteibegriff die Maßgeblichkeit materiellrechtlicher Überlegungen deutlich machen: Sobald es nicht nur um den Normalfall geht, in dem potentiell das gesamte Vermögen des Klägers oder des Beklagten betroffen ist, sollen deren Beziehungen zu dem "Streitvermögen" oder dem "Interessevermögen" von Bedeutung sein16 • Die Verfügungsbefugnis über das Vermögen, um dessen Ver13 Allgemein dazu, daß zur Ermittlung des Wortsinns von dem Sprachgebrauch bei Entstehung des Gesetzes auszugehen ist, Larenz, Methodenlehre, S.310. 14 De Boor, S.33. Hierzu und zum folgenden außerdem Henckel, Parteilehre, S. 15, 126 f.; für den Prozeß der OHG (Gesellschaft oder Gesellschafter als Partei [siehe unten § 10 II 4 c, III 1 c]) ähnlich wie hier Fischer, Festschrift für Hedemann, S. 77; Hueck, S. 331 f. - Ablehnend Sinaniotis, ZZP 79,80, der einerseits die Notwendigkeit eines einheitlichen Parteibegriffs behauptet, andererseits die Theorie von der Partei kraft Amtes befürwortet; gerade von Vertretern dieser Theorie wird jedoch immer wieder das Bedürfnis einer differenzierenden Betrachtungsweise betont (vgl. unten Fn. 15). 15 Früher existierten also stets diese beiden Anknüpfungspunkte, um jemandem z. B. prozessuale Lasten aufzuerlegen. Deswegen konnte bei der Gesetzgebung auch im Dunkeln bleiben, warum in einer Norm jemand als Partei bezeichnet wurde. Diese Motivation aufzudecken wurde aber als notwendig empfunden, nachdem mit der Einführung des formellen Parteibegriffs eine Kongruenz von materiellrechtlicher und prozessualer Beteiligung gänzlich unnötig wurde. Nunmehr sollte durch Erforschung des gesetzlichen Anknüpfungspunktes ermittelt werden können, daß z. B. auch der nur am materiellen Rechtsverhältnis Beteiligte Partei ist (vgl. Henckel, Parteilehre, S.127, passim. Zur Notwendigkeit und Zulässigkeit eines differenzierten Parteibegriffs innerhalb der Theorie von der Partei kraft Amtes Blomeyer, ZPR, § 6 I 3, S. 42; Nikisch, § 28 III, S. 110; Weber, KTS 1955, 109). 16 Vgl. außer de Boor, S. 52, passim, und Henckel, Parteilehre, S. 106 f. (dort auch zur Abgrenzung beider Begriffe), S. 169, die wohl den formellen Parteibegriff aufgeben, Nikisch, § 28 II 1, S.109; Rosenberg I Schwab, § 40 I 1, S. 189, beide vom Boden des formellen Parteibegriffs. Ferner Blomeyer, ZPR,

§ 10. Die vorlegungsbelastete Partei

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mehrung oder Erhaltung es geht, ist danach ausschlaggebend für die Bestimmung der Partei. Ob diese Befugnis besteht und wie weit sie gegebenenfalls geht, ist indes dem materiellen Recht zu entnehmen. Das materielle Recht, nicht das Prozeßrecht, entscheidet auch diesen Auffassungen zufolge also in Zweifelsfällen über die Parteistellung eines Prozeßbeteiligten17 • 11. Einzelfälle

1. Danach ist Partei sicher derjenige, der den Prozeß selbst führt und Subjekt des streitigen Rechtsverhältnisses ist. Hier ist einerlei, ob als Anknüpfungspunkt für die Vorlegungslast die prozessuale oder die materiell rechtliche Beteiligung gewählt wird. Heide Merkmale sind in derselben Person gegeben.

2. Entsprechendes gilt, wenn nicht der am streitigen Rechtsverhältnis Beteiligte, sondern für ihn ein Vertreter handelt. Nicht der Vertreter wird Partei, sondern der Vertretene. Ihn treffen die Wirkungen des Vertreterhandeins, er ist es, der sich auf eine in seinen Händen befindliche Urkunde bezieht. 3. Wie aber steht es, wenn der Vertreter eine Urkunde erwähnt, sich für den Vertretenen auf eine Urkunde bezieht, die er, der Vertreter, in Händen hat18 ? Man denke nur an den häufigen Fall, daß ein Vormund Urkunden des Mündels in seinen Besitz genommen hat und sie in einem Prozeß, den er um Rechte des Mündels führt (§§ 51 I ZPO, 1793 BGB), durch Bezugnahme einführt. Die Vorlegung der Urkunde wäre nicht weniger nützlich, als wenn der Rechtsinhaber prozessierte. Hier mehr oder weniger zufällige Veränderungen der Gewahrsamsverhältnisse über die Vorlegungslast entscheiden zu lassen19 , erscheint darum unbefriedigend. 4. Die Problematik ist zudem nicht auf Fälle prozessualer Vertretung beschränkt. Sie hat allgemeinere Bedeutung. Sie taucht immer dann auf, wenn der im Prozeß Handelnde und der Beteiligte des streitigen Rechtsverhältnisses nicht identisch sind. Dabei muß nach dem bisher Gesagten im Vordergrund die Frage stehen, ob den Gewahrsamsinhaber als den ohne weiteres zur Vorlegung Fähigen20 die Vorlegungslast § 6 I 3, S.41/42: Der formelle Parteibegriff müsse jedenfalls in den Fällen bestimmter gesetzlich geregelter Vermögensverwaltungen modifiziert werden. (Hervorhebung nur hier.) 17 Vgl. aber Bernhardt, ZPR, § 19 I 2, S. 109. 18 Vgl. SchZieckmann, S.8. 10 Wegen der sonstigen Voraussetzungen, die in § 273 II Nr. 1 ZPO aufgestellt sind, ist die Vorschrift nicht "Auffangnorm" für solche Fälle. 20 In Anlehnung an die bildhafte Wendung des In-Händen-Habens wird im folgenden von Gewahrsam oder Inhaberschaft die Rede sein, um die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Urkunde zu kennzeichnen.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

trifft. Ist also der im Prozeß handelnde Gewahrsamsinhaber vorlegungsbelastet, obwohl er nicht Subjekt des streitigen Rechtsverhältnisses ist, und ist umgekehrt das Subjekt des streitigen Rechtsverhältnisses als Gewahrsamsinhaber vorlegungsbelastet, obwohl es im Prozeß nicht handelt, vielleicht nicht einmal wirksam handeln kann? An folgende Fallgestaltungen ist zu denken: a) Ein Anspruch wird von einem Prozeßstandschafter geltend gemacht21 • - In dem von ihm geführten Prozeß kann nur er prozessual erheblich handeln. Inhaber des geltend gemachten Rechts ist indessen ein anderer. Hat nun einer der bei den eine Urkunde über den eingeklagten Anspruch in seinem Gewahrsam und wird sie von dem Prozeßstandschafter in Bezug genommen, so ergeben sich daraus die vorangestellten Fragen. Bei ihrer Beantwortung - das sei schon an dieser Stelle bemerkt - wird die Unterscheidung zwischen gewillkürter und gesetzlicher Prozeßstandschaft in Rechnung zu stellen sein. Denn etwa bei den Überlegungen zur Rechtskraftwirkung auch für oder gegen den Ermächtigenden finden sich Formulierungen, die es erlauben könnten, in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang Parallelen zwischen der gewillkürten Prozeßstandschaft und der Stellvertretung zu ziehen: Weil der Rechtsträger den Prozeßführungsbefugten zur Prozeßführung ermächtigt hat, soll er auch die Wirkungen des gegenüber dem Prozeßführungsbefugten ergangenen Urteils hinnehmen müssen22 • b) Ein Streithelfer bezieht sich auf eine Urkunde, die er oder die Hauptpartei in Gewahrsam hat, oder die Hauptpartei nimmt auf eine Urkunde im Gewahrsam des Streithelfers Bezug23. - Der Streithelfer ist zwar zu Prozeßhandlungen befugt, insofern also am Prozeß beteiligt;24. Er ist aber nicht Subjekt des streitigen Rechtsverhältnisses25, 21

Zum Streit um die Zulässigkeit einer gewillkürten Prozeßstandschaft vgl.

Henckel, Parteilehre, S. 108 ff.; eine übersicht über die Fälle gesetzlicher Prozeßstandschaft findet sich z. B. bei Stein / Jonas / Leipold, 20. Aufl., Rz. 25 ff. vor § 50. 22 Vgl. Rosenberg / Schwab, § 46 V 4, S. 249. 23 Der vierte denkbare Fall ist unproblematisch; siehe dazu oben § 10 11 1.

24 Wenn auch nicht als formelle Partei dies nicht einmal, wenn er streitgenössischer Streithelfer (§ 69 ZPO) ist (Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 69 Anm. 2 A; Stein / Jonas / Leipold, 20. Aufl., § 69 Rz.6; eingehend Walsmann, Nebenintervention, S. 105 ff.). 25 Sonst wäre er Streitgenosse, also auch formell Partei, und könnte nur für sich handeln (§ 61 ZPO). Ein anderer Streitgenosse wäre dann Dritter (mißverständlich Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 421 Anm. 1; siehe aber Stein / Jonas / Schumann I Leipold, 19. Aufl., § 421 Anm. II; Thomas / Putzo, Anm. zu § 421 [alle für § 421 ZPO]). Er selbst müßte sich daher grundsätzlich (zu denkbaren Ausnahmen siehe unten § 10 111 1 c) auf eine Urkunde, die er in Händen hat, beziehen, sich gegebenenfalls die Bezugnahme des einen zu eigen machen (vgl. Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 61 Anm. 3 d).

§ 10. Die vorlegungsbelastete Partei

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sondern braucht nur ein rechtliches Interesse am Ausgang des Prozesses zu haben (§ 66 I ZPO)26. c) In begrenztem Umfang gehört in diesen Zusammenhang die Frage nach der Stellung des Gesellschafters/Gewahrsamsinhabers in einem Prozeß, den eine OHG oder eine KG unter ihrer Firma führt (§ 124 I HGB)27. Sie stellt sich in zwei Fällen. Zum einen ist es denkbar, daß der vertretungsberechtigte GesellschafterS oder ein von ihm bestellter Prozeßbevollmächtigter sich auf eine Urkunde bezieht, die er oder ein anderer Vertreter in Händen hat; insoweit würde nichts anderes gelten als das, was zur Vorlegungslast eines Prozeßvertreters zu sagen sein wird29 . Zum anderen kann sich der Vertretungsberechtigte auf eine Urkunde beziehen, die ein sonstiger, von der Vertretung ausgeschlossener oder aus anderen Gründen im Prozeß untätiger Gesellschafter in Händen hat. Bei einer solchen Fallgestaltung können sich allerdings Differenzierungen ergeben, die ihren Grund in den unterschiedlichen Auffassungen von der Parteifähigkeit und der ParteisteIlung der OHG finden30 : Nimmt man nämlich an, im OHG-Prozeß sei die OHG als solche Partei - mag man diese Annahme aus § 124 I HGB herleiten 31 oder auf die Behauptung stützen, die OHG sei juristische Person, somit rechtsfähig und folglich (§ 50 I ZPO) auch parteifähig32 - , so ist damit die Parteistellung des einzelnen Gesellschafters für diesen Prozeß verneint. Etwas anderes gilt in diesem Fall vielleicht, wenn man der OHG die Parteifähigkeit abspricht und zu dem Ergebnis kommt, Partei sei Dazu Baumbach I Lauterbach I Hartmann, § 66 Anm.2 C. Im folgenden kurz: OHG-Prozeß. - Wegen der gesetzlichen Gleichbehandlung von OHG und KG (§ 161 II HGB) wird nur von der OHG die Rede sein. Die Ausführungen gelten aber ebenso für die KG (vgl. auch RGRKWeipert, HGB, § 161 Anm.31). 28 Der auch im Namen der OHG handelt! Klagt ein vertretungsberechtigter Gesellschafter im eigenen Namen auf Leistung an die Gesellschaft, so ist er Prozeßstandschafter unabhängig davon, ob es sich um Ansprüche aus Drittverhältnissen oder um Sozialansprüche handelt (Hadding, JZ 1975, 162, 165, dort auch zur Begründung der Einzelklagebefugnis [Prozeßführungsbefugnis]). In diesem Fall gilt das zur Prozeßstandschaft Gesagte. 29 Siehe das Beispiel oben § 10 II 3 und die Ausführungen unten III. Insoweit kommt es auf die Partei fähigkeit der OHG noch nicht an. Denn eine Vertretung durch nUT einen Gesellschafter wäre auch möglich, wenn im OHGProzeß alle Gesellschafter Partei sein sollten. Die Vertretungsmacht würde sodann zwar rechtsgeschäftIich zu erteilen sein, während sie sonst vielleicht eine gesetzliche ist. Unterschiede ergeben sich daraus aber nicht (siehe auch RGRK-Weipert, HGB, § 124 Anm. 10). 30 Gegen eine solche Herleitung Fischer, Festschrift für Hedemann, S.77; Hueck, S. 331 f. 31 Vgl. RGZ 14, 20; 45, 340 (342); 86, 63 (65); RG JW 1898, 420; K. Hellwig, System, Teil 1, S. 152; Anspruch und Klagrecht, S.270. 32 Eccius, ZHR 32, 5; Kohler, AcP 91. 204. H

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

die Gemeinschaft der jeweiligen Gesellschafter33 oder die Summe der Gesellschafter, von denen ein jeder Partei (Streitgenosse) wäre34 . 111. Der Zweck der Vorlegungsbestimmungen

Wie gesehen, ist der Parteibegriff nicht eindeutig. Er kann herangezogen werden, um den Kreis der vorlegungsbelasteten Personen auf die formellen Parteien zu beschränken, er kann ebenso dazu dienen, als Voraussetzung der Vorlegungslast die Beteiligung am streitigen Rechtsverhältnis zu verlangen. Angesichts dessen stellt sich die Frage nach dem Zweck der Vorlegungsbestimmungen.

1. Der Zweck der §§ 131, 134 ZP0 35 Die Urkundenvorlegung nach §§ 131, 134 ZPO dient der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung. Der Gegner soll in die Lage versetzt werden, in der mündlichen Verhandlung zu dem Urkundeninhalt Stellung zu nehmen, sich gegen die Urkunde zu verteidigen36 ; und er soll sich ohne die Verzögerung, die eine Vorlegung der Urkunde erstmalig in der mündlichen Verhandlung mit sich brächte (vgl. §§ 227, 283 ZPO)37, in der ersten mündlichen Verhandlung über die Echtheit einer Privaturkunde erklären können (§ 439 ZPO)38. 33 RGZ 102, 301 (302); 141, 277 (280); RG JW 1912, 147, 755 (756); BayObLG NJW 1952, 28 LS; vgl. auch BGHZ 64, 155 (156), wonach die Gesellschaft und dte Gesellschafter prozessual nicht dieselben Beteiligten (etwa im Sinne von § 325 ZPO) sind; ferner RGRK-Weipert, HGB, § 124 Anm. 8; Schlegelberger I Geßier, 4. Aufl., § 128 Rz. 9; Staub I Pinner, § 124 Anm. 6; Jäger, Festgabe für Sohm, S. 17 ff.; im Ergebnis übereinstimmend Henckel, Parteilehre, S. 177 ff., der als Partei die Gesellschafter mit dem Gesellschaftsvermögen ansieht. 3' Planck, Bd. I, § 43 H, S.210, 212; Wach, Handbuch, S.530. übersichten auch zur RG-Rechtsprechung bei Rospatt, ZBH 1933, 53, wo die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung zumindest im Ausdruck klar zu Tage tritt; siehe auch Jäger, Festgabe für Sohm, S. 19 Fn.29. 35 Die §§ 142, 273 H Nr. 1 ZPO seien zunächst ausgeklammert. Wie bereits angedeutet, ist jene Bestimmung vielleicht erst nach mündlicher Verhandlung von Bedeutung. Daraus könnte zu folgern sein, daß § 142 ZPO einen anderen Zweck verfolgt als die §§ 131, 134 ZPO, die Maßnahmen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung betreffen. § 273 H Nr.l ZPO hingegen ist anders strukturiert als die §§ 131, 134 ZPO. S6 Motive E IH, Hahn, Bd. 2, S.212. 37 Dazu unten § 16 H 2. 38 Motive E IH, Hahn, Bd.2, S. 212. (Die Motive zum Entwurf IH von 1874 entsprechen weitgehend der Begründung des Entwurfs H von 187'2 [dort S.162; vgl. noch Hellweg, AcP 61, 113 ff., 119 ff., 124].) - Ebenso die Motive zum Entwurf I von 1871, S.291 (bei Dahlmanns, Bd.2, S.547), zu den dortigen §§ 116, 119 (entsprechend §§ 131, 134 ZPO): "Die §§ 115-120 enthalten Ausführungen des Prinzips, daß die Schriftsätze zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung bestimmt sind." -- Die hier und in den Motiven zu den Entwürfen H, IH zu beobachtende Gleichstellung der gesetzlich (§ 131 ZPO) und der durch besondere Aufforderung (§§ 134, 135 ZPO) geschaffenen Vor-

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Daneben führen die Bestimmungen zu einer frühzeitigen Unterrichtung des Gerichts darüber, mit welchen Fakten es sich voraussichtlich wird befassen müssen. Wie die Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze insgesame 9 sichern die §§ 131, 134 ZPO so auch die Entscheidungsgrundlage. Denn der mündliche Vortrag allein ist häufig ungeordnet und schwerer verständlich als Geschriebenes, das durch Bezugnahme (§ 137 III ZPO) zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wird. Klärende Fragen des Gerichts unterbleiben vielleicht wegen der Flüchtigkeit des gesprochenen Worts, die darüber hinaus Ursache ist für Ungenauigkeiten im Sitzungsprotoko1l40 • Ob die §§ 131, 134 ZPO darüber hinaus noch 41 "in nahem Zusammenhange mit der Vorschrift ... über die Antretung des Urkundenbeweises"42 stehen, erscheint fraglich. Dies hängt insbesondere vom Verständnis der "Bezugnahme" in den §§ 131, 134 ZPO ab, die eine solche zu Beweiszwecken, aber auch oder sogar ausschließlich zum Zwecke der Klagebegründung mit tatsächlichem Vorbringen sein könnte. Man mag die Bezugnahme an dieser Stelle zunächst in dem einen oder anderen Sinne verstehen - es ändert jedenfalls nichts daran, daß mit der Auferlegung der Vorlegungslast einer Verzögerung des Prozesses entgegengewIrkt werden soll; dies würde nur noch unterstützt durch die Annahme, die §§ 131, 134 ZPO wollten auch eine Beweisaufnahme abkürzen oder sogar entbehrlich machen. a) Die Prozeßbeteiligung als konstitutives Merkmal der Parteistellung Sollten also dem Gegner und dem Gericht43 Reaktionen auf ein Vorbringen, konkret: auf eine in Bezug genommene Urkunde, ermöglicht werden, so ist damit die Anknüpfung der §§ 131, 134 ZPO allein an der prozessualen Beteiligung einer Person dargetan. Denn nur ein prozessual 'erhebliches Handeln macht überhaupt eine Reaktion notwendig. Wer im anhängigen Verfahren prozessual erheblich handeln kann, sollte also ohne Rücksicht auf seine materiell rechtliche Beteiligung an dem streitigen Rechtsverhältnis vorlegungsbelastet sein können. Er ist Partei i. S. der §§ 131, 134 ZPO und des § 135 ZP044 • legung,slast ist gerechtfertigt, enthalten doch die §§ 134, 135 ZPO eine Ausprägung der in § 131 ZPO begründeten Vorlegungslast, die in jenen Normen fortwirkt. 39 Dazu Stein / Jonas / Pohle, 19. Auf!., § 129 Anm. I 3. ~o Sauer, § 6 III 2, S. 84. H Vg!. S.280/281 Hann. Protokolle, wonach die genannten Bestimmungen ein Beweisverfahren ganz entbehrlich machen oder abkürzen sollten. 42 Motive E III, Hahn, Bd. 2, S.212. ~3 So mit unterschiedlicher Gewichtung Motive E 111, Hahn, Bd.2, S.212; Planck, Bd. 11 1, § 97, S. 102 ff. '~4 Wie hier Heymann / Kötter, § 45 Anm.2.

3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

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Nach allem entspricht es dem Zweck der §§ 131, 134 ZPO, die Vorlegungslast auf den Prozeßvertreter, der die Urkunde in seinem Gewahrsam hat, zu erstrecken. Für die Richtigkeit der Auffassung45 , auch den Prozeßvertreter als Partei i. S. dieser V orlegungsbestimmungen anzusehen, spricht zudem, daß bei gegenteiliger AnsichtoW die Aushändigung einer potentiell vorzulegenden Urkunde an einen Vertreter ein Mittel zur Umgehung der §§ 131, 134 ZPO wäre. Würde der Vertreter nicht zu dem Kreis der vorlegungsbelasteten Personen gezählt, so könnte die Partei, die auf eine Prozeßverzögerung aus ist, ihren Prozeß durch einen bevollmächtigten Vertreter führen lassen und ihm die im Prozeß erforderliche Urkunde in die Hand geben; bei gesetzlicher Vertretung würde hierfür die Aushändigung der Urkunde reichen. Der Tatbestand der §§ 131, 134 ZPO wäre so jedenfalls vermieden47 , wenn die Partei jeden, auch den mittelbaren Besitz verlöre. Und in die Nähe der Tatbestandsvermeidung käme es, wenn die Partei als mittelbare Besitzerin die Urkunde weiterhin "in ihren Händen" behielt48 , sie aber nicht vorlegen könnte oder dies zumindest vorgibt. Die Sanktionen auf eine Gesetzesumgehung sind regelmäßig der umgangenen Norm zu entnehmen49 • Eine Tatbestandsvermeidung führt also zu einer Interpretation der umgangenen Vorschrift mit dem Ziel, die zur Umgehung eingesetzte Maßnahme unbeachtet zu lassen51l • Deswegen kann bei Feststellung einer Gesetzesumgehung gleichsam zurückgeschlossen weIden auf den Anwendungsbereich der umgangenen Bestimmung5!, in den darum hier (§§ 131, 134 ZPO) auch aus diesem Grund der Vertreter fällt. Die hier vertretene Auffassung ist von dieser Umständlichkeit frei. Denn die Aushändigung einer Urkunde an einen Vertreter ist danach eben ein zur Tatbestandsvermeidung (§§ 131, 134 ZPO) von vorneherein ungeeignetes Mittel. 45 U

Schlieckmann, S. 7 ff. Sieget, S. 104.

47 Zum Begriff der Tatbestandsvermeidung Römer, S.33. Teichmann, S. 64, will den Begriff auf die Fälle beschränkt wissen, die trotz teleologischer Auslegung einer Norm nicht in deren Anwendungsbereich fallen. 48 Vorausgesetzt, mittelbarer Besitz reicht überhaupt zur Begründung der Vorlegungslast aus. Ist das nicht der Fall, liegt auch bei der zuletzt beschriebenen Fallgestaltung eine Gesetzesumgehung vor. 49 Zeiss, Arglistige Prozeßpartei, S 65. 50 Vgl. den Ansatz bei Zeiss, Arglistige Prozeßpartei, S.14; ferner (S. 66 f.) dazu, daß es sich nicht um einen Fall institutionellen Rechtsmißbrauchs handelt: Denn derjenige, der einen Vertreter bestellt und/oder ihm die Urkunde aushändigt, schafft erst die Voraussetzung zur Vermeidung der Vorlegungslast. 51 Ob das Mittel dazu die erweiternde Auslegung oder die Analogie ist, mag in diesem Zusammenhang dahinstehen. Dazu eingehend Teichmann, S. 50 ff., 64; ferner Konzen, S. 253; Zeiss, Arglistige Prozeßpartei, S.57.

§ 10. Die vorlegungsbelastete Partei

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Ferner folgt aus der in §§ 131, 134 ZPO gewählten, prozessualen Anknüpfung für die angeführten Fallgestaltungen, daß ein (gesetzlicher, gewillkürter) Prozeßstandschafter, der eine in Bezug genommene Urkunde im Gewahrsam hat, als Partei vorlegungsbelastet ist. Und dasselbe gilt unter diesen Voraussetzungen für die Hauptpartei und einen sie unterstützenden52 Streithelfe~3. b) Zweckmäßigkeit als Korrektiv - Präklusion des Rechtsinhabers bei Versäumung der Vorlegungslast? Konsequenterweise wäre demgegenüber das Subjekt des streitigen Rechtsverhältnisses, das nicht auch am Prozeß beteiligt ist54 , aus dem Kreis der Vorlegungsbelasteten ausgeschieden. Die Auslegung von Bestimmungen des Prozeßrechts hat sich indessen auch daran zu orientieren, ob das Verfahren in der Gestalt, die es durch die (Nicht-)Anwendung einer Verfahrens vorschrift erhalten würde, zweckmäßig wäre 55 • Unter diesem Aspekt scheinen die Konsequenzen daraus, eine Vorlegungslast nur des Prozeßbeteiligten zu bejahen, zu einer anderen Lösung zu drängen. Denn so steht eine Erschwerung des Prozesses, der die §§ 131, 134 ZPO entgegenwirken wollen, im Belieben des Rechtsinhabers. Er kann eine Urkunde zurückhalten, auch wenn die Urkunde im Prozeß Klarheit etwa in dem Sinne schaffen könnte, daß der Gegner die Richtigkeit des Vorgetragenen zugesteht. aal Präklusion nach Einzelvorschriften (§§ 431, 296 ZPO) Das könnte jedenfalls dann hingenommen werden, wenn Gericht und Gegner schließlich von den Nachteilen dieser Verzögerung nicht betroffen würden - etwa, weil der sich auf eine Urkunde Beziehende beweisfällig bliebe und das von ihm geltend gemachte Recht deswegen durch Beweislasturteil verneint würde. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn eine Fristsetzung nach § 431 I ZPO zur Vorlegung einer Beweisurkunde würde wohl regelmäßig das Zeichen sein, das den Rechtsinhaber zur Vorlegung der Urkunde bewegen wird. Der Beweisführer steht immerhin "im Lager" des Rechtsinhabers, vertritt er im Prozeß doch dessen S2 Nicht, wenn ein Streithelfer des Gegners auf eine Urkunde im Gewahrsam der anderen Partei Bezug nimmt. Das wäre keine Bezugnahme des Gewahrsamsinhabers, die nach wie vor erforderlich bleibt. S3 Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 142 Anm. 1; Stein / Jonas / Pohle, 19. Aufl., § 142 Anm. I (beide für § 142 ZPO); a. A. Schlieckmann, S. 11 (für die §§ 428 ff. ZPO). Dazu noch unten § 12. S4 Relevant bei der Prozeßstandschaft, vielleicht (siehe oben § 10 II 4 c) auch im OHG-Prozeß. ss Im Ergebnis unstreitig; vgl. RGZ 102, 276 (278); 105, 422 (427); BGHZ 10, 350 (359); 18,98 (106); Blomeyer, ZPR, § 2 IV 2, S. 12; Baumbach / Lauterbach I Hartmann, Einl. III 5 B; Thomas I Putzo, Einl. VI 2.

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Interessen56 • Und selbst das Verstreichenlassen der Frist hätte keine nachhaltigen Konsequenzen. Denn der Beweisführer ist mit der Urkunde nicht präkludiert, wenn er die Frist nicht wahrt. Folglich könnte der Rechtsinhaber die Urkunde immer noch dem Beweisführer aushändigen; dieser könnte sodann den Beweis nach § 420 ZPO antreten57 • Und dies ist im Ergebnis nicht anders, wenn eine vom Rechtsinhaber zurückgehaltene Urkunde nicht Beweiszwecken, sondern der Erläuterung des Vorbringens, der Beseitigung von Widersprüchen und ähnlichem zu dienen bestimmt ist. Soweit hier überhaupt eine Fristsetzung zulässig ist 58 , wird die Fristversäumung regelmäßig damit zu entschuldigen sein (§ 2961 ZPO), daß die Partei die Urkunde nicht in ihrem Gewahrsam hat59 • Aus demselben Grund fehlt es hier an grober Nachlässigkeit desjenigen, der entgegen § 282 I, II ZPO seiner Last aus §§ 131, 134 ZPO nicht genügt (vgl. § 296 II ZPO). bb) Präklusion als Rechtskraftfolge Schließlich wäre der Rechtsinhaber, der die Urkundenvorlegung im laufenden Prozeß beharrlich verweigert, vielleicht sogar in der Lage, die Urkunde in einem späteren Prozeß vorzulegen, in dem zwischen ihm und dem jetzigen Beklagten erneut um das jetzt geltend gemachte Recht gestritten werden soll, und so ein Urteil zu erwirken, das dem im jetzigen Prozeß erwirkten entgegengesetzt ist. Unter diesem Aspekt ist die vorgeschlagene Beschränkung der Vorlegungslast deshalb unproblematisch dann, wenn die Nichtvorlegung der bezogenen Urkunde im Prozeß den Ausschluß mit der Urkunde in einem Folgeprozeß zwischen dem Rechtsinhaber und dem jetzigen Beklagten zur Konsequenz hätte. Es ist problematisch, dem Rechtsinhaber aus Gründen der materiellen Rechtskraft die Vorlegung der zurückgehaltenen Urkunde in einem Folgeprozeß zu versagen oder jedenfalls eine vom Vorprozeß abweichende Entscheidung zu verbieten6Q • Denn es ist zweifelhaft, ob die Vgl. die Fallgestaltungen oben § 10 II. Vgl. Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., § 431 Anm. II 2. S8 Dazu unten § 16 I 1. Speziell zwecks Erfüllung der Vorlegungslast nach §§ 131, 134 ZPO besteht diese Möglichkeit nicht. In älteren Verfahrensordnungen war das anders. So sah die Hannoversche Bürgerliche Proceßordnung von 1850 (bei Dahlmanns, Bd. I, S. 305 ff.) in § 134 eine gesetzliche 3Tage-Frist für die Niederlegung der Urkunde bei dem Prozeßgericht, die Bayerische Prozeßordnung von 1869 (Neudrucke zivilprozessualer Kodifikationen, Bd.4) eine kurze richterliche Frist für deren Mitteilung vor. Präklusionsfolgen knüpfte an die Fristversäumung von diesen beiden Gesetzen freilich nur die Bayerische Prozeßordnung, und auch sie lediglich für einen Verhandlungstermin, nicht für die Verhandlung insgesamt (Art. 172, 329 III S.2 Bay.PO. Dazu Barth, § 171 VII [So 459]; Wernz, §§ 172-175 Anm. 6). 5U Aus diesem Grund werden die Voraussetzungen der Vorlegungslast ohnehin nur selten vorliegen (siehe dazu unten § 13). 56

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Rechtskraft überhaupt gegen den am Prozeß nicht beteiligten Rechtsinhaber wirkt. Für den OHG-Prozeß sind diese Zweifel durch § 129 I HGB ausgeräumt. Es herrscht zwar Streit darüber, ob die Bestimmung die Rechtskraft des Urteils, das im vorherigen OHG-Prozeß ergangen ist, auf die Gesellschafter erstreckt61 oder ob es sich bei § 129 I HGB um eine Präklusionsvorschrift eigener Art handelt62 • Angesichts des Wortlauts des § 129 I HGB besteht aber jedenfalls dahin Einigkeit, daß ein Gesellschafter, soweit die Rechtskraft reicht, Einwendungen der Gesellschaft betreffend die Begründetheit63 des gegen ihn erhobenen Anspruchs nicht mehr geltend machen kann. Für den hier zusätzlich problematischen Fall, in dem ein Gesellschafter die Initiative ergreift und als Kläger auftritt - denkbar ist, daß ein Gesellschafter die Feststellung begehrt, der im Vorprozeß bejahte Anspruch64 bestehe nicht - , scheint § 129 I HGB allerdings keine Regelung zu treffen65 • Die Vorschrift ist jedoch über ihren Wortlaut hinaus auszulegen. Denn sie soll bewirken, "daß die Gesellschaftsschuld als solche auch den Gesellschaftern gegenüber festgestellt ist"so. Soll § 129 I HGB diese Aufgabe vollständig erfüllen können, muß die Vorschrift unabhängig von der Parteirolle Anwendung finden, weil nach einem GO Zu den Rechtskrafttheorien Zeiss, ZPR, § 70 III, S. 201 f., dort (§ 70 III 2, S. 202) auch zu den Differenzierungen innerhalb der prozessualen Theorie. 61 So RGZ 124, 146 (149); BGHZ 3,385 (391); Blomeyer, ZZP 75, 24 f.; Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Aufl.., § 325 Anm. VI 3 c; Baumbach / Duden / Hopt, § 129 Anm.1 B; vgl. auch RGZ 102, 301 (302): "Rechtskraft im Sinne des § 129 I HGB". ez So BGHZ 64, 155 (156); Rosenbery / Schwab, § 157 III 2 e, S. 951: Rechtskrafterstreckung beschränkter Art; Schwab, Festschrift für Lent, S.293; zurückhaltender in ZZP 77, 151. Offengelassen in BGHZ 54, 251 (255); dazu Schiller, NJW 1971, 410 ff. es Nicht gegen die Zulässigkeit der Klage; vgl. Blomeyer, ZZP 75, 25; Schwab, ZZP 77, 151. U Steht rechtskräftig fest, daß die Gesellschaft keiner Verbindlichkeit ausgesetzt ist, wirkt dies für die Gesellschafter (RGZ 124, 146 [149]; Staub / Pinner, § 124 Anm. 26). Dabei ist unerheblich, ob "die OHG" Klägerin oder Beklagte war (vgl. auch BGHZ 64, 155 ff.). Bei einer solchen Fallgestaltung wäre eine negative Feststellungsklage darum sinnlos. e5 "Wird ein Gesellschafter wegen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft in Anspruch genommen, ... ". - Vgl. auch die Beispiele von Schwab, Festschrift für Lent, S. 293. Einschlägig ist § 129 I HGB hingegen sicherlich dann, wenn gegen den klagenden Gesellschafter eine im Vorprozeß rechtskräftig festgestellte Forderung aufrechnungsweise geltend gemacht wird. Hier wird der Gesellschafter "in Anspruch genommen", wenngleich die Befriedigung des Gläubigers anders als sonst durch Selbstexekution (Bötticher, Festschrift für Schima, S. 95 ff.) erfolgt. U Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, S. 102; vgl. auch RGZ 5, 69 (71); 34, 360 (365).

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rechtskräftigen, der Klage stattgebenden Urteil zwischen den Parteien des Feststellungsprozesses feststände, daß der Gesellschafter keinem Anspruch ausgesetzt ist. Zudem macht es auch von der in § 129 I HGB vorgesehenen Sanktion des Einwendungsausschlusses her keinen Unterschied, ob ein Gesellschafter als Kläger oder Beklagter geltend macht, nicht verpflichtet zu sein. Denn die Mittel zur Begründung seiner negativen Feststellungsklage wie zur Verteidigung gegen einen Anspruch sind in der Terminologie des materiellen Rechts67 gleichermaßen Einwendungen; sie aber sollen durch § 129 I HGB schlechthin ausgeschlossen sein. - Unter prozessualem Blickwinkel kommt ein weiteres hinzu. § 256 I ZPO verlangt für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage ein rechtliches Interesse des Klägers. Es liegt vor, wenn die Rechtslage des Klägers durch eine tatsächliche Ungewißheit gefährdet und das Urteil geeignet ist, die Unsicherheit zu beseitigen68 • Bei einer Klage, aufgrund derer das Nichtbestehen eines Anspruchs festgestellt werden soll, beruht diese Unsicherheit typischerweise darauf, daß der Beklagte sich eines Anspruchs gegen den Kläger berühmt hat69 • So gesehen ist eine negative Feststellungsklage derartigen Inhalts die Reaktion jedenfalls auf die Ankündigung einer Inanspruchnahme und damit nicht mehr als eine vorsorgliche Verteidigung. Im Ergebnis ähnlich eindeutig wie für den OHG-Prozeß durch § 129 I HGB wird die Frage nach der Bindung des Rechtsträgers im Falle einer gewillkürten Prozeßstandschaft beantwortet. Der Ausgang eines Vorprozesses zwischen dem Ermächtigten und dessen Gegner soll auch für den Rechtsträger maßgebend sein70. Das Ziel, einem solchen Verfahren nicht nur den Wert eines unverbindlichen Probe-Prozesses 71 beizumessen, steht dabei klar vor Augen. Die bisher beschrittenen Wege zu dessen Erreichung gehen freilich weit auseinander. Das RG lehnte in diesem Zusammenhang eine Rechtskrafterstreckung ausdrücklich ab 72 oder vermied doch nahezu durchgängig den Begriff der 67 Zu diesem Verständnis des Einwendungsbegriffs in § 129 I HGB Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Aufl., § 325 Anm. VI 3 c; Bettermann, Vollstreckung, S.87. 88 Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Aufl., § 256 Anm. II!. 09 RG Gruchot 58, 1074 (1075); Zeiss, ZPR, § 42 II 3 b, S. 107 (unter Hervorhebung dieses Falls); Wieczorek, § 256 Rz. C V b 1 mit weiteren Nachw. 70 Statt aller RGZ 36, 53 (55); 59, 133 (135); 73, 306 (309); RG Warn 1909 Nr.327; Gruchot 55, 383 (387); JW 1929, 1747 (1748) m. Anm. Rosenberg; BGHZ 48, 12 (16); BGH LM Nr.l zu § 1169 BGB; LM NT. 4 zu § 325 ZPO; Blomeyer, ZPR, § 92 I 3, S. 483; Rosenberg / Schwab, § 46 V 4, S.249. 71 Jauernig, ZZP 64, 302 f. Mancherorts wird die Zulässigkeit der gewillkürten Prozeßstandschaft von der Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsträger sogar abhängig gemacht (vgl. etwa Goldschmidt, Prozeß als Rechtslage, S. 198; Kisch, Festschrift für Carnelutti, S.413). 72 RGZ 36, 53 (55); siehe auch RGZ 170, 191 (192 a. E.), wo das RG auch solchen prozeßbeendenden Tatbeständen, die nicht rechtskraftfähig sind, Wirkungen für den Rechtsträger beilegt.

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Rechtskrafterstreckung73 . Soweit das RG sich nicht lediglich der farblosen, zumindest aber mehrdeutigen74 Wendung von der Wirksamkeit eines Urteils bediente75, ist die Rede davon, mit der Klage im Folgeprozeß mißbrauche der Rechtsträger sein Klagerecht, ihr stehe deshalb der Einwand der ArgHst entgegen. Der Rechtsträger sei Hintermann des vorgeschobenen Prozeßstandschafters, jener sei die eigentliche ProzeßparteF8. Die in diesen Formulierungen erkennbaren Parallelen zu den Wirkungen, die ein durch einen Prozeßbevollmächtigten geführter Prozeß für den Rechtsträger zeitigt - vom RGanderwärts noch deutlicher hervorgehoben 77 -, werden durchweg auch heute noch gezogen, nun allerdings, um eine Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsträger anzunehmen. Der Grund für die Rechtskrafterstreckung wird darin gesucht, daß der Rechtsträger den Prozeßstandschafter ermächtigt haF8; andere verweisen auf (fiktive?79) Vereinbarungen über die Rechtskrafterstreckung So • - Wo das Unbehagen an der so anerkannten Rechtskrafterstreckung kraft Partei willens überwiegt81 , hat es mit der Behauptung sein Bewenden, die Rechtskrafterstreckung sei die notwendige8 2 oder jedenfalls immer eintretende83 Folge der gewillkürten Prozeßstandschaft. 73 Anders ohne Begründung RG Warn 1909 Nr. 327. Das RG verweist dort u. a. auf RGZ 59, 133 ff. und RG JW 1899, 11. In beiden Entscheidungen wird der Ausschluß nachfolgenden Vorbringens des Rechtsträgers jedoch mit dem Verbot arglistigen Verhaltens begründet; das zuletzt genannte Erkenntnis behandelt zudem keinen Fall einer Prozeßstandschaft. In RG JW 1929, 1747 (1748) begründete das RG die Rechtskrafterstreckung für den dort zu entscheidenden Sonderfall aus § 407 II BGB (vgl. auch Rosenberg in seiner Anm. [S.1747]), in RGZ 56, 73 (75 ff.) aus §§ 1400, 1407, 1454 BGB. Beide Male handelte es sich also um Fälle mit gesetzlicher Regelung. 74 Bettermann, Vollstreckung, S. 53 ff.; vgl. auch RGZ 56, 73 (75 f.). 75 RGZ 73, 306 (309). Wenn das RG sich dort auf RGZ 36, 55 beruft (dazu oben Fn. 72), so soll die Wirkung des Urteils gegenüber dem Rechtsträger jedenfalls nicht Rechtskraftwirkung sein (zutreffend Lüke, ZZP 76, 29/30; Siebert, S.274 Fn.74; vgl. aber Kisch, RG-Festschrift, Bd. VI, S. 32 f. Fn.26 [So 33]; Rosenberg, JZ 1952, 137). 78 Vgl. die Formulierungen in RGZ 36, 53 (56); 59, 133 (135). 77 RGZ 73, 306 (309); 170, 191 (192); vgl. ferner RGZ 36, 53 (56); RG Warn 1909 Nr. 327, unter Hinweis auf RG JW 1899, 11 (arglistiges Verhalten des Vertretenen, der sich in einem Folgeprozeß zum Vorbringen seines Prozeßbevollmächtigten in Widerspruch setzt; dazu auch RG SeuffArch 70 Nr.70); zum ganzen H. Hellwig, Gruchot 55, 616. 78 Rosenberg / Schwab, § 46 V 5, S.249. n Vgl. Goldschmidt, Prozeß als Rechtslage, S.198; Rüßmann, AcP 172, 534/ 535. 80 Insoweit ist streitig, ob die Vereinbarung zwischen dem Rechtsträger und dem Prozeßstandschafter (Lüke, ZZP 76, 30) oder dem Rechtsträger und dem Prozeßgegner (Goldschmidt, Prozeß als Rechtslage, S. 198; einschränkend S. 459 Fn. 2432 a) zustandekommt und genügt oder ob diese Vereinbarungen kumulativ vorliegen müssen (vgl. Kisch, Festschrift für Carnelutti, S. 413). 81 Vgl. Kisch, Festschrift für Carnelutti, S.413; siehe aber auch Schiedermair, S.5/6, 46 ff., 76 f. Fn.75. 8! Jauernig, ZZP 64, 303. 83 Sinaniotis, ZZP 79, 98, mit der Begründung, die Rechtskrafterstreckung beruhe auf der Ausschließlichkeit der Prozeßführungsbefugnis des gewillkürten Prozeßstandschafters, die stets zu vermuten sei.

3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

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Aus dem Bereich der gesetzlichen Prozeßstandschaft können die Sachverhalte außer Betracht bleiben, in denen der Rechtsträger keine Prozeßführungsbefugnis hat84 • Weil und solange das der Fall ist, ist eine wiederholte Beschäftigung der Gerichte und des Gegners mit dem gleichen Streitstoff und damit auch eine dem ersten Urteil widersprechende Entscheidung nicht zu befürchten. Die Möglichkeit eines Folgeprozesses ergibt sich erst, wenn der Rechtsträger die Prozeßführungsbefugnis (zurück-)erhält. Wegen der bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlichen Befugnis des Prozeßstandschafters, prozessua1 85 wirksam zu handeln, oder wegen seiner materiell rechtlichen Verfügungsbefugnis 86 steht sodann jedenfalls die Rechtskraft des Urteils im Vorprozeß einer neuerlichen Geltendmachung des Rechts entgegen. Der Sachlage bei der gewillkürten Prozeßstandschaft vergleichbar ist aber diejenige, die besteht, wenn Rechtsträger und Prozeßstandschafter nebeneinander prozeßführungsbefugt sind oder die materiellrechtliche Stellung des Rechtsträgers nicht von den Handlungen des Prozeßstandschafters beeinflußt wird 87 • Hier wird indessen eine Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsträger, der ein ihm ungünstiges Urteil in einem Folgeprozeß korrigieren lassen Will 88 , pauschal abgelehnt. Zur Begründung wird der Verhandlungsgrundsatz herangezogen:

"Die Rechtskraft des Urtheiles wirkt regelmäßig nur für und gegen die Parteien, zwischen welchen das Urtheil ergangen ist. ,Der Civilprozeß ist eine Rechtsvergewisserungsoperation, deren besseres oder schlechteres, richtigeres oder unrichtigeres Ergebniß wesentlich von dem Maße der Anspannung und Energie abhängig ist, welche die Parteien aufwenden, um ihre gegensätzlichen Interessen wahrzunehmen.' Der Verhandlungsmaxime gemäß ist für den Richter nur das von den Parteien in den Prozeß eingeführte Streitmaterial vorhanden, und auch dieses bildet die Grundlage des Urtheiles nur insoweit, als es zugleich durch die Parteien in rechtliche Gewißheit gesetzt ist. Je nach dem Grade der Sorgfalt, mit welcher dieselben bei der Beurtheilung und Beschaffung des zur Verfolgung oder Abwehr des Anspruches Zweckdienlichen verfahren, je nach dem Maße der Thätigkeit, welche sie bei Beispiele bei Rosenberg / Schwab, § 46 V 3 a, S. 248. Rosenberg / Schwab, § 46 V 2, S. 247: Sinaniotis, ZZP 79, 92. 88 HenckeZ, ZZP 70, 462 f.; im Ansatz ebenso Rüßmann, AcP 172, 536 ff.; siehe auch Bettermann, Vollstreckung, S. 84 f. Die Ergebnisse der prozessualen 84

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oder materiellrechtlichen Betrachtungsweise werden sich regelmäßig nicht unterscheiden (Rosenberg / Schwab, § 46 V 2, S.248). 87 Beispiele bei Rosenberg / Schwab, § 46 V 3 b, S. 243. 88 Da es hier darum geht, kann die Frage nach der Rechtskrafterstreckung bei Obsiegen des Prozeßstandschafters offenbleiben (dazu [bejahend] Rosenberg / Schwab, § 46 V 3 b, S. 248).

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der Geltendmachung prozessualer Rechtszuständigkeiten entfalten, je nach dem, was sie zu erklären oder zu verschweigen, zu bestreiten oder zuzugestehen für gut finden, kann der Ausgang des Prozesses ein verschiedener, das Urtheil ein der wirklichen Sachlage entsprechendes oder nicht entsprechendes sein. Muß das zum Zwecke des endgültigen Austrages unter der Autorität des Staates gefällte Urtheil ohne Rücksicht auf seine materielle Wahrheit Rechtskraft schaffen, so beschränkt sich diese Rechtskraft nothwendig auf die Personen, deren Ermessen und Willkür für die Grundlage des Urtheiles, für die sachliche Richtigkeit oder Unrichtigkeit desselben bestimmend gewesen ist. «M9 - Eine Be-

gründung wie diese läßt offensichtlich die Interessen von Gericht und Gegner an der Vermeidung eines Folgeprozesses unbeachtet, ohne daß dies notwendige Konsequenz des Verhandlungsgrundsatzes wäre 90 • Denn der Verhandlungsgrundsatz begrenzt die richterlichen Befugnisse gegenüber den Prozeßparteien91 • Seine Geltung ist auf das Prozeßrechtsverhältnis beschränkt. Der Grund für eine Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsträger findet sich dort jedoch nicht. Er ist vielmehr zu suchen in der Beziehung des Rechtsträgers zu dem Prozeßstandschafter. Nur die gesetzliche Regelung dieser Beziehung und die aus dieser Regelung abzuleitende Befugnis, für fremde Rechte zu streiten oder sie in ihrem Bestand beeinflussen zu können, vermag die Rechtskrafterstrekkung auf den Rechtsträger zu rechtfertigen 91a • Folglich ist Raum für den Hinweis, daß neben dem stets vorhandenen öffentlichen Interesse, eine zweifache Beschäftigung der Gerichte mit objektiv demselben Streitgegenstand zu vermeiden, das Interesse des Gegners an einer Rechtskrafterstreckung zuungunsten des Rechtsträgers Berücksichtigung finden muß. Diese Interessen überwiegen das Interesse des Rechtsträgers an einer Prozeßverdoppelung. Denn Rechtsträger und Prozeßstandschafter stehen in einer "Risikogemeinschaft" , die in manchen Fällen sogar auf dem Willen des Rechtsträgers 92 , im sv Motive zum BGB, Bd. 1, S. 376 f.; ebenso Bettermann, Vollstreckung, S. 80 f. mit weiteren Nachw., insbesondere in Fn. 143 a; ferner z. B. Henckel, ZZP 70, 462. 80 Vgl. Bettermann, Vollstreckung, S.84, der die Rechtskrafterstreckung zugunsten Dritter aufgrund einer Interessenabwägung beurteilt. Vi Bruns, Rz. 82. 91a Siehe soeben Fn. 85, 86. Diese Auffassung wird auch dort stillschweigend zugrunde gelegt, wo die Rechtskrafterstreckung bei gewillkürter Prozeßstandschaft von Parteivereinbarungen (ohne gerichtliche Beteiligung) oder der Ermächtigung des Rechtsträgers abhängig gemacht wird (siehe soeben Fn.78-80). V2 Vgl. § 1368 BGB (vorausgesetzt, § 1368 BGB regelt einen Fall gesetzlicher Prozeßstandschaft; dazu Fenge, Festschrift für Wahl, S. 490 ff. [mit Nachw. S. 489 f. Fn. 57, 58], der allerdings eine Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsträger von diesem Standpunkt her verneint [So 490]); §§ 1428, 1429 S. 2, 1431 S.l, 1454 S.2; 1077; 1281 BGB. Rechnet man die Gesamthandsgemeinschaft

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

übrigen93 auf der gemeinsamen Innehabung eines Gegenstandes beruht. Deshalb sollten die nachteiligen Folgen einer vielleicht fehlerhaften Prozeßführung durch den Prozeßstandschafter den Rechtsträger treffen. Das gilt um so mehr, als der dem Prozeßstandschafter ungünstige Prozeßausgang jedenfalls prima facie daraus resultiert, daß der Rechtsträger eine bezogene Urkunde zurückgehalten hat94 • Darum ist es gerechtfertigt, auch als Konsequenz eigener Versäumnisse des Rechtsträgers die Präklusionswirkung der Rechtskraft auf ihn zu erstrecken95 • Schließlich ist die Berufung auf den Verhandlungsgrundsatz unter der hiesigen, speziellen Fragestellung zur Ablehnung einer Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsträger nicht geeignet. Wollte man sich nämlich die Behauptung, ein am Prozeß beteiligter Dritter unterliege nicht den Rechtskraftwirkungen, bei der konkreten Frage zunutze machen, ob denn eine bestimmte Person infolge der materiellen Rechtskraft an den Ausgang eines Prozesses gebunden sei, so müßte zunächst die prozessuale Stellung dieser Person (Partei oder Dritter?) bestimmt werden. Erst hiernach wäre jene Frage zu beantworten. In dem jetzigen Zusammenhang ist die Folgerung indessen genau umgekehrt, darüber hinaus aber auch die behauptete Kongruenz zwischen Parteistellung und Rechtskraftteilnahme aufgegeben: Weil jemand den Rechtskraftwirkungen unterworfen ist, braucht er nicht Partei i. S. der §§ 131, 134 ZPO zu sein. Somit ist festzuhalten, daß sich die Rechtskraft eines im Vorprozeß erwirkten Urteils sowohl auf den Gesellschafter im OHG-Prozeß als auch auf den Rechtsträger, der sein Recht durch einen Prozeßstandschafter wahrnehmen läßt, erstreckt. Sie sind also daran gehindert, eine im Vorprozeß bezogene, in ihren Händen befindliche Urkunde in einem Folgeprozeß vorzulegen oder jedenfalls infolge der Vorlegung ein für sie günstiges Ergebnis zu erreichen.

und die einfache Forderungsgemeinschaft dem Anwendungsbereich des § 432 BGB zu, gehören hierher auch viele Fälle der Gesamtgläubigerschaft (vgl. Palandt I Heinrichs, § 432 Anm. 1 a, b; Soergell Siebert I Schmidt, 10. Aufi., § 432 Rz.3). Insoweit drängt sich die Parallele zur gewillkürten Prozeßstandschaft auf. 93 Vgl. vor allem § 2039 BGB. Hierher zählen ferner kraft Gesetzes entstandene Bruchteilsgemeinschaften (etwa nach § 947 I BGB [i. V. m. § 1011 BGB)). 94 Wäre die Urkunde dem Rechtsträger nämlich nicht günstig, so würde ihre Vorlegung auch im Folgeprozeß zu keinem anderen Ergebnis führen und deswegen regelmäßig unterbleiben. Die Präklusionsfrage würde sich sodann nicht in voller Schärfe stellen. 95 So im Ergebnis auch Wieczorek, § 325 Rz. B 111 a, B 111 a 1; für eine Rechtskrafterstreckung im Grundsatz momeyer, ZPR, § 92 I 2, S.481.

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Folglich ergibt sich auch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten keine Notwendigkeit, die Vorlegungslast der §§ 131, 134 ZPO auf andere als die Prozeßbeteiligten auszudehnen. Es bleibt demnach bei dem oben gefundenen Ergebnis. Vorlegungsbelastet nach §§ 131, 134 ZPO kann sein, wer am Prozeß beteiligt ist. Das ist derjenige, der Prozeßhandlungen vornehmen kann96 • Daraus folgt zunächst, daß der Rechtsträger nicht vorlegungsbelastet ist, wenn ein Prozeßstandschafter auf eine Urkunde im Gewahrsam des Rechtsträgers Bezug nimmt. c) Die "Beteiligung" des an der Prozeßführung nicht beteiligten Gesellschafters Die Lage im OHG-Prozeß ist demgegenüber weniger eindeutig, weil sie beeinflußt wird von der Frage nach der Parteistellung des einzelnen Gesellschafters. Festzuhalten ist freilich vorab, daß die Besitzverhältnisse in der OHG für die Beurteilung der Vorlegungslast ohne Bedeutung sind. Denn "in den Händen" kann eine Urkunde jedenfalls nur eine natürliche Person haben, weil nur sie tatsächlich der Vorlegungslast genügen kann91 • Diese Last nach §§ 131, 134 ZPO einem Gesellschafter, der den Prozeß selbst nicht führt, aufzuerlegen, ist allerdings möglich nur, wenn auch dieser Gesellschafter formelle Partei (Streitgenosse) wäre 98 • Denn an einer Prozeßbeteiligung sogar im dargelegten, eingeschränkten Sinne fehlt es, wenn die OHG oder die Gesamtheit der Gesellschafter Partei sein sollte: Allein der Gesellschafter, der den Prozeß führt, kann Prozeßhandlungen wirksam vornehmen99 • Die Gesellschafter sind im OHG-Prozeß jedoch nicht Streitgenossen. Das folgt mindestens aus der begrenzten Wirkung eines gegen die So auch Apt, S. 67; Francke, ZZP 27, 307 (für den Nebenintervenienten). Das deutet vielleicht schon auf ein Verständnis des "In-Händen-Habens" hin, das sich von dem des Besitzes i. S. der §§ 854 ff. BGB unterscheidet. ;8 Siehe oben § 10 II 4 C, § 10 III 1 a. 99 Das könnte auch derjenige Gewahrsamsinhaber, der ebenfalls vertretungsbefugt ist (§ 125 I HGB). Dann freilich wäre er in seiner Eigenschaft als Vertreter vorlegungsbelastet. So gesehen läge es also bei ihm, die Voraussetzungen der Vorlegungslast zu schaffen. Den daraus folgenden Bedenken ist allerdings durch die Sanktion des § 129 I HGB Rechnung getragen. Darum ist es auch unerheblich, daß der im Prozeß untätige Vertreter vielleicht als Partei zu vernehmen ist (vgl. Stein / Jonas I Schumann / Leipold, 19. Aufl., § 455 Anm. III): Den Parteien die Disposition über die Ausgestaltung des Verfahrens zu nehmen (dazu Stein I Jonas / Schumann / Leipold, 19. Auf!., Bem. I 3 vor § 373) ist notwendig (und unbedenklich) allenfalls, soweit die Parteien durch ihre Disposition gesetzlich vorgesehenen Nachteilen - bei dem Beweis durch Parteivernehmung die Einschränkungen beim Beweisantritt, meistens auch die geringere Üherzeugungskraft der Parteiaussage - entgehen könnten. 90

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

GeS€llschaft erwirkten Titels, der nicht gegen den einzelnen Gesellschafter vollstreckt werden kann (§ 129 IV HGB); auch eine titelumschreibende Klausel ist danach unzulässig1 °O. Indessen: "Man kann nicht einerseits im Firmenprozesse den Gesellschaftern die Parteirolle wahren und andererseits ihre Individualität für gleichgiltig erklären derart, ... dass die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Urtheils sich auf das Gesellschaftsvermägen beschränkt ... " Diese Feststellung WachslOt, noch zu einer Zeit (1885) getroffen, als es an einer dem § 129 IV HGB entsprechenden Vorschrift fehlte, macht die Tragweite dieser Bestimmung deutlich. Wenn der im OHG-Prozeß erwirkte Titel keine Vollstreckungswirkung gegenüber einem Gesellschafter zeitigt, so eben deshalb, weil dieser nicht Partei ist102 • Im OHG-Prozeß ist Partei i. S. der §§ 131, 134 ZPO und kann vorlegungsbelastet folglich nur der vertretungs befugte Gesellschafter sein, der, gegebenenfalls durch einen von ihm bestellten Prozeßbevollmächtigten, im Prozeß handelt und die bezogene Urkunde im Gewahrsam hat103 •

2. Der Zweck des § 273 ZPO Maßnahmen nach § 273 ZPO sind solche zur Verhandlungsvorbereitung. Sie sind deshalb nur vor der mündlichen Verhandlung, genauer: vor jedem Verhandlungstermin zulässig104 • Von daher liegt die Parallele zu §§ 131, 134 ZPO nahe, und daran zeigt sich die Aufgabe des § 273 ZPO. Die Vorschrift soll helfen, die mündliche Verhandlung durch die vorherige Konzentration des Prozeßstoffs zu vereinfachen und zu beschleunigen105 • Allerdings hatte man bei Schaffung des § 501 ZPO durch die Amtsgerichtsnovelle von 1909100 wohl weniger das Interesse des Prozeß100 Vgl. Schlegelberger / Geßler, 4. Aufl., § 124 Rz. 28 ff.: Umschreibung allenfalls nach Beendigung der OHG. 101 Handbuch, S. 525. 10! Wach mußte demgemäß sowohl eine Vollstreckungs- als auch eine Rechtskraftwirkung dieses Titels für den einzelnen Gesellschafter begründen, um seine Auffassung, die OHG-Gesellschafter seien im OHG-Prozeß Streitgenossen, zu stützen. Dies geschah zum einen durch die Bejahung der Umschreibungsmöglichkeit (§§ 727 ff. ZPO [§§ 665 ff. CPO]); zum anderen sollte eine vermeintliche Kongruenz zwischen Gesellschaftsschuld und Gesellschafterschuld eine Rechtskrafterstreckung in beschränktem Umfang rechtfertigen (Wach, Handbuch, S.529). Von daher und ausgehend von der Annahme, Gesellschaftsschuld und Gesellschafterschuld seien nicht identisch (Wach, S.528), hätte Wach immerhin die Regelungen der § 129 I-III HGB mit seiner Auffassung in Einklang bringen können. 103 Dafür wohl auch Schlegelberger / GeIller, 4. Aufl., § 124 RZ.9. 104 Diese Klarstellung in § 273 !I ZPO entspricht der Auslegung des § 272 b ZPO a. F.; dazu KG DR 1942, 1029; ZöHer / Stephan, 11. Aufl., § 272 b Anm.!II. 105 Statt aller KG DR 1942, 1029; Sauer, S. 89; Baur, ZZP 66, 211.

§ 10. Die vorlegungsbelastete Partei

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gegners an eigener gründlicher Vorbereitung ins Auge gefaßt als vielmehr das öffentliche Interesse, auch das Gerichtsinteresse, an schleuniger Prozeßbeendigung107 • Das bedeutet indessen nicht, daß § 273 ZPO eine Beschleunigung auch um den Preis einer Übereilung zu Lasten des Gegners bewirkt. Er ist durch § 273 IV S. 1 ZPO hinreichend geschützt in dem Sinne, daß ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben ist. Denn: "Die Parteien sind VOn jeder Anordnung zu benachrichtigen." Und sie werden in der gerichtlichen Praxis wegen des Verbotes VOn überraschungsentscheidungenlOB durchweg nicht nur von der Anordnung informiert, sondern zusätzlich von der Reaktion desjenigen, den die Maßnahme betrifft. Selbst wo das nicht geschieht, wird doch jede verständige Partei auf die Benachrichtigung hin die Prozeßakten einsehen (§ 299 ZPO) und sich auf diese Weise Kenntnis von dem Verhalten des Gegners verschaffen. § 273 IV ZPO gewährleistet so also auch eine genügende Vorbereitung des Gegners109 • Bis zum Inkrafttreten der Vereinfachungsnovelle war das freilich lange Zeit anders. Der Zweck des § 273 ZPO bzw. § 272 b ZPO a. F., bei aller Beschleunigungstendenz die Interessen des Gegners zu wahren, war in den Hintergrund gedrängt worden dadurch, daß § 272 b IV S. 2 ZPO a. F. die Benachrichtigung des von der Maßnahme nicht Betroffenen in das Ermessen des Vorsitzenden stellte. Denn selbst wenn speziell bei einer Urkundenvorlegung der Gegner hätte benachrichtigt werden sollen, um einem Vertagungsantrag der nicht benachrichtigten Partei den Boden zu entziehenllo - letztlich war die Partei doch ohne Mittel, um einen Ermessensfehler insoweit korrigieren zu lassen. Denn ein falscher 111 Beschluß, mit dem nach Unterbleiben der Benachrichtigung der Vertagungsantrag zurückgewiesen wurde, war nicht anfechtbar (§ 227 III, II S.2 ZPO a. F.). - Die Vereinfachungsnovelle brachte jedoch die Rückkehr zu einer Regelung, die bis zur Emminger-VerordRGBl. 1909, 475. Vgl. die Begründung zum Vorentwurf 1907 der Amtsgerichtsnovelle, Sonderbeilage zur DJZ (zu Heft 20) 1907, 22. - Das öffentliche Interesse an einer Prozeßbeschleunigung mit Hilfe des § 272 b ZPO wird betont auch in der A V des RJM von 1935, DJ 1935, 1654. 108 Dürig in: Maunz / Dürig / Herzog / Schotz, Art. 103 I Rz. 66. lOG Ins Leere gehen deshalb die Bedenken gegen die entsprechende Regelung in § 501 III ZPO in der Fassung der Amtsgerichtsnovelle von 1909, der Gegner werde mangels Anhörung überrumpelt (Dittenberger, Gutachten zum 29. DJT, Bd. IV, S. 344, dessen Bedenken durch die obligatorische Benachrichtigung [§ 501 III ZPO] aber ausgeräumt gewesen sein müßten [vgl. Dittenberger, aaO.]). Zumindest werde in dem Richter ein schiefes Bild erzeugt (Striemer, JW 1907, 729). Zu den zahlreichen sonstigen Stellungnahmen zu § 501 des Entwurfs siehe den Literaturbericht bei Kann, ZZP 39, 229 ff.; ferner Damrau, S. 236 ff. 110 Wieczorek, § 272 b Rz. D I. 111 Wieczorek, § 272 b Rz. D I. lOG

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

nung112 des Jahres 1924 gegolten hatte: Wie damals so ist heute die Benachrichtigung des Gegners wieder uneingeschränkte Pflicht. Besteh~n also die mit § 273 ZPO verfolgten Absichten darin, Gegner und Gericht vor einer Verzögerung durch Zurückhaltung von Urkunden zu schützen, so hat § 273 ZPO denselben Zweck wie die §§ 131, 134 ZPO. Wie diese Vorschriften knüpft § 273 ZPO also an die prozessuale Beteiligung an. Wie dort sind auch hier Prozeßvertreter, Prozeßstandschafter und Streithelfer "Partei" und unter den weiteren Voraussetzungen des § 273 II Nr. 1 ZPO vorlegungsbelastet.

3. Der Zweck des § 142 ZPO

Wäre auch § 142 ZPO Grundlage für verhandlungsvorbereitende Maßnahmen, so hätte die Vorschrift sicherlich den Zweck, das Verfahren durch Gewährleistung genügender Vorbereitungsmöglichkeiten für das Gericht und für den Gegner (§ 299 ZPO) zu beschleunigen. Wie § 134 ZPO wäre § 142 ZPO damit nur die Konsequenz aus der im grundsätzlichen in § 131 ZPO normierten Last, Urkunden auch ohne Aufforderung oder Anordnung vorzulegen113 • Die Anlehnung an die zu § 131 ZPO angestellten Überlegungen bei der Frage nach dem Parteibegriff in § 142 ZPO wäre wiederum die zwangsläufige Folge, weil § 142 ZPO, so verstanden, abhöbe allein auf die prozessuale Beteiligung. a) Vorlegungsanordnung zur Prozeßbeschleunigung oder auf Grund mündlicher Verhandlung? Die übernahme der anderwärts gefundenen Ergebnisse würde sich verbieten, wenn Maßnahmen nach § 142 ZPO eine mündliche Verhandlung voraussetzen, die Urkundenvorlegung also nur auf Grund oder sogar in einer mündlichen Verhandlung114 angeordnet werden dürfte. Sodann könnte die Prozeßbeschleunigung nicht mehr das durch § 142 ZPO angestrebte Ziel sein115 . Denn die Inkaufnahme einer mündlichen RGBl. 1924 I 135. So ZäHer I Stephan, § 142 Anm. 1. 114 Diese Unterscheidung ist ohne Relevanz, sie wird auch, soweit ersichtlich, nirgendwo besonders betont (vgl. einerseits OLG Marienwerder, OLGRspr. 3, 438; Planck, Bd.1I 1, § 97 11 4, S.107 a. E.; andererseits RGZ 39, 404 [405]; ferner RGZ 57, 416 [417]; Baumbach I Lauterbach I Hartmann, § 273 Anm.3 B; Stein, 11. Aufl., § 141 Anm.lI, § 128 Anm.1I 3; siehe aber auch K. Schneider, Recht 1910, 333). Beide Male ist jedenfalls die mündliche Verhandlung Grundlage der Entscheidung, beide Male auch kommt es durch Anwendung des § 142 ZPO zu der im Text beschriebenen Verzögerung. Nur das ist hier maßgebend. 115 a. A. Jauernig, ZPR, § 27 11, S.80; Stein I Jonas I Pohle, 19. Aufl., § 128 Anm. I; einschränkend Sauer, § 6 III 2, S.83. 112

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§ 10. Die vorlegungsbelastete Partei

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Verhandlung und ihre Durchführung vielleicht sogar nur, um dem Erfordernis für eine Anordnung nach § 142 ZPO zu genügen1l6 , schließt ein die Inkaufnahme einer Verzögerung, wie sie durch eine vorbereitende Maßnahme nach § 142 ZPO vermieden würde1l7 • Es ist deshalb zu fragen, ob eine Anordnung gemäß § 142 ZPO nur nach mündlicher Verhandlung ergehen darf118 • Hierfür spricht vielleicht nicht die Stellung des § 142 ZPO im Gesetz. Denn Vorschriften über die mündliche Verhandlung wechseln in den §§ 128 ff. ZPO mit solchen über die Verhandlungsvorbereitung ab 119 • Form und Ablauf der mündlichen Verhandlung sind Gegenstand der §§ 128, 136-140 ZPO; die Verhandlungsvorbereitung ist in §§ 129-135 ZPO geregelt. überzeugender ist der Hinweis auf die unterschiedlichen Fassungen des § 134 ZPO und des § 142 ZPO, die sich doch dem Gegenstand nach ähneln. In § 134 ZPO ist nämlich die Rede von der Niederlegung der Urkunde "vor der mündlichen Verhandlung". Wird dieser Zeitabschnitt dort aber ausdrücklich hervorgehoben, so sollte, wo die Hervorhebung fehlt (§ 142 ZPO), die Zeit nach Beginn der mündlichen Verhandlung behandelt werden. Zudem kann der Wortlaut des § 229 I S. 1 ZPO (entspr. § 296 I ZPO a. F.12°) in vergleichbarer Weise herangezogen werden121• Dort wird auf ein Verhalten des Gerichts "in jeder Lage des Rechtsstreits" hingewirkt. Aus dem Fehlen dieses Passus' in § 142 ZPO ist zu schließen, daß diese Vorschrift eben nicht für jeden Zeitraum im Verfahren gilt. In welchem sie Anwendung findet, ergibt sich, wie gesagt, aus dem Vergleich mit § 134 ZPO. Kritisch K. Schneider, Recht 1910, Sp.330. Sauer, § 6 III 2, S. 84. 118 Verneinend K. Schneider, Recht 1910, Sp.331, passim; bejahend OLG Marienwerder, OLGRspr. 3, 438; Stein, 11. Aufl., § 141 Anm. II, § 128 Anm. II 3 und § 142 Anm. II; wohl auch noch Stein I Jonas I Pohle, 19. Aufl., § 142 Anm. II, § 141 Anm. II 4, 5; ferner Baumbach I Lauterbach I Hartmann, § 142 1U

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Anm. 1, die jeweils in der Anordnung (Verfügung) außerhalb der mündlichen Verhandlung eine solche nach § 273 ZPO (§ 272 b ZPO a. F.) sehen. Richtigerweise ist aber nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen, sondern darauf, ob die Anordnung auf Grund mündlicher Verhandlung, also auch noch nach deren Schluß, ergeht. Die Abgrenzung der Maßnahmen nach § 142 ZPO einerseits und § 273 II Nr. 1 ZPO andererseits ist dann allerdings nicht einfach, weil beide außerhalb der mündlichen Verhandlung ergehen können. Sie wird zumeist nur anhand der Entscheidungsform (§ 142 ZPO: Beschluß des Gerichts; § 273 ZPO: Verfügung des Vorsitzenden oder eines von ihm bestimmten Mitglieds des Prozeßgerichts) vorzunehmen sein. 119 Vgl. aber Wilmowski I Levy, Bem.4 vor § 119; ablehnend K. Schneider, Recht 1910, Sp.330/331. 120 Bis zur Vereinfachungsnovelle. 121 Siehe auch K. Schneider, Recht 1910, Sp. 331, der darin offenbar ein wesentliches Argument gegen seine Ansicht sieht. 5 Sd>reiber

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Dafür, als Voraussetzung der Anordnung nach § 142 ZPO eine mündliche Verhandlung zu verlangen, spricht zudem entscheidend die Regelung in § 128 I ZPO. Lange Zeit wurde der hier festgeschriebene Grundsatz der Mündlichkeit einer Durchbrechung allerdings nur dort für zugänglich gehalten, wo das Gesetz selbst eine Ausnahme normierte, so in den §§ 37 I, 46 I, 104 III S.3, 248 II ZPO l22 • Demzufolge hätte es auch im Falle des § 142 ZPO bei dem Mündlichkeitsprinzip zu verbleiben. Andere nahmen die Forderung des § 128 I ZPO nach mündlicher Verhandlung über den Rechtsstreit zum Anlaß, pauschal etwa prozeßleitende Maßnahmen wie Anordnungen nach § 142 ZPO l23 aus dem Anwendungsbereich des § 128 I ZPO auszuklammern: Eine Maßnahme zur Regelung von Art und Weise des Prozesses sei keine, die den Rechtsstreit betreffe 124 - dies jedenfalls dann nicht, wenn die Anordnung für die Endentscheidung nicht von maßgebender Bedeutung seil25 • Auch den Motiven zum Entwurf III zur ZPO I26 lag wohl diese Auffassung zugrunde. Denn danach sollte der Mündlichkeitsgrundsatz auf die "eigentliche Verhandlung zwischen den streitenden Parteien" beschränkt sein und der Anordnung fakultativer mündlicher Verhandlung etwa in §§ 37 I, 46 I ZPO (n. Z.) nur deklaratorische Bedeutung zukommen l27 • Gerade die Anordnung der Urkundenvorlegung nach § 142 ZPO macht jedoch deutlich, daß nicht jede solche Maßnahme nur der Einhaltung von Formalien dient. § 142 ZPO ermöglicht es vielmehr, ein Beweismittel und, je nach der Bedeutung der "Bezugnahme" in dieser Vorschrift, vielleicht auch oder statt dessen neue Tatsachen in den Prozeß einzubringen. Damit sind nicht nur die Art und Weise des Prozessierens betroffen, sondern die Anordnung der Urkundenvorlegung wirkt unmittelbar und maßgebend auf den Rechtsstreit im Sinne von § 128 I ZPO ein l28 • 122 RGZ 39, 404 (405); 57, 416 (417); Planck, Bd. I, § 40 I D, S. 178; Stein, 11. Aufl., § 128 Anm. II 3, dort auch zu den sonstigen Fällen fakultativer mündlicher Verhandlung. 123 Ausdrücklich für prozeßleitende Maßnahmen nach § 142 ZPO (dazu ,stein / Jonas / Pohle, 19. Aufl., Bem. IV 2 b vor § 128), soweit ersichtlich, nur K. Schneider, Recht 1910, Sp. 331, dieser allerdings mit argumentativ anderem Ansatz. 124 RGZ 16, 411 (412); 34, 358 (359 f.). Hervorhebung nur hier. 125 RGZ 34, 358 (360); RG Gruchot 41, 709 (711). 126 Hahn, Bd. 2, S. 125. 127 Siehe aber Stein, 11. Aufl., § 128 Anm. II 3 bei Fn. 4, der sich zur Stützung seiner gegenteiligen Ansicht ebenso wie RGZ 16, 411 (412) auf den Satz der Motive E III (Hahn. Bd.2, S. 125), beruft, wonach es auch bei fakultativer mündlicher Verhandlung darum gehe, "die richtige Anwendung der Gesetze zu sichern".

§ 10. Die vorlegungsbelastete Partei

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Zudem ist es fragwürdig, ob der Begriff des Rechtsstreits in § 128 I ZPO wirklich nur den Streit um die materielle Berechtigung bezeichnet; hiervon scheint das RG in RGZ 16, 411 auszugehen, wenn es Entscheidungen über die Art und Weise, die formelle Seite des Prozesses, nicht von einer vorgängigen mündlichen Verhandlung abhängig macht. Abgesehen von Schwierigkeiten, die durch die Notwendigkeit einer solchen Abgrenzung geschaffen würden129 , bleibt bei der Differenzierung außer acht, daß die Formen des Prozeßrechts nicht Selbstzweck sind, sondern der Verwirklichung des materiellen Rechts auf geradem Wege dienen. Deshalb müssen die Parteien auf die Entscheidung über die Einhaltung dieser Formen durch das beste hierfür zur Verfügung stehende Mittel, die mündliche Verhandlung130 , Einfluß nehmen können. Oder, um mit den Worten des Reichsgerichts131 zu sprechen: "In Wirklichkeit gehört auch zu dem Rechtsstreite der Parteien nicht bloß das Vorbringen des Streits toffes, Angriff, Verteidigung, und das Vorbringen der Beweise, sondern auch alles, was sich auf die Erledigung dieses Streitstoffes in den Formen des geordneten Verfahrens bezieht. Die Parteien haben ein Recht auf die Erledigung des Rechtsstreites in diesen Formen. So wenig ohne Verhandlung der Parteien auch nur über die Formalien des Rechtsstreites, wie z. B. der Klage oder eines Rechtsmittels, entschieden werden kann, so wenig kann grundsätzlich ohne Verhandlung zwischen beiden Parteien darüber entschieden werden, ob dem ordnungsmäßig in Gang gesetzten Verfahren in den vorgeschriebenen Formen Fortgang zu geben (ist), oder nicht. Es handelt sich dabei nicht um das Recht des Gerichtes auf die Leitung des Prozesses, sondern um das Recht der Parteien auf die Verhandlung des Prozesses." Erwägungen wie diese waren es auch, die in der Frage nach der Reichweite des Mündlichkeitsprinzips die starren Fronten durchbrechen halfen. Das Mündlichkeitsprinzip wird heute weitgehend nicht mehr als unabänderliche Maxime verstanden, sondern seine Geltung wird im Einzelfall unter dem Aspekt prozeßpolitischer Zweckmäßigkeit überpruft132 • 128 Damit mag ein Ansatz für die Unterscheidung von formeller und materieller Prozeßleitung gegeben sein (vgl. Levin, S. 28 ff., 36 ff.). Zur Eingrenzung des § 128 I ZPO kommt dieser Unterscheidung aber keine Bedeutung zu. 129 V gl. Planck, Bd. I, § 40 I D, S. 178. 130 Vgl. BZomeyer, ZPR, § 20 I, S.88; Jauernig, ZPR, § 28 11, S.80; Rosenberg / Schwab, § 80 III 2, S.447; Stein / Jonas / Pohle, 19. Aufl., Bem. VIII 1 vor § 128; einschränkend Sauer, § 6 III 2, S. 83 f. 131 RGZ 40,373 (374/375). Hervorhebung durch das RG. 132 Vgl. Blomeyer, ZPR, § 20 I, S. 87; Bruns, Rz. 81; Stein / Jonas / Pohle, 19. Aufl., § 128 Anm. I; Walsmann, ZZP 61, 383. Ebenso schon in der Kommissionsberatung der Novelle 1898 der Vertreter des Preußischen Justizministeriums (Kommissionsbericht bei Hahn / Mugdan, Bd. 8, S. 349) und eine Stel-

5"

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Von daher ist Raum für einen vergleichenden Blick auf § 273 II Nr.1 ZPO. Da diese Vorschrüt die Aufgabe erfüllt, die mündliche Verhandlung vorzubereiten, würde eine Anwendung von § 142 ZPO in diesem Stadium des Prozesses nur einen zweiten Weg zu vorbereitenden Maßnahmen bieten und wäre somit ohne Nutzen. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil § 142 ZPO insoweit jedenfalls keinen weiteren Anwendungskreis hätte als § 273 II Nr. 1 ZPO. Vielmehr geht § 273 II Nr. 1 ZPO, legt man zunächst nur den Wortlaut zugrunde, über § 142 ZPO hinaus, verlangt jene Bestimmung doch weder eine Bezugnahme noch den Gewahrsam der zur Urkundenvorlegung aufgeforderten Partei. Und selbst wenn eines dieser Merkmale auch Voraussetzung des § 273 II Nr. 1 ZPO sein sollte133, so wäre doch selbst im letzten Falle lediglich eine Kongruenz der Anwendungsbereiche von § 142 ZPO und § 273 II Nr. 1 ZPO die Folge. Keineswegs jedoch bliebe § 273 II Nr. 1 ZPO hinter § 142 ZPO zurück. Andererseits geht der Wirkungsbereich des § 273 II Nr.1 ZPO aber auch nicht über das Stadium der Verhandlungsvorbereitung hinaus. Jenseits der so gezogenen Grenze bedarf es also einer Bestimmung wie der des § 142 ZPO, um jederzeit auf die Vorlegung einer Urkunde hinwirken zu können. Insoweit - und nur insoweit - ist also die Anwendung des § 142 ZPO zweckmäßig. Nicht außer acht bleiben sollte überdies, daß durch die historische Entwicklung bis zum heutigen § 273 ZPO ein Rahmen abgesteckt worden ist, der durch Zweckmäßigkeitsüberlegungen nicht überschritten werden sollte. Denn diese Entwicklung zeigt, daß § 142 ZPO keine vorbereitenden Maßnahmen zulassen will. Nachdem nämlich die Notwendigkeit umfassender Verhandlungsvorbereitung erkannt war, wurde diesem Bedürfnis durch die Schaffung des § 501 ZPO für das amtsgerichtliche Verfahren Rechnung getragen134 • Die bis dahin von der ZPO zur Verfügung gestellten Mittel, also auch die des § 142 ZPO, wurden somit offenbar nicht für ausreichend erachtet. Bezeichnend ist insoweit überdies, daß § 501 ZPO i. d. Fassung der Amtsgerichtsnovelle noch mit § 142 ZPO übereinstimmte. Sowohl Bezugnahme als auch Gewahrsam der bezugnehmenden Partei wurden dort für den Erlaß der vorbereitenden Maßnahme vorausgesetzt. Der Unterschied zwischen beiden Bestimmungen konnte also seinerzeit überhaupt nur in dem zeitlichen Anwendungsbereich liegen. - Das lungnahme in der Kommissionsberatung des § 501 der Novelle 1909, OLGRspr.-Beiheft 3, 126. 133 Dazu unten § 11 I 1, § 12 Fn. 404. 134 Daraus glaubt K Schneider, Recht 1910, 332, auf einen weiten Geltungsbereich des § 142 ZPO schließen zu können.

§ 10. Die vorlegungsbelastete Partei

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gleiche zeigt sich überdies an der Neuerung, die in diesem Zusammenhang die Novelle 1923 brachte. Gerade weil allerorts Klagen über Prozeßverzögerungen laut wurden135, die zu vermeiden § 142 ZPO nicht in der Lage gewesen war, wurde zunächst ohne Änderung des § 501 ZPO dessen Geltungsbereich auch auf das land- und oberlandesgerichtliche Verfahren erstrecktlu. Somit läßt sich festhalten, daß die Anordnung der Urkundenvorlegung nach § 142 ZPO weder eine Verfahrensbeschleunigung bezweckt noch dazu überhaupt geeignet ist. Das Erfordernis vorgängiger mündlicher Verhandlung schließt vielmehr die Inkaufnahme einer Prozeßverzögerung zugunsten eines anderen, jetzt noch festzustellenden Gesetzeszwecks ein. b) Die Wahrheitsermittlung als Zweck und Chance mündlicher Verhandlung Der Zweck des § 142 ZPO kann ermittelt werden unter Beachtung eben des Umstandes, daß eine mündliche Verhandlung Voraussetzung einer Anordnung nach § 142 ZPO ist. Denn wesentliche Vorteile der mündlichen Verhandlung - die Vermittlung eines persönlichen Eindrucks von den Parteien, eines lebensnahen Bildes von den Geschehnissen und den Parteiinteressen - sind zugleich Voraussetzungen für die Feststellung der materiellen Wahrheit137 • Mit anderen Worten: Die materielle Wahrheit ist, jedenfalls soweit der Verhandlungsgrundsatz reicht, fast nur aufgrund mündlicher Verhandlung im Beisein der Parteien zu ermitteln, die "richtige" Entscheidungsgrundlage wird in der Regel durch die mündliche Verhandlung gewährleistet. Denn Widersprüche, Unklarheiten und Mißverständlichkeiten im schriftlichen Vortrag einer Partei, ebenso aber auch ein Aneinander-Vorbeischreiben138 in wechselseitigen Schriftsätzen sind bekannte Mißstände. Die Verteilung des Risikos durch Verteilung der Behauptungs- und Substantiierungslast oder die Geständnisfiktion in § 138III ZPO bieten insoweit nur Hilfsmittel zur Überwindung der Mängel. Der materiellen Wahrheit kommt das Gericht damit nicht näher. Möglichkeiten und Zweck einer mündlichen Verhandlung stehen indessen in engem Zusammenhang. Wo eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, besteht darum der Zweck dieser Vorschrift - hier: § 142 ZPO - in dem Streben nach Wahrheitsermittlung139 •

137

Vgl. Heilberg, JW 1924, 363. Art. I § 23 der Novelle 1923, RGBl. I 1239 (1240). Sauer, § 6 III 2, S. 85. Zum prozessualen Wahrheitsbegriff Rödig, S.

138

Vgl. Stein I Jonas I Pohle, 19. Aufl., § 128 Anm. I.

135 I3G

151 ff.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

c) Amtsermittlungs- und Verhandlungsprinzip als Mittel zur Wahrheitsfeststellung Allein mit der Erkenntnis, daß § 142 ZPO der Wahrheitsermittlung dienen soll, ist die Frage nach dem Parteibegriff in § 142 ZPO aber nicht vollends zu beantworten. Zusätzlich ist das Mittel zu berücksichtigen, das zur Erreichung dieses Zwecks durch § 142 ZPO eingesetzt wird. Soweit nämlich die ZPO den Verhandlungsgrundsatz durch den Amtsermittlungsgrundsatz ersetzt, gibt sie dem Gericht ein schlagkräftiges Instrument an die Rand, um die tatsächlichen Geschehnisse aufzuhellen140 • Von daher liegt es nahe anzunehmen, daß im Bereich des Amtsermittlungsgrundsatzes der Kreis der Personen, die als Partei anzusehen sind, weiter zu ziehen ist als im Bereich des Verhandlungsgrundsatzes. Denn in diesem Bereich muß sich das Gericht mit der formellen Wahrheit zufrieden geben. Das Interesse an einer Aufklärung des Sachverhalts ist hier notwendig geringer, die Zahl der Personen, die durch Urkundenvorlegung zur Sachverhaltsermittlung beizutragen haben, kann deshalb ebenfalls kleiner sein141 • Die damit aufzuwerfende Frage nach dem § 142 ZPO zugrunde liegenden Prinzip - Verhandlungs-/ Amtsermittlungsprinzip - kann nicht einheitlich beantwortet werden. § 142 ZPO erlaubt zwar die Aufforderung zum Vortrag "neuer" Tatsachen ebenso wie die Aufforderung zum Vorbringen von Beweisen. Zumindest hinsichtlich des Tatsachenstoffs verläßt § 142 ZPO darum aber nicht den Boden der Verhandlungsmaxime. Denn die Vorschrift dient nach wie vor (vgl. § 126 E I, § 314 Nordd. Entw., § 140 Rann. Entw.) der Aufklärung des Sachverhalts, und zwar des Sachverhalts, den die Parteien vorgetragen haben142 • Die vermeintlich neuen Tatsachen, die nach § 142 ZPO durch die Vorlegung einer Urkunde in den Prozeß eingebracht werden, stellen also im Verständnis des Gesetzes nicht mehr dar als eine Ergänzung der bisherigen, ungenügenden Angaben der geltend gemachten Tatsachen (§ 139 I ZP0 143). 139 Siehe auch Rödig, S. 160 ff., der den gerichtlichen Aufwand im Geltungsbereich des Amtsermittlungsgrundsatzes relativ hoch - zum Element des prozessualen Wahrheitsbegriffs erhebt. 140 Bathe, S. 35 ff.; zweifelnd Stein I Jonas I Pohle, 19. Aufl., Bem. VII 1 g vor § 128. 141 Vgl. auch Bertschinger, Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß VIII, 309. 142 a. A. Bomsdorf, S.254; dazu Bettermann, ZZP 88, 348, 349; Damrau, S. 148 Fn. 183. 143 Bettermann, aaO., S. 349. Vgl. zum Zusammenhang von § 139 ZPO und § 142 ZPO die Motive E III, Hahn, Bd.2, S. 215, wonach die Befugnis aus § 142 ZPO in gleicher Weise wie das Fragerecht (§ 139 ZPO) dem Gericht seine Entscheidungsgrundlage verschaffen soll.

§ 10. Die vorlegungsbelastete Partei

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Da man zum Inhalt des Verhandlungsgrundsatzes auch die Befugnis der Parteien zählt, über die Beachtbarkeit von Beweismitteln zu bestimmen144, ist der Verhandlungsgrundsatz allerdings verlassen, wenn die Vorlegung von Urkunden angeordnet wird, die zum Beweise eines in sich klaren Vorbringens geeignet sind145 • Denn der partielle Fortfall des Bezugnahmeerfordernisses in § 142 ZPO als Folge der Novelle 1924146 markiert einen Wendepunkt in der dogmatischen Einordnung des § 142 ZPO. Mochte es bis dahin noch angehen, § 142 ZPO eben wegen dieses Merkmals durchweg als Ausprägung des Verhandlungsgrundsatzes anzusehen147 , so entfiel mit der inhaltlichen Anpassung des § 142 ZPO an § 272 b ZPO a. F. diese Möglichkeit148 • Denn § 272 b II Nr.1 ZPO a. F., der auf eine Bezugnahme als Voraussetzung der Vorlegungsanordnung verzichtete, gestaltete diese vorbereitende Maßnahme zu einer inquisitorischen um149 • Unter diesem Aspekt bietet sich also nur hinsichtlich der Last zur Vorlegung von Beweisurkunden eine Handhabe dafür, den Parteibegriff in § 142 ZPO anders als im Zusammenhang der §§ 131, 134, 273 II Nr. 1 ZPO ZJu beurteilen. Geht es um die Verdeutlichung des Parteivorbringens, bleibt somit nur der andere Zweck des § 142 ZPO, der darin besteht, die Wahrheit zu ermitteln, die richtige Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Von daher aber ist es nur ein kleiner Schritt bis zu der Annahme, daß die Grenzen des Parteibegriffs in § 142 ZPO weiter als in §§ 131, 134, 273 II Nr.1 ZPO zu ziehen sind. Denn jeder, der eine für den Rechtsstreit aussagekräftige Urkunde in seinen Händen hat, ist in der Lage, zur W ahrhei tsermi ttlung beizutragen150. Ob deshalb jemand vorlegungsbelastet ist, der. wie etwa der Rechtsträger im Falle einer Prozeßstandschaft am Prozeß nic..lJ.t teilnimmt, bleibt aber noch zu überlegen. 144 R. Schmidt, ZPR, § 71 Ir 2, S. 423 f.; § 71 IV 4, S. 429; Zeiss, ZPR, § 27 III 2, S.66; Prütting, NJW 1980, 362. 145 Wie hier Prütting, NJW 1980, 362. 148 Siehe unten § 11 I 1, 3. 147 Vgl. Damrau, S. 148, 245, mit weiteren Nachw. 148 So für die in § 142 ZPO genannten Zeichnungen, deren Berücksichtigung zu keiner Zeit von einer Bezugnahme abhängig war (siehe aber auch unten § 11 III 1), R. Schmidt, ZPR, § 71 IV 3, S. 428; Levin, S. 139; im Kern ebenso Kleinjeller, KrVjschr. 56, 407 f., der eine Erwähnung dieser Objekte durch die Partei als selbstverständlich voraussetzte und deswegen § 142 ZPO auch insoweit als im Einklang mit dem Verhandlungs grundsatz stehend ansah (vgl. aber Damrau, S. 245 Fn.96). 14D Damrau, S. 314. 150 Bezeichnenderweise wird im Rahmen des § 142 ZPO zu den Parteien auch der Streithelfer gezählt (Baumbach I Lauterbach I Hartmann, § 142 Anmerk.l; Stein I Jonas I Pohle, 19. Aufl., § 142 Anm. I).

3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

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Stellt man allein auf den Zweck des § 142 ZPO ab, so sollten an der Vorlegungslast auch des nur materiellrechtlich Beteiligten keine Zweifel bestehen. Eine derart weite Auslegung würde aber die durch den Gesetzeswortlaut gesteckten Grenzen des Parteibegriffs überschreiten. Um das zu verdeutlichen, ist es erneut notwendig, sich auf den materiellen Parteibegriff in der Ausgestaltung zu besinnen, wie er der ZPO zugrunde gelegen hat. Hiernach war der Rechtsinhaber nicht schon wegen seiner materiellen Berechtigung Partei. Er konnte vielmehr Partei sein; er war es aber erst, wenn er um sein Recht prozessierte oder - nach späterer Auffassung - dies wenigstens behauptetel51 . Die (behauptete) materiellrechtliche und die prozessuale Beteiligung machten die ParteisteIlung aus152 • Deswegen konnte damals und kann heute nicht Partei sein, wer ausschließlich Subjekt des materiellrechtlichen Verhältnisses ist153 • Die Vorlegungslast nach § 142 ZPO trifft demzufolge nicht jemanden, der nicht auch nach §§ 131, 134, 273 II Nr. 1 ZPO eine Urkunde vorlegen muß: Weder ist bei einer Prozeßstandschaft der Rechtsträger noch im OHG-Prozeß der untätige Gesellschafter vorlegungsbelastet. IV. Zusammenfassung

Partei im Sinne der Vorlegungsbestimmungen (§§ 131, 134, 135, 142, 273 II Nr. 1 ZPO) ist jede Person, die kraft ihrer prozessualen Beteiligung Prozeßhandlungen wirksam vornehmen kann. Auf die Stellung als "formelle Partei" eines Zivilprozesses oder als Subjekt des streitigen Rechtsverhältnisses kommt es nicht an. Deshalb können auch der Prozeßvertreter, der Prozeßstandschafter, der Streithelfer und der vertretungsbefugte Gesellschafter im Prozeß der OHG oder KG vorlegungsbelastet sein. § 11. Die Bezugnahme

Entscheidet die Auslegung des Parteibegriffs über den Kreis der potentiell vorlegungsbelasteten Personen, so werden die vorzulegenden Urkunden unter anderem gekennzeichnet durch das Merkmal der Bezugnahme.

Handbuch, S.519. Zum ganzen Henckel, Parteilehre, S. 15 f., 126. 153 a. A. Henckel, Parteilehre, S.127, passim; ebenso zur Stützung der Theorie von der Partei kraft Amtes Blomeyer, ZPR, § 6 I 3, S.42; Nikisch, § 28 HI, S. 110; Weber, KTS 1955, 109. 151

152

Wach,

§ 11. Die Bezugnahme

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I. § 142 ZPO und § 273 11 Nr.l ZPO in ihrer Wechselwirkung

Ob diese Voraussetzung auch für die richterlichen Vorlegungsanordnungen nach §§ 142, 273 II Nr. 1 ZPO gilt, ist allerdings schon fraglich. Denn § 273 ZPO verlangt eine Bezugnahme als Voraussetzung einer vorbereitenden Maßnahme ausdrücklich nur noch, wenn die Ladung von Zeugen in Frage steht (§ 273 II Nr.4 ZPO). Die Anordnung der Urkundenvorlegung ist demgegenüber nicht nach dem Wortlaut des § 273 II Nr. 1 ZPO, wohl aber nach dem des § 142 ZPO von einer Bezugnahme auf die Urkunde abhängig.

1. Das Erfordernis der Bezugnahme im Rahmen des § 273 II Nr. 1 ZPO Wegen der Diskrepanz zwischen § 142 ZPO und § 273 II Nr. 1 ZPO ist vorab zu erwägen, ob nicht der Bestimmung des § 142 ZPO übergreiftmde Bedeutung in dem Sinne zukommt, daß im Interesse einer Übereinstimmung von § 273 II Nr.1 ZPO und § 142 ZPO auch im Rahmen des § 273 II Nr. 1 ZPO eine Bezugnahme zu fordern ist. Ein solches Verständnis des § 273 II Nr.1 ZPO, das auf die teleologische Reduktion oder Restriktion dieser Vorschrift hinauslaufen würdel54 , ist jedoch nicht möglich155 • Denn die Entstehungsgeschichte des § 273 II Nr.1 ZPO zeigt, daß eine der in § 142 ZPO entsprechende Einschränkung für § 273 II Nr. 1 ZPO nicht gewollt war und die Folgen einer solchen Regelung bedacht, ja sogar berücksichtigt wurden; es fehlt also an einer Gesetzeslücke, wie sie Voraussetzung einer teleologischen Reduktion istl56 • Zu Beginn der Entwicklung, die in den heutigen § 273 II Nr. 1 ZPO mündete, stand nämlich mit § 501 ZP0157 eine Vorschrift, die sich an § 183 ÖZPO anlehnte158 und deshalb sowohl eine Bezugnahme159 als auch ein In-Händen-Haben der Urkunde als Voraussetzung der Vorlegungsanordnung verlangte. Bei dieser Fassung blieb 154 Vgl. Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. IV, S. 286 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 362, 377 ff. 155 Vgl. aber OLG Köln, JMBl. NW 1966, 285. m Vgl. Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. IV, S. 287; Larenz, Methodenlehre, S.362; anders Enneccerus I Nipperdey, § 59 I, II, S.345, 347 (dazu Larenz, aaO., Fn. 23), wonach die Zulässigkeit einer Restriktion aber gleichfalls von einem Mangel an gesetzgeberischer Voraussicht und an Kenntnis der Folgen abhängt. 157 Eingefügt durch die Amtsgerichtsnovelle von 1909 (RGBl. S.475 [484 f.n. 158 Begründung des Vor entwurfs 1907 der Amtsgerichtsnovelle, Sonderbeilage zur DJZ (zu Heft 20) 1907, 28; Begründung der Regierungsvorlage zur Novene 1909, OLGRspr.-Beiheft 3, 18/19; Stein, Novelle 1909, § 501 Anm. I. 158 § 183 ÖZPO sprach schon damals von einem Sich-Berufen. Ebenso OLG Köln, JMBl. NW 1966, 285 (286).

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

es noch in der Novelle 192316Q , mit der die Geltung des § 501 ZPO auf das land- und oberlandesgerichtliche Verfahren ausgedehnt wurde. Ziel dieser Ausdehnung war denn auch nur eine weitere Beschleunigung des Verfahrens161 • Eine inhaltliche Änderung war nicht bezweckt. Zu ihr kam es erst im Zuge der Emminger-Verordnung162 : Weder eine Bezugnahme auf die Urkunde noch eine tatsächliche Beziehung zu ihr sollten nach dem Wortlaut der fortan in § 272 b ZPO a. F. aufgenommenen Regelung notwendig sein, um einer Partei die Vorlegung einer Urkunde aufgeben zu können. Daß mit dieser äußerlichen eine inhaltliche Umgestaltung Hand in Hand gehen und der Rahmen des § 272 b ZPO a. F. weiter gesteckt werden sollte als bisher, folgt aus den "inoffiziellen Motiven" zu der Novelle 1924, den Arbeiten Volkmars 163 • Nachdem nämlich die bis dahin nur geringe Tragweite des § 501 ZP0 164 immer wieder Kritik hatte laut werden lassen165 und einer intensiven Anwendung der Bestimmung durch die Gerichte entgegengestanden hatte l66 , sollte der Ausbau der richterlichen Befugnisse Abhilfe schaffen. Ziel der Änderung war es167 , durch Verzicht auf die einschränkende Voraussetzung einer Bezugnahme den Wert des § 272 b ZPO a. F. im Vergleich zu seinem Vorgänger § 501 ZPO zu erhöhen. 2. Die Vorlegungsanordnung an den Gegner der risikobelasteten Partei

Freilich ging die mit der Neufassung verfolgte Absicht nicht so weit, nunmehr ohne jede Begrenzung die Vorlegung von Beweismitteln ver180 RGBl. I 1239 (1240). Dazu bereits oben § 10 III 3 a bei Fn. 136. 181 Begründung zu Art. I der Novelle, bei Volkmar, Verordnung 1923, S. 15; Volkmar, aaO., S. 24 f.; kritisch zum Beschleunigungseffekt des § 501 ZPO i. d. Fassung der Amtsgerichtsnovelle Dittenberger, Entwurf, § 501 Anm. 1 (S.58). 182 RGBl. 1924 I 135 (137 f.). 183 Vgl. Heilberg, JW 1924, 940; Pagenstecher, Recht 1924, 179; Püschel, Recht 1924, 393 Fn. 5. 164 Die in § 501 ZPO i. d. Fassung der Amtsgerichtsnovelle gewährten Befugnisse ergaben sich durchweg schon aus anderen Vorschriften (hier: § 142 ZPO), sie wurden durch § 501 ZPO nur zeitlich vorverlagert (R. Schmidt, Neuerungen, S.42; Stein, Novelle 1909, § 501 Anm. I; vgI. auch die Stellungnahme der Reichsregierung in der 1. Beratung der Novelle durch den Reichstag, OLGRspr.-Beiheft 3, 46). 165 Vgl. Dittenberger, Entwurf, § 501 Anm. 1; Wach, RheinZ-Sonderheft, S. 6; ferner Volkmar, JW 1924, 347. 188 Vgl. auch Laubhardt, JW 1910, 1026, und die Prognose Kaufmanns, Recht 1907, 1378. Daß die Gerichte dem § 272 b ZPO a. F. auch nach dessen Ausbau nicht zuneigten (Prämisse der Beschleunigungsnovelle 1933 [RGBl. I 780]; AV des RJM vom 11. 11. 1935, DJ 1935, 1654; Baur, ZZP 66, 210), steht auf einem anderen Blatt. 187 Volkmar, Verordnung 1924, § 272 b Anm. 6; JW 1924, 347.

§ 11. Die Bezugnahme

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langen zu können. § 272 b ZPO sollte vielmehr dem Vorsitzenden die Befugnis geben, die Beibringung solcher Beweismittel im voraus anzuordnen, deren Bezeichnung durch die Parteien er nach § 139 ZPO anregen könnte168 • Nur soweit sich die Parteien eines Beweismittels später hätten bedienen können, war und ist demnach ohne Bezugnahme eine Anordnung nach § 273 II Nr. 1 (bzw. § 272 b II Nr. 1 a. F.) ZPO zulässig. Für die Fälle, in denen der Urkundeninhaber beweisbelastet ist, folgt daraus, daß eine Bezugnahme nicht Voraussetzung der Vorlegungsanordnung nach § 273 II Nr.l ZPO ist. Denn verfügbare Beweismittel kann der Beweisführer jederzeit benutzen. Besonderheiten ergeben sich aber, wenn der Gegner des Beweisführers die Beweisurkunde in seinen Händen hat169• Die Urkunde steht dann nicht ohne weiteres zur Verfügung des Beweisführers17o , sondern es ist erforderlich, daß ihm ein materiellrechtlicher Herausgabe- oder Vorlegungsanspruch zusteht oder daß der Urkundeninhaber sich seinerseits auf die Urkunde zur Beweisführung bezogen hat (§§ 422, 423 ZPO). Diese Beschränkungen gelten folglich auch im Rahmen des § 273 II Nr.l ZPO l7l • Eine Bezugnahme der nichtbeweisbelasteten Partei ist somit notwendig, um dieser die Vorlegung einer Urkunde aufgeben zu können, die sie in ihren Händen hat. Steht nicht die Vorlegung einer Beweisurkunde in Frage, sondern geht es darum, mit Hilfe einer Urkunde den Tatsachenvortrag einer Partei aufzuklären oder zu vervollständigen, so gilt Entsprechendes. Das erscheint bezüglich einer Vorlegungsanordnung gegenüber dem Urkundeninhaber, der die Behauptungslast trägt, zweifelsfrei. Fraglich könnte allenfalls sein, ob auch in diesem Zusammenhang den Bestimmungen der §§ 422, 423 ZPO trotz ihrer Zugehörigkeit zum Recht des Urkundenbeweises die Grenzen entnommen werden können, die mit einer Vorlegungsanordnung nicht überschritten werden dürfen 172 • Daß auch hier nicht ohne weiteres zur Vorlegung aufgefordert werden darf, ergibt sich aus folgendem: Nach §§ 422, 423 ZPO wird das Risiko, eine Urkunde nicht in Händen zu haben, nur ausnahmsweise, nämlich in den in §§ 422, 423 ZPO geregelten Fällen, dem BeweisbeVolkmar, Verordnung 1924, § 272 b Anm.6. Vgl. das Beispiel unten § 15 II bei Fn.519. 170 Frühere Regelungen wie die der §§ 89 ff. I 10 AGO waren großzügiger. Zur historischen Entwicklung der Editionspflicht Dilcher, AcP 158, 476 f.; 168

lee

Huggenberger, S. 2 ff.

171 Im Ergebnis wie hier M. WOlf, § 32 IV, S. 225; Baur, ZZP 66, 216; ferner Dilcher, AcP 158, 479; allgemein Gerhardt, AcP 169, 309. m Vgl. dazu das Beispiel unten § 15 II bei Fn.517.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

lasteten abgenommen. Dieser Wertung würde es zuwiderlaufen, die Vorlegung einer Tatsachenurkunde anordnen zu können, ohne daß die Voraussetzungen der §§ 422, 423 ZPO vorzuliegen brauchten. Denn zum Urkundenbeweis und damit zu einem Ergebnis, das den §§ 422,423 ZPO gerecht wird, käme es dann kaum jemals: Der zu beurteilende Sachverhalt wäre nach der Einsichtnahme in die vorgelegte Urkunde173 im Rahmen des Verhandlungsgrundsatzes klar, der Boden für Aufklärung oder Ergänzung des unsubstantiierten oder unschlüssigen Vortrags der behauptungsbelasteten Partei bereitet, ein Bestreiten durch den Urkundeninhaber angesichts des sich mit dem gegnerischen Vortrag deckenden, weil für diesen doch erst die Grundlage schaffenden Urkundeninhalts offenbar zwecklos. Das macht das Beispiel 174 deutlich. Um die §§ 422, 423 ZPO überhaupt effizient werden zu lassen, sind ihre Regelungen deshalb auch dann zu beachten, wenn es um die Vorlegung von Urkunden zum Zwecke tatsächlichen Vorbringens geht175 • 3. Das Erfordernis der Bezugnahme im Rahmen des § 142 ZPO

Läßt sich der Anwendungsbereich des § 273 II Nr. 1 ZPO folglich nicht durchgängig auf solche Urkunden reduzieren, die in Bezug genommen worden sind, so bleibt zu erwägen, ob nicht umgekehrt aus diesem Umstand folgt, daß auch eine Vorlegungsanordnung nach § 142 ZPO überall dort nicht von einer Bezugnahme abhängig ist, wo eine Bezugnahme für eine Anordnung nach § 273 II Nr.1 ZPO nicht erforderlich ist176 • 173 Der Vorlegungsanordnung nicht nachzukommen, wäre wegen § 296 II ZPO für den Urkundeninhaber riskant (siehe unten § 16 I 2). 174 Nachw. oben Fn. 172. 175 Hoffmann, DGWR 1936, 285. Im Beispielsfall liegt eine Bezugnahme vor (ausführlich unten § 11 IV, § 15 II 2 b bei Fn.560), eine Vorlegungsanordnung wäre dementsprechend zulässig. 178 So im Ergebnis M. Wolf, § 32 IV, S.225; Baur, ZZP 66, 216. Im Ansatz ebenso alle diejenigen, die auf eine Bezugnahme im Rahmen des § 142 ZPO deswegen verzichten wollen, weil sie durch § 273 II Nr. 1 ZPO nicht gefordert wird; vgl. etwa BAG DB 1976, 1020; Bruns, RZ.197 (siehe aber auch RZ.180 mit Fn.16: Amtsanordnung bei §§ 142, 143 ZPO in durch die Bezugnahme eingegrenztem Umfang); Nikisch, § 50 II 4, S. 194; Sauer, § 6 I 2, S. 69; Zeiss, ZPR, § 27 III 2, S.66; Stein / Jonas / Pohle, 19. Aufi., Bem. VII 2 vor § 128; Wieczorek, § 142 Rz. AI; Zäller / Stephan, § 142 Anm. 1; Brüggemann, S.362; Damrau, S.245, 314; Goldschmidt, Die neue ZPO, § 272 b Anm.6; Nagel, Beweisrecht, S. 343 (Bezugnahme "praktisch illusorisch"); SWrner, Aufklärungspflicht, S. 67; Zettel, S. 71; zurückhaltend Thomas / Putzo, § 142 Anm. 1; Prütting, NJW 1980,363 (der allerdings zu Unrecht meint, erst die Vereinfachungsnovelle habe insoweit eine Änderung herbeiführen können); a. A. OLG Köln, JMBl. NW 1966, 285; Rosenberg / Schwab, § 78 III 3, S.441; Schänke / Kuchinke, § 51 I, S.236; Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 142 Anm. 1; Dileher, AcP 158, 479.

§ 11. Die Bezugnahme

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Ein Wegfall dieser Voraussetzung insoweit wäre sicherlich zweckmäßig. Denn vor der mündlichen Verhandlung gilt ohnehin allein § 273 II Nr. 1 ZPO. Und nach einem Verhandlungstennin stände es im Belieben des Vorsitzenden, sich aus den durch § 142 ZPO gesteckten Grenzen zu befreien, wo § 273 II Nr.1 ZPO als Grundlage einer Vorlegungsanordnung zur Verfügung steht, obwohl es an einer Bezugnahme fehlt. Der Geltungsbereich des § 142 ZPO beschränkt sich folglich in Wahrheit auf die Zeit der Sitzung, in der mündlich verhandelt wird. Hier greift die großzügigere Regelung des § 273 II Nr. 1 ZPO nicht ein, hier wird § 142 ZPO also praktisch177 • Doch selbst insoweit bedarf es einer Einschränkung. Bezieht sich eine Partei nämlich nicht auf eine von ihr mitgeführte Urkunde, die erstmals im Termin zur Sprache kommt178 , so wird das Gericht den Termin verstreichen lassen und sodann die Urkundenvorlegung nach § 273 II Nr.1 ZPO anordnen. Ein Beharren auf dem Erfordernis der Bezugnahme würde also zu einer Verzögerung des Prozesses führen, ohne daß man damit dem Ziel des § 142 ZPO, der Wahrheitsennittlung zu dienen, nur einen Schritt näher käme. Die Nichtbeachtung des Gesetzes, das Hinarbeiten auf ihm zuwiderlaufende Ergebnisse, ist jedoch nicht weniger als eine Rechtsfortbildung extra legem179 • Sie findet ihre Rechtfertigung auch in der Unpraktikabilität von Rechtsnormen bei deren wörtlicher Anwendung180 • Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit reichen deshalb allein nicht aus, um entgegen dem Gesetzeswortlaut auf eine Voraussetzung des § 142 ZPO zu verzichten. An den geschilderten Konsequenzen, die bei strikter Anwendung des § 142 ZPO einträten, zeigt sich aber, daß diese nicht nur unzweckmäßig wäre. Vielmehr würde § 142 ZPO prozessual irrelevant und kaum noch praktiziert werden, weil von § 142 ZPO gestellten strengen Anforderungen durch den Rückgriff auf § 273 II Nr. 1 ZPO ausgewichen werden könnte. Auch sollte durch die Einfügung des Bezugnahmeerfordernisses erreicht werden, daß der Partei die Disposition darüber zusteht, welche Urkunden Gegenstand des Verfahrens werden. Dieser Zweck ist in dem Rahmen, in dem eine richterliche Vorlegungsanordnung ohne Bezug177 Unabhängig von dem Streit darum, ob eine Bezugnahme in der mündlichen Verhandlung erforderlich wäre (z. B. Förster / Kann, § 142 Anm. 1 b aa) oder ob eine solche im vorbereitenden Schriftsatz ausreichen würde (z. B. Stein, 11. Aufl., § 142 Anm. I). 178 Bei vorheriger Kenntnis des Gerichts von dem Vorhandensein der Urkunde gilt wieder § 273 11 Nr. 1 ZPO. 179 Nicht teleologische Reduktion oder Restriktion, weil § 142 ZPO für nicht bezogene Urkunden gerade keine Regelung enthält; vgl. EnnecceTus / NippeTdey, § 59 11, S. 348; LaTenz, Methodenlehre, S.362, 402. 180 LaTenz, Methodenlehre, S.418.

3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

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nahme zulässig ist, wegen § 273 II Nr. 1 ZPO bzw. § 272 b II Nr. 1 ZPO a. F. illusorisch geworden181 • Rechtfertigt alles dieses schon für sich eine Abweichung vom Wortlaut des § 142 ZP0 182 , so kommt hinzu, daß nur so eine ungleiche Bewertung183 der Vorlegungslast in zwei aufeinanderfolgenden Tenninen zur mündlichen Verhandlung zu venneiden ist. Bestände nämlich bei wörtlicher Anwendung des § 142 ZPO im ersten dieser Termine eine Vorlegungslast mangels Bezugnahme nicht, so wäre die Urkunde doch im zweiten Tennin nach § 273 II Nr.1 ZPO vorzulegen, ohne daß ein Grund für dieses Hinausschieben der Urkundenvorlegung - denn mehr ist es nicht - besteht. Die Voraussetzungen der §§ 142, 273 II Nr. 1 ZPO sind also insoweit dieselben.

4. Zusammenfassung Grundsätzlich kann ohne Rücksicht auf den jeweils erreichten Verfahrensabschnitt die Vorlegung einer Urkunde angeordnet werden, ohne daß diese in Bezug genommen zu sein braucht (§§ 142, 273 II Nr. 1 ZPO). Hat aber der Gegner der behauptungs- und beweisbelasteten Partei die Urkunde in seinen Händen, so ist die Vorlegungsanordnung ausnahmsweise nur unter den Voraussetzungen der §§ 422, 423 ZPO zulässig. 11. Die Vorlegungsbestimmungen des HGB

1. Die Vorlegungsanordnung an den Gegner der risikobelasteten Partei Wie §§ 142, 273 II Nr.1, 2 ZPO verlangen auch die besonderen prozessualen Vorlegungsbestimmungen des Handelsrechts (§§ 45 I, 102 HGB) dem Wortlaut nach weder die Bezugnahme auf eine Urkunde noch machen sie eine Vorlegungsanordnung davon abhängig, daß dem Beweisbelasteten ein Anspruch auf Herausgabe oder Vorlegung der Urkunde zusteht. Das hindert indessen hier wie dort nicht, dem Zweck der §§ 422, 423 ZPO entsprechend die in diesen Vorschriften festgesetzten Grenzen für die Beiziehbarkeit einer "fremden" Urkunde auch schon im Bereich der Verhandlungsvorbereitungl84 zur Geltung zu bringen185 • 181

Vgl. auch die Begründung zum ZPO-Entwurf 1931, S.318, wonach die

§§ 142, 143 ZPO mit Rücksicht auf § 236 des Entwurfs (entspr. § 272 b ZPO

a. F.) entbehrlich erschienen. 182 183 184

VgL Enneccerus I Nipperdey, § 59 I, S.345. Auch dazu Enneccerus I Nipperdey, § 59 I, S. 345. §§ 45 I, 102 HGB: "Im Laufe des Rechtsstreits ... " soll die Vorlegung

§ 11. Die Bezugnahme

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§ 45 II HGB 1S6 steht dem nicht entgegen187 • Wenn danach "die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Verpflichtung des Prozeßgegners zur Vorlegung unberührt (bleiben)", so sind auf diese Weise lediglich Auswirkungen der §§ 45 I, 102 HGB auf die §§ 421 ff. ZPO ausgeschlossen. Neben den besonderen Vorlegungsbestimmungen des HGB verbleibt es also bei den allgemeinen der ZPO, die wegen des engeren Anwendungsbereichs der §§ 45 I, 102 HGB ihre Bedeutung behalten.

Nichts anderes war auch mit der Schaffung der Vorschrift des § 45 II HGB bezweckt. Denn bis zum Inkrafttreten des HGB (1897) herrschte Streit in der Frage, ob sich die Last zur Vorlegung von Handelsbüchern ausschließlich nach Art. 37 ADHGB, dem Vorläufer von § 45 I HGB, bestimmte oder ob ein Rückgriff auf die §§ 420 ff. ZPO zulässig war. Nur diese Frage sollte durch die Einfügung des § 45 II HGB beantwortet werden188 • Das gleichsam umgekehrte Problem, ob denn Einschränkungen, welche die ZPO für eine Vorlegungsanordnung vorsah, auch auf die Zulässigkeit einer solchen Anordnung nach den Bestimmungen des HGB Einfluß nahmen, war damals noch nicht erkannt, in dieser Schärfe auch noch gar nicht entstanden. Bedenken tauchten insoweit erst auf, als mit der Emminger-Verordnung (1924) das bis dahin zweifelsfrei geltende Bezugnahmeerfordernis durch § 272 b II Nr. 1 ZPO a. F. weitgehend entfiel. Erst von nun an galt es, einschränkende Voraussetzungen dort beizubehalten oder zu schaffen, wo es um die Vorlegungslast des nicht beweisbelasteten Urkundeninhabers ging, und erst jetzt zeigte sich die umfassende Bedeutung der §§ 422, 423 ZPO.

2. Die Sperrwirkung der §§ 45 1,102 HGB bei einer Vorlegungsanordnung Tatsachenurkunden betreffend Bieten die §§ 45 I, 102 HGB von daher keine Besonderheiten, so könnte den Vorschriften aber unter einem anderen Aspekt spezielle Bedeutung zukommen. Die §§ 45, 102 HGB lassen eine Vorlegungsanordnung nämlich nur zu dem Zweck zu, Handelsbücher eines Vollkaufmanns als eigenständiges Beweismittel zu verwenden189 oder das angeordnet werden können; siehe auch Düringer I Hachenburg I Lehmann, § 45 Anm.3; Düringer I Hachenburg I Hoeniger, Anm. zu § 102. 185 a. A. Brüggemann in: Großkomm. HGB, § 45 Anm. 1; Düringer IHachenburg I Lehmann, § 45 Anm. 3; Heymann I Kötter, § 45 Anm.3, § 102 Anm.1 a; Siegel, S.98 mit Fn. 4. 18G Die Bestimmung gilt entsprechend im Rahmen des § 102 HGB (Baumbach I Duden I Hopt, §§ 100-103 Anm.2; Heymann I Kötter, § 102 Anm. 1 a). 181 a. A. Siegel, S. 98; ebenso im Ergebnis Senckpiehl, GesuR 1910, 208. 188 Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, S.51. 18D Anders im Falle des § 47 HGB (Bathe, S. 147; Brüggemann, S.353 a. E.). Dort stellt sich das Konkurrenzproblem nicht.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Tagebuch des Handelsmaklers als Beweismittel mit anderen Beweismitteln zu vergleichen190 • Angesichts dessen ist fraglich, ob bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eine Vorlegungsanordnung nach § 142 ZPO oder § 273 II Nr. 1 ZPO mit dem Ziel ergehen darf, mit Hilfe dieser Urkunden den einseitigen Tatsachenvortrag aufzuklären oder zu ergänzen, oder ob durch die §§ 45, 102 HGB ein solcher Rückgriff auf die ZPO-Bestimmungen verwehrt ist. Der Lösungsweg wird gewiesen zunächst durch § 46 HGB. Denn nicht der gesamte Inhalt der Handelsbücher darf danach eingesehen werden, sondern nur der Teil, der den Streitpunkt betrifft. Nach einer Maßnahme gemäß § 142 ZPO oder § 273 II Nr. 1 ZPO könnte der darin zutage tretenden Wertung, den Umfang der Einsichtnahme den Parteien zu überlassen, weil sie über den Umfang des Streits befinden, nicht mehr entsprochen werden. Denn sobald eine Urkunde vorzulegen ist, ohne daß die vorzulegende Partei durch ihre Bezugnahme deren berücksichtigungsfähigen Inhalt zu bestimmen in der Lage warl9l , wird die Urkunde mit ihrem ganzen Inhalt für den Prozeß bedeutsam - und sei dies auch nur deswegen der Fall, weil sich das Gericht aufgrund des gesamten Inhalts der Urkunde ein Bild gemacht hat, das ihm bei der Entscheidung des Rechtsstreits noch vor Augen stehtl92 • Entsprechendes gilt bei einer Vorlegungsanordnung nach § 102 HGB. Denn § 103 HGB läßt die Berücksichtigung des Handelsmaklertagebuchs ebenfalls nur in den Grenzen zu, die zuvor durch die Parteien abgesteckt worden sind. Das Tagebuch darf eben allein mit bereits vorgebrachten Beweismitteln verglichen werden. Soweit diese Berücksichtigung finden können, darf jenes also beachtet werden. Selbständige Bedeutung in dem Sinne, daß durch das Tagebuch neuer Tatsachenstoff in den Prozeß eingebracht werden darf, kommt somit auch dem Tagebuch nicht ZU l113 • 190 Baumbach I Duden I Hopt, §§ 45-47 a Anm. C; Brüggemann in: Großkomm. HGB, § 45 Anm.1; Schlegelberger I Hildebrandt I Steckhan, § 45 Anmerk. 3. - Baumbach I Duden I Hopt, §§ 100-103 Anm. 2; Düringer I Hachenburg I Hoeniger, Anm. zu §§ 102-104; Heymann I Kötter, § 102 Anm.1 a, b; Bathe. S. 164. 191 Bei Urkundengewahrsam der behauptungs- und beweisbelasteten Partei bedarf es, wie gesagt, einer Bezugnahme, um die Vorlegung anordnen zu können. (Siehe unten § 11 IV dazu, daß eine Partei durch eine für die Vorlegungsanordnung erforderliche Bezugnahme den Umfang bestimmen kann, in dem der Urkundeninhalt Beachtung finden darf.) 192 Wenn es auch meistens unbeachtet bleiben müßte, weil keine der Parteien den Urkundeninhalt vorgetragen hat (siehe auch Bathe, S.136; Zeiss, ZZP 89, 390). 1U3 Vgl. ferner Baumbach I Duden I Hopt, §§ 100-103 Anm.2 (für die entsprechende Geltung des § 46 HGB im Rahmen des § 102 HGB).

§ 11. Die Bezugnahme

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Alles in allem scheidet eine Anwendung der §§ 142, 273 II NI". 1 ZPO mit dem Ziel, eine Urkunde im Rahmen des Tatsachenvortrags zu berücksichtigen, dann aus, wenn die Voraussetzungen für eine Vorlegungsanordnung nach §§ 45 I, 102 HGB vorliegenl94 • ID. Exkurs: Anordnungen betreffend die Vorlegung von Zeichnungen, Partei- und Behördenakten 1. Die Anforderung von Zeichnungen (§§ 142 I, 273 II Nr. 1 ZPO)

Geht es nicht um die Vorlegung von Urkunden, sondern um die Vorlegung von Zeichnungen (§§ 1421195, 273 II Nr. 1 ZPO), so kann eine Vorlegungsanordnung erneut von einer Bezugnahme oder von dem Bestand einer Verbindlichkeit abhängig sein: Der Gegner der behauptungs- und beweisbelasteten Partei ist wiederum nur unter diesen Voraussetzungen mit der Vorlegung belastbar. Denn der Grund dafür, entgegen dem Wortlaut des § 273 II Nr.1 ZPO und - an das dort gewonnene Ergebnis anknüpfend - entsprechend dem des § 142 I 1. Alt. ZPO weitere Erfordernisse für eine Vorlegungsanordnung gegenüber dem Gegner des Behauptungs- und Beweisbelasteten aufzustellen (§ 273 II NI". 1 ZPO) bzw. es bei den gesetzlichen Voraussetzungen zu belassen (§ 142 I ZPO), ist in den §§ 422, 423 ZPO zu suchen. Soweit nach der dortigen Interessenverteilung das Risiko des Behauptungs- und Beweisbelasteten, ein Beweismittel nicht in Händen zu haben, diesem abgenommen wird, ist dem Rechnung zu tragen auch dort, wo es um die Anordnung der Urkundenvorlegung geht1OO • Der Geltungsbereich der §§ 422, 423 ZPO ist nicht auf Urkunden beschränkt, zu denen Zeichnungen nicht gehören l97 • Vielmehr sind diese Vorschriften analog anwendbar, wenn die Gestattung einer Augenscheinseinnahme in Frage stehtl98 • m Ebenso Bathe, S. 146. m Vgl. § 142 I ZPO: " ... Stammbäume, Pläne, Risse und sonstige Zeichnungen ... " Dieser Formulierung des § 142 I ZPO, wonach Stammbäume, Pläne und Risse zu den Zeichnungen gehören, entsprach der Wortlaut des § 501 ZPO i. d. Fassung der Amtsgerichtsnovelle 1909. Die Novelle 1924, durch die § 501 II Nr. 1 ZPO in auch im übrigen veränderter Fassung als § 272 b ZPO übernommen wurde, zählte dann Zeichnungen neben Stammbäumen usw. auf. Eine sachliche Änderung des Inhalts, daß Stammbäume usw. nicht mehr zu den "Zeichnungen" gehören sollten, war damit aber nicht beabsichtigt (vgl. Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Aufl., § 272 b Anm. III 1). 196 Siehe oben § 11 I 2. 187 Siehe oben § 7 II, § 8 I. 188 Kohler, Grundriß, S.72; Prozeßrechtliche Forschungen, S.78; Nikisch, 6 Sdlfeiber

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Die Ähnlichkeit zwischen dem Urkunden- und dem Augenscheinsbeweis, der durch Beweismittel in den Händen des Beweisgegners geführt werden soll, besteht zunächst und vor allem in der gleichen Ausgangsposition auf Seiten des Beweisgegners. Denn auch beim Augenscheinsbeweis 199 hat er grundsätzlich die Verfügungsbefugnis über das Augenscheinsobjekt. Er kann es nach seinem Belieben zurückhalten oder vorlegen, die Vorlegungslast oder -pflicht bildet die Ausnahme2OO • Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis ist auch dort nicht umkehrbar, wo nicht ein Beweisantritt des Beweisführers, sondern eine richterliche Anordnung - hier nach §§ 142, 273 UNI'. 1 ZPO~Wl - die Grundlage abgibt, auf der die Vorlegungslast des Beweisgegners zur Entstehung gelangt sein könnte2 1l:2. Denn damit, daß eine Vorlegungsanordnung zulässig ist, ist nichts über die hier zur Beantwortung anstehende Frage gesagt, ob die Anordnung nicht eben nur in den durch die §§ 422, 423 ZPO umgrenzten Ausnahmefällen erlassen werden dar:roo. Die Motive zum E IU 204 stehen nur scheinbar auf einem anderen Standpunkt, wenn sie Zweifel daran gar nicht aufkommen lassen wollen, "daß die Parteien verpflichtet sind, den ihrer Verfügungsgewalt § 87 III 2, S.340; Planck, Bd. II 1, § 121 III, S.262/263; Gerhardt, AcP 169, 309 (§§ 422, 423 ZPO als "Richtschnur"); Peters, ZZP 82, 206, 208. Ebenso für § 422 ZPO BGH NJW 1963, 389, und für § 423 ZPO Bernhardt, ZPR, § 37 III, S. 239; Rosenberg / Schwab, § 121 II 1 c, S. 705; Wieczorek, § 371 Rz. C III b 2; a. A. Förster / Kann, Bem. 2 a vor § 371; Siegel, S. 102. 199 In den Motiven zum E III (Hahn, Bd.2, S.325) heißt es zur Urkundeneditionspflicht: "Das Streben nach materieller Wahrheit darf nicht dahin :l'ühren, daß in das freie Verfügungsrecht des Inhabers von Urkunden eingegriffen wird - und ein solcher ungerechtfertigter Eingriff würde vorliegen, wenn die Vorlegung von Urkunden erzwungen werden könnte, auf deren Einsicht nur der Inhaber, nicht auch der Gegner ein Recht hat." 200 BGH NJW 1963, 389; OLG Hamburg, SeuffArch 46 Nr.193; Jauernig, ZPR, § 52 II, S.174; Rosenberg I Schwab, § 121 II 2, S.705; Förster I Kann, Bem.2 vor § 371; Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Aufl., Bem. V 1 vor § 371; Dilcher, AcP 158, 492; einschränkend R. Schmidt, ZPR, § 83, S. 526; a. A. SWrner, Aufklärungspflicht, S.138; ferner Bruns, Rz.181; Schönke I Kuchinke, § 63 IV, S. 284. Daß auch dem Beweisgegner, der nicht vorlegungsbelastet oder -pflichtig ist, bei Nichtvorlegung Nachteile etwa aus einer analogen Anwendung der §§ 427, 444 ZPO erwachsen sollen (BGH NJW 1963, 389; OLG Koblenz, NJW 1968, 879; vgl. ferner SWrner, NJW 1979, 1227), mag inkonsequent sein. Gegen diese Inkonsequenz hätte sich dann die Kritik zu richten. Die hier allein interessierende Prämisse (vgl. soeben im Text) bleibt davon unberührt. 201 Auch nach der Neufassung des § 273 II Nr.l ZPO (vgl. § 272 b II NI'. 1 ZPO a. F.) durch die Vereinfachungs novelle fallen die jetzt nur noch in § 142 I 2. Alt. ZPO aufgeführten Zeichnungen in den Anwendungsbereich jener Vorschrift (Begründung der Vereinfachungsnovelle, BT-Drucks. 7/2729 [S.69]). 202 So aber anscheinend RG SeuffArch 53 Nr.197. 203 Vgl. Heldmann, ZZP 26, 413. 204 Hahn, Bd. 2, S.308.

§ 11. Die Bezugnahme

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unterliegenden Streitgegenstand dem Richter zum Zwecke der Augenscheinseinnahme vorzuweisen". Zum einen nämlich ist schon mit dieser Formulierung eine Vorlegungspflicht nur hinsichtlich des Streitobjektes, der in Streit befangenen Sache bejaht20S • Zum anderen hat der Verfasser der Motive zum besonderen Teil des Entwurfs III, v. Amsberg, Mißverständnissen vorgebeugt. Nachdem nämlich während der 1. Lesung des Entwurfs in der Reichsjustizkommission der Abgeordnete Gaupp mit Rücksicht auf die Fassung der Motive 206 beantragt hatte, dem § 326 E III (entspr. § 371 ZPO) hinzuzusetzen, daß "die civilrechtlichen Vorschriften über die Verpflichtung zum Vorzeigen einer Sache hierdurch nicht berührt (weI1den)", stellte v. Amsberg klar, daß eine solche Absicht dem Entwurf fernlag207 • Somit ist auch eine Anordnung nach §§ 142 I 2. Alt., 273 II Nr. 1 ZPO, mit der die Vorlegung von Zeichnungen aufgegeben ~I1den soll, nur in den Grenzen zulässig, die für die Verfügungsbefugnis des Beweisgegners gelten2 {18. Ob eine dieser Beschränkungen aus einer analogen Anwendung des § 422 ZPO oder aber aus einer materiell rechtlichen Verbindlichkeit2{l9 herzuleiten ist, mag auf den ersten Blick als ein Streit um Worte erscheinen. Denn § 422 ZPO verlangt zur Entstehung der prozessualen Vorlegungslast nicht mehr als einen materiell rechtlichen Vorlegungsoder Herausgabeanspruch. Hier wie dort entscheiden folglich allein dessen Voraussetzungen über die Du1dungspflicht des Beweisgegners. Die Konsequenzen indessen sind verschieden je nachdem, ob die Grenzen der freien Verfügungsbefugnis des Beweisgegners auf geradem Weg aus einer materiellrechtlichen Verbindlichkeit oder auf dem Umweg über § 422 ZPO aus einer prozessualen Vorlegungslast gewonnen werden. Denn nur im letzten Fall kann nach einem Zwischenstreit über den Vorlegungsantrag des Beweisführers entschieden und braucht das Ergebnis der Herausgabeklage des Beweisführers gegen den Beweisws Heldmann, ZZP 26, 410; siehe aber auch Planck, Bd.1I 1, § 121 111 2, S.264. Deshalb lag in dieser Feststellung allein nicht mehr als ein Hinweis auf die actio ad exhibendum des gemeinen Rechts, mit der jedenfalls die Vorlegung der Streitsache selbst, nach manchen Auffassungen auch die Vorlegung von anderen Augenscheinsobjekten verlangt werden konnte (Motive zum BGB, Bd.2, S. 889 f.; siehe ferner Dilcher, AcP 158, 492). 206 Hervorhebung nur hier. 201 Protokolle der Kommission, 1. Lesung, Hahn, Bd.2, S.624. Gaupp zog seinen Antrag daraufhin zurück. 208 Wie hier Baumbach / Lauterbach / Hartmann, übers. 3 B vor § 371. 209 Arens, Rz.292; Förster / Kann, § 371 Anm. 2 a; Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Aufl., Bem. V 1 vor § 371; Wieczorek, § 371 Rz. C 111 a; ZöHer / Stephan, § 371 Anm. 3 b; Heldmann, ZZP 26, 417 f. mit weiteren Nachw. 6*

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

gegner nicht abgewartet (§ 356 ZPO~no) zu werden (§ 425 ZPO). Nur dann kann der Gegner auch über den Verbleib des Beweismittels vernommen werden (§ 426 ZPO) und greift zugunsten des Beweisführers die Beweiserleichterung des § 427 ZPO ein211 • Es wäre zweifellos bei weitem praktischer, den Weg des § 425 ZPO zu beschreiten und über die Vorlegungslast des Beweisgegners notfalls durch Zwischenurteil zu entscheiden anstatt den Beweisführer auf einen gesonderten Prozeß mit dem Beweisgegner zu verweisen212 • Und dieser Weg ist zudem der einzig mögliche, wenn die Vorlegungslast nicht Folge letztlich einer materiellrechtlichen Pflicht (§ 422 ZPO), sondern einer Bezugnahme (§ 423 ZPO) ist213 • Denn diese schafft einen lediglich prozeßrechtlichen Vorlegungsanspruch, der deshalb außerhalb des Prozesses, in dem die Bezugnahme erfolgt, nicht erhoben werden kann214 • Die sich daraus ergebende prozessuale Differenzierung zwischen Beweisführern, von denen der eine etwa nach § 809 BGB, der andere nach § 423 ZPO analog die Vorlegung eines Augenscheinsobjekts verlangen kann, ist durch nichts zu rechtfertigen. Mehr noch: derjenige wird benachteiligt, dessen Interesse an der Augenscheinseinnahme offenbar für besonders schutzwürdig gehalten wird und dem darum ein entsprechender Anspruch gewährt wird (§ 809 BGB). Er erfährt eine ungleich schlechtere Behandlung als derjenige, dem aus der aus seiner Sicht eher zufälligen Bezugnahme des Beweisgegners ein Vorlegungsanspruch erwächst. Denn jener könnte trotz seines materiellrechtlichen Vorlegungsanspruchs den Prozeß, in dem es um die Verwendung des vorzulegenden Augenscheinsobjekts als Beweismittel geht, verlieren, weil er die Frist zu dessen Beibringung nicht wahrt (§ 356 S. 1 ZPO). Der prozessuale Vorlegungsanspruch hingegen wird in diesem Prozeß miterledigt und findet deshalb stets Berücksichtigung. Spricht schon das dafür, auch die materiellrechtliche Herausgabepflicht des Gegners im Zwischenstreit festzustellen, so kommt hinzu, daß der Zweck des § 425 ZPO allgemeiner Natur ist. Denn er geht dahin, 210 Bruns, Rz.181; Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Aufl., Bem. V 2 vor § 371; a. A. Baumbach / Lauterbach / Hartmann, übers.3 E vor § 371; Wieczorek, § 371 Rz. C IV: Fristsetzung nach § 431 ZPO; noch anders Rosenberg / Schwab, § 121 II 2, S.705: Fristsetzung nach § 356 ZPO nur bei Vorlegungspflicht Dritter. 211 Siegel, S. 102. m Das ist Dilcher, AcP 158, 492, zuzugeben. Anders aber die h. M.; vgl. Blomeyer, ZPR, § 76,4 a, S. 382; Bruns, Rz. 181; Rosenberg / Schwab, § 121 II 2, S.705; Stein / Jonas / Schumann / Leipold, aaO.; Thomas / Putzo, Bem. 2 a vor § 371; zweifelnd Wieczorek, § 371 Rz. C IV. 213 Unterstellt, § 423 ZPO ist hier analog anwendbar. Dazu bejahend unten bei Fn.223. 214

Siegel, S. 91.

§ 11. Die Bezugnahme

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den anhängigen Prozeß zu beschleunigen und weitere Verfahren zu Diese Zielsetzung verdient Beachtung bei der Vorlegung von Augenscheinsobjekten ebenso wie bei der Vorlegung von Urkunden.

vermeiden~115.

Aus den Gründen, die für eine Anwendung des § 425 ZPO bei der Vorlegung von Augenscheinsobjekten sprechen, sollten zudem auch der Anwendung der §§ 426, 427 ZPO keine Bedenken entgegengesetzt werden. Denn die Unerreichbarkeit des Beweismittels zugunsten allein desjenigen zu berücksichtigen, der einen prozessualen Vorlegungsanspruch (§ 423 ZPO analog) hat, besteht kein Grund. Schließlich ist die Anwendung der §§ 426, 427 ZPO nicht nur aus der Sicht des Beweisführers gerechtfertigt. Vielmehr ist der nach materiellem Recht vorlegungspflichtige Beweisgegner ebenfalls an einer Anwendung namentlich des § 427 ZPO interessiert und sind seine Interessen durch § 427 ZPO gewahrt. Denn die Vorschrift hilft ihm zum einen, die Konsequenzen der Nichtvorlegung abschätzen zu können216 • Zum anderen hält sie die Nachteile aus der Weigerung, die Urkunde vorzulegen, vergleichsweise gering. Denn § 427 ZPO nimmt dem Beweisführer lediglich das Risiko ab, ein Beweismittel nicht beibringen zu können. Die Verteilung der Beweislast bleibt davon unberührt, das daraus erwachsene Risiko des Prozeßverlustes trägt der Beweisführer nach wie vor. Durch diese Grenzziehung verhindert § 427 ZPO weitergehende Sanktionen, wie sie etwa denkbar wären in der Weise, die Beweislast dem Beweisgegner aufzubürden217 • § 427 ZPO stellt so gesehen das Ergebnis einer Abwägung der Interessen von Beweisführer und vorlegungspflichtigem Beweisgegner dar. Diese Interessen bestehen bei der Vorlegung von Augenscheinsobjekten in gleicher Weise wie im eigentlichen Geltungsbereich des § 427 ZPO. Von diesem Ergebnis sollte daher nicht ohne Not abgegangen, § 427 ZPO also auch bei der Nichtvorlegung von Augenscheinsobjekten angewendet werden. Sind damit die Ähnlichkeiten zwischen der Last zur Vorlegung von Urkunden und Augenscheinsobjekten, soweit sie Folge einer materiellrechtlichen Vorlegungspflicht ist, in deren Konsequenz dargetan, so bleibt nach dem anfangs Gesagten nur die Entscheidung für § 422 ZPO im Bereich des Augenscheinsbeweises. Wenn ein Augenscheinsobjekt etwa nach § 809 BGB herausverlangt werden kann, entspricht dem prozessual die Last zur Vorlegung nach § 422 ZPO analog. Motive E III, Hahn, Bd. 2, S. 326. ZU den vielfältigen Sanktionen auf eine Beweisvereitelung zunächst Gottwald, Jura 1980, 304. 217 Ausführlich Gerhardt, AcP 169, 293 ff.; Gottwald, Jura 1980, 304; Peters, ZZP 82, 212 ff., 215. :15 ZIG

86

3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Die Gründe für die analoge Anwendung des § 423 ZPO sind hingegen anhand der ratio dieser Norm selbst zu gewinnen; insoweit ist ein Vorgriff auf die Konsequenzen aus der Nichtvorlegung also nicht erforderlich'·118. § 423 ZPO will gewährleisten, daß sich niemand mit Urkunden nur brüstet, mit ihnen flunkert, ohne sie herzuzeigen219 • Ein solches Gebaren wül'de - sanktions los hingenommen - den Prozeßorganismus lähmen220 , es ist aus prozessualer Sicht unanständig2Z1 und in sich widersprüchlich222 • All diese Bewertungen, die den Grund für die Vorlegungslast kraft Bezugnahme abgeben und den Zweck des § 423 ZPO kennzeichnen223 , sind gleichermaßen geeignet, eine Analogie zu rechtfertigen. Denn einzig deshalb, weil der Beweisgegner Augenscheinsobjekte in Händen zu haben vorgibt, ist sein Verhalten nicht weniger mißbilligenswert oder widersprüchlich, -als wenn es sich um Urkunden handelte. Und den Fortgang des Prozesses, den "Prozeßorganismus", stört die Nichtvorlegung eines Augenscheinsobjekts nicht weniger als die Nichtvorlegung einer Urkunde. Denn auch jenes ist ein zuverlässiges Beweismittel und deshalb zur Vermeidung oder Beseitigung von Streitigkeiten der Parteien über die tatsächlichen Geschehnisse besonders geeignet. Soll der Gegner der behauptungs- UIlid beweisbelasteten Partei nach § 142 ZPO oder § 273 II Nr. 1 ZPO zur Vorlegung von Zeichnungen der in § 142 I ZPO bezeichneten Art aufgefordert wel'den, sind also gleichfalls .die Einschränkungen der §§ 422, 423 ZPO zu beachten. 2. Die Anforderung von Parteiakten (§ 143 ZPO) Mit der Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 142 ZPO auf solche Urkunden, die nicht in Bezug genommen worden sind, geht der Bedeutungsverlust des § 143 ZPO Hand in Hand. Denn die Vorschrift stellte, was die Voraussetzungen der Vorlegungsanol'dnung angeht, nur in einer Beziehung eine Ausnahme von § 142 ZPO dar: die Vorlegung 218 Einige Argumente für eine Analogie zu den §§ 425, 427 ZPO wären aber auch hier stichhaltig. Sowohl der Zweck des § 425 ZPO, das Verfahren zu beschleunigen und zu konzentrieren, als auch die Zielsetzung des § 427 ZPO, die Beweisführungslast zu erleichtern, könnten nicht unbeachtet bleiben, wenn es um die Vorlegung von Augenscheinsobjekten geht. In diesem Zusammenhang wäre ein Rückschluß auf die analoge Anwendbarkeit der Vorschrift, die den Weg zu den §§ 425, 427 ZPO erst eröffnet - hier die Vorschrift des § 423 ZPO -, also zulässig. 2U Apt, S.27; Kohler, Gesammelte Beiträge, S.374; Siegel, S.92. 22il Apt, S. 26. m Siegel, S. 92. 222 Gerhardt, AcP 169, 309. 223 Die ursprüngliche Tendenz des § 423 ZPO (§ 388 ZPO a. Z.) war allerdings eine andere. Dazu unten § 11 V 2 c bei Fn. 400.

§ 11. Die Bezugnahme

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von Parteiakten sollte nicht vom Parteiwillen abhängig sein. Dies ist indessen keine Besonderheit mehr, seitdem das Erfordernis d€r Bezugnahm€ auch im Rahmen des § 142 ZPO entfallen is~' 225. Die Parallele zwischen § 142 ZPO und § 143 ZPO läßt sich aber nicht weiter ziehen, wenn es um die Frage g€ht, ob auch bei einer Vorlegungsanol'dnung nach § 143 ZPO, die sich gegen den Beweisgegner richten soll, die Grenzen der §§ 422, 423 ZPO zu beachten sind. Diese Bestimmungen stellen, wie gesagt, die Ausnahmen von dem Grundsatz freier Verfügungsgewalt des nicht behauptungs- und beweisb€lasteten Urkundeninhabers dar. Sie regulieren die Risiken, die sich aus der Verteilung der Behauptungs-226 und Beweislast ergeben, und können deshalb nur dort eingr€ifen, wo diese Risiken sich auswirken könn€n. Im Bereich von Vorschriften, die lediglich der prozessual€n Ordnung dienen und deren Einhaltung dem Gericht obliegt, kommt dieses Risiko nicht zum Tragen. In di€sem Bereich ist § 143 ZPO anzusiedeln. Denn die Vorschrift hat nicht wie § 142 ZPO die Vervollständigung des Tatsachen- oder Beweisvorbringens zum Ziel. Sie will vielmehr ganz und gar vordergründig nur gewährleisten, daß die Gerichtsakten vollständig sind und infolgedessen der Gegner des nach § 143 ZPO Aufgeforderten seine Parteiakten ergänzen kann2~. Der räumliche Zusammenhang der §§ 142, 143 ZPO ist allel'dings geeignet, diese Unterschiedlichkeit beider Vorschriften zu verdecken. Ein Blick auf Stellung und Begründung der entsprechenden Vorschrift228 im Norddeutschen Entwur:F29 zeigt aber deutlich die rein formale Zielsetzung der Aktenvorlegung. So stand § 400 Nordd. Entw?30 Wieczorek, 1. Aufl., § 143 Rz. A. Vom Objekt der Vorlegung her besteht zwischen § 142 ZPO und § 143 ZPO kein Unterschied. Denn beidemal geht es um die Vorlegung von Urkunden. Lediglich deren Bezeichnung ist bei § 143 ZPO erleichtert, indem hier die pauschale Anforderung von Akten zugelassen ist, während bei § 142 ZPO die vorzulegende Urkunde im einzelnen zu bestimmen ist (WiLmowski I Levy, § 134 Anm. 1; vgl. auch BGHZ 60, 275 [291]). 22G Siehe oben § 11 I 2. 227 Endemann, Der deutsche Zivilprozeß, Anm. zu § 134; Kleiner, Anm. zu § 134. 228 Vgl. Kleiner, Anm. zu § 134; Struckmann I Koch, 8. Aufl., und Wilmowski I Levy, jeweils nach § 143 bzw. § 134 (a. Z.). 229 In den Materialien zur ZPO finden sich keine Hinweise auf das Verständnis des § 143 ZPO. Das ist seinerzeit nicht selten beklagt worden (z. B. von Endemann, Der deutsche Zivilprozeß, Anm. zu § 134). 230 § 400 Nordd. Entw. Jede Partei ist verpflichtet, die in ihrem Besitze befindlichen Akten, soweit dieselben aus Schriftstücken bestehen, welche die 224

225

Verhandlung und Entscheidung der Sache betreffen, dem Gerichte auf dessen Anordnung vorzulegen.

3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

88

im Zusammenhang der Vorschriften "Von den Akten" (§§ 3'96 H. Nordd. Entw.), in denen die Führung der Gerichts- und Parteiakten und die Einsichtnahme in die Gerichtsakten behandelt waren. § 314 Nordd. Entw?3\ der Vorläufer von § 142 ZPO, fand sich hingegen in den "Allgemeinen Vorschriften über das Verfahren" (§§ 296 ff. Nordd. Entw.). Daß dafür sachliche Gründe maßgebend waren, ergibt sich aus den Kommissionsprotokollen=. § 226 Rann. Entw. 233 , eine Vorschrift, in der die formale Zielsetzung des Vorlegungsverlangens zum Ausdruck kam, wurde nämlich nicht wegen eben dieser Zielsetzung kritisiert und schließlich nicht übernommen. Die Ablehnung beruhte vielmehr allein darauf, daß direkte Beziehungen zwischen den Parteien vermieden und statt dessen die "indirekte Prozedur" der Vorlegung bei Gericht und der Einsichtnahme durch die andere Partei dort gewählt werden sollte234 • Demzufolge erklärte sich die Mehrheit der Kommission "für Aufnahme einer Bestimmung dahin, daß jede Partei dem Gericht gegenüber verpflichtet sei, die Parteiakten, soweit es sich um Schriftstücke handelt, deren Originale zu den Gerichtsakten gehören, auf Erfordern (Behufs Vervollständigung der letzteren) vorzulegen (Art. 324 I des Württ. Entw.230) "236. Diese Bestimmung fand sich sodann in § 400 Nordd. Entw. Endlich ist auch der Kreis der vorzulegenden Schriftstücke durch § 143 ZPO in einer Weise eingeengt, die der analogen Anwendung der §§ 422, 423 ZPO entgegensteht. Denn nur die Vorlegung solcher Schriftstücke kann angeordnet werden, welche die Verhandlung und Entscheidung der Sache betreffen. Damit kann eine Vorlegungslast von vornherein nur hinsichtlich von Aktenteilen entstehen, die für Gericht und Gegner bestimmt sind237 oder von der aufgeforderten Partei im Verfahren gar schon benutzt worden sind238 , kurz solcher, "die zu den Im Wortlaut unten § 11 V 2 c Fn. 384. S. 440 f. Nordd. Protokolle. 233 § 226 Hann. Entw. (unter der überschrift "Acten"), soweit hier von Interesse, lautete: " ... Im Falle des Verlustes der eigenen Schriftstücke kann 231

232

die Partei verlangen, daß ihr auf ihre Kosten von der Gegenpartei Abschrift dieser Schriftstücke mitgetheilt werde. Die Parteiacten sind auf Verlangen dem Gerichte vorzulegen. Anwälte und Advocaten sind verpflichtet, die Parteiacten vollständig und geordnet zu halten." - Zur Bedeutung des Han-

noverschen Entwurfs für die Beratung des Norddeutschen Entwurfs siehe unten § 11 V 2 b. 234 S.441 Nordd. Protokolle. !35 Zu dem entsprechenden Zweck des Art. 324 Württ. Entw., der als Art. 316 Württ. CPO Gesetz wurde, Kleiner, Anm. zu § 134 mit Fn.3. 238 S. 441 Nordd. Protokolle. Hervorhebung dort. 217 Förster I Kann, § 143 Anm. 1. 238 Kleiner, Anm. zu § 134; Wilmowski I Levy, § 134 Anm. 1; siehe auch Sarwey, § 134 Anm. 1.

§ 11. Die Bezugnahme

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Gerichtsakten gehören"23'9,240. Von ihrem Gebrauchszweck her sind die Urkunden, deren Vorlegung nach § 143 ZPO angeordnet werden kann, somit andere als die, deren Vorlegung kraft der §§ 422, 423 ZPO verlangt werden kann: hier hat der Inhaber grundsätzlich ein alleiniges Einsichtsrecht, bei den nach § 143 ZPO vorzulegenden hat er es nicht. Die Prämissen des § 143 ZPO und der §§ 422, 423 241 ZPO sind also andere und ähneln sich nicht. Deswegen ist eine Anordnung nach § 143 ZPO auch dann nicht von einer Bezugnahme (§ 423 ZPO) oder dem Bestehen eines materiellrechtlichen Vorlegungs- oder Herausgabeanspruchs (§ 422 ZPO) abhängig, wenn sie sich an den Gegner der behauptungs- und beweisbelasteten Partei richtet. 3. Die Anforderung amtlicher Akten (§ 273 ZPO)

In den soeben angestellten Überlegungen zur Funktion der §§ 422, 423 ZPO hat sich gezeigt, daß diese Vorschriften nur dann eingreifen können, wenn es dem Beweisgegner grundsätzlich überlassen ist, wie er mit einer Urkunde verfahren will. Die §§ 422, 423 ZPO gelten jedenfalls von daher242 nicht, wenn der Beweisgegner die Urkunde nicht in Händen hat, sie sich also im Gewahrsam Dritter, namentlich einer Behörde oder eines Beamten befindet. In solchen Fällen ist deshalb auch als Voraussetzung einer Vorlegungsanordnung nach § 273 ZPO weder eine Bezugnahme des Beweisgegners erforderlich noch muß er einem Vorlegungs- oder Herau:sgabeanspruch ausgesetzt sein. § 27311 Nr.2 ZPO ist die prozessuale Grundlage dafür, Behörden oder Beamte von Amts wegen um die Mitteilung von Urkunden zu ersuchen. Ob auch das gerichtliche Ersuchen um die Übersendung amtlicher Akten oder deren Beiziehung auf diese Vorschrift gestützt werden kann, ist indessen zweifelhaft.

Beispie l243: Die Parteien stritten am Wohnsitz (Wiesbaden) des Klägers um die Rückzahlung eines Darlehens, über das ein schriftliches Schuldanerkenntnis existierte. In ihm war als Erfüllungsort der Wohnsitz des Klägers vorgesehen. Als Gerichtsstand war Marburg, das Domizil der Ehefrau des BeS. 441 Nordd. Protokolle. Weitergehend Dilcher, AcP 158, 479 Fn.52, wonach die Prozeßhandakten (insgesamt) nach § 143 ZPO angefordert werden können; damit wären Urkunden eingeschlossen, die (noch) nicht für das Gericht bestimmt sind. %41 Für § 423 ZPO anders Dilcher, aaO. %42 über die Voraussetzung der Urkundeninhaberschaft (§§ 421 ff. ZPO) ließe sich bei anderer Zweck:setzung der §§ 422, 423 ZPO vielleicht streiten. %43 Nach RG SeuffArch 54 Nr. 252. %30

%40

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

klagten, vereinbart; deren Wohnort und der des Beklagten befanden sich dort allerdings nicht. Zur Beantwortung der Frage, ob der vereinbarte Gerichtsstand Marbua:-g ,ein ausschließlicher sein sollte, hatte das Beruftmgsgericht von Amts wegen, "ohne daß ein desfallsiges ParteJivorbringen im Thatbestande erwähnt wäre", Akten eines Vorprozesses beigezogen. In diesem Prozeß hatte die Ehefrau des jetzigen Beklagten als Zeugin ausgesagt, sie habe früher mit dem jetzigen Kläger in intimen Beziehungen gestanden und zwei Kinder von ihm. Diese Aussage verlas das Berufungsgericht in einem Verhandlungstermin. Der Kläger äußerte sich dazu nicht. Der Beklagtenvertreter erklärte, "daß er zwar nicht ausdrücklich auf diese Verhandlung Zlwn Beweise seiner Ausführungen Bezug nehme, jedoch dem Gericht anheimg,ebe, dieselbe, soweit ihm erforderlich erscheine, zu verwerten". Aus der Zeugenaussage schloß das Berufungsgericht sodann, daß Marburg als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart worden war. Denn Motiv für die Gerichtsstandsvereinbarung sei das Bestreben gewesen, eine Erörterung des "scandalösen Verhältnisses" am Wohnort eines der drei Beteiligten zu vermeiden. a) Die Voraussetzungen des § 273 II Nr. 2 ZPO In die Bestimmung des § 273 II Nr.2 ZPO sind schon mit der Aufnahme des Behördenbegrüfs Unsicherheiten hineingetragen worden. Sie ergeben sich aus dem Streit um den Inhalt dieses Begriffs. So hängt nach dieser Vorschrift die Zulässigkeit eines- Ersuchens an ein anderes Gericht der streitigen Gerichtsbarkeit davon ab, ob auch die rechtsprechende Gewalt durch Behörden ausgeübt wird244 • Verneint man diese Frage, ist § 273 II Nr.2 ZPO ein Großteil an praktischer Bedeutung genommen. Denn z. B. die Heranziehung von Strafakten, Akten eines Prozeßkostenhilfeverfahrens und - wie im Beispielsfall - eines Vorprozesses oder Zwangsvollstreckungsakten etwa zur Beurteilung einer Drittwiderspruchsklage sind in der Praxis häufige Erscheinungen245 • Und noch irrelevanter würde § 273 II Nr. 2 ZPO, wenn die Vorschrift wörtlich genommen und nur das Ersuchen um die Mitteilung von Urkunden zu ihrem Geltungsbereich gezählt würde. Die Anforderung von Akten wäre damit ausgeklammert246 , soweit in ihnen - um beim Wort2H Bejahend Wolff I Bachoj, § 76 I d 6, 7, S. 86 f. (mit Nachw. zum Streitstand § 76 I c 2, S. 82 f.); im Ergebnis ebenso Wieczorek, § 272 b Rz. C Ir a; anders Forsthojj, § 23, 2 b, S. 443; ferner BayObLGZ 1969, 89 (93 f.) (zur "öffentlichen Behörde" i. S. von § 415 ZPO. Dieser Begriff war früher auch in § 501 Ir Nr. 2 ZPO in der Fassung der Amtsgerichtsnovelle verwendet wordien. Er wurde mit der Novelle 1924 durch den gleichbedeutenden der "Behörde" ersetzt [Volkmar, Verordnung 1924, § 272 b Anm. 7].). 245 Siehe auch die Beispiele bei Bathe, S. 152. 246 Vgl. auch die Unterscheidung in § 34 Ir BRAGO, ferner in § 99 VwGO, z. B. Abs. 1 S. 1: "Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten ... verpflichtet. "

§ 11. Die Bezugnahme

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laut des § 142 ZPO zu bleiben - Stammbäume, Pläne, Risse und sonstige Zeichnungen enthalten sind. Denn diese gehören, wie gesagt, nicht zu den Urkunden. b) Die Generalklausel in § 273 I S. 1 ZPO Trotz allem bedarf es hier weder einer Entscheidung zugunsten eines weiten Behörden- oder Beamtenbegriffs 247 noch ist es unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität erforderlich, den Kreis der Objekte, deren Mitteilung nach § 27311 Nr.2 ZPO verlangt werden kann, über den Wortlaut dieser Bestimmung hinaus zu erweitern248 • Denn das offenbar angestrebte Ziel, vorbereitende Maßnahmen in möglichst weitem Umfang zuzulassen, ist jedenfalls nach Maßgabe der Generalklausel des § 273 I S. 1 ZPO erreichbar. Es ist daher unnötiges Bemühen, ein Ersuchen an Verwaltungsbehörden und Gerichte um Aktenmitteilung unter eines der im Katalog des § 273 11 ZPO angeführten Beispiele zu subsumieren. aal Aktenanforderung als Amts- oder Rechtshilfeersuchen Das Bemühen, die Voraussetzungen für eine vorbereitende Maßnahme nach irgendeiner Bestimmung in § 273 ZPO zu bejahen, ist allerdings nicht nutzlos2 !9. Denn die Verpflichtung der ersuchten Verwaltungsbehörde oder des ersuchten Gerichts, dem gerichtlichen Ersuchen nachzukommen, ist zunächst25{) Ausfluß des Amts- oder Rechtshilfeprinzips (Art. 35 GG, §§ 156 ff. GVG). Eben deswegen stellt sich aber die Frage, ob die ersuchende Behörde nach dem für ihr Verfahren geltenden Recht erlaubtermaßen tätig wird und für diese Tätigkeit die ergänzende Hilfe einer anderen Behörde beanspruchen dares 1 • Diese Frage ist hier identisch mit der Frage nach dem Anwendungsbereich des § 273 ZPO. Sie zu bejahen bedeutet den ersten Schritt, damit um die Mitteilung von Akten ersucht werden kann. Ob es zur Mitteilung kommt, hängt dann im 247 So aber Wieczorek, § 272 b Rz. C II a, der auch die Notare zu den "Beamten" zählen will. 218 Für die Zulässigkeit der Anforderung von Behördenakten nach § 273 II Nr.2 ZPO aber Stein / Jonas / Pohle, 19. Aufl., § 143 Anm. I; Thomas / Putzo, Anm. zu § 143; Wieczorek, § 272 b Rz. C II a. 249 a. A. Brüggemann, S. 353. 250 Auch eine Behörde oder ein Beamter kann eiIlJer Partei zur Vorlegung oder Herausgabe einer Urkunde verpflichtet sein. Diesem Umstand trägt § 432 III ZPO Rechnung. Danach ist ein solcher Fall nicht anders zu behandeln, als wenn die Vorlegung durch einen sonstigen DI"itllen, der nach § 422 ZPO vorzulegen hat, in Frage steht (Protokolle der Reichsjustizkommission, 1. Lesung, Hahn, Bd. 2, S. 651; SchHeckmann, S. 2 f.). 251 OLG Düsseldorf, NJW 1957, 1037; Maunz in: Maunz / Dürig / Herzog / Schot::, Art. 35 Rz. 6; Lässig in: Finkelnburg / Lässig, § 7 Rz. 2; Meyer in: Meyer / Borgs, § 7 Rz. 1.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

zweiten Schritt davon ab, inwieweit die ersuchte Stelle die Pflicht zur Mitteilung hat 252 • Die Amts- und Rechtshilfepflicht hat ihre Grenzen stets in öffentlichen und privaten Geheimhaltungsinteressen gefunden253 ; sie sind in jüngerer Zeit für einen Teilbereich der hier behandelten Problematik254 kodifiziert worden in den Verwaltungsverfahrensgesetzen, z. B. in § 5 II VwVfG255 des Bundes. Danach ist die Amtshilfe zu verweigern, wenn sie die äußere oder die innere Sicherheit des Bundes oder eines Landes beeinträchtigt oder gefährdet oder zu einer erheblichen Störung der öffentlichen Ordnung oder des freundschaftlichen Verhältnisses zu anderen Staaten oder internationalen Organisationen führt (§ 5 II S. 1 Nr. 1 VwVfG2(0). Ferner sind gesetzliche Geheimhaltungsvorschriften zu beachten (§ 5 II S. 1 Nr. 1, S. 2 VwVfG 257 ), wie sie etwa in Art. I § 35 SGB, § 139 bIS. 3 GewO, § 30 AO enthalten sind258 • Schließlich dürfen solche Urkunden und Akten nicht mitgeteilt werden, die ihrem Wesen nach geheimgehalten werden müssen (§ 5 II S.2 VwVfG). Wann das der Fall ist, läßt sich nicht pauschal bestimmen. 252 Vgl. § 158 II S. 1 GVG. F'erner Wieczorek, § 272 b Rz. C II a; Baur, ZZP 66, 216/217; Lässig in: FinkelnbuTg / Lässig, § 7 Rz. 3 (dort [Rz. 2, 3] auch zur nur klarstellenden Funktion des § 7 I VwVfG); Meyer in: Meyer / Borgs, § 7 Rz. 2. 253 Vgl. Klein in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, Art. 35 Rz. 3; Arnold, NJW 1953, 1284. 2M Entsprechende Regelungen finden sich s'chon seit längerem in §§ 99 I S. 2 VwGO - die Vorschrift gilt allerdings nicht bei Maßnahmen nach § 273 ZPO (BVerwGE 30, 154 [157]) -, 119 I SGG, 86 II FGO. 255 § 5 II VwVfG:

"Die ersuchte Behörde darf Hilfe nicht leisten, wenn 1. sie hierzu aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist; 2. durch die Hilfeleistung dem Wohl des Bundes oder eines Landes erhebliche Nachteile bereitet würden. Die ersuchte Behörde ist insbesondere zur Vorlage von Urkunden oder Akten sowie zur Erteilung von Auskünften nicht verpflichtet, wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheimgehalten werden müssen." Zu beachten ist ferner § 5 III VwVfG, wonach die ersuchte Behörde befugt

ist, die Amtshilfe zu verweigern:

"Die ersuchte Behörde braucht Hilfe nicht zu leisten, wenn 1. eine andere Behörde die Hilfe wesentlich einfacher oder mit wesentlich geringerem Aufwand leisten kann; 2. sie die Hilfe nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand leisten könnte; 3. sie unter Berücksichtigung der _4ufgaben der ersuchenden Behörde durch die Hilfeleistung die Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben ernstlich gefährden würde." 256 Lässig in: Finkelnburg / Lässig, § 5 Rz. 20. m Dazu Lässig, aaO., § 5 Rz. 22. 258 Weitere Beispiele bei Lässig, aaO., § 5 Rz. 27, dort auch zum relativen

oder absoluten Charakter von Geheimhaltungsvorschriften.

§ 11. Die Bezugnahme

93

Vielmehr ist jeweils abzuwägen zwischen dem Geheimhaltungsinteresse, das von der ersuchten Behörde zu wahren ist, und dem Offenlegungsinteresse, das die ersuchende Behörde vertritt 259 • Diese Abwägung ist im Zusammenhang des § 273 ZPO eine solche zwischen den gegensätzlichen Parteiinteressen. Denn die Vorlegung von Urkunden oder Akten macht diese, sofern sie nicht gerichtskundig sind260 , nicht ohne weiteres verwertbar. Erforderlich bleibt, daß eine Partei den Inhalt der Urkunden oder Akten vorträgt261 oder sich dieser Unterlagen262 zum Beweis bedient. Diese eine Partei wird regelmäßig diejenige sein, die an der Offenlegung interessiert war. So gesehen vertritt also das ersuchende Gericht die Interessen des Gegners der Partei, die ein Geheimhaltungsinteresse hat. Von daher ist das Ergebnis der Abwägung zwischen diesen Interessen klar, wenn der Gegner vorgelegte behördliche Unterlagen nicht benötigt, um dem Risiko zu entgehen, das aus der Behauptungs- und Beweislast folgt: Trägt derjenige, dessen Interesse auf ~üne Geheimhaltung der Unterlagen gerichtet ist, die Behauptungs- und Beweislast, so hat sein Gegner allenfalls ein "hämisches Interesse"263 an der Offenlegung. Hier ist deswegen der behauptungs- und beweisbelasteten Partei die Befugnis zuzubilligen, der Herbeiziehung oder, wenn die Herbeiziehung schon erfolgt ist, der Verwertung von Urkunden oder Akten zu widersprechen264 • Eine Schwierigkeit, vor der sich die hier vertretene Ansicht sieht, würde freilich von Anfang an vermieden, wenn nur der beiderseitige Wtderspruch der Parteien das Gericht an der Heranziehung und Verwertung von Urkunden oder Akten hindern würde. Sind nämlich Urkunden oder Akten ohne Kenntnis der P.arteien beigezogen worden, 2Si 280 261

Lässig, aaO., § 5 Rz. 30, Dazu Bathe, S. 155 ff.

31 mit zahlreichen Beispielen.

BGH NJW 1952, 305 (306); OGH JR 1950, 52 (53); OLG Jena, JW 1935, 143 Anm. 11; § 128 Anm. 111 2, 3; Volk8; Bach, JW 1937, 1721; Bathe, S. 151 mit

66; Stein I Jonas I Pohle, 19. Aufl., § mar, Verordnung 1924, § 272 b Anm. weiteren Nachw. in Fn. 4.

Entsprechendes Vorbringen wird zumeist im Tatbestand kenntlich gemacht mit Wendungen wie: "Die (näher bereichneten) Akten sind beigezogen worden und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung." Kritisch dazu Bathe, S. 161 Fn. 30; vgl. auch Gaedeke, DJ 1939, 1790. 262 Die V,erwendungsmöglichkeit von Akten ist keine andere als die einzelner Urkunden. Akten können ebenfalls sowohl zum Zweck informatorischer Klarstellung unstreitigen Vorbringens als auch zwecks beweismäßtiger Klärung streitigen Vorbringens beigezogen werden (vgl. KG JW 1937, 1420; Gaedeke, DJ 1939, 1789). 263 Bathe, S. 142 Fn. 24. 264 So im Ansatz auch Bathe, S. 142 f (zur Vorlegung von Parteiurkunden), der die Aktenbeiziehung aber trotzdem nur durch den übereinstimmenden Widerspruch beider Parteien gehindert wissen will (S. 162 f.).

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

so kann der einseitige Widerspruch nicht daran hindern, daß der Gegner des an der Geheimhaltung Interessierten die Unterlagen zum Zwecke des Vortrags oder des Beweises benutzt. Ein Korrektiv findet sich aber auch insoweit. Denn ein Vorbringen durch den Gegner der behauptungs- und beweisbelasteten Partei darf nicht Grundlage der Entscheidung werden, solange es diese Partei nicht aufgreift. Werden Urkunden oder Akten faktisch aber trotzdem berücksichtigt, weil das Gericht die Unterlagen gesehen hat und sie nicht aus dem Gedächtnis verbannen kann, so ist das durchaus kontrollierbar265 ; das Verbot, nicht Vorgetragenes zu berücksichtigen, bleibt deshalb effizient. Denn eine Lücke im tatsächlichen Vorbringen, die das Gericht unzulässigerweise mit dem Vortrag des Gegners gefüllt hat, ist unschwer festzustellen. Und in gleicher Weise läßt sich nachvollziehen, ob der ordnungsgemäß geführte Beweis ausreichte oder ob in die Beweiswürdigung ein Bild eingeflossen ist, das sich das Gericht anband VOn Unterlagen gemacht hat, an deren Verwertung es gehindert war. bb) Die Vorlegungspflicht der Notare und sonstiger dritter Personen; die Zulässigkeit einer Vorlegungsanortdnung insoweit Wie das gerichtliche Ersuchen um Aktenmitteilung gegenüber Behörden ist die dementsprechende Aufforderung an einen Notar266 gleichfalls nicht der Verpflichtungsgrund für eine Vorlegung. Auch insoweit regelt § 273 I S. 1 ZPO nur eine Seite, nämlich die Befugnis zur Anforderung von Urkunden oder Akten. Ob der Notar der Aufforderung nachkommen muß, ist die andere Seite2G7 • Ihre Regelung findet sich in § 18 BNotO. Danach trifft den Notar grundsätzlich auch gegenüber Behörden die Pflicht zur Verschwiegenheit268 • Im öffentlichen Interesse sind Ausnahmen hiervon vorgesehen etwa auf steuerrechtlichem Gebiet (§ 102 IV AO, Art. 97 § 5 EG AO, § 34 ErbStG). Zudem kann dem Weichen des privaten Interesses Rechnung getragen werden, indem die Beteiligten den Notar von der Schweigepflicht befreien (§ 18 I S. 2 BNotO). Eine Befreiung von der Schweigepflicht bringt jedoch vorläufig nur das Recht zur Entstehung, sich über Amtsgeheimnisse zu äußern. Ob der Notar darüber hinaus zur Äußerung verpflichtet ist, ist die zweite und, wenn es um die Effektivität einer Vorlegungsanol'dnung nach § 273 ZPO geht, entscheidende Problemstellung. Sie läßt sich manchmal durch einen Rückgriff auf das Verhältnis zwischen Notar 265

a. A. Bathe, S. 159.

Dazu oben § 11 III 3 b Fn. 247. Vgl. etwa Oberneck in: Schultze-Göriitz / Oberneck, Art. 52 Anm. 1 e (zur Weitergeltung des Preuß. FGG Jansen, § 34 Rz. 19; Seybold / Hornig, § 18 Rz. 23). 268 Seybold / Hornig, § 18 Rz. 7. 266

267

§ 11. Die Bezugnahme

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und Beteiligten auflösen. Denn aus dem Verhältnis zu den Beteiligten erwächst für den Notar die Pflicht zu rücksichtsvollem Verhalten den Beteiligten gegenüber269 • Wo diese Rücksichtnahme die Vorlegung von Akten erfordert, die der Notar nach § 18 I S.2 BNotO vorlegen darf, ist deshalb eine Vorlegungspflicht zu bejahen - so etwa, wenn eine Partei, die Beteiligter i. S. von § 18 BNotO ist270 , ihrer Behauptungsoder Beweislast nur mittels einer bestimmten notariellen Urkunde genügen kann. Im übrigen hängt der Erfolg der Aufforderung nach § 273 I S. 1 ZPO davon ab, ob der Notar - gegebenenfalls auf Weisung der Aufsichtsbehörde (§ 93 BNotO) hin271 - von seinem Äußerungsrecht Gebrauch macht. Entsprechendes gilt, wenn nach § 273 ZPO ein Dritter zur Vorlegung von Urkunden aufgefordert werden soll. Auch ihn trifft die Vorlegungspflicht nicht deswegen, weil er aufgefordert worden ist. Er hat vielmehr vorzulegen nur, wenn besondere Verpflichtungsgründe bestehen. Diese sind in § 429 ZPO i. V. m. §§ 422, 423 ZPO bezeichnet. Die materiellrechtliche Vorlegungs- oder Herausgabepflicht oder die Bezugnahme des Dritten im Prozeß 272 sind also die Kriterien, die über die Effektitivität273 der vorbereitenden Maßnahme mitentscheiden274 • Damit ist die Problematik, die mit einer Vorlegungsanordnung gegen einen Dritten nach § 273 ZPO, hier Abs. 1 S. 1, verknüpft ist, indessen nicht erschöpft. Denn "er (seil. der Dritte) kann zur Vorlegung nur im Wege der Klage genötigt werden" (§ 429 Halbs. 2 ZPO). Mindestens für Urkunden, die nur Beweiszwecken zu dienen geeignet sind, könnte mit dieser Bestimmung der einfache Weg des § 273 I S.l ZPO versperrt sein27s • 26g Vgl. auch Palandt I Thomas, § 839 Anm. 4 e. !70 Zum Begriff des Beteiligten Seybold I Hornig, § 16 Rz. 18 ff. 271 Seybold I Hornig, § 18 Rz. 24. 272 Sie ist denkbar nur, wenn der Dritte einst Partei oder Streitgehilfe war (Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., § 429 Anm. I). 273 Nicht schon über die Zulässigkeit. Denn einen Dritten können die prozessuaLen Nachteile, die ,aus der Nichtvorlegung erwachsen, ohnehin nicht treffen. Er ist am Prozeß nicht beteiligt. Geht es aber um eine Vorlegungsanordnung gegenüber einer P,artei, stehen und fallen die Sanktionen auf deren Nichtbefolgung mit der Zulässigkeit der Anordnung. Hier bedarf es darum eines Regulativs bereits bei der vorrangigen Prüfung, ob die Vorlegung ,angeordnet werden darf. 274 Da der Dritte ebenso wie grundsätzlich die Partei, die eine Urkunde in Händen hat, das freie Verfügungsrecht über die Urkunde in seinem Gewahrsam hat, trifft das oben § 11 I 2 zur analogen Anwendung der §§ 422, 423 ZPO Gesagte auch hier zu. Im Ergebnis ebenso wohl Baumbach I Lauterbach I Hartmann, § 273 Anm. 2 B; Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., § 272 b Anm. IH, die bei einer Anordnung außerhalb des Geltungsbereichs des § 273 II Nr. 1 ZPO vom Bezugnahmeerfordernis (§ 423 ZPO) nicht abgehen. m So anscheinend Baur, ZZP 66, 216; a. A. Arnold, NJW 1953, 1283.

3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

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Die Motive zum E !II stützen eine solche Auffassung. Denn § 429 Halbs. 2 ZPO sollte zu Lasten einer Beschleunigung und Konzentration des Verfahrens die Bedeutung der Gerichtsstandsbestimmungen auch insoweit gewährleisten276 • - Mit Einführung des § 501 ZPO i. d.F. der Amtsgerichtsnovelle (1909) wurden die Gewichte aber anders verteilt. Konzentration des Prozeßstoffs, Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens waren fortan die Ziele, die bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung nicht aus den Augen verloren werden durften277 • Dies gebietet es, dem Geltungsbereich des § 429 Halbs. 2 ZPO enge Grenzen zu ziehen und die Vorschrift nur zur Anwendung kommen zu lassen, wenn eine Partei Beweis nach §§ 428 ff. ZPO antritt. § 429 Halbs. 2 ZPO spricht also nicht (mehr) gegen die Zulässigkeit einer Vorlegungsanordnung, die sich an einen Dritten richten soll.

Ist es somit nicht von vornherein ausgeschlossen, daß Urkunden Dritter auf Initiative des Gerichts in den Prozeß eingebracht werden, so darf die Bedeutung einer Vorlegungsanol"dnung mit dieser Zielrichtung freilich nicht überschätzt werden. Anders als etwa der Notar, der als Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 BNotO) eine angeforderte Urkunde regelmäßig vorlegen wird, sofern er dazu nur berechtigt ist, wird es bei einem zur Vorlegung aufgeforderten Dritten durchweg an einer entsprechenden Motivation fehlen. Hinzu kommt, daß ein Dritter prozessuale Sanktionen nicht zu fürchten braucht. Soweit sie überhaupt eingreifen, treffen sie die Partei. Und ob die Furcht vor Schadensersatzansprüchen der Partei gegen den Dritten, die aus der Verletzung seiner Vorlegungsverpflichtung (§§ 429, 422, 423 ZPO) resultieren können, den Dritten zur Vorlegung bewegen kann, ist zweifelhaft. Denn die Voraussetzungen ,einer derartigen mittelbaren Sanktion auf die Nichtvorlegung sind zu mannigfaltig, als daß die Nichtvorlegung eine akute Sorge des Dritten vor materiellen Nachteilen begründen könnte. Vor allem die Kausalität zwischen der Nichtvorlegimg und dem Prozeßverlust wird kaum jemals feststellbar sein. Denn diese Feststellung macht den Nachweis notwendig, daß Folge der Vorlegung der Prozeßgewinn gewesen wäre. Weil die Überlegungen des Gerichts ansonsten nicht nachvollziehbar sind und auch andere Grunde für den Prozeßverlust in Betracht kommen, hängt jener Nachweis wiederum davon ab, daß der Zusammenhang zwischen der Nichtvorlegung und dem Prozeßverlust in den Entscheidungsgrunden zum Ausdruck kommt. Das ist indessen durchweg unmöglich, weil der Urkundeninhalt dem Gericht eben wegen der Weigerung des Urkundeninhabers gar nicht bekannt geworden ist. Motive E 111, Hahn, Bd. 2, S. 326. Kommissionsbericht 1909, OLGRspr.-Beiheft 3, S. 126; ferner die Nachweise oben § 11 I 1 Fn. 157, 158, 161. 276 217

§ 11. Die Bezugnahme

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IV. Die Bezugnahme als Ausdruck des Gebraucl1swillens

Soweit nach allem eine Bezugnahme erforderlich bleibt, kann die Eingrenzung -der vorzulegenden Urkunden durch das Merkmal der Bezugnahme (§§ 131, 134, 142, 273 II Nr. 1 ZP0 278 ) in zweierlei Hinsicht erfolgen. Zum einen werden hierdurch vielleicht Urkunden vom Prozeß ferngehalten, die nicht mit der notwendigen Intensität geltend gemacht werden. So mag etwa die bloß beiläufige Erwähnung einer Urkunde als Bezugnahme nicht ausreichen. Zum anderen könnte dadurch eine der prozessual bedeutsamen Gruppen von Urkunden aus dem Anwendungsbereich der §§ 131, 134, 142, 273 II Nr.1 ZPO ausgenommen sein. Denn eine Partei kann sich einer Urkunde zum Beweis ihrer Behauptungen bedienen. Nach -der Terminologie des Gesetzes (§ 423 ZPO) handelt es sich dabei um eine Bezugnahme zur Beweisführung. Daneben steht der praktisch nicht minder bedeutsame Fall, daß sich eine Partei auf eine Urkunde beruft, etwa um Wiederholungen im Sachvortrag zu vermeiden279 oder Widersprüche im eigenen Vortrag2SO zu klären. Die Urkunde dient dann nicht der Beweisführung, sondern ihr Inhalt ist Teil des Parteivorbringens281. Die Frage nach den Anforderungen an die äußere Form einer Bezugnahme läßt sich nicht danach beantworten, ob der Hinweis auf eine Urkunde durch deren bloße Erwähnung oder durch besondere Bezeichnung als Beweismittel bzw. als Parteivortrag erfolgt282. Die Grenze zwischen beiden ist fließend, die Abgrenzung deshalb häufig willkürlich283 . Denn zu einer zweifelsfreien284 äußerlichen Kenntlichmachung als Bezugnahme kommt es allenfalls bei der Bezugnahme zu Beweiszwecken ("Beweis: Vorlage der [näher bezeichneten] Urkunde"), und das auch nur im Rahmen schriftsätzlicher Terminsvorbereitung. Urkundlicher Tatsachenvortrag durch Verweisung auf Schriftstücke ist 278 Und des § 423 ZPO. Der Begriff der Bezugnahme in den ~nannten Bestimmungen ist insoweit identisch. Wegen der inhaltlichen Konkretisierung der Bezugnahme durch § 423 ZPO gilt für diese Vorschrift aber nur, was im folgenden zu den äußeren Anforderungen an eine Bezugnahme zu sagen sein wird. 27D Wegen der Grenzen einer Bezugnahme zu diesem Zweck bei der Klage vgl. OLG Hamburg, OLGRspr. 29, 69 f.; Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., § 253 Anm. II. 280 Geht es um die Klärung von Widersprüchen im wechs·elseitigen Parteivortrag, wird es sich regelmäßig um eine Bezugnahme zur Beweisführung handeln. 281 Vgl. auch Waldeck, Gutachten zum 1. DJT, S. 22. 282 Vgl. aber z. B. Struckmann I Koch, § 423 Anm.2 (für die Bezugnahme zur Beweisführung). 283 Bathe, S. 131; Baur, ZZP 66,215; Hellweg, AcP 61,132. 284 Siehe aber unten § 14 I.

7 Schreiber

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

dagegen durchweg eingeschlossen in den übrigen Vortrag; der wesentliche Inhalt einer Urkunde kann sogar wiederholt oder die Urkunde beigefügt werden.

Es bleibt also dabei, daß grundsätzlich der gesamte Parteivortrag unabhängig davon, ob es sich um nur nebenbei Gesagtes handelt, der Entscheidung zugrunde zu legen ist285 • Daß dieser Satz Einschränkungen erfahren muß, liegt indessen auf der Hand. Macht nämlich das Gesetz die Berücksichtigung einer Urkunde von einer Bezugnahme abhängig, so soll es doch der Partei überlassen sein, ob und inwieweit die Urkunde Beachtung finden darf. So ist denn die Bedeutung dieses Merkmals darin zu suchen, daß als Voraussetzung für die Entstehung der Vorlegungslast der Hinweis auf eine Urkunde von dem Willen der Partei getragen sein muß, diese Urkunde zu benutzen286 • Dieses Ergebnis ist durchaus praktikabel 287 • Es zwingt weder Gericht noch Gegner dazu, den Benutzungswillen stets festzustellen. Er zeigt sich regelmäßig schon daran, daß die Partei die Urkunde überhaupt erwähnt288 • Wollte sie deren Berücksichtigung verhindern, hätte sie das Vorhandens'ein der Urkunde verschweigen können. Nur durch die Einfügung einer subjektiven Komponente bleibt zudem Raum dafür, solchen Fällen gerecht zu werden, in denen die Partei eine Urkunde zwar erwähnt, sich ihrer aber nicht bedienen will. Ein derartiger Sachverhalt lag den Urteilen des Reichsgerichts vom 30.5. 1894 und 20.4. 1895289 zugrunde. Die Beklagte hatte durch einen Agenten einen Kaufvertrag mit einer damals noch ungenannten Verkäuferm, der Klägerin, über eine ungelöschte Schiffsladung Roggen abgeschlossen. Der Vertrag war bedingt durch die Feststellung, daß es sich bei der Verkäuferin um einen nach dem Ermessen der Beklagten zuverlässigen Geschäftspartner ("prima AbladerU) handelte. Nach dem Inhalt schriftlicher Auskünfte eines Auskunftsbüros, den die Beklagte im Wortlaut vortrug, war diesem Erfordernis nicht genügt. Die Beklagte legte auch eines dieser Schriftstücke vor, trennte aber zuvor den Namen des Auskunftsbüros ab, weil sIe ihm Diskretion zugesichert hatte.

28S Mißverständlich R. Schmidt, ZPR, § 71 II 2, S.422: Im Bereich des Verhandlungs,grundsatzes dürfe das Gericht beachten, was es nach Vorstellung der Parteien beachten solle. 286 RGZ 35, 105 (109) dazu sogleich im Text -; Planck, Bd. II I, § 97 II 4, S. 107 (für § 142 ZPO [no Z.]); § 119 I 5 a, S.250 (für § 423 ZPO [no Z.]); vgl. auch RGZ 69, 401 (405); Siegel, S.92, 96 f.; a. A. anscheinend Förster / Kann, §423 Anm.2. 287 a. A. Förster / Kann, § 423 Anm. 2. 288 Planck, Bd. II 1, § 97 II 4, S.107; § 119 I 5 a, S.250; im Ergebnis wie hier Bathe, S. 132. 28g RGZ 33, 131; 35, 105. Die Urteile sind in derselben Sache ergangen.

§ 11. Die Bezugnahme

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Für den Urkundenbeweis kommt es auf die Echtheit der Urkunde und damit auf die Erkennbarkeit des Ausstellers an290 . Deshalb hätte es nahegelegen, die Beweiseignung der vorgelegten Urkunde zu verneinen. Das RG wählte einen anderen Weg. Es verneinte eine Bezugnahme zur Beweisführung (§ 423 ZPO)291 und trug also dem zum Ausdruck gebrachten Willen der Beklagten Rechnung, sich des Schr·eibens nicht zu bedienen. Die Gebrauchsabsicht ist subjektive Komponente auch der Bezugnahme zum Zwecke des Tatsachenvortrags. Zur Begründung dieser These kann wieder angeknüpft wez,den an die Beispiele, die aus der zunehmenden Prozeßbeteiligung von Teilzahlungsbanken erwachsen292 . Die von ihnen geschlossenen Darlehnsverträge sind durchweg schriftlich fixiert, sie können also Gegenstand einer Bezugnahme sein. TrotZ!dem beschränken sich viele Banken in ihrer Klagebegründung auf einzelne Punkte des Vertrages293 . So wiz,d unter Hinweis auf den Darlehnsvertrag der ausgerechnete Gesamtkredit geltend gemacht, Ausführungen über den Vertragsbeginn, die Höhe des vereinbarten Effektivzinses oder auch nur der monatlichen Kreditgebühren294 fehlen. Oder das Klagevorbringenenthält keine Angaben darüber, ob der Darlehnsnehmer Sicherheit bestellt hat295 oder ob er sonstige Leistungen (Mahngebühr, Verzugszinsen, Beitreibungskosten2OO , Unkostenpauschale297) zu erbringen oder ihm nachteilige Beweislastregeln298 hinzunehmen hat. Aus der Sicht der Banken hat eine solche Beschränkung des Vorbringens ihren guten Grund. Sie verhindert zumindest vorerst299 die Beurteilung des Darlehnsvertrags Zu dieser Voraussetzung Thomas / Putzo, Bem. 3 vor § 415; § 437 Anm. 1. AbI. Förster / Kann, § 423 Anm. 2. Diese Begründung ergibt sich aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe; vgI. vor allem RGZ 35, 105 (109 ff.). 2112 Dazu Bachmann, NJW 1979, 2082 f.; vgI.erneut das Beispiel unten § 15 II bei Fn.519. 293 Diesen Hinweis verdanke ich Herrn RiLG Becker, Essen. Allgemein zur Lückenhaftigkeit urkundlichen Tatsachenvorbringens auch schon Goldmann, JW 1930, 98. 291 Zur Berechnung des Effektivzinses auf dieser Grundlage z. B. BGH NJW 1979, 540 (541), 2089 (2090); Bachmann, NJW 1978, 865 f.; derselbe andernorts (NJW 1979, 2082) auch zu den im nachfolgenden Text angeführten Kriterien für die Beurteilung eines Darlehnsvertrages als sittenwidrig (§ 138 I BGB); ausf. Hadding, Gutachten zum 53. DJT, S. 215 ff. Ferner BGH JR 1981, 364 (366 ff.) mit Anm. Olzen; dazu auch Ott, BB 1981, 937 (941 f.); Rittner, DB 1981, 1381 f. 295 BGH JR 1976, 17 (18). 296 BGH NJW 1979, 805 (806), 2089 (2090). 297 BGH NJW 1979, 805 (806), 2092 (2093). 2118 BGH NJW 1979, 2092 (2093). 2911 Zu der Zulässigkeit einer vorbereitenden Maßnahme nach § 273 II Nr. 1 ZPO, die auf die Vervollständigung des Vorbringens zielt, oben § 11 I 2. 200 291

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

als sittenwidrig und verringert so das Risiko, daß die Klage als unschlüssig abgewiesen wird. Vielleicht läßt sich in manchen Fällen der Vorwurf erheben, die Klagebegründung sei nicht genügend substantiiert, so etwa, wenn nur die Höhe des Gesamtkredits angegeb€n wh'd. Die Tatsachen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt, braucht die Klägel'in jedenfalls nicht vorzubringen. Die Behauptungs- und Beweislast trägt insoweit der beklagte Darlehnsnehmer3 °O. Ist er im Verhandlungstermin säumig, kann also Versäumnisurteil ergehen301 ; versäumt er es, im Hinblick auf § 138 I BGB wesentliche Gesichtspunkte geltend zu machen, wird der Klage ebenfalls stattgegeben. Der Praxis noch geläufiger sind freilich andere Fälle. Fast regelmäßig finden sich beim Vorhandensein einschlägiger Urkunden Abschriften, Durchschriften oder Fotokopien von ihnen in der Anlage zu den Schriftsätzen, obwohl die für die Schlüssigkeit von Klage oder Verteidigung notwendigen Tatsachen im Schriftsatz vorgetragen sind. Soweit - wie bei §§ 134, 142 ZPO - derartige Kopien des Originals nicht ausreichen, handelt es sich ebenfalls um eine Bezugnahme auf die Originalurkunde 302 , aus der die Vorlegungslast entsteht. Genügt aber die Vorlegung etwa einer Abschrift (vgl. § 131 ZPO) oder kommt es in Erfüllung der Vorlegungslast (§§ 134, 142 ZPO) zur Vorlegung des Originals, so hat sich damit die Bedeutung der Vorlegungslast erschöpft. Wie in den Beispielsfällen, in denen es um die Klagen von Teilzahlungsbanken ging, die Klägerinnen sich die Verteilung des Prozeßrisikos zunutze machen wollten, geht das legitime Interesse 303 jeder Prozeßpartei dahin, ihren Vortrag nicht auf die Begründung gegnerischer Einwendungen zu erstrecken. Bei der Vorlegung einer Urkunde oder einer Urkundenabschrift läßt sich dem wiederum durch die Frage nach dem Benutzungswillen Rechnung tragen, wenn die Urkunde auch Tatsachen enthält, die vorzutragen Sache des Gegners ist. Dieses Mal geht es allerdings nicht darum, ob die Urkunde in Bezug genommen, deshalb vorzulegen und zu berücksichtigen ist, sondern darum, inwieweit dies geschehen ist oder zu geschehen hat304 , Wenn das Gesetz aber schon den gänzlichen Ausschluß einer Urkunde in das Belieben einer 300 Vgl. Palandt ! Heinrichs, § 138 Anm. 1 h. Zu der Möglichkeit des Darlehnsnehmers, seiner Behauptungslast zu genügen, unten § 15 II 2 a. 301 Beispiel: BGH NJW 1979, 2089. Auf Antrag muß Versäumnisurteil gegen den Darlehnsnehmer auch ergehen, wenn die nach § 273 II Nr. 1 ZPO angeforderte Vertragsurkunde vorgelegt wird und sich aus ihr die Unschlüssigkeit des Klagevorbringens ergibt, der Darlehnsnehmer eben wegen seiner Säumnis den Urkundeninhalt aber nicht vorträgt. 302 Seujjert! Wals mann, § 134 Anm. 1. 303 Rosenberg ! Schwab, § 65 VIII 3, S. 376; vgl. auch SWrner, Aufklärungspflicht, S. 9 ff. mit zahlr. Nachw.; ferner Thomas ! Putzo, § 138 Anm. I 2 a. 3114 So im Ansatz RGZ 35, 105 ff.

§ 11.

Die Bezugnahme

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Partei stellt3QS , so sollte sie erst recht den Umfang bestimmen können, in dem der Urkundeninhalt zur Entscheidungsgrundlage werden darf 3°O. V. Die Bezugnahme als Vorlegungsgrund bei Tatsachenurkunden

Der Umstand, daß eine Bezugnahme auf Urkunden auch zu einem anderen Zweck als dem der Beweisführung praktiziert wird und dem Merkmal der Bezugnahme in diesem Bereich des urkundlichen Tatsachenvortrags besondere Relevanz zukommt, hat indizielle Bedeutung für die Frage nach der inhaltlichen Tragweite der Bezugnahme im Sinne der Vorlegungsbestimmungen. Wollte man nämlich überall den Hinweis auf eine Urkunde etwa zum Zwecke der Klagebegründung aus dem Begriffsbereich der Bezugnahme ausklammern 3Q7 , so hätte das allzu weitreichende Konsequenzen: Der Kläger müßte im eigenen Interesse die Urkunde vorlegen, um durch sie seinen Vortrag zu ergänzen. Fast zwangsläufig würde er dann gegen seinen Willen auch ihm nachteilige Tatsachen vorbringen müssen, wenn sie in der Urkunde enthalten sind. Denn Ausstreichungen o. ä. ließen die Frage nach dem Inhalt des so unkenntlich Gemachten auftauchen. Sie nicht zu beantworten, wäre riskant 3Q8 • Auf diese Weise wäre ein Zwang zu vollständigem Vortrag ausgeübt, der weder mit dem Verhandlungsgrundsatz vereinbar noch durch die Forderung nach Vollständigkeit (§ 138 I ZPO) geboten ist. Führt der Weg zur Berücksichtigung eines Urkundeninhalts aber über die Bezugnahme und damit über den Bezugnahmewillen, ist die notwendige Korrektur gewährleistet. 1. Die heutigen Regelungen der ZPO Neben diesem aus allgemeinen Überlegungen gewonnenen Argument existieren spezielle Anhaltspunkte, die für eine umfassende Bedeutung der Bezugnahme i. S. der §§ 131, 134, 142, 273 II Nr. 1 ZPO sprechen. 305 Die Grenze findet sich erst in deren aus materiellrechtlichen Bestimmungen zu entnehmenden Pflichten (§ 422 ZPO). 306 a. A. Wieczorek, § 420 Rz. A H; ferner Bathe, S. 135 ff., der eine Schwärzung oder sonstige Unkenntlichmachung von Urkundenteilen - nichts anderes als eine Form, den Umfang der Bezugnahme zu beschränken - als gegen den Urkundeninhaber verwendbar erachtet. 307 So aber Planck, Bd. 11 1, § 97 11 4, S. 107 (für § 142 ZPO [no Z.]); Stein / Jonas / Pohle, 19. Aufl., § 134 Anm. I; § 142 Anm. I; Siegel, S. 96 f. (für §§ 134, 142 ZPO); vgl. auch Wieczorek, § 142 Rz. B HI; a. A. Weismann, § 4011, S. 132; Förster / Kann, § 142 Anm. 1 b aa; Sarwey, § 423 Anm. 1 (für § 134 ZPO [no Z.]); wohl auch Struckmann / Koch, Anm. zu § 131: Wieczorek, § 131 Rz. A I a; ferner Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 423 Anm. 1; Thomas / Putzo, Anm. zu § 423, die anscheinend nur für § 423 ZPO die Bezugnahme auf den Inhalt nicht ausreichen lassen. 308 Bathe, S. 135 ff.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Auffallend ist vor allem der Gegensatz zwischen der Fassung der §§ 131, 134, 142 ZPO und der des § 423 ZPO. Anders als dort ist hier der Zweck der Bezugnahme, "zur Beweisführung" zu erfolgen, hervorgehoben. Es geht nicht an, gleichwohl von einer Kongruenz all jener Bestimmungen dergestalt auszugehen, daß in § 423 ZPO das ausgesprochen ist, was auch in §§ 131, 134, 142 ZPO gemeint ist 309 • Unter Hinweis auf die Stellung des § 423 ZPO innerhalb der Vorschriften über den Urkundenbeweis läßt sich das nicht begründen311l • Gerade weil § 423 ZPO auf den Urkundenbeweis beschränkt ist, kann von dieser Vorschrift nicht auf eine Übereinstimmung allgemeiner Regelungen (§§ 131, 134, 142 ZPO) mit ihr geschlossen werden. Vielmehr liegt umgekehrt die Folgerung nahe, daß § 423 ZPO als lex specialis nur einen Ausschnitt des in §§ 131, 134, 142 ZPO normierten Bereichs, eben die Bezugnahme zur Beweisführung regelt. Und die Vorschrift zeigt weiter, daß dem Gesetzgeber andere Arten der Bezugnahme, die durch die Fassung des § 423 ZPO aus dessen Anwendungsbereich ausgenommen sind, vor Augen standen. Auf sie auch die §§ 131, 134, 142, 273 II Nr. 1 ZPO nicht für anwendbar zu erklären, wäre durch Hinzufügung eines dem § 423 ZPO entsprechenden Zusatzes ein Leichtes gewesen. Auch angesichts des Bedeutungszusammenhangs, in dem die §§ 131, 134 ZPO stehen, sollte eine jede Bezugnahme auf Urkunden ausreichen. Denn die Bezugnahme hat danach in einem vorbereitenden Schriftsatz zu erfolgen. Mit dessen Inhalt steht sie also im Zusammenhang, ihn ergänzt sie. Er beschränkt sich aber nicht auf die Bezeichnung der Beweismittel (§ 130 Nr. 5), sondern erfaßt selbstverständlich ebenfalls das Vorbringen von Tatsachen (§ 130 Nr. 3,4 ZPO). Ähnliches gilt für § 142 ZPO, der an eine Bezugnahme auch in der mündlichen Verhandlung anknüpft311 • Denn durch § 137 III ZPO, der eine Bezugnahme etwa auf vorbereitende Schriftsätze ihrem gesamten Inhalt (§ 130 ZPO) nach zuläßt, ist die Bezugnahme auf tatsächliches Vorbringen ebenso ermöglicht wie auf dort bezeichnete Beweismitte1312 •

2. Die historische Entwicklung der Vorlegungsbestimmungen Schließlich folgt aus der historischen Entwicklung, daß im Zusammenhang der §§ 131, 134, 142 ZPO einerseits eine Beschränkung der BezugVgl. aber Apt, S. 24; Siegel, S. 96. Anders Apt, S. 23 f. 311 Siehe oben § 10 III 3. 312 Die Verwendung des Bezugnahmebegriffs durch die ZPO im übrigen (vgl. §§ 297 II, 313 b II S. 4, 543 II S. 2 ZPO) sei nur am Rande vermerkt. Immerhin handelt es sich dort stets um eine Verweisung auf den Inhalt einer anderweitigen Äußerung. 309 310

§ 11. Die Bezugnahme

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nahme auf die Benutzung einer Urkunde zu Beweiszwecken nicht gewollt war, daß andererseits diese Modalität der Verweisung auf eine Urkunde aus dem Geltungsbereich der §§ 131, 134, 142 ZPO aber auch nicht ausgenommen sein sollte. a) Die Motive zum Entwurf III zur ZPO (1874) So sahen die Motive zum E III eine Aufgabe der §§ 131, 134, 135 ZPO darin, dem Gegner die Verteidigung gegen den Inhalt einer Urkunde ru ermöglichen313 . Verteidigung gegen den Urkundeninhalt war aber nicht Verteidigung gegen die Urkunde als Beweismittel. Eine Bezugnahme, die eine solche Verteidigung notwendig macht, war deshalb keine Bezugnahme zur Beweisführung. Denn auf ihren Inhalt erstreckte sich auch damals die Beweiskraft einer Urkunde nicht314 . Und § 142 ZPO sollte helfen, dem Gericht die Entscheidungsgrundlage zu verschaffen315 ; sie besteht ebenfalls nicht nur in der Benennung der Beweismittel. Die §§ 131, 134, 135 ZPO dienten daneben dem Zweck, eine Erklärung des Gegners über die beweisrechtliche Bedeutung der erwähnten Urkunde vorzubereiten: Er sollte die Urkunde einsehen dürfen, um seiner Last aus § 439 ZPO genügen zu können316 , 317. Bezeichnend für die Auffassung, die den Motiven zugrunde lag, ist zudem der Hinweis auf das Vorbild des § 134 ZPO. Die Norm ist der Regelung in Art. 188 des code de procedure civile von 1806 nachgebildet318 • Art. 188 CPC gab 319 den Parteien die Befugnis, von der jeweils anderen Partei Urkunden, Schriftstücke, mitgeteilt zu verlangen, welche die eine Partei gegen die andere, zu welchem Zweck auch immer320, verwendet hatte: "Les parties pourront respectivement demander, par un simple act, communication des pieces employees contre elles, dans les trois jours OU lesdites pieces auront He signifiees ou employees"321.

313

314 315

Hahn, Bd.2, S.212. Endemann, Der deutsche Zivilprozeß, Bd. 2, Bem. II vor § 380. Motive E III, Hahn, Bd. 2, S. 215.

Motive E III, aaO., S. 212. Der enge Zusammenhang mit § 420 ZPO (Motive E III, aaO., S. 212) ist bei dieser Auslegung der §§ 131, 134, 142 ZPO also nicht gelöst. 318 Motive E III, aaO., S. 212. m Zu Neuerungen im französischen Zivilprozeßrecht Habscheid, Festschrift für Beitzke, S. 1051 ff. 32il Vgl. auch Schlink, S. 441, 442. 321 Daß nach dem Code unter den dort angeführten pieces nicht ausschließlich Beweisstücke zu verstehen waren, ergibt sich auch aus einem Vergleich mit Art. 77 CPC, wo anders als in Art. 188 CPC die Rede war von "pieces ä l'appui" (vgl. Daniets, S.93). 316

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Die Verweisung der Motive322 auf die Hannoversche Bürgerliche Proceßordnung (1850), die Civilprozeßordnung für das Königreich Württemberg (1868)323 sowie auf mehrere Entwürfe von Prozeßgesetzen - Hannoverscher Entwurf (1866), die Entwürfe Preußens (1864) und des Norddeutschen Bundes (1870) - ist unter dem hier in Rede stehenden Aspekt unklar. Denn vom Wortlaut der dortigen Vorschriften her erstreckte sich die Vorlegungslast einmal nur auf Beweisurkunden (§ 134 Hann. BPO), zum anderen auf Urkunden, die zur Klagebegründung in Bezug genommen wurden (§ 325 Preuß. Entw.), oder unterschiedslos auf Urkunden (Art.185 Württ. CP032" § 124 Hann. Entw., § 193 Nordd. Entw.). Gleiche Differenzen ergeben sich im Hinblick auf die zur Begründung des

§ 142 ZPO angeführten Vorarbeiten 325 • Sie verhalten sich allerdings in keinem

Fall über den Zweck der Bezugnahme, sondern äußern sich zu dem Zweck der Vorlegungsanordnung, die Folge der Bezugnahme ist. Rückschlüsse sind von daher jedoch zulässig. Unterstellt man nämlich die Berücksichtigung von Urkunden dem Parteiwillen, indem man sie von einer Bezugnahme abhängig macht, so müssen die Unterscheidungen innerhalb des Bezugnahmebegriffs auch fortwirken. Das Gericht kann also die Urkundenvorlegung nur in einem Umfang anordnen, der die durch die Bezugnahme gesteckten Grenzen nicht überschreitet328 • Der Zweck der Bezugnahme bestimmt somit den Zweck der Vorlegungsanordnung. Daraus folgt die Widersprüchlichkeit der Motive. Diente die Vorlegungsanordnung in einem Fall (Art. 396, 433 Bayr. PO [1869]327) der Beweiserhebung328, so war sie in anderen Fällen Mittel "zur Aufklärung" der Sache, des Sachverhalts (§§ 260, 266 II Preuß. Entw., Art. 204 Württ. CPO, § 140 Hann. Entw., § 314 Nordd. Entw.). b) Die Vorarbeiten zur ZPO So unergiebig die Verweisungen der Motive auf eine Mehrzahl an Kodifikationen und Entwürfen auch sind, so ergeben sich doch aus manchen dieser Gesetzgebungswerke gewichtige Anhaltspunkte für das Verständnis der Bezugnahme im Wortgebrauch der ZPO. 322 Motive E III, Hahn, Bd. 2, S. 212. 323 Regierungsblatt für das Königreich Württemberg, 1868, S. 191. - Zur Hannoverschen Bürgerlichen Proceßordnung und den im Text angeführten Entwürfen unten § 11 V 2 b, C. 324 Siehe aber Fecht, Anm. zu Art. 185, wonach diese Vorschrift anscheinend nur die Aufforderung zur Vorlegung von Beweismitteln regelte. 325 Motive E III, Hahn, Bd. 2, S. 215, 216. 326 a. A. Bomsdorf, S.250. 327 "Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern". (Neudrucke zivilprozessualer Kodifikationen, Bd.4.) 328 Art. 433 Bayr. PO sah die Anordnung (der Begutachtung durch Sachverständige) vor "zur Ermittelung oder Beurtheilung streitiger Thatsachen oder Zustände ... " - Auch Art. 396 Bayr. PO, die dem Art. 433 Bayr. PO entsprechende Regelung über die Augenscheinseinnahme, sollte nach seiner systematisch'en Stellung innerhalb der beweisrechtlichen Bestimmungen eine Reglelung des Beweisverfahrens sein (vgl. auch Art. 325 Bayr. PO: "Die zulässigen Arten von Beweismitteln sind Urkunden, Augenschein, Zeugen, Sachverständige und Eid.").

§ 11. Die Bezugnahme

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Zunächst bedarf es jedoch einer Konkretisierung. Die ZPO von 1877 stellte das Ende einer Entwicklung dar, auf die in ihrer Gesamtheit trotz oder gerade wegen der Vielfalt an vorangegangenen Arbeiten nur wenige Gesetzgebungswerke unmittelbaren Einfluß ausgeübt haben. Es sind dies 329 die Hannoversche Bürgerliche Proceßordnung von 1850 33°, der Hannoversche Entwurf (Bundesstaatenentwurf) von 1866 33 1, der Norddeutsche Entwurf von 1870 332 sowie der preußische Justizministerialentwurf von 1871 333 , der als Entwurf I zur ZPO von 1877 deren eigentliche, unmittelbare Grundlage bildete: Die ihm folgenden Entwürfe 334 waren nur redaktionelle Überarbeitungen des E I 33ö • Andererseits beruhte der preußische Justizministerialentwurf auf den anderen genannten Vorarbeiten - ein Umstand, der sich vielleicht auch aus der Beteiligung des damaligen preußischen Justizministers Leonhardt, dessen Name sich wie ein roter Faden durch die Entstehungsgeschichte der ZPO zieht336 , an ihnen allen erklären läßt. So war der Norddeutsche Entwurf als der unmittelbare Vorläufer des E I, wenn auch nicht insgesamt, so doch in vielen Bereichen dessen Vorbild. Denn jener war zu sehr das Ergebnis von Kompromissen, als daß ihm ein einheitliches Prinzip hätte zugrunde liegen können 337 • Er ebenso wie alle auf der Hannoverschen Bürgerlichen Proceßordnung aufbauenden Kodifikationen und Entwürfe war überdies mit dem Mangel behaftet,eine Grundidee der Hannoverschen Bürgerlichen Proceßordnung - die Trennung von Behauptungs- und Beweisinstanz - aufgegeben, nicht aber die daraus folgenden Konsequenzen gezogen zu haben338 • Das hindert indessen nicht, den Norddeutschen Entwurf in die Betrachtung einzubeziehen. Denn so gewichtig diese Argumente auch gewesen sein mögen, um den Norddeutschen Entwurf m Dazu auch Mühl, ZZP 66, 179, 181 "Allgemeine bürgerliche Proceßordnung für das Königreich Hannover". Gesetzessammlung Hannover 1850, S. 341. (Text mit Erläuterungen auch bei Leonhardt, BPO [abgedruckt bei Dahlmanns, Bd.1, S. 306 ff.].) 331 "Entwurf einer Civilproceßordnung für die deutschen Bundesstaaten" (Text bei Struckmann [Hrsg.J, Entwurf einer allgemeinen Civilproceßordnung [abgedruckt bei Dahlmanns, Bd.2, S. 59 ff.].) 332 "Entwurf einer Civilprozeßordnung für den Norddeutschen Bund" (Abgedruckt als Anlage zu den Kommissionsprotokollen, Bd. 5, S. 2379 ff.) 333 "Entwurf einer Deutschen Civilprozeßordnung nebst Begründung". (Textausgabe 1871 [abgedruckt bei Dahlmanns, Bd. 2, S. 251 ff.]). 334 EIl von 1872, E III von 1874; vgl. Schwartz, S. 661 ff. m Hellweg, AcP 61, 115, 120, 121. 336 Vgl. Dahlmanns, Bd. 1, S.32; Hellweg, AcP 61, 78 ff., vor allem S.95, 106, 113/114, 120. 337 Vgl. Hellweg, AcP 61, 113. 338 Vgl. die Motive E I, S. 206 (bei Dahlmanns, Bd. 2, S. 462) 330

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

im großen und ganzen abzulehnen339 , so nützlich - und vorbildlich war er, wenn es um die Erfassung und Formulierung einzelner Bestim·· mungen oder Bereiche ging. Die Vorschriften betreffend die Vorlegung von Urkunden sind insoweit ein prägn:antes Beispiel 340 • - War der Norddeutsche Entwurf das Ergebnis der Beratung aller im Norddeutschen Bund zusammengeschlossenen Staaten und lag es vielleicht schon von daher nahe, die ZPO für das Deutsche Reich auf seiner Grundlage zu schaffen, so sah sich die Kommission zur Ausarbeitung des Norddeutschen Entwurfs zu Beginn der Beratungen zwei Entwürfen aus der Zeit des Deutschen Bundes gegenüber, die beide auf eine Vereinheitlichung des Prozeßrechts abzielten: nachdem Preußen 1864 einen entsprechenden Entwurf vorgelegt hatte, folgte ihm 1866 der Hannoversche Entwurf nach 341 • Entgegen der Empfehlung des Bundesrats, die Grundlage für den zu erstellenden Norddeutschen Entwurf in dem Preußischen Entwurf, wenn auch unter Beachtung des Hannoverschen Entwurfs, zu suchen 342 , verkehrte die Kommission diese Rangfolge: Leitfaden für die Beratung wurde der Hannoversche Entwurf von 1866, Bestimmungen des Preußisch'en Entwurfs sollten daneben Berücksichtigung finden 343 • Der Hannoversche Entwurf wiederum orientierte sich an der Hannoverschen Bürgerlichen Proceßordnung: ein Antrag des bayerischen Kommissionsmitglieds, den Beratungen der Bundeskommission den für Bayern erarbeiteten Entwurf einer Prozeßordnung (1861) zugrunde zu legen, wurde abgelehnt 344 • 33V Motive E I, S. 206. Hinsichtlich der Folgerungen, die aus der Verletzung der §§ 131, 134, 142 ZPO zu ziehen sind, wird auf die angebliche Inkonsequenz etwa des Norddeutschen Entwurfs, aber auch des Hannoverschen Entwurfs, zurückzukommen sein. 310 Vgl. auch Hellweg, AcP 61, 115. 311 Einzelheiten bei Hellweg, AcP 61, 80 ff.; siehe auch Laujke, Festschrift für Nottarp, S. 51 f. m Vgl. Hellweg, AcP 61, 105. m S.9/10 Nordd. Protokolle ("Protokolle der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs einer Civilprozeßordnung für die Sta.aten des Norddeutschen Bundes"). Vgl. auch die Begrüßungsansprache des seinerzeitigen Bundeskanzlers v. Bismarck-Schönhausen zur 1. Kommissionssitzung, S.2 Nordd. Protokolle; ferner Hellweg, AcP 61, 107/108. Der Preußische Entwurf basierte auf dem code de procedure civile (Hellweg, AcP 61, 102; Schubert, SZ [Germ. Abt.] 1968, 156; ferner Mittermaier, AcP 47, 433 ff.). Soweit jener Reg·elungen des CPC übernahm oder sich ihnen annäherte - so in § 325 der Regelung des Art. 188 CPC -, können aus dem CPC grundsätzlich Rückschlüsse auf eLen Anwendungsbereich des Preußischen Entwurfs und damit der ZPO gezogen werden. Wo indessen die ZPO selbst die Brücke zum französischen Recht schlägt, bedarf es des Umweges über den Preußischen Entwurf nicht. Ihm kommt für das V·er.ständnis des Bezugnll.hmebegriffs aber erläuternde Funktion zu. lU4 S. 6 ff. Hann. Protokolle ("Protocolle der Commission zur Berathung einer allgemeinen Civilproceßordnung für die deutschen Bundesstaaten").

§ 11. Die Bezugnahme

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Den Rückblick auf die der ZPO von 1877 vorausgehenden Prozeßordnungen hier zu beenden, mag auf den ersten Blick willkürlich erscheinen. Dieses Vorgehen ist gleichwohl gerechtfertigt. Einerlei nämlich, ob man sie als Abschluß einer Jahrhunderte langen Entwicklung, als deren Zusammenfas,sung, oder als wichtigsten Wendepunkt in der deutschen Gesetzgebung345 versteht - die Hannoversche Bürgerliche Proceßordnung markierte einen Einschnitt: sie war so oder so der Grundstein für einen Neubeginn gesetzgeberischer Arbeiten, die in der ZPO ihren Abschluß fanden. Daß die Hannoversche Bürgerliche Proceßordnung selbst keine völlige Neuschöpfung war, sondern aus der Beschäftigung Leonhardts, dem Verfasser der Hannoverschen Bürgerlichen Proceßordnung, mit anderen Prozeßordnungen, insbesondere mit dem gemeinen und dem französischen Prozeßrecht hervorging346, versteht sich einerseits von selbst, unterstreicht andererseits aber die Bedeutung der Hannoverschen Bürgerlichen Proceßordnung für die weitere Entwicklung der Prozeßgesetzgebung. Denn die Nachteile für das Verfahren, die unter der Geltung allein des gemeinen oder allein des französischen Prozeßrechts auftraten347, wurden erstmals als Folge der vermittelnden Funktion der Hannoverschen Bürgerlichen Proceßordnung vermieden. Sie waren zudem der Grund dafür, jedes dieser beiden Rechtssysteme als Vorbild der Reichszivilprozeßordnung abzulehnen348 •

c) Die Bezugnahme auf eine Urkunde im historischen Sprachgebrauch Die geschichtlich·e Entwicklung der Vorlegungsbestimmungen (§§ 131, 134 ZPO) ~eigt, daß der dort gebrauchte Begriff der Bezugnahme umfassend zu verstehen ist und nicht nur die Bezugnahme zur Beweisführung erfaßt. Die Hannoversche Bürgerliche Proceßordnung (1850)

Die Hannoversche Bürgerliche Proceßordnung349 , 350 ging von einer bemerkenswerten, doppelsinnigen Bedeutung der Bezugnahme aus. Der Inwieweit dem hier anzutreffenden Passus, auf andere Entwürfe solle "sorgfältigste Rücksicht" genommen werden (S. 10 Hann. Protokolle), Rechnung getragen wurde, kann sich nur bei der Erörterung einzelner Bestimmungen zeigen. 345 Dazu und zur Einordnung der Hannoverschen Bürgerlichen Proceßordnung im übrigen Dahlmanns, Bd. 1, S. 32 f. mit weiteren Nachw. 346 Vgl. Dahlmanns, Bd. 1, S.32/33 mit weiteren Nachw.; Schubert, SZ (Germ. Abt.) 1968, 152/153. 347 Dazu Motive E I, S. 202, 203 ff. (bei Dahlmanns, Bd. 2, S. 458, 459 ff.). 348 Motive E I, S. 202, 203 ff. Zu den Gründen, die einem Aufbau der ZPO auch auf der Grundlage der Hannoverschen Bürgerlichen Prooeßordnung entgeg'enstanden, siehe soeben bei Fn. 338. Eine Anlehnung an einzelne Bestimmungen war damit freilich nicht unmöglich geworden; vgl. auch Dahlmanns, Bd. 1, S. 37; Müht, ZZP 66, 181. 349 Zu ihr Dahlmanns, Bd.l, S. 32 ff.; HeHweg, AcP 61, 92 ff.; Mittermaier, AcP 33, 119 ff.; Müht, ZZP 66, 165; Schwartz, S. 610 ff. 35G Die in Betracht kommenden Vorschriften, soweit sie den §§ 131, 134, 135, 142,423 ZPO glichen, lauteten (hier in Anlehnung an die Reihenfolge der ZPO): § 188 - Eine Abschrift der Klaganträge ist dem Beklagten, falls mehrere

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Begriff, der aus sich heraus offenbar keiner Einschränkung in dem einen oder anderen Sinn zugänglich war, wurde deshalb konkretisiert: Während die in Bezug genommenen Beweisurkunden nur auf Anforderung des Gegners beim ProZJeßgericht niederzulegen oder dem gegnerischen Anwalt mitzuteilen waren (§§ 134, 138, 139 Hann. BPO), bestand Beklagte vorhanden, einem jeden derselben, falls eine dritte Person zum

Processe beizuladen, auch dieser, nach Vorschrift der §§ 188 flgde. schleunigst

zu behändigen. Neben den Klaganträgen ist eine Abschrift der in den Händen des Klägers befindlichen Urkunden zuzustellen, we'lche die Bevollmächtigung des klägerischen Anwaltes, so wie die thatsächliche Begründung der Klage betreffen, widrigenfalls die durch die Nichtmittheilung herbeigeführten Kosten allein dem Kläger zur Last fallen. Insoweit die Urkunden jedoch der Gegenseite bekannt oder von bedeutendem Umfange sind, genügt statt der abschriftlichen Mittheilung die Erklärung des Klägers, Einsicht derselben gewähren zu wollen. § 191- Mindestens eine Woche vor dem festgesetzten Gerichtstage hat der Anwalt des Beklagten dem klägerischen Anwalte Abschrift seiner Gegenanträge behändigen zu lassen. aber den Inhalt derselben entscheiden unter Berücksichtigung der Bestimmungen der §§ 194 flgde. die Vorschriften der §§ 93 flgde. Die Bestimmung des § 188, 2. S. greift auch hier Platz. § 134 - In Sachen, welche vor die Obergerichte oder das Oberappellationsgericht gehören, ist jede Partei befugt, die Gegenpartei durch einfache schriftliche Mittheilung aufzufordern, diejenigen Beweisurkunden, auf welche sie in ihren Schriftsätzen Bezug genommen hat, binnen einer Frist von drei Tagen auf der Gerichtsschreiberei des Proceßgerichts behuf deren Einsichtnahme niederzulegen. § 138 - Den Anwälten steht es frei, statt der Niederlegung auf der Gerichtsschreiberei, eine Mittheilung der Urkunden von Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung vorzunehmen. Die Frist zur Zurücklieferung beträgt, falls nicht der mittheilende Anwalt ein anderes bestimmt hat, eine Woche. § 139 - Erfolgt nach Ablauf der gesetzlichen, bez. der bewilligten Frist die Rücklieferung nicht, so soll gegen den säumigen Anwalt im Wege der Klage bei dem für die Hauptsache zuständigen Gerichte auf das schleunigste verfahren werden, unbeschadet des Rechts des mittheilenden Anwaltes und seiner Partei, die Einleitung eines Disciplinarverfahrens gegen den säumigen Anwalt zu beantragen. § 110 - Der Vorsitzende des Gerichts eröffnet und schließt die Verhandlung, ertheilt das Wort zum Vortrage und verkündigt das Urtheil ... Er kann behuf besserer Veranschaulichung des Streitgegenstandes verordnen, daß Stammbäume, Stituationspläne, Risse und sonstige Zeichnungen beigebracht werden, ohne daß den Parteien hiergegen irgend ein Rechtsmittel zustände. § 311 - Jede Partei ist, ohne Unterschied der Parteirolle, zur Vorlegung der in ihrem Besitze befindlichen, bezüglich der zu beweisenden Thatsachen erheblichen Urkunden auf Antrag des Proceßgegners verpflichtet, Ausgenommen hiervon ist die von der Partei mit solchen Personen gepflogene Correspondenz, welche, wenn sie darüber zum Zeugnisse vorgeschlagen würden, nach Maßgabe des § 251 das Zeugniß verweigern dürfen. Auch erstreckt sich die Editionspflicht nicht auf bloße Privataufzeichnungen, z. B. Hausbücher, Tagebücher von Nicht-Kaufleuten u. s. w., insofern darin nicht Schuldscheine, Quittungen und überhaupt zum Zwecke eines künftigen Beweises niedergeschriebene Urkunden eingetragen sein sollten.

§ 11. Die Bezugnahme

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kraft Gesetzes die Last zur Übersendung von Abschriften solcher Urkunden, welche die tatsächliche Begründung der Klage und der Gegenanträge betrafen (§§ 188 II, 191 III Hann. BPO)351. Daß mit letzteren auch unter der Geltung der Hannoverschen Bürgerlichen Proceßordnung Beweisurkunden nicht gemeint waren, ergibt sich wenn schon nicht aus der gesetzlichen Hervorhebung der verschiedenen Urkundenfunktionen 352, so jedenfalls aus den Vorschriften über die Antizipation des Urkundenbeweises 353 • Sie fand statt ausschließlich durch Vorlegung des Urkundenoriginals oder einer beglaubigten Abschrift (§§ 305, 328 Hann. BPO). Die in §§ 188 II, 191 III Hann. BPO vorgesehene Inbezugnahme und die Vorlegung einer einfachen Urkundenabschrift blieben folglich unter dem Aspekt des Urkundenbeweises unberücksichtigt. Ihnen kam Bedeutung nur als Grundlage urkundlichen Tatsachenvortrags zu 354 • Darüber hinaus wären die §§ 199, 200 Hann. BPO, welche die Pflicht des Gegners zur Erklärung auf vorgelegte Urkunden (-abschriften) betrafen, lückenhaft, wollte man diese Trennung der §§ 134, 138, 139 Hann. BPO einerseits und der §§ 188, 191 Hann. BPO andererseits nicht vollziehen. Denn auf in einfacher Abschrift vorgelegte Beweisurkunden brauchte sich der Gegner nicht einzulassen (§ 200 Hann. BPO). Daß diese Lücke trotz der ansonsten erzielten Freiheit von Widersprüchen in der Hannoverschen Bürgerlichen Proceßordnun~ in Kauf genommen worden wäre, ist nicht anzunehmen. Spätestens an der Unterschiedlichkeit der Konsequenzen, die aus dem Gebrauch einer Urkunde zum Beweis oder zur tatsächlichen Begründung erwachsen, zeigt sich somit, daß diese Begriffe seinerzeit Verschiedenes bedeuteten: Urkunden, auf die zum Zwecke tatsächlicher Begründung verwiesen wird, sind nicht (auch) zur Beweisführung in Bezug genommen356 • SSl Die Vorschriften galten für das Verfahren vor den Obergerichten (vgl. die überschrift des 2. Teils, 1. Titel) und den Amtsgerichten (§ 375 Hann. BPO). 352 Vgl. Leonhardt, Reform, 1. Beitrag, S. 11; Schüler, S.69; S.5019 Hann. Protokolle, wonach der Begriff der Tatsachen ausnahmsweise Beweisantritte sollte erfassen können. Siehe aber auch Schlüter, Anm. zu §§ 135, 136 einerseits, Anm. 1 b zu §§ 188-190 andererseits, wo - wie hier - an der gesetzlichen Unterscheidung festgehalten wird. Vgl. ferner oben § 11 V 1 die Ausführungen zu § 130 Nr.3-5 ZPO; dieser Vorschrift vergleichbare Bestimmungen enthielt § 405 NI". 2, 3 Hann. BPO für die Berufung-sschrift. 853 Zum Begriff Planck, Beweisurtheil, S. 357 ff. SS4 Vgl. ferner S.78, 79 Hann. Protokolle, wonach die dort zur Beratung anstehende, dem § 188 Hann. BPO entsprechende Bestimmung in § 9 des Referentenentwurfs den Grundsatz der Beweisantizipation gänzlich unberührt ließ. 355 Dahlmanns, Bd. 1, S. 32. 356 Dieser Schluß läßt sich aus der Hannoverschen Bürgerlichen Proceß-

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Eine der heute durch § 142 ZPO gewährten vergleichbare richterliche Befugnis, die Vorlegung von Urkunden aufzugeben, sah die Hannoversche Bürgerliche Proceßordnung nicht vor. Lediglich die Beibringung von Stammbäumen, Situationsplänen, Rissen und sonstigen ~ichnun­ gen konnte nach § 110 Hann. BPO verordnet werden, ohne daß es hierfür allerdings einer Bezugnahme oder auch nur einer objektiven Be2liehung jener Zeichnungen zum Prozeßgegenstand bedurft hätte. Für das Verständnis der Bezugnahme ergeben sich aus § 110 IV Hann. BPO deshalb keine neuen Aspekte. Immerhin bleibt festzuhalten, daß diese Regelung eine Vorlegungsanordnung hinsichtlich jeder Urkunde ermöglichte357 • Denn § 110 Hann. BPO machte die Anordnung im Grunde davon abhängig, daß der Richter die Sach'e für aufklärungsbedürftig hielt; seiner Beurteilung unterlag es also, welche Urkunden beizubringen waren. Der Hannoversche Entwurf (1866)

Der Hannoversche Entwurf 358 ,359 sah in § 122 die gesetzliche Vorlegungslast für jene Urkunden vor, auf die zur Begründung der Geordnung immerhin ziehen, obwohl die §§ 188, 191 Hann. BPO keine Bezugnahme verlangten und den Kreis der vorzulegenden Urkunden dadurch weiter zogen (vgl. heute noch § 143 ZPO). Eine dem § 423 ZPO vergleichbare Bestimmung ("Bezugnahme zur Beweisführung") fehlte in der Hannoverschen Bürgerlichen Proceßordnung. Von daher sind also keine Anhaltspunkte zu gewinnen. 357 Vgl. auch S. 130 Hann. Protokolle. 358 Zu ihm Dahlmanns, Bd. 2, S. 9 ff.; Heilweg, AcP 61, 88 ff.; Laufke, Festschrift für Nottarp, S. 16 ff.; Mittermaier, AcP 47, 50 ff.; Schwartz, S. 646 ff. 3SQ Die einschlägigen Vorschriften lauteten nach den Beschlüssen der B'llndeskommission bei der 2. Lesung wie folgt: § 122 - Den Schriftsätzen sind Abschriften der zur Proceßlegitimation gehö-

1'igen, sowie alle übrigen in den Händen der Partei befindlichen Urkunden, auf welche in den Schriftsätzen zur Begründung der Gesuche Bezug genommen ist, beizufügen. Kommen nur einzelne Theile einer Urkunde in Betracht, so bedarf es nur der Beifügung eines Auszuges, welcher den Eingang, die zur Sache gehörende Steile, den Schluß, das Datum und die Unterschrift enthält. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder von bedeutendem Umfange, so genügt die genaue Bezeichnung derselben mit dem Erbieten, deren Einsicht gewähren zu wollen. § 124 - Hat eine Partei in ihren Schriftsätzen auf Urkunden, welche sich in ihren Händen befinden, Bezug genommen, so ist sie, wenn sie vor der mündlichen Verhandlung von der Gegenpartei rechtzeitig dazu schriftlich aufgefordert wird, verpflichtet, diese Urkunden auf der Gerichtsschreiberei des Proceßgerichts zur Einsicht der Gegenpartei niederzulegen, diese von der erfolgten Niederlegung zu benachrichtigen und ihr eine entsprechende Frist zur Einsicht der Urkunden zu bestimmen. Eine längere als dreitägige Frist kann in keinem Falle beansprucht werden. § 125 - Den Anwälten steht es frei, die Mittheilung der Urkunden von Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung vorzunehmen. Die mitgetheilten Urkunden sind, wenn nicht der mittheilende Anwalt eine andere Frist bestimmt hat, binnen drei Tagen zurückzustellen.

§ 11. Die Bezugnahme

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suche Bezug genommen wurde. Diese Wendung mag, vergleicht man sie mit der in § 188 Rann. BPO gebrauchten, um so eher die Auffassung nahelegen, daß die Beschränkung auf Urkunden, deren Vorlegung zum Zwecke des Vortrags von Tatsachen erfolgte, entfallen ist und nach § 122 Rann. Entw. auch zu Beweiszwecken in Bezug genommene Urkunden vorgelegt werden sollten. So läge § 122 Rann. Entw. überdies auf einer Linie mit § 124 des Entwurfs, der seinem Wortlaut nach die Vorlegungslast kraft gegnerischer Aufforderung über die Beweisurkunden hinaus ausdehnte. Andererseits spricht die Unterschiedlichkeit in der Fassung der §§ 122 und 124 Rann. Entw. gegen eine solche Gleichstellung: Rätte die Vorlegung von Beweisurkunden ebenfalls in den Anwendungsbereich des § 122 Rann. Entw. fallen sollen, hätte sich eine Gleichstellung der §§ 122, 124 des Entwurfs in der Formulierung an geboten360 • Auch die Beratungen der Bundeskommission zeigen, daß § 122 Rann. Entw. inhaltlich nicht von den §§ 188, 191 Rann. BPO abweichen sollte. Im Vergleich zu den §§ 188, 191 Rann. BPO wies die erste Fassung jener Vorschrift auf der Grundlage des Referentenentwurfs nur redaktionelle Umstellungen auf. Nach wie vor war die Rede von dem Zweck der Urkundenvorlegung, der tatsächlichen Begründung der Gesuche zu dienen 361 • Dieser Zweck und der Inhalt des § 122 Rann. Entw. wurden auch in der Folgezeit nicht in Frage gestellt. Allerdings gingen die Änderungen, die der Referentenentwurf bis zur endgültigen Fassung des § 122 Rann. Entw. erfuhr, in eine Richtung, die auf Gegenteiliges hindeuten könnte. Nachdem nämlich zunächst - von dieser Zeit an stets unter Betonung des Parteiwillens Erfolgt die Rückgabe nicht rechtzeitig, so ist der säumige Anwalt auf Vorladung mit kürzester Frist zur unverzüglichen Herausgabe zu verurtheilen. Das Urtheil ist einstweilen vollstreckbar. § 140 - Zur Aufklärung der Sache kann der Vorsitzende anordnen, daß jede Partei die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf welche sie sich bezogen hat, vorlege, und daß Stammbäume, Pläne, Risse und sonstige Zeichnungen beigebracht werden. 360 Siehe auch Winter, S. 51 ff., vor allem S.53: Das im Hannoverschen Entwurf aufgestellte Prinzip der Beweisverbindung (Winter, S. XIV) fand danach seinen Niederschlag eben nicht in § 122 Hann. Entw., sondern in § 120 Nr.4 Hann. Entw. (entspr. § 130 Nr.5 ZPO [dazu oben § 11 VI]). 361 S. 78, 79 a. E. Hann. Protokolle: "Zugleich mit den Anträgen ist eine Abschrift der VoHmacht und der in den Händen der Partei befindlichen Urkunden, welche die thatsächliche Begründung der Anträge betreffen, zuzusteHen. Die durch Unterlassung der ZusteHung verursachten Kosten faHen der säumigen Partei zur Last. Sind die Urkunden der Gegenpartei bekannt oder von bedeutendem Umfange, so genügt statt der abschriftlichen Mittheilung die genaue Bezeichnung derselben mit der Erklärung der Partei, Einsicht derselben gewähren zu woHen."

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

dem Gegner Urkunden zuzustellen sein sollten, "welche von ihr (seil.: der Partei) zur thatsächlichen Begründung der in ihren Schriftsätzen enthaltenen Anträge benutzt werden wollen"362, sollte einem späteren Antrag zufolge über den Kreis der den Schriftsätzen beizufügenden Urkunden die Absicht entscheiden, von einer Urkunde "in dem Rechtsstreite Gebrauch zu maehen"363. Auf diesem am weitestgehenden, weil den Zweck des Gebrauchs nicht bestimmenden Vorschlag beruhte die Endfassung des § 122 Rann. Entw., in der nur noch die Rede war von einer Bezugnahme "zur Begründung"364. Nicht einmal diese Entwicklung in der Terminologie der Bestimmung macht es aber möglich, die Urkundenvorlegung zur tatsächlichen Begründung von Klagen oder Einreden aus dem Anwendungsbereich des § 122 Rann. Entw. auszunehmen. Sie könnte allenfalls herangezogen werden, um eine Ausdehnung auf Urkunden zu rechtfertigen, die zur Beweisführung in Bezug genommen sind. Daß dieses dem Sinn des § 122 Rann. Entw. nicht entsprach, zeigen aber wiederum die Beratungen der Bundeskommission. Denn selbst jener weit gefaßte Antrag zielte nicht auf eine Änderung im Rinblick auf den Zweck der Urkundenvorlegull!g ab. Es ging lediglich darum, wie der Parteiwille, welchen Inhalts auch immer, bei der Verweisung auf Urkunden zur Geltung zu bringen sei. Die Anregung, von der Gebrauchsabsicht abzugehen und statt dessen das leichter feststellbare, weil objektiv zu bestimmende Merkmal der Bezugnahme (zur Begründung) aufzunehmen, wurde deshalb für eine Änderung nur dieser Voraussetzung zum Anlaß genommen 365 . 362 S. 286 Hann. Protokolle. Diese Fassung, mit der die Maßgeblichkeit des Partei willens l'Jum Ausdruck gebracht wurde, stellte das vorläufige Ergebnts der Aussprache über den in § 53 des Referentenentwurfs (und § 134 Hann. BPO) verwendeten Begriff der Bezugnahme dar. Insowe.it jedenfalls verlief von nun an die Entwicklung bis zu den §§ 131, 134 ZPO parallel. § 53 des Referentenentwurfs (S.279 Hann. Protokolle) lautete:

"In den Rechtsstreitigkeiten, für welche Vertretung durch Anwälte geboten ist, kann jede Partei die Gegenpartei schriftlich auffordern, diejenigen Urkunden, auf welche letztere in ihren Schriftsätzen Bezug genommen hat, auf der Gerichtsschreiberei des Proceßgerichts niederzulegen. So lange dieser Aufforderung nicht entsprochen ist, kann die müncliiche Verhandlung abgelehnt und die Gegenpartei zur Niederlegung binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist verurtheilt werden. Wird diese Frist nicht eingehalten, so ist die Ausschließung der nicht mitgetheilten Urkunden für den betreffenden Rechtsstreit auszusprechen." 363 S. 5004 Hann. Protokolle. Diese Formulierung fand auch Eingang in § 134 Hann. Entw. in der Fassung der 1. Lesung; vgl. dazu die von Peterssen und Struckmann herausgegebene Textausgabe des Hannoversch.en Entwurfs, 1. Lesung. 364 S.5{)05 Hann. Protokolle. Vgl. aber auch S.284 Hann. Protokolle, wo die

Bezugnahme zur Begründung in Gegensatz gestellt wird zur Bezugnahme zum Beweis. 365 S. 5005 Hann. Protokolle.

§ 11. Die Bezugnahme

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Trotzdem hatte diese Änderung entgegen der Intention des Antrags, der zu jener den Anlaß gab, auch eine inhaltliche Abgrenzung des § 122 Hann. Entw. zu § 124 Hann. Entw. zur Folge. Denn die Vorläufer beider Bestimmungen nach den Beschlüssen der Bundeskommission bei der ersten Lesung hatten den Hinweis auf die Gebrauchsabsicht enthalten (§§ 134, 175 Hann. Entw. [1. Lesung]366). Nur in § 122 Hann. Entw. wurde aber in der Folgezeit der Zusatz eingefügt, der den Zweck der Bezugnahme festlegte ("zur Begründung") und den Anwendungsbereich des § 122 Hann. Entw. im Vergleich zu dem des § 124 Hann. Entw. also einengte 367 . § 124 Hann. Entw. umfaßte demgegenüber beide Arten der Bezugnahme, also auch die Bezugnahme zwecks Tatsachenvortrags. Denn mit § 124 Hann. Entw. - einer Bestimmung, die schon zu Anfang der Beratungen neutral in dem Sinne formuliert war, daß sie jede Bezugnahme auf Urkunden ·erfassen konnte 368 - sollte ein besonderes Verfahren zur gegenseitigen Mitteilung von Urkunden in das Prozeßrecht eingeführt werden3611 . Die Besonderheit war darin zu sehen, daß mit § 124 des Entwurfs 370 eine Vorlegungspflicht für andere als Beweisurkunden angestrebt wurde. Denn Urkunden, die zum Beweise benutzt werden sollten, waren Gegenstand schon des gewöhnlichen Editionsverfahrens 371 , insoweit bedurfte es einer Vorschrift wie der des § 124 Hann. Entw. also nicht. Andererseits sollte die Bezugnahme zur Beweisführung nicht aus dem Geltungsbereich des § 124 Hann. Entw., der so immerhin eine Klarstellung -enthielt, ausgenommen sein. Das zeigt di-e Entwicklung, welche die Vorschrift bis zur Fassung des Entwurfs nahm. Entsprechend der zunächst verfolgten Absicht, das Editionsverfahren auf Tatsachenurkunden auszudehnen, kam es im Verlaufe der Beratungen zu ein-er Änderung, die das seinerzeit angestrebte Ziel d-eutlich machte. Auch nach § 53 des Referentenentwurfs sollten nur Urkunden vorzulegen sein, die der tatsächlichen Begründung der Anträg-e dienten372 , 373. 366 Siehe dazu soeben Fn. 363. 381 Ohne Differenzierung zwischen den §§ 134, 175 Hann. Entw. (1. Lesung) daher zu Recht noch Meyersburg, S. 18. 368 Siehe soeben Fn. 362. 369 S. 283, 284 Hann. Protokolle. 370 § 53 des Referentenentwurfs (S. 279 ff. Hann. Protokolle). 371 S.284 Hann. Protokolle. Das ist das im Beweisrecht geregelte Verfahren zur Herausgabe von Urkunden an den Beweisführer (§§ 377 ff. Hann. Entw.); vgl. Siegel, S. 2. 372 S. 279 ff., 285 a. E. Hann. Protokolle. - Siehe auch Meyersburg, S.18 (zu §§ 134, 175 des Entwurfs nach der 1. Lesung). 373 Hervorhebung nur hier. 8 Sdueiber

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Bezeichnenderweise wurde diese Einschränkung zugunsten einer wieder umfassenden Formulierung in § 124 Hann. Entw. aufgegeben. Von dem Zweck der Vorlegungsanordnung, nicht: der Bezugnahme, zur Aufklärung der Sache beizutragen, sprach § 140 Hann. Entw. Folglich konnten im Rahmen dieser Bestimmung alle Urkunden zum Gegenstand auch einer Bezugnahme gemacht werden, die diesem Zweck förderlich waren. Sowohl die Bezugnahme zwecks urkundlichen Parteivorbringensals auch die Bezugnahme zur Beweisführung waren damit erfaßt374 • Denn Aufklärung kann der unstreitige, in sich aber unklare Parteivortrag ebenso erheischen wie bestrittenes Vorbringen, bei dem es um die Aufklärung des wahren Sachverhalts geht. Der Preußische Entwurf (1864)

Geringeren Einfluß als der Hannoversche Entwurf nahm der Preußische Entwurf (1864)375 auf die Entstehung des Norddeutschen Entwurfs und damit der ZPO. Erklärtes Ziel der Beratungen des Norddeutschen Entwurfs war es zwar, auch den Bestimmungen des Preußischen Entwurfs Rechnung zu tragen376 . Wie wenig dieses Ziel aber im Auge behalten wurde, zeigt sich an der Entwicklung bis zu § 191 Nordd. Entw. Obwohl nämlich § 297 Preuß. Entw. ebenfalls eine tragfähige Grundlage für die Schaffung einer Regelung wie der des § 191 Nordd. Entw. abgegeben hätte, wurde jene Vorschrift den Kommissionsberatungen nicht zugrunde gelegt. Ausgangspunkt der Aussprache war allein § 122 Hann. Entw. 377 . Anders als § 297 Preuß. Entw. fand § 325 Preuß. Entw. in die Beratungen des Norddeutschen Entwurfs Eingang378. Deshalb ist bemerkenswert, daß § 325 Preuß. Entw. (ebenso wie § 297 Preuß. Entw.)379 von einer Bezugnahme "zur Begründung" der Anträge (§ 297: der Klage) Vgl. auch S. 130 Rann. Protokolle; Winter, S. 61. Zu ihm Hellweg, AcP 61, 99 ff.; Mittermaier, AcP 47, 433 ff.; Schwartz, S. 641 ff. 816 Siehe oben § 11 V 2 b. 377 S. 282 Nordd. Protokolle; vgl. dort noch S. 635, 1335,2325, 2347. 878 S.282 Nordd. Protokolle. 314

S75

m § 297 - Der Klage ist eine Abschrift der darin zu ihrer Begründung in Bezug genommenen Urkunden. in deren Besitz sich der Kläger befindet, beizufügen. Ist eine Urkunde sehr umfangreich, so genügt die Beifügung eines das Wesentliche enthaltenden Auszuges. Die Beifügung einer Abschrift oder eines Auszuges der Urkunde kann unterbleiben, wenn vorauszusetzen ist, daß der Beklagte sich gleichfalls im Besitze eines Exemplars der Urkunde befinde. § 325 - Jeder Anwalt kann verlangen, daß der Gegenanwalt diejenigen in seinem Besitze befindlichen Urkunden, auf welche derselbe zur Begründung seiner Anträge Bezug genommen hat, binnen einer Frist von drei Tagen nach Zustellung einer Aufforderung ihm zur Einsicht mittheile.

§ 11. Die Bezugnahme

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spricht. Zur Begründung der Anträge zählen nach der gesetzlichen Definition in § 308 Preuß. Entw. die "wesentlichen Thatsachen, auf welche die einzelnen Anträge gestützt werden". Die Bezugnahme auf Urkunden zum Zwecke des Vorbringens von Tatsachen ist damit jedenfalls eingeschlossen. Daß dies auch der Absicht des Gesetzgebers entsprach, zeigen die Motiv,e zum Preußischen Entwurf3 8o : "Hinsichtlich des Beweises durch Urkunden, welche die produzirende Partei besitzt, erscheint die Antizipation des Beweises selbst sogar, nach der übereinstimmenden Ansicht aller Autoritäten, als das einzig Natürliche und Sachgemäße; sei es,

daß dieselben den Grund der Klage oder Einrede bilden, sei es, daß sie auch nur Beweisurkunden sind, immerhin liegt kein Grund vor, die Zurückhaltung derselben zu gestatten."

Die dem § 142 ZPO vergleichbaren Bestimmungen des Preußischen Entwurfs fanden sich in §§ 262 I, 266 11. Obwohl dort auf eine Bezugnahme durch die Parteien verzichtet wurde, zeigt sich doch an dem Zweck einer nach diesen Vorschriften ergehenden Vorlegungsanordmmg, daß es nicht (nur) um eine Beweiserhebung von Amts wegen geht. Notwendig war danach lediglich, daß die Einsicht in Urkunden erforderlich oder die geforderte Aufklärung zu vollständiger Ermittlung des Sachverhalts dienlich erschien (§ 262 I Preuß. Entw.) oder Stammbäume, Pläne und andere Zeichnungen zur Veranschaulichung beitrugen (§ 266 II Preuß. Entw.)381. :182

Der Norddeutsche Entwurf (1870) Erstmals im Norddeutschen Entwurf 383 ,384 wurde auf einen den Zweck der Bezugnahme verdeutlichenden Zusatz sowohl in § 191 S. 71. Hervorhebung im folgenden Zitat nur hier. § 262 I - Der Vorsitzende des Gerichts ist befugt, bei der mündlichen Verhandlung von jeder Partei oder deren Bevollmächtigten diejenigen Aufklärungen zu fordern, welche zum Verständnisse ihrer Anführungen und Anträge, zur Beseitigung von Dunkelheiten und Zweifeln, wozu dieselben Aniaß geben, sowie überhaupt behufs vollständiger Ermittelung des Sachverhalts dienlich erscheinen. § 266 II - Behufs besserer Veranschaulichung des Streitgegenstandes kann eine Partei auch zur Beibringung von Stammbäumen, Plänen und anderen Zeichnungen aufgefordert werden. Z82 Eine dem § 423 ZPO entsprechende Vorschrift kannte der Preußische Entwurf nicht (vgl. dort § 440; ähnlich heute § 422 ZPO). 383 Zu ihm Hellweg, AcP 61, 103 ff.; Schwartz, S. 646 ff. 384 § 191 Einem vorbereitenden Schriftsatze ist eine Abschrift der in den Händen der Partei befindlichen Urkunden beizufügen, auf welche in dem Schriftsatze Bezug genommen wird. Kommen nur einzelne Theile einer Urkunde in Betracht, so genügt die Beifügung eines Auszuges, welcher den Eingang, die zur Sache gehörende Stelle, den Schluß, das Datum und die Unterschrift enthält. 380

381

8*

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

(entspr. § 131 ZPO) als auch in § 193 (entspr. § 134 ZPO) verzichtet. Allein § 314 Nordd. Entw. (entspr. § 142 ZPO) gab insoweit Anhaltspunkte, als diese Vorschrift - wie schon § 140 Hann. Entw. - dem Gericht eine Handhabe zur Aufklärung des Sachverhalts bot und damit 385 jede Art der Bezugnahme in ihren Anwendungsbereich einschloß. Daß gleichwohl auch die Bezugnahme zum Zwecke urkundlichen Tatsachenvortrags von den Vorlegungsbestimmungen des Norddeutschen Entwurfs (§§ 191, 193) erfaßt wurde 386 , versteht sich fast von se1bst 'angesichts dessen, was bisher zu den Vorschriften des Hannoverschen Entwurfs (und des Preußischen Entwurfs), den Vorbildern der §§ 191, 193 Nordd. Entw. 38 1, gesagt worden ist. Darüber hinaus zeigt der Verlauf der Kommissionsberatungen, daß dieses Verständnis des Bezugnahmebegriffs das zutreffende ist. Denn Kritik an § 122 Hann. Entw. wurde nur laut hinsichtlich der in dieser Bestimmung vorgesehenen Last zur Vorlegung von Urkunden, welche die Legitimation eines Vertreters betrafen. Im übrigen - und damit Wenn die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder von bedeutendem Umfang sind, so genügt die genaue Bezeichnung derselben mit dem Erbieten, Einsicht zu gewähren. Dem vorbereitenden Schriftsatze ist eine Abschrift der die Prozeßlegitimation betreffenden Urkunden, soweit eine solche Abschrift dem Gegner noch nicht mitgetheilt ist, beizufügen. § 193 - Die Partei ist, wenn sie rechtzeitig aufgefordert wird, verpflichtet, die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf welche sie in einem vorbereitenden Schriftsatze Bezug genommen hat, vor der mündlichen Verhandlung auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen und den Gegner von der Niederlegung zu benachrichtigen. Der Gegner hat zur Einsicht der Urkunden eine Frist von drei Tagen. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. § 194 - Den Rechtsanwälten steht es frei, die Mittheilung von Urkunden von Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung zu bewirken. Wenn ein Rechtsanwalt eine ihm eingehändigte Urkunde nicht binnen der bestimmten Frist (§ 193) zurückgiebt, so ist er auf Antrag zur unverzüglichen Zurückgabe zu verurtheilen. Ueber die Verpflichtung zur Zurückgabe wird nach den Vorschriften über den prozessualischen Zwischenstreit verhandelt. § 314 - Zur Aufklärung der Sache kann das Gericht anordnen, daß eine Partei die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf welche sie sich bezogen hat, vorlege und daß sie Stammbäume, Pläne, Risse und sonstige Zeichnungen beibringe. § 576 - Der Gegner ist auch zur Edition derjenigen in seinen Händen befindlichen Urkunden verpfHchtet, auf welche er im Prozesse zur Beweisführung Bezug genommen hat, selbst wenn die Bezugnahme nur in einem vorbereitenden Schriftsatze geschehen ist. 385 Siehe auch S. 294 Nordd. Protokolle. 386 a. A. wohl Silberschlag, AcP 53, 147. 387 Vgl. auch S.480 Nordd. Protokolle: Verweisung auf die §§ 122 Hann. Entw., 297 Preuß. Entw. als Vorbild für § 164 des Kommissionsentwurfs (entspr. § 191 Nordd. Entw.) und auf die §§ 124 Hann. Entw., 325 Preuß. Entw. als Vorbild für § 166 des Kommissionsentwurfs (entspr. § 193 Nordd. Entw.).

§ 11. Die Bezugnahme

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auch im Hinblick auf den Zweck der Bezugnahme - blieb § 122 Hann. Entw. ohne Widerspruch 388 • Noch im Kommissionsentwurf fand sich denn auch ein dem § 122 Hann. Entw. entsprechender Passus, wonach die Bezugnahme "zur Begründung der Anträge" zu erfolgen hatte, sollte aus ihr die Vorlegungslast erwachsen389 • Der Zusatz entfiel erst gegen Ende der Kommissionsberatungen. Der Grund dafür wurde nicht genannt 390 • Er bestand aber jedenfalls nicht darin, die Bezugnahme zum Zweck urkundlichen Tatsachenvortrags aus dem Anwendungsbereich der §§ 191, 193 Nordd. Entw. auszunehmen. Das zeigt die Vorgeschichte der §§ 191, 193 Nordd. Entw. ebenso wie der Umstand, daß so eine Einschränkung aufgegeben, die Grenzen des § 191 Nordd. Entw. also weiter gesteckt wurden. Innerhalb dieser Grenzen sollte fortan aber auch die Bezugnahme zur Beweisführung liegen. Denn die Verbesserung391 des § 191 Nordd. Entw. bewirkte, daß die gesetzliche Vorlegungslast, was die Bezugnahme angeht, auch nach dem Wortlaut des § 191 Nordd. Entw. mit der Vorlegungslast kraft gegnerischer Aufforderung (§ 193 Nordd. Entw.) übereinstimmte. Die Bezugnahme im Rahmen dieser Vorschrift war jedoch im Verlaufe der Beratungen in einer Hinsicht konkretisiert worden: Die dem Gegner in § 193 Nordd. Entw. eingeräumte Befugnis sollte auch bestehen, wenn sich aus dem vorbereitenden Schriftsatz die Absicht ergab, eine Urkunde als Beweismittel zu benutzen392 • Die §§ 191, 193 Nordd. Entw. erfaßten somit beide Arten der Bezugnahme. Sowohl auf eine Bezugnahme zwecks urkundlichen Tatsachenvortrags als auch auf eine Bezugnahme zur Beweisführung hin waren die bezogenen Urkunden vorzulegen 393 •

S. 282 Nordd. Protokolle. § 164 Kommissionsentwurf; siehe soeben Fn.387. 390 S.2347, 2325 Nordd. Protokolle; vgl. auch S.6 Nordd. Protokolle: "Die Protokolle sollen nur den Gang der Diskussion im Allgemeinen, die gestellten Anträge und die gefaßten Beschlüsse enthalten." Dazu Schubert, SZ (Germ. Abt.) 1968, 175 Fn. 246. 391 S.2325 Nordd. Protokolle. 392 S. 970 Nordd. Protokolle. Diese von einem Kommissionsmitglied zur Auslegung des § 193 Nordd. Entw. geäußerte Ansicht ist unwidersprochen geblieben. Umstritten waren insoweit allein die Folgen der Bezugnahme einerseits (§ 193) Niederlegung der Urkunde bei Gericht und Einsichtnahme durch den Gegner des Bezugnehmenden, andererseits Benutzung der Urkunde als Beweismittel -, im Hinblick auf die letztgenannte Konsequenz hielt man die Einführung einer dem § 423 ZPO entsprechenden Vorschrift für notwendig (S.971 Nordd. Protokolle). 393 Wegen der Argumente aus § 576 Nordd. Entw. (entspr. § 423 ZPO) und § 189 Nordd. Entw. (entspr. § 130 ZPO) siehe oben § 11 V 1. 388 38U

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Die Entwürfe I (1871), Il (1872) und III (1874) zur ZPO Mit den Bestimmungen des Norddeutschen Entwurfs waren nach allen vorangegangenen Divergenzen die Weichen gestellt für das fernere Verständnis der Bezugnahme. Der Preußische Justizministerialentwurf (E 131H ; §§ 116, 119, 126) übernahm die §§ 191, 193, 314 Nordd. Entw. fast buchstäblich, er stimmte deshalb auch inhaltlich mit diesem überein 395 • Eine inhaltliche Abweichung der §§ 116, 119, 126 E I von den §§ 191, 193, 314 Nordd. Entw. wäre nicht zu begründen. Eindeutiger als durch eine strikte Anlehnung an die Bestimmungen eines vorangegangenen Entwurfs kann die Absicht, sich den Sinn und Zweck jener Vorschriften zu eigen zu machen, nicht zum Ausdruck gebracht werden. Das Fehlen jeglicher Begründung für die §§ 116, 119 E I ist insoweit sogar bezeichnend. Die einzige Bemerkung dazu beschränkt sich auf die Feststellung, u. a. die §§ 116, 119 E I seien Ausführungen des Prinzips, daß die Schriftsätze zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung bestimmt sind396 • Die zu § 361 EI (entspr. § 423 ZPO) getroffene Aussage, wonach auch § 361 der Beseitigung von Zweifeln darüber diene, welche Urkunde eine gemeinschaftliche und deswegen (§ 360 Nr.2 E 1397) vorzulegen sei, zeigt im übrigen, in welch hohem Maße jedenfalls in diesem Bereich die Beratungen zum Norddeutschen Entwurf den Entwurf I geprägt haben: dort31lS nämlich findet sich ebenfalls und erstmalig399 der nicht se1bstverständliche40o Satz, es solle klargestellt werden, daß jede Urkunde als gemeinschaftlich gelte, auf die sich eine Partei bezogen habe. Entsprech,endes gilt für die Entwürfe II und 1II4{)1 zur ZPO. Denn sie beschränkten sich im wesentlichen auf redaktionelle überarbeitungen Zu ihm Hellweg, AcP 61, 113 ff.; Schwartz, S. 649 ff. Ausnahmen: Die Urkunden, welche die Prozeßlegitirnation betrafen, waren nicht schon dem vorbereitenden Schriftsatz beizufügen (vgl. auch § 74 E I). Die 3-Tage-Frist zur Einsichtnahme (§ 193 Nordd. Entw., § 119 E I) konnte auch verkürzt werden. Urkunden, die nach § 126 E I vorgelegt wurden, waren auf Anordnung hin auf der Gerichts3chreiberei zu belassen, von fremdsprachigen Urkunden mußte gegebenenfalls eine übersetzung beigebracht werden (vgl. heute § 142 H, IH ZPO). 3~6 Motive E I, S. 291 (bei Dahlmanns, Bd. 2, S. 547). 397 Die dem entsprechende ursprüngliche Regelung der ZPO (§ 387) wurde erst mit der Novelle 1898 (RGBl. S.256 [275], 410 [491]) durch den heutigen § 422 ZPO ersetzt (zu den Gründen Hahn / Mugdan, Bd.8, S. 109). 898 S. 970 f. Nordd. Protokolle. 399 Siehe auch soeben Fn. 392. 400 Seit Wegfall des § 387 ZPO a. Z. wird aus § 423 ZPO (§ 388 ZPO a. Z.) durchweg ein eigenständiger, prozessualer Vorlegungsanspruch hergeleitet (vgl. Thomas / Putzo, Anm. zu § 423). 401 Dazu Hellweg, AcP 61, 118 ff.; Schwartz, S. 661 ff. 394

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§ 11. Die Bezugnahme

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des E 1402 • Zu einer sachlichen Änderung kam es lediglich insoweit, als seit dem E II (§ 118) alternativ zur Vorlegung von Abschriften die Vorlegung der Originalurkunden vorgesehen und auf die Kennz,eichnung des Zwecks, den die Vorlegungsanordnung verfolgte, verzichtet wurde (§ 127 EIl). Nicht einmal letzteres läßt allerdings den Schluß auf eine auch sachliche Unterscheidung gegenüber dem E I zu. Denn § 127 E II war nicht anders als etwa § 126 E I oder § 314 Nordd. Entw. dazu bestimmt, die Entscheidungsgrundlage zu gewährleisten 4{)3. Wie bei diesen Bestimmungen war es deshalb im Rahmen des § 127 E II, III einerlei, welcher Zweck mit der Bezugnahme verfolgt wurde. 3. Die doppelte Bedeutung des Bezugnahmebegriffs

Die Geschichte der ZPO zeigt, daß man sich der Doppeldeutigkeit des Bezugnahmebegriffs im Sinne der Regelungen, die denen in den §§ 131, 134, 142 ZPO vergleichbar sind und die deren Vorgänger waren, bewußt war. Nachdem der Begriff lange Zeit in dem einen oder anderen Sinne gebraucht worden ist, umfaßt er in den §§ 131, 134, 142 ZPO sowohl die Bezugnahme zwecks urkundlichen Tatsachenvortrags als auch die Bezugnahme zur Beweisführung. VI. Zusammenfassung 1. Vorlegungsanordnungen nach §§ 142, 273 II Nr. 1 ZPO, §§ 45 I, 102 HGB sind grundsätzlich, eine Anordnung nach § 143 ZPO ist ausnahmslos nicht erst nach einer Bezugnahme auf eine Urkunde zulässig. Soll aber der Gegner der behauptungs- und beweisbelasteten Partei zur Vorlegung aufgefordert werden, sind auch die Voraussetzungen der §§ 422, 423 ZPO zu beachten.

2. Gänzlich ausgeschlossen ist eine Vorlegungsanordnung, die dem Zweck dient, mit Hilfe von Handelsbüchern (§ 45 HGB) oder dem Tagebuch des Handelsmaklers (§ 102 HGB) das Tatsachenvorbringen einer Partei aufzuklären oder zu ergänzen. 3. Grundlage für das Ersuchen um Übersendung von Behördenakten ist § 273 I S. 1 ZPO. Dieses Ersuchen ist Amts- oder Rechtshilfeersuchen. Soweit eine Partei an der Geheimhaltung der Akten interessiert ist, darf sie deren Herbeiziehung oder Verwertung widersprechen. 4. Eine Bezugnahme auf eine Urkunde liegt nicht schon mit dem bloßen Hinweis auf deren Existenz vor. Vielmehr ist subjektive Kom402 Vgl. §§ 118, 121, 127 (entspr. §§ 131, 134, 142 ZPO) der Entwürfe U und UI sowie § 369 E U, § 375 E IU (entspr. § 4'23 ZPO). 403 Motive E U, S. 168; Motive E UI, Hahn, Bd. 2, S. 215.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

ponente einer Bezugnahme die Absicht, sich dieser Urkunde im Prozeß zu bedienen. Insoweit ist es für die Anwendung der Vorlegungsbestimmungen, die eine Bezugnahme voraussetzen, einerlei, ob die Urkunde im Rahmen des Tatsachenvortrags Bedeutung erlangen oder Beweiszwecken dienen soll.

§ 12. Die Zurechenbarkeit der Bezugnahme Die §§ 134, 142 ZPO verlangen ausdrücklich, daß die Partei sich auf eine Urkunde bezogen hat; § 131 ZPO setzt dies bei anderer Formulierung stillschweigend voraus 404 • Dieses Erfordernis wirft weitere Probleme auf. Beschränkt sich nämlich die Vorlegungslast nicht von vornherein auf die formelle Partei, sondern kann vorlegungsbelastet jeder sein, der prozessual erheblich handeln kann4Q5, so stellt sich jetzt die Frage, ob denn auch eine Bezugnahme des Prozeßbeteiligten, der nicht formelle Partei ist, vorliegen kann.

Beispiel: Der Vertreter weist auf eine Urkunde in seinen Händen hin. Ist hier der Vertreter der Be21ugnehmende, oder ist dies der Vertretene, dem das Handeln des Vertreters nach allgemeinen Grundsätzen zugerechnet wird? Oder umgekehrt: Der Vertretene bezieht sich auf eine Urkunde, die sein Vertreter im Gewahrsam hat. Wie soll dann eine Bezugnahme des Vertreters begründet werden, um dessen Vorlegungslast es doch vor allem gehtl 06 .•07? Der Problematik ausweichen würde man für einen allerdings eng begrenzten Bereich mit der Ansicht, Besitz des gesetzlichen Vertreters sei Besitz der formellen Partei408 ; dies sei die Folge davon, daß der gesetzliche Vertreter im ausschließlichen Interesse des Vertretenen besitze 409 • - Die Bedenken gegen eine solche Argumentation liegen auf der Hand. Nicht nur bei gesetzlicher Vertretung, sondern in jedem 404 Für § 131 ZPO folgt dies aus dem häufig betonten Zusammenhang zwischen den §§ 131, 134 ZPO (vgl. etwa die Nachw. oben § 10 III 1 Fn. 38; ferner S.282, 285 f. Hann. Protokolle; siehe auch Stein / Jonas / Pohle, 19. Aufl., § 134 Anm. I). Soweit eine Bezugnahme auch als Voraussetzung einer vorbereitenden Maßnahme nach § 273 II Nr. 1 ZPO erforderlich ist, muß es sich wegen der Verknüpfung von § 142 ZPO und § 273 II Nr. 1 ZPO ebenfalls um eine Bezugnahme der Partei handeln. 403 Siehe oben § 10 III 1 a. 406 Siehe oben § 10 H 4. 407 Die beiden anderen Fallgestaltungen sind hier unproblematisch. Bei einer Bezugnahme des Vertreters oder des Vertretenen auf eine Urkunde in den Händen des Vertretenen sind in dessen Person die Voraussetzungen der Vorlegungslast gegeben. 408 Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Aufl., § 421 Anm. II. 40g Siegel, S. 104 f.; einschränkend auch Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Auf!., § 421 Anm. H.

§ 12. Die Zurechenbarkeit der Bezugnahme

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Besitzmittlungsverhältnis müßte danach der mittelbare Besitzer vorlegungsbelastet sein - ein Ergebnis, das in dieser Pauschalität zweifelhaft wäre, weil so der Prozeß mit den Verzögerungen belastet würde, welche die Durchsetzung des Herausgabeverlangens gegen den Besitzmittler mit sich brächte. Eben deswegen sollte der unmittelbare Besitzer als Besitzmittler auch nicht ohne weiteres aus dem Kreis der Vorlegungsbelasteten ausgeschieden werden410 • Zudem lassen sich die Beispiele in einer Weise vermehren, die deutlich macht, daß die Regelung einer Fallgestaltung, wie sie bei der Vertretung durch einen gesetzlichen Vertreter vorliegt, nur sporadisch wäre und daß deshalb eine Lösung des eingangs vorgestellten Problems notwendig bliebe. Denn bei Beteiligung eines Streithelfers, der doch ebenfalls Partei i. S. der §§ 131, 134, 142, 273 II Nr. 1 ZPO ist411 , ergeben sich weitere Varianten. So kann der Streithelfer auf eine in seinen oder der formellen Partei Händen befindliche Urkunde - hier soll beidemal eine Bezugnahme des Streithelfers vorliegen, der deshalb vorlegungsbelastet sei412 - oder die unterstützte formelle Partei auf eine Urkunde hinweisen, die sie oder der Streithelfer im Gewahrsam hat413 • Ebensowenig wie es sich in den Vertretungsfällen nach den Regelungen des Vertretungsrechts rechtfertigen ließe, eine Bezugnahme des Vertreters nicht gegen den Vertretenen wirken zu lassen (§ 85 ZPO; §§ 51 ZPO, 164 BGB414 ) oder aber eine Bezugnahme durch den Vertretenen als eine solche des Vertreters anzusehen, wäre eine Bezugnahme der unterstützten Partei eine solche des Streithelfers oder wäre 410 Vgl. aber Siegel, S. 104 f. Anders Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 421 Anm. 1: Der gesetzliche Vertreter, der die Urkunde in Händen habe,

müsse vorlegen, wo die Partei vorzulegen habe. - Dabei wird übersehen, daß bei einer derartigen Gestaltung eine Vorlegungslast (nach § 421 ZPO), die doch an das In-Händen-Haben anknüpft, für die formelle Partei gar nicht zur Entstehung kommt. - Unklar Stein / Jonas / Schumann / Leipold, 19. Auf!., § 421 Anm. III, wonach andererseits (siehe soeben Fn. 408) der unmittelbare Besitz auf jeden Fall ausreichen soll. 411 Siehe oben § 10 III 1 a. 41! Stein / Jonas / Pohle, 19. Aufl., § 142 Anm. I, ohne Unterscheidung und somit anscheinend auch für den Fall, daß die unterstützte Partei die bezogene Urkunde in ihren Händen hat. Ebenso pauschal gegenteiliger Ansicht Kohler, Gesammelte Beiträge, S.374 Fn.4. 413 Der hier zuerst genannte Fall ist unproblematisch. Wieder liegen alle Voraussetzungen der Vorlegungsbestimmungen in ein und ders'elben Person, der formellen Partei, vor. Das'selbe gilt im übrigen für die Fallgestaltungen, die sich bei einer Prozeßstandschaft und im OHG-Prozeß ergeben. Denn vorlegungsfähige Partei ist nur der Prozeßstandschafter oder der die OHG vertretende Gesellschafter. Sie nehmen deshalb gleichsam für sich selbst Bezug. 4U Vgl. Rosenberg, Stellvertretung, S. 562 Fn. 1; zur gesetzlich'en Vertretung ferner z. B. Stein / Jonas / Leipold, 20. Auf!., § 51 Rz.26.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

der Streithelfer415 in der Lage, für sich wirksam zu handeln: Eine Bezugnahme durch den Streithelfer wäre der unterstützten Partei zuzurechnen (vgl. § 67 ZP0 416 ). Die Lösung der sich hieraus ergebenden Probleme ist für den Anwendungsbereich der §§ 131, 134 ZPO indessen vorgezeichnet. Drängt nämlich der mit diesen Bestimmungen verfolgte Zweck dazu, den Vertreter und den Streithelfer als Partei anzusehen, so doch deshalb, weil sie vorlegungsbelastet sein sollen. Allein die Bejahung der ParteisteIlung reicht dazu aber nicht aus. Deshalb hieße es auf halbem Wege stehenbleiben und den Zweck der §§ 131, 134 ZPO unbeachtet lassen, wollte man eine Bezugnahme jener beiden Beteiligten für sich von vornherein ausschließen. Nehmen sie auf eine Urkunde Bezug, so geschieht dies aus ihrer Stellung als Partei (i. S. der §§ 131, 134 ZPO) heraus. In ihrer Person liegen somit diese beiden Voraussetzungen für die Entstehung der Vorlegungslast vor. Das gilt auch, falls der Vertreter oder der Streithelfer sich auf eine Urkunde im Gewahrsam der formellen Partei bezieht417 • Zu Schwierigkeiten kann es indessen kommen, wenn es um die weitere Frage geht, ob Vertreter oder Streithelfer die Urkunde "in ihren Händen haben". Will man diesen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen, könnte darauf verwiesen werden, daß nach § 85 ZPO; §§ 51 ZPO, 164 BGB bzw. §§ 67, 69 ZPO die Bezugnahme des Vertreters oder Streithelfers eine solche der formellen Partei ist. Der Zweck der §§ 131, 134 ZPO rechtfertigt auch ein solches Vorgehen. Kein derartiger Ausweg bietet sich freilich dann, wenn die formelle Partei auf eine Urkunde im Gewahrsam des Vertreters oder Streithelfers hinweist. Hier ist nicht einmal ein äußerer Anknüpfungspunkt - der Hinweis eines von ihnen auf die Urkunde - vorhanden, der es zuließe, diese Bezugnahme als die des Vertreters oder Streithelfers anzusehen. Insoweit reduziert sich das Problem folglich auf die Frage, ob etwa verbliebene besitzrechtliche Beziehungen der formellen Partei zu der Urkunde genügen, damit sie diese "in ihren Händen" behält.

Auch der streitgenössische (Stein I Jonas I Leipold, 20. Aufl., § 67 Rz.7). Stein I Jonas I Leipold, 20. Aufl., § 67 RZ.7. - Bei einer Bezugnahme des Streithelfers auf eine Urkunde im Gewahrsam der formellen Partei gälte das zur Bezugnahme durch den Vertreter Gesagte folglich entsprechend: vorlegungsbelastet wäre die unterstützte Partei. 417 Vgl. Stein I Jonas I Pohle, 19. Aufl., § 142 Anm. I. 415

4U

§ 13. Besitz oder tatsächliche Verfügungsmacht

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§ 13. Besitz oder tatsächliche Verfügungsmacht das Merkmal des "In-Händen-Habens"

Die Vorlegungslast ist nach den §§ 131, 134, 142 ZPO schließlich davon abhängig, daß die Partei die Urkunde, welche sie in Bezug genommen hat, in ihren Händen hat. Diese Inhaberschaft an einer Urkunde entscheidet zugleich weitgehend über die Modalitäten des Beweisantritts nach §§ 420 ff. ZPO. Zweifel an der Bedeutung dieses Merkmals ergeben sich schon daraus, daß der Wortgebrauch der ZPO schwankt. Spricht das Gesetz überwiegend von der Inhaberschaft an Urkunden, so ist im Zusammenhang der Vorlegungsbestimmungen doch auch vom Besitz die Rede (§§ 143, 424 Nr.4, 426 ZPO). Gleichwohl wäre es voreilig, hier - und nur hier - bürgerlichrechtliche Begriffsbestimmungen zu übernehmen und die Frage der Inhaberschaft nach anderen Kriterien zu entscheiden. Denn die Voraussetzungen der Inhaberschaft und des Besitzes gelten unverändert seit Inkrafttreten der ZPO. Sie sind nicht einmal tangiert worden durch die Novelle 1898418 , obwohl diese doch darauf hinzielte, Änderungen einzuführen, die durch das neue bürgerliche Recht geboten waren419 • Von daher ist die Annahme zwingend, daß von der Novelle 1898 unberührt gebliebene Vorschriften keine Änderung, auch nicht eine solche des Inhalts erfahren sollten. Dies gilt im Hinblick auf die §§ 131 ff., 420 ff. ZPO in besonderem Maße. Denn die terminologischen Unterschiede waren seinerzeit bereits erkannt. Ihnen war durch die Auslegung beider Begriffe in der Weise Rechnung getragen, daß man sie für synonym erachtete 420 • Hätte hier durch die Novelle 1898 eingegriffen werden sollen, wäre eine eindeutige Stellungnahme, eben ein Eingriff in den Gesetzeswortlaut vonnöten gewesen. - Deshalb kann zunächst jedenfalls soviel festgehalten werden: Besitz und Inhaberschaft an einer Urkunde sind i. S. der §§ 131, 134, 142, 143 ZPO, aber auch im Verständnis der Vorschriften über den Urkundenbeweis gleichbedeutend421 • 418 RGBl. 1898, 256 ff., 410 ff. m Stellungnahme des Reichsjustizamtes während der 1. Beratung der Novelle im Reichstag, Hahn / Mugdan, Bd.8, S. 189/190. 420 Endemann, Der deutsche Zivilprozeß, Bd.2, Anm. zu § 386; § 389 Nr.4. 421 So für die §§ 142, 143 ZPO Förster / Kann, § 143 Anm. 4; ferner K. HelZwig, System, Teil 1, § 214 I 1, S.703; Endemann, Der deutsche ZivHprozeß, Bd. 2, Anm. zu § 386, § 389 NI'. 4; Siegel, S. 143. Auch in vielen Lehrbüchern zur ZPO werden die Begriffe In-Händen-Haben und Besitz offenbar für austauschbar gehalten; vgl. Arens, Rz.311; Bernhard, ZPR, § 38 IV 1 a-d, S. 243 f.; Blomeyer. ZPR, § 77 1 II a-d. S. 384 f.; Bruns. Rz. 196 a; Jauernig, ZPR. § 55 III 1-4, S. 181 f.; Nikisch. § 88 II 1 a-d, S. 341 ff.; Rosenberg / Schwab, § 122 IV 2, S. 713 f.; Schönke / Kuchinke, § 64 IV 1 a-d, S.290.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Fraglich bleibt allerdings, wie die Bedeutung im einzelnen aussieht. Soll sie sich an einem Besitzbegriff orientieren, der wie etwa der des BGB auch den mittelbaren Besitz umfaßt, oder soll sie auf das Innehaben der tatsächlichen Verfügungsgewalt ausgerichtet sein? I. Unmittelbarer Besitz

Außer Zweifel steht, daß mindestens grundsätzlich der unmittelbare Besitzer einer Urkunde deren Inhaber im Sinne der §§ 131 ff., 423 ZPO ist422 . Denn er ist regelmäßig auch zu einem Zugriff auf die Urkunde in der Lage. Sie gehört deshalb zu seiner faktischen Machtsphäre423 , deren Maßgeblichkeit für die Entstehung der Vorlegungslast durch die bildliche Wendung des "In-Händen-Habens" herausgestellt sein könnte. Problematisch ist hingegen die Frage, ob von diesem Grundsatz Ausnahmen anzuerkennen sind. Ein BeispieZ424 mag einen Teil der prozessualen425 Problematik verdeutlichen: Der Erblasser hatte seine Sparbücher bei der beklagten Bank deponiert. Nach seinem Tode verlangt die Klägerin von der Beklagten Herausgabe der Sparbücher mit der Begründung, ihr seien die Sparguthaben durch eine Schenkung auf den Todesfall zugewendet worden. Die Beklagte bezieht sich in der Klageerwiderung auf die Sparbücher, die sämtlich auf. den Namen des Erblassers ausgestellt und deshalb in den Nachlaß gefallen seien}2. Hier ist die Bank unmittelbare Besitzerin, die Erben sind mittelbare Besitzer. Sie sind in der Lage, ihren Herausgabeanspruch gegen die Bank jederzeit und ohne weiteres durchzusetzen, weil der Besitzmittler kein eigenes Interesse an der Benutzung der Urkunde hat. - In einem solchen Fall die Vorlegungslast in der Person des Besitzmittlers, der Bank, nicht zur Entstehung gelangen zu lassen, geht dennoch nicht an427 . Denn vermeintliche Unbilligkeiten, welche die Vorlegungslast des Besitzmittlers zur Folge haben so1l428, werden aufgewogen durch 422 Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., § 421 Anm. III; Thomas I Putzo, Anm. zu § 421; Wieczorek, § 131 Rz. Alb, § 421 Rz. Alb.

Vgl. OAG Jena, SeuffArch. 22 Nr.90. In Anlehnung an den von Siegel, S.149, gebildeten Fall; vgl. auch Kipp I Coing, § 81 I 3, S. 452 ff. 425 Zur Problematik des § 810 BGB vgl. Siegel, S. 149. 428 Zu dem Streit um die Anwendbarkeit des § 2301 BGB vgl. Brox, Rz. 731 ff.; Kipp I Coing, § 81, S. 451 ff., vor allem § 81 IV, S. 462 ff.; Harder, S. 33 ff., 91 ff. 427 So aber Siegel, S. 149 ff.; einschränkend auch K. Hellwig, System, Teil 1, § 214 II 2, S.705. 4!8 Siegel, S. 149. 423

42t

§ 13. Besitz oder tatsächliche Verfügungsmacht

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den Mangel an Effizienz, den ein derartiger Ausschluß des Besitzmittlers aus dem Kreis der Vorlegungsbelasteten mit sich brächte. Wäre der Besitzmittler nicht vorlegungsbelastet, weil er die bezogene Urkunde nicht in Händen hat, so wäre dies nicht dadurch auszugleichen, daß man den mittelbaren Besitzer als Inhaber der Urkunde ansähe. Denn die Inhaberschaft allein reicht weder im Zusammenhang der §§ 131 ff. ZPO noch im Rahmen des § 423 ZPO aus. Erforderlich bleibt stets, daß der Inhaber mindestens am Prozeß beteiligt ist; hinzu kommt die Forderung der §§ 131, 134, 423 ZPO nach einer Bezugnahme eben dieser Partei. Die Beschränkung der Vorlegungslast auf den mittelbaren Besitzer hätte de facto also sogar bei dessen tatsächlicher Zugriffsmöglichkeit einen Ausschluß der bezogenen Urkunde aus dem Prozeß zur Folge: Der unmittelbare Besitzer wäre nicht vorlegungsbelastet, weil er nicht Inhaber der Urkunde wäre; der mittelbare Besitzer brauchte nicht vorzulegen, weil er weder Partei wäre noch sich auf die Urkunde bezogen hätte. Liefen die Vorlegungsbestimmungen solchermaßen leer, so läge die dadurch verursachte Benachteiligung des Gegners auf der Hand. In dem vorangestellten Sparbuch-Fall etwa trägt die Klägerin die Beweislast dafür, daß sie Inhaberin der Guthabenforderung und damit (§ 952 BGB) Eigentümerin der Sparbücher geworden ist. Klarheit in dieser Frage kann regelmäßig nur die Einsicht in die Sparbücher bringen. Wäre sie unerreichbar, käme das Risiko der Klägerin zum Tragen. Sie bliebe beweis fällig, ihre Klage wäre abzuweisen. Demgegenüber sind die Nachteile für einen grundsätzlich vorlegungsbelasteten Besitzmittler nur geringfügig. Denn die übrigen Voraussetzungen, unter denen er vorlegungsbelastet ist, festzustellen, macht regelmäßig keine Schwierigkeit. Erwägenswert ist es immerhin, dem unmittelbaren Besitzer die Möglichkeit zu gewähren, sich entsprechend § 76 ZPO durch Urheberbenennung seiner Vorlegungslast zu entziehen. Abgesehen davon, daß § 76 ZPO auf einen selbständigen Prozeß zugeschnitten ist und vielleicht schon deshalb keinen Ausweg für den Besitzmittler bietet429 , würden die soeben geschilderten Schwierigkeiten so aber durch andere ersetzt. Denn die subjektiven Grenzen der Vorlegungslast zu bestimmen, würde durch eine Anwendung des § 76 ZPO dem Ermessen der am Besitzmittlungsverhältnis Beteiligten überlassen. Steht es schon im Belieben der Partei, ob sie den mittelbaren Besitzer benennt, und sind so erste Unsicherheiten über den Vorlegungsbelasteten vorgegeben, so würde nicht einmal eine schließlich vollzogene Urheberbenennung Klarheit schaffen. Es wäre zunächst Sache des mittelbaren Besitzers, ob dieser 429

Siegel, S. 150.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

von seinem Recht Gebrauch macht und den Prozeß übernimmt; erst von diesem Zeitpunkt an wäre er Partei und wäre er vorlegungsbelastet43o • Und der unmittelbare Besitzer wäre kraft seines Wahlrechts, den bisherigen Prozeß als Partei fortzuführen oder aus ihm auszuscheiden (§ 76 IV ZPO), in der Lage, über den zeitlichen Umfang seiner Vorlegungslast zu befinden. Verzögerungen und Unwägbarkeikn des Verfahrens würden durch die Anwendbarkeit des § 76 ZPO in diesem Bereich also geradezu provoziert. Dies wäre mit dem Zweck der §§ 131, 134, 142, 273 II Nr.1 ZPO nicht vereinbar. Denn diese Vorschriften zielen, wie gesagt, darauf ab, eine sichere Grundlage zu schaffen, auf welcher der Gegner seine Verteidigung und das Gericht seine Entscheidung vorbereiten kann. Deshalb steht dem unmittelbaren Besitzer, der zugleich Besitzmittler ist, nicht die Befugnis aus § 76 ZPO zu. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß den unmittelbaren Besitzer die Vorlegungslast trifft, könnte jedoch vorliegen, wenn dem unmittelbaren Besitzer der Urkundeninhalt nicht zugänglich, die Urkunde etwa versiegelt ist431 • Soweit dann überhaupt eine Bezugnahme denkbar ist, weil der Besitzmittler auf irgendeine andere Weise als durch Einsichtnahme von dem Urkundeninhalt Kenntnis erlangt hat, wird man aber trotz jenes Hindernisses den gefügigen Besitzmittler für vorlegungsbelastet zu haI kn haben. Dabei ist freilich eins zu bedenken. Die Vorlegung einer Urkunde ist sinnvoll nur, wenn nicht allein die Urkunde als Träger der Erklärung vorgelegt, sondern zugleich die Erklärung selbst zugänglich gemacht wird. Auch bei Maßnahmen zum Schutz vor unbefugter Kenntnisnahme ist letzteres aber möglich. Denn der mittelbare Besitzer ist eben wegen der Gefügigkeit des Besitzmittlers neben diesem432 Inhaber der Urkunde433 • Als solcher wäre er in einem gegen ihn geführten Prozeß vorlegungsbelastet und verpflichtet, eine Maßnahme, die nur dem Schutz vor Einsichtnahme durch den Besitzmittler dient, zu beseitigen. Deshalb hätte der mittelbare Besitzer auch bei einer Vorlegung durch den Besitzmittler kein eigenes schutzwürdiges Interesse daran, die Ein43U Eine vorherige Bezugnahme des unmittelbaren Besitzers wäre, soweit erforderlich, dem mittelbaren Besitzer nach §§ 76 IU S. I, 74 I, 67 ZPO zuzurechnen (zum Streitverkündungscharakter der Urheberbenennung Stein / Jonas / Leipold, 20. Aufl., § 76 Rz. I, 2). 431 So der Ausgangsfall Siegels, S. 149. Es wäre indessen in jedem Fall eine unzulässige Verallgemeinerung, von daher auf Sachverhalte zu schließen, in denen der unmittelbar besitzende Besitzmittler dem mittelbaren Besitzer "gefügig" ist (vgl. aber SiegeZ, aaO.). 432 a. A. SiegeZ, S. 150. m Dazu allgemein unten § 13 IV. An dieser Stelle sei daran erinnert, daß hier nur die Vorlegungslast desjenigen unmittelbaren Besitzers und Besitzmittlers zur Erörterung steht, der zur Herausgabe der Urkunde bereit ist.

§ 13. Besitz oder tatsächliche Verfügungsmacht

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sichtnahme der nach §§ 131 ff., 423 ZPO vorzulegenden Urkunde seitens des Gerichts und des Gegners zu verhindern. Eine dennoch ausgesprochene Weigerung, die Einsichtnahme der Urkunde zu gestatten, wäre rechtsmißbräuchlich und damit unbeachtlich434 • 11. Besitz ohne tatsächliche Verfügungsmacht

Bisher war es nicht notwendig, die Frage nach dem Anknüpfungspunkt der §§ 131 ff., 423 ZPO - Besitz oder tatsächliche Machtsphäre zu beantworten. Denn der unmittelbare Besitz ging stets mit der Verfügungsmacht über die Urkunde einher. Das ändert sich beispielsweise, wenn die Urkunde sich in der tatsächlichen Gewalt eines Besitzdieners befindet, der als solcher nicht unmittelbarer Besitzer ist (§ 855 BGB). Der Wortgebrauch der ZPO läßt keine Rückschlüsse zu. Da die ZPO die Begriffe des Besitzes und des In-Händen-Habens synonym verwendet, können Anhaltspunkte für deren Verständnis nur aus Umständen gewonnen werden, die außerhalb der §§ 131 ff., 423 ZPO liegen. Insoweit ist wiederum die Geschichte der ZPO aufschlußreich. Denn die Kodifikationen, auf die sich die ZPO gründet, sind durchweg deutlicher als die ZPO selbst. Die Hannoversche Bürgerliche Proceßordnung sprach innerhalb der Vorschriften über das "regelmäßige Verfahren" (§§ 184 ff. Hann. BPO) von der Inhaberschaft, während in den Bestimmungen über den Urkundenbeweis durchgängig die Rede war von dem Urkundenbesitz. Sachliche Unterscheidungen waren aber auch damals offenbar nicht beabsichtigt. Denn das beweisrechtliche Editionsverfahren der Hannoverschen Bürgerlichen Proceßordnung (§§ 310 ff.) basierte auf den Regeln des gemeinen Prozesses. Sie aber galten bei Urkundeninhaberschaft ebenso wie bei Urkundenbesitz. Eine strikte begriffliche, weil sachlich gebotene Differenzierung zwischen beiden war nirgends zu beobachten435 • Der Preußische Entwurf hingegen erwähnte durchgängig das Erfordernis des Besitzes (§§ 440 ff.). Damit war aber keine Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Alternative getroffen, die als Anknüpfungspunkt für die Last zur Urkundenvorlegung in Betracht kam. Denn die Einheitlichkeit des Preußischen Entwurfs scheint eher zufällig gewesen zu sein. Das beweis rechtliche Vorlegungsverfahren des Preußischen Entwurfs, zu dessen Regelungen auch die §§ 297, 308, 310 434 Vgl. Patandt / Heinrichs,§ 242 Anm.4 Cd ce; siehe auch Zeiss, Arglistige Prozeßpartei, S. 150 ff. 435 Vgl. Bayer, S.582 gegen S. 582 ff.; Martin, S. 554 ff.; Renaud, S.354 gegen S. 359; WetzeH, S. 249 gegen S. 250.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Preuß. Entw. gehörten436 , war dem Editionsverfahren des gemeinen Prozesses nachgebildet 437 • Diesem aber war, wie eben gesagt, die Unterscheidung zwischen Besitz und Inhaberschaft einer Urkunde fremd. Eine konsequente Ausdrucksweise zeigte sich erstmals im Hannoverschen Entwurf. Nicht nur innerhalb der Vorschriften betreffend das Verfahren im allgemeinen (§§ 115 ff.), sondern ebenso in den Regelungen betreffend das Beweisverfahren wurde ein Hinweis auf etwa erforderliche besitzrechtliche Beziehungen zu einer Urkunde vennieden. Wo der Entwurf von seinem ansonsten üblichen Wortgebrauch ("InHänden-Haben") abwich, bediente er sich der Begriffe "Gewahrsam" und "Inhaberschaft" (§§ 381, 385 Hann. Entw.). Denn erklärtes Ziel des Entwurfs war es, insoweit einer juristischen Betrachtung vorzubeugen438 • Der Norddeutsche Entwurf behielt die Tenninologie des Hannoverschen Entwurfs durchweg bei. In der Fassung der §§ 577, 579 Nordd. Entw. kam es aber zu den Abweichungen, die sich schließlich in den §§ 424 NI'. 4,426 ZPO niederschlugen. Sowohl der Vorlegungsantrag des Beweisführers als auch die Vorlegungsvernehmung des Gegners439 hatten sich nunmehr über den Besitz an der Urkunde zu verhalten, auf die tatsächliche Verfügungsgewalt kam es anscheinend nicht mehr an. Daß dieser Schein trügt, zeigte für die Regelung des Editionseides die Vorschrift des § 579 III Nordd. Entw.: Ein anderer Beweis für die Behauptung des Gegners, "daß die Urkunde sich nicht in seinen Händen befinde", war danach unzulässig. Erhellt schon daraus, daß § 579 Nordd. Entw. inhaltlich nicht von der entsprechenden Regelung in § 381 Hann. Entw. abwich, so wird dieses Ergebnis durch die Beratungen des § 579 Novdd. Entw. bestätigt. Grund für die Neufassung war lediglich die schwere Verständlichkeit und die Ungebräuchlichkeit des :in § 381 Rann. Entw. verwendeten Ausdrucks "Gewahrsam"440. Sachliche Be438 Vgl. die Motive zum Preußischen Entwurf, S.72, wonach die §§ 297, 308, 310 ihre Bedeutung erlangten im Rahmen der Antizipation des Urkun-

denbewedses. 437 Motive zum Preußischen Entwurf, S.10I. 438 S. 5745 Hann. Protokolle. Der wiederholte Gebrauch des Besitzbegriffs bei den Beratungen der §§ 122, 124 Hann. Entw. (vgl. S. 130, 283 ff. Hann. Protokolle) ist damit ohne Aussagewert für die Auslegung der §§ 122, 124 Hann. Entw. 439 Noch nach § 579 Nordd. Entw. sollte der Gegner einen Editionseid leisten, der zudem von seinem Inhalt her weit ging. Der Gegner sollte schwören, "daß er die Urkunde nicht besitze (oder daß er die überzeugung nicht erlangt habe, daß er die Urkunde besitze), daß er der Urkunde nicht in der Absicht sich entäußert habe, deren Benutzung dem Beweisführer zu entziehen, daß er auch nicht wisse, wo die Urkunde sich befinde". 440 S.951 Nordd. Protokolle. Die Änderung sollte zudem nur vorläufig sein. Auch das zeigt, daß mit ihr lediglich eine terminologische Verbesserung bezweckt war.

§ 13. Besitz oder tatsächliche Verfügungsmacht

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denken gegen § 381 Hann. Entw. wurden nicht geltend gemacht. - Das war anders im Hinblick auf die Erfordernisse, denen der Vorlegungsantrag zu genügen haben sollte. Der Streit ging dabei allerdings nicht um die Frage nach Besitz oder Inhaberschaft, sondern darum, ob man sich mit der bloßen Behauptung des gegnerischen Urkundenbesitzes begnügen oder zusätzlich die Angabe der Umstände verlangen sollte, welche diese Behauptung stützten441 • Über die sonstigen Anforderungen des § 378 Hann. Entw. an den Vorlegungsantrag war man sich sachlich einig442 • Sie wurden in nur äußerlich anderer Fassung Inhalt des Norddeutschen Entwurfs und der ZPO. Dementsprechend gebrauchen auch die Motive zu den ZPO-Entwürfen die Begriffe "Besitz" und "Gewahrsam" in gleicher Bedeutung443 • Die Entwicklung im Prozeßrecht für sich gesehen deutet folglich darauf hin, daß die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Merkmal des In-Händen-Habens ebenso entscheidet wie über die Voraussetzung des Urkundenbesitzes. Nichts anderes ergibt sich, wenn man den Besitzbegriff in dem materiellen Recht betrachtet, das neben den Prozeßgesetzen und Prozeßrechtsentwürfen jener Zeit stand. Vorausgesetzt, den an den Vorarbeiten zur ZPO Beteiligten standen die bürgerlichrechtlichen Definitionen des Besitzes überhaupt vor Augen444 , so geben diese Begriffsbestimmungen jedenfalls kein einheitliches Bild ab. Denn die Abgrenzung des Besitzes zur Detention, zur bloßen Innehabung eines Gegenstandes, war in den Jahren der Entstehung der ZPO umstritten. Besitzer war nach römischem Recht noch, wer eine Sache als Eigentümer haben wollte. Im gemeinen Recht fanden sich insoweit schon Erweiterungen, und auch von deutschrechtlichen Grundsätzen beeinflußte Partikularrechte445 wie der Codex Maximilianeus Bavaricus civilis und das ALR engten den Raum für die Detention weiter ein. Überhaupt war die Grenze zwischen dem Innehaben und dem Besitz einer Sache sowohl im juristischen wie im allgemeinen Sprachgebrauch fließend und unbestimmt446 • Aus der materiellrechtlichen Terminologie jener Zeit können deshalb keine Schlüsse gezogen werden, aus denen sich ein anderes 441 S.947 Nordd. Protokolle. Die Abstimmung führte schließlich dazu, beides zu fordern; vgl. § 577 Nr.4 Nordd. Entw. und (wörtlich übereinstimmend) § 424 Nr.4 ZPO. m S.941 Nordd. Protokolle. 443 Motive E I, S.343 (bei Dahtmanns, Bd.2, S.599); Motive E II, S.342; Motive E II!, Hahn, Bd.2, S. 325. 444 Zu der ausdrücklichen Ablehnung während der Beratungen des Hannoverschen Entwurfs siehe soeben Fn.438. 445 Dazu Stobbe, S.32 Fn.5, S. 34. 448 Zum ganzen Stobbe, S. 32 ff.

9 Sdlreiber

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Verständnis des "Besitzes" ergäbe, als es durch die Auslegung des Prozeßrechts gewonnen worden ist. Schließlich sprechen auch Gesichtspunkte der Praktikabilität447 dafür, dem Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt die Vorlegungslast aufzuerlegen, sei er nun Besitzmittler, Besitzdiener oder auch Organ einer juristischen Person 44S • Beispiel:

Ein Mündel, gesetzlich vertreten durch seinen Vormund, klagt auf Rückzahlung eines Geldbetrages aus § 812 BGB. Die ursprüngliche Schuld hatte er ausweislich einer ihm vom Beklagten ausgestellten Quittung bereits bezahlt. Aus Anlaß des Prozesses hatte der Vormund die Quittung an sich genommen, im Verfahren beruft er sich auf sie zu Beweiszwecken. Hier den Vormund nicht als Urkundeninhaber und somit nicht als vorlegungsbelastet anzusehen, weil er Besitzmittler oder gar nur Besitzdiener449 ist450 , wäre unzweckmäßig. Denn die Alternative, mit Hilfe derer die §§ 131 H., 423 ZPO anwendbar blieben, wäre die, dem Mündel die Vorlegungslast aufzubürden. Ihr zu genügen wäre dem Mündel aber erst nach der Rückgabe der Urkunde durch den Vormund möglich. Zeigt der sich zur Herausgabe nicht bereit, wäre die Fortführung des von Mündel und Vormund angestrengten Prozesses gegen den Bereicherungsschuldner von der Beendigung der Herausgabevollstreckung abhängig, die gegen den Vormund zu betreiben wäre. Urnständlichkeiten des Verfahrens, in dem von einem herausgabe unwilligen Inhaber die Herausgabe erzwungen werden soll, würden so zu Umständlichkeiten des laufenden Prozesses. Geht es darum, einen Vormund zur Herausgabe von Sachen an den Mündel zu veranlassen, steht hierfür vielleicht das durch § 33 FGG gewährte, relativ einfache Mittel einer Herausgabeverfügung und anschließenden Vollstreckung durch das Vormundschaftsgericht offen 451 • Verneint man diese Möglichkeit und läßt man im Verhältnis des Mündels zum Vormund ebenso wie in sonstigen Besitzmittlungsverhältnissen nur eine Herausgabeklage des Mündels ZU452 , so wäre dieser Weg in einer Weise zeitraubend, die dem BeAuf sie stellt Siegel, S. 145, maßgeblich ab. Zu der Frage, ob Organe einer juristischen Person besitzrechtliche Beziehungen (Besitzmittler-, Besitzdienerschaft) zu einer Sache haben, die sie als Organ in ihrem Gewahrsam haben, Vgl. einerseil79). Begab man sich mit der Abschaffung des Beweisinterlokuts auf der einen Seite eines Mittels, um den Prozeß zu gliedern und zu straffen, so wUl'den andererseits die Anforderungen an das Vorbringen von Beweismitteln auf diese Weise verschärft. Soweit nämlich bis dahin im Zivilverfahrensrecht ein Beweisinterlokut vorgesehen und trotzdem eine Antizipation des Beweisantritts im Behauptungsstadium zugelassen war, gab dies dem Beweisführer lediglich ein Recht zur Vorwegnahme des Beweisangebots. Zur Last mit der Folge, daß ihre Versäumung Sanktionen nach sich zog, wurde der Beweisantritt erst nach Erlaß des Beweisinterlokuts580 . Das wurde anders, sobald das Beweisinterlokut beseitigt, die Eventualmaxime - und das war die zweite Grundentscheidung des Hannoverschen Entwurfs - aus der Hannovernchen Bürgerlichen Proceßordnung aber übernommen wurde. Die Beweisantretung - und dazu gehörte bei Urkunden auch deren Vorlegung (§ 376 Rann. Entw.) - mußte nunmehr schon vor Erlaß der Beweisverfügung erfolgen 581, wollte der Beweisbelastete nicht Gefahr laufen, seines Beweismittels für die Instanz verlustig zu gehen (§ 284 Rann. Entw.). Immerhin zeitigte die Eventualmaxime, insoweit also nicht streng gehandhabt 582 , vor der Beweisverfügung keine Präklusionswirkung. Es bedurfte somit der erfolglosen Aufforderung zur Urkundenvorlegung (§ 124 Rann. Entw.), um die Präklusion einer Beweisurkunde schon im ersten Prozeßabschnitt begründen zu können. Nichts anderes galt für eine Urkunde, die zum Zwecke des Tatsachenvortrags in Bezug genommen wurde. Auch insoweit markierte der Schluß der mündlichen Verhandlung über die Tatsachen und die verbundenen Beweismittel den Punkt, von dem an eine Präklusion in Betracht kam (§ 246 Rann. Entw.). Heute jedenfalls greift die Sanktion auf die Versäumung der Vorlegungslast aus § 131 ZPO schon im Zeitpunkt der Bezugnahme, also 578 Vgl. S. 1754 f., 1840, 5216 ff., 5243 Hann. Protokolle; Motive E I, S.206 (bei Dahlmanns, Bd.2, S.462); Hellweg, AcP 61, 98; Schwartz, S. 623 ff.; Werenberg, S. 34; Winter, S. XIV. 579 Vgl. Hann. Protokolle, aaO.; dazu auch Schubert, SZ (Germ. Abt.) 1968, 172. 580 Planck, Beweisurtheil, S. 358. 581 S.5247, 5257 Hann. Protokolle; Schubert, SZ (Germ. Abt.) 1968, 171. 582 Vgl. Schubert, aaO., S. 129 ff.

§ 16. Die verzögerte Vorlegung der Urkunde

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vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung ein, ohne daß eine Aufforderung nach § 134 ZPO hinzutreten müßte. b) Keine Präklusion infolge Verwirkung Unter einem anderen Aspekt könnte eine Präklusion als Folge der Versäumung der Vorlegungslast kraft Aufforderung freilich Bedeutung erlangen. Da bei Zugrundelegung der in § 131 ZPO zum Ausdruck kommenden Wertung die Präklusion von einer Fristsetzung (§ 296 I ZPO) und/oder sonstigen Voraussetzungen (Prozeßverzögerung, Verschulden) abhängt (§ 296 I, II ZPO), wäre eine Präklusion von Bedeutung, die allein deshalb eintritt, weil der Urkundeninhaber zunächst seinen Gewahrsam leugnet. Der Grund für die Ausschließung könnte hier darin gesehen werden, daß die vorlegungsbelastete Partei ihre Befugnis, die Urkunde vorzulegen, verwirkt 583 , sie sich arglistig verhält584 • Für solche Erwägungen ist indessen kein Platz mehr5S5 • Denn ein Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben ist in dem durch die gesetzlichen Präklusionsbestimmungen geregelten Bereich unzulässig586 • Präklusionsfolgen, die sich auf die Erfolglosigkeit der Aufforderung nach § 134 ZPO gründen, sind deshalb insgesamt nicht denkbar. Eine Auffassung, wie sie in den Beratungen der Bundeskommission zutage trat, entbehrt jetzt also der Grundlage. c) Keine Präklusion durch Beweisbeschluß Darüber hinaus lassen sich auch keine Gründe mehr dafür finden, um aus allgemeinen, also nicht an § 296 ZPO anknüpfenden Erwägungen den Vorlegungsbelasteten jedenfalls nach Erlaß eines Beweisbeschlusses von dem Gebrauch der vorzulegenden Urkunde auszuschließen. Soweit derartige überlegungen angestellt wurden 581 , ist ihre Geltung auf solche Prozeßordnungen oder Entwürfe beschränkt, die, wenn sie schon nicht das gemeinrechtliche Beweisinterlokut übernahmen, doch wie der Hannoversche Entwurf und der Norddeutsche Entwurf mindestens eine Zäsur zwischen Behauptungs- und Beweisstadium vorsahen. aR3

584 58:;

Otto, S. 31 f. Zeiss, Arglistige Prozeßpartei, S. 29 f. Ob sLe im Hinblick auf die §§ 246, 284 Hann. Entw. angebracht waren .-

beide Bestimmungen machten eine Präklusion ebenfalls von weiteren Voraussetzungen, insbesondere dem Verschulden des mit der Vorlegung Zögernden abhängig -, kann hier offenbleiben. 586 BaumgärteI, ZZP 69, 98; Otto, S. 31 f.; Zeiss, Arglistige Prozeßpartei, S. 29 f. 587 Vgl. Brakenhausen, S. 27 f.; Werenberg, S.34, beide zum Norddeutschen Entwurf. 11 Sdueiber

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Und nicht einmal diese Aufspaltung des Prozesses würde die Präklusion von in diesem Sinne verspätetem Vorbringen garantieren. Das zeigte der Hannoversche Entwurf, der die Präklusion von Behauptungen und vorwegzunehmenden Beweisantritten nicht allein vom Eintritt in das Beweisstadium, sondern zusätzlich von subjektiven Voraussetzungen abhängig machte. Das machte ebenso der Norddeutsche Entwurf deutlich, der darüber noch hinaus ging 588 und neue Tatsachen zur Stützung neuer selbständiger Angriffs- und Verteidigungsmittel ohne Einschränkungen zuließ (§ 416 II Nordd. Entw.)589. Deshalb würde es auch nicht genügen, dem Beweisbeschluß der ZPO die Bedeutung zuzumessen, das Verfahren in der genannten Weise zu spalten590 . Es bliebe vielmehr zusätzlich die Notwendigkeit, den Beweisbeschluß entgegen den Tendenzen zu freierer Verfahrensgestaltung durch Parteien und Richte~91, wie sie schon in der Beweisverfügung des Hannoverschen Entwurfs (§ 281) und dem Beweisbescheld des Norddeutschen Entwurfs (§ 467) zutage traten, in die Nähe des Beweisinterlokuts zu rücken. Hierfür gibt die ZPO jedoch keine Grundlage. Sie steht solchen Versuchen sogar entgegen. Zwar spricht § 358 ZPO von einem besonderen Verfahren zur Beweisaufnahme, das durch Beweisbeschluß anzuordnen sei. Nicht einmal die Fassung dieser Norm läßt aber ohne weiteres den Schluß zu, der Beweisbeschluß des geltenden Rechts komme dem Beweisinterlokut nahe. Denn nach § 358 ZPO ist ein besonderer Beweisbeschluß doch notwendig nur, falls die Beweisaufnahme nicht in dem allgemeinen Verfahren erfolgen soll. Behauptungs- und Beweisstadium können also ohne Zäsur ineinander übergehen. Wollte man trotzdem dem Beweisbeschlußdie dargestellte weitreichende Bedeutung beimessen, hieße dies letztlich, die Geltung der Eventualmaxime in das Ermessen insbesondere des Gerichts zu stellen. Denn die Voraussetzungen für den dann notwendigen Erlaß eines besonderen Beweisbeschlusses zu schaffen, steht im Belieben des Gerichts. So ist z. B. ein förmlicher Beweisbeschluß zu erlassen, wenn die Beweisaufnahme vor der mündlichen Verhandlung angeordnet wird 592 ; ob diese Anordnung erfolgen soll, unterliegt indessen der gerichtlichen Einschätzung (§ 358 a ZPO)593. . SBB Kritisch Brakenhausen, S.27, schon zur Aufweichung der Eventualmaxime dadurch, daß der Norddeutsche Entwurf in §§ 416, 474 weitere Voraussetl'Jungen für eine Präklusion verspäteten Vorbringens aufstellte. 5B9 Vgl. S.550 Nordd. Protokolle. Bei verspätetem Vorbringen von Beweismitteln hingegen wurde wieder der Verschuldensmaßstab angelegt (vgl. § 474 I und §§ 474 H, 416 I Nordd. Entw.). 590 Befürwortend BuH, DR 1941, 1977 f.; Kuhnke, DR 1940, 183 f.; kritisch Mühl, ZZP 66, 184 ff. 501 Folge des Beweisurteils war u. a. die Bindung von Parteien und Richter an dessen Inhalt (Mühl, ZZP 66, 174 ff.; Planck, Beweisurtheil, S.301). 592 Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 358 Anm. 1.

§ 16. Die verzögerte Vorlegung der Urkunde

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Mögen solche Unwägbarkeiten, was die Geltung der Eventualmaxime insoweit angeht, schon bedenklich und damit erste Hinweise gegen das Verständnis des Beweisbeschlusses als Beweisinterlokut gewonnen sein594 , so ergibt sich die Abwendung der ZPO vom Beweisinterlokut deutlich aus §§ 360; 370, 285 ZPO. Das eine Charakteristikum des Beweisinterlokuts, nämlich dessen bindende Wirkung auch für das Gericht595 , ist in § 360 ZPO beseitigt. Dessen zweites typisierendes Merkmal, den Abschluß des Behauptungsstadiums anzuzeigen 596 , fehlt nach §§ 370, 285 ZP0 597 • Bereits die Motive zum E I lassen zudem keinen anderen Schluß zu als den hier aus den §§ 360; 370, 285 ZPO gezogenen598 • Denn der Streit um die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Verbindung von Behauptung und Beweis sowie um die Rechtsnatur von Beweisverfügung, Beweisbescheid oder Beweisbeschluß war während der Beratungen vor allem des Hannoverschen Entwurfs ausgetragen worden. "Nach Lage der Verhältnisse verlohnt es sich nicht, einen Streit fortzusetzen, welcher voraussichtlich ohne allen und jeden Erfolg sein würde ... Demgemäß ist ein Hauptverfahren anzunehmen, welches erst durch das unbedingte oder bedingte Endurtheil abgeschlossen wird, in dem einerseits das Gebot der Verbindung der Beweise mit den Behauptungen herrscht, andererseits aber die eine Beweisaufnahme bezielende Verfügung dieselbe Natur hat, wie jede andere prozeßleitende Verfügung ...599 Die Rückwirkungen der Beseitigung der Urtheilsnatur, welche die Beweisverfügung nach gemeinem deutschen Prozeßrecht, wie nach der hannoverschen Prozeßordnung an sich trägt, liegen zu Tage. Der hannoversche Gesetzgeber verfuhr ganz konsequent, wenn er das Nachholen von Einreden, Repliken u. s. w. bis zum Beweisurtheil frei gab, nach dem Erlaß desselben aber nur im Restitutionsfall gestattete, während das unmotivierte Nachholen der Rechtsbehelfe bis zum Endurtheil als eine nothwendige Konsequenz des Mündlichkeitsprinzips sich darstellt, wenn die Beweisverfügung prozeßleitender Natur ist. ,,600 593 Zu weiteren, entsprechenden Fallgestaltungen Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 358 Anm. l. 594 Die Motive E III (Hahn, Bd. 2, S. 304) heben bei der Erläuterung des § 358 ZPO (§ 313 E III) sogar die Integration von Behauptungs- und Beweis-

instanz hervor. sos Planck, Beweisurtheil, S. 30l. 596 Planck, Beweisurtheil, S. 236, passim. 597 Siehe ferner Mühl, ZZP 66, 183. Einschränkend und damit immerhin zu einer Prozeßzäsur durch den Beweisbeschluß tendierend, die ÖZPO in § 278 II (dazu Mühl, aaO., S. 185 f. mit Fn.84). 598 Vgl. allgemein Schubert, SZ (Germ. Abt.) 1968,179; Schwartz, S. 651 ff. 599 Motive E I, S. 229 f. (bei Dahlmanns, Bd.2, S. 485); Motive E III, Hahn, Bd. 2, S. 133. 600 Motive E I, S.230 (bei Dahlmanns, Bd.2, S.486); Motive E III, Hahn, 11°

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Während der Beratungen des § 241 E III601 wurde vom Kommissionsmitglied Bähr noch der Versuch unternommen, "dem neuen Prozesse die Vortheile des Beweisinterlokuts zu sichern". Sein Antrag, alternativ zum Urteil auch dem Beweisbeschluß präkludierende Wirkung beizulegen, blieb jedoch ohne Erfolg602 • Insgesamt hat der Beweisbeschluß heute somit nicht die Bedeutung einer Prozeßzäsur. Von daher kommt eine Präklusion von verzögertem urkundlichen Vorbringen, mag die Urkunde zum Zwecke des Tatsachenvortrags oder zu Beweiszwecken dienen sollen, nicht in Betracht603 • Angefügt sei schließlich, daß auch nach der Konkretisierung, welche die Pflicht der Parteien zur Prozeßförderung durch § 282 ZPO i. d. F. der Vereinfachungsnovelle erfahren hat, der Eventualmaxime innerhalb des Hauptverfahrens604 überhaupt keine Bedeutung mehr zukommt 605 • Feste Prozeßabschnitte und die Zuordnung von Vorbringen zu jedem von ihnen mit der Folge, daß das Ende des betreffenden Abschnitts die Präklusion des in ihm Vorzubringenden mit sich brächte, gibt es so nicht mehr. An der Stelle der strengen Eventualmaxime stehen nunmehr Fristen zur Vorbringung des Prozeßstoffs (§ 296 I ZPO) oder steht, wo solche fehlen, der Grundsatz, Angriffs- und Verteidigungsmittel so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozeßlage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung entspricht, oder so zeitig mitzuteilen, daß der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einziehen kann (§§ 296 II, 282 I, II ZPO)600. Bd.2, S.134; kritisch zu der Begründung, mit der die Zäsur zwischen Behauptungs- und Beweisstadium abg.elehnt wurde, Schwartz, S. 652 ff. 601 Entsprechend § 278 ZPO a. F., der in Abs. 1 lautete: "Angriffs- und Verteidigungsmittel (Einreden, Widerklage, Repliken usw.) können bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, ~eltend gemacht werden." - Vgl. jetzt § 296 a ZPO. 602 Protokolle der Reichsjustizkommission, 1. Lesung, Hahn, Bd.2, S.589594. 603 Ob der Beweisbeschluß vielleicht im Rahmen des § 296 I, II ZPO bedeutsam ist, indem er die Verspätung eines Parteivorbringens anzeigt (vgl. Müht, ZZP 66, 183, für die früheren Präklusionsvorschriften), kann hier dahinstehen. Das entscheidende Kriterium insoweit ist bei verzögerter Urkundenvorlegung, wie gesehen, aus §§ 131, 142, 273 II Nr. 1 ZPO zu entnehmen. GM Dieser heute unüblich gewordene Begriff mag hier zur Abgrenzung vom Vorverfahren dienen, in dem prozeßhindernde Einreden geltend zu machen sind, um nicht ausgeschlossen zu sein (§§ 282 III, 296 III ZPO). Vgl. zu diesem Begriffspaar etwa die Stellungnahme v. Amsbergs zum Antrag Bährs, Protokolle der Reichsjustizkommission, aaO., S. 591; ferner Motive E I, S. 228 (bei Dahtmanns, Bd. 2, S. 484); Motive E III, Hahn, Bd. 2, S. 132 f. 605 Zu weiteren Unterteilungen des Hauptverfahrens Schubert, SZ (Germ. Abt.) 1968, 129. 600 Vgl. aber auch den Hinweis auf die Eventualmaxime in der Begründung der Vereinfachungsnovelle, BT-Drucks. 7/2729 (S.38).

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4. Zusammenfassung Der Kreis ist nun geschlossen: Urkunden, die entgegen einer sie betreffenden Vorlegungslast verzögert vorgelegt werden, sind allein nach den Präklusionsbestimmungen der ZPO, namentlich den §§ 296, 528, 615 I, 640 I, präkludiert oder präkludierbar607 • ß. Sonstige Sanktionen

Ist eine Urkunde nicht präkludiert, 'So hat das Gericht sie zu berücksichtigen, wenn der Urkundeninhaber seiner Vorlegungslast genügt. Fraglich ist sodann aber, ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen an die Verzögerung zu knüpfen sind. Die durchweg unausgesprochene Prämisse, aus der Versäumung einer Last erwüchsen stets Nachteile, weil sie für eine prozessuale Last charakteristisch oder doch zwangsläufig mit ihr verbunden seien608 , hat Goldschmidt609 in Zweifel gezogen. Er unterscheidet zwischen allgemeinen und besonderen Folgen, die an die Versäumung einer prozessualen Last anknüpfen. Nur besondere Versäumnisfolgen - zu ihnen zählt Goldschmidt etwa den Verlust des Rechts, ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten zu beantragen; in diesen Rahmen wären auch Fristsetzung (§ 283 ZP0610 ) und Vertagung (§ 227 ZPO) einzustellen sollen danach anscheinend unausweichlich sein. Die allgemeine Folge des Ausschlusses einer Handlung, mit welcher der Last verspätet genügt werden soll, trete hingegen nur ein, "wenn die versäumte Prozeßhandlung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Prozeßlage herbeigeführt haben würde, die nach der Zweckbestimmung der Handlung und nach dem Stande des Verfahrens als nächste Stufe auf dem Wege zu einem günstigen Prozeßausgang anzusehen gewesen wäre"611. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad fehle bei der Urkundenvorlegung, weswegen sie keinem Ausschluß unterliege 612 • 607 Goldschmidt (Prozeß als Rechtslage, S.337, 346, 347) hat, soweit ersichtlich, als einziger die Ansicht vertreten, die Präklusion einer Urkunde komme nicht in Betracht, wenn die Vorlegungslast versäumt werde. Die Auffassung mag bis zur Novelle 1924 ihre Berechtigung gehabt haben. Ihr ist aber wohl schon durch Art. II der Novelle, der in Nr. 28, 30 erstmals eine Zurückweisung auch von Angriffs- und Beweismitteln ermöglichte (§ 283 II ZPO a. F.; vgl. auch Otto, S.37 Fn. 16), sicherlich aber durch §§ 282 I, II; 296 I, II ZPO i. d. F. der Vereinfachungsnovelle der Boden entzogen worden. 608 Vgl. etwa Dilcher, AcP 158, 476; Konzen, S. 57 f.; Lent, ZZP 67, 345, 348 ff.; SWrner, Aufklärungspflicht, S. 74 ff. 609 Prozeß als Rechtslage, S. 345 ff. GI0 SO zu § 272 a ZPO a. F. Goldschmidt, S. 345. 611 Goldschmidt, S.347, 345, 280. 612 Eine Begründung dieses heute nicht mehr haltbaren Ergebniss.es (siehe soeben Fn. 607) gibt Goldschmidt nicht.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Konsequenterweise müßte der zögernde Urkundeninhaber dann freilich auch von Kostennachteilen verschont bleiben. Denn sie gehören ebenfalls zu den allgemeinen Versäumnisfolgen613 • Das Ergebnis vermeidet Goldschmidt, indem er die Kostennachteile als nur mittelbare Versäumnisfolgen ansieht, weil sie nicht an die Versäumung, sondern an die Nachholung der versäumten Handlung anknüpften614 . Kostenrechtliche Nachteile sollten deshalb auch danach dem zögernden Urkundeninhaber erwachsen können615 . Diese Begründung ist, im Zusammenhang mit anderen Ausführungen gesehen, nicht stichhaltig. Da nämlich die Nachholung einer versäumten Handlung sich gegen die Ausschlußfolge richten so1l616, ist sie - mit ihren Konsequenzen, u. a. eben auch den kostenrechtlichen Folgen nur dort denkbar, wo eine Präklusion in Betracht kommt. Hinsichtlich der Urkundenvorlegung soll das aber gerade nicht der Fall sein. Sofern man sich der differenzierenden Auffassung Goldschmidts im Grundsatz überhaupt anschließen will, sollte deshalb ein anderer Weg gesucht werden, um den Eintritt auch allgemeiner Versäumnisfolgen begründen zu können. Er ist hier bereits mit der Erkenntnis bereitet worden, daß durch die Bezugnahme der Umfang bestimmt wird, in dem der Urkundeninhaber von der kraft Bezugnahme vorzulegenden Urkunde (§§ 131, 134, 142, 273 II Nr. 1 ZPO) Gebrauch machen will und in dem das Gericht folglich die Urkunde berücksichtigen darf. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Urkundenbenutzung auf diese Weise dem Vorlegungsbelasteten vor allem Vorteile, d. h. ihn einem ihm günstigen Prozeßausgang näher bringen wird, ist damit in hohem Maße gegeben. Der Weg wird weiter geebnet mit der Feststellung, daß dort, wo eine Bezugnahme fehlt und für das Entstehen der Vorlegungslast auch nicht erforderlich ist, die Parteien ebenfalls über die Benutzbarkeit der Urkunde als Entscheidungsgrundlage befinden617 . Somit stehen der Verhängung von Nachteilen als Folge einer Urkundenvorlegung, mit welcher der Vorlegungslast nur verzögert genügt wird, insgesamt keine durchgreifenden Bedenken entgegen. Geht es nunmehr darum, diejenigen Nachteile zu bestimmen, die an eine verzögerte, aber trotzdem erlaubte Urkundenvorlegung anknüpfen, so sei zunächst nochmals auf die Notwendigkeit hingewiesen, zwischen der Vorlegung von Beweis- und Tatsachenurkunden zu unterscheiden: Goldschmidt, S. 345. Goldschmidt, S. 346. 615 Goldschmidt, S. 113. m Goldschmidt, S.348/349. 617 Dazu oben § 11 !Ir 3 b bei Fn. 264. 613

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Wie gesehen618 , können mit dies·er Unterscheidung Differenzierungen hinsichtlich der Folgen der verzögerten oder gar nicht erfolgten Vorlegung Hand in Hand gehen. 1. Die Unzulässigkeit einer Entscheidung nach Lage der Akten (§ 331 a ZP0 619 ) und eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten (§ 335 I Nr. 3 ZPO)

Beispiel: In der Begründung seiner uneingeschränkten Kaufpreisklage weist der Kläger darauf hin, der Beklagte habe vorprozessual die Einrede des nichterfüllten Vertrages (§ 320 BGB) erhoben. Um die Einrede zu entkräften, bezieht sich der Kläger unter Aussparung weiterer Darlegungen auf den schriftlichen Kaufvertrag, ohne diesen oder auch nur eine Abschrift von ihm vorzulegen. Zur Vorlegung kommt es erst in einem Verhandlungstermin, in dem der Beklagte säumig ist. Dabei zeigt sich, daß der Beklagte nach dem Vertragsinhalt vorleistungspflichtig ist. Ein Antrag des Klägers, gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil zu erlassen620 , wäre hier zurückzuweisen. Denn die Vorlegung der Vertragsurkunde ist gleichbedeutend mit neuem tatsächlichen Vorbringen i. S. des § 335 I Nr. 3 ZPO. Das wäre freilich anders, wenn der Kläger der Klagebegründung eine Abschrift der Vertragsurkunde beigefügt hätte. Stände lediglich die Vorlegungslast aus § 131 ZPO in Frage, so wäre ihr mit der Vorlegung einer Abschrift ohnehin genügt. Insoweit würde eine Sanktion wie die nach § 335 I Nr. 3 ZPO folglich ausscheiden müssen. Der Antrag auf Erlaß eines Versäumnisurteils dürfte aber auch dann nicht zurückgewiesen werden, wenn die Beifügung einer Abschrift keine weitergehende Bedeutung hätte als eine Bezugnahme, weil zur Erfüllung der Vorlegungslast die Urschrift vorzulegen wäre 621 • Hier ist zwar der Vorlegungslast nicht genügt, so daß von daher einer Sanktion nichts im Wege steht. Der Zweck des § 335 I Nr. 3 ZPO läßt die Anwendung dieser Vorschrift jedoch nicht zu. Denn die Bestimmung soll verhindern, daß dem Beklagten nach der Prozeßlage nicht zu erwartende Rechtsnachteile erwachsen622 • Fügt der Kläger aber eine Urkundenabschrift bei, so kann der Beklagte die Erfolglosigkeit seiner Verteidigung absehen. 818 Vgl. oben 3. Kap. sub B, vor § 14. 619 Das im folgenden zum Antrag auf Erlaß eines Versäumnisurteils Gesagte gilt also entsprechend für den Antrag auf Erlaß einer Aktenlageentscheidung. 620 Vgl. etwa Thomas I Putzo, § 335 Anm. 1 (Nr.3) dazu, daß § 335 I Nr. 3 ZPO nur die Zurückweisung des vom Kläger/Rechtsmittelkläger gestellten Antrags betrifft. 621 §§ 134, 142, 273 II Nr. 1 ZPO. 822 Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., § 335 Anm. I 3.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Im übrigen weist ein solcher Sachverhalt, betrachtet man ihn allein unter dem in § 335 I Nr.3 ZPO zur Geltung gebrachten Aspekt der Schutzwürdigkeit des Beklagten, keinen Unterschied zu einer Fallgestaltung auf, in welcher der Kläger auf die Vorleistungsverpflichtung des Beklagten in der Klagebegründung durch ausdrücklichen Vortrag statt durch Bezugnahme hingewiesen hat. Hier wie dort ist es für den Beklagten nicht überraschend, wenn als Folge seiner Säumnis der Klage auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens (§ 331 I S. 1 ZPO) stattgegeben wird623 . Auf den Zweck des § 335 I Nr.3 ZPO zurückzugehen ist indessen nicht einmal erforderlich, wenn der Kläger eine Urkunde vorzulegen hat, die Beweiszwecken dienen so1l624. Denn nur nicht rechtzeitig mitgeteiltes "tatsächliches ... Vorbringen" hindert den Erlaß des beantragten Versäumnisurteils. Neue Beweismittel in diesem Sinne führen also nicht zur Zurückweisung des Antrags. Das folgt wiederum auch aus der Beziehung zwischen § 335 I Nr.3 ZPO und § 331 I S. 1 ZPO. Indem § 335 I Nr. 3 ZPO ein Versäumnisurteil aufgrund neuer Tatsachen verhindert, stellt die Vorschrift eine zeitliche Grenze für das Vorbringen von Tatsachen auf, welche der in § 331 I S. 1 ZPO normierten Geständnisfiktion unterliegen, und begrenzt so die Geständnisfiktion selbst. Diese erstreckt sich gleichfalls nicht auf die Überzeugungskraft von Beweismitteln, sondern allein auf die Wahrheit von Tatsachen, und macht auf diese Weise Beweismittel sogar überflüssig. Konsequenterweise kann deren Fehlen für den Kläger in diesem Bereich (§ 335 I Nr.3 ZPO) keine nachteiligen Folgen haben. Wegen der verzögerten Vorlegung vorzulegender Beweisurkunden darf der Antrag auf Erlaß eines Versäumnisurteils also nicht nach § 335 I Nr. 3 ZPO zurückgewiesen werden625 . 623 Desweg'en sollte es auch nicht darauf ankommen, ob der Kläger noch vor Antragstellung seiner Vorlegungslast (§§ 134, 142, 273 II Nr. 1 ZPO) genügt und das Urkundenoriginal vorlegt. 624 Der Kläger möge sich im vorangestellten Beispielsfall etwa zu der Einrede des Beklagten äußern, vor allem die Vereinbarung von dessen Vorleistungspflicht behaupten, und sich schließlich auf die Vertrags urkunde zu Beweiszwecken beziehen. 625 a. A. ohne Unterscheidung zwischen Tatsachen- und Beweisurkunden cLte wohl allgemeine Ansicht (siehe oben 3. Kap. sub B, vor § 14 Fn.471). Diese Auffassung läßt sich auch nicht rechtfertigen, indem man Bezugnahme und Urkundenvorlegung als Beweisantritt oder Beweisantrag - angeblich synonyme Begriffe (Teplitzky, JuS 1968, 71; DRiZ 1970, 280) - ansieht (vgl. cLazu mit anderer Terminologie Goldschmidt, Prozeß als Rechtslage, S. 433 f,). Zwar wäre dann vielleicht erst mit der Vorlegung der Urkunde nach vorangegangener Bezugnahme ein Beweisantrag (anders Goldschmidt, aaO.: "Beweisantretung") vorhanden. Er wäre aber Prozeßantrag und gehörte damit nicht zu den Anträgen i. S. des § 335 I Nr.3 ZPO. Mit ihnen sind allein Sachanträge gemeint (vgl. Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., § 335 Anmerk. I 3 b).

§

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2. Vertagung (§ 227 ZPO) oder Schriftsatzfrist (§ 283 ZPO) Noch bei der Weigerung des Gesetzes, trotz verzögerten tatsächlichen Vorbringens ein Versäumnisurteil zu gestatten (§ 335 I Nr.3 ZPO), stand dem daraus folgenden Vorteil des Beklagten ein Nachteil des Urkundeninhabers gegenüber. Dies ist nicht notwendig der Fall, wenn der Urkundeninhaber durch die verzögerte Vorlegung die Voraussetzungen für eine Vertagung schafft. Hat etwa der Beklagte eine Urkunde in Händen, so kann die Verzögerung der Vorlegung auch Mittel zur taktischen Verzögerung des Prozesses insgesamt sein. Denn die mangelnde Vorbereitung des Gegners ist sodann genügend entschuldigt, weil ihm eine frühere Einsichtnahme in die Urkunde und eine Stellungnahme zu ihr nicht möglich war. Das Gericht kann also die Verhandlung vertagen (§ 227 I Nr.2 ZPO). Bei solcher Sachlage erwächst eher dem Gegner des Urkundeninhabers als diesem selbst ein Nachteil aus der Verzögerung. - Regulative finden sich insoweit in § 296 ZPO G26 und in § 283 ZPO. Diese Vorschrift gibt dem Gegner des zögernden Urkundeninhabers eine Handhabe, eine Vertagung und eine damit häufig verursachte Prozeßverschleppung zu verhindern627 • Die Möglichkeiten der §§ 227, 283 ZPO, auf eine Verzögerung der Urkundenvorlegung zu reagieren, sind daher im Zusammenhang zu sehen628 und können hier gemeinsam behandelt werden: mit den Voraussetzungen für das Setzen einer Schriftsatzfrist ist zugleich den Erfordernissen für eine Vertagung genügt. Zu jenen gehört es, daß neues Vorbringen einer Partei deren Gegner nicht rechtzeitig, d. h. mindestens eine Woche vor dem Verhandlungstermin (§ 132 I ZP0 629 ) mitgeteilt worden ist. Dieser Maßstab kann zur Beurteilung der Frage, ob eine Urkunde rechtzeitig vorgelegt ist, nicht uneingeschränkt angelegt werden. Wird nämlich eine Urkunde entgegen § 131 ZPO einem vorbereitenden Schriftsatz nicht beigefügt, so ist eine nachfolgende Vorlegung bereits verspätet i. S. der §§ 296 II, 282 I ZP063{). Falls die Urkunde deswegen zurückgewiesen wird, ist für die Anwendung des § 283 ZPO kein Raum mehr. Auf die Wahrung der einwöchigen Frist nach § 132 I S.l ZPO kann es deshalb nur ankomDazu oben § 16 I 1, 2. Vgl auch Volkmar, Verordnung 1924, § 272 a Anm. 1. 628 Thomas / Putzo, § 283 Anm. 2 d; Goldschmidt, Die neue ZPO, § 272 a Anm.3; Voikmar, Verordnung 1924, § 272 a Anm. 1. 629 Dazu, daß grundsätzlich nach § 132 ZPO über die Rechtzeitigkeit neuen Vorbringens zu befinden ist, Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 283 Anmerk. 3; Thomas / Putzo, § 283 Anm. 2 b. 630 Si:ehe oben § 16 I 2; vgl. auch OLG Schleswig, SchlHA 1979, 22 (23); Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 283 Anm. 1. U26

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men, wenn die Urkunde nicht nach §§ 296 II, 282 I i. V. m. § 131 ZPO zurückgewiesen wird, wenn die Vorlegungslast aus einer Anordnung nach §§ 142, 273 II Nr. 1 ZPO folgt oder wenn der Urkundeninhaber eine Urkunde vorlegt, auf die er vorher nicht Bezug genommen hat und zu deren Vorlegung er nicht nach §§ 142, 273 II Nr. 1 ZPO aufgefordert worden ist. Im Mittelpunkt der überlegungen hat hier gleichfalls die Frage zu stehen, ob § 283 ZPO die Konsequenzen aus einer verzögerten Urkundenvorlegung zieht, ohne daß zwischen Tatsachen- und Beweisurkunden zu unterscheiden wäre. Eine zum Zwecke des Tatsachenvortrags eingesetzte Urkunde ist "Vorbringen" i. S. des § 283 S.l ZPO. Denn § 283 S.l ZPO ist nicht mehr als das Ergebnis der inhaltlich unveränderten, nur sprachlich modifizierten übernahme des § 272 a ZPO a. F.631 Diese Bestimmung galt ihrem Wortlaut nach allein für Behauptungen. Der Vergleich mit § 272 ZPO a. F. - die Vorschrift stellte tatsächliche Behauptungen und Beweismittel einander gegenüber - zeigt zudem, daß § 272 a ZPO a. F. das Vorbringen von Tatsachen erfaßte. Deswegen war § 272 a ZPO a. F. und ist § 283 ZPO jedenfalls in diesem Sinne zu verstehen 63'.1. Ob auf die Vorlegung einer Beweisurkunde ebenfalls nach § 283 ZPO reagiert werden kann, ist indessen fraglich. Denn die Formulierung des § 272 a ZPO a. F. stand dem entgegen. Die Bemerkung, die Tragweite des § 283 ZPO solle keine andere als die des § 272 a ZPO a. F. sein633 , schafft aber auch in diesem Zusammenhang Klarheit. Sie leitet hin zu einer Auffassung, nach welcher bereits den "Behauptungen" im Sprachgebrauch des § 272 a ZPO a. F. das Vorbringen von Beweismitteln gleichzustellen war634 • Inwieweit sich diese Ansicht rechtfertigen ließ, Begründung der Vereinfachungs novelle, BT-Drucks. 7/2729 (S.74). Zu § 272 a ZPO a. F. vgl. statt aller Volkmar, Verordnung 1924, § 272 a Anm. 6 a; siehe auch Goldschmidt, Die neue ZPO, § 272 a Anm.2; zu § 283 ZPO z. B. Baumbach / Lauterbach I Hartmann, § 283 Anm.2; Thomas IPutzo, § 283 Anm. 2 b; ZöHer I Stephan, § 283 Anm. II 1. 633 Begründung der Vereinfachungsnovelle, BT-Drucks. 7/2729 (S.74). "34 So Baumbach I Lauterbach I Hartmann, 34. Aufl., § 272 Anm. 2 A a; Thomas I Putzo, 8. Aufl., § 272 a Anm. 2 b; Wieczorek, § 272 a Rz. A I; ZöHer I Stephan, 11. Aufl., § 272 a Anm. II 1; Goldschmidt, Die neue ZPO, 272 a Anmerk. 2. Anders Förster I Kann, Bd. II, Nachtrag B II, § 272 a Anm. 2; Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Auf!;, § 272 a Anm.I1 1 a, die auf einen verspäteten Beweisantritt hin eine Fristsetzung nach § 272 a ZPO a. F. zulassen wollten. Das kann aber nicht dahin verstanden werden, daß mangels Beweisantritts - erst die Vorlegung im Verhandlungstermin soll Beweisantritt sein (vgl. Förster I Kann, § 420 Anm. 2 a; Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., § 420 Anm.lI) - die nicht rechtzeitige Urkundenvorlegung vor dem Termin nicht in den Anwendungsbereich des § 272 ZPO a. F. fiel. Denn weit mehr als etwa der Antritt eines Zeugenbeweises, der den Inhalt des Zeugnisses nicht immer absehbar macht und wo deshalb eine Stellungnahme 631

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mag angesichts des Wortlauts des § 272 a ZPO a. F., in dem auch die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck kam635 , zweifelhaft gewesen sein. Bedenken dieser Art sind jedenfalls heute gegenstandslos. Denn die Schranken, die durch die enge Fassung des § 272 a ZPOa. F. vielleicht aufgestellt waren, sind durch § 283 ZPO ebenfalls gefallen: nicht mehr von verspäteten "Behauptungen" ist die Rede, sondern vom "Vorbringen" des Gegners. Ist diese Formulierung ohnehin ohne speziellen Aussagewert, so wird ihre umfassende Bedeutung durch den Zusammenhang des § 283 ZPO mit § 282 ZPO unterstrichen. Denn hiernach (§ 282 I ZPO) sind unter anderem Behauptungen und Beweismittel vorzubringen (sobald es nach der Prozeßlage geboten ist). Zudem entspricht es dem Zweck des § 283 ZPO, die Befugnis zur Setzung einer Erklärungsfrist auch bei verspäteter Vorlegung einer Beweisurkunde zu geben. Denn die Alternative, um dem Gegner des Urkundeninhabers eine Stellungnahme zu der vorgelegten Urkunde zu ermöglichen, ist nur noch63ß die Vertagung. Ihr aber soll durch § 283 ZPO ausgewichen werden637 • Deutet das bereits darauf hin, daß der Anwendungsbereich des § 283 ZPO weit zu fassen ist, so kommt hinzu, daß besonders bei der verspäteten Vorlegung einer Beweisurkunde die Anwendung des § 283 ZPO gleich nützlich wie bei verspätetem Tatsachenvorbringen ist. Denn ebenso wie dieses läßt eine Urkunde eine umfassende Stellungnahme bereits im Zeitpunkt ihrer Vorlegung ZU638 : der Urkundeninhalt ist von der Vorlegung an bekannt, der Beweiswert der Urkunde kann folglich auch vom Gegner des Urkundeninhabers relativ sicher eingeschätzt werden. Nach allem sind eine Fristsetzung nach § 283 ZPO und eine Vertagung nach § 227 ZPO auch dann zulässig, wenn der Urkundeninhaber eine Beweisurkunde erst verzögert vorlegt.

3. Kostenrechtliche Sanktionen (§§ 95 ZPO, 34 GKG) Wenn eine Verhandlung infolge verzögerter Urkundenvorlegung vertagt wird639 und der Urkundeninhaber die Verzögerung verschuldet häufig nur zur Person des Zeugen möglich ist, schafft die Vorlegung einer Urkunde, die Beweiszwecken dienen soll, die Voraussetrungen für eine umfassende Erwiderung. - Nicht auf das Vorliegen eines Beweisantritts im technischen Sinne sollte es deshalb ankommen, sondern allein darauf, daß die Vorführung eines Beweismittels angekündigt wird. 635 Vgl. Volkmar, Verordnung 1924, § 272 a Anm. 6 a. 636 Siehe oben § 16 II 2. 637 Volkmar, Verordnung 1924, § 272 a Anm. 1. 638 Siehe soeben Fn. 634. 4139 Vgl. aber OLG Marienwerder, OLGRspr. 3, 438, das diese Voraussetzung für di'e Verhängung einer Verzögerungsgebühr zu bezweifeln scheint. Denn

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hat, muß das Gericht nach § 95 ZPO und kann es nach § 34 GKG kostenrechtliche Sanktionen verhängen. Kommt es infolge des Zögerns zu einer Fristsetzung nach § 283 ZPO, so kann unabhängig von dem Zweck des Urkundengebrauchs64{) immerhin noch eine Verzögerungsgebühr641 auferlegt werden (§ 34 GKG). Dies alles kann nicht zweifelhaft sein 642 • Die kostenrechtlichen Sanktionen sind allerdings relativ unbedeutend. Einmal sind die nach § 95 ZPO zu tragenden Kosten der Verzögerung kaum jemals von den Kosten zu trennen, die auch ohne die Verzögerung entstanden wären. Denn weder durch die Vertagung noch durch die Bestimmung einer Erklärungsfrist erwachsen besondere Gebühren für Gericht und Anwalt, das Tätigwerden beider ist mit der Prozeßgebühr (Nr. 1005, 1010 der Anlage 1 zu § 11 GKG) und der Verhandlungsgebühr (§ 31 I Nr. 2 BRAGO) abgegolten. Bei den Auslagen ist eine solche Trennung zwar immerhin möglich. Jene werden aber selten eine nennenswerte Höhe erreichen643 • Ähnlich verhält es sich im Ergebnis mit § 34 GKG. Diese Vorschrift mag vielen Praktikern sogar unbekannt sein644 • Die nur sporadische Ausnutzung der Möglichkeit, die Parteien durch Androhung oder Festsetzung der Verzögerungsgebühr zu einem vollständigen Vorbringen zu veranlassen, ist jedenfalls seit jeher ein vielbeklagter Umstand645 • es führt aus, der (nach § 142 ZPO aufgeforderte) Urkundenlnhaber habe die Vertagung nicht veranlaßt. - Die Begründung ist nicht nachvollziehbar, kann es doch insoweit überhaupt nur als Folge der verzögerten Vorlegung zu einer Vertagung kommen. Sollte die Sanktion des § 34 GKG mangels Erzwingbarkeit der Urkundenvorlegung ausscheiden (mit dieser Begründung ausdrücklich, wenn auch in vermeintlicher Divergenz zum OLG Marienwercler, aaO., Wieczorek, § 142 Rz. A H; vgl. auch Goldschmidt, Prozeß als Rechtslage, S.113 Fn. 627 e), so bliebe nachzuweisen. daß die Erzwingbarkeit das Kriterium für den Eintritt oder die Verhängung von Nachteilen ist. Da auch die Versäumung von Lasten Nachteile mit sich bringt, wäre jener Nachweis nur mit der - unhaltbaren Konsequenz zu führen, daß auch prozessuale Lasten erzwingbar wären (dazu, daß die Erzwingbarkeit nicht einmal als Mittel zur Grenzziehung zwischen prozessualen Pflichten und Lasten taugt, Lent, ZZP 67, 348 f.). 640 Der Begriff der Angriffs- und Verteidigungs mittel ist in § 34 GKG in einem engeren Sinne als in § 282 I ZPO gebraucht. Denn jene sind hi,er neben die Beweismittel gestellt. § 34 GKG gilt damit aber jedenfalls für das Vorbringen von Tatsachen und Beweismitteln. 641 Zur Verzögerung siehe oben § 16 I 2 Fn. 575. 642 Im Ergebnis wie hier Stein / Jonas / Pohle, 19. Aufl., § 142 Anm. H; Goldschmidt, Prozeß als Rechtslage, S. 346. 643 Zum ganzen Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 95 Anm. 2; Schrader, DRiZ 1974, 291. 644 Das behaupten BaumlJach / Lauterbach / Hartmann, § 34 GKG Anm. 1 (Anhang nach § 95 ZPO); Hartmann, § 34 GKG Anm. 1; Schrader, DRiZ 1974, 291. 845 Vgl. Baur, ZPR, Rz.51; Baumbach / Lauterbach / Hartmann, § 34 GKG Anm.l (Anhang nach § 95 ZPO); Hartmann, § 34 GKG Anm.l; Henckel, Gedächtnisschrift für Bruns, S. 116; Schrader, DRiZ 1974, 291. Allgemein zur

§ 17. Zurückhaltungsrechte

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§ 17. Zurückhaltungsrechte Es geht allerdings nicht an, die soeben dargestellten Sanktionen ausnahmslos und gleichsam automatisch eintreten zu lassen, sobald der Urkundeninhaber eine Urkunde gar nicht oder nur verzögert vorlegt, obwohl die Voraussetzungen der §§ 131, 134, 142 ZPO oder des § 273 Ir Nr.1 ZPO vorliegen. Das folgende Beispiel64G mag die Bedenken gegen einen solchen Automatismus verdeutlichen: Die Klage der einen Partei eines Kaufvertrages auf Zahlung ihres Verzugsschadens (§ 286 I BGB) ist nicht schlüssig begründet, weil es an Darlegungen fehlt, mit denen die Einrede des nichterfüllten Vertrages (§§ 320, 322 BGB) entkräftet wäre. Bei der vom Beklagten in der Klageerwiderung in Bezug genommenen Urkunde, aus der sich Anhaltspunkte für seine Vorleistungspflicht ergeben, handelt es sich um einen Teil einer Korrespondenz, die der Beklagte mit seiner Verlobten geführt hat. Daraufhin behauptet der Kläger, der Beklagte sei vorleistungspflichtig, verweist auf den vermuteten Inhalt des bezogenen Briefes und tritt Beweis an durch die Stellung des Vorlegungsantrags (§§ 421 ff., 424 ZPO). Der Beklagte verweigert die Vorlegung. Soll der Beklagte hier unterliegen, weil die Behauptungen des Klägers über den Urkundeninhalt als bewiesen angenommen werden können (§ 427 ZPO)? Zweifel an der Anwendbarkeit des § 427 ZPO liegen auf der Hand: die Verlobte des Beklagten gehört zum Kreis der Personen, die das Zeugnis verweigern könnten (§ 383 I Nr. 1 ZP0647 ). Ihrem Interesse, einer ihr nahestehenden Person nicht durch ihre Aussage zu schaden, soll also Rechnung getragen werden. Das Interesse des Gegnern an der Aufdeckung des wahren und für ihn günstigen Sachverhalts ist demgegenüber hintangestellt. Diese Wertung würde vielleicht außer acht gelassen, wenn dementsprechend eine Urkunde nicht zurückgehalten werden dürfte, ohne daß an das Zurückhalten Sanktionen geknüpft sind. I. Wirkung eines Zurückhaltungsrechts

Fraglich ist nicht erst die Anwendbarkeit des § 427 ZPO. Problematisch ist vielmehr schon, ob überhaupt die Voraussetzungen für das Eingreifen beweisrechtlicher Bestimmungen dadurch geschaffen werden können, daß man dem Kläger erlaubt, die Lücke in der KlageUnz:ulänglichkeit kostenrechtlicher Sanktionen, in der vielleicht auch ein Grund für die zurückhaltende Handhabung des § 34 GKG durch die Gerichte liegt, die Begründung der Vel'einfachungsnovelle, BT-Drucks. 7/2729 (S.39). 646 Siehe das Beispiel oben § 15 II bei Fn. 517. 647 Vor.ausgesetzt, sie war bei Abschluß des Kaufvertrages nicht als Zeuge zugezogen (§ 385 I Nr. 1 ZPO).

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

begründung durch den Vortrag vermuteter Tatsachen aus der Sphäre des Beklagten zu füllen. Auch dieses Zugeständnis an den Kläger ist nämlich eine Sanktion auf die Nichtvorlegung der Urkunde. Sie greift nach den bisher getroffenen Feststellungen aber nur ein, wenn der Gegner vorlegungsbelastet isfW8. Damit stellt sich die Frage, ob eine Analogie etwa zu § 383 I Nr.3 ZPO schon das Entstehen der Vorlegungslast verhindert,649 und damit dem Vortrag des nur vermuteten Inhalts der Urkunde in den Händen des Gegners entgegensteht oder ob infolge einer solchen Analogie allein die Verhängung spezieller Sanktionen wie etwa der aus § 427 ZPO verwehrt ist6 &O. Letzteres erscheint unzutreffend. Denn die Kehrseite des klägerischen Vorteils, auch nur vermutete Tatsachen vortragen zu dürfen, ist der Nachteil des Beklagten, sich auf den Vortrag der vermuteten Tatsachen einlassen zu müssen, d. h. regelmäßig zu gestehen oder nicht zu bestreiten651 • Bei der Bejahung von dessen Last zur Vorlegung würde also eine Sanktion zwangsläufig eintreten. Sanktionen sind daher konsequent überhaupt nur zu vermeiden, wenn bereits die Vorlegungslast dort geleugnet wird, wo das Gesetz die Zurückhaltung einer Urkunde nicht mißbilligt. Zudem wird mit dem Merkmal der gesetzlichen Mißbilligung wieder ein Kriterium relevant, das dazu dienen kann, eine prozessuale Last oder Pflicht festzustellen. Soweit die ZPO die Nichtvorlegung gutheißt, fehlt es auch deshalb an der Vorlegungslast und fehlt es nicht erst an der Möglichkeit, die Versäumung der Vorlegungslast mit Sanktionen zu belegen. Wo danach den Urkundeninhaber keine Vorlegungslast trifft, bleibt er selbstverständlich auch von Sanktionen verschont, die grundsätzlich an die verzögerte Vorlegung einer Urkunde anknüpfen652 • Entfällt aber Siehe oben § 15 II 2 b. Das sah z. B. die insoweit vergleichbare Vorschrift des § 311 Hann. BPO vor (weitere Nachw. in den Motiven E III, Hahn, Bd. 2, S. 325): 648 649

"Jede Partei ist, ohne Unterschied der Parteirolle, zur Vorlegung der in ihrem Besitze befindlichen, bezüglich der zu beweisenden Thatsachen erheblichen Urkunden auf Antrag des Proceßgegners verpflichtet. Ausgenommen hiervon ist die von der Partei mit solchen Personen gepflogene Correspondenz, we~che, wenn sie darüber zum Zeugnisse vorgeschlagen würden, nach Maßgabe des § 251 das Zeugnis verweigern dürfen . .. "

650 Die Entscheidung dieser Frage ist nicht ohne Bedeutung. Denkbar ist immerhin, daß eine Vernehmung des Beklagten als Partei Erfolg ver,spricht. Sie wäre bei Verneinung der Vorlegungslast und daraus folgender Unschlüssigkeit der Klagebegründung unzulässig. 651 Siehe oben § 15 II 2. 652 Siehe oben § 16.

§ 17. Zurückhaltungsrechte

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das Recht zur Zurückhaltung der Urkunde später und kommt die Vorlegungslast dann etwa als Folge einer gerichtlichen Aufforderung (§§ 142, 273 II Nr. 1 ZPO) zur Entstehung, so ist der Vorlegungslast zur Vermeidung von Sanktionen zu genügen. - Geht man von der Hypothese aus, die Bestimmungen über das Zeugnisverweigerungsrecht seien zwecks Einschränkung der Vorlegungslast entsprechend anzuwenden, wäre im Beispielsfall nach einer Auflösung des Verlöbnisses der Grund für die Zurückbehaltung also entfallen und könnte der Beklagte mit der Vorlegung belastet werden. 11. Sanktionen der Nichtvorlegung trotz eines Zurückhaltungsrechts

Die Frage, inwieweit die (vorläufige) Zurückhaltung einer Urkunde zuzulassen ist, die Last zur Vorlegung einer Urkunde folglich nicht entstehen kann und Sanktionen somit nicht eintreten können, scheint nur in einer Fallgestaltung ohne Bedeutung zu sein - dann nämlich, wenn der Urkundeninhaber seiner Vorlegungslast nicht genügt und deshalb den Anforderungen nicht gerecht wird, die sich daraus ergeben, daß er außer der Vorlegungslast die Behauptungs- und Beweislast trägt.

Beispie Z653: Der Beklagte legt trotz Aufforderung eine Quittung nicht vor, die seine unsubstantiierte oder unbewiesene Einwendung, nichts zu schulden, ausfüllen oder beweisen könnte, Hier kann für manche Fälle darauf verwiesen werden, daß die Sanktion des Prozeßverlustes nicht an die Versäumung der Vorlegungslast, sondern daran anknüpft, daß der Beklagte seiner Behauptungs- oder Beweislast nicht genügt. Deswegen kommt es nicht immer darauf an, ob den Beklagten ausnahmsweise trotz Vorliegens der Voraussetzungen z. B. des § 142 ZPO keine Vorlegungslast trifft. Dieser Hinweis ist zutreffend, solange die Benutzung der Urkunde nicht das einzige Mittel ist, um den Sachvortrag zu vervollständigen oder einen erforderlichen Beweis zu erbringen. So hätte der Beklagte im Beispielsfall die näheren Umstände der Erfüllung vortragen können, um seiner Substantiierungslast zu genügen, und im Beweisstadium vielleicht den Beweis durch Benennung eines Zeugen antreten können. Die im folgenden anzustellenden überlegungen zum Zurückhaltungsrecht des Urkundeninhabers gelten aber auch dann nicht, wenn die Urkunde das einzige Mittel ist, um der Behauptungs- oder Beweislast zu genügen.

653

Dazu schon oben § 15 1.

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

Beispiel: Die Kläger begehren die Ausschließung des Mitgesellsch,afters einer OHG

(§§ 140, 133 HGB), weil der Beklagte Gewerbegeheimnisse an Dritte wei-

tergegeben habe. Das diesbezügliche Schreiben des Beklagten haben die Kläger in Händen. Der Beklagte bestreitet die Behauptung der Kläger. Der Aufforderung, das Schreiben vorzulegen, kommen die Kläger nicht nach, weil sie, wie sie vortragen, ein weiteres Bekanntwerden der darin enthaltenen Fakten verhindern wollen.

Man ist geneigt, hier dem Geheimhaltungsinteresse der Kläger Rechnung zu tragen und eine Last zur Vorlegung der Urkunde zu verneinen";;4. Legt der Kläger demzufolge nicht vor und steht ihm kein anderes Beweismittel als die Urkunde zur Verfügung, taucht spätestens im BeweiSIStadium die Frage auf, ob die Billigung des klägerischen Verhaltens so weit geht, jedwede Sanktion - also auch die des Prozeßverlustes infolge Beweisfälligkeit - auszuschließen. Sie zu bejahen hieße indessen einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis das Wort reden. Denn es gibt nur eine Alternative zum Prozeßverlust des Urkundeninhabers: dessen Obsiegen. Weil nicht vorlegungsbelastet, würde er also nicht nur keine Nachteile in Kauf zu nehmen haben, sondern er würde zu Lasten seines Gegners den denkbar gewichtigsten Vorteil in einem Prozeß eingeräumt bekommen. Damit wäre über das Ziel hinausgeschossen. Es bleibt nach allem dabei, daß der Urkundeninhaber das allgemeine Prozeßrisiko, das sich aus der Auferlegung der Behauptungs- und Beweislast ergibt, auch dann zu tragen hat, wenn ihn die Last zur Urkundenvorlegung nicht trifft. Ein Recht, eine Urkunde zurückzuhalten, kann somit der Verhängung nur solcher Sanktionen entgegenstehen, die an die Verzögerung der schließlich aber stattfindenden Urkundenvorlegung655 oder an die Nichtvorlegung seitens desjenigen Urkundeninhabers anknüpfen, der nicht die Behauptungs- und Beweislast trägt656 •

654

Bathe, S. 142 f.

Also keine Präklusions-, keine Kostenfolgen. - Bei den anderen Folgen später Vorlegung bleibt es demgegenüber, weil die §§ 335 I Nr.3, 227, 283 ZPO nicht nur Nachteile für den Urkundeninhaber begründen, sondern auch eine übervorteilung des Gegners verhindern wollen. 656 Folge: der Behauptungsbelastete dürfte keine Tatsachen vortragen, die er lediglich vermutet; dem Beweisbelasteten kämen die Vorteile aus §§ 427, 444 ZPO nicht zugute. 655

§ 17. Zurückhaltungsrechte

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BI. Grundlagen für Zurückhaltungsrechte

1. Keine RefZexwirkung des Zeugnisverweigerungsrechts Nunmehr stellt sich die Frage nach der Grundlage für eine berechtigte Zurückhaltung einer Urkunde. Das Eingangsbeispiel könnte einen Weg weisen, um etwa die engen persönlichen Beziehungen des Urkundeninhabers zu einem Dritten für ausreichend zu halten, eine Vorlegungslast zu verneinen. Indessen kommt den §§ 383, 384 ZPO diese Bedeutung nicht zu. Denn die Kanfliktlage, vor der die Bestimmungen bewahren sollen, ist eine solche in der Person eines Dritten. Er soll die Möglichkeit haben, dem Interessenwiderstreit zu entgehen, seiner Treue- oder Verschwiegenheitspflicht zu genügen (§ 383 I Nr. 4, 6 ZPO), das Reclaktionsgeheimnis zu wahren (§ 383 I Nr.5 ZPO) oder Nachteile für sich jedenfalls nicht durch eigenes Verhalten herbeizuführen (§ 384 ZPO). Für die Partei sind daraus keine Befugnisse ableitbar. Das folgt zum einen daraus, daß bei Einsatz des Beweismittels Parteivernehmung entsprechende Gründe für eine Aussageverweigerung nicht vorgesehen sind, die Verweigerung der Aussage vielmehr zum Nachteil der Partei gewertet werden darf (§§ 446, 453, 454 ZPO). Das zeigt sich zum anderen an der Folge des Prozeßverlustes, die eintritt, wenn die Partei mit Tatsachen zurückhält, über die auszusagen ein Zeuge sich nach § 383 ZPO, aber auch nach § 384 ZPO weigern könnte657 • Und schließt man sich ferner der Auffassung an, die Zeugnisverweigerung könne mindestens ein Anhaltspunkt für Rückschlüsse sein, die einer Partei - meistens derjenigen, die den Zeugen benannt hat ungünstig sind658 , so wird damit in noch weiterem Umfang verdeutlicht, daß das Zeugnisverweigerungsrecht eines Dritten keine Reflexwirkung zugunsten einer Partei hat. Auch geben die §§ 383, 384 ZPO einem Zeugen ein Recht zur Zeugnisverweigerung. Die Vorschriften überlassen es also dem Gutdünken des Zeugen, auszusagen oder nicht. Deshalb ist es schon problematisch, die Vorlegungslast zu verneinen, weil die Voraussetzungen für die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts vorliegen. Die Entstehung der Vorlegungslast davon abhängig zu machen, ob der Zeuge von seinem Recht Gebrauch machen wird, erscheint nicht minder zweifelhaft. Denn so würde der Prozeß gegen den Urkundeninhaber mit Unwägbarkeiten belastet, die eine Aufforderung nach § 134 ZPO oder eine Anordnung Siehle oben H. BGHZ 26, 391 (399); Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Auf!., § 286 Anm. II 1 mit Nachw. auch für die Gegenansicht. 657

aS8

12 Schreiber

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

nach § 142 bzw.§ 273 II Nr. 1 ZPO weitgehend ineffizient machen würden: es stände im Belieben eines Dritten, des Zeugnisverweigerungsberechtigten, ob derartige Maßnahmen von seiten des Gegners oder des Gerichts von der Partei zu befolgen wären und ob sie von den Sanktionen betroffen würde. Schließlich ist für die Fälle, die eine Regelung in den §§ 383 Nr.4-6, 384 ZPO erfahren haben, der Dritte im hier in Rede stehenden Zusammenhang ohnehin nicht mehr schutzwürdig. Denn er hat die Umstände, über die zu schweigen er berechtigt war, bereits preisgegeben, als er die Urkunde, um deren Vorlegung es geht und die jene Umstände enthält, aus der Hand gab 659 • Ein Zeugnisverweigerungsrecht eines Dritten hindert also nicht das Entstehen der Vorlegungslast desjenigen, in dessen Person die Voraussetzungen der §§ 131, 134, 142, 273 II Nr. 1, 422, 423 ZPO gegeben sind66{).

2. Geheimhaltungsinteresse und Zeugnisverweigerungsrecht Ist im vorstehenden die Frage nach der Reflexwirkung des Zeugnisverweigerungsrechts eines Dritten verneint worden, so könnte einer Partei die Zurückhaltung einer Urkunde aber deswegen gestattet sein, weil sie ein eigenes Interesse daran hat, den Urkundeninhalt geheimzuhalten. Dabei ist zu unterscheiden. Geht es um die Zurückhaltung einer Urkunde durch die behauptungs- und beweisbelastete Partei, so ist die Vorlegungslast bei Vorliegen eines Geheimhaltungsinteresses661 zu verneinen662 , weil dadurch Belange des Gegners nicht berührt werden. Denn die Verzögerung der Urkundenvorlegung kann wohl dem Urkundeninhaber, nicht jedoch seinem Gegner Nachteile bringen663 • 659 Vgl. auch Peters, ZZP 82, 224 mit Fn. 152. Für die Fälle des § 383 I Nr. 1-3 ZPO gilt dieses Argument deswegen nicht, weil die Urkunde innerhalb des durch jene Bestimmungen geschützten PersonenV'erhältnisses geblieben, der Interessenwiderstreit also durch den ZeugnisV'erweigerungsberechtigten noch nicht entschieden ist. 660 Differenzierend Stürner, Aufklärungspflicht, S. 205 f. Ob einem Dritten kraft seines Zeugnisverweigerungsrechts auch das Recht zusteht, die Vorlegung einer Urkunde zu v,erweigern, ist eine praktisch bedeutungslose Frage. Denn der Dritte kann die Vorlegungauch grundlos verweigern, ohne daß daran Sanktionen geknüpft wären. Auf ein Weigerungsrecht kommt es deshalb nicht an (siehe auch oben § 11 III 3 b bb). 661 Dazu Stürner, Aufklärungspflicht, S. 198 ff. Um dem Geheimhaltlll1gsinteresseeiner Partei gerecht zu werden, dürfen zwangsläufig keine detaillierten Ang.aben verlangt werden, um die Berechtigung der Weigerung zu prüfen (Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Aufl., § 384 Anm. II 2). Sonst würde mit der einen Hand genommen, was mit der anderen Hand gegeben wurde. G62

Bathe, S. 119 ff., 142.

§ 17. Zurückhaltungsrechte

179

Die erlaubte Zurückhaltung durch den Gegner der behauptungs- und beweisbelasteten Partei wäre hingegen vor allem für diese nachteilig. Falls nämlich der Urkundeninhaber die Urkunde gar nicht vorlegt, weil der Urkundeninhalt seinem Gegner günstig ist, könnte dieser der Behauptungslast nicht durch den Vortrag nur vermuteter Tatsachen und der Beweislast nicht mit Hilfe der §§ 427, 444 ZPO genügen. Und an einem entsprechenden, sich im Prozeßgewinn manifestierenden Vorteil fehlte es, wenn der Urkundeninhaber eine dem Gegner ungünstige Urkunde verzögert vorlegte und eine Präklusion nach § 296 I, 11 ZPO ausschiede. Bei einer solchen Fallgestaltung sollte das Interesse an einer Geheimhaltung deshalb allenfalls in engen, vom Gesetz abgesteckten Grenzen, die durch analoge Anwendung der Regelungen des Zeugnisverweigerungsrechts gewonnen werden könnten, geschützt werden. Dies ist nunmehr zu zeigen. Betrachtet man die Alternative, in der Vorlegungslast einerseits und Behauptungs- bzw. Beweislast andererseits auseinanderfallen könnten, so dürfen die Gründe nicht aus den Augen verloren werden, die bis zu dies-er Stelle der Überlegungen für eine Vorlegungslast sprachen. Der Gegner der behauptungs- und beweisbelasteten Partei kann nämlich vorlegungsbelastet immer nur sein, wenn er auf die Urkunde Bezug genommen hat oder er einem Vorlegungs- oder Herausgabeanspruch ausgesetzt ist (§§ 422, 423 ZP0664 ). Damit liegt für eine denkbare Variante die Antwort auf die Frage, ob ein Geheimhaltungsinteresse der Vorlegung entgegenstehen kann, auf der Hand. Denn auch der Bezugnehmende hat eine Entscheidung getroffen, die zur uneingeschränkten Vorlegungslast führt. Durch die Erwähnung der Urkunde hat er seinem Interesse an der Vollständigkeit seines Vorbringens den Vorzug gegeben vor seinem Interesse, den Urkundeninhalt geheimzuhalten. - Ein gegebenenfalls vorliegendes Geheimhaltungsinteresse des Urkundeninhabers hindert hier die Entstehung der Vorlegungslast also nicht. Ein Anspruch, der auf die Vorlegung oder Herausgabe einer Urkunde gerichtet ist, hängt demgegenüber nicht von Aktivitäten des Urkundeninhabers ab, die Rückschlüsse auf seine Willensbildung zulassen. Selbst dort, wo das Gesetz den Vorlegungs- oder Herausgabeanspruch an ein Tätigwerden des Schuldners, wie z. B. in § 402 BGB an den Abschluß des Zessionsvertrages, anknüpft, kommt in diesem Tätigwerden nicht dessen Absicht zum Ausdruck, sich einer Urkunde zu bedienen, und ist 663 Von einer möglichen Prozeßverzögerung, die für den Gegner aber nicht notwendig nachteilig ist, einmal abgesehen. Gd~ Siehe oben § 11 I 2, 3.

12·

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3. Kapitel: Die Urkunde im Verfahren

die Herausgabe- oder Vorlegungspflicht nicht die Folgerung aus der Erklärung des Benutzungswillens: Nicht weil die Verwendung der Urkunde gewollt war, sondern um die Belange der anderen Partei zu wahren, wird dieser ein Anspruch gewährt. Das ist nicht anders, wo es auf ein Verhalten des Vorlegungspflichtigen gar nicht ankommt. So sollen die Vorlegungs- oder Herausgabeansprüche z. B. aus §§ 716, 809, 810 BGB die Sicherung oder Durchsetzung eines Rechtes, die aus §§ 371, 1144 BGB die Verteidigung gegen einen Anspruch erleichtern. Stets geht es darum, das (rechtliche) Interesse des Forderungsprätendenten zu schützen6S5 • Dies bedeutet allerdings nicht, daß im Anwendur.gsbereich des § 422 ZPO die Entscheidung, dieses Mal allein durch das Gesetz getroffen, zuungunsten des nach materiellrechtlichen Bestimmungen Vorlegungspflichtigen gefallen ist und daß dessen Geheimhaltungsinteresse darum hinter dem gegnerischen Interesse an der Aufdeckung der Urkunde zurückzutreten hätte. Denn die materiellrechtlichen Vorlegungs- und Herausgabeansprüche werden durch das Verbot unzulässiger Rechtsausübung beschränkt. Sie greifen darum nicht Platz, falls das Interesse des Urkundeninhabers666 an einer Geheimhaltung das gegnerische Interesse an Vorlegung oder Herausgabe der Urkunde überwiegt667 • Kann deshalb ein Geheimhaltungsinteresse des Urkundeninhabers nicht von vornherein außer Betracht bleiben, so ist es notwendig, die Grenzen zu bestimmen, innerhalb derer das Interesse, das der einzelne an der Zurückhaltung von Urkunden hat, schutzwürdig ist. Denn die Einschätzung z. B. von Umständen aus der Privatsphäre, die offenzulegen peinlich wäre und die darum zurückgehalten werden, ist von Person zu Person verschieden. Nicht subjektive Wertungen dürfen deshalb über den Umfang des beachtenswerten, eine Vorlegungslast hindernden Geheimhaltungsinteresses entscheiden, sondern es ist soweit wie möglich nach objektiven Kriterien zu suchen6S8 • Sie finden sich vor allem in den §§ 383 I, 384 ZP06Sll • Denn in der Konfliktlage, aus der diese Vorschriften einen Ausweg bieten, ist die Partei unter den dort genannten Voraussetzungen ebenso wie ein Zeuge. 665 So ausdrücklich die §§ 809, 810 BGB, wo dieser Gesetzeszweck zur Voraussetzung des Vorlegungsanspruchs erhoben ist. 666 Zum Streit um die Anforderungen an den Besitz i. S. der §§ 809, 810 BGB ptanck I Landois, § 809 Anm. 2 a; § 810 Anm. 3 c Cl. 667 Für § 716 BGB RGZ 148,278 (280); Patandt I Thomas, § 716 Anm. 1; Staudinger I Keßter, 10./11. Auf!., § 716 Rz. 1. Für §§ 809, 810 BGB BGH WM 1963, 990 (991); Patandt I Thomas, § 809 Anm. 3; § 810 Anm.2. 668 Daß man auch hier an Grenzen stößt, ist nicht zu Ieugnen. Sie zeigen sich etwa, wenn €s darum geht festzustellen, was unehrenhaft i. S. von § 384 Nr. 2 ZPO ist.

§ 17. Zurückhaltungsrechte

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Gegen eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen im Zusammenhang des § 422 ZPO läßt sich nicht vorbringen, der Partei werde auf diese Weise ein Recht eingeräumt, das sie, wie auc.l} ein Blick auf die §§ 446, 453, 454 ZPO zeige, nicht haben solle 670 • Denn es geht gar nicht darum, der Partei ein Recht zu geben. Die Befugnis, eine Urkunde zurückzuhalten, folgt bereits allgemein aus deren Geheimhaltungsinteresse. Das aber kann, wie gesagt, auch dahin gehen, die Privatsphäre vor Einblicken Dritter zu bewahren, und so die Grenzen etwa des § 384 Nr.2 ZPO überschreiten. Denn danach dürfen Tatsachen auch aus der Privatsphäre eben nur unter den genannten engen Voraussetzungen verschwiegen werden. Deshalb besteht die Funktion der §§ 383 I, 384 ZPO hier darin, jene Befugnis einzuschränken, sie also auf das Maß zu reduzieren, in dem das Gesetz sie für schutzwürdig erachtet. Bejaht man die Anwendbarkeit der §§ 383 I, 384 ZPO, wenn die Vorlegung einer Urkunde nach § 422 ZPO in Betracht steht, so ergibt sich daraus eine Konsequenz, die auf der Anknüpfung des § 422 ZPO an einem materiellrechtlichen Anspruch beruht. Da nämlich die Vorlegungslast aus § 422 ZPO mit der Bejahung oder Verneinung dieses Anspruchs steht und fällt, dürfen sich die Einschränkungen der §§ 383 I, 384 ZPO, sollen sie relevant werden, nicht erst unter einem selbständigen prozessualen Aspekt auswirken. Sie sind vielmehr bereits bei der Frage zu beachten, ob ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse besteht, das die Geltendmachung des materiellrechtlichen Anspruchs als unzulässige Rechtsausübung erscheinen läßt. Andernfalls wäre in manchen Sachverhalten671 die Vorfrage nach dem Bestehen eines Herausgabe- oder Vorlegungsanspruchs zu verneinen, weil das allgemeine Geheimhaltungsinteresse einer Partei entgegensteht. IV. Zusammenfassung

Die Sanktionen auf eine verzögerte Urkundenvorlegung greifen nicht ein, wenn der Urkundeninhaber an der Geheimhaltung des Urkundeninhalts interessiert war. Befindet sich die Urkunde in den Händen des Gegners der risikobelasteten Partei, so ist dessen Geheimhaltungsinteresse schutzwürdig nur in den Grenzen der §§ 383 I, 384 ZPO. 669 Ob ein Zeugnisverweigerungsrecht darüber hinaus aus dem Grundgesetz hergeleitet werden kann, ist zweifelhaft. Der Frage soll an dieser Stelle nicht nachgegangen werden. Bejaht man sie (vg!. Stein I Jonas I Schumann I Leipold, 19. Auf!., Bem. VI 1 d vor § 373), so sind die dafür vorgebrachten Gründe auch hier zu beachten. 670 Dazu oben III l. 671 Man denke wieder an eine Urkunde, die einen Bereich der Privatsphäre betrifft, der durch die Regelung.en des Zeugnisverweigerung,srechts nicht geschützt wird, den geheimzuhalten aber ein Interesse besteht.

4. Kapitel

Schlu.6betrachtung Die Lehre von den Urkunden ist heute nicht mehr "eine Sammlung widerstreitender Sätze ohne allen leitenden Faden"l. Änderungen der ZPO wie die Einfügung des § 272 b ZPO durch die Novelle 1924 mögen zwar zunächst Anlaß gegeben haben, an der Richtigkeit dieser Feststellung zu zweifeln. Das Verfahrensrecht im übrigen gewährt indes ausreichende Handhaben, um jene Zweifel zu beseitigen und darüber hinaus eine widerspruchsfreie Behandlung von Urkunden im Zivilprozeß zu gewährleisten. Erforderlich für die richtige Anwendung dieser Mittel ist es aber, Urkunden nicht einseitig allein unter dem Blickwinkel des Beweisrechts zu sehen. Diesem Erfordernis ist vor allem dergestalt Rechnung zu tragen, daß man unterscheidet zwischen den hier sogenannten Tatsachen- und Beweisurkunden. Sodann ist der Weg frei zur durchgängigen Geltung allgemeiner Grundsätze, aber auch zur analogen Anwendung der Vorschriften über den Urkundenbeweis. Damit ist das Fundament gelegt für eine sichere Behandlung und Beurteilung einer im Zivilprozeß vorgebrachten Urkunde. Zu Unklarheiten kommt es so im wesentlichen nur noch dort, wo es dennoch an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Dies ist der Fall hinsichtlich der Merkmale des Urkundenbegriffs. Sie sind seit der Geltung der ZPO lange Zeit nicht in Frage gestellt worden. Dazu bestand freilich auch kein Anlaß. Denn die Probleme, die sich aus der Abgrenzung der Urkunde namentlich zum Augenscheinsobjekt ergeben, waren solange nicht neu und drängten deswegen nicht zu einer Prüfung des überkommenen Begriffs, wie diese Prüfung nicht wegen technischer Neuerungen geboten war. Mittlerweile aber gibt es Verfahren auf dem Gebiet der Textspeicherung, die weitere überlegungen notwendig gemacht haben. In diesem Bereich scheint das letzte Wort des Gesetzgebers noch nicht gesprochen zu sein.

1

Vgl. aber Endemann. Beweislehre, S. 292.

Anhang A. LITERATURVERZEICHNIS Apt, Max: Die Pflicht zur Urkunden-Edition in dogmengeschichtlicher Ent-

wickelung, Berlin 1892.

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S.1283.

Bach, P.: Anmerkung zum Beschluß des OLG Düsseldorf vom 15. 3. 1935

-

1 W 85/35 -, JW 1935, 8.1721.

Bachmann, Rolf: Die Restforderung der Teilzahlungsbank gegen den säumi-

-

gen Schuldner, NJW 1978, S. 865. Die Nichtigkeit von Teilzahlungskrediten nach der neueren Rechtsprechung und ihre Folgen, NJW 1979, S. 2082.

Bähr, 0.: Der Urkundenbeweis, Jherings Jb 14 (1875), S. 27. Baltzer, Johannes: Elektronische Datenverarbeitung in der kaufmännischen

Buchführung und Prozeßrecht, in: Gedächtnisschrift für Rudolf Bruns, München 1980, S. 73.

Barth, Marquard Adolph: Commentar zur neuen Civilprozeßordnung für das

Königreich Bayern, Erster Band, Nördlingen 1869.

Bathe, Heinrich Theodor: Verhandlungsmaxime und Verfahrensbeschleuni-

gung bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, Berlin, New York 1977.

Baumbach, Adolf / Duden, Konrad / Hopt, Klaus J.: Handelsgesetzbuch, 24.

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Baumbach, Adolf / Lauterbach, Wolfgang / Albers, Jan / Hartmann, Peter:

Zivilprozeßordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und anderen Nebengesetzen, 34. Aufl., München 1976, 40. Aufl., München 1982.

Baumgärtei, Gottfried: Treu und Glauben, gute Sitten und Schikaneverbot

-

im Erkenntnisverfahren, ZZP 69 (1956), S. 89. Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß, 2. Auft., Köln, Berlin, Bonn, München 1972.

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Die Kommentare, die hier in mehreren Auftagen angeführt sind, werden in

den Fußnoten grundsätzHch mit der tetzten Auftage nachgewiesen. Abweichungen sind kenntHch gemacht. Bei den im Erscheinen befindHchen Kommentaren von Stein / Jonas, Soergel / Siebert und v. Staudinger ist stets vermerkt, auf welche Auf tage zurückgegriffen worden ist. Kurztitet sind in den Fußnoten angeführt, soweit dies aus Unterscheidungsgründen erforderHch ist. Im übrigen sind Monographien mit dem Namen des Verfassers, Kommentare, wo mögHch, auch mit dem des Bearbeiters zitiert.

B. MATERIALIEN I. ZurZPO

Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten. Vom 6. Juli 1793. Code de procedure civile. Vom 24. April 1806. Allgemeine bürgerliche Proceßordnung für das Königreich Hannover. Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1850, Hannover 1850, S. 341. Protocolle der Commission zur Berathung einer allgemeinen Civilproceßordnung für die deutschen Bundesstaaten, Hannover 1862-1866, Bände I (1862), VI (1863), VII (1864), XIV, XV (1865). Entwurf einer allgemeinen deutschen Civilproceßordnung. Nach den von der deutschen Civilproceß-Commission zu Hannover bei der ersten Lesung gefaßten Beschlüssen. Herausgegeben von G. R. Peterssen und J. Struckmann, Hannover 1864. Entwurf einer allgemeinen Civilproceßordnung für die deutschen Bundesstaaten. Nach den von der deutschen Civilproceßcommission zu Hannover bei der zweiten und letzten Lesung gefaßten Beschlüssen. Herausgegeben von J. Struckmann, Hannover 1866. Entwurf einer Proceß-Ordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den Preußischen Staat, Berlin 1864. Motive zu dem Entwurfe einer Proceß-Ordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den Preußischen Staat, Berlin 1864. Civilprozeßordnung, Regierungsblatt für das Königreich Württemberg, Stuttgart 1868, S. 191. Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern. Amtliche Ausgabe, München 1869 (Neudruck Aalen 1975). Protokolle der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs einer Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes, Berlin 1868 bis 1870, Bände I (1868), II, III (1869), V (1870).

198

Anhang

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B. Materialien

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Bekanntmachung des Textes der Zivilprozeßordnung. Vom 13. Mai 1924. RGBl. 1924 I S. 437. Entwurf einer Zivilprozeßordnung, Berlin 1931. Gesetz zur Änderung des Verfahrens in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Vom 27. Oktober 1933. RGBl. 1933 I S. 780. Beschleunigung und Unmittelbarkeit des Rechtsgangs. AV des RJM vom 11.11.1935 (IV b 7458), DJ 1935, 1654. Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren (Vereinfachungsnovelle) mit Begründung. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, Anlagen zu den stenographischen Berichten, Band 196, Bonn 1974 (Drucks. 7/2729). Bericht und Antrag des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren (Vereinfachungsnovelle) Drucksache 7/2729 -. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, Anlagen zu den stenographischen Berichten, Band 222, Bonn 1976 (Drucks. 7/5250). Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren (Vereinfachungsnovelle). Vom 3. Dezember 1976. BGBl. 1976 I S.3281. 11. Sonstige Code civil. Vom 21. März 1804. Motive zu dem Entwurf einer Gebührenordnung für Rechtsanwälte. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags. 4. Legislaturperiode - 11. Session 1879. Vierter Band. Anlagen zu den Verhandlungen des Reichstags. Berlin 1879 (Nr. 6; S. 124). Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Band I, Allgemeiner Theil, Band II, Recht der Schuldverhältnisse, 2. Aufl., Berlin 1896. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs und Entwurf eines Einführungsgesetzes nebst Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs und eines Einführungsgesetzes in der Fassung der dem Reichstag gemachten Vorlage, Berlin 1897. Verordnung zur Vereinfachung des Verfahrens auf dem Gebiet des Beurkundungsrechts. Vom 21. Oktober 1942. RGBl. 1942 I S. 609.