166 11 6MB
German Pages 790 [815] Year 2019
Geschichte des frühen Christentums Band II
Martin Hengel Anna Maria Schwemer
Die Urgemeinde und das Judenchristentum
Mohr Siebeck
Martin Hengel (1926–2009), 1959 Promotion; 1967 Habilitation; 1972–1992 Professor für Neues Testament und Antikes Judentum in Tübingen; Direktor des Instituts für Antikes Judentum und hellenistische Religionsgeschichte in Tübingen; 1992 emeritiert. Anna Maria Schwemer, geboren 1942; 1994 Promotion; 1997 Habilitation; apl. Professorin i. R. für Neues Testament an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen.
ISBN 978-3-16-149474-1 / eISBN 978-3-16-156340-9 DOI 10.1628/978-3-16-156340-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2019 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen aus der Times Antiqua belichtet, von GuldeDruck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.
Vorwort Ein halbes Jahr vor seinem Tod übergab mir Martin Hengel ein 117 Seiten umfassendes Manuskript für diesen Band mit den Worten: »Das Buch müssen Sie nun allein schreiben.« Angesichts seiner Krankheit wollte er sich ganz auf die Herausgabe des siebten Bandes seiner »Kleinen Schriften« konzentrieren. Sein Manuskript enthielt die Textvorlage für die ersten Paragraphen dieses Bandes. Es behandelte die Urgemeinde und ihre Lehre sowie die Chronologie und enthielt jeweils einen kurzen Abschnitt zu Stephanus und Philippus. Ich hatte damals schon einen Abschnitt zum frühen Paulus geschrieben. Den Aufbau und die Titel der Hauptteile haben wir noch gemeinsam festgelegt, daran habe ich nichts geändert. Die Beibehaltung der alten Rechtschreibung und die Schreibweise »Profeten« entsprechen dem ausdrücklichen Wunsch Martin Hengels. Der Abschluß dieses Buches hätte sich nicht so lange hinausgezögert, wenn ich mich an einen der letzten Ratschläge Martin Hengels gehalten hätte: »Hören Sie doch mit dem Apostelkonzil auf.« Aber das wollte ich dann doch nicht; denn gerade die Untersuchung des Zusammenhangs der Jerusalemer Gemeinde mit dem palästinischen Judentum schien mir für diesen Band wichtig, und hier gab es für mich auch Neues zu entdecken; zudem konnte ich dem Reiz, mich an der Diskussion um das Judenchristentum und um das Problem der Trennung zwischen Juden und Christen zu beteiligen, nicht widerstehen. Dieses Buch beruht auf einer ganzen Reihe von Vorarbeiten und »Parerga«, wie Martin Hengel zu sagen pflegte. So handelte es sich schon bei »Paulus zwischen Damaskus und Antiochien« um eine »Vorarbeit zu einer umfassenden Geschichte des Christentums im 1. und 2. Jh.«.1 Auch die beiden Studien, die Martin Hengel unter dem Titel »Der unterschätzte Petrus«2 veröffentlichte, waren ursprünglich einmal als Kapitel für diesen Band vorgesehen, so wie die beiden Aufsätze zu Jakobus schon »Grundthesen über Jakobus und das Judentum im Rahmen einer Geschichte des Urchristentums« enthalten, mit der sich Martin Hengel bereits um 1985 beschäftigte.3 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, IX. M. Hengel, Petrus. 3 M. Hengel, Jakobus, 71 Anm. 1 = KS III, 549 Anm. 1. 1 2
VI
Vorwort
Als Ersatz für die Gespräche mit Martin Hengel über die Themen und Probleme einer Geschichte des frühen Christentums dienten mir die Bände seiner »Kleinen Schriften«, auf die hier immer wieder verwiesen wird. Besonders wichtig wurde für mich im Lauf der Jahre als »Vorarbeit« auch Martin Hengels Evangelienbuch.4 Seine These, daß man die Schnittmenge zwischen Matthäus und Lukas nicht einfach als eine Quellenschrift wie das Markusevangelium für den ersten und den dritten Evangelisten betrachten darf, sondern daß vielmehr das spätere Matthäusevangelium das Lukasevangelium voraussetzt, hat sich mir als Arbeitshypothese immer wieder bestätigt. Wie Martin Hengel forderte, wird daher in diesem Band bewußt nicht von ›der Logienquelle‹, sondern von ›Logienüberlieferung‹ u. ä. gesprochen. Zu seinem 80. Geburtstag wünschte sich Martin Hengel ein wissenschaftliches Symposium seiner Freunde und Schüler zum Thema »Heilsgeschichte«. Die bei diesem Symposium gehaltenen Vorträge erschienen in dem Band »Heil und Geschichte«. Nachdem ich den Beitrag Hengels in der erweiterten Druckfassung Korrektur gelesen hatte, gab ich ihm das Manuskript zurück und sagte: »Das klingt wie Ihr Vermächtnis.« Er antwortete: »So ist es auch.« Martin Hengel sah den Dienst von philologisch-historischer Arbeit für Theologie und Kirche darin zu zeigen, daß »apologetisch-fundamentalistische[r] Biblizismus … [ein] an buchstäblicher Sicherheit orientierter Rationalismus, … dem Wesen der Schrift als – gewiss geisterfülltem, gleichwohl aber menschlichem – Glaubenszeugnis von Gottes heilschaffendem Reden und Handeln widerspricht. Hier wird das Evangelium zum Gesetz eines ›Für-Wahr-Haltens‹ und der Geist zum Buchstaben. Die historisch-philologische, und d. h. immer auch kritische Auslegung, erschließt uns erst die in Christus gegründete Tiefe und Vielfalt dieser ›Geschichte‹ mit ihrem Reichtum an Perspektiven, eine ›Geschichte‹, die notwendigerweise auch die Sprache des Mythos und der Legende mitumfasst, ja mit ihr gerade das Letzte und Tiefste, das unsere Sprach‑ und Vorstellungsgrenzen überschreitet, ausdrücken will. … Aber auch die existentialtheologisch-radikale Reduktion des ›Heilsgeschehens‹ auf die individuelle Entscheidung des Glaubens im Hier und Jetzt und die damit verbundene Forderung der ›Entweltlichung‹, durch die man seine ›Eigentlichkeit‹ gewinnt, nimmt dieser ›Geschichte‹ ihre Realität und Überzeugungskraft. Denn nur sie bewahrt das unabdingbare, aller menschlichen Glaubensentscheidung immer vorauslaufende extra nos der Offenbarung Gottes, des Vaters, als verbum externum in Jesus Christus.«5
Martin Hengel sah seine theologisch-historische Arbeit zwischen diesen beiden Fronten, der Enge des pietistischen Biblizismus, aus dem er seiner familiären Herkunft nach kam, und einer modernen sujektivistischen Geschichtsverachtung, die vor allem die Jugend an den theologischen Fakultäten beherrschte, als 4 5
M. Hengel, Evangelien. M. Hengel, Heilsgeschichte, 32 f. = KS VII, 31 f.
Vorwort
VII
er nach dem Zweiten Weltkrieg studierte und mit seiner wissenschaftlichen Arbeit anfing.6 Zugleich zeigt die hier zitierte Passage die bewußte Verwurzelung seiner Theologie in der lutherischen Tradition. Martin Hengel hielt mich seit dem gemeinsamen Paulusband unentwegt dazu an, zu den Themen der Geschichte des frühen Christentums nicht nur Vorlesungen und Übungen zu halten, sondern auch zu veröffentlichen. So ist eine Reihe kleiner Vorstudien entstanden, Aufsätze, auf die in diesem Band ebenfalls immer wieder verwiesen wird. Dieser zweite Band sollte die Darstellung der »eigentliche[n] ›Frühzeit‹ des Urchristentums in statu nascendi« umfassen.7 Diese reicht im Grunde bis zum Jahr 48/49, als bei dem Aposteltreffen in Jerusalem, dem »Apostelkonzil«, die beschneidungsfreie, und das heißt zugleich gesetzeskritische Völkermission auch in Jerusalem anerkannt wurde. Zugleich greift der Band über diesen Zeitraum hinaus und befaßt sich am Ende mit der Geschichte des palästinischen Judenchristentums. Teil I »Die Urgemeinde« versucht die Anfänge zu rekonstruieren. Es geht um die christologisch begründete Neukonstituierung der Jüngergemeinde, die alles erschütternde, überwältigende Geisterfahrung, aber auch um die Struktur der ersten Gemeinde, ihre Organisation und die Entstehung ihrer Ordnungen sowie ihren Gottesdienst. Besonders wichtig ist dabei die Einsicht, wie rasch sich die urchristliche Lehre als Christologie und Soteriologie entwickelt hat und wie die Erwartung der Wiederkunft Christi in nächster zeitlicher Nähe und die Weiterverkündigung der Botschaft Jesu das Ethos der Urgemeinde bestimmt haben. Als Quellen für die Darstellung dieser Frühzeit sind neben der Apostelgeschichte des Lukas und den Evangelien gerade auch die Briefe des Paulus – und hier vor allem der Römerbrief – wichtig. Im Römerbrief wendet sich der Apostel an eine Gemeinde, die er nicht selbst gegründet hat, aber um deren Einverständnis und Unterstützung für sein weiteres Missionswerk er bittet. Er zitiert zu diesem Zweck immer wieder sehr alte Tradition, die die römische Gemeinde schon in ihren Anfängen gegen Ende der 30er Jahre aus Jerusalem erhalten hatte. Auch in den Evangelien läßt sich in besonderer Weise die Kontinuität zwischen der Botschaft Jesu und der Weiterverkündigung seiner Boten, der Apostel, erkennen. Das Postulat einer Q-Gemeinde in Galilaea ist dafür nicht nötig, sondern führt nur in die Irre. Die Logienüberlieferung wurde in Jerusalem gesammelt und dort auch schon sehr früh ins Griechische übersetzt. Teil II »Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission« behandelt die griechischsprachige Gemeinde der Hellenisten in Jerusalem, das Vgl. dazu J. Frey, Martin Hengel. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 9 (Hervorhebungen im Original). 6 7
VIII
Vorwort
Stephanusmartyrium und die Vertreibung der Hellenisten aus Jerusalem sowie deren anschließenden schrittweisen Übergang zur Völkermission. Dieser beginnt mit der Mission des Philippus in Samarien, seiner Taufe des äthiopischen Hofbeamten und der Niederlassung des Philippus in Caesarea Maritima. Dem folgt ein Abschnitt zur Frühzeit des Paulus, das heißt seiner Ausbildung zum pharisäischen Theologen in Jerusalem, seiner Berufung zum Völkerapostel und seiner ersten missionarischen Tätigkeit. Eingeschaltet in diesen zweiten Teil ist eine kurze Darstellung der urchristlichen Chronologie, wie sie Martin Hengel seiner Geschichte des frühen Christentums zugrunde gelegt hat. An diesem chronologischen Aufriß habe ich nichts geändert. Teil III verdankt seine Überschrift »Der ›Kampf‹ um die Heidenmission« noch Martin Hengel. Mir lag viel daran, bei der Darstellung der Entwicklung hin zur weltweiten Völkermission eng an den Quellen zu bleiben. Auch bei der Abfolge der verschiedenen Episoden habe ich mich von der Apostelgeschichte leiten lassen. Die Werke von Josephus und Philo beleuchten die jüdische Geschichte in dieser Zeit und geben Anhaltspunkte auch für die Datierung. Dieser Teil beginnt mit der Bekehrung des ersten ›wirklichen‹ Heiden, des gottesfürchtigen Centurio Cornelius durch Petrus. Wichtig war mir dabei, den historischen und sozialen Hintergrund genauer zu untersuchen, weil gerade hier die Frage der Historizität bis heute umstritten ist. Dabei ist die Quellenlage durch die Werke des Josephus, durch zahlreiche Inschriften und die modernen Ausgrabungen, die die Angaben der Apostelgeschichte beleuchten, gar nicht so schlecht. Es folgt eine Darstellung der Mission der Hellenisten und ihre Gemeindegründung in der Großstadt Antiochia am Orontes. Hier entwickelte sich die Anziehungskraft der neuen Botschaft sehr erfolgreich; Barnabas und Paulus kommen zur Unterstützung in die Stadt und wirken als Gemeindeleiter. Eingehend behandelt wird die Frage, warum die frühen Christen ihre aktive Mission so lange auf (Groß‑)Syrien beschränkt haben und warum sie gerade hier zur gezielten Heidenmission übergegangen sind. Die Antwort findet sich in den messianischen Hoffnungen des Judentums und vor allem in den frühjüdischen Abrahamstraditionen mit ihren durchaus chiliastischen Erwartungen des eschatologischen Landes, das Abraham verheißen worden war. Ein Zweig der Überlieferung erwartet in der Endzeit das friedliche Zusammenleben der jüdischen und der einst paganen Bewohner, die sich Israel anschließen, gerade in diesem Land – ohne Beschneidung der Männer. Die Missionsreise von Barnabas und Paulus als Gemeindeapostel von Antiochia nach Zypern bewegt sich im Grunde noch innerhalb von Abrahams Land. Dort ergibt sich für Paulus und Barnabas durch die Anregung bzw. Vermittlung des gläubig gewordenen Statthalters Sergius Paulus die Möglichkeit, daß sie den Rückweg nach Antiochia am Orontes über das Innere Asiens einschlagen und in der Provinz Galatien Gemeinden gründen. Von Derbe aus ziehen sie jedoch
Vorwort
IX
nicht direkt über den Taurus nach Antiochia weiter, sondern besuchen auf dem Rückweg noch einmal die neugegründeten Gemeinden. Auf dieser Reise fällt nach Lukas der Beschluß zur programmatischen Völkermission angesichts des Widerstands in der jüdischen Bevölkerung. Der Übergang zur beschneidungsfreien Heidenmission führte auf der anderen Seite zum Protest der Jerusalemer Gemeinde. Deren Lage hatte sich durch die Verfolgung durch Agrippa I. wesentlich geändert. Der Kreis der zwölf Apostel wurde zerschlagen, und Petrus mußte fliehen. Die Gemeindeleitung übernahm der Herrenbruder Jakobus, dem es durch seine Kompromißfähigkeit gelang, die Gemeinde zwanzig Jahre lang in der Heiligen Stadt zu halten, bis er und einige andere durch den Hohenpriester Hannas II. wegen Gesetzesverstoßes zur Steinigung verurteilt wurden. Die Gründe für die zunehmend gefährdete Lage der Judenchristen in Palästina werden untersucht, ebenso die vorläufige Einigung auf dem Apostelkonzil über die Frage der Beschneidung sowie die Lösung der Speisenfrage durch das Aposteldekret nach dem Antiochener Zwischenfall. Teil IV »Das palästinische Judenchristentum« beschließt den Band. Während Petrus, Paulus und Barnabas die großen Gestalten sind, die vor allem die Völkermission tragen und als Missionare für die Völker in Erinnerung bleiben, ist es Jakobus als Leiter der Urgemeinde, der für die Judenchristen als Urgestalt im Gedächtnis bleibt. Er und sein Brief stehen deshalb im Zentrum der Untersuchung sowie die verschiedenen Nachrichten über ihn bei Josephus und in der frühchristlichen, legendären Überlieferung. Zeitlich greift dieser letzte Teil des zweiten Bandes über die gesetzte Grenze hinaus. Er behandelt nicht nur das Martyrium des Jakobus im Jahr 62 n. Chr., sondern auch die zunehmende Ausgrenzung der palästinischen Judenchristen und ihren Ausschluß aus dem Judentum. Die Quellen dafür sind die scharfe antipharisäische und damit auch antijüdische Polemik im Matthäus‑ und im Johannesevangelium, die auf die Ausstoßung aus den jüdischen Synagogen antwortet, und auf der anderen Seite rabbinische Texte aus der tannaïtischen Zeit bzw. spätere Überlieferungen über die protorabbinische Zeit, die sogenannte ›Epoche von Jabne‹, und die Einfügung der Birkat ham-mînîm in das Achtzehnbittengebet. Die Gegenprobe auf diese Vorgänge läßt sich mit Justins Vorwürfen wegen der Verfluchung der Christen im Gebet in den Synagogen und der Verleumdungen Jesu Christi durchführen. Justin schreibt zwar erst um 150 n. Chr. in Rom seinen Dialog mit dem Juden Tryphon, aber er blickt auf die Vorgänge in Palästina zurück. Eine solche Darstellung der Frühzeit, wie sie in diesem zweiten Band versucht wird, kann gar nicht anders unternommen werden als unter dem Motto: den Quellen folgen. Hier sind es in erster Linie die wenigen historischen Angaben in den authentischen Paulusbriefen und dann die fortlaufende Erzählung in der Apostelge-
X
Vorwort
schichte des Lukas. Ohne das Werk dieses ersten christlichen Historikers wäre es aussichtslos, sich um ein Bild über die Geschehnisse in der Frühzeit zu bemühen. Im Grunde verdanken wir es Lukas, daß wir die Ursprünge des Christentums nicht nur zeitlich einordnen können, sondern etwas über ihren Charakter erfahren. Für die Zeitgeschichte haben wir den außerordentlichen Glücksfall, daß wir in den Werken des Josephus die Darstellung eines exzellenten und kundigen Historikers als Zeitgenossen besitzen. Er erwähnt, daß Jesus von Nazareth von Pilatus auf Anzeige der Spitze des Volkes hin zum Tod am Kreuz verurteilt wurde und daß die von ihm ausgelöste Bewegung immer noch bestünde. Dieses sogenannte Testimonium Flavianum ist nur christlich ›verbessert‹ erhalten, aber der Originalwortlaut des Josephus läßt sich noch erkennen. Den Bruder Jesu, Jakobus, nennt er, weil der Justizmord an ihm den Hohenpriester das Amt kostete. Aber Johannes den Täufer hält er vermutlich für bedeutender als Jesus und Jakobus. Bei einem Vergleich von Josephus und Lukas fiel es schon Euseb – dem nächsten christlichen Historiker nach Lukas – auf, wie gut sich beide ergänzen. Euseb beobachtete dies an ihrer jeweiligen Schilderung vom Tod des judäischen Königs Agrippa I. im Frühjahr 44 n. Chr. Es wurde und wird darüber spekuliert, ob Lukas das Werk des Josephus gekannt habe. Ich halte dies für unwahrscheinlich, auch wenn beide in Rom gleichzeitig geschrieben hätten. Der begabte Erzähler Lukas hätte ganz anders geschrieben, wenn er eine solche Quelle zur Verfügung gehabt hätte. Trotzdem führt die Lücken-, ja Bruchstückhaftigkeit und Widersprüchlichkeit der Quellen notwendigerweise zu Hypothesen, mit denen man arbeiten muß, wenn man ein Gesamtbild gewinnen und die verschiedenen Entwicklungen in ihrem Zusammenhang verstehen möchte und nicht bei allen Problemen bei einem non liquet stehenbleiben will. Die ersten Christen erlebten die Erfüllung der endzeitlichen Erwartungen Israels als eine große Erschütterung. Sie sahen sich berufen zur Verkündigung ihres gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Durch die Ostererscheinungen wurden sie aufgerufen, den Grundimpuls Jesu fortzusetzen, das endzeitliche Gottesvolk zu sammeln und in die βασιλεία τοῦ θεοῦ zu rufen. Aus diesem Grund war ursprünglich vorgesehen, das Kapitel über die Urgemeinde noch in den ersten Band aufzunehmen. Wir haben dann zur großen Erleichterung Martin Hengels darauf verzichtet. Nur so konnte damals der erste Band im Jahr 2007 erscheinen, Martin Hengel dies auch noch erleben und den Band kommentieren.8 Die Entwicklung des Judenchristentums in Palästina habe ich in diesen Band aufgenommen. Dagegen soll die Zeit der großen Reisen des Paulus, die Entwicklung der weltweiten Ausbreitung des Christentums und in den neuen Zentren Rom und Kleinasien bis zum Ende der flavischen Zeit dem dritten Band 8
M. Hengel, Rückfrage.
Vorwort
XI
vorbehalten sein, und der vierte Band wird sich dann ganz dem 2. Jahrhundert zuwenden. Wie sehr die beiden ersten Jahrhunderte im Grunde zusammenhängen, kann man gerade auch bei der Untersuchung des palästinischen Judenchristentums sehen. Auch dieser Band ist wie »Jesus und das Judentum« noch ein Gemeinschaftswerk, denn der Grundstock des Buches geht auf Martin Hengel und seine Sicht der Frühzeit des Christentums zurück. Der – vielleicht etwas spät einsetzende – zunehmende Übergang von der 1. Person Plural zur 1. Person Singular signalisiert dem Leser dann je und je den Wechsel zu meiner alleinigen Verantwortung. Meine Schwächen und Fehler sollen nicht dem Lehrer angerechnet werden. Seine Witwe, Frau Marianne Hengel, begleitete in den letzten Jahren ihres Lebens das Werden dieses Buches mit freundlicher Ermunterung und mütterlichem Verständnis für alle Probleme. Zu danken habe ich der Philipp-Melanchthon-Stiftung in Tübingen und ihrem Stiftungsrat, insbesondere ihrem Vorsitzenden Professor Dr. Volker Henning Drecoll, die mir nicht nur über die Jahre die Mittel für eine wissenschaftliche Hilfskraft gewährten, sondern auch die Druckvorbereitung finanziell unterstützt haben. Danken möchte ich insbesondere Frau Johanna Friederike Jebe, M. A., die getreulich das wachsende Manuskript mit großer Sorgfalt gelesen, die Zitate überprüft, Literatur besorgt und das Literaturverzeichnis geschrieben hat. Dr. Christoph Schaefer hat im Jahr 2017 alle Teile gelesen und wertvolle Hinweise gegeben. Das Lektorat hat Dr. Claus-Jürgen Thornton übernommen. Er hat ebenfalls noch einmal das Ganze gelesen, sich um die Querverweise gekümmert, das Manuskript für den Druck vorbereitet und mir manchen Rat gegeben. Danken möchte ich auch dem Verlag: Herrn Dr. Henning Ziebritzki für sein Interesse und seine freundliche Geduld, mit der er mich immer wieder darauf hinwies, daß das Erscheinen dieses Bandes erwartet wird. Frau Ilse König von der Herstellung und Herr Martin Fischer haben erneut in sehr erfreulicher Zusammenarbeit die Drucklegung besorgt. Abgeschlossen habe ich das Manuskript im März 2018. Später erschienene Literatur konnte nur noch sporadisch berücksichtigt werden. Wieviel ich an Einsichten früheren Gelehrten, Freunden und Kollegen zu verdanken habe, sieht man in den Fußnoten. Ein ganz besonderer Dank gilt schließlich meinem Mann für all seine tatkräftige Hilfe, mit der er meine Arbeit immer unterstützt hat bis hin zu letzten Korrekturen an der »Geschichte II« und beim Erstellen der Register. Tübingen, im April 2019
Anna Maria Schwemer
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI
I. Die Urgemeinde § 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.1 Die ideale Darstellung des Lukas Apg 1–12 und ihre Problematik als Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2 Der Versuch einer historischen Rekonstruktion der Anfänge der Jerusalemer Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2.1 Die christologisch bestimmte Neukonstituierung der Jüngergemeinde und die Rückkehr der Jünger nach Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2.2 Das Pfingstwunder Apg 2 und die Geisterfahrung . . . . . . . . 13 1.2.3 Die neue endzeitliche Heilsgemeinde und die Taufe im Namen Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.3 Die erste Gemeinde in Jerusalem: Struktur und erste Auseinandersetzungen mit ihren Gegnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.3.1 Die Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.3.2 Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.3.3 Die erste Verfolgung durch die Priesteraristokratie . . . . . . . 44 1.4 Ordnungen in der Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1.4.1 Charismen und Funktionen in der Gemeinde . . . . . . . . . . . 51 1.4.1.1 Die Zwölf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1.4.1.2 Die Apostel als Missionare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1.4.1.3 Die Gabe der Profetie und die urchristlichen Profeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1.4.1.4 Die urchristlichen Lehrer und die Einmaligkeit der apostolischen Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1.4.1.5 Die Gabe der Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1.5 Der urchristliche Gottesdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
XIV
Inhaltsverzeichnis
1.5.1 Jüdischer und christlicher Gottesdienst . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1.5.2 Mahlgemeinschaft und Herrenmahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1.5.3 Das Problem des urchristlichen Wortgottesdienstes . . . . . . 86 § 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2.1 Die Ausbildung der Christologie und Soteriologie als »Heilsbotschaft« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2.2 Die Naherwartung der Wiederkunft Christi: Erlösung und Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2.3 Die Weiterverkündigung der Botschaft Jesu und das Ethos der Urgemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission § 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3.1 Die Hellenisten und die Einsetzung der Sieben . . . . . . . . . . . . . . 139 3.2 Die aktive Mission der Hellenisten; Stephanus und sein Martyrium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Exkurs: Die Rede des Stephanus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3.3 Die Verfolgung der Hellenisten in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . 162 § 4 Die urchristliche Chronologie von Jesus bis Paulus . . . . . . . . . . . . . . 169 4.1 Die innere und die äußere Chronologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 4.2 Chronologie und Christologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 § 5 Die Mission des Evangelisten Philippus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 5.1 Zur Person des Philippus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 5.2 Die Mission in Samarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Exkurs: Simon Magus bei Lukas und die simonianische Gnosis . 191 5.3 Philippus und der äthiopische Minister und Eunuch (Apg 8,26–40) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 § 6 Der frühe Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 6.1 Die Herkunft aus Tarsus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 6.2 Der Pharisäer und Verfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 6.2.1 Gesetzesstudium in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 6.2.2 Der Verfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 6.3 Die Berufung des Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 6.3.1 Das Selbstzeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 6.3.2 Der dreifache Bericht in der Apostelgeschichte . . . . . . . . . . 223
Inhaltsverzeichnis
XV
6.3.2.1 Die Bekehrung des Paulus in Apg 9,1–30 . . . . . . . . 224 6.3.2.2 Christusvision und Sendung zu den Völkern nach Apg 22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 6.3.2.3 Christusvision und Sendung zu den Völkern nach Apg 26,1–23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 6.3.3 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 6.4 Damaskus, Arabien, Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 6.4.1 Damaskus und seine jüdischen Bewohner, Paulus und die ersten Christen in der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 6.4.2 Die Mission in Arabien und die Flucht aus Damaskus . . . . 238 6.4.3 Der Besuch bei Petrus in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 6.4 Damaskus, Arabien, Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
III. Der »Kampf« um die Heidenmission § 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission . . . . . . . . . . . . . 251 7.1 Frühe Zeugnisse für den Widerstand gegen die Aufnahme von Heiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 7.2 Petrus und die Bekehrung des Cornelius (Apg 10,1–11,18) . . . . . 257 7.2.1 Petrus als Missionar in Judaea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 7.2.2 Caesarea Maritima und seine Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . 265 7.2.3 Cornelius als Gottesfürchtiger und die christliche Mission . 274 7.2.4 Die Begegnung zwischen Petrus und Cornelius . . . . . . . . . 278 Exkurs: Der Streit um Rein und Unrein . . . . . . . . . . . . . . . . 280 7.2.4.1 Die Predigt des Petrus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 7.2.4.2 Geistempfang und Taufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 7.2.5 Die Anerkennung der beschneidungsfreien Aufnahme von Heiden durch die Apostel in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . 292 § 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 8.1 Die Mission der Hellenisten und ihre Ankunft in Antiochia . . . . . 295 8.2 Syrien in der jüdischen eschatologischen Erwartung . . . . . . . . . . 296 8.3 Die urchristliche Mission und die Landverheißung an Abraham in der frühjüdischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 8.3.1 Zur universalen Verbreitung der christlichen Botschaft . . . . 300 8.3.2 Die Beschränkung der aktiven Mission auf Palästina und Syrien in den ersten Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 8.3.3 Die Landverheißung an Abraham in Gen 15,18 . . . . . . . . . 313 8.3.4 Das Land Abrahams in frühjüdischen Texten . . . . . . . . . . . 318 8.3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
XVI
Inhaltsverzeichnis
8.4 Die neue Situation in der Großstadt Antiochia für die Christen . . 329 8.4.1 Die jüdische Gemeinde Antiochias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 8.4.2 Der Übergang zur gezielten Heidenmission . . . . . . . . . . . . 337 8.4.3 Barnabas und Paulus in Antiochia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 8.4.4 Der Christenname . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 8.4.5 Der Profetenbesuch aus Jerusalem und die Kollekte . . . . . . 342 8.4.6 Die Leitungsgruppe der Antiochener Gemeinde . . . . . . . . . 345 § 9 Die Verfolgung in Jerusalem durch Agrippa I. und die Flucht des Petrus (ca. 43 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 9.1 Die Verfolgung durch Agrippa I. in Jerusalem und die Befreiung des Petrus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 9.1.1 Die Hinrichtung des Zebedaïden Jakobus . . . . . . . . . . . . . . 350 9.1.2 Die Befreiung des Petrus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 9.2 Agrippas Tod als Gottesfeind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Exkurs: Agrippas göttliche Stimme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 9.3 Die Folgen für die Jerusalemer Gemeinde und für die paulinische Mission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 § 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus nach der Darstellung der Apostelgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 10.1 Die Aussendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 10.2 Die Mission in Zypern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 10.2.1 Salamis und seine Synagogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 10.2.2 Paphos, der Magier Barjesus / Elymas und der Prokonsul Sergius Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 10.3 Weiterfahrt nach Kleinasien: Mission in der Provinz Galatien . . 377 10.3.1 Das pisidische Antiochia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 10.3.2 Ikonium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 10.3.3 Lystra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 10.3.4 Derbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 10.3.5 Der Rückweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 § 11 Das »Apostelkonzil« und das »Aposteldekret« . . . . . . . . . . . . . . . . 395 11.1 Das »Apostelkonzil« im Jahr 48/49 in Jerusalem . . . . . . . . . . . 395 11.1.1 Zur Diskussion über die historische Zuordnung der Angaben des Paulus und der Apostelgeschichte in der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 11.1.2 Der theologische Konflikt: Die Wahrheit des Evangeliums und die Heilsnotwendigkeit des Gesetzes 400 Exkurs: Die Heilsnotwendigkeit der Beschneidung für Israel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
Inhaltsverzeichnis
XVII
11.1.3 Die Lösung des Konflikts auf dem »Apostelkonzil« . . . 404 Exkurs: Jakobus und die Leitung der Jerusalemer Gemeinde beim »Apostelkonzil« in Apg 15 . . . . . . . . . . 407 11.2 Der Konflikt zwischen Petrus und Paulus in Antiochia und das Aposteldekret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 11.2.1 Zum sogenannten antiochenischen Zwischenfall . . . . . 410 11.2.2 Zum »Aposteldekret« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412
IV. Das palästinische Judenchristentum § 12 Zur Situation der palästinischen Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 12.1 Die Ausbreitung der christlichen Gemeinden in Palästina . . . . 419 Exkurs: Zur Forschungsdebatte um das Judenchristentum und den »Trennungsprozeß« zwischen Juden und Christen . . . 424 12.2 Die verschärfte Verfolgung der palästinischen Gemeinde . . . . 426 § 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament . . . . . . . . . . . . . . . 440 13.1 Jakobus in den Evangelien, bei Paulus und in der Apostelgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 13.2 Zum Rätsel des Jakobusbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 13.2.1 Zur neueren Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . 455 13.2.2 Der Jakobusbrief als Lehre des Jakobus für die »zwölf Stämme in der Zerstreuung« . . . . . . . . . 459 § 14 Jakobus »der Gerechte« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 14.1 Der erste Auferstehungszeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 14.2 Der Offenbarungsmittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 14.3 Die Vita des Jakobus bei Hegesipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 14.3.1 Jakobus als erster Bischof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 14.3.2 Jakobus als Nasiräer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 14.3.3 Jakobus als Hohepriester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 14.3.4 Die »Tür Jesu« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 14.3.5 Die Gegner des Jakobus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 14.3.6 Der Bischofssitz des Jakobus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 § 15 Das Martyrium des Herrenbruders Jakobus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 15.1 Josephus, Ant. 20,199–203 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 15.2 Das Martyrium des Jakobus nach Hegesipp . . . . . . . . . . . . . . . 500 § 16 Die »Auswanderung« der Jerusalemer Gemeinde nach Pella . . . . . . 512 § 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus . . . . . . . 520
XVIII
Inhaltsverzeichnis
17.1 Die »Bischofswahl« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 17.2 Die Verfolgung der Davididen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 17.3 Das Martyrium des Simeon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 § 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum 546 18.1 Die verschärfte Polemik im Matthäus‑ und im Lukasevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 18.1.1 Die Polemik in Mt 23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 18.1.2 Die Abwehr jüdischer Polemik in der Passions‑ und Ostergeschichte bei Matthäus . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 18.1.3 Die Verteidigung gegen jüdische Polemik in den Kindheitsgeschichten bei Lukas und Matthäus . . 561 Exkurs: Das Protevangelium des Jakobus . . . . . . . . . . . 567 18.2 Die ›Juden‹ und der »Ausschluß aus der Synagoge« im Johannesevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 18.2.1 Die »Juden« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 18.2.2 Der Ausschluß aus der Synagoge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 18.3 Die Birkat ham-mînîm im Achtzehnbittengebet und die Ausgrenzung der Judenchristen aus dem Judentum . . . 582 18.3.1 Die Birkat ham-mînîm im Achtzehnbittengebet . . . . . . . 583 18.3.2 Zum Ausschluß der Judenchristen in den rabbinischen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 18.3.3 Zur Situation der palästinischen Judenchristen seit dem Ende des 1. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 18.3.4 Die Trennung von Juden und Christen bei Justin . . . . . 601 18.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 671 Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722 Namen- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungen richten sich in der Regel nach S. M. Schwertner, IATG3 – Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Berlin / Boston 2014. Die Zitation der biblischen Bücher und einiger antiker Quellen orientiert sich in der Regel an: Abkürzungen Theologie und Religionswissenschaften nach RGG4, hg. von der Redaktion der RGG4, Tübingen 2007; sie werden im Stellenregister aufgelöst. ABG ABRL AcA
AE AGJU AGSU AJEC AKG AKThG AncB ANRW ANTZ APAW.PH ARW ASTI ATD AThANT AW BASOR BBB BCH BDR BEThL BEvTh BFChTh
Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte Anchor Bible Reference Library Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, hg. von C. Markschies und J. Schröter in Verbindung mit A. Heiser, 7. Aufl. der von E. Hennecke begründeten und von W. Schneemelcher fortgeführten Sammlung der neutestamentlichen Apokryphen, I. Band: Evangelien und Verwandtes, 2 Teilbände, Tübingen 2012 (= AcA I/1–2) L’année épigraphique Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums und des Urchristentums Arbeiten zur Geschichte des Spätjudentums und Urchristentums Ancient Judaism and Early Christianity Arbeiten zur Kirchengeschichte Arbeiten zur Kirchen‑ und Theologiegeschichte Anchor Bible Aufstieg und Niedergang der römischen Welt Arbeiten zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte Abhandlungen der (Königlich) Preußischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse Archiv für Religionswissenschaft Annual of the Swedish Theological Institute Das Alte Testament Deutsch Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments Antike Welt Bulletin of the American Schools of Oriental Research Bonner biblische Beiträge Bulletin de correspondence hellénique F. Blass / A. Debrunner / F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen 161984 Bibliotheca ephemeridum theologicarum Lovaniensium Beiträge zur evangelischen Theologie Beiträge zur Förderung christlicher Theologie
XX BGrL BHTh BibIntS Bill. BK BKV BSLK
BSSTB BThSt BU BWANT BZAW BZNW CBET CBL CChr.SA CChr.SL CEA CEJL CIIP CIJ CPJ CRI CSCO.S CThM.BW DBS DCLS DCLY DiKi DJD DNP EdF EHPhR EHS.T EKK ET EvTh FAT FAZ FC
Abkürzungsverzeichnis
Bibliothek der griechischen Literatur Beiträge zur historischen Theologie Biblical Interpretation Series H. Strack / P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, 6 Bde., München 1922–1961 Biblischer Kommentar. Altes Testament Bibliothek der Kirchenväter Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, hg. im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930 vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss, Göttingen 1930, 21952, 31956, 10 1986, 121998 Biblioteca di storia e storiografia dei templi biblici Biblisch-theologische Studien Biblische Untersuchungen Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft Contributions to Biblical Exegesis and Theology Calwer Bibellexikon Corpus Christianorum. Series apocryphorum Corpus Christianorum. Series Latina Collection d’études anciennes Commentaries on Early Jewish Literature Corpus Inscriptionum Iudaeae / Palaestinae, hg. von H. M. Cotton / W. Ameling u. a., 3 Bde., Berlin / New York 2010–2014 Corpus inscriptionum Judaicarum Corpus Papyrorum Judaicarum, hg. von V. A. Tcherikover und A. Fuks, 3 Bde., London / Cambridge (Mass.) 1957–1964 Compendia rerum Iudaicarum ad novum testamentum Corpus scriptorum Christianorum orientalium. Scriptures Syri Calwer theologische Monographien. Reihe A: Bibelwissenschaft Dictionnaire de la Bible. Supplément Deuterocanonical and Cognate Literature Studies Deuterocanonical and Cognate Literature Yearbook Dialog der Kirchen Discoveries in the Judaean Desert Der Neue Pauly Erträge der Forschung Etudes d’histoire et de philosophie religieuses Europäische Hochschulschriften. Reihe 23: Theologie Evangelischer-katholischer Kommentar zum Neuen Testament The Expository Times Evangelische Theologie Forschungen zum Alten Testament Frankfurter Allgemeine Zeitung Fontes christiani
Abkürzungsverzeichnis
FGNK
XXI
Forschungen zur Geschichte des neutestamentlichen Kanons und der altchristlichen Literatur FRJS Fontes ad res Judaicas spectantes FRLANT Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments FTS Frankfurter theologische Studien GAT Grundrisse zum Alten Testament GCS Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten (drei) Jahrhunderte GLAJJ M. Stern, Greek and Latin Authors on Jews and Judaism, ed. with Introductions, Translations and Commentary, 3 Bde., FRJS, Jerusalem 1974, 1980, 1984 GNT Grundrisse zum Neuen Testament (Ergänzungsreihe zu NTD) GTA Göttinger theologische Arbeiten HBS Herders biblische Studien HNT Handbuch zum Neuen Testament HThKNT Herders theologischer Kommentar zum Neuen Testament HThR Harvard Theological Review HUCA Hebrew Union College Annual Hyp. Hypomnemata ICC International Critical Commentary IEJ Israel Exploration Journal IGRR Inscriptiones Graecae ad res Romanas pertinentes IJO Inscriptiones Judaicae Orientis, Bd. I: Eastern Europe, hg. von D. Noy, A. Panayotov und H. Bloedhorn, TSAJ 101, Tübingen 2004; Bd. II: Kleinasien, hg. von W. Ameling, TSAJ 99, Tübingen 2004; Bd. III: Syria and Cyprus, hg. von D. Noy und H. Bloedhorn, TSAJ 102, Tübingen 2004 IKaZ Internationale katholische Zeitschrift JAC Jahrbuch für Antike und Christentum JANES Journal of the Ancient Near Eastern Society JBL Journal of Biblical Literature JBTh Jahrbuch für biblische Theologie JJS Journal of Jewish Studies JR Journal of Religion JRS Journal of Roman Studies JSHRZ Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit JSIJ Jewish Studies. An Internet Journal JSJ Journal for the Study of Judaism in the Persian, Hellenistic and Roman Period JSJ.S Journal for the Study of Judaism in the Persian, Hellenistic and Roman Period. Supplements JSNT Journal for the Study of the New Testament JSNT.S Journal for the Study of the New Testament. Supplement Series JSPE.S Journal for the Study of the Pseudepigrapha. Supplement Series JThS Journal of Theological Studies KAV Kommentare zu den apostolischen Vätern KAT Kommentar zum Alten Testament
XXII KEK KIG KS I–VII KTB KuD LeDiv LNTS LXX.D MAMA MJSt MSSNTS NBL NHC NT NT.S NTApo II5 NTD NTOA NTS OECT OLB ORA ÖTBK PEES.GR PEQ
Abkürzungsverzeichnis
Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament Kirche in ihrer Geschichte M. Hengel, Kleine Schriften, 7 Bde., 1996–2010: Bd. I: Judaica et Hellenistica. Kleine Schriften I, unter Mitarbeit von R. Deines, J. Frey, C. Markschies und A. M. Schwemer, mit einem Anhang von H. Bloedhorn, WUNT 90, Tübingen 1996. Bd. II: Judaica, Hellenistica et Christiana. Kleine Schriften II, unter Mitarbeit von J. Frey und D. Betz und mit Beiträgen von H. Bloedhorn und M. Küchler, WUNT 109, Tübingen 1999. Bd. III: Paulus und Jakobus. Kleine Schriften III, WUNT 141, Tübingen 2002. Bd. IV: Studien zur Christologie. Kleine Schriften IV, hg. von C.-J. Thornton, WUNT 201, Tübingen 2006. Bd. V: Jesus und die Evangelien. Kleine Schriften V, hg. von C.-J. Thornton, WUNT 211, Tübingen 2007. Bd. VI: Studien zum Urchristentum. Kleine Schriften VI, hg. von C.-J. Thornton, WUNT 234, Tübingen 2008. Bd. VII: Theologische, historische und biographische Skizzen. Kleine Schriften VII, hg. von C.-J. Thornton, WUNT 253, Tübingen 2010. Kohlhammer Taschenbücher Kerygma und Dogma Lectio divina Library of New Testament Studies Septuaginta deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung, hg. von W. Kraus und M. Karrer, Stuttgart 2009 Monumenta Asiae minoris antiqua Münsteraner judaistische Studien Society of New Testament Studies. Monograph Series Neues Bibel-Lexikon, hg. von M. Görg und B. Lang, 3 Bde., Zürich 1991, 1995, 2001 Nag Hammadi Codex Novum Testamentum Novum Testamentum. Supplements Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, begründet von E. Hennecke, hg. von W. Schneemelcher, Bd. II: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 51999 Das Neue Testament Deutsch Novum testamentum et orbis antiquus New Testament Studies Oxford Early Christian Texts Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studienreiseführer zum Heiligen Land, hg. von O. Küchler u. a., Zürich u. a. 1982 ff. Orientalische Religionen in der Antike Ökumenischer Taschenbuchkommentar Publications of the Egypt Exploration Society. Graeco-Roman Memoirs Palestine Exploration Quarterly
Abkürzungsverzeichnis
PIR
PTMS PTS PuP RAC RB RdQ RGG4 RGRW RHPhR RM RVV SBL.CA SBL.DS SBL.PS SBL.SymS SBL.TT SBS SC SCI SEG SGUÄ I SHAW.PH SHG SIG3 SIJD SPHKHAW STAC STAT StorRel(R) StPB StTDJ StUNT
XXIII
Prosopographia Imperii Romani. Saec. I. II. III, consilio et auctoritate Academiae Litterarum Borussicae et al., editio altera, Pars I–VIII, Berlin / Leipzig 1933–2009 (zugleich: Datenbank, URL: http://pir.bbaw. de / , letzter Zugriff 5. 3. 2018) Princeton Theological Monograph Series Patristische Texte und Studien Päpste und Papsttum Reallexikon für Antike und Christentum, begr. von F. J. Dölger, hg. von G. Schöllgen u. a., Stuttgart 1.1950 ff. Revue biblique Revue de Qumrân Religion in Geschichte und Gegenwart, hg. von H. D. Betz u. a., 8 Bde., Tübingen 1998–2005 Religions in the Graeco-Roman World Revue d’histoire et de philosophie religieuses Die Religionen der Menschheit Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten Society of Biblical Literature. Christian Apocrypha Series Society of Biblical Literature. Dissertation Series Society of Biblical Literature. Pseudepigrapha Series Society of Biblical Literature. Symposium Series Society of Biblical Literature. Texts and Translations Stuttgarter Bibelstudien Sources Chrétiennes Scripta classica Israelica Supplementum Epigraphicum Graecum, gegenwärtig hg. von A. Chaniotis, T. Corsten, N. Papazarkadas und R. A. Tybout, Leiden 1923 ff. Sammelbuch griechischer Urkunden aus Ägypten, Bd. 1: Urkunden Nr. 1 bis 6000, bearb. von F. Preisigke, Straßburg 1915 (fotomechanischer Nachdruck Straßburg 1974) Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse Subsidia hagiographica Sylloge inscriptionum Graecarum, hg. von W. Dittenberger, 4 Bde., Leipzig 1915–1923 Schriften des Institutum Judaicum Delitzschianum Schriften der Philosophisch-Historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Studien und Texte zu Antike und Christentum / Studies and Texts in Antiquity and Christianity Suomalaisen Tiedeakatemian toimituksia. Annales Academiae Scientiarum Fennicae Storia delle religioni. Roma Studia post-biblica Studies on the Texts of the Desert of Judah Studien zur Umwelt des Neuen Testaments
XXIV SUC SVigChr TANZ TAVO
Abkürzungsverzeichnis
Schriften des Urchristentums Supplements to Vigiliae Christianae Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter Tübinger Atlas des Vorderen Orients, hg. vom Sonderforschungsbereich 19 »Tübinger Atlas des Vorderen Orients« der Universität Tübingen, Wiesbaden 1976–1995 ThHK Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament ThKNT Theologischer Kommentar zum Neuen Testament ThLZ Theologische Literaturzeitung ThQ Theologische Quartalschrift ThR Theologische Rundschau ThWAT Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Bd. 1–9, begr. bzw. hg. von G. J. Botterweck †, H. Ringgren † und H.-J. Fabry, Stuttgart 1973–2016 ThWNT Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 10 Bde., begr. von G. Kittel, hg. von G. Friedrich, Stuttgart 1933–1979 ThZ Theologische Zeitschrift TOBITH Topoi Biblischer Theologie / Topics of Biblical Theology TRE Theologische Realenzyklopädie, hg. von G. Krause und G. Müller, 36 Bde., Berlin / New York 1976–2004 TSAJ Texte und Studien zum antiken Judentum / Texts and Studies in Ancient Judaism TU Texte und Untersuchungen TVGMS TVG-Monographie und Studienbücher TzF Texte zur Forschung UB Urban-Taschenbücher UTB Uni-Taschenbücher ÜTY Übersetzung des Talmud Yerushalmi VigChr Vigiliae Christianae VT Vetus Testamentum WBC Word Biblical Commentary WdF Wege der Forschung WiBiLex Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, hg. von S. Alkier, M. Bauks und K. Koenen, 2007 ff. (URL: http://www.wibilex.de) WMANT Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament WUNT Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament ZAC Zeitschrift für antikes Christentum ZDPV Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins ZKG Zeitschrift für Kirchengeschichte ZThK Zeitschrift für Theologie und Kirche
I. Die Urgemeinde
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem1 1.1 Die ideale Darstellung des Lukas Apg 1–12 und ihre Problematik als Quelle2 Paulus teilt über die allerfrüheste Zeit der Entstehung der Urgemeinde nur in einem fest gefügten, bekenntnisartigen Text das Allerwichtigste mit: »Denn ich habe euch unter den ersten Dingen überliefert, was auch ich empfangen habe, daß Christus gestorben ist für unsere Sünden nach den Schriften und daß er begraben wurde und daß er am dritten Tage auferweckt wurde nach den Schriften und daß er dem Kephas erschien, darauf den Zwölfen. Danach erschien er mehr als 500 Brüdern auf einmal, von denen die meisten jetzt noch leben, einige sind aber schon entschlafen. Danach erschien er dem Jakobus, danach den Aposteln allen. Zuletzt aber von allen erschien er auch mir, gleichsam als einer Fehlgeburt …«3 1 Vgl. dazu H. Lietzmann, Geschichte, 54–67: »Die Urgemeinde«; W. Schneemelcher, Urchristentum, 86 ff.; E. Meyer, Ursprung, 220 ff.; H. Conzelmann, Geschichte, 21 ff.; L. Goppelt, Apostolische Zeit, 14 ff.; E. Haenchen, Apostelgeschichte als Quelle; C. Colpe, Gemeinde (Literatur); P. Stuhlmacher, Theologie I, 162–221; E. Grässer, Forschungen; M. Hengel, Geschichtsschreibung = KS VI, 1–104; ders., Der Jude Paulus = KS VI, 212–241; ders. / A. M. Schwemer, Paulus, 9–26. C. K. Barrett, Acts II, XIX–CXVIII; J. A. Fitzmyer, Acts, 131–230; D. Zeller, Konsolidierung, 128–160; U. Wilckens, Theologie I/2, 161–195; A. J. M. Wedderburn, History, 21–40; O. Skarsaune, Shadow, 147–163; S. C. Mimouni / P. Maraval, Le christianisme; D. Marguerat, Lukas; J. D. G. Dunn, Beginning, 133–240; C. S. Keener, Acts I, 641–1038 u. ö.; D.-A. Koch, Geschichte, 153–168; vgl. zu Koch die Rezensionen von D. Sänger, Das Urchristentum, ThR 79 (2014), 351; kritischer U. Schnelle, ThLZ 140 (2015), 795–799; zuletzt in der Gesamtdarstellung der Geschichte des frühen Christentums: U. Schnelle, Jahre, 109–153. 2 Siehe dazu in den letzten Jahren: J. Frey / C. K. Rothschild / J. Schröter (Hgg.), Apostelgeschichte, darin besonders: J. Frey, Fragen, bes. 11–13, weiter 698 Index s. v. »Quellen – bei Lukas«; J. Schröter, Lukas als Historiograph; C. S. Keener, Acts I, 166–220 u. ö. Zur Forschungsgeschichte siehe J. Schröter, Actaforschung; K. Backhaus, Apostelgeschichte; vgl. bereits ders., Mose; D. Marguerat, Lukas, 15–55. 3 1 Kor 15,3–11; siehe dazu M. Hengel, Begräbnis; weiter ders. / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 626–641.
4
I. Die Urgemeinde
Für die Urgeschichte der Kirche in den ersten Jahren nach Ostern noch vor der Bekehrung des Paulus haben wir außer dem Text 1 Kor 15,3–11 und den wenigen Andeutungen zur frühen Biographie des Paulus in Gal 1,11–24 oder Phil 3,5 ff.4 nur die Apostelgeschichte des Lukas als einzige etwas ausführlichere, erzählende Quelle. Indirekte Zeugnisse bieten zudem Evangelientexte, die ja auch teilweise die Situation der nachösterlichen Jüngergemeinde widerspiegeln. Darüber hinaus sind Rückschlüsse aus der Briefliteratur möglich, vor allem aus den sieben sicher echten Paulusbriefen als den ältesten christlichen Zeugnissen etwa aus der Zeit zwischen 50 und 60 n. Chr. Die historisch-beschreibende Quelle, die Apostelgeschichte des Lukas, ist etwa zwischen 80 und 85 n. Chr. entstanden.5 Der Quellenwert ihrer Berichte ist sehr unterschiedlich und daher umstritten: Der erste Textkomplex gründet zu einem guten Teil auf einer Reihe von Petruserzählungen,6 das heißt auf teilweise legendären, unzusammenhängenden Einzelberichten, die Lukas vielleicht selbst gesammelt, stark bearbeitet und durch von ihm verfaßte Reden ergänzt hat. Auf diesen Reden liegt auch sein theologischer Schwerpunkt in den Kapiteln 2–12. Sie spiegeln eine einfache, altertümlich klingende Christologie und Soteriologie und zeigen, daß er auch theologische Informationen über die früheste Zeit der Kirche, die ja ca. fünfzig Jahre vor der Entstehung seines zweiten Werks liegt, besessen haben muß.7 Die »Hellenisten«‑ und Philippuserzählungen (Kapitel 6–8 und 11,19 ff.) haben demgegenüber ein eigenes Gepräge. Dahinter 4 Vgl. dazu M. Hengel, Der vorchristliche Paulus; J. Frey, Judentum des Paulus; ferner unten § 6.1–2 (S. 203–214). 5 Zur Datierung des Doppelwerkes siehe J. A. Fitzmyer, Acts, 51–55; M. Hengel, Evangelien, 133.320–331. Das Lukasevangelium steht noch ganz unter dem Eindruck der Zerstörung Jerusalems und der Verlegung des Hauptortes der Christenheit von Jerusalem in die Reichshauptstadt Rom und ist etwa zwischen 75 und 80 n. Chr. entstanden, die Apostelgeschichte entsprechend einige Jahre später bis ca. 85; vgl. auch P. Pokorný / U. Heckel, Einleitung, 533. J. D. G. Dunn, Beginning, 67, bezeichnet »the 80s or early 90s« als »[t]he current consensus«. Anders E. Plümacher, Rom, 152: »am Ende des 1. Jahrhunderts«. Plümacher hält auch die Abfassung in Rom für äußerst unwahrscheinlich. C. S. Keener, Acts I, 400 f. plädiert vorsichtig für einen Zeitraum zwischen 70 und 90. 6 Vor allem in c. 1–5; 8,14–25; 9,32–11,18; 12,1–17. Ob es sich um eine schriftliche Quelle handelt, bleibt unsicher. 7 Zur Frage der Quellen der Apostelgeschichte siehe C. K. Barrett, Acts I, 49–58, und Acts II, XXIV–XXXII; besonders J. A. Fitzmyer, Acts, 80–89; weiter U. Schnelle, Einleitung, 312–318. Unseres Erachtens lassen sich vorlukanische, durchgehende schriftliche Quellen nicht mit zureichender Sicherheit nachweisen. Auf der anderen Seite hat Friedrich Avemarie, der leider am 13. 10. 2 012 viel zu früh verstorbene Freund, in seiner Habilitationsschrift mit der Untersuchung der »idiomatischen Gestalt« der Tauferzählungen, also der dort erkennbaren Lukanismen, der Septuagintismen und der Lukas fremden Sprachformen, methodisch vorbildlich gezeigt, daß sich auf diese Weise in der Apostelgeschichte die Lukas als Tradition wahrscheinlich schriftlich vorgegebenen Erzählungen von seiner eigenen Darstellung unterscheiden lassen. Vgl. die Rezension zu F. Avemarie, Tauferzählungen, von H. Klein, ThLZ 129 (2004), 630 ff. Zur Quellenfrage siehe auch die Zusammenfassung von C. S. Keener, Acts
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
5
wurde gerne eine »antiochenische Quelle« vermutet, die freilich nicht mehr wirklich abgrenzbar und rekonstruierbar ist, so daß wir bezweifeln, ob es sie je als zusammenhängende, schriftliche Quelle gegeben hat.8 Die Nachrichten, die Lukas bringt, reichen unseres Erachtens für das Postulat von längeren, selbständigen schriftlichen Quellen kaum aus. Gerade über die entscheidenden Vorgänge in Antiochia, die Anfänge der Heidenmission 11,20–24 und die Übersiedlung des Saulus / Paulus von Tarsus nach dort in 11,25 f., werden wir ganz knapp und unzureichend unterrichtet. In Kapitel 9,1–30 wird die Berufung des Paulus erzählt, die Lukas später als Selbstzeugnis seines Helden noch zweimal in zum Teil abweichender Form wiederholt.9 Die Agrippa-Verfolgung mit der Vertreibung des Petrus aus Jerusalem (Kapitel 12) bedeutet dann eine wichtige Zäsur.10 Ab Kapitel 13 beherrscht die Darstellung des Paulus als Heidenmissionar das Werk. Petrus muß dagegen nach seiner fast »paulinisch« klingenden Rede auf dem Apostelkonzil (Apg 15,7–12) verschwinden. Durch diese Trennung kann Lukas jeden Hinweis auf den nach Gal 2,11 ff. aufbrechenden Konflikt des Paulus mit Petrus stillschweigend übergehen, der die spätere paulinische Mission erheblich belastet hat, wie die Korintherbriefe, der Galater‑ und der Römerbrief zeigen.11 Ab Kapitel 16 beherrscht Paulus als exemplarischer Heidenmissionar allein das Feld. Wesentlich ist, daß Lukas von einem festen historischen und theologischen Vorverständnis aus schreibt und alles, was den strengen Duktus seiner Erzählung stört, rigoros wegläßt. Während er im Evangelium gegenüber den anderen Evangelisten die umfangreichste Jesusüberlieferung besitzt, konzentriert er sich in der Apostelgeschichte auf eine Auswahl von exemplarischen Ereignissen, die in erster Linie zwei Personen, Petrus und Paulus, betreffen. Falls der Titel πράξεις ἀποστόλων, »Taten der Apostel«, ursprünglich ist, könnte er sich auf diese beiden herausragenden Personen beziehen. Dabei möchte Lukas im ersten Teil seines Werks (Kapitel 1–12 und 15) die Urgemeinde in Jerusalem – die anderen Gemeinden in Judaea und Galilaea interessieren ihn kaum12 – als das geistesmächtige ideale Vorbild den Gemeinden in der kritischen Zeit nach 70 n. Chr. vor Augen stellen. Die Theologie, die sich in den Petrusreden (Kapitel 2–5) widerspiegelt, beschreibt, auch wenn Lukas dort sehr altes christologisches Material verarbeitet, zugleich auch seine eigene, einfache Christologie I, 178–183. Zur Christologie der Apostelgeschichte siehe unten S. 84 f. Anm. 420, S. 100–103 und S. 107 mit Anm. 70. 8 Vgl. dazu auch die Erwägungen von F. Hahn, Studien II, 139–154; J. Frey, Fragen, 8. 9 Apg 22,3–21; 26,9–20, siehe unten § 6.3.2 (S. 223–234). Siehe dazu A. M. Schwemer, Erinnerung. 10 Siehe vor allem Apg 12,17b und dazu unten S. 364 f. 11 Siehe dazu M. Hengel, Petrus, 92–106. 12 Ausnahmen bilden Apg 9,31; 9,32–43: Lydda und Joppe als Vorbereitung der großen Corneliusszene in c. 10; und 5,16: die Kranken aus »den Städten um Jerusalem«.
6
I. Die Urgemeinde
und Ekklesiologie. Dabei muß man freilich voraussetzen, daß das theologische Denken des Lukas selbst wieder durch die älteren Traditionen, die er verwendete, beeinflußt wurde. Lukas ist ein zurückblickender Autor, der nicht einfach von seiner Gegenwart nach der Zerstörung Jerusalems und dem Sieg der heidenchristlich bestimmten Kirche beherrscht wird. Als solcher ist er der erste – und vor Euseb († ca. 339/340 n. Chr.) einzige – christliche Historiker. Er besaß ein Gespür für »alte« Überlieferungen und suchte sie in idealer Gestalt zu erhalten. Man muß das freilich einschränken, denn »alt« bedeutet hier eine Zeit von etwa 30–50 Jahren, das heißt nicht mehr als den Zeitraum eines überschaubaren Menschenlebens. Völlig irreführend wäre es dagegen, wollte man alles, was die Apostelgeschichte (und das etwas frühere Lukasevangelium) erzählt, auf die eigene Zeit des Autors und seine angebliche Gemeinde projizieren, von der wir nichts mehr wissen. Er könnte als reisefreudiger Autor mit vielen Gemeinden in Verbindung gestanden haben. Die vor allem von inneren Krisen bedrohte Gegenwart der Kirche zwischen 70 und 85 n. Chr. soll nicht sein Bild von deren Anfängen prägen, sondern umgekehrt will seine – idealisierende – Darstellung der Anfänge der Kirche den Glauben und das Leben der Christen für die Gegenwart stärken und die Einheit der Kirche aus Juden‑ und Heidenchristen betonen. Daß Adolf von Harnack in besonderer Weise durch die »einfache« Darstellung Jesu im Evangelium des Lukas angezogen wurde und auch die Apostelgeschichte als Quelle schätzte, hängt einerseits mit seinem »schlichten« Jesusbild, aber auch mit dem Gespür des größten protestantischen Kirchenhistorikers des 19. und 20. Jahrhunderts für das »Ursprüngliche« am lukanischen Bericht zusammen.13 Bezeichnend ist, daß Lukas von Apg 20 an, wo er – angedeutet durch die »Wir-Passagen« – als ehemaliger Reisebegleiter des Paulus schreibt, trotz des zeitlichen Abstands von ca. 20–25 Jahren wesentlich konkreter und auch zum Teil zusammenhängender berichtet als in den ersten zwölf Kapiteln.14 Insgesamt wendet er bewußt den Blick zurück und ist der erste, der, seiner Zeit weit voraus, über die Anfänge der Kirche historisch und theologisch (beides bildet bei ihm eine Einheit) ausführlicher – wenn auch sachlich nicht ausreichend – informieren will. Er hat hier die alttestamentliche Geschichtserzählung vor Augen und ahmt sie als Kenner der Septuaginta in voller Absicht nach. In gewisser Weise will er dieselbe fortsetzen und schreibt mit seinem Bericht über Jesus, den Israel verheißenen Messias und Herrn aller Menschen,15 und über 13 Zu Harnacks Lukas‑ und dessen Paulusbild siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 16.18–26 u. ö. sowie 517 Index s. v. »Harnack«; vgl. dies., Jesus und das Judentum, 230. 14 Zu Lukas als Autor und dem »Wir-Bericht« siehe vor allem C.-J. Thornton, Zeuge, passim; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 230–233 und 736 Index; J. A. Fitzmyer, Acts, 49 ff.98–103; M. Hengel, Lukasprolog = KS VI, 242–297; vgl. auch M. Wolter, Lk, 7–10; J. Frey, Fragen, 7 f. 15 Apg 10,36: οὗτός ἐστιν πάντων κύριος; vgl. Röm 10,12; Lk 10,22. Zum häufigen Gebrauch des Kyriostitels bei Lukas siehe unten S. 101 mit Anm. 36.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
7
das durch ihn begründete neue Gottesvolk aus Juden und Heiden sozusagen den Abschluß dieser alttestamentlichen Geschichtserzählungen.16 Am Ende der weltweiten Mission des neuen Gottesvolkes stehen nur noch Parusie und Gericht. Ähnliche »Fortschreibungen« der alttestamentlichen Geschichte sind auch das 1. und 2. Makkabäerbuch und vor allem das Werk seines Zeitgenossen Josephus, freilich mit ganz anderer Tendenz. Sie werden dadurch jedoch noch keineswegs sofort »heilige Schrift«. Auch Lukas will keine solche schreiben. Dabei ist einmal zu bedenken, daß Lukas nicht für eine oder mehrere Gemeinden, sondern zunächst für einen vornehmen Interessenten, Theophilos (und dessen Freundeskreis),17 schreibt, den er von der Vertrauenswürdigkeit der neuen Botschaft überzeugen will.18 Im Blick auf diesen Adressaten vermeidet er nach Möglichkeit sachliche Anstöße und Hinweise auf tiefere Konflikte in der Gemeinde (ganz kann er es nicht). Darum harmonisiert er bewußt und wählt aus dem ihm verfügbaren beschränkten Traditionsmaterial Einzelszenen aus, die den (bzw. die) Adressaten beeindrucken sollen und die er darum, so gut er es vermag, wirkungsvoll erzählt. Dieses »pragmatische« Motiv wurde in der Forschung früher zu wenig beachtet. Obwohl Lukas in jüngeren Jahren Paulus bei dessen Jerusalem‑ und Romreise begleitete,19 ist seine Theologie durch den Kontakt mit der palästinischen Urgemeinde und die von dort empfangenen Traditionen über Jesus und die Urkirche in Jerusalem wesentlich von Paulus unterschieden. Vermutlich machte es diese Verbindung überhaupt erst möglich, daß er sein Evangelium schreiben konnte, das uns – wie kein anderes – über Jesus von Nazareth und seine palästinische Umwelt informiert. Daß er, wohl auf Wunsch des Theophilos, ein zweites Werk anfügt, ist ein Unikum in der frühchristlichen Geschichte und eine besonders glückliche Fügung. Schon der Bericht von der Zuwahl des Matthias zu den Elfen als Ersatzmann für den Verräter Judas Ischariot in Apg 1,15–2620 zeigt, daß Petrus für Lukas die führende Gestalt in der Jerusalemer Urgemeinde ist, der ihn umgebende Zwölferkreis der Apostel hat weitgehend nur die Bedeutung von Statisten. Diese Vgl. M. Wolter, Lk, 26–33; C. S. Keener, Acts I, 459–491. Siehe dazu das Vorbild des Cornelius bei Petrus in Apg 10,24: συγκαλεσάμενος τοὺς συγγενεῖς αὐτοῦ καὶ τοὺς ἀναγκαίους φίλους (»er rief seine Verwandten und seine nächsten Freunde zusammen«). Nach V. 27 sind »viele versammelt«, nach 10,44 fällt auf alle Zuhörer der heilige Geist; sie werden nach V. 48 getauft. Vgl. auch den senatorischen Statthalter Zyperns, Sergius Paulus, in Apg 13,12 und die illustre Versammlung in Apg 25,23 ff. 18 Lk 1,4: ἵνα ἐπιγνῷς περὶ ὧν κατηχήθης λόγων τὴν ἀσφάλειαν (»damit du die Zuverlässigkeit dessen erkennst, worin du unterrichtet wurdest«); siehe dazu M. Hengel, Lukasprolog, 197–201 = KS VI, 245–249. Vermutlich kannte Theophilos das Markusevangelium und war damit unzufrieden. Siehe auch die Sammlung der Belege für den Namen und den Literaturbericht von C. Heil (in Zusammenarbeit mit T. Klampfl), Theophilos. 19 Zwischen 57 und 60 n. Chr., siehe unten S. 156 f. Siehe dazu C.-J. Thornton, Zeuge; M. Wolter, Lk, 8 ff. 20 Vgl. dazu A. W. Zwiep, Judas; ferner unten S. 31 f. bei Anm. 137–138. 16 17
8
I. Die Urgemeinde
hervorgehobene Rolle des Petrus entspricht dem Bild, das sowohl Markus als auch die Paulusbriefe und die anderen Evangelien zeichnen.21 An der Seite des Petrus wird vereinzelt noch Johannes genannt, der aber im Gegensatz zu diesem keine selbständige Bedeutung besitzt.22 Weiter wird deutlich, daß für Lukas Gott (bzw. in Handlungseinheit mit ihm der erhöhte Herr) von Anfang an ständig die missionarische Entwicklung seiner Gemeinde lenkt: Bei der Zuwahl des Matthias fällt er durch das Los die Entscheidung für Matthias gegen den anderen Kandidaten Barsabbas Justus, seit Pfingsten geschieht dann diese Leitung durch den Geist oder – in Sonderfällen – durch Anweisung von Engeln bzw. durch den Erhöhten selbst. Der Geist ist es, der an Pfingsten die Jünger in fremden Zungen reden läßt, das heißt in allen Sprachen vom Iran bis Rom, und der Petrus zu jener Rede inspiriert, die als erstes öffentliches Zeugnis von der Auferstehung Jesu 3.000 neue Mitglieder zu der bisherigen Gemeinde der 120 hinzubringt.23 Bald darauf sind es 5.000 Männer (ἄνδρες);24 sogar Priester, das heißt Angehörige des jüdischen Geburtsadels, schließen sich ihnen später an.25 Diese missionarische Ausbreitung geht dann noch weiter: Apg 15,5 spricht von christlichen Pharisäern; Apg 21,20 nennt Zehntausende (μυριάδες) von Judenchristen in Jerusalem: Hier wird eine gewisse Tendenz zur Übertreibung sichtbar, die sich auch in dem abundierenden Gebrauch des Adjektives πᾶς im lukanischen Doppelwerk bemerkbar macht.26 Eine Wirkung des Geistes ist auch die ideale Liebesgemeinschaft, die sich in der Gütergemeinschaft27 und in den gottesdienstlichen Versammlungen bewährt: »Sie blieben ständig in der Lehre der Apostel« – das ist die Grundlage –, »in der 21 Paulus, der seine Briefe ca. 25–30 Jahre vor Lukas schreibt, nennt in der Regel Petrus noch bei seinem aramäischen Namen »Kephas«: 1 Kor 1,12; 3,22; 9,5; 15,5; Gal 1,18; 2,9.11–14; vgl. Joh 1,42, nur zweimal erscheint Πέτρος: Gal 2,7 f. Diese ›Aramaica‹, wie auch »Abba« und »Maranatha«, bringen seine Verbindung mit der Urgemeinde zum Ausdruck, siehe dazu M. Hengel, Abba = KS IV, 496–534. Die Annahme, der Herrenbruder Jakobus hätte gleich nach Ostern die führende Rolle in der Urgemeinde übernommen, ist extrem unwahrscheinlich, widerspricht den frühen Quellen und kann sich nur auf die spätere judenchristliche Verehrung des Jakobus berufen. In der Reihenfolge in Gal 1,18 f. zeigt sich die führende Rolle des Petrus vor Jakobus. Erst beim Apostelkonzil verändert sich die Situation, siehe die Reihenfolge in Gal 2,9 und Apg 15,7–21. Gegen P.-A. Bernheim, Jacques, 132 ff.260 ff.278 ff.; J. Painter, James, 84. Vgl. zur Konkurrenz von Petrus und Jakobus M. Hengel, Petrus, 13 ff.83; vgl. ders., Lukasprolog = KS VI, 242–297. Dazu auch unten S. 443 mit Anm. 18. 22 Petrus erscheint in Apg 1–12 insgesamt 54mal, Johannes 9mal (außer in 12,2 immer neben Petrus): 3,1–4; 4,13; 8,14; 12,2. 23 Apg 1,15; 2,41. Zu Pfingsten siehe unten § 1.2.2 (S. 13–19). 24 Apg 4,4. 25 Apg 6,7. 26 In der Apostelgeschichte 170mal, im Evangelium 152mal – mit Abstand am häufigsten von allen neutestamentlichen Schriften; vgl. Markusevangelium 67mal; Matthäusevangelium 128mal; Johannesevangelium 63mal. Siehe dazu die großen neutestamentlichen Konkordanzen und R. Morgenthaler, Statistik, 130. 27 Apg 2,44; 4,32–35. Ananias und Sapphira, die sich durch falsche Angaben derselben
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
9
Koinonia« – das ist die Gütergemeinschaft –, »im Brotbrechen und im Gebet« – das bedeutet den urchristlichen Gottesdienst mit dem Herrenmahl, das durch Gebete gerahmt ist (Apg 2,42). »Durch die Hände der Apostel« (Apg 5,12), besonders aber des Petrus, geschehen Wunder, wie Jesus sie tat. Der Freimut ihres Zeugnisses für den Auferstandenen läßt sich weder durch Drohungen noch durch Verhaftung und die Prügelstrafe einschüchtern. Viermal erscheint in Kapitel 2–4 das Stichwort παρρησία.28 Die Apostel freuen sich, für Jesus leiden zu dürfen.29 Verantwortlich für die Lehre sind die Zwölf, voran Petrus; zu Konflikten kommt es erst später, aus wirtschaftlichen Gründen zwischen Hebräern und Hellenisten in 6,1, aus Gründen der Lehre erst in 11,1 ff. und 15,2 ff. vor dem sogenannten Apostelkonzil, und zwar über der Frage nach der Geltung des Ritualgesetzes für die Heidenchristen und hier vor allem der Beschneidung. Alle Konflikte werden sofort durch die Autorität der Apostel beigelegt. In 15,13–21 ist dann Jakobus in entscheidender Position mit eingeschlossen. Eine Ausnahme bildet allein der Bruch des Paulus mit Barnabas (15,36–40).30 Wie schon in der Regel im Evangelium bringt Lukas auch im ersten Teil der Apostelgeschichte bis Kapitel 15 keinen zusammenhängenden, fortschreitenden historischen Bericht, sondern reiht Episoden aneinander, die für ihn paradigmatischen, ja oftmals idealen Charakter haben und sich auf ganz wenige Hauptpersonen – im Grunde nur Petrus und Paulus – konzentrieren,31 zum Teil in der Form von novellistisch breit ausgestalteten Erzählungen, so beim Pfingstbericht, beim Stephanusmartyrium, bei der Berufung des Paulus oder bei Cornelius. Dazwischen finden sich sogenannte ›Sammelberichte‹, in die historisch interessante Einzelnotizen eingestreut sind.32 Die chronologische Abfolge seines Geschichtsberichts scheint insgesamt plausibel zu sein, ist aber ebenfalls nicht immer völlig eindeutig. So bleibt die zeitliche Einordnung der Philippuserzählungen oder die entziehen wollten, haben den heiligen Geist und damit Gott selbst belogen (5,3 f.). Vgl. dazu unten S. 41 Anm. 188. 28 Apg 2,29; 4,13.29.31 und das Schlußwort 28,31. Daneben verwendet Lukas in c. 9–26 siebenmal das Verb παρρησιάζεσθαι. Die freimütige Verkündigung der heilbringenden Botschaft ist in besonderer Weise eine Wirkung des neu geschenkten heiligen Geistes und Vorbild für die Krisenzeit des Verfassers nach 70 n. Chr. Als »Missionstheologe« liegt ihm sehr an der öffentlichen, freimütigen Verkündigung der neuen Botschaft. Noch besteht keine direkte Behinderung durch staatliche Maßnahmen. 29 Apg 4 ff., besonders 5,41 f.; zu Paulus 9,16; zu den neugegründeten Gemeinden 14,22. 30 Das ἐγένετο δὲ παροξυσμός (15,39) ist von einer für Lukas ungewöhnlichen Härte, vgl. Apg 17,16 und 1 Kor 13,5. Unseres Erachtens ersetzt diese Trennung die noch schärfere Auseinandersetzung mit Petrus in Antiochia, die Lukas kennt, aber verschweigt, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 247; M. Hengel, Petrus, 94 f. Dieser Bruch wird nicht behoben. Vgl. jedoch die Korrektur 2 Tim 4,11 im Blick auf Markus. Der Verfasser des 2. Timotheusbriefes kennt die Apostelgeschichte. 31 Barnabas, Johannes, Stephanus, Philippus, Silas, Timotheus und die zwei Jakobus sind nur Nebenfiguren. 32 Apg 1,14; 2,42–47; 4,32–37; 5,12–16; 6,1–7; 8,1b–4; 9,31.
10
I. Die Urgemeinde
der Bekehrung des Cornelius unsicher. Die in Kapitel 1–11 berichteten Vorgänge haben sich jedoch wohl vor der Ernennung von König Herodes Agrippa I. zum König von ganz Judaea nach der Ermordung Caligulas im Frühjahr 41 bzw. vor der Verfolgung der Jerusalemer Jesusanhänger durch Agrippa vermutlich am Passafest ca. 43 ereignet. Mit diesem Einschnitt beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte der Urgemeinde. Das ganze Werk bildet so etwas wie eine auf Petrus und Paulus konzentrierte urchristliche »Missionsgeschichte«, die von den 40 Tagen in Jerusalem nach Ostern bis zum Eintreffen des Paulus in Rom einen Zeitraum von etwa 30 Jahren umfaßt. Auffallend ist das besondere heilsgeschichtliche Interesse am Judentum und an seinen alttestamentlichen Wurzeln, das Lukas genauer kennt als jeder andere nichtjüdische Schriftsteller in der Antike.33 Sein Doppelwerk ist so bei aller Einseitigkeit neben den Paulusbriefen nicht nur die wichtigste Quelle für die »Urgeschichte« des Christentums, sondern auch bedeutsam für unsere Kenntnis des Judentums vor 70 n. Chr.34 Die Frage ist, ob und wieweit wir auf Grund dieses stark idealisierten und einlinigen, holzschnittartigen lukanischen Bildes einigermaßen zuverlässige Aussagen über die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem machen können. Noch stärker als im ersten Band dieser »Geschichte des frühen Christentums« bei der Darstellung Jesu sollte man von Annäherungsversuchen sprechen. Nur in Einzelfällen läßt sich, wie schon gesagt, dieses Bild durch Hinweise aus den Paulusbriefen und den Evangelien ergänzen oder korrigieren. Dies gilt vor allem für den Versuch einer Rekonstruktion von Grundlinien der Lehre und der 33 Daß Lukas kein Jude, sondern »heidnischer« Gottesfürchtiger war, legen Texte wie Kol 4,11 in Verbindung mit 4,14 nahe: Lukas gehört nicht zu »denen aus der Beschneidung«. Zur zentralen Rolle der Gottesfürchtigen und Sympathisanten für das Judentum in der Apostelgeschichte siehe mit dem Terminus φοβούμενοι Apg 10,2.22.35 (Cornelius); 13,16.26; in Verbindung mit σέβομαι siehe Apg 13,50 (vgl. 13,43); 16,14 (Lydia); 17,4.17; 18,7. Zur Person des Lukas vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 9–40. M. Hengel, Evangelien, 61 f., bemerkt zudem: Noch Marcion wußte, daß Lukas ein Reisebegleiter des Paulus und kein gebürtiger Jude war, und bevorzugte aus diesem Grunde sein Evangelium zur Wiederherstellung eines ›von judaisierenden Verfälschungen‹ gereinigten ›Urlukas‹; vgl. weiter 407 Index s. v. »Lukas – ehemaliger Gottesfürchtiger«. M. Hengel, Der Jude Paulus, 345 f. = KS VI, 219 (gegen Jervell); ders., KS VII, 754 Index s. v. »Lukas – ehemaliger Gottesfürchtiger«; siehe auch J. Schröter, Diaspora, 363 und C. Schaefer, Zukunft, 106.379–383, der wieder »mit guten Gründen« (383) zu dem Ergebnis kommt, Lukas sei ein Gottesfürchtiger gewesen. Unentschieden zwischen der Option »Heidenchrist« oder »Diasporajude« verharrt W. Radl, Art. Lukasevangelium, RGG4 5 (2002), 546–550 (550); vgl. weiter die Darstellung der Diskussion von C. S. Keener, Acts I, 402–422. Anders jetzt wieder I. W. Oliver, Torah Praxis, der in seiner Dissertation selbstbewußt zu dem Ergebnis kommt (450): »Luke the Gentile is dead« und die Ansicht, er sei ein Gottesfürchtiger gewesen, ablehnt, ohne auf Kol 4,14 überhaupt einzugehen. J. Wehnert schreibt dazu treffend in seiner Rezension: »… alles bewegt sich in einem unentrinnbaren Circulus vitiosus: Die Chance, ein anderer zu sein, hat Lukas nicht« (ThLZ 140 [2015], 1098). 34 Zu heidnischen Autoren über das Judentum siehe M. Stern, GLAJJ.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
11
Institutionen. Lukas hat gewiß starke Tendenzen, die nicht zuletzt durch die Rücksicht auf den Adressaten bedingt sind, er harmonisiert, übertreibt und läßt weg, aber er schreibt keinen fiktiven Apostelroman wie die späteren apokryphen Apostelakten ab der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts. Darum kann man seinen Grundaussagen doch ein gewisses Vertrauen entgegenbringen. Er ist beides, ein »hellenistischer Historiker« und ein christlicher35 Glaubenszeuge, als solcher aber kein erbaulicher Romanautor, der ständig neue fromme Erzählungen erfindet.36
1.2 Der Versuch einer historischen Rekonstruktion der Anfängeder Jerusalemer Gemeinde 1.2.1 Die christologisch bestimmte Neukonstituierung der Jüngergemeinde und die Rückkehr der Jünger nach Jerusalem Durch die Christophanie vor Petrus und den Elfen, vermutlich – gegen Lukas – noch in Galilaea,37 wurden der von Jesus eingesetzte Jüngerkreis der Elf wieder gesammelt und die Urgemeinde in nuce konstituiert. Ihre Christuserscheinungen strahlten sofort auf die nicht kleine Anhängerschaft Jesu in Galilaea und Judaea aus. Die Jünger und die beträchtliche Zahl von Sympathisanten sahen in den Erscheinungen des Auferstandenen den Wahrheitserweis des messianischen Anspruchs Jesu, der ihn ans Kreuz gebracht hatte. Gott hat Jesus, indem er ihn von den Toten auferweckte, selbst zum Messias und Gottessohn »gemacht«,38 das heißt als solchen bestätigt: Aus dem Messias designatus war der Messias exaltatus ad dexteram Dei39 geworden. Ein Reflex dieser christologischen Grundeinsicht ist das alte, wohl aus Jerusalem stammende Bekenntnis Röm 1,3 f., das
35 Bei ihm taucht erstmals die Bezeichnung Χριστιανοί auf, Apg 11,26; 26,28; vgl. 1 Petr 4,16 und dann häufig bei Ignatius. 36 Vgl. dazu E. Plümacher, Lukas; ders., Geschichte; M. Hengel, Geschichtsschreibung, 55 ff. = KS VI, 48 ff.; C.-J. Thornton, Zeuge, 341–367 (Zusammenfassung des Ergebnisses); J. A. Fitzmyer, Acts, 59 f.127. Viel zu weit geht in seiner Apologetik P. L. Maier, Luke, für den sich Lukas weder bei der Datierung des Census unter Quirinius (Lk 2,1 f.) noch bei der Reihenfolge von Theudas und Judas Galilaeus in Apg 5,34 ff. und auch nicht in seinen Zahlenangaben geirrt hat (432). 37 Mk 16,7, vgl. 14,28 und dagegen Lk 24,48 f.; Apg 1,4; vgl. Joh 21,1 ff.; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 646–651; U. Schnelle, Jahre, 180 f. 38 Apg 2,36: κύριον αὐτὸν καὶ χριστὸν ἐποίησεν ὁ θεός. Siehe dazu unten S. 101–103. Die Messiaswürde besitzt Jesus für Lukas schon seit der Geburtsgeschichte des Evangeliums, siehe Lk 2,11: χριστὸς κύριος, vgl. 2,26; 4,41; 9,20; Messias und Sohn Gottes: vgl. Lk 1,32 f.; 3,22. 39 Apg 2,33: τῇ δεξιᾷ οὖν τοῦ θεοῦ ὑψωθείς; vgl. 5,31; Röm 8,34; Kol 3,1; Eph 1,20 etc. Siehe dazu M. Hengel, Setze dich = KS IV, 281–367; siehe ferner unten S. 98.
12
I. Die Urgemeinde
in seiner ältesten Form vermutlich lautete: »Jesus, geboren aus dem Geschlecht Davids, eingesetzt zum Sohn Gottes durch die Auferstehung von den Toten«.40 Damit hat die frühe Gemeinde die Auferstehung zugleich als Erhöhung in die engste Gottesgemeinschaft verstanden. Eine ältere messianische Zwischenstufe, die eine bloße Entrückung Jesu an einen verborgenen Ort bis zur Parusie des Menschensohns kannte, wie sie von F. Hahn41 vermutet wurde, der eine längere Entwicklung bis zur Anerkennung Jesu als Messias‑ und Gottessohn annimmt, ist äußerst unwahrscheinlich. Zudem setzt die Vorstellung von einer Entrückung ja gerade voraus, dass der Entrückte nicht stirbt, sondern lebend hinweggenommen wird wie etwa Henoch, Elia oder Esra.42 Die Auferstehungserscheinungen, vermutlich in relativ rascher Folge, wirkten wie ein Blitzeinschlag, wie eine Explosion, die das Leben und Denken der Betroffenen umstürzte. Dementsprechend hat man die Auferstehung als den vorauseilenden Beginn der allgemeinen Totenauferstehung gedeutet, das heißt als Anfang der von Jesus verkündigten Gottesherrschaft.43 Die Gabe des Geistes mit ihren ekstatischen Wirkungen nach Joel 3,1 erschien als das Zeichen für die Wirklichkeit des sich von jetzt an realisierenden Endgeschehens.44 An die Stelle der Gegenwart Jesu trat die des Gottesgeistes in seiner sich neu formierenden Jüngergemeinde. Der Auferstandene selbst galt als »Erstling (ἀπαρχή) der Entschlafenen«45 bzw. als »Erstgeborener (πρωτότοκος) von den Toten«,46 der Geist war dagegen das »Angeld« (ἀρραβών) auf die baldige Endvollendung.47 Der Geistbesitz fand seinen Ausdruck unter anderem in der Bevollmächtigung und der erneuerten Aussendung durch den Auferstandenen, das heißt der endzeitlichen Mission gegenüber dem eigenen Volk, die rasch nach Ostern eingesetzt haben muß. Die Neukonstituierung des Zwölferkreises durch die Zuwahl des Matthias, die Rückkehr der Zwölf unter der Führung des Petrus48 40 Siehe dazu M. Hengel, Sohn Gottes, 93–104 = KS IV, 74–145 (118–125); P. Stuhl macher, Theologie I, 186 f.; vgl. auch J. D. G. Dunn, Beginning, 216–221. 41 F. Hahn, Christologische Hoheitstitel, 106 ff.126 f.184 ff.189. O. Betz, Art. Entrückung II.3, TRE 9 (1982), 685–690 (686), verweist auf Bickermann, Bertram und Strobel als weitere Vertreter der Annahme einer frühen Entrückungschristologie. D. Zeller, Art. Entrückung, RGG4 2 (1999), 1332 f., erwägt, ob Q vielleicht in Lk 11,29 f.; 13,34 f. an »das Geschick Jesu als E[ntrückung]« des Menschensohns gedacht habe. 42 Gen 5,24; 1 Hen 12,1; 70,1–4; 2 Kön 2,1.11; 4 Esr 14,47: »Damals wurde Esra entrückt und an den Ort derer geführt, die ihm gleichen« (Übersetzung: J. Schreiner, 4. Buch Esra, 405). 43 Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 629; D. Zeller, Entstehung, 58–62; U. B. Müller, Auferweckt. 44 Siehe dazu unten S. 61. 45 1 Kor 15,20.23. 46 Apk 1,5; Kol 1,18. 47 2 Kor 1,22; 5,5; Eph 1,14. Zu diesem Fachausdruck der »Rechts‑ und Geschäftssprache« siehe Gen 38,17–20 (MT und LXX) und Bauer / Aland, WB, 219. 48 Vgl. Lk 22,31 f.; dazu M. Bockmuehl, Conversions.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
13
nach Jerusalem und ihr offenes Auftreten dort sind ein Zeichen dafür, daß die Urgemeinde, die jetzt eine feste Gestalt erhielt, die Aufgabe Jesu, ganz Israel in die Gottesherrschaft zu rufen, wiederaufnahm und – unter neuem Vorzeichen – tatkräftig weiterführte. Ebendarum hat man die Erinnerung an die Verkündigung Jesu, etwa in den Gleichnissen, zu einem guten Teil bewahrt, freilich mit einem grundlegenden Unterschied: Durch die Kreuzigung und Auferstehung Jesu hatte Gott selbst das Person‑ und Messiasgeheimnis, das Jesu Wirken und Weg bestimmt hatte, aufgedeckt, das heißt Jesus als seinen Gesalbten und Sohn für ganz Israel offenbar gemacht. Die Ansage der anbrechenden Gottesherrschaft verband sich jetzt für die Urgemeinde untrennbar mit der Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Messias, des Gottes‑ und Menschensohns Jesus. Er selbst wurde damit die Verkörperung und der Garant der anbrechenden Herrschaft Gottes, die weiterhin, wie schon bei Jesus selbst, als gegenwärtige und zukünftige Größe verstanden wurde. Das wird noch im paulinischen Sprachgebrauch sichtbar.49 Gottes Herrschaft und die Herrschaft Christi konnten dabei zusammengesehen werden. Hatte Jesus schon glaubendes Vertrauen gegenüber seiner Botschaft und seiner eschatologisch-messianischen Vollmacht verlangt, wurde jetzt der Glaube an ihn als den zu Gott erhöhten endzeitlichen Bevollmächtigten des Vaters zur Bedingung des nahen zukünftigen Heils.
1.2.2 Das Pfingstwunder Apg 2 und die Geisterfahrung50 Wahrscheinlich geschah die erste öffentliche Verkündigung des auferstandenen Messias Jesus in Jerusalem durch die Jünger am Wochenfest, 50 Tage nach Ostern,51 als wieder ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung, aber auch Pilger 49 Gegenwärtig:
Röm 14,17; 1 Kor 4,20; 1 Thess 2,12. Zukünftig: 1 Kor 6,9 f.; 15,50; Gal 5,21; siehe auch M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 406–430. 50 B. Noack, Day of Pentecost, 73–76; J. Kremer, Pfingstbericht; G. Schneider, Apg I, 239 ff.; O. Betz, Zungenreden, 49–62; P. Stuhlmacher, Theologie I, 200 f.; C. K. Barrett, Acts I, 106–126; J. A. Fitzmyer, Acts, 231–246; F. Avemarie, Tauferzählungen, 177–213; A. J. M. Wedderburn, History, 25–28; U. Wilckens, Theologie I/2, 168 ff.; J. D. G. Dunn, Beginning, 156–171. Zu den Parallelen aus der griechisch-römischen Welt zu Apg 2,1–47 siehe P. W. van der Horst, Hellenistic Parallels. 51 Apg 2,1: ἡ πεντηκοστή, vgl. 20,16: Paulus beeilt sich, Jerusalem zum Wochenfest zu besuchen; siehe auch 1 Kor 16,8. Zum Wochenfest als Wallfahrtsfest siehe Ex 34,22; Num 28,26 ff.; Dtn 16,16. Es war ursprünglich das Erntedankfest der Weizenernte. Im Jubiläenbuch (6,17–21) wird es mit dem Sinaibund verknüpft: »daß sie das Fest der Wochen halten …, um zu erneuern den Bund in jedem Jahr …, bis ich es [d. h. das Fest] ihnen erneuere auf diesem Berg [d. h. dem Sinai] … Denn es ist das Fest der Wochen. Und das Fest der ersten Früchte ist es.« In Qumran wurde es als Fest des Bundes bzw. Bundeserneuerungsfest (1QS I 1–III 12) gedeutet und dann bei den Tannaïten seit dem Ende des 1. Jahrhunderts mit der Sinaioffenbarung und der Gabe des Gesetzes verbunden. Vgl. Bill. II, 597–604, O. Betz, Zungenreden; G. Schneider, Art. Pfingstwunder, NBL 3 (2001), 130 f.; S. Nägele, Art. Wochenfest, CBL 2 (2003), 1468 f.;
14
I. Die Urgemeinde
aus der Diaspora in der Stadt zusammengeströmt waren. Das Passa-, das Wochen‑ und das Laubhüttenfest waren die drei großen Wallfahrts‑ und Erntefeste im palästinischen Judentum. In Jerusalem, einer Stadt von ca. 30.000–50.000 Einwohnern, versammelten sich zu diesen großen Festen oft über 100.000 Besucher. Dem ganzen Volk, das wieder zusammengeströmt war, mußte jetzt mit aller Deutlichkeit gesagt werden, daß Jesus, den die Volksführer wegen seines messianischen Anspruchs bei Pilatus denunziert und damit ans Kreuz gebracht hatten, von Gott selbst durch die Auferstehung in diesem Anspruch bestätigt und als sein Gesalbter und Sohn sichtbar ausgewiesen worden war; weiter, daß er in naher Zukunft wiederkommen würde, um sein Volk zu richten und Gottes Reich in Kraft52 aufzurichten, daß jedoch jetzt Israel noch einmal eine letzte Frist zur Umkehr und zum Glauben an den Kommenden gegeben war. Den durch die Auferstehungserscheinungen geweckten stürmischen eschatologischen Enthusiasmus, der die Jüngergemeinde und die einstigen Anhänger Jesu mit den Erscheinungen des Auferstandenen erfaßte, können wir heute kaum mehr ermessen und unterschätzen ihn deshalb. Lukas stellt die Vorgänge nach Ostern eher zu schlicht und zu zurückhaltend dar. Damit widerlegen sich auch die Vermutungen, daß die Urgemeinde sich zunächst jeder missionarischen, öffentlichen Aktivität enthalten und nur als apokalyptisch-quietistischer Konventikel im verborgenen existiert habe. Sie hätte ja dadurch mit dem Vorbild und dem Auftrag Jesu gebrochen. Die Jünger zogen sich gerade nicht wie die Qumran-Essener als exklusive, eschatologisch-elitäre Bewegung aus dem öffentlichen Leben zurück, »um in die Wüste zu gehen und dort den Weg des Herrn zu bereiten«, das heißt, um sich dem Torastudium zu widmen.53 Sie sind auch nicht mit den Sikariern zu vergleichen, die nach der Ermordung ihres Führers Menachem im Tempel in Jerusalem 66 n. Chr. sich grollend nach Masada absetzten und die Zerstörung der gottlosen Stadt herbeiwünschten.54 Die Rückkehr der Jünger nach Jerusalem zeigt im Gegenteil ihre Bereitschaft, das Werk Jesu öffentlich, auch unter wachsenden Widerständen und immer neuen Bedrohungen, weiterzuführen, das heißt, seine Botschaft als die des von Gott bestätigten Messias in neuer Form zu verkündigen. Die »geistgewirkte«, öffentliche missionarische Predigt gehörte von Anfang an zu den unaufgebbaren Zeichen der neuen messianischen Bewegung. Lukas läßt darum Petrus (und die anderen hinter ihm stehenden Apostel) erstmals am Wochenfest
C. K. Barrett, Acts I, 111 ff.; besonders J. A. Fitzmyer, Acts, 233 f.; C. S. Keener, Acts I, 797 f. Vgl. unten Anm. 60. 52 Mk 9,1, vgl. Lk 9,27. 53 1QS VIII 13 f. mit dem nachfolgenden Zitat aus Jes 40,3. Vgl. zum metaphorischen Verständnis der »Wüste« in 1QS VIII 12–16 überzeugend D. Dimant, Exile, 458–462. 54 M. Hengel, Zeloten, 50.371 f.408 ff. = 3. Aufl. 51.364.398 f.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
15
nach dem Todespassa in Jerusalem vor »dem ganzen Volk«55 auftreten und betont zu Recht den unerschrockenen »Freimut« ihrer Verkündigung.56 Der Pfingstbericht enthält ältere Überlieferung, ist aber von Lukas durchweg überarbeitet und im Sinne seiner eigenen Theologie gestaltet.57 So hat er oder schon die ihm vorliegende Überlieferung in Apg 2,1–13 den Bericht über die Mitteilung des Geistes, der ein ekstatisches Reden in »Glossolalie« bewirkte,58 mit einem Sprachenwunder verbunden. Demnach sollen die Jünger vor den in Jerusalem versammelten Pilgern in deren Muttersprache geredet haben, wobei freilich weniger Völker mit eigenen Sprachen als vielmehr Provinzen genannt werden, deren Bewohner vor allem aramäisch oder griechisch gesprochen haben.59 Der Bericht hat so einen doppelten Hintergrund: Einmal reflektiert er die jüdische Tradition vom Wochenfest, das in Ergänzung zum Passafest, das den Exodus feierte, in neutestamentlicher Zeit mit der Übergabe der Tora am Sinai verbunden worden war. Für die Essener war das Wochenfest darum zum Hauptfest geworden.60 Zum anderen wird vermutlich die Tradition von der babylonischen Sprachverwirrung aufgenommen. Nach der jüdisch-rabbinischen Legende61 zerteilte Gott sein Gesetzeswort, das er am Sinai gab, in 70 Zungen, das heißt Sprachen, für alle Nationen, diese lehnten es jedoch ab. Man könnte vermuten, daß eine judenchristlich-hellenistische Tradition die Gabe des Gei55 Siehe den formelhaften Sprachgebrauch von (πᾶς) ὁ λαός in Apg 3,9.11 f.; 4,10, vgl. 2,47; 4,1 f.; 5,12 f.20 u. ö. 56 Das Stichwort ist παρρησία in Apg 2,29, vgl. 4,13.29.31; siehe auch oben S. 9 Anm. 28. 57 Zur Analyse siehe F. Avemarie, Tauferzählungen, 177–213. 58 Zum Phänomen des »Zungenredens« als einem geistgewirkten Charisma siehe schon Paulus: 1 Kor 12,10.28 ff.; 13,1 und 14,1–40; Apg 10,46; 19,6. Es gehört zu den ursprünglichen Geisterfahrungen der Urgemeinde und ist Ausdruck ihres »Enthusiasmus«. Nach 1 Kor 13,1 wurde es als »Sprache der Engel« verstanden; siehe dazu J. C. Poirier, Tongues of Angels, 48 f. (in Auseinandersetzung mit C. B. Forbes, Prophecy); vgl. weiter H.-J. Klauck, Engelszungen; ders., Kassandra (Nachdruck beider Aufsätze in ders., Religion, 145–167.119–144). 59 Zur geographischen Liste Apg 2,9 ff. siehe M. Hengel, Liste = KS VI, 191–211. Sie geht von den Parthern im Osten bis nach Rom. 60 Am Wochenfest feierten sie jährlich das Fest der Bundeserneuerung: 1QS I 16–II 19; vgl. J. C. VanderKam, Einführung, 134. Im Zyklus der Sabbatopferlieder aus Qumran bildet der siebte Sabbat die Klimax, das höchste Fest, im ersten Viertel des Jahres, das heißt am 50. Tag; siehe dazu A. M. Schwemer, Gott als König, 77.94–103. Zum genuin essenischen Ursprung der Sabbatlieder, den man im Anschluß an C. Newsom, »Sectually Explicit«, 179–185, bezweifelt hatte, siehe D. Dimant, Vocabulary, 390 f. (ausführlicher in dies., History, 95) und dies., Sectarian and Nonsectarian Texts = dies., History, 104 f. Auch für die Therapeuten am Mareotischen See in der Nähe von Alexandria in Ägypten, die Philo von Alexandria beschreibt, war der 50. Tag das heiligste Fest (Cont. 65): ἔστι δὲ προέορτος μεγίστης ἑορτῆς, ἣν πεντηκοστὰς ἔλαχεν …; vgl. Decal. 160; Spec. 2,176. J. D. G. Dunn, Beginning, 160 f., weist vor allem auf die Bundeserneuerung in 2 Chr 15,10 ff. und Jub 6,17–21 und die Darstellung der Sinaioffenbarung bei Philo hin. Vgl. auch oben Anm. 51. 61 Bill. II, 604 f.; dazu O. Betz, Zungenreden, 49–65, der darüber hinaus auf die Qumrantexte, Jes 28,7–13 und die Nähe des Lukas zur paulinischen Auffassung von Zungenrede verweist.
16
I. Die Urgemeinde
stes an Pfingsten sowohl als Überwindung der Sprachverwirrung von Gen 11 als auch als Überbietung der Sinaioffenbarung verstand. Dahinter könnte eine polemische Umkehrung stehen, auf die Otto Betz hingewiesen hat: »An Pfingsten lehnt das offizielle Jerusalem Gottes neue Offenbarung ab, während die Völker der Welt gehorsam sind. Es ist jetzt gerade umgekehrt wie bei der Sinaioffenbarung.«62
Doch das beruht auf einer späteren theologischen Deutung des Pfingstereignisses, die die universale Heidenmission voraussetzt,63 während in Apg 2,5.11.14 Juden und Gottesfürchtige bzw. »das ganze Haus Israel« (Apg 2,36) angesprochen werden. Wir können jedoch das ursprüngliche Geschehen selbst kaum mehr historisch im einzelnen rekonstruieren. Vermutlich dürften drei wesentliche Ereignisse hinter dem Bericht stehen: (1) der Empfang der endzeitlichen Gabe des Geistes, (2) die Konstituierung der neuen eschatologischen Heilsgemeinde und (3) die Einführung der Taufe im Namen Jesu. Die mit ekstatischen Phänomenen, z. B. der Glossolalie, verbundene Erfahrung der Geistausgießung wurde als von den Profeten geweissagte göttliche Gabe der Endzeit verstanden und mit dem ersten öffentlichen missionarischen Auftreten in Jerusalem verbunden. Das Selbstverständnis der neu konstituierten Jesusgemeinde nach den Erscheinungen des Auferstandenen kann man durchaus als messianisch-endzeitlichen Enthusiasmus bezeichnen.64 Die Mitteilung des Geistes erschien als die Frucht des jetzt hereinbrechenden Gottesreiches, ja als zeichenhafter Ausdruck von dessen Gegenwart in der Gemeinde. Noch Paulus kann später beides verbinden: »Das Reich Gottes besteht nicht in Speise und Trank, sondern in Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist.«65 Gemäß Jes 11,2; 42,1 ff. und 61,1 ff. war der Messias selbst Geistträger schlechthin; Jesus hatte die Fülle des Geistes bei seiner Taufe durch Johannes empfangen und war als messianischer Geistträger nach Jes 61,1 in seiner Heimatstadt Nazareth verworfen worden (Lk 4,14.17–30), jetzt gab er den Geist als Zeichen seiner Erhöhung und Gemeinschaft mit dem Vater an seine Jüngergemeinde weiter.66 Diese konnte sich als »messianische Gemeinschaft« in ihrer Gewißheit, daß sie im Geist an der Kraft des Erhöhten partizipierte, auf
62 Betz,
Zungenreden, 62. Vgl. dazu den Schluß der Apostelgeschichte (28,23–28). auch J. M. Scott, Acts 2:9–11. 64 Vgl. M. Hengel, Sühnetod, 142 = ders., KS IV, 146–184 (179); dazu J. Frey, Windbrausen, 135. 65 Röm 14,17, vgl. Gal 5,22: »Friede« und »Freude« als »Frucht des Geistes«. Nach 1 Kor 4,20 besteht die »Gottesherrschaft« οὐ γὰρ ἐν λόγῳ … ἀλλ’ ἐν δυνάμει, vgl. 2,4 f. 66 Vor allem J. D. G. Dunn, Beginning, 157 f., betont nachdrücklich die Entsprechung zwischen der Geistsalbung in Lk 3 bei der Taufe und in Lk 4 bei der »Antrittspredigt« in Nazareth und dem Beginn der Apostelgeschichte mit dem Pfingstereignis. 63 Vgl.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
17
die Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen wie Jes 59,21;67 Ez 36,26 f.68 oder den in der Petrusrede Apg 2,17 ff. zitierten Text Joel 3,1 ff. berufen: »Ich werde ausgießen meinen Geist über alles Fleisch, und es werden profetisch reden eure Söhne und eure Töchter, und eure Ältesten werden Träume träumen und eure Jünglinge Gesichte sehen. Auch über die Knechte und Mägde werde ich in jenen Tagen ausgießen meinen Geist. Und ich werde Zeichen geben am Himmel und auf Erden, Blut und Feuer und Rauchschwaden.«
Der Geist war Ausdruck der neues, wahres Leben vermittelnden Schöpfermacht Gottes69 und wurde von Anfang an als eine enthusiastisch-ekstatische, Wunder wirkende Kraft verstanden, die aber auch das Vermögen gab, Gottes Willen, wie ihn Jesus gelehrt hatte, entsprechend zu leben. Er bildete die Kraft, die das ganze Leben des einzelnen wie der Gemeinde bestimmte und die neue, inspirierte Schriftauslegung, die das eigentliche, christologische Verstehen ermöglichte, beflügelte.70 Das erste, »archaische« enthusiastische Motiv wird bei Lukas besonders hervorgehoben, da es sich sichtbar in ekstatischen Phänomenen wie der Glossolalie, der Profetie, der spontanen Verkündigung des Gotteswillens für Gegenwart und Zukunft und in Heilungen und Exorzismen äußerte. Das zweite Motiv, die »ethischen«, den ganzen Menschen erneuernden Wirkungen des Geistes, die Paulus so sehr betont,71 treten in der Apostelgeschichte zurück, da Lukas das neue Ethos schon in seinem Evangelium in den Mittelpunkt gestellt hatte, obwohl es auch in seiner zweiten Schrift nicht fehlt.72 Die neue messiani67 Jes 59,21: »Das ist mein Bund mit ihnen, sagt der Herr: Mein Geist, der mit dir ist, und die Worte, die ich in deinen Mund legte, werden nicht verschwinden aus dem Mund deines Samens …«. 68 Ez 36,26: »Und ich werde euch ein neues Herz geben, und neuen Geist werde ich euch eingeben, und ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleisch nehmen und euch ein Herz aus Fleisch geben.« 69 Gen 1,2; 2,7; Ps 33,6; Jes 42,5; 44,3; Ez 37,5–14. 70 Zur inspirierten Schriftauslegung, die eine jüdische Vorgeschichte besitzt, siehe M. Hengel, Schriftauslegung und Schriftwerdung, besonders 67–71 = KS II, 67–71; vgl. ders., Schriftauslegung des 4. Evangeliums, 251–258 = KS V, 603–611. L. Hurtado, Jesus, 92 f., nennt sie im Anschluß an D. E. Aune »charismatic exegesis«; vgl. auch F. Wilk, Schriftbezüge, 482, der von der »spezifische[n] Art der Schriftauslegung« spricht, die »christusgläubige Juden schon vor Paulus [entwickelten]« und mit der sie (489) »[u]nter der Regie des Geistes« in der Schrift auch »zahlreiche Weisungen zur Lebensgestaltung« fanden. 71 Siehe dazu V. Rabens, Holy Spirit. 72 Vgl. z. B. Apg 5,5.9. Siehe dazu C. K. Barrett, Acts II, CIV–CVI. Das Wirken des Geistes äußert sich in der κοινωνία (Apg 2,42), der Gütergemeinschaft, die keine Armut mehr kennt (siehe unten § 1.3.2, S. 36 ff.), der Leidensbereitschaft um des Glaubens willen und dem Freimut (παρρησία) im Glaubenszeugnis. Auffallend ist die Betonung des heiligen Geistes in der Paulusrede in Milet, Apg 20,17–35, die mit dem »apokryphen« Jesuswort endet: »Geben ist seliger als Nehmen« (vgl. dazu unten S. 57 Anm. 274). Im Gegensatz zu Paulus hat Lukas freilich keine ausgeführte »systematische« Geistlehre. Er ist nicht Systematiker, sondern Erzähler. Nach J. Frey, Windbrausen, 143, entwickelt Lukas zwar »in der nachpaulinischen Zeit
18
I. Die Urgemeinde
sche Bewegung verstand sich als vom Geist bestimmte und geleitete Bewegung. Als Zeichen der neuen Verbundenheit mit Gott gab er ihr die Freiheit, den Vater Jesu als ʾabbāʾ, als »Vater«, anzurufen, wie Jesus selbst es getan und auch seine Jünger gelehrt hatte.73 Dieser aramäische Gebetsruf war als Ausdruck der durch Jesus vermittelten Gotteskindschaft selbst Paulus noch so wichtig, daß er denselben seinen heidenchristlichen Missionsgemeinden vermittelte. Er wird dadurch zu einem Zeichen der Kontinuität zwischen Jesus und der paulinischen Mission.74 Auffallend ist, daß Lukas die Geistmitteilung durch den Auferstandenen auf ein datierbares Ereignis in Jerusalem 50 Tage nach Ostern bezieht. In Joh 20,21 f. haucht75 der Auferstandene selbst den Jüngern am Abend des ersten Wochentages den Geist zu und deutet diesen schöpferischen Anhauch als Sendung: »Wie mich der Vater gesandt hat, sende auch ich euch.« Hier wurde die Gabe des Geistes direkt mit der Erscheinung des Auferstandenen verbunden, die die Jünger zu bevollmächtigten Boten Jesu machte und ihnen die Vollmacht zur Sündenvergebung gab, die Gott und Jesus allein vorbehalten war.76 Eine weitere spontane Geistmitteilung, die den Versammlungsort erbeben läßt, erscheint in Apg 4,23–31 als Zeichen der Erhörung eines Gebets der bedrohten Gemeinde.77 Die Wahrnehmung der Ausgießung des Geistes war offenbar nicht auf ein einmaliges Ereignis beschränkt, wie es in Apg 2 berichtet wird, sondern geschah als Gabe des Erhöhten (Apg 2,33) seit den ersten Christophanien in immer neuen Erfahrungen und war mit der Gewißheit der Sendung und Bevollmächtigung durch den Auferstandenen verbunden. Wenn später Paulus in 2 Kor 3,17 sagen kann: »Der Herr ist der Geist«, so ist dies nur eine letzte Konsequenz der Gewißheit, daß der Erhöhte selbst durch den Geist auf Erden in der Jüngergemeinde eine eigenständige, profilierte Pneumatologie«, aber »das Verhältnis zwischen dem Wirken des Geistes und dem des Erhöhten [ist] … weniger klar reflektiert als bei Paulus«, und »die ›Personalisierung‹ des Geistes [ist] … weniger weit vorangeschritten« (146). Vgl. D. Marguerat, Lukas, 159–182: »Das Werk des heiligen Geistes«; dazu jetzt den Vergleich zwischen Paulus und Lukas von H. Gunkel, Geist, 320–329. 73 Mk 14,36, vgl. Lk 22,42 = Mt 26,39.42; Lk 10,21 f.; 11,2 = Mt 6,9 u. ö.; siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 417 f.457 f.542 f.587; siehe auch 724 Index und M. Hengel, Abba, 156–161 = KS IV, 507–512. 74 Gal 4,5 f.; in Röm 8,15 setzt er die Kenntnis und den Gebrauch dieses Gebetsrufs in der wohl von aus Judaea stammenden unbekannten Missionaren gegründeten Gemeinde in Rom voraus. Es zeigt sich hier wie in 1 Kor 16,22 ein direkter Bezug zwischen den heidenchristlichen Missionsgemeinden und der Urgemeinde, vgl. M. Hengel, Abba, 151–155 = KS IV, 502–506. 75 V. 22: ἐνεφύσησεν = Gen 2,7 LXX. 76 Vgl. Mk 2,5 ff. parr.; Lk 7,48 f.; 11,4 = Mt 6,12. 77 Apg 4,31: καὶ δεηθέντων αὐτῶν ἐσαλεύθη ὁ τόπος ἐν ᾧ ἦσαν συνηγμένοι, καὶ ἐπλήσθησαν ἅπαντες τοῦ ἁγίου πνεύματος καὶ ἐλάλουν τὸν λόγον τοῦ θεοῦ μετὰ παρρησίας. (»Und als sie beteten, wurde der Ort, an dem sie versammelt waren, erschüttert. Und sie wurden alle erfüllt mit heiligem Geist und sprachen das Wort Gottes mit Freimut.«)
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
19
gegenwärtig und wirksam ist. Einen ähnlichen Gedanken bringt auch Johannes später um 100 n. Chr. durch die Paraklet-Verheißung des scheidenden Christus zum Ausdruck. Der Geist tritt dabei in die Funktion des zu Gott erhöhten Christus ein.78 Die Sendung und Erfahrung des Geistes galt so schon in der Urgemeinde wohl von Anfang an als ein Zeichen für die einzigartige Verbindung des Vaters mit dem Sohn, der die Jünger in diese Verbindung hineinnahm und sie zum Abba-Ruf ermächtigte. Die von Lukas so lebendig ausgestaltete Erzählung von der ersten öffentlichen Verkündigung der neuen »messianischen« Jüngergemeinde am Wochenfest in Jerusalem mit der Rede des Petrus war einerseits eine Konsequenz der Sendung der Jünger als Boten des Auferstandenen zum eigenen Volk. Zum anderen war sie der Erweis für die endzeitliche Gabe des Geistes, der die Jünger zu freier, furchtloser öffentlicher Verkündigung des durch ihn gewirkten Heils ermutigte. Der ostentative Erfolg der Petruspredigt, auf die hin sich »gegen 3000« taufen ließen (Apg 2,41), soll die jetzt gewirkte Kraft der neuen Botschaft demonstrieren, die die Verstockung der Herzen zu überwinden vermag und zur Annahme des rettenden Wortes führt.79 Die Folge der ersten öffentlichen Verkündigung in Jerusalem am Wochenfest ist nach Lukas die »Umkehr«, die als Glaube an Jesus als den gekreuzigten und auferstandenen Messias verstanden wird, weiter die Taufe in seinem Namen zur Vergebung der Sünden und der Empfang des heiligen Geistes. »Die ›pfingstliche‹ Gabe des Geistes bevollmächtigt die Jünger Jesu zur Verkündigung und zur Mission.«80 Der erste christliche Geschichtsschreiber hat damit einen eindrucksvollen idealen Introitus zur Apostelgeschichte entworfen.
78 Joh 14,16 spricht von ἄλλος παράκλητος, weil wie in 1 Joh 2,1 ursprünglich Christus selbst der παράκλητος, der himmlische »Beistand«, ist, der für die Gläubigen eintritt (siehe auch Röm 8,34), während der Geist nach Röm 8,26 der irdische Beistand ist. Jesus bittet den Vater, den Geist zu senden. In Joh 14,26 geschieht dies im Namen des Erhöhten, in 15,26 sendet dieser selbst den Geist, »der vom Vater ausgeht«. Nach Röm 8,34 vertritt der zur Rechten Gottes Erhöhte die Glaubenden (ὃς καὶ ἐντυγχάνει ὑπὲρ ἡμῶν). In Röm 8,26 f. »vertritt« der »Geist« durch seine besondere Form des Gebets die Glaubenden auf Gott gemäße Weise (V. 26: ὑπερεντυγχάνει); zahlreiche Handschriften ergänzen ὑπὲρ ἡμῶν bzw. V. 27: κατὰ θεὸν ἐντυγχάνει ὑπὲρ ἁγίων. Hier begegnen wir Motiven der urchristlichen Geisterfahrung, die sehr wohl in nuce auf die frühe Urgemeinde zurückgehen können. In der Stephanusvision Apg 7,55 f.59 erscheint Jesus als himmlischer Beistand und priesterlicher Interzessor (vgl. unten S. 162 mit Anm. 107). Zur Bedeutung der jüdischen Vorstellungen vom heiligen Geist für die Entwicklung der Christologie vgl. A. W. Pitts / S. Pollinger, Spirit. 79 Apg 2,37.40 f. Die lukanischen Zahlenangaben mögen durchweg etwas übertrieben sein; vgl. die μυριάδες von Judenchristen in Jerusalem nach Jakobus (21,20). Die 3000 in 2,41 und die 5000 in 4,4 betonen den Kontrast zu den 120 (= 10x12) in 1,15. 80 J. Frey, Windbrausen, 145.
20
I. Die Urgemeinde
1.2.3 Die neue endzeitliche Heilsgemeinde und die Taufe im Namen Jesu81 Nach der pfingstlichen Erfahrung des Geistes kommen wir zu einem zweiten Punkt: Jesus selbst hatte keine geschlossene, zusammenhängende Gemeinde gegründet und organisiert.82 Er besaß lediglich – vor allem in Galilaea, aber auch schon in der Heiligen Stadt – einen offenen Kreis von Anhängern bzw. Sympathisanten, die häufig auch mit der Täuferbewegung zusammenhingen. Dieser Kreis kann einen beträchtlichen Umfang gehabt haben; denn die Nachrichten bei Markus, daß »die Menge« (ὁ ὄχλος bzw. οἱ ὄχλοι) ihm zuströmte und ihn gerne hörte, hat einen historischen Hintergrund.83 In der Apostelgeschichte setzt sich dieses Motiv fort, nur daß Lukas dort für die Juden in Jerusalem anstatt des unbestimmten Begriffs ὄχλος in Kapitel 2–6 das vor allem in der Septuaginta für das Gottesvolk geltende Wort λαός verwendet.84 Die Pfingstgeschichte schließt mit dem Hinweis ab, daß die neugewonnenen Anhänger der Jesusbewegung »Sympathie« (χάρις) beim ganzen Volk (λαός) fanden und ihre Zahl täglich wuchs.85 Jesus hatte aus der galiläischen Volksmenge eine Gruppe von »Nachfolgern« um sich geschart und aus diesen die besondere Gruppe der Zwölf berufen, die als »Reich-Gottes-Boten« seinen messianischen Bezug zum Zwölfstämmevolk zum Ausdruck bringen sollten. Sein Ziel war ja nicht die Absonderung von Israel mit einem heiligen Rest wie bei den Essenern, das heißt die Separation eines wahren Gottesvolkes, sondern die Gewinnung und Vorbereitung des ganzen Volkes für die Gottesherrschaft. Ebendieses Ziel hatte ihn nach Jerusalem und in die Passion geführt. Wir wissen z. B. nichts davon, daß zu Lebzeiten Jesu Zirkel seiner Anhänger zu Versammlungen oder Gottesdiensten während seiner 81 Vgl. W. Schrage, Ekklesia; J. Hainz, Ekklesia, 232 ff.; K. Holl, Kirchenbegriff; C. K. Barrett, Acts II, LXXXVII–XC. Zum Summarium Apg 2,42–47 siehe J. A. Fitzmyer, Acts, 268–275. Vgl. weiter F. Avemarie, Tauferzählungen, passim; J. D. G. Dunn, Beginning, 185–189 und 1339 Index s. v. »Baptism«. 82 Nur das späte Matthäusevangelium (gegen Ende des 1. Jahrhunderts abgefaßt) verwendet an zwei Stellen ἐκκλησία schon im Munde Jesu, einmal im »Felsenwort« an Petrus für die universale christliche Gemeinschaft (16,18) und in 18,17 für die konkrete Einzelgemeinde. Matthäus setzt damit voraus, daß Jesus selbst schon eine Sondergemeinschaft gegründet hat; siehe dazu M. Hengel, Petrus, 4 f. 83 Das Wort erscheint bei Markus 38mal, im Lukasevangelium 41mal, bei Matthäus 49mal und bei Johannes 20mal; siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 358.360; R. Meyer, Art. ὄχλος, ThWNT V (1954), 585 ff. Zum Wirken Jesu in Jerusalem siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 561–569. 84 Das Wort ὄχλος erscheint in Apg 8,6 erstmals wieder für die Samaritaner; später bezeichnet es vor allem Nichtjuden. 85 Apg 2,47; vgl. Mk 12,37b zu Jesu Wirkung in Jerusalem: »Und alles Volk hörte ihn gern.« Mit der Zustimmung »der Juden« zur Hinrichtung des Zebedaïden Jakobus durch Agrippa I. will Lukas auf einen Stimmungswandel in Jerusalem hinweisen, der aber wohl vor allem die Oberschicht betraf; siehe unten S. 352 ff.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
21
Abwesenheit zusammenkamen. Das ist schon auf Grund der relativen Kürze seiner Wirksamkeit auch nicht wahrscheinlich. Die Berichte der Evangelien beziehen sich allein auf das Handeln Jesu. Diese »Sympathien« weiter Kreise für Johannes den Täufer und Jesus erklären jedoch den relativ großen Erfolg der urchristlichen Missionspredigt im jüdischen Palästina und nicht zuletzt in Jerusalem selbst. Nach »Ostern« und »Pfingsten« änderte sich diese Situation: Durch die Begegnung mit dem Auferstandenen verstanden sich die Jünger in neuem Sinne als »Gesandte« Gottes bzw. seines Messias Jesus. »Ἀπόστολος« bzw. sein aramäisches Äquivalent šālû aḥ erhielt jetzt – wie dann später auch bei Paulus86 – titulare Bedeutung. Der »Apostel« mußte den auferstandenen Herrn gesehen haben und von diesem berufen und gesandt sein.87 Das Ziel dieser »Sendung« war die Sammlung des endzeitlichen wahren Israels in Erwartung Jesu als des erhöhten, wiederkommenden Menschensohn-Messias, der Gottes Herrschaft sichtbar für alle aufrichten wird. Es gab im palästinischen Judentum verschiedene andere Gruppen, die sich unter dem Anspruch, das »wahre Israel« bzw. der heilige, umkehrbereite endzeitliche »Rest Israels« zu sein,88 vom übrigen Volk als einer »massa perditionis« (die Vielen, die in der Verstocktheit ihres Herzens wandeln, Gottlose und Frevler) absonderten. Dazu gehören, neben den Essenern von Qumran,89 in gewisser Weise auch die Pharisäer, denen der Volksmund die Bezeichnung perîšajja, »die Abgesonderten«, »Separatisten«, beigelegt hatte, obwohl sie sich selbst als eine dem Volk zugewandte Erneuerungsbewegung 86 Paulus setzt die Jerusalemer »Apostel« selbstverständlich voraus, vgl. 1 Kor 9,5; 15,7; Gal 1,17.19. 87 Ἀπόστολοι θεοῦ bzw. Ἰησοῦ Χριστοῦ; siehe auch unten § 1.4.1.2 (S. 53 ff.). Zur Verwendung des Begriffs in den Evangelien vgl. Mk 6,30 und dann vor allem Lk 6,13; 9,1.10 u. ö. Lukas identifiziert die »Apostel« mit den »Zwölfen«, im Gegensatz zu Paulus (1 Kor 15,5.7); vgl. dazu 1 Kor 9,1 f.; 15,9; Gal 1,1; Röm 1,1 etc. Mt 10,2: Τῶν δὲ δώδεκα ἀποστόλων τὰ ὀνόματα dürfte eine von Lk 6,13 abhängige Rückübertragung des nachösterlichen Titels auf die Zeit Jesu sein. Bei der Aussendung durch Jesus selbst waren sie noch einfach seine »Boten« (šelîḥîn); siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 375; J. Frey, Apo stelbegriff; ders., Paulus und die Apostel. 88 Zum Gedanken des Restes in Israel siehe Jes 1,9; 4,3; 10,20 ff. u. ö.; dazu R. E. Clements, Art. šʾr, ThWAT 7 (1993), 933–950; H. M. Pfaff, Entwicklung. Seit dem Exil wird der »Rest« eschatologisch gedeutet, es handelt sich nicht mehr um »wertlose Überbleibsel, sondern auserwählte Träger einer neuen Zukunft« (H.-D. Neef, Art. Rest, CBL 2 [2003], 1131). Zur Abwandlung des Restgedankens bei Paulus siehe M. Hengel, Paulus, Israel und die Kirche = KS III, 464 ff. 89 Der halachische Brief, der wahrscheinlich auf den Lehrer der Gerechtigkeit zurückgeht, eine Frühschrift unter den qumran-essenischen Texten, verwendet prš für »absondern vom Weg des Volkes«, siehe 4QMMT C 7–8 (E. Qimron / J. Strugnell, Miqṣat Maʿaśe Ha-Torah, 58 f.) = 4Q397 14–21; dazu den Kommentar: op. cit., 111.134; der sonstige Sprachgebrauch in den Qumrantexten nimmt die alttestamentlichen Termini wieder auf, etwa swr in CD VIII 16; XIX 29. Siehe auch R. Deines, Pharisäer, 544 f.
22
I. Die Urgemeinde
verstanden.90 Wahrscheinlich ist auch die von Judas Galilaeus um 6 n. Chr. gegründete zelotische Befreiungsbewegung dazu zu zählen mit ihren verschiedenen Gruppierungen, so etwa später den »Sikariern« in Masada 66 n. Chr. nach der Ermordung ihres Anführers Menachem durch die Priesterschaft im Tempel.91 Für die junge, nachösterliche Jüngergemeinde und die sich um sie sammelnde, neu konstituierende größere Gemeinschaft der Sympathisanten ergab sich aus der radikal veränderten Situation die Notwendigkeit des organisatorischen Zusammenschlusses zu einer für das übrige Volk deutlich erkennbaren »Heilsgemeinde« mit einem enthusiastisch-endzeitlichen Gepräge.92 Bereits Adolf von Harnack vermutete, daß sich schon die früheste Gemeinde in Jerusalem eine Selbstbezeichnung gab, die sie als das wahre Israel der Endzeit auswies.93 Sie betrachtete sich dann als die authentische »Versammlung Gottes«, als קהל אל, qehal ʾel, oder qehillā dî ʾälāhā, griechisch ἐκκλησία τοῦ θεοῦ, in der sich die profetischen Verheißungen für Israel erfüllen. Vermutlich vermied man bewußt neutralere Gemeindebegriffe wie etwa das schon für die jüdischen Synagogengemeinden und ‑gebäude verwendete und deshalb schon »besetzte« kenäsät / kenîšāʾ / συναγωγή und verwendete das seltenere Wort qāhāl zur Kennzeichnung der eigenen Bewegung. Vielleicht wollte man ihr damit einen ausgesprochen endzeitlichen Charakter geben,94 doch die Be90 Siehe dazu R. Deines, Pharisäer, 84–88 (»Die Pharisäer als Partei für das Volk« bei Emil Schürer); 385–388 (»Das pharisäische Programm« in der Darstellung von George Foot Moore); 478 (Werner Foerster zum »Sauerteig« der Pharisäer); 543 ff.; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 133.156. 91 M. Hengel, Zeloten, 371 f. = 3. Aufl. 363 f.; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 111.139; weiter 747 Index s. v. »Zeloten«. 92 Die Bezeichnungen in Qumran waren: jaḥad / ʿedāh und relativ selten qāhāl. Zur »Absonderung« des Lehrers der Gerechtigkeit und seiner Anhänger in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. siehe 4QMMT C 7–8 (E. Qimron / J. Strugnell, Miqṣat Maʿaśe Ha-Torah, 58 f.) = 4Q397 14–21. Vgl. dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 148 ff. und oben Anm. 89. 93 A. v. Harnack, Mission, 419 f.: »Weil sich die Christen … als das wahre Israel und zugleich als Neuschöpfung Gottes wußten, so bedurften sie einer solennen Bezeichnung. … Es war ein meisterhafter Griff; nicht dem Apostel Paulus verdankt man ihn, aber schwerlich schon Jesus selbst, sondern Jerusalem und den jüdischen Gemeinden (die sich als קהלbezeichnet haben). Das Wort, … der feierlichste Ausdruck, den das Judentum für seine gottesdienstliche Gesamtheit brauchte, wurde übernommen.« Auch J. D. G. Dunn, Beginning, 6 Anm. 13, weist auf Harnack hin; vgl. auch op. cit., 600. 94 Vgl. z. B. ʿdt ʾl (1QM IV 9) als Aufschrift auf dem ersten und qhl ʾl (1QM IV 10) auf dem sechsten der acht Feldzeichen der »Söhne des Lichts« im endzeitlichen heiligen Krieg, beides bedeutet »Versammlung Gottes«. Man könnte beides ins Griechische mit ἐκκλησία θεοῦ übersetzen. Doch ʿdh wird in der Septuaginta immer mit συναγωγή und nie mit ἐκκλησία wiedergegeben, und auch qhl wird in der Septuaginta sehr viel häufiger mit συναγωγή übersetzt. Beide griechischen Begriffe erscheinen in der Septuaginta bedeutungsgleich. Aber der Terminus συναγωγή bezeichnete nicht nur die Gemeindeversammlungen selbst, sondern seit dem Aufkommen der Synagogen in Palästina in hasmonäischer Zeit auch die Gebäude für die Gemeindeversammlungen, die in der Diaspora ursprünglich den Namen προσευχή, »Gebet(sstätte)«, trugen, eine Bezeichnung, die in Palästina dem Tempel als dem Haus des Gebets (vgl. Jes 56,7;
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
23
lege in der Kriegsrolle aus Qumran reichen für solche Annahmen nicht aus.95 Auch wenn wir nicht sicher sein können, wie das aramäische Äquivalent zu ἡ ἐκκλησία τοῦ θεοῦ lautete, so sind es doch wohl schon die Hellenisten in Jerusalem gewesen, die als griechische Übersetzung das ungewöhnlichere ἡ ἐκκλησία wählten.96 Sie konnten sich damit einen eigenen Namen geben, der die Kontinuität mit der »Versammlung« bzw. den »Versammlungen« des alten Gottesvolkes unterstrich und gleichzeitig die Unterscheidung von den »Synagogen« erlaubte. Eine solche Unterscheidung war schon in Jerusalem nötig, wo nicht nur die Apostelgeschichte, sondern auch die Theodotos-Inschrift belegt, daß es dort Synagogengemeinden und ‑gebäude gab.97 Die Wahl der griechischen Selbstbezeichnung reicht nach Jerusalem zurück, denn »die Übertragung von Teilen der Jesustradition in die griechische Sprache wie auch die Ausbildung einer eigenen, spezifisch christlichen theologischen Terminologie mit Begriffen wie ›ἀπόστολος, εὐαγγελίζεσθαι, … ἐκκλησία, χάρις …, υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου‹ … [setzte] schon sehr früh … in Jerusalem [ein] … Die Wurzeln der ›judenchristlichhellenistischen‹ oder exakter der griechischsprechenden judenchristlichen Gemeinde, in der die Jesusbotschaft erstmals in griechischer Sprache formuliert wurde, reichen eindeutig nach Jerusalem selbst zurück.«98 Mk 11,17 parr.) vorbehalten bleiben sollte – mit der einen Ausnahme der Synagoge in Tiberias. Zu den verschiedenen Synagogenbezeichnungen siehe M. Hengel, Proseuche und Synagoge = KS I, 171–195; vgl. A. Runesson / D. D. Binder / B. Olsson, Synagogue, die allerdings in Nr. 202–203 und 216 ἐκκλησία als Synagogenbezeichnung angeben, was weder für die angeführten Philo-Stellen (Spec. 1,324 f.; Deus 111; Virt. 108) noch für Justin (Dial. 134,3 [PTS 47, 302 ed. Marcovich]) zutreffend ist. Es ist deshalb völlig irreführend, wenn A. Runesson, Matthean Communities, 384 Anm. 22, schreibt: »[t]he term ekklesia … was one of many synagogue terms in the first century«. 95 Dazu J. A. Fitzmyer, Designations, 231: »A Palestinian Jewish religious use of qahal, even implying a relation to the OT expression of ›the congregation of the people of God‹ (Judg 20,2), is thus seen as the background to the use of the Greek ekklesia (sic!). However, although the use of qahal and then ἐκκλησία in the LXX is very important, there is no reason to argue for the influence of usage at Qumran here.« 96 M. Hengel, Ursprünge, 30 = KS VI, 124 f.; P. Trebilco, Early Christians, ausführlicher in: ders., Self-designations, 164–207; vgl. W. Kraus, Gottes Volk, 124–128 u. ö.; H. Stettler, Heiligung bei Paulus, 198 f.; H.-U. Weidemann, Ekklesia, 173–177, der (mit Hinweis auf S. Rocca, Herod’s Judaea, 261–267) auf die in den Überlegungen zur Entstehung der Selbstbezeichnung ἐκκλησία θεοῦ im Kreis der »Hellenisten« vernachlässigte politische Rolle der unter Herodes I. einberufenen »Ekklesien« in Jerusalem hinweist, das heißt Versammlungen des Demos bzw. der stimmberechtigten männlichen Bürger, die ihre auffälligen Parallelen in den Ekklesien in den hellenistischen Städten dieser Zeit haben (176). 97 Apg 6,9; 22,19; 24,12; 26,11. Vgl. zu Paulus als Christenverfolger in den Synagogen Jerusalems M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 60–63.81; zur Theodotos-Inschrift siehe unten S. 149 f. Anm. 51 u. ö. 98 M. Hengel, Problem der »Hellenisierung« Judäas = KS I, 34 (Hervorhebung im Original); vgl. auch P. Trebilco, Self-designations, 197: »… the use by the Hellenists of the term that was not currently in use in Jerusalem as a name for a Jewish community (as far as we can tell) was a way of distinguishing themselves from ἡ συναγωγή without claiming to replace ›the
24
I. Die Urgemeinde
Sehr viel weniger wahrscheinlich ist, daß die Bezeichnung mit ἐκκλησία τοῦ θεοῦ erst in der Gemeinde von Antiochia aufkam oder gar erst in den christlichen Gemeinden Griechenlands im Gegensatz zu den städtischen Volksversammlungen gewählt wurde.99 Paulus spricht mehrfach von der ἐκκλησία θεοῦ, gerade auch wenn er die Gemeinden in Judaea bzw. in Jerusalem nennt.100 Untereinander nannten sie sich im Bewußtsein der durch Jesus vermittelten Gotteskindschaft und Zugehörigkeit zum wahren Gottesvolk Brüder, eine Bezeichnung, die freilich auch häufig als Anrede an die jüdischen Volksgenossen erscheint.101 Andere Selbstbezeichnungen waren »die Heiligen« (οἱ ἅγιοι),102 das heißt die durch den Sühnetod des Messias und die Gabe des Geistes »Geheiligten«, aber auch – auf einem bestimmten soziologischen Hintergrund ähnlich wie bei den Essenern – »die Erwählten«103 und »die Armen«104 oder »der Weg«.105 synagogue‹ as ›the people of God‹, either textually or historically. They were simply adopting an alternative term« (Hervorhebungen im Original). Vgl. auch C. Grappe, Art. Kirche. III. Urchristentum, RGG4 (2001), 1001. 99 So in Auseinandersetzung mit Trebilco G. H. van Kooten, Ἐκκλησία τοῦ θεοῦ. Zu den Ekklesien in Jerusalem siehe H.-U. Weidemann, Ekklesia (oben Anm. 96). 100 1 Thess 2,14; 1 Kor 15,9; Gal 1,13; vgl. Mt 16,18; 18,17. Vgl. auch W. Horbury, Conceptions. 101 So erscheint ἀδελφός in der Apostelgeschichte 57mal, am häufigsten von allen neutestamentlichen Schriften; das weibliche Äquivalent ἀδελφή findet sich dagegen nur einmal (23,16) bei der leiblichen Schwester des Paulus. Zu dieser und den weiteren Selbstbezeichnungen vgl. auch J. D. G. Dunn, Beginning, 11–15; P. Trebilco, Self-designations, passim. 102 Apg 9,13.32.41; 26,10. Die Bezeichnung ist besonders häufig bei Paulus und bezieht sich in Röm 15,25 f.31; 1 Kor 16,1.15; 2 Kor 8,4; 9,1.12 im Zusammenhang mit der Kollekte direkt auf die Urgemeinde in Jerusalem. Vgl. P. Trebilco, Self-designations, 140–147, besonders 142, der meint, die Vorstellung von der christlichen Gemeinde als Tempel hänge mit dieser Selbstbezeichnung zusammen; vgl. S. Vollenweider, Göttliche Einwohnung, 205 f. Dazu ferner unten S. 46 f. Anm. 210–212 und auch H. Stettler, Heiligung bei Paulus, 197 f. 103 ἐκλεκτοί: Mk 13,22.27. 104 πτωχοί – ʾäbjônîm; vgl. Röm 15,26: »die Armen der Heiligen«; Gal 2,10; 2 Kor 9,12, wobei Paulus auch an den real armen Teil der Jerusalemer Gemeinde denkt. Im 2. Jahrhundert erhalten die »häretischen« Judenchristen den Namen Ἐβιωναῖοι, »Ebioniten«; siehe Irenäus, Adversus haereses 1,26,2 (SC 264, 346 ed. Rousseau / Doutreleau); 4,33,4 (SC 100, 810 ff. ed. Rousseau / Hemmerdinger / Doutreleau / Mercier); 5,1,3 (SC 153, 24–28 ed. Rousseau / Doutreleau / Mercier); Euseb, H. e. 3,27 (GCS Eusebius II/1, 254,24–256,22 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Die späteren Kirchenväter leiten den für sie unverständlich gewordenen Namen von einer Phantasiegestalt, dem angeblichen Sektengründer »Ebion«, ab; siehe schon Tertullian, De praescriptione haereticorum 10,8; 33,5 (FC 42, 252.296 ed. Refoulé / Schleyer) und De carne Christi 14,5; 24,2 (SC 216, 270.306 ed. Mahé); Hippolyt, Refutatio omnium haeresium 7,35,1 (PTS 25, 372 ed. Marcovich); vgl. Origenes, Contra Celsum 5,61 (SVigChr 54, 372 ed. Marcovich): Die Ebioniten lehnen die Jungfrauengeburt ab. »Arm« wurde als religiöser Ehrentitel auch in Qumran verwendet, siehe 1 QpHab XII 3.6.10; 1QM XI 9.13; XIII 14; 4 QpPsa 37,11 (4Q171 II 9 f.) u. ö. Vgl. dazu F. S. Jones, Art. Ebionäer / Ebioniten, RGG4 2 (1999), 1041; R. Bauckham, Origin, 162–181; J. D. G. Dunn, Beginning, 1099. Weiter dazu J. Carleton Paget, Ebionites, 325–379. 105 ἡ ὁδός: Apg 9,2; 19,9; 22,4; 24,14.22, vgl. 16,17; 18,25; siehe dazu E. Repo, »Weg«,
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
25
Im Volk und von ihren Gegnern wurden sie dagegen entsprechend der geographischen Herkunft Jesu als »Nazareth-Leute« bezeichnet. In Apg 24,5 wird Paulus in der Gerichtsverhandlung vor dem Prokurator Felix in Caesarea als »Anführer der Sekte der Nazoräer« angeklagt.106 Jesus selbst trägt einmal im Evangelium und sechsmal in der Apostelgeschichte den Beinamen »der Nazoräer«.107 Die Bezeichnung χριστιανοί war im Ursprung keine Selbstbezeichnung, sondern kam in Antiochia am Orontes etwa im Jahr 39/40 n. Chr. auf, als dort für Außenstehende Christen von Juden erstmals (?) unterscheidbar wurden.108 Im Testimonium Flavianum werden die Anhänger Jesu erwähnt, die ihre Liebe zu ihm bis in die Zeit, in der Josephus schreibt, nicht aufgegeben haben. Es besteht kein zureichender Grund, die Echtheit des Schlußsatzes: »Bis heute hat diese nach ihm benannte Sippe (τὸ φῦλον) der Christianoi nicht aufgehört zu existieren« (Ant. 18,64)
zu bezweifeln. Josephus kennt die christliche Bevölkerung in Rom und nimmt an, daß die Anhängerschaft dieses »Messias« sich – schon zu dessen Lebzeiten, und die Rezension von M. Hengel, ThLZ 92 (1967), 361–364. Vgl. die Rolle, die Jes 40,3 (»Bereitet einen Weg dem Herrn in der Wüste«) in Qumran und dann in der christlichen Tradition über den Täufer spielte (dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 140.300.303). Die Bezeichnung könnte wie die Taufe von dort übertragen worden sein, aber die Metaphorik ist wie »Weg des Lebens« auch allgemein im Judentum verbreitet; vgl. J. D. G. Dunn, Beginning, 13 f.; ausführlich P. Trebilco, Self-designations, 247–271, der zu dem Ergebnis kommt (270): »ἡ ὁδός … was used as a self-designation in early Jewish Christianity in Palestine. It was used primarily because of Isa 40:3 … Its use involved the claim that ›the way‹, prepared by John, had been undertaken and completed by Jesus. The early Christians were now travelling on that way and their movement could be so designated.« Mit gutem historischen Gespür verwendet Lukas den Terminus schon im Zusammenhang mit der Christenverfolgung durch Paulus und deutet so an, daß er in seinem Ursprung in die Frühzeit zurückgeht. In späterer Zeit und außerhalb Palästinas wurde diese Bezeichnung dann mißverständlich. Trebilco verweist zudem mit Recht auf die lukanische Vorliebe für das Thema »discipleship as a journey« im Evangelium (op. cit., 257–262.271). 106 πρωτοστάτην τε τῆς τῶν Ναζωραίων αἱρέσεως. Vgl. auch P. Trebilco, Self-designations, 270.294 f. 107 Der Beiname ist die gräzisierte Form einer Nisbe-Bildung und leitet sich ab von Nazareth, dem Heimatort Jesu: נצרת/ naṣärät = Ναζαρέτ / Ναζαρέθ / Ναζαρά κτλ. Er bedeutet: »der aus Nazareth«. Der hebräische Name Jesu lautete ješû aʿ han-nôṣrî, siehe M. Jastrow, Dictionary II, 889 f. Daneben findet sich vor allem bei Markus die Nebenform »Nazarenos«. Zum Ganzen vgl. H. H. Schaeder, Art. Ναζαρηνός κτλ., ThWNT IV (1942), 879–883; zur Herleitung siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 281; zuletzt R. Riesner, Nazareth, 335: »Gemäß einem weit verbreiteten antiken Sprachgebrauch wird auf diese Weise die Herkunft aus dem so benannten Ort ausgedrückt.« Rabbinische Quellen versuchen teilweise Jesu Eigennamen zu vermeiden und verspotten ihn als Ben Stada oder Ben Pandera / Panthera, der dem Ehebruch einer Jüdin mit einem römischen Soldaten entstammt und nicht der Sohn einer Jungfrau (Parthenos) sei; siehe dazu P. Schäfer, Jesus im Talmud, 29–49.197 ff. u. ö. Weiter dazu unten S. 565 mit Anm. 89. 108 Apg 11,26; siehe dazu ausführlich M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 340–351; vgl. P. Trebilco, Self-designations, 272–297; weiter dazu unten S. 341 f.
26
I. Die Urgemeinde
was einen Anachronismus darstellt – aus »vielen Juden und vielen Griechen« zusammensetzte.109 Der Sprachgebrauch im Neuen Testament wie dann bei Sueton und Tacitus macht es wahrscheinlich, daß Josephus die Bezeichnung »Christen« gebraucht hat.110 Das Zeichen der Zugehörigkeit zu der endzeitlichen Heilsgemeinde des gekreuzigten Messias Jesus von Nazareth war die Taufe, das heißt das Tauchbad, das »im Namen Jesu«111 vollzogen wurde. Das »im Namen Jesu« war dabei Ausdruck der personalen Beziehung und konnte dann sehr rasch auch als Zueignung an die Person des zu Gott erhöhten Jesus verstanden werden. Wenn Lukas in Apg 2,38 Petrus im Anschluß an die Pfingstrede abschließend sagen läßt: »Kehrt um, und es lasse sich jeder von euch taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden«,
so gibt er damit die Grundlage des Anschlusses an die Gemeinde und ihre Konsequenz zutreffend wieder. Dieses plötzliche Auftauchen der Taufe im Namen Jesu zur Vergebung der Sünden am Ende der Petrusrede ist auffällig. Denn Jesus hatte selbst, außer vielleicht nach dem Johannesevangelium ganz zu Beginn seiner Wirksamkeit,112 nicht getauft und nach Markus und Lukas auch die Taufe nicht eingesetzt. Bei den Synoptikern erscheint sie erst bei Matthäus am Ende des Evangeliums als Befehl des Auferstandenen im Zusammenhang mit der Sendung der Elf zu allen Völkern, und zwar – dies ist ein Zeichen für die späte 109 Josephus, Ant. 18,63 f.; zur Scheidung zwischen der christlichen Bearbeitung und den authentischen Teilen siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 207 f. (vgl. auch 82.461). Anders wieder J. D. G. Dunn, Beginning, 53 f., der mit Berufung auf Steve Mason schreibt, Josephus erwähne die Christen nicht. Doch für die Steinigung des Herrenbruders Jakobus und anderer Judenchristen findet sich der früheste Beleg überhaupt bei Josephus, Ant. 20,200, mit einem Rückverweis auf die Erwähnung des sogenannten ›Messias‹ Jesus von Nazareth. Vgl. dagegen das ausgewogene Urteil – speziell auch zur Forschungsgeschichte – von J. Carleton Paget, Jews, 185–265. 110 Vgl. Apg 26,28: Agrippa II. antwortet spottend auf die Verteidigungsrede des Paulus: ἐν ὀλίγῳ με πείθεις Χριστιανὸν ποιῆσαι. (»Fast überredest du mich, einen Christen aus mir zu machen.«) Zum Leiden als Märtyrer wegen des Namens Χριστιανός siehe 1 Petr 4,16; Tertullian, Apologeticum 1,4; 3,6: At enim secta oditur in nomine utique sui auctoris (»… die Gemeinschaft wird natürlich gehaßt auf Grund des Namens ihres Stifters«; Tertullian, Apologeticum. Verteidigung des Christentums. Lateinisch und Deutsch, ed. C. Becker, München 21961, 54.68 f.) und passim. Tertullian, Apologeticum 2,6–9 (60 ed. Becker), verweist sarkastisch auf Plinius, Ep. 10,96,2.7; 10,97 (BSGRT, 355 f.357 ed. Schuster / Hanslik) zum nomen ipsum und zu der Antwort von Trajans Kanzlei. 111 ἐπὶ / ἐν τῷ ὀνόματι Ἰησοῦ Χριστοῦ: Apg 2,38; 10,48; häufiger εἰς τὸ ὄνομα …: Apg 8,16; 19,5, siehe auch Paulus: 1 Kor 1,13 ff.; 12,13 (leicht abgewandelt); Röm 6,3; Gal 3,27. Vgl. dazu F. Avemarie, Tauferzählungen, 544 Index s. v. »Name Jesu …; Namensformel«; ferner unten Anm. 115–119. 112 Joh 3,22 ff.; 4,1 f. Die Historizität dieser Angabe ist fragwürdig, 4,2 deutet auf eine Korrektur hin; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 308 Anm. 72 und 324 Anm. 23.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
27
Formung dieses Textes kurz vor 100 n. Chr. – mit einem trinitarischen Taufbefehl.113 Es ist auffallend, daß so von der christlichen Taufe auch bei Matthäus erst deutlich nach Ostern die Rede ist. Man hat die christliche Taufe nicht einfach in die Jesustradition eingetragen. Ihre Einführung als Zeichen der Aufnahme in die durch Jesu Geschick begründete endzeitliche Heilsgemeinde knüpft ganz bewußt an das Wirken Johannes’ des Täufers an. Sie zeigt, wie sehr – trotz aller Unterschiede – die Jesusbewegung sich vor allem in der Frühzeit mit der Täuferbewegung verbunden wußte. Die Anhänger des Täufers waren wohl zu einem nicht unbeträchtlichen Teil Anhänger Jesu geworden. Möglicherweise wurden nur diejenigen im Namen Jesu getauft, die nicht mehr die Taufe des Täufers empfangen hatten. So ist bei Lukas nicht davon die Rede, daß der ursprüngliche Gemeindekern der 120 Personen (Apg 1,15), deren Nukleus nach Apg 1,13 f. die Zwölf, die Frauen, Maria, die Mutter Jesu, und Jesu Brüder waren, getauft wurden, sondern die Aufforderung zur Taufe erscheint erst am Ende der Pfingstrede des Petrus als Antwort auf die Frage der betroffenen Zuhörer: »Was sollen wir tun?«114 In gewisser Weise konnte man die Taufe Jesu durch den Täufer, die ja mit dem Geistmotiv verbunden war, als Einsetzung der christlichen Taufe ansehen. Freilich hatte jetzt die Taufe »im Namen Jesu«115 einen klaren personalen Bezug auf den schon gekommenen und zu Gott erhöhten Messias Jesus, der damit eine Mittlerfunktion erhielt, und die Vergebung der Sünden konnte in neuer Weise mit seinem Tod, der als Sühnetod interpretiert wurde (1 Kor 15,3), begründet werden. Der Tod Jesu am Kreuz schenkte wirkliche Vergebungs-, das heißt Heilsgewißheit, die die Johannestaufe so noch nicht geben konnte. Weiter wird, 113 Mt 28,19; von Matthäus abhängig Did 7,1. Johannes weist im Gespräch Jesu mit Nikodemus (Joh 3,5) und indirekt wohl auch mit der Fußwaschungserzählung (13,2–11) darauf hin. Zum trinitarischen Taufbefehl siehe M. Hengel, Evangelien, 140.339 f. Vgl. zur lukanischen Darstellung die Zusammenfassung des Ergebnisses von F. Avemarie, Tauferzählungen, 447–452 (weiter 544 Index s. v. »Johannestaufe« und 545 s. v. »Taufbefehl«). 114 Apg 2,37 ff. Siehe dazu F. Avemarie, Tauferzählungen, 177–213. 115 Zur Frage der Taufe »im Namen Jesu« siehe F. Avemarie, Tauferzählungen, 26–43. Das Fehlen von Nachrichten über die Taufe der Jünger hat später eine gewisse Verlegenheit gebracht, denn von einer Taufe der Jünger ist im Neuen Testament nirgendwo die Rede; andererseits ist die Taufe im Namen Jesu Bedingung des Heils (Joh 3,5; Mk 16,16; vgl. Joh 13,8; Röm 6,3 f.; 1 Kor 1,13 ff.; 6,11; 12,13 u. ö.). Siehe dazu W. Bauer, Apostelbild, 13 f. Möglicherweise sollen Joh 13,10 und 15,3: »Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich euch gesagt habe« die Taufe der Jünger ersetzen. Ps.-Cyprian, De rebaptismate 6 (CSEL 3/3, 75–78 ed. Hartel), geht davon aus, daß Jesus seine Jünger getauft hat, ebenso Clemens Alexandrinus nach einem durch Johannes Moschos erhaltenen Fragment aus dem 5. Buch der Hypotyposen. Danach habe Jesus allein den Petrus getauft, dieser den Andreas, dieser die Zebedaïden und jene alle Übrigen (GCS 172, 196 ed. Stählin / Früchtel). In Ephrems Kommentar zum Diatessaron wird behauptet, die von Johannes Getauften seien von Jesus wiedergetauft worden. Die wahre Taufe könne nur von dem offenbart werden, der vom Urteil des Gesetzes befreie; siehe L. Leloir nach dem syrischen und dem armenischen Text in: SC 121, Paris 1966, 93.
28
I. Die Urgemeinde
im Gegensatz zum Täufer, mit der Wassertaufe die Geisttaufe verbunden, die Markus als profetische Ankündigung schon dem Täufer in den Mund legte: »Ich taufe euch mit Wasser, er aber wird euch mit heiligem Geist taufen!«116 Nach der Pfingstrede (Apg 2,38) sind Umkehr – und das heißt zugleich Glaube an Jesus als den von Gott auferweckten Messias – und die Taufe auf seinen Namen zur Vergebung der Sünden die Voraussetzung für den Geistempfang. Wahrscheinlich war von Anfang an mit der Taufe die Anrufung seines rettenden Namens, das heißt der Person des Erhöhten, verbunden.117 Die zwölf Täuferjünger in Ephesus, die nur die Johannestaufe kannten, wissen nach Lukas dagegen nichts vom Geist.118 Andererseits gab es, wie die Mission des Philippus in Samarien, die Corneliuserzählung und die Gestalt des Apollos – der mit brennendem Eifer die neue Botschaft verkündigt – zeigen, Ausnahmen, die vermuten lassen, daß zumindest in der Frühzeit noch kein festes, völlig eindeutiges Junktim zwischen Taufe »im Namen Jesu« und Geisterfahrung bestand.119 Zumindest scheint es Ausnahmefälle gegeben zu haben. Das Bekenntnis des Petrus vor den Hierarchen: »Es ist in keinem anderen Rettung (σωτηρία), es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir gerettet werden können«,120
gibt im Grunde den Kern der einfachen soteriologischen Botschaft der frühesten Gemeinde durchaus sachgemäß wieder.121 Vermutlich hat Lukas seine eigene Theologie gegenüber der von einer doketischen Spekulation bedrohten Theologie seiner Zeit durch das altertümlich klingende Vorbild der älteren judenchristlichen Tradition, die er von seinem Aufenthalt in Jerusalem als Reisebegleiter des Paulus kannte,122 beeinflussen lassen. Jesu Name selbst in seiner 116 Mk
1,8. Schon in der Taufe Jesu wird die Verbindung von Untertauchen und Mitteilung des Geistes – in seiner ganzen göttlichen Fülle – sichtbar. Lukas läßt in Apg 1,5 den Auferstandenen und in 11,16 den Petrus an dieses Wort erinnern. J. D. G. Dunn, Beginning, 91.221 f., weist auf diesen Bezug zwischen dem Beginn des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte hin. 117 Apg 2,21; vgl. Joel 3,5; Röm 10,13 ff.; vgl. in Röm 8,34 die Funktion des zur Rechten Gottes Erhöhten als rettendem Fürsprecher; dazu 1 Joh 2,1. 118 Apg 19,1–7. 119 Apg 10,44 ff.; 18,24 ff.; siehe dazu F. Avemarie, Tauferzählungen, 429–440 u. ö. Dies könnte unter anderem erklären, warum noch für Paulus das Taufen als eine zweitrangige apostolische Aufgabe erschien: 1 Kor 1,13–17. 120 Apg 4,12: … ἐν ᾧ δεῖ σωθῆναι ἡμᾶς. 121 F. Avemarie, Tauferzählungen, 36–41. H. Bietenhard, Art. ὄνομα, ThWNT V (1954), 273: Petrus faßt hier »den ganzen Inhalt der Heilsbotschaft … zusammen«; ὄνομα erhält dabei fast die Bedeutung von »Person« und ihrem »Machtbereich«. 122 Apg 21,15–18. Wahrscheinlich übernimmt Lukas z. B. die Tradition vom Essen und Trinken der Jünger mit dem Auferstandenen aus Jerusalemer Tradition. Expressis verbis legt er sie Petrus in seiner Rede vor Cornelius in den Mund (Apg 10,41b; vgl. Lk 24,41 f.; Apg 1,4). Es
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
29
hebräischen Urform ješû aʿ / jehôšû aʿ deutete ja durch die Wurzel jšʿ123 bereits auf Jesu Funktion als messianischer Retter Israels hin. Nach Mt 1,21 befiehlt daher »der Engel des Herrn« dem Joseph: »… und du sollst ihm den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten (σώσει) aus ihren Sünden.«124 Diese aus dem Hebräischen abgeleitete soteriologische Deutung des Namens Jesu geht in die früheste Zeit zurück. Ihr entspricht die alte Bekenntnisformel, daß »der Messias nach den Schriften für unsere Sünden starb«, hinter der Jes 53 steht.125 Diese »Heilsgewißheit« gehört zu den grundlegenden und ursprünglichen christologisch-soteriologischen Einsichten der neuen Messiasgemeinde und verband sich untrennbar mit der Taufe im Namen Jesu. Um es noch einmal zu betonen: Die Vergebung der Sünden und damit der Zugang zur kommenden, ja bereits anbrechenden Gottesherrschaft wurden nach dieser Überzeugung nur zugeeignet durch die Umkehr und den Glauben an Jesus als den gekreuzigten und auferstandenen Gesalbten Gottes und Retter und (wieder)kommenden Richter. Sichtbares Zeichen dieser Zueignung war die Taufe in seinem Namen, verbunden mit der Anrufung seiner zu Gott erhöhten Person und die Gabe des Geistes. Für Lukas besitzt die Sündenvergebung schon im Evangelium zentrale Heilsbedeutung. Dies setzt sich, jetzt verbunden mit dem Sühnetod Jesu, in der Verkündigung der Jerusalemer Urgemeinde fort.126 Voraussetzung für die Taufe im Namen Jesu, die dadurch gewirkte Sündenvergebung und die Gabe des Geistes ist die »Umkehr«. Sowohl das Verbum μετανοεῖν wie auch das in der Septuaginta übliche ἐπιστρέφειν sowie das Nomen μετάνοια begegnen uns bei Lukas in auffallender Häufung.127 Die Umkehr erscheint so als Anfang des Glaubens (πιστεύειν) und äußert sich im »Anrufen des Namens des Herrn«. Auffallend ist dabei, daß in der Schilderung der Urgemeinde, wenn beides erwähnt wird, das Partizip als Ausdruck eines neuen Zustandes gegenüber dem Gebrauch des finiten Verbs überwiegt.128 ist kein Zufall, daß Ignatius dieses Motiv im Kampf gegen seine doketischen Gegner aufgreift (IgnSm 2,1–3,3), siehe dazu A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft. 123 Die Septuaginta übersetzt das Hiphil von jšʿ in der Regel mit σώζειν. 124 Vgl. Lk 1,31; 2,21. 125 1 Kor 15,3; 1 Petr 3,18; vgl. Gal 1,4; Röm 5,6 ff.; 2 Kor 5,15. 126 Vgl. den Auftrag des Auferstandenen an die Jünger in Lk 24,47: καὶ κηρυχθῆναι ἐπὶ τῷ ὀνόματι αὐτοῦ μετάνοιαν εἰς ἄφεσιν ἁμαρτιῶν. Verkündigung des Petrus: Apg 2,38; 5,31; 10,43; Verkündigung des Paulus: Apg 13,38; 26,18, vgl. den Auftrag des Ananias an Paulus: Apg 22,16; zu Jesus: Lk 5,20–24; 7,47 ff.; und zum Täufer: Lk 1,77; 3,3. Von insgesamt 17 Belegen für ἄφεσις im Neuen Testament hat Lukas zehn. Zur Bedeutung des Todes Jesu als Sühnetod siehe das zweimalige τὸ ὑπὲρ ὑμῶν in Lk 22,19 f. Siehe dazu ausführlich U. Mittmann-Richert, Sühnetod. 127 In Evangelium und Acta μετανοεῖν 14mal (im Neuen Testament insgesamt 34mal, davon 12mal in der Apokalypse); ἐπιστρέφειν 18mal (im Neuen Testament insgesamt 36mal); μετάνοια 11mal (im Neuen Testament insgesamt 22mal). 128 Apg 4,32: οἱ πιστεύσαντες; 2,44; 5,14: πιστεύοντες; 4,4: πολλοὶ δὲ τῶν ἀκουσάντων τὸν
30
I. Die Urgemeinde
1.3 Die erste Gemeinde in Jerusalem: Struktur und erste Auseinandersetzungen mit ihren Gegnern129 1.3.1 Die Organisation Die notwendige Abgrenzung der Urgemeinde gegenüber den zahlreichen anderen jüdischen Gruppen und Strömungen führt zu der Frage nach der äußeren Gestalt, die die ersten Jesusanhänger ihrer neuen Gemeinschaft gaben. Auch hier können wir nur Aussagen über die – für Palästina gewiß führende – Gemeinde in Jerusalem machen. Über die Organisation der Gemeinden in Galilaea wissen wir praktisch nichts, denn eigenartigerweise spielt Galilaea außerhalb der Evangelien in der frühchristlichen Literatur keine Rolle mehr. Die Apostelgeschichte betont zwar (wie schon die Evangelien), daß die Jünger Jesu Galiläer sind und daß Jesu Wirksamkeit in Galilaea begann,130 aber der Name dieses entlegenen Gebiets verschwindet in der frühchristlichen Literatur des 1. und 2. Jahrhunderts ganz rasch bis Irenäus. Selbst in der Apostelgeschichte erscheint er dann nur noch in der knappen Formel, daß »die Gemeinde in ganz Judaea und Galilaea Frieden hatte«.131 Daß die hypothetische Quelle Q, über die man so viel wissen will, auf galiläische Gemeinden zurückgehe, ist eine unbeweisbare Behauptung. »Galilaea« und »Galiläer« kommen in der ganzen Q zugeschriebenen Überlieferung nicht vor, bei Markus dagegen 13mal, im Lukasevangelium 15mal und bei Johannes 17mal. Als galiläische Orte erscheinen in der angeblichen Q-Quelle nur zweimal Kapernaum und je einmal Chorazin und Bethsaida.132 Dieser klare λόγον ἐπίστευσαν; 9,14.21: τοὺς ἐπικαλουμένους τὸ ὄνομα; vgl. 22,16. Ausgangspunkt ist Joel 3,5 = Apg 2,21. Die Umkehr kann dabei als Gottes Gabe erscheinen, siehe Apg 5,31; 11,18. In 3,16 ist πίστις wie schon im Evangelium Voraussetzung der Heilung, in 6,7 bedeutet sie Glaubensbotschaft (ὑπήκουον τῇ πίστει, vgl. Röm 1,5; 16,26 die paulinische Formel ὑπακοὴ πίστεως), und in Apg 6,5 bei Stephanus bedeutet sie Charisma. 129 Dazu M. Hengel, Eigentum = KS VI, 353–423; C. Colpe, Gemeinde, 71 ff.; J. A. Fitzmyer, Acts, 268–343; J. D. G. Dunn, Beginning, 172–184; C. S. Keener, Acts I, 991–1038. 130 Galiläer: Apg 1,11; 2,7; vgl. Lk 22,59 (= Mk 14,70; Mt 26,69); vgl. auch Lk 13,1 f. u. ö.; zum Beginn in Galilaea siehe Apg 10,37: ἀρξάμενος ἀπὸ τῆς Γαλιλαίας = Lk 23,5; vgl. Apg 13,31 = Lk 23,49.55 (= Mt 27,55); vgl. Mk 15,41. 131 Apg 9,31; Justin, Dial. 108,2 (PTS 47, 255 ed. Marcovich), abwertend: Jesus sei »ein gewisser galiläischer Betrüger«; Irenäus, Adversus haereses 2,22,3 (SC 264, 216–220 ed. Rousseau / Doutreleau): Cana Galilaeae. Vgl. jedoch Epictetus, Dissertationes 4,7,6 (BSGRT, 417 f. ed. Schenkl), und oft bei Julian Apostata, bei dem die Christen als »Galiläer« 28mal erscheinen (einmal, Ep. 89a 454b 8 [CUFr I/2, 155,8 f. ed. Bidez], als οἱ … ἐκ τῆς Γαλιλαίας), fünfmal mit dem Zusatz: δυσσεβεῖς; dazu M. Hengel, Leser, 106–110 = KS V, 711–715; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 133.210. 132 J. M. Robinson / P. Hoffmann / J. S. Kloppenborg, Edition of Q, siehe Concordance 567.573.580 s. v. Βηθσαϊδά(ν), Καφαρναούμ, Χοραζίν. Markus erwähnt Kapernaum dreimal und Bethsaida zweimal. Ohne Markus wüßte man kaum, daß die Logientradition mit Galilaea zu tun hat. Das »(galiläische) Meer« begegnet uns in »Q« überhaupt nicht.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
31
Tatbestand zeigt, wie sehr die heute immer noch überbordende Spekulation über galiläische Q-Gemeinden und ihre – angeblich christologiefreie – Theologie auf Sand gebaut ist.133 Unseres Erachtens stammt die Logientradition aus der Jerusalemer Urgemeinde, hier wurde sie gesammelt und wohl schon ins Griechische übersetzt. Ihre relative Einheitlichkeit ergibt sich aus diesem einen Ursprung und der Tatsache, daß es sich um Worte Jesu handelt. Von Jerusalem ging durch die Vermittlung der Hellenisten auch die Heidenmission aus, die von Anfang an auch auf Jesustradition angewiesen war.134 Daß sich der Schwerpunkt der neuen Bewegung schon ganz früh nach Jerusalem verlagert hatte, zeigen bereits die Paulusbriefe, wo uns selbst Antiochia nur einmal, Galilaea überhaupt nicht, Jerusalem aber zehnmal begegnet. Von »Judaea«, als den von Juden bewohnten Teilen Palästinas, und seinen Gemeinden »in Christus Jesus« spricht er zweimal.135 Jerusalem bleibt aber für ihn bestimmend. Von vornherein zeigt sich in der sich allmählich festigenden Organisation der wachsenden Gemeinde in Jerusalem eine grundlegende Dialektik, um nicht zu sagen ein Widerspruch. Auf der einen Seite erscheinen bei Lukas bereits am Anfang – offenbar unangefochtene – maßgebliche Autoritäten wie Petrus, der Zebedaïde Johannes und die »Zwölf«, die er in der Regel einfach die »Apostel« nennt. Diese »Apostel« haben ihre Geltung – historisch zu Recht – von ihrer bleibenden Verbindung mit dem irdischen Jesus her, beginnend mit ihrer Einsetzung durch ihn, und ihre Autorität ist zugleich auch durch die Erscheinungen des Auferstandenen begründet. Daneben wären als »Autoritäten« noch die Brüder Jesu mit Jakobus an der Spitze zu erwähnen, die freilich bei Lukas vergleichsweise zurücktreten. Von ihrer Bedeutung erfahren wir vor allem durch Paulus.136 Dieser Kreis der Zwölf war als Leitungsgremium so bedeutsam, daß er sehr rasch, nach Lukas noch vor dem Wochenfest, durch Losentscheid,137 das heißt durch ein »Gottesurteil«, ergänzt wurde, um für den ausgeschiedenen
133 Mit Recht kritisch gegenüber diesen Hypothesen äußert sich B. A . Pearson, Q-Community; siehe dazu auch die Kritik von M. Hengel, Evangelien, 184.280–282; J. D. G. Dunn, Jesus Remembered, 147–160; ders., Beginning, 135. 134 Siehe unten S. 167; vgl. unten S. 443 bei Anm. 19 und oben S. 23 mit Anm. 98; vgl. Röm 15,19. Die Jerusalemer Urgemeinde hat den Völkern an ihren πνευματικά Anteil gegeben: Röm 15,27. Zur Vermittlung durch die Hellenisten vgl. M. Hengel, Evangelien, 151. 135 1 Thess 2,14: Verfolgung; Gal 1,22: Paulus ist dort persönlich unbekannt. 136 Auch bei Lukas wird die Bedeutung des Jakobus sichtbar: Apg 1,14; 12,17; 15,13; 21,18. Lukas verschweigt jedoch, daß er der Bruder Jesu ist. Zu seiner späteren Führungsrolle siehe oben S. 8 Anm. 21 und unten S. 53 Anm. 245 u. ö. Hauptzeuge dafür ist Paulus: 1 Kor 15,7; Gal 1,19; 2,9.12; vgl. 1 Kor 9,5. Zu Jakobus siehe M. Hengel, Jakobus = KS III, 549–582. 137 Siehe oben S. 7. Der Losentscheid spielte jeden Morgen bei der Verteilung der priesterlichen Dienstleistungen im Tempel eine wichtige Rolle: Bill. II, 596 f.; siehe auch M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 158. Zur Nachwahl im Zwölferkreis siehe A. W. Zwiep, Judas.
32
I. Die Urgemeinde
Verräter Judas Ersatz zu schaffen.138 Bedingung für die Kandidaten war gemäß dem jerusalemisch-lukanischen Apostelverständnis, daß sie von den ersten Anfängen zur Zeit des Täufers bis zur Himmelfahrt zum Jüngerkreis Jesu gehört hatten. Gewählt wurde Matthias, ein Glied des weiteren Jüngerkreises um Jesus. Als unterlegener Gegenkandidat, für den dieselben Voraussetzungen zutrafen, erscheint ein Joseph Barsabbas.139 Ohne weitere Begründung stellt Lukas diesen Vorgang wie auch spätere Ereignisse ganz unter die Autorität des Petrus als der beherrschenden Persönlichkeit im Jüngerkreis. Derartige Zuwahlen können etwa nach dem Tod von Jüngern noch mehrfach erfolgt sein.140 Spätestens seit der Agrippa-Verfolgung nahm man davon Abstand. An ihrer Stelle traten jetzt aber die »Ältesten« hervor.141 Auffallend ist freilich, daß Lukas in der ganzen Apostelgeschichte nur je einmal von den »Zwölfen«, von »elf Aposteln« und von »Petrus und den Elfen«142 spricht, aber in den ersten Kapiteln 18mal von »den Aposteln«. Dies zeigt deutlich, daß auch für ihn in der nachösterlichen Zeit der Aposteltitel als viel wichtiger erscheint.143 Man kann auch nicht übersehen, daß die Namen der Zwölf in den Katalogen bei Markus / Matthäus und bei Lukas im Evangelium und in der Apostelgeschichte ganz leicht differieren.144 Dies könnte darauf hinweisen, daß der Kreis ergänzt wurde.145 Auch Auseinandersetzungen über die Zugehörigkeit zum Zwölferkreis und die interne Rangstellung sind nicht auszuschließen. Nicht zufällig begegnet uns bei den Synoptikern 138 Apg 1,15–26. Zum Schicksal des Judas siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 579 f. Lukas bringt in Apg 1,19 eine eigenartige aramäische Ortsangabe aus Jerusalem: ḥ aqel d emaʾ (»Blutacker«); vgl. Mt 27,8. Die Kenntnis derartiger Ortsangaben bei Lukas ist auffallend, vgl. auch Apg 1,12; 3,2; 9,32.35; Lk 24,13; siehe dazu M. Hengel, Historiker Lukas = KS VI, 140–190. 139 Apg 1,23; vgl. 15,22, wo ein Judas Barsabbas als Briefbote nach Antiochia ausgesandt wird. Bei Papias soll nach der Überlieferung der Töchter des Philippus (Apg 21,8 f.) ein Barsabbas Justus Schlangengift getrunken, aber »im Namen Christi« bewahrt worden sein, siehe Frag. XI,2 (298 ff. ed. Lindemann / Paulsen = Frag. 10, 62 ed. Körtner). 140 A. W. Zwiep, Judas, 52, meint, nur im Fall des Verräters sei eine Nachwahl nötig gewesen, für die eines natürlichen Todes bzw. als ›Märtyrer‹ gestorbenen Mitglieder des Zwölferkreises seien die ihnen geltenden Verheißungen ja nicht hinfällig geworden, deshalb erfahren wir im Fall des von Herodes Agrippa I. hingerichten Zebedaïden Jakobus (Apg 12,2) von keiner Nachwahl. 141 Sie erscheinen erstmals als selbständige Gruppe allein in Apg 11,30, siehe dazu unten S. 348 und 407. 142 Apg 6,2; 1,26; 2,14 (Πέτρος σὺν τοῖς ἕνδεκα); vgl. Lk 24,9.33. Siehe auch 1 Kor 15,5. 143 Im Evangelium ist es umgekehrt. Dort begegnen die »Zwölf« 15mal, die Apostel sechsmal. Paulus erwähnt »die Zwölf« nur in 1 Kor 15,5 in dem festgefügten, bekenntnisartigen Text V. 3–5. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 626–641. 144 Vgl. Aland, Synopsis, 139: Lukas / Apostelgeschichte haben am Ende Ἰούδας Ἰακώβου, Markus / Matthäus Θαδδαῖος / v. l. Λεββαῖος. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 369 f. 145 Andererseits fehlt in allen Listen der Name des zugewählten Matthias.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
33
der Streit darüber, »wer der Größte sei«.146 Die verschiedenen Reihenfolgen in urchristlichen Listen weisen in der Regel auf eine wechselnde Einschätzung ihrer Autorität hin.147 Auf der anderen Seite stand das freie Charisma des Geistes, das sich durch keine bloß formale Amtsautorität reglementieren ließ, sondern auf eine ungebundene, nur dem erhöhten Herrn der Gemeinde verpflichtete missionarische Entfaltung hindrängte. Lukas verbindet es vor allem mit den »Hellenisten«. So erscheint der Protomärtyrer Stephanus als »Mann voll Glaubens und heiligen Geistes«,148 der nicht nur Wunder tut, sondern gegen alle Widersacher den neuen Glauben, erfüllt mit »Weisheit und Geist«, erfolgreich verteidigt. Er wird in Apg 6,5 als erster der sieben »Hellenisten« genannt, die ja nach Lukas nur für die »Lebensmittelversorgung« eingesetzt wurden. Auch der zweite, Philippus, wird später in Kapitel 8 als charismatischer Missionar dargestellt.149 Neben den »Zwölfen« werden zunächst keine fixierten »Ämter« sichtbar. Man begnügte sich offenbar mit einem Minimum an »Organisation«. Wer den kommenden Herrn in nächster Zukunft erwartete, konnte auf äußere Institutionen weitgehend verzichten. Die verbreitete Gabe der Profetie erschien als freies Charisma und begründete zunächst kein festes »Amt«. Auch bei Paulus finden wir zwar verschiedene Einstufungen der Charismata, aber, vom einzigartigen Apostelbegriff abgesehen, noch keine festgefügte »Ämterhierarchie« oder »Ämterlehre«. Er hat in den echten Briefen nicht einmal einen festen Begriff für die Verantwortlichen in den Gemeinden. Selbst der im jüdischen Palästina verbreitete Titel πρεσβύτερος fehlt noch in seinen Briefen. Er erscheint erst in den deuteropaulinischen, späten Pastoralbriefen. 1 Kor 12,28 ff. gibt seine unterschiedliche Einschätzung der Charismata wieder, keinen »fixierten« Ämterkatalog. Aus den echten Briefen wird nicht sichtbar, ob Paulus schon, wie Lukas berichtet, in den Missionsgemeinden »Älteste« eingesetzt hat.150 Im Gegensatz Mk 9,34: τίς μείζων = Lk 9,46 und Mt 18,1; Lk 22,24 (Sondergut); vgl. auch den Wunsch der Zebedaïden Mk 10,35 ff. par. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 368 f. 147 Siehe dazu M. Hengel, Maria Magdalena, 248 ff. = KS V, 33 f. 148 Apg 6,5: πλήρης πίστεως καὶ πνεύματος ἁγίου. Der Ausdruck erscheint wie ein Hendiadyoin und weist hier wohl vor allem auf seine Wunderkraft hin; vgl. V. 8 seine Vollmacht, Wunder zu tun: πλήρης χάριτος καὶ δυνάμεως, vgl. V. 10 und die Ergänzung des westlichen Textes; weiter 6,15; 7,54 f.; vgl. dieselbe Formel wie in 6,5 zur Charakterisierung von Barnabas in 11,24. 149 Entscheidend ist, daß die Hellenisten (6,3) ἄνδρας … πλήρεις πνεύματος καὶ σοφίας sind. Zu ihnen, Stephanus und Philippus, siehe unten § 3, vgl. besonders S. 148, 154, 161 bei Anm. 105 und S. 197. 150 1 Thess 5,12: κοπιῶντες und προιστάμενοι; vgl. 1 Kor 16,16 und Phöbe, den weiblichen διάκονος aus Kenchreä (Röm 16,1), sowie die in ihrer Funktion unklaren ἐπίσκοποι und διάκονοι in Phil 1,1. Zu den Ältesten in paulinischen Gemeinden siehe jedoch Apg 14,23 und 20,17. Sie sollen nach 20,28 als ἐπίσκοποι »die Gemeinde weiden«. Hier mag Lukas die späte146
34
I. Die Urgemeinde
zum christologischen Grundbekenntnis hat sich eine »Ämterhierarchie« in der Kirche nur langsam entwickelt. Der noch nach 100 n. Chr. umkämpfte monarchische Episkopat hat sich erst in den ersten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts in den Gemeinden allmählich durchgesetzt, besonders spät in Rom um ca. 140 n. Chr.151 Diese Spannung zwischen »Amtsautorität« und »Charisma« sollte die Geschichte der Kirche von Anfang an begleiten. Vermutlich hat sich die Gemeinde in Jerusalem regelmäßig zum Gebet und zur Lehre auf dem äußeren Tempelplatz versammelt, ein eigener größerer gottesdienstlicher Raum in der Heiligen Stadt stand ihr ja nicht zur Verfügung.152 Der riesige Vorhof der Heiden (600 x 300 m) hatte für Jerusalem etwa dieselbe Funktion wie die Agora oder das Gymnasium einer griechischen Stadt, anachronistisch gesprochen wie der Hyde Park in London: Hier konnte man öffentlich diskutieren, beten, lehren. Apg 3,11 und 5,12 sprechen von der Halle Salomos auf der Ostseite zum Kidrontal hin, dort soll nach Joh 10,23 schon Jesus gelehrt haben.153 Daneben traf sich die Gemeinde in verschiedenen Privathäusern. Die »Hausgemeinden«, die für das Urchristentum konstitutiv sind und die uns dann wieder in der paulinischen Mission begegnen,154 haben ihren Ursprung in Jerusalem und im Mutterland selbst. Sie werden in Galilaea und Judaea verbreitet gewesen sein und mögen – noch ganz unorganisiert – auf die Anfänge der Jesusbewegung bereits zu Lebzeiten des Meisters zurückgehen. Die Überlieferungen zur Schwiegermutter des Petrus oder Maria und Martha weisen darauf hin, daß schon Jesus selbst »Stützpunkte« in verschiedenen Orten und Häusern und damit zugleich in Familien besessen hat.155 Diese »Hausgemeinden« bildeten die Keimzellen für die einzelnen Ortsgemeinden bereits im jüdischen Palästina. Ihre ren, aus Jerusalem stammenden Titel (Apg 11,30; 15,2–6.22 f.; 16,4; 21,18) eingetragen haben. Der Ursprung des Ältestenamts liegt im palästinischen Judentum, vgl. z. B. die TheodotosInschrift aus Jerusalem (CIJ 1404); dazu M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, 184 f. = KS III, 34 f., und J. S. Kloppenborg Verbin, Theodotos; C. Clausen, Versammlung, 271 ff.; siehe auch unten S. 150 Anm. 51. Der 1. Clemensbrief um 100 wendet sich dagegen, daß in Korinth die von den »Aposteln« eingesetzten »Ältesten« abgesetzt werden: 1 Clem 42,1–5; 44,1–5; 47,6. Der Begriff ist selbst in dieser Zeit noch mit ἐπίσκοπος austauschbar. Zu διάκονος κτλ. siehe A. Hentschel, Diakonia. 151 Siehe dazu U. Heckel, Hirtenamt, 154 f. 152 Apg 2,46: καθ’ ἡμέραν τε προσκαρτεροῦντες ὁμοθυμαδὸν ἐν τῷ ἱερῷ. J. A. Fitzmyer, Acts, 272; G. Theissen, Religion, 197: »Die ersten Christen nahmen nach Ostern am Jerusalemer Tempelkult teil …, verfügten aber in Taufe und Abendmahl schon über alternative Riten.« Vgl. J. D. G. Dunn, Beginning, 197–202. 153 Vgl. zum herodianischen Tempel M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 59–62. 154 Röm 16,5; 1 Kor 16,19; Kol 4,15 und Phlm 2. Vgl. H.-J. Klauck, Hausgemeinde; R. W. Gehring, Hausgemeinde; zu den »Haussynagogen« als Vorbild der christlichen Hausgemeinden siehe C. Claussen, Versammlung. 155 Vgl. Mk 1,29 ff. parr.; 14,3.14 parr.; Lk 10,5 ff.38 ff.; 19,5–9; Apg 1,13 f.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
35
Vielfalt erklärt auch, warum in Jerusalem schon ganz früh verschiedene Gruppen wie die »Hebraioi« und die »Hellenistai« nebeneinander existieren konnten. Lukas weist in Apg 1,13 und dann wieder in 2,46, wo er von dem Brotbrechen κατ’ οἶκον, das heißt in den einzelnen Häusern, spricht, auf die Bedeutung dieser Hausgemeinden hin. Eine typische Gemeinde dieser Art begegnet uns etwa in Apg 12,12, wo der aus dem Gefängnis befreite Petrus zum Haus der Maria, der Mutter des Johannes Markus, geht, wo während der Tage des Mazzotfestes (Apg 12,3) Christen zum Gebet versammelt sind. Schon in der Aussendungstradition von Lk 10 (und Mt 10) wird die Bedeutung der »Häuser« für die Jesusboten sichtbar.156 Sie wurden dann die wichtigsten Stützpunkte und Kristallisationskerne der christlichen Mission auch außerhalb von Eretz Israel auf überwiegend heidnischem Gebiet. Hier wird jedoch eine gewisse Wandlung sichtbar. Im Gegensatz zum jesuanischen Armutsideal werden jetzt mehr und mehr der Besitz und die Bereitstellung von Häusern oder Wohnungen lebenswichtig für die Entstehung der neuen Gemeinden. Erfolgreiche Mission konnte man dauerhaft nicht in völliger Armut betreiben. War für die Verkündigung Jesu eine kritische Haltung der Familie gegenüber bzw. die Aufforderung zur Nachfolge unter Durchbrechung der Familienbande auffallend gewesen, so wurden nun durch die Rolle der Hausgemeinden die christlichen Familien zu Grundpfeilern der Gemeindebildung. Der οἶκος umfaßte Eltern, Kinder und Gesinde, ja unter Umständen die ganze Großfamilie über drei oder vier Generationen hinweg. Der Anschluß an die neue Gemeinde erfolgte oft familienweise.157 Daraus ergibt sich weiter, daß das Urchristentum von Anfang an trotz des jüdisch-palästinischen Armutsideals, das wir auch bei den Essenern finden, keine rein proletarische Bewegung war, etwa ganz überwiegend von Sklaven und besitzlosen Tagelöhnern, sondern nicht zuletzt auf dem einfachen antiken »Mittelstand« und »Kleinbürgertum« gründete, das freilich seinen Besitz großzügig der Gemeinde und ihren Bedürfnissen zur Verfügung stellte.158 156 Vgl. noch das Vorgehen des Saulus gegen judenchristliche Familien in Jerusalem in Apg 8,3, weiter den οἶκος des Gottesfürchtigen Cornelius 10,2.22; 11,14 und den des Philippus in Caesarea 21,8; siehe auch in Joppe das Haus der Tabitha und den Aufenthalt des Petrus im Haus des Gerbers Simon 9,36–43; 10,5. Zur Aussendungstradition siehe Lk 10,5–9, vgl. Mt 10,11 ff. 157 Apg 10,24; 11,14: Cornelius; 16,15: Lydia, die Purpurhändlerin; 16,30–34: der Gefängnisaufseher in Philippi, der πανοικεί (»mit seinem ganzen Hause«) zum Glauben kommt; weiter 18,8 der Archisynagogos Crispus in Korinth. Vgl. H.-J. Klauck, Hausgemeinde, 47–56 u. ö.; F. Avemarie, Tauferzählungen, 544 Index s. v. »οἶκος / Familientaufe«; M. Hengel, Petrus, 250 Index s. v. »Hausgemeinde(n)«. 158 Schon in Korinth sind einige (1 Kor 1,26: οὐ πολλοὶ δυνατοί, οὐ πολλοὶ εὐγενεῖς) »Angesehene« Glieder der Gemeinde, so (Röm 16,23) Erastos, der Finanzverwalter der Stadt Korinth. Siehe dazu G. Theissen, Soziologie, besonders 161 ff.: Hier zeichnet er das Bild für das jüdische Palästina doch etwas zu negativ; 201 ff.273 ff. Siehe schon Lk 8,3; 23,50 ff. = Mk 15,42 parr.; Joh 3,1. M. Hengel, Eigentum = KS VI, 353–423; ders., Arbeit = KS VI, 424–466.
36
I. Die Urgemeinde
1.3.2 Gütergemeinschaft159 Damit stehen wir bei einem anderen, äußerlich gesehen widersprüchlichen Problem, der sogenannten Gütergemeinschaft oder dem »Liebeskommunismus« der Urgemeinde.160 Ausgangspunkt dazu sind die Angaben des Lukas in Apg 2,44 f.: »Alle aber, die zum Glauben gekommen waren, waren zusammen161 und hatten alles gemeinsam,162 auch verkauften sie ihren Grundbesitz und ihre sonstige Habe und verteilten den Erlös an alle, wie einer Bedarf hatte.«
Die Gütergemeinschaft wird in Apg 4,32–35 noch näher beschrieben: »Die Menge der zum Glauben Gekommenen war ein Herz und eine Seele,163 auch sagte keiner von seinem Eigentum, daß es sein Besitz sei, vielmehr war ihnen alles gemeinsam.164 … Es blieb auch keiner bedürftig unter ihnen. Denn die, die Eigentümer von Grundstücken und Häusern waren, verkauften dieselben, brachten den Kaufertrag und legten ihn zu Füßen der Apostel. Jedem aber wurde nach seinem Bedarf zugeteilt.«
In der neueren Exegese wird die Geschichtlichkeit dieses Berichts zum Teil mit der Begründung bezweifelt, Lukas habe hier lediglich ein ideales Gemälde gezeichnet und sich dabei mehr an der antiken Utopie als an der urchristlichen Wirklichkeit orientiert. Daran ist richtig, daß die – utopische – Gütergemeinschaft zur antiken Vorstellung von der vollkommenen Urzeit der Menschheit oder auch zu den Grundlagen des idealen Staats der Philosophen gehören 159 M. Hengel, Eigentum, 11–19.39–42 = KS VI, 356–362.378–381; M. Wacht, Art. Gütergemeinschaft, RAC 13 (1986), 1–59 (26 f.); C. K. Barrett, Acts I, 167–170.251–256; J. A. Fitzmyer, Acts, 268–275.312–315 (Literatur); H.-J. Klauck, Gütergemeinschaft; B. J. Capper, Community; ders., Cultural Context; Capper nimmt verhältnismäßig starken essenischen Einfluß an. Weiter D. Marguerat, Lukas, 119.241–266; ders., Paul, 149 ff.; K. Mineshige, Besitzverzicht, 216–253; M. Öhler, Urgemeinde; J. D. G. Dunn, Beginning, 181–184; R. Bauckham, James and the Jerusalem Community, 62. 160 E. Troeltsch, Soziallehren, 49 f.: »Innerhalb der Gemeinde …, klein … wie sie war, blieb dann keine andere Möglichkeit, als die der Organisation eines Kommunismus, den man im Unterschied von allem andern Kommunismus den religiösen Liebeskommunismus nennen muß …, der die Gemeinsamkeit der Güter als Beweis der Liebe und des religiösen Opfersinnes betrachtet, der lediglich ein Kommunismus der Konsumtion ist und den fortdauernden privaten Erwerb als die Voraussetzung der Möglichkeit von Schenkung und Opfer zur Bedingung hat. Ihm fehlt vor allem jede Gleichheitsidee …; das Entscheidende ist nur, daß alle opfern und daß alle zu leben haben« (Hervorhebung im Original). Troeltsch übersieht hier die eschatologische Motivation. So fragt es sich, ob nicht im Zeichen der enthusiastischen Naherwartung der »fortdauernde private Erwerb« vernachlässigt wurde. 161 ἦσαν ἐπὶ τὸ αὐτό. Vgl. dazu D. Marguerat, Paul, 149 f.: Der griechische Terminus entspricht im Septuaginta-Psalter dem hebräischen jaḥad, das die Qumran-Essener als Selbstbezeichnung für ihre Gemeinschaft verwenden. Die Bedeutung »zusammen / gemeinsam« ist in Apg 2,44 vorzuziehen. 162 εἶχον ἅπαντα κοινά. 163 καρδία καὶ ψυχὴ μία. 164 ἀλλ’ ἦν αὐτοῖς ἅπαντα κοινά.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
37
konnte. Aristoteles zitiert zustimmend in der Nikomachischen Ethik das Sprichwort »Den Freunden ist alles gemein«.165 Später wiederholt er es und fügt Formulierungen wie »eine Seele« (μία ψυχή) und das Wortspiel »Gleichheit ist Freundschaft« (ἰσότης φιλότης) hinzu.166 Die knappe lukanische Schilderung spielt auf derartige Vorstellungen an und enthält darüber hinaus Anklänge an die legendären antiken Darstellungen der »Urgemeinde« der Pythagoreer167 in Süditalien im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. wie auch an die ideale Schilderung Strabons von den barbarischen Skythen in Südrußland, die deshalb keinen Streit kennen, weil sie einfach leben und alles gemeinsam besitzen.168 Josephus schreibt über die Essener, daß sie ein Leben führen wie die Pythagoreer169 und ihre Güter gemeinsam (κοινά) besitzen und der Reiche nicht mehr Vergnügen an seinem Vermögen hat als der, der nichts besitzt.170 Der nicht ungebildete Arzt Lukas will gegenüber Theophilos durch solche Anspielungen auf klassische Topoi den idealen Charakter der urchristlichen Lebensgestaltung vor Augen führen.171 Die Habgier galt allgemein als die Wurzel aller Übel, in der Urgemeinde in Jerusalem war sie beseitigt, und ähnlich sollte es nach dem Wunsch des Lukas auch in den Gemeinden seiner Zeit aussehen. Hinzu kommt das Motiv des eschatologischen Inkrafttretens alttestamentlicher Forderungen. Die Aussage Apg 4,34: »Es war keiner arm unter ihnen«172 konnte als Erfüllung 165 Aristoteles, E. N. 1159b31 (SCBO, 168 ed. Bywater): ἡ παροιμία »κοινὰ τὰ τῶν φίλων«; vgl. auch bei Platon, Phaidr. 279c (CUFr IV/3, 91 ed. Moreschini); Rep. 424a und 449c (SCBO, 138.173 ed. Slings). Vgl. D. Marguerat, Paul, 150; weiter die zahlreichen Belege bei P. W. van der Horst, Hellenistic Parallels, 59 f. 166 Aristoteles, E. N. 1168b7 f. (SCBO, 190 ed. Bywater). Zu Jesus, den Jüngern und den frühen Christen als φίλοι siehe Lk 12,4; Joh 11,11; 15,13 ff.; Apg 27,3; 3 Joh 15. Der Begriff erscheint vor allem in hellenistischem Kontext. Das hebräische Äquivalent wäre ḥāber. 167 Zu den Pythagoreern siehe C. Riedweg, Art. Pythagoreische Schule, DNP 10 (2001), 656–659; W. Burkert, Orphics and Pythagoreans, 15 ff.; Diodorus Siculus 10,3,5: διῃροῦντο τὰ χρήματα αὐτῶν ὡς πρὸς ἀδελφούς; 10,8,2: τὴν τοῦ βίου κοινωνίαν (LCL 375, Diodorus of Sicily IV, 54.64 ed. Oldfather); vgl. Apg 2,42–45. 168 Strabon, Geographika 7,3,9 (Strabons Geographika II, 268,28 ed. Radt): πρός τε ἀλλήλους εὐνομοῦνται κοινὰ πάντα ἔχοντες; siehe M. Hengel, Eigentum, 13 = KS VI, 357. 169 Josephus, Ant. 15,371. 170 Josephus, Ant. 18,20; vgl. Bell. 2,122; vgl. D. Marguerat, Paulus, 150: »a greek reader inevitably recognizes here an atmosphere of primeval myths«; weiter zur Gütergemeinschaft der Essener unten Anm. 176. 171 Vgl. etwa auch Apg 5,29: »Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen« mit Sokrates in Platons Apologie 29d (SBCO, 201 ed. Nicoll), zitiert unten S. 47 Anm. 215; vgl. Apg 4,19. Man kann dazu auch auf Sophokles’ Antigone verweisen (450–460 [SCBO, 201 ed. Lloyd-Jones / Wilson]); siehe dazu T. A. Szlezák, Europa, 201.208 f. Vgl. weiter Apg 26,14 bei der Bekehrung des Paulus mit Euripides, Bacchae 794 f. (SCBO, Euripides Fabulae III, 324 ed. Diggle); siehe dazu C. K. Barrett, Acts II, 1158 und A. Vögeli, Lukas und Euripides. Vgl. auch in Apg 17,28b das Zitat aus Arat, Phaenomena 5 (Cambridge Classical Texts and Commentaries 34, 72 ed. Kidd), und Apg 17,28a, wohl aus dem Umkreis des Poseidonios; siehe H. Hommel, Sebasmata, 83–126. 172 οὐδὲ γὰρ ἐνδεής τις ἦν ἐν αὐτοῖς.
38
I. Die Urgemeinde
der alttestamentlichen Verheißung »In dir wird kein Armer sein« verstanden werden.173 Was Mose zum Sabbatjahr sagte, galt erst recht für das endzeitliche Gottesvolk. »Gottes Herrschaft und ihre Gerechtigkeit« (Mt 6,33) nahmen in der neuen »messianischen Heilsgemeinde« konkrete Gestalt an. Ebendarum dürfen wir die Nachrichten über die Gütergemeinschaft der ersten Gemeinde in Jerusalem nicht einfach in Analogie zu den Essenern von Qumran oder auch zu den sagenhaften Schilderungen der Pythagoreer und Skythen oder des utopischen Philosophenstaates verstehen. Die Unterschiede zu den Essenern sind offensichtlich: Bei ihnen mußte z. B. der »Novize«, der in die Gemeinschaft aufgenommen wurde, sein ganzes Vermögen mit einbringen. Wer falsche Angaben über seinen Besitz machte, wurde ein Jahr von der Gemeinschaft ausgeschlossen, und seine Essensration wurde um ein Viertel gekürzt. Diese rigorose, durch gesetzlichen Zwang bestimmte Gütergemeinschaft war jedoch nur in der essenischen Kerngemeinde möglich, die in ›klösterlicher‹, streng reglementierter Gemeinschaft auch ehelos lebte.174 Ein zweiter essenischer Kreis, der in der Damaskusschrift beschrieben wird, kannte Ehe, Privatbesitz und eine festgelegte Armenabgabe. Die Vermögensverwaltung wie die ausgiebige landwirtschaftliche Produktion bei den Essenern waren straff kollektiv organisiert. Sie bildeten gewissermaßen die ersten Kibbuzim. Philo schreibt ihnen eine vita activa zu, die Therapeuten pflegten dagegen eine vita contemplativa.175 Dem einzelnen war ein karger, aber ausreichender Lebensunterhalt geboten, dafür verzichtete er auf alles persönliche Eigentum. Arbeit und Freizeit, Gottesdienst und Essenszeiten waren genau festgelegt, die Gemeinschaft selbst war streng hierarchisch aufgebaut, der Gehorsam gegenüber den ›Ordensoberen‹ und der Gemeinschaft unbedingte Pflicht. Blieben die einzelnen ›Ordensmitglieder‹
173 Dtn 15,4: οὐκ ἔσται ἐν σοὶ ἐνδεής. Vgl. Dtn 15,6, das als eschatologischer Ausblick verstanden werden konnte. 174 Die Beschreibung der Qumran-Essener mit christlich-klösterlicher Terminologie ist ein Anachronismus, der sich den ersten ›Entdeckern‹ nahegelegt hatte. Aber auch schon in der Antike hoben »außenstehend[e] Berichterstatte[r] … mönchisch anmutend[e] … Merkmale der Essener« hervor (O. Betz, Art. Qumran, CBL 2 [2003], 1102 ff. [1104]). Zur Diskussion der unhaltbaren Thesen von Y. Hirschfeld und J. Zangenberg, die die Siedlung von den Schriftfunden in den Höhlen trennen und in Qumran vor allem ein Zentrum der Parfümherstellung sehen wollen, siehe die kritische Rezension von R. Bergmeier, ThLZ 132 (2007), 146 ff. zu Y. Hirschfeld (deutsche Bearbeitung von J. Zangenberg), Qumran. Zur Geschichte der jüdischen Religionsparteien vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 122–168; speziell zu den Essenern und Qumran siehe die Diskussion in verschiedenen Beiträgen in: J. Frey / C. Claussen / N. Kessler (Hgg.), Qumran und die Archäologie (hier vor allem die »Einführung« von J. Frey, Qumran, 3–49). Zur Forschungsgeschichte vgl. J. Frey, Qumran Research, 529–564. Zur auffälligen Analogie zwischen den Schriften vom Toten Meer und dem christlichen Mönchtum siehe J. J. Collins, Angelic Life. 175 Philo, Prob. 75–91; Hypothetica 11,1–18; Cont. 1.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
39
auch persönlich besitzlos, so war doch der ›Orden‹ als ganzer wohlhabend. Das zeigt unter anderem das Schatzverzeichnis der Kupferrolle.176 Im Urchristentum bestand eine ganz andere Situation. Für das richtige Verständnis ihrer »Gütergemeinschaft« waren vier Komponenten wesentlich: 1. Von grundlegender Bedeutung war die unmittelbare, »enthusiastische« Naherwartung, die Gewißheit, daß mit Jesu Auferstehung die Gottesherrschaft erst recht »unterwegs« ist und man sich – wie es schon Jesus forderte – in seiner Lebensweise ganz darauf einstellen muß. Wenn man von dem eigenen Volk radikale Umkehr forderte, mußte man mit seiner eigenen Existenz dafür Zeugnis ablegen, so wie Jesus es geboten hatte. Die eschatologische Motivation wird noch bei Paulus sichtbar. So konnte er im Winter 56/57 von Korinth aus an die Römer schreiben: »Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen«177 und ähnlich ca. anderthalb Jahre zuvor den Korinthern: »Die Frist ist kurz.«178 Er empfiehlt darum, ehelos zu bleiben, wie er selbst ehelos ist, und fordert überhaupt die Haltung des »Haben …, als hätte man nicht. … Denn das Wesen dieser Welt vergeht. Ich will aber, daß ihr nicht von Sorgen beschwert werdet.«179
Die Naherwartung der Gemeinde in Jerusalem war unter dem Eindruck der alles umstürzenden Osterereignisse noch wesentlich intensiver. Mit Jesu Auferstehung glaubte man ja, das Endgeschehen sei wirklich eingeleitet, die Gottesherrschaft real im Anbruch. Bald – und überraschend – würde der jetzt in die unmittelbare Gemeinschaft mit Gott erhöhte Menschensohn-Messias Jesus zu Gericht und Heil erscheinen. Die entscheidende Aufgabe war in der noch verbleibenden kurzen Frist, Israel zur Umkehr und zum Glauben an den gekreuzigten und von Gott auferweckten Messias zu rufen. Gegenüber dieser Aufgabe waren alle Probleme des Besitzes, des Broterwerbs, der wirtschaftlichen Produktion und Organisation zweitrangig, ja wesenlos geworden. Die verborgene Gegenwart der Gottesherrschaft, die Jesus mit seinem messianischen Wirken verbunden hatte, wurde jetzt auf die Existenz seiner messianischen Gemeinde übertragen. Sie erschien schon jetzt als die lebensbestimmende Macht, die nicht »im Reden …, sondern in Kraft besteht«.180 Daß Lukas diese eschatologische Motivierung verschweigt, mag mit seiner Ablehnung einer – übertriebenen – Naherwartung 176 Zur Gütergemeinschaft der Essener siehe Plinius d. Ä., Naturalis historia 5,73 (BSGRT, Vol. I, 391 f. ed. Ian / Mayhoff); Philo, Prob. 86; Josephus, Bell. 2,122. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 123; B. J. Capper, Cultural Context, 327–335. 177 Röm 13,12. 178 1 Kor 7,29: ὁ καιρὸς συνεσταλμένος ἐστίν. Vgl. Phil 4,5 f.: ὁ κύριος ἐγγύς, μηδὲν μεριμνᾶτε … 179 1 Kor 7,29–32. 180 1 Kor 4,20; vgl. 2,4; Röm 14,17 und oben S. 13 bei Anm. 49 zur gegenwärtigen Wirkung von Gottes Geist.
40
I. Die Urgemeinde
zusammenhängen, die mit dem Ersten Jüdischen Krieg und der Zerstörung Jerusalems neu entfacht worden war. Auch die Rücksicht auf den Adressaten Theophilos mag dabei eine Rolle gespielt haben. 2. Zugleich wirkte die ja ebenfalls eschatologisch motivierte Verkündigung Jesu vom »Mammon der Ungerechtigkeit«181 und vom Nichtsorgen182 weiter. Der Hinweis auf die Lilien auf dem Felde und die Vögel unter dem Himmel, die nicht sorgen und sammeln und doch vom himmlischen Vater ernährt werden, bezog die Gemeinde konkret auf sich. Die dritte Vaterunserbitte nach Lukas bzw. die vierte nach Matthäus183 verstand man ganz wörtlich. Daher wurde die Versorgung der Bedürftigen Tag für Tag durchgeführt. Jeder erhielt seinen täglichen Bedarf, nicht mehr und nicht weniger, ähnlich wie Israel das Manna in der Wüste.184 Die Jerusalemer Urgemeinde setzte so im Blick auf ihren Herrn und sein baldiges Kommen die sorglos-freie Haltung Jesu gegenüber den Gütern dieser Welt fort. 3. Das heißt, daß die Besitzschranken in der Gemeinde im Grunde gefallen waren. Was der einzelne besaß, konnte er in der enthusiastischen Freiheit des Geistes, wie es gebraucht wurde, freiwillig der Gemeinde zur Verfügung stellen. Troeltsch hat damit recht, wenn er betont, daß dieser »Liebeskommunismus« nur »ein Kommunismus der Konsumtion« war.185 Denn auf gemeinsame Organisation und Produktion wurde, ganz anders als bei den straff organisierten Essenern, kaum Wert gelegt, man wollte ja angesichts des nahen Endes nicht mehr die irdische Zukunft absichern, sich nicht häuslich einrichten, keine geordnete Kollektivproduktion aufbauen, sondern lebte ganz für die Gemeinschaft der an Jesus Glaubenden und die missionarische Aufgabe im Blick auf das nahe Kommen des Herrn. Jeder äußere Zwang lag – wieder im Gegensatz zu den Essenern – fern, aber auch jede weiterblickende Vorsorge. Einzelne stellten ihre Häuser der neuen Gemeinde zur Verfügung, andere verkauften ihre Grundstücke. Die Tat des Jo Lk 16,9.11; vgl. Mt 6,24. Lk 12,22 ff.; Mt 6,25 f. Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 447 f. 183 Lk 11,3: καθ’ ἡμέραν, vgl. Mt 6,11; Did 8,2: σήμερον. Zu den verschiedenen Deutungen von ἐπιούσιος siehe Bauer / Aland, WB, 601 f. und BDR 98 f. § 123,2. Die lutherische Fassung »für den jeweiligen Tag« scheint uns die sinnvollste zu sein, siehe dazu den von Blass / Debrunner / Rehkopf erwähnten Papyrus aus der frühen Kaiserzeit (SGUÄ I, 5224,20): τὰ ἐπιούσια im Sinne von »tägliches Existenzminimum«. Möglich ist auch die Ableitung von ἡ ἐπιοῦσα ἡμέρα (»der kommende Tag«), die Bitte richtete sich dann auf die heutige Gabe des Existenzminimums für den morgigen Tag; das entspräche der aramäischen Übersetzung im Nazoräerevangelium mit māḥār (»morgen«). Siehe dazu U. Luz, Mt I, 451; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 448 Anm. 109. 184 Apg 6,1 ff.: καθημερινὴ διακονία. Zum Manna siehe Ex 16,18: »Wer viel gesammelt hatte, hatte keinen Überschuß, wer wenig, keinen Mangel. Jeder hatte seinen Bedarf.« Für den nächsten Tag sollte man nicht vorsorgen. 185 Siehe oben S. 36 Anm. 160. 181 182
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
41
seph, genannt Barnabas, eines Leviten aus Zypern, der als Rückwanderer in Jerusalem lebte und ländlichen Grundbesitz in der Nähe von Jerusalem zugunsten der Gemeinde verkaufte, wird von Lukas in Apg 4,36 f. als Paradigma berichtet, weil dieser später als Missionskollege des Paulus eine wesentliche Rolle spielte. Für den Empfänger und die Leser des Doppelwerkes war es interessant zu hören, daß eine bekannte urchristliche Gestalt wie Barnabas, der für Lukas die Brücke zwischen der Urgemeinde und Paulus bildet, damals in den ersten Anfängen seinen Beitrag zur »Lebensgemeinschaft« (κοινωνία) der ersten Gemeinde geleistet hat.186 Bei dem Grundstück, über das Barnabas verfügte, wird es sich nicht um einen einfachen Acker gehandelt haben, mit ἀγρός wird ländlicher Grundbesitz bis hin zu einem Gehöft bezeichnet.187 Eine eigenartige Petruslegende in Apg 5,1–10 beleuchtet weiter die Situation. Danach verkaufte ein Ehepaar, Ananias und Sapphira, Grundbesitz, behielt aber einen Teil des Erlöses für sich und brachte nur den Rest den Aposteln mit der Behauptung, es sei der ganze Betrag. Petrus habe sie jedoch durchschaut und Ananias der Lüge gegen »den heiligen Geist«188 bezichtigt. Von Petrus zurechtgewiesen, seien kurz nacheinander Ananias und Sapphira gestorben, 186 Völlig
abwegig ist der Versuch der radikalen Kritik, Barnabas zu einer rein antiochenischen Gestalt zu machen; siehe dagegen M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 313 ff.321– 334 und 530 Index. Der Beiname Barnabas, den er wohl wegen der Häufigkeit des Namens Joseph in der Gemeinde erhielt, ist nicht von dem babylonischen Orakelgott Nabu / Nebo abzuleiten, sondern wird von Lukas mit υἱὸς παρακλήσεως (Apg 4,36) durchaus sachgemäß wiedergegeben. Auf Zypern war der Gott Nebo unbekannt; auch trugen selbst Diasporajuden verhältnismäßig selten heidnische theophore Namen. Schon Hugo Grotius sah, daß im Urchristentum παράκλησις als »profetische Rede« verstanden werden konnte. Ein bar nabûʾā wurde zu bar nābā verkürzt; die Vokalisation des Aramäischen in dieser Zeit in Jerusalem ist nicht mehr sicher festzustellen, vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 323 f. J. A. Fitzmyer, Acts, 320 f., referiert die verschiedenen Vorschläge und sieht keine philologisch befriedigende Lösung. M. Öhler, Barnabas, 139–167, kommt nach einer ausführlichen Erörterung zu keinem klaren Ergebnis und plädiert eher – wenig überzeugend – für »Sohn des (Ortes) Nebo« (167), daraus schließt er auf eine Herkunft der Familie aus der Priesterstadt Nob. Sprachlich sei jedoch die »Herleitung von בר נבואהmöglich« (155). C. S. Keener, Acts II, 1180, meint: »The apostles may have given a barely familiar pagan name a new meaning« – kaum überzeugend. Siehe dagegen T. Ilan, Lexicon I, 439 s. v. »Ναβας – Nabas« und S. 46: Sie hält den Namen für »a nickname« und leitet ihn von der hebräischen Wurzel »nbʾ / nbj« ab. 187 Siehe dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 327 Anm. 1347: »… ein ländliches Grundstück, das landwirtschaftlich genutzt wird … Derartiger Grundbesitz, es konnte sich auch um ein kleines Gut oder Gehöft handeln, war in der Regel verpachtet und sicherte die Existenz von Stadtbewohnern. Grundbesitz im Heiligen Land hatte dabei für Juden wesentlich höheren Rang als in der Diaspora. Man trennte sich von ihm in der Regel nicht freiwillig.« 188 Apg 5,3 (Satan hat Ananias verführt): ψεύσασθαί σε τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον; 5,9 (gegenüber Sapphira): πειράσαι τὸ πνεῦμα κυρίου. Vgl. auch Mk 3,28 ff.; Lk 12,10; Mt 12,31 f.: die unvergebbare Lästerung des heiligen Geistes; weiter Eph 4,30: »Betrübt nicht den heiligen Geist Gottes, durch den ihr versiegelt seid auf den Tag der Erlösung.« Vgl. D. Marguerat, Lukas, 241–266, der das typologische Modell für die Geschichte von Ananias und Sapphira in Adams und Evas Sündenfall sieht.
42
I. Die Urgemeinde
und die Gemeinde sah, zutiefst erschrocken, darin ein Gottesurteil. Die falsche Angabe vor Petrus erschien als Vergehen gegen den Geist Gottes, der die Gemeinde beherrscht. Die ganze Erzählung ist ein Beispiel für den Enthusiasmus der frühesten Gemeinde. Sie mag auf den plötzlichen Tod eines Ehepaars in der Gemeinde zurückgehen, den man sich auf diese Weise als Gottesgericht erklärte; man rechnete ja damit, die Parusie lebend zu erfahren. Noch in den frühen paulinischen Gemeinden sah man im vorzeitigen Tod ein besonderes Problem,189 und nach 1 Kor 11,30 deutet Paulus solche Fälle als Gottes Strafe für die Entehrung des Abendmahls. Der Vorfall von Ananias und Sapphira zeigt, daß ein derartiges Verhalten in der Urgemeinde auf jeden Fall eine Ausnahme war. Wer sich der neuen eschatologischen Gemeinschaft anschloß, für den bedeutete Besitz als Zukunftssicherung nicht mehr viel. Zunächst gab es wirklich keine Armen mehr in der Gemeinde. Die Gaben flossen reichlich und selbstverständlich. Aus der Antwort des Petrus in Apg 5,3 f.190 ergibt sich weiter, daß kein äußerer Zwang zur Gütergemeinschaft ausgeübt wurde; man sah wohl in der Hergabe des Eigentums vielmehr die spontane Wirkung des Geistes. 4. Selbstverständlich mußte das Fehlen einer organisierten Produktion über Jahre hinweg auf die Dauer zur Verarmung der Gemeinde führen. Hinzu kamen Verfolgung und später vielleicht auch ein teilweiser Boykott der Gemeinde,191 weiter eine Teuerung in den vierziger Jahren zur Zeit des Kaisers Claudius (41–54 n. Chr.).192 Die Kollekte, die Paulus und Barnabas beim Apostelkonzil im Jahr 48/49 n. Chr. auferlegt worden war, ist wohl auch als eine Folge dieser Verarmung der Gemeinde in Jerusalem zu verstehen. Zugleich soll sie die Verbindung der überwiegend heidenchristlichen Missionsgemeinden mit der »Muttergemeinde« in Jerusalem zum Ausdruck bringen. Nach Röm 15,26 beabsichtigt Paulus, als Abschluß seiner Mission im ägäischen Raum mit der Kollekte nach Jerusalem zu reisen, um »die Armen unter den Heiligen in Jerusalem« zu unterstützen, ist aber unsicher, ob diese Gabe dort angenommen wird (Röm 15,30 f.).
189 1 Thess 4,13–18; 1 Kor 15,18.51. Vgl. M. Hengel, Paulus und die frühchristliche Apokalyptik, in: KS III, 348 ff.; C. Rowland, Art. Parusie, RGG4 6 (2003), 962 ff. 190 Apg 5,4a: οὐχὶ μένον σοὶ ἔμενεν καὶ πραθὲν ἐν τῇ σῇ ἐξουσίᾳ ὑπῆρχεν; (»Gehörte es dir nicht, wenn es unverkauft blieb, und war es nicht verkauft in deiner Vollmacht?«) 191 Apg 4 f.; 8,1; 9,1 f.; 12,1 ff.; 1 Thess 2,14; Gal 4,29; vgl. Josephus, Ant. 20,200. Siehe unten S. 163 ff., 352 ff., 426–439 u. ö. Ein »Boykott« ist vermutlich angedeutet in dem Stimmungsumschwung im Volk, den Lukas in Apg 12,3.11 im Zusammenhang mit der AgrippaVerfolgung festhält. Paulus rügt die Drangsalierung durch die eigenen Volksgenossen in Judaea mit äußerster Schärfe. 192 Gal 2,10; 1 Kor 16,1 ff.; 2 Kor 8 f.; vgl. Apg 11,28 f. Siehe dazu R. Riesner, Paulus, 112–121; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 365–369.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
43
Lukas weist in der Rede des Paulus vor Felix in versteckter Form auf die Kollekte und ihre Übergabe hin.193 Vielleicht sollte Paulus auf die Forderung des Jakobus hin das Geld für die Auslösung der vier judenchristlichen Nasiräer verwenden, um zu beweisen, daß er kein Apostat sei.194 Der Name »die Armen« hatte somit soziale und religiöse Aspekte und war vermutlich wie die »Armen« (ʾäbjônîm) bei den Essenern eine Selbstbezeichnung. Diese Benennung aus dem Milieu der Urgemeinde lebte weiter, indem sich spätere Judenchristen die Bezeichnung »Ebionäer« gaben.195 Dieses Modell der »Gütergemeinschaft« oder besser der völligen Geringschätzung von Besitz und Produktion wurde in den Missionsgemeinden weder bei Paulus noch im antiochenischen Bereich weitergeführt. Es konnte sich gegenüber der ökonomischen Wirklichkeit nicht bewähren. Paulus polemisiert im 1. Thessalonicherbrief (und im 2. Thessalonicherbrief wird dies wiederaufgenommen) scharf gegen enthusiastische Christen, die wegen der Nähe der Parusie nicht mehr arbeiten wollten, sondern die Hände in den Schoß legten. Diese Mahnung setzt sich in den Deuteropaulinen fort.196 Auf der anderen Seite blieb diese anfängliche Gütergemeinschaft in der Form einer ausgeprägten, sehr großzügigen Armen‑ und Gefangenenfürsorge der Christen erhalten, die sich auch ein Peregrinus Proteus († 165 n. Chr.) gerne gefallen ließ, als er in Palästina zeitweise Christ wurde und deshalb inhaftiert war. Lukian goß seinen Spott aus über die leichtgläubige Hilfsbereitschaft und Spendenwilligkeit der Christen, die Peregrinus nach seiner Freilassung sogar zum wohlhabenden Mann gemacht haben soll: »Ja, sogar aus den Städten Kleinasiens kamen einige von den Christengemeinden gesendet, um zu helfen, seine Sache zu vertreten und den Mann zu trösten. … Dann hat sie ihr erster Gesetzgeber überzeugt, daß sie alle zueinander wie Brüder seien …, jenen ihren gekreuzigten Sophisten aber verehren sie, und nach seinen Lehren leben sie. Sie verachten alles in gleicher Weise und halten es für Gemeinbesitz (κοινά).«197
Apg 24,17 f. Apg 21,21–26. Vgl. dazu unten S. 451. 195 Irenäus, Adversus haereses 1,26,2 (SC 264, 346 ed. Rousseau / Doutreleau); vgl. zu den Ebioniten oben S. 24 Anm. 104. Zu den Essenern siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 123 Anm. 7 (zum Namen); 137–141 und 729 Index; und oben S. 38 Anm. 174. 196 1 Thess 4,11; 2 Thess 3,10 ff.: »Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.« Eph 4,28: Der Dieb soll mit seinen Händen arbeiten und nicht stehlen, damit er die Bedürftigen unterstützen kann. Siehe dazu M. Hengel, Arbeit, 190–200 = KS VI, 442–453. 197 Lukian, De morte Peregrini 13 (SCBO, Luciani opera III, 192,11–29 ed. Macleod); dazu die Übersetzung von K. Mras, Lukian, 477.479; vgl. R. Bauckham, James and the Jerusalem Community, 62. Lukian hat scharfsichtig erkannt, daß die Weltfremdheit der Christen mit ihrem festen Glauben an das ewige Leben zusammenhängt. Zu Armut und Reichtum in der Jesusüberlieferung und im Jakobusbrief vgl. R. Deines, God or Mammon. 193 194
44
I. Die Urgemeinde
1.3.3 Die erste Verfolgung durch die Priesteraristokratie198 Das öffentliche Auftreten der Jünger relativ bald nach dem Todespassa und ihre Verkündigung des gekreuzigten Jesus als des erhöhten und wiederkommenden Messias mußte für die Volksführer als erneute Herausforderung erscheinen. Insbesondere den Hannas-Kaiphas-Clan199 mußte dies provozieren, der nur kurze Zeit zuvor diesen Jesus an Pilatus ausgeliefert hatte, zumal die Verkündigung mit der Anklage verbunden war, daß hier ein gegen Gott selbst gerichteter Justizmord geschehen sei. Die Verantwortlichen konnten die Botschaft der Jünger Jesu nur als Angriff gegen sich betrachten.200 Gleichwohl mögen sie, zunächst von der für sie ganz unerwarteten Entwicklung überrascht, zugewartet und die neuen Ereignisse beobachtet haben. Sie wollten sich ja bei jenen Teilen der einfachen Bevölkerung in Stadt und Land, die die Wirksamkeit des Täufers und Jesu mit Sympathien betrachtet hatten, nicht verhaßt machen und Unruhen hervorrufen. Von Pilatus in Caesarea wollten sie erst recht keine Hilfe erbitten. Für ihn war der Fall des rätselhaften Galiläers abgeschlossen. Seine Anhänger mußten ihm als – politisch ungefährliche – Narren erscheinen, und für jüdische religiöse Streitigkeiten hatte er nur Verachtung übrig. Es ist eigenartig, daß – nach unseren Quellen – die römischen Präfekten bzw. späteren Prokuratoren und Statthalter sich bis zum Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges 66 n. Chr., 198 Vgl. dazu Schürer II, 381 ff.404 ff.; R. Meyer, Art. Σαδδουκαῖος, ThWNT VII (1964), 35–54 (53 f.); C. K. Barrett, Acts I, 215–239.279–298; J. A. Fitzmyer, Acts, 294–305.330– 338; siehe auch M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 79.89 f. 199 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 79–82.591–595. 200 Zur Anklage wegen der Hinrichtung Jesu vgl. die eigenartige Formulierung, die Lukas in der Pfingstrede dem Petrus in den Mund legt: »diesen (durch Wunder von Gott beglaubigten Jesus), der nach Gottes festem Ratschluß und Vorauswissen ausgeliefert (ἔκδοτον) wurde, habt ihr durch die Hände von Gottlosen ans Kreuz schlagen lassen und getötet. Ihn hat Gott auferweckt …« (Apg 2,23 f.). Die Anklage weist sowohl auf Gottes Willen (vgl. Lk 24,26 f.; Apg 3,18) wie auf die Hinrichtung durch die Römer hin, betont aber (auf historisch nicht gerechte Weise) zugleich die Verantwortung von allen jüdischen Zuhörern in Jerusalem. Vgl. dagegen auch die ausführliche Bezugnahme auf die Passionsgeschichte in Apg 3,13 ff. und die direkte Anklage gegenüber den Synhedristen in 4,10 f. und dazu den Gegenvorwurf des Synhedriums in 5,28b: »Ihr wollt das Blut dieses Menschen über uns bringen.« Darauf folgt das erneut anklagende Bekenntnis des »Petrus und der Apostel« in 5,30: »Jesus, den ihr am Holz aufgehängt und umgebracht habt, den hat der Gott unserer Väter auferweckt.« In der verwandten Formulierung der Corneliusrede (10,39) wird dagegen keine Anklage erhoben: Wer es getan hat, wird nicht genannt. Wohl aber erscheint der direkte Vorwurf wieder durch Paulus im pisidischen Antiochia (13,27–30). Die mehrfache polemische Wiederholung in verschiedenen Variationen vor jüdischen Zuhörern zeigt, wie sehr dieses Problem die urchristliche Missionspredigt gerade auch gegenüber dem eigenen Volk beherrscht hat. Das muß besonders für die früheste Zeit in Jerusalem gelten. In dem Gebet Apg 4,24–30 werden, ausgehend von Ps 2,1 f., Herodes, Pilatus, die Heiden (das heißt die Römer) und das Volk Israel angeklagt, zugleich aber wird wie in Apg 2,23 auf Gottes Ratschluß und Vorherwissen und wie in 3,17 auf die Unwissenheit des Volkes und seiner Führer verwiesen; vgl. Lk 23,34.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
45
ja bis in die Zeit Trajans hinein gegenüber der neuen messianischen Sekte noch völlig zurückhielten und sie nicht verfolgten. An sich hätte Pilatus dem ›Spuk‹ zumindest in Jerusalem mit Gewalt ein rasches Ende bereiten können. Das versuchte aber erst ca. 13 Jahre später König Agrippa I. Dann war es allerdings zu spät. Offenbar erschien die in Judaea verbreitete »unpolitisch-pazifistische« Anhängerschaft Jesu für Pilatus weniger gefährlich als der latente Zelotismus weiter Teile der jüdischen (und samaritanischen) Bevölkerung, der auch große Teile der Priesterschaft mit einschloß.201 Lukas berichtet dann doch in Apg 4 und 5 zweimal von einem gewaltsamen Vorgehen der Volksführer gegen die Führer der Gemeinde und fügt das Ganze zu einem dramatischen Gemälde zusammen. Nach Apg 4,1 ff. werden Petrus und Johannes nach der Heilung eines Gelähmten von den Priestern, dem Tempelhauptmann und den Sadduzäern auf dem Tempelplatz verhaftet und am folgenden Tag morgens den versammelten Autoritäten – an ihrer Spitze die Glieder hohepriesterlicher Familien – vorgeführt. Lukas nennt in Apg 4,6 vier Namen: Hannas, Kaiaphas, Johannes und Alexander; die ersten beiden sind uns durch Josephus, das Lukas‑ und das Johannesevangelium202 bekannt, der Johannes begegnet uns möglicherweise wieder in einer Inschrift als Sohn des Hohenpriesters Theophilos und Enkel des Hannas.203 Die Sadduzäer als Gegner erscheinen in Apg 4,1 und 5,17 und dann wieder bei Paulus in Apg 23,6 ff.: Sie sind es, die damals – historisch zutreffend – nach Lukas das Synhedrium beherrschten.204 In Apg 4,11 zitiert Petrus vor dem oben schon erwähnten altertümlichen Bekenntnis zur alleinigen Rettung durch den Namen Jesu205 den messianischen Psalm 118,22: 201 Vgl. M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 206 Anm. 59: Der erste christliche Märtyrer, der in Palästina von einem römischen Amtsträger hingerichtet wurde, ist Simeon, Sohn des Klopas, ein Vetter Jesu und zweiter »Bischof« von Jerusalem, um 102 bzw. 107 n. Chr. (Euseb, H. e. 3,32,1–3 [GCS Eusebius II/1, 266–269 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]). Zur Verschärfung der national-zelotischen Tendenzen siehe M. Hengel, Zeloten, 349–361= 3. Aufl. 348–357; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 276–286; zu deren Auswirkung auf die Situation der judenchristlichen Gemeinden in Palästina, die immer stärker unter Druck gerieten und von jüdischer Seite verfolgt wurden, siehe M. Hengel, Petrus, 105 f. Vgl. ferner unten § 9.3 (S. 364 ff.), § 11.1 (S. 395 f.), § 12.2 (S. 426 ff.) u. ö. 202 Josephus, Ant. 20,197 f. u. ö.; Lk 3,2; Joh 11,49; 18,13. 203 D. Barag / D. Flusser, Ossuary, 39–44; vgl. L. Y. Rahmani, Catalogue, 258 f. Nr. 871; CIIP I/1, 530 f. Nr. 534. Es handelt sich um das Ossuar einer Johanna, Tochter des Jochanan, Sohn des (Hohen‑)Priesters Theophilos, der 37 n. Chr. Nachfolger des Kaiphas wurde. Da Hannas (Chanan) Kurzform von Jochanan ist, handelte es sich um einen Fall der verbreiteten Papponomie, der Benennung nach dem Großvater. Jochanan (mit seinen verschiedenen Varianten) war wohl der beliebteste Priestername; vgl. dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 88.156. 204 Zu den Sadduzäern siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 132 f.577 u. ö.; vgl. 742 Index. 205 Apg 4,12 (vgl. oben S. 28 bei Anm. 120): »Es ist in keinem anderen Rettung (σωτηρία),
46
I. Die Urgemeinde
»Dieser ist der Stein, der von euch, den Bauleuten, verworfen wurde, er wurde zum Eckstein.«
Der lukanische Petrus bezieht diese Stelle – durch eine kleine Abänderung des Zitats wird das versammelte Synhedrium direkt angesprochen – auf die Tötung Jesu durch die Hohepriesterschaft (und das ganze Volk) und auf die Auferweckung Jesu, die mehrfach zu Beginn der Apostelgeschichte mit dem polemischen »Kontrastschema«206 im Munde des Petrus erscheint. Diese Deutung von Ps 118,22 auf Kreuzigung und Auferstehung Jesu scheint in die früheste Phase der Christologie zurückzuweisen. Mit anderen »Stein«-Stellen machte sie die Verwerfung Jesu durch die jüdischen Hierarchen (und durch seine Volksgenossen) sowie seine Rechtfertigung durch Gott begreiflich als von den Profeten vorhergesagt.207 Auch in der vermutlich Markus schon vorgegebenen Fassung des Weinberggleichnisses bildet Ps 118,22 den Schriftbeleg für die Verwerfung Jesu.208 Der Schlußpsalm des Hallels war wahrscheinlich ein lebendiger Bestandteil des frühchristlichen Gottesdienstes, wie sich an der Verwendung des Hosanna zeigen läßt, und befruchtete wie Ps 110, Ps 2 und Ps 8 die Entwicklung der Christologie.209 Man hat vermutet, daß die christologische Deutung des Steins aus Ps 118,22 auch bei der Entwicklung der Metapher von der Gemeinde als eschatologischem Tempel eine Rolle gespielt habe. Das sei keine sehr viel spätere Entwicklung gewesen.210 Die ekklesiologische Verwendung der Vorstellung vom neuen, eschatologischen »Tempel« für die Urgemeinde sei spätestens in den Jahren zwischen 42/43 und 48/49 voll ausgebildet gewesen, als der Herrenbruder Jakobus die Leitung der Jerusalemer Gemeinde übernommen hatte. Wenn Paulus in Gal 2,2.6.9 so betont mokant, dazu mit einem deutlichen Unbehagen von den als »Säulen« geltenden Jerusalemer Autoritäten spricht mit seinem viermal wiederholten δοκοῦντες, an deren Spitze in dieser Zeit Jakobus stand, muß man dies nicht auf eine ekklesiologische Inanspruchnahme der Tempelmetapher es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir gerettet werden können.« 206 P. Stuhlmacher, Theologie I, 190, verweist auf Apg 2,36; 5,30; 10,39 f. Vgl. oben Anm. 200. 207 So auch J. D. G. Dunn, Beginning, 191 f. 208 Vgl. J. S. Kloppenborg, Tenants, 85 ff.218.236–241 u. ö.; A. L. A. Hogeterp, Paul, 177. 209 Siehe dazu M. Hengel, Abba = KS IV, 496–534. 210 So T. Wardle, Temple, 205, der auch ausführlich auf die analoge Verwendung der Bezeichnung »Tempel« für die eigene Gemeinschaft bei den Qumran-Essenern verweist (155–165); vgl. unten S. 145, vgl. 355. Vgl. auch A. L. A. Hogeterp, Paul, 117.100–114. Die Auseinandersetzungen der Anführer der christlichen Gemeinde in Jerusalem mit der Hohenpriesterschaft sprechen nicht dafür, daß »the Jerusalem community regarded itself as a ›human temple‹, which could serve as a substitution for the physical one«, so zu Recht E. Regev, Temple, 88.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
47
für die Urgemeinde deuten. »Säulen«-Metaphorik war nicht auf den Tempel beschränkt.211 Paulus selbst verwendet die Vorstellung vom »Tempel« theologisch durchdacht und pneumatologisch begründet sowohl für die Gesamtheit aller Gläubigen wie auch für die jeweilige Gemeinde und den einzelnen Christen.212 Die beiden führenden Apostel werden in Apg 4,18.21 anschließend verwarnt und mit dem strengen Verbot entlassen, auf keinen Fall ihre öffentliche Verkündigung von Jesus als dem Messias fortzusetzen. Härter wagt man zunächst nicht gegen sie vorzugehen, da die Jesusleute beim Volk beliebt waren.213 Weil sie sich nicht an das Verbot halten, werden sie nach 5,17 f. wieder festgenommen, und zwar diesmal alle zwölf. Die folgende Szene hat Lukas dramatisch ausgestaltet, wobei sich – wie so oft bei ihm – Tradition und Redaktion schwer trennen lassen. Nach einem »Befreiungswunder« – der »Engel des Herrn« öffnet ihnen das Gefängnis – gehen sie auf den Befehl des Engels hin am nächsten Morgen wieder zum Tempelplatz, um ihre Predigt fortzusetzen, und werden prompt ein weiteres Mal verhaftet und jetzt dem Synhedrium vorgeführt,214 wo der lukanische Petrus auf ein erneutes Verbot eine Antwort gibt, die den Leser an die des Sokrates vor seinen Richtern erinnert: »Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.«215 In der anschließenden Beratung des Synhedriums 211 Zur Säulenmetaphorik vgl. unten S. 510 Anm. 81. R. Bauckham, Offence, 199–232, hat vermutet, daß die enge Verbindung des Herrenbruders Jakobus mit dem Jerusalemer Tempel in der späteren Überlieferung mit dieser Übertragung der Tempelmetaphorik auf die Urgemeinde und der Hohepriesterfunktion auf deren Leiter zusammenhänge. Nach dem späteren legendären Martyriumsbericht des Hegesipp durfte Jakobus als einziger den Tempel betreten und betete dort unentwegt um Sündenvergebung für das Volk (Euseb, H. e. 2,23,6.11 f.17 f. [GCS Eusebius II/1, 166,14–19; 170,17–23 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]); ähnlich T. Wardle, Temple, 209, der mit Verweis auf Gal 1,18 f. meint, schon Mitte der 30er Jahre seien die Anführer der Urgemeinde »Säulen« genannt worden. Das sogenannte Apostelkonzil in Jerusalem, von dem Paulus in diesem Zusammenhang berichtet, fand dagegen wahrscheinlich im Jahr 48/49 statt. Es ist (gegen Wardle) auch nicht nötig, den Galaterbrief so früh zu datieren. Vgl. dazu P. Trebilco, Self-designations, 142; dazu oben S. 24 Anm. 102. Man darf aber nicht wie K. Berger, Urchristen, 24, die Legende vom Martyrium des Jakobus, die vermutlich Anfang des 2. Jahrhunderts entstanden ist, für das historische »Persönlichkeitsprofil« des Herrenbruders ausgeben. Daß nach Berger die Knie des Jakobus »Schwielen wie die eines Esels gehabt« (25) hätten, wo Hegesipp treffend schreibt ἀπεσκληκέναι τὰ γόνατα αὐτοῦ δίκην καμήλου (Euseb, H. e. 2,23,6 [GCS Eusebius II/1, 166,17 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]), macht Bergers Jakobusporträt historisch nicht zuverlässiger. 212 Vgl. dazu F. W. Horn, Paulus, 184–203; P. Trebilco, Self-designations, 136 f.; H. Stettler, Heiligung bei Paulus, 651 f. Vgl. dann später Barn 4,9; 6,15; 16,6–10, der den Tempel Gottes im Herzen der Christen sieht. 213 Apg 4,21; 5,13.26; vgl. schon Mk 11,32; Lk 20,6; Mt 21,26. 214 Apg 5,19–23. Lukas erzählt drei derartige »Befreiungswunder«, jedes wieder auf andere Weise. Am wenigsten konkret ist die Befreiung der zwölf Apostel in 5,17–26. Auch in 12,1–17 bei Petrus bewirkt es der »Engel des Herrn«; in 16,22–34 (V. 26) werden Paulus und Silas durch ein Erdbeben befreit. 215 Apg 5,29; vgl. Platon, Apol. 29d (SBCO, 201 ed. Nicoll): »ich werde Gott mehr gehorchen als euch« (πείσομαι δὲ μᾶλλον τῷ θεῷ ἢ ὑμῖν). Siehe oben S. 37 Anm. 171.
48
I. Die Urgemeinde
soll sich jedoch das pharisäische Schulhaupt Gamaliel d. Ä.216 für die neue messianische Bewegung eingesetzt haben: Genauso wie bei den gescheiterten politisch-messianischen Unruhestiftern Theudas und Judas dem Galiläer könne man erwarten, daß, wenn die Sache nicht von Gott sei, die neue Sekte von selbst wieder zugrunde gehe – »wenn sie aber von Gott ist, könnt ihr sie nicht zerstören«.217 Man folgt dem Rat, vollzieht an ihnen die Prügelstrafe218 und läßt sie mit der strengen Vermahnung laufen, nicht mehr im Namen Jesu zu reden. Sie ziehen erfreut ab, »da sie gewürdigt worden waren, um des Namens Jesu willen geschmäht zu werden«, halten sich aber in keiner Weise an das Verbot, sondern verkündigen Tag für Tag im Tempel und in den einzelnen Häusern Jesus als »den Messias«.219 Das alles ist eindrücklich, ja spannend erzählt, jedoch in seiner von Lukas berichteten Form nicht ohne Widersprüche und Unklarheiten. Die historischen Vorgänge, die dahinterstehen, lassen sich im einzelnen nicht mehr rekonstruieren. Man vermutete daher in diesen ganzen Berichten von der Verfolgung der Apostel durch die Hohenpriester die freie Dichtung des Verfassers und begründete dies unter anderem mit historischen Irrtümern; so behauptete Haenchen, daß damals gegen den Bericht des Lukas die Pharisäer das Synhedrium beherrscht hätten.220 In Wirklichkeit waren die Herren des Synhedriums, wie Lukas sehr wohl weiß, die hohepriesterlichen Familien und ihre Partei, die Sadduzäer; dies gilt schon für den Prozeß Jesu, und die pharisäischen Schriftgelehrten blieben bis zum Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges 66 n. Chr. in den Jerusalemer Führungsgremien in der Minderheit.221 Weiter sei – so Haenchen, der sich an M. Dibelius anschloß – die Gemeinde bis zur Zeit des Herodes Agrippa I. (41–44 n. Chr.) überhaupt nicht verfolgt worden. Er begründete dies damit, daß die Christen als stille, apokalyptische Konventikel keinerlei öffentliche Mission getrieben hätten, eine Behauptung, die sich schon wegen der Bezeichnung ἀπόστολος
216 Apg 5,34 f.; in 22,3 ist er der Lehrer des Paulus (siehe dazu unten S. 209). Josephus nennt ihn nur als Vater des vor 66 n. Chr. führenden Pharisäers Simon: Bell. 4,159; Vita 190.309. Sein Enkel Gamaliel II. leitete nach 80 den »Sanhedrin« von Jabne. Rabbinische Belege bei Bill. II, 637 ff. 217 Apg 5,39; Lukas verwechselt die historische Reihenfolge der beiden. Zu Judas siehe Josephus, Bell. 2,118 u. ö.; Ant. 18,4–10.23 ff.; zu Theudas Ant. 20,97 ff. Siehe auch M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 77 f.99 f.126.547. 218 Apg 5,40; vgl. Dtn 25,3; dazu 2 Kor 11,24: Paulus erhielt die Synagogenstrafe der »vierzig weniger einen« – Geißelhiebe – fünfmal; dazu Bill. III, 527–530. 219 Apg 5,41 f.; vgl. 2,36; 3,18.20; 8,5; 9,22 etc. 220 Vgl. E. Haenchen, Apg, 219.221. 221 Zum Problem siehe dagegen R. Meyer, Art. Σαδδουκαῖος, ThWNT VII (1964), 45.52 ff.: Ohne wirkliche Kenntnis des Judentums muß man in der Beurteilung der Urgemeinde zu einem schiefen Bild kommen. In den Provinzen arbeiteten die Römer in der Regel mit der Aristokratie und nie mit der einfachen Bevölkerung zusammen.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
49
θεοῦ bzw. Ἰησοῦ Χριστοῦ, Sendboten Gottes bzw. Jesu Christi, verbietet.222 Es ist vielmehr in der damaligen historischen Situation nur zu gut verständlich, daß der hohepriesterliche Adel und die Partei der Sadduzäer, die schon Jesus an Pilatus ausgeliefert hatten, im Rahmen des ihnen Möglichen auch gegen die Anhänger Jesu – vor allem ihre Anführer – vorgingen und ihre öffentliche Verkündigung in Jerusalem, insbesondere auf dem Vorhof des Tempels, zu unterbinden suchten. Sie hatten geglaubt, durch die Kreuzigung Jesu sei der von dem Galiläer ausgehende messianische ›Spuk‹ ein für allemal beseitigt: Jetzt wurden sie durch die sie ins Unrecht setzende Verkündigung seiner Jünger wieder angegriffen. Da die Hierarchen nicht das Recht hatten, Todesurteile zu vollstrecken, und diese neue, messianische Jesusbewegung im Gegensatz zu den zelotischen Eiferern offensichtlich aus politisch ungefährlichen, ja im Grunde pazifistischen endzeitlichen »Schwärmern« bestand, konnten sie dieselben nur mit Maßnahmen der »Kirchenzucht« bekämpfen. Es ist sehr wohl möglich, daß der führende Pharisäer Gamaliel d. Ä., den Paulus nach Lukas als seinen Lehrer bezeichnet,223 den sadduzäischen Eifer dämpfte und ein zurückhaltenderes Vorgehen befürwortete; denn wie schon Jesus selbst stießen auch seine Jünger bei einem Teil der einfachen Bevölkerung auf Sympathie. Mit beschränkten Strafmaßnahmen konnte man sie nicht überwinden.224 Klüger war es abzuwarten, ob diese eschatologische Bewegung nicht mit der Zeit von selbst erlahmen und sich auflösen würde. Die lukanische Erzählung gibt die relative Unsicherheit der Hierarchen in Jerusalem gegenüber dieser neuen, messianischen Bewegung durchaus zutreffend wieder. Während die Pharisäer bis zum Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges gegenüber der gesetzestreuen palästinischen Gemeinde in der Regel eine gewisse Zurückhaltung übten – bei allen Gegensätzen bestanden doch, wie Lukas 222 E. Haenchen, Apg, 252: »Massenversammlungen, wie sie Lukas an den Anfang der christlichen Mission stellt, und daran anschließende Konflikte mit den Sadduzäern haben im stillen Leben der ersten Gemeinde gefehlt.« Erst »die ›Hellenisten‹« sollen »das Ende dieses stillen und verborgenen Zustandes, in dem auch das Werben der Christen für ihren Herrn in der Stille persönlicher Begegnung von Mensch zu Mensch vor sich ging, … herbeigeführt [haben]«. Hier wird die Urgeschichte völlig falsch gesehen. Von »Stille« kann keine Rede sein. Siehe bereits M. Dibelius, Der erste christliche Historiker, 109. Dagegen sprechen schon die 500 Brüder in 1 Kor 15,6. Ein solch quietistisches Konventikel hätte auch kaum eine größere Zahl von »Hellenisten« in Jerusalem angesprochen. Hier werden nicht nur Jesu eigene Wirksamkeit und die umstürzende, explosionsartige Wirkung der Auferstehungserscheinungen und der Geisterfahrung verkannt, sondern auch die Notwendigkeit, ganz Israel zur Umkehr zu rufen. Das »stille Leben der ersten Gemeinde« widerspricht dem Wesen der frühen Jesusbewegung. Es ist eine moderne Erfindung. 223 Apg 5,34; 22,3 (vgl. oben Anm. 216); siehe dazu Bill. II, 636 ff.; M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 223 = KS III, 114. 224 Dazu wäre nur Pilatus in der Lage gewesen. Von ihm hören wir bei Lukas nichts mehr. Vgl. dazu oben S. 44 Anm. 200 und unten S. 187 mit Anm. 32.
50
I. Die Urgemeinde
besonders hervorhebt, grundsätzliche Gemeinsamkeiten in der Eschatologie, der Reich-Gottes-Erwartung, der Engel‑ und Geistlehre225 –, haben die herrschenden Priester immer wieder versucht, gegen die Gemeinde vorzugehen. Sie werden vor allem hinter der Verfolgung König Agrippas I. im Jahre 42/43 n. Chr. stehen und vielleicht auch hinter weiteren Verfolgungen, auf die Paulus (um 50 n. Chr.) in 1 Thess 2,14 f. hinweisen könnte.226 Da er hier vom Leiden »der Gemeinde Gottes in Judaea« spricht, blieben diese Unterdrückungsmaßnahmen nicht auf die Hauptstadt beschränkt, sondern betrafen das ganze jüdische Palästina. Im Jahr 62 läßt dann während einer Vakanz im Amt des Prokurators durch den Tod des Festus der Hohepriester Hannas II., Sohn des Hannas der Leidensgeschichte und Oberhaupt der Sadduzäer, den Herrenbruder Jakobus den Gerechten zusammen mit anderen Judenchristen als »Gesetzesbrecher« durch Steinigung hinrichten.227 Damit erweckt er den Protest der Pharisäer, die den eigenmächtigen Hohepriester bei dem anreisenden Prokurator Albinus und dem König Agrippa II. denunzieren, worauf Hannas II. abgesetzt wird. Der römische Präfekt hatte offenbar keinen Grund mehr, gegen gewalt‑ und damit auch politisch harmlose eschatologische »Schwärmer«, die sich zur Steuerzahlung an den Kaiser bekannten und die äußere Ordnung nicht bedrohten, gewaltsam vorzugehen. Es gab Gruppen in Judaea, ja selbst in der Priesterschaft, die für die römische Herrschaft sehr viel gefährlicher waren. Das wußten auch die römischen Behörden. Der Aufstand 66 n. Chr. ging von Teilen der Priesteraristokratie aus, die sich mit den Sikariern verbündeten.228 Der holzschnittartige, die wirklichen Vorgänge gewiß stark vereinfachende Bericht des Lukas über die Anfänge der »missionarischen« Verkündigung in Jerusalem hat so durchaus einen historischen Hintergrund, auch wenn er über alle Details hinweggeht und viele Fragen offenläßt. Gegen die – friedliche – Botschaft von dem zu Gott erhöhten gekreuzigten Messias Jesus, die zunächst wohl weitere Teile des Volkes ansprach, hatten die Hierarchen im Grunde, trotz ihres wiederholten Einschreitens mit den ihnen zur Verfügung stehenden Strafmaßnahmen, kein wirksames Gegenmittel.
225 Apg 23,6 ff. Zum komplizierten Verhältnis beider Parteien siehe M. Hengel / R . Deines, Sanders = KS I, 473 ff.; siehe auch M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 122–168. 226 Das »durch die eigenen Volksgenossen« wird sich auch auf die Urgemeinde beziehen, die von der Priesterschaft drangsaliert wurde. Von den Römern ist nicht die Rede. 227 Josephus, Ant. 20,200 ff. Zum Prozeß gegen Jakobus siehe unten § 15.1 (S. 492 ff.). 228 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 108–115; zu den Gründen, warum die römische Herrschaft in Judaea scheiterte, vgl. jetzt K. Trampedach, Schwierigkeiten.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
51
1.4 Ordnungen in der Gemeinde229 Auch über das innere Leben, die Ordnung und die Gottesdienste der ersten Gemeinde in Judaea und Galilaea wissen wir fast nichts. Außer den bruchstückhaften Nachrichten des Lukas, die für jeden Einzelfall kritisch zu überprüfen sind, besitzen wir nur noch einzelne Hinweise aus den Paulusbriefen und den beiden anderen Synoptikern, von denen aus man vorsichtige Rückschlüsse anstellen kann. Wir erhalten so nur ein Bild in groben Umrissen.
1.4.1 Charismen und Funktionen in der Gemeinde 1.4.1.1 Die Zwölf Sehr rasch wurde – das hat Karl Holl gezeigt230 – die Jerusalemer Gemeinde mit dem Gremium der Zwölf als der frühesten Führungsgruppe, die wir kennen, mit den Herrenbrüdern, die nach Apg 1,14 zusammen mit ihrer Mutter Maria zur Gemeinde gehören, und mit dem weiteren missionarischen Kreis der Apostel, auf den Paulus hinweist,231 als die endzeitliche, wahre »Gemeinde Gottes«232 zum eigentlichen Zentrum der neuen Bewegung. Die Familie Jesu, die ihm zu seinen ›Lebzeiten‹ in Galilaea zunächst kritisch gegenübergestanden hatte, gehörte jetzt als fester Bestandteil zur Gemeinde. Lukas verhält sich in seinem Doppelwerk ihr gegenüber freilich distanziert.233 Sie sollte später nach der Verfolgung durch König Herodes Agrippa I. unter Führung des Herrenbruders Jakobus, einer überragenden Persönlichkeit, wieder größeren Einfluß erhalten.234
229 Vgl. dazu O. Linton, Problem; K. Holl, Kirchenbegriff, 44 ff.; M. Hengel, Ursprünge; U. Brockhaus, Charisma; G. Theissen, Soziologie (zum Wanderradikalismus: 79 ff.201 ff.231 ff.); J. Frey, Apostelbegriff; J. D. G. Dunn, Beginning, 206–212. 230 K. Holl, Kirchenbegriff, 44–67. 231 1 Kor 15,7: ἀπόστολοι πάντες; Gal 1,17: οἱ πρὸ ἐμοῦ ἀπόστολοι; siehe oben S. 21 Anm. 86. 232 Ἐκκλησία θεοῦ; siehe oben S. 22 ff. 233 Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 285 Anm. 60; 362. 234 Lukas hat im Gegensatz zu Markus, Matthäus und Johannes den Konflikt mit der Familie in Lk 8,19 ff. zwar etwas abgeschwächt. Er erwähnt jedoch in Lk 4 beim Auftritt Jesu in Nazareth im Gegensatz zu Mk 6 die Glieder der Familie Jesu nicht mehr. In Lk 4,22 spricht er nur vom »Sohn Josephs«; vgl. auch die kritische Antwort Lk 11,27 f. In Apg 1,14 betont er die Zusammengehörigkeit (προσκαρτεροῦντες ὁμοθυμαδόν) der Elf und der Mutter und Brüder Jesu, sagt dann aber nichts mehr über sie. Vgl. dagegen 1 Kor 9,5, dort erscheinen die »Brüder des Herrn« als selbständige Gruppe neben den λοιποὶ ἀπόστολοι und Petrus. Zur Führungsrolle des Jakobus siehe Gal 2,9. Lukas erwähnt Jakobus noch in Apg 12,17; 15,13–21 und 21,18, ohne zu erwähnen, daß er ein Bruder Jesu ist; siehe oben S. 8 Anm. 21 und S. 31 Anm. 136.
52
I. Die Urgemeinde
1 Kor 15,5 nennt »die Zwölf« (das heißt in Wirklichkeit die Elf)235 als kollektive Augenzeugengruppe an zweiter Stelle nach Petrus, das heißt, sie sind die eigentliche Keimzelle der sich neu formierenden Jesusbewegung. Die in diesem frühen Bekenntnis genannte Erscheinung des Auferstandenen mag noch in Galilaea stattgefunden haben.236 Wenig später finden wir – wie schon dargestellt – Petrus und die Elf zum Wochenfest in Jerusalem. Dort bildet sich mit ihnen – trotz, ja vielleicht gerade auf Grund der freien Geisterfahrung – eine feste institutionelle Leitung heraus, die wohl über alle Jesusgemeinden im jüdischen Palästina Autorität erhält. Wie sehr ihre Funktion als eine endzeitlichapokalyptische betrachtet wurde, zeigt das Logion aus Mt 19,28 (= Lk 22,30). Es mag in einer Urform auf Jesus selbst zurückgehen, erhält jedoch in der Urgemeinde eine neue Bedeutung und ist in seiner vorliegenden Gestalt von matthäischer Apokalyptik geprägt. Gleichzeitig erweist es den alles menschliche Maß sprengenden eschatologischen Enthusiasmus der Urgemeinde: »Wahrlich, ich sage euch, die ihr mir nachgefolgt seid: In der Wiederherstellung,237 wenn der Menschensohn auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzen wird,238 werdet ihr auch selbst sitzen auf zwölf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels.«
Die Zwölf werden zu den in Dan 7,9–12 vorausgesetzten Beisitzern beim Gericht Gottes bzw. des Menschensohnes (7,13) gehören, eine Vorstellung, die Paulus in 1 Kor 6,1–3 auf alle »Heiligen«, das heißt alle Glaubenden, bezieht. Die Matthäusfassung des Jesuswortes zeigt die rund 60 Jahre überdauernde Konsistenz und Wandlungsfähigkeit urchristlich-apokalyptischer Vorstellungen.239 Die einzigartige Würde der Zwölf beruhte auf ihrer Einsetzung durch Jesus auf Grund ihrer Nachfolge, auf der nach allen vier Evangelien gemeindegründenden Erscheinung des Auferstandenen,240 die ihnen zuteil wurde, auf dem Gewicht der Jesuserinnerung, über die sie als ständige Begleiter Jesu, das heißt 235 Siehe M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 626–641 und unten S. 446 f. 236 Siehe dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 632–636 und 732 Index. 237 Mt 19,28: ἐν τῇ παλιγγενεσίᾳ. Der Begriff, der nur hier bei Matthäus erscheint, umschreibt die neue Schöpfung, vgl. Jes 65,17; 66,22; Apk 21,1.5. Die καινὴ κτίσις des Glaubenden ist ihre anthropologische Antizipation, vgl. 2 Kor 5,17; Gal 6,15. Lk 22,30 spricht in diesem Zusammenhang vom Mahl in der Gottesherrschaft, vgl. Apk 19,9; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 414 f. Siehe auch Apg 3,21: die ἀποκατάστασις πάντων. 238 Vgl. Mt 25,31; Apk 5,11; 22,3. Paulus spricht in 2 Kor 5,10 von βῆμα als dem Richterstuhl Christi. 239 Siehe noch Apk 20,4 f.: Hier partizipieren die auferstandenen Märtyrer am Gericht und an der Herrschaft Christi während der 1000jährigen Zwischenzeit. 240 Dies wird selbst in Mk 16,7 und 14,28 angedeutet, auch wenn die Erscheinung nicht erzählt wird. Joh 20,24 setzt wohl voraus, daß mit den »Jüngern« in 20,19–23 die »Zwölf« (bzw. Elf) gemeint sind; siehe auch ihre »Erwählung« einschließlich des Judas in Joh 6,67–71. Siehe
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
53
als die wichtigsten Augen‑ und Ohrenzeugen, in besonderer Weise verfügten,241 und auf ihrer für das Kommen des Messias-Menschensohns verheißenen endzeitlichen Funktion. Man könnte sie eine Institution »eschatologischen göttlichen Rechts« nennen. Um so auffälliger ist jedoch, daß sie bei Lukas, von Petrus und den beiden Zebedaïden abgesehen, nicht im einzelnen hervortreten und später etwa beim Apostelkonzil im Jahr 48/49 n. Chr. keine eigenständige, sichtbare Rolle mehr spielen. Das bedeutet, sie besaßen ihre Führungsrolle nur während der eigentlichen – freilich entscheidenden – Gründerzeit, das heißt der ersten zehn bis zwölf Jahre bis zur Herrschaft Agrippas I. 41–44 n. Chr. und der Verfolgung durch ihn, die einen tieferen Einschnitt markiert, als allgemein angenommen wird.242 Bei Lukas, der ja mit Paulus wohl zum Wochenfest im Jahr 57 selbst die Heilige Stadt besucht hatte und die dortige Gemeinde kannte, fällt auf,243 daß er nach der Zuwahl des Matthias die Zwölf nur noch einmal in Apg 6,2 nennt; sonst spricht er – häufig – von den Aposteln, neben die in 11,30 erstmals die Ältesten treten. In Apg 15 fungieren die Apostel zusammen mit den »Ältesten«, von da an verschwinden auch sie ganz. In Apg 21,18, beim Besuch des Paulus in Jerusalem, erscheinen nur noch der Herrenbruder Jakobus und die »Ältesten« als die Spitze der Gemeinde. Die völlige Zurückdrängung der Zwölf wird schon beim Apostelkonzil deutlich.244 In Gal 2, dem Parallelbericht zu Apg 15, werden weder sie noch die »Apostel« genannt, als Verhandlungspartner mit Barnabas und Paulus treten nur die drei »Säulen« Jakobus, Kephas / Petrus und Johannes auf. Hier deutet auch die Reihenfolge mit Jakobus an der Spitze auf eine Veränderung in der Rangordnung und dementsprechend in der Führung der Urgemeinde in Jerusalem hin.245 1.4.1.2 Die Apostel als Missionare246 Teilweise identisch mit den Zwölfen, aber – gegen die Darstellung des Lukas – vermutlich nicht unerheblich über deren Kreis hinausreichend, war das »Amt« auch oben S. 31 f. und M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 365–376 und 747 Index. 241 Siehe dazu M. Hengel, Lukasprolog, 215–223 = KS VI, 260–276. 242 Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 372–383; A. M. Schwemer, Verfolger, 176–190. 243 Siehe oben S. 32 mit Anm. 143. 244 Siehe ausführlicher zum Apostelkonzil unten § 11. 245 Gal 2,9: οἱ δοκοῦντες στῦλοι εἶναι; vgl. 2,6: ἀπὸ … τῶν δοκούντων εἶναί τι … Dem entspricht, daß in dem lukanischen Bericht über das Apostelkonzil auf seiten der Jerusalemer nur Petrus und Jakobus mit Namen genannt werden und Lukas nur ihnen eine Rede in den Mund legt, wobei die des Jakobus die entscheidende Anweisung enthält, was auf seine Führungsrolle in dieser Zeit hindeutet. 246 Vgl. dazu K. H. Rengstorf, Art. ἀπόστολος, ThWNT I (1933), 406–446; M. Hengel, Ursprünge; ders., Petrus, 180–200; G. Theissen, Wanderradikalismus, 79 ff.; J. Frey, Apostelbegriff. Zur Rangordnung siehe oben S. 32 f.
54
I. Die Urgemeinde
des Apostels, des »Messiasboten«;247 auch die Herrenbrüder könnten ihnen als Sondergruppe zugerechnet worden sein.248 Nach 1 Kor 9,5 waren sie alle, obwohl von Christus als seine Boten, also als »Missionare«, »ausgesandt«, verheiratet. Das heißt, daß der frühen Gemeinde trotz der intensiven endzeitlichen Hoffnung jede asketische Verengung – im Gegensatz zu der Mehrheit der Essener – fernlag. Paulus und Barnabas bildeten hier später, wie Paulus selbst hervorhebt, eine Ausnahme. In diesem Punkt begegnet uns ein wesentlicher Unterschied, ja fast ein scheinbarer Widerspruch zwischen dem Nachfolgeruf Jesu und der Rolle der Jünger in der durch die Erscheinungen des Auferstandenen neu konstituierten Gemeinde. Jesus hatte den Bruch mit der Familie gefordert, und Petrus, der selbst verheiratet war, hatte Markus zufolge zugleich im Namen der Jünger vor Jesus bekannt: »Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt.« Dafür erhalten sie von Jesus die Verheißung hundertfachen Lohns.249 Jetzt scheint der Bruch mit der Familie aufgehoben zu sein, die Boten Christi sind nach Paulus – dem man in Korinth die Ehelosigkeit zum Vorwurf gemacht hatte250 – offenbar alle, zumindest aber mehrheitlich, verheiratet. Sie haben nicht nur das Recht, sich von den Gemeinden versorgen zu lassen,251 sondern lassen sich sogar auf Missionsreisen von ihren Frauen begleiten.252 Das heißt, Naherwartung und Nachfolge bedeuteten gerade nicht auf Dauer die Zerstörung der Familienbindungen. Diese Hochschätzung der Familie, die die neutestamentliche Paränese bis zu den Pastoralbriefen zu Beginn des 2. Jahrhunderts durchzieht und die die Versuchung eines leibfeindlichen Enkratismus entschieden ablehnt, ist jüdisch-palästinisches Erbe. Jesus hatte ja in positiver Weise auf Gen 2,24 hingewiesen und Ehescheidung und Wiederverheiratung Geschiedener abgelehnt.253 In der nachösterlichen Situation erhielten vielmehr 247 Des ἀπόστολος Χριστοῦ Ἰησοῦ, Röm 1,1; 1 Kor 1,1; 2 Kor 1,1; vgl. 1 Thess 2,7. Siehe dazu J. Frey, Apostelbegriff; ders., Paulus und die Apostel; U. Heckel, Hirtenamt, 210 Index. 248 Gal 1,18 f.; vgl. 1 Kor 9,5. 249 Mk 10,28 ff. parr.; vgl. Lk 14,26. Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 290.440 ff. Es ist freilich bezeichnend, daß in Mk 10,29 (und Mt 19,29) im Gegensatz zu Lk 18,29b die Ehefrau fehlt. Der verheiratete Petrus (Mk 1,30 parr.) hat nach Ostern seine Ehe weitergeführt, siehe 1 Kor 9,5, wo Kephas gesondert genannt wird. 250 Vgl. 1 Kor 9,3 ff. 251 1 Thess 2,9; 1 Kor 9,1–18 (besonders V. 14); vgl. Lk 10,7 = Mt 10,10. 252 1 Kor 9,5; vgl. M. Hengel, Petrus, 173.182 f.201.210 f. Erst die spätere Überlieferung bezeichnet den Herrenbruder Jakobus als παρθένος (zu Epiphanius, Panarion 78,13,2, siehe unten S. 447 Anm. 33) und schreibt dem Zebedaïden Johannes Ehelosigkeit zu: so erstmals bei Tertullian, De monogamia 17,1 (SC 434, 204 ed. Mattei), siehe M. Hengel, Johanneische Frage, 116 Anm. 76. Seit Clemens Alexandrinus waren die Kirchenväter der Meinung, daß diese apostolischen Ehen rein geistliche Verhältnisse waren und die Frauen die Funktion von Missionsgehilfinnen hatten, siehe M. Hengel, Petrus, 210–217. Vgl. auch C. G. Müller, Ehepaare. 253 Mk 10,7 ff. = Mt 19,5 f.; vgl. Eph 5,31. Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 421.446 f.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
55
die Familie und das »Haus« eine ganz neue Bedeutung als Stützpunkt für die missionarische Aktivität.254 Die urchristliche Gemeinde hatte von Anfang an eine festgeprägte Familienethik, die sich auf das Verbot der Ehescheidung durch Jesus gründen konnte. Die Zwölf und die Apostel wie auch die Brüder des Herrn waren in ihrer Wirksamkeit nicht auf Jerusalem beschränkt – entgegen der Darstellung des Lukas, der sie (mit Ausnahme des Petrus und des Johannes) in der Apostelgeschichte nicht außerhalb der jüdischen Metropole auftreten, ja sie nur korporativ handeln läßt und sie eher wie Statisten behandelt. Als ἀπόστολοι Ἰησοῦ Χριστοῦ, als »Sendboten« des erhöhten Herrn, waren sie wandernde Missionare, die als Gesandte des Messias Jesus im jüdischen Palästina umherzogen, um Orts‑ und Hausgemeinden – beides läßt sich nicht streng trennen – zu stärken oder neue zu gründen. Dementsprechend spricht Paulus zweimal von »den Gemeinden in Judaea in Christus«, denen er persönlich unbekannt war und die von ihren Volksgenossen verfolgt wurden.255 Lukas berichtet, daß Petrus eine beispielhafte, missionarisch erfolgreiche Besuchsreise nach Lydda und Joppe, das heißt in die jüdischen Städte der Küstenebene, machte, und betont zuvor, daß »die Gemeinden von ganz Judaea, Galilaea und Samaria« Frieden hatten. Er setzt also im ganzen Missionsgebiet Gemeindegründungen voraus.256 Dennoch bleibt Jerusalem das unangefochtene Zentrum. Paulus verzichtet nach seiner Bekehrung ca. 33 n. Chr. darauf, »nach Jerusalem zu den Aposteln vor mir hinaufzugehen«, die nach 1 Kor 15,7 und 9,1 alle Augenzeugen einer Erscheinung des Auferstandenen gewesen waren und deren Anzahl, die über die Zwölf hinausgeht, wir nicht kennen.257 Vielmehr begibt er sich nach »Arabien«, das heißt zu den Nabatäern, um dort missionarisch zu wirken.258 Der künftige Heidenmissionar setzt hier schon das missionarische Vorbild der Zwölf und anderer »Boten Jesu Christi« voraus. Von Anfang an gab es kein »nichtmissionarisches« Texte wie Mk 1,30 f.; Mt 20,20; Joh 11,1 f.; 19,25 zeigen für die vorösterliche Situation, daß die Familienbindungen nicht völlig abgebrochen waren; zur veränderten Situation siehe dann vor allem das Verhalten der Familie Jesu, die sich nach ihrer anfänglichen Ablehnung rasch der Urgemeinde anschloß (Apg 1,14). Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 283–291 und oben S. 51; zu den Hausgemeinden siehe oben S. 34. 255 Gal 1,22: ταῖς ἐκκλησίαις τῆς Ἰουδαίας ταῖς ἐν Χριστῷ; 1 Thess 2,14: τῶν ἐκκλησιῶν τοῦ θεοῦ τῶν οὐσῶν ἐν τῇ Ἰουδαίᾳ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ. Das ἐν Χριστῷ ist besonders zu beachten. Paulus weiß sich auch mit diesen Gemeinden, die in der Gesetzesfrage zum Teil wohl anders dachten als er, durch das Heilswerk des gemeinsamen Herrn im Glauben verbunden. 256 Apg 9,31–43, V. 35: die Ebene Saron. Von Joppe wird er dann in das – überwiegend heidnische – Caesarea zu Cornelius gerufen, vgl. Apg 10. Die Schranke zu den Samaritanern wird von Philippus und dann von Petrus und Johannes schon in Apg 8,4–25 durchbrochen. Siehe dazu unten § 5.2 (S. 183–191). 257 Siehe oben S. 51 Anm. 231. 258 Siehe dazu M. Hengel, Paulus in Arabien = KS III, 193–212; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 174–213, und im selben Band 465–471: E. A. Knauf, Arabienreise. 254
56
I. Die Urgemeinde
Urchristentum. Als Paulus endlich ca. drei Jahre später Jerusalem besucht (Gal 1,18), trifft er dort nur Petrus, der ihn als Gast vierzehn Tage aufnimmt, und den Herrenbruder Jakobus, aber sonst keinen der übrigen Apostel. Das wird damit zusammenhängen, daß dieser Besuch in der Hauptstadt geheimgehalten werden mußte, weil dort das Leben des Paulus als das eines »Apostaten« bedroht war (siehe Apg 9,29 f.), ein Teil der Apostel mag aber auch im jüdischen Palästina unterwegs gewesen sein.259 Diese judenchristlichen Gesandten mieden noch das heidnisch-samaritanische Gebiet260 und wandten sich nur an die Juden: Genau das entspricht dem Befehl Jesu nach Mt 10,5 f., der wohl eine spätere Missionsanweisung darstellt, da nur Matthäus sie überliefert: »Auf den Weg zu den Heiden gehet nicht, und in eine Stadt der Samaritaner gehet nicht hinein, gehet vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel!«261
Lukas hat uns in seiner zweiten Aussendungsrede an die 72 Jünger (Lk 10,1–16), deren Inhalt er aus der Logientradition übernimmt, einen »missionarischen Kodex« erhalten, der letztlich auf Jesus selbst zurückgehen muß, da noch jeder christologische Bezug fehlt und der ganze Text die Züge der apodiktischen Sprache Jesu trägt. Er spielte aber gewiß in der Urgemeinde eine wesentliche Rolle:262 »Wenn ihr aber in ein Haus eintretet, so sagt zuerst: ›Friede diesem Hause!‹, und wenn dort ein Sohn des Friedens ist, wird auf ihm euer Friede(nsgruß) ruhen. Wenn aber nicht, wird er zu euch zurückkehren. In diesem Hause aber bleibt und eßt und trinkt (von dem), was sie haben.263 Denn der Arbeiter ist seines Lohnes wert.264 Wechselt nicht von einem Haus zum anderen.265 Und wenn ihr in eine Stadt hineinkommt, und man nimmt euch
Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 214–236. Diese Schranke überwinden erst die »Hellenisten«. 261 Sie könnte unter Umständen als Antithese zur Missionspraxis der Hellenisten formuliert worden sein und widerspricht deutlich dem Bericht über Philippus in Apg 8,5.26: Philippus geht in »eine Stadt Samariens« und auf die »Straße von Jerusalem nach Gaza«, das heißt »auf den Weg zu den Heiden«. Für Matthäus hat sich die Wirksamkeit Jesu bewußt ganz auf jüdisches Gebiet beschränkt. Erst der Auferstandene sendet die Jünger zu den Völkern (Mt 28,19 f.); vgl. auch J. P. Meier, Marginal Jew III, 544. Für Authentizität plädiert dagegen mit unzureichenden Gründen M. F. Bird, Jesus, 54 ff.: »the existence of an anti-Gentile-mission Jewish Christian faction which invented and projected these sayings onto Jesus is a form-critical myth« (56). Vgl. wesentlich vorsichtiger in ders., Crossing, 153. Zu Mt 10,5 f. siehe auch § 5.2 (S. 188 nach Anm. 35) und S. 201, 254. 262 Lk 10,5–12. Mt 10,11–15 bringt sie stark verkürzt in deutlich sekundärer Form. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 372–376. Die 72 erinnern an die 72 Übersetzer der Septuaginta im Aristeasbrief (sechs aus jedem Stamm) und die Zahl der Weltvölker nach Gen 10. 263 Lk 10,7: τὰ παρ’ αὐτῶν: wörtlich »das von ihnen Herkommende / Angebotene«. 264 Lk 10,7 = Mt 10,10. Paulus muß einen derartigen Text gekannt haben, siehe 1 Kor 9,14; vgl. Gal 6,6; Did 13,1. 265 Mk 6,10 = Lk 9,4 = Mt 10,11. 259 260
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
57
auf, so eßt, was man euch vorsetzt.266 Heilt die Kranken in ihr und sagt ihnen: ›Herbeigekommen267 zu euch ist die Gottesherrschaft.‹ Wenn ihr aber eine Stadt betretet und man euch nicht aufnimmt, so geht hinaus auf ihre Straßen und sprecht: Selbst den Staub, der von eurer Stadt uns an den Füßen haftet, schütteln wir (auf) euch ab,268 doch das wisset: ›Herbeigekommen ist die Gottesherrschaft!‹ Ich sage euch,269 Sodom wird es erträglicher gehen an jenem Tage als jener Stadt.«
Diese Anweisung Jesu an seine Jünger bei ihrer Aussendung, die noch ganz von seinem »messianischen Enthusiasmus« geprägt ist,270 wurde – weitgehend – im ursprünglichen Wortlaut, der der nachösterlichen Situation sehr rasch nicht mehr entsprach, als Ausspruch Jesu festgehalten und bildete zusammen mit der Sendung durch den Auferstandenen und einer neu formulierten, auf das Geschick Jesu konzentrierten Botschaft die Legitimation der Apostel als Boten Jesu. Selbst Paulus ist, in einer ganz anderen historischen Situation, von dieser Überlieferung noch beeinflußt.271 Zu dieser Jesustradition gehört auch die »paarweise Sendung«, zuerst zusammen mit Barnabas und bei der »zweiten Reise« mit Silas.272 Ihren Unterhalt erhielten diese Boten Jesu von den Gemeinden, er war bei der Armut derselben karg genug. Im Unterschied zum palästinischen Brauch betont Paulus in 1 Kor 9,6, obwohl er von dem Unterhaltsgebot des Herrn weiß (9,14), daß er und Barnabas und später er und Silas / Silvanus sich nicht von den Gemeinden unterhalten ließen, sondern ihren Unterhalt mit ihrer Hände Arbeit verdienten.273 Bei Paulus war dies durch seinen Beruf als »Zeltmacher« bzw. Lederarbeiter möglich,274 die galiläischen Fischer und Bauern waren dagegen 266 Lk 10,8: ἐσθίετε τὰ παρατιθέμενα ὑμῖν. Damit wird die Aussage von V. 7 verstärkt: Die Speisegebote sollten keine Rolle mehr spielen. 267 Oder »nahegekommen«: ἤγγικεν; vgl. Mk 1,15; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 407 f. 268 Vgl. Mk 6,11 = Lk 9,5 = Mt 10,14 und Paulus und Barnabas in Apg 13,51; 18,6. 269 Vgl. Mt 10,15: ἀμὴν λέγω ὑμῖν. 270 Siehe dazu auch Lk 10,4 und die etwas abgeschwächte, realitätsnähere Fassung Mk 6,8 f. und M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 372. 271 Vgl. Lk 10,7; Mt 10,10b; 1 Kor 9,14; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 199, vgl. 372–376; zu Apg 13,51 und 18,6 siehe unten S. 385. 272 Lk 10,1; vgl. Mk 6,7; 11,1; 14,13; Apg 13,2; 15,39 f. Siehe dazu J. Jeremias, Abba, 132–139. 273 Dieser Unterhaltsverzicht wurde von konkurrierenden Missionaren als Mangel an apostolischer Vollmacht ausgelegt: 1 Kor 9,1–18; vgl. 2 Kor 11,7. Silas / Silvanus wirkte bei der Gemeindegründung in Thessalonike und Korinth mit (vgl. Apg 15,40; 17,10.14 f.; 18,5; 2 Kor 1,19; 1 Thess 1,1), deshalb gilt die über Barnabas in 1 Kor 9,6 gemachte Bemerkung auch für ihn. 274 Apg 18,3, siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 185 f. Vgl. auch Apg 20,34 f.: Hier ermahnt der lukanische Paulus mit einem »Agraphon«, das heißt einem Jesus logion, das so nicht in den vier kanonischen Evangelien steht, bei seinem endgültigen Abschied die Ältesten aus Ephesus: »Geben ist seliger als Nehmen.« Es handelt dabei wohl nicht um ein Sprichwort aus dem griechisch-römischen Bereich (anders M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 393 Anm. 79), sondern vermutlich um eine sinngemäße, abschwä-
58
I. Die Urgemeinde
stärker auf den Unterhalt durch die aussendende bzw. aufnehmende Gemeinde angewiesen. Dieser alte Brauch der von Dorf zu Dorf wandernden »Sendboten« begegnet uns noch in der zu Beginn des 2. Jahrhunderts im südlichen Syrien entstandenen Didache. Sie nennt in diesem Zusammenhang die beiden Ämter »Apostel und Profeten«. Jeder »Apostel«, der in eine – dörfliche – Gemeinde kommt, soll aufgenommen werden wie der Kyrios selbst. Er darf jedoch höchstens zwei Tage bleiben. Will er einen dritten Tag bleiben, erweist er sich als falscher Profet, ebenso, wenn er Geld für seinen Unterhalt fordert. Man soll ihn auch nur mit so viel Brot versorgen, wie er bis zu seiner nächsten Übernachtungsstätte braucht.275 Dies könnte eine Folgerung aus der Brotbitte des Vaterunsers sein, das in den Gemeinden der Didache dreimal täglich gebetet wurde (8,3). Das Beispiel der unter anderem von Matthäus abhängigen Didache zeigt, wie eine Anweisung Jesu und ein letztlich eschatologisch motivierter urchristlicher Brauch über Generationen hinweg weiterwirken konnte.276 Freilich bleibt unsicher, ob ἀπόστολος hier ursprünglich ist. Wandernde »Boten« waren – auch abgesehen vom Titel ἀπόστολος277 – zwischen den Gemeinden von Anfang an eine Grundvoraussetzung für die Ausbreitung und den Zusammenhalt der werdenden Kirche und blieben es auch noch im 2. Jahrhundert.278 Darum spielte chende Umwandlung von Lk 6,30 (Mt 5,42). Denn die zur Begründung dafür angeführten Parallelen – Thukydides 2,97,4 (Cambridge Greek and Latin Classics, 90 ed. Rusten); Plutarch, Mor. 2,173d (BSGRT, Vol. 6 ed. Nachstädt / Sieveking / Titekener); Seneca, Ep. 81,17 (L. Annaeus Seneca, Philosophische Schriften IV, 174 ed. Préchac / Rosenbach); vgl. 1 Clem 2,1; Sir 4,31 – belegen gerade keine allgemein verbreitete Maxime. Vgl. zur Literatur J. A. Fitzmyer, Acts, 682. 275 Did 11,3–6, vgl. 12,1 ff. Es ist möglich, daß der Titel »Apostel«, der in der Didache nur dreimal erscheint, hier erst vom Redaktor eingefügt wurde, um den Titel des Werkes zu unterstreichen, und daß auch in 11,3–6 ursprünglich nur von »Wanderprofeten« (bzw. Lehrern, siehe 13,2; 15,2) die Rede war. Das Amt des Profeten erscheint viel häufiger (insgesamt 14mal) und ist inhaltlich mit dem der »Apostel« identisch: 10,7; 11,7–11; 13,1–6; 15,1 f. Die Existenz eines festen »Apostelamtes« noch zu Beginn des 2. Jahrhunderts wäre auf jeden Fall ganz ungewöhnlich. Siehe dazu U. Heckel, Hirtenamt, 29 ff. 276 G. Theißen hat für diese Boten das Stichwort »Wanderradikalismus« geprägt, in: ders., Soziologie, 79–105. Siehe dazu auch den 2. und den 3. Johannesbrief und M. Hengel, Johanneische Frage, 124–150. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 43 f.145 Anm. 596. 277 In den Paulusbriefen erscheint zweimal (2 Kor 8,23; Phil 2,25) der Begriff nicht in titularem Sinne als »Gemeindeboten«. Es ist auffallend, daß diese »allgemeine« Verwendung in den späteren Texten zugunsten der einmaligen Autorität der Augenzeugen verdrängt wurde. In Apg 14,4.14 überträgt Lukas dagegen bewußt diesen Titel auf Paulus und Barnabas, weil er weiß, daß bei Paulus die Verwendung des Titels umstritten war (siehe 1 Kor 9,1 ff.). Er hat die Bezeichnung an dieser Stelle wohl kaum aus einer antiochenischen Quelle im Sinne von bloßen »Gemeindeboten« übernommen, auch wenn dies in seiner »Quelle« ursprünglich so gemeint war. Zur Entwicklung des Apostelbegriffs siehe die schematische Darstellung bei J. Frey, Paulus und die Apostel, 211. 278 Zum Reiseverkehr christlicher Boten siehe A. v. Harnack, Mission, 200 ff.; M. B. Thompson, Communication; M. Hengel, Johanneische Frage, 127 ff.148 ff.; ders., Evange-
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
59
auch die Ermahnung zur Gastfreundschaft in den frühchristlichen Texten eine so wichtige Rolle.279 1.4.1.3 Die Gabe der Profetie und die urchristlichen Profeten280 Neben den Aposteln als Missionaren erscheinen als freie charismatische Funktionen die des Profeten und die des Lehrers. Lukas nennt fünf »Profeten und Lehrer« in Antiochia,281 und Paulus zählt Apostel, Profeten und Lehrer in wertender Reihenfolge in 1 Kor 12,28 auf. Dieser Sprachgebrauch zeigt, daß man zwischen den beiden Funktionen nicht streng trennen kann, da sie sich im praktischen Vollzug überschneiden. Ihr Auftrag ist die geistgewirkte Wortverkündigung in ihrer Vielfalt: missionarische Predigt, profetische Rede und seelsorgerliche ethische Unterweisung. Es folgt in 1 Kor 12,28 dann eine Reihe von besonderen »Charismata«: δυνάμεις, Krafttaten, das bedeutet die Fähigkeit, Wunder zu wirken, weiter χαρίσματα ἰαμάτων, die Gaben zu heilen, die bezeichnenderweise am Anfang stehen, also selbst in den paulinischen Gemeinden nicht unwesentlich waren.282 Es folgen die Gaben der ἀντιλήμψεις, der diakonischen Hilfeleistung, der κυβερνήσεις, die Gaben der gemeindeleitenden Organisation, und am Schluß die γένη γλωσσῶν, die verschiedenen Arten des Zungenredens. Schon zuvor in 1 Kor 12,8 erscheinen nacheinander λόγος σοφίας und λόγος γνώσεως, das heißt charismatische Formen der Verkündigung und Lehre; weiter eine aus dem Rahmen fallende Form des wunderwirkenden »Glaubens«;283 die Heilungsgabe und die der »Wunderkräfte« (ἐνεργήματα δυνάμεων), das Charisma der Profetie, der Unterscheidung der Geister, verschiedene Arten des Zungenredens (γένη γλωσσῶν) und ihrer »Übersetzung«. Diese lienüberschriften, 44–47 = KS V, 561–564; ders., Evangelien, 85.92.184–187; C. G. Müller, Ehepaare, 14 ff. 279 Röm 12,13; Hebr 13,2; 1 Petr 4,9; 1 Tim 3,2; 5,10. Vgl. O. Hiltbrunner, Art. Gastfreundschaft, RAC 8 (1972), 1061–1123 (1103 ff.). 280 Vgl. dazu G. Friedrich, Art. προφήτης, ThWNT VI (1959), 849–857; G. Dautzenberg, Prophetie; D. E. Aune, Prophecy, 189 ff.; C. B. Forbes, Prophecy; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 352 f.357–360; vgl. auch F. Hahn / H. Klein, Frühchristliche Prophetie. 281 Apg 13,1. Zu den fünf Namen einschließlich Barnabas und Saulus / Paulus siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 334–340: Alle stammen aus dem jüdischen Palästina oder haben sich dort längere Zeit aufgehalten. Sie bilden das kollektive Führungsgremium der antiochenischen Gemeinde. Der Beiname »Barnabas« weist auf die Gabe profetischer Lehre hin (siehe oben S. 41 Anm. 186). 282 Gegenüber der Gemeinde in Korinth und der (unbekannten) in Rom betont Paulus seine Gabe, »Zeichen und Wunder« (σημεῖα καὶ τέρατα) zu wirken (Röm 15,19). In 2 Kor 12,12 fügt er noch »Krafttaten« (δυνάμεις) hinzu und betont, daß es sich um die »Zeichen« apostolischer Vollmacht handelt. Diese Anforderungen an den Apostel werden auf die Jerusalemer Gemeinde zurückgehen. 283 1 Kor 12,9, vgl. 13,2; siehe auch M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 472–483.
60
I. Die Urgemeinde
für uns nur schwer durchschaubare Fülle »geistgewirkter« Phänomene muß dem urchristlichen Gottesdienst und Gemeindeleben einen überaus lebendigen Charakter und eine erhebliche Anziehungskraft verliehen haben.284 Man darf annehmen, daß derartige Funktionen und Charismata bereits in der frühesten Urgemeinde als Wirkungen des endzeitlichen Geistes lebendig waren. Sie sind keine sekundären Spezifika der »hellenistischen Gemeinde«, sondern insgesamt typisch urchristliche Phänomene, die für die Entstehung und Ausbreitung der neuen messianischen Bewegung von Anfang an wesentlich waren. Sie haben ihre Entsprechungen in dem, was Lukas über die Wirkungen des Geistes in der Urgemeinde berichtet, und knüpfen an die Vollmacht Jesu, Wunder zu wirken, an.285 Die Jesusbewegung und die Urgemeinde hatten von Anfang an einen gewissen enthusiastischen Charakter, der durch die endzeitliche Gabe des Geistes noch verstärkt wurde. Auffallend ist bei Paulus und Lukas, daß sie häufig von σημεῖα καὶ τέρατα bzw. τέρατα καὶ σημεῖα sprechen und mit diesem »Hendiadyoin« aus der Sprache der Septuaginta die festgeprägte Formel für die Wunder des Exodus aufnehmen, die vor allem im 1. Jahrhundert n. Chr. als Zeichen der Endzeit wieder erwartet wurden.286 Besondere Bedeutung hat dabei das Charisma der »Profetie«, in der sich wie bei den Wundern im Blick auf die anbrechende Gottesherrschaft alttestamentliche Verheißungen erfüllen:287 An sich sollte sie nach urchristlichem Verständnis als Geistesgabe und Zeichen der Endzeit allen Glaubenden geschenkt werden, denn auf die Taufe »im Namen Christi« folgt für Lukas mit einer gewissen Notwendigkeit die »Gabe des heiligen Geistes«.288 Im Mittelpunkt stehen für 284 Eph 4,11 zählt kurz vor 100 n. Chr. »Apostel, Profeten, Evangelisten [vgl. Apg 21,8], Hirten und Lehrer« auf; vgl. 2,20: Apostel und Profeten; ähnlich 3,5. 285 Apg 2,22.43; 4,30; 5,12–15; 6,8; 7,36 (für die Wunder des Exodus); 14,3; 15,12. 286 In der Septuaginta besonders häufig im Deuteronomium; vgl. auch Jes 8,18; Jer 39,20 f.; Dan 4,34(37) u. ö.; Röm 15,19; 2 Kor 12,12; 2 Thess 2,9; Hebr 2,4. Die Profezeiungen von Theudas und dem »Ägypter« zeigen diese endzeitliche Erwartung: Der eine führte das Volk in die Wüste und wollte dazu den Jordan spalten wie einst Josua (und Mose am Schilfmeer, Ex 14), der andere versprach nach einem Zug durch die Wüste, daß seine Gefolgschaft vom Ölberg aus die Mauern Jerusalems fallen sehen würde wie einst die Jerichos; siehe dazu Josephus, Ant. 20,97 ff.168–172; vgl. Bell. 2,261 ff. In Apg 5,36; 21,38 werden sie erwähnt, ihre Taten jedoch keineswegs mit τέρατα καὶ σημεῖα bezeichnet. Vgl. weiter zu den eschatologischen Profeten dieser Zeit M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 98–101. Siehe dazu auch C. Grappe, Zeloten, der überzeugend zeigt, daß die spektakulären Wunder Jesu wie die Speisung der Fünftausend in der Einsamkeit, das heißt der Wüste, oder der Seewandel auf die frühchristliche Jesustradition zurückgehen, die betonte, daß Jesus die ›Zeichen‹ der zelotischen Profeten noch weit überboten hat. 287 Schon während des Exodus »ließ sich der Geist auf die 70 Ältesten nieder«, so daß sie »in profetische Verzückung gerieten«, und Mose wünschte sich dies für ganz Israel: »Möchte doch JHWH das ganze Volk zu Profeten machen! Daß doch JHWH seinen Geist auf sie legen möchte« (Num 11,25.29, vgl. 1 Sam 10,10–13; Joel 3,1 f.; Jes 44,3; Ez 39,29). 288 Die Fälle, in denen Taufe und Gabe des Geistes nicht zusammenfallen, sind für Lukas ausgesprochene Ausnahmen. Sie mögen mit dem Fortwirken der Johannestaufe zusam-
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
61
ihn dabei die Profetie und eng verwandt mit ihr die Glossolalie. Darum läßt er die Pfingstrede des Petrus in Apg 2,17–21 mit einem Zitat aus Joel 3,1 ff. (nach der Septuaginta) beginnen: »Und es wird sein in den letzten Tagen289 …, da will ich von meinem Geist ausgießen auf alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter werden weissagen (προφητεύσουσιν) …«. Das Futur προφητεύσουσιν wird gegen die Septuaginta in Apg 2,18 noch einmal wiederholt. Als geistgewirkte Phänomene nennt der Text (Apg 2,17b) noch »Visionen« (ὁράσεις) und Offenbarungsträume. Daß jeder Glaubende »Geistträger« ist, bleibt auch für Paulus selbstverständlich, darum kann er sagen: »Wenn einer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.«290 Dies schloß eine Fülle geistlicher Gaben, die im Gottesdienst sichtbar wurden, ein. Paulus gibt im 1. Korintherbrief mehrfach ein anschauliches, vielseitiges Bild davon;291 dabei zieht er die die Gemeinde aufbauende Gabe der Profetie dem unverständlichen Zungenreden, das der besonderen Interpretation bedarf, vor. Vermutlich konnte Paulus hier weitgehend der Praxis der Urgemeinde folgen. Auf der anderen Seite erscheint die Profetie als ein Charisma, das einzelnen in besonderer Weise verliehen ist. Auch diese Zwiespältigkeit geht auf die früheste Urgemeinde und ihre Geisterfahrung zurück. Wir sollten dabei nicht übersehen, daß Barnabas und später Silas / Silvanus, die Partner des Paulus auf der »ersten« bzw. »zweiten Missionsreise«, aus der Jerusalemer Urgemeinde stammten und dort eine gewisse Autorität besaßen. Silas galt nach Apg 15,32 in Jerusalem als »Profet«. Das Charisma des Profeten knüpfte an die alttestamentlichen Profeten an, die als Geistträger verstanden wurden. Nach jüdischer Meinung war jedoch die Gabe des profetischen Geistes mit Esra, Haggai, Sacharja und Maleachi, den letzten Profeten, von Israel genommen worden;292 darum zog der jüdische Kanon, wie ihn die jüdischen Lehrer nach 70 n. Chr. endgültig festlegten, seine chronologische Grenze bei ihnen. Schriften, die als älter galten, wurden kanonisiert, so auch pseudepigraphische Bücher wie Daniel (165 v. Chr.) oder Kohelet (3. Jahrhundert v. Chr.), der Salomo zugeschrieben wurde; jüngere Schriften, menhängen, siehe oben S. 28 mit Anm. 119. Vgl. dazu F. Avemarie, Tauferzählungen, 138–144.254 f. u. ö., siehe 543 Index s. v. »unpneumatische Taufe«. 289 Gegen den Septuaginta-Text καὶ ἔσται μετὰ ταῦτα hat Lukas ἐν ταῖς ἐσχάταις ἡμέραις (zur Formel vgl. Hebr 1,2; Jak 5,3; 2 Petr 3,3; Did 16,3): Der Geist ist Gottes endzeitliche Gabe an das wahre Israel. 290 Röm 8,9; vgl. Gal 3,2.14 u. ö. Siehe dazu S. Vollenweider, Geist Gottes, 168–172; ders., Göttliche Einwohnung, 207.215. 291 1 Kor 14,23–40, vgl. 2,4 f.11 f.; 12,4–11.28–31; 13,1 f.; 1 Thess 5,19 f., siehe unten § 1.5.3 (S. 87-91). 292 Formulierungen wie 1 Makk 14,41 (vgl. 4,46; 9,27): »bis ein zuverlässiger Profet erscheint« sollen in der »profetenlosen Zeit« die mit der Tradition brechende Herrschaft der Hasmonäer legitimieren. Josephus, Ap. 1,41, schreibt, daß seit der Zeit des Artaxerxes die exakte Abfolge (ἀκριβῆ διαδοχήν) der Profeten, das heißt die successio Mosaica, fehlt. Zur anonymen Fortschreibung der Profetie siehe O. H. Steck, Abschluß.
62
I. Die Urgemeinde
obwohl hochgeschätzt, wie z. B. das Buch Jesus Sirach, wurden ausgeschieden. An die Stelle des Geistes war im offiziellen Judentum der Schriftgelehrte getreten.293 Zwischen der Makkabäerzeit und der Zerstörung Jerusalems erhoben jedoch einflußreiche Gruppen wieder den Anspruch auf den Besitz des Geistes, so die Essener und die eschatologischen Profeten, von denen Josephus berichtet und die nicht wenige Anhänger um sich sammelten. Johannes der Täufer wurde vom Volk als »endzeitlicher Profet« betrachtet, während man bei Jesus von einem »messianischen Profeten« sprechen kann. Jesus hat diesen messianischen Anspruch, der ihn ans Kreuz brachte, nicht zurückgewiesen.294 Für die urchristliche Gemeinde brachte die endzeitliche Gabe des Geistes die Wiedererneuerung der Profetie als Zeichen der Anteilhabe an der göttlichen Macht des erhöhten Herrn und des mit seiner Auferstehung beginnenden Anbruchs der Gottesherrschaft. Ihre Inhalte waren – wie schon gesagt – sehr vielseitig. Die Zeugnisse dafür sind recht verschieden und erstrecken sich weit in das 2. Jahrhundert hinein. Es ging in der urchristlichen Profetie einerseits um die aktuelle, gegenwartsbezogene, geistgewirkte Verkündigung, um Gerichts‑ oder Trostworte,295 Antworten auf aktuelle Fragen in der Gemeinde und konkrete Anweisungen zur Mission oder in Notfällen, andererseits aber auch um die apokalyptische Zukunftsweissagung und um »parapsychologische« Phänomene wie das »Vorherwissen« und »Gedankenlesen«, Erscheinungen, die wir schon bei Jesus selbst finden.296 Auch der Gottesdienst in seiner bunten Fülle war dadurch geprägt. Dies mag unverändert für die ersten Jahrzehnte und für Paulus gelten. Durch den profetischen Geist glaubte die Gemeinde, mit dem Erhöhten in nächster Verbindung zu stehen. In Lk 11,49 kündigt die personifizierte Weisheit die Sendung von »Profeten und Aposteln« an, die getötet oder verfolgt werden und die in eine Reihe mit den profetischen Märtyrern seit Abel gestellt werden. Damit sind für Lukas christliche Profeten und Sendboten gemeint.297 Von der Aufnahme solcher »profetischer Boten« spricht der matthäische Jesus in der Aussendungsrede: Wer einen Profeten aufnimmt, weil er ein Profet ist, wird selbst »den Lohn eines Profeten empfangen«.298 Noch in der 293 294
599.
Siehe dazu M. Hengel, Schriftauslegung und Schriftwerdung = KS II, 1–71. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 337 ff.498 ff.595–
295 Die παράκλησις. Dies erklärt die Übersetzung von Barnabas als υἱὸς παρακλήσεως (Apg 4,36); siehe oben S. 41 Anm. 186. 296 Siehe M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 463 f.483.566 u. ö. 297 Mt 23,34 macht daraus eine Weissagung Christi: Außer (christlichen) »Profeten« sendet er »Weise« und »Schriftgelehrte« und meint mit letzteren christliche Lehrer, die Matthäus mehr als die Profeten, denen gegenüber er eher skeptisch ist, besonders am Herzen liegen. Der Evangelist gehört selbst zu ihnen, siehe Mt 13,52. Vgl. dazu M. Hengel, Evangelien, 132 Anm. 382; 214 Anm. 616; 333 Anm. 1006. Vgl. auch unten S. 70 Anm. 343. 298 Mt 10,41. Im Parallelvers spricht er von der Aufnahme eines »Gerechten«.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
63
Didache werden wandernde Profeten und »Apostel« praktisch identifiziert. Die Profeten erhalten besondere Vorrechte, ja, sie werden als »neue Hohepriester« bezeichnet und haben einen Anspruch auf Erstlingsgaben. Sie sind aber auch im Blick auf ihre Lebensweise zu prüfen, ob es sich nicht um falsche Profeten handelt.299 In der frühen Gemeinde Antiochias, der syrischen Metropole, spricht Lukas von »Profeten und Lehrern«, wohl im Sinne eines Leitungsgremiums der Gemeinde, und nennt fünf Namen, die indirekt auf das palästinische Mutterland zurückverweisen. Barnabas steht an erster, Saulus / Paulus an letzter Stelle. Diese Reihenfolge deutet auf das Alter der Tradition.300 Der Geist gibt der bei Gebet und Fasten versammelten Gemeinde Anweisung, die beiden, Barnabas und Paulus, als Missionare auszusenden.301 Nach Euseb haben die Judenchristen beim Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges 66 n. Chr. auf Grund einer profetischen Offenbarung die Stadt verlassen und sind nach Pella ausgewandert.302 Die Lebenswelt des Urchristentums vor dem Jahr 70 ist viel stärker von diesen Profeten geprägt, als es unsere wenigen Quellen vermuten lassen. Der missionarische Erfolg in dieser Zeit der ersten und zweiten Generation hängt nicht zuletzt mit der Gabe der Profetie und anderen Charismen zusammen. Auch der Verfasser der Johannesapokalypse versteht sich als ein solcher Profet zur Zeit Domitians (81–96 n. Chr.),303 dies gilt selbst noch von Hermas von Rom, dem Verfasser des Hirten des Hermas um ca. 120–130 n. Chr. Die letzte Schrift zeigt zugleich den Verfall der frühchristlichen Profetie;304 das institutionelle Presbyterkollegium, das in dem Werk kritisch angesprochen wird, und das seit Beginn des 2. Jahrhunderts aufkommende Bischofsamt verdrängten von da an auf die Dauer das freie Wirken des Geistes. Weiter nennt Euseb für das erste Drittel des 2. Jahrhunderts mehrfach einen Profeten Quadratus, der vielleicht mit dem Apologeten gleichen Namens identisch ist.305 299 Did 11,3 ff.; 13. Diese Hervorhebung der Profeten spricht eigentlich dafür, daß sie im Text ursprünglicher sind als die nur dreimal erwähnten Apostel; siehe dazu oben S. 58 Anm. 275. 300 Apg 13,1; siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 334 ff. 301 Apg 13,2: ἀφορίσατε (»absondern, auswählen, bestimmen zu«); vgl. Röm 1,1; Gal 1,15, dazu Bauer / Aland, WB, 255. 302 Euseb, H. e. 3,5,3 (GCS Eusebius II/1, 196,13–22 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Die Nachricht kann von Hegesipp oder Ariston von Pella, einem Apologeten der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, stammen. Es gibt keinen zureichenden Grund, sie zu bezweifeln. Siehe unten S. 512–519. 303 Seit Justin wird er mit dem Apostel Johannes identifiziert, siehe M. Hengel, Johanneische Frage, 67.309 f.; Justin, Dial. 81,4 (PTS 47, 213 ed. Marcovich). Die Apokalypse selbst ist λόγος τῆς προφητείας: Apk 1,3; 22,7.10.18 f.; vgl. 22,6.9. 304 Vgl. Hermas, mand XI (43),1–21 (SUC 3, 228–234 ed. Leutzsch): die Schilderung des falschen und des wahren Profeten. Die falschen Profeten sind auf Gewinn aus. Das erinnert an Did 11,6, siehe oben S. 58 mit Anm. 275. 305 Euseb, H. e. 3,37,1; 4,3,1–3; 5,17,2 f. (GCS Eusebius II/1, 280,22–282,7; 302,12–304,6; 470,7 ff.14–18 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann).
64
I. Die Urgemeinde
Ein palästinischer Profet der Frühzeit war Agabos, der nach Apg 11,28 eine Hungersnot unter Claudius306 und nach Apg 21,11 die Gefangennahme des Paulus in Jerusalem voraussagte. Auch Judas Barsabbas und Silas, die Briefboten aus Apg 15,22, werden in Apg 15,32 »Profeten« genannt. Silas wurde dann der Missionspartner des Paulus nach der Trennung von Barnabas (Apg 15,40). Die Gabe der Profetie war nicht nur auf Männer beschränkt, nach Apg 21,9 hatte in Caesarea Philippus, einer von den Sieben in Apg 6, vier Profetinnen als Töchter,307 nach 1 Kor 11,5 setzt auch Paulus die Gabe der Profetie bei Frauen als selbstverständlich voraus, trotz des umstrittenen Schweigegebots für Frauen im Gottesdienst (1 Kor 14,34), das in dem späten, deuteropaulinischen Text 1 Tim 2,12 wieder erscheint. Apk 2,20 polemisiert gegen eine Profetin und bezeichnet sie als Isebel, die Feindin Elias; Euseb kennt aus einer antimontanistischen Quelle eine »rechtgläubige« Profetin Ammia zu Beginn des 2. Jahrhunderts in Philadelphia.308 In diesem Punkt setzte sich die freiere Stellung der Frau, die schon in der Wirksamkeit Jesu sichtbar wird, fort. Die Profetie war in erster Linie in geistlicher Vollmacht vorgetragene aktuelle Verkündigung, die nach 1 Kor 14,29 von allen Hörern in der Gemeinde, die ja ebenfalls Geistträger waren, geprüft werden sollte. Sie konnte sich aber auch je und je als eine außergewöhnliche Erscheinung darstellen – etwa die Gabe des profetischen Vorherwissens bei Agabos309 oder nach 1 Kor 14,24 f. die Gabe der Erkenntnis der Gedanken eines nichtchristlichen Gottesdienstbesuchers, der sich darauf erschüttert niederwirft und Gottes Gegenwart in der Gemeindeversammlung bekennt.310 Die Apokalypse des Johannes verbindet jüdisch-apokalyptische 306 Siehe dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 365–369; R. Riesner, Paulus, 111–121. 307 Philippus und seine Töchter fliehen wohl vor Ausbruch des 1. Jüdischen Krieges nach Hierapolis in Kleinasien; Polykrates von Ephesus erwähnt noch drei von ihnen, nach Euseb, H. e. 3,31,3; vgl. 5,24,2 (GCS Eusebius II/1, 264,11–16; 490,14–19 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); siehe auch den Antimontanisten Gaius (H. e. 3,31,4 [GCS Eusebius II/1, 264,20–266,5 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]) und Papias (H. e. 3,39,9 [GCS Eusebius II/1, 288,17–25 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]), der Traditionen von ihnen empfängt. Vgl. die drei geistbegabten Töchter Hiobs (TestHiob 46–51) und die alttestamentlichen Profetinnen von Mirjam bis Hulda (2 Kön 22,14 = 2 Chr 34,22); dazu Apg 2,17 f. = Joel 3,2 LXX: »eure Söhne und Töchter«, »meine Knechte und Mägde« mit dem lukanischen Zusatz καὶ προφητεύσουσιν. 308 Euseb, H. e. 5,17,2 ff. (GCS Eusebius II/1, 470,7–472,4 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts begegnen uns die montanistischen Profetinnen Priscilla und Maximilla (H. e. 5,14 [GCS Eusebius II/1, 458,19–22 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]); Priscilla wurde als von einem Dämon besessen betrachtet (H. e. 5,19,3 [GCS Eusebius II/1, 480,9–12 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]). Die montanistischen Profetinnen sollen, vom Geist getrieben, ihre Männer verlassen haben (H. e. 5,18,3 [GCS Eusebius II/1, 474,1–5 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]). 309 Apg 11,28; 21,10 f. 310 Das Bekenntnis ist ein Zitat aus Jes 45,14.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
65
Tradition, Schriftdeutung und Zukunftsschau mit kritischer Interpretation der Gegenwart der Kirche und strenge Mahnung mit intensiver Naherwartung und visionären Schilderungen.311 Jüdische pseudepigraphische Profetenschriften apokalyptischen Charakters und vornehmlich palästinischer Herkunft wurden vom frühen Christentum gerne übernommen, und entsprechende Werke wurden bald selbst produziert: so um 100 oder wenig später die Ascensio Jesaiae; der Judasbrief zitiert nicht nur das Henochbuch, sondern auch die Assumptio Mosis; der Hirte des Hermas verweist auf eine sonst unbekannte apokalyptische Schrift der Profeten »Eldad und Modad« von Num 11,26.312 Auch die jüdischen Sibyllen wären hier zu nennen, an die sich die christlichen sibyllinischen Bücher nahtlos anschlossen. Es wird hier eine nahezu ungebrochene Verbindung zur alttestamentlich-jüdischen Profetie hergestellt, wobei man gewiß ist, daß deren Verheißungen sich jetzt erfüllen. Diese Beispiele zeigen, wie vielseitig und intensiv die Profetie im Urchristentum von Anfang an war. Paulus selbst hat die Gabe der Profetie hochgeschätzt und wünscht, daß möglichst die ganze Gemeinde die Gabe des προφητεύειν besitzt.313 Seine Schilderung des Gottesdienstes in Korinth314 zeigt, wie sehr dort die Profetie lebendig war, so daß es zu tumultuarischen Szenen kam. Um dem drohenden Chaos zu wehren, verlangt er, daß im selben Gottesdienst nicht mehr als zwei oder drei Profeten reden dürfen, und zwar nacheinander. Wenn der Geist über einen der Zuhörer kommt, soll der vorher redende Profet schweigen. In Thessalonich war die Situation umgekehrt. Darum warnt er: »Den Geist dämpfet nicht, die Profetie verachtet nicht«,315 ja, er selbst ist als Apostel »Geistträger«, das heißt im Grunde »Profet«.316 Das Ziel des profetischen Charismas waren dabei für den Apostel nicht sensationelle Erlebnisse und Erkenntnisse, sondern die Erbauung der Gemeinde. Es ist eigenartig, daß trotz dieser zentralen Bedeutung der Profetie für das Urchristentum der Apostel, das heißt der »Christusbote« und Verkündiger des Heilsgeschehens, im Rang grundsätzlich über den ortsgebundenen und den wandernden Profeten steht. Das hängt nicht zuletzt mit der Einsetzung der Zwölf und ihrer Aussendung durch Jesus bei den Erscheinungen des Auferstandenen zusammen. Die letzte Autorität kam von der Beauftragung durch Jesus selbst.317 Auch die missionarische Bezeugung des auferstandenen 311 Apk
1,10: ἐγενόμην ἐν πνεύματι; 4,1: Aufforderung zur Himmelsreise. Hermas, vis 2,3(7),4 (SUC 3, 158 ed. Leutzsch), zitiert daraus: ἐγγὺς κύριος τοῖς ἐπιστρεφομένοις (»Nahe ist der Herr denen, die sich bekehren«). Vgl. D. C. Allison, Eldad and Modad; dazu unten S. 469 Anm. 159. 313 1 Kor 14,1.5.24. 314 1 Kor 14,26–33. 315 1 Thess 5,19 f.; vgl. 1 Kor 14,1.39. 316 Vgl. 1 Kor 7,40; zum Problem siehe K. O. Sandnes, Paul, 1.3.9 und passim. 317 Vgl. O. Hofius, Gemeindeleitung, 218–221.237 f. 312
66
I. Die Urgemeinde
Messias und seines Heilswerkes war wichtiger als aufsehenerregende ekstatischprofetische Phänomene; nicht diese, sondern die wirklich neue, endzeitliche Botschaft bildete die eigentliche Grundlage für den Bestand und die Ausbreitung der Kirche. Daß sich aus der Überschätzung der Profetie auch Gefahren ergaben, zeigt später das Matthäusevangelium, das sich am Ende des 1. Jahrhunderts gegen die Profetie seiner Zeit reserviert verhält und einen Wortwechsel im Endgericht schildert: »Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt (ἐπροφητεύσαμεν), … haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder (δυνάμεις) getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch nie gekannt. Fort von mir, ihr Übeltäter!«318
Darum warnt Matthäus wenige Verse zuvor vor den falschen Profeten, die er mit »Wölfen in Schafskleidern« vergleicht, die die Gemeinde zerstören können und die man an »ihren Früchten« erkennen muß.319 Aus der eschatologischen Rede des Markus übernimmt er erneut die Warnung vor den Pseudoprofeten und verdoppelt diese Aussage.320 Lukas, ca. 15–20 Jahre früher, spricht dagegen nur von den falschen Profeten in der Geschichte Israels.321 Zumindest in den kirchlichen Zentren treten die christlichen Profeten, die zunächst als Geistträger besonderer Art in der Frühzeit eine wesentliche Rolle gespielt hatten, allmählich zurück und wurden zum Teil eher als störender Faktor empfunden. Neben Matthäus bezeugen dies auch der 1. Clemensbrief, Ignatius und Polykarp, während Hermas mit seiner Kritik an der Kirche und ihren Amtsträgern bereits einen Abwehrkampf führt. Der Montanismus in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts in den ländlichen Gemeinden Phrygiens erscheint dann wie ein letztes Sich-Aufbäumen des profetischen Charismatikertums gegen die immer mehr sich hierarchisch organisierende Kirche.322 Im Charisma der profetischen Gaben und im cha Mt 7,22 f.; der christliche Lehrer ist für ihn auch als Missionar wichtiger: 28,19 f. Vgl. zum christlichen Lehrer bei Matthäus R. Deines, Gerechtigkeit, 169.250 f.401.407. 319 Mt 7,15 f. In der älteren Lukasparallele 6,43 f. ist von den falschen Profeten noch nicht die Rede. 320 Mt 24,11.24; vgl. Mk 13,22. Im Sendungsbefehl Mt 28,19 erscheint zwar der Geist im trinitarischen Sendungsbefehl, es fehlt aber die Geistverleihung trotz der Täuferverheißung 3,11. Dafür sollen die Jünger die Gebote Jesu weiterverkündigen (28,20). An die Stelle des Geistes ist Christus selbst in der Gemeinde gegenwärtig, das heißt, er ist im Grunde die Verkörperung des Geistes schlechthin: 12,28; vgl. 18,20. 321 Lk 6,26: Diese und zahlreiche ähnliche Beobachtungen zeigen, daß das Lukasevangelium wesentlich früher als das des Matthäus anzusetzen ist. Siehe dazu M. Hengel, Evangelien, 320–353. 322 Tertullian, De carne Christi 2,3 (SC 216, 214 ed. Mahé), bildet die Reihe: »Profet, Apostel, Apostelschüler, einfacher Christ« in seiner rhetorisch stilisierten Frage an Marcion, auf Grund welcher Autorität er die Schrift ändere. Hier mag die Neigung zum Montanismus die Vorrangstellung des Profeten veranlaßt haben. 318
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
67
rismatischen »Profetenamt«, das in der Didache um 120 n. Chr. als Parallele zum »Apostelamt« erscheint, ja dort fast mit diesem identifiziert werden kann, zeigt sich in besonders auffallender Weise die Kontinuität seit den Anfängen der Urkirche im palästinischen Mutterland, und zwar in den heidenchristlichen Gemeinden bis weit ins 2. Jahrhundert hinein. 1.4.1.4 Die urchristlichen Lehrer und die Einmaligkeit der apostolischen Lehre323 Beruhte die Gabe der Profetie in erster Linie auf der spontanen, freien Inspiration durch den Geist, die eigentlich allen Christen gegeben sein sollte, jedoch in hervorgehobener Weise jeweils einzelne betreffen konnte, so war die »Lehre« eine Aufgabe, die der Überlieferung verpflichtet war. Sie bezog sich einmal auf die Jesustradition, zum andern auf die christologische und paränetische Auslegung des Alten Testaments. Diese Exegese entdeckte das gegenwärtige endzeitliche Geschehen durch typologische Deutung im Alten Testament wieder, verstand seine Texte insgesamt als Profetie und deutete sie von ihrer Erfüllung in der Gegenwart her.324 Dies setzte ein gewisses Maß an »schriftgelehrter« Bildung voraus, wurde aber zugleich als Werk des Geistes betrachtet. Die galiläischen Jünger, die aus dem einfachen Volk kamen, müssen relativ rasch eine elementare Kenntnis der Schriften mit dem Schwerpunkt der eschatologischen Erfüllung erworben haben. Die halachische Kasuistik trat dagegen zurück, wesentlich war auch die Fähigkeit der überzeugenden Argumentation im Streitgespräch mit Gegnern, an denen es nicht fehlte. Hier spielte das Vorbild Jesu eine besondere Rolle. »Profetie« und »Lehre« waren dabei häufig in einer Person verbunden. Dies gilt vor allem für die »Zwölf« und den weiteren Kreis der apostolischen Missionare.325 Die Lehrer konnten dabei direkt an Jesu Lehre, Wirksamkeit und Weg anknüpfen. Jesus selbst war ja als »Lehrer« aufgetreten, freilich in einer Weise, daß sich nach Markus die Zuhörer entsetzten, weil er mit »einer neuen Lehre in Vollmacht«326 die Menschen zutiefst bewegte, aber auch Widerspruch provozierte.327 Die Evangelien beziehen häufig das Verb διδάσκειν auf ihn,328 wobei Lukas, auch 323 Vgl. dazu R. Riesner, Jesus; A. F. Zimmermann, Lehrer; M. Hengel, Schriftauslegung des 4. Evangeliums = KS V, 601–643. 324 M. Hengel, Schriftauslegung des 4. Evangeliums, 249–258 = KS V, 601–611; ders. (unter Mitarbeit von R. Deines), Septuaginta als christliche Schriftensammlung; ders., Schriftauslegung und Schriftwerdung = KS II, 1–71. 325 Die fünf »Profeten und Lehrer« (Apg 13,1) sind wohl beides. 326 Mk 1,27, vgl. 1,22; Mt 7,28 f. Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 358 ff. 327 Mk 6,3 f. = Mt 13,55 ff.; Lk 4,22 ff.28; 7,23. 328 So schon Markus 13mal (daneben hat er dreimal die Anrede »rabbî« für Jesus und einmal »rabbûnî«, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 359.551), häufiger
68
I. Die Urgemeinde
um Jesu Lehre zu charakterisieren, gerne das aus Jes 61,1 und Deuterojesaja übernommene Verb εὐαγγελίζεσθαι329 verwendet. Auch wird Jesus in den Evangelien am häufigsten als »Lehrer« angeredet. Jesus bleibt der Lehrer der Gemeinde schlechthin. In der Rede gegen die »Schriftgelehrten« erhebt er nach Matthäus die Forderung: »Ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen: Denn einer ist euer Lehrer, ihr aber seid alle Brüder«, und Johannes läßt ihn nach der Fußwaschung zu den Jüngern sagen: »Ihr nennt mich ›Lehrer‹ und ›Herr‹, und ihr sagt dies mit Recht: Denn ich bin es.«330 Nach Ostern konnten seine Jünger direkt an seine Botschaft anknüpfen, Jesusüberlieferung und Schriftdeutung waren so von Anfang an von grundlegender Bedeutung für die neue Botschaft der Jüngergemeinde. Dabei wurde die so anstößige Hinrichtung des Messias Jesus vom Alten Testament her als »Heilsereignis« interpretiert, etwa die Passion und der Tod Jesu von Jes 53, Ps 22 und Ps 69 her, seine Messianität aus Ps 2, Ps 89 und 2 Sam 7 und seine Auferstehung durch Ps 16, Ps 110 und Ps 118. Auch die Jesusüberlieferung mußte je und je in neue Gemeindesituationen hinein verkündigt und interpretiert werden.331 Die Apostel, die einzigen ursprünglichen »Amtsträger« in der Urgemeinde, beschränkt Lukas gegen die historische Realität auf zwölf (bzw. vor der Zuwahl des Matthias auf elf).332 Vermutlich folgt er hier Jerusalemer Tradition, die sich vom Apostelbild des Paulus wesentlich unterscheidet, der diese Würde allein an das Sehen des Auferstandenen und die Beauftragung durch ihn bindet. Bei diesen Aposteln waren in der Regel missionarische Verkündigung, Lehre, Schriftauslegung und Profetie in Personalunion verbunden, dasselbe kann man wenig später von Paulus sagen. Mit gutem Grund stellt darum Lukas an den Anfang seiner idealen Schilderung der Jerusalemer Urgemeinde nach dem Wochenfest den Satz: »Sie blieben aber beständig bei der Lehre der Apostel …« und schildert diese als »Lehrende«,333 wobei er einmal διδάσκειν und εὐαγγελίζεσθαι nebeneinander als Matthäus (neunmal) und seltener als Lukas (17mal), daneben hat nur dieser siebenmal die Anrede ἐπιστάτα für Jesus, teilweise als Übersetzung von rabbî / rabbûnî. 329 Lk 4,18; 7,22 (= Mt 11,5); 16,16; 20,1 u. ö. Das Lukasevangelium verwendet es zehnmal, die Apostelgeschichte 15mal, Markus und Johannes überhaupt nicht. Matthäus hat es nur einmal (11,5) in der Lukasparallele mit dem Zitat aus Jes 61,1. 330 Mt 23,8; Joh 13,13. Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 358 ff. und dazu U. Heckel, Hirtenamt, 39 f. 331 Das zeigt z. B. die Interpretation von Jesu Verbot der Ehescheidung und Wiederverheiratung bei Paulus (1 Kor 7,10–16) oder in Mt 5,27 f. oder die Schilderung der Parusie des Kyrios in dem λόγος κυρίου in 1 Thess 4,15–18. 332 Der Bezug auf Paulus und Barnabas in Apg 14,4.14 ist ein bewußter lukanischer Kunstgriff, der auf eine Kontroverse hinweist; siehe oben S. 58 Anm. 277. 333 Apg 2,42: Ἦσαν δὲ προσκαρτεροῦντες τῇ διδαχῇ τῶν ἀποστόλων. Vgl. den Vorwurf der Synhedristen in Apg 5,28: »Ihr habt Jerusalem mit eurer Lehre erfüllt.« Apg 4,2.18: Das Lehren über die Person Jesu (ἐπὶ τῷ ὀνόματι τοῦ Ἰησοῦ) wird ihnen von den Hierarchen verboten; vgl. 5,21.25.28.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
69
verwendet.334 Gegenüber den jüdischen Zuhörern sind für ihn die Apostel vor allem »Lehrer«. Paulus, der ehemalige pharisäische Schriftgelehrte, der seine Ausbildung in Jerusalem erhalten hatte, und gleichzeitig der erste »christliche Theologe«, war als erfolgreichster Missionar335 und als Lehrer zugleich Briefschreiber und Begründer der frühchristlichen Literatur. Vermutlich hat er wesentlich mehr »Lehrbriefe« an seine Gemeinden geschrieben, als uns erhalten sind. In seiner Zusammenfassung der Charismen in der Gemeinde nennt er in 1 Kor 12,28 zuerst die Verkündiger des Wortes, die Apostel, Profeten und Lehrer (διδασκάλους), erst dann folgen die »Wundertäter« (vgl. δυνάμεις), am Ende steht die unverständliche Zungenrede. Die Gabe der »Lehre« gehört für ihn zu den »größten Charismata«.336 Später nennt der deuteropaulinische Epheserbrief (4,11) fünf »Ämter« in der Kirche, die letzte Gruppe – nach Aposteln, Profeten, Evangelisten und Hirten – sind die »Lehrer«, das heißt hier wohl vor allem die Schriftausleger. Dies weist auf eine Spezialisierung hin, wobei das »apostolische Lehramt« grundlegend blieb. Seine Besonderheit, ja Einzigartigkeit zeigt sich auch darin, daß es nach dem Tode der ersten Generation noch vor 70 n. Chr. abbricht, das heißt im Grunde auf diese beschränkt blieb. Spätere Autoren wie bereits Lukas, aber auch Matthäus, 1. Clemensbrief und die Deuteropaulinen (Epheserbrief) kennen den Lehrer, den Profeten und das Ältestenamt, wissen aber zugleich, daß das »Apostelamt« als einmaliges, »grundlegendes«, von Jesus selbst eingesetztes Phänomen der Vergangenheit angehört. Sie schauen auf dasselbe zurück und sind sich seiner einzigartigen, unwiederholbaren Autorität bewußt, das heißt, sie führen es nicht weiter. Die Mauer des himmlischen Jerusalems hat Grundsteine mit den »Namen der zwölf Apostel des Lammes« (Apk 21,14), die Kirche ist »auf dem Grund der Apostel und Profeten erbaut«.337 Das »apostolische Zeugnis« gilt im Grunde schon für die frühchristlichen Autoren nach 70 n. Chr. als die Grundlage ihres Glaubens;, darum entstehen jetzt mehr und mehr Schriften, die »apostolischen« Autoren zugeschrieben werden, beginnend mit den Deuteropaulinen, Matthäus, dem 1. Petrusbrief und dem Corpus 334 Apg 5,42: οὐκ ἐπαύοντο διδάσκοντες καὶ εὐαγγελιζόμενοι τὸν χριστὸν Ἰησοῦν (»sie hörten nicht auf, zu lehren und Christus Jesus zu verkündigen«); vgl. auch 15,35. Dabei erscheint εὐαγγελίζεσθαι viel häufiger ab Apg 8,4.12.35.40 in der Verkündigung des Philippus, der in 21,8 εὐαγγελιστής genannt wird, weiter 11,20 in Antiochia gegenüber den Griechen und relativ oft bei Paulus. Auch κηρύσσειν begegnet erst ab 8,5 und dann bei Paulus: 9,20; 19,13; 20,25; 28,31 neben διδάσκειν. 335 1 Kor 15,10: περισσότερον αὐτῶν πάντων ἐκοπίασα; vgl. 2 Kor 11,23. 336 1 Kor 12,28–31, siehe das Fazit in V. 31: ζηλοῦτε δὲ τὰ χαρίσματα τὰ μείζονα. 337 Eph 2,20, vgl. 3,5 und Jud 17 f. = 2 Petr 3,2: An ihre eschatologische Verkündigung soll man sich erinnern. Siehe auch die Sukzession in 1 Clem 42: Christus, die Apostel und die von ihnen eingesetzten Amtsträger; vgl. 1 Clem 44.
70
I. Die Urgemeinde
Johanneum, bei dem ab der Mitte des 2. Jahrhunderts der Zebedaïde als Autor angenommen wird. Lehrer, die unter ihrem eigenen Namen schreiben, wie beim 1. Clemensbrief, bei den Ignatianen und bei Polykarp, berufen sich rückblickend auf die unüberbietbare Autorität »der Apostel«, wobei Petrus und Paulus – trotz aller Gegensätze – im Mittelpunkt stehen.338 Für Justin sind die Evangelien nichts anderes als »Erinnerungen der Apostel«, die (vier) Evangelien stammen ihm zufolge von »Aposteln« und Apostelschülern und werden im Gottesdienst gelesen,339 bei Irenäus liegt dann ein anerkanntes Corpus von Schriften vor, die als »apostolisch« gelten.340 Die Didache, diese zumindest teilweise »archaische« Kirchenordnung ländlicher Gemeinden im südlichen Syrien, wo noch »Apostel« als Sendboten erscheinen, macht hier eine seltsame Ausnahme. Vielleicht soll die einmalige Erwähnung von Aposteln in Kapitel 11 den volltönenden Titel »Lehre der Zwölf Apostel« begründen.341 Auch Profetie und Lehre beginnen sich jetzt grundsätzlich zu trennen. Der Verfasser des ersten Evangeliums betrachtet sich z. B. nicht mehr als Profet – gegenüber diesen setzt er sich vielmehr kritisch ab342 –, sondern bewußt als Lehrer, ja noch bestimmter als christlicher Schriftgelehrter (γραμματεύς),343 der sowohl die Jesustradition als auch das Alte Testament auslegt. Es ist verständlich, daß er mit seinen fünf großen Reden Jesus selbst als messianischen Lehrer von unüberbietbarer Autorität zeichnet. Das verbreitete Bild von Jesus als einem stark weisheitlich geprägten ethischen Wanderlehrer ist bis heute vor allem durch eine einseitige Betrachtung des Jesusbildes bei Matthäus und in der auf fragwürdige Weise rekonstruierten Quelle »Q« bedingt.344
338 1 Clem
5; 47,1; IgnRöm 4,3; IgnSm 3,2; IgnEph 12,2; IgnPol 3,2; 9,1; vgl. Dionysios von Korinth bei Euseb, H. e. 2,25,8 (GCS Eusebius II/1, 178,7–14 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); Irenäus, Adversus haereses 3,1,1; 3,3,2 (SC 264, 20 ff.32 ed. Rousseau / Doutreleau). 339 Justin, Dial. 103,8; 106,1–107,1 (PTS 47, 249.252 f. ed. Marcovich); 1 Apol. 66,3; 67,3 (SC 507, 306.308 ed. Munier) u. ö. Vgl. dazu M. Hengel, Evangelien, 69.208 f.266 ff., vgl. auch 401 Index s. v. »Evangelienlesung«; L. Hartman, Markusevangelium, 163. 340 M. Hengel, Evangelien, 64 f. 341 Siehe oben S. 58 Anm. 275 und S. 63 Anm. 299. 342 Mt 7,15.22 f. 343 Mt 13,52: πᾶς γραμματεὺς μαθητευθεὶς τῇ βασιλείᾳ τῶν οὐρανῶν: Hier handelt es sich um eine Signatur des unbekannten Evangelisten. 23,34: ἰδοὺ ἐγὼ ἀποστέλλω πρὸς ὑμᾶς προφήτας καὶ σοφοὺς καὶ γραμματεῖς … Die Version Lk 11,49, wo die Weisheit »Profeten und Apostel« sendet, ist sicher ursprünglicher. Matthäus könnte das Logion von Lukas übernommen und in Mt 23,34 eingebaut haben. Unter anderem werden seine »Profeten, Weisen und Schriftgelehrten« in den Synagogen ausgepeitscht. Das könnte auf Erfahrungen des Evangelisten zurückgehen; vgl. in 2 Kor 11,24 das Selbstzeugnis des Paulus. 344 Zur Sammlung der Logientradition vgl. oben S. 31; zum »undogmatischen« Jesusbild vgl. M. Hengel, Evangelien, 10.274–301.350 und 407 Index s. v. »Logienquelle(n)«.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
71
1.4.1.5 Die Gabe der Heilung345 Daß in der Gemeinde die schon für das Wirken Jesu entscheidende Gabe der Heilung gegenwärtig war und lange wirksam blieb, ergibt sich zunächst aus der synoptischen Aussendungsüberlieferung. Jesus »gab ihnen Kraft und Vollmacht über alle Dämonen und zur Heilung von Krankheiten«.346 Damit bringen die Evangelisten eine zusätzliche Kontinuität ganz eigener Art zwischen Jesus und der Jüngergemeinde zum Ausdruck.347 Lukas bezeugt diese ebenfalls in der Apostelgeschichte mit den verschiedenen an die Person des Petrus gebundenen Heilungserzählungen, die aus jener Sammlung von Petruserzählungen stammen, die er in Apg 1–5 und 9–12 vermutlich aus mündlicher Tradition verarbeitet hat.348 Petrus heilt – darin besteht der Unterschied zu den Heilungen Jesu in den Evangelien – nicht mehr in unmittelbarer Vollmacht, sondern »im Namen Jesu«, so bei dem Lahmen am »schönen Tor« des Tempels,349 bei Äneas in Lydda und bei der Auferweckung der Tabita in Joppe.350 Gegenüber Äneas lautet die Heilungsformel: »Äneas, Jesus Christus heilt dich!« (Apg 9,34) Darüber hinaus läßt Lukas den Petrus in seiner Pfingstrede durch eine Veränderung des Joeltextes auf zukünftige »Wunder im Himmel oben und Zeichen auf der Erde unten«351 und wenig später auf Jesu »Krafttaten, Wunder und Zeichen« hinweisen, »die Gott durch ihn« im Volk getan habe. Entsprechend folgt der Hinweis, daß viele »Wunder und Zeichen durch die Apostel geschahen«, und in einer ausführlichen Sammelnotiz nimmt Lukas dieses Motiv wieder auf.352 Selbst dem Schatten des Petrus, der auf Kranke fiel, wurde eine heilende Wirkung zugesprochen.353 Es wird hier die legendäre Verklärung der Urzeit der Gemeinde in den ca. 50 Jahren bis zur Abfassung der Apostelgeschichte ca. 80–85 n. Chr. sichtbar. Später schreibt Lukas auch Paulus ähnliche, aufsehenerregende Heilungen und Exorzismen zu und ist dabei in seinen erzählerischen Mitteln nicht wählerisch. Die Kontinuität mit den »messianischen« Heilungen Jesu ist hier offensichtlich.354 Vgl. dazu A. v. Harnack, Mission, 129 ff.147 ff.; J. A. Kelhoffer, Miracle; weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 461–497. 346 Lk 9,1, der die Markusvorlage 6,7.13 zusammenfaßt. Mt 10,1 ist wieder von Markus und wohl auch von Lukas abhängig. 347 Selbst Johannes nimmt in 14,12 diese Überlieferung auf und verwandelt sie völlig: Der Glaubende wird nach Ostern die Werke, die Jesus tut, tun »und größere als diese«. 348 Es ist durchaus möglich, daß er selbst solche Petrusgeschichten gesammelt und aufgeschrieben hat. 349 Apg 3,1 ff.6; 4,10.30. 350 Apg 9,32–43. Auffallend sind die guten geographischen Kenntnisse in Jerusalem und in der Küstenebene, die Lukas besitzt, etwa im Vergleich mit den späteren Apostelakten. Siehe dazu M. Hengel, Historiker Lukas = KS VI, 140–190 und unten S. 264. 351 Apg 2,19: καὶ δώσω τέρατα ἐν τῷ οὐρανῷ ἄνω καὶ σημεῖα ἐπὶ τῆς γῆς κάτω. 352 Apg 2,22.43; 5,12–16. 353 Apg 5,15. 354 Apg 14,8–18; 16,16 ff.; 19,11 f.; 20,9–12; 28,8. 345
72
I. Die Urgemeinde
Seit Jesu Wirken manifestiert die Gottesherrschaft ihren Anbruch in diesen Zeichen. Dem entspricht, daß in 1 Kor 12,9.28 Paulus selbst von den geistgewirkten »Heilungsgaben« (χαρίσματα ἰαμάτων) spricht, die einzelnen »durch den einen Geist« gegeben sind, in 12,10 fügt er noch ἐνεργήματα δυνάμεων355 hinzu. Darüber hinaus erwähnt er den wundermächtigen Glauben (πίστις) als besonderes Charisma.356 In Röm 15,19 betont er, selbst »in der Kraft von Zeichen und Wundern, in der Kraft des Geistes« gewirkt zu haben; in 2 Kor 12,12 weist er die Korinther fast widerwillig darauf hin, daß er »die Zeichen des Apostels« bei ihnen getan habe »in Zeichen, Wundern und Krafttaten«. Er muß sich dort gegen Abgesandte von »Überaposteln« verteidigen, die sich rühmen, ihm an Wunderkraft überlegen zu sein.357 Es mag sich um Abgesandte der Petrusmission handeln, die die Korinther besonders beeindruckten und die Autorität des Paulus untergruben, wobei Wunder bei ihnen eine besondere Rolle spielten.358 Die Gegenseite dieser auch das Physische betreffenden Wirkungen des Geistes zeigt sich in der für modernes Denken schwer verständlichen Petruslegende von Ananias und Sapphira,359 dem von Paulus befohlenen Gerichtsakt bei einem schweren Fall von Inzest360 und der Tatsache, daß auf Grund der Mißbräuche beim Herrenmahl viele Christen in Korinth krank wurden und einige gestorben sind.361 Wieder auf andere Weise berichtet später der Jakobusbrief vom Gebet der »Ältesten« und von »Ölsalbung« »im Namen des Herrn«, verbunden mit einem Sündenbekenntnis, das Kranke gesunden läßt.362 Auch in Mk 6,13 heilen die von Jesus ausgesandten Jünger durch Exorzismen und durch Ölsalbung. Damit weist der Evangelist auf einen Brauch in den frühen urchristlichen Gemeinden hin. Diese – gegenüber der Umwelt auffallende – Heilungsgabe der »Boten Jesu« mag auch den Arzt Lukas besonders beeindruckt haben. Die Anrede des 355 »Kraftbetätigungen, die Wunder hervorbringen« schlägt das Lexikon von Bauer / Aland, WB, 535, als Übersetzung vor. 356 1 Kor 12,9, vgl. 13,2; Gal 5,22: πίστις als besondere »Frucht des Geistes«. Wenn Lukas in Apg 6,5 Stephanus als einen Mann πλήρης πίστεως καὶ πνεύματος ἁγίου und in 6,8 als πλήρης χάριτος καὶ δυνάμεως bezeichnet, der »Wunder und große Zeichen« im Volk tut, steht eine ähnliche Vorstellung dahinter; vgl. in Apg 11,24 die Charakterisierung des Barnabas. Siehe auch oben S. 33 Anm. 148. 357 2 Kor 12,11; vgl. 11,5. 358 Vgl. dazu M. Hengel, Petrus, 124 f. 359 Apg 5,1–11. 360 1 Kor 5,4 f.: παραδοῦναι τὸν τοιοῦτον τῷ σατανᾷ εἰς ὄλεθρον τῆς σαρκός. 361 1 Kor 11,29 ff. 362 Jak 5,14 f. Mit der Selbstverständlichkeit, mit der dieser Brief heute als spätes Pseudepigraphon betrachtet wird, macht man es sich zu leicht. Der historische Ort des Briefes geht dadurch völlig verloren. Unseres Erachtens gehört er in die Kontroverse um die paulinische Rechtfertigungslehre, siehe M. Hengel, Jakobusbrief = KS III, 511–548; ders., Jakobus der Herrenbruder, 92–98 = KS VI, 570–576. Weiter dazu unten § 13.2 (S. 452–459).
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
73
Petrus an Äneas in Lydda: »Jesus Christus heilt dich«363 ist für ihn eine Art von Bekenntnisaussage.364 Selbst Frauen waren hier noch einbezogen: Tertullian beklagt sich dann um 200 darüber, daß sie in den häretischen Gemeinden wagten, »zu lehren, zu streiten, zu exorzieren, Heilungen zu vollziehen und vielleicht sogar zu taufen«!365 Mit der Heilungsgabe eng verbunden war der Exorzismus, den man in gewisser Weise als eine Art von archaischer, aber sehr effektiver psychosomatischer Schocktherapie verstehen könnte. Der Apologet Justin schreibt noch in der Mitte des 2. Jahrhunderts: »Denn viele von den Unsrigen, den Christen, haben eine große Anzahl Besessener in der ganzen Welt und in unserer Stadt, das heißt Rom, durch Beschwörung beim Namen Christi, des unter Pontius Pilatus Gekreuzigten, geheilt, während sie von allen anderen Beschwörern und Zauberern und Arzneimischern nicht geheilt worden waren …«366
Auch die rabbinische Literatur berichtet von Heilungen im Namen Jesu durch judenchristliche Häretiker. R. Jischmael († vor 132) lehnt dies scharf ab und läßt lieber seinen Lieblingsneffen Eleazar ben Dama an einem Schlangenbiß sterben, als ihm durch Jakob aus Kefar Sama im Namen Jesu helfen zu lassen.367 Im Grunde setzte sich mit dieser heilenden Wirksamkeit nur der messianische Auftrag Jesu fort. Für die altkirchliche Mission war diese neben der Sozialarbeit von nicht geringer Bedeutung. Sie wurde dann später um die Krankenpflege, zu der vor allem die Witwen eingesetzt wurden, ergänzt. In gewisser Weise könnte man sagen, daß die urchristlichen Charismata sich direkt an das Wirken Jesu als des messianischen »Urcharismatikers« anschließen. Die Kontinuität zeigt sich schon in der Aussendungsüberlieferung,368 die auf Jesus zurückgeht, zugleich aber Erfahrungen der Urgemeinde mit einbringt.369
Apg 9,34: ἰᾶταί σε Ἰησοῦς Χριστός. Zu Lukas, »dem geliebten Arzt« (Kol 4,14), siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 18–22. 365 Tertullian, De praescriptione haereticorum 41,5; vgl. 44,5 (FC 42, 316 ff.322 ff. ed. Refoulé / Schleyer), und Mt 7,15 f. Hier haben sich bei »Häretikern« vielleicht doch alte urchristliche Bräuche bis gegen Ende des 2. Jahrhunderts erhalten. 366 Justin, 2 Apol. 5(6),6 (SC 507, 334 ed. Munier). Vgl. Dial. 30,3; 35,8; 76,6; 85,1 f. (PTS 47, 117 f.129.202.216 ed. Marcovich). Justin betont, daß diese Exorzismen zu seiner Zeit bewußt in der Nachahmung Christi aus seiner Vollmacht heraus geschehen. 367 tChul 2,22 f.; Parallelen in: jAS 2,2/12 40d–41a; jShab 14,4/13 14d–15a; QohR 1,8(3); bAS 27b; vgl. jAS 2,2/7; jShab 14,4/8; QohR 10,5. Siehe dazu P. Schäfer, Jesus im Talmud, 108–127.271 ff.; vgl. auch M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 212 f. 368 Mk 6,7.13; Lk 9,1. 369 Zu diesem ganzen Komplex siehe auch M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 461–497. 363 364
74
I. Die Urgemeinde
1.5 Der urchristliche Gottesdienst 1.5.1 Jüdischer und christlicher Gottesdienst370 Den zentralen Ort der Wirksamkeit der Charismen bildete der urchristliche Gottesdienst. Er war die prägende Mitte der Gemeinde, die sich als endzeitliche ἐκκλησία θεοῦ jeweils in der gottesdienstlichen Versammlung und beim Herrenmahl konstituierte. Die Jerusalemer Urgemeinde stellte sich dabei äußerlich gesehen als eine Art von jüdisch-messianischer »Sonder-Synagoge« dar,371 deren Mitglieder sich nicht etwa vom jüdischen Volksverband separierten, sondern auch weiterhin am jüdischen Gottesdienst, etwa an den großen Festen im Tempel, wenn auch mit anderer Ausrichtung, beteiligt waren. Dies schloß nicht aus, daß die neue Bewegung diese Feste, etwa das Passa-, Wochen‑ und Laubhüttenfest, auf eigene Weise feierte. Das taten auch die Essener. Solche »Sonder-Synagogen« mag es auch noch für andere Gruppen gegeben haben. Sie waren vor 70 n. Chr. in Judaea und in Jerusalem als freie Zusammenschlüsse von wenigstens zehn männlichen Mitgliedern möglich. »Hausgemeinde« und »Sonderversammlung« kommen sich so sehr nahe. Darüber hinaus werden die Judenchristen in Palästina weiterhin den Tempel und wohl auch örtliche Synagogen aufgesucht haben, solange man sie dort duldete. Der Tempel hatte freilich durch den Tod Jesu seine auf dem ständigen Opfer gründende, sühnewirkende Funktion verloren, dafür war er nach Mk 11,17 parr., wo Jes 56,7 zitiert wird, zum »Bethaus« geworden.372 Dem entspricht auch die Darstellung in der Apostelgeschichte, wo die Gemeinde zum Gotteslob, Gebet und zur Lehre auf dem Tempelvorhof zusammenkam. Als Gebetsstätte für die Jerusalemer Judenchristen diente offenbar die nach Salomo benannte, aus der Hasmonäerzeit stammende Säulenhalle auf der östlichen, zum Kidrontal abfallenden Seite des Tempels.373
370 Vgl. dazu F. Hahn, Der urchristliche Gottesdienst, bes. 38 ff.; ders., Art. Gottesdienst. III. Neues Testament, TRE 14 (1985), 28–39; M. Hengel, Hymnus = KS IV, 185–204; ders., Christuslied = KS IV, 205–258; J. C. Salzmann, Lehren, 32–50.131. Zum jüdischen Gottesdienst bei Philo, dessen Werke eine Fundgrube zu diesem Thema sind, siehe J. Leonhardt, Worship; zuletzt den Sammelband von J. Frey / M. Jost (Hgg.), Gottesdienst und Engel. 371 Συναγωγή, kenišā / keništā, bedeutet zunächst nichts anderes als »Versammlung«. Justin spricht in der frühesten ausführlichen Schilderung des frühchristlichen Gottesdienstes von einer συνέλευσις (1 Apol. 67,3.8 [SC 507, 308.310 ed. Munier]); vgl. auch das συνέρχεσθαι zum Gottesdienst bei Paulus in 1 Kor 11,17–20.33 f.; 14,23.26. 372 Anders J. D. G. Dunn, Beginning, 232 ff., der betont, daß Apg 2,46 und 3,1 entschieden dagegen sprächen, daß zu diesem frühen Zeitpunkt bereits die Anhänger Jesu eine kritische Stellung gegenüber der Sühnefunktion des Jerusalemer Kultes eingenommen hätten. 373 Apg 3,11; 5,12; vgl. Joh 10,23: Schon Jesus soll dort gelehrt haben. Zum Ort siehe Josephus, Ant. 20,220 ff.; vgl. Bell. 5,184 f.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
75
Die Synagogen waren schon in Eretz Israel zugleich Orte der Mission und der Diskussion, so bei Stephanus (Apg 6,9 f.) und selbst noch bei dem Heidenmissionar Paulus in der Diaspora, der nach der Apostelgeschichte stets zuerst zu den Juden ging. Lukas berichtet hier durchaus zuverlässig.374 Auch dieser Zug, die Synagoge als Ort der Verkündigung und der Diskussion zu nutzen, geht letztlich auf Jesus zurück (vgl. Mk 1,21–29 parr.). Auf der anderen Seite waren die Synagogen der Ort, wo renitente Judenchristen vor Gericht gestellt und im Rahmen der innerjüdischen Gerichtsbarkeit mit der Prügelstrafe nach Dtn 25,2 f. bedacht wurden. Ein solches Vorgehen gegen die neue Bewegung war ein Teil jener Verfolgungen der »Gemeinden Gottes in Judaea«, von denen Paulus in 1 Thess 2,14 spricht.375 Doch auf dieser Teilnahme an jüdischen Gottesdiensten lag nicht mehr das Schwergewicht, obwohl sie weiterhin bestanden haben mag. Es wird jedoch auf Grund solcher Strafen je und je zur zwangsweisen Absonderung, ja zur Exkommunikation gekommen sein. Johannes gebraucht später für diesen Ausschluß dreimal ἀποσυνάγωγος – das im Neuen Testament ein ›Hapaxlegomenon‹ darstellt;376 dieser Terminus bezieht sich nicht auf die Einführung der Verfluchung der »Häretiker« im Achtzehnbittengebet, die wohl in den Jahrzehnten nach 70 n. Chr. erfolgte.377 Johannes versetzt diesen 374 Siehe Apg 9,2.20; 13,5.14 ff.; 14,1; 17,1 ff.; 18,4; 19,8 etc. Die Zahl der archäologisch nachgewiesenen Synagogen, die bereits vor 70 n. Chr. bestanden, nimmt weiter zu; so jetzt ein neuer Fund in Galilaea, in Magdala / Tarichaea, siehe dazu J. A. Overman, Destruction, 268 f.; und ausführlicher URL: http://www.israelnetz.com/wissenschaft/detailansicht/aktuell/ magdala -die-neue-heilige-staette-am-see-genezareth-87931/ (letzter Zugriff: 7. 3. 2 018). In diesem Artikel wird auch erwähnt, daß »in Kapernaum … die Synagoge aus der Zeit Jesu nur als Schicht schwarzer Basaltsteine« unter dem Prachtbau der jüngeren Synagoge zu erkennen ist. Immerhin! 375 Mk 13,9; Lk 21,12; Mt 10,17 (die Parallelstelle Mt 24,9 verallgemeinert: »Ihr werdet gehaßt werden um meines Namens willen von allen Völkern«); vgl. 2 Kor 11,24: »Von den Juden habe ich fünfmal die Strafe der vierzig (Schläge) weniger einen empfangen.« Siehe dazu oben S. 48 Anm. 218. 376 Joh 9,22; 12,42; 16,2; siehe dazu J. A . Kelhoffer, Persecution, 256–261. Der Terminus erscheint außerdem nur in deutlicher Abhängigkeit vom 4. Evangelium bei den griechischen Kirchenvätern Gregor von Nyssa (1mal), Epiphanius (2mal), Athanasius (5mal), Basilius (1mal), Origenes (2mal), Asterius, dem Sophisten aus Kappadokien ca. 260–341 n. Chr. (1mal), und Johannes Chrysostomus (17mal). Vgl. dazu ferner unten § 18.2.2 (S. 576–581). 377 Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 154. Die Datierung der Einfügung der Birkat ha-minim in das Achtzehnbittengebet ist umstritten, ebenso die Frage, gegen welche »Häretiker« sie ursprünglich gerichtet war; vgl. dazu W. Horbury, Benediction; P. J. Tomson, Wars; Y. Y. Teppler, Birkat haMinim. J. Marcus, Birkat Ha-Minim, 541, meinte, eine frühere Form sei gegen die Römer (זדים, »die Hochmütigen«) gerichtet gewesen: »At a later stage (under Rabban Gamaliel, according to b. Ber. 28b), it was reformulated to include other targets«. Die »Verfluchung« aller jüdischen »Häretiker« im täglichen Gebet in den Synagogen stand am Ende eines längeren Prozesses der Auseinandersetzungen, die die Judenchristen besonders trafen; siehe dazu schon M. Hengel, Johanneische Frage, 288 ff.; P. S. Alexander, Jewish Believers, 673–676; G. Stemberger, Birkat ha-minim, 75–87. Weiter dazu unten § 18.3.1 (S. 583–589).
76
I. Die Urgemeinde
Vorgang bewußt in die Zeit Jesu zurück und deutet damit eine Bedrohung der Judenchristen auch in der Vergangenheit und nicht nur in der Gegenwart an. Entscheidend war demgegenüber, daß die Urchristen von jetzt an neben den jüdischen Gottesdiensten vor allem ihre eigenen Hausgottesdienste feierten oder auf dem Vorhof der Heiden bzw. anderswo unter freiem Himmel zusammenkamen. Letzteres scheint wohl schon bei den 500 Brüdern in 1 Kor 15,6 der Fall gewesen zu sein.378 Auf den bekannten Satz, mit dem Lukas diese Gottesdienste der ersten Zeit umschreibt, haben wir schon hingewiesen: Auf die »Lehre der Apostel« folgen »Brotbrechen und Gebete«.379 Die Lehre nach der vorausgegangenen Schriftlesung bildete – ebenfalls umrahmt von Gebeten – den Inhalt des jüdischen Synagogengottesdienstes, der urchristliche Gottesdienst schloß sich an diese Form an. Nach unserem Wissen war diese Gottesdienstform zusammen mit den ersten uns bekannten Synagogen im 3. Jahrhundert v. Chr. in der Diaspora Ägyptens aufgekommen und stellte als reiner Wortgottesdienst ohne kultische Opferhandlungen und mit ihrer Betonung der Schriftauslegung und der ethischen Lehre eine revolutionäre Neuerung in der antiken Welt dar.380 Im jüdischen Palästina fand diese Form des örtlichen Wortgottesdienstes wohl erst relativ spät unter pharisäischem Einfluß vor allem in der Herrschaftszeit Herodes’ des Großen Eingang. Vermutlich hatte die Tempelpriesterschaft die Wortgottesdienste in den Synagogen zunächst eher als Konkurrenz empfunden und Widerstand dagegen geleistet.381 Neu im urchristlichen Gottesdienst war gegenüber dieser im Grunde traditionell jüdischen Form mit Gebet, Schriftlesung und Lehrvortrag382 jedoch die unmittelbar an den Wortgottesdienst anschließende Herrenmahlsfeier.
Dabei ist es bedeutungslos, ob man den Vorgang nach Galilaea (was uns wahrscheinlicher erscheint) oder nach Jerusalem verlegt. Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 644–652. 379 Apg 2,42, siehe oben S. 68 Anm. 333. 380 Die frühen Diasporasynagogen erhielten dafür die Bezeichnung προσευχή, siehe M. Hengel, Proseuche = KS I, 171–195;s im Mutterland war diese Bezeichnung wegen der Konkurrenz zum Tempel als eigentlichem Bethaus untragbar, siehe Jes 56,7; vgl. Mk 11,17. Hier erhielten sie die neutrale, profane Bezeichnung »Versammlungshaus« (bêt kenîštā / συναγωγή). Siehe auch oben S. 23 f. Anm. 94. 381 M. Hengel, Proseuche = KS I, 171–195; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 156. Eine Vorstufe begegnet uns schon in der öffentlichen Toralesung mit Auslegung und Gebet in Neh 8,1–8. 382 Vgl. Lk 4,16–30; Apg 13,15.27; 15,21. Bei Justin, 1 Apol. 67,3 f. (SC 507, 308 ed. Munier), wird erstmals der mit dem Synagogengottesdienst verwandte christliche Wortgottesdienst geschildert. Darauf folgt die Eucharistie. Siehe dazu J. C. Salzmann, Lehren; M. Hengel, Evangelien, 207.266 ff.; H.-U. Weidemann, Taufe, 110. 378
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
77
1.5.2 Mahlgemeinschaft und Herrenmahl383 Das Zentrum und die Besonderheit des frühesten urchristlichen Gottesdienstes war das gemeinsame Mahl. Dies wird schon von Lukas nach der Pfingstpredigt des Petrus hervorgehoben: »Sie brachen das Brot in den Häusern und hielten Mahlzeit in freudigem Jubel und der Schlichtheit des Herzens und lobten Gott.«384 Hier haben wir einen ganz knappen Hinweis auf die älteste Form der urchristlichen Mahlfeier. Ihr Ursprung und Inhalt ist freilich unbestimmt und daher umstritten. Abzulehnen ist ihre Herkunft aus den hellenistischen Mysterienfeiern, ebenso ihre Ableitung als Imitation der Essenermahlzeiten, wie sie im Anhang zur Sektenregel 1QSa geschildert werden, die aber als analoge Parallelen angesehen werden können, insofern sie beide ihre Prägung durch jüdische Tradition erhalten haben.385 In Wirklichkeit hat die christliche Mahlfeier eine doppelte Wurzel: Einmal ist sie die Fortführung der gemeinsamen Tischgemeinschaft Jesu mit seinen Jüngern, wie sie etwa in den Speisungswundergeschichten angedeutet wird386 oder uns in den Zöllnermahlzeiten387 begegnet. Diese Mahlgemeinschaft hatte für Jesus und seine Jünger im Grunde eschatologischen Charakter, sie konnte als Antizipation der Mahlgemeinschaft in der Gottesherrschaft verstanden werden.388 Die zweite Wurzel ist das letzte Passamahl Jesu mit seinen Jüngern, das als Gleichnishandlung die Deutung des bevorstehenden Todes Jesu in sich schloß. Dadurch, daß vermutlich – so vor allem nach Lk 24 und Joh 21 und nach dem Hebräerevangelium – einige Erscheinungen des Auferstandenen im Zusam383 Vgl. dazu H. Lietzmann, Messe; J. Jeremias, Abendmahlsworte; G. Delling, Art. Abendmahl II, TRE 1 (1977), 47–58 (47 ff.); G. Kretschmar, Art. Abendmahlsfeier, TRE 1 (1977), 229–278 (229 ff.); O. Hofius, Herrenmahl; U. Wilckens, Theologie I/2, 188–195; F. Hahn, Art. Abendmahl, RGG4 1 (1998), 10–15; ders., Theologie II, 533–564; M. Hengel, Mahl = KS IV, 451–495; A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft; U. Mittmann-Richert, Erinnerung; vgl. auch H. J. Stein, Mahlfeiern; H.-U. Weidemann, Taufe, 272–275 (mahnt zur Vorsicht gegenüber der historischen Auswertung der lukanischen Berichte); eine kurze Zusammenfassung zum »Herrenmahl« bei U. Schnelle, Jahre, 135–138. 384 Apg 2,46 f.: κλῶντές τε κατ’ οἶκον ἄρτον, μετελάμβανον τροφῆς ἐν ἀγαλλιάσει … Siehe dazu A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft, 210 f. 385 Siehe dazu H.-W. Kuhn, Qumran Meal: Gemeinsam sind Brot und Wein und der Segen darüber; in beiden Fällen handelt es sich um Mähler einer geschlossenen ›Gesellschaft‹ – hier des יחדund dort der ἐκκλησία; in beiden Fällen finden wir die Verbindung mit einem eschatologischen Ausblick und den Wiederholungsbefehl (1QSa II 21 f., vgl. 1 Kor 11,24 f.; Lk 22,19). Siehe dazu M. Hengel, Mahl, 141 = KS IV, 477. 386 Mk 6,41 parr.; 8,6.19 par. 387 Mk 2,16 parr., vgl. Lk 7,34 par. (Jesus gilt als »Fresser« und »Säufer«; bei Lukas nimmt Jesus auch Einladungen zu Pharisäern an: Lk 7,36; 11,37. 388 Mt 8,11; Lk 13,29; Mk 14,25. Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 424 f. und 736 Index s. v. »Mahl«.
78
I. Die Urgemeinde
menhang eines gemeinschaftlichen Mahles der Jünger standen, sah man darin die Wiedererneuerung der Mahlgemeinschaft mit dem Irdischen durch den Erhöhten und feierte im Mahl dessen geistliche Gegenwart.389 Das umstrittene συναλιζόμενος in Apg 1,4 ist wohl nicht mit den altkirchlichen Übersetzungen zu deuten: »und als er zusammen mit den Jüngern gegessen hatte«, sondern allgemein als »und als er mit ihnen zusammengekommen war« zu verstehen. In der Rede vor Cornelius jedoch läßt Lukas den Petrus sagen: »Wir, die von Gott zuvor bestimmten Zeugen, haben mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken.«390 Nach der Erzählung Lk 24,30 f. wird der Auferstandene von den Emmausjüngern beim Brotsegen und Brotbrechen erkannt. Wahrscheinlich hat man in der Jerusalemer Urgemeinde ursprünglich täglich (Apg 2,46: καθ’ ἡμέραν) dieses Gemeinschaftsmahl begangen, bei dem man glaubte, der Auferstandene feiere unsichtbar gegenwärtig als Tischherr dieses Mahl mit. Gemäß Apg 20,7–11 hält jedoch Paulus mit der Gemeinde in Troas (dem alten Troja) im Nordwesten Kleinasiens ein nächtliches Gemeinschaftsmahl mit »Brotbrechen« am ersten Tage nach dem Sabbat, das heißt wohl in der Nacht von Sonntag auf Montag, der Nacht, in der nach Lukas und Johannes der Herr den Jüngern erschienen war. Da es die Nacht seines Abschieds ist, spricht Paulus bis gegen Mitternacht. Dabei ereignet sich ein Unfall mit glücklichem Ausgang. Ein Jüngling wird während der langen Rede des Apostels vom Schlaf überwältigt und fällt vom dritten Stock aus dem Fenster, doch er überlebt den Sturz. Wohl gegen Mitternacht findet dann die eigentliche eucharistische Mahlfeier statt,391 anschließend spricht Paulus weiter bis zum Morgengrauen und verläßt dann die Gemeinde. Aus diesem Augenzeugenbericht läßt sich zweierlei erschließen: Das – eucharistische – Gemeindemahl ist hier mit der apostolischen Lehre, das heißt einem offenbar noch relativ formlosen Wortgottesdienst, verbunden. Weiter dürfte ein Hinweis auf das eigentliche, gegenüber sonstigen gemeinsamen Mahlzeiten hervorgehobene »Herrenmahl« vorliegen. Der Ausdruck »Herrenmahl« (κυριακὸν δεῖπνον) erscheint erstmals festgeprägt eben bei Paulus in 389 Zur Bedeutung der Erscheinungsmahle siehe P. Stuhlmacher, Theologie I, 208–210; ausführlicher A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft, 208–217 (Exkurs: »Die ›Erscheinungsmahle‹ und der frühchristliche Gottesdienst bei Lukas«); M. Hengel, Abba, 163 = KS IV, 514. 390 Apg 10,41; zu Apg 1,4 siehe A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft, 202–207; anders wieder H. J. de Jonge, Chronology, 162 Anm. 34: συναλιζόμενος mit kurzem Alpha heiße »zusammen essen«, mit langem Alpha dagegen »zusammenkommen«, mit Berufung auf V. Larrañaga, C. K. Barrett und A. W. Zwiep; auch C. S. Keener, Acts I, 674 f., erwägt die Bedeutung »sharing salt« als Metonymie für »sharing a meal«, tendiert aber zu der einfacheren Lösung »coming together«. Vermutlich handelt es sich in Apg 1,4 um eine der doppeldeutigen Formulierungen, die Lukas einsetzt, um dem Leser erst später an passender Stelle die volle Bedeutung zu eröffnen. D. Marguerat, Lukas, 120, nennt dieses Phänomen bei Lukas eine »semantische Ambivalenz« und spricht von »Amphibolie-Verfahren«. 391 Apg 20,7: συνηγμένων und V. 11: κλάσας τὸν ἄρτον καὶ γευσάμενος.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
79
1 Kor 11,20 und stammt erst aus der griechischsprachigen Gemeinde.392 Lukas hat dafür den älteren, schlichteren Begriff des »Brotbrechens« beibehalten.393 Hier zeigt sich wieder die lukanische Vorliebe für Archaismen. Vielleicht darf man daraus schließen, daß dieses Brotbrechen vor dem gemeinsamen Mahl täglich in den »Hausgemeinden« stattfand, während das Herrenmahl mit Wein im Gedenken an das letzte Mahl Jesu »in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde« (1 Kor 11,23), erst allmählich am ersten Tag der Woche, also am Tag der Auferstehung Jesu, Eingang in das Gemeindeleben fand. Wann und wo dies definitiv geschah, wissen wir nicht. Die Grundübereinstimmung zwischen 1 Kor 11,23–26 und Mk 14,22–24 macht wahrscheinlich, daß dies sich noch in der Urgemeinde ereignete, vielleicht in Zusammenhang mit den ersten Passafeiern ein oder mehrere Jahre nach dem Todespassa, an denen man in besonderer Weise des letzten Mahles Jesu mit seinen Jüngern und seines damaligen Handelns gedachte. Auch dieses eigentliche »Herrenmahl«, das sich durch die Erinnerung an die Einsetzungsworte des letzten Mahles Jesu in der Nacht der Verhaftung auszeichnete und dadurch sakramentalen Charakter erhielt, wurde als wirkliche, volle Mahlzeit gefeiert, wobei das Brotwort wie bei der Passafeier wohl am Anfang und das Weinwort am Ende stand. Die analoge Wortbildung »Herrentag« (κυριακὴ ἡμέρα394) legt die Vermutung nahe, daß das »Herrenmahl« schließlich in der Regel in wöchentlichem Abstand am Sonntag begangen wurde und man so zugleich des Todes (so 1 Kor 11,26) wie der Auferstehung und der Parusie Jesu gedachte. In der Didache wird ausdrücklich geboten, zum Brotbrechen am »Herrentag« zusammenzukommen.395 Es wäre zu überlegen, ob nicht das »Herrenmahl« dem ersten Tag nach dem Sabbat den analogen Namen »Herrentag« gegeben hat. Der Brief des Statthalters Plinius nach 110 n. Chr., der sich auf Verhöre von verhafteten christlichen Sklavinnen beruft, spricht davon, daß diese »an einem bestimmten Tag vor Tagesanbruch zusammengekommen« seien (stato die ante lucem convenire), um Christus »wie einem Gott einen Hymnus zu singen«; danach hätten sie sich durch einen Eid (sacramentum) verpflichtet, 392 Vgl. H. J. Stein, Mahlfeiern, 110–114.158, der jedoch den Begriff für einen von Paulus »ad hoc gebildete[n] … Gegenbegriff zum Privatmahl« hält, der nichts mit κυριακὴ ἡμέρα, dem »Herrentag«, zu tun habe. Das ist unwahrscheinlich, vgl. auch unten S. 84 Anm. 419. 393 Lk 24,35; Apg 2,42: κλάσις τοῦ ἄρτου. Hinter dieser »altertümlichen« Wortwahl steht der schlichte Vorgang, daß der Hausvater oder Gastgeber beim gemeinsamen Mahl das Brot bricht, den Segen darüber spricht und es verteilt; vgl. Mk 8,6.19; Mt 14,19; 15,36 und die Abendmahlsschilderungen in Mk 14,22; 1 Kor 10,16; 11,24; vgl. Apg 2,46; 20,7.11 und wohl auch 27,35. Lukas will damit die Feier der paulinischen Gemeinden mit der Urgemeinde, die ihm ja nicht unbekannt ist, verbinden. Zur Sache siehe P. Stuhlmacher, Theologie I, 364 ff.; M. Hengel, Mahl = KS IV, 451–495. 394 Apk 1,10; vgl. Justin, 1 Apol. 67,2–5 (SC 507, 308 ff. ed. Munier); vgl. 1 Apol. 66,2 f. (SC 507, 306 ed. Munier). H. Lichtenberger, Apokalypse, 73: »Seit der Wende zum 2. Jh. bürgert sich der Begriff ›Herrentag‹ ein.« 395 Did 14,1; vgl. dazu K. Niederwimmer, Didache, 235 f.
80
I. Die Urgemeinde
keine Verbrechen zu begehen, und seien wieder auseinandergegangen.396 Die ethische Verpflichtung weist auf die paränetische Predigt vor der Mahlfeier hin, die auch Justin bezeugt. Gegen Lietzmann bezieht sich dies nicht auf eine jährliche Tauffeier in der Osternacht, sondern eher auf den Wortgottesdienst in der Nacht von Samstag auf Sonntag.397 Daraufhin sei man wieder zusammengekommen »ad capiendum cibum«, zu einer gemeinsamen Mahlzeit, das heißt doch wohl zur Feier des Herrenmahls. Die Verbindung des Herrenmahls mit einem wirklichen Mahl reicht noch weit bis ins 2. Jahrhundert hinein.398 In der Didache geht vielleicht die Eucharistie der eigentlichen Sättigungsmahlzeit voraus.399 Ungetaufte dürfen an ihr nicht teilnehmen. Später hat man dann, um Mißbräuchen vorzubeugen, die Eucharistiefeier von den Gemeinschaftsmahlzeiten, die den Namen »Liebesmahl« (ἀγάπη) erhielten, völlig getrennt. Schon in der Kritik des Paulus an den Zuständen beim Herrenmahl in Korinth deutet sich diese Entwicklung an.400 Grundlegend ist von Anfang an die eschatologische Ausrichtung der urchristlichen Mahlfeiern. Diese richten ihren Blick auf das endzeitliche Mahl in Gottes Reich. Die enthusiastische Freude, die ἀγαλλίασις, die nach Apg 2,46 für dieselben konstitutiv war,401 ist eine Vorwegnahme der Freude in der angebrochenen Gottesherrschaft. Auch bei Paulus wird diese endzeitliche Komponente der Mahlfeier noch hervorgehoben. So verkündigt die Gemeinde nach ihm in der Eucharistie »den Tod des Herrn, bis daß er kommt«.402 Ein besonderer Ausdruck der eschatologischen Erwartung beim Herrenmahl war der Gebetsruf um das baldige Kommen des Herrn »māranāʾ tāʾ«, der sicher auf die erste Gemeinde in Jerusalem zurückgeht:403 Der auferstandene und erhöhte Herr wird hier als »māranāʾ« (»unser Herr«) angerufen und um seine unsichtbare Gegenwart beim Mahl selbst und um sein baldiges sichtbares
Plinius, Ep. 10,96,7 (BSGRT, 356,11–21 ed. Schuster / Hanslik). M. Hengel, Christuslied, 383 = KS IV, 235; siehe H. Lietzmann, Kleine Schriften III, 48–53.54 f. 398 Typisch noch IgnSm 8,2: Es handelt sich noch um keine Agapefeier, sondern um das sakramentale Herrenmahl, das nicht ohne Bischof gefeiert werden durfte. 399 Did 9,1 ff.: περὶ δὲ τῆς εὐχαριστίας mit den Eucharistiegebeten: Am Anfang stehen in c. 9 die ganz altertümlichen Gebete über dem Kelch und dem zerteilten Abendmahlsbrot, darauf folgt noch die Mahlzeit (9,5) mit Dankgebet am Schluß (10,1–4). Aber es ist keineswegs sicher, daß die Reihenfolge der Gebete die Abfolge des Gottesdienstes widerspiegelt! 400 1 Kor 11,17–34; vgl. das Stichwort »Liebesmahl« (ἀγάπη) und die Polemik gegen Gegner im relativ späten Judasbrief (V. 12). 401 Der Begriff stammt aus dem Septuaginta-Psalter als Übersetzung für rinnāh bzw. śāśôn. Vermutlich wurden bei der Feier Freuden‑ und Dankpsalmen gesungen, die man messianisch deutete. 402 1 Kor 11,26: ἄχρι οὗ ἔλθῃ. 403 M. Hengel, Abba, 161 ff. = KS IV, 512 ff. 396 397
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
81
Kommen »in Macht«404 gebeten. Die geistliche Gegenwart des Herrn in den Elementen schafft Gemeinschaft mit dem verklärten Leib des Erhöhten und konnte als »geistliche Speise« und »geistlicher Trank« verstanden werden, die durch den Vollzug der Feier die zerstreuten Gemeinden zu einer Einheit zusammenschließen.405 Diese Gegenwart des erhöhten Herrn macht das Mahl zu einem »sakramentalen« Geschehen. Die Entwicklung in diese Richtung beginnt schon früh durch die unaufhebbare Relation der Gemeinde zu ihrem auferstandenen Herrn. Der Gebetsruf »māranāʾ tāʾ« deutet auf einen engen Zusammenhang der frühen Mahlfeier mit der Ausbildung der frühesten Erhöhungschristologie in der Urgemeinde hin: Der zur Rechten Gottes Erhöhte wird als »unser Herr« angerufen und – um es noch einmal zu betonen – um sein (baldiges) Kommen gebeten.406 Dieser aramäische Ruf war für die sich ausbreitende Gemeinde so wichtig, daß ihn Paulus in seinen Missionsgemeinden beibehielt. Dasselbe gilt – wir haben schon darauf hingewiesen – für den Ruf »ʾabbāʾ«. Wir begegnen dem μαράνα θά nochmals in der Didache und davon abhängig in den Apostolischen Konstitutionen.407 Erst bei Justin um 150 n. Chr. finden wir die fest gewordene Einheit zwischen einem Wortgottesdienst, der sich an die synagogale Form anschließt, und der darauffolgenden Eucharistie. Diese Gestalt wird jedoch wesentlich älter gewesen sein und hatte schon überregionalen Charakter: Was in den Gemeinden selbstverständlicher Brauch war, wurde in der uns erhaltenen frühchristlichen Literatur in der Regel einfach vorausgesetzt und nur in Konfliktfällen, z. B. beim Abendmahl in Korinth, diskutiert.408 Doch zurück zu den Anfängen: Lietzmann und Lohmeyer vermuteten in bezug auf die beiden verschiedenen Mahltypen in der Urgemeinde zunächst lediglich ein einfaches Brotbrechen in enthusiastischer Freude (Apg 2,42.46) und in der paulinischen Darstellung der sakramentalen Mahlfeier in 1 Kor 10,16 ff. Vgl. Mk 9,1 par.; siehe unten S. 98. Die »geistliche« Gegenwart des Herrn in den Elementen, dem »Brot« und dem »Kelch des Herrn« (1 Kor 11,27), und sein zukünftiges Kommen stehen nicht zueinander im Gegensatz. U. Mittmann-Richert, Erinnerung, 266, sieht dagegen einseitig »die Selbstvergegenwärtigung Christi beim Mahl« allein durch das Wort, den »Zuspruch der Sündenvergebung« in der Zitierung des Wortes Jesu »im Akt der Verkündigung an die Gemeinde« (Hervorhebung im Original). 405 1 Kor 10,3 f.16 ff., vgl. 11,27–31; vgl. auch Röm 12,5; später dann in Did 9,4; 10,5 (siehe dazu unten S. 84 ff.) die Bitte um die endzeitliche Sammlung der Kirche im Reich Christi in den Mahlgebeten. 406 Siehe unten S. 101 Anm. 38. 407 1 Kor 16,22; Did 10,6 = ConstAp 7,26,5 (414 ed. Funk, Paderborn 1905); die griechische Übersetzung ἔρχου κύριε Ἰησοῦ in Apk 22,20 zeigt, daß der Ruf als Imperativ zu übersetzen ist, nicht als Indikativ Perfekt »unser Herr ist gekommen«. H.-P. Rüger, Art. Aramäisch II, TRE 3 (1978), 602–610 (607); J. A. Fitzmyer, Kyrios and Maranatha, 223–228; M. Hengel, Abba, 162 = KS IV, 513. Vgl. auch ActThom 49 (Lipsius II/2, 166; NTApo II5, 323), dazu A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft, 212 Anm. 117. 408 Zum Gottesdienst bei Justin siehe 1 Apol. 67 (SC 507, 308–312 ed. Munier); vgl. dazu oben S. 74 Anm. 371 und S. 76 Anm. 382; M. Hengel, Evangelien, 69 f.197 f.207. 404
82
I. Die Urgemeinde
und 11,23–26 eine wesentlich spätere Entwicklung. Das heißt, es habe sich hier um zwei ursprünglich völlig verschiedene Mahltypen gehandelt. Der Typ der Apostelgeschichte gehe auf die Urgemeinde in Jerusalem zurück und knüpfe an die Mahlgemeinschaft Jesu mit den Jüngern an, während der paulinische sakramentale Typus stärker hellenistisch beeinflußt sei. Nach Lietzmann409 habe Paulus die Mahlfeier darum nicht auf den irdischen Jesus, sondern in 1 Kor 11,23 auf eine direkte Christusoffenbarung zurückgeführt. Lohmeyer410 sah in der einfachen Form den galiläischen Typus und in der paulinischen Fassung, die mit den Mahlberichten der Synoptiker zumindest teilweise übereinstimmt,411 die spätere jerusalemische Form. Eine derartige Aufteilung läßt sich jedoch historisch-geographisch nicht begründen, vermutlich waren beide Typen in der Urgemeinde zu verschiedenen Zeiten nebeneinander vorhanden: Das eine war die tägliche gemeinsame Mahlzeit, bei der nur »das Brot gebrochen«, jedoch in der Regel kein Wein getrunken wurde. Das andere hingegen war das ganz besondere Erinnerungsmahl an die letzte Passanacht Jesu mit seinen Jüngern, das man wahrscheinlich zunächst nur jährlich gefeiert hat. Vermutlich hatten die »Einsetzungsworte« und das Gedenken an Jesu Handeln beim letzten Mahl am Anfang ihren Sitz in dieser urchristlichen Passafeier und wurden hier in der Erwartung der Parusie liturgisch geformt. Von dort wurden sie in die Feier des Herrenmahls übernommen, das man am Tag der Auferstehung, am Sonntag, feierte.412 Während die gemeinsamen Mahlzeiten ohne Einsetzungworte und Eucharistie als bloße Erinnerung an die Tischgemeinschaft mit Jesus allmählich zurücktraten – sie waren eigentlich nur in der Urgemeinde in Jerusalem als Ausdruck der lebendigen Erinnerung und der κοινωνία, der Gütergemeinschaft, sinnvoll –, rückte die Abendmahlsfeier als »Herrenmahl« in die Mitte des gottesdienstlichen Lebens. Dies gilt dann auch für die späteren griechischsprachigen Missionsgemeinden außerhalb Palästinas. Fassen wir den Überblick über die historische Entwicklung noch einmal zusammen: Wenn Lukas immer vom einfachen »Brotbrechen« spricht, so gehört dies zu seiner Tendenz einer bewußt »archaisierenden« Darstellung, die an der ursprünglichen Jerusalemer κοινωνία orientiert ist. Er selbst hat ja zum Wochenfest 57 n. Chr. als Reisebegleiter des Paulus Jerusalem besucht und konnte sich dort informieren. Die markinische Fassung der Abendmahlsworte mag dagegen auf Petrustradition zurückgehen.413 Lukas vermittelt zwischen der petrinischen und der paulinischen Version. Das heißt, daß man nach Ostern das »Brotbre H. Lietzmann, Messe, 251–255. E. Lohmeyer, Das Abendmahl; ders., Vom urchristlichen Abendmahl. 411 Mk 14,22 ff. = Mt 26,26–28, vgl. Lk 22,19 f. und auch Joh 6,51–58. 412 Siehe dazu A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft, 214 f. und oben S. 79. 413 So wie die ganze markinische Passionsüberlieferung, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 580 f.590. 409 410
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
83
chen« zunächst ohne Wein in eschatologischer Freude und in der Erinnerung an die Mahlgemeinschaft mit Jesus bei jeder gemeinsamen Mahlzeit vollzog, wobei die irdische κοινωνία der Gemeinde beim Mahl zugleich als Ausdruck der »geistlichen« Gemeinschaft der Versammelten mit ihrem Herrn und als Ausblick auf das kommende Mahl in der Gottesherrschaft verstanden werden konnte. Die Eucharistiefeier enthielt dagegen ein regelmäßiges Gedenken an das letzte Passamahl Jesu und damit an seinen blutigen Tod am Kreuz und fand in größeren Abständen statt. In ihr wurde wohl die Handlung Jesu wiederholt, als Zueignung seines stellvertretenden Todes »für euch« gedeutet und damit »der Tod des Herrn verkündigt« (1 Kor 11,26). Sie geschah schließlich am »Herrentag«, der als Tag der Auferstehung auch einen österlichen Schwerpunkt besaß und der in den überwiegend heidenchristlichen Missionsgemeinden, das heißt außerhalb Palästinas, relativ bald den Sabbat verdrängte.414 In diesen Missionsgemeinden fielen dann beide Feiern zusammen, wobei man in analoger Weise wöchentlich feierte und den ersten Tag nach dem Sabbat die κυριακὴ ἡμέρα nannte. Spätestens zu Beginn des 2. Jahrhunderts trennten sich dann die sakramentale Eucharistie und das Sättigungsmahl der Agape. Eine besondere Rolle behielt die jährliche Gedenkfeier des Osterpassa. Die christliche Passafeier der Judenchristen in Palästina vollzog sich nicht mehr als Passaopfer im Tempel und als gemeinsames Essen des Passalammes; vermutlich kam man zum gemeinsamen Fasten für Israel zusammen, während das übrige Volk das Passalamm aß, bis zum Hahnenschrei um 3 Uhr, und blieb so lange beieinander. Wie teilweise auch im Judentum, so wurde wohl in der Passanacht der kommende Herr erwartet. Eine besondere Rolle spielte dabei der letzte Hallelpsalm 118,25–28 als liturgische Antizipation der Parusie des Messias, ausgedrückt durch die Beracha »Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!«, der der Hosannaruf vorausging.415 In Kleinasien wurde die Passanacht gemäß dem jüdischen Festkalender noch gegen Ende des 2. Jahrhunderts durch Fasten und Gebet gefeiert416 und führte dort zum Osterstreit mit Bischof Viktor von 414 Das ist schon bei Paulus der Fall: Gal 4,10; Röm 14,5 f.; Kol 2,16; vgl. später die Polemik in IgnMagn 9,1; Barn 2,5 u. ö. 415 Ps 118,25a: ʾānnāʾ JHWH hôšîʿāh-nāʾ, aramäisch: hôšaʿnnā. Die gräzisierte Fassung des Gebetsrufes aus Ps 118,25 (ὡσαννά) findet sich nur in christlichen Quellen. Sie erscheint in der Tradition des Einzugs in Jerusalem (Mk 11,9 f.; Mt 21,9.15; Joh 12,13, vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 554), in Did 10,6 und im Munde des Volkes als lobpreisende Antwort auf das Bekenntnis des Jakobus zum zur Rechten Gottes thronenden Menschensohn in der Schilderung des Martyriums des Jakobus bei Hegesipp (siehe Euseb, H. e. 2,23,12 ff. [GCS Eusebius II/1, 168,20–170,7 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]; zitiert unten S. 502 bei Anm. 48); vgl. weiter Irenäus, Adversus haereses 4,11,3 (SC 100, 502–506 ed. Rousseau / Hemmerdinger / Doutreleau / Mercier); ConstAp 7,26,5; 8,13,13 (414.516 ed. Funk, Paderborn 1905). Siehe dazu M. Hengel, Abba, 161–171 = KS IV, 512–522. 416 Paulus setzt in der überwiegend heidenchristlichen Gemeinde in Korinth die Kenntnis der jüdischen Passariten voraus. Sie wurden symbolisch gedeutet: 1 Kor 5,6 ff. Nach Apg 20,5 f.
84
I. Die Urgemeinde
Rom, der die Passapraxis der Kirchen zugunsten der Feier des Ostersonntags vereinheitlichen wollte.417 In Kleinasien wirkte die johanneische Tradition vom Tode Jesu am Rüsttag zum Passafest nach.418 In der Didache, Kapitel 9 und 10, sind uns aus dem Sonntagsgottesdienst419 zwei alte Mahlgebete und ein Schlußgebet erhalten, die von ihrem Inhalt her auf palästinische Herkunft hinweisen und die zu den Elementen gesprochen wurden. Zunächst über den Wein: »Wir danken dir, unser Vater, für den heiligen Weinstock Davids, deines Knechts, den du uns durch Jesus, deinen Knecht (τοῦ παιδός σου), kundgetan hast. Dir sei Ehre in Ewigkeit.« (Did 9,2)
Wir stoßen hier auf eine altertümliche παῖς-θεοῦ-Christologie, die auch in den Petrusreden der Apostelgeschichte und dem großen Kirchengebet im 1. Clemensbrief erscheint.420 Dann folgt das Gebet über das gebrochene Brot: verbringen Paulus und Lukas die Tage des Mazzotfestes in Philippi, vermutlich um dort das Passafest in der Gemeinde zu feiern, während die Mehrzahl der Reisebegleiter schon zuvor nach Troas abgereist ist. Lukas folgt wie Paulus dem jüdischen Festkalender. Nach Apg 12,3 wird Petrus nach der Hinrichtung des Zebedaïden Jakobus zur Passazeit verhaftet. Nach den Festtagen will Agrippa I. ihm den Prozess machen (Apg 12,1–4). In EpAp 15 (26) (ed. C. Schmidt / I. Wajnberg, Gespräche Jesu, 52 ff.; Übersetzung: C. D. G. Müller, Epistula Apostolorum, in: AcA I/2, 1071) feiert die Gemeinde das Passa als Gedenktag des Todes Jesu, während Petrus im Gefängnis ist. Petrus wird jedoch durch ein Wunder befreit, um bis zum Hahnenschrei mitzufeiern. Vermutlich wurde die Gebetsversammlung im Haus der Maria, Mutter des Johannes Markus (Apg 12,12–17), als nächtliche Passafeier verstanden, an der Petrus durch seine zeitweilige Befreiung teilnehmen konnte, und die Erzählung entsprechend legendär ausgestaltet. 417 Euseb, H. e. 5,23 ff. (GCS Eusebius II/1, 488,6–498,6 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann) mit dem Brief des Bischofs Polykrates von Ephesus an Viktor in Rom. Siehe dazu W. Huber, Passa und Ostern, 3 ff.11 ff.; M. Hengel, Johanneische Frage, 20.24.33–37. 418 Joh 19,14, vgl. 18,28. Nach Johannes stirbt Jesus in der Stunde am Kreuz, in der im Tempel die Passalämmer geschlachtet werden. Er ist das Passalamm (vgl. Joh 1,29.36). Die synoptische Chronologie und Datierung des Todes Jesu ist die historische, die johanneische Datierung die »theologische« und christologisch bedingt – nicht umgekehrt. Siehe dazu M. Hengel, Schriftauslegung des 4. Evangeliums, 271 = KS V, 625; ders., Johanneische Frage, 190 f.200.281. Zur Chronologie der letzten Tage siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 555 ff.582–586 und 739 Index s. v. »Passafest«, »Passamahl, letztes« und »Passionsgeschichte«. 419 Vgl. Did 14,1: κατὰ κυριακὴν (ἡμέραν) δὲ κυρίου; hier auch der Hinweis: Vor der Feier sollen Sünden bekannt werden und streitende Gemeindeglieder sich versöhnen. Das »Opfer«, θυσία, soll »rein« dargebracht werden. 420 Apg 3,13.26; 4,27.30; vgl. 1 Clem 59,2 ff.: Liturgische Texte haben solche christologischen Formeln am besten erhalten, siehe unten S. 107. Vgl. dazu H. Löhr, Gebet, 312–334: »Die Bezeichnung παῖς für Jesus Christus ist in der frühchristlichen Literatur selten, dürfte jedoch in die älteste Tradition zurückreichen. Auffällig bleibt der Befund, dass die Bezeichnung sich besonders oft in Gebeten findet« (334). Diese Verwendung von παῖς θεοῦ zeigt wieder die Vorliebe des Lukas für eine »altertümliche Sprache«. Sonderbar ist, daß »Sohn Gottes« in der Schilderung der Urgemeinde (Apg 1–8) überhaupt nicht erscheint, dagegen viermal die Bezeichnung »Gottesknecht« für Jesus. Erst in 9,20 predigt Paulus in den Synagogen von
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
85
»Wir danken dir, unser Vater, für das Leben und die Erkenntnis, die du uns durch Jesus, deinen Knecht (τοῦ παιδός σου), kundgetan hast … Gleichwie dieses Brot zerstreut war auf den Bergen und gesammelt wurde und zu einem Brot wurde, so soll deine Gemeinde gesammelt werden von den Enden der Erde in dein Reich. Denn dir ist die Herrlichkeit und die Kraft durch Jesus Christus in Ewigkeit.« (Did 9,3 f.)
Am Ende der gemeinsamen Mahlzeit folgt noch ein ausführlicheres Dankgebet, in dem Gott »dem heiligen Vater« für die Offenbarung von »Erkenntnis, Glaube und Unsterblichkeit«, die er durch seinen »Knecht Jesus« mitgeteilt hat, gedankt wird. Die zweite Danksagung richtet sich an den »Herrn, Pantokrator421 und Schöpfer«, das heißt an Gott selbst, für die Gabe der geistlichen Speise und des Tranks, »die du uns durch Jesus, deinen Knecht, geschenkt hast«. Die dritte Bitte gilt der Kirche (ἐκκλησία), ihrer Bewahrung, Vollendung und Sammlung aus den vier Himmelsrichtungen in Gottes Reich. Die Nichtgetauften sollen unter Berufung auf Mt 7,6 nicht zugelassen werden. Die Sprache setzt die Verwendung der Septuaginta voraus und ist original Griechisch. Da es sich – vom Vaterunser abgesehen – um das erste liturgisch fest vorgeschriebene Gebetsformular422 handelt, sollte man diese Gebete auch nicht zu früh ansetzen. Martin Dibelius hat gleichwohl gezeigt, wie sie durch alte jüdische Vorlagen geprägt sind, das heißt, sie sind relativ frühen judenchristlichen Ursprungs.423 Freilich deutet der Hinweis auf die Sammlung der Gemeinde von den Enden der Erde, der in den jüdischen Vorbildern auf die Diaspora bezogen war, auf eine urchristliche Mission hin, die längst die Grenzen Palästinas überschritten hatte. So können diese Gebete nicht in der ältesten Gemeinde entstanden sein. Sie gehen aber auf judenchristliche, griechischsprachige Gemeinden noch im 1. Jahrhundert zurück. Ganz am Schluß steht der eschatologische Ausblick in der Form enthusiastischer Rufe: »Es komme die Charis,424 und es vergehe diese Welt. Hosanna dem Gott425 Davids. Wenn einer heilig ist, der komme; ist er es nicht, der tue Buße. Maranatha. Amen.«426 Damaskus Jesus als den »Sohn Gottes«. Sonst findet sich dieser Titel nur noch wieder im Mund des Paulus in Apg 13,33 in einem Zitat von Ps 2,7. Zum Gottesknecht in der Apostelgeschichte siehe R. Grenz, Jesaja 53, passim und besonders 184–281. 421 Παντοκράτωρ ist in der Septuaginta vor allem das Äquivalent für ṣebāʾôt, im Neuen Testament finden wir es nur als Zitat in 2 Kor 6,18 und häufig in der Apokalypse als Bezeichnung für Gott selbst. 422 Ein ausführliches, weithin jüdisch klingendes, freilich nicht fest vorgeschriebenes Gebetsformular finden wir am Ende von 1 Clem 59–61; siehe dazu H. Löhr, Gebet, vor allem 40–46 zu den Mahlgebeten. 423 M. Dibelius, Mahlgebete. 424 Koptische Fassung: ὁ κύριος. Vielleicht Verlesung von K¸C¸ in X¸C¸. 425 Koptische Fassung: »Haus Davids«. ConstAp 7,26,5; vgl. 8,13,13 (414.516 ed. Funk, Paderborn 1905) hat statt »Gott Davids« »Sohn Davids«. Letzteres ergäbe einen besseren Sinn: Vielleicht wurde ein Υ¸Ω¸Ι¸ in Θ¸Ω¸Ι¸ verlesen. G. Schöllgen, Didache, 125 Anm. 112, hält beides für »lectiones faciliores«. 426 Did 10,6; ConstAp 7,26,5 (414 ed. Funk, Paderborn 1905); das gräzisierte ὡσαννά, das
86
I. Die Urgemeinde
Auf die Einsetzung des Mahls durch Jesus wird nicht Bezug genommen, der Tod und die Auferstehung Jesu werden nicht erwähnt. Der Begriff εὐχαριστία könnte hier noch die ursprüngliche Bedeutung der »Danksagung« bzw. des gemeinsamen Mahles in der Erinnerung an die Tischgemeinschaft mit Jesus haben und erinnert damit an die jüdischen Todamahle.427 Die Texte der Didache erscheinen wie letzte Ausläufer des alltäglichen Brotbrechens in der Urgemeinde. Daß auf die Einsetzung beim letzten Mahl Jesu und seinen Sühnetod nicht Bezug genommen wird, könnte mit der »Arkandisziplin« in den Gemeinden zusammenhängen. Der Abendmahlsritus wurde ja im 2. Jahrhundert von heidnischer Seite als »thyesteische Mahlzeit«, das heißt als Kannibalismus, diffamiert.428 Der Bezug zur »großkirchlichen« Abendmahlsfeier bleibt im Grunde ein Rätsel, das sich nicht mehr lösen läßt.429
1.5.3 Das Problem des urchristlichen Wortgottesdienstes430 Die Mahlfeiern waren in der Regel verbunden mit den Wortgottesdiensten. Lukas umschreibt das in Apg 2,42 mit διδαχὴ τῶν ἀποστόλων und dem Plural προσευχαί, das heißt mit Predigt bzw. Lehre und Gebet, wobei das Lied, das sich in der Form an die verbreitete jüdische Psalmendichtung anlehnte, wohl mit eingeschlossen ist. Die äußere Form des Wortgottesdienstes war jedoch zunächst sehr frei.431 Eine feste Gottesdienstordnung in Anlehnung an den Synagogengottesdienst wird uns erst durch Justin um 150 n. Chr. bezeugt. Sie mag freilich viel älter sein und kann, da die römische Gemeinde aus der dorsich nur in den christlichen Quellen findet, und das μαράνα θά gehören zusammen und weisen auf die aramäischsprachige Urgemeinde zurück. Siehe dazu M. Hengel, Abba, 153 ff. = KS IV, 504 ff. u. ö. 427 Siehe dazu H. Gese, Ps 22 und das Neue Testament. 428 Siehe dazu M. Hengel, Mahl, 136 Anm. 87 = KS IV, 472 Anm. 87 im Anschluß an W. Schäfke, Widerstand, 591 f.: Selbst Porphyrios zieht zum Vergleich der ihm unverständlichen Eucharistie »die thyesteische Mahlzeit heran« (592). 429 Auch der Mahlbericht Lk 22,19b–20 ist in frühen Handschriften des 2. Jahrhunderts weggelassen worden. Die Einsetzungsworte lassen sich auf keinen Fall als spätere »Erfindung« einer »hellenistischen Gemeinde« erklären. Zur Verwendung und Bedeutung der Einsetzungsworte in der ältesten Beschreibung des christlichen Gottesdienstes bei Justin, 1 Apol. 66,2 f. (SC 507, 306 ed. Munier), siehe H. Löhr, Gebet, 427–435 (433 f.); ders., Worship, 211–229; weiter zum eucharistischen Gottesdienst im 2. und 3. Jahrhundert: C. Markschies, Theologie, 146–213 (zu den Einsetzungsworten: 156.169; zur Didache: 160–166). Vgl. zu den Einsetzungsworten auch H.-U. Weidemann, Taufe, 106–109.115. 430 Vgl. dazu R. Knopf, Zeitalter, 222–252; R. Deichgräber, Gotteshymnus; G. Delling, Wort; M. Hengel, Hymnus = KS IV, 183–204; ders., Christuslied = KS IV, 205–258; J. C. Salzmann, Lehren; vgl. C. Markschies, Theologie, 143–150.166 f. u. ö.; H. Löhr, Christian Hymnody. 431 In dem Gottesdienst in Troas, den Lukas als Augenzeuge in Apg 20,7–12 schildert, ist das »Brotbrechen« von der ausgedehnten Lehre des Paulus gerahmt.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
87
tigen Synagoge herausgewachsen ist, auf die ersten Anfänge zurückgehen.432 Bei Paulus in Korinth dagegen begegnen wir einer recht freien, ungebundenen Form des Gottesdienstes, der ganz unter dem spontanen Wirken des Geistes steht und durchaus enthusiastischen Charakter besitzt. Paulus muß daher dort in 1 Kor 14 das hochgeschätzte unartikulierte Zungenreden im Gottesdienst verbieten, wenn die glossolalische Rede nicht übersetzt wird und niemand mehr die gesprochenen Worte versteht, weil die Gemeinde dadurch nicht erbaut wird. Darum untersagt er auch das Durcheinanderreden von mehreren Profeten. Es muß sich hier nicht um exklusive Phänomene der griechischsprachigen Missionsgemeinde handeln. Man wird dieses freie Wirken des Geistes schon für die frühen Gottesdienste der palästinischen Gemeinden annehmen können, dort waren ja noch die Dynamik der eschatologischen Geisterfahrung nach der Auferstehung Jesu und die Erinnerung an sein Wirken ganz elementar wirksam. Auch Lukas bezeugt für die Urgemeinde die Bedeutung der Glossolalie als freie Manifestation des Geistes.433 Der »Geist-Enthusiasmus« war schon in Jerusalem wirksam. Die Gefahr völliger Zügellosigkeit, wie sie uns in Korinth begegnet und der Paulus wehren mußte, wurde freilich durch die Lehrautorität der Zwölf bzw. des weiteren Kreises der Apostel sowie durch die jüdische Bindung an Selbstzucht und Ordnung eingeschränkt. Der Gottesdienst hatte jedoch zunächst nach allem, was wir wissen, keine klar erkennbare, fest gebundene Form wie der Synagogengottesdienst; dieser könnte jedoch auf die Dauer den christlichen Wortgottesdienst, etwa in Rom, aber auch an anderen einflußreichen Orten, beeinflußt haben. Justin setzt die generelle Gültigkeit des von ihm geschilderten zweiteiligen Gottesdienstes voraus. Konstitutiv waren für ihn vom Inhalt her folgende Komponenten: 1. Das Gebet,434 wozu auch der Hymnus und der Lobpreis zu rechnen sind. Von einer festgeprägten und geordneten Liturgie kann man noch kaum reden, sie hat sich erst langsam herausgebildet.435 Gebete und Hymnen werden vielmehr für den Gottesdienst auch frei und spontan formuliert worden sein,436 wobei man natürlich auf das ältere jüdische Gebetsgut und die Sprache der Psalmen 432 Justin, 1 Apol. 65–67 (SC 507, 306–312 ed. Munier); siehe dazu M. Hengel, Evangelien, 197 ff.: Justin erwähnt Gebete und Lesung von Evangelien oder Profeten (= Altes Testament). Zu den Anfängen der römischen Gemeinde siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 389 ff.; vgl. unten S. 97 Anm. 19 und S. 300 f. 433 Apg 2,4; 10,44 ff. 434 Siehe die gründliche Arbeit von K. Ostmeyer, Kommunikation; vor allem zu Paulus: 40–117; zu Lukas und zur Apostelgeschichte: 210–316; und die Zusammenfassung: 364–373. 435 Eine Ausnahme wird das Vaterunser dargestellt haben; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 391.417 f.457 f.; und zu den Mahlgebeten der Didache oben S. 84 ff. Man sollte daher im Neuen Testament nicht zu viele »Taufliturgien« und festgeformte »Bekenntnisse« vermuten. 436 Siehe Apg 2,42: προσκαρτεροῦντες … ταῖς προσευχαῖς; 2,46: die Mahlzeiten ἐν ἀγαλλιάσει; 2,47: αἰνοῦντες τὸν θεόν; dazu M. Hengel, Hymnus, 19 = KS IV, 201 f.; ders.,
88
I. Die Urgemeinde
zurückgreifen konnte. Die Hinweise auf dieses freie Gebet in seinen verschiedenen Formen sind sehr zahlreich. Dies gilt vor allem für Dank und Fürbitte. Die Grundelemente stammten aus der jüdischen Gebetssprache: das traditionelle gemeinsame Amen437 nach dem Gebet, vielleicht der Halleluja-Ruf,438 die Doxologien, Eulogien oder die Charisformeln, wie sie uns etwa in den Briefeingängen der Paulusbriefe begegnen,439 weiter die auffallenden aramäischen Formeln, wie sie selbst noch in den griechischsprachigen Missionsgemeinden verwendet werden: so das Maranatha, weiter der Abba-Gebetsruf (Gal 4,6 und Röm 8,15), der dem Gebet Jesu in Mk 14,36 entspricht. Auffallend ist, wie selbstverständlich Paulus dies in ganz verschiedenen Gemeinden voraussetzt, den von ihm begründeten (süd‑)galatischen und der von ihm unabhängigen in Rom. Auch das Vaterunser begann mit dieser in zeitgenössischen jüdischen Quellen ungewöhnlichen Gottesanrede.440 Weiter wird man die aramäische hôšaʿnnā-Akklamation aus Ps 118 (gräzisiert ὡσαννά) dazurechnen dürfen.441 Ein ausführliches Gebet, das aus der griechischsprachigen Synagoge stammt und in nur leichter christlicher Abänderung überliefert ist, finden wir am Ende des 1. Clemensbriefes (c. 59–61):442 In diesen Formeln wird wieder die von uns mehrfach beobachtete Kontinuität zwischen Jesus und der Urgemeinde sichtbar. Vermutlich war diese Kontinuität in den petrinischen Gemeinden außerhalb Palästinas noch stärker als in den überwiegend heidenchristlich-paulinischen Missionsgemeinden. Eine besondere Bedeutung erhielten alttestamentliche Psalmen, die messianisch oder auf die Passion Jesu hin gedeutet werden konnten wie Ps 2, 8, 22, 45, 69, 89, 110, 118 u. a.; sie werden schon in der Urgemeinde die eigene messianische Psalmendichtung angeregt haben. Reste davon sind im Magnifikat, Benediktus und Nunc Dimittis der lukanischen Vorgeschichte erhalten.443 Christuslied, 403 = KS IV, 257 f. Zu den Gebeten und dem Singen werden nicht zuletzt messianisch gedeutete Psalmen gehört haben. 437 Es ist schon in den echten Paulusbriefen häufig: Röm 1,25; 9,5; 11,36 u. ö. nach Gebetsformeln und Doxologien; christologisch gedeutet 2 Kor 1,20; Apk 3,14. 438 Er erscheint freilich im Neuen Testament nur viermal (Apk 19,1.3 f.6) und fehlt auch bei den Apostolischen Vätern und den frühen Apologeten. Er mag durch den Psalter, wo er ab Ps 104,35 (LXX 104,1) häufig begegnet, in die christliche Hymnendichtung eingedrungen sein. Siehe M. Hengel, Abba, 147 f. = KS IV, 498 f. 439 Siehe R. Deichgräber, Gotteshymnus, 24 ff. 440 Siehe dazu M. Hengel, Abba, 173–179 = KS IV, 524–530; und M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 417 f. Eine Ausnahme bildet dann das späte Targum zu dem messianischen Ps 89,27. 441 Ps 118,25; siehe M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 552 ff. Wir finden die griechische Form nur in christlichen Texten, siehe oben S. 83 Anm. 415. Siehe M. Hengel, Abba, 164 ff. = KS IV, 515 ff. 442 Siehe dazu die große Arbeit von H. Löhr, Gebet; vgl. M. Hengel, Abba = KS IV, 496–534. 443 Siehe dazu U. Mittmann-Richert, Magnifikat. Diese »christologischen« Psalmen mögen einen Einfluß auf die Ausgestaltung der Christologie ausgeübt haben, denn die »mes-
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
89
2. Neben Gebet und Lied trat die Wortverkündigung. Sie geschah wieder auf vielfältige Weise durch Aufnahme und Ausgestaltung der Jesusüberlieferung, spontane geistgewirkte Profetenrede und ihre Prüfung und Deutung, durch messianisch-eschatologische Auslegung alttestamentlicher Texte in der Form des Schriftbeweises und – nicht zuletzt – durch paränetische Predigt. Eine wichtige Rolle spielten gewiß auch das offene Gespräch und die Diskussion in Frage, Gegenfrage und Antwort.444 Diese Vielfalt findet am Ende in griechischer Sprache ihren Niederschlag in den Schriften des Neuen Testaments. In den Paulusbriefen erwecken manche Teile den Eindruck von Zusammenfassungen größerer Lehrvorträge, vor allem im Römerbrief, der an eine dem Apostel fremde, schon früh wohl von Jerusalem aus gegründete Gemeinde gerichtet war und nicht wenige alte Formeln enthält, die auf die Urgemeinde zurückweisen.445 Auch die Glossolalie und ihre »Übersetzung« in verständlichen Klartext wird schon in der Jerusalemer Urgemeinde als »Sprache der Engel«446 geübt worden sein. Man deutete sie vermutlich schon dort von Jes 28,11 f. her.447 Nichts spricht dafür, daß der Gottesdienst im jüdischen Palästina – abgesehen von der Sprachenfrage – so völlig anders ausgesehen hat als in den Missionsgemeinden der Hellenisten, die ja aus Jerusalem vertrieben worden waren.448 Man war schließlich in ständigem gegenseitigen Kontakt und aufeinander angewiesen. sianische Poesie« konnte als besonderes Gestaltungsmittel des Geistes erscheinen. Siehe M. Hengel, Christuslied, 403 f. = KS IV, 257 f. Es ist auffallend, daß die urchristlichen Lieder und Hymnen die aus dem jüdischen Psalter der Septuaginta abgeleitete, im Grunde ungriechische Bezeichnung ψαλμός (ca. 40mal als Übersetzung von mizmôr) beibehielten, siehe 1 Kor 14,26; Kol 3,16; Eph 5,19. Das Wort erhält nur im Alten Testament die Bedeutung »(Lob‑)Lied«, im griechischen bedeutet es Saitenspiel bzw. das dazu gesungene Lied. Vgl. auch Euseb, H. e. 5,28,5 (GCS Eusebius II/1, 500,24 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann) zu den Christuspsalmen im 2. Jahrhundert. Selbst Valentin nennt seinen Schöpfungshymnus einen Psalm: Hippolyt, Refutatio omnium haeresium 6,37,6 (PTS 25, 252,29 ed. Marcovich). Siehe dazu M. Hengel, Hymnus, 1 f. = KS IV, 185 f.; C. Markschies, Valentinus, 225 f.: Valentin wollte sich mit der Wahl dieser Bezeichnung »bewußt in biblische Traditionen stellen« (226). 444 Apg 19,9: Paulus in Ephesus in der »Schule des Tyrannos«; 20,7: in Troas vor der Eucharistie. 445 M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 389–394. Zu den Anfängen der christlichen Gemeinde in Rom siehe Sueton, Claudius 25,4 (Cambridge Greek and Latin Classics, 44 ed. Hurley); ferner unten S. 174 bei Anm. 24 und S. 301 bei Anm. 34. 446 1 Kor 13,1: ταῖς γλώσσαις … τῶν ἀγγέλων; 2 Kor 12,4: ἄρρητα ῥήματα. Die Sabbatlieder aus Qumran beschreiben den himmlischen Gottesdienst und Lobpreis der Engel in »Zungen«, der von verständlicher Rede übergeht in »wunderbare« ()פלא, nicht mehr beschreibbare Sprache und in heiliges Schweigen. Vgl. dazu A. M. Schwemer, Gott als König, 86 ff.108; siehe den Forschungsbericht von B. Ego, Gottesdienst der Engel, 886–901; zuletzt J. Frey / M. Jost, Gottesdienst, 1–21. 447 Siehe dazu Paulus in 1 Kor 14,21; vgl. D.-A. Koch, Schrift, 63–66.111 f.122 f. Der Text wurde nicht erst durch Paulus entdeckt: »Paulus setzt … eine überarbeitete, … an den hebräischen Text angeglichene LXX-Fassung voraus« (66). 448 Apg 8,1–4, vgl. 9,1 f., siehe unten S. 163–167.
90
I. Die Urgemeinde
Freilich war, im Gegensatz zum Synagogengottesdienst, in den urchristlichen Versammlungen nicht mehr die Tora des Mose beherrschend, vielmehr traten die profetischen Schriften, vor allem Jesaja und die Psalmen, gleichberechtigt an deren Seite. Das ganze Alte Testament konnte so als profetische Schriftensammlung auf den Messias hin verstanden werden.449 Die feststehende Lesung alttestamentlicher Texte ist zwar erst relativ spät bezeugt – angedeutet wird sie in 1 Tim 4,13, fest etabliert erscheint sie in Justin, 1 Apol. 67 –,450 doch ist sie für das palästinische Judenchristentum von Anfang an vorauszusetzen. Das völlig Selbstverständliche brauchte nicht mehr besonders erwähnt zu werden. Die »profetischen« Schriften mußten messianisch-eschatologisch auf ihre Erfüllung in Christus hin – angeleitet durch den Geist – gedeutet werden; auch dieser Schriftbeweis diente von Beginn an der missionarischen Argumentation gegenüber einer zumindest teilweise abweisenden, ja oft feindlichen Umwelt. Er hat die Ausbildung einer eigenen urchristlichen Theologie von Anfang an ständig begleitet. Erst recht wird die Jesustradition in der Lehre eine wesentliche Rolle gespielt haben, einmal die »Halacha« Jesu, die als Weisung des Messias im Rang über die Tora des Mose gestellt wurde, so etwa in den »Antithesen« zur Bergpredigt,451 zum anderen die eschatologische Reich-Gottes-Haggada, die Gleichnisse und die apokalyptische Verkündigung Jesu.452 Die Erinnerung an die Streitgespräche Jesu rüstete die Gemeinde zu weiteren Auseinandersetzungen mit ihren Gegnern, die Nacherzählung der Wunderberichte erfüllte sie mit der Gewißheit der Kraft des Erhöhten, die ihr die Zuversicht gab, sein Werk in dieser seiner δύναμις weiterzuführen. Die synoptischen Evangelien gründen letztlich auf der in der gottesdienstlichen Versammlung vorgetragenen mündlichen Jesusüberlieferung. Das früheste Evangelium nach Markus wurde für die Rezitation im Gottesdienst geschrieben.453 Dasselbe mag auch für das erheblich spätere und wesentlich umfangreichere Matthäusevangelium gelten, das im 2. Jahrhundert rasch das führende Evangelium in der Kirche wurde.454 Dieser Wortgottesdienst hatte immer zugleich missionarische Wirkung. In 1 Kor 14,20–25 erzählt Paulus einen entsprechenden Vorgang. Offenbar wurde in diese gottesdienstlichen Versammlungen eingeladen.455 Vermutlich hatte neben dem persönlichen Zeugnis der Wortgottesdienst selbst die größte 449 Siehe dazu M. Hengel, Septuaginta, 43–46 = KS II, 339–342; ders., Schriftauslegung des 4. Evangeliums, 249–258 = KS V, 601–611. 450 SC 507, 308–312 ed. Munier. 451 Zum Problem siehe R. Deines, Gerechtigkeit, 429–434 u. ö. 452 M. Hengel, Paulus und die frühchristliche Apokalyptik, in: KS III, 391–410. 453 M. Hengel, Probleme des Markusevangeliums, 256 = KS V, 467 und das dortige Herder-Zitat. 454 M. Hengel, Evangelien, 126–141.167–171. 455 Vgl. auch in Jak 2,2 f. den vornehmen Besucher, der einen Ehrenplatz erhält.
§ 1 Die Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem
91
missionarische Wirkung. Hinweise auf die Lesung eigener Schriften finden wir in den Paulusbriefen,456 die im Gottesdienst vorgetragen wurden, aber auch in Mk 13,14 (vgl. Mt 24,15, dort wird dagegen der Profet Daniel gelesen) und in Apk 1,3.457 Auch der von Lukas formulierte Brief der »Apostel und Ältesten« in Jerusalem an die Brüder in Antiochia und Kilikien soll in der Gemeindeversammlung verlesen werden.458 Die Kenntnis und der Vortrag der profetischen Schriften wie auch empfangene und versandte Briefe und die ersten schriftlichen Sammlungen von Jesuslogien setzten sehr rasch in den größeren Gemeinden, nicht zuletzt in Jerusalem selbst, den Aufbau einer Gemeindebibliothek bzw. eines Archivs voraus. Lukas mag bei seiner Sammlertätigkeit hier wertvolles Material erhalten haben. Nach der Zerstörung Jerusalems gewinnt die römische Bibliothek besondere Bedeutung.459 Die Verwendung der Jesusüberlieferung für den katechetischen Unterricht der Neugewonnenen zeigt sich in der Formung der Feldrede in Lk 6,20–49 und ihrer Weiterentwicklung in der Bergpredigt Mt 5–7. Eine noch spätere Entwicklungsstufe ist die Zwei-Wege-Lehre der Didache und des Barnabasbriefes, in der sich jüdische Weisheitstradition und vielfältige Jesusüberlieferung verbinden.460 Die relative Freiheit und Formlosigkeit des urchristlichen palästinischjüdischen Gottesdienstes in den oft kleinen Hausgemeinden, der nicht wie der synagogale Gottesdienst – mit mindestens zehn Männern – an eine bestimmte Zahl gebunden war, ergibt sich etwa aus Mt 18,20, einem Logion, das eine auffallende, spätere jüdische Parallele besitzt: »Wo zwei oder drei beisammen sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.« Dieses Wort aus dem Matthäus-Sondergut (um 90–95 n. Chr.) entspricht einer rabbinischen Sentenz: »Wenn zwei beieinandersitzen, und Worte der Tora sind zwischen ihnen, so weilt die Schechina unter ihnen.«461 Da es schon im 2. Jahrhundert ein aramäisches Matthäusevangelium gab, ist es freilich möglich, daß hier das Jesuswort die Ausbildung des Wortes in Mischna Avot beeinflußt hat.462 Sehr rasch erhielt vor allem in Jerusalem, aber auch in den hellenistischen Städten Palästinas und seiner Grenzgebiete, etwa den Städten an der Küste wie Caesarea, die Verkündigung in griechischer Sprache wesentliche Bedeutung, das zeigen die Entstehung und die missionarische Wirksamkeit der Gruppe der So schon im frühesten Brief 1 Thess 5,27; vgl. Kol 4,16. 22,18. 458 Apg 15,23–31. 459 Siehe dazu M. Hengel, Evangelien, 197 ff.231 ff. 460 Did 1–6; Barn 18 ff.; siehe dazu dann K. Wengst, Didache, 20 ff.; vgl. etwa auch die Reihe der Herrenworte im etwas älteren 1. Clemensbrief (1 Clem 13,1–4). 461 mAv 3,2: 3. Jahrhundert n. Chr. Die šekînāh (√škn, »wohnen«) deutet auf die göttliche Gegenwart selbst hin. 462 Sicher erscheint der Einfluß von Evangelientradition auf den späten außerkanonischen Traktat Derekh Eretz Zuta; siehe M. Hengel, Bergpredigt, 355 f. = KS II, 247 f. 456
457 Vgl. Apk
92
I. Die Urgemeinde
»Hellenisten«. Hier mag – vorgegeben durch die synagogale Predigt – auch eine elementare Rhetorik je nach Bildungsniveau Bedeutung erlangt haben. Ihre Rolle in den ersten Jahrzehnten der neuen Bewegung, die ja durch die lebendige Naherwartung zunächst kaum »Literatur« in größerem Maßstab hervorbrachte, sollte freilich nicht überschätzt werden. Die Paulusbriefe mögen hier zunächst eine Ausnahme gewesen sein, die der Einzigartigkeit ihres Autors entsprach.463 Aber auch sie beruhten weithin auf einem Niederschlag seiner Verkündigung und Lehre im Gottesdienst. Er, der »Apostel der Völker« und erste »Theologe« der neuen Bewegung, begründet auch die christliche Literatur.464
Vgl. Apg 4,13: ἄνθρωποι ἀγράμματοί εἰσιν καὶ ἰδιῶται. Siehe auch das Urteil des Paulus über sich selbst in 2 Kor 10,10; 11,6 und seinen Vergleich mit seinen Gegnern. 464 Zum frühen »Christentum als Bildungsreligion« vgl. U. Schnelle, Jahre, 491–495. 463
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre 2.1 Die Ausbildung der Christologie und Soteriologie als »Heilsbotschaft«1 Im Mittelpunkt der neuen Botschaft von der Auferweckung des gekreuzigten Messias Jesus von den Toten durch Gott stehen das Bekenntnis zu diesem Messias und die Gewißheit über das durch ihn gewirkte Heil, die sich jetzt zu einer relativ klar umrissenen »Lehre« ausgestaltete, das heißt zur Christologie und Soteriologie. Beides war von Anfang an untrennbar verbunden. Paulus kann daher seit Beginn seiner missionarischen Wirksamkeit, also seit seiner Lebenswende, den Inhalt seiner gemeindegründenden Verkündigung über Jesu Tod und Auferstehung als »Heilsbotschaft« (εὐαγγέλιον) bezeichnen, die dadurch, daß sie beständigen Glauben wirkt, Rettung im Endgericht bringt und ewige Christus‑ und Gottesgemeinschaft schenkt.2 Er selbst hat dieses εὐαγγέλιον nach seiner Bekehrung und Berufung als Apostel empfangen,3 das heißt doch wohl schon in Damaskus, der ersten Gemeinde, der er sich anschloß. Nach einem anderen Selbstzeugnis empfing er sein »Evangelium« nicht von Menschen, sondern von Christus selbst, mit dem Auftrag, diesen unter den Heiden zu verkündigen. Dies wird wohl mit seiner Christusvision bei der Bekehrung zusammenhängen.4 Man muß hier zwischen dem Evangelium der »Fakten«, das alle verkündigten, und dem besonderen gesetzeskritischen Auftrag zur Verkündigung unter den Völ1 Vgl. dazu F. Hahn, Christologische Hoheitstitel; O. Betz, Jesus; P. Stuhlmacher, Theologie I, 179–196; M. Hengel, Christologie und Chronologie = KS IV, 27–51; ders., Sohn Gottes = KS IV, 74–145; ders., Atonement; ders., Sprachgebrauch von Χριστός = KS III, 240–261; ders., Setze dich = KS IV, 281–367; L. W. Hurtado, One God; ders., Lord; ders., Jesus; J. D. G. Dunn, Beginning, 212–240; J. Frey, Perspektive, 117–169; U. Schnelle, Jahre, 100–108.149–153. 2 1 Kor 15,1 f.: τὸ εὐαγγέλιον ὃ εὐηγγελισάμην ὑμῖν … δι’ οὗ καὶ σῴζεσθε. 1 Thess 4,17: καὶ οὕτως πάντοτε σὺν κυρίῳ ἐσόμεθα, vgl. 5,10; Phil 1,23. Siehe dazu P. Siber, Mit Christus leben; M. Hengel, Paulus und die frühchristliche Apokalyptik, in: KS III, 356–358. Die paulinische Eschatologie ist hier nicht »hellenistisch« geprägt, sondern von der Urgemeinde abhängig. Zum Begriff εὐαγγέλιον nach wie vor grundlegend P. Stuhlmacher, Evangelium; weiter W. Horbury, Gospel, 80–103; M. Hengel, Evangelien, 4 f. 3 1 Kor 15,3: ὃ καὶ παρέλαβον. 4 Gal 1,11 f.15 f. Zur Berufung des Paulus und zu seiner Botschaft siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 63–80 und unten § 6.3.
94
I. Die Urgemeinde
kern und der dadurch bestimmten Ausprägung seiner Botschaft unterscheiden. Gegenüber den Korinthern betont Paulus die grundsätzliche Übereinstimmung mit den anderen Christusboten im Blick auf das von ihm verkündigte gemeindegründende εὐαγγέλιον:5 »Es seien nun ich oder jene, so verkündigen wir, und so habt ihr geglaubt.«6
Dieser Satz ist einer der wichtigsten Sätze im Neuen Testament; denn er bezeugt die letzte Einheit der urchristlichen Verkündigung, die man sich auf Grund unserer Quellen gerade nicht als unverbindlich diffuse Vielfalt vorstellen darf. Sehr wahrscheinlich geht der christologisch bestimmte Sprachgebrauch von εὐαγγέλιον und dem dazugehörigen Verb εὐαγγελίζεσθαι bei Paulus auf die Hellenisten in Jerusalem zurück,7 die den spezifischen Gebrauch des Verbs aus den Psalmen und aus Deuterojesaja übernahmen.8 Die Hellenisten waren in der Ausgestaltung ihrer Botschaft ihrerseits wieder von der aramäischsprachigen Urgemeinde abhängig. Daß auch Petrus bei seiner späteren Wirksamkeit das Wort εὐαγγέλιον als Inbegriff seiner Christusverkündigung verwendet hat, wird durch den besonderen, ebenfalls christologisch bestimmten Sprachgebrauch seines Schülers Markus nahegelegt.9 Auch Lukas legt in Apg 15,7 den Begriff dem Petrus in den Mund.10 Es findet sich im Kern zusammengefaßt in 1 Kor 15,1–5. 15,11; siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 73 und 497 Index. 7 Siehe dazu unten S. 143. 8 Das hebräische Äquivalent für das Verb ist baśśer und für das Nomen beśôrā. Für letzteres siehe z. B. TgJes 53,1, wo der Satz: »Wer hat unserer Botschaft geglaubt?« mit man hêmîn libśortānā wiedergegeben wird. Zum Ganzen siehe P. Stuhlmacher, Evangelium. Die Ableitung der Wortgruppe aus dem Kaiserkult war ein Irrweg; siehe auch M. Hengel, Evangelien, 5.258 ff. Die Bedeutung von εὐαγγέλιον für die Herrscherverehrung wird weit überschätzt. Im jüdischen Palästina gibt es dafür keine Zeugnisse. Josephus, Bell. 4,656, bezieht es in Rom auf Vespasian und in Ant. 18,228 f. auf den Tod des Tiberius. Der pagane griechische Sprachgebrauch verwendet zudem das Nomen meist im Plural. Siehe jedoch die Bedeutung von »Siegesnachricht« in 2 Sam (= 2 Reg) 18,19–32 MT, LXX und Targum. U. Schnelle, Jahre, 313, plädiert für einen Kompromiß und unterstreicht, daß die »Propaganda der Flavier … sicherlich nicht der auslösende Faktor für die Schaffung der Gattung Evangelium [war], wohl aber ein stimulierendes Element«. 9 Markus, der Petrusschüler, verwendet das Nomen siebenmal redaktionell in hervorgehobener Bedeutung: Mk 1,1.14 f.; 8,35; 10,29; 13,10; 14,9; vgl. Gal 2,7: εὐαγγέλιον … τῆς περιτομῆς für Petrus. M. Hengel, Evangelien, 141–158. Außerhalb des Markus-, des Matthäusevangeliums, der Apostelgeschichte und den Paulusbriefen erscheint das Wort nur noch in dem Petrus zugeschriebenen Text 1 Petr 4,17. Dagegen hat es in Apk 14,6 nicht diesen spezifischen Sinn, sondern bedeutet eine spezielle apokalyptische Gottesbotschaft. Siehe dazu P. Stuhlmacher, Evangelium, 210–218. 10 Der Satz klingt fast paulinisch: ἐξελέξατο ὁ θεὸς διὰ τοῦ στόματός μου ἀκοῦσαι τὰ ἔθνη τὸν λόγον τοῦ εὐαγγελίου καὶ πιστεῦσαι. Vgl. die Darstellung der Auseinandersetzung in Antiochia über den Umgang mit Heidenchristen und die Rücksichtnahme auf strenge Judenchristen aus paulinischer Sicht in Gal 2,13–16. Auch Paulus setzt voraus, daß Petrus als Heidenmissionar erfolgreich wirkte. Siehe dazu M. Hengel, Petrus, 135 ff. 5
6 1 Kor
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
95
Die Botschaft vom gekreuzigten Messias Jesus, von seiner Auferweckung durch Gott und vom dadurch bewirkten Heil für die Gläubigen bildete von nun an die Grundlage der urchristlichen Lehre und Missionspredigt. Stand vor Ostern Jesus als der Verkündiger der mit seinem Wirken anbrechenden Gottesherrschaft im Mittelpunkt, so wurden jetzt aus den bisherigen Nachfolgern seine Boten, und der messianische »Verkündiger« wurde zum »verkündigten« Gottessohn und Herrn. Die Erscheinungen des Auferstandenen hatten in Verbindung mit der Erfahrung des Geistempfangs umstürzende, dramatische Wirkungen, die wir uns im einzelnen kaum vorstellen können. In diesem Punkt übertreibt Lukas nicht, sondern berichtet – in einer veränderten Situation ca. 50 Jahre später – eher zu nüchtern. Diese Vorgänge lassen sich weder durch psychologische »Trauerarbeit« noch durch die bußfertige Erinnerung der Jünger an das eigene Versagen erklären. Unwahrscheinlich ist auch die Vermutung, daß die zunächst noch relativ kleine Jüngergemeinde am Anfang in quietistischer Zurückgezogenheit die Wiederkunft des Auferstandenen als Menschensohn-Messias erwartet habe. Das Sehen des durch Gott von den Toten Auferweckten war ja mit einem Auftrag, der Sendung als Verkündiger zu seinem Volk, verbunden. Dem eigenen Volk mußten vor dem Kommen Christi als Richters und Erlösers die Umkehr und das glaubende Vertrauen in ihn als Rettung vor dem Gericht verkündigt werden. Dazu bedurfte es klarer Aussagen über die Person Jesu und sein vergangenes, gegenwärtiges und zukünftiges Wirken. Das heißt, die Osterereignisse lösten auch einen stürmischen Prozeß theologisch-christologischen Nachdenkens aus, das an Jesu Lehre und Werk anknüpfte und sich unter Rückgriff auf dessen eigene Verkündigung und das profetische Zeugnis der Schrift in einer radikal veränderten Situation zu einer neuen, unerhörten und für nicht wenige anstößigen Botschaft ausformte. Im Mittelpunkt derselben stand Gottes alles veränderndes endzeitliches Handeln an und durch Jesus. Gott selbst hatte sich zu dem als Messiasprätendenten und angeblichen Volksverführer Gekreuzigten bekannt, indem er ihn von den Toten auferweckte und damit dessen messianischen Anspruch bestätigte. Die Auferstehung Jesu wurde auch nicht als bloße Entrückung11 an einen geheimen Ort bis zu seiner Parusie verstanden, dadurch wäre er ja nur zu 11 Vgl. oben S. 12 Anm. 41 zu F. Hahn, Christologische Hoheitstitel, der eine solche Vorstufe der Hochchristologie annimmt. Henoch (Gen 5,24), Elia (2 Kön 2,1.11), Esra (4 Esr 14,47 nach dem ursprünglichen Schluß in syr, äth etc.) und andere wurden an einen geheimen himmlischen Ort entrückt und werden dort für ihre jeweilige endzeitliche Funktion bewahrt; aber dennoch erzählt und beschreibt Lukas die »Himmelfahrt« nicht nur in Apg 1, sondern auch in Lk 24 als eine jeweilige Entrückung des Auferstandenen und Erhöhten, des bereits in seine himmlische Doxa eingegangenen und auf Erden vom Himmel her erscheinenden Herrn; vgl. A. W. Zwiep, Assumptus. Das Tempus der Vergangenheit von ἔδει in Lk 24,26: οὐχὶ ταῦτα ἔδει παθεῖν τὸν χριστὸν καὶ εἰσελθεῖν εἰς τὴν δόξαν αὐτοῦ; (»Mußte Christus nicht dieses leiden und in seine Herrlichkeit eingehen?«) bezieht sich sowohl auf das Leiden wie auf das Eingehen in
96
I. Die Urgemeinde
einer persona otiosa geworden, sondern als Erhöhung zur Rechten Gottes (vgl. Ps 110,1) selbst. Diese Erhöhung bedeutete zugleich die Einsetzung in eine für alle Glaubenden gewisse universale Herrschafts‑ und Heilsfunktion, verbunden mit einer einzigartigen, Gott allein zukommenden eschatologischen Vollmacht, die bereits in der Gabe des Geistes und der Sendung seiner Boten sichtbar geworden war und von jetzt an Gegenwart und Zukunft seiner Jüngergemeinde bestimmte. Diese Erscheinungen des Auferstandenen mögen sich Wochen, ja Monate hingezogen haben, auch ist der Kreis der Beteiligten für uns nicht eindeutig, da die Zahl derer, die Paulus als »alle Apostel«12 bezeichnet, unbestimmt bleibt. Man wird Frauen dazurechnen dürfen. Auch wissen wir nicht, ob Paulus alle Zeugen aufgezählt hat. Der Kreis der Betroffenen mag größer gewesen sein. Aber alle Christophanien, die Paulus in 1 Kor 15,5 ff. erwähnt, stehen in deutlichem zeitlichen Abstand zu seiner eigenen Vision (1 Kor 15,8), die ihm als Verfolger der Christen zuteil wurde und die er selbst und Lukas als ein Ereignis von Gott bzw. vom »Himmel« her beschreiben.13 Zu ihrem Zeitpunkt, kaum später als ca. drei Jahre nach dem Todespassa, müssen sich die entscheidenden Vorstellungen über Person und Funktion des Auferstandenen, die dann auch das theologische Denken des künftigen »Völkerapostels« bestimmen, bereits weitgehend ausgebildet haben. Es war ja doch vor allem die Christusverkündigung der neuen Bewegung, die ihn zum eifernden Verfolger gemacht hatte, und zwar gilt dies in diesem Fall gerade auch für die Verkündigung des griechischsprachigen Teils der jungen Gemeinde, die Hellenisten.14 Daß der »gekreuzigte Messias den Juden ein Ärgernis« war,15 ist nicht erst eine Erfahrung des Paulus auf seinen Missionsreisen, sondern gilt schon für die früheste Urgemeinde. Freilich müßte man für die Anfangszeit statt von »Juden« von »priesterlichen Volksführern« und überwiegend pharisäischen Schriftgelehrten, das heißt von der politischen
sein himmlisches Reich; siehe dazu A. M. Schwemer, Der Auferstandene, 107 ff.; vgl. auch U. Mittmann-Richert, Sühnetod, 215.216–225. 12 1 Kor 15,7: εἶτα τοῖς ἀποστόλοις πᾶσιν; zu einem Rekonstruktionsversuch über den Ablauf der Ereignisse siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 650 ff. 13 Gal 1,15 f.; vgl. 2 Kor 4,6; Apg 9,3: ἐκ τοῦ οὐρανοῦ; 22,6; 26,13: οὐρανόθεν. Siehe dazu A. M. Schwemer, Erinnerung, 282.290; weiter zur Bekehrung und Berufung des Paulus unten § 6.3. 14 Zu den Hellenisten: Apg 6,1 ff.; zu Paulus als ihrem Verfolger siehe 7,58; 8,1.3; 9,1 f.; vgl. 1 Kor 15,9; Gal 1,14; Phil 3,6. 15 1 Kor 1,23: κηρύσσομεν Χριστὸν ἐσταυρωμένον, Ἰουδαίοις μὲν σκάνδαλον. Zu Dtn 21,22 f. und Gal 3,13 siehe unten S. 106 Anm. 66. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 612.619. Vermutlich hatten bereits die Hierarchen Jesus bewußt an Pilatus mit der entsprechenden Anklage zur Kreuzigung »ausgeliefert«, um den messianischen Anspruch Jesu ein für allemal zu widerlegen. Denn in ihren Augen konnte ein den Fluchtod gestorbener Messias nur ein Betrüger (Mt 27,63 f.; Joh 7,12) und entsprechend ein σκάνδαλον sein, der kaum weiterhin Anhänger an sich ziehen konnte. Vgl. dazu unten S. 212 und 429.
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
97
und religiösen Elite, sprechen, zu der auch der ehrgeizige Gelehrtenschüler Saulus (Šaʾûl) gehört hatte. In vereinzelten formelhaften Aussagen der Paulusbriefe und der Petrusreden der Apostelgeschichte sind uns Spuren dieser frühesten Christologie erhalten. Überhaupt muß man sagen, daß die ersten drei bzw. sechs Jahre der Kirche bis zum Besuch des Paulus bei Petrus (Gal 1,18) für die Ausbildung ihrer Lehre, wie wir ihr dann bei Paulus begegnen, die entscheidenden waren. Es hat nach Ostern in der sich formierenden Urgemeinde so etwas wie eine »geistige Explosion« stattgefunden, die sich in »Druckwellen« ausbreitete und den Grund zu dem neuen Glauben legte. Dies gilt vor allem für sein Herzstück, die Christologie,16 die sich Hand in Hand mit der durch die Auferstehung erneuerten geistlichen Christusgemeinschaft im Gottesdienst entfaltete. Christusverehrung und ‑lehre entwickelten sich miteinander, und da das ganze christologisch-soteriologische Heilsgeschehen allein von Gott ausging,17 konnte die sich jetzt ausbildende Christusverehrung nie in einen Gegensatz zum traditionellen jüdischen Monotheismus geraten.18 So finden wir im Römerbrief eine ganze Reihe von bekenntnisartigen Formeln, die Paulus bei den Christen in Rom als bekannt und anerkannt voraussetzt, obwohl die Gemeinde ihm fremd war. Diese Gemeinde in der Hauptstadt wurde von unbekannten Judenchristen vermutlich von Jerusalem aus relativ früh gegründet.19 Die Botschaft dieser Formeln stand der der Urgemeinde relativ nahe. Zu diesen geprägten Wendungen gehört am Anfang des Briefes die viel untersuchte zweigliedrige Formel, die den »Sohn Gottes« als Inhalt des Evangeliums ausweist: 16 Martin Hengel hat seit über 40 Jahren immer wieder auf diesen entscheidenden Punkt, die Bedeutung der Chronologie für unser Verständnis der Entwicklung der Christologie, der in der Forschung gerne übersehen wird, hingewiesen: M. Hengel, Christologie und Chronologie, 64 = KS IV, 48: »… einen einzigartigen ›dynamisch-schöpferischen Impuls‹«; ders., Sohn Gottes, 11 = KS IV, 75: »… daß sich in … nicht einmal zwei Jahrzehnten christologisch mehr ereignet hat als in den ganzen folgenden sieben Jahrhunderten bis zur Vollendung des altkirchlichen Dogmas«. Siehe auch L. W. Hurtado, Lord, passim; ders., Jesus, 25; vgl. zustimmend J. Frey, Perspektive, 152 f. 17 Vgl. 2 Kor 5,18: τὰ δὲ πάντα ἐκ τοῦ θεοῦ; vgl. 1 Kor 1,30: ὃς ἐγενήθη … ἡμῖν ἀπὸ θεοῦ. 18 Siehe dazu L. W. Hurtado, One God, und ders., Lord, bes. 134–153: Binitarian Worship; ders., Jesus, 48–55 u. ö. 19 Zu den Anfängen der römischen Gemeinde etwa zur Zeit Caligulas 37–41 n. Chr. siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 389 ff.; R. Riesner, Paulus, 152 f. Die Gründung geschah wohl nicht allzu lange nach der Gründung der Gemeinde in Antiochia. Zwischen Rom und Jerusalem bestand ein reger Reiseverkehr. Nach Apg 6,9 gab es in Jerusalem eine Synagoge der »Libertiner«, das heißt freigelassener Juden, die aus Rom zurückgekehrt waren. Vgl. die Theodotos-Inschrift in Jerusalem unten S. 150 Anm. 51 und auch P. Lampe, Die stadtrömischen Christen. Petrus scheint ein besonderes Verhältnis zur römischen Gemeinde gehabt zu haben, siehe M. Hengel, Petrus, 81 f.89.134.145.156 f.
98
I. Die Urgemeinde
»der geworden ist aus dem Geschlecht Davids dem Fleische nach, der eingesetzt ist als Gottessohn in Macht gemäß dem heiligen Geist auf Grund der Auferstehung von den Toten«.20
Diese Formel zeigt die zweifache Wurzel der Christologie: Die erste verweist auf Jesus als Davididen und damit als Messiasprätendenten,21 der wegen seines messianischen Anspruchs gekreuzigt wird, die zweite auf seine Auferstehung als Gottes Tat, durch die der Messias designatus Jesus »in Macht« zum Gottessohn eingesetzt wurde. Der Titel »Sohn Gottes« ist Ausdruck der einzigartigen Gemeinschaft des Erhöhten mit dem Vater, zugleich aber auch, von alttestamentlichen Texten beleuchtet, seiner jetzt offenbaren Inthronisation und messianischen Würde.22 Am interessantesten ist in diesem Zusammenhang das Nathansorakel: »Ich will den Thron seiner Königsherrschaft für immer befestigen. Ich will ihm ein Vater sein, und er wird mir ein Sohn sein.«23 Die Vorstellung von Jesus als dem »Sohn Gottes« im Urchristentum entstammt nicht dem hellenistisch-paganen Synkretismus, sondern hängt einerseits mit dem einzigartigen Gottesverhältnis Jesu und zum anderen mit der alttestamentlichjüdischen Messiaserwartung zusammen.24 In Röm 1,3 f. bringen die Begriffe Fleisch und Geist den Gegensatz zwischen der irdisch-menschlichen und der himmlisch-göttlichen Sphäre zum Ausdruck. 20 Röm 1,3 f.: τοῦ γενομένου ἐκ σπέρματος Δαυὶδ κατὰ σάρκα, τοῦ ὁρισθέντος υἱοῦ θεοῦ ἐν δυνάμει κατὰ πνεῦμα ἁγιωσύνης ἐξ ἀναστάσεως νεκρῶν. Siehe dazu M. Hengel, Sohn Gottes, 93 ff. = KS IV, 118 ff. und zur älteren Vorform oben S. 11 f. mit Anm. 40. Zur Formel ἐν δυνάμει vgl. den Hinweis auf die Parusie Mk 9,1. 21 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 291–294.551– 555.566 f. 22 Ps 2,7; vgl. 45,8; 89,27 f. 23 2 Sam 7,13 f. = 1 Chr 17,12 f. Es wird zitiert in 4Q174 (MidrEschat) III 10 f. Am Ende wird Ps 2,1 f. und dazwischen Am 9,11 angeführt; siehe dazu J. Zimmermann, Texte, 99–113. Vgl. auch zu dem umstrittenen Sohn-Gottes-Text 4Q246 op. cit., 128–170; siehe dazu O. Betz, Jesus, 146–149.265–267. Vgl. weiter 4Q369 frag. 1, II 5–10 (= 4Q499 frag. 48), wo Gott einen »erstgeborenen Sohn« als »Fürsten und Herrscher des ganzen Erdkreises« einsetzt und ihm »die Krone des Himmels und die Herrlichkeit der Wolken« verleiht. Er verhält sich zu ihm »wie ein Vater zu seinem Sohn« (Z. 10). Hier könnte eine Gestalt wie in Dan 7,13 gemeint sein, wobei nicht völlig klar ist, ob sich der Text auf ein Kollektiv wie Israel oder auf eine Einzelgestalt wie Henoch bezieht (siehe dazu J. Zimmermann, Texte, 218 ff.; F. García Martínez / E. J. C. Tigchelaar, Dead Sea Scrolls, 730 f.992 f.). 24 Vgl. schon Mk 14,61. Auffallend ist freilich, daß Lukas in der Apostelgeschichte den »Sohn Gottes« als Titel Jesu nur zweimal erwähnt, ihn jedoch in den Petrusreden viermal παῖς (θεοῦ) nennt; siehe oben S. 84 Anm. 420 und unten S. 107 Anm. 70. Das geschieht kaum nur aus Rücksicht auf Theophilos. Vgl. die Änderung in Lk 23,47: ὄντως ὁ ἄνθρωπος οὗτος δίκαιος ἦν, »der Gerechte«, gegenüber der Markusvorlage 15,39: »Sohn Gottes«. Wie U. MittmannRichert, Sühnetod, 89–110, überzeugend gezeigt hat, ist dies nicht eine Abschwächung oder eine Angleichung an das Ideal des edlen Sterbens, sondern es erklärt sich aus der theologischen Deutung des Kreuzestodes als Sühnetod, bei der Lukas konzentriert vom vierten Gottesknechtslied ausgeht. Siehe dazu auch unten S. 198 f. u. ö.
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
99
Jesus ist durch die Auferstehung in die letztere versetzt und wird in göttlicher Glorie wiederkommen. Ein sachlich verwandter Text ist das Schlußwort der Pfingstrede des lukanischen Petrus: »So soll nun das ganze Haus Israel sicher wissen: Gott hat ihn zum Herrn und Gesalbten gemacht, ebendiesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt.«25
Jedoch ist weder dieser Text noch Röm 1,3 im Sinne einer adoptianischen Christologie zu verstehen.26 Es ging schon in der Urgemeinde darum, daß Jesus, der mit dem Anspruch auftrat, der Messias Israels zu sein, und darum hingerichtet wurde, durch die Auferstehung öffentlich als solcher erwiesen und gerechtfertigt worden war. Seine jetzt offenbare einzigartige heilsgeschichtlicheschatologische Würde, die zugleich eine Beauftragung darstellte, unterschied ihn sowohl von den Engeln als Gottes Dienern und Boten als auch von den Märtyrern wie Stephanus und später dem Zebedaïden Jakobus. Er war für die erste Jüngergemeinde kein bloßer »leidender Gerechter«, wie er in manchen Psalmen oder in Sap 2–527 begegnet, sondern der eine »messianische Gerechte« schlechthin.28 Leidende Gerechte gab es in Israel viele, die Passion des »messianischen Gerechten« war ein einzigartiges Geschehen. Es entsteht aber auch keine »Engelchristologie«. Engel (und Märtyrer, die für das Opfer ihres Lebens den ihnen gebührenden Lohn empfangen) gehören zwar auch zur himmlischen Welt und befinden sich in der Gegenwart Gottes,29 aber davon, daß Jesus in die himmlische Gemeinschaft mit den Engeln oder Märtyrern eintrat und ihnen so gleichgestellt wurde, ist in den neutestamentlichen Texten gerade nicht die Rede. Eine bloße Engelchristologie wurde im Urchristentum offenbar von Anfang an überboten und trotz einzelner Berührungen abgelehnt, wir besitzen keine frühen Spuren derselben. Ihre Zurückweisung im Hebräerbrief gilt so schon für die früheste Zeit des Urchristentums.30 25 Apg 2,36: … ὅτι καὶ κύριον αὐτὸν καὶ χριστὸν ἐποίησεν ὁ θεός, τοῦτον τὸν Ἰησοῦν ὃν ὑμεῖς ἐσταυρώσατε. 26 Dies gilt auch für die Gottesstimme bei der Taufe Jesu in Mk 1,11; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 321 f. 27 Dort wird der »Gerechte« nicht nur παῖς κυρίου (Sap 2,13), sondern auch einmal υἱὸς θεοῦ genannt (Sap 2,18; vgl. 5,5). 28 Zu ὁ δίκαιος als Bezeichnung des Messias Jesus siehe Apg 3,14; 7,52; 22,14; vgl. 1 Joh 2,1.29. Die Bezeichnung ist von Jes 53,11 abhängig. Sie sollte nicht einfach mit der Vorstellung der verfolgten und leidenden Gerechten und Frommen vermengt werden. Vgl. zur Bedeutung des vierten Gottesknechtsliedes in der lukanischen Theologie U. Mittmann-Richert, Sühnetod. 29 Siehe dazu M. Hengel, Setze dich, 177 f. = KS IV, 350 f., und den Erhöhungstext 4Q491 frag. 11 I,1 ff., dazu op. cit., 175 ff. = KS IV, 348 ff.; vgl. J. Zimmermann, Texte, 285 ff. und 295 ff. zu 4Q471b frag. 1 und 4Q427 frag. 7 I. 30 Hebr 1,4 ff.; vgl. Röm 8,38 f.; Kol 1,16; Eph 1,21 u. ö. Ansätze zu einer Engelchristologie
100
I. Die Urgemeinde
In Apg 2,36 werden nicht Davids‑ und Gottessohnschaft wie in Röm 1,3 f., sondern Kyrios‑ und Messiastitel miteinander verbunden. Unmittelbar voraus geht in der Petrusrede das Zitat von Ps 110,1. Es ist der im Neuen Testament am häufigsten zitierte »messianische« Text aus dem Alten Testament.31 Offenbar hat er die frühe Christologie von Anfang an bewegt und geformt. Lukas weiß noch um seine grundlegende Bedeutung und läßt ihn darum jeweils zweimal in den Petrusreden zu Wort kommen und dann beim Martyrium des Stephanus anklingen.32 Nicht zufällig nennt er den zur Rechten Gottes erhöhten Jesus unmittelbar nach dem Zitat »Herrn und Gesalbten«33 und später, hellenistisch interpretierend, »Herrscher und Retter«.34 In Apg 7,55 schaut der Protomärtyrer Stephanus die »Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen« und bekennt dies in V. 56 vor seinen Anklägern, wobei er den Namen Jesu durch den »Menschensohn« ersetzt.35 Für diese erscheint die Vision wie eine Gotteslästerung und zieht als spontane Reaktion seine Steinigung nach sich. finden wir nur in relativ späten Schriften wie der Apokalypse, dem Hirten des Hermas oder der Ascensio Jesaiae. Ihre Bedeutung war von M. Werner, Entstehung, überbetont worden. Neuerdings hat ihr Verhältnis zur Erhöhungschristologie und zu den jüdischen Parallelen wieder steigendes Interesse gefunden: siehe J. Fossum, Name of God; L. T. Stuckenbruck, Angel; C. H. T. Fletcher-Louis, Luke-Acts; D. D. Hannah, Michael and Christ. Der große Unterschied ist jedoch bei allen partiellen Analogien unübersehbar. 31 Apg 2,34 f.; Nestle / Aland28, 854, zählt sechs Zitate und zehn deutliche Anspielungen auf. Zitate: Mt 22,44 = Mk 12,36 = Lk 20,42 f.; Apg 2,34 f.; 1 Kor 15,25; Hebr 1,13; Anspielungen: Mt 26,64 = Mk 14,62 = Lk 22,69; Mk 16,19; Röm 8,34; Eph 1,20; Kol 3,1; Hebr 1,3; 8,1; 10,12; zu ergänzen sind noch Apg 5,31; 7,55 f.; 1 Petr 3,22, weiter 1 Clem 36,5; Barn 12,10; Polyk 2,1, das heißt insgesamt 17 Bezüge im Neuen Testament und drei in den Apostolischen Vätern. Siehe dazu M. Hengel, Setze dich, 108–194 = KS IV, 281–367. Es ist kein Zufall, daß die sessio ad dexteram Dei in das apostolische Symbol Eingang gefunden hat. Auch J. Schaper, Eschatology, 101 ff.168, betont, daß schon die Septuaginta-Version auf Grund von V. 3 messianischen Charakter besaß. 32 Neben Apg 2,34 f. siehe 5,31 und 7,55 f., später bezeichnenderweise nicht mehr. Auch in Röm 8,34 erscheint das Motiv in einer festgeprägten, offenbar den Römern bereits vertrauten Formel, siehe unten S. 105. 33 Apg 2,36; siehe oben Anm. 25. 34 Apg 5,31: ἀρχηγὸς καὶ σωτήρ; vgl. 13,23. 35 Außerhalb der Evangelien erscheint ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου nur hier im Neuen Testament. Zum rätselhaften »Stehen« vgl. C. K. Barrett, Acts I, 384 f. Entweder fungiert Jesus hier als Fürsprecher bzw. himmlischer Hohepriester zur Seite Gottes (Röm 8,34), oder er ist aufgestanden, um den Märtyrer zu empfangen (vgl. Lk 23,43); vgl. A. M. Schwemer, Jesus, 228 f. Zu den verschiedenen Erklärungen vgl. ausführlich C. S. Keener, Acts II, 1441 ff. Der Titel »Menschensohn« kennzeichnet ihn als Richter, wir finden ihn außerhalb des Neuen Testaments noch zweimal in der Jakobusüberlieferung (Euseb, H. e. 2,23,13 [GCS Eusebius II/1, 168,25–170,2 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]) nach Hegesipp und im Hebräerevangelium bei Hieronymus, De viris illustribus 2,12 (BPat, 76 ed. Ceresa-Gastaldo), das heißt nur in judenchristlich beeinflußten Texten. Lukas weiß noch, daß der »Menschensohn« als Titel nach Jerusalem gehörte. Paulus spricht in 1 Kor 15,47 vom ἄνθρωπος ἐξ οὐρανοῦ als Antitypos zu Adam. Dahinter steht nicht die Vorstellung eines gnostischen Urmenschen und
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
101
Wesentlich ist, daß Lukas in Apg 2,36 wie bereits in dem vorausgehenden Zitat von Ps 110,1 das Stichwort »Herr« (κύριος) einführt und von da an in der Regel für Jesus verwendet:36 Gott selbst hatte Jesus, den Messias und »Herrn« der Gemeinde, durch die Auferstehung zu seinem bleibenden Throngenossen gemacht und ihm dadurch die höchste Form der Gottesgemeinschaft verliehen, die für einen Juden vorstellbar war, die im Judentum praktisch ohne Parallele ist und die auch die Engel nicht erreichen. In Palästina und Syrien konnten der höchste Gott, Götter, Engel und hochgestellte Menschen, etwa der König, aber auch der Lehrer oder der Ehemann in respektvoller Weise als »Herr« bezeichnet und angeredet werden. Schon Jesus wird zu Lebzeiten mit dieser respektvollen Anrede angesprochen worden sein.37 Für den Auferstandenen und zur Rechten Gottes Erhöhten gewinnt diese Bezeichnung »Herr« jedoch bereits in der aramäischsprachigen Gemeinde eine ganz neue Bedeutung. Kam mit dem Titel »Sohn Gottes« sein Verhältnis zu Gott dem Vater und mit dem Titel »Messias« seine eschatologische Heilsfunktion gegenüber Israel auf Grund der diesem gegebenen profetischen Verheißungen zum Ausdruck, betraf »Herr« das personhafte Verhältnis der Jüngergemeinde als des endzeitlichen Gottesvolkes zu dem erhöhten Christus in seiner Gemeinschaft mit Gott. Mit dem Gebetsruf māranāʾ tā (»Unser Herr, komm«) bat ihn diese um seine Gegenwart beim Gemeinschaftsmahl des »Brotbrechens« wie auch um sein baldiges Kommen in der Parusie. Beides war aufeinander bezogen und deutete auf die Vollendung der Mahlgemeinschaft im Gottesreich hin.38 Das persönliche Verhältnis der Jünger zu ihrem messianischen Lehrer war durch die Osterereignisse auf völlig neue Weise geknüpft worden und verband sie auch mit dem Erhöhten. Darum beschränkte sich ihr Bitten – auch auch nicht der philonische οὐράνιος ἄνθρωπος (Philo, LA 1,31 f.), sondern die des vom Himmel kommenden Menschensohns der synoptischen Tradition (vgl. Mk 14,62 parr.; Lk 12,8 ff. par.; 17,24.26[v. l.].30.34 f. par.; 18,8; Mk 13,26 u. ö.). Vgl. dazu M. Hengel, Paulus und die frühchristliche Apokalyptik, in: KS III, 369; ders., Setze dich, 144.148 = KS IV, 317.321; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 530 Anm. 151; 536–539; ferner unten S. 477 Anm. 10. 36 Es ist der am häufigsten verwendete christologische Titel. Das Wort erscheint in der Apostelgeschichte 107mal (im Evangelium 103mal) und ist dort fast immer auf Jesus bezogen: In 25,26 wird der Kaiser (Nero) so benannt. 37 Vgl. Mk 10,51; Joh 20,16: rabbûnî; siehe dazu oben S. 67 f. Anm. 328; ribbôn šäl ʿôlām (»Herr der Welt«) war eine häufige Gottesanrede im Judentum. Selbst rabbî (vgl. Mk 9,5; 11,21; 14,45 u. ö.) war zunächst nicht auf die Bedeutung »Lehrer« beschränkt, sondern bedeutete ursprünglich »Großer« und konnte unter Umständen auch mit »Herr« wiedergegeben werden. Siehe dazu M. Hengel, Nachfolge, 46–48 = KS V, 84 f.; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 194–207.416–419; dies., Jesus und das Judentum, 359 f. 38 Zu »Maranatha« siehe 1 Kor 16,22; Did 10,6. Vgl. auch die griechische Fassung Apk 22,20; siehe auch Lk 14,15; Apk 19,9 und auf den einzelnen bezogen 3,20. Siehe auch M. Hengel, Abba, und oben S. 80 u. ö.
102
I. Die Urgemeinde
dies war ein Novum im Judentum – nicht nur auf Gott »den Vater« allein, sondern schloß den Sohn mit ein, so daß sie ihn als ihren Herrn auch in seiner Gottesgemeinschaft anrufen und um sein Kommen bitten konnten. Er wurde damit der Bezugspunkt von Gebetsrufen und erhielt dadurch die Funktion des »Vermittlers«.39 Das Sterbegebet des Märtyrers Stephanus: »Herr Jesus, nimm meinen Geist auf« und die anschließende Bitte: »Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu« wollen dies zum Ausdruck bringen.40 Auf das Sehen des Menschensohns, der zur Rechten Gottes steht, folgt die Bitte des Sterbenden an den »Herrn Jesus«. Da die Selbstbezeichnung Jesu als »Menschensohn« wie auch seine Redeform vom »kommenden Menschensohn«41 in griechischer Sprache unverständlich und darum zur Missionsverkündigung unbrauchbar war, ersetzten die »Hellenisten« in Jerusalem diese von Dan 7,13 abhängige »Chiffre« durch das eindeutige »Kyrios«. Während die ursprüngliche bekenntnishafte Formel »Der Messias ist Jesus« (m ešîḥāʿ ješû aʿ – χριστὸς Ἰησοῦς bzw. die inverse Fassung Ἰησοῦς χριστός) sich rasch zum Eigennamen Christus Jesus verfestigte,42 wurde das geistgewirkte »Herr ist Jesus« (κύριος Ἰησοῦς) zum wichtigsten Bekenntnisruf der griechischsprachigen Gemeinde, so von Anfang an in den Missionsgemeinden,43 aber auch im von Paulus ganz unabhängigen und wohl direkt mit der Jerusalemer Gemeinde zusammenhängenden Rom.44 Während Ps 110,1 noch klar zwischen »meinem Herrn«, das heißt für die christliche Gemeinde zwischen Jesus als Throngenossen zur Rechten Gottes, und diesem selbst unterschied,45 wurde durch die »Handlungseinheit« zwischen Gott und dem zu ihm erhöhten Jesus dieser an Gott selbst so angenähert, daß alttestamentliche Texte mit dem Gottesnamen JHWH, der ja als ʾadonāj bzw. κύριος ausgesprochen wurde, auch auf den Erhöhten übertragen werden konnten. So läßt Lukas den Petrus als Eingang zu seiner Pfingstrede Joel 3,1–5 mit
Vgl. Apg 7,55–60; Röm 8,34; Hebr 7,25 u. ö. Apg 7,59 f. Lukas stellt dabei zugleich eine Beziehung zum Sterbegebet Jesu in Lk 23,46 (vgl. Ps 31,6) und 23,34a her. Der letzte Vers ist trotz seiner unsicheren Bezeugung ursprünglich. Man hat ihn schon früh im 2. Jahrhundert wegen seiner Anstößigkeit weggelassen: Die Feinde Jesu wußten ja nach Meinung der Christen sehr wohl, »was sie taten«. Die Meinung des Lukas, sie hätten aus »Unwissenheit« (Apg 3,17: ἄγνοια) gehandelt, war gewiß eine Minderheitsmeinung, vgl. dagegen Paulus in 1 Thess 2,15. 41 Siehe dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 536–539. 42 So schon ganz überwiegend bei Paulus; siehe M. Hengel, Sprachgebrauch von Χριστός, 240–261. 43 1 Kor 12,3; vgl. auch 2 Kor 4,5; Phil 2,11. 44 Röm 10,9. Zur Gründung der römischen Gemeinde siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 389–394. Vgl. oben S. 89 Anm. 445 und S. 97 Anm. 19 und unten S. 174 und 300 f. 45 Der hebräische Text schreibt JHWH, den geheimen Gottesnamen, für den schon um die Zeitenwende ʾadonāj gelesen wurde, das die Septuaginta mit dem Qerê ὁ κύριος wiedergab. 39 40
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
103
dem für ihn entscheidenden Schlußvers zitieren: Der drohende »Tag des Herrn« steht vor der Tür, doch »jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden«.46 Hier wird man bei κύριος zunächst noch an Gott selbst denken, obwohl Lukas am Schluß dieser Rede Kyrios auch als Titel Jesu einführen kann47 und Petrus anschließend die Taufe »im Namen Jesu zur Vergebung der Sünden« (Apg 2,38), das heißt zur Rettung im Endgericht, fordern läßt, bei der ebender »Name Jesu« angerufen wurde.48 Bei Paulus dagegen wird – wieder im Römerbrief – dieses Joelzitat eindeutig auf den Auferstandenen als Kyrios bezogen. Voraus gehen Aussagen über das allen Christen ohne Ausnahme gemeinsame Bekenntnis, in dem er sich mit den römischen Christen einig weiß: »Wenn du mit deinem Munde bekennst: ›Herr ist Jesus‹ und glaubst in deinem Herzen, daß Gott ihn von den Toten auferweckt hat, wirst du gerettet werden.«49
Darauf wird Christus als »derselbe Herr aller«, das heißt der Juden und Griechen, bezeichnet, »der reich ist gegenüber allen, die ihn anrufen«.50 Der ganze Abschnitt wird am Ende in Röm 10,13 besiegelt durch das Zitat aus Joel 3,5. Sowohl Paulus wie auch Lukas können generell die Christen als die bezeichnen, »die den Herrn anrufen«.51 Dieser im Grunde alttestamentliche Sprachgebrauch ist sicher keine späte Entwicklung unter »synkretistischem« Vorzeichen, er hat vielmehr seine Wurzeln in der Urgemeinde selbst und hängt eng mit der Vorstellung der Erhöhung Jesu zur Rechten Gottes und der Übertragung göttlicher 46 Apg
2,21 = Joel 3,5: πᾶς ὃς ἂν ἐπικαλέσηται τὸ ὄνομα κυρίου σωθήσεται. Vgl. Röm 10,9. 2,36; siehe oben S. 100. Für Lukas selbst ist die ἡμέρα κυρίου selbstverständlich zugleich der vom wiederkommenden Christus bestimmte Tag des Gerichts; vgl. Apg 17,31: ἔστησεν ἡμέραν. Paulus kann in 2 Kor 5,10 vom »Richterstuhl« (βῆμα) Christi sprechen, vor dem sich alle verantworten müssen; in Röm 14,10 nennt er in ähnlichem Zusammenhang den Richterstuhl Gottes. Zwischen Gott und Christus besteht Handlungseinheit. 48 Apg 22,16: die Taufe des Paulus. Nach Jak 2,7 wird doch wohl bei der Taufe der »gute Name« Christi über den Glaubenden genannt; vgl. Hermas, sim 8 (72),6,3 f. (SUC 3, 290 f. ed. Leutzsch), wo von Sündern die Rede ist, die »das Siegel [sc. der Taufe] erhalten, dieses aber zerbrochen haben« und »sich sogar des Namens des Herrn schämen, der über ihnen angerufen ist« (vgl. N. Brox, Hirt des Hermas, 349.370, der den »Namen des Herrn« jedoch auf Gott bezieht); zu Lukas siehe besonders F. Avemarie, Tauferzählungen, 40–43 (43): »Der Täufling ruft Jesu Namen an.« Vgl. dann später Justin, 1 Apol. 61,3.10–13 (SC 507, 290 ff. ed. Munier), der eine dreigliedrige Formel auf den Namen (ἐπ’ ὀνόματος) voraussetzt. Der Name Gottes als des »Allvaters und Herrn« wird zudem von demjenigen ausgesprochen, der den Täufling zur Taufe führt; aber auch auf den Namen Jesu Christi und des heiligen Geistes »wird der, der die Erleuchtung empfängt, abgewaschen«. 49 Röm 10,9; vgl. dazu 1 Kor 12,3 und Apg 2,36. 50 Röm 10,12: ὁ γὰρ αὐτὸς κύριος πάντων, πλουτῶν εἰς πάντας τοὺς ἐπικαλουμένους αὐτόν. Auch Lukas läßt in Apg 10,36b Petrus in seiner Rede vor dem gottesfürchtigen Heiden Cornelius Christus mit »dieser ist Herr aller« bezeichnen. 51 Apg 9,14.21; 1 Kor 1,2. 47 Apg
104
I. Die Urgemeinde
Vollmachten auf ihn als Fürsprecher,52 Erlöser53 und kommenden Richter zusammen. Durch ihn weiß sich die Gemeinde von Sünde befreit und ganz unmittelbar mit Gott selbst als Vater verbunden. Der Abba-Ruf im Gottesdienst bringt die Gewißheit zum Ausdruck, daß sie durch den Sohn selbst zu Söhnen und Töchtern Gottes geworden sind. Er hat ihnen den Zugang zum Vater geöffnet.54 Die Brücke zwischen der frühen Jerusalemer Christologie und der der griechischsprachigen Missionsgemeinden außerhalb Palästinas bildeten griechischsprachige Juden, die »Hellenisten« aus Jerusalem, die, von dort vertrieben, schrittweise mit der Heidenmission begannen.55 Bei Paulus tritt als neue Entwicklung die Vorstellung von der Präexistenz und der Menschwerdung des Gottessohns hinzu, die von der jüdischen Weisheitslehre beeinflußt wurde. Ein Beispiel dafür ist der Philipperhymnus.56 Hier wird in der zweiten Strophe die Identifikation des Auferstandenen und Erhöhten mit dem JHWH / κύριος des Alten Testaments direkt vollzogen. Es ist auch die einzige Stelle in den echten Paulusbriefen, wo der Apostel expressis verbis von der Erhöhung Christi spricht: Weil Christus in äußerster Selbsterniedrigung gehorsam den Tod am Kreuz auf sich nahm, »darum hat ihn Gott über alles Maß erhöht« (ὑπερύψωσεν). Hier könnte man an die sessio ad dexteram denken, aber es geht um mehr: »… und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist …, damit jede Zunge bekenne: ›Herr ist Jesus Christus‹ …«57
Der »Name über alle Namen« ist der Kyrios-Name, das heißt der Gottesname JHWH des Alten Testaments. Die Bewegung auf dieses paulinische Bekenntnis hin wird schon in der Erhöhungschristologie der frühesten Jerusalemer Gemeinde sichtbar.58 Vgl. Röm 8,34b; 1 Thess 1,10. Die Titel werden dabei auswechselbar. Apg 5,31: τοῦτον ὁ θεὸς ἀρχηγὸν καὶ σωτῆρα ὕψωσεν, vgl. 13,23; Lk 2,11; Apg 3,15: τὸν δὲ ἀρχηγὸν τῆς ζωῆς. 54 Gal 4,6; Röm 8,15; siehe oben S. 18 f. Lukas ist in der Apostelgeschichte selbst zurückhaltend gegenüber der Vorstellung der Gotteskindschaft, obwohl er im Evangelium sehr wohl um die Vaterschaft Gottes weiß. Die Gotteskindschaft ist ein wesentlicher Bestandteil der profetischen Verheißungen im Alten Testament und in der Urgemeinde, wo sie, wie der Abba-Ruf zeigt, sicher vorauszusetzen ist. 55 Diese bezieht sich zunächst vor allem auf heidnische Sympathisanten in den Synagogen, die sogenannten Gottesfürchtigen; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 101–139. 56 Phil 2,6–11; siehe dazu O. Hofius, Christushymnus; M. Hengel, Sohn Gottes, 104–136 = KS IV, 125–141; ders., Präexistenz = KS III, 262–301. 57 Phil 2,9–11. 58 Gegen die landläufige Meinung kann dieser Text sehr wohl von Paulus selbst stammen. Er wird ihn der Gemeinde in Philippi bei der Gründung ca. 49 n. Chr. vermittelt haben, das heißt, er geht auf die Missionstätigkeit des Apostels in Kilikien und Syrien etwa ab 36 n. Chr. zurück. Paulus setzt ganz selbstverständlich voraus, daß die Philipper diesen – schwierigen und daher umstrittenen – Text verstehen. Die darin enthaltene Christologie muß den Empfängern bekannt gewesen sein. Vgl. noch Röm 8,34; 1 Kor 8,6; 2 Kor 8,9 und Gal 4,4. 52 53
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
105
Auf Ps 110,1 nehmen die echten Paulusbriefe nur zweimal Bezug, freilich in einer ganz in den Text integrierten, ›abgeschliffenen‹ Form, die zeigt, daß diese Psalmenstelle längst zu den Grundlagen der frühen Christologie gehörte. Wieder geschieht dies in bekenntnishafter Gestalt in kurzen, rhythmischen Sätzen, die einem Prosahymnus nahekommen, im Römerbrief: »Wer will die Auserwählten Gottes verklagen? Gott ist es, der rechtfertigt. Wer will verdammen? Christus Jesus, der gestorben ist, ja noch mehr, der auferweckt wurde, der zur Rechten Gottes ist, er ist es, der für uns eintritt.«59
Auch hier setzt Paulus die Anerkennung dieser Formeln in Rom voraus. Die Auferstehung ist als Erhöhung »zur Rechten Gottes« zu verstehen. Der Auferstandene übt in seiner Gottesgemeinschaft das »priesterliche Amt« der intercessio aus, das die Rechtfertigung vor Gott bewirkt. Diese frühe Vorstellung wird dann im späteren Hebräerbrief und in der johanneischen Tradition vom »Parakleten« weiter entfaltet. Wir finden sie aber schon im Stephanusmartyrium angedeutet.60 Der zweite Text, in dem Ps 110,1 bei Paulus verarbeitet ist, bezieht sich auf die Parusie und schildert in äußerst geraffter Form den dramatischen Ablauf der Endereignisse: zuerst die Auferstehung Jesu, dann bei seiner Wiederkunft die der Glaubenden, darauf erst kommt das eigentliche »Ende« (τέλος), wenn er die ihm anvertraute »Herrschaft« (βασιλεία) dem Vater zurückgibt. Diese Herrschaft muß so lange andauern, bis Gott ihm »alle Feinde unter seine Füße gelegt hat«, eine deutliche Anspielung auf Ps 110,1b in Verbindung mit Ps 8,7, einem Text, den Paulus unmittelbar darauf einführt. Der »letzte Feind«, der unterworfen wird, ist der Tod.61 Die Verbindung, ja Verschmelzung von Ps 110,1 und Ps 8 begegnet uns noch mehrfach:62 Sie kommt dadurch zustande, daß nach urchristlicher Auslegung in Ps 8,5 ff. Gott dem Erhöhten als dem »Menschensohn« alle Mächte unterworfen hat, während dies in Ps 110,1 gegenüber Christus als dem Herrn der Gemeinde in nächster Zukunft geschehen wird. Diese Parallelisierung von »Menschensohn« und »Herr« im Blick auf die Parusie weist wieder auf die früheste 59 Röm 8,33 f.: … ὃς καί ἐστιν ἐν δεξιᾷ τοῦ θεοῦ, ὃς καὶ ἐντυγχάνει ὑπὲρ ἡμῶν; vgl. Hebr 7,25: πάντοτε ζῶν εἰς τὸ ἐντυγχάνειν ὑπὲρ αὐτῶν. Zur priesterlichen intercessio Christi siehe A. M. Schwemer, Jesus, 199 ff. 60 Apg 7,55.59 f.; siehe dazu oben S. 102. 61 1 Kor 15,23–27; V. 25 spielt auf Ps 110,1 und 8,7 an; V. 27 bringt ein ausführlicheres Zitat. Siehe dazu M. Hengel, Setze dich, 143–150 = KS IV, 316–323; weiter ders., Paulus und die frühchristliche Apokalyptik, in: KS III, 363 ff. 62 Eph 1,20 ff.; 1 Petr 3,22; Polyk 2,1 f.
106
I. Die Urgemeinde
Gemeinde zurück.63 In den griechischsprachigen Missionsgemeinden war ja »Menschensohn« kein vertrauter, kerygmatisch brauchbarer messianischer Titel mehr und wurde durch κύριος ersetzt. Eine zentrale Rolle erhielt die Schriftauslegung der Urgemeinde im Zusammenhang mit der Deutung des Todes Jesu als Heilsgeschehen. In dem alten, letztlich auf die Jerusalemer Gemeinde zurückgehenden Bekenntnistext 1 Kor 15,3 betont Paulus ausdrücklich, daß »Christus« – hier klingt die Bedeutung »Messias« noch mit – »für unsere Sünden starb nach den Schriften«. Lukas läßt den Auferstandenen selbst gegenüber den Emmausjüngern »von Mose und allen Profeten an in allen Schriften auslegen«, daß »Christus leiden mußte«.64 Wenn der Evangelist davon spricht, daß der auferstandene Jesus den Elfen »ihren Sinn geöffnet habe, die Schriften zu verstehen«, so entspricht dies der urchristlichen Hermeneutik, daß die Messiasgemeinde erst durch den mit Ostern gegebenen Geist Gottes die endzeitliche, auf den Messias Jesus bezogene Heilsbedeutung des profetischen Wortes voll verstehen könne.65 Das Herzstück war dabei aber das Verständnis des Todes Jesu als der eschatologischen Heilstat Gottes, die Vergebung der Sünden für alle Glaubenden bewirkt. Denn hier zeigte sich sofort, ja gerade am Anfang besonders scharf, der eigentliche Anstoß. Ein gekreuzigter Messias mußte als Widerspruch in sich selbst erscheinen. Von allen absonderlichen Lehren der neuen messianischen Bewegung war dies die, die am meisten auf Widerstand stieß. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die Verkündigung des gekreuzigten Messias und seines Sieges über den Tod als eine direkte Provokation für die Jerusalemer Hierarchen, aber auch für Teile der Stadtbevölkerung erscheinen mußte. Wie konnten ein von Gott »Verfluchter«,66 das heißt »am (Fluch‑)Holz Aufgehängter«, als ein zur Rechten Gottes erhöhter Messias und Gottessohn Vgl. auch Hebr 1,13 und 2,6–9 und Ps 80(79),16.18 (MT, LXX und Tg). Lk 24,26 f.32; vgl. Apg 26,22 f. Paulus vor Festus und Agrippa II.: εἰ παθητὸς ὁ χριστός. 65 Vgl. 2 Kor 3,4–18; 1 Kor 2,10–16. 66 Siehe dazu Gal 3,13 und das dortige Zitat aus Dtn 21,23. Siehe auch die Tempelrolle 11QTa LXIV (= 4Q524 14): »Verfluchter« Gottes und der Menschen ist einer, der am Holze hängt (12a). Zum Text siehe F. García Martínez / E. J. C. Tigchelaar, Dead Sea Scrolls, 1050 f.1286 f. Auch Lukas spielt mehrfach indirekt auf diesen Tatbestand an, indem er die Kreuzigung entsprechend Dtn 21,22 f. als ein »am Holz Aufhängen« interpretiert; siehe die nächste Anmerkung. Das Gebot, den Leichnam des hingerichteten Delinquenten an einem Baum / Holz aufzuhängen und dann vor Sonnenuntergang zu begraben, wurde in frühjüdischer Zeit auf die Todesstrafe der Kreuzigung bezogen. Diese wurde von den Hasmonäern im Fall von Landesverrat verhängt. Bei den Römern war sie Strafe für Sklaven und peregrini und stellte die grausamste Hinrichtungsform dar. In Palästina zeigten die Römer mit der Kreuzigung von Gegnern, wer Herr im Lande war. So ließ etwa Varus 4 v. Chr., um die Unruhen nach dem Tode Herodes’ I. zu bestrafen, 2000 Juden rings um Jerusalem ans Kreuz hängen (Josephus, Ant. 17,295). Zur Kreuzigung in der Antike jetzt grundlegend J. G. Cook, Crucifixion; vgl. auch die Textsammlung von D. W. Chapman / E. J. Schnabel, Trial and Crucifixion. 63 64
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
107
und als in Bälde erwarteter Menschensohn und Richter verkündigt und die Sündenvergebung an seinen schändlichen Tod »am Holz«67 gebunden werden? Mußten gegen diese gotteslästerlichen »Irrlehrer« nicht die politisch-religiösen Autoritäten einschreiten? Die Hierarchen hatten Jesus ja schon mit der Absicht, daß Pilatus ihn zu dieser Strafe verurteilen sollte, an diesen mit der entsprechenden Anklage, er sei ein politischer Aufrührer und beanspruche, der »König der Juden« zu sein, ausgeliefert.68 Gegenüber Sympathisanten, Zweiflern und Gegnern genügte es nicht, daß man sich nur auf die Erscheinungen des Auferstandenen berief, es wurde auch der Schriftbeweis in der öffentlichen Verkündigung wie in der persönlichen Diskussion notwendig. Dieser Tatbestand begegnet uns – historisch nicht ohne Grund – immer wieder in weiten Teilen der Apostelgeschichte.69 Zu den »Schriften«, auf die sich die alte Formel 1 Kor 15,3 bezieht, gehört an erster Stelle Jes 52,13–53,12, das Lied vom leidenden Gottesknecht, in Verbindung mit Jes 50,4–9 und anderen Gottesknechtstexten. Es ist gewiß kein Zufall, wenn Lukas dem Petrus in seinen Actareden viermal die Bezeichnung »Knecht Gottes« (παῖς θεοῦ) in den Mund legt,70 die im Neuen Testament sonst zurücktritt und nur noch einmal bei Matthäus als Zitat aus Jes 42,1, in den altertümlichen Mahlgebeten der Didache und im großen Abschlußgebet des 1. Clemensbriefes erscheint.71 Mit Bedacht stellt Lukas den Gottesknecht und sein Leiden auch in den Mittelpunkt der Begegnung zwischen Philippus und dem äthiopischen »Finanzminister«.72 Er wird auch in einer Reihe von Anspielungen bei Paulus vorausgesetzt, vor allem ist sein christologischer Sprachgebrauch vom »Dahingeben« (παραδιδόναι) Christi nur von diesem Text her zu verstehen.73 Ein Beispiel, das wieder als bekenntnisartige Formulierung im Römerbrief begegnet, mag genügen:
67 Apg
5,30; 10,39; 13,29; vgl. Gal 3,13; 1 Petr 2,24. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 598 f.604 f.611–618. 69 Apg 2 und 3; 7; 8,32–35; 9,20.22; 10,43; 13,17–23; 17,2 f. 70 Apg 3,13.26; 4,27.30 (in 4,25 wird David als inspirierter Autor von Ps 2 als παῖς Gottes bezeichnet, in Apg 4,26 = Ps 2,1 f. erscheint der Titel χριστὸς κυρίου). Siehe dazu oben S. 98 Anm. 24. 71 Mt 12,18–21 = Jes 42,1–4; vgl. Jes 41,9; Did 9,2 f.; 10,2 f.; vgl. Barn 6,2 = Jes 50,8 f.; 1 Clem 59,2 ff. Siehe oben S. 84 Anm. 420. 72 Apg 8,27–35: Zitiert wird Jes 53,7 f. Zum Gottesknecht bei Lukas siehe U. MittmannRichert, Sühnetod, passim; zu Jes 53 in der Apostelgeschichte siehe R. Genz, Jesaja 53. 73 Jes 53,6: καὶ κύριος παρέδωκεν αὐτὸν ταῖς ἁμαρτίαις ἡμῶν. 53,12: … ἀνθ᾽ ὧν παρεδόθη εἰς θάνατον ἡ ψυχὴ αὐτοῦ … καὶ αὐτὸς ἁμαρτίας πολλῶν ἀνήνεγκεν καὶ διὰ τὰς ἁμαρτίας αὐτῶν παρεδόθη. 68
108
I. Die Urgemeinde
»[Jesus,] welcher um unserer Übertretungen willen dahingegeben und um unserer Gerechtmachung willen auferweckt wurde«.74
Neben die Gottesknechtstexte, bei denen Jes 53 im Mittelpunkt steht, treten Leidenspsalmen wie Ps 22, 31, 42/43 und 69 sowie der Psalm 118, die unter anderem dazu beitragen, Einzelzüge der Passionsüberlieferung zu gestalten. Man hat hier solche Ereignisse in der Erinnerung festgehalten, die mit Anspielungen und Zitaten aus Leidenspsalmen verbunden werden konnten. Es war nicht umgekehrt, daß aus den Psalmen und alttestamentlichen profetischen Texten die Leidensgeschichte »herausgesponnen« wurde.75 Entscheidend war, daß durch Jesu Reden und Handeln beim Abendmahl, das selbst von Jes 53 geprägt war, die stellvertretende Sühnewirkung des Todes Jesu als des sündlosen Messias für sein Volk, ja für alle Menschen, in den Mittelpunkt trat. Damit wurden ältere Traditionen über die sühnende Wirkung des Todes der Märtyrer im Judentum seit der Makkabäerzeit grundsätzlich überboten. Es ging bei Jesus um sehr viel mehr als um das Schicksal eines der von Israel getöteten Profeten. Apk 1,5 und 3,14 nennen ihn zwar den »treuen und wahren« Zeugen, aber zugleich auch den »Erstgeborenen von den Toten«, »Herrscher der Könige auf Erden«, ja den »Anfang der (neuen) Schöpfung Gottes«. Mit seinem Tod bezeugt er Gottes Treue gegenüber seinen Geschöpfen.76 Bei unserem frühesten neutestamentlichen Autor Paulus ist die Heilswirkung des Todes Jesu schlechterdings 74 Röm
4,25: ὃς παρεδόθη διὰ τὰ παραπτώματα ἡμῶν καὶ ἠγέρθη διὰ τὴν δικαίωσιν ἡμῶν. Zu Jes 53 im Neuen Testament siehe P. Stuhlmacher, Jesaja 53, 93–105, der mit Recht darauf hinweist, daß die Gottesknechtstexte (und Jes 61,1 f.) schon das messianische Sendungsverständnis Jesu bestimmt haben (104), und O. Hofius, Gottesknechtslied. Zu Paulus siehe O. Hofius, op. cit., 117 ff. Dem Satz: »Jesus Christus in seiner Person und in seinem Werk wird also nicht bloß und auch nicht primär durch Jes 53 ausgelegt, sondern er selbst legt Jes 53 aus« (127, Hervorhebung im Original), möchten wir gerne zustimmen. Dies gilt schon für das Handeln Jesu beim Abendmahl, und es ist der Auferstandene bzw. der Geist Gottes, der für das Urchristentum den Sinn dieses Textes öffnet. Er ist, wie die Frage des Philippus und die Gegenfrage des Äthiopiers in Apg 8,30 f. zeigen, nicht einfach aus sich selbst verständlich. Siehe auch O. Hofius, Art. Sühne. IV. Neues Testament, TRE 32 (2001), 342–347 und ders., Sühne und Versöhnung, 33–50, wo er auf die Kontinuität und die Diskontinuität zu dem alttestamentlichen Sühnekult hinweist. Bei Paulus kommt das Heil von Gott allein. In der Verkündigung der Urgemeinde bereitet sich dieses Verständnis vor. Zur jüngeren Diskussion um den sehr unterschiedlich verstandenen Sühnebegriff zwischen Otfried Hofius und Peter Stuhlmacher auf der einen Seite und Cilliers Breytenbach und Wolfgang Kraus auf der anderen in Deutschland und ihrem entsprechenden »englischsprachige[n] Pendant« siehe C. A. Eberhart, Kultmetaphorik, 155–160. 75 Das war die einflußreiche Meinung Rudolf Bultmanns; siehe etwa H. Conzelmann / A. Lindemann, Arbeitsbuch, 497–510 (Zitat: 500). 76 M. Hengel, Atonement; kürzere deutsche Fassung in: KS IV, 146–184; P. Stuhl macher, Theologie I, 195. Zum Märtyrer siehe A. M. Schwemer, Prophet, 344 ff. Der Märty rerbegriff entwickelt sich erst im frühen Christentum für die, die um ihres Christuszeugnisses willen getötet werden, und setzt sich im Laufe des 2. Jahrhunderts durch.
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
109
beherrschend, und sie kann trotz einer im Grunde einheitlichen Ausrichtung bereits in sehr verschiedener Terminologie, sei es kultischer, juridischer, sozialer oder politischer Art, ausgedrückt und unter wechselnden Perspektiven gesehen werden. Es geht um stellvertretende Sühne, Rechtfertigung, Versöhnung, Vergebung, Erlösung, Loskauf, Befreiung von der Macht der Sünde und des Todes bis hin zum Mitsterben mit Christus. Diese Vielfalt beruht nicht allein auf seiner sprachschöpferischen Kraft, sondern war ihm zumindest zum Teil durch die jerusalemisch-antiochenische Tradition vorgegeben. Bei Lukas steht dagegen – man muß fast sagen: »noch« – ganz die Gabe der Vergebung der Sünden im Mittelpunkt,77 die für die Interpretation des Todes Jesu von Anfang an grundlegende Bedeutung für die Jüngergemeinde besaß. Sie war ja schon für die Johannestaufe bestimmend und wird je und je im Wirken Jesu sichtbar; dies gilt in endgültig-einmaliger und universaler Weise für sein Handeln beim nächtlichen Passamahl vor seinem Tode. Hier stand außer Jes 53 auch die Vorstellung einer endzeitlichen Bundeserneuerung durch das stellvertretende Selbstopfer Jesu im Hintergrund.78 Anders als in der Täuferverkündigung, wo die Vergebung von »Früchten der Umkehr« abhängig gemacht wurde,79 vermittelt die stellvertretende Selbsthingabe Jesu in Verbindung mit der Taufe »auf den Namen Jesu Christi« den Glaubenden die Gewißheit der Vergebung ihrer Schuld und damit zugleich der Rettung im kommenden Gericht. Da die Jünger, allen voran Petrus, »die Nacht, in der Jesus ausgeliefert wurde«, als Nacht des völligen Versagens, ja des Schuldigwerdens erfahren hatten und sie zugleich die Schuld des Volkes, und hier besonders seiner Führer, ständig vor Augen hatten, bildete dieser Zuspruch der durch Jesu Hingabe erwirkten Vergebung der Sünden das Herzstück ihrer Heilsverkündigung.80 Lukas gibt daher in den von ihm gestalteten Petrusreden nicht einfach auf primitive Weise die Christologie und Soteriologie seiner Zeit nach 70 n. Chr. wieder, sondern in holzschnittartiger, vereinfachter und harmonisierender Form Grundzüge der frühesten nachösterlichen Botschaft. Über die christologischen Diskussionen zwischen 70 und 80 n. Chr. informiert er uns kaum. Daß es sich bei ihm um eine »vorpaulinische« Form der urchristlichen Botschaft handelt, ergibt sich 77 Apg 2,38; 5,31; 10,43; 13,38; 26,18; vgl. Lk 1,77; 24,47. Zu Paulus siehe unten S. 110 Anm. 81 ff. 78 Zu Johannes dem Täufer: Mk 1,4 = Lk 3,3; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 313 f. u. ö.; zum Wirken Jesu: Mk 2,5 ff. parr.; 2,17 parr.; Lk 15; 18,9–14; 19,1–10 und andere mehr; zum Abendmahl siehe Mk 14,22 ff. parr.; vgl. 10,45 und dagegen Joh 13,10; 15,3; zum Bundesopfer siehe Ex 24,8; vgl. Sach 9,11 f. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 413.454 ff.584 f. u. ö. 79 In Apg 26,20 läßt Lukas auch Paulus von der Notwendigkeit sprechen, nach der Umkehr ἄξια τῆς μετανοίας ἔργα zu tun. Aber diese sind nur auf Grund des Heilswerkes Christi möglich und entsprechen in etwa dem Begriff der »Heiligung« bei Paulus. 80 Siehe dazu M. Hengel, Mahl = KS IV, 451–495.
110
I. Die Urgemeinde
unter anderem daraus, daß Paulus nur noch am Rande von der »Vergebung der Sünde« bzw. von »Sünden« im Plural spricht, die in Röm 4 mit der »Rechtfertigung des Gottlosen« identisch ist,81 und daß, wenn er die »Vergebung der Sünde(n)« erwähnt, es auf formelhafte Weise geschieht. Ihren sprachlichen Niederschlag fand die Botschaft vom stellvertretenden Sühnetod Christi in der Formel, daß »Christus« – hier klingt in dem Namen noch der alte Messiastitel nach – »für unsere Sünden« bzw. »für uns / euch« (oder ähnlich) »starb«.82 Diese Sterbeformel (oder: Dahingabeformel) mit der Präposition der »Zueignung« (ὑπέρ) mit Genitiv ist für Paulus und die Deuteropaulinen charakteristisch, findet sich aber auch noch im Hebräerbrief, im 1. Petrusbrief, im Corpus Johanneum und in den Abendmahlsberichten der Synoptiker und des Paulus.83 Dagegen scheint Lukas ihr gegenüber eher zurückhaltend. Er verwendet sie freilich zweimal nacheinander – und zwar gegen seine Vorlage in Mk 14,22–25 – hervorgehoben in seinem Abendmahlsbericht.84 Möglicherweise hängt diese schwer erklärbare Zurückhaltung gegenüber allen Sühneformeln mit der Rücksicht auf die hochgestellte Person des Theophilos zusammen, von dem wir nicht einmal wissen, ob er getauft war.85 Auch die bei Paulus in verschiedenen Varianten gebrauchte Formel wird ihren Ursprung bei der griechischsprachigen Gemeinde in Jerusalem selbst, das heißt den »Hellenisten«, haben. Es handelt sich wie bei der Auferstehungsformel86 um ein urchristliches »Grundbekenntnis«, und es würde auch erklären, warum es darüber schon in der 81 So in Röm 4,7 in dem Zitat aus Ps 31,1 (LXX). Der Plural erscheint in den Formeln 1 Kor 15,3 und Gal 1,4. Formelhaft ist auch Röm 3,25: διὰ τὴν πάρεσιν τῶν προγεγονότων ἁμαρτημάτων und Röm 4,25; vgl. noch 5,16 und 2 Kor 5,19. Sonst spricht Paulus von der Sünde im Singular als der den Menschen beherrschenden Macht, so 46mal im Römerbrief. In den Deuteropaulinen, Kol 1,14 und Eph 1,7, erscheint dann wieder formelhaft das ältere Stichwort der Vergebung der Sünden. 82 1 Kor 15,3; der Aorist ἀπέθανεν deutet dabei auf ein einmaliges Geschehen der Vergangenheit hin. Dasselbe gilt vom Aorist Passiv παρεδόθη als Passivum divinum (Röm 4,25) und παρέδωκεν mit Gott als Subjekt (Röm 8,32). 83 Sie erscheint bei Paulus ca. 18mal, im Corpus Johanneum 12mal. Vgl. auch das (jesuanische) Wort aus Mk 10,45: λύτρον ἀντὶ πολλῶν, das in den Kontext des letzten Mahles gehört; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 541.584 ff. u. ö. 84 Lk 22,19 zum Brotwort: τὸ ὑπὲρ ὑμῶν διδόμενον, im folgenden Vers zum Kelchwort: τὸ ὑπὲρ ὑμῶν ἐκχυννόμενον. Vgl. auch Apg 20,28b. Vgl. dazu U. Mittmann-Richert, Sühnetod, 110–138. 85 Auf der anderen Seite verschweigt Lukas den schändlichen Tod Jesu am Kreuz nicht. Nur er verwendet die Formel von Dtn 21,23 vom »am Holz Aufhängen«, die auf eine Verfluchung durch Gott hinweist (Gal 3,13), vgl. oben S. 106 f. Anm. 66–67; siebenmal gebraucht er im Doppelwerk das Verb σταυροῦν, dreimal im Evangelium σταυρός, dabei zweimal außerhalb der Passionsgeschichte (Lk 9,23; 14,27; 23,26). Seine Zurückhaltung bleibt im Grunde ein Rätsel, das sich am ehesten aus der Konzentration, mit der er Theophilos auf Jes 53 verweist, erklärt. Zur theologischen Bedeutung des Sühnetodes Jesu siehe U. Mittmann-Richert, Sühnetod. 86 Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 626–641.
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
111
Heiligen Stadt zu Konflikten kam. Denn dieses »Bekenntnis« stellte die junge, vom Geist bewegte Messiasgemeinde in einen grundsätzlichen Gegensatz zum Kult im Jerusalemer Tempel, der, festgelegt durch die Gesetze der Tora, in abgestufter Weise mittels blutiger Opfer vom täglichen Tamidopfer bis zum Ritus des Hohenpriesters im Allerheiligsten am jährlichen großen Versöhnungstag Sühne für das Gottesvolk schaffen sollte. Durch den Tod des Messias am Kreuz vor den Mauern der Heiligen Stadt87 hatte dieser Kult für die junge, enthusiastischmessianische Bewegung seinen Sinn verloren, er war im Grunde obsolet und das Heiligtum selbst zu einer »Gebetsstätte« geworden.88 Die verschiedenen Opferformen konnten jetzt in erstaunlicher Freiheit typologisch auf Jesu Tod bezogen werden. Paulus macht – oft nur in Anspielungen – davon vielfältigen Gebrauch und nimmt selbstverständlich an, daß dies in den Gemeinden (einschließlich Roms, wo er die Gemeinde ja nicht gegründet hat89) auch verstanden wurde. Dieser Sprachgebrauch mag dabei schon durch die Einsetzungsworte beim letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern geprägt sein; zumindest deutet das Wort vom Blut des Bundesopfers90 darauf hin, daß schon ganz früh Christi Tod als neuer, endzeitlicher Bundesschluß verstanden wurde. Nach dem Tod und der Auferstehung Jesu muß die Urgemeinde den traditionellen Kult im Jerusalemer Tempel mit veränderten Augen gesehen haben, zumal gegen Jesus selbst im Verhör die Anklage erhoben worden war, er hätte dem alten Tempel ein Ende bereiten wollen.91 Durch die stellvertretende Hingabe Jesu für die Sünden »der Vielen« war ein für allemal universale Sühne gewirkt worden.92 Dies war, neben der Gewißheit der Erfüllung der profetischen Völkerverheißung,93 einer der Gründe, warum die schon vor der Bekehrung des Paulus aus Jerusalem vertriebenen »Hellenisten« außerhalb von Eretz Israel sich 87 Vgl. Hebr 13,12: ἔξω τῆς πύλης ἔπαθεν; Joh 19,20: ἐγγὺς ἦν ὁ τόπος τῆς πόλεως ὅπου ἐσταυρώθη ὁ Ἰησοῦς. Siehe auch Apk 11,8: Jerusalem, der Ort, »wo der Herr gekreuzigt wurde«, ist »geistlich Sodom und Ägypten«. 88 Mk 11,17 parr.= Jes 56,7: οἶκος προσευχῆς; siehe M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 560. Vgl. zum ursprünglichen Sinn des Tempels als Gebetsstätte für Jakob / Israel in der Stephanusrede auch unten § 3 Exkurs zu Apg 7,46 f. (S. 155–157). 89 Vgl. oben S. 97 Anm. 19 und S. 102 Anm. 44; ausführlich unten S. 158 f. und 174 f. 90 Mk 14,24 parr.; in anderer, für Juden weniger anstößiger Form in 1 Kor 11,25; vgl. Ex 24,5–8; Sach 9,11. Siehe auch F. Lang, Abendmahl, 533: »Wie der alte Bund durch einen Blutritus (Ex 24,6–8) und eine Mahlzeit (Ex 24,11) gestiftet war, so wird die durch das Blut bewirkte Stiftung des neuen Bundes in einer Mahlzeit gefeiert.« Vgl. weiter U. MittmannRichert, Sühnetod, 128 ff.; zur Verknüpfung der Vorstellungen werden Jer 31,31 und Ex 24 etc. mit Jes 53,12 kombiniert. 91 Mk 14,58; vgl. Joh 2,19 ff. und die Anklage gegen Stephanus in Apg 6,13 f. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 595 ff. 92 Vgl. Röm 6,10; Hebr 7,27; 9,12; 10,10: ἐφάπαξ. Zur Sühne siehe H. Gese, Sühne, 85–106. 93 Zu den jesajanischen Gottesknechtstexten gehört auch die Aussage Jes 49,6: »Ich mache dich zum Licht der Heiden, daß mein Heil bis an die Grenze der Erde reiche«; vgl. 42,1b.4.6b; Lk 2,30 ff.; 24,47; Apg 1,8; 13,47; 26,17.
112
I. Die Urgemeinde
rasch den »Heiden« in Gestalt der Gottesfürchtigen in den Diasporasynagogen zuwandten94 und Paulus auf ihren Spuren vor Damaskus zum »Apostel der Heiden« berufen wurde.95 Die formelhafte Rede von der Heilswirkung des »Blutes Christi«,96 die selbst in einer abgeschliffenen, auf Gott bezogenen Formel im Munde des lukanischen Paulus97 auftaucht, drückt diesen Sachverhalt aus. Auch diese Redeform ist vorpaulinisch. Der ehemalige Verfolger hätte ohne diese soteriologische Grundbotschaft von der universalen Heilswirkung des Todes Jesu gar nicht »Apostel der Heiden« werden können. In der Regel bereits festgeprägt finden wir bei ihm Bezüge des Todes Christi zum großen Versöhnungstag,98 zum Sündopfer99 und zum geschlachteten Passalamm.100 Dies sind keine zufälligen Metaphern neben anderen, sie sind nur sinnvoll zu verstehen aus einer grundsätzlichen Neuorientierung der Jerusalemer 94 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 101–132. Sie überschritten jedoch in den ersten zwölf Jahren nicht die Grenzen von »Großjudaea«; siehe dazu A. M. Schwemer, Land Abrahams. 95 Röm 11,13; vgl. Gal 1,16; 2,7 ff.; Apg 22,21; 26,17–20. 96 Röm 3,25; 5,9; Eph 1,7; 2,13; Kol 1,20; 1 Petr 1,2; 1 Joh 1,7 und häufig im Hebräerbrief und in der Apokalypse. 97 Apg 20,28: »die Gemeinde, die er [Gott] durch das Blut seines eigenen [Sohnes] erworben hat«. Siehe dazu C. K. Barrett, Acts II, 976 f.: Der schwierige Text ist zu übersetzen: »through the blood of his Own, his Own being taken as the title of Christ, God’s own Son« (976) unter Verweis auf J. Roloff, Apg, 306. Vgl. J. A. Fitzmyer, Acts, 680; R. Genz, Jesaja 53, 296 ff. u. ö. 98 Röm 3,25; siehe dazu P. Stuhlmacher, Theologie I, 193 f. Dies wird dann das große Thema des Hebräerbriefs. Vgl. ausführlich zum frühjüdischen und frühchristlichen Verständnis des großen Versöhnungstages D. Stökl Ben Ezra, Yom Kippur (zu Paulus und Hebräerbrief: 180–205 u. ö.). Er will freilich auf wenig überzeugende Weise an der Bedeutung des Opferkultes für die Urgemeinde festhalten. Dagegen spricht schon der Vorwurf gegen Stephanus, er lästere ohne Unterlaß gegen den Tempel und das Gesetz (Apg 6,11.13 f.), aber auch die ganze paulinische Soteriologie, die älteste, die wir kennen. 99 Röm 8,3b: περὶ ἁμαρτίας; vgl. 2 Kor 5,21. Dieser älteren Sicht widerspricht jetzt C. A. Eberhart, Kultmetaphorik, 172–176: Der metaphernspendende Ritus sei der Sündenbockritus. 100 1 Kor 5,6 ff.; 1 Petr 1,18 ff. Eph 5,2 spricht von Christus als dem, »der sich als προσφορά und θυσία dahingegeben hat«; in Joh 1,29.36 bezeichnet der Täufer Jesus als das »Lamm«, das die Sünde der Menschheit beseitigt, was im Johannesevangelium auf die Passion Jesu vorausweist, der in der Stunde, in der die Passalämmer geschlachtet werden, am Kreuz stirbt. Die Passalamm-Typologie steht wohl auch hinter Apk 5,6.9 u. ö.; vgl. H. Lichtenberger, Apokalypse, 130. Anders P. Stuhlmacher, Theologie II, 75 f.213.225 ff. u. ö., der auch beim Johannesevangelium und bei der Apokalypse für den Widder des Tamidopfers plädiert. Dazu jetzt C. A. Eberhart, Kultmetaphorik, 182 f.: 1 Petr 1,19 »knüpft an das ›regelmäßige‹ Brandopfer«, das heißt das Tamidopfer, an (vgl. das Resümee auf S. 200); 183–189: Die »Passalamm-Prädikationen« in 1 Kor 5,7 und in der Apokalypse lassen sich nicht von der kultischen Sühne ableiten; denn im Hintergrund steht der apotropäische »Blutritus des Passa … Er bietet stattdessen Schutz vor tödlicher Bedrohung und existentielle Befreiung« (187, vgl. das Resümee auf S. 200); im Johannesevangelium sei die Lammprädikation ein »mehrsinniges Motiv mit Anknüpfungen … an das vierte Gottesknechtslied und an die Passatradition« (196).
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
113
Urgemeinde gegenüber dem Tempel und seinem Opferkult, eine Veränderung, die schon mit Jesus selbst begann und zusätzlich mit erklärt, warum die Hierarchen der Jesusgemeinde auch nach Ostern feindlich gegenüberstanden und sie je und je verfolgten bis hin zur Steinigung des Herrenbruders Jakobus und anderer Judenchristen ca. 62 n. Chr., die sie als »Gesetzesbrecher« zum Tode verurteilt hatten.101
2.2 Die Naherwartung der Wiederkunft Christi: Erlösung und Gericht102 Schon für Jesus wurde die erwartete Aufrichtung der Gottesherrschaft in seinem – gewiß für die meisten verborgenen und verkannten – Wirken zeichenhafte Gegenwart.103 Die das ganze Neue Testament in verschiedenen Nuancierungen durchziehende Spannung zwischen Heilsgegenwart und ‑zukunft, die bei Johannes zugunsten der Heilsgegenwart ihren Höhepunkt erreicht, aber die Heilszukunft nicht völlig verdrängt,104 hat hier ihren Ursprung. Für die Jüngergemeinde war die Auferstehung Jesu der vorauslaufende Anfang der allgemeinen Auferstehung.105 Auch die Gabe des Geistes und die damit verbundenen »Charismata«106 konnten als Zeichen des hereinbrechenden Gottesreiches verstanden werden. Lukas ersetzt darum am Anfang der Pfingstrede des Petrus in dem Joelzitat ein »danach« durch ein »in den letzten Tagen«.107 Er ist durchaus nicht so eschatologiefeindlich, wie er gerne dargestellt wurde, er wendet sich nur – noch schärfer als Markus – gegen eine überhitzte Nah 101 Josephus, Ant. 20,200, von Hannas II. und seinen Synhedristen: ὡς παρανομησάντων κατηγορίαν ποιησάμενος παρέδωκε λευσθησομένους. Dies schließt nicht aus, daß sich Jerusalemer Christen noch äußerlich um des Friedens willen am Tempeldienst beteiligten, vgl. Apg 21,23–26; Mt 5,23 f. und vor allem zur Tempelsteuer Mt 17,24–27. 102 Vgl. dazu M. Hengel, Paulus und die frühchristliche Apokalyptik, in: KS III, 302–417; ders., Heilsgeschichte, in: KS VII, 21 f.28 ff.; P. Stuhlmacher, Theologie I, 304–309 u. ö.; O. Betz, Art. Naherwartung, CBL 2 (2003), 953 f.; U. Wilckens, Theologie II/2, 308– 338; J. D. G. Dunn, Beginning, 223–227.703–713.1170 f. und 1343 f. Index s. v. »parusia«; U. Schnelle, Jahre, 394–405 (weitere Literaturangaben: 394). 103 Zu Lk 11,20: »Wenn ich mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe, dann ist die Gottesherrschaft schon zu euch gekommen« siehe M. Hengel, Jesus, der Messias Israels, 172 f. = KS IV, 259–280 (276 f.); ders., Finger und Herrschaft Gottes = KS V, 644–663; zu Lk 17,20 f. siehe A. M. Schwemer, Königsherrschaft Gottes. 104 Grundlegend J. Frey, Eschatologie I–III. 105 Paulus vor Agrippa II. und Festus nach Lukas, Apg 26,23: πρῶτος ἐξ ἀναστάσεως νεκρῶν. Vgl. 1 Kor 15,20.23: Christus als ἀπαρχὴ (τῶν κεκοιμημένων); Kol 1,18: πρωτότοκος ἐκ τῶν νεκρῶν; Apk 1,5: ὁ πρωτότοκος τῶν νεκρῶν. 106 Als Ausdruck für die »Gnadengaben Gottes« ist es eine urchristliche Wortschöpfung, siehe H. Conzelmann, Art. χάρισμα, ThWNT IX (1973), 393 f. In der Profangräzität ist es »ein seltenes u[nd] spätes Wort«; auch jüdisch-hellenistische Belege gibt es nur ganz wenige. 107 Joel 3,1: καὶ ἔσται μετὰ ταῦτα; Apg 2,17: καὶ ἔσται ἐν ταῖς ἐσχάταις ἡμέραις. Siehe oben S. 61 mit Anm. 289.
114
I. Die Urgemeinde
erwartung, wie sie nach der Reichskrise 68–70 n. Chr. und der Zerstörung Jerusalems weit verbreitet war.108 Durch die Erhöhung »zur Rechten Gottes« war der Auferstandene und »Herr« der Gemeinde zum endzeitlichen Bevollmächtigten Gottes geworden. Die Gottesherrschaft stellte sich im Vollzug zugleich als seine Herrschaft dar, es mußte daher für die Glaubenden zu einer fortschreitenden »Handlungseinheit« zwischen dem Vater und dem Sohn kommen. Doch verselbständigte sich die Herrschaft Christi gegenüber der Gottesherrschaft nie, sondern blieb ganz in diese integriert. Andererseits wurde die βασιλεία τοῦ θεοῦ von jetzt an ganz durch Gottes Handeln an der und durch die Person Christi geprägt.109 Die Gottesherrschaft schloß die Herrschaft Christi in sich ein.110 Im Hintergrund steht wohl die apokalyptische Vorstellung der endzeitlichen Herrschaftsübergabe an den Menschensohn (Dan 7,13 f.), wie sie auch in den Bilderreden des 1. Henochbuches ihren Niederschlag gefunden hat.111 Schon in der Logientradition finden wir den bekannten, auf rätselhafte Weise johanneisch klingenden Satz: »Alles wurde mir übergeben von meinem Vater …«,112 hinter dem vielleicht ein echtes Jesuswort steht. Es wird unter dem Einfluß von Dan 7,14 am Ende des ersten Evangeliums zu einem – späten – Wort des Auferstandenen ausgestaltet: »Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden.«113 In der apokalyptischen 108 Vgl. Mk 13,7 f.: ἀλλ’ οὔπω τὸ τέλος … ἀρχὴ ὠδίνων ταῦτα = Mt 24,6 ff.; vgl. Lk 21,9: ἀλλ’ οὐκ εὐθέως τὸ τέλος und Lk 19,11; Apg 1,6 etc. Auch der 2. Thessalonicherbrief setzt sich wohl mit der erhitzten Naherwartung zwischen 66 und 73 n. Chr. auseinander. 109 Zum Verhältnis von Herrschaft Christi und Gottesherrschaft siehe K. L. Schmidt, Art. βασιλεία, ThWNT I (1933), 581–592, der (591) auf die Formulierung eines Marcion (Tertullian, Adversus Marcionem 4,33,8 [SC 456, 408 ed. Moreschini / Braun]: … evangelii, in quo est dei regnum, Christus ipse) verweist und an den von Origenes geprägten Ausdruck der αὐτοβασιλεία erinnert (Origenes, Comm. in Mt 14,7 zu Mt 18,23 [GCS Origenes X, 289 ed. Klostermann]); Origenes nennt darüber hinaus Christus αὐτοσοφία, αὐτοδικαιοσύνη; vgl. 1 Kor 1,30. Freilich darf man diese paulinische Entwicklung noch nicht schon für die früheste Zeit voraussetzen. Siehe auch Joh 18,33–38, die Diskussion zwischen Jesus und Pilatus über seine βασιλεία, dazu M. Hengel, Reich Christi = KS V, 408–429; vgl. zu Gottesherrschaft und messianischer Vollmacht Jesu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 427–430. 110 Vgl. Lk 22,29 f.; 23,42; Mt 28,18 f.; Joh 18,36; 1 Kor 15,24–28; Eph 5,5; Hebr 1,8 = Ps 45(LXX 44),7; Apk 11,15. 111 1 Hen 46,1–6; 48,2–49,4; 51,2–52,9; 55,4 u. ö. 112 Lk 10,22a = Mt 11,27a; vgl. Joh 3,35; 5,19–22; 17,24. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 542 f. 113 Mt 28,18: Die Vorstellung der Sendung der elf Jünger zu »allen Völkern« konnte sich erst später, wohl nach der Verfolgung unter Agrippa I. ca. 43 n. Chr., entwickeln; siehe unten S. 365 Anm. 88. Wir haben später die Überlieferung, daß die Jünger zwölf Jahre nach der Himmelfahrt als Missionare Judaea verließen. Die Tradition findet sich bei Clemens Alexandrinus, Stromateis 6,43,3 (GCS Clemens Alexandrinus II, 453,9 ff. ed. Stählin / Früchtel) u. ö.; vgl. dazu ausführlich R. Riesner, Paulus, 106 f.; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 388; und unten S. 174 bei Anm. 14.
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
115
Darstellung des Endgeschehens 1 Kor 15,23–28 beginnt die Herrschaft des Sohnes mit der Auferstehung und reicht über die Parusie und die Vernichtung des letzten Feindes, des Todes, bis zur Rückgabe der Macht an den Vater selbst, der ihm mit der Auferstehung gemäß Ps 8,7 und 110,1 »alles unterworfen hat«, »damit Gott sei alles in allem«.114 Dieser Ablauf der Endereignisse mag den Vorstellungen der frühen nachösterlichen Gemeinde relativ nahe kommen. Dabei gilt von der paulinischen Darstellung der Parusie (1 Thess 4,15 ff.) auf Grund eines »Wortes des Herrn«, daß sie eine enge Verwandtschaft mit der Schilderung der Parusie des Menschensohns nach der Logienüberlieferung und bei Markus zeigt.115 Die lukanische Schilderung der »Offenbarung des Menschensohns«116 aus der Logientradition kann unseres Erachtens weitgehend auf vorösterliche Jesusüberlieferung zurückgehen.117 Es wird darin weder Jesus direkt expressis verbis mit dieser geheimnisvollen Gestalt identifiziert, noch ist von deren Tod und Erhöhung die Rede, auch von Glaubenden bzw. Auserwählten, die gerettet werden, spricht der Text nicht eindeutig. Das findet sich erst in der urchristlichen Weiterentwicklung des Textes. Das Wort paßt daher auch kaum in den Mund eines christlichen Profeten. Eine direkte Abhängigkeit von Dan 7,13 f. ist ebenfalls nicht zu erkennen, auch wenn die Kenntnis dieses Textes vorausgesetzt wird. Der »Menschensohn« stellt sich im Grunde als eine rätselhafte Gestalt dar, die plötzlich und weltweit erscheint: »Denn wie der Blitz hervorzuckt vom einen Ende des Himmels und leuchtet bis zum anderen, so wird der Menschensohn sein an jenem Tage.«118
Mit ihm kommt unerwartet das Verderben zu den Menschen wie die Sintflut zur Zeit Noahs und der Feuerregen auf Sodom zur Zeit Lots.119 Das heißt, sein überraschendes Erscheinen bedeutet Gericht und radikale Scheidung:
1 Kor 15,23–28; die Vorstellung ist noch deutlich subordinatianisch. Siehe oben S. 105. Lk 17,22–37, vgl. Mt 24,17 f.23–28.37–41 und (in schon weiter ausgestalteter Form) Mk 13,21–32; im Gegensatz zu Matthäus verbindet Lukas die ältere Logientradition nicht mit dem Markustext. Siehe dazu M. Hengel, Paulus und die frühchristliche Apokalyptik, in: KS III, 398–410. 116 Lk 17,30: ᾗ ἡμέρᾳ ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἀποκαλύπτεται. Matthäus, der die Darstellung der Logientradition (bzw. des Lukas) und die des Markus in c. 24 verschmolzen hat, spricht dagegen in deutlich sekundärer Weise viermal von der »Parusie« (Mt 24,3.27.37.39), das heißt, er verwendet einen ihm vertrauten Terminus der Gemeinde in der Bedeutung »Wiederkunft«; siehe die Stellen in Anm. 123. Zum Bedeutungswandel siehe Bauer / Aland, WB, 1272 f. 117 In der vorliegenden Form hätte es selbst in die Täuferpredigt gepaßt. Zu den Worten vom kommenden Menschensohn siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 536–539; vgl. ferner unten Anm. 121. 118 Lk 17,24. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 537. 119 Lk 17,26–30; vgl. Gen 7,7–23 und 19,13.24–29. 114 115
116
I. Die Urgemeinde
»In dieser Nacht werden zwei auf einem Bette sein, der eine wird angenommen, der andere zurückgelassen werden. Zwei (Frauen) werden zusammen mahlen, die eine wird angenommen, die andere zurückgelassen werden.«120
Das »Annehmen« und »Zurücklassen«, das nicht weiter erklärt wird, ist ein Akt der Gerichtsentscheidung, der die Betroffenen völlig überrascht.121 In der nachösterlichen Eschatologie der Urgemeinde setzt sich dies um in die Vorstellung vom weltweiten »Einsammeln« der Auserwählten durch die Engel bzw. deren »Entrückung«, wenn der Menschensohn / Kyrios nach Dan 7,13 »auf den Wolken (des Himmels), mit großer Macht und Herrlichkeit«, erscheint und ihn alle, auch seine bisherigen Gegner, sehen werden.122 Die einzelnen Motive, die teilweise schon auf Jesus selbst zurückgehen, zeigen in der frühchristlichen Überlieferung eine große Konstanz und können in den verschiedenen Schriften, die ja in der Regel schon der Gemeinde Bekanntes vortragen, immer wieder in anderer Weise kombiniert werden. Das Kommen des Menschensohns / Kyrios, der mit dem auferstandenen und erhöhten Jesus identisch ist, geschieht plötzlich und unerwartet »wie der Dieb in der Nacht«. Seine »Ankunft« (παρουσία) wird identisch mit dem »Tag des Herrn« der alttestamentlich-profetischen Tradition und bedeutet zugleich Gericht und Erlösung und damit Scheidung. Paulus setzt dies in seinem frühesten Brief 123 bereits als »Grundwissen« voraus, das er bei der Gemeindegründung gelehrt hat: Lk 17,34 f. Mt 24,40 ersetzt das drastische erste Bild durch zwei Menschen auf dem Felde. Daß der »Menschensohn« schon bei Jesus keine wirklich unabhängige, von diesem getrennte Person ist, sondern untrennbar mit Jesu Wirken, seinem Messias‑ und Gottesreichsgeheimnis zusammenhängt, ergibt sich aus einem Wort wie Lk 12,8 f. und aus Jesu Verhalten vor dem Synhedrium, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 538 f. 122 Mk 13,26 = Mt 24,30 f. und verkürzt Lk 21,27; vgl. Mk 8,38 = Lk 9,26 und Mt 16,27 f.; Mk 14,62 = Mt 26,64. Lk 22,69 reduziert die Aussage auf das Sitzen des Menschensohns zur Rechten Gottes. Mt 24,30 läßt die Erscheinung des »Zeichens des Menschensohns« am Himmel vorausgehen und verbindet die Aussendung der Engel mit dem Ertönen »der großen Posaune« (24,31). Beide Motive begegnen uns auch in Did 16,6: Das »Zeichen am Himmel« erscheint als σημεῖον ἐκπετάσεως (Ausdehnung?); damit könnte das Kreuz gemeint sein (K. Niederwimmer, Didache, 265 f.). Als drittes Zeichen ereignet sich noch die Auferstehung der Toten. Zum Einsammeln siehe schon Paulus (1 Thess 4,16 f.) in seinem »Wort des Herrn«. Zum Motiv des Sehens des Wiederkommenden siehe noch aus der Logienüberlieferung Lk 13,35 = Mt 23,39 in Verbindung mit Ps 118,26. Eine Verschmelzung von Dan 7,13 und Sach 12,10 findet sich in Apk 1,7 (siehe auch Joh 19,37). Wie schon in Mk 14,62 erhält es auch hier Gerichtscharakter. Positiv erscheint es als das Sehen des Kommenden, der sehnsuchtsvoll erhofft wird, durch die erlöste Gemeinde in 1 Joh 3,2 und Apk 22,3 f. 123 Im 1. Thessalonicherbrief erscheint das Wort παρουσία bereits viermal (2,19; 3,13; 4,15; 5,23); vgl. noch 1 Kor 15,23 sowie den deuteropaulinischen Text 2 Thess 2,1.8 f.; vgl. Jak 5,7 f.; 1 Joh 2,28. 120
121
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
117
»Über die Zeiten und Fristen … brauche ich euch nicht zu schreiben. Ihr wißt ja selber genau, daß der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Wenn (die Leute) sagen werden: Friede und Sicherheit, dann plötzlich überfällt sie das Verderben wie die Wehen die Schwangere, und sie werden nicht entrinnen.«124
Auch mit diesem Bild greift Paulus auf die eschatologische Verkündigung der Urgemeinde, ja auf ein Bildwort zurück, das in den Zusammenhang von Jesu Jüngerbelehrung gehört. Lukas stellt die Metapher »Dieb in der Nacht« in den Kontext seiner kleinen »Gleichnisrede« von den wachsamen und den unaufmerksamen Knechten (Lk 12,35–48):125 »Wenn der Hausherr wüßte, zu welcher Stunde der Dieb kommt, würde er ihn nicht in sein Haus einbrechen lassen.«126
Der Nachsatz: »Auch ihr sollt bereit sein, denn ihr wißt nicht, zu welcher Stunde der Menschensohn kommt!« (Lk 12,40) erscheint dabei als grundlegende, in verschiedener Gestalt wiederkehrende Mahnung der Urgemeinde, die auch in späteren Texten weiterwirkt und die an die profetische Ansage des drohenden, unmittelbar bevorstehenden »Tages JHWHs« anknüpft, der auf Grund der Septuaginta, die anstelle des Gottesnamens κύριος schrieb, als »Tag des Herrn« übernommen wird.127 Die Sprachform ist dabei variabel. Paulus, unser frühester Zeuge, spricht in 1 Thess 5,2 vom »Tag des Herrn«, ebenso in 1 Kor 5,5,128 er ist für ihn der »Tag unseres Herrn Jesus Christus«,129 der »Tag (Jesu) Christi«130 oder einfach »der Tag«.131 Die Jesustradition der frühesten Urgemeinde hat hier noch »den (bzw. die) Tag(e) des Menschensohns«132 oder vereinfachend »jener 124 1 Thess 5,1–3. Siehe dazu M. Hengel, Paulus und die frühchristliche Apokalyptik, in: KS III, 357, und die zahlreichen frühchristlichen Parallelen: Lk 12,39 = Mt 24,43; Apk 2,3; 16,15; 2 Petr 3,10; EvThom 21.61; Väterbelege bei A. Resch, Agrapha, Nr. 76 und 101. 125 Die vielseitigen Verbindungen in 1 Thess 4,13–5,11 zur jesuanisch-synoptischen Tradition zeigen, wie stark die gemeindegründende eschatologische Predigt des Apostels von dort her geprägt war. Siehe D. Wenham, Paulus, 274–284 und 403 Index. 126 Lk 12,39 f. = Mt 24,43 f. Die knappere Lukasfassung ist ursprünglicher als die erweiterte des Matthäus, die in V. 43 statt des ὥρᾳ bei Lukas ein φυλακῇ einsetzt und in V. 42 mit der Mahnung beginnt: »Wachet nun, denn ihr wißt nicht, wann euer Herr kommt.« Damit ergänzt Matthäus das Menschensohnwort durch eine ›aktualisierte‹ Mahnung, in die er noch den Terminus ἡμέρα einfügt und das für das Urchristentum und hier besonders für Markus (vgl. 13,34–37 und 14,34–38) wichtige Stichwort des γρηγορεῖν. 127 Vgl. Am 5,18 ff.; Jes 2,12–17; Zeph 1,7–2,3; Ez 7,2–4; Joel 3,4; 4,14; siehe dazu M. Sæbø, Art. jôm, ThWAT 3 (1982), 582–586; P. Volz, Eschatologie, 163–165; G. Delling, Art. ἡμέρα, ThWNT II (1935), 954 ff. Dies mag schon ein Zug der Täuferpredigt gewesen sein. 128 Vgl. deuteropaulinisch 2 Thess 2,2. 129 1 Kor 1,8; 2 Kor 1,14. 130 Phil 1,6.10; 2,16. 131 1 Kor 3,13: ἡ … ἡμέρα δηλώσει; vgl. 1 Thess 5,4. 132 Lk 17,22.24.26.30 f.; siehe auch oben S. 115 f. mit Anm. 115–120 und unten S. 118 Anm. 143.
118
I. Die Urgemeinde
(bzw. jene) Tag(e)«.133 Wenn in späteren Texten wieder vom »Tag Gottes« bzw. dem »großen (Gerichts‑)Tag des Herrn« die Rede ist,134 so sollte dies nicht als ein »Rückfallen in vorchristliche Gedanken« auf Grund der »Einwirkungen der jüdischen Apokalyptik«135 verstanden werden. »Jüdische Apokalyptik« wird hier überall sichtbar.136 Wesentlich ist vielmehr die »Handlungs‑ und Offenbarungseinheit« zwischen dem richtenden und erlösenden Gott und dem Menschensohn-Messias. Daß dieser »Tag« für die Gemeinde und für ganz Israel zugleich drohendes Gericht und erlösende Befreiung ist, ergibt sich aus der vielfältigen Mahnung zum »Wachen« und »Bereitsein«.137 Ein Gleichnis,138 das auf Jesus zurückgehen kann, jetzt aber auf das Verhalten der in der Gemeinde Verantwortlichen bezogen wird, stellt zwei Typen von Sklaven einander gegenüber, die ihr Herr als Verwalter eingesetzt hat. Der eine kommt seinen Pflichten getreulich nach, ihm wird der Herr seinen ganzen Besitz anvertrauen. Der andere Sklave, der sein Amt mißbraucht, weil der Herr sein »Kommen verzögert«,139 wird durch dessen plötzliche Ankunft überrascht und erfährt schwerste Strafe.140 Das Stichwort χρονίζειν mag auf das vielverhandelte und zum Teil auch übertriebene Problem der »Parusieverzögerung« hinweisen.141 Es bestand in der Gemeinde von Anfang an; denn schon für Jesus lag die Entscheidung über den Zeitpunkt des Anbruchs der Gottesherrschaft »in Kraft«, und das heißt zugleich die Offenbarung des Menschensohns, allein beim Vater.142 Ebendarum konnte er nach Lukas die unvermittelte Plötzlichkeit der »Offenbarung des Menschensohns« betonen und die Frage der Pharisäer nach dem Termin des Kommens der Gottesherrschaft und nach deren Vorzeichen zurückweisen.143 Mk 13,19.24.32 par.; 14,25 par.; Lk 21,34; vgl. auch individualisiert 2 Tim 1,12.18; 4,8. 2 Petr 3,10.12; Apg 2,20 = Joel 3,4; Apk 16,14; vgl. 2 Clem 12,1 u. ö. 135 So G. Delling, Art. ἡμέρα, ThWNT II (1935), 955. Vgl. auch Röm 2,5.16. 136 Das ganze Urchristentum ist von »jüdischen« Vorstellungen und Begriffen geprägt, die weitgehend aus apokalyptischer Tradition stammen. Dies sollte nicht mehr geleugnet werden; siehe M. Hengel, Paulus und die frühchristliche Apokalyptik. Die Trennung erfolgt erst gegen Ende des 1. Jahrhunderts. 137 Siehe unten S. 119 mit Anm. 144. 138 Lk 12,42–46 = Mt 24,45–51. Die Matthäusfassung ist deutlich sekundär, sie setzt die lukanische voraus. Vgl. auch das Gleichnis Mk 13,33–37. 139 Lk 12,45 (= Mt 24,48): χρονίζει ὁ κύριός μου ἔρχεσθαι. 140 Lk 12,46 (=Mt 24,50 f.): καὶ διχοτομήσει αὐτόν: Er wird ihn nicht nur in Stücke hauen, sondern ›zweiteilen‹, das heißt die Strafe für den Gottesfeind an ihm vollziehen; zur rituellen Zweiteilung und zur Aufnahme des Motivs im Judentum vgl. A. M. Schwemer, Prophetenlegenden I, 108 f. 141 Siehe dazu E. Grässer, Parusieverzögerung. 142 Vgl. Mk 13,32 = Mt 24,36. 143 Lk 17,20 f. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 428; A. M. Schwemer, Königsherrschaft Gottes. 133 134
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
119
Mit der Gabe des Geistes nach Ostern erhielt die Jüngergemeinde ja zugleich den Auftrag, das eigene Volk zur Umkehr und zum Glauben an den gekreuzigten, zu Gott erhöhten und wiederkommenden Messias-Menschensohn zu rufen. Auch wenn die Geschichte der ersten Gemeinde in Jerusalem (Apg 2–6) von Lukas in sehr freier Weise gestaltet wird, muß man ihm in diesem Punkt Vertrauen schenken. Die Zeit des Wartens (und Leidens) war eine Zeit der missionarischen Verkündigung, und zwar zunächst gegenüber dem eigenen Volk. Dem entspricht die sich von Anfang an durch die ganze frühchristliche Paränese ziehende Aufforderung zu aktiver Wachsamkeit. Markus setzt sie etwa an den Schluß seiner apokalyptischen Jesusrede: »Was ich aber euch sage, sage ich allen: Wachet!«144 Dieses »Wachen« im Blick auf die zeitlich ungewisse Erwartung der Parusie konnte dann allgemeine paränetische Bedeutung für den einzelnen Glaubenden und seine »Heiligung«145 gewinnen, wobei der Gedanke der Verantwortung im kommenden Gericht immer im Hintergrund stand. In den Parusiegleichnissen der Evangelien sind Jesusüberlieferung und urchristliche Ausgestaltung so eng miteinander verschmolzen, daß eine Trennung zwischen beiden – wie so oft – kaum mehr möglich ist. Typisch ist dafür das große Gleichniskapitel Mt 25 mit den drei Erzählungen von den zehn klugen und den zehn törichten Jungfrauen,146 den anvertrauten Talenten147 und dem Weltgericht,148 in denen die eigene theologische Handschrift des Evangelisten besonders deutlich zu erkennen ist, aber die dahinterstehende Jesustradition nicht einfach verdrängt hat. Bei allen drei Gleichnissen geht es in betonter Weise auch um Scheidung und Gericht beim Kommen des Menschensohn-Messias, ein Motiv, das aus der Predigt Jesu, ja des Täufers übernommen wurde und das der erste Evangelist christologisch und paränetisch ausgestaltet.149 Die Urgemeinde gründet dabei auf den Gerichtsvorstellungen der profetischapokalyptischen jüdischen Tradition. Das Gericht kann von Gott selbst oder aber durch den »Menschensohn-Messias« als seinen Bevollmächtigten vollzogen 144 Mk 13,37; vgl. Mt 24,42; 25,13; Lk 12,37–40; Apg 20,31; 1 Kor 16,13; 1 Thess 5,6.10; 1 Petr 5,8; Apk 3,2 f.; 16,15; vgl. auch die Gethsemaneszene Mk 14,34–38 = Mt 26,38–41; Lk 22,46 läßt dieses Stichwort weg. Vgl. auch das Synonym ἀγρυπνεῖν (»sich wach halten«) in Mk 13,33; Lk 21,36. Zum »Bereitsein« siehe Mt 24,44; 25,10; Lk 12,40, vgl. 12,35 f. 145 Auffallend häufig ist die Aufforderung zum ἁγιασμός im frühesten Paulusbrief (1 Thess 4,3 f.7); vgl., davon abhängig, 2 Thess 2,13; Röm 6,19. Im Corpus Johanneum erscheint dagegen der Begriff μένειν, »(treu) bleiben, ausharren« (Joh 6,56; 8,31; 12,46; 15,4–10; 1 Joh 2,6.27 f.; 3,6.24). 146 Mt 25,1–13; vgl. Lk 12,35 f. 147 Mt 25,14–30; vgl. die stark abweichende Fassung Lk 19,11–27, die es unmöglich macht, beide Gleichnisse auf die eine Logienquelle zurückzuführen, und zur Einleitung Mk 13,34. 148 Mt 25,31–46; dazu J. Friedrich, Gott im Bruder. 149 Vgl. etwa Mt 7,13 mit Lk 13,23 f.; siehe weiter Mt 7,18–23; vgl. Lk 6,43; Mt 13,36– 43.47–50 u. ö. Die Gerichtsformel aus der Logienüberlieferung, die in Lk 13,28 einmal erscheint, wird von Matthäus sechsmal wiederholt.
120
I. Die Urgemeinde
werden.150 Der Richter spricht sein Urteil gerecht und ohne Ansehen der Person »nach den Taten« jedes einzelnen.151 Diese »Werke« können sich darauf beziehen, was man »gegenüber meinen geringsten Brüdern« getan oder versäumt hat,152 daß man die anvertrauten Gaben Gottes nicht recht gebrauchte,153 daß man sich weigerte, dem Bruder zu vergeben, obwohl man selbst Vergebung maßloser Schuld empfangen hat.154 Von grundsätzlicher Bedeutung bleibt bei alledem die Haltung des einzelnen zu Jesus selbst: »denn wer sich meiner und meiner Worte schämt gegenüber diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.«155
Die Überlieferung der Urgemeinde vom Kommen des Menschensohns und von seiner Funktion als Richter wie auch das urchristliche Ethos, das der Gerichtsparänese zugrunde liegt, gründet weitgehend auf Jesustradition,156 ist jedoch häufig so ausgestaltet, daß sich eine ursprüngliche Fassung – wie oben schon zu den Parusiegleichnissen betont – kaum mehr rekonstruieren läßt. Zugleich ist sie in ihrer notwendigerweise »mythischen«, und das heißt zugleich »poetischen«, Form ungemein variabel. Eine in allen Punkten detailliert fixierte »dogmatische« Lehre von den letzten Dingen läßt sich aus ihr kaum gewinnen.
150 Zur Austauschbarkeit bei teilweise gleichlautender Terminologie vgl. Röm 2,2–11; 3,6; 14,10–12 und 1 Petr 1,17: Gott als Richter; 2 Kor 5,10: Christus, das heißt der MessiasMenschensohn, mit zum Teil ähnlichen Formulierungen; Apg 17,31: Gott richtet am jüngsten Tag »die Welt in Gerechtigkeit durch einen Menschen, den er dazu bestimmt hat«; 10,42: Der Auferstandene ist von Gott als Richter aller Menschen bestimmt; Mt 25,31 ff.: Der Menschensohn kommt als Richter in göttlicher δόξα mit seinen Engeln und richtet auf »dem Thron seiner Herrlichkeit« als »König«; vgl. Mk 8,38b = Lk 9,26 = Mt 16,27; anders Lk 12,8 f. = Mt 10,32 f.: vor dem Vater im Himmel (bei Matthäus) bzw. vor den Engeln Gottes (bei Lukas). Siehe auch das Wort Jesu als Richter in erster Person: Mt 7,23; 25,10–12.41; Lk 13,25 ff. 151 Röm 2,5 f.: … δικαιοκρισία(ς) τοῦ θεοῦ ὃς ἀποδώσει ἑκάστῳ κατὰ τὰ ἔργα αὐτοῦ; vgl. 2 Kor 5,10: πρὸς ἃ ἔπραξεν; Eph 6,9; 1 Petr 1,17; 2 Tim 4,14; Mt 16,27 (Zusatz gegenüber Markus); Apk 2,23; 20,12 f. Dieser formelhafte Sprachgebrauch begegnet schon in alttestamentlichen und frühjüdischen Texten, vgl. Ps 62,13; Prov 24,12; 1 Hen 100,7; JosAs 28,3; PsSal 2,16.34; 17,8. Die Vergeltung »nach den Werken« gilt schon für dieses Leben und erst recht im letzten Gericht. 152 Mt 25,40.45. 153 Mt 25,26–30; vgl. Lk 12,47 f. 154 Mt 18,23–35; vgl. 6,14; Mk 11,25. 155 Mk 8,38 = Lk 9,26 = Mt 16,27. Die Parallele aus der Logienüberlieferung (Lk 12,8 f. = Mt 10,32 f.) wird auf Jesus selbst zurückgehen; siehe oben S. 116 Anm. 121. 156 Das hat unseres Erachtens überzeugend für die Paulusbriefe D. Wenham, Paulus, gezeigt. Paulus kannte selbstverständlich die paränetische Jesustradition: Sie ist schon für ihn zum Gemeingut der Gemeinde geworden, auf deren Herkunft man nicht ständig hinweisen mußte. Als Apostel Jesu Christi weiß er sich als Träger von dessen Wort.
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
121
Die uns oftmals anstößig erscheinende, aber zugleich faszinierende »mythisch-poetische« Gestalt der urchristlichen Erwartung tritt besonders in der sicher weithin auf judenchristlich-palästinische Traditionen zurückgehenden Johannesapokalypse hervor, etwa in der einzigartigen Parusieschilderung von Kapitel 19 mit den himmlischen Heerscharen, angeführt vom Reiter auf dem weißen Pferd, dem »Wort Gottes«,157 und der Vernichtung des Antichrists mitsamt seinem Heer sowie der anschließenden Zwischenzeit der Herrschaft des Christus von 1000 Jahren, die durch das Weltgericht und das Vergehen der alten Schöpfung abgelöst wird. Am Ende steht in einem aus Profetentexten entworfenen leuchtenden Gemälde die Einheit von neuem Himmel und neuer Erde und die Schilderung des aus dem Himmel herabfahrenden neuen Jerusalems, das die vollendete Gottesgemeinschaft bringt – eine Vorstellung, die schon Paulus im Galater‑ und im Philipperbrief andeutet.158 Wohl von Dan 7,9–14 stammt der Gedanke, daß zusammen mit Gott bzw. dem Menschensohn ein ganzes Richterkollegium, genauer die Jünger oder die Gemeinde, fungieren werden, so schon in der in ihrer Echtheit natürlich umstrittenen, für aufgeklärte Ohren anmaßend klingenden Verheißung Jesu an die Zwölf: »Ihr werdet sitzen auf Thronen und die zwölf Stämme Israels richten (bzw. ihnen zum Recht verhelfen).«159 Dasselbe Motiv taucht in universaler Fassung bei Paulus als Teil seiner gemeindegründenden Predigt in Korinth auf: »Wißt ihr denn nicht (mehr), daß die Heiligen (das heißt die Christen) die Welt richten werden, … wißt ihr nicht (mehr), daß wir (sogar) die Engel richten werden?«160 Auch dieses Wissen muß zu seiner gemeindegründenden Predigt gehört haben. Er fragt die Korinther ironisch, ob sie das alles wieder vergessen hätten. Es zeigen sich hier sowohl der eschatologische Enthusiasmus der Jünger Jesu wie auch die Variabilität dieser »mythischen Poesie« im Verlauf der späteren Überlieferung. Lukas, der hier, wie so oft, die älteste Überlieferungsform bewahrt hat, bringt dieses Wort im Zusammenhang von Jesu »Abschiedsrede« nach dem Abendmahl und läßt dabei dessen Verheißung mit dem Hinweis auf die Teilhabe der Jünger an der kommenden Gottesherrschaft beginnen. Sie ist 157 Apk 19,13: καὶ κέκληται τὸ ὄνομα αὐτοῦ ὁ λόγος τοῦ θεοῦ; vgl. Sap 18,14 ff.: hier bezogen auf den Exodus aus Ägypten. 158 Apk 20 und 21,1–27; vgl. schon in Gal 4,26 der paulinische Hinweis auf ἡ … ἄνω Ἰερουσαλήμ (»das obere Jerusalem«) und in Phil 3,20 auf das himmlische πολίτευμα, das heißt das himmlische Bürgerrecht, der Glaubenden. Vgl. A. M. Schwemer, Himmlische Stadt. 159 Lk 22,30. In der Matthäusparallele 19,28 geschieht dies zusammen mit dem »Menschensohn auf dem Thron seiner Herrlichkeit«. Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 532, und oben S. 52. 160 1 Kor 6,2 f.; vgl. Dan 7,22; Sap 3,8. In Apk 3,21 könnte die Throngemeinschaft des siegreichen Überwinders mit Christus auf dieses gemeinsame Richten hinweisen. In Apk 20,4 verwandelt sich dieses von Dan 7,9 f.22 abhängige Richten im Kollegium in ein tausendjähriges Herrschen der auferweckten Märtyrer mit Christus.
122
I. Die Urgemeinde
der Lohn für ihre beharrliche Treue: »Ihr seid es, die ihr mit mir ausgeharrt habt in meinen Anfechtungen.«161 Darauf folgt die Zusage: »Siehe, ich übereigne euch das Reich, wie es mir mein Vater übereignet162 hat, damit ihr esset und trinket an meinem Tisch in meinem Reich.«
Gottesherrschaft und Herrschaft Christi fallen in der eschatologischen Erwartung der Urgemeinde zusammen. Dem entspricht in einem ganz anderen Kontext die Throngemeinschaft zwischen dem »Pantokrator« und dem »Lamm« in der Vision des himmlischen Jerusalems.163 Das eschatologische Freudenmahl der Erlösten war schon in der Verkündigung Jesu das wichtigste »Gleichnis« für die vollendete Gottesherrschaft. Es hatte, wie auch Jesu Wort beim Abendmahl über das Trinken »vom Gewächs des Weinstocks« zeigt, realistischen, fast möchte man sagen »chiliastischen« Charakter.164 In ähnliche Richtung geht auch der Makarismus eines Zuhörers Jesu nach der Darstellung des Lukas als Antwort auf eine Mahlparänese: »Selig ist, der das Brot ißt in der Gottesherrschaft.«165 Lk 6,21 zeigt, daß es hier ursprünglich um ein wirkliches »Sattwerden« ging. In der Johannesapokalypse setzt sich dieser Realismus fort. Die Seligpreisung Apk 19,9: »Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes berufen sind« verbindet das eschatologische Festmahl mit dem Motiv der Hochzeit zwischen dem Erlöser als Bräutigam und der glaubenden Gemeinde als Braut.166 Das »Brotbrechen« in der Urgemeinde, bei dem der »Herr« um sein »Kommen«, das heißt um seine unsichtbare Gegenwart und seine Parusie, angerufen wurde, konnte als Fortsetzung der Mahlgemeinschaft mit dem irdischen Jesus, aber noch mehr als Antizipation des von Jesus angesagten eschatologischen Mahles in der Gottesherrschaft verstanden werden.167
161 Lk
22,28: οἱ διαμεμενηκότες μετ’ ἐμοῦ ἐν τοῖς πειρασμοῖς μου. Mt 19,28a spricht vom »Nachfolgen« Jesu (ἀκολουθήσαντές μοι) und läßt die anstößigen πειρασμοί weg. Matthäus stellt das Jesuswort als Antwort auf eine Frage des Petrus in den Zusammenhang seiner Polemik gegen den Reichtum (19,23 ff.), die er aus Markus übernommen hat. Unseres Erachtens ist er hier eindeutig von Lukas abhängig. 162 διατίθεμαι – διέθετο. Das Verb erinnert an das Substantiv διαθήκη (vgl. Lk 22,20; Mk 14,24). 163 Apk 22,1.3; vgl. 21,22; siehe M. Hengel, Throngemeinschaft, 159–175 = KS IV, 368–385; siehe auch oben Anm. 160. O. Hofius, Zeugnis. 164 Mk 14,25 parr. demonstriert durchaus eine realistische Erwartung. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 414 f.424 f. 165 Lk 14,15. 166 Vgl. auch Apk 19,7; 21,2.9 f.; siehe weiter Mt 22,2–10; 25,10. Siehe dazu M. Hengel, Auserwählte Herrin = KS VI, 508–548. 167 Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 414 f.532 f.562 Anm. 77 und 585, vgl. 736 Index s. v. »Mahl«. Ferner oben § 1.5.2 (S. 77–86).
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
123
Dabei fällt auf, daß – abgesehen von den letzten Kapiteln der doch insgesamt relativ späten, das heißt in der Spätzeit Domitians verfaßten Johannesapokalypse – die uns erhaltenen urchristlichen Quellen in der Schilderung des mit der Parusie und dem Gericht anbrechenden Heils relativ – etwa im Vergleich mit den jüdischen Sibyllinen und Apokalypsen – zurückhaltend sind. Das mag mit dem Charakter dieser Texte zusammenhängen. Briefe taugen auf Grund des beschränkten Raums weder zu ausführlichen apokalyptischen Schilderungen noch zum Erzählen von (schon bekannter) Jesusgeschichte. Hier können sich die Schreiber – wie auch in den christologischen Aussagen – mit kurzen, formelhaften Hinweisen begnügen, die die entscheidenden Aussagen andeuten. Auch in den Evangelien stehen das gegenwärtige Handeln und Reden Jesu und nicht farbige »Zukunftsbilder« im Mittelpunkt. Dies gilt auch schon für unseren frühesten Autor, Paulus. Es wäre dennoch verkehrt, der Jerusalemer Urgemeinde oder ihm ein Desinteresse an Zukunftsaussagen oder gar »entapokalyptisierende« Tendenzen zu unterstellen.168 Der mündliche, sich über Stunden erstreckende Lehrvortrag des Apostels wird in dieser Hinsicht ganz anders ausgesehen haben.169 Im 1. Thessalonicherbrief, dem frühesten Brief des Paulus, in dem gehäuft apokalyptisch-futurische Predigtinhalte hervortreten, die er mit Jesus und der palästinischen Urgemeinde gemeinsam hat,170 betont der Apostel am Ende des Proömiums, daß die neugegründete, überwiegend »heidenchristliche«, das heißt aus Gottesfürchtigen bestehende Gemeinde »(Gottes) Sohn vom Himmel her erwartet, den er von den Toten auferweckt hat, Jesus, der uns171 vor dem kommenden (Gerichts‑)Zorn rettet«.172 Der auferstandene und wiederkommende Herr, der durch seinen Tod am Kreuz universale Sühne für alle wirkte, hat damit seine Gemeinde vor dem drohenden Gericht, in dem Gottes gerechter Zorn über die abgefallene Menschheit offenbar wird, gerettet. In Röm 5,8 f. begründet Paulus dies ca. sechs Jahre nach dem 1. Thessalonicherbrief in einer der römischen Gemeinde vertrauten Sprache ausführlicher: 168 Siehe M. Hengel, Paulus und die frühchristliche Apokalyptik, in: KS III, 343–346. Die Exegeten fragen viel zuwenig danach, was den Empfängern schon ganz selbstverständlich bekannt war. 169 Vgl. Apg 20,7; dazu auch 19,9 mit der novellistisch ausmalenden Ergänzung in Codex D: »Von der fünften bis zur zehnten Stunde« unterrichtete Paulus täglich in Ephesus im Hörsaal des Tyrannus. 170 Siehe oben S. 117 Anm. 125 zu 1 Thess 4,13–5,11. 171 Paulus, der ehemalige Verfolger, schließt sich hier mit ein. 172 1 Thess 1,10; vgl. 5,9. Eine vergleichbare Vorstellung erscheint in der von Lukas verfaßten Areopagrede des Paulus in der Vorstellung des kommenden Weltenrichters, den Gott von den Toten auferweckt hat und der alle zur Umkehr ruft (Apg 17,31). Das ἐν ἀνδρί (»durch einen Mann«) bezieht sich wohl auf den »Menschensohn«, vgl. 1 Kor 15,47.
124
I. Die Urgemeinde
»Gott erweist seine Liebe zu uns dadurch, daß, als wir noch Sünder waren, Christus für uns starb. Um wieviel mehr werden wir, da wir jetzt durch sein Blut gerechtfertigt worden sind, vor dem Zorn(‑Gericht) gerettet werden.«173
Rettung vor dem Zorn Gottes bedeutet für Paulus das Offenbarwerden der schon auf Golgatha vollzogenen »Rechtfertigung des Gottlosen«, der an Jesus glaubt, im kommenden Gericht bei der Parusie Jesu. Der Grundstein zu dieser gewissen Hoffnung wurde schon in der nachösterlichen Predigt der Jünger Jesu in der Urgemeinde gelegt, die unter Berufung auf Jesu Sühnetod und Auferstehung dem eigenen Volk Umkehr und Vergebung der Sünden durch den Glauben an Jesus und damit die Rettung im Gericht verkündigten.174 Die urchristliche Predigt konnte dabei an Jesu Zuwendung zu den Sündern in Israel und seinen einzigartigen Zuspruch der Sündenvergebung anknüpfen. Sein Tod machte diese für den Glaubenden zur Gewißheit. Die traditionelle, national eingeschränkte messianische Heilserwartung wird dagegen nur noch bei Lukas gewissermaßen ›am Rande‹ vor allem in den Kindheitsgeschichten sichtbar.175 Sie mag im palästinischen Judentum zunächst eine wesentliche Rolle gespielt haben. Lukas weiß um derartige Hoffnungen des Judenchristentums im Mutterland, weil er ca. 57 n. Chr. mit Paulus dieses selbst kennengelernt hat, und stellt sie in seinem Doppelwerk in einen neuen Kontext. Matthäus ist – ca. 25 Jahre nach der Katastrophe – konfrontiert mit dem wiedererstarkenden Judentum unter Führung der tannaïtischen Lehrer, er hat eine etwas andere Frontstellung. Alle neutestamentlichen Autoren setzen jedoch den Auftrag zur »Weltmission« bereits voraus, nur Jesu vorösterliche Wirksamkeit wird bei Matthäus bewußt noch auf Israel beschränkt.176 Zwar steht Jerusalem selbst bei Paulus noch 173 Zum »Zorn« als Ausdruck für den Vollzug des göttlichen Gerichts siehe vor allem im Römerbrief 1,18; 2,5.8; 4,15; 5,9; 9,22. Wir finden diese Redeform schon bei Johannes dem Täufer (Lk 3,7 = Mt 3,7) und, davon abhängig, doch johanneisch interpretiert, in Joh 3,36. In der Verkündigung Jesu wird sie nur in einem Gleichnis angedeutet: Lk 14,21; bei Matthäus erscheint dies doppelt: Mt 18,34; 22,7; dagegen jedoch einmalig Apk 6,16 der Ausdruck: »der Zorn des Lammes«. Diese Redeform vom »Zorn« Gottes ist allgemein urchristlich und knüpft an die profetische Predigt im Alten Testament an. 174 Zum Stichwort »Vergebung der Sünden« siehe oben S. 109 f.; zum Gericht oben S. 115 f.118 f. u. ö. 175 Vgl. Lk 1,32 f.68–79; 2,10 f.; 19,9 f.; 22,30; 24,21; vgl. auch Apg 1,6; 3,19–23; 5,31. Siehe dazu C. Schaefer, Zukunft Israels, 306–342. Auch in vereinzelten Texten der Apokalypse schimmert diese verständliche Beschränkung noch durch. 176 Mk 7,24–30 = Mt 15,21–28 mit dem bezeichnenden Zusatz 15,24; Lukas läßt die ganze Erzählung weg; siehe auch Mt 10,5 f. (dazu oben S. 56 mit Anm. 261). Durch die Auferstehung ist diese Beschränkung aufgehoben: Mt 28,19. Durch die Beschränkung wird der Kontrast zum »ungläubigen« Israel verschärft; vgl. das Wort des Volkes (πᾶς ὁ λαός) Mt 27,25, das rückblickend auf die blutige Katastrophe des 1. Jüdischen Krieges 66–73 n. Chr. mit seinen furchtbaren Pogromen in den südsyrischen Städten anspielt. Von der verhängnisvollen Wirkungsgeschichte, die Mt 27,25 hatte, konnte Matthäus nichts ahnen.
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
125
im Mittelpunkt177 – dort wurde Jesus gekreuzigt und auferweckt, dort erwartete man auch seine Parusie –, doch tritt das Heilige Land in seiner eschatologischen Erwartung ganz zurück; der Blick richtet sich im urchristlichen Schrifttum, das mit dem 1. Thessalonicherbrief beginnt, bereits auf die ganze Oikumene. Auffallend ist dagegen, daß Paulus seine Mission in den ersten zehn bis zwölf Jahren auf Arabien, Syrien und Kilikien beschränkt, was auch noch in der Apostelgeschichte sichtbar wird.178 Hier mag eine bewußte geographische Beschränkung für die Frühzeit vorliegen, die sich an der alten Vorstellung von den Grenzen des davidischen Messiasreichs orientiert. Man rechnete ganz Syrien bis zu seinen Grenzen am Taurus im Norden und Euphrat im Osten zum messianischen Eretz Israel und dachte noch nicht an eine weltweite Mission, sondern erwartete die Völkerwallfahrt zum Zion entsprechend dem Jesuswort: »Sie werden kommen von Osten und Westen, von Norden und Süden und in der Gottesherrschaft zu Tische liegen.«179
Wir stoßen hier wieder auf die verbreitete, schon auf Jesus zurückgehende Mahlmetapher. Schon sie umschreibt im Grunde das entscheidende Heilsgut des ganzen Urchristentums, das in verschiedenen Ausprägungen im ganzen Neuen Testament begegnet. Die Parusie Christi bringt das bereits aus der Predigt Jesu vertraute »Eingehen in die Gottesherrschaft« oder auch das »Ererben« derselben.180 Entscheidend ist dabei die Gewährung der uneingeschränkten Gottes‑ und Christusgemeinschaft, so am Ende der kleinen paulinischen Apokalypse: »… und so werden wir allzeit beim Herrn sein«.181 In einem anderen Kontext betont Paulus mit einem apokryphen Zitat die Unvorstellbarkeit des kommenden Heils, das nicht ausgemalt werden kann und das die Zurückhaltung des Apostels bei Schilderungen erklärt: Er erwähnt es in den Briefen zehnmal, Antiochia nur einmal; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 320. 178 Vgl. Gal 1,17.21; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 244 ff.394–403; M. Hengel, Liste = KS VI, 191–211; vgl. auch ders., Paulus in Arabien = KS III, 193–212; M. Bockmuehl, Antioch. Auch Arabien konnte zum verheißenen Land gerechnet werden. Ausführlicher dazu unten S. 258 ff.296.318 f. 179 Lk 13,29. Mt 8,11 f. ist dagegen eindeutig sekundär und von Lukas abhängig. Matthäus baut so sehr geschickt im Anschluß an 8,10 den Text Lk 13,28 f. in die Geschichte vom Hauptmann von Kapernaum ein. 180 Mk 9,47 par.; 10,23–27 parr.; Mt 5,20; 7,21; 18,3; Joh 3,5; Apg 14,22: εἰσελθεῖν. Mt 25,34; 1 Kor 6,9 f.; 15,50; Gal 5,21: κληρονομεῖν. Die Gottesherrschaft ist zum Teil auch mit ζωὴ (αἰώνιος) austauschbar: Mk 10,17; Lk 10,25 u. ö. Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 425. 181 1 Thess 4,17: καὶ οὕτως πάντοτε σὺν κυρίῳ ἐσόμεθα. Vgl. 5,10: … ἅμα σὺν αὐτῷ ζήσωμεν, Röm 6,8: καὶ συζήσομεν αὐτῷ. Zur Gemeinschaft im Blick auf das erwartete Martyrium siehe Phil 1,23; Apg 7,59; vgl. Lk 23,42 f. Siehe dazu Μ. Hengel, Paulus und die frühchristliche Apokalyptik, in: KS III, 343–398 und P. Siber, Mit Christus leben, besonders 13–97. 177
126
I. Die Urgemeinde
»Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz aufgestiegen ist, das hat Gott denen bereitet, die ihn lieben.«182
All unser gegenwärtiges, profetisch-eschatologisches Wirken ist für Paulus »Stückwerk«, das im Augenblick der Vollendung zunichte wird.183 Die wohl eindrücklichste Darstellung der Gottesgemeinschaft findet sich in Apk 21/22, insbesondere in den Eingangsversen, die von alttestamentlichen Anspielungen durchtränkt sind. Hier erfüllen sich die profetischen Verheißungen der Schrift: »Siehe, die Wohnung184 Gottes bei den Menschen, und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker (λαοί) sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein. Und er wird abwischen jede Träne von ihren Augen (Jes 25,8), und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Mühsal wird mehr sein, denn das Frühere ist vergangen.«185
Man wird eine ähnliche Heilserwartung schon in der Urgemeinde voraussetzen dürfen.
2.3 Die Weiterverkündigung der Botschaft Jesu und das Ethos der Urgemeinde Die Jünger haben als »Boten des Messias« die Reich-Gottes-Predigt Jesu in erneuerter Gestalt weiterverkündigt, zunächst auf Grund ihrer unmittelbaren, überreichen Erinnerung, in späterer Zeit wohl auch auf Grund schriftlicher Erinnerungshilfen. Nach Papias soll z. B. der Jünger Matthäus »Worte des Herrn« in aramäischer Sprache gesammelt und aufgeschrieben haben.186 Dies wird jedoch nicht die einzige derartige Sammlung geblieben sein. Eine solche besondere 182 1 Kor 2,9, siehe dazu W. Schrage, 1 Kor I, 255 ff. Nur der Geist Gottes kann die durch das Kreuz Christi geschaffene eschatologische Heilswirklichkeit offenbar machen. 183 1 Kor 13,9 f.: ἐκ μέρους … γινώσκομεν … καὶ ἐκ μέρους προφητεύομεν· … ὅταν δὲ ἔλθῃ τὸ τέλειον, τὸ ἐκ μέρους καταργηθήσεται. Vgl. 1 Kor 13,12. 184 Wörtlich σκηνή (»Zelt«); vgl. Joh 1,14: … ἐσκήνωσεν ἐν ἡμῖν. Dahinter steht das hebräische šākan und die šekînā, Gottes Einwohnung im Heiligtum. Zur Schechina-Theologie siehe B. Janowski, Mitte; ders., Gott, 265–273; vgl. auch P. Prigent, Apocalypse, 597 f. 185 Apk 21,3 f. und dazu 7,17 zu den Märtyrern: »Das Lamm inmitten des Thrones wird sie weiden und zu den Quellen des lebendigen Wassers führen, und Gott wird abwischen jede Träne von ihren Augen«; vgl. noch Sach 2,14 ff.; Lev 26,11 f.: »Ich will in eurer Mitte wohnen …«, Ez 37,27 (beide Texte zitiert Paulus in 2 Kor 6,16). Vgl. zu den erfüllten Verheißungen in Apk 21 auch 1 Kön 8,27; Ps 95,7; Jes 35,10; 51,11; 65,17.19. 186 Papias nach Euseb, H. e. 3,39,16 (GCS Eusebius II/1, 292,3–6 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Die Nachricht geht unseres Erachtens wie die Markusnotiz auf den »Alten Johannes« zurück; siehe dazu M. Hengel, Evangelien, 126–130.
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
127
Sammlung könnte die Feldrede Lk 6,20–49 bzw., weiter ausgestaltet, die Bergpredigt gewesen sein. Die Nachricht über Matthäus ist uns nur deshalb erhalten, weil auf Grund dieser Sammlung der Name des sonst wenig bekannten ehemaligen Zöllners aus dem Zwölferkreis auf das ca. 90–100 n. Chr. entstandene griechische Evangelium übertragen werden konnte, das dann im 2. Jahrhundert rasch die größte Wirkung entfaltete. Es wurde deshalb so erfolgreich, weil sein unbekannter Autor, ein judenchristlicher Schriftgelehrter, die vornehmlich ethische Reich-Gottes-Predigt Jesu auf wahrhaft geisterfüllte Weise zusammenfaßte und zugleich – relativ zurückhaltend – aktualisierte. Der Autor scheint am Namen Matthäus – vermutlich auf Grund von dessen Sammlung, die er in einer griechischen Fassung (wohl neben anderen Sammlungen) und dem Markus‑ und Lukasevangelium heranzog – besonders interessiert gewesen zu sein.187 Diese Weiterverkündigung der Predigt Jesu nach Ostern brachte freilich eine wesentliche Veränderung derselben. Aus seiner vielfältigen, in ihrem jüdischen Zuhörerkreis wechselnden und darum auch offenen Anweisung über die Gottesherrschaft wurde das unverbrüchliche Gebot des zur Rechten Gottes erhöhten Messias-Menschensohns an seine Gemeinde, die seine baldige Wiederkunft als Richter und Erlöser erwartete. Der rettende Glaube an Jesus verpflichtete jetzt auch zum Gehorsam gegenüber seiner Botschaft in der Form, wie die Jünger sie weitergaben. Die bindende und mahnende Berufung auf das »Wort des Herrn« finden wir vereinzelt bei Paulus, aber auch noch nach der schriftlichen Fixierung der Evangelien bis weit ins 2., ja 3. Jahrhundert hinein.188 Mündliche Tradition und schriftlich fixierte Form liefen lange Zeit nebeneinanderher und befruchteten sich gegenseitig. Noch Papias, der durch den Presbyter Johannes über die Entstehungsverhältnisse von Evangelien relativ genau Bescheid wußte, sammelte aus mündlichen Quellen Worte189 und Geschichten über Jesus, die freilich um 130 n. Chr. teilweise schon ziemlich verwildert waren.190 Diese »Worte des Herrn« wurden neben den in erster Linie als profetische Verheißung verstandenen alttestamentlichen Schriften die grundlegende Autorität in der neuen Gemeinde: 187 Vgl. Mt 9,9–13, wo er den Namen Levi der Markusvorlage durch »Matthäus« ersetzt, und 10,3, wo er hinter diesem Namen noch ein ὁ τελώνης hinzufügt. Der wichtigste Jünger ist jedoch für ihn wie für Markus und Lukas Simon Petrus, den er fast noch mehr als diese hervorhebt (Mt 16,16–19). Nicht auszuschließen ist, daß der unbekannte Autor den Jünger Matthäus noch persönlich gekannt hat und sich vielleicht als dessen Schüler betrachtete. Zum Evangelisten Matthäus als Theologen siehe R. Deines, Gerechtigkeit. 188 M. Hengel, Evangelien, 112–120. 189 Eigentlich »Offenbarungsworte«: λόγια. 190 Das zeigt z. B. sein Bericht über das Schicksal und den Tod des Judas (Pap frag. 3 [294 ff. ed. Lindemann / Paulsen] = frag. 6 [60 ed. Körtner]) und über den wunderbaren Ertrag des Weinstocks in der Gottesherrschaft (Pap frag. 1 [288 ff. ed. Lindemann / Paulsen] = frag. 1 [50 ed. Körtner] = Irenäus, Adversus haereses 5,33,3 f. [SC 153, 410–420 ed. Rousseau / Doutreleau / Mercier]).
128
I. Die Urgemeinde
»Der Himmel und die Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.«191
Schon für Jesus selbst bildete das gehorsame Hören auf seine Botschaft die Voraussetzung zur Teilhabe an der Gottesherrschaft; denn er verstand sich als der bevollmächtigte messianische Verkünder von Gottes Willen. Der erste Evangelist hat am Ende der Bergpredigt diesem Anspruch eine definitive Form gegeben: »Nicht jeder, der zu mir sagt: ›Herr, Herr‹, wird in die Herrschaft der Himmel eingehen, sondern der, der den Willen meines Vaters im Himmel tut.« »Jeder, der nun diese meine Worte hört und sie tut, gleicht einem klugen Manne, der sein Haus auf dem Felsen baute.«192
Der »Wille des Vaters im Himmel«, der auch in der matthäischen Version des Vaterunsers als dritte Bitte angesprochen wird (6,10), ist mit dem Wort und Willen des erhöhten Herrn und kommenden Richters identisch. Seine Autorität relativiert so die Autorität des Gesetzgebers Mose und die der diesem am Sinai gegebenen Tora. Ihre Gebote werden zwar von den in Palästina mit ihren Volksgenossen lebenden Judenchristen weiterhin in der Regel respektiert193 – sonst wäre weder eine Existenz im eigenen Volk noch die der Gemeinde als dem wahren Israel dort aufgetragene Mission überhaupt möglich gewesen –, doch konkrete Gebote konnten radikal verschärft – dies zeigen die Antithesen der Bergpredigt –,194 aber auch relativiert werden. Letzteres gilt etwa im Blick auf Ritualgesetze. Nicht die unreine Speise verunreinigt den Menschen, sondern die bösen Gedanken, die aus seinem Herzen kommen, tun es, darum können die Ritualgesetze zweitrangig werden.195
Mk 13,31 = Lk 21,33 = Mt 24,35; vgl. Jes 40,8. Mt 7,21.24; vgl. die einfachere Form am Ende der Feldrede (Lk 6,46 ff.). Vgl. R. Deines, Gerechtigkeit, 119 f.197 f. 193 Selbst Paulus wird den »Juden ein Jude« und »denen unter dem Gesetz wie einer unter dem Gesetz, damit ich die unter dem Gesetz gewinne« (1 Kor 9,20). Vor allem nach der Agrippa-Verfolgung und dem verstärkten Druck auf die Christen nach ca. 43 n. Chr. wurde der Gesetzesgehorsam wieder die Regel unter den judäischen Judenchristen. Daher kommt es zum »Apostelkonzil« über die Frage der Beschneidung der Heidenchristen und später zum Konflikt in Antiochia (Gal 2,11 ff.). Diese Entwicklung steht in Parallele zur Verschärfung der religiösen und politischen Situation in Judaea bis zum Ausbruch des 1. Jüdischen Krieges 66 n. Chr.; vgl. Apg 21,20 übertreibend zu den »Zehntausenden« zum Glauben gekommener Judenchristen, »die alle Eiferer für das Gesetz sind«: πάντες ζηλωταὶ τοῦ νόμου ὑπάρχουσιν. Die Entwicklung hin zu dem gesetzesobservanten ebionitischen Judenchristentum, das auf schroffe Weise Paulus verwarf, setzt erst in späteren Jahrzehnten ein und entspricht der Haltung der Urgemeinde nicht. 194 Mt 5,21–48; siehe dazu oben S. 90. M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 388.446 ff.499.504 f. 195 Mk 7,14–23 = Mt 15,10–20; vgl. Lk 11,39 f. = Mt 23,25. Vgl. auch in der Aussendungstradition Lk 10,7 f.: »Eßt, was euch vorgesetzt wird.« Auch bei den Mahlzeiten mit »Zöllnern und Sündern« wird Jesus nicht streng auf die Speisegebote geachtet haben. Vgl. jedoch 191 192
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
129
Die Sabbat-Halacha wird dort hinfällig, wo sie den Menschen schadet bzw. das Liebesgebot behindert. Der »Menschensohn« und, das darf man hinzufügen, seine Jüngergemeinde stehen über dem Sabbat.196 Diese im Grunde torakritische Haltung fand ihren Höhepunkt im doppelten Liebesgebot.197 Matthäus, der christliche Schriftgelehrte, faßt seine Bedeutung in einer rabbinischen Wendung zusammen: »In diesen beiden Geboten hängen das ganze Gesetz sowie die Profeten.«198 Wir finden zur besonderen Bedeutung des Liebesgebots Lev 19,18 auch Parallelen bei großen rabbinischen Lehrern wie Hillel und Aqiba und zur Forderung der Gottes‑ und Menschenliebe Analogien etwa in den chassidisch geprägten Testamenten der Zwölf Patriarchen, aber keinen Text mit einer solch klaren Konzentration und Eindeutigkeit.199 Es ist wieder Matthäus, der diese einmalige Konzentration auf das Liebesgebot im polemischen Kontext mit einem Profetenwort zusammenfaßt und zweimal Jesus in den Mund legt: »Geht und lernt, was das heißt: ›Erbarmen will ich und nicht Opfer.‹«200 Von der Sache her ist dieses Motiv schon bei Markus in seiner Fassung des Doppelgebots gegenwärtig. Der (im Gegensatz zu Lukas und Matthäus) positiv dargestellte Schriftgelehrte antwortet auf Jesu Anführung von Dtn 6,4 f., dem Šemaʿ, und Lev 19,18 zustimmend: »Das ist mehr als alle Brand‑ und Schlachtopfer.«201 Die hier – nach der Tempelzerstörung – bei Matthäus und weniger stark schon bei Markus sichtbar werdende Distanz zum Opferkult des Tempels beherrschte wohl die Urgemeinde von Anfang an, auch wenn man sich, solange man in der jüdischen VolksgemeinPetrus in Apg 10,14 f. und dagegen 15,9; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 132.373 und unten S. 280–285. 196 Mk 2,23–28 = Lk 6,1–5 = Mt 12,1–8. Matthäus erweitert den Sabbatbericht in V. 5 durch den Hinweis auf den Priesterdienst im Tempel, der das Arbeitsverbot am Sabbat bricht. 197 Mk 12,28–34 = Mt 22,34–40, vgl. Lk 10,25–28; vgl. Dtn 6,4 f. und Lev 19,18; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 433–437 und 735 f. Index s. v. »Liebesgebot, doppeltes«. 198 Mt 22,40; vgl. den ähnlichen Nachsatz zur »Goldenen Regel« 7,12. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 435 f. und M. Hengel, Bergpredigt, 394 f. = KS II, 286 f.; vgl. auch die Ergänzung aus Lev 19,18 in Mt 19,19. Zum »rabbinischen« Sprachgebrauch siehe Bill. I, 907 f. Vgl. besonders R. Deines, Gerechtigkeit, 99.162.262.369 und vor allem 401: »Die Erfüllung des Gesetzes und seine Neupositionierung ist vom missionarischen und universalen Horizont des Evangeliums nicht ablösbar. Da Mt 22,40 auf 7,12 (und 5,17) zurückweist …, kann 22,40 … als eine grundsätzliche Zusammenfassung des jesuanischen Gesetzesverständnisses interpretiert werden«, das heißt, es ist die Zusammenfassung des Evangelisten über das Gesetzesverständnis Jesu. 199 Siehe M. Hengel, Bergpredigt, 390–395 = KS II, 282–287 zur »Goldenen Regel« und zum Liebesgebot. Siehe auch A. Nissen, Gott; zu den Testamenten der Zwölf Patriarchen siehe 562 ff. Index. 200 Mt 9,13 = 12,7: Zitat aus Hos 6,6 (LXX); ἔλεος ist hier Übersetzung für ḥäsäd im Sinne von »Güte / Liebe / Treue«. Siehe dazu C. Landmesser, Jüngerberufung, 111–131. 201 Mk 12,33.
130
I. Die Urgemeinde
schaft lebte, den Anforderungen des Kultus nicht ganz entziehen konnte.202 Die Steinigung des Jakobus und anderer Judenchristen als »Gesetzesbrecher« ca. 62 n. Chr. mag – wie überhaupt die fortdauernde Feindschaft des sadduzäischen Priesteradels – mit ihrer Kritik am Opferkult zusammenhängen.203 Paulus setzt in Röm 13,8 ff. die Gleichsetzung von Nächstenliebe und Gesetzeserfüllung als selbstverständlich bekannt und anerkannt voraus,204 wobei er die Gebote der zweiten Tafel des Dekalogs unter das Liebesgebot subsumiert.205 Dasselbe gilt in etwas anderer Form für Jak 2,8–11, wo der Autor in V. 8 Lev 19,18 das »königliche Gesetz« nennt.206 Offenbar wurden doppeltes Liebesgebot und Dekalog von Anfang an eng miteinander verbunden.207 Der letztere konnte als Auslegung des ersteren gelten. Seine äußerste Zuspitzung erhielt das Liebesgebot in der Forderung uneingeschränkter Feindesliebe. Auch hier wurde die radikale Forderung Jesu in der Urgemeinde festgehalten, wie der Zusammenhang zwischen synoptischer Logientradition und Briefliteratur zeigt.208 In den Briefen hat das Liebesgebot vor allem die Form des Verzichts auf Wiedervergeltung und der Friedensliebe. Auch die Fürbitte für die Feinde und Verfolger gehört in diesen Zusammenhang. Dieser Fürbitte entspricht die bedingungslose Vergebungsbereitschaft, wie sie schon im Vaterunser gefordert 202 Vgl. etwa Apg 21,21–24. Siehe dazu oben S. 113 Anm. 101. Typisch für diese Distanz ist Mt 5,23 f.: die unbedingte Vorordnung der Versöhnung mit dem Nächsten vor dem Opfervollzug. Selbst bei Lukas, für den sich der Tempel nach seiner Zerstörung fast romantisch verklärt (z. B. Lk 1,5–23; 2,22–38) und der, der Katastrophe zeitlich am nächsten, von dieser tief betroffen ist, wird diese Distanz in der Stephanusrede sichtbar: Apg 7,48–53; siehe unten § 3 Exkurs zur Stephanusrede (S. 155 ff.). Vgl. auch Mt 17,24–27, ein Text, der auf die Zeit vor 70 n. Chr. zurückweist. Die jüdische Tempelsteuer wurde nach der Katastrophe durch den an Rom abzuliefernden fiscus Iudaicus ersetzt. 203 Josephus, Ant. 20,200; siehe unten S. 486 Anm. 54 und S. 497 mit Anm. 23–25. 204 Vgl. auch Gal 5,14; 6,2; Kol 3,14. 205 Zur Verbindung von Dekalog und Liebesgebot siehe auch Mt 19,18 f. 206 Vgl. auch Jak 1,25: »das vollkommene Gesetz der Freiheit«. Zum Dekalog im Judentum siehe G. Reeg, Art. Dekalog. II. Judentum, RGG4 2 (1999), 629: Im Judentum wurde der Dekalog im Zusammenhang mit dem Šemaʿ rezitiert, dieser Brauch wurde jedoch wegen der judenchristlichen »Häretiker« später verboten, um diesen »keinen Anlaß für die Behauptung zu geben, daß nur der D[ekalog], nicht aber die übrigen Gebote am Sinai offenbart worden seien«. Zum Neuen Testament siehe D. Sänger, Art. Dekalog. III. Neues Testament, RGG4 2 (1999), 630 f.; vgl. G. Stemberger, Dekalog, 91–104. 207 Vgl. Mt 19,18 f.; vgl. unten S. 396 bei Anm. 6. 208 Zu den Synoptikern siehe oben S. 110 Anm. 83, S. 117 Anm. 126 und S. 119 Anm. 144; zu Paulus siehe etwa seine an der urchristlichen Paränese orientierten Mahnungen Röm 12,14–21 mit dem Zitat von Prov 25,21 f. LXX am Ende und dem Fazit: »Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute«, das wohl indirekt einen Hinweis auf die staatliche Obrigkeit enthält, siehe das folgende Röm 13,1 ff.; zur Auslegung vgl. S. Krauter, Studien, 199 ff.246 ff. Vgl. 1 Thess 5,15; 1 Kor 4,12 f.; Hebr 12,14; 1 Petr 3,9. Zur Fürbitte für die Feinde siehe Mt 5,44, vgl. Lk 6,27b; 23,34 (textkritisch unsicher); Apg 7,60; zum Segen und Gebot der Feindesliebe vgl. U. Heckel, Segen, 180–190.
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
131
wird.209 Diese kann dabei wie die Feindesliebe jetzt christologisch begründet werden, weil Gott in seiner unergründlichen Liebe zum Sünder durch den Tod Christi für seine Feinde Vergebung und Versöhnung erwirkt hat.210 Dadurch verbietet sich alles selbstgerechte Richten über Dritte; der alleinige, wahre Richter ist der Herr.211 Menschlich motivierter Zorn dient nicht der Gerechtigkeit.212 Die letzte Konsequenz war der radikale Gewaltverzicht, auch gegenüber den politischen Mächten. Er unterscheidet das Urchristentum von Anfang an von zeitgenössischen eschatologisch-messianischen Bewegungen in Judaea und prägt auch sein Verhältnis zu den Machthabern in diesem »Äon«.213 Deren Zeit ist sowieso bald abgelaufen. Aufruhr und Gewaltanwendung würden dem Wesen der anbrechenden Gottesherrschaft, die den wahren Frieden zum Inhalt hat,214 widersprechen: Gott ist ein Gott des Friedens.215 Dagegen ist bei Konflikten mit ihnen das offene Bekenntnis des eigenen Glaubens gefordert, auch wenn die Konsequenz das Martyrium sein sollte. Hier wirkt die jüdische Tradition vom Leiden des Gerechten in den Psalmen und von der Hingabe des Lebens seit der Makkabäerzeit verschärft durch den Gewaltverzicht weiter.216 Die Nachfolge Jesu und das Zeugnis für ihn sine vi humana sed verbo217 führt die Jünger ins Leiden. Nach der Erzählung des Lukas werden die Apostel von den Synhedristen mit der Geißelung bestraft: »Sie aber entfernten sich voller Freude vom Synhedrium, weil sie würdig befunden waren, um des Namens (Jesu) willen entehrt zu werden.«218
Freilich können Ablehnung und Martyrium auch bei Christen Verbitterung, ja Haß und den Wunsch nach Vergeltung erwecken. Dies kann man schon zuwei-
Mt 6,12 = Lk 11,4; Mt 5,24 f.; 18,21–35; vgl. Lk 12,58. Vgl. Röm 5,1–11: V. 6: ἀσεβεῖς, V. 8: ἁμαρτωλοί, V. 10: ἐχθροί. 211 Lk 6,37 f.41 f. = Mt 7,1–5; Röm 2,1 ff.; 12,19; 14,4; 1 Kor 4,4 f.; Jak 4,11 f. 212 Röm 12,19; Eph 4,26 f.; Kol 3,8; Jak 1,19 ff. Die Paränese Jesu konnte sich hier mit altjüdischen Weisheitstraditionen verbinden. 213 Mt 5,38–42; vgl. Lk 6,29 f.; Mt 17,24–27; 26,52; Mk 12,13–17 parr.; Joh 18,36; 19,11; Röm 13,1–7; 1 Petr 2,13–17; Tit 3,1. Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 82.93–104.436.449.547 u. ö. 214 Nach Apg 10,36, in der Petrusrede vor Cornelius, hat Gott selbst durch Jesus für Israel »Frieden verkündigt« (εὐαγγελιζόμενος εἰρήνην). Vgl. Röm 14,17: Das Reich Gottes ist »Gerechtigkeit und Friede und Freude im heiligen Geiste«; vgl. 1 Kor 1,30; Joh 14,27; 16,33; 20,19.21.26 und die dritte und vierte Seligpreisung Mt 5,5.9. 215 Röm 15,33; 16,20; 2 Kor 13,11; Phil 4,9; 1 Thess 5,23. Hinter dem Wort εἰρήνη steht das hebräische šālôm mit seiner umfassenderen Bedeutung »Heil«. 216 Mk 8,34 f. = Lk 9,23 f. = Mt 16,24 f.; Mk 13,9–13 = Lk 21,12–19 = Mt 24,9–14 und 10,17–22a; vgl. Joh 15,20 f.; 16,2 u. ö. 217 Confessio Augustana XXVIII, 21 (BSLK 124,9). 218 Apg 5,41; vgl. 9,16 (Paulus); 14,22; 1 Thess 3,3; 2 Thess 1,4 etc. Zur Geißelung siehe 2 Kor 11,24; dazu Dtn 25,3 und mMak 3,10–14. 209 210
132
I. Die Urgemeinde
len bei Paulus,219 noch mehr bei Matthäus und vor allem in der Apokalypse220 entdecken. Die menschlich-allzumenschlichen Seiten der Jünger und des frühen Christentums werden in ihrem Kontrast zu dem hohen, eschatologisch bestimmten Ethos deutlich sichtbar. Vermutlich waren Pilatus und die späteren Prokuratoren über die politische Harmlosigkeit der neuen messianischen Sekte informiert, ja, sie mögen in deren Gewaltverzicht und in ihrer Friedensliebe ein stabilisierendes Element im politisch unruhigen Judaea gesehen haben. Dies könnte erklären, warum die frühen Christen in Palästina trotz der Kreuzigung Jesu nach unserem Wissen von römischer Seite zunächst nicht mehr belangt wurden. Später, im Jahr 62, zeigte sich der von Alexandria anreisende Prokurator Albinus über die Hinrichtung des Jakobus und seiner judenchristlichen Freunde durch den Hohenpriester Hannas II. empört und drohte diesem mit Bestrafung, worauf Agrippa II. Hannas als Hohenpriester absetzte.221 Auch die Zurückweisung des Sorgens in der Verkündigung Jesu wirkte in der urchristlichen Gemeinde weiter. Ihre besondere, auf die nahe Parusie ausgerichtete Form der »Gütergemeinschaft« ist nicht zuletzt dadurch begründet, daß sich keiner der Glaubenden um seinen Lebensunterhalt »sorgen« soll.222 In der sekundären Deutung des Gleichnisses vom Sämann ersticken »die weltlichen Sorgen und der Betrug des Reichtums« die aufkeimende Saat des Wortes Jesu.223 Auch Paulus wünscht, daß die Korinther »sorgenlos« bleiben, das heißt, sie sollen wegen der endzeitlichen »gegenwärtigen Bedrängnis«224 so wie er unverheiratet bleiben, weil Unverheiratete sich allein darum »sorgen, dem Herrn zu gefallen«, während die Verheirateten sich eher »um die Dinge der Welt sorgen«.225 Hier verbindet sich die alte Mahnung Jesu mit seiner ganz persönlichen Missionserfahrung. Die Mahnung »sorget nicht« (μὴ μεριμνᾶτε) hängt aufs engste mit der Aufforderung zum freimütigen, inständigen Gebet zusammen.226 Ein Satz wie 1 Petr 5,7: »All eure Sorge werfet auf ihn [= Gott], denn er kümmert (μέλει) sich um euch«, klingt wie eine paränetische Umsetzung der Predigt Jesu. Mit dem Gebot der »Sorglosigkeit« korrespondiert das Wissen um die unter Umständen tödliche Gefahr des Reichtums. Nicht umsonst erhalten die Jeru219 1 Thess 2,14 ff.; vgl. 1 Kor 6,4: die Heiden als »die Verachteten in der Gemeinde«; Röm 3,8: gegen die, die ihn verleumden ὧν τὸ κρίμα ἔνδικόν ἐστιν; Gal 5,12; Phil 3,2; 2 Kor 11,13 ff. 220 Siehe z. B. das Gebet der Seelen der Märtyrer unter dem Altar in Apk 6,10 und die Vernichtung aller Feinde in 19,19 ff. 221 Josephus, Ant. 20,200.202 f. Siehe unten S. 492–500. 222 Siehe oben S. 40 mit Anm. 182. 223 Mk 4,19 = Mt 13,22; vgl. Lk 8,14. 224 1 Kor 7,32: θέλω δὲ ὑμᾶς ἀμερίμνους εἶναι; 7,26: διὰ τὴν ἐνεστῶσαν ἀνάγκην. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 420 f.448. 225 1 Kor 7,26–34; vgl. W. Schrage, 1 Kor II, 178 f. 226 Phil 4,6.
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
133
salemer Judenchristen später den Beinamen »die Armen«, obwohl es auch dort wohlhabende Gemeindeglieder mit Hausbesitz gab.227 Die Warnung Jesu vor dem Mammonsdienst verwandelt sich hier in die entschiedene Zurückweisung der Habgier. Nach Lk 12,13 ff. weist Jesus die Bitte, einen Erbstreit zu schlichten, schroff zurück und verbindet das mit der Warnung vor der Habgier. Der Evangelist läßt darauf das Gleichnis vom reichen Kornbauern folgen.228 Kol 3,5 bezeichnet die πλεονεξία als Götzendienst, Eph 4,19 verbindet sie mit der »Unreinheit«, und Paulus verbietet nicht nur den Umgang mit »Habgierigen« in der Gemeinde, sondern schließt sie mit anderen offenkundigen Sündern von der Gottesherrschaft aus.229 Es wird hier noch bei ihm jener urchristliche Rigorismus sichtbar, der in den Paulusdarstellungen gerne unterschlagen wird, der hinter der für uns so fremdartigen Erzählung von Ananias und Sapphira230 steht und der im Grunde auf den Täufer und Jesus selbst zurückgeht.231 Auch Jesu Kritik an der in der Tora zugelassenen Ehescheidung und Wiederverheiratung Geschiedener wie auch die Verschärfung des sechsten Gebots werden in der Urgemeinde und später festgehalten. Dabei zeigt sich jedoch eine gewisse gegenläufige Tendenz. Die Jünger, die sich als Nachfolger Jesu zunächst von ihren Familien getrennt hatten, kehren nach Ostern zu diesen zurück. Die Antwort des Petrus auf Jesu Warnung vor dem Reichtum: »Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt«,232 bleibt, was das Verlassen der Familie anbetrifft, Episode. Markus, der Petrusschüler, hat durch die Erzählung von der Heilung der Schwiegermutter des Petrus233 bewußt den Hinweis eingeführt, daß Petrus verheiratet war.234 Von Paulus hören wir in 1 Kor 9,4 ff., daß im Gegensatz zu ihm und Barnabas als Zölibatären »die übrigen Apostel, die Brüder des Herrn und Kephas« nicht nur verheiratet sind, sondern ihre Ehefrauen auf Missionsreisen mitnehmen und sich – als Zeichen ihrer apostolischen Vollmacht – von den 227 Siehe
oben S. 40. M. Hengel, Eigentum = KS VI, 353–423. 12,16–21. Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 447 f. 229 1 Kor 5,9–13; 6,9 f. 230 Apg 5,1–11; siehe oben S. 41 f. 231 Siehe M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 303 f.363 f.; vgl. etwa Lk 3,11 ff.; Mk 10,17–23 parr. oder Mk 9,43–48 = Mt 18,8 f. und im Kontext der zweiten Antithese und des sechsten Gebots Mt 5,29 f. Während Matthäus dieses harte Wort verdoppelt, wird es von Lukas wegen seiner Anstößigkeit weggelassen. 232 Mk 10,28 = Lk 18,28. Mt 19,27 hat noch den bezeichnenden Nachsatz: »Was werden wir erhalten?« 233 Mk 1,29 ff. parr. 234 Es ist kein Zufall, daß er in der Antwort Jesu auf den Hinweis des Petrus zwar den Besitz, Eltern, Geschwister und Kinder aufführt, nicht aber die Ehefrau (Mk 10,29). Hier mag außer Mk 10,9: »Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden« auch das Wissen um die apostolische Ehe des Petrus nachwirken. Matthäus, der Petrusverehrer, folgt Markus wortgetreu (Mt 19,29). Der Paulusschüler Lukas fügt dagegen in Lk 18,29b gegen die Markusvorlage ein γυναῖκα ein. 228 Lk
134
I. Die Urgemeinde
Gemeinden unterhalten lassen. Die spätere legendäre Überlieferung bei Clemens Alexandrinus weiß von Kindern des Petrus und vom Martyrium seiner Frau.235 Auf der anderen Seite wächst die Tendenz zur Ehelosigkeit. Dies mag für die jüdische Urgemeinde noch nicht gelten. Hier ist es vielmehr auffallend, daß trotz erschwerter Bedingungen die Apostel – zumindest in der Regel – Familie hatten. Auch der Evangelist Philippus, der zweite Mann der »Hellenisten«, der, aus Jerusalem vertrieben, nach Lukas als Missionar in Samarien und in der Küstenebene wirkte und sich in Caesarea niederließ, war verheiratet und hatte vier Töchter.236 Daß das rigorose Verbot der Ehescheidung bzw. Wiederverheiratung bei schweren Konfliktfällen nicht aufrechterhalten werden konnte, zeigt die matthäische Einschränkung des Gebots in 5,32 und 19,9: »außer wegen Unzucht«.237 Auch Paulus erörtert in 1 Kor 7,12–16 den Konfliktfall einer Mischehe, der für ihn nicht unter das Gebot des Herrenwortes fällt.238 Auf der anderen Seite ist die Tendenz zu einer allmählichen Bevorzugung der Ehelosigkeit nicht zu übersehen. Sie beginnt mit Paulus – doch schon der Täufer und Jesus waren unverheiratet – und setzt sich in der Antwort der Jünger auf Jesu Belehrung über die Ehescheidung bei Matthäus fort; bei dieser radikalen Sachlage sei es »nicht ratsam zu heiraten«. Jesus antwortet mit dem Hinweis »auf Beschnittene um des Himmelreiches willen«. Vermutlich handelt es sich um Christen, die das Charisma der Ehelosigkeit besitzen.239 Auch in der Offenbarung des Johannes werden die rätselhaften 144.000 vor Gottes Thron als »Jungfräuliche« bezeichnet, »die sich mit Frauen nicht befleckt haben«.240 Es mag dies mit der Vorstellung zusammenhängen, daß nach Jesu Antwort auf die Sadduzäerfrage die geschlechtliche Differenzierung bei der Auferstehung der Toten ein Ende findet, denn die Auferstandenen »sind wie Engel in den Himmeln«.241 M. Hengel, Petrus, 204–208. Apg 21,8f; vgl. auch in 21,5 (προπεμπόντων ἡμᾶς πάντων σὺν γυναιξὶν καὶ τέκνοις) die christlichen Familien in Tyros, die Paulus zum Hafen geleiten. Philippus ist wohl vor 70 n. Chr. mit drei Töchtern nach Hierapolis in Phrygien ausgewandert; siehe M. Hengel, Johanneische Frage, 34–37.79 ff.; ders., Petrus, 189–192.204. 237 Vgl. Mt 19,3–9. In V. 3 fragen die Pharisäer, ob es erlaubt sei, die Ehefrau »wegen jeder Ursache« zu entlassen. Dies entsprach ungefähr der Meinung der »liberaleren« Schule Hillels. In der abschließenden Antwort fügt Matthäus in V. 9 diesen einschränkenden Zusatz wieder gegen die Markusvorlage an. In 5,32 (παρεκτὸς λόγου πορνείας) knüpft Matthäus an eine Formulierung der Schule Schammais an; siehe Bill. I, 312–320.801; W. D. Davies / D. C. Allison, Matthew I, 528; U. Luz, Mt I, 363 ff. Die detaillierte Kenntnis der rabbinischen Ehescheidungshalacha ist eines der zahlreichen Indizien für die schriftgelehrte Herkunft des ersten Evangelisten. 238 Siehe dazu H. Merklein, 1 Kor II, 118–123. 239 Mt 19,10 ff. (Sondergut). 240 Apk 14,4. 241 Mk 12,25 = Mt 22,30; vgl. Lk 20,36: »Sie sind engelsgleich und Söhne Gottes und der Auferstehung.« Vgl. auch Paulus in 1 Kor 15,50 ff.: Die Parusie Christi bringt Auferstehung und radikale Verwandlung. 235 236
§ 2 Die Inhalte urchristlicher Lehre
135
Dementsprechend wollen die gnostisierenden Irrlehrer der Pastoralbriefe später zu Beginn des 2. Jahrhunderts die Ehe verbieten: so 1 Tim 4,3, eine Tendenz, die sich im Thomasevangelium, bei den Enkratiten des 2. Jahrhunderts und in gnostischen Gruppen fortsetzt. Selbst Tatians Diatessaron ist davon beeinflußt. Die uns erhaltenen frühesten christlichen Texte, beginnend mit den sieben echten Paulusbriefen über das Markusevangelium bis hin zum lukanischen Doppelwerk, zum Jakobusbrief und zum Matthäusevangelium, erwecken nicht den Eindruck, als ob die jungen messianischen Gemeinden innerhalb und außerhalb des jüdischen Palästinas in zahlreichen, extrem verschiedenen Gruppen ohne inneren Zusammenhang existiert hätten. Die Texte legen eher nahe, daß das Gegenteil richtig ist. Das gemeinsame starke Band bestand in der Beziehung zu Jesus, dem messianischen Lehrer und Wundertäter, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Es war nicht zuletzt das neue, gemeinsame messianische Ethos, begründet durch die – noch unmittelbare – Erinnerung an Jesu Reich-GottesVerkündigung, das den jungen Gemeinden den inneren Zusammenhalt gab. So besteht zwischen der paulinischen Paränese – etwa in 1 Thess 4 und 5, 1 Kor 5 und 7, aber auch 1 Kor 13, Gal 5 und 6 und Röm 12 und 13 – und der synoptischen Überlieferung ein vielfältiger Zusammenhang, auch wenn sich Paulus nur relativ selten auf autoritative »Worte des Herrn« beruft.242 Im Bereich der petrinischen Mission wird sich die Jesustradition noch sehr viel stärker niedergeschlagen haben. Das Markusevangelium und die Logientradition bei Lukas und Matthäus sind unseres Erachtens ein Zeugnis dafür. Diese Zusammenhänge gehen aber über die Paränese weit hinaus. Sie betreffen auch die apokalyptisch eingefärbte Zukunftserwartung, mit dem einen Unterschied, daß die Jünger jetzt wirklich wissen, wer der kommende »Menschensohn« sein wird, daß er das Antlitz des Gekreuzigten Jesus von Nazareth trägt, der sich ja einst selbst mit der »Chiffre« bar ʾänāšāʾ bezeichnet hatte. Diese Kontinuität zwischen der vorösterlichen Botschaft Jesu und dem von den Jüngern verkündigten nachösterlichen »Evangelium«243 betrifft auch das Herzstück desselben, die rettende Zuwendung der Liebe des göttlichen Vaters zu allen Verlorenen und Sündern. Sie stand schon im Mittelpunkt der Verkündigung Jesu. Durch seinen stellvertretenden Sühnetod am Kreuz und seine Überwindung der Macht des Todes in der Auferstehung und Erhöhung zum Vater wurde die Jüngergemeinde dieser Zuwendung, das heißt der Vergebung ihrer Schuld, gewiß und konnte diese Gewißheit allen zusprechen, die an die Heilstat Jesu glaubten. Der Gebetsruf »Abba«, lieber Vater, und Bekenntnisaussagen wie 242 1 Kor 7,10: … παραγγέλλω, οὐκ ἐγὼ ἀλλ’ ὁ κύριος; 9,14; vgl. 1 Thess 4,15. Es ist das besondere Verdienst von D. Wenham, Paulus, auf diese Verbindungslinien aufmerksam gemacht zu haben. Vgl. auch oben S. 120 Anm. 156. 243 Siehe dazu oben S. 93 f.: Dahinter steht das aramäische beśôrā ṭôbā, der judenchristliche Sprachgebrauch hat schlechterdings nichts mit dem Kaiserkult zu tun.
136
I. Die Urgemeinde
1 Kor 15,3 ff. betrafen – nach unserem Wissen – alle »Gemeinden Gottes in Jesus Christus« und die Verkündigung aller Sendboten Christi: »Es seien nun ich oder jene: So verkündigen wir (alle), und so seid ihr zum Glauben gekommen.«244
244 1 Kor 15,11; siehe oben S. 94. Es ist einer der wichtigsten Sätze in den Paulusbriefen. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 438 u. ö., siehe 497 Index.
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung1 3.1 Die Hellenisten und die Einsetzung der Sieben Lukas liegt daran, gegenüber Theophilos und seinem Freundeskreis die inneren Verhältnisse in der frühesten Jerusalemer Urgemeinde als schlechterdings vorbildlich darzustellen. Dazu gehört seiner Meinung nach auch, daß es in ihr zuerst keine wirklichen Konflikte gab. In Apg 6,1 f. wird jedoch das ideale »ein Herz und eine Seele«2 jäh unterbrochen, nachdem bereits zuvor der plötzliche, alle erschreckende Tod des Ehepaares Ananias und Sapphira eine erste Gefährdung angedeutet hatte.3 Auch bei der ersten tiefergehenden Krise ging es nach Lukas um das menschliche Grundproblem von Besitz und Lebensunterhalt (Apg 6,1–6):
1 Vgl. dazu M. Simon, St. Stephen; W. Schmithals, Paulus und Jakobus; M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus = KS III, 1–67; ders., Ursprünge = KS VI, 105–135; ders., Geschichtsschreibung = KS VI, 1–104; G. Schneider, Apg I, 417–480; C. K. Barrett, Acts I, 302–394; H.-W. Neudorfer, Stephanuskreis in der Forschungsgeschichte; W. Kraus, Zwischen Jerusalem und Antiochia; L. W. Hurtado, Lord, 206–214; besonders auch ders., Martin Hengel’s Impact, 70–76, der vor allem Hengels »characterization of the Jerusalem Hellenists and their supposedly crucial role« (72, vgl. 74) kritisiert; J. Jervell, Apg, 214–257 (Literatur: 214.224.231); G. Theissen, Hellenisten und Hebräer, 323–343; J. A. Fitzmyer, Acts, 343–395; E. Grässer, Forschungen, 236–244; U. Wilckens, Theologie I/2, 230–239; A. J. M. Wedderburn, History, 41–58; J. D. G. Dunn, Beginning, 241–321; M. Zugmann, Hellenisten; H. Braun, Geschichte des Gottesvolkes. Zu einseitig ist die Darstellung von I. J. Elmer, Paul, Jerusalem and the Judaisers, siehe dazu die Rezension von I. Broer in ThLZ 135 (2010), 962–965. S. Walton, Minority, 305–327, setzt sich – wenig überzeugend – mit Berufung vor allem auf C. C. Hill, Hellenists, kritisch mit den frühen Arbeiten von M. Hengel »Between Jesus and Paul, 1983« und »Acts and the History of Earliest Christianity, 1979« (in englischer Übersetzung) auseinander, ohne eine von Hengels späteren Untersuchungen zu berücksichtigen. Gegen die Thesen von C. C. Hill siehe schon M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 56 Anm. 197; vgl. den Literaturbericht von J. Schröter, Actaforschung. Vgl. weiter G. Jossa, Jews or Christians, 76–89; S. C. Mimouni, Mouvement, 187–192; D.-A. Koch, Geschichte, 169–178; C. S. Keener, Acts II, 1247–1470; K. Haacker, Stephanus; U. Schnelle, Jahre, 141–147. 2 Apg 4,32; siehe oben S. 36. 3 Apg 5,1–11. Vgl. das zweimalige ἐγένετο φόβος μέγας in V. 5 (ἐπὶ πάντας τοὺς ἀκούοντας) und 11 (ἐφ’ ὅλην τὴν ἐκκλησίαν); siehe schon die Schilderung der idealen Gemeinde in Apg 2,43. Zu Apg 5,1–11 siehe oben S. 41.
140
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
»Aber in diesen Tagen, als die Jünger an Zahl zunahmen, geschah ein Murren der Hellenisten gegen die Hebräer, weil ihre Witwen beim täglichen (Tisch‑)Dienst übersehen wurden. Die Zwölf aber riefen die Menge der Jünger zusammen und sprachen: ›Es ist nicht passend, daß wir das Wort Gottes vernachlässigen und an den Tischen dienen. Seht euch um, Brüder, nach sieben bewährten Männern aus euren Reihen, voll des Geistes und der Weisheit, die wir einsetzen können zu diesem Amt. Wir aber wollen uns ständig dem Gebet und dem Dienst des Wortes widmen.‹ Und die Rede gefiel der ganzen Menge, und sie wählten Stephanus, einen Mann voll des Glaubens und des heiligen Geistes, und Philippus und Prochoros und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaos, einen Proselyten aus Antiochia, die stellten sie vor die Apostel, und die beteten und legten ihnen die Hände auf.«
Unvermittelt erzählt Lukas von Spannungen zwischen zwei Gruppen in der Gemeinde, von deren Existenz wir bisher nichts gehört haben: den sogenannten Ἑβραῖοι und den Ἑλληνισταί, den »Hebräern« und den »Hellenisten«. Die Spannungen sind so schwerwiegend, daß die »Zwölf« eine Gemeindeversammlung einberufen und eine grundsätzliche Entscheidung treffen. Man hat vermutet, daß Lukas hier vielleicht mit einer neuen Quelle, der sogenannten antiochenischen, einsetzt, die schon in der Barnabas-Notiz 4,36 f. zu Worte gekommen sei. Dies bleibt jedoch völlig unsicher.4 Über die ursprüngliche Form und die Herkunft des lukanischen Erzählstoffes zur Apostelgeschichte können wir nur Vermutungen anstellen.5 Man muß immer auch damit rechnen, daß Lukas aus mündlicher Tradition sich selbst Notizen – etwa bei Namenskatalogen – gemacht hat, die er dann später verwenden konnte. Wenn Lukas der Autor der »Wir-Erzählungen« gewesen ist, hat er zwei Personen persönlich gekannt, die in die geschilderten Vorgänge involviert waren: Philippus und Paulus.6 Durch das Wachstum der Jüngergemeinde waren offenbar zwei Gruppen entstanden, die durch ihre Sprache geschieden waren.7 Unter Ἑβραῖοι sind diejenigen Judenchristen, die in Palästina fest ansässig waren und aramäisch als Doch die Terminologie in Apg 6,1 ist auffallend unlukanisch, so vor allem γογγυσμός, das »Murren«; dabei sind παραθεωρεῖν und καθημερινός Hapaxlegomena im Neuen Testament. Vgl. M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, 155 = KS III, 5; weiter J. D. G. Dunn, Beginning, 243 ff. mit Verweis auf J. A. Fitzmyer und G. Lüdemann: Die Namensliste, der abrupte Einsatz ohne weitere Erklärung mit »Hebräern« und »Hellenisten« sowie unlukanische Terminologie in 6,1 sprächen für eine schriftliche Quelle. Auf jeden Fall spricht der unvermittelte Einsatz in erster Linie dafür, daß Lukas voraussetzt, daß seine Leser noch wissen, wer mit den »Hellenisten« und den »Hebräern« damals in Jerusalem gemeint waren. 5 Manchmal läßt es sich aus sprachlichen Gründen wahrscheinlich machen, daß Lukas eine »fremde« schriftliche Quelle für eine Erzählung verwendete, die er nicht völlig umgestaltet hat; so etwa bei der Erzählung der Berufung des Paulus in Apg 9. Siehe dazu F. Avemarie, Tauferzählungen, 300–316 (»Die Idiomatik der Damaskuserzählungen«). 6 Philippus: Apg 6,5; 21,8 ff., vgl. 8,4–13.26–40; Paulus: 7,58. Vgl. C. S. Keener, Acts II, 1251 f. 7 Apg 6,1: πληθυνόντων τῶν μαθητῶν ἐγένετο γογγυσμὸς τῶν Ἑλληνιστῶν πρὸς τοὺς Ἑβραίους. 4
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
141
Muttersprache sprachen,8 zu verstehen, das heißt die Majorität der Gemeinde inklusive der Leitung, der zwölf Apostel. Besonders rätselhaft und umstritten scheint bis heute zu sein, wer die Ἑλληνισταί gewesen waren. Dabei ist die Lösung eigentlich eindeutig. Das Verb ἑλληνίζειν, von dem sich das Substantiv ableitet, bedeutet »griechisch sprechen«, und von dieser sprachlichen Bedeutung her ist auch die Gruppenbezeichnung Ἑλληνισταί zu erklären.9 Es waren Juden in Jerusalem, deren Mutter‑ bzw. Hauptsprache das Griechische war. Sie hatten sich als Rückkehrer aus der hellenistischen Diaspora in der Heiligen Stadt niedergelassen oder stammten von solchen Rückkehrern ab.10 Man könnte es noch präziser sagen: 8 Auch bei Paulus deutet Ἑβραῖος auf eine Herkunft aus dem Mutterland und die Kenntnis von dessen Sprache hin: 2 Kor 11,22; Phil 3,5, vgl. Apg 26,14. Das schließt natürlich nicht aus, daß einzelne »Hebraioi« wie Paulus (und Barnabas) auch griechisch beherrschten. Andererseits wird ein großer Teil von ihnen kein ordentliches Griechisch gesprochen haben. Der Name des judenchristlichen »Hebräerevangeliums« zeigt, daß auch später noch in der Diaspora die Bezeichnung »Hebräer« auf eine enge Verbindung mit dem Mutterland hinweist, siehe unten S. 204 mit Anm. 5. 9 Das sprachliche Material für diese Deutung ist bei M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, 164–172 = KS III, 14–22 (mit einem ergänzenden Nachtrag S. 64 f.) zusammengestellt. Die Meinung von C. K. Barrett, Acts I, 309: »that Luke had no precise understanding of a party of ›Hellenists‹ in the primitive church« ist unzutreffend. Er unterschätzt zudem die Bedeutung der griechischen Namensliste in Apg 6,5. Vgl. auch die Definition – mit Verweis unter anderem auf C. F. D. Moule, Once More: Who Were the Hellenists? – von J. A. Fitzmyer, Acts, 347: »Hellenistai in Acts denotes Jews (and Jewish Christians) ›who spoke only Greek‹ and Hebraioi ›Jews who, while able to speak Greek, knew a Semitic language also‹, i. e., Hebrew or Aramaic« (Hervorhebungen im Original). J. D. G. Dunn, Beginning, 246–251, rechnet dagegen wieder mit einem tiefgreifenden theologischen Konflikt zwischen Hellenisten und Hebräern; ihm schließen sich I. J. Elmer u. a. an. Das geht meines Erachtens viel zu weit. Vgl. dagegen zu Recht M. Zugmann, Hellenisten, Kapitel 6: »Zum theologischen Profil der Hellenisten« (300–406), der jedoch auch in Apg 11,20 die Lesart Ἑλληνισταί für ursprünglich hält im Anschluß an N. Walter und W. Reinbold (siehe M. Zugmann, Hellenisten, 4–8 u. ö.); er will in den »Hellenisten« ganz allgemein Nichtgriechen, die griechisch sprachen, sehen; siehe dagegen weiter die Argumente in der nächsten Anmerkung. – Die These vom scharfen theologischen Kontrast zwischen Hebräern und Hellenisten in Apg 6 geht auf F. C. Baur zurück; siehe H.-W. Neudorfer, Stephanuskreis, 326; vgl. dazu G. Theissen, Hellenisten und Hebräer, 323; A. Hentschel, Diakonia, 326 Anm. 130 und 132; C. S. Keener, Acts II, 1254. 10 Die Untersuchung von M. Zugmann, Hellenisten, bringt gerade nicht den Beweis für seine Behauptung, daß Ἑλληνιστής schon in vorneutestamentlicher Zeit eine gebräuchliche Bezeichnung für griechischsprachige Nichtgriechen gewesen sei; vgl. auch die Rezension von J. Jeska, ThLZ 135 (2010), 1119–1121 (1119), der ebenfalls an diesem Punkt skeptisch ist. Zugmanns einziger Beleg dafür ist ein Brief, erhalten auf Papyrus aus Ägypten, datiert ins 4. Jahrhundert n. Chr., als bereits Julian Apostata für Wandel im Sprachgebrauch gesorgt hatte, dadurch daß er mit den Begriffen Hellenisten, Hellenismos etc. die Rückkehr und Neubelebung der griechischen Religion im Gegensatz zu Judentum und Christentum propagiert hatte. Für die Kirchenväter wurden dann Ἕλληνες und Ἑλληνισταί äquivalente Bezeichnungen für Heiden. Das erklärt auch die Durchsetzung der Lesart Ἑλληνιστάς in Apg 11,20 im Vaticanus, in drei weiteren Majuskeln, einer Minuskel und im Mehrheitstext. Auch L. Alexander, Community, 45–78 (66), hält völlig zu Recht nach wie vor die Lesart Ἕλληνας in Apg 11,20 für
142
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
»Vermutlich war Ἑλληνισταί ein terminus technicus im zweisprachigen Jerusalem für die, die (nur oder überwiegend) Griechisch sprachen, weil es ihre Muttersprache war.«11
Jerusalem als der Ort, den JHWH erwählt hatte, war für den frommen Juden als Ort der Gegenwart Gottes der religiöse Mittelpunkt der Welt, und zwar nach der profetischen Verheißung nicht allein für Israel, sondern auch für die Völker.12 Darum war es – aus religiösen Gründen – für griechischsprachige Diasporajuden einschließlich der Proselyten attraktiv, sich dort anzusiedeln. Vor allem unter der Herrschaft Herodes’ I.13 war die Stadt durch die unter dem Schutz der Pax Romana ermöglichte großartige Tempelerneuerung des Königs und durch seine Öffnung des Landes zum Westen hin mit dem neuen Hafen in Caesarea Maritima außerdem zu einem bedeutenden Pilgerzentrum geworden.14 Etwa 15 bis 20 % seiner Bevölkerung mögen Griechisch als Muttersprache gesprochen haben. Jedes Jahr reisten Tausende von Pilgern aus der hellenistischen (und der babylonischen) Diaspora in die Stadt – einige blieben dort, um nahe an dem heiligen Ort der Gegenwart Gottes zu wohnen.15 Daß es der Mission der frühesten Gemeinde gelang, relativ rasch auch griechischsprachige Juden in größerer Zahl zu gewinnen, so daß diese eine eigene Gruppe bilden konnten, ist ein Zeichen für ihre erfolgreiche missionarische Aktivität. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die ursprüngliche. S. Walton, Minority, 322 f., plädiert wenig überzeugend für Ἑλληνιστάς: »The ›Hellenists‹ in 11.20 are thus likely to be godfearing Gentiles who attended the Antioch synagogue(s?)« (323). Justin, Dial. 80,4 (PTS 47, 209 ed. Marcovich), erwähnt unter den aufgezählten jüdischen Häresien »Hellelianer« (Ἑλληλιανῶν, v. l. [A] Ἑλληνιανῶν), »eine – vielleicht bewusste – Umschreibung für die Ἑλληνισταί aus der Apostelgeschichte«, so der Vorschlag in einem Vortrag von O. Munnich, Hellenismus – Judentum – Christentum. Zu den Grenzen zwischen den Religionen im 2. Jahrhundert, Gedächtnisvorlesung der Gertrud-undAlexander-Böhlig-Stiftung, gehalten in Tübingen am 11. 2. 2 015 (unveröffentlicht). 11 So der Nachtrag von M. Hengel zu »Jesus und Paulus« in: KS III, 65. 12 Jub 8,19: Zion, der Mittelpunkt der Welt, der Nabel der Erde, wo Gott im Eschaton seine Wohnstatt nehmen wird (8,18; vgl. 7,11 f.). Vgl. M. Hengel, Jerusalem = KS II, 116: Jerusalem als »religiöse Welthauptstadt«; ders., Liste, 55 f. = KS VI, 195 f. Jes 1,26 LXX nennt das Jerusalem der Zukunft πόλις δικαιοσύνης, μητρόπολις πιστὴ Σιων. Weiter J. Frey, Weltbild, 278 f., der auf Gen 10 (wo Israel als Mittelpunkt unter den Völkern erscheint); 1 Chr 1,1–2,2; Ez 5,5 und Dtn 32,8, die Septuaginta-Übersetzung mit ὄμφαλος in Ri 9,37; Ez 38,12 und 1 Hen 26,1; 90,26 als Parallelen verweist. 13 Er herrschte 40(37)–4 v. Chr.; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 41–71. 14 Zu Jerusalem als Pilgerzentrum siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 23.59–64.558 u. ö.; siehe 733 Index s. v. »Jerusalem«. 15 Von den 231 beschrifteten Ossuarien aus Jerusalem (die allermeisten aus der Zeit vor 70 n. Chr.) sind 142 nur mit hebräisch-aramäischer und 72 mit griechischer Schrift versehen, 15 sind zweisprachig, zwei lateinisch, und hinzu kommen je ein griechisch bzw. hebräisch beschriftetes Ossuar aus dem Süden Judaeas; siehe L. Y. Rahmani, Catalogue, 12 ff. Weiter die Sammlung der Inschriften aus Jerusalem: CIIP I/1 und I/2. Auch die Oberschicht der babylonischen Diaspora, z. B. die Mitglieder des Königshauses von Adiabene im Partherreich, die sich zum Judentum bekehrt hatten und teilweise in Jerusalem wohnten, war zweisprachig.
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
143
bereits Jesus selbst vereinzelte griechischsprachige Anhänger besaß, die dann freilich nicht zum engsten Jüngerkreis gehörten. Nach Joh 12,20 ff., einer »idealen Szene«, waren Ἕλληνες, »Griechen«, als Festpilger in Jerusalem und baten die beiden einzigen Jünger mit griechischen Namen im Zwölferkreis, Philippus und Andreas: »Wir würden gerne Jesus sehen.« Beide teilen den Wunsch Jesus selbst mit. Die früheste judenchristliche Mission nach Pfingsten blieb also in Jerusalem nicht auf einheimische, aramäischsprachige Palästinajuden beschränkt, sondern erfaßte auch griechischsprachige Juden, die ursprünglich aus der Diaspora stammten. Bereits Apg 4,36 nennt ja den Leviten Joseph Barnabas aus Zypern, und der zweite Kandidat für die Zuwahl zum Zwölferkreis, Joseph Barsabbas, hat den lateinischen Beinamen Justus.16 Es gab so in Jerusalem Ansätze zu einer »jüdisch-hellenistischen Kultur« mit ganz eigenem Gepräge, die sich erheblich von der Alexandrias unterschied und 70 n. Chr. gewaltsam zerstört wurde.17 Vermutlich bildeten diese neugewonnenen griechischsprachigen Judenchristen bald eine eigene Gemeinde mit einer gewissen Selbständigkeit, weil von ihnen nur eine Minorität Aramäisch verstand und sie darum – auch aus missionarischen Gründen – gezwungen waren, einen eigenen Gottesdienst in griechischer Sprache einzuführen. Das heißt: Sie bildeten innerhalb der ἐκκλησία θεοῦ in Jerusalem und Judaea eine Art »Sondersynagoge« mit eigenem Gottesdienst und eigener Lehre.18 Die welthistorische Bedeutung dieses Vorgangs ist kaum zu unterschätzen. Denn in diesem Kreis von griechischsprachigen Judenchristen wurde zum ersten Mal die Botschaft von Jesus, das Evangelium, aus dem Aramäischen ins Griechische übertragen, und die grundlegenden Begriffe frühchristlicher Theologie und Christologie in griechischer Sprache wie εὐαγγέλιον, ἐκκλησία, ἀπόστολος, πίστις, ἀνάστασις, κοινωνία, χάρισμα, das absolute Χριστός, ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου als einheitliche Übersetzung von bar ʾänāšāʾ (»Menschensohn«) und andere haben dort ihren Ursprung.19 16 Apg 1,23: Die hellenistisch-römische Kultur war aus palästinischer Sicht eine Einheit. Selbst die Juden in Rom sprachen griechisch. 17 In Alexandria war auch die Mittelschicht noch sehr viel stärker griechisch-philosophisch gebildet. Siehe zum Folgenden M. Hengel, Problem der »Hellenisierung« Judäas = KS I, 1–90; ders., Jerusalem = KS II, 115–156; ders., Zwischen Jesus und Paulus, 199–203 = KS III, 49–53. 18 Zur antiken Synagoge gehörte die Verlesung des Gesetzes an jedem Sabbat und dessen Unterrichtung, wie die Theodotos-Inschrift für Jerusalem zeigt (siehe unten S. 150 Anm. 51). Philo, Mos. 2,216, betont, daß in allen Städten des Römischen Reiches Gebetshäuser, das heißt Synagogen, anzutreffen sind als »Schulen (διδασκαλεῖα) der Einsicht, Besonnenheit und Gerechtigkeit … und jeder anderen Tugend«. Vgl. dazu G. Holtz, Alexandrien, 251 f. 19 Vgl. M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, 199–203 = KS III, 49–53; ders., Sühnetod, 22 f. = KS IV, 168 f. Zu ἐκκλησία siehe ausführlich P. Trebilco, Early Christians, 440–460, der dafür plädiert, daß sich zunächst nur die Hellenisten in Jerusalem selbst so bezeichnet hätten; vgl. ders., Self-designations, 164–207; vgl. dazu auch oben S. 23.
144
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Wie die Schriftfunde aus der judäischen Wüste zeigen, wurde die Septuaginta auch in Jerusalem gelesen, ja vermutlich dort auch von zweisprachigen Schriftgelehrten durch einen Textvergleich mit dem hebräischen Urtext verbessert.20 Schon in der Hasmonäerzeit gab es dort ein Skriptorium in griechischer Sprache, das die Diaspora mit religiös-nationalem Schrifttum versorgte.21 Unter Herodes hat sich der Einfluß der griechischen Sprache in der Heiligen Stadt noch verstärkt, da er nicht wenige Griechen in seine Hauptstadt holte, an ihrer Spitze den Universalgelehrten und Verfasser einer einhundertvierundvierzigbändigen Weltgeschichte, Nikolaos von Damaskus, seinen langjährigen Berater.22 Für die Jerusalemer Oberschicht war es selbstverständlich, daß sie auch die griechische Sprache beherrschte. Nur in ihr konnten sie mit den Griechen und Römern verhandeln. Ein eindrucksvolles Beispiel ist der aus dem Priesteradel stammende Josephus, der schon in jungen Jahren nach Rom fuhr, von Kaiserin Poppaea empfangen wurde und die Freilassung gefangener Priester erreichte, und später in Rom als Freigelassener Vespasians seine großen Werke schrieb.23 Als Führungsgremium wählten die Hellenisten (bzw. nach der lukanischen Darstellung wählte die Gesamtgemeinde) eine Gruppe von sieben Männern, die Lukas in Apg 6,5 aufzählt. Schon die Zahl ist interessant. Siebenmännergremien kennen wir als Vorsteher jüdischer Ortsgemeinden vor allem durch Josephus, aber auch aus der rabbinischen Literatur.24 Dem Perserkönig dient im Estherbuch 20 Siehe die Zwölfprofetenrolle aus Naḥal Ḥever, die einen am hebräischen Text revidierten griechischen Text bietet: E. Tov / R. A. Kraft (Hgg.), Greek Minor Prophets Scroll. 21 Siehe dazu 2 Makk 2,13 und das Kolophon zu Esther (Est 10,3l LXX). Vgl. besonders M. Hengel / R. Deines, Septuaginta als ›christliche Schriftensammlung‹, 236–255; vgl. weiter J. Cook, Art. Septuaginta-Forschung, RGG4 7 (2004), 1217–1220; das »Vorwort der Herausgeber« W. Kraus / M. Karrer in: LXX.D, IX–XVI; vgl. auch E. Tov, Reflections on the Septuagint, und die anderen Beiträge in dem von W. Kraus und M. Karrer unter Mitarbeit von M. Meiser herausgegebenen Sammelband (Septuaginta – Texte). 22 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 51, vgl. weiter 739 Index s. v. »Nikolaos von Damaskus«. 23 Josephus, Vita 13–16. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 39 ff.101.114; weiter H. W. Attridge, Josephus, 185–232; P. Bilde, Josephus; vgl. auch die Beiträge in: S. Mason (Hg.), Understanding Josephus; zu den heilsgeschichtlich-eschatologischen Erwartungen des Josephus siehe A. M. Schwemer, Gottesherrschaft bei Josephus, 75–101. 24 Josephus, Ant. 4,214: »Es sollen in jeder Stadt sieben Männer regieren«; Ant. 4,287: »sieben Richter«; Josephus selbst setzt als Befehlshaber in Galilaea sieben Richter in jeder Stadt neben den 70 Ältesten ein: Bell. 2,571. jMeg 3,74a, 18: »Die Sieben einer Stadt sind wie die Stadt selbst«; vgl. bMeg 26a; zu den rabbinischen Belegen vgl. Bill. II, 641. Weiter G. Theissen, Hellenisten und Hebräer, 327 f., der in den Sieben die Repräsentanten des eschatologischen Jerusalems sieht, deren Kreis im Gegensatz zu den Zwölfen, die als Wandermissionare außerhalb der Stadt wirkten, in der Stadt gebildet wurde. Dieser Vorschlag steht und fällt mit der unwahrscheinlichen Hypothese von den Wanderradikalen. So auch J. D. G. Dunn, Beginning, 255 Anm. 61.
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
145
ein Gremium von sieben obersten Hofbeamten.25 Doch auch die himmlische Welt und deren Tempel ist in der Johannesapokalypse durch Siebener-Symbolik bestimmt. Eine zumeist bisher für den Vergleich übersehene Parallele stellen die »Siebenergremien« in den Sabbatopferliedern aus Qumran dar.26 Die Sabbatopferlieder potenzieren die Zahl Sieben auf ungewöhnlich betonte Weise, sprechen nicht nur von sieben himmlischen Tempeln, sondern auch von den sieben Hohenpriestern der Engel und mit sieben Stellvertretern, die ihre Engelscharen jeweils mit sieben wunderbaren Segenssprüchen segnen etc.27 Da der Kreis der Hellenisten sich durch seine Geist‑ und Weisheitsbegabung auszeichnete und Stephanus wegen seiner Kritik am Jerusalemer Tempelkult angeklagt und wegen seiner Schau ins himmlische Heiligtum, wo er den Menschensohn neben der Doxa Gottes stehen sieht, von seinen Gegnern spontan gesteinigt wurde, könnte die Wahl eines Siebenerkreises als Leitungsgremium zudem mit Vorstellungen über die Siebenfaltigkeit des himmlischen Tempels zusammenhängen.28 Aber dies ist wenig wahrscheinlich, denn dann müßte der Siebenerkreis die gesamte Gemeinde als eschatologischen Tempel repräsentieren.29
Est 1,10 (vgl. 2,2; 6,3.5); die Septuaginta übersetzt diese »Kämmerer« mit διάκονοι. C. S. Keener, Acts II, 1277 Anm. 284 und 1278 Anm. 298, verweist jetzt auf die Sabbatlieder. 27 Siehe dazu C. Newsom, Shirot ʿOlat HaShabbat, 173–401; als Beispiel sei eine Passage aus dem sechsten Sabbatlied zitiert (4QShirShabbd = 4Q403 Frag. 1 Col. I,1–7, ed. F. García Martínez / E. J. C. Tigchelaar, Dead Sea Scrolls II, 814 ff.): »der dritte der Hauptpriesterfürsten. Er wird erheben den Gott der erhabenen Engel siebenmal, mit sieben Worten der wunderbaren Erhebung. Ein Psalm des Preises auf der Zunge des Vierten dem Mächtigen über alle Göttlichen mit sieben wunderbaren Mächten. Er wird preisen den Gott der Mächte siebenmal mit sieben Worten des wunderbaren Preises. Psalm der Danksagung auf der Zunge des Fünften, dem König der Herrlichkeit mit sieben wunderbaren Danksagungen …« Vgl. A. M. Schwemer, Gott als König, 86–94; dazu jetzt N. Mizrahi, Liturgy. Die Sabbatlieder galten längere Zeit als »nicht qumranisch«, was meines Erachtens wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat; siehe ebenfalls für qumranische Herkunft D. Dimant, History, 95 und 104 f. Vgl. oben S. 15 Anm. 60. 28 Auch Paulus rechnet vermutlich mit sieben Himmeln; er selbst wurde bis zum dritten entrückt; siehe 2 Kor 12,2; besonders ausführlich werden der Aufstieg des Profeten Jesaja bis zum siebten Himmel und der Ab‑ und Aufstieg Christi durch die sieben Himmel beschrieben in AscJes 3,18; 7,17; 8,7.25; 9,1.6.23; 10,17; 11,32.40 (CChr.SA 7, 370 f.390 f.398 f.402 f.406 f. 412 f.424 f.436 f.438 f. ed. Bettiolo u. a.). Weiter Apk 1,4–20; 2,1; 3,1; 4,5 u. ö., vor allem die sieben Briefe an die sieben Gemeinden (2,1–3,22), die sieben Siegel (6,1–8,1), die sieben Engel mit ihren Trompeten (8,2–11,19), die sieben Engel mit ihren Schalen (15,1–17,1). Vgl. D. E. Aune, Revelation 1–5, 114–117; H. Lichtenberger, Apokalypse, 135 f. 29 Vgl. oben Anm. 24 zur These von G. Theißen, daß die Sieben das eschatologische Jerusalem repräsentieren. Paulus verwendet »Tempel« und Einwohnung des heiligen Geistes für die einzelnen Gläubigen und für die gesamte Gemeinschaft der Gläubigen; siehe 1 Kor 3,16 f.; 6,19; 2 Kor 6,16; vgl. später: Eph 2,20 ff.; vgl. auch die Metaphorik für den Gemeindeaufbau in 1 Kor 3,10 ff. G. Theissen, Hellenisten und Hebräer, 335, sieht hier bei Paulus Traditionen, die auf Vorstellungen der Hellenisten zurückgehen könnten; ebenso T. Wardle, Temple, 166–226, der annimmt, daß die Vorstellung von der Gemeinde als eschatologischem Tempel in der frühesten 25 26
146
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Die sieben »Hellenisten« tragen durchweg rein griechische Namen. Näheres hören wir nur über die ersten beiden: Stephanus und Philippus, den Lukas von dem gleichnamigen Apostel unterscheidet.30 Von den fünf anderen, Prochoros, Nikanor, Timon, Parmenas und Nikolaos, kennen wir nur die Namen. Vom letzten hören wir noch, daß er ein zum Judentum übergetretener Grieche, das heißt ein Proselyt, war und aus Antiochia stammte. Er ist damit der erste ehemalige Heide, von dem wir wissen, daß er sich der christlichen Gemeinde anschloß. Die spätere kirchliche Tradition macht ihn zum Begründer der libertinistischen Häresie der Nikolaiten in Kleinasien.31 Die Verselbständigung der griechischsprachigen Gemeindegruppe mag auch zu organisatorischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten geführt haben. Die Rückwanderer aus der Diaspora waren wohl nicht selten ältere »Pensionäre«, die zum großen Teil kein Aramäisch verstanden32 und keinem Beruf mehr nachgingen, sondern von ihrem ersparten Vermögen lebten und hofften, in der Heiligen Stadt begraben zu werden. Die Zahl dieser griechischsprachigen Rückwanderer war nicht klein: Dies zeigt die schon erwähnte große Zahl der griechischen Inschriften in der Stadt,33 vor allem auf Ossuarien, nicht wenige davon weisen auf alleinstehende Frauen hin. Offenbar war die Zahl der Witwen in dieser Gruppe beträchtlich. Da die Gemeinde in enthusiastischer Weise wirtschaftlich von der Hand in den Mund lebte und auf eine strenge Organisation der Produktion sowenig Wert legte wie auf eine weiterschauende Planung und Verteilung, kam es bald zu Schwierigkeiten bei der »täglichen« Austeilung von Unterstützungen, durch die die Witwen der griechischsprachigen Gruppe besonders betroffen waren.34 Diese stehen bei Lukas pars pro toto für die hilfsbedürftigen Armen im griechischsprachigen Gemeindeteil überhaupt. Gemeinde während ihrer Auseinandersetzung mit der (Hohen‑)Priesterschaft entstanden sein wird, aber nicht auf Jesus selbst zurückgehen kann. 30 Man kann freilich nicht mit Sicherheit ausschließen, daß er von dem Zwölfer‑ in den Siebenerkreis überwechselte. Im Gegensatz zu späteren Autoren wie Papias oder Polykrates von Ephesus unterscheidet ihn jedoch Lukas, unsere früheste Quelle, vom Philippus der Zwölf und nennt ihn εὐαγγελιστής (Apg 21,8). Vgl. A. v. Dobbeler, Philippus; ders., Art. Philippus, RGG4 6 (2003), 1280 f. Zu Philippus siehe unten § 5. 31 Apk 2,6.15. Clemens Alexandrinus weiß allerhand Absonderliches über Nikolaos und die Nikolaiten zu berichten; siehe Stromateis 2,118,3–5; 3,25,5–3,26,3 (GCS Clemens Alexandrinus II, 177,2–10; 207,17–208,9 ed. Stählin / Früchtel / Treu); Epiphanius, Panarion 25 (GCS NF 10/1, Epiphanius I/1, 267–274 ed. Holl / Bergermann / Collatz). Vgl. dazu T. Zahn, Apostel und Apostelschüler, 221–223; A. v. Harnack, Nicolaitans; N. Brox, Nikolaos, 23–30; R. Heiligenthal, Nikolaiten, 133–137; weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 335 Anm. 1378. 32 Siehe dazu ausführlicher M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, 181–187 = KS III, 31–35.64 f.; ders., Jerusalem, 297–300 = KS II, 146–149. 33 Siehe oben S. 142 Anm. 15. Vgl. W. Eck, Rom und Judaea, 166–171: Das Griechische dominiert dann in den späteren Inschriften. 34 Apg 6,1b: ὅτι παρεθεωροῦντο ἐν τῇ διακονίᾳ τῇ καθημερινῇ αἱ χῆραι αὐτῶν.
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
147
Möglicherweise wurden hier auch bereits gewisse theologische Unterschiede sichtbar, die freilich für Lukas noch nicht existieren durften.35 Sie beginnen für ihn erst in Apg 11,2 mit dem Protest der gesetzestreuen Judenchristen gegen Petrus und in Kapitel 15 gegen Paulus und Barnabas. Dennoch sollte man den Begriff »Hellenisten« von seiner philologischen Ableitung her auf den Sprachunterschied beziehen und ihn nicht vorschnell mit »hellenistischem Synkretismus« oder ähnlichen modernen Kunstgebilden in Verbindung bringen, die nur die historische Wirklichkeit verzerren.36 Nach Lukas wurden diese Mißstände rasch dadurch behoben, daß die Zwölf 37 zu ihrer eigenen Entlastung von wirtschaftlichen Organisationsaufgaben ebenjene Sieben als »Armenpfleger« einsetzten. Sie selbst nannten sich vermutlich διάκονοι, »mit (einem bestimmten) Dienst Beauftragte«,38 bzw. als Verkündiger des Evangeliums im Unterschied zu den Aposteln εὐαγγελιστής, denn diesen Titel gibt Lukas dann für Philippus nachträglich an.39 Lukas vermeidet in Apg 6 den Titel »Diakone« für die Sieben, spricht aber von ihrem »Tischdienst«, der διακονία und dem διακονεῖν τραπέζαις, im Unterschied zur Verkündigung der Zwölf als »Dienst des Wortes«, διακονία τοῦ λόγου.40 Die Zwölf setzten die Sieben nach ihrer Wahl in ihren Dienst ein, damit sie sich jetzt ganz und gar um die Verwaltung und Verteilung der Gaben kümmern konnten. Die lukanische Darstellung ist jedoch in dieser Form – wie so oft – unwahrscheinlich. Denn erstens wird unverständlich, warum alle sieben rein griechische Namen tragen, wenn sie nur für die wirtschaftliche Versorgung der Gesamtge35 Gegen die Annahme theologischer Unterschiede zuletzt: S. Walton, Minority, 311: »There has also been a minority of voices criticising aspects of Hengel’s reconstruction, notably Hill, Bauckham, Penner, Schnabel and Hurtado«; C. S. Keener, Acts II, 1260; A. Gerdmar, Baur, 107–128, der Martin Hengel dafür rügt, daß sogar er noch der »Tendenzkritik« folge, »even though he challenges central aspects of the dichotomy« (127). Anders dagegen J. D. G. Dunn, Beginning, 278. 36 Diese Sicht hat sich mit Recht inzwischen durchgesetzt, siehe auch J. A. Fitzmyer, Acts, 347 (vgl. auch oben S. 141 Anm. 9 der Verweis auf Moule); A. J. M. Wedderburn, History, 42 f.; J. D. G. Dunn, Beginning, 246–249; ausführlich M. Zugmann, Hellenisten. Gegen die rein sprachliche Ableitung und für die Bedeutung »eine Gruppe, die der griech. Kultur angehört«: D. Marguerat, Art. Hellenisten, RGG4 3 (2000), 1615. 37 Das absolute οἱ δώδεκα erscheint im ganzen Buch nur hier in Apg 6,2. Ihm entspricht Apg 21,8, wo von Philippus in Caesarea als »einem von den Sieben« (ὄντος ἐκ τῶν ἑπτά) die Rede ist. 38 Zur Begriffsbedeutung im Neuen Testament siehe A. Hentschel, Diakonia, die darlegt, daß διακονέω κτλ. im Neuen Testament »sehr differenziert verwendet wird« und »in der Regel eine Beauftragung« bezeichnet. »Der Terminus Diakonos und seine Derivate setzen eine konkrete Beauftragung voraus, welche zum Teil auch längerfristig ausgeübt wird« (433). So kann Paulus »alle Aufgabenbereiche in der Gemeinde, von der Leitung über die Verkündigung bis hin zu organisatorischen und karitativen Tätigkeiten als διακονίαι, als offizielle Beauftragungen im Namen Christi« bezeichnen (434). 39 Apg 21,8; siehe dazu unten S. 180 mit Anm. 4. 40 Apg 6,1–4.
148
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
meinde verantwortlich waren, in der die aramäischsprachigen »Hebraioi« sicher weit in der Überzahl waren; zweitens wird nirgendwo mehr etwas über diese wirtschaftlich-diakonische Tätigkeit gesagt. Im Gegenteil, ihre beiden wichtigsten Vertreter, Stephanus und Philippus, erscheinen danach als besonders erfolgreiche charismatische Missionare, als geisterfüllte Lehrer und Wundertäter, das heißt, sie üben dieselbe Funktion aus wie die zwölf »Apostel«.41 Der Vorgang ist darum wohl gerade umgekehrt verlaufen und nicht so, wie Lukas es darstellt: Am Anfang stand die Trennung der beiden Gruppen wegen der Sprache des Gottesdienstes, denn viele der Rückwanderer aus der Diaspora – insbesondere die Frauen – verstanden kein Aramäisch und nicht wenige der »Hebraioi« kein oder nicht genügend Griechisch. Der Wortgottesdienst mit Lehre und Gebet bildete aber das Rückgrat der neuen messianischen Bewegung. Er mußte für alle verständlich sein. Zwischen beiden Gruppen standen zweisprachige Graeco-Palästiner wie Barnabas, Johannes Markus, Silas / Silvanus, Joseph Barsabbas, genannt Justus, oder der Kyprier Mnason,42 die eine Brücke bilden konnten und darum für die weitere Entwicklung der neuen Bewegung besondere Bedeutung erhielten. Die Trennung der Gottesdienste aus sprachlichen Gründen führte dann zur Aufstellung der Sieben als Leitungsgremium der neuen, wohl wesentlich kleineren Gemeindegruppe, und erst dann traten als Folge auch die Versorgungsschwierigkeiten auf, mit der Konsequenz, daß die neue Gruppe unter den Sieben sich nun auch wirtschaftlich und organisatorisch zumindest teilweise verselbständigte. Auch im zeitgenössischen Judentum finden wir die Gründung neuer Synagogen aus landsmannschaftlichen und sozialen Gründen. In Rom kennen wir vom 2. bis 4. Jahrhundert n. Chr. ca. zwölf verschiedene Synagogengemeinden, deren Namen auf eine unterschiedliche geographische, politische und soziale Herkunft hinweisen.43
3.2 Die aktive Mission der Hellenisten; Stephanus und sein Martyrium Durch diese neue Gemeindegruppe der Hellenisten und ihre Führungsgruppe, die Sieben, die ja schon von der Diaspora her, aus der sie kamen, mit der erfolgreichen religiösen Offenheit von Juden gegenüber heidnischen Sympathisanten 41 Vgl. dazu A. Hentschel, Diakonia, 329: Apg 6,1–7 stelle eine lukanische Konstruktion dar, die dazu dient, die Sieben den Zwölfen unterzuordnen. Vermutlich haben die »Sieben historisch ihr Selbstverständnis und ihre Legitimation als Verkündiger mit dem Terminus διάκονος ausgedrückt«. 42 Vgl. Apg 1,23; 4,36; 15,22.37; 21,16. 43 H. J. Leon, The Jews of Ancient Rome; D. Noy, Jewish Inscriptions II, 539; vgl. die Zusammenfassung bei C. Claussen, Versammlung, 103–111, der bei drei Synagogen sicher ist, daß sie ins 1. Jahrhundert zurückgehen, und bei vieren dies nicht ausschließt.
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
149
außerhalb des Mutterlandes vertraut waren,44 wurden nun die missionarischen Aktivitäten in den griechischsprachigen Synagogengemeinden in Jerusalem verstärkt. Apg 6,9 zählt eine Reihe solcher Landsmannschaften von Diasporajuden in Jerusalem auf, die wohl zum Teil auch eigene Synagogengebäude besaßen. An erster Stelle genannt wird die der Λιβερτῖνοι, das heißt die Synagoge der jüdischen Freigelassenen (libertini) aus Rom. Nach Philo waren bei der Eroberung des Tempels durch Pompeius 63 v. Chr. viele Jerusalemer als Kriegsgefangene nach Rom gekommen und wurden dann allmählich freigelassen, damit wurden sie und ihre Kinder römische Bürger zweiten Grades.45 Nicht wenige unter ihnen waren Priester,46 manche kehrten nach Jerusalem zurück. In einem vor über 30 Jahren bei Jericho entdeckten großen Familiengrab mit zahlreichen zweisprachigen Inschriften findet sich z. B. das Ossuar eines Theodotos, der ein Freigelassener der Kaiserin Agrippina war, der letzten Frau des Claudius und Mutter Neros.47 Dann erwähnt Lukas die Synagogen der Juden aus der Kyrenaika,48 aus Alexandria, Kilikien, der Heimat des Paulus (wohl ein indirekter Hinweis auf ihn), und aus Kleinasien. Die rabbinische Literatur nennt später eine Synagoge der Alexandriner und der Tarsier in Jerusalem,49 und die nahe dem Tempel auf dem Ophel gefundene griechische Theodotos-Inschrift bezeugt eine große Synagoge, die »begründet« wurde, das heißt erneuert und 44 Vgl. zur Diskussion um die jüdische Propaganda unter Heiden M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 101–132 (»Exkurs II: Das Problem der ›Sympathisanten‹ und der jüdischen Propaganda«); M. Bird, Crossing; J. Carleton Paget, Jews, 149–183: »Jewish proselytism at the time of Christians origins: chimera or reality?« 45 Philo, Legat. 155 f.; Tacitus, Annales 2,85 (BSGRT, Vol. I/1, 66 f. ed. Borzsák), spricht von 4.000 Freigelassenen in Rom, die vom jüdischen Aberglauben infiziert waren: quattuor milia libertini generis ea superstitione infecta. Vgl. so bereits W. M. L. de Wette / F. Overbeck, Apg, 87; J. A. Fitzmyer, Acts, 356; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 44 f. 46 Pompeius hatte damals die Stadt kampflos besetzt, weil ihm die Bewohner die Tore der Stadt geöffnet hatten, und nur den von den Priestern verteidigten Tempel erobert, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 44 f.; vgl. W. Eck, Rom und Judaea, 5–8. 47 R. Hachlili, Goliath Family, siehe vor allem 31 ff.45 (Foto: Figg. 40–42); L. Y. Rahmani, Catalogue, 238 f. Nr. 789: ΘΕΟΔΟΤΟΥΑΠΕΛΕΥ < ΘΕΡΟΥΒΑΣΙΛΙΣΣΗΣ < ΑΓΡΙΠΠΕΙΝΗΣ < ΣΟΡΟΣ Siehe dazu auch W. Eck, Rom und Judaea, 170 ff. 48 Vgl. Mk 15,21: Simon von Kyrene; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 256.614 mit dem Hinweis auf die Grabinschrift eines Alexander, Sohn des Simon, mit dem hebräischen Zusatz qrjnt (»aus Kyrene«), gefunden im Kidrontal (IEJ 12 [1962], 9), u. ö.; Apg 11,20: ἄνδρες … Κυρηναῖοι; 13,1: Lukios, der Kyrenäer. 49 M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 259 = KS III, 150; vgl. tMeg 3,6 (224 ed. Zuckermandel): Alexandriner; bMeg 26a: Tarsier; diese ist vielleicht mit der der Kilikier zu identifizieren, so M. Hengel, loc. cit. Anm. 261; vgl. Bill. II, 662 ff.; R. Riesner, Synagogues.
150
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
ausgebaut, von einem Priester Theodotos, Sohn des Vettenus, der schon in dritter Generation Synagogenvorsteher war. Der Vatersname Vettenus weist auf eine römische Herkunft hin.50 Zu dieser Synagoge gehörte eine Art »Pilgerhotel« mit Badeanlagen für die rituelle Reinigung und mit Räumen für den Gesetzesunterricht. Es handelte sich also um ein größeres Gemeindezentrum. Die Gründung geht wohl auf die Zeit Herodes’ I. zurück. Vielleicht ist diese Synagoge mit der der Λιβερτῖνοι (Apg 6,9) identisch.51 Lukas beschreibt trotz seiner holzschnitt artigen und tendenziös-apologetischen Darstellung dieses jüdisch-hellenistische Milieu Jerusalems auf zutreffende Weise. Er weiß auch, daß es in Jerusalem eine Mehrzahl solcher Synagogengemeinden der griechischsprachigen Juden gab.52 Deshalb handelt es sich bei den in Apg 6,9 genannten Gruppen sicher nicht um die Mitglieder einer einzigen Jerusalemer Synagoge.53 Stephanus, der erste in der Siebenerliste und der aktivste Kopf der neuen Gemeindegruppe, suchte nach Lukas diese Synagogen von griechischsprachigen Juden auf, diskutierte dort mit seinen Landsleuten aus der Diaspora 50 Das heißt, die Familie geht auf einen Vorfahren zurück, der von der gens Vettia freigelassen wurde; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 63 f. Ungewöhnlich ist in der Theodotos-Inschrift auch, daß die drei Generationen von Priestern zugleich Synagogenvorsteher waren; dazu L. I. Levine, Synagoge, 495: »Therein three generations of priests are recorded as having held the title archisynagogos, a most unusual occurrence anywhere in the Roman or Byzantine eras« (Hervorhebung im Original). 51 Die Inschrift ist so gut erhalten, weil sie sorgfältig – wohl für die Wiederverwendung – in einer Zisterne aufbewahrt gefunden wurde. Der Text findet sich in CIJ 1404 (= SEG VIII [1937] Nr. 170) und in CIIP I/1, 53–56 (Nr. 9 mit Bibliographie): »Theodotos, Sohn des Vettenus, Priester und Synagogenvorsteher, Sohn eines Synagogenvorste‑ hers, Enkel eines Synagogenvorstehers, er‑ baute die(se) Synagoge zur Le‑ sung aus dem Gesetz und zum Unterricht in den Geboten, ebenso auch das Fremdenhaus und die Kammern und die Was‑ seranlagen für die (Pilger) aus der Fremde, die eine Herberge brauchen. Den Grundstein dazu hat‑ ten gelegt seine Väter und die Äl‑ testen und Simonides.« Vgl. zur Übersetzung C. K. Barrett / C.-J. Thornton, Texte zur Umwelt, 61; weiter M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus = KS III, 34–61; Boffo, Iscrizioni, 274–282 Nr. 31 (griechischer Text S. 275); zur Datierung der Inschrift siehe J. S. Kloppenborg, Theodotos; zur Inschrift ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 63 f.155 f. Vgl. weiter C. Claussen, Versammlung, 186–191; M. Küchler, Jerusalem, 78 ff.; J. Schröter / J. K. Zangenberg (Hgg.), Texte zur Umwelt, 483 f.; C. S. Keener, Acts II, 1306 ff.; G. Holtz, Alexandrien, 256–260. Zu den Jerusalemer Synagogen vgl. L. I. Levine, Synagogue, 52–58; H.-U. Weidemann, Ekklesia, 179–183. 52 Vgl. Apg 24,12; siehe dazu M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 269.272–281 = KS III, 160.163–172; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 81 f. 53 Gegen J. A. Fitzmyer, Acts, 358, der sie alle als Mitglieder der einen »Synagogue of Freedmen« ansieht; vgl. dagegen C. Claussen, Versammlung, 94–98; C. S. Keener, Acts II, 1302 f.
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
151
und scheint dabei erheblichen Anstoß erregt zu haben. Sie rotteten sich gegen ihn zusammen und schleppten ihn vor das Synhedrium, das unter Vorsitz des Hohenpriesters die Anklage von falschen Zeugen gegen Stephanus aufnahm. Offenbar hat Lukas den Bericht, der mit dem Martyrium des Stephanus endet, in Analogie zum Prozeß Jesu und dem des Paulus dargestellt. Auch bei Jesus treten falsche Zeugen auf und wird die Anklage der Gotteslästerung erhoben, bei Paulus möchte der Mob ihn zunächst durch spontane Lynchjustiz wegen Tempelschändung umbringen und, da dies durch das Eingreifen des römischen Militärs mißlingt, ihn dann durch das Synhedrium rechtskräftig vom Statthalter verurteilen und hinrichten lassen.54 Wahrscheinlicher ist, daß man Stephanus vor das Presbyterium bzw. Synhedrium einer oder mehrerer von diesen Synagogengemeinden stellte55 und die Anklage erhob, er habe den Gesetzgeber Mose und damit zugleich Gott selbst gelästert und führe blasphemische Reden gegen den Tempel. Offenbar hatten die Diskussionen, die Stephanus mit missionarischer Absicht in diesen Kreisen führte, als Provokation gewirkt.56 In Apg 6,13 f. wird die Anklage präzisiert: »Dieser Mensch hört nicht auf, gegen diesen heiligen Ort [d. h.: den Tempel] und das Gesetz zu polemisieren. … Er behauptet, Jesus von Nazareth würde diesen Ort niederreißen und die Gebote ändern, die uns Mose gegeben hat.«
Die Frage bleibt: Was stammt bei dieser Anklage aus der tendenziös-apologetischen lukanischen Redaktion, und was ist als historischer Vorgang noch wahrscheinlich zu machen? Auf jeden Fall läßt sich die Anklage nicht einfach mit dem Tempelwort aus Mk 14,58 identifizieren, das Lukas im Prozeß Jesu wegläßt, um hier darauf anzuspielen. Es lautete:
54 Apg
21,27–25,8. Vgl. dazu S. Krauter, Martyrdom of Stephen, 46 f.; gegen S. Matthews, Perfect Martyr, die in der lukanischen Stephanusgeschichte eine reine Erfindung des Verfassers sieht (vgl. die Zusammenfassung S. 132: »fictional creation of its author«). Matthews datiert mit R. Pervo die Apostelgeschichte ins 2. Jahrhundert und mit Berufung auf D. Boyarin die Entstehung des eigentlichen »Christentums« noch wesentlich später, deshalb kommt sie zu diesem Ergebnis. 55 Gegen die Einbeziehung von Synhedrium und Hohepriester spricht einmal, daß diese keine eigene Kapitalgerichtsbarkeit besaßen (siehe W. Eck, Rom und Judaea, 40 f.160 f.; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 78 f.102 f.591 ff. u. ö.), weiter das tumultuarische Vorgehen gegen Stephanus wie auch, daß bei der nach Lukas damit beginnenden Verfolgung die ganze Jerusalemer Gemeinde »zerstreut« wurde »außer den (zwölf) Aposteln«. Daß das Synhedrium, das in den Kapiteln 4 und 5 gegen die Zwölf gewaltsam vorgeht, diese jetzt geschont haben soll, ist schwer vorstellbar (Apg 8,1; vgl. auch 8,14: »Die Apostel in Jerusalem« hören vom Erfolg der Mission des Philippus bei den Samaritanern). Zu den Synhedrien und Presbyterien der Synagogengemeinden siehe im einzelnen unten S. 160 f. Anm. 96. 56 Apg 6,8–12. Zum lukanischen Verständnis des Tempels in der Stephanusrede vgl. M. Bachmann, Stephanusepisode; ders., Art. Tempel. III. Neues Testament, TRE 33 (2002), 54–65 (59); ders., Jerusalem, 317 ff.; ferner unten Anm. 62.
152
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
»Ich werde diesen mit Händen gemachten Tempel abreißen und innerhalb von drei Tagen einen anderen bauen, der nicht mit Händen gemacht ist.«57
Man hat vermutet, daß die uns bei Markus vorliegende Ausformulierung dieses polemischen Tempelwortes, das schon von ihm auf falsche Zeugen zurückgeführt wird, aber im Prozeß Jesu eine wesentliche Rolle gespielt haben muß,58 auf frühe jüdisch-hellenistische Kreise in Jerusalem zurückgehe. Dies zeige der typisch griechische Gegensatz zwischen »mit Händen gemacht« und »nicht mit Händen gemacht«, der zwischen einem menschlichen und einem göttlichen Tempel unterscheidet. In der Stephanusanklage werde dagegen einfacher formuliert: Jesus von Nazareth werde diesen Tempel niederreißen bzw. zerstören.59 Diese Formulierung klinge also ursprünglicher als das Wort Mk 14,58. Sie entspreche auch eher der Aufforderung Jesu in Joh 2,19: »Reißt diesen Tempel nieder, und in drei Tagen werde ich ihn (wieder)aufrichten!« Doch das Gegensatzpaar »mit Händen gemacht – nicht mit Händen gemacht« gehörte vermutlich zum ›authentischen‹ Tempelwort Jesu. Bei diesem nicht mit Händen gemachten Tempel geht es unseres Erachtens um den eschatologischen Tempel, den Gottes Hände errichten werden. Damit erfüllt sich die Verheißung des Schilfmeerliedes (Ex 15,17), das nach frühjüdischer Auslegung den eschatologischen Tempel erwartet, den Gottes Hände errichten werden.60
57 Lukas liebt es, Dinge auszulassen und an ihm als passend erscheinender Stelle ›nachzutragen‹; vgl. zu den Speisegesetzen die Auslassung von Mk 7,15 und den Nachtrag in den Petruserzählungen Apg 10 und 11. Von Erscheinungen des Auferstandenen beim Mahl der Jünger erzählt er in Lk 24,30 f.36–43 und deutet sie in Apg 1,3 f. an, erzählt aber erst in der Petrusrede vor Cornelius (Apg 10,41) ausdrücklich, daß der auferstandene Christus mit den Jüngern zusammen gegessen und getrunken habe. Die Kollekte der paulinischen Gemeinden für die Urgemeinde erwähnt er ausdrücklich erst beim Verhör des Paulus vor dem Statthalter Felix Apg 24,17, deutet ihre Übergabe aber in Apg 21,19 mit dem Stichwort διακονία an. Zu diesen »Nachholungen« als Darstellungs‑ und Stilmittel des Lukas, das dieser vor allem in Reden verwendet, vgl. F. Avemarie, Tauferzählungen, 50 Anm. 31; 76 f. Anm. 187 (mit Verweis auf weitere Literatur); A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft, 204 f.; zum jüdischen Charakter dieses Erzählstils im »Rückgriff auf Nichterzähltes« siehe E. Reinmuth, Pseudo-Philo, 3.93–111.152 ff. u. ö.; dazu auch B. N. Fisk, Pseudo-Philo, 30 f. Dieses Verfahren dient dazu, den Leser das lukanische Doppelwerk als Einheit erkennen zu lassen, siehe D. Marguerat, Lukas, 79–108. 58 Vgl. J. D. G. Dunn, Jesus Remembered, 33, der zu Recht darauf hinweist, daß bereits O. Betz in seinem Aufsatz »Die Frage nach dem messianischen Bewusstsein Jesu«, 24–37, die entscheidende Verbindung zwischen dem Tempelwort und der Frage des Hohenpriesters: »Bist du der Sohn des Hochgelobten?« durch 2 Sam 7,12 ff. (vgl. auch Sach 6,12 f.) erkannt hat, die mit 4Q174 I 10–13 auch für die messianische Erwartung im frühen Judentum belegt ist. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 557–561. 59 Apg 6,14: καταλύσει τὸν τόπον τοῦτον, vgl. Joh 2,19: λύσατε τὸν ναὸν τοῦτον. 60 Siehe dazu A. M. Schwemer, Irdischer und himmlischer König, 356; J. Ådna, Tempel, 127 f.142–153.
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
153
Wir stoßen mit dieser Nachricht über die Tempel‑ und Gesetzeskritik des Stephanus und wohl auch seines Kreises auf eine bedeutsame historische Kontinuität: Stephanus wurde angeklagt, er setze die Tempelkritik Jesu fort und verändere damit das Gesetz.61 Die Stephanusrede, die in Apg 7 auf diese Anklage folgt, hilft uns dagegen nur bedingt zu deren Verständnis. Sie enthält keine Kritik am Gesetzgeber Mose, dieser ist vielmehr der Typos für Christus, nur am Ende erscheint eine solche am Tempel, die aber ganz und gar »schriftgemäß« ist: Israel habe in der 40jährigen Wüstenzeit keine Opfer dargebracht, auch wohne Gott nicht in Heiligtümern, »die von Händen gemacht sind«. Darum könne Israel ihm keinen Ort als Wohnung erbauen.62 Vielmehr – und das ist die positive Seite von Salomos Tempelbau – diente seine Errichtung von Anfang an dem Haus Jakobs, um dort Gott anzubeten.63 Darin berührt sich die Stephanusrede mit dem »Tempelwort« in Mk 11,17, das Lukas in Lk 19,46 aufnimmt, wo er aber die Bestimmung »heißen für alle Völker« wegläßt.64 Die Kritik des Stephanus 61 In Apg 6,14 kann man das καί als καί epexegeticum verstehen (vgl. BDR 368 § 442,6), dann würde sich »und die Ordnungen ändern, die uns Mose überliefert hat« allein auf das Ende des Tempelkultes durch das Handeln Jesu beziehen; so J. Carleton Paget, Jewish Christianity, 743; zustimmend zitiert von J. D. G. Dunn, Beginning, 261 Anm. 82. A. J. M. Wedderburn, History, 49 f., meint dagegen, es müßte schwerwiegendere Gründe für den Vorwurf des Gesetzesverstoßes gegeben haben, es handle sich bereits um den Übergang zur gesetzeskritischen Heidenmission: »Stephen’s offence lay in anticipating already … Paul’s attitude towards the observance of the law, particularly as it concerned relations with non-Jews. Stephen, and probably others too, showed already some of that openness towards the gentiles.« Anders schon M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, 190 f. = KS III, 40 f.: Die ῥήματα βλάσφημα, die »gottlosen Worte« gegen Mose und Gott (Apg 6,11.13), deuten auf »einzelne, konkrete Lehrtopoi hin« (191 = 41); dazu ferner unten S. 159. Juden aus der Diaspora waren auf Grund der jüdischen Propaganda und wegen der zahlreichen Gottesfürchtigen in den Diasporasynagogen mit »openness towards the gentiles« (wie Wedderburn sich ausdrückt) vertraut, das wirkt sich aber nach unseren Quellen erst nach der Vertreibung der Hellenisten aus Jerusalem auf ihr Verhalten aus, indem sie dann anschließend schrittweise zur Heidenmission übergehen. Jerusalem war nicht der richtige Ort zum Beginn derselben. Vgl. zur Diskussion G. Jossa, Jews or Christians, 76–89; weiter K. W. Niebuhr, Art. Nomos. C. Neues Testament. IV. Paulus, RAC 25 (2013), 1049 f. (unter anderem mit Verweis auf W. Kraus, Zwischen Jerusalem und Antiochia, 26–81; ders., Tod Jesu als Heiligtumsweihe, 92–167). 62 Apg 7,42b = Am 5,25 LXX; Apg 7,49 f. = Jes 66,1 f. Vgl. dazu A. M. Schwemer, Lukas als Kenner der Septuaginta, 316–320. Vgl. zur Bedeutung des Tempels in der Stephanusrede auch M. Bachmann, Stephanusepisode. 63 In Apg 7,46 ist mit ∏74 *אB D etc. und Nestle / Aland28 σκήνωμα τῷ οἴκῳ Ἰακώβ zu lesen, und entsprechend ist dann in V. 47 αὐτῷ nicht auf Gott, sondern auf das Haus Jakob zu beziehen. Siehe dazu A. M. Schwemer, Lukas als Kenner der Septuaginta, 318 f. Stephanus widerspricht mit seiner – lukanischen! – Rede der auf den Tempel bezogenen jüdischen Schechina-Theologie; zu dieser siehe oben S. 126 Anm. 184 und unten bei Anm. 66–67. Anders wieder H. Braun, Geschichte des Gottesvolkes, 346–352.356, die τῷ θεῷ Ἰακώβ liest und mit Hinweis auf die Parallelen in 1 Kön 6,2a und 8,19 betont, daß in Apg 7,47 Salomos Tempelbau als eine Art »Götzenbild (7,48)« beschrieben werde (352) – kaum überzeugend. 64 Vgl. zum Tempelwort unten S. 158 bei Anm. 80.
154
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
wendet sich in seiner Rede gegen die Hierarchen, die über ihn zu Gericht sitzen, so wie sich die Kritik Jesu bei der »Tempelreinigung« gegen die Priesterschaft richtete. Auch in dieser Hinsicht gleicht Lukas das Verfahren gegen Stephanus an das Verhör Jesu an und schildert es als Verhandlung vor dem Hohenpriester und seinem Synhedrium als dem höchsten Gremium.65 Der vom Geist erfüllte Stephanus wirft dem Hohenpriester und seinem Gremium das verstockte Widerstreben gegen den heiligen Geist vor, das einst zur Verfolgung und Tötung der Profeten führte und so auch jetzt zum Mord an dem Gerechten, Jesus von Nazareth, und dem Profeten Stephanus. Der heilige Geist ist im antiken Judentum der Mittler der Offenbarung Gottes; er inspiriert sowohl die Profeten wie den Hohenpriester, und er gilt auch als der »Geist des Heiligtums«, der die Gegenwart Gottes im Tempel – in Weihrauch und Wolke – anzeigt und sie repräsentiert. Nach Josephus bittet Salomo im Tempelweihgebet: »Weiter bitte ich, daß du auch einen Anteil deines Geistes aussendest und im Tempel Wohnung nehmen läßt, damit du auch uns auf der Erde zu sein scheinst.«66
Josephus ist ein Vertreter der Tempelaristokratie und ein Zeuge ihrer Tempeltheologie. Insofern besteht wahrscheinlich in der Stephanusrede ein innerer Zusammenhang zwischen dem Vorwurf gegen die Hohepriesterschaft, daß sie schon immer dem heiligen Geist widerstrebte, und dem gegen ihre verkehrte Sicht von der Einwohnung Gottes am Kultort. Abschließend wird die Anklage umgedreht, die Ankläger sind selbst die Gesetzesbrecher: »Ihr habt das Gesetz durch Anordnung von Engeln erhalten und nicht eingehalten.«67 Die Rede erweist sich als aus älterem Material geformt, das aus der Tradition der Hellenisten stammen dürfte, aber sie ist doch – wie alle Reden in der Apostelgeschichte – von Lukas nicht nur ausformuliert, sondern auch von lukanischer Theologie geprägt. So müßte Stephanus nach Meinung des Lukas in der damaligen Situation geredet haben. Es lohnt sich, diese Rede genauer anzusehen.
65 Auch wenn historisch ein Verfahren gegen Stephanus vor dem Hohenpriester wenig wahrscheinlich ist. Siehe dazu S. 160 mit Anm. 95. 66 Josephus, Ant. 8,114, vgl. 8,102 (Weihrauch) und 8,106 (Wolke). Siehe weiter P. Schäfer, Art. Geist / Heiliger Geist. VIII. Judentum, RGG4 3 (2000), 574 f. (575): »Die enge Verbindung zw. dem hl. G. und dem Heiligtum resultiert aus der Gegenwart Gottes im Heiligtum (von den Rabbinen mit dem Begriff Shekhina ›Einwohnung‹ bez[eichnet]).« 67 Apg 7,53: … καὶ οὐκ ἐφυλάξατε; vgl. 7,38: der Engel, der zu Mose spricht. Zur Vermittlung der Tora durch Engel siehe auch Gal 3,19; zu jüdischen Belegen siehe C. K. Barrett, Acts I, 277 f.; J. A. Fitzmyer, Acts, 385 f.
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
155
Exkurs: Die Rede des Stephanus68 Die Rede des Stephanus ist die längste in der Apostelgeschichte; daß sie auch eine bedeutende und wichtige ist, haben viele Exegeten bezweifelt.69 So hat Martin Dibelius geklagt: »die Beziehungslosigkeit des allergrößten Teils der Rede [ist] von jeher das eigentliche exegetische Problem gewesen«.70 Jürgen Roloff sprach in seinem Kommentar von einem »sperrige[n] Traditionsstück«, und Rudolf Pesch ist ihm darin gefolgt.71 Eine so unpassende Rede hat man Lukas als Autor nicht zuschreiben wollen, sondern die Aufnahme dieses Textes in die Apostelgeschichte seiner Treue zu der ihm vorgegebenen Tradition und den schriftlichen Quellen, über die er verfügte, zugeschrieben. Die Unzufriedenheit mit dieser Rede und die negative Einschätzung hängen eng mit ihrer scheinbar viel zu weitschweifigen Anführung von alttestamentlichen Zitaten und ihrem weit ausgreifenden Geschichtsrückblick zusammen. Aber betrachtet man die Stephanusrede unbefangen in ihrem Kontext der Abfolge der Ereignisse in der Apostelgeschichte, so bildet sie den gewichtigen Schlußpunkt in der Auseinandersetzung der Urgemeinde mit den hohepriesterlichen Autoritäten in Jerusalem. Deshalb ist sie so inhaltsreich. Auf die Frage: »Hat Lukas dieses ›sperrige Traditionsstück‹ selbst verfaßt?« kann man mit guten Gründen mit »ja« antworten. Wie seine Quellen für diese Rede aussahen, können wir – abgesehen von der Septuaginta – schwer rekonstruieren. Aber ein theologischer Denker und Erzähler, der den Auferstandenen sagen läßt, daß über ihn im Gesetz des Mose, bei den Profeten und in den Psalmen alles vorausverkündigt sei (Lk 24,44), der wird auch alles daran setzen, dies nicht nur vollmundig zu behaupten, sondern dies verstehen wollen und dem auch selbst nachgehen in den γραφαί. Ebendiese Teile des »Kanons« führt Stephanus in seiner Rede paraphrasierend, zitierend und argumentierend an und schildert die Geschichte Israels in einer Art Cento. Die Hauptpunkte der Darstellung lassen sich folgendermaßen beschreiben: 1. Die Land‑ und Nachkommenverheißung an Abraham zielt – unter bewußter Anspielung auf Gen 22 – auf den »Ort«, den τόπος οὗτος, d. h. den Tempelberg, und auf David und Salomo als Erbauer des Heiligtums, das Jakob / Israel als eine Stätte des Gebets dienen soll, und das Großreich Davids. 2. Mit der Eifersucht der »Patriarchen«, das heißt seiner Brüder, auf Joseph beginnt die Geschichte des Ungehorsams und der Verstockung Israels. Das Grab der Erzväter im samaritanischen Sichem weist auf die Samaritanermission (Apg 8) voraus. 3. Mose ist als der von seinem Volk im Ungehorsam gegen Gott verworfene Profet Typos für Christus. Ihn verstanden die Israeliten nicht und verstießen ihn, ihn feiert jedoch die Stephanusrede im Kontrast dazu als »Herrscher« und »Erlöser« und zitiert die Verheißung Dtn 18,15. 68 Siehe dazu ausführlicher A. M. Schwemer, Lukas als Kenner der Septuaginta; vgl. auch M. Bachmann, Stephanusepisode; J. Jeska, Geschichte, 154–220; D. Rusam, Lukas, 127–149. 69 Vgl. dagegen C. K. Barrett, Acts I, 334: Aus der Länge der Rede auf ihre Bedeutung zu schließen sei »an over-simplification, yet it is unthinkable that Luke should give at such length a speech that he did not regard as important«. 70 M. Dibelius, Reden, 143. 71 Vgl. J. Roloff, Apg, 117; vgl. R. Pesch, Apg I, 244.
156
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
4. Der Abfall zum Goldenen Kalb führt – entsprechend der deuteronomistischen Kultkritik (Am 5,25 ff. LXX), die Lukas zitiert – ins Babylonische Exil. 5. Trotz des Abfalls der Wüstengeneration bleibt die Verheißung an Abraham in Kraft. Sie erfüllt sich bei David und Salomo im richtigen Verständnis des Jerusalemer Heiligtums als »Gebetshaus für Jakob«. 6. Mit dem wörtlichen Zitat von Jes 66,1 f. warnt Stephanus vor dem Mißverständnis der Funktion des Jerusalemer Heiligtums als Gottes »Wohnstätte« und weist wie der lukanische Paulus in der Areopagrede (Apg 17,24) auf die universale Präsenz des Schöpfers hin. 7. Am Schluß der Rede wendet sich Stephanus – wie Mose und Jeremia – gegen seine Volksgenossen, die in ihrer Verstocktheit nicht nur einst die Profeten, sondern auch jetzt den einzigartigen »Gerechten«, Jesus von Nazareth, getötet haben und nun, in ihrer Verstockung verharrend, auch Stephanus steinigen. Das Problem der von Gott verhängten Verstockung als einer heilsgeschichtlichen Notwendigkeit durchzieht das ganze lukanische Doppelwerk und verbindet die Theologie des Lukas mit der des Paulus (2 Kor 3,14; Röm 9,18; 11,7–32, vgl. Apg 28,25–28). Lukas erweist sich im übrigen mit der Komposition dieser Rede als ein ausgezeichneter Kenner der Septuaginta und zeigt sich als ein Schüler des Paulus, der seinen Lehrer verstanden hat.72 Man fragt sich, wo er diese Septuagintakenntnisse erworben hat. Da wir nicht mehr mit Sicherheit wissen, woher Lukas stammte, wo er seine Schulbildung und seine jüdische Ausbildung erhalten hat, bleibt dies für uns weitgehend im dunkeln.73 Sicher scheint uns zu sein, daß Lukas bei seiner Sammlertätigkeit in Jerusalem und in der Bibliothek der dortigen Gemeinde wertvolles Material aus der Jesusüberlieferung und für die Geschichte des frühesten Christentums erhalten hat und daß diese Gemeindebibliothek auch über die entsprechenden Pentateuch-, Profeten‑ und Psalmenhandschriften in griechischer Sprache verfügt haben wird.74 Er hielt sich als Begleiter des Paulus in dessen späteren Jahren in der Zeit von ca. 57 bis 60 n. Chr. in Jerusalem bzw. in Caesarea Maritima auf. Nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. gewann dann die So das Ergebnis in A. M. Schwemer, Lukas als Kenner der Septuaginta, 324 Anm. 100. Kol 4,14 (vgl. 4,11) rechnet Lukas nicht zu den Juden »aus der Beschneidung«, demnach war er ein ehemaliger »Gottesfürchtiger«; anders M. Wolter, Lk, 9 f.: »Seine ausgezeichnete Kenntnis der Septuaginta …, seine präzise Schilderung jüdischer Milieus … und vor allem das herausragende Interesse an der Israelfrage … sprechen dafür, dass der Verfasser des LkEv in einer jüdischen Familie aufgewachsen ist und wie Paulus nicht nur seine primäre, sondern auch seine sekundäre Sozialisation in einem jüdischen Milieu erfahren hat …« Vgl. auch E. E. Popkes, Worte, bes. 622 ff., der jedoch die theologische Bedeutung der lukanischen Konzeption von der heilsgeschichtlich notwendigen Verstockung Israels unterschätzt und deshalb die Nähe zu Paulus stark relativiert; für ihn bleiben nur »Züge paulinischer Theologie« (624) bei Lukas erhalten. Die Herkunft des Lukas aus Antiochia am Orontes, die seit dem 4. Jahrhundert belegt ist, bleibt unsicher; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 104.306. Auch der Vorschlag von P. Pilhofer, Philippi I, 153 ff.248 f. (247 Anm. 1 mit Verweis auf F. Bovon), Lukas stamme aus Philippi, hat nicht viel Wahrscheinlichkeit für sich. 74 Vgl. die Angaben in der Theodotos-Inschrift (CIJ 1404; siehe oben S. 150 Anm. 51) aus Jerusalem. Diese griechischsprachige Synagoge diente der »Lesung« aus dem Gesetz und dem Unterricht in den Geboten, sie wird über eine entsprechende Bibliothek verfügt haben. Analog werden wir uns den christlichen griechischsprachigen Gemeindeteil in Jerusalem in den 50er Jahren als eine Art Sondersynagoge vorstellen können, so wie schon früher den Gemeindeteil der um 32/33 n. Chr. aus der Stadt vertriebenen Hellenisten. 72 73
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
157
römische Gemeinde mit ihrer Bibliothek und ihrem Archiv besondere Bedeutung für die frühchristliche Traditionsüberlieferung. Auch in dieser Stadt lebte Lukas wahrscheinlich längere Zeit. Vermutlich verfaßte er hier in der Reichshauptstadt sein Doppelwerk.75
Entscheidend ist bei dem Versuch einer Rekonstruktion der Kritik des Stephanus der Schluß der Anklage: Jesus »wird die Gebote ändern, die uns Mose überliefert hat«.76 Wie in der Tempelkritik, die an die Tempelreinigung und die Gerichtsworte Jesu über das Heiligtum erinnert,77 so knüpfte Stephanus auch in seiner Gesetzeskritik wahrscheinlich an die Verkündigung Jesu an. Leider hören wir keine Details darüber, welche Gebote des Mose von Jesus verändert werden. Man wird bei dieser Formulierung an die Antithesen der Bergpredigt erinnert: »Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist – ich aber sage euch«.78 Mit den Alten ist das Volk Israel am Sinai gemeint. Auch eine Aussage wie Mk 7,15, die frei übersetzt lautet: »Nicht das, was in den Menschen hineingeht, die Speisen, verunreinigen ihn, sondern was aus Herz und Mund herausgeht« gehört in diesen Zusammenhang, weiter Jesu Haltung gegenüber dem Sabbatgebot oder seine Infragestellung der Ehescheidung und des alttestamentlichen ius talionis: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Vermutlich setzte nach Meinung des Stephanus Jesus in messianischer, von Gott autorisierter Vollmacht gewisse alttestamentliche Gebote der Tora, etwa solche, die den Kult und die rituelle Reinheit betrafen, außer Kraft und betrachtete den Tempel als Ort des Gebets und nicht der Einwohnung
75 M. Wolter, Lk, 10.127, führt als Argument für die Entstehung in Rom, die auch er für wahrscheinlicher hält, die Parallele zwischen der Verkündigung an die Hirten und Vergils vierter Ekloge an. Mit dieser Geburtsverkündigung würde Lukas an eine »politisierte Bukolik« anknüpfen, die sonst nur in »der römischen Bukolik belegt« sei (10). Ich wäre da vorsichtiger. Das Hirtenmilieu der lukanischen Kindheitsgeschichte, wie das der jüdischen Jeremialegende in den Vitae Prophetarum und vermutlich auch der vierten Ekloge, hat eine gemeinsame Vorgeschichte in den ägyptischen Isis-Horus-Mythen. Motive – wie etwa die »Krippe«, in die das Kind gelegt wird – in der lukanischen Geburtsgeschichte können aus der frühjüdischen Jeremiahaggada stammen; siehe dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden I, 194–202. Noch wichtiger ist jedoch die Nähe zum »Hirtenmilieu« bei Bethlehem in der legendären Davidüberlieferung, siehe dazu Ps 151 (LXX); 11QPsa XXVIII 3 f. (Dead Sea Scrolls II, 1178 ed. F. García Martínez / E. J. C. Tigchelaar): »Ein Halleluja Davids, des Sohnes von Jesse. Ich war kleiner als meine Brüder und der jüngste von den Söhnen meines Vaters. Er machte mich zum Hirten seiner Herde und Herrscher über seine Ziegenböckchen.« 76 Apg 6,14: ἀλλάξει τὰ ἔθη ἃ παρέδωκεν ἡμῖν Μωϋσῆς. 77 Mk 11,17; 13,2; 14,58 und Joh 2,19. Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 557–561. Wegen dieser engen Berührung zwischen der Tempelkritik Jesu und der des Stephanus schlagen viele vor, die theologische Reflexion des Tempelworts Jesu und die Vorstellung von der christlichen Gemeinschaft als eschatologischem, »nicht mit Händen« gemachtem Tempel und deren Übertragung ins Griechische ginge auf die Hellenisten zurück; siehe dazu M. Zugmann, Hellenisten, 339–348; T. Wardle, Temple, 197–202. 78 Mt 5,21–48; siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 446–451.
158
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Gottes.79 Vor allem das »Tempelwort« in Mk 11,17, wo Markus als Schriftgrund der Tempelreinigung eine Kombination aus Jes 56,7 und Jer 7,11 im Munde Jesu angibt, spiegelt diese frühe nachösterliche Tempeltheologie und ihre Polemik gegen die Hohepriesterschaft: »Mein Haus soll ein Haus des Gebets heißen für alle Völker, ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht.«80
Dabei kann das implizite Motiv des Tempels als des wahren Gebetshauses in der Stephanusrede schon auf Jesus zurückgehen und bildet dann ebenfalls ein solches Kontinuum zur Verkündigung Jesu. An diesem Punkt werden vermutlich auch gewisse erste theologische Unterschiede zwischen Ἑβραῖοι und Ἑλληνισταί sichtbar. Offenbar zogen diese griechischsprachigen Judenchristen um Stephanus bzw. die Sieben, ausgehend von Jesu Verkündigung, weitergehende Konsequenzen als die Ἑβραῖοι, die konservativeren, aramäischsprachigen Palästiner, die ihr Leben lang mit dem Kult und dem dazugehörigen Ritualgesetz in seiner ganzen Breite vertraut waren,81 obwohl auch sie dem priesterlichen Opferkult im Tempel distanziert gegenüberstanden, da Jesu Tod am Kreuz das eine wahre Opfer bildete.82 In Röm 3,25 f. verwendet Paulus eine alte Glaubensformel, die auf die Jerusalemer Urgemeinde zurückgeht und wahrscheinlich im Kreis der Hellenisten ins Griechische übersetzt wurde: »Ihn [d. h. den gekreuzigten Christus] hat Gott öffentlich als Sühnemal / Sühneort (ἱλαστήριον = kappôrät) eingesetzt durch sein Blut … um der Vergebung der zuvor geschehenen Sünden willen, in der Geduld Gottes.«83
79 Man könnte hier an die rätselhafte Torakritik in Ez 20,25 f. denken: »Ja, ich gab ihnen Satzungen, die nicht gut waren, und Rechte, durch die sie nicht das Leben finden konnten, sondern ich machte sie unrein durch ihre Gaben«; siehe dazu H. Gese, Theologie, 67. Zur Kritik am Tempelkult vgl. noch das Hoseawort 6,6: »Erbarmen will ich und nicht Opfer«; Mt 9,13; 12,7; vgl. 23,23, zu Hos 6,6 siehe oben S. 129 Anm. 200. 80 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 560.596; vgl. auch G. Theissen, Hellenisten und Hebräer, 335. 81 Vgl. J. D. G. Dunn, Beginning, 278 (Anm. 151 mit Verweis auf den alten Konsens in dieser Frage). 82 Vgl. M. Hengel, Jesus und die Tora, 170 = KS V, 371 f.; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 596.618; die Erzählung von der Spaltung des Tempelvorhangs (Mk 15,38) beschreibt legendär, wie der irdische Tempel seine soteriologische Funktion als Sühnestätte und Ort der Begegnung Gottes mit dem Tod Jesu verliert. Diese Deutung des Kreuzestodes geht auf die frühe Gemeinde zurück. Den Zugang zu Gott vermittelt von nun an der Gekreuzigte und Auferstandene. Vgl. R. Feldmeier, Der Gekreuzigte. 83 Zur Rekonstruktion und Übersetzung vgl. P. Stuhlmacher, Theologie I, 193 ff., der die Entstehung der Formel auf den Stephanuskreis zurückführt; vgl. auch ausführlich M. Zugmann, Hellenisten, 377–387; weiter T. Wardle, Temple, 206; J. Frey, Temple and Identity, 454; D.-A. Koch, Geschichte, 176 f. D. Stökl Ben Ezra, Yom Kippur, 197–205, lehnt im
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
159
Diese Formel vergleicht den Tod Jesu nicht mit einem geschlachteten Opfertier, sondern mit der kappôrät, dem Ort des unsichtbaren Gottesthrons als »the place of God’s gracious presence«84 im Tempel, an dem Gott seinem Volk begegnete. Die ungelenk erscheinende und sprachlich schwierige Traditionsformel – da Paulus sie innerhalb eines komplizierten Satzgefüges zitiert85 – enthält die früheste Kritik am Sühnopferkult im Jerusalemer Tempel, die uns erhalten ist. Für eine Gemeinde, für die der Gekreuzigte der Ort der Vergebung der Sünden und der Begegnung mit Gott ist, ist der Sühnekult im Tempel obsolet geworden. Dieser Bau diente für sie vielmehr als ein Ort des Gebets und der Lehre. Vermutlich geht auch die unkultische, stärker gräzisierende vorpaulinische Formel zur Bezeichnung der Heilswirksamkeit des Sühnetodes Jesu: Χριστὸς ἀπέθανεν ὑπέρ … auf die Hellenisten in Jerusalem zurück.86 Für die Hellenisten war darüber hinaus das Verhältnis des erhöhten Menschensohns und Messias Jesus zu einzelnen Texten der Tora zum grundsätzlichen Problem geworden. Sie konnten sich – ausgehend von der gesetzeskritischen Tendenz der Verkündigung Jesu – nicht mehr mit der traditionellen jüdischen Anschauung zufriedengeben, daß der Messias nur die Tora Moses verbindlich auslegen dürfe;87 vielmehr stand für sie Jesu Gebot über der Tora, das heißt, er bringt – unter Umständen gegen ihren Buchstaben88 – den wahren, ursprünglichen Willen Gottes erst wieder richtig zur Geltung. Ebendarum muß er »die Gebräuche ändern, die uns Mose überliefert hat«.89 Für sie brachte Jesus das wahre, neue »geistliche« Gesetz, für sie war er der messianische Ausleger von Gottes wahrem Willen. So reden der Barnabasbrief und Justin später vom »neuen Gesetz« und vom »neuen Gesetzgeber«90 und Joh 13,34 vom »neuen Gebot«. Dieser Sprachgebrauch könnte auch im Zusammenhang mit dem Neuen Anschluß an W. Kraus eine Herkunft aus dem Stephanuskreis ab und läßt die Frage der Entstehung völlig offen. Siehe dazu schon M. Hengel, Sühnetod, 1–25.135–147 = KS IV, 146–184; ders., Atonement, 45–52 = ders. in: Cross of the Son of God, 189–292 (233–239). 84 J. Frey, Temple and Identity, 454. 85 M. Theobald, Gottesbild, 33: »Die Satzreihe Röm 3,21–26 gehört zu den kompliziertesten, die Paulus geschrieben hat.« 86 M. Hengel, Sühnetod, 22 f. = KS IV, 168 f. 87 Vgl. PsSal 17,43 (dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 229); TgJes 53, dazu J. Ådna, Gottesknecht, 144 ff.153.158. 88 Vgl. bei Paulus später den Gegensatz zwischen »Buchstabe« (γράμμα) und »Geist« (πνεῦμα): Röm 2,29; 7,6; 2 Kor 3,6 ff. Daß dieser Gegensatz nicht ausschließlich paulinisch ist, sondern einen »vorpaulinischen« Ursprung hat, zeigt seine prononcierte Verwendung im Römerbrief. Paulus setzt voraus, daß die Adressaten seine Argumentation verstehen; siehe oben S. 89 und S. 105. 89 Apg 6,14. Siehe auch M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 419– 421.446 ff.452 f.577. 90 Barn 2,6; Justin, Dial. 11,4; 12,2 f.; 14,3; 18,3 (PTS 47, 89,31; 89,6 ff. und 90,13 ff.; 93,13–18; 100,13 ed. Marcovich).
160
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Bund von Jer 31,31 ff.91 und dem ins Herz geschriebenen Gesetz92 als Werk des Geistes stehen. Die Gegenüberstellung und der Gegensatz von »alt« und »neu« begegnet uns ja schon in aller Deutlichkeit bei Jesus selbst.93 In der Auseinandersetzung um die Frage der Geltung von Gesetz und Tempel waren die Gegner des Stephanus und der judenchristlichen Hellenisten jedoch nicht mehr direkt die jüdischen Volksführer, die Hohenpriester und Sadduzäer, sondern griechischsprachige, vermutlich dem Pharisäismus nahestehende Kreise in Jerusalem, die sich um die schon erwähnten griechischsprachigen Synagogengemeinden geschart hatten.94 Vielleicht besaßen sie eine eigene, die verschiedenen Diasporasynagogen zusammenfassende Interessenvertretung. Sie fühlten sich durch die aggressiven Anschauungen des Stephanus in ihren heiligsten Glaubensgütern verletzt, auf Grund derer sie ihre Wohnsitze in der Diaspora aufgegeben hatten und nach Jerusalem zurückgekehrt waren. Lukas spricht in Apg 6,12 von »Ältesten, Schriftgelehrten und dem Synhedrium« und meint natürlich die oberste jüdische Ratsversammlung in Jerusalem. Der Hohepriester als ihr Vorsitzender erscheint jedoch wie ein Fremdkörper nur an einer Stelle: Apg 7,1. Da das Synhedrium zur Zeit der direkten römischen Herrschaft gar keine Todesurteile fällen durfte – auch bei Jesus nahm es nur ein Verhör vor und lieferte ihn mit der tödlichen Anklage, er wolle »König der Juden« sein, an Pilatus aus –, ist die ganze Schilderung des Prozesses gegen Stephanus in der von Lukas erzählten, dramatisch gesteigerten Form unwahrscheinlich.95 Denn nach der Rede wird überhaupt kein Urteil mehr gefällt, es findet vielmehr ein Akt tumultuarischer Lynchjustiz statt, der dem höchsten jüdischen Richtergremium mit den Hohenpriestern an der Spitze kaum zuzutrauen ist. Für wahrscheinlicher halten wir es daher, daß die Gegner »das Volk, die Ältesten und Schriftgelehrten« der Synagogengemeinden aufwiegelten96 und Stephanus zunächst einmal 91 Siehe Mk 2,21 f. parr., vgl. 1,27 und die Abendmahlsworte Mk 14,24 par.; 1 Kor 11,25; Lk 22,20; vgl. Hebr 8,8–12. 92 Jer 31,33; Röm 2,15; Hebr 8,10; 10,16. 93 Vgl. Mk 1,27; 2,19–22; 14,24; 1 Kor 11,25; vgl. dann 2 Kor 3,6 ff. u. ö. 94 O. Skarsaune, Shadow, 153: »What was new about Stephen was not the message he proclaimed, but the audience he proclaimed it to.« 155: »To conclude: Stephen was not persecuted because he introduced a new theology, but because he encountered a new group of adversaries – the resident Diaspora Jews in Jerusalem, the ›Hellenists‹.« 95 Anders C. S. Keener, Acts II, 1328.1432–1435. Er sieht keinen Widerspruch zwischen einem legalen Verfahren vor dem Hohen Rat und der Lynchjustiz durch den Mob. Zum Jerusalemer Synhedrium als von Fall zu Fall einberufenem obersten Richtergremium in dieser Zeit, das keine Behörde war, siehe unten S. 493 Anm. 6 zum Prozeß gegen Jakobus (Josephus, Ant. 20,200). Vgl. zum Synhedrium auch S. Rocca, Herod’s Judaea, 267–272. 96 Apg 6,12; vgl. M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, 187.189 = KS III, 37.39, der schon auf eine ganze Anzahl von Inschriften verweist: Sowohl λαός wie πρεσβύτεροι, γραμματεῖς und συνέδριον begegnen auch in den Synagogengemeinden und sind gut belegt; siehe oben S. 150 Anm. 51 zur Theodotos-Inschrift und unten S. 277 mit Anm. 121 zu λαός
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
161
vor das Leitungsgremium einer oder mehrerer Griechisch sprechender Synagogengemeinden gestellt wurde: Deren Älteste und Schriftgelehrte versammelten sich zu einem »Synhedrium«, das heißt zu einer Ratsversammlung, und wurden durch die provokative Verteidigung des Stephanus so erbittert, daß sie zu dem bei der Verteidigung von Tempel und Gesetz auch sonst geübten Mittel der Lynchjustiz griffen.97 Besonders »im Dtn galt die Steinigung als die strengste Strafe für die abscheulichsten Verbrechen«, die sich vor allem gegen JHWH selbst richteten.98 Sie wurde als ein Akt der Ausstoßung vom Kollektiv der Volksgenossenschaft vollzogen99 und war auch in der hellenistisch-römischen Welt als eine spontane Form der Volksjustiz verbreitet.100 Die nächste Parallele zur Steinigung des Stephanus ist das spätere Vorgehen der Volksmenge gegen Paulus auf dem Tempelplatz, wo nur das Eingreifen der römischen Besatzungskohorte und ihres Tribuns Claudius Lysias101 verhinderte, daß Paulus gelyncht wurde.102 Die vorliegende, von Lukas verfaßte Stephanusrede würde einen solchen radikalen Ausgang kaum rechtfertigen. Was Stephanus gesagt hat, muß provokativer gewesen sein, man könnte auch sagen: näher an der Verkündigung Jesu als der relativ langatmige schriftgelehrte Vortrag in Apg 7, der erst gegen Ende wirklich polemisch wird.103 in Apg 10,2; 13,15; zu den συνέδρια (im Plural) der Synagogen vgl. auch Mk 13,9. Zu den Inschriften siehe die neueren Ausgaben D. Noy, Jewish Inscriptions I, 241 ff. zu CIJ 662 (λαός); W. Ameling, IJO II, 136 Nr. 26 (Nysa); IJO II, 188 Nr. 43 (Smyrna); IJO II, 426 Nr. 206 (Hierapolis); der Titel »presbyter« ist neunmal belegt, dabei viermal für Frauen und einmal in einer hebräischen Grabinschrift; vgl. auch C. Claussen, Versammlung, 146 (zu λαός); 264–273 (zu πρεσβύτερος); 280 f. (zu γραμματεύς); weiter F. Avemarie, Diasporagemeinden, 31 f. = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum, 52 f. 97 Siehe M. Hengel, Zeloten, 482 Index = 3. Aufl. 564 s. v. »Zeloten / Lynchjustiz«. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 149 f.; J. D. G. Dunn, Beginning, 277 f. 98 A. S. Kapelrud, Art. saqal, ThWAT 5 (1986), 946 f. 99 Lev 20,2.27; 24,14.16.23; Dtn 13,11 etc. Vgl. zur Steinigung als Akt der Lynchjustiz den Tod von Onias, »Honi dem Kreiszieher«, bei Josephus, Ant. 14,22–25; weiter J. Blinzler, Stoning; Bill. III, 685 f.; A. M. Schwemer, Prophetenlegenden II, 288 f. Die Bestimmungen von mSan 6,1–6; 7,1.4–8 können bei Lukas in keiner Weise vorausgesetzt werden. Jakobus, der Bruder Jesu, wird nach Josephus, Ant. 20,200, mit anderen Judenchristen wegen »Gesetzesbruchs« gesteinigt, vgl. auch den legendären Bericht des Hegesipp nach Euseb, H. e. 2,23,15–18 (GCS Eusebius II/1, 170,7–24 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Zum Hinausschleppen aus der Stadt (Apg 7,58) siehe Apg 14,19, vgl. 21,30 f.; Josephus, Bell. 4,359 f. 100 A. Völkl, Art. Steinigung, DNP 11 (2001), 943 f. Vgl. Apg 14,5.19 f. = 2 Kor 11,25; gegen Jesus gerichtet: Joh 8,59; 10,31 ff.; 11,8; siehe auch die Furcht der Volksführer in Apg 5,26. 101 Apg 23,26: Sein Gentilname Claudius zeigt, daß er das römische Bürgerrecht unter Claudius 41–54 n. Chr. erhalten hatte; siehe Apg 22,28. 102 Apg 21,27–36; vgl. dazu schon M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus = KS III, 37–46; weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 577. 103 Lukas legt in dieser Rede dem Erzmärtyrer Stephanus das theologische Ringen mit dem Problem der von Gott verhängten Verstockung Israels in den Mund, die in diesem Falle jedoch
162
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Stephanus wurde aus der Stadt hinausgeschleppt und gesteinigt. Er wird so zum ersten Märtyrer der Gemeinde in Jerusalem. Seine Vision vor der Hinrichtung und sein Gebet für seine Gegner104 zum Kyrios als Richter sollen ihn als charismatischen Geistträger105 erweisen. Daß darin der Menschensohn stehend zur Rechten Gottes erscheint,106 ist ein ganz eigentümlicher Zug und bedeutet, daß der Menschensohn, der in der ersten jüdisch-hellenistischen Gemeinde auf Grund von Ps 110,1 als der zur Rechten Gottes erhöhte Herr, zugleich als priesterlicher Fürsprecher, ja als himmlischer Hohepriester betrachtet wurde.107 Die Nachricht, daß Saulus-Paulus bei der Hinrichtung eine untergeordnete Rolle spielte und die Kleider der Zeugen bewachte, die Stephanus steinigten, erscheint zuverlässig,108 da sie in einem gewissen Gegensatz zu der folgenden überragenden Rolle des Saulus-Paulus109 bei der nach Lukas nun ausbrechenden Verfolgung steht.110 Saulus wird hier noch als relativ junger Mann von geringerer Bedeutung geschildert.111
nach lukanischer Sicht »nur« den Hohenpriester und sein Ratskollegium betrifft. Es handelt sich dabei um ein Problem, das das Doppelwerk wie ein roter Faden durchzieht. Es beginnt mit der Ankündigung Jesu als dem »Zeichen, dem widersprochen wird (ἀντιλεγόμενον)« im Orakel des Simeon (Lk 2,34), mit seiner Antrittspredigt und Verwerfung in Nazareth in Lk 4,16–30 und dem Jüngerunverständnis, wird fortgeführt mit der Ablehnung des paulinischen Evangeliums durch die Juden, die schließlich zur Verhaftung des Paulus, zu seinem Prozeß und der Überführung nach Rom geführt hat (Apg 13,45; 28,19, vgl. 28,22), und schließt mit der Rede des Paulus an die jüdischen Gemeindeoberen in Rom in Apg 28,23–28, wo dieser den locus classicus Jes 6,9 f. zitiert. Der Verstockungsauftrag an den Profeten gab den frühesten Christen die Erklärung für die relative Erfolglosigkeit ihrer Verkündigung unter Juden; siehe dazu A. M. Schwemer, Der Auferstandene. Vgl. auch M. Wolter, Lk, 142. 104 Apg 7,60; vgl. Lk 23,34, das unseres Erachtens ursprünglich ist, und dazu Lk 6,27; Mt 5,44; Jes 53,12. 105 Vgl. den schönen Aufsatz von F. Back, Einsicht. 106 Apg 7,55 f. 107 Vgl. Röm 8,34; dazu A. M. Schwemer, Jesus, 228 f. Anm. 300. Andere Deutungen – wie: Er hat sich erhoben, um den Märtyrer zu empfangen, oder: Er hat sich als Richter erhoben – sind unseres Erachtens weniger wahrscheinlich. Dagegen überzeugend M. Bachmann, Stephanusepisode, 555 f., und D. M. Moffitt, Atonement, 564: »If Stephen is viewing the heavenly sanctuary, then Jesus’ posture is remarkably similar to that of a high priest in the Holy of Holies who stood before the mercy seat to offer the blood on Yom Kippur.« 108 Apg 7,58; vgl. 22,20. 109 Es handelt sich, wie bei vielen jüdischen Zeitgenossen, um einen hebräisch-lateinischen Doppelnamen. Šāʾûl, »der Erbetene«, weist auf die Herkunft aus dem Stamm Benjamin hin (Phil 3,5), aus dem der erste König Israels gleichen Namens stammt. »Paulus« könnte Gentilname des römischen Bürgers sein; siehe M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 193–208 = KS III, 84–99. Vgl. dazu unten S. 204 und 373. 110 Apg 8,3; 9,1. 111 C. Burchard, Zeuge, 26–31; R. Riesner, Paulus, 53 ff.; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 56 f.; anders C. S. Keener, Acts II, 1467: »Clothing was placed at his feet …, possibly … suggesting his authority …, and he quickly emerges as the movement’s leader (8:3).«
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
163
3.4 Die Verfolgung der Hellenisten in Jerusalem Das Martyrium des Stephanus erscheint bei Lukas als Auftakt zu einer Verfolgung, die sich freilich – anders als in seiner Darstellung – in Wirklichkeit nur gegen die griechischsprachigen Judenchristen richtete, das heißt gegen die – relativ – selbständige Gemeinde der Hellenisten. Nach Lukas handelte es sich jetzt erstmals um eine »große Verfolgung«,112 die (mit einer sonderbaren Ausnahme) die ganze Gemeinde in Jerusalem betraf. Alle Gemeindeglieder hätten die Stadt verlassen und seien in das umliegende Gebiet Judaeas und Samarias geflohen,113 nur die (zwölf) Apostel seien in Jerusalem zurückgeblieben.114 Einen Hinweis auf die Rückkehr der Geflohenen gibt Lukas nicht; in Apg 9,31 herrscht plötzlich wieder tiefster Friede für die »Gemeinde in ganz Judaea, Galilaea und Samaria«.115 Darüber hinaus führt er in 8,3 Saulus als wilden Verfolger ein, den er kurz zuvor in 7,58 und 8,1 als jungen Mann in einer Nebenrolle beim Martyrium des Stephanus geschildert hatte. Apg 9,1–19 nimmt das Motiv von Saulus als Verfolger wieder auf und berichtet von seinem Damaskusunternehmen und seiner Lebenswende. Vermutlich liegt zwischen der Steinigung des Stephanus und der Wirksamkeit des Saulus als Verfolger eine gewisse Zeitspanne. Die lukanische Darstellung zeigt hier einen Widerspruch, der sie in dieser Form unwahrscheinlich macht. Wenn eine Verfolgung von der höchsten ›Behörde‹ ausging, wurden in der Antike normalerweise die Rädelsführer ergriffen, so auch bei den sonstigen Verfolgungen in Jerusalem, den vorausgehenden durch die Sadduzäer, das heißt durch die Hohepriesterschaft, insbesondere den Hannas-Clan, und bei den nachfolgenden durch Agrippa I. und dann bei der Hinrichtung des Herrenbruders Jakobus und anderer führender Christen durch Hannas II. im Jahre 62 n. Chr. Das zeigt, daß, wenn eine Verfolgung von den höchsten jüdischen Instanzen ausging, diese sich die Führer der neuen messianischen Gemeinde als Objekte der Verfolgung heraussuchten und nicht die Menge der einfachen Gemeindeglieder, während sie hier (in Apg 8,1 ff.) angeblich die Führer ungeschoren ließen. Die römischen Behörden im 2. und 3. Jahrhundert verhielten sich bis zur Decischen Verfolgung ähnlich.116 Die Volksführer scheuten gewiß ein Mas112 Apg 8,1: διωγμὸς μέγας. Vgl. die von Lukas übertriebene Rolle des Saulus-Paulus in 8,3, die auch in 9,1; 22,4.19 f.; 26,9 f. unterstrichen wird. Lukas spricht in seinem sich steigernden Bericht über die Rolle des Saulus sogar von Todesurteilen, die dieser veranlaßt haben soll. 113 Vgl. 8,1: πάντες δὲ διεσπάρησαν …; 8,4: οἱ … διασπαρέντες; 11,19: Die »Zerstreuten« gelangen bis nach Phönizien, Zypern und Antiochia, das heißt, es kann sich hier nur um vertriebene »Hellenisten« handeln. 114 Apg 8,1: πλὴν τῶν ἀποστόλων; vgl. V. 14: Die in Jerusalem versammelten Apostel hören von der Missionspredigt des Philippus in Samarien und entsenden Petrus und Johannes. 115 Nach der Bekehrung des Verfolgers ist der Friede erst einmal wiederhergestellt. Er wird für Lukas erst wieder durch König Herodes (Agrippa I.) gebrochen (Apg 12,1 ff.); siehe unten § 9. 116 Vgl. J. D. G. Dunn, Beginning, 274; er verweist dazu auf den Grundsatz bei Livius
164
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
senpogrom, das das Volk beunruhigt und die römische Behörde zum Eingreifen veranlaßt hätte. Es ist sehr viel wahrscheinlicher, daß die griechischsprachigen Synagogengemeinden in Jerusalem, angeregt durch den Akt der Lynchjustiz an Stephanus, jetzt schrittweise auch gegen andere Glieder der Hellenistengruppe vorgingen und an ihnen die Synagogenstrafe von 39 Stockhieben gemäß Dtn 25,3 und weitere Gewalt‑ und Zwangsmaßnahmen vollzogen.117 Wahrscheinlich geschah diese Verfolgung unter Billigung und Rückendeckung durch das Synhedrium des Hohenpriesters, auch können einzelne Christen verhaftet und ins Gefängnis geworfen worden sein.118 Wenn Lukas dagegen von Todesstrafen im Plural spricht,119 so ist dies eine Übertreibung. Hier werden wohl spätere Verfolgungssituationen, etwa unter Agrippa I. und Hannas II., auf die frühere Urgemeinde übertragen. Auch will Lukas damit, durch den Kontrast zwischen dem blutdürstigen Verfolger Saulus und dem Missionar Paulus, die Größe von dessen Lebenswende hervorheben.120 Der Erzähler Lukas steigert also hier (wie auch sonst) den Kontrast um des dramatisch-rhetorischen Effektes willen. Auf der anderen Seite ist nicht auszuschließen, daß einzelne Christen durch Fanatiker getötet wurden.121 Daß bei dieser Verfolgung der junge Diasporapharisäer Saulus-Paulus aus Tarsus, der zum Zwecke des Schriftstudiums in Jerusalem weilte, sich besonders hervorgetan hat, ist dagegen nicht zu bezweifeln. Paulus selbst bekennt, daß er »die Gemeinde Gottes«, das heißt doch wohl eine Gemeinde in Jerusalem, »im Übermaß« verfolgt122 und sie zerstört habe bzw. habe zerstören wollen.123 Die Gemeinde, die damals zerschlagen wurde, war der Gemeindeteil der Hellenisten.124 Da diese Diasporajuden mit der Heiligen Stadt Jerusalem 1,54 (SCBO, 68,8 ff. ed. Ogilvie), der Herodot 5,92 (BSGRT, 60,1104–61,1107 ed. Rosén) aufnimmt: »The first rule was (and is!) almost invariably to ›take out‹ the leaders, to lop off the heads of the tallest poppies and leave the rest leaderless.« 117 Vgl. Apg 26,11: Paulus zwingt in den Synagogen die Gläubigen, Christus zu verfluchen. Er selbst hat dann diese Synagogenstrafe fünfmal erhalten (2 Kor 11,24). Der Zwang, Christus zu verfluchen, war auch später ein probates Mittel gegen Christen, siehe Plinius, Ep. 10,96,5 f. (BSGRT, 355 f. ed. Schuster / Hanslik), und Bar Kochba nach Justin, 1 Apol. 31,6 (SC 507, 210,22–25 ed. Munier). 118 Apg 8,3. 119 Apg 22,4; 26,10. 120 Vgl. dazu etwa auch 1 Tim 1,13: τὸ πρότερον ὄντα βλάσφημον καὶ διώκτην καὶ ὑβριστήν, ἀλλ’ ἠλεήθην. 121 Vgl. die Martyriumsparänesen Lk 12,4 f. = Mt 10,28; Mt 24,9; Joh 16,2. Zur Verfolgung der Gemeinden in Judaea siehe 1 Thess 2,14 f. 122 Gal 1,13: καθ’ ὑπερβολὴν ἐδίωκον τὴν ἐκκλησίαν τοῦ θεοῦ (duratives Imperfekt). Zu Paulus siehe ausführlicher unten § 6. 123 Imperfectum de conatu: ἐπόρθουν αὐτήν, ähnlich Gal 1,23 und Apg 9,21. Die Vermutung einer Verfolgung in Damaskus hat keinen zureichenden historischen Grund, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 60–63. 124 Zu Saulus als Verfolger siehe M. Hengel, Der vorchristliche Paulus = KS III, 156–182; A. M. Schwemer, Verfolger.
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
165
nicht so eng verbunden waren wie die bodenständigen Ἑβραῖοι, sahen sie in der Hinrichtung des Stephanus und der sich damit anbahnenden Verfolgung ein Zeichen der Verwerfung Jerusalems und verließen in ihrer Mehrzahl die Stadt. Vermutlich hatte man zuerst mit der Völkerwallfahrt zum Zion und der baldigen Parusie gerechnet. Die Vertreibung der Hellenisten führte zu einem Umdenken und bahnte den schrittweisen Übergang zur Heidenmission an.125 Die »Gemeinde der judenchristlichen Hellenisten« als eigenständige Größe in Jerusalem war damit wirklich »zerschlagen« worden. Die Ἑβραῖοι, das heißt die aramäischsprachige Mehrheit unter der Leitung der Zwölf, waren dagegen von dieser Verfolgung offenbar nur am Rande oder gar nicht betroffen, ihnen konnte man keine öffentliche, polemisch vorgetragene Kritik an Gesetz und Kult nachweisen. Darin liegt wohl der historische Wahrheitskern der Angabe des Lukas in Apg 8,1, daß die zwölf Apostel in Jerusalem geblieben seien.126 Vermutlich ist auch das Verhältnis der beiden christlichen Gemeinden in Jerusalem, der größeren Gruppe der Ἑβραῖοι und der kleineren der Ἑλληνισταί, nicht so sehr durch die ungleiche Verteilung der Unterstützungen als durch die Frage von Kultus und Gesetz belastet gewesen, so wie ja auch die jüdischen Religionsparteien im Mutterland auf Grund von kontroversen Antworten auf die Deutung der Gesetze entstanden waren.127 Wenig wahrscheinlich scheint uns dagegen die Annahme, die Hellenisten seien aus Jerusalem vertrieben worden, weil sie bereits damals in Jerusalem Heiden in die Gemeinde aufgenommen und in den Tempel gebracht hätten, also schon zur aktiven Heidenmission übergegangen wären. Dies widerspricht den Quellen.128 Aber auch Differenzen in Gesetzesfragen in der frühen Jerusalemer Gemeinde muß Lukas verschweigen, weil er die Anfänge der Kirche auf Grund seines theologischen Entwurfs als ideal und völlig harmonisch darstellt. Diese Differenz mag damit zusammenhängen, daß Vgl. dazu G. Jossa, Jews or Christians, 78 f.; A. M. Schwemer, Christen in Syrien. Weiter dazu unten S. 167 f.295.304.311 f. 126 Wenn sich die »Hellenisten« als ἐκκλησία θεοῦ verstanden und so bezeichneten, erklärt sich auch, daß es sich um eine »geteilte Verfolgung« handelte, die nur über die Ekklesia in Jerusalem hereinbrach (Apg 8,1), aber die Apostel, das heißt die »Hebräer« und Männer wie Barnabas, die nicht zur Führungsgruppe der Hellenisten gehörten, nicht davon betroffen waren; so auch H.-U. Weidemann, Ekklesia, 182 ff. 127 Siehe M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 127–130 u. ö. 128 Gegen J. D. G. Dunn, Theology of Paul, 352, der diese These mehrfach vertreten hat; A. J. M. Wedderburn, History, 55, meint, indirekt sei dies aus dem Verdacht gegen Paulus in Apg 21,28 zu entnehmen. Vgl. dagegen die Anklage des Tertyllos in Apg 24,5 f. Eine derartige Schändung des Heiligtums hätte wie später bei Paulus das Eingreifen der römischen Behörden provoziert. Davon ist in der ersten Zeit nirgendwo die Rede. Mit »Heiden« hatten die Hellenisten der Frühzeit in Jerusalem noch wenig zu tun. M. Slee, Church in Antioch, 12–23, meint, die Hellenisten des Stephanuskreises hätten schon in Jerusalem durch ihr gemeinsames Essen mit Heiden Anstoß erregt. Auch das ist unwahrscheinlich. 125
166
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
für den Palästinajuden eine zumindest nach außen vertretene grundsätzliche Bejahung von Tora und Heiligtum existentiell notwendig war. Eine artikulierte offene Kritik, ähnlich wie eine Korankritik in streng muslimischen Ländern, war in Palästina kaum möglich, sie hätte – wie auch die Verfolgung der Hellenisten beweist – der dortigen Gemeinde auf die Dauer die Existenzbasis entzogen. Dennoch war, wie die Agrippa-Verfolgung, 1 Thess 2,14 f. und die Steinigung des Jakobus und anderer Judenchristen zeigen, auch die Gemeinde in Jerusalem immer wieder schwerem Druck ausgesetzt. Das jüdische Gesetz war ja für das palästinische Judentum zugleich politisches Gesetz. Josephus nennt darum die jüdische »Verfassung« eine θεοκρατία, insofern die Juden dadurch, daß sie die Gebote – und hier vor allem das Erste Gebot – halten, sich zur Einzigkeit Gottes und zu seiner universalen Königsherrschaft bekennen.129 Dagegen steht die für die antike Auffassung von Religion revolutionär wirkende Antwort des johanneischen Jesus gegenüber Pilatus: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt.«130 Auch Jesus hatte trotz seiner partiellen Kritik nach dem Gesetz gelebt und an den Festen des Tempels bis hin zum letzten Passafest teilgenommen. Seine Einwände gegenüber der Tora trug er nicht in grundsätzlicher Weise, sondern nur aus ganz konkreten Anlässen vor, etwa wenn das Liebesgebot mit anderen Bestimmungen der Tora, z. B. dem Sabbatgebot, kollidierte.131 Für die Hellenisten war die Frage nach der Geltung von Gesetz und Tempel wohl in einer verhältnismäßig kurzen Zeit zu einem grundsätzlichen, durch die Christologie und Soteriologie bedingten Problem geworden. Die Endgültigkeit der abschließenden Offenbarung Gottes in seinem Messias Jesus, der zugleich der durch die Auferstehung zur Rechten des Vaters inthronisierte Gottessohn geworden war,132 machte es notwendig, jetzt sein Verhältnis zur Sinaioffenbarung und zu Mose als Gesetzgeber in kritischer Weise neu zu bestimmen. Dadurch, daß Jesus als der Messias grundsätzlich über Mose gestellt wurde,133 waren wachsende Spannungen mit dem Judentum vorprogrammiert, auch wenn der endgültige Bruch mit demselben sich erst in den Jahrzehnten nach 70 n. Chr. 129 Josephus, Ap. 2,165; es ist der einzige Beleg für diese Wortbildung in der Antike, die anderen zitieren diese Stelle. Diese Einheit von religiösem und politischem Gesetz finden wir wieder im Islam. Vgl. A. M. Schwemer, Gottesherrschaft bei Josephus, 96–100. 130 Joh 18,36; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 604 f.; vgl. M. Hengel, Reich Christi, 163–184. In der Antike waren Religion und politische Herrschaft untrennbar verbunden. 131 M. Hengel, Jesus und die Tora, 152–172. 132 Röm 1,3 f.; siehe oben S. 98 Anm. 20. 133 Vgl. Joh 1,17. In einer in sich konsequenten Entwicklung wird relativ rasch Christus als der Sohn Gottes mit der präexistenten Weisheit identifiziert und als Schöpfungsmittler verstanden. Siehe M. Hengel, Sohn Gottes = KS IV, 74–145; ders., Präexistenz = KS III, 262–301; M. Hengel / A. M. Schwemer, Anspruch, 81–131 (120 ff.); zu den weisheitlichen und messianologischen Voraussetzungen für diese Entwicklung im frühen Judentum siehe auch U. Mittmann-Richert, Thesen.
§ 3 Die Hellenisten und die Stephanusverfolgung
167
und zum Teil noch später vollzog.134 Paulus – selbst im Milieu der jüdischen »Hellenisten« in Jerusalem zu Hause – hat hier sehr rasch nach seiner Bekehrung letzte theologische Konsequenzen gezogen. Die aus Jerusalem und dem geschlossenen jüdischen Siedlungsgebiet Judaeas vertriebenen Hellenisten sahen in der Ermordung des Stephanus und der daran anschließenden Verfolgung ein Zeichen des Gerichts über Jerusalem und das palästinische Judentum.135 Die Folge war, daß sie – vermutlich unter der Weisung des profetischen Geistes – sich in ihrer Mission nun auch den am Rande des Judentums stehenden Gruppen, den Samaritanern136 und den heidnischen Gottesfürchtigen, zuwandten, das heißt die ersten vorbereitenden Schritte zur offenen Heidenmission machten. Damit beginnt ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Urchristentums. Eine gewisse Parallele ist die Auswanderung von Gliedern der Jerusalemer Gemeinde nach Pella im Jordantal auf Grund einer besonderen Offenbarung nach der Ermordung des Jakobus einige Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges.137 134 Vgl. dazu J. Carleton Paget, Jewish Christianity, 733–742: Es gab weiterhin »Judenchristen«, die man am besten so definiert, daß man darunter Christen versteht, die die Tora hielten und in Verbindung mit den nichtchristlichen Synagogen lebten; diese »Judenchristen« konnten jüdischer oder heidnischer Herkunft sein; siehe M. Bockmuehl, Antioch; R. Deines, Aposteldekret; anders A. Y. Reed, Jewish Christianity. Vgl. weiter die verschiedenen Beiträge in O. Skarsaune / R. Hvalvik (Hgg.), Jewish Believers; zur Forschungsgeschichte siehe J. Carleton Paget, Jews, 289–324: Kapitel 10 »The definition of the term ›Jewish Christian‹ / ›Jewish Christianity‹ in the history of research« und S. 533 f. Index s. v. »Jewish Christianity«; E. K. Broadhead, Jewish Ways, 6–60. 135 Vgl. die Polemik am Ende der Stephanusrede, wo Stephanus seinen Anklägern die Verwerfung und Tötung der Profeten vorwirft, und die heftige Reaktion des Paulus auf Verfolgungen in Thessalonich in 1 Thess 2,14 ff.: »Denn ihr Brüder seid Nachahmer geworden der Gemeinden Gottes, die in Judaea in Christus Jesus sind; denn ihr habt dasselbe erlitten, auch ihr von euren eigenen Landsleuten wie sie von den Juden, die auch den Herrn Jesus getötet haben und die Profeten und uns verfolgt haben und auch Gott und allen Menschen feindlich sind, indem sie uns hindern, den Völkern das Evangelium zu verkünden, damit sie gerettet werden … Es ist aber der Zorn über sie hereingebrochen für immer.« 136 Apg 8,1 ff. Man hat – freilich nicht überzeugend – schon samaritanische Spuren der Tempelkritik in der Stephanusrede Apg 7 vermutet; siehe dazu C. K. Barrett, Acts I, 339; S. C. Keener, Acts II, 1350 f. Auf der anderen Seite weist die Angabe, daß die Patriarchen in Sichem (Apg 7,15) und nicht in Hebron begraben liegen, auf die Samaritanermission hin; vgl. oben S. 155. 137 Vgl. zur Flucht nach Pella (dazu unten § 16) bei Euseb, H. e. 3,5,3 (GCS Eusebius II/1, 196,14 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann): κατά τινα χρησμὸν τοῖς αὐτόθι δοκίμοις δι’ ἀποκαλύψεως ἐκδοθέντα πρὸ τοῦ πολέμου, und auch Jesu Aufforderung an die Jünger, als Missionare Städten und Häusern, in denen ihre Botschaft nicht aufgenommen wird, den Rücken zu kehren, nachdem sie sich den Staub von den Füßen geschüttelt haben: Mk 6,11; Lk 10,10 f.; Mt 10,14. Vgl. auch die Begründung der Zuwendung zu den Heiden in Apg 13,50 f.; weiter die Verunreinigung Jerusalems durch den Mord an den beiden Profeten in Apk 11,8; die Flucht der Frau, das heißt der Gemeinde, in die Wüste in Apk 12,6; die Aufforderung zur Flucht aus Rom in Apk 18,4 = Jer 50,8; Jesajas Profetie über Jerusalem in AscJes 4,13 (CChr.SA 7, 375 ed. Bettiolo u. a.); vgl. dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 313.
168
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Die judenchristliche Gemeinde in Judaea ging dagegen den umgekehrten Weg. Sie mußte, um überhaupt in Jerusalem und Judaea angesichts des wachsenden Drucks durch den Gesetzeseifer der Pharisäer und Zeloten existieren zu können, zumindest äußerlich an Gesetz und Tempelkult festhalten. Diese Tendenz verstärkte sich eher, zumal sich nach Apg 6,7 sogar Glieder des jüdischen Priesteradels und nach 15,5 auch Pharisäer der Gemeinde anschlossen. Vor allem seit Beginn der 40er Jahre nach der Caligula-Krise138 und als Konsequenz der Verfolgung durch Herodes Agrippa139 nahm die positive Haltung zum Gesetz notwendigerweise zu und führte zu jenen Auseinandersetzungen, die ca. 48/49 n. Chr. das Apostelkonzil in Jerusalem über die Frage der Mission unter Nichtjuden unter Verzicht auf das Ritualgesetz und hier vor allem der Beschneidung notwendig machten. Der Fortbestand der Spannungen führte dann wenige Jahre später zu dem Zusammenstoß des Petrus mit Paulus in Antiochia und dem Kompromiß des sogenannten »Aposteldekrets«.140 Führer der Gemeinde in Jerusalem waren jedoch in dieser späteren Zeit nicht mehr Petrus und die Apostel, sondern der Herrenbruder Jakobus und ein Kollegium von Ältesten. In Apg 21,20 läßt Lukas den Herrenbruder Jakobus, das damalige Haupt der Jerusalemer Gemeinde, zu dem eben in Jerusalem eingetroffenen Paulus – gewiß ziemlich übertreibend – sagen: »Du siehst, Bruder, wie viele Zehntausende von Gläubigen es unter den Juden gibt, und alle sind Eiferer für das Gesetz.« Der Ausspruch gibt die spätere Tendenz der judenchristlichen Gemeinden treffend wieder, deren Mitglieder Paulus ablehnten und sich im 2. Jahrhundert mehr und mehr von der heidenchristlich bestimmten Mehrheitskirche entfernten. Die Ermordung des Stephanus und die Verfolgung und Flucht der Gemeinde der Hellenisten brachte so den ersten Ansatz zu erheblichen Spannungen im Urchristentum. Die Gründungszeit vom Todespassa Jesu bis zu den geschilderten Ereignissen dauerte nicht allzu lange, kaum mehr als zwei bis drei Jahre. Der nächste tiefe Einschnitt ist dann die Verfolgung unter Agrippa I. mit ihren weitreichenden Folgen.
138 Siehe dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 84–87; ausführlich M. Bernett, Kaiserkult, 264–287. 139 Vermutlich Passazeit 43 n. Chr.; siehe Apg 12,1 ff. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 89.168 u. ö.; A. M. Schwemer, Verfolger, 177. Siehe auch unten § 9.3 (S. 364 ff.). 140 Apg 15,20.28 f.; 21,25. Es wurde unseres Erachtens nicht auf dem Apostelkonzil, sondern ungefähr zwei bis drei Jahre später auf Grund des Zwischenfalls in Antiochia (Gal 2,11 ff.) beschlossen; siehe auch die knappe Darstellung ohne Erwähnung des Streits in Apg 18,22 f. Paulus hat es nicht anerkannt, doch auch er mußte Kompromisse schließen: Apg 16,3 und 21,20–27; vgl. auch 1 Kor 9,20. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 317 Anm. 1312; M. Hengel, Petrus, 92–106; R. Deines, Aposteldekret. Vgl. die recht unterschiedlichen Beiträge in M. Öhler (Hg.), Aposteldekret.
§ 4 Die urchristliche Chronologie von Jesus bis Paulus 4.1 Die innere und die äußere Chronologie1 Es gibt keine sinnvolle Darstellung historischer Vorgänge, ohne daß man auf den Zeitrahmen und die Abfolge achtet, in dem und in der sie sich ereignet haben – das heißt zugleich, ohne daß man über die damit verbundenen chronologischen Probleme Rechenschaft gibt. Erzählte Geschichte ist immer der Darstellungsversuch von Ereignissen in konkreten, also begrenzten Zeiträumen. Dagegen hält unser Gedächtnis wesentlich besser Personen, Orte und Begebenheiten fest als ihre zeitliche Einordnung. Datierungsfragen werden gerne übersehen und erfordern ein besonderes chronologisches Interesse. Ein solches Interesse fehlte in der Frühzeit, als man die baldige Wiederkunft des auferstandenen Herrn erwartete.2 Darum sind die in dieser Hinsicht verwertbaren Angaben im Neuen Testament auch nicht allzu zahlreich. Wir verdanken sie vor allem Lukas, der sich darin als erster und einziger wirklicher Historiker in der Kirche vor Eusebius von Caesarea (ca. 264/265–339/340 n. Chr.) erweist. Er versucht ganz bewußt an einigen wenigen, hervorgehobenen Punkten das von ihm berichtete Heilsgeschehen mit der römischen Reichsgeschichte und mit Ereignissen in Judaea zu verbinden, indem er historische Daten und Namen nennt. Damit will er hervorheben, daß Gottes Offenbarung zum Heil aller Menschen in seinem Messias an einem ganz bestimmten, festen Ort der Weltgeschichte geschehen ist und daß der Weg dieser Botschaft vom geistlichen Zentrum Jerusalem in die Reichshauptstadt 1 Vgl. J. Finegan, Chronology; W. G. Kümmel, Einleitung, 217 ff.; E. Haenchen, Apg, 73–84; G. Lüdemann, Paulus, 272 ff.; W. Schneemelcher, Urchristentum, 43 ff.; R. Jewett, Paulus-Chronologie; M. Hengel, Christologie und Chronologie = KS IV, 27–51; ders., Geschichtsschreibung, 8 (in KS VI ist die Zeittafel nicht enthalten); G. Schneider, Apg I, 129 ff.; R. Riesner, Paulus, 1–26 (ausführlich zur Forschungsgeschichte); 31–52; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 43–48.366–369; Zeittafel: 473 ff. und 530 Index; J. A. Fitzmyer, Acts, 138–141 (Literatur); siehe zur paulinischen Chronologie auch J. D. G. Dunn, Beginning, 497–518 (vgl. weiter 1340 Index s. v. »Chronology«); vgl. die Zusammenfassung bei R. Riesner, Fixpunkte, 214–220 (mit ausführlichem Literaturverzeichnis); weiter C. S. Keener, Acts I, 57 f.193–196; ders., Acts II, 1856–1863; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 3–20; weiter die »Chronologische Übersicht« in M. Hengel, Evangelien, 354 ff.; anders U. Schnelle, Jahre, 26 f. 2 Phil 4,5; Jak 5,8; vgl. Hebr 10,37.
170
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Rom geführt hat.3 Er steht hier in der Tradition der alttestamentlich-jüdischen Geschichtsschreibung und kann mit Recht als Theologe einer bewußt darauf gründenden Heilsgeschichte bezeichnet werden.4 Ganz abgesehen von den äußeren Daten, die es erlauben, die frühchristliche Geschichte mit den weltgeschichtlichen Ereignissen zu synchronisieren, besitzen wir nur ganz wenige innere Hinweise, die es möglich machen, die geschichtliche Entwicklung der urchristlichen Gemeinde in eine chronologische Relation zu setzen und in eine Reihenfolge zu bringen. Von Lukas abgesehen, waren die neutestamentlichen Autoren vom Bildungsniveau und von ihrer theologischen Ausrichtung her kaum an solchen Fragen interessiert. Der Erzähler Markus nennt nicht einmal den Namen des Hohenpriesters, der Jesus verhört, er verschweigt im Gegensatz zu Matthäus die Funktion von Pilatus und nennt den Tetrarchen (Herodes) Antipas fälschlicherweise »König Herodes«: Wo das Ende nahe erscheint, sind die politischen Gestalten und Ereignisse des alten Äons relativ unwichtig geworden. Das gilt auch für die Paulusbriefe. Zu den wenigen Ausnahmen gehören die Bemerkungen des Apostels in Gal 1,18–2,1, wo er davon spricht, daß er erst ca. drei Jahre nach seiner Berufung vor Damaskus Jerusalem besucht habe und daß er erst ca. 14 Jahre später zum zweiten Mal – diesmal zum sogenannten Apostelkonzil – nach Jerusalem hinaufgezogen sei.5 Hinzu kommt noch der Hinweis auf den Nabatäerkönig Aretas IV., der 39/40 n. Chr. starb. Diese Randfigur ist der einzige politische Machthaber, den er – zufällig – erwähnt. Die Lebenswende des Apostels muß sich schon geraume Zeit vor diesem Zeitpunkt ereignet haben.6 Paulus macht diese Zeitangaben, um sich gegenüber Angriffen von Gegnern zu verteidigen. Eine andere Zeitsequenz begegnet uns im Zusammenhang mit der Passion Jesu, der Nacht des Abendmahls und des Verrats, der Kreuzigung und der Auferstehung Jesu, also im Mittelpunkt des Heilsgeschehens.7 Das Problem ist nun, diese relativ exakte Angabe mit den sonstigen historischen Fixpunkten im Neuen Testament und in seiner Umwelt zu verbinden. Auf Grund der paulinischen Angaben allein können wir, trotz gegenteiliger Behauptungen, keine Chronologie 3 Vgl. Lk 24,49; Apg 1,4: ἀπὸ Ἱεροσολύμων μὴ χωρίζεσθαι und 28,14: καὶ οὕτως εἰς τὴν Ῥώμην ἤλθαμεν. 4 Zum Begriff und zu seiner Berechtigung siehe M. Hengel, Heilsgeschichte = KS VII, 1–33; vgl. auch J. D. G. Dunn, Book of Acts, und die weiteren Beiträge in dem von J. Frey u. a. herausgegebenen Sammelband: Heil und Geschichte. 5 Zur Datierung der Berufung des Paulus ins Jahr 32/33 siehe M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 43–48. J. D. G. Dunn, Beginning, 257 f.503.511, datiert – wie R. Riesner – ins Jahr 32. 6 2 Kor 11,32; siehe dazu R. Riesner, Paulus, 56–65; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 46 ff. 7 1 Kor 11,23 ff.; weiter 15,3–8, wo die Osterzeugen in zeitlicher Reihenfolge aufgeführt werden; vgl. 1 Kor 5,6 ff., dazu M. Hengel, Mahl, 451–458.462–465.
§ 4 Die urchristliche Chronologie von Jesus bis Paulus
171
des Urchristentums in Verbindung mit der Wirksamkeit des Apostels entwerfen. Wir würden vielmehr weitgehend im dunkeln tappen. Hier hilft uns nur das lukanische Doppelwerk weiter.8 Schon mehrfach erwähnten wir im ersten Band dieser »Geschichte des frühen Christentums« den Synchronismus in Lk 3,1 f., wonach Johannes der Täufer im 15. Jahr des Tiberius, das heißt etwa 27/28 n. Chr., in Judaea auftrat.9 Tiberius kam am 14. September 14 n. Chr. an die Macht. Von dieser Angabe aus setzt man in der Regel den Tod Jesu etwa auf das Passafest des Jahres 30 fest. Wir können dann mit einer rund anderthalbjährigen Wirksamkeit Jesu rechnen. In Apg 12,1 ff. berichtet Lukas von der Christenverfolgung durch König Herodes Agrippa I., den Enkel Herodes’ des Großen und Neffen des Herodes Antipas, der durch den neuen Kaiser Claudius nach der Ermordung Caligulas am 24.1.41 zum König von ganz Judaea eingesetzt worden war und im Frühjahr 44 überraschend starb.10 Da sein Tod nach der Verhaftung, Befreiung und Flucht des Petrus noch vor dem Passafest 44 n. Chr. erfolgt sein muß, wäre diese Verfolgung sehr wahrscheinlich auf das Passafest 43 n. Chr. anzusetzen, das heißt dreizehn Jahre nach dem Todespassa. Lukas erwähnt in diesem Zusammenhang ganz unauffällig erstmals den Herrenbruder Jakobus, der offenbar von diesem Zeitpunkt an führenden Einfluß in Jerusalem gewann. Etwa fünf bis sechs Jahre später, beim »Apostelkonzil«, steht er in der Aufzählung der drei »Säulen« der Jerusalemer Gemeinde vor Kephas / Petrus an erster Stelle, ein Zeichen für seine besondere Bedeutung in der Urgemeinde zu dieser Zeit.11 Nach seiner Befreiung aus dem Gefängnis gibt Petrus im Hause der Maria, der Mutter des Johannes Markus, Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 26. R. Riesner, Paulus, 35; ders., Fixpunkte, 215; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 3.302.317.346; vgl. unten S. 176. Diese Angabe ist grundlegend für die frühchristliche Chronologie, was zu oft übersehen wird; siehe etwa R. Jewett, Art. Chronologie. III. Neues Testament, RGG4 2 (1999), 355 f., er erwähnt sie überhaupt nicht. Lukas verdankt den Synchronismus zuverlässiger Überlieferung über den Täufer. Vgl. auch G. Theissen / A. Merz, Jesus, 151: »Der Synchronismus … ist die genaueste Zeitangabe der Evangelien überhaupt«, aber sie betonen dann, daß trotzdem Fragen offenbleiben. Vor allem M. Wolter, Lk, 155 f., unterstreicht die Unsicherheiten, die trotz dieser Angaben bleiben, statt ihre erstaunliche Genauigkeit und ihre Bedeutung für die urchristliche Chronologie anzuerkennen. Vgl. J. D. G. Dunn, Jesus Remembered, 312; C. S. Keener, Acts I, 96.110. Zur römischen Herrschaft in Judaea in dieser Zeit siehe jetzt vor allem G. Labbé, L’affirmation. 10 Apg 12,19 ff. = Josephus, Ant. 19,343 ff.; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 174 ff.208–213; dies., Jesus und das Judentum, 83–92. Agrippa war schon durch Caligula nacheinander zum König und Beherrscher der Gebiete der Tetrarchen Philippus und Herodes Antipas eingesetzt worden. Claudius bedankte sich mit dieser großen Erweiterung des Herrschaftsbereichs für die erfolgreiche Vermittlerrolle, die Agrippa zwischen der Prätorianergarde und dem Senat spielte und durch die Claudius Kaiser wurde. Vgl. dazu auch W. Eck, Rom und Judaea, 43 f.; D. Timpe, Römische Geschichte, 258–291. 11 Gal 2,9. In Apg 15,13–22 bewirkt seine abschließende Rede den notwendigen Kompromiß. 8 9
172
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
den Befehl: »Meldet dies dem Jakobus und den Brüdern.«12 Petrus muß danach Palästina verlassen. Lukas ›verabschiedet‹ ihn mit dem Satz: »Und er entfernte sich und begab sich an einen anderen Ort.«13 Eine spätere Überlieferung des 2. Jahrhunderts berichtet, daß die Apostel zwölf Jahre in Jerusalem blieben, bevor sie in die Welt hinauszogen. Vielleicht hängt diese Tradition mit der Flucht des Petrus und anderer Glieder des Zwölferkreises während der AgrippaVerfolgung zusammen.14 Das nächste einigermaßen datierbare Ereignis ist die angebliche schwere »Welthungersnot« unter Kaiser Claudius, die gemäß Apg 11,28 durch den Profeten Agabos in Antiochia angesagt wurde und die die Übergabe einer Kollekte aus Antiochia nach Jerusalem zur Folge hat.15 Es handelte sich um eine mehrere Jahre dauernde lokale Teuerung, wie sie unter der Herrschaft des Claudius mehrfach bezeugt werden.16 Nach der Chronik Eusebs fiel dieselbe auf das vierte Jahr des Claudius, ca. 44/45 n. Chr. Josephus berichtet, daß eine Hungersnot Jerusalem zur Zeit des Prokurators Tiberius Alexander ab 46 n. Chr. bedrückte.17 Eine genauere Datierung ist nicht mehr möglich. Möglicherweise wurde sie durch ein Sabbatjahr verschärft, das auf das Jahr 46/47 fiel. Während der Sabbatjahre, das heißt in siebenjährigen Intervallen, mußte nach Ex 23,10 f. und Lev 25 der Boden brachliegen. Die fromme Königin Helena von Adiabene linderte die Not der armen Bevölkerung in Judaea und beschaffte auf eigene Kosten Getreide aus Ägypten und Feigen aus Zypern.18 Daß die Hungersnot die ganze Welt betroffen hätte, ist eine typisch apokalyptische Übertreibung, die in dieser Katastrophe ein Zeichen der weltweiten messianischen Wehen sah.19 Wahrscheinlich hängt die Forderung der Kollekte für Jerusalem, die nach 12 Apg 12,17; daß er der Bruder Jesu war, verschweigt Lukas, obwohl er in 12,2 schon einen anderen Jakobus, den Zebedaïden und Bruder des Johannes, erwähnt hatte. Er setzt bei Theophilos und den späteren Lesern die Kenntnis dieser Personen voraus. Siehe noch Apg 15,13; 21,18. 13 Apg 12,17; siehe dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 370.384 u. ö., und unten S. 365. Vielleicht kam Petrus schon damals nach Rom, wahrscheinlich begab er sich zunächst nach Syrien. Vgl. M. Hengel, Petrus, 89 f. 14 Belege bei W. Bauer in: NTApo II4, XI.1.18 f. A. v. Harnack, Geschichte der altchristlichen Litteratur II/1, 243 f., bringt dies mit Apg 12,17 in Verbindung. Vgl. auch die Belege bei R. Riesner, Paulus, 106 f. 15 Apg 11,28: … λιμὸν μεγάλην μέλλειν ἔσεσθαι ἐφ’ ὅλην τὴν οἰκουμένην. Siehe dazu R. Riesner, Paulus, 111–121; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 365–369. 16 Kaiser Claudius regierte vom 25. Januar 41 bis zum 13. Oktober 54 n. Chr. Zu den Versorgungsengpässen siehe Sueton, Claudius 18,2 (Cambridge Greek and Latin Classics, 40 ed. Hurley); Tacitus, Annales 12,43 (BSGRT, Vol. I/2, 33 ed. Wellesley); Cassius Dio, Historia Romana 60,11,1 f. (Cassii Dionis Cocceiani Historiarum Romanorum quae supersunt II, 673,1–9 ed. Boissevain); vgl. dazu ausführlich R. Riesner, Paulus, 112–119. 17 Josephus, Ant. 20,101. 18 Josephus, Ant. 20,51 f.101. Auch ihr Sohn, König Izates von Adiabene, half mit Geld. Zu Helena siehe auch M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 94.160. 19 Vgl. Apk 6,3–8: drei apokalyptische Reiter (Krieg, Hungersnot, Pest); 18,8; weiter die syn-
§ 4 Die urchristliche Chronologie von Jesus bis Paulus
173
Gal 2,10 auf dem Apostelkonzil im Jahr 48/49 n. Chr. erhoben wurde, mit der katastrophalen Lage zusammen, in die die palästinische Gemeinde durch ihre enthusiastische Gütergemeinschaft in Verbindung mit der Verfolgung durch Agrippa und mit den mehrfachen Teuerungen geraten war. Der Statthalter »Sergius Paulus« von Zypern, den Barnabas und Paulus um 46–48 n. Chr. in Paphos treffen, war entweder Quintus Sergius Paullus oder Lucius Sergius Paullus. Beide waren wohl Brüder und gehörten zur Familie der Sergii, die von senatorischem Rang war und große Besitzungen in Zentralanatolien hatte. Diese Verbindung erklärt die Weiterreise der Missionare ins Innere Kleinasiens in die Provinz Galatien.20 Das wichtigste Datum für die urchristliche Chronologie ist das Prokonsulat des Gallio in der Provinz Achaia, das heißt in Griechenland. Sein genauer Name lautete L. Iunius Gallio Annaeanus, er war der ältere Bruder des Philosophen Seneca. Nach Apg 18,12–17 klagte die jüdische Gemeinde in Korinth Paulus vor dem Gericht des Statthalters an, ihre Anklage wurde jedoch zurückgewiesen, da sich Gallio nicht mit Streitfragen des jüdischen Gesetzes befassen wollte. Die Statthalterschaft läßt sich auf Grund der sogenannten Gallio-Inschrift, eines Erlasses des Kaisers Claudius wahrscheinlich an Gallios Nachfolger in Fragen, die die Stadt Delphi betrafen, genauer rekonstruieren.21 Dieser Brief des Claudius an die Delphier ist verfaßt nach dem Januar und vor dem 1. August 52 n. Chr.; Gallio selbst, den der Kaiser seinen Freund nennt, war schon nicht mehr Statthalter in der Provinz. Da der jährliche Statthalterwechsel in den senatorischen Provinzen ungefähr im April jedes Jahres stattfand, scheint Gallio etwa von April 51 bis Anfang April 52 dort residiert zu haben, so daß der Brief genauer zwischen April und Ende Juli 52 geschrieben worden ist.22 optischen Apokalypsen Mk 13,8 = Lk 21,11. Der irreführenden »Formel« ὅλην τὴν οἰκουμένην in Apg 11,28 entspricht in Lk 2,1 das falsche πᾶσαν τὴν οἰκουμένην. 20 Apg 13,4–12. Beide Sergii sind inschriftlich belegt; vgl. dazu ausführlich unten S. 367.372–379. 21 SIG3 III 801D; dazu A. Deissmann, Paulus, 203 ff.: Deissmann kannte vier Fragmente, heute besitzen wir neun. B. Schwank, Brief an Gallio, 265 f.; Neuedition von A. Plassart, Fouilles de Delphes, 27–32 (Nr. 286); L. Boffo, Iscrizioni, 247–256; R. Riesner, Paulus, 180–189; vgl. C. K. Barrett, Acts II, 870 ff. J. A. Fitzmyer, Acts, 621 ff., datiert den Beginn von Gallios Konsulat ein Jahr später auf das Frühjahr 52; dieser habe aber schon vor Oktober 52 die Provinz wegen einer Krankheit vorzeitig verlassen (vgl. Seneca, Ep. 104,1 [L. Annaeus Seneca. Philosophische Schriften IV, 593 f. ed. Préchac / Rosenbach]); anders W. Eck, Art. L. I. Gallio Annaeanus, DNP 6 (1999), 67: »proconsul Achaiae 51–52«; vgl. R. Metzner, Die Prominenten, 443–446; C. S. Keener, Acts III, 2760–2763; D.-A. Koch, Geschichte, 567–571 (mit Abbildung, Transkription und Übersetzung der ersten sieben Zeilen) u. ö.; vgl. auch die deutsche Übersetzung bei J. Schröter / J. K. Zangenberg (Hgg.), Texte zur Umwelt, 334. 22 Es besteht freilich die Möglichkeit, daß Gallio die Provinz aus Gesundheitsgründen schon früher verließ; siehe R. Riesner, Paulus, 184 ff.; vgl. J. A. Fitzmyer, Acts, 623.
174
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Nach der Darstellung des Lukas scheint die Gerichtsverhandlung eher gegen Ende des 18monatigen Aufenthalts des Paulus in Korinth23 und zu Beginn des Prokonsulats des Gallio, das heißt etwa im späten Frühjahr oder Sommer 51, stattgefunden zu haben. Danach wäre Paulus ungefähr Ende 49 oder Anfang 50 n. Chr. nach Korinth gekommen und hätte es etwa im Sommer 51 wieder verlassen. Er hat dort seinen ersten uns erhaltenen Brief an die kurz zuvor gegründete Gemeinde in Thessalonich geschrieben. Es ist das erste schriftliche Zeugnis des Urchristentums, das wir besitzen. Diese Zeitangabe stimmt ganz gut mit einer zweiten überein. Als Paulus Ende 49/Anfang 50 n. Chr. auf seiner zweiten großen Missionsreise, aus Makedonien kommend, nach Korinth gelangt, trifft er dort nach Apg 18,2 ein judenchristliches Ehepaar, Priska / Priskilla und Aquila, und arbeitet bei ihnen als Zeltmacher, da sie denselben Beruf hatten wie er. Priska und Aquila waren nach Lukas von Claudius zusammen mit den anderen Juden aus Rom vertrieben worden. Diese Vertreibung der Juden(christen) aus Rom wird auch durch den römischen Schriftsteller Sueton in seiner berühmten Notiz bestätigt: Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit. »Er vertrieb die Juden, die auf Antreiben eines gewissen Chrestos häufig Unruhen verursachten, aus Rom.«24
Mit dem impulsore Chresto ist sicher Christus gemeint, der vermutlich von judenchristlichen Missionaren in Rom schon ab Ende der dreißiger oder Anfang der vierziger Jahre verkündigt worden war.25 Leider gibt Sueton keine weiteren chronologischen Hinweise auf die Zeit der Vertreibung. Der Kirchenhistoriker Orosius26 aus dem 5. Jahrhundert verlegt die Vertreibung unter fälschlicher Berufung auf Josephus – das heißt, er hat nicht nachgeschlagen und meint aus der Erinnerung, dies bei Josephus gelesen zu haben, seine Quelle muß jedoch ein an Apg 18,11. Sueton, Claudius 25,4 (Cambridge Greek and Latin Classics, 44 ed. Hurley); zum Folgenden R. Riesner, Paulus, 139–189. 25 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 389–394. Nach Augustin, Ep. 102 (ad Deogratias), hätten Heiden unter Berufung auf Porphyrios’ Schrift gegen die Christen behauptet, das »Gesetz der Juden« sei nach Kaiser Gaius (Caligula) bzw. in seiner Regierungszeit (18.3.37– 24.1.41) nach Rom gekommen, siehe Ep. 102,8 (CChr.SL 31B, 13,139–142 ed. Daur): longo post tempore lex Iudaeorum apparuit ac viguit angusta Syriae regione, postea vero prorepsit etiam in fines Italos, sed post Caesarem Gaium aut certe ipso imperante. Hier muß es sich wohl mit Harnack um die Lehre der Christen handeln, denn Juden sind schon seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. in Rom bezeugt, und zwar seit der Unterwerfung Judaeas 63 v. Chr. durch Pompeius auf Grund der vielen Kriegsgefangenen dort in größerer Zahl. Siehe dazu A. v. Harnack, Porphyrius »Gegen die Christen«, 95; weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 389 f.; S. Krauter, Studien, 127 f. Vgl. auch unten S. 300 f. 26 Orosius, Adversus paganos 7,6,15 (CUFr, 31 ed. Arnaud-Lindet). Vgl. auch R. Riesner, Paulus, 160 ff.; ders., Fixpunkte, 216; H. Botermann, Judenedikt, 55 f. 23 24
§ 4 Die urchristliche Chronologie von Jesus bis Paulus
175
derer Autor gewesen sein – in das neunte Jahr des Claudius,27 was ungefähr der Angabe des Lukas entspricht; wir kämen auch hier etwa auf das Jahr 49 n. Chr. Erreichte aber Paulus gegen Ende 49/Anfang 50 Korinth, dann muß das Apostelkonzil, über das Paulus in Gal 2,1–10 und Lukas in Apg 15 berichten, etwa auf das Ende des Jahres 48 bis Mitte 49 n. Chr. gelegt werden. Paulus hat zuvor Kleinasien und Makedonien durchzogen und die Gemeinden in Troas, Philippi, Thessalonich, Beröa und Athen gegründet. Der Frühansatz des Apostelkonzils auf das Jahr 43/44 n. Chr., den seit E. Schwartz mehrere Gelehrte vermutet haben, ist dagegen höchst unwahrscheinlich, weil man dann mit den paulinischen Daten über seine Frühzeit in Gal 1 nicht mehr zurechtkommt.28 Keinesfalls darf das Ereignis mit der in Apg 11,30 und 12,25 berichteten problematischen – problematisch insofern, als Paulus nach seinen eigenen Angaben nicht daran teilgenommen haben kann – Zwischenreise des Barnabas und des Saulus / Paulus nach Jerusalem identifiziert werden.29 Dieser Ansatz paßt auch nicht zum Zeitpunkt der Vertreibung der Juden aus Rom unter Claudius. Außerdem setzt Gal 2,9 mit den drei Säulen Jakobus, dem Herrenbruder, Kephas und Johannes den Tod des Zebedaïden Jakobus und die Veränderungen nach 43 n. Chr., die nach der Flucht des Petrus aus der Stadt den Herrenbruder gleichen Namens an die Spitze der Gemeinde führten, bereits voraus. Man muß bei Namen immer die Reihenfolge beachten, da sie in der Regel eine Rangordnung andeuten.30 Nicht weniger unwahrscheinlich ist der Spätansatz des Konzils nach der großen zweiten Missionsreise nach Makedonien und Griechenland ca. 51/52 n. Chr. In diese Zeit fällt dagegen wahrscheinlich der Zwischenfall mit Petrus in Antiochia.31 27 Er kam am 25. Januar 41 nach der Ermordung Caligulas an die Macht. Vgl. zur Datierung der Ausweisung ausführlich R. Riesner, Paulus, 139–180; S. Krauter, Studien, 128 f. 28 Siehe dazu R. Riesner, Paulus, 18–25.47 f. und 496 Index; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 47, vgl. 475 (Zeittafel). M. Öhler, Barnabas, 62 ff. u. ö., datiert den »Apostelkonvent« ins Jahr 46/47 wie C. K. Barrett u. a.; das ist eine beliebte Auskunft, die aber zuwenig Zeit läßt für die 3 plus 14 Jahre in der Angabe von Gal 1,18 und 2,1. 29 So wieder R. Schäfer, Paulus, 348–379, die zwischen einer »Konventsreise« (Gal 2,1–10 und Apg 11,30) und einer »Konzilsreise« (Apg 15) unterscheiden will: »Die Beschneidungsfrage« sei in Jerusalem »zweimal« verhandelt worden. Das ist mit der Hauptquelle Gal 2,1–10 nicht in Übereinstimmung zu bringen. Nach Gal 2,2 geht die »erste Missionsreise« doch offenbar schon voraus! Vgl. zur Diskussion J. D. G. Dunn, Beginning, 446–450. Anders jetzt auch R. Deines, Jakobus, 176 ff., der mit einem »Beschneidungskonvent« um 45 in Jerusalem mit den hierhergehörigen Texten »Gal 2,1–10; Apg 11,30; 12,25 (für die Chronologie)« und Apg 11,1–18; 15,5–11 für die Argumente in den Auseinandersetzungen rechnet. Darauf folgt die erste Missionsreise (46/47) nach Zypern und Kleinasien, die Abfassung des Galaterbriefes 48/49 und danach der »›Schlichtungskonvent‹ in Jerusalem mit dem Aposteldekret als Kompomiss«. 30 Siehe auch die Jüngerkataloge Mk 3,16–19 parr.; Apg 1,13; Joh 21,2 mit Simon Petrus an der Spitze und die Frauenkataloge Mk 15,40 und 16,1 parr.; Joh 19,25. Siehe dazu M. Hengel, Maria Magdalena, 248 f. = KS V, 33 f. 31 Gal 2,11 f.; vgl. Apg 18,22 f.: καὶ ποιήσας χρόνον τινὰ ἐξῆλθεν διερχόμενος … τὴν Γαλατικὴν χώραν. Die Formulierung deutet auf einen etwas längeren Aufenthalt in Antiochia
176
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Die mittlere Lösung für das »Konzil« Ende 48/Anfang 49 n. Chr. ist immer noch die beste. Das heißt, die Vorgänge, die Paulus in Gal 2,1–10 schildert und die Lukas ausführlich in Apg 15 erzählt, sind trotz aller Unterschiede im Detail identisch! Legt man das Apostelkonzil – was das wahrscheinlichste ist – auf das genannte Datum und rechnet ca. 13 bis 14 Jahre zurück, so kommt man, da bei den von Paulus genannten 14 Jahren die angebrochenen Jahre mitberücksichtigt werden müssen, für seinen Besuch bei Petrus in Jerusalem nach Gal 1,18 etwa auf das Jahr 35/36. Rechnet man von dort aus wieder zwei bis drei Jahre zurück bis zu seiner Bekehrung, kommt man wieder etwa auf 32 oder eher 33 für seine Lebenswende. Die Zeitspanne zwischen der Kreuzigung Jesu und der Berufung des Paulus beträgt dann ca. zwei bis drei Jahre, eine relativ kurze Zeit. Die Ermordung des Stephanus muß sich wohl einige Monate vor der Berufung des Paulus ereignet haben. Die einzige politische Angabe in den Paulusbriefen ist die Nennung von König Aretas IV. von Nabataea, der von 9 bis 39/40 n. Chr. regierte. Noch unter seiner Herrschaft mußte Paulus nach 2 Kor 11,32 in abenteuerlicher Weise aus Damaskus fliehen, das heißt auf jeden Fall vor 40 – vermutlich ca. 35/36 n. Chr. direkt vor seiner ersten Jerusalemreise nach seiner Berufung.32 Auch diese Angabe bestätigt im großen und ganzen die neutestamentliche Chronologie. Das umsichtige Abwägen zwischen den verschiedenen Nachrichten zur Chronologie und zur Abfolge der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des frühesten Christentums gelangt so zu einem beachtlich sicheren Ergebnis – gerade auch, wenn man bedenkt, was für eine hypothesenreiche und ‑freudige Disziplin die neutestamentliche Wissenschaft ist. Diese Suche nach den Daten führt aber nur zum Erfolg, wenn man das lukanische Doppelwerk heranzieht. Ohne dieses – allein gestützt auf die Angaben in den paulinischen Briefen – läßt sich keine Klarheit über den Ablauf gewinnen. Besonders wichtig ist – wie schon mehrfach betont – der Synchronismus in Lk 3,1,33 der das Datum des Auftretens von Johannes dem Täufer mit dem 15. Jahr des Kaisers Tiberius bestimmte und dazu die Regierung der jeweiligen damaligen Herrscher in den römischen hin. Vielleicht ist Paulus nach 18,22 nach dem Besuch der Gemeinde in Caesarea sofort nach Antiochia weitergereist, weil er hoffte, dort Petrus zu finden. Es ist auffallend, wie knapp, ja geradezu schweigsam Lukas diese Reise behandelt. Vgl. A. M. Schwemer, Paulus in Antiochien, 175–178; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 330. Die Gegner (Gal 2,11) mögen Paulus mit einer gewissen zeitlichen Verschiebung in die Provinz Galatien nachgereist sein; dazu M. Hengel, Petrus, 93 ff.100 u. ö. 32 Vermutlich war Paulus bereits als Missionar in Arabien, das heißt in Nabataea, mißliebig aufgefallen und konnte seine Mission dort unter anderem wegen des Krieges zwischen Antipas und Aretas IV., der im Jahr 36 mit einer schweren Niederlage des Antipas endete, nicht fortsetzen. Vgl. dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 208–213. 33 Siehe dazu oben S. 171 Anm. 9 und M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 3.302.317.346.
§ 4 Die urchristliche Chronologie von Jesus bis Paulus
177
Klientelfürstentümern Palästinas und seiner näheren Umgebung angab sowie die Namen des damals amtierenden jüdischen Hohenpriesters Kaiphas (15–36 n. Chr.) und seines Schwiegervaters Hannas nannte, der als graue Eminenz und als das Haupt des mächtigsten hohepriesterlichen Clans die Religionspolitik in Jerusalem in erster Linie bestimmte. Das 15. Jahr des Tiberius fällt in das Jahr 27/28 n. Chr. Rechnet man von diesem Fixpunkt aus, so erhält man ein erstaunlich schlüssiges Bild, das unter anderem ergänzt wird durch die GallioInschrift und die Sueton-Notiz von der Vertreibung der Juden wegen »impulsore Chresto« durch Claudius aus Rom, die wahrscheinlich in das neunte Jahr des Claudius fällt.34
4.2 Chronologie und Christologie Das Auffallende bei den aufgeführten Zahlenangaben ist der relativ kurze Zeitraum der frühesten Entwicklung der Gemeinde zwischen dem Todespassa Jesu bis zur Stephanusverfolgung und zur Berufung des Paulus, die für diesen – bei erheblichem zeitlichen Abstand gegenüber den früheren Epiphanien – nach 1 Kor 15,8 den Abschluß der Auferstehungserscheinungen darstellt. Diese Zeit der Gemeindegründung bis zum Martyrium des Stephanus, zu der Vertreibung der Hellenisten und dem Damaskuserlebnis des Verfolgers Paulus, aus der wir so wenig wissen, muß für die Herausbildung der urchristlichen Christologie und Theologie schlechterdings zentrale Bedeutung besessen haben. Es hat sich in diesen wenigen Jahren ein ungeheurer dynamischer Impuls im Blick auf die theologische Reflexion ereignet, deren Ausgangspunkt die Wirksamkeit Jesu, die Auferstehungserscheinungen und die Gabe des Geistes, verbunden mit einer intensiven Schriftlektüre und ‑auslegung, waren.35 Dieser Impuls führte (a) zur apostolischen Mission, (b) zur Kritik an Gesetz und Kult bei den Hellenisten, (c) zu einer Neuformulierung der eschatologischen Erwartung gegenüber der jüdischen Bevölkerung im Mutterland, indem jetzt der erhöhte Jesus als endzeitlicher Bevollmächtigter Gottes erwartet wurde, und (d) zur theologischen Grundlegung der Christologie in Richtung auf eine Sühne‑ und Erhöhungschristologie: Der gekreuzigte Messias und Gottessohn Jesus von Nazareth wurde von Gott auferweckt und ist zu dessen Throngenossen erhöht. Er hat damit Vergebung der Sünden für das Gottesvolk, ja für alle Menschen erwirkt und fordert Umkehr, Glauben und Gehorsam im Blick auf sein baldiges Kommen als Richter und Erlöser. Diese Botschaft, die an Jesu Reich-Gottes-Verkündigung anknüpfte, Siehe zu Orosius oben S. 174 Anm. 26. Siehe dazu M. Hengel, Christologie und Chronologie = KS IV, 27–51, und ders., Sohn Gottes, 9 ff. = KS IV, 74 ff. 34 35
178
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
provozierte – wie schon er selbst – den Protest der politisch herrschenden Sadduzäer gegen die Urgemeinde und das Vorgehen in den griechischsprachigen Synagogen in Jerusalem gegen die Hellenisten. Für die Christologie gibt unser frühester Zeuge Paulus einige Hinweise. Schon er verbindet, wie er in Gal 1,15 f. schreibt, seine Berufung mit der Offenbarung des Sohnes Gottes. Nach Apg 9,20 verkündigt Paulus entsprechend in den jüdischen Synagogen von Damaskus, daß Jesus der Sohn Gottes sei. Es handelt sich hier um die einzige Nennung des Gottessohntitels in der Apostelgeschichte.36 Dieser Tatbestand wird erhellt durch das alte Bekenntnis von Röm 1,3 f., mit dem Paulus sich der ihm unbekannten Gemeinde in Rom vorstellt: »der geboren wurde als Sohn Davids dem Fleische nach, eingesetzt zum Sohn Gottes in Kraft dem Geist der Heiligkeit nach auf Grund der Auferstehung der Toten«.
Man darf annehmen, daß dieses Bekenntnis in seiner vorpaulinischen Urform auf jene früheste Zeit zurückgeht, die unter dem Eindruck der Gabe des Geistes voll enthusiastischer Dynamik war. Das heißt, die für die weitere Entwicklung richtunggebende theologisch-christologische Prägung hat die urchristliche Gemeinde vor der Berufung des Paulus bereits in den ersten Jahren in Palästina selbst erfahren. Indizien dafür sind die Erhöhungschristologie nach Ps 110 und der Gebetsruf Maranatha, die zeigen, daß Jesus schon ganz früh als »(unser) Herr« angerufen wurde und daß sich damit die Gegenwart dieses »Herrn« beim »Brotbrechen«, die bleibende Gemeinschaft mit ihm wie auch die Erwartung seines baldigen Kommens manifestieren. Der andere Gebetsruf »Abba« unterstreicht, daß der Sohn für die Glaubenden den Zugang zum Vater eröffnet hat. Hinzu tritt die zentrale Bedeutung seines stellvertretenden Sühnetodes im Anschluß an Jes 53, die Abwertung des Opferkultes und überhaupt die Entfaltung der christologischen Titel χριστός, παῖς θεοῦ, υἱὸς τοῦ θεοῦ, υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου und vor allem κύριος. Auch die sogenannte »hellenistische« oder besser griechischsprachige Gemeinde hat – im Gegensatz zu den Thesen der Religionsgeschichtlichen Schule – keine synkretistisch-paganen Wurzeln, sondern geht auf die jüdisch-palästinische Urgemeinde in Jerusalem – vor allem repräsentiert durch die »Hellenisten« – zurück.37 Auf diese Weise lassen sich gerade aus der urchristlichen Chronologie bedeutsame theologische Schlüsse ziehen. Für eine synkretistische Überfremdung der sogenannten vorpaulinischen griechischsprachigen Gemeinde in den ersten zwei bis sechs Jahren des Urchristentums bis zur Übersiedlung des Paulus nach Tarsus 36 Lukas ist dort gegenüber diesem Titel auffallend zurückhaltend und verwendet lieber Kyrios (siehe oben S. 100 mit Anm. 36). 37 Siehe dazu M. Hengel, Christologie und Chronologie, 47 ff. = KS IV, 31 ff.; ders., Mahl, 124 = KS IV, 460; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 132–139.251–260. Zum Ganzen oben § 3 und M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 21–36.
§ 4 Die urchristliche Chronologie von Jesus bis Paulus
179
und zur Mission der Hellenisten außerhalb Judaeas in Syrien, also für irgendwelche schwerwiegenden »paganen« Einflüsse aus den Mysterienreligionen oder gar eine zeitlich »vorchristliche Gnosis« (die es nie gegeben hat) war schon aus chronologischen Gründen überhaupt keine Zeit vorhanden. Die ganzen Spekulationen über eine vorpaulinische »hellenistische«, angeblich schon stark heidenchristlich beeinflußte Gemeinde sind unbegründet.38 Weiter ist zu bedenken, daß diese früheste griechischsprachige judenchristliche Gemeinde ihre Wurzeln in Jerusalem selber besitzt und sich erst nach ihrer Vertreibung schrittweise in überwiegend heidnische Gebiete ausbreitete. Der im Grunde rein »jüdische« Charakter der neuen Bewegung blieb dabei trotz der intensiven, unverkennbar eigenen Traditionsbildung zunächst durchaus erhalten. Das entscheidende Movens, das heißt die treibende Kraft in der Entfaltung der Christologie, war gewiß die enthusiastische Erfahrung der Gegenwart des Erhöhten durch den Geist, den er als endzeitliche Gabe ausgegossen hatte, in Verbindung mit der zeitlich ja noch in unmittelbarer Nähe liegenden messianischen Verkündigung Jesu, die man jetzt im Anschluß an die profetischen Verheißungen des Alten Testaments in neuer, kühner, ja unerhörter Weise interpretierte.
38 Siehe dazu etwa H. Conzelmann, Art. Heidenchristentum, RGG3 3 (1959), 129: »Als Paulus Christ wird, findet er bereits eine aus Judenchristen und Heidenchristen gemischte ›hellenistische‹ Gemeinde (Heitmüller, Bousset, Bultmann) vor, deren Leben gegenüber dem der Urgemeinde … vielfach neue, eigenartige Züge aufweist (Kyrioskult, Rolle der Sakramente, Pneumatismus).« Alle diese Züge haben ihren Ursprung in der Urgemeinde im Mutterland selbst.
§ 5 Die Mission des Evangelisten Philippus1 5.1 Zur Person des Philippus2 In Apg 8 begegnen uns zwei »Missionslegenden«, die mit der Person des Philippus verbunden sind. Er wird nach Stephanus in Apg 6,5 als Zweiter im Leitungskreis der Sieben genannt. In Apg 21,8 erscheint er wieder, ist aber jetzt in Caesarea am Meer ansässig und dort Gastgeber des Paulus auf dessen Reise nach Jerusalem, unmittelbar vor dem Wochenfest 57 n. Chr.3 Dort erhält er von Lukas den Titel εὐαγγελιστής, das heißt »Verkündiger des Evangeliums«, der zwar nicht im Range eines Apostels steht, aber doch eine den Aposteln nahestehende Funktion ausdrückt. Weiter wird ausdrücklich hervorgehoben, daß er zu den ἑπτά, den Sieben, gehört hatte.4 Diese »Sieben« sind in Apg 21,8 ein ähnlich 1 Vgl. E. Haenchen, Apg, 300 Anm. 5; C. K. Barrett, Acts I, 394–436; R. Pesch, Apg I, 268–296; J. Jervell, Apg, 257–268; J. A. Fitzmyer, Acts, 399–417; J. D. G. Dunn, Beginning, 278–292.378–415; C. S. Keener, Acts II, 1464–1596; D.-A. Koch, Geschichte, 181–185; U. Schnelle, Jahre, 162 f. 2 T. Zahn, Apostel und Apostelschüler, 158 ff.; F. Bovon, Actes de Philippe, 4431–4527; A. v. Dobbeler, Philippus (Literatur); C. R. Matthews, Philip; F. Avemarie, Tauferzählungen, 254–266; NTApo II5, 18; C. S. Keener, Acts II, 1465; R. Genz, Jesaja 53, 166–172. 3 Es handelt sich um einen Teil des »Wir-Berichts«, das heißt, Lukas war – wie schon C.-J. Thornton, Zeuge, 275–278 u. ö., für die sogenannten Wir-Berichte gezeigt hat – persönlich als einer der Gäste anwesend. Da Lukas hier wahrscheinlich eigene Notizen und keine fremden Quellen verwendet, ist es besser, den Singular »Wir-Bericht« zu gebrauchen. Siehe dazu die Ergänzung zu M. Hengel, Historiker Lukas, in: KS VI, 189 Anm. 150. 4 Apg 21,8: ὄντος ἐκ τῶν ἑπτά. Lukas verwendet den Titel εὐαγγελιστής nur einmal in seinem Doppelwerk (im Gegensatz zu dem häufigen ἀπόστολος: 34mal, genauso oft wie im Corpus Paulinum). Darüber hinaus ist er ganz selten; vgl. noch Eph 4,11, wo die Reihung begegnet: Christus setzte Apostel, Profeten, εὐαγγελισταί, Hirten und Lehrer ein, und 2 Tim 4,5: ἔργον ποίησον εὐαγγελιστοῦ. Vermutlich ersetzt das Amt des εὐαγγελιστής in den griechischsprachigen, missionarisch aktiven Gemeinden das einmalige, an die Erscheinung des Auferstandenen gebundene Amt des ἀπόστολος. Im 2. Jahrhundert verschwindet es fast ganz. Euseb, H. e. 5,10,2 (GCS Eusebius II/1, 450,22–25 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann), nennt Pantaenus (wohl im Anschluß an Clemens Alexandrinus) εὐαγγελιστής. Clemens Alexandrinus, Stromateis 3,12,4 (GCS Clemens Alexandrinus II, 234,19 ed. Stählin / Früchtel / Treu), bezeichnet Gott selbst so. Die Bezeichnung für die vier Evangelisten kommt erst im Laufe des 3. Jahrhunderts auf; siehe Lampe, Lexicon, 559. Der Begriff selbst wird auf die »Hellenisten« zurückgehen, denen der Titel »Apostel« in Jerusalem nicht zugestanden wurde. Vgl. auch J. P. Dickson, Mission-Commitment, 328–336.
§ 5 Die Mission des Evangelisten Philippus
181
fester Begriff wie sonst die »Zwölf«. Darüber hinaus ist Philippus der Vater von vier Töchtern, die alle die Profetengabe besitzen. Hier wird das charismatischenthusiastische Element in der Urgemeinde und besonders bei den Hellenisten sichtbar. Die Frauen spielen dabei eine viel größere Rolle als später im 2. und 3. Jahrhundert.5 Philippus scheint dann – vermutlich zur Zeit des Ausbruchs des Ersten Jüdischen Krieges, der im Jahre 66 mit schweren Unruhen in Caesarea begann – wie auch andere Judenchristen nach Kleinasien geflohen zu sein und ließ sich in Hierapolis in Phrygien nieder. Der spätere Bischof Papias von Hierapolis (um 120/130 n. Chr.) berichtet, er habe von den Töchtern des Philippus dort noch mündliche Überlieferungen über Wundergeschichten erhalten.6 Noch später hören wir von dem Bischof Polykrates von Ephesus in seinem Brief an Viktor und die Kirche von Rom um 190 n. Chr. von drei Töchtern, eine sei verheiratet zu Ephesus gestorben, zwei der Profetinnen in Hierapolis seien unverheiratet geblieben. Man sieht hier, wie eine zuverlässige Personaltradition über mehr als hundertfünfzig Jahre weitertradiert werden konnte. Dabei identifiziert Polykrates allerdings den Evangelisten Johannes mit dem Lieblingsjünger, den wir aus dem Johannesevangelium kennen.7 Interessant sind diese Notizen auch als Hinweise auf eine charismatisch begründete Ehelosigkeit, mit der sich Paulus in 1 Kor 7 auseinandersetzt. Philippus und seine Töchter scheinen also 5 Auch Paulus spricht in 1 Kor 11,4 ff. ganz selbstverständlich von Frauen, die nicht nur in der Gemeinde beten, sondern »weissagen«: πᾶσα … γυνὴ … προφητεύουσα und gibt dazu konkrete Anweisungen. Siehe auch oben S. 64 bei Anm. 307. U. Schnelle, Jahre, 163, nimmt im Anschluß an A. v. Dobbeler an, daß es sich bei den »Töchtern« um profetisch begabte Schülerinnen gehandelt habe (A. v. Dobbeler, Philippus, 240, läßt die Frage jedoch offen). 6 Bei Euseb, H. e. 3,39,9 f. (GCS Eusebius II/1, 288,17–290,4 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann) u. ö. C. R. Matthews, Philip, 4–34, hält die Traditionen aus dem 2. Jahrhundert über Philippus für zuverlässiger als die Angaben von Lukas im Evangelium und in der Apostelgeschichte. Es habe nur einen Philippus gegeben, das heißt, der Apostel und Evangelist seien, wie schon Papias und Polykrates behaupten, identisch. Aber die Geschichte verlief doch wohl umgekehrt: Die kleinasiatischen Gemeinden hatten gegenüber dem Übergewicht Roms mit seiner Berufung auf Petrus und Paulus gute Gründe, Philippus und Johannes (den Presbyter) in apostolischen Rang zu erheben. Zur Diskussion siehe auch A. v. Dobbeler, Philippus, 283– 313; F. Avemarie, Tauferzählungen, 260–266; ausführlich R. Genz, Jesaja 53, 164–171. Der Streit erübrigt sich, wenn man sich klarmacht, daß Lukas als Begleiter des Paulus persönlich bei diesem »Evangelisten« Philippus zu Gast war (Apg 21,8, siehe oben Anm. 4), den er, eben weil er ihn noch persönlich kannte, vom Philippus des Zwölferkreises – anders als die Autoren des 2. Jahrhunderts – unterscheiden konnte. Zu Lukas als Paulusbegleiter siehe auch M. Wolter, Lk, 8. F. Amsler, Art. Philippus, RAC 27 (2016), 592, nimmt an, daß Martin Hengel so wie C. R. Matthews der Ansicht sei, Lukas habe den einen Philippus verdoppelt. In M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, 177 = KS III, 27, steht tatsächlich: »Die Glieder wählten aus ihrer Mitte das Vorstehergremium der ›Sieben‹, wobei es nicht ausgeschlossen ist, daß etwa Philippus ursprünglich zu den ›Zwölfen‹ gehört hatte und jetzt zu den ›Sieben‹ übertrat.« Diese vorsichtige Erwägung hat Martin Hengel meines Wissens später nicht mehr aufgegriffen. 7 Euseb, H. e. 5,24,2 f. (GCS Eusebius II/1, 490,14–21 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); zum Problem der Identifizierung siehe M. Hengel, Johanneische Frage, 34–37.79– 82.91 f.
182
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
wichtige Traditionsträger gewesen zu sein, denn der Weg des Philippus führt von den Anfängen in Jerusalem über Samarien und die Küstenebene mit Caesarea bis nach Hierapolis in die römische Provinz Asia, nahe bei Kolossae und Laodicea im Lykostal im westlichen Phrygien. Auf ihn und seine Töchter konnte sich die kleinasiatische Kirche im Brief des Polykrates von Ephesus noch im Passastreit mit Rom um 190 n. Chr. berufen;8 die Montanisten (um 170 n. Chr.) wollten gar mit seinen Töchtern eine profetische Sukzession begründen, die bis zu Montanus und seinen Profetinnen reichte. Frauen spielten offenbar im Urchristentum eine wesentlich größere Rolle, als es die sporadische spätere Überlieferung festgehalten zu haben scheint, denn bei genauerem Hinsehen lassen sich eine ganze Reihe von Zeugnissen finden.9 Doch die Tendenz, die Bedeutung der Frauen in ihrer aktiven Rolle als Apostoloi und Diakonoi in der Verkündigung und in der Leitung der Gemeinden zu unterdrücken, setzt schon früh ein und läßt sich bereits im lukanischen Doppelwerk im Vergleich mit den Briefen des Paulus beobachten.10 Vermutlich kannte Lukas eine Sammlung von Philippuslegenden, aus denen er zwei paradigmatische Erzählungen und ein Fragment auswählt: (a) die Mission des Philippus in Samarien, Apg 8,5–25, und (b) die Bekehrung des äthiopischen Ministers durch Philippus, 8,26–39, der Rest einer dritten bzw. vierten ist (c) in 8,40 enthalten, wo von der Entrückung des Philippus nach Asdod und seiner Niederlassung in Caesarea berichtet wird. Lukas hätte, ähnlich wie bei Petrus, uns aus seinem Schatz an mündlichen, legendär gefärbten Traditionen mehr berichten können, aber um seines eigentlichen Erzählziels – das Wirken des Paulus – willen wählt er paradigmatische Episoden aus, die die paulinische Heidenmission vorbereiten. Seine fragmentarische Berichterstattung beruht nicht allein auf Quellenmangel, sie ist zum Teil bewußt gewollt. Dies gilt für Philippus, aber 8 Euseb, H. e. 5,24,2 (GCS Eusebius II/1, 490,14–19 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Zur Datierung vgl. Hieronymus, Chronicon ad a. 193 (GCS Eusebius VII, 210 ed. Helm); dazu P. Lampe, Art. Victor I., RGG4 8 (2005), 1103 f. 9 Euseb, H. e. 5,17,3 (GCS Eusebius II/1, 470,12–17 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann), zu den montanistischen Profetinnen; siehe dazu oben. Vgl. schon A. v. Harnack, Mission, 589–611, der zu Recht betont (589): »Wer das Neue Testament und die nächstfolgenden Schriften aufmerksam liest, muß bemerken, daß die Frauen im apostolischen und nachapostolischen Zeitalter eine bedeutende Rolle in der Propaganda des Christentums und in den Gemeinden gespielt haben.« Harnack nennt eine ganze Anzahl von interessanten Belegen, etwa den – wie er vermutet, auf Markion zurückgehenden – Zusatz in Lk 23,5, Jesus habe nicht nur zur Steuerverweigerung aufgefordert, sondern auch Frauen und Kinder verleitet. Noch die Christengegner Kelsos und Porphyrios gießen ihren Spott über die nicht gesellschaftskonforme Rolle der Frauen in den christlichen Gemeinden aus; entsprechend empfindlich reagieren die späteren kirchlichen Schriftsteller auf das auffällige Verhalten christlicher Profetinnen. Vgl. weiter die Belege bei A. v. Dobbeler, Philippus, 233–240. 10 Siehe dazu A. Hentschel, Diakonia, 334 f. Daß man die Bedeutung der Frauen an sich gerade auch bei Lukas nicht unterschätzen darf, zeigt T. J. Calpino, Women.
§ 5 Die Mission des Evangelisten Philippus
183
auch für Petrus und erst recht für die Zebedaïden und den Herrenbruder Jakobus. Die Vielfalt der Traditionen, über die er verfügte, zeigt das reiche Sondergut des Evangeliums. Die ganze Darstellung Apg 1–8 und dann wieder Apg 10–12 soll zu Paulus hinführen. Ihm wird alles andere untergeordnet. Philippus, der zweite Mann unter den »Sieben« von Apg 6,5 nach dem Protomärtyrer Stephanus, ist eine nicht unwichtige Station dorthin.
5.2 Die Mission in Samarien11 Nach Apg 8,5 wandert Philippus »in die Stadt Samariens«12 und verkündigt dort Jesus als den Messias.13 Daß er – und wohl auch andere Hellenisten (8,1) – nach Samarien auswich, ist verständlich: In diesem zwischen Judaea und Galilaea gelegenen Gebiet, das nicht allzu weit von Jerusalem entfernt war,14 blieben sie vor Nachstellungen der Jerusalemer Gegner sicher und befanden sich doch nicht in heidnischem Land; denn auch die Samaritaner beachteten die Tora Moses, die sie als einzige Heilige Schrift anerkannten, besaßen auch eine eigene griechische Übersetzung des Pentateuchs15 und betrachteten sich als die wahren Israeliten. Wie die Juden waren sie als Militärsöldner unter den Ptolemäern nach Ägypten gekommen und dort angesiedelt worden. Hier kam es zwischen den 11 Vgl. zu Samarien: A. D. Crown, Samaritans; H. G. Kippenberg, Synagoge; M. Hengel, Geschichtsschreibung, 68 ff. = KS VI, 60 ff.; ders., Historiker Lukas = KS VI, 140–190; M. Böhm, Samarien, 37–92.279–308; S. Freyne, Names, 119–124; F. Avemarie, Tauferzählungen, 214–266; V. J. Samkutty, Samaritan Mission; C. S. Keener, Acts II, 1488–1493; J. Schröter / J. Zangenberg (Hgg.), Texte zur Umwelt, 522–530. Weiter zum samaritanischen Schisma M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 142–147; zur Mission in Samarien vgl. auch O. Cullmann, Samarien, 232–240. 12 εἰς τὴν πόλιν τῆς Σαμαρείας. Vgl. dagegen Jesu Gebot in Mt 10,5: καὶ εἰς πόλιν Σαμαριτῶν μὴ εἰσέλθητε (dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 353 ff. u. ö., und unten S. 188 mit Anm. 35. Der Artikel τήν ist mit ∏74, א, B, A, 1175 vorzüglich bezeugt und gegen den Mehrheitstext beizubehalten. 13 Apg 8,5: ἐκήρυσσεν αὐτοῖς τὸν Χριστόν. 14 Die Grenze zu Judaea verlief ca. 35–40 km nördlich von Jerusalem etwa auf der Linie Antipatris – Akrabeta. Sie hatte sich in hasmonäischer Zeit nach Norden verschoben. 15 Origenes verwendete in der Hexapla auch das »Samareitikon« (τὸ σαμαρειτικόν); vgl. S. P. Brock, Art. Bibelübersetzungen I, TRE 6 (1980), 169; H. G. Kippenberg, Synagoge, 335 ff.; skeptisch dagegen E. Tov, Bibelübersetzungen, 185; ders., Proto-Samaritan Texts, 400: »it is not certain whether there has ever been a Complete Greek translation of the Samaritan Pentateuch«. Vgl. dazu R. Pummer, Einführung, 18 f.; J. Wasserstein, Art. Samareitikon, in: A. D. Crown / R. Pummer / A. Tal (Hgg.), Companion, 209 f.: »the Samareitikon represents a version made from the Samaritan Hebrew text by translators familiar with the Septuagint« (210); A. D. Crown, Samaritan Scribes, 7.10.15–17 (mit Verweis auf R. Pummer): Die Samaritaner übernahmen die Septuaginta und revidierten sie für ihre eigenen Zwecke; sie können aber auch protosamaritanische Texttypen, wie sie sich in Qumran erhalten haben, selbst ins Griechische übersetzt haben (17). Siehe dazu J. Joosten, Samareitikon.
184
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
beiden Gruppen zu blutigen Auseinandersetzungen über die Frage, ob man seine Abgaben nach Jerusalem oder zum Garizim schicken sollte. Auf der Insel Delos in der Ägäis hat man zwei samaritanische Synagogeninschriften in griechischer Sprache aus der Zeit vor 100 v. Chr. gefunden, wo von Israeliten die Rede ist, die ihre Abgaben zum Berg Garizim, dem heiligen Berg der Samaritaner, bringen:16 Es gab so nicht nur eine jüdische, sondern auch eine samaritanische Diaspora mit ihren Synagogen, eine andere griechische Übersetzung der Tora (das Samareitikon) und dann auch zahlreiche samaritanische Synagogen in Palästina in späterer Zeit.17 Das alles bedeutet aber, daß »die Stadt Samariens«18 weder Sichem, das von Johannes Hyrkan zerstört und nicht wiederaufgebaut worden war,19 noch die frühere Metropole des Nordreichs, Samaria-Sebaste, sein kann; diese war von Alexander dem Großen zerstört und in eine makedonische Militärkolonie verwandelt worden und seitdem eine ganz überwiegend heidnische, betont judenfeindliche Stadt, die Herodes der Große neu aufgebaut, mit einem großen Augustustempel auf der Akropolis für den Kaiserkult ausgestattet und zu Ehren des Kaisers in »Sebaste« umbenannt hatte. Aus ihr stammte ein Teil der verhaßten römischen Besatzungstruppen in Palästina, die Sebastener.20 Daß man überhaupt auf den Gedanken gekommen ist, das heidnische Sebaste mit »der Stadt der Samaritaner« zu identifizieren, hängt mit dem rätselhaften Magier Simon zusammen, den man im »synkretistischen Milieu« dieser Stadt ansiedeln wollte.21 Die Mission 16 Vgl. dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 145. Die ältere Inschrift datiert P. Bruneau, Les Israélites de Délos, 465–475.483 f. auf 250–175 v. Chr., die jüngere auf 150–50 v. Chr.; deutsche Übersetzung der Inschriften bei J. Schröter / J. Zangenberg (Hgg.), Texte zur Umwelt, 530, die anschließend die Grabinschrift der Samarierin Ammia aus Athen mitteilen, die mit einem Euremon aus Antiochia verheiratet war. Vgl. P. W. van der Horst, Samaritan Diaspora; D. Noy / A. Panayotov / H. Bloedhorn, IJO I, 228–233 Nr. 66 und 67; samaritanische Epitaphe: op. cit., 158–162 Nr. 35–37. 17 Zu den samaritanischen Synagogen in Palästina siehe H. G. Kippenberg, Synagoge, 337–351. 18 Apg 8,5; zum Artikel siehe oben Anm. 12. 19 Zur Zerstörung der alten samaritanischen Priesterstadt durch Johannes Hyrkan siehe unten S. 186 bei Anm. 28. Es wurde danach nie wieder aufgebaut; vgl. Euseb, Onomastikon 807 (Συχέμ) (GCS NF 24, Eusebius III/1, 196,6 ed. Timm): νῦν ἔρημος. Früher wurde als Alternative Sichem oder Samaria-Sebaste diskutiert, siehe E. Haenchen, Apg, 292. R. Pesch, Apg I, 272 f., rechnete wieder mit Sichem. Vgl. zum Ganzen schon ausführlicher M. Hengel, Johannesevangelium, in: KS II, 297–308; ders., Historiker Lukas, 178–182 = KS VI, 181–187; vgl. C. S. Keener, Acts II, 1494 ff. 20 Josephus, Ant. 15,293.296 ff. Wie in Caesarea errichtete Herodes in der Stadt einen Augustustempel, vgl. 15,339. Er ließ die Söhne seiner hasmonäischen Frau Mariamne hier hinrichten, weil er in dieser ›heidnischen‹ Stadt keine Proteste befürchtete. Vgl. ausführlicher dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 53.55. Zur Stadtgründung und Kultstiftung des Herodes vgl. M. Bernett, Kaiserkult, 66–98. 21 Siehe dazu M. Hengel, Historiker Lukas, 178 f. = KS VI, 183 f. M. Zugmann, Hellenisten, 401, rechnet dagegen mit Berufung auf L. Schenke, Urgemeinde, 187 f.195 f., und
§ 5 Die Mission des Evangelisten Philippus
185
des Philippus und wohl auch anderer Hellenisten betraf vielmehr das »Volk der Samaritaner«,22 deren religiöses Zentrum der Berg Garizim ungefähr 15 km östlich von Samaria war und deren Hauptort damals das Städtchen Sychar (heute: Askar) war, das in Joh 4,5 im Zusammenhang der Geschichte von Jesus und der Samaritanerin am Jakobsbrunnen erwähnt wird.23 Auch bei Johannes ist ja schon von einer erfolgreichen Mission unter den Samaritanern die Rede, nur wird sie dort auf Jesus selbst zurückgeführt.24 Das Verhältnis der Samaritaner zu den Juden war trotz ihrer Anerkennung der Tora seit Jahrhunderten spannungsvoll. Die Samaritaner gehen auf die einfache nordisraelitische Bevölkerung zurück, die sich nach der Zerstörung Samarias 722 und der Verschleppung der alten Oberschicht25 mit den Zwangsumsiedlern aus Nordsyrien und dem Zweistromland, die als neue Oberschicht ins Land kamen, vermischte, jedoch am Jahweglauben festhielt. Nach außen wurden sie zum Teil kaum von den Juden unterschieden. Zu ersten Konflikten mit diesen kam es auf Grund der Reform und des Mischehenverbotes durch Nehemia 445 und Esra 398 v. Chr., das den Ausschluß der Samaritaner vom Tempelkult in Jerusalem zur Folge hatte. Als Antwort darauf bauten sie sich – wie die neueren W. Kraus, Zwischen Jerusalem und Antiochia, 56 ff., mit der Mission des Philippus in Samaria / Sebaste; so auch J. Zangenberg, Samaria, 397.420; D.-A. Koch, Geschichte, 182. Was gegen Sychar und für Sebaste als Wirkungsstätte des Philippus sprechen könnte, sind unter anderem sprachliche Gründe. Samaria war seit der Neugründung durch Alexander eine Stadt mit hellenistischer Kultur, in der man griechisch sprach. Sebaste besaß neben einer jüdischen auch eine samaritanische Minderheit. Doch siehe P. W. van der Horst, Languages, 191: »Aramaic was the vernacular of the Samaritans in the heartland, although Greek had made a heavy impact there (as it did in Jerusalem) – the many Samaritan inscriptions in Greek recently discovered on Mt. Garizim make this clear again.« V. J. Samkutty, Samaritan Mission, 86–98, führt gegen Hengel neun Argumente an, die für Samaria / Sebaste sprechen, deren wichtigstes zu sein scheint: »Starting from the Gentile city of Sebaste, [Philip] … goes to the road leading to the Gentile city of Gaza and then to Azotus … and finally ends up in the Gentile city of Caesarea.« Aber warum nennt Apg 8,5 dann nicht einfach Samaria / Sebaste, und warum berichtet Joh 4,5.39–42 ausgerechnet von einer Begegnung Jesu mit der Samaritanerin bei Sychar und daß das ganze Dorf zu der Erkenntnis kommt, Jesus sei der σωτὴρ τοῦ κόσμου? Diese Tradition ist doch nicht einfach aus der Luft gegriffen! C. S. Keener, Acts II, 1496, läßt die Frage, welche Stadt gemeint ist, wieder offen. Die unten S. 189 Anm. 39 erwähnten Geisteskranken, die Hieronymus in Samaria antrifft, könnte man mit der Wirkungsgeschichte der Besessenen in Apg 8,7 in Verbindung bringen. 22 Nach Apg 8,9 bringt Simon Magus das Volk von Samaria in Verwirrung: ἐξιστάνων τὸ ἔθνος τῆς Σαμαρείας. Zur rechtlichen Bedeutung von ἔθνος siehe M. Hengel, Judentum und Hellenismus, 686 Index s. v. Die Samaritaner sind ein ἔθνος wie die Juden oder die Idumäer und haben als Leitungsgremium eine βουλή (Josephus, Ant. 18,88), vergleichbar dem jüdischen Synhedrium. 23 M. Hengel, Johannesevangelium, in: KS II, 297–308; vgl. R. Achenbach, Art. Samaria. III. Religion, Geschichte, Literatur der Samaritaner, RGG4 7 (2004), 817 f. 24 Joh 4,39–42. Siehe dazu O. Cullmann, Samarien, 232–240. 25 Dazu ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 142 ff.; und besonders M. Böhm, Samarien, 38.105–114.
186
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Ausgrabungen gezeigt haben – direkt im Anschluß an dieses Schisma ein eigenes Jahweheiligtum auf dem Garizim, der zu ihrem heiligen Berg wurde in Konkurrenz zum Zion in Jerusalem.26 Die Angabe bei Josephus, daß das Heiligtum auf dem Garizim erst 100 Jahre später kurz vor dem Alexanderfeldzug unter Sanballat III. errichtet worden sei und im Zusammenhang mit einem Schisma innerhalb der jerusalemischen (Hohen‑)Priesterschaft stehe, entstammt der jüdischen antisamaritanischen Polemik.27 Als Heilige Schrift erkannten sie nur den Pentateuch an, nicht dagegen die profetischen Bücher, die damals noch keine »kanonische« Geltung hatten. In der hellenistisch-römischen Zeit verschärfte sich der Zwiespalt zwischen der Kultgemeinde in Jerusalem und der auf dem Garizim nicht zuletzt dadurch aufs äußerste, daß die Juden 128 bzw. um 107 v. Chr. unter dem makkabäisch-hasmonäischen Hohenpriester Johannes Hyrkan die samaritanische Tempelstadt auf dem Garizim und die dazugehörige Priesterstadt Sichem zerstörten.28 Seither war das zwei Kilometer nordöstlich am Fuß des Ebal gelegene Sychar ihr Zentrum. Die Juden sahen auf die Samaritaner mit tiefer Verachtung herab, sie waren für sie weder Heiden noch richtige Juden, die jüdische Bezeichnung Kûtîm29 denunzierte sie als Heiden aus Babylonien, benannt nach der Stadt Kût. Der Haß auf samaritanischer Seite gegen die Juden war nicht geringer.30 Schon Jesus versuchte diese Kluft zu überbrücken, so etwa, wenn er im Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner (Lk 10,30–35) den Fremden als Vorbild des wahren Gehorsams dem jüdischen Geburtsadel, dem Priester und dem Leviten, gegenüberstellt.31 Für die Hellenisten waren die Ermordung des Stephanus und ihre Vertreibung ein Zeichen der Verwerfung Jerusalems; der Tempel auf dem Zion hatte für 26 Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 142–146; J. Frey, Temple and Rival Temple; J. Schröter / J. Zangenberg (Hgg.), Texte zur Umwelt, 523 ff.; doch Zangenberg betont, daß von dem vom Ausgräber Yizhak Magen angenommenen Tempelbau aus persischer Zeit »jegliche Reste« fehlen (524), daß aber um 200 v. Chr. der Temenos erneuert, in großem Stil luxuriös mit Wohngebäuden bebaut und mit einer Stadtmauer versehen wurde. 27 Josephus, Ant. 11,302 f.306–312.321–324.340–347; vgl. auch N. Naʾaman, Art. Samaria. II. Provinz, RGG4 7 (2004), 816. 28 Josephus, Bell. 1,62 f.; Ant. 13,74–79; vgl. MegTaan 22 (Text und deutsche Übersetzung bei K. Beyer, Texte vom Toten Meer, 357). Siehe dazu M. Hengel, Johannesevangelium, in: KS II, 299; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 142–146. 29 Vgl. 2 Kön 17,24.30; Josephus, Ant. 9,288–291. Siehe auch den nichtkanonischen Talmudtraktat Kutim (Text und Übersetzung: M. Higger, Seven Minor Treatises) und Bill. I, 538–560. 30 Vgl. Josephus, Ant. 11,302–324: Bau des Heiligtums auf dem Garizim; Ant. 12,9 f.: Streit in Ägypten; Ant. 13,74–79 und 18,29 f.: Verunreinigung des Jerusalemer Tempels durch Totengebeine. Zum Ganzen siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 142–147. 31 Vgl. dazu M. Böhm, Samarien, 239–259.
§ 5 Die Mission des Evangelisten Philippus
187
sie schon durch den Tod Jesu seine Berechtigung als Ort der Sühne verloren. Damit war der Hauptgrund hinfällig geworden, der die Samaritaner von den Juden trennte. Sie erwarteten ebenfalls einen endzeitlichen Erlöser, der mit dem wiederkommenden Profeten, das heißt dem Mose redivivus von Dtn 18,15.18, identisch war.32 Auch die urchristliche Schriftauslegung deutete Dtn 18 auf den Messias Jesus.33 Das bedeutet, die Hellenisten konnten den Samaritanern verkündigen: Auch eure Erwartung hat sich in Jesus von Nazareth, der von der Priesterschaft in Jerusalem verworfen und von den Römern gekreuzigt wurde, erfüllt. Er ist auch identisch mit dem von euch erwarteten, in Dtn 18,15–18 verheißenen Profeten. Damit ist der alte Gegensatz aufgehoben. Die Argumentation der Hellenisten ist in der hinter Joh 4 liegenden Tradition angedeutet. Nach Joh 4,19–24 soll man Gott weder auf dem Garizim noch in Jerusalem verehren, sondern er will als der Vater »im Geist und in der Wahrheit angebetet werden«. Jesus selbst gibt sich der Samaritanerin als der den beiden religiösen Gruppen verheißene Erlöser zu erkennen, der die rechte Verehrung des Vaters offenbart. Es handelt sich hier um eine historisierende Zurückverlegung der Samaritanermission in die Wirksamkeit Jesu selbst, eingefärbt mit johanneischer Christologie.34 Auch der Protest gegen diese Mission, der vermutlich von den 32 Vgl. die Abänderung im Samaritanischen Pentateuch im Anschluß an den Dekalog Ex 20, die hier unter anderem Dtn 18,15.18 einfügt. Siehe dazu die Übersetzung und synoptische Gegenüberstellung bei M. Böhm, Samarien, 313–316. Zu den gespannten eschatologischen Erwartungen der Samaritaner siehe Josephus, Ant. 18,85–89: Er berichtet über das Vorhaben einer großen Volksmenge im Jahr 36 n. Chr., unter der Führung eines Profeten zum Garizim zu ziehen, der ihnen die dort von Mose verborgenen Tempelgeräte zeigen wollte. Josephus schildert diesen Profeten als Lügner und Volksverführer. Das militärische Eingreifen des Pilatus führte zu einem Blutbad, zusätzlich ließ er auch vornehme Samaritaner töten. Deshalb wurde Pilatus bei Vitellius, dem Statthalter von Syrien, angezeigt und von diesem nach Rom zur Verantwortung vor dem Kaiser geschickt. Der Rat (βουλή) der Samaritaner gibt als Grund für die ›Zusammenrottung‹ des Volkes an, sie seien vor der Frevelhaftigkeit des Pilatus geflohen. Damit kommen neben den religiösen auch die politischen Spannungen zum Ausdruck, die die Herrschaft des Pilatus in Judaea nach der Darstellung von Philo und Josephus kennzeichneten. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 147; F. Dexinger, Der Taheb. Ein »messianischer« Heilsbringer der Samaritaner, Kairos 3, Salzburg 1986 (non vidi); vgl. dazu die leichter zugängliche Rezension von S. Powels, ThLZ 113 (1988), 799–803. 33 Apg 3,22 zitiert in der Petrusrede Dtn 18,15.19; vgl. die Stephanusrede Apg 7,37 und den messianischen Profeten in Joh 1,21; 5,46. In der Bergpredigt wird Jesus als der neue Mose, der endzeitliche Gesetzgeber und Profet, dargestellt, ähnlich in der Verklärungsperikope der Synoptiker. Auch in Qumran wurde Dtn 18 messianisch interpretiert; siehe dazu J. Zimmermann, Messianische Texte, 314 ff. und 512 Index zu Dtn 18; weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 164.167 und 656 Index zu Dtn 18,15–18. 34 Joh 4,39–42: Es kommen viele der Samaritaner aus Sychar zum Glauben, und sie bekennen Jesus als den »Erlöser der Welt« (σωτὴρ τοῦ κόσμου). Das heißt, diese aus dem Rahmen des Evangeliums herausfallende »Samaritanermission« deutet für den Evangelisten die weltweite Heidenmission an. Ein Anachronismus ist, daß die Samaritanerin in 4,25 vom »Messias, dem sogenannten Gesalbten« spricht. »Der Gesalbte« spielte in der samaritanischen eschatologi-
188
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
judenchristlichen »Hebraioi«35 ausging, hat sich in einem angeblichen Jesuswort aus der Aussendungsüberlieferung (Mt 10,5 f.) niedergeschlagen: »Auf den Weg der Heiden geht nicht, und in eine Stadt der Samaritaner geht nicht hinein, geht vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel!«
Der Nachsatz von den »verlorenen Schafen des Hauses Israel«, der in Mt 15,24 wieder auftaucht, könnte dagegen auf ein echtes Jesuswort zurückgehen. Das Bildwort von den »verlorenen Schafen« nimmt die Hirtenrede in Ez 34 mit V. 16 auf: τὸ ἀπολωλὸς ζητήσω.36 Jesus sah in den verlorenen Schafen, den ʿammê hā-ʾāräṣ, die einfache, ungebildete Bevölkerung einschließlich der Zöllner und Sünder; die Hellenisten könnten im Anschluß an diese Intention Jesu auch in den Samaritanern solche »verlorenen Schafe des Hauses Israel« gesehen haben. Das heißt, gerade durch die Mission unter den Samaritanern sollte das ganze, wahre Israel der Endzeit restituiert werden. Es handelte sich dabei noch nicht um eine Völkermission, wohl aber um einen ersten Schritt in diese Richtung, also über die enge Grenze eines »rechtgläubigen« Judentums hinaus. Lukas, der die Verhältnisse im jüdischen Palästina aus eigener Anschauung kannte, läßt darum – historisch zutreffend – Philippus als Prototyp der Hellenisten zuerst als Missionar in Samarien auftreten.37 Während die Hellenisten sich also in konsequenter Weise Schritt für Schritt auch auf die gesetzeskritische Heidenmission zubewegten, wurden die Widerstände gegen diese Entwicklung im palästinischen Erwartung keine Rolle, da sie ja das davidische Königtum, die Profetenbücher und die Hagiographen ablehnten. 35 Vgl. auch F. Avemarie, Tauferzählungen, 250 Anm. 191: »Mt 10,5 muss auf eine Zeit zurückgehen, in der die ablehnende Haltung mancher Judenchristen gegenüber einer Missionierung der Samaritaner noch die Gestalt eines autoritativen Herrenworts anzunehmen … vermochte.« A. v. Dobbeler, Philippus, 39, lehnt den Bezug zu Mt 10,5 ab und sieht dagegen das »Bindeglied« zwischen den beiden Philippuserzählungen in Jes 56,3–7. Doch sind das keine Alternativen, die sich gegenseitig ausschließen. M. Bird, Jesus, 53, bezweifelte, daß es je judenchristlichen Widerstand gegen die Heidenmission gegeben haben könnte; er hat sich korrigiert und spricht vorsichtiger (in ders., Crossing, 153) von der Sicht des Evangelisten, daß »the Matthean Jesus is only sent to the lost sheep of the house of Israel … [A]fter the resurrection he commands his followers to make disciples of all nations«. 36 Zum »Auftrag Jesu, das Verlorene zu suchen und selig zu machen« (Lk 19,10; 15,1–7), »welcher im großen Hirtenbild Ez 34 gründet … [und] der alttestamentlich sehr verbreiteten Vorstellung Israels als der Herde Gottes« entspricht, siehe R. Genz, Jesaja 53, 288; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 334 f.357. Der Evangelist versteht dann ganz Israel im Gegenüber zu Heiden und Samaritanern als die »verlorenen Schafe«; vgl. U. Luz, Mt II, 90.434, der aber die Authentizität der Wendung von den »verlorenen Schafen des Hauses Israel« nicht erörtert und nicht zwischen der Intention Jesu und der des Evangelisten unterscheidet. Nach Origenes, De principiis 4,3,8.10 (TzF 24, 752.760 ed. Görgemanns / Karpp), beriefen sich dann »die geistig armen Ebioniten« auf dieses Jesuswort. 37 Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 355 ff. zum lukanischen Reisebericht (Lk 9).
§ 5 Die Mission des Evangelisten Philippus
189
schen Judenchristentum in der späteren Zeit – in den Jahrzehnten zwischen dem Tod Agrippas I. und dem Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges – eher größer. Getreu seinem häufig schematischen Erzählstil berichtet Lukas keine Details, sondern hebt nur – wie schon bei den Aposteln und bei Stephanus in Jerusalem38 – die Wundertaten, das heißt die Exorzismen und Heilungen des Missionars, hervor.39 Durch diese Krafttaten wird auch ein samaritanischer Magier mit dem Allerweltsnamen Simon40 gewonnen, der zuvor unter den Samaritanern großes Aufsehen erregt hatte: Sie glaubten, er sei »die Kraft Gottes, die die große genannt wird«,41 das heißt eine »Inkarnation« der »Kraft Gottes«, samaritanisch der ḥêlā rabbā, ein Begriff, der den Namen Gottes umschreiben konnte.42 Als nun die Predigt des Philippus von der Gottesherrschaft und dem rettenden Namen Jesu Glauben fand und viele getauft wurden, sei – so Lukas – auch Simon auf Grund der »großen Krafttaten« des Philippus, die seine eigenen magischen Künste in den Schatten stellten, ebenfalls zum Glauben gekommen und habe sich taufen lassen. Die Erzählung von der Samaritanermission wird freilich durch Lukas zugleich verkompliziert durch das Nebeneinander (und Gegeneinander?) des Wirkens des Philippus und der Apostel Petrus und Johannes. Ähnlich wie Lukas von der Einsetzung der Sieben als bloßen Wirtschaftsverwaltern und Armenpflegern durch die zwölf Apostel berichtet, ordnet er nun wieder Philippus den Aposteln unter und läßt jetzt dessen samaritanische Mission durch die höchsten Autoritäten in Apg 2,43; 3,1–8; 5,12–16 und 6,8. Apg 8,6 f. Siehe auch C. K. Barrett, Acts I, 403 ff.; J. A. Fitzmyer, Acts, 402 f.; F. Avemarie, Tauferzählungen, 216 zur Gegenüberstellung mit Simon Magus: Die σημεῖα des Philippus »lassen den, der bis dahin das Publikum mit μαγείαι [sic] in Staunen versetzt hatte (8,11), selber ins Staunen geraten (8,13).« Vgl. auch C. S. Keener, Acts II, 1517. Die Heilung von Besessenen spielte auch in späterer Zeit eine bedeutende Rolle in Samaria. Am Grab des Profeten Elisa, in dessen Nähe man in dieser Zeit auch das Obadja-Grab und das Johannes’ des Täufers verehrte, traf Hieronymus (Ep. 108,13 [CUFr V, 174,10–20 ed. Labourt]) in Sebaste / Samaria auf eine regelrechte »antike Irrenanstalt« mit laut schreienden Menschen, die »wie Dämonen unter den verschiedensten Qualen brüllten und … vor den Gräbern der Heiligen heulten wie Wölfe, bellten wie Hunde …«, siehe dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden II, 273 f. Anm. 59; 275. 40 Šimʿôn und seine gräzisierte Form Simon ist der häufigste Name im jüdischen Palästina. T. Ilan, Lexicon I, 218–235, zählt 491 Beispiele. 41 Apg 8,10: ἡ δύναμις τοῦ θεοῦ ἡ καλουμένη μεγάλη. 42 K. Beyschlag, Simon Magus, 99–126. Vor allem im Memar Marqah ist viel von der »großen Kraft« Gottes bzw. seinen Kräften die Rede; siehe schon die Einleitung seiner Lehre: »Groß ist die große Kraft, die ewig bleibt« (1,1) oder »die große Kraft antwortet ihm«, das heißt Mose (1,2). Siehe J. Macdonald (Hg.), Memar Marqah 1,1.2 (Bd. I, 5.7, vgl. 9; Übersetzung Bd. II, 5.7.10) u. ö. Dazu A. Broadie, Samaritan Philosophy, 54: »The Powers of God«, dort auch Belege aus den Hymnen. Er betont besonders die Beziehungen zu Philo; dazu kritisch R. Pummer, Einführung, 33 f. Vgl. weiter die Edition von Z. Ben-Ḥayyim, Tibat Marqe, 41 u. ö.; siehe dazu schon H. G. Kippenberg, Synagoge, 333 f.; F. Avemarie, Tauferzählungen, 231. 38 39
190
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Jerusalem, Petrus und Johannes, inspizieren.43 Philippus kann nach der Meinung des Lukas nicht völlig aus eigener Vollmacht handeln, seine neue Arbeit bedarf der Bestätigung durch die Führer der Urgemeinde in der Heiligen Stadt. Erst durch die Handauflegung des Petrus und des Johannes erhalten die getauften Samaritaner die Gabe des Geistes. In Wirklichkeit war die Mission der Hellenisten ein – zumindest zunächst – relativ selbständiges Unternehmen. Lukas fügt noch eine weitere Komplikation hinzu: Der angeblich bekehrte Magier Simon sucht von Petrus die Gabe der Geistmitteilung durch Geld zu erkaufen – das katholische Kirchenrecht seit der Spätantike hat aus diesem Versuch die Sünde der »Simonie«, des Kaufs von kirchlichen Ämtern, gemacht. Er wird von Petrus mit einem Fluchwort abgewiesen: »Du hast keinen Anteil an diesem Wort (des Heils). Denn dein Herz ist nicht rechtschaffen vor Gott. Kehre um von deiner Bosheit und bitte den Herrn, ob dir deine bösen Herzensgedanken vergeben werden. Denn ich sehe, daß du bittere Galle und eine Fessel der Ungerechtigkeit bist.«44
Simon bittet tief erschrocken als bußfertiger Sünder um die Fürbitte der Apostel, damit die angedrohte Strafe nicht auf ihn komme! Während man am Faktum der samaritanischen Mission des Philippus kaum zweifeln kann, bleibt die historische Beurteilung der ganzen Geschichte inklusive der Simon-Magus-Episode und der Petrusmission in Samarien schwierig. Sehr wahrscheinlich ist die unmittelbar folgende Bestätigung und Legitimation der Arbeit des Philippus durch Petrus und Johannes eine Konstruktion des Lukas. Die Apostel hatten an sich ja etwas anderes zu tun, als die missionarischen Erfolge des Philippus in Samarien zu inspizieren, zumal in Jerusalem noch angeblich eine »schwere Verfolgung« wütete. Sehr wohl möglich ist dagegen, daß zu einem späteren Zeitpunkt im Zusammenhang mit dem weiteren Wachstum der Mission im nichtjüdischen Palästina und im südlichen Syrien die judenchristliche Gemeinde in Jerusalem Interesse daran fand, zu den neuen samaritanischen Gemeinden eine Verbindung herzustellen und zugleich die geistliche Führung dort zu übernehmen. Die Samaritaner waren ja keine gesetzlosen Heiden, sondern fühlten sich so streng an das Gesetz Moses und an den Gott Israels gebunden wie die Juden. Unter anderem erscheint das jüdische Grundbekenntnis, das Šemaʿ Jiśrāʾel, häufig in samaritanischen Synagogeninschriften.45 In diesem Punkt standen sie darum den palästinischen Judenchristen sehr viel näher als die späteren Heidenchristen. Möglicherweise verfügte Lukas über verschiedene Berichte, einen von der erfolgreichen Wirksamkeit des Philippus in Samarien und, in seiner Sammlung von Petrusgeschichten, eine Erzählung Apg 8,14–17. Apg 8,21 ff. 45 G. Davies, Samaritan Inscription, 3–19. 43 44
§ 5 Die Mission des Evangelisten Philippus
191
von der Mission des Petrus (und des Johannes) im selben Gebiet einschließlich einer Tradition über eine Auseinandersetzung zwischen Petrus und Simon, dem samaritanischen Magier, und hat sie zusammengearbeitet, um dadurch Samarien mit den Jerusalemer Autoritäten zu verbinden und diesen unterzuordnen. Nicht weniger schwierig ist die Rolle des Magiers Simon.46 Lukas nennt ihn hier nur einen samaritanischen Magier, der den Anspruch erhebt, die Kraft Gottes, das heißt Gott selbst bzw. eine göttliche Hypostase, zu verkörpern. Dem entspricht die Darstellung Simons in den Pseudoklementinen und in den romanhaften Petrusakten,47 wo die Kontroverse zwischen Petrus und seinem Erzfeind Simon ausführlich erzählt wird und sich bis Antiochia und Rom erstreckt. Wir besitzen jedoch seit Justin und Irenäus Nachrichten, die diesem Simon Magus eine ungleich größere Bedeutung zuschreiben, als er bei Lukas besitzt, und die ihn zur Wurzel aller Häresien, insbesondere der gnostischen Bewegung, machen.
Exkurs: Simon Magus bei Lukas und die simonianische Gnosis48 Von Justin dem Märtyrer, der rund 70 Jahre nach Lukas in der Mitte des 2. Jahrhunderts seine Apologie an Kaiser Antoninus Pius (138–161 n. Chr.) schrieb und selbst aus Neapolis in Samarien stammte, erhalten wir weitere Nachrichten über Simon und seine sich auf ihn berufenden Anhänger.49 Danach kam Simon aus dem samaritanischen Dorf Gittai, vermutlich ca. 15 km südöstlich von Caesarea. Er wurde auf Grund seiner magischen Praktiken von fast allen Samaritanern »für den ersten Gott gehalten und angebetet«, eine Tradition, die sicher übertrieben ist, denn wieder ungefähr drei Generationen später hören wir von Origenes das Gegenteil: »Es wollte aber auch der Magier Simon, der Samaritaner, einige durch die Magie gewinnen, und er betrog sie damals. Jetzt aber kann man in der Welt insgesamt keine 30 finden, und vielleicht ist auch diese Zahl zu hoch gegriffen. Sie sind aber auch in Palästina sehr wenige, nirgendwo in der übrigen Welt findet sich sein Name.«50 K. Beyschlag, Simon Magus, 99 ff.; K. Lake, Beginnings, 151 ff.; J. A. Fitzmyer, Acts, 399–408; F. Avemarie, Tauferzählungen, 51–54.243–254; G. Theissen, Simon Magus; S. Haar, Simon Magus; H.-F. Weiss, Gnosis, 117–130 (»Exkurs: ›Simon Magus‹ oder ›Simon Gnosticus‹?«). J. D. G. Dunn, Beginning, 284, nennt ihn »one of the most interesting figures of the ancient world«, das gilt für seine Nachgeschichte über die Pseudoklementinen bis hin zu Goethes Faust. Vgl. H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten, 237. 47 Vgl. dazu H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten, 97–113 u. ö., siehe Index 284 s. v. »Simon Magus«; ders., Apokryphe Bibel, 229–266; ferner unten S. 193 Anm. 58. 48 Vgl. G. Lüdemann, Gnosis (zu spekulativ); K. Beyschlag, Simon Magus, passim; M. Hengel, Paulus und die Frage einer vorchristlichen Gnosis, in: KS III, 477 ff.; ders., Gnosis, 212–214 = KS VI, 578–581; H.-J. Klauck, Magie, 25–28; F. Avemarie, Tauferzählungen, 243–254; G. Theissen, Simon Magus, 407–432; S. Haar, Simon Magus; J. Zangenberg, Art. Simon Magus, RGG4 7 (2004), 1327; H.-F. Weiss, Gnosis, 123–129; B. Aland, Gnosis, 77–81.90–102 und 428 Index s. v. »Simon Magus«; C. S. Keener, Acts II, 1499–1520. 49 Justin, 1 Apol. 26,2–4 (SC 507, 198 ff. ed. Munier). 50 Origenes, Contra Celsum 1,57 (SVigChr 54, 59,5–9 ed. Marcovich). 46
192
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Noch schwieriger ist der Versuch der Rekonstruktion seiner Lehre. Justin bringt noch eine Notiz, die in gnostische Richtung weist: »(Die Samaritaner) nennen eine Helena, die zu jener Zeit mit ihm umherzog und die zuvor in einem Bordell gelebt hatte, die von ihm [d. h. Simon als dem ›ersten Gott‹] ausgehende erste Ennoia (›den ersten Gedanken‹).«51 Simon scheint hier bereits – sekundär (!) – mit dem gnostischen höchsten Gott und ersten Vater identifiziert zu sein, der den Gedanken (ἔννοια) zur Weltschöpfung faßt. Helena, die Gefährtin Simons, die er angeblich in einem Bordell gefunden hat, wird dann hier ebenfalls mit dem simonianisch-gnostischen Mythos in Verbindung gebracht als »sein von ihm ausgehendes ἔννοια-Kind«.52 Erst Irenäus um 180 n. Chr. weiß wesentlich mehr zu berichten: Simon habe gelehrt, er sei unter den Juden als Sohn erschienen, in Samaria aber als Vater niedergestiegen, zu den übrigen Völkern sei er als heiliger Geist gekommen, eine Behauptung, die erst im 2. Jahrhundert entstanden sein kann und Texte wie Mt 28,19 und Did 7,1.3 mit trinitarischer Formel voraussetzt. Irenäus macht Simon auch zum Vater aller Häresien, die die Kirche heimgesucht hätten.53 Das Problem ist, ob und wieweit wir von den Ketzerpolemiken des 2. und 3. Jahr hunderts auf den »historischen Simon Magus« des 1. Jahrhunderts in Samarien zurück schließen dürfen und wie das Verhältnis dieser späteren Nachrichten zu dem lukanischen Bericht über den samaritanischen Magier näher zu bestimmen ist. Bei Lukas, unserer mit Abstand ältesten Quelle, hören wir weder etwas von seiner Verehrung als menschgewordenem höchsten Gott noch von gnostischen Lehren – er erscheint in keiner Weise als Irrlehrer, der die Kirche bedrohen könnte –, noch auch von der polemisch verzerrten Skandalgeschichte mit der ehemaligen Dirne Helena.54 Im Gegenteil, er wird am Ende als zerknirschter Sünder dargestellt. Es ist darum sehr fragwürdig, wenn in der Forschung55 immer wieder versucht wurde, den schlichten Bericht des Lukas von den späteren Kirchenväternachrichten her 51 Justin, 1 Apol. 26,3 (SC 507, 200,15 f. ed. Munier): τὴν ὑπ’ αὐτοῦ ἔννοιαν πρώτην γενομένην: Das heißt, Helena sei der von Simon als dem ersten Gott ausgehende »erste Gedanke«. Man könnte diesen »ersten Gedanken« mit der jüdischen »Weisheit« oder der »Weltseele« der griechischen Philosophie vergleichen. Im Referat des Irenäus, Adversus haereses 1,23 (SC 264, 312–318 ed. Rousseau / Doutreleau), über die simonianische Gnosis ist sie die Helena, um die der trojanische Krieg entbrannte, die von da an von Körper zu Körper wanderte, bis sie im Bordell landete, wo Simon sie fand; sie ist das verlorene Schaf (Mt 18,12 f.; Lk 15,4–7). 52 B. Aland, Gnosis, 80; vgl. 65 f. Anm. 65; 75. 53 Irenäus, Adversus haereses 1,23,2 (SC 264, 314,34 f. ed. Rousseau / Doutreleau): … ex quo uniuersae haereses substiterunt; Euseb, H. e. 2,13,6 (GCS Eusebius II/1, 136,8 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann): πάσης … ἀρχηγὸν αἱρέσεως. Vgl. H. F. Weiss, Gnosis, 46–49.117–129. 54 C. Colpe, Barbarisierung, 171 f. = ders., Griechen, 109, unterstreicht dagegen: »Es ist schwer verständlich, wieso man die Tatsache, daß Simon tatsächlich eine Dirne namens Helena in Tyrus freigekauft und als seine Ennoia ausgegeben hat, historisch in Zweifel hat ziehen können.« 110: Wahrscheinlich war »das Zusammenleben Simons und Helenas samt der mitgegebenen Deutung … die erste Keimzelle des Mythos«. Wenn Colpe recht hat, dann übergeht Lukas die anstößige Begleiterin Simons mit Schweigen aus Rücksicht auf Theophilos, dem er Unerbauliches erspart. 55 Siehe dazu M. Hengel, Gnosis, 212 ff. = KS VI, 578–581; K. Beyschlag, Simon
§ 5 Die Mission des Evangelisten Philippus
193
zu interpretieren, da Lukas die wesentlichsten Aussagen über Simon in seinem Bericht unterschlagen habe. Dies entspricht einem methodischen Fehlschluß, wie wenn man die Offenbarungsaussage des Johannesevangeliums 10,30: »Ich und der Vater sind Eines« gegen die einfachere Christologie der Synoptiker ausspielen würde und behauptete, diese hätten die wichtigsten Selbstaussagen Jesu, die wir bei Johannes, dem spätesten Evangelium, finden, bewußt weggelassen. Sowenig man von der Christusspekulation der Schule Valentins auf den historischen Jesus zurückschließen kann, so wenig läßt sich aus den gnostischen Lehren der Simonianer des 2. Jahrhunderts n. Chr. etwas über den historischen Simon Magus erschließen. Karlmann Beyschlag hat gezeigt, wie sehr die ganze simonianische Gnosis mit christlichen Traditionen, zum Teil paulinischen Charakters, durchsetzt ist. Deutlich wird dies an der zitierten Nachricht des Irenäus, Simon sei unter den Juden als Sohn, unter den Samaritanern als Vater und unter den Völkern als Geist aufgetreten: Hier werden die christliche Trinität und das Missionsschema der Apostelgeschichte – Juden, Samaritaner, Heiden – vorausgesetzt. Weiter lehren die Simonianer nach Irenäus, die Welt sei von Engeln erschaffen, die die Menschen unter das Gesetz versklavten, und Simon vermittele die Befreiung von ihrem Gesetz und bewirke damit Gerechtigkeit und Freiheit. Hier werden Motive des paulinischen Evangeliums auf die Lehre Simons übertragen. Das heißt, diese setzt festgefügte christliche Tradition voraus. Man kann darum schon längst den Magier Simon auch nicht mehr als Hauptzeugen einer angeblichen vorchristlichen Gnosis anführen. Das Umgekehrte scheint der Fall zu sein: Wahrscheinlich war dieser Simon – vielleicht auf Grund der Missionspredigt des Philippus – zunächst einige Zeit Christ gewesen, bevor er selbst als unabhängiger »Wundertäter«, das heißt in den Augen seiner Gegner als »Magier«, auftrat mit dem Anspruch, als Verkörperung der großen Kraft, also Gottes selbst, Wunder zu wirken. Vielleicht war hier Jesus sein Vorbild.56 Möglicherweise hat er sich auch als samaritanischer »Messias«, das heißt als Mose redivivus, verstanden. So spricht der größte samaritanische Theologe der Antike, Marqah, davon, daß Mose der »Besitzer« von Gotteskraft gewesen sei, denn diese »sei offenbar gewesen in allen seinen Werken«.57 Wahrscheinlich kam es dann auch zu einem Zusammenstoß des ehemaligen Christen Simon Magus mit Petrus. In den späteren Petrusakten und dem Roman der Pseudoklementinen aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts erscheint Simon Magus in Caesarea, Antiochia und Rom als der große Widersacher des Apostels Petrus. Er wird dabei nicht als gnostischer Lehrer, sondern als Pseudomessias und Zauberkünstler dargestellt, der ein ehemaliger Schüler Johannes’ des Täufers gewesen sei, eine Vorstellung, die der des Lukas einigermaßen nahekommt.58 Im Grunde kann man über den historischen Simon Magus so nur noch Vermutungen anstellen. Es laufen hier zwei Traditionslinien unverbunden nebeneinanderher: (a) Simon Magus, 49 f.211–219; H.-J. Klauck, Magie, 27 f. Noch J. Jervell, Apg, 267 f., hält es für wahrscheinlich, daß die »Missionare« hier auf die simonianische Gnosis in statu nascendi stießen. 56 Vgl. z. B. die Tradition vom falschen Exorzisten Mk 9,38–41 = Lk 9,49 f. 57 J. Macdonald (Hg.), Memar Marqah 6,6 (Bd. I, 142 oben; Übersetzung Bd. II, 232). Mose ist dies als »Gottes Macht« und »Mann«, »mit Gottes Namen bekleidet« (Bd. I, 141 unten; Übersetzung Bd. II, 232). 58 Zu den Petrusakten siehe NTApo II5, 261–283; PsClem H 2,22–26.35; 3,29 f.38–43.58 (GCS Pseudoklementinen I, 43–46.50.67 f.70–73.77 f. ed. Rehm / Strecker).
194
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
der Magier bei Lukas und den christlichen Apokryphen – dies ist die ältere Tradition, und (b) Simon, der erste gnostische »Häretiker« bei Justin und Irenäus als die spätere, auf die Simonianer in Rom zurückgehende Überlieferung. Letztere hat christliche Züge bei Simon eingetragen und scheint eher spätere Konstruktion zu sein, die mit der Gnostisierung seiner Anhänger in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts zusammenhängen mag.59 Lukas selbst möchte mit dieser Erzählung die durch Gottes Geist gewirkten Zeichen, die echten δυνάμεις der Apostel und urchristlichen Missionare, gegenüber aller »synkretistischen« und jüdischen Magie abgrenzen. Von Gnosis ist bei ihm noch nichts zu spüren. Im Gegensatz zu magischen Praktiken lassen sich die Wirkungen und Gaben des Geistes nicht durch Geld erkaufen. Noch der Heide Kelsos erhebt den Vorwurf: Jesus und die Apostel hätten ihre Wunder »auf Grund von Magie und nicht durch göttliche Kraft« gewirkt.60 Gegen derartige Vorwürfe grenzt sich Lukas ab. Er zeigt damit, historisch durchaus zutreffend, daß in dem Augenblick, wo die urchristliche Mission die Grenzen des palästinischen Judentums überschritt, die Auseinandersetzungen und die Abgrenzung gegenüber der synkretistischen Magie für sie zum Problem wurden, sei es, daß die christlichen Missionare als Magier denunziert wurden, sei es, daß einzelne Christen in der Gefahr waren, sich – im Namen Christi – durch magische Praktiken zu bereichern bzw., wie Simon Magus, einen eigenen synkretistischen Kult zu gründen. Nach Joh 8,48 bezeichnen die jüdischen Gegner Jesus als einen von einem Dämon besessenen Samaritaner.61
5.3 Philippus und der äthiopische Minister und Eunuch (Apg 8,26–40)62 Die zweite Missionslegende über Philippus unterscheidet sich schon durch ihre lebendige Erzählung erheblich von dem etwas schematischen Missionsbericht aus Samarien. Fast möchte man meinen, Lukas habe sie nicht zuletzt des Kontrastes wegen ausgewählt. Folgende Unterschiede sind wesentlich: 1. Es wird hier nicht die Missionierung eines ganzen Gebiets bzw. eines ἔθνος, sondern nur die eines einzigen – freilich sehr einflußreichen – Mannes berichtet. Er ist ein hoher Beamter, der noch zusätzlich als »Eunuch« bezeichnet wird, aus Äthiopien, das bedeutet damals aus dem Reich von Meroë im heutigen Sudan nördlich von Karthum am Oberlauf des Nils. Im Rahmen des antiken Weltbil59 Siehe dazu H. F. Weiss, Gnosis, 117–129 (123): »Spezifisch ›Gnostisches‹ lässt sich – zunächst jedenfalls von Acta 8 her gesehen – an Simon und seinem Selbstverständnis nicht ausmachen – geschweige denn so etwas wie eine bereits ›gnostisch‹ gestaltete Soteriologie.« Eine Entwicklung in dieser Richtung läßt »sich eindeutig erst bei dem Märtyrer Justin belegen« (123). Ebenso B. Aland, Gnosis, 78–80. Zu Simons Schüler Menander siehe unten S. 523. 60 Origenes, Contra Celsum 1,38 (SVigChr 54, 40,7 f. ed. Marcovich): ἀπὸ μαγείας καὶ οὐ θείᾳ δυνάμει. 61 Σαμαρίτης εἶ σὺ καὶ δαιμόνιον ἔχεις, das heißt, er wird selbst als fragwürdiger Volksverführer (vgl. Joh 7,12; Mt 27,63 f.) dargestellt. Vgl. U. Schnelle, Jahre, 163. 62 F. Avemarie, Tauferzählungen, 267–294; A. v. Dobbeler, Philippus, 107–180; A. Lindemann, Eunuch; C. S. Keener, Acts II, 1534–1596; dazu jetzt R. Genz, Jesaja 53, 39–181.
§ 5 Die Mission des Evangelisten Philippus
195
des lebten die Äthiopier im »tiefen Süden« nahe der Grenze der bewohnbaren Welt. Sein Amt ist das eines Finanzministers der dortigen Königin Kandake.63 Kandake ist dabei nicht Eigenname, sondern Titel, wird aber ähnlich wie Pharao im Alten Testament von Lukas als Eigenname betrachtet.64 Zugleich ist der Minister, der ausdrücklich ἀνὴρ Αἰθίοψ genannt wird, wohl nicht gebürtiger Jude,65 sondern Sympathisant des jüdischen Glaubens – kaum Proselyt – und reist aus diesem Grunde als Pilger nach Jerusalem, um dort dem wahren Gott zu huldigen.66 So betont und ausführlich Lukas den sozialen Stand des hohen Beamten beschreibt, so unklar drückt er sich über seine religiöse Zugehörigkeit aus und läßt die Frage im Grunde offen. Bei der Begegnung mit Philippus hat der Finanzminister gerade die Heimreise begonnen und ist auf dem Wege von Jerusalem nach Gaza. Lukas erreicht durch die Auswahl dieser Erzählung, der ein Erlebnis des Philippus zugrunde liegt, dreierlei: a) Er berichtet erstmals die Bekehrung einer hochgestellten Persönlichkeit, die als Vorbild für den Heiden Theophilos, dem das Doppelwerk gewidmet ist, dienen könnte. Später sind es der Centurio Cornelius und der Statthalter Zyperns, Sergius Paulus.67 b) Bewußt läßt Lukas offen, ob es sich bei diesem königlichen Finanzminister um einen gebürtigen Juden oder einen Gottesfürchtigen, das heißt rechtlich gesehen um einen Juden oder Heiden, handelt. Nach Dtn 23,2 durfte ein »Entmannter oder Verschnittener« an sich »nicht in die Gemeinde JHWHs« aufgenommen werden, in späterer Zeit galt diese 63 Apg 8,27: ἀνὴρ Αἰθίοψ εὐνοῦχος δυνάστης Κανδάκης βασιλίσσης Αἰθιόπων, ὃς ἦν ἐπὶ πάσης τῆς γάζης αὐτῆς. 64 Siehe dazu C. K. Barrett, Acts I, 425 ff., auf äthiopischen Inschriften: k[e]ut[e]ky; J. A. Fitzmyer, Acts, 412: Kntky. Es ist Transkription des nubischen Wortes für »Königin«. Vgl. Plinius d. Ä., Naturalis historia 6,186 (25) (BSGRT, Vol. I, 508,3 ff. ed. Ian / Mayhoff): regnare feminam Candacen, quod nomen multis iam annis ad reginas transisset. Ausführlich C. S. Keener, Acts II, 1573–1579. 65 Obwohl man auch dies nicht ganz ausschließen kann. In augusteischer Zeit können ägyptische Juden versklavt nach Meroë gebracht worden sein, siehe F. Avemarie, Tauferzählungen, 280 Anm. 69. Vorbild für solche jüdischen Hofbeamten war vor allem der Profet Daniel mit seinen Gefährten. Mit der Aufnahme der jüdischen Jünglinge in die Palasterziehung unter der Leitung von Eunuchen (Dan 1,3 f.6 f.), um sie zu Höflingen zu machen, wurde in der Antike implizit ihre Kastration verbunden (siehe Josephus, Ant. 11,186–191); auch nach der legendären jüdischen Überlieferung war Daniel Eunuch (siehe VitProph 4,2 und dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden I, 307); vgl. weiter vor allem F. Avemarie, Tauferzählungen, 280 ff. 66 Zur Diskussion um seine Volks‑ und Religionszugehörigkeit siehe ausführlich F. Avemarie, Tauferzählungen, 278–284. Lukas geht auf die Frage der religiösen Zugehörigkeit eigenartigerweise nicht ein. Für Euseb, H. e. 2,1,13 (GCS Eusebius II/1, 108,13 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann), ist der Finanzminister der erste Heidenchrist (πρῶτον ἐξ ἐθνῶν … ἀνὰ τὴν οἰκουμένην πιστῶν ἀπαρχὴν γενομένην). Siehe ferner unten Anm. 68. 67 Apg 10 und 13,7–12; vgl. 26,27 ff.: das Zusammentreffen von Paulus und Agrippa II.
196
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Bestimmung dann vor allem für die Ehe.68 Die Septuaginta vermeidet in Dtn 23,2 die Übersetzung mit εὐνοῦχος, und Josephus und Philo beziehen diese Gesetzesvorschrift eindeutig auf Männer, die sich selbst verstümmeln und aus der Volksgemeinschaft verbannt werden sollen. Mit diesen »Galli« soll ein Jude keinen Umgang pflegen.69 c) Die Gewinnung des Äthiopiers deutet Lukas als den ersten Schritt zur Einlösung des Programms von Apg 1,8 an: »… bis an das Ende der Erde«. Äthiopien lag im Süden als die äußerste Grenze der οἰκουμένη, der zivilisierten und bewohnten Erde. Auch profetische Verheißungen wie Zeph 3,10: »Von den Enden der Ströme Äthiopiens werden sie mir Opfergaben bringen«70 werden dadurch erfüllt. 2. Ein zweiter Unterschied zum Missionsbericht aus Samarien ist bedeutsam: Während bei der samaritanischen Mission keine besondere göttliche Aufforderung sichtbar wird, geschieht der neue Schritt durch direkte übernatürliche Anweisungen. Sie wurden für Lukas im Fortgang seiner »Missionsgeschichte« immer wichtiger.71 In Apg 8,26 befiehlt »der Engel des Herrn«,72 Philippus solle sich zur ungewohnten Zeit in der Mittagshitze auf die Straße begeben, die nach
68 Zumeist wird diese Stelle als Begründung dafür angeführt, daß der hohe Beamte nicht Proselyt gewesen sein könne; aber Dtn 23,2 bezieht sich in der Regel auf die Ehe, siehe die Belege und die Begründung dafür bei F. Avemarie, Tauferzählungen, 57–61.267–294. D.-A. Koch, Geschichte, 183 Anm. 40 (er schreibt irrtümlich Dtn 31,2), verweist für die Aktualität der gesetzlichen Bestimmung ebenfalls – wie schon Friedrich Avemarie – auf den halachischen Brief 4QMMT; in 4QMMT B 39–40 (E. Qimron / J. Strugnell, Miqṣat Maʿaśe Ha-Torah, 50 f. = 4Q396 1–2 i) wird das biblische Verbot auf das Betreten des Heiligtums und die Ehe bezogen; siehe dazu den Kommentar: op. cit., 158 ff. Vgl. dagegen Jes 56,3–8 als Verheißung für die endzeitliche Aufnahme des ἀλλογενής und des εὐνοῦχος in das Volk Gottes; vgl. Josephus, Ant. 17,44 f. (dazu unten S. 199 f. Anm. 89). Doch εὐνοῦχος konnte im Orient und auch in der Septuaginta unter Umständen einfach »Hofbeamter« bedeuten. Andererseits ist es fraglich, ob ein solch hoher Beamter als Proselyt, das heißt als zum Judentum durch Beschneidung übergetretener Heide, seinen kultischen Pflichten an einem heidnischen Hof nachkommen konnte. Die Gottesfürchtigen bzw. Sympathisanten galten als Unbeschnittene noch als Heiden. Ihr Verhältnis zum Judentum konnte recht verschiedene Intensität besitzen, siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 101–132. 69 Dtn 23,2 LXX: Οὐκ εἰσελεύσεται θλαδίας καὶ ἀποκεκομμένος εἰς ἐκκλησίαν κυρίου. Josephus, Ant. 4,290, und Philo, Spec. 1,324–345, beziehen sich auf den Ausschluß der sich selbst feminisierenden freiwilligen Kastraten aus dem Gottesvolk; vgl. F. Avemarie, Tauferzählungen, 60 f.; vgl. auch W. Horbury, Extirpation, 54 f. 70 Zeph 3,10 LXX: ἐκ περάτων ποταμῶν Αἰθιοπίας οἴσουσιν θυσίας μοι. Vgl. Ps 68(LXX 67),32; 87(LXX 86),4. 71 Vor allem bei der Bekehrung und Taufe des Cornelius wird der Fortgang des Geschehens jeweils durch den Befehl eines Engels, einer göttlichen Stimme oder des Geistes bzw. durch eine Vision eingeleitet: Apg 10,3.10 f.19.28.30.44. Siehe dazu unten S. 258.278 u. ö. 72 Typisch lukanisch: Lukas läßt gerne den alttestamentlichen ἄγγελος κυρίου auftreten, vgl. Lk 1,11; 2,9; Apg 5,19; 10,3; 12,7–12.
§ 5 Die Mission des Evangelisten Philippus
197
Gaza führt,73 und zwar in einer unbewohnten Gegend. Das alles entspricht nicht den Plänen eines Missionars, der mit seiner Botschaft sonst die Menschen in den Städten aufsucht. Dort in der Einsamkeit begegnet Philippus dem Reisewagen des vornehmen Pilgers. Nach 8,29 gebietet der Geist dem Philippus, hinter dem Wagen herzugehen. Er hört den Äthiopier laut in der Septuaginta aus Jes 53 lesen: »Wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wurde, wie ein Lamm, das vor seinem Scherer keinen Laut gibt, so öffnet er seinen Mund nicht. Durch seine Erniedrigung wurde sein Recht aufgehoben. Seine Nachkommenschaft – wer wird von ihr berichten? Denn sein Leben wird von der Erde hinweggenommen.«74
Dies gibt den Anlaß zum Missionsgespräch. Philippus stellt die berühmte Frage: »Verstehst du denn, was du liest?«75 Der Äthiopier lädt ihn ein, zu ihm in den Wagen zu steigen und den Text zu erklären. Philippus legt ihn auf Jesus aus, und am Ende bittet der Eunuch bei einem Gewässer um die Taufe. Danach wird der Missionar durch den Geist in die Gegend von Asdod ca. 35 km nördlich von Gaza entrückt, ein Zug, der uns im Alten Testament mehrfach bei Profeten begegnet.76 Wahrscheinlich deutet Lukas mit diesem Satz eine weitere Philippuslegende an, auf die er nicht mehr näher eingeht. Man wird diese enthusiastischen Züge nicht einfach als Eintragung des Lukas abtun dürfen, da sie aus dem Rahmen seiner sonstigen Erzählungen ganz herausfallen und als lukanische Erfindung sinnlos sind. Sie gehören zur ursprünglichen Sammlung der Philippuslegenden. Auch Paulus berichtet, daß seine Reise zum Apostelkonzil nach Jerusalem auf Grund einer Offenbarung erfolgt sei.77 Nach Lukas geschieht die Aussendung von Barnabas und Paulus zu ihrer ersten großen Missionsreise auf Grund einer Anweisung des Geistes an die dort in Antiochia versammelten Profeten.78 Das 73 Mit Mt 10,5 könnte man von dem dort untersagten »Weg zu den Heiden« (εἰς ὁδὸν ἐθνῶν) sprechen. 74 Apg 8,32 f.; Jes 53,7 f. LXX. 75 Apg 8,30: ἆρά γε γινώσκεις ἃ ἀναγινώσκεις; 76 Apg 8,40, vgl. 1 Kön 18,12; 2 Kön 2,16; Ez 3,14; 8,3; 11,24; 40,2 u. ö.; Habakuk in den Zusätzen zu Daniel (14,36) und in den Vitae Prophetarum (12,6 f.); auch der Seher auf Patmos wird ἐν πνεύματι entrückt: Apk 17,3; 21,10; Jesus selbst sagt im Hebräerevangelium: »Da ergriff mich meine Mutter, der heilige Geist, an einem meiner Haare und trug mich zu dem großen Berg Tabor« (Origenes, Comm. in Joannem 2,12 [87] [ad 1,6] [GCS Origenes IV, 67,20 f. ed. Preuschen]), vgl. die Texte im Apparat in Aland, Synopsis, 34; weiter Hermas, vis 1,1,3; 2,1,1 (SUC 3, 146.154 ed. Leutzsch). Siehe dazu A. v. Dobbeler, Philippus, 127–147; G. Strecker, Art. Entrückung, RAC 5 (1962), 461–476; weiter U. H. J. Körtner / M. Leutzsch, Papiasfragmente, 377 Anm. 18. 77 Gal 2,2: κατὰ ἀποκάλυψιν; vgl. 1,16; Röm 1,10–13 und dagegen 1 Thess 2,18. 78 Apg 13,2 ff.; vgl. in 16,6–10 das Verbot, in Kleinasien zu missionieren, und den Offenbarungstraum in Troas oder in 18,9 f. die nächtliche Vision des Kyrios in Korinth; weiter in 22,17–21 die Sendung zu den ἔθνη durch eine Vision (ἐν ἐκστάσει) des Paulus im Tempel.
198
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
enthusiastische Element in der frühchristlichen Mission ist ernst zu nehmen. Die schrittweise Entwicklung der neuen Bewegung bis hin zur gesetzeskritischen Heidenmission hängt auch mit »profetischen« Weisungen von Fall zu Fall zusammen.79 3. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß von einem Eingreifen der Apostel in Jerusalem nicht mehr die Rede ist. Philippus handelt unabhängig von ihnen. Der Äthiopier ist durch die Belehrung des Philippus und die darauffolgende Taufe im Vollbesitz des Heils, denn »er zieht seine Straße fröhlich«.80 Von einem Glaubensbekenntnis vor der Taufe und einer Geistverleihung schweigt Lukas noch, letztere wird dann erst in 10,44 bei Cornelius und seinen Freunden nach der Predigt des Petrus, aber noch vor deren Taufe geschildert, obwohl dies explizite ›Heiden‹ sind. Eine Reihe von sehr verschiedenen Handschriften und Übersetzungen vor allem des westlichen Textes81 ergänzen zu 8,36 und zu 8,39: »(Philippus) sagte ihm aber: ›Wenn du aus ganzem Herzen glaubst, ist es erlaubt (dich zu taufen).‹ Er antwortete: ›Ich glaube, daß Jesus Christus der Sohn Gottes ist.‹ … Und der heilige Geist fiel auf den Eunuchen, der Engel des Herrn aber entrückte den Philippus.«
Das sind typische sekundäre Verbesserungen. Die Freude des Bekehrten setzt für Lukas die Geistmitteilung bereits voraus. Das Fehlen derselben in der Erzählung selbst könnte ein Indiz dafür sein, daß sie anfänglich nicht grundsätzlich mit dem Ritual der Wassertaufe verbunden war.82 Außerdem sehen wir gerade in der Apostelgeschichte, wie im 2. Jahrhundert noch an dem überlieferten Text gearbeitet wurde. Man ergänzte, was man als fehlend empfand, so vor allem in Codex D und bei altlateinischen Textzeugen.83 Nach Irenäus wird der Äthiopier zum ersten Missionar in seiner Heimat.84 Damit gibt Irenäus die Intention des Lukas richtig wieder. 4. Einen vierten Unterschied kann man darin sehen, daß Philippus den Äthiopier nicht mehr – wie die Menschenmenge und den Magier Simon in 79 Vgl. Apg
10,13 ff. 8,39. Die Freude ist die zweitgenannte Gnadengabe des Geistes nach der ἀγάπη in Gal 5,22; vgl. auch Phil 4,4. 81 Siehe dazu den Apparat von Nestle / Aland28 und C. K. Barrett, Acts I, 433. Das Bekenntnis V. 37 findet sich schon in der altlateinischen Übersetzung und bei Irenäus und Cyprian, das heißt, es geht weit ins 2. Jahrhundert zurück. H. A. G. Houghton, Recent Developments, 250, macht auf den interessanten Fund eines Papyrus mit einer bisher unbekannten freien Version der Acta aufmerksam; siehe D. Leith / D. C. Parker / S. R. Pickering, Oxyrhynchus Papyri LXXIV, 1–45, wo aber leider unsere Stelle nicht enthalten ist. 82 Siehe dazu die ausführliche und differenzierte Darstellung von F. Avemarie, Tauferzählungen, 270–294.447 und Index s. v. »Geistempfang bei der Taufe«. 83 Zum sogenannten westlichen Text von Acta siehe C. K. Barrett, Acts I, 21 ff.; der Alexandrinus bietet bereits die Ergänzung des Geistempfangs in V. 39; vgl. F. Avemarie, Tauferzählungen, 270 f.; vgl. H. A. G. Houghton, Recent Developments. 84 Irenäus, Adversus haereses 3,12,8 (SC 211, 214 ed. Rousseau / Doutreleau); vgl. 4,23,2 (SC 100/2, 696,19 ed. Rousseau): praeco futurus in Aethiopia Christi adventus. 80 Apg
§ 5 Die Mission des Evangelisten Philippus
199
Samarien – durch Missionspredigt und vor allem spektakuläre Heilungswunder auf sich aufmerksam macht und bekehrt, sondern als Schriftausleger eines für das Urchristentum zentralen Textes: Jes 53,7 f. Wir begegnen hier dem ausführlichsten Zitat von Jes 53 im Neuen Testament überhaupt. Die Auslegung der Profetenstelle führt den Minister zum Glauben. Urchristliche Missionsverkündigung gegenüber Juden und Gottesfürchtigen war von Anfang an immer zugleich Auslegung der profetischen Weissagung des Alten Testaments.85 Trotz dieser vier wesentlichen Unterschiede gibt es jedoch in beiden Philippuserzählungen entscheidende Gemeinsamkeiten: 1. Wie wir schon am Anfang gesagt haben, handelt es sich in beiden Fällen um Missionslegenden, die mit einem »führenden« Hellenisten, Philippus, verbunden sind. Es geht darin weder um die Missionierung von „Volljuden“ noch um wirkliche Heidenmission, sondern um eine Zwischenstufe, um die Gewinnung von Menschen, die zwischen Juden und Heiden standen. Die Samaritaner betrachtete man als jüdische Separatisten, man könnte auch sagen »halbe Juden«.86 Ähnlich kompliziert ist die Situation bei dem Eunuchen aus Äthiopien. Die Tatsache, daß er nach Jerusalem reist, um hier den wahren Gott anzubeten, daß er dort eine Jesajarolle erwirbt und sie liest, setzt voraus, daß er in seinem Herzen Jude ist. Wenn er nicht gebürtiger Jude war, hat seine rechtliche Zugehörigkeit zum Judentum jedoch Schwierigkeiten, wie oben schon betont wurde.87 Zumeist nimmt man an, daß er als Verschnittener nicht Jude werden konnte und es sich aus diesem Grund um einen heidnischen Gottesfürchtigen gehandelt habe.88 Aber die Bestimmung von Dtn 23,2 galt im frühjüdischen Recht für die Ehe und nicht für den Übertritt zum Judentum.89 In Wirklichkeit verboten jedoch schon 85 Zur Auslegung von Jes 53 im Judentum und Urchristentum siehe die Beiträge in: B. Janowski / P. Stuhlmacher (Hgg.), Gottesknecht; A. v. Dobbeler, Philippus, 147–177, der freilich zu Unrecht einseitig den leidenden Gerechten hervorhebt und den Sühnegedanken leugnet. Dazu U. Mittmann-Richert, Sühnetod, passim; vgl. R. Genz, Jesaja 53, passim. 86 Bei Josephus, Ant. 14,403, bezeichnet der letzte hasmonäische Herrscher, Antigonos, den von Idumäern abstammenden, jedoch beschnittenen Herodes als ἡμιιουδαῖος und daher als ungeeignet für das Amt des Königs. Zur religiös-rechtlichen Einschätzung der Samaritaner aus judäischer Sicht siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 142–147. 87 Siehe oben S. 196 Anm. 68. 88 E. Haenchen, Apg, 300 Anm. 5; Haenchen meint, »Eunuch« sei hier nur eine Beamtenbezeichnung; ebenso R. Pesch, Apg I, 289: »der hohe Beamte«, denn die wiederholte Bezeichnung εὐνοῦχος wäre peinlich, wenn er Kastrat gewesen sei; aber das ist ein modernes Geschmacksurteil. J. Jervell, Apg, 270 f.: Es handelt sich um einen hohen Beamten, und die Erzählung berichtet über die Bekehrung eines Proselyten; anders J. A. Fitzmyer, Acts, 410.412, der jedoch betont, daß nicht endgültig entschieden werden könne, in welchem Sinne εὐνοῦχος hier gebraucht werde; vgl. auch oben S. 196 Anm. 68 und die nächste Anmerkung. 89 Zu den halachischen Fragen ausführlich: F. Avemarie, Tauferzählungen, 54–62. Juden konnten als Hofbeamte an heidnischen Königshöfen amtieren, vgl. dazu oben S. 195 Anm. 65. Auch am herodianischen Königshof gab es gebürtige Juden als Beamte, die kastrierte Eunuchen waren. Vgl. besonders den Eunuchen Bagoas am Hofe von Herodes I., dem Pharisäer ankün-
200
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
seine hohe Stellung am Hof und die damit verbundenen kultischen Verpflichtungen der äthiopischen Königin gegenüber seinen vollen Übertritt zum Judentum. Lukas läßt den religiösen Status des Äthiopiers offen, wahrscheinlich um die erste Taufe eines gottesfürchtigen Heiden dem Sprecher der Apostel, Petrus, zu überlassen und nicht einer weniger wichtigen Person.90 Aber er kann zugleich an die Erfüllung von Jes 56,3 ff. gedacht haben: »Der Eunuch soll nicht sagen, ich bin ein dürres Holz. Das spricht der Herr: Den Eunuchen, die meine Sabbate halten und erwählen, was ich will, und an meinem Bund festhalten, denen will ich in meinem Haus und innerhalb meiner Mauer einen namhaften Platz geben, der besser ist als Söhne und Töchter, einen ewigen Namen will ich ihnen geben, und er wird nicht verschwinden.«91
Die Frage des Eunuchen: »Was hindert, daß ich getauft werde?«92 deutet auf die Möglichkeit eines Taufhindernisses hin. Der Vollzug der Taufe räumt alle gesetzlichen Bedenken aus dem Wege. Für Lukas bereitet diese Erzählung gleichzeitig die konkurrierende Taufe des Cornelius – der noch deutlicher als ein unbeschnittener Gottesfürchtiger, das heißt rechtlich noch als Heide, erscheint – durch Petrus in Apg 10 vor. Im Gegensatz dazu ist hier jedoch nicht direkt von einer Geistmitteilung, sondern nur von der Taufe die Rede. In beiden Fällen handelt es sich um Angehörige der Theophilos nahestehenden Oberschicht. 2. Für Lukas und wohl auch schon für die ihm vorliegenden Philippuserzählungen besteht ein offensichtlicher Gegensatz zwischen den beiden Hauptpersonen: Sowohl der Magier Simon als auch der äthiopische Minister werden getauft. Der Magier gerät, wie Lukas natürlich weiß, aber nur andeutet, dadurch erst recht in Verstockung und Sünde, der Minister zieht seiner Wege fröhlich. Dieser Kontrast deutet gerade für den neugewonnenen Glaubenden eine doppelte Möglichkeit an: die des Rückfalls, der schlimmer ist als der vorhergehende Zustand, und das Leben aus dem Glauben, der wirklich Zukunft und eine lebendige Hoffnung eröffnet. Das χαίρων konnte dabei wenigstens indirekt als Wirkung des Geistes verstanden werden. 3. Beide Erzählungen demonstrieren auch geographisch den Fortgang der Mission, wie ihn Lukas programmatisch in dem Vers Apg 1,8 umrissen hatte: »Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem, in ganz Judaea und Samaria und bis an digten, er werde »Vater« und »Wohltäter« des messianischen Königs heißen und dann sogar heiraten und eigene Kinder zeugen können (Josephus, Ant. 17,44 f.). 90 Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 239–242. Anders C. S. Keener, Acts II, 1544 (»The First Gentile and the African Mission«): Lukas stelle die Bekehrung des Eunuchen vor die des Cornelius, um seine Bedeutung zu unterstreichen. Cornelius sei für Lukas wichtig als der erste Heide, dessen Taufe und Aufnahme in Jerusalem anerkannt wurden. 91 Zur Übersetzung vgl. auch LXX.D, 1278. Vermutlich hat Lukas den Eunuchen im Licht von Jes 56,3 f. (vgl. auch Sap 3,14) gesehen; so auch J. A. Fitzmyer, Acts, 410; R. Genz, Jesaja 53, 69 ff. 92 Apg 8,36: τί κωλύει με βαπτισθῆναι; vgl. 10,47; 11,17.
§ 5 Die Mission des Evangelisten Philippus
201
das Ende der Erde.« Das judenchristliche Verbot aus Mt 10,5: »Geht nicht auf den Weg zu den Heiden, und in eine Stadt der Samaritaner geht nicht hinein« wird von Philippus ausdrücklich durchbrochen. Nach Apg 8,5 geht Philippus direkt in »die Stadt Samariens« und nach 8,26 auf den Weg, der nach Gaza und Ägypten, das heißt zu den Heiden, führt. Lukas scheint die Tradition, die dem späteren Text Mt 10,5 zugrunde liegt, gekannt zu haben und hat seine Philippuserzählungen als Antithese dazu formuliert. Der Hellenist und »Evangelist« Philippus – nicht einer der zwölf Apostel93 – trägt das Evangelium von Jerusalem nach Samarien, dann in die Städte der Küstenebene,94 von denen Lukas drei nennt: Gaza, Asdod und Caesarea. Der äthiopische Minister, der in seine Heimat am Ende der bewohnbaren Erde weiterreist, deutet dabei bereits die Erfüllung dieser lukanischen Verheißung (Apg 1,8) an. Philippus missioniert nach Samarien Orte an der Küste, die nicht mehr jüdischen, sondern überwiegend heidnischen Charakter haben, im Gegensatz zu den jüdischen Orten Lydda und Joppe, die Petrus nach Apg 9,32–43 aufsucht. Eigenartig ist, wie Lukas jetzt im Gegensatz zu Samarien streng zwischen dem Wirken des Philippus und dem des Petrus trennt. Philippus läßt sich, nachdem er verkündigend »alle Städte (der Küstenebene) durchzogen« hatte, in Caesarea nieder; von einer Gemeindegründung berichtet Lukas dagegen bewußt nicht, obwohl er eine solche sicher voraussetzt. Er hat ja nach Apg 21,8–14 als Reisebegleiter des Paulus auf der Kollektenreise des letzteren Philippus, seine vier Töchter und die Gemeinde in Caesarea persönlich kennengelernt.95 Zur Heidenmission im paganen Caesarea soll erst Petrus durch göttliche Initiative zu dem römischen Centurio Cornelius gerufen werden.96 Der überwiegend heidnische Charakter gilt sowohl für Gaza als auch für Azotos,97 die beiden Philisterstädte, wie auch für Caesarea, eine ehemals phönizische Stadt mit dem Namen »Stratons Turm«, die Herodes mit einem großen Hafen versehen und zu Ehren des Augustus neu gegründet und ausgebaut hatte und die die ständige Residenz des römischen Präfekten98 war. Caesarea war eine 93 So zumindest nach Lukas. Zu Papias und Polykrates von Ephesus siehe oben S. 146 Anm. 30. 94 Apg 8,40. 95 Apg 8,40: καὶ διερχόμενος εὐηγγελίζετο τὰς πόλεις πάσας ἕως τοῦ ἐλθεῖν αὐτὸν εἰς Καισάρειαν; vgl. 21,8. Hier wird deutlich, daß Lukas mehr weiß, als er berichtet. Vermutlich kannte Lukas noch weitere Philippuserzählungen, die mit den Orten der Küstenebene verbunden waren, die er aber verschweigt, weil sie nicht in den Duktus seiner Erzählung passen. 96 Siehe dazu M. Hengel, Historiker Lukas, 164–173.182 = KS VI, 163–175 speziell zu Asdod / Azotos und Caesarea Maritima. 97 Nach VitProph 10,1 wurde der Profet Jona in »Kariathmaous«, dem Hafenvorort von »Azotos, der Stadt der Griechen«, geboren; vgl. zur Lage und zur Geschichte der Stadt A. M. Schwemer, Prophetenlegenden II, 53–60. 98 Siehe dazu Schürer II, 115–118; T. Leisten, Art. Caesarea Maritima, DNP 2 (1997), 924 f.; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 55 ff. u. ö., siehe 727 Index s. v. »Caesarea Maritima«. Dazu ausführlicher unten § 7.2.2 (S. 265–274).
202
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Polis mit hellenistischer Verfassung und gehörte nicht mehr zum eigentlichen Judaea. Das bedeutet noch nicht, daß in diesen hellenistischen Städten, wo die Bevölkerung ganz überwiegend griechisch sprach, die aus Jerusalem vertriebenen Missionare von Anfang an eine systematische Heidenmission ohne die Forderung auf Beschneidung und Einhaltung der Ritualgebote begonnen hätten. Für Lukas ist diese erst mit den Aktivitäten der Hellenisten in der Hauptstadt Syriens, Antiochia, und den Namen von Paulus und Barnabas verbunden.99 Doch kann man, wie das Beispiel des Philippus zeigt, damit rechnen, daß sich die urchristlichen Missionare jenen Gruppen zuwandten, die am Rande der jüdischen Synagogengemeinden standen, den sogenannten Gottesfürchtigen wie dem Eunuchen und später Cornelius wie auch den Samaritanern. Es war der erste Schritt auf dem Weg zur freien Heidenmission.
Apg 11,19–25; siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 300 ff.
99
§ 6 Der frühe Paulus1 6.1 Die Herkunft aus Tarsus Paulus wurde in Tarsus in Kilikien geboren.2 Daß Paulus aus Tarsus, der Hauptstadt Kilikiens, einem mit Alexandria konkurrierenden Zentrum griechischer Bildung, stammte, wissen wir nur – in den frühen Quellen – durch die Apostelgeschichte des Lukas, aber nichts spricht gegen diese Herkunft. Wenn man allein von den Briefen ausgeht, könnte man auf Grund von Phil 3,5 f. eher an eine Herkunft aus Eretz Israel denken, zumal Paulus Jerusalem zehnmal, Judaea viermal, Syrien und Kilikien nur je einmal (Gal 1,21) in seinen Briefen erwähnt. Wahrscheinlich waren seine Eltern bzw. seine Vorfahren, als Kriegsgefangene versklavt, hierhergekommen und hatten mit oder nach ihrer Freilassung das römische und vermutlich auch das tarsische Bürgerrecht erhalten, so daß Paulus das römische Bürgerrecht von Geburt her besaß.3 Er war also gebürtiger Dia-
1 Siehe dazu M. Hengel, Der vorchristliche Paulus = KS III, 68–192; K.-W. Niebuhr, Heidenapostel, 4–111; K. Haacker, Werdegang, 815–938.1924–1933; R. Riesner, Paulus, 52– 79; S. Légasse, Paul, 365–390; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus; U. Schnelle, Paulus, 39–77; J. D. G. Dunn, Beginning, 322–377; J. Frey, Judentum des Paulus; D.-A. Koch, Geschichte, 204–216; weiter die Beiträge zur Person des Paulus in: F. W. Horn (Hg.), Paulus Handbuch, die hier unter den einzelnen Verfassern aufgeführt werden. C. S. Keener, Acts II, 1597–1695; H. Löhr, Art. Paulus I, RAC 26 (2015), 1166–1194. 2 Apg 9,11; 21,39; 22,3. 3 In Apg 21,37 ff. stellt sich Paulus dem Chiliarchen Claudius Lysias, der ihn in Haft nimmt, als Jude und »Tarsier aus Kilikien, Bürger einer nicht unbedeutenden Stadt«, vor. In Apg 22,25–29 beruft sich Paulus auf sein römisches Bürgerrecht von Geburt an gegenüber dem Centurio, der ihn auspeitschen lassen will. Der ganze spätere Prozeß des Paulus wird völlig unverständlich, wenn er das römische Bürgerrecht nicht besaß, denn mit den Peregrini wurde in den Provinzen von den römischen Beamten in der Regel nicht viel Federlesens gemacht. Nicht zuletzt an dem sehr kurzen Prozeß, den Pilatus gegen Jesus durchführte, läßt sich dies ablesen. Zum Prozeß Jesu siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 601–618; zum tarsischen und römischen Bürgerrecht des Paulus siehe M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 189–208 = KS III, 79–99; H. Omerzu, Prozeß. J. A. Fitzmyer, Acts, 700 zu Apg 21,39, weist auf die stilistische Sorgfalt hin, mit der Lukas seine Angabe zum Bürgerrecht macht: »In good Hellenistic Greek fashion, he states first his natio (a Jew), then his origo (Tarsus), and then his civitas (Cilician citizenship). Litotes is used to stress the importance of Paul’s origin« (Hervorhebungen im Original); H. Omerzu, Bürgerrecht, 55–58.
204
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
sporajude und wuchs zunächst in einer griechischsprachigen Umwelt auf.4 Die Beziehungen der Eltern zum Mutterland müssen aber dennoch eng gewesen sein, denn Paulus bezeichnet sich als »Hebräer von Hebräern (abstammend)«. Das weist wohl nicht nur darauf hin, daß er ebenso wie seine Eltern auch aramäisch, die Muttersprache der Juden in Palästina, sprach, sondern zeigt zugleich die enge Verbundenheit mit der palästinischen Heimat.5 Er wurde – dem Gesetz gemäß – am achten Tag nach seiner Geburt beschnitten und wußte, daß er aus dem Stamm Benjamin kam.6 Das Traditionsbewußtsein der Familie verrät besonders auch die biblisch-palästinische Namensgebung Šāʿûl für den Sohn – nach dem ersten König Israels, der aus dem Stamm Benjamin kam.7 All dies spricht für seine Herkunft aus einer traditionsbewußten, ja traditionsstolzen, frommen jüdischen Familie. Paulus selbst verwendete in seinen Briefen nur seinen lateinischen Namen »Paulus«, der nicht jüdisch war, verschweigt jedoch
4 Zur jüdischen Diaspora siehe Schürer III/1, 1–176; J. M. G. Barclay, Jews; J. Frey, Judentum des Paulus, 31–36; zur Muttersprache und griechischen Bildung siehe M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 232–239 = KS III, 123–130; zur historischen Bedeutung von Tarsus als Stadt philosophisch-rhetorischer Bildung und zu seiner jüdischen Gemeinde siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 237–267; C. S. Keener, Acts II, 1647–1651. Der früher angenommene Einfluß synkretistischer Religiosität in der Stadt auf Paulus wird meines Wissens nicht mehr vertreten. Eine schulmäßige rhetorisch-philosophische Ausbildung hat Paulus hier nicht bekommen. Auch wenn er griechisch als Muttersprache in Tarsus gelernt hat, so hat er seine entscheidende Prägung und Bildung in Jerusalem erhalten; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 266 f. Vgl. unten S. 206 Anm. 18. 5 Ἑβραῖος ἐξ Ἑβραίων: Phil 3,5; vgl. 2 Kor 11,22; Apg 21,40; 22,2; 26,14: τῇ Ἑβραΐδι διαλέκτῳ. In der Diaspora deutet der Begriff zudem auf eine enge Verbindung mit dem Mutterland hin; vgl. den Titel des »Evangeliums nach den Hebräern«, das vermutlich in Ägypten nach dem Bar-Kochba-Aufstand von aus Palästina geflüchteten Judenchristen verfaßt und verwendet wurde – das legen die verarbeiteten palästinischen Traditionen und die frühe Bezeugung in Ägypten nahe. Siehe dazu J. Frey, Hebräerevangelium, 597 f.; vgl. ders., Philipperbrief, 10: Paulus ist »Spross einer Familie, die auch in der Diaspora an Traditionen ihrer palästinischen Heimat festgehalten hat«. Dazu ausführlich M. Tiwald, Hebräer, 144–167 u. ö., der es jedoch für unmöglich hält, daß Paulus »eine fließende Ansprache τῇ Ἑβραΐδι διαλέκτῳ – wie Apg 21,40 behauptet –« gehalten hat (182). Zu den Sprachkenntnissen des Paulus siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 193: Wenn Paulus in »Arabien«, das heißt dem Nabatäerreich, missionierte, muß er »Aramäisch fließend gesprochen haben. Daß seine Muttersprache Griechisch war, wird dadurch nicht ausgeschlossen. Er wird vielmehr alle drei Sprachen Griechisch, Aramäisch und Hebräisch beherrscht haben – und vermutlich als römischer Bürger noch etwas Latein, das in Spanien, seinem letzten Missionsziel, notwendig war« (Hervorhebung M. H. / A. M. S.). 6 Phil 3,5; vgl. Röm 11,1; weiter Lk 1,59; 2,21; Gen 17,12; Lev 12,3; Bill. IV, 23 ff. 7 1 Sam 9,1 f.; vgl. T. Ilan, Lexicon I, 211–213: Der nicht allzu häufige Name findet sich auf Ossuarien (15mal) und Texten aus bzw. über Palästina; Tal Ilan verzeichnet insgesamt 29 Belege, davon zwei bei Josephus. Paulus / Saulus ist in diesem Verzeichnis der einzige Diasporajude, der diesen Namen trägt. Wesentlich beliebter waren die Namen der Patriarchen, wie sie vor allem auch die Hasmonäer populär machten.
§ 6 Der frühe Paulus
205
seine volle dreigliedrige Form und seinen hebräischen Namen.8 Lukas nennt ihn vor der ersten Missionsreise »Saulos«, in Apg 13,9 bringt er beide Namen und von da an nur Paulos. Der Auferstandene dagegen – der Auctor ad Theophilum legt wert auf solche Nuancen – spricht ihn dreimal mit der hebräischen Namensform »Saul« an.9 Die autobiographischen Nachrichten, die wir von Paulus insbesondere über seine Frühzeit besitzen, sind spärlich. Das hat seine Gründe: Alle seine Vorzüge als ein dem erwählten Volk entstammender, das Gesetz und die Sitten der Väter treu bewahrender Jude sind ihm angesichts der Berufung durch Gott zum Verkündiger seines Sohnes unter den Heiden – zumindest aus seiner späteren Sicht – nichts mehr wert, ja waren für ihn als »Kehricht«10 zu betrachten. Zudem wollte er in seinen Briefen vor allem auf seine Gemeinden und ihre Probleme eingehen und nahm nur notgedrungen auf seine eigene Vita Bezug. Selbst seine Herkunft aus Tarsus verschweigt er. Auch über die Personen seiner Familie sagt er uns nichts. Nur in Phil 3,5 schreibt er in polemischem Kontext ausführlicher von seiner Herkunft. Aber trotzdem läßt sich noch einiges erkennen: Paulus ist der erste wirkliche »Schriftgelehrte« unter den frühesten Christen, er mußte also in seiner Jugend eine entsprechende Erziehung und Bildung erfahren haben. Er argumentiert in seinen Briefen als einer, der »das Gesetz kennt« und als solcher seine Adressaten anspricht,11 und beherrscht sowohl die halachische wie die haggadische Auslegung. Bei keinem anderen neutestamentlichen Autor begegnen wir einer derart vielfältigen Kenntnis der jüdischen Methoden der Gesetzesauslegung, ein Zug, den man längere Zeit – vor allem in der deutschen Forschung im 19. und 20. Jahrhundert – in eine reine Polemik gegen die »jüdische Gesetzlichkeit« und deren »Werkgerechtigkeit« umgemünzt hat.12 So läßt sich an den Briefen des Apostels ablesen, daß er eine entsprechende Ausbildung in der Jugend, das heißt in seiner vorchristlichen Zeit, erhalten haben muß. Er deutet dies selbst an in der Bemerkung, daß er vor seiner Berufung »im Judentum« – das heißt in der »jüd[ischen] Art zu glauben und zu leben«,13 was einem Leben »im Gesetz« 8 Zu diesem Namen siehe M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 197–201 = KS III, 88–92; ders. / A. M. Schwemer, Paulus, 32; J. Frey, Judentum des Paulus, 27: Vermutlich war Paulus das cognomen; vgl. auch H. Omerzu, Bürgerrecht, 57. 9 Apg 9,4; 22,7; 26,14. 10 Phil 3,8. 11 Röm 2,18; 7,1; vgl. Phil 3,6; Gal 2,15 f. 12 Siehe dazu P. J. Tomson, Paul; P. Stuhlmacher, Theologie I, 253–268; F. Avemarie, Tora und Leben, 584–590. 13 So die Übersetzung von Ἰουδαϊσμός in Bauer / Aland, WB, 769. Zur Definition vgl. M. Hengel, Judentum und Hellenismus, 2: »Ἰουδαϊσμός … gibt jenen schon für die antike Welt erstaunlichen Tatbestand wieder, daß damit in gleicher Weise die politisch-blutsmäßige Bindung an das jüdische Volk wie der exklusive Glaube an den einen Gott Israels und das
206
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
(ἐν νόμῳ)14 entspricht – und im Eifer für die »väterlichen Überlieferungen« einst viele seiner Altersgenossen übertroffen habe.15 Weiter bezeichnet Paulus sich selbst – in Hinblick auf ebendiesen seinen »Eifer für das Gesetz« in seiner Frühzeit – als »Pharisäer«,16 ja, der lukanische Paulus präzisiert: »Pharisäer, Sohn von Pharisäern«.17 Eine solche pharisäische Schulbildung konnte ein junger Jude wahrscheinlich damals nur in Jerusalem erhalten.18 Die knappen Bemerkungen des Apostels lassen sich durch die verschiedenen Auskünfte des Lukas in der Apostelgeschichte ergänzen und bestätigen: Der junge Paulus wird in Apg 7,58 im Umkreis der griechischsprachigen Synagogen Jerusalems bei der Steinigung des Stephanus zum ersten Mal erwähnt und in die Darstellung der Frühzeit der Urgemeinde eingefügt. Nach Apg 23,16 f. war die Schwester des Paulus in Jerusalem verheiratet, ihr Sohn rettete dem Apostel das Leben. Dieses besondere, »jüdisch-hellenistische« Jerusalemer Milieu führt vor allem die Theodotos-Inschrift anschaulich vor Augen, die ausdrücklich erwähnt, daß das Synagogengebäude unter anderem nicht nur der Lesung aus dem Gesetz Festhalten an der von ihm gegebenen Tora gemeint ist.« Vgl. auch K.-W. Niebuhr, Heidenapostel, 23.34. 14 Röm 2,12.23; Gal 3,11; 5,4. 15 Gal 1,14: καὶ προέκοπτον ἐν τῷ Ἰουδαϊσμῷ ὑπὲρ πολλοὺς συνηλικιώτας ἐν τῷ γένει μου, περισσοτέρως ζηλωτὴς ὑπάρχων τῶν πατρικῶν μου παραδόσεων; siehe dazu M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 240 f. = KS III, 131 f. 16 Phil 3,5 f.: κατὰ νόμον Φαρισαῖος, κατὰ ζῆλος διώκων τὴν ἐκκλησίαν. Er ist damit neben Josephus der einzige Angehörige dieser Religionspartei, von dem wir authentische schriftliche Äußerungen haben. Beide lassen deutlich erkennen, daß die intensive Bindung an das Gesetz, seine genaue Auslegung und eine entsprechende Lebensweise die Charakteristika sind, die einen Pharisäer ausmachen. Zu Josephus und Paulus als Pharisäer siehe M. Hengel / R. Deines, Sanders, in: KS I, 435 Anm. 113; R. Deines, Pharisees, 443–504; weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 130. Zum »Eifer für das Gesetz« als einem »typische[n] Wesenszug frühjüdischer Frömmigkeit« siehe M. Hengel, Zeloten, 181–188 = 3. Aufl. 179–185. 17 Apg 23,6. Das mag eine typisch lukanische Übertreibung sein. 18 Zu Jerusalem als Ort der pharisäischen Schulbildung und der hellenistisch-jüdischen Bildung siehe M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 239–248 = KS III, 130–139; ders., Jerusalem = KS II, 115–156; ders. / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 23.64; J. D. G. Dunn, Beginning, 330–335. Vgl. U. Schnelle, Paulus, 52 f., der das Bild jedoch etwas verzeichnet und meint, es gebe keinen Hinweis »auf jüdischen Schulbetrieb« in der Diaspora (53). T. Vegge, Paulus, 438 f., glaubt im Anschluß an D. Hellholm (und dieser unter Aufnahme der Sicht von H. D. Betz), daß Paulus in Tarsus eine klassisch-griechische Ausbildung bis hin zum Rhetor erhalten habe und anschließend in Jerusalem seine jüdische; siehe dazu die Kritik von M. Tiwald, Hebräer, 74 ff. Gal 1,14 läßt vermuten, daß die jüdische Ausbildung schon in früheren Jahren begann, denn in der Regel »übertrifft« man in der frühen Jugend »viele Altersgenossen«; später, im Erwachsenenalter, gehört dieses typisch jugendliche Kräftemessen der Vergangenheit an. Vgl. auch A. du Toit, Tale, der annimmt, daß Paulus die ›Lehre‹ in seinem Handwerk in Tarsus mit etwa 15 Jahren abgeschlossen und danach seine weitere höhere Bildung in Jerusalem erhalten hat (401). Zur Bildung des Paulus in den Jerusalemer Synagogen und deren Schulbetrieb vgl. jetzt G. Holtz, Alexandrien; dies., Nichtigkeit, 215–226.
§ 6 Der frühe Paulus
207
dient, sondern auch dem Unterricht in den Geboten.19 Aber für eine gründliche Ausbildung war doch wohl ein speziellerer Bildungsweg erforderlich. Josephus schreibt nicht nur von seiner eigenen Ausbildung in Jerusalem und von der der Söhne des Königs von Adiabene,20 sondern schildert auch den Fall der erfolgreichen, angesehenen jüdischen Gesetzeslehrer, die ihre Schüler dazu aufgefordert hatten, den goldenen Adler des Herodes am Tempelgebäude abzureißen, und die dafür das Martyrium auf sich nahmen.21
6.2 Der Pharisäer und Verfolger22 6.2.1 Gesetzesstudium in Jerusalem Eine pharisäische Ausbildung in der Gesetzesauslegung konnte man damals – um es noch einmal ausdrücklich zu betonen – unseres Wissens nur in Palästina und hier wieder vor allem in Jerusalem erhalten: »Denn von Zion geht die Tora aus und von Jerusalem das Wort JHWHs« (Jes 2,3). In Tarsus können die Möglichkeiten zur jüdischen Erziehung und zur Bildung in der jüdischen Tradition nicht mit denen in Antiochia am Orontes, in Alexandria23 oder später 19 »Zur Lesung aus dem Gesetz und zur Unterweisung der Gebote« (εἰς ἀν[άγ]νωσ[ιν] νόμου καὶ εἰς διδαχὴν ἐντολῶν). Zum gesamten Wortlaut der Inschrift und ihrer Übersetzung siehe oben S. 150 Anm. 51; weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 63 f.155 f. Vgl. M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 260 = KS III, 151; G. Holtz, Alexandrien, 258; dies., Nichtigkeit, 221 f. 20 Siehe dazu unten Anm. 28. 21 Vgl. W. van Henten, Ruler. 22 Zur Verfolgung in Jerusalem siehe M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 265–291 = KS III, 156–182; K.-W. Niebuhr, Heidenapostel, 43–78; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 60–63; A. M. Schwemer, Verfolger. Die Verfolgung siedeln dagegen heute wie einst R. Bultmann, E. Haenchen und G. Strecker in Damaskus an: J. Becker, Paulus, 63; U. Schnelle, Paulus, 76; ders., Jahre, 130 f.; E. Ebel, Leben, 114 f.; ähnlich D.-A. Koch, Geschichte, 208 f., die alle ein entscheidendes Argument, das gegen die Lokalisierung der Verfolgung in Damaskus spricht, übersehen bzw. nicht darauf eingehen: Paulus parallelisiert in Gal 1,13 f. seine Verfolgertätigkeit mit seiner Ausbildung zum Pharisäer, und diese konnte damals nur in Jerusalem erfolgen. Vgl. dazu unten S. 208 ff. C. Dietzfelbinger, Sohn, 56, läßt die Frage jetzt wieder offen. 23 In Alexandria bzw. in Ägypten entstanden ab der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. die Übersetzung der Tora ins Griechische und später die von Profeten‑ und Weisheitsschriften; weiter besitzen wir Reste einer reichen jüdisch-hellenistischen Literatur aus vorchristlicher Zeit, in der der philosophische Exeget Philo nur die Spitze bildet. Aus Antiochia am Orontes stammt wahrscheinlich das 4. Makkabäerbuch, siehe dazu A. M. Schwemer, Entstehungszeit. Vergleichbare literarische Zeugen des jüdischen Lebens fehlen aus Tarsus und Kilikien, aber die Septuaginta war in den Synagogengemeinden für die Lesung beim Gottesdienst vorhanden, vgl. Apg 15,21 und 6,9 (die Synagoge der Kilikier in Jerusalem). Philo, Legat. 245, betont, daß Petronius, der Statthalter der römischen Doppelprovinz Syrien und Kilikien, während der Caligula-Krise (dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 84–87) die
208
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
in Rom vergleichbar gewesen sein, geschweige denn mit denen in Jerusalem.24 Aus Tarsus haben wir zudem keine Nachrichten über jüdische Literatur, die dort entstanden sein könnte.25 Josephus, der zweite uns durch eigene Schriften bekannte Pharisäer, schildert seinen eigenen Bildungsweg in Jerusalem etwas summarisch – aber doch ausführlicher als Paulus – und versichert, daß er alle drei großen Religionsparteien26 genau studiert habe und dazu außerdem noch bei einem Asketen Bannus in die ›Schule‹ gegangen sei, den er in der Einsamkeit am Jordan besuchte. Als er dann mit achtzehn Jahren ins öffentliche Leben trat, schloß er sich der Partei der Pharisäer an.27 Bezeichnend für die Vorzüge eines »Studiums« in Jerusalem erscheint darüber hinaus, daß Izates, der König von Adiabene, der zum Judentum übergetreten war, seine fünf Söhne in Jerusalem erziehen ließ, damit sie hebräisch lernten und in der Tora – vermutlich in pharisäischer Auslegung – unterwiesen wurden.28
jüdische »Philosophie und Frömmigkeit« wahrscheinlich schätzte, weil er sie bei seiner Ausbildung in der Jugend oder während seiner Amtszeit in einem Gebiet, wo in jeder Stadt unzählige Juden wohnten, kennengelernt hatte. In Legat. 281 zählt Philo Kilikien unter den Provinzen auf, in denen Juden wohnen. Zu Tarsus und seiner jüdischen Gemeinde siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 246–250. 24 Siehe dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 260–267. 25 Jüdische Bewohner in Tarsus setzt aber wohl auch die Entstehung der Tradition voraus, daß der Profet Jona mit einem Schiff in diese Stadt fliehen wollte; Josephus, Ant. 9,208: εἰς Ταρσὸν ἔπλει τῆς Κιλικίας. Zu den wenigen späteren Nachrichten und Inschriften über Juden in Tarsus siehe W. Ameling, IJO II, 525–533 Nr. 248–250 (Tarsos). 26 Zu Pharisäern, Sadduzäern, Essenern und anderen Gruppierungen siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 122–168. 27 Josephus, Vita 8–11. Vgl. S. Mason, Life of Josephus, 12–21; früher noch deutlicher in ders., Flavius Josephus, 58–61; er versteht diese Darstellung zu Unrecht als eine bloße Anhäufung von »rhetorischen Gemeinplätzen« (58), die dem griechischen und römischen Bildungsideal entsprächen, aber keinen Anhalt an der historischen Wirklichkeit hätten. Vgl. dagegen M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 129 ff. O. Gussmann, Priesterverständnis, 15.219 ff., schließt sich wieder der Sicht von Mason an. 28 Josephus, Ant. 20,71: πεπομφὼς πέντε μὲν τὸν ἀριθμὸν υἱοὺς τὴν ἡλικίαν νέους γλῶτταν τὴν παρ’ ἡμῖν πάτριον καὶ παιδείαν ἀκριβῶς μαθησομένους. Das Königshaus von Adiabene sprach in der Regel griechisch. Zu Izates vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 94; da Izates von einem Pharisäer zum vollständigen Übertritt zum Judentum durch die Beschneidung ›bekehrt‹ worden war, könnte es sein, daß Josephus mit dem Adverb »genau« (ἀκριβῶς) auf die pharisäische Ausrichtung dieser Jerusalemer Prinzenerziehung hindeutet. Vgl. dazu J. Frey, Judentum des Paulus, 44. Bei den Mitgliedern des herodianischen Königshauses, gerade bei Agrippa II. (der jedoch in Rom erzogen und auf die Herrschaft vorbereitet wurde), betont Josephus ihre vorzügliche griechische Bildung (Vita 359), während der lukanische Paulus an demselben König die besondere Kenntnis der bei den Juden gültigen Gesetze rühmt (Apg 26,3). M. Tiwald, Hebräer von Hebräern, beachtet diesen Hinweis auf die Ausbildung der Söhne des Izates nicht und beurteilt die Aramäisch‑ und Hebräischkenntnisse des Paulus insgesamt zu negativ.
§ 6 Der frühe Paulus
209
Eine solche Ausbildung zum Pharisäer in Jerusalem legt das Selbstzeugnis des Paulus nahe, man kann ihn eigentlich gar nicht anders verstehen.29 Wir haben aus der Zeit vor 70 n. Chr. keine Belege über Pharisäer, die dauerhaft in der Diaspora lebten, und vor allem auch keine über pharisäische Schulen in der Diaspora.30 Das Torastudium des Apostels in seiner Jugend in Jerusalem ist keine lukanische Erfindung, auch wenn es nur vom lukanischen Paulus in der Apostelgeschichte mehrfach unterstrichen und genauer beschrieben wird.31 So weiß Lukas, daß Gamaliel der Lehrer des Paulus war, und läßt ihn dies bei seiner Verhaftung in Jerusalem ans Volk gewendet sagen: »Ich bin ein jüdischer Mann, geboren in Tarsus in Kilikien, aufgewachsen aber in dieser Stadt zu Füßen Gamaliels, erzogen nach der genauen Vorschrift (κατὰ ἀκρίβειαν) des väterlichen Gesetzes, und war ein Eiferer (ζηλωτής) für Gott, wie ihr es heute alle seid.«32
Schließlich läßt er ihn in seiner letzten Rede vor dem römischen Statthalter Festus,33 vor König Agrippa II. und dessen Schwester Berenike34 in typisch lukanischer Weise gesteigert noch einmal betonen: »Meine Lebensführung von Jugend an, die von Anfang an in meinem Volk und in Jerusalem geschah, ist allen Juden bekannt, die mich von früher her kennen … Denn nach der strengsten Richtung unserer Religion habe ich als Pharisäer gelebt.«35
Auch wenn Lukas mit seiner rhetorischen Übertreibung über das Ziel hinausschießt und Paulus wohl kaum »von Jugend an« und »von Anfang an« in Jerusalem gelebt hat und dies auch nicht »allen Juden« bekannt sein kann – was Lukas jedoch gleich einschränkt auf die persönlichen Bekannten »von früher Gal 1,14; Phil 3,5 f.; siehe dazu oben Anm. 15 und 18. M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 231 f. = KS III, 122 f. Die Orientierung der pharisäischen Halacha an der Heiligkeit des Landes machte die Diaspora für sie nicht anziehend; siehe dazu G. Stemberger, Bedeutung; ders., Pharisäer, 112. 31 Das Torastudium in Jerusalem verstehen als lukanische Fiktion E. Haenchen, Apg, 597 (mit Berufung auf Bultmann, siehe dazu unten Anm. 39); J. Becker, Paulus, 42 ff.: »Paulus als Pharisäer der Diaspora«; aber auch F. W. Horn, Paulusforschung, 43. Siehe dagegen M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 222.240 f.; J. Frey, Judentum des Paulus, 44; M. Tiwald, Hebräer von Hebräern, 178–181. 32 Apg 22,3. Vgl. zur Einteilung der Stichen A. du Toit, Tale, 383 ff.: ἀνατεθραμμένος bezieht sich auf »zu Füßen Gamaliels« und bezeichnet nicht einfach die Phase der frühen Kindheit, sondern umfaßt auch die Zeit der höheren παιδεία. Vgl. weiter J. Frey, Judentum des Paulus, 26. Vgl. dazu das Selbstzeugnis des Paulus in Phil 3,5 f. 33 Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 102. 34 Vgl. die Ankündigung dieses Verhörs in Apg 9,15; weiter dazu unten § 6.3.2.3 (S. 231– 234). 35 Apg 26,4 f. Zum rhetorisch übertreibenden πάντες bei Lukas in der Apostelgeschichte vgl. weiter 1,14; 2,14.32.44; 3,24; 4,21; 5,17.37; 8,1.10; 9,21.26.35; 10,33.43; 16,33; 17,7.21; 18,17; 19,7; 20,25; 21,18.20.24; 22,3; 25,24; 27,36. 29 30
210
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
her« –, so zeigt der Eigenbericht des Paulus in Gal 1, der doch gerade seine Unabhängigkeit als Missionar von den Jerusalemer Uraposteln beweisen soll, seine enge Verbindung mit dieser Stadt in seiner Jugend.36 In Röm 15,19b betont er zudem, daß er sein missionarisches Wirken von Jerusalem und seinem Umkreis aus (ἀπὸ Ἰερουσαλὴμ καὶ κύκλῳ) begonnen und bis nach Illyrien ausgedehnt bzw. von Jerusalem aus in einer Kreisbewegung angefangen hat.37 Hier, am Ort seiner Ausbildung, an dem er wohl auch als junger Lehrer schon tätig war, verfolgte Paulus die messianische »Gemeinde Gottes«.38 Die Annahme, Paulus habe sich »vor seiner Bekehrung nicht länger in Jerusalem aufgehalten« und deshalb die Gemeinde in Damaskus verfolgt, die die Gemeinde gewesen sei, die er zu zerstören versuchte, hat keine historische Wahrscheinlichkeit für sich.39
6.2.2 Der Verfolger Als jungen, ehrgeizigen Schriftgelehrten erfüllte Paulus der »Eifer für das Gesetz«, und er betrachtete sich selbst damals als völlig untadelig in seiner pharisäischen Gesetzeserfüllung.40 Der »Eifer« für Gott und sein Gesetz war seit seiner Entstehung in der frühen Makkabäerzeit von einer Gewalt‑ und Leidensbereitschaft gekennzeichnet, die bis zum Suizid als Martyrium gehen konnte, ein typisches Phänomen des palästinischen Judentums.41 Wenn Paulus aus diesem – ἐν νόμῳ – völlig legitimen Eifer heraus damals die »Gemeinde 36 Als Ausbildungsstätte ist Jerusalem vorausgesetzt. Nach seiner Berufung meidet Paulus die Stadt, weil dort sein Leben als »Apostat« gefährdet ist (vgl. Apg 9,29 f.). Nach Gal 1,18 begibt er sich erst wieder nach Jerusalem, als er aus Damaskus fliehen mußte (2 Kor 11,32 f.), und besucht Kephas vermutlich heimlich (siehe unten § 6.4.3 [S. 243–246]), um dann erst nach 14 Jahren zum Apostelkonzil wieder in die Heilige Stadt hinaufzugehen. Siehe dazu unten § 11.1 (S. 395–400). 37 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 147 f. mit Verweis auf 1 Makk 1,11, wo die hellenistischen Reformer die Abgrenzung von den Heidenvölkern »ringsum« (μετὰ τῶν ἐθνῶν τῶν κύκλῳ ἡμῶν) aufheben wollten. Schon A. v. Harnack, Mission, 623 Anm. 2, bezog καὶ κύκλῳ auf den Arabienaufenthalt. J. Frey, Judentum des Paulus, 28, entscheidet sich wieder für die »Kreisbewegung«, ebenso K. Magda, Paul, 91. Dagegen spricht der Sprachgebrauch in Num 16,34; Dtn 17,14; Jos 24,33; 1 Kön 4,31 (5,11); 1 Chr 10,9; Neh 5,17; 6,16; 1 Makk 1,11; 3,25; 5,10.38.57; 12,53; siehe A. M. Schwemer, Land Abrahams, 83. 38 Gal 1,13: τὴν ἐκκλησίαν τοῦ θεοῦ; vgl. Phil 3,6; 1 Kor 15,9. 39 Gegen R. Bultmann, Art. Paulus, RGG2 4 (1930), 1020 f.; vgl. oben S. 207 Anm. 22 und unten S. 213 Anm. 55. J. A. Fitzmyer, Acts, 422 zu Apg 9,1: »The description implies that Saul has indeed been persecuting Christians in Jerusalem and its environs, despite what some interpreters have said.« Vgl. auch R. Schäfer, Paulus, 337 ff. 40 Phil 3,6: κατὰ ζῆλος διώκων τὴν ἐκκλησίαν, κατὰ δικαιοσύνην τὴν ἐν νόμῳ γενόμενος ἄμεμπτος. 41 Siehe dazu M. Hengel, Zeloten, passim; R. Deines, Art. Zeloten, TRE 36 (2004), 626–630; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 112 und 747 Index s. v. »Zeloten«.
§ 6 Der frühe Paulus
211
Gottes« verfolgte, so mußte ihr Verhalten dem Gesetz gegenüber den Anlaß dafür gegeben haben, energisch gegen sie einzuschreiten.42 Wie Paulus selbst im Galaterbrief (3,13) andeutet, war der Grund, der ihn zum Eingreifen zwang, die Verkündigung eines Gekreuzigten als Messias und Gottessohn. Auf die Hinrichtungsform der Kreuzigung wurde in frühjüdischer Zeit Dtn 21,22 f. bezogen. Damit war ursprünglich der »Gesteinigte« gemeint, dessen Leichnam als Zeichen des göttlichen Fluches ans Holz gehängt wurde. Etwa seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. wurde Dtn 21,22 f.: »Verflucht ist jeder, der am Holze hängt« auf die lebend am Kreuz aufgehängten und so qualvoll ums Leben gekommenen Delinquenten bezogen: »Wenn ein Mann Nachrichten über sein Volk weitergibt, und er verrät sein Volk …, dann sollt ihr ihn ans Holz hängen, so daß er stirbt … Verfluchte Gottes und der Menschen sind ans Holz Gehängte.«43
In der römischen Welt war die Kreuzigung eine sehr häufig vollzogene, äußerst grausame Strafe für Sklaven und Aufständische.44 Die Hierarchen hatten bewußt mit einer politischen Anklage Pilatus veranlaßt, Jesus zum Tode am Kreuz zu verurteilen, denn ein gekreuzigter Messias hätte sich als ein falscher Messiasprätendent erwiesen.45 So war es sicher nicht erst Paulus, der auf die Verbindung zwischen dem Fluch des Gesetzes nach Dtn 21,22 f. und dem Kreuzestod Jesu stieß.46 Ob Jesus zu Recht unter dem Fluch von Dtn 21,22 f. gestorben war oder umgekehrt der Tod Jesu am Fluchholz sühnende, heilschaffende Funktion hatte und die sühnende Wirkung des Tempels ablöste, 42 Vgl. auch K.-W. Niebuhr, Art. Nomos. C. Neues Testament. IV. Paulus, RAC 25 (2013), 1048–1058. 43 11QT 64,6 ff.; vgl. 4 QpNah Frag. 3–4 I,7–8; M. Hengel, Crucifixion, 84 f.; dazu ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 612. Die Tempelrolle ist eine vorqumranische Schrift und wurde vermutlich im 3. bzw. frühen 2. Jahrhundert v. Chr. verfaßt. Die älteste Handschrift wird in die Zeit um 150–125 v. Chr. datiert, siehe A. Lange, Art. Tempelrolle, RGG4 8 (2005), 155 f. Zur Kreuzigung im jüdischen und christlichen Bereich siehe D. W. Chapman, Crucifixion, passim, der auch ausführlich die Auslegung von Dtn 21,22 f. darstellt (S. 125–132 zu 11QT 64,6–13). Grundlegend und umfassend jetzt J. G. Cook, Crucifixion; weiter die kommentierte Quellensammlung von D. W. Chapman / E. J. Schnabel, Trial and Crucifixion. 44 Dazu J. G. Cook, Envisioning Crucifixion, der auf eine Inschrift aus Puteoli in augusteischer Zeit (AE 1971, 88) aufmerksam machte, die das Handwerk der privaten, von der Stadt beauftragten »Henkergilde« schildert: Sie nahm die äußerst grausamen Kreuzigungen auf Bestellung vor und berechnete ihre Preise und Gebühren für Holz, Nägel, Wachs, Kerzen bzw. mit Wachs überzogene Seile (candel[as]) – letzteres zum zusätzlichen Verbrennen der am Holz Hängenden. Es sind vor allem Sklaven, die im Auftrag ihrer Herren auf diese Weise hingerichtet werden, aber auch Kriminelle. Weiter J. G. Cook, Crucifixion, 370–387; D. W. Chapman / E. J. Schnabel, Trial and Crucifixion, 606 ff. (Text, Übersetzung und Kommentar). 45 Vgl. unten S. 222; siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 164 f. 46 Anders O. Hofius, Paulus, 8 mit Verweis auf Joachim Jeremias.
212
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
darum ging wohl im besonderen der Streit zwischen Paulus und den von ihm verfolgten Jesusanhängern.47 Der ›vorchristliche‹ Paulus war überzeugt, daß Jesus zum Fluchtod am Kreuz zu Recht verurteilt und hingerichtet worden sei. Als ein vom Gesetz Verfluchter (nach Dtn 21,23; 27,26, vgl. Gal 3,13) konnte er nie und nimmer der Messias und Sohn Gottes sein. Eine solche Behauptung mußte ihm als Blasphemie erscheinen. Die Verfolgungsmaßnahmen des Paulus werden vor allem in der synagogalen Prügelstrafe bestanden haben, wenn sich die Christen weigerten, Jesus zu verfluchen.48 Bei seiner genauen Kenntnis der Vorschriften des Gesetzes konnte er in der Verkündigung der »Hellenisten« nur eine Gotteslästerung sehen und diese selbst als Apostaten, gegen die er gewaltsam einschreiten mußte. Das »Skandalon« des gekreuzigten Messias (1 Kor 1,23) gründet so letztlich auf einer persönlichen Erfahrung des vorchristlichen Paulus und ist nicht nur die Folge seiner späteren Missionstätigkeit. Er selbst hatte es zunächst als blasphemisches Ärgernis empfunden und konnte es erst durch die Offenbarung des Sohnes Gottes in seiner Berufung als Gottes Heilstat erkennen: »Christus hat uns losgekauft von dem Fluch, den das Gesetz (über den Sünder) ausspricht, indem er für uns zu einem (von Gott) Verfluchten wurde.«49
Lukas deutet mit seiner dreifachen Erwähnung des »am Holze Hängens«50 an, daß er sehr wohl um die Auslegung von Dtn 21,22 f. und 27,26 und die Bezie47 Zur Kritik der Hellenisten am Jerusalemer Tempelkult siehe oben S. 153 ff. Die Annahme, die Hellenisten wären in Jerusalem bereits zur Heidenmission übergegangen oder diese hätten schon Heiden in die Mahlgemeinschaft aufgenommen, und das sei für Paulus der Grund gewesen, gewaltsam gegen sie vorzugehen, ist unwahrscheinlich. Siehe dazu oben S. 153 bei Anm. 61 und S. 165 bei Anm. 128. 48 Apg 26,11 (vgl. dazu unten S. 232). Justin, 1 Apol. 31,6 (SC 507, 210,22–25 ed. Munier), berichtet von den »schrecklichen Strafen« (τιμωρίας δεινάς), die Bar Kochba später über Christen bei der gleichen Weigerung verhängte. Euseb zitiert diese Passage aus Justin (H. e. 4,8,4 [GCS Eusebius II/1, 316,3–6 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]); Plinius d. J. übernahm das Verfahren ebenfalls (Ep. 10,96,5.6 [BSGRT, 355 f. ed. Schuster / Hanslik]). Vermutlich erlitt auch Paulus die Prügelstrafe der »Vierzig weniger einen« in den Synagogen deshalb, weil er Jesus als eschatologischen Heilsbringer verkündigte und ihn keinesfalls verfluchen wollte: 2 Kor 11,24, vgl. 1 Kor 12,3; 16,22. Vgl. dazu A. M. Schwemer, Verfolger; zur Einfügung des sogenannten »Ketzersegens«, der Birkat ha-minim, in das Achtzehnbittengebet in den Jahrzehnten nach 70 n. Chr. siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 154; vgl. ferner unten § 18.3 (S. 582–589). 49 Gal 3,13; zur Begründung der Übersetzung mit Verweis auf Dtn 27,26 siehe O. Hofius, Paulus, 8. Vgl. dazu 1 Kor 1,23; Gal 3,1; 5,11; 6,14; R. Schäfer, Paulus, 116 f., die auch auf die Diskussion des polemischen Bezugs von Dtn 21,22 f. auf den gekreuzigten Christus bei Justin, Dial. 32,1; 89,2; 90,1; 93,4; 95,2; 111,2 (PTS 47, 121; 224 f.; 225; 232; 234; 260 f. ed. Marcovich), verweist. Vgl. auch C. Dietzfelbinger, Sohn, 146–150.165. 50 Apg 5,30; 10,39; 13,29; vgl. 1 Petr 2,24. Siehe auch oben S. 106 f.
§ 6 Der frühe Paulus
213
hung zum Kreuzestod Jesu wußte, malt dies aber mit Rücksicht auf Theophilos nicht aus. Paulus gehörte in Jerusalem zu den griechischsprachigen, in ihrer Gesetzes auslegung pharisäisch ausgerichteten jungen Männern und verkehrte in dem Milieu der schon mehrfach erwähnten griechischsprachigen Synagogengemeinden, wo es in der Auseinandersetzung mit der aggressiven Verkündigung des Stephanus, die ihre heiligsten Überzeugungen so verletzte, dazu kam, daß man ihn in einem Akt von spontaner Lynchjustiz steinigte.51 In der anschließenden Verfolgung flohen die »Hellenisten« aus Jerusalem, und Paulus war wesentlich an ihr beteiligt. Daß er Haupträdelsführer war und es dabei zu Verhaftungen und weiteren Todesurteilen kam, daß Paulus in die Privathäuser52 eindrang und Frauen und Männer ins Gefängnis schleppte, mag lukanische Übertreibung und Ausschmückung sein. Die Gemeinde, die Paulus so maßlos verfolgte und völlig vernichten wollte,53 war die der Hellenisten in Jerusalem, und ihnen reiste er auf ihrer Flucht sogar in auswärtige Städte nach.54 Deswegen begab er sich nach Damaskus, um dort gegen sie in den Synagogen vorzugehen, aber auf dem Weg dorthin kam dann alles anders. Der Ort, an dem Paulus die christliche Gemeinde zerstören wollte, kann nicht zuallererst und allein Damaskus gewesen sein. Das wurde zwar schon oft vorgeschlagen und wird auch heute immer wieder vertreten,55 aber dagegen spricht Gal 1,22 ff.: »Ich blieb aber persönlich den Gemeinden Judaeas(, die) in Christus Jesus (sind,) unbekannt, sie hörten nur (immer wieder): ›Der, der uns einst verfolgte, verkündet jetzt den Glauben, den er einst zu zerstören suchte.‹ Und sie priesen Gott meinetwegen.«
Die Verfolgten, die hier wörtlich zitiert werden, waren doch wohl die im Anschluß an die Stephanusverfolgung aus Jerusalem und vor dem anschließenden Wüten des Paulus gegen sie geflohenen Hellenisten.56 Sein Verhalten entsprach Siehe dazu oben S. 148–162. R. Schäfer, Paulus, 328 Anm. 7, nimmt an, daß es sich um »die Verfolgung mehrerer Hausgemeinden« gehandelt habe. 53 Gal 1,13: καθ’ ὑπερβολὴν ἐδίωκον τὴν ἐκκλησίαν τοῦ θεοῦ καὶ ἐπόρθουν αὐτήν. Dabei könnte ἐδίωκον iterativ zu verstehen sein, und ἐπόρθουν ist Imperfectum de conatu. Lukas schildert die Vorgänge konkreter. Πορθεῖν (Gal 1,13 und Apg 9,21) ist ein starker Begriff; siehe Bauer / Aland, WB, 1389: »verfolgen, vernichten, zerstören«. Paulus versuchte den neuen Glauben »auszurotten«. 54 Apg 8,3; 9,1 f.; 22,4 f.; 26,10 ff. 55 So z. B. U. Schnelle, Paulus, 75 f.; auch D.-A. Koch, Geschichte, 209, hält Damaskus für einen möglichen Ort der Verfolgung. Vgl. dagegen M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 60–63; R. Schäfer, Paulus, 340 ff.; siehe oben S. 207 Anm. 22 und S. 210 mit Anm. 39. 56 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 62 f.; vgl. auch K.-W. Niebuhr, Heidenapostel, 59: »V. 22f sagt also, daß Paulus in der Zeit seines Wirkens als Christusapostel seit seiner Berufung den judäischen Gemeinden nicht persönlich bekannt geworden ist, obwohl ihnen seine 51 52
214
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
der ihm eigenen Leidenschaftlichkeit, die später auch in seinen Briefen sichtbar wird.57 Die judenchristlichen Gemeinden Judaeas lernten Paulus nicht persönlich kennen, weil er nach seiner Berufung und Lebenswende sich zuerst in Damaskus aufhielt und dann für ca. drei Jahre nach Arabien ging. Nach der Rückkehr nach Damaskus, seiner Flucht aus der Stadt und seinem vierzehntägigen Besuch bei Petrus in Jerusalem reiste er weiter in die Provinz Syrien und Kilikien und wirkte dort als Missionar.58
6.3 Die Berufung des Paulus59 6.3.1 Das Selbstzeugnis Über Berufung und Bekehrung des Paulus60 besitzen wir eine ganze Reihe von Erinnerungen des Apostels selbst, an denen wir die Darstellung des Lukas auf ihre Zuverlässigkeit prüfen können. Paulus spricht von seiner Berufung in Briefanfängen, wenn er sich als legitim berufener Apostel ausweisen will und muß.61 Besonders eindrücklich tut er dies im Römerbrief, wo er sich an eine Gemeinde wendet, die er selbst nicht gegründet hat und die weit zurückreichende judenchristliche Wurzeln besitzt.62 Er stellt sich als der »berufene« und »ausgesonderte«,63 das
Wandlung vom einstigen Verfolger zum jetzigen Verkündiger zu Ohren gekommen ist. Auf die Verfolgertätigkeit selbst ist die Aussage in V. 22 nicht bezogen.« 57 Vgl. z. B. 2 Kor 11,2.29. 58 Gal 1,17–23; vgl. 2 Kor 11,32 f.; vgl. Apg 9,8–30. Siehe dazu unten § 6.3.2.1 (S. 224–228). 59 Vgl. dazu schon A. D. Nock, Conversion, 190 f.; M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 63–71 u. ö., siehe 536 f. Index s. v. »Paulus – Berufung«; J. A. Fitzmyer, Acts, 418–432.701– 709.753–762; M. Hengel, Paulus, Israel und die Kirche = KS III, 438 ff.; ders., Paulus zum Gesetz, 28–36 = KS III, 216–224; A. M. Schwemer, Erinnerung. Zur Datierung ins Jahr 32/33 n. Chr. siehe oben S. 170 Anm. 5. 60 Man darf die »Berufung« nicht gegen die »Bekehrung« ausspielen, denn für Paulus war seine Begegnung mit dem Auferstandenen beides. Er versteht seine Berufung zum Heidenapostel als eine radikale Lebenswende (vgl. das zweimaligε ποτέ – νῦν in Gal 1,13.23), die auch sein Gesetzesverständnis betraf (Phil 3,5–9); siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 161; F. Avemarie, Tora und Leben, 589; M. Hengel, Paulus zum Gesetz = KS III, 213–239; vgl. auch S. Vollenweider, Art. Paulus, RGG4 6 (2003), 1038; J. A. Kelhoffer, Persecution, 301 Anm. 60. 61 Röm 1,1.5; 1 Kor 1,1; 2 Kor 1,1; Gal 1,1. 62 Zur Gründung der römischen Gemeinde(n) durch judenchristliche Missionare aus Jerusalem siehe oben S. 97 Anm. 19, 174 Anm. 25 und unten S. 301 Anm. 31. 63 Zur Verbindung beider Begriffe siehe vor allem Röm 1,1, dazu aber auch in Apg 13,2 den Befehl des heiligen Geistes an die ›Profeten‹ in Antiochia zur Aussendung des Barnabas und des Saulus für die Mission: ἀφορίσατε … εἰς τὸ ἔργον ὃ προσκέκλημαι αὐτούς. Das Motiv der »Aussonderung« und Berufung erscheint auch noch Gal 1,15: ἀφορίσας με … καὶ καλέσας. Siehe dazu unten S. 218 f.
§ 6 Der frühe Paulus
215
heißt von Gott erwählte64 Apostel vor, der beauftragt ist mit der Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus als dem auferstandenen Sohn Gottes, um »bei allen Völkern Glaubensgehorsam zu schaffen«.65 Die Römer werden als »Geliebte Gottes« und »berufene Heilige« angeredet, doch der κλητὸς ἀπόστολος ἀφωρισμένος εἰς εὐαγγέλιον θεοῦ hat ein ganz anderes, ein »einzigartige[s] Selbstverständnis« als Missionar.66 Paulus führt dieses Selbstverständnis letztlich auf seine Berufung vor Damaskus zurück. Dabei versteht er diese Christusvision, der er seine Berufung zum Apostel der Völker und seine Bekehrung zu verdanken hat, als die letzte Ostererscheinung des Auferstandenen.67 In 1 Kor 15,8–11 reiht er sich in die Aufzählung der Osterzeugen ein: »Zuletzt von allen erschien er auch mir, gleichsam einer Fehlgeburt. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht einmal geeignet bin, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe. Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin, und seine Gnade gegen mich blieb nicht vergebens, sondern ich habe mehr als alle anderen gearbeitet, aber nicht ich, sondern die Gnade Gottes, die mit mir ist. Seien es nun ich oder jene, so verkündigen wir, und so seid ihr zum Glauben gekommen.«
Schon zuvor hatte er in 1 Kor 9,1 f. seine Autorität als Apostel mit einer Reihe rhetorischer Fragen verteidigt: »Bin ich nicht frei? Bin ich nicht Apostel? Habe ich nicht Jesus, unseren Herrn, gesehen? Seid ihr nicht mein Werk im Herrn? Wenn ich für andere kein Apostel bin, bin ich es aber sehr wohl für euch.«
Paulus verteidigt seinen Apostolat, indem er seinen Gegnern in Korinth gegenüber betont, daß auch er eine Ostervision bei seiner Berufung hatte wie die anderen Apostel vor ihm, auch wenn er Jesus zu dessen Lebzeiten nicht kannte und daher nicht – um mit Lukas zu sprechen – ein »Diener des Wortes von Anfang an«68 war. Nicht die Qualität seiner Berufungsvision unterscheidet ihn von den anderen (Ur‑)Aposteln.69 Es scheint auch nicht so sehr der späte, »unzeitige« Termin seiner Christuserscheinung zu sein, der ihn von den anderen trennt, sondern seine Tätigkeit als Verfolger macht ihn zum geringsten der Apostel, den Gott allein durch seine Gnade »bezwungen« und mit dem
64 Vgl. Apg 9,15: σκεῦος ἐκλογῆς; vgl. auch Apg 1,2 von den Aposteln und ihrer »Erwählung« durch Jesus. Zu Apg 9,15 siehe ferner unten S. 220 Anm. 94 und S. 226 bei Anm. 120. 65 Röm 1,5. 66 Röm 1,1; Zitat aus: O. Hofius, Paulus, 1; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 157. 67 Obwohl Lukas die Christusvision des Paulus nicht zu den Ostererscheinungen rechnet, erhält auch bei ihm Paulus die letzte spektakuläre Christusvision. So ganz diametral entgegengesetzt sind Paulus und Lukas in dieser Frage doch nicht. Dazu auch unten S. 234. 68 Lk 1,2. 69 Vgl. J. Frey, Paulus und die Apostel, 192–197.
216
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
missionarischen Dienst beauftragt hat.70 Weil Paulus als Verfolger der ἐκκλησία τοῦ θεοῦ und Feind Christi berufen wurde, »hat [er] an sich selbst erfahren, was radikale Gnade bedeutet«.71 Diese Erfahrung der unverdienten Gnade bei seiner Berufung unterstreicht er immer wieder, so in den eben zitierten Versen 1 Kor 15,9 f. dadurch, daß er den Begriff χάρις dreimal auf sich bezogen verwendet und das fortdauernde Wirken der Gnade Gottes in seinem apostolischen Dienst der Verkündigung hervorhebt.72 Seine einzigartige Oster‑ und Berufungsvision unterscheidet Paulus von seinen sonstigen visionären Erlebnissen, die für ihn nicht dieselbe Bedeutung haben.73 Etwas mehr über den Charakter dieser Christusepiphanie erfahren wir in 2 Kor 4,6.74 Gott ließ im Herzen Licht aufstrahlen, vergleichbar nur mit dem Licht am ersten Schöpfungstag, bei der Berufung des Paulus wie einst auch bei der Bekehrung der korinthischen Christen: »Denn Gott, der sprach: ›Aus Finsternis wird Licht aufleuchten!‹, (er ist es,) der es aufleuchten ließ in unseren Herzen zur Erleuchtung durch die Erkenntnis der Herrlichkeit (δόξα) Gottes auf dem Angesicht Jesu Christi.«75
Der Gegensatz von Licht und Finsternis stellt an sich ein typisches Element in Bekehrungs‑ und Epiphanieerzählungen dar. So werden z. B. in der frühjüdischen Schrift Joseph und Aseneth Lichtphänomene und die Feuerfunken und 70 Vgl. 1 Kor 9,15–18: Seine Berufung legte Paulus den Zwang auf, das Evangelium zu verkündigen. In Phil 3,12 deutet er sein Damaskuserlebnis als ein »Überwältigtwerden« von Christus. Vgl. die Übereinstimmung mit Apg 26,14, dazu unten S. 232 f. Anm. 145. 71 M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 284 Anm. 327 = KS III, 175 Anm. 327. 72 In den sieben echten Paulusbriefen erscheint χάρις 66mal, in den Deuteropaulinen 34mal. Lukas und die Apostelgeschichte verwenden das Wort 25mal, im ganzen Neuen Testament begegnet es 155mal; das heißt, es überwiegt bei weitem in den paulinischen und den Paulus nahestehenden Schriften. 73 2 Kor 12,1–10; vgl. M. Frenschkowski, Offenbarung und Epiphanie, 376 f.; anders T. Eskola, Messiah, 199. 74 Vgl. zum Bezug auf die Berufung des Paulus und die Bekehrung der Korinther mit Anspielung auf Gen 1,2 f. LXX und Jes 9,2[1] LXX: F. Wilk, Gottes Wort, 683 f., der auch auf die »Deutung der Bekehrung als Neuschöpfung« in JosAs 8,9 (PVTG 5, 174–182 ed. Burchard / Burfeind / Fink) hinweist (683 Anm. 51). 75 Es ist umstritten, ob Paulus in 2 Kor 4,6 an sein Damaskuserlebnis denkt. Aber der Aorist ἔλαμψεν weist auf ein einmaliges, plötzliches Ereignis in der Vergangenheit hin. Die Metaphorik von Licht und Finsternis begegnet im Alten Testament bevorzugt bei Berufungen und prägt später die christliche Bekehrungsterminologie. Siehe dazu O. Hofius, Wort Gottes, 161 ff.; ders., Paulus, 9 f.; M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 283 ff. = KS III, 174 ff. Daß es sich dabei um ein rein inneres Erlebnis für Paulus gehandelt haben müsse (ebenso auch in Gal 1), so U. Schnelle, Paulus, 81, ist wohl doch zu modern gedacht. Paulus ist sich sicher, daß er den Auferstandenen mit leiblichen Augen gesehen hat, aber er ist sich unsicher, auf welche Weise er in den dritten Himmel entrückt wurde (siehe 2 Kor 12,1–10). Ob es sich um eine körperliche Entrückung oder eine seelisch / geistige gehandelt hat, kann er nicht sagen, weil er dafür keine Zeugen angeben kann. Vgl. auch S. Lorenzen, Eikon-Konzept, die jedoch 2 Kor 4,6 nicht mit der Berufung des Paulus verbindet.
§ 6 Der frühe Paulus
217
Blitz ausstrahlende Gestalt des Engels Michael bei seiner Erscheinung breit beschrieben.76 Paulus formuliert jedoch viel grundsätzlicher. Es handelt sich ja nicht einfach um die Erscheinung einer lichten Engelsgestalt, sondern um die Erscheinungsform Gottes selbst, seiner δόξα auf dem Angesicht Christi. Gott hat dem Auferstandenen und Erhöhten seine δόξα in einer für Paulus erkennbaren menschlichen Form verliehen: So ist Christus das (Erscheinungs‑)Bild Gottes, εἰκὼν τοῦ θεοῦ (2 Kor 4,4).77 Man hat dazu auf die analogen Beschreibungen der Schau des kābôd, der δόξα, der Lichtherrlichkeit Gottes bei den Thronvisionen der Profeten hingewiesen78 und auf den Einfluß der Merkaba-Tradition auf Paulus aufmerksam gemacht.79 Paulus vergleicht seinen Dienst im Kontext des 2. Korintherbriefs mit dem des Mose, der nach frühjüdischer Tradition als der größte Profet galt, und interpretiert eigenwillig abweichend von der Septuaginta das Verbergen des Angesichts Moses mit einem Schleier in Ex 34,30–35 als ein Verbergen des Vorgangs, daß der Abglanz der Doxa Gottes auf dem Angesicht Moses wieder verging. Der auferstandene und erhöhte Herr trägt dagegen Gottes bleibende Doxa auf seinem Angesicht. Aus der Erfahrung der Begegnung mit dem Auferstandenen in seinem göttlichen Doxa-Glanz erschließt sich für Paulus auch die Form des Auferstehungsleibes der Gläubigen, denn er und alle Christen werden in der eschatologischen Zukunft »wie Christus Gottes bleibenden Glanz erhalten«.80 Weil die galatischen Gemeinden in Gefahr sind, sich durch judenchristliche Missionare palästinischer Provenienz überzeugen zu lassen, daß die jüdische Beschneidung für sie heilsnotwendig sei, legt ihnen der Apostel in einem energischen Schreiben dar, warum dies Abfall von dem Evangelium, das er ihnen verkündigt hat, bedeutet. Paulus hat dieses Evangelium bei seiner Berufung 76 JosAs 14,9 ff. (PVTG 5, 174–182 ed. Burchard / Burfeind / Fink): Die Beschreibung des Erzengels Michael: »Sein Angesicht war wie ein Blitz und seine Augen wie der Schein der Sonne und die Haare seines Hauptes wie die Flamme des Feuers …, und Funken sprangen von seinen Händen und Füßen«; zur Übersetzung vgl. C. Burchard, Joseph und Aseneth, 673, dazu die Textausgabe PVTG 5, 178 f. ed. Burchard / Burfeind / Fink. Vgl. auch die strahlende »Menschensohnvision« Apk 1,12 ff. oder die Verwandlung Jesu Lk 9,29 ff. parr. zusammen mit Mose und Elia in himmlische δόξα. Josephus (Ant. 19,344) unterstreicht das fatale, glanzvolle Auftreten Agrippas I. in einem silbernen Gewand in der ersten Morgensonne, der sich den Zuruf seiner Schmeichler, jetzt sei er ein Gott, gefallen läßt und dies sofort bitter bereuen muß, mit der gesteigerten Verwendung von drei synonymen Verben für »strahlen, glänzen«; zu dieser Episode im Vergleich mit der Darstellung in Apg 12,19 f. siehe unten S. 359. 77 Etwas anders S. Lorenzen, Eikon-Konzept, 235 f.: »die paulinische Beschreibung [ist] zwar als Ausdruck eines Bekehrungserlebnisses zu interpretieren, dieses aber gleichzeitig als repräsentativ für die Bekehrung aller Missionare – und letztlich aller Christen – zu betrachten«. 78 Siehe dazu K. O. Sandnes, Paul, 138–144, der vor allem auf Ez 1 f. und die frühjüdische Auslegung von Jes 6 und 1 Hen 14 verweist. 79 T. Eskola, Messiah, 202: »Especially the description of Jesus as the glory of God links Paul’s exaltation Christology to merkabah tradition.« 80 F. Back, Verwandlung, 125; vgl. O. Hofius, Wort Gottes, 161 ff.
218
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
direkt von Jesus Christus bzw. durch Gott den Vater erhalten.81 In Gal 1,15 ff. schildert Paulus mit einem präzisen Nebensatz seine Berufung als Gnadenwahl und Offenbarung Gottes, eine ἀποκάλυψις Jesu Christi, als eine Berufung wie die der alttestamentlichen Profeten mit einer besonderen Sendung: »Als es aber dem, der mich von Mutterschoß an ausgesondert und mich durch seine Gnade berufen hat, gefiel, seinen Sohn mir zu offenbaren, damit ich ihn unter den Völkern verkündige, beriet ich mich nicht sofort mit Fleisch und Blut, ging auch nicht nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern zog fort nach Arabien …«
Trotz der Knappheit der Mitteilung wird erkennbar, daß diese Berufung in einer Vision mit Audition bestand; mit ἀποκάλυψις bezeichnet Paulus die Vision, und καλέσας unterstreicht den Wortempfang bei der Berufung.82 Mit dem ἵνα-Satz »damit ich ihn verkündige unter den Heidenvölkern« (εὐαγγελίζωμαι) bezeichnet sich Paulus als eschatologischen Verkündiger von Gottes endzeitlicher Heilsbotschaft.83 Der Apostel beschreibt den Empfang der Offenbarung Gottes und seine Sendung nicht bloß nach dem Vorbild des alttestamentlichen Profeten Jeremia, sondern er bezieht die Profetie des zweiten Gottesknechtslieds auf sich selbst. In ihm, Paulus, und seiner Sendung zur Erleuchtung der Heidenvölker erfüllt sich diese Verheißung, deren Eintreffen nach dem Verständnis der Septuaginta in endzeitlicher Ferne erwartet wird. Die Gnadenwahl Gottes geht seiner Berufung auf der Straße nach Damaskus voraus, Gott hat ihn wie den deuterojesajanischen Gottesknecht und den Profeten Jeremia schon von Mutterleib an berufen und ausgesondert, das heißt zu seinem Dienst erwählt und geheiligt; Jes 49,1–6 (LXX): »Hört mich, ihr Inseln, merkt auf, ihr Völker: ›Nach langer Zeit wird es zustande kommen‹, sagt der Herr. Vom Leib meiner Mutter her hat er meinen Namen gerufen … und er sagte zu mir: ›Mein Knecht bist du, Israel, und in dir werde ich verherrlicht werden. … 81 Das besondere Evangelium des Paulus besteht nicht in abweichenden christologischen oder soteriologischen Überzeugungen – im Grundsätzlichen sind sich ja alle Apostel einig (1 Kor 15,11) –, sondern in seiner Sendung zu den Heiden und in seiner zugespitzt konsequenten Form der Rechtfertigungslehre. 82 Man könnte einwenden, καλέσας sei eine zu allgemeine Wendung, um eine Audition auszudrücken. Auch J. Becker, Paulus, 80, betont, Paulus habe keinen Auftrag gehört, denn er habe »allein aus der Erscheinung des Herrn alles andere erschließen« können. Anders U. Schnelle, Paulus, 89: »Zweifellos hatte Damaskus eine äußere (vgl. 1 Kor 9,1; 15,8) und eine innere Dimension (vgl. Gal 1,16; 2 Kor 4,6), möglicherweise verbunden mit einer Audition (vgl. καλεῖν = ›rufen‹ in Gal 1,15)«. Im frühen Judentum gibt es meines Wissens keine Vision ohne deutende Audition, auch der Terminus technicus ὤφθη umfaßt immer beides. Nach 2 Kor 12,4 hört Paulus bei der Entrückung ins Paradies »unsagbare Worte«, aber er erzählt auch nicht konkret von dem, was er im dritten Himmel erblickt und warum er diesen als Paradies identifiziert hat. Bei der Berufung der anderen »Apostel Jesu Christi« ist ebenfalls eine Audition im Sinne einer Beauftragung und Sendung vorauszusetzen. Zu καλέσας siehe auch T. Nicklas, Paulus, 84 ff. 83 Vgl. dazu J. P. Dickson, Mission-Commitment, 174.
§ 6 Der frühe Paulus
219
Siehe, ich habe dich eingesetzt … zum Licht der Heidenvölker, damit du zum Heil wirst bis an die Enden der Erde.‹«84
Weil der Dienst des Gottesknechts bei Deuterojesaja universal allen Völkern galt, wurde auf dessen Berufung das von seiner Herkunft her königliche Motiv der präexistenten Einsetzung ins Amt übertragen.85 Der deuteronomistisch bearbeitete Bericht über die Berufung Jeremias übernimmt das Thema für diesen Profeten vermutlich aus Deuterojesaja.86 Die Anklänge an das zweite Gottesknechtslied, das Paulus auch sonst zitiert und auf seine Sendung bezieht, überwiegen, aber auch der Einleitungssatz zum Berufungsbericht Jeremias klingt an. Jer 1,5 lautet nach dem hebräischen Text, auf den Paulus sich bezieht: »Bevor ich dich im Mutterleibe bildete, habe ich dich ausersehen, und bevor du aus dem Mutterschoß ausgingst, habe ich dich ausgesondert; zu einem Profeten für die Völker habe ich dich bestimmt.«87
Paulus hat beide Texte im Sinn, er denkt nicht nur an Jes 49,1 ff.; beide Texte enthalten die wichtigen Elemente der pränatalen Berufung und der Sendung zu den Heidenvölkern. Wie in Röm 1,1 wird die Verwendung von ἀφορίζω (»aussondern«) auf den Jeremiatext zurückgehen,88 während εὐαγγελίζωμαι urchristlicher Terminus für die Mission ist und zugleich die Sprache des weiteren Kontexts von Deuterojesaja aufnimmt.89 Es ist üblich, hier zu fragen, ob Paulus im Rückblick auf die Szene vor Damaskus nicht seine sehr viel späteren Erkenntnisse eingetragen hat, die er im Lauf der Jahre während seiner Missionstätigkeit gewann, die sich zunächst ja auf Arabien und Damaskus, Syrien und 84 Ἀκούσατέ μου, νῆσοι, καὶ προσέχετε, ἔθνη· διὰ χρόνου πολλοῦ στήσεται, λέγει κύριος. ἐκ κοιλίας μητρός μου ἐκάλεσεν τὸ ὄνομά μου … καὶ εἶπέν μοι Δοῦλός μου εἶ σύ, Ισραηλ, καὶ ἐν σοὶ δοξασθήσομαι. … ἰδοὺ τέθεικά σε … εἰς φῶς ἐθνῶν τοῦ εἶναί σε εἰς σωτηρίαν ἕως ἐσχάτου τῆς γῆς. Vgl. auch K. O. Sandnes, Paul, 62–65; F. Wilk, Bedeutung, 292–297; ders., Paulus; T. Nicklas, Paulus, 77–104 (80 f. mit Verweis auf weitere Literatur). 85 Die Berufung und Bestimmung vom Mutterleib an ist im Alten Orient ein königliches Privileg. Diese königlichen Züge werden auf den Profeten übertragen, weil er ein weltweites Amt erhält. Siehe H.-J. Hermisson, Deuterojesaja III, 341: »Dem weltweiten Aufruf bis zu den fernen Gestaden und Völkern entspricht die Proklamation der Berufung des Knechts. Das zeigt sich bereits in der Formulierung des Zeitpunktes der Berufung: ›Jahwe hat mich vom Mutterleib berufen‹. Die präexistente Berufung ist ein Anspruch, wie ihn die Großkönige geltend machen; das ist in ägyptischer und babylonischer Tradition vielfach belegt.« Die Septuaginta versteht die weltweite zugleich als eine eschatologische Erwartung. 86 Vgl. S. Herrmann, Jeremia, 52–61.68.70 f. 87 Übersetzung: S. Herrmann, Jeremia, 37. Der Einwand, Jeremia als Gerichtsprofet könne kein Vorbild für Paulus gewesen sein, ist nicht stichhaltig. In frühjüdischer Zeit wurde Jeremia als Heilsprofet für die Völker gesehen, siehe VitProph 2,2; dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden I, 159.171 f. 88 Vgl. K. O. Sandnes, Paul, 48–70; T. Nicklas, Paulus, 78 f. 89 Vgl. das Zitat von Jes 52,7 in Röm 10,15.
220
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Kilikien – mit der einen auffälligen Ausnahme der Reise von Zypern aus nach Pisidien und Lykaonien – beschränkte und erst nach dem Apostelkonzil weltweite Form annahm. Verkürzt sich ihm in der Erinnerung alles auf diesen einen Brennpunkt? Haben sich hier die Weichen so entscheidend gestellt, daß Paulus in seiner radikalen Wende vom Verfolger zum Verkündiger des Glaubens an Jesus als den Sohn Gottes seine spätere Entwicklung hin zum »Völkerapostel«90 schon enthalten sah? Diese Vermutung, daß Paulus seinen missionarischen Auftrag der Sendung zu den Heidenvölkern in der Erinnerung vordatiert, widerspricht dem eindeutigen Selbstzeugnis des Paulus und ist kaum berechtigt. Daß Lukas eine solche Verschiebung nahelegt, hängt damit zusammen, daß er Petrus den Vorrang bei der Begründung der Heidenmission geben will. Er vertritt hier wohl den Jerusalemer Standpunkt, beziehungsweise er ist abhängig von Anhängern des Petrus.91 In Wirklichkeit hat Paulus die Christuserkenntnis bei seiner Berufung, daß der als »König der Juden« Gekreuzigte als Gottes Messias und Sohn in die himmlische Herrlichkeit erhöht ist, nach seinem eigenen Urteil so unmittelbar von Gott erhalten wie Petrus. Deshalb mußte er sich damals nicht zuerst mit »Fleisch und Blut« – wohl eine Anspielung auf Petrus92 – beraten. Die Gewißheit, daß er seine Gnadengabe und Sendung, Glaubensgehorsam unter den Völkern zu schaffen (Röm 1,5), bereits bei seiner Lebenswende vor Damaskus empfangen hat, unterstreicht er in Gal 1,13–16.93 Ebendeshalb bricht er sofort zur Mission in Arabien auf. In dieser Sendung, das Evangelium bei den Heiden zu verkünden, besteht seine Berufung.94 Zugleich verwendet Paulus in seinem Bericht Züge einer Bekehrung. In V. 13 bezeichnet er mit ποτέ (»einstmals«) seinen einstigen Lebenswandel im Judaismos, in V. 23 wird dies noch einmal mit ποτέ und dem entgegengesetzten νῦν aufgenommen. Aus dem überaus ehrgeizigen pharisäischen Eiferer für die väterlichen Überlieferungen, der wegen dieses Eifers gegen die Hellenisten, das Röm 11,13: ἐθνῶν ἀπόστολος. Siehe dazu unten S. 292 f.296.338 und 370; vgl. M. Hengel, Petrus, 91 f. 92 Vgl. Mt 16,17; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 70 Anm. 256; M. Hengel, Petrus, 24: »Die nächste Parallele zu dieser revelatio specialissima an Petrus ist das autobiographische Selbstzeugnis des Paulus über seine ganz persönliche Offenbarung des Gottesohnes ἐν ἐμοί durch Gott selbst …: Hier begegnen sich zwei Offenbarungserfahrungen, die zu Autoritätskonflikten führen konnten.« 93 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 157 f. 94 Vgl. J. D. G. Dunn, Paul’s Conversion, 90: »the divine action on the Damascus road was the revealing of God’s Son in him (or to him); its purpose was that Paul should preach this Jesus among the Gentiles.« Diese Aussage des ἵνα-Satzes ist »one of the most striking points of agreement between Gal. 1.13–16 and the three Acts accounts of Paul’s conversion«, denn in Apg 9,15 wird dies aufgenommen mit dem »Gefäß der Erwählung« (σκεῦος ἐκλογῆς); nach 22,15 ist Paulus Zeuge für alle Menschen; in Apg 26,15–18 kommt dann die Beauftragung direkt vom erhöhten Christus. Beide, Lukas und Paulus, verstehen als den Kern des Damaskuserlebnisses die Sendung zu den Völkern. Siehe dazu unten S. 233 f. 90 91
§ 6 Der frühe Paulus
221
heißt die griechischsprachigen frühen Christen in Jerusalem, vorging, wurde der Apostel für die Heiden.95 In dem ›Gerücht‹, das sich in den Gemeinden Judaeas über den bekehrten Verfolger bildete, der ihnen persönlich nicht bekannt war, wird dieser Zug der Verkündigung unter den Völkern nicht eigens erwähnt: »… sie hörten nur (immer wieder): ›Der, der uns einst verfolgte, verkündet jetzt den Glauben, den er einst zu zerstören suchte.‹ Und sie priesen Gott meinetwegen.«96
Paulus zitiert gewissermaßen seine eigene Personallegende in wörtlicher Rede und gibt uns den Blick dafür frei, wie aus seiner konkreten Erfahrung vor Damaskus Erinnerung an dieses Geschehen in den judäischen Gemeinden und damit der Beginn der Pauluslegende entstehen. Für den Lobpreis verwendet Paulus ἐδόξαζον – vermutlich im Blick auf das doppelte δοξασθήσομαι in Jes 49,3.5 LXX.97 Während Gal 1,13–23 den Vorgang knapp, geradezu objektivierend durch die Anspielungen auf die Amtseinsetzung der Profeten schildert, setzt Phil 3 in einem sehr persönlichen Rückblick auf die Lebenswende noch einmal andere Akzente. Paulus zählt auf, wie sein gesamtes Wertesystem durch diese für sein Selbstverständnis grundlegende Erfahrung der »Erkenntnis Jesu Christi, meines Herrn« (Phil 3,8) umgestürzt wurde. Wieder wehrt sich Paulus gegen judaisierende Gegner, die die endzeitliche Situation nicht erkennen, in der die Verheißung des neuen Bundes und des ins Herz geschriebenen Gesetzes sich erfüllen, eine traditionelle, körperliche Ausführung der Beschneidung von Heiden hingegen wider den Geist verstößt. Er führt sein eigenes Beispiel an, um zu zeigen, daß die jüdischen Vorzüge der Abstammung und des vollkommenen Lebenswandels im Gesetz um Christi und seines Heilswerks willen hinfällig werden. Im Brief an die Philipper, vermutlich in Ephesus, vielleicht aber auch erst in Rom geschrieben – und damit wäre er der späteste erhaltene Brief des Apostels –, betrachtet er das Damaskuserlebnis aus etwa 22 bzw. 28 Jahren Abstand.98 Paulus hat den Tod vor Augen, sehnt sich nach dem Martyrium. Im Rückblick führt er sein Gesetzesverständnis (und damit seine Rechtfertigungslehre) auf 95 Die Lebenswende des Paulus darf jedoch nicht ›psychologisiert‹ werden; sie ist auch keine einfache »Bekehrung« wie die des Antonius, Augustins oder Luthers. Vgl. J. A. Fitzmyer, Acts, 420; vgl. oben S. 214 Anm. 60 und unten S. 222 bei Anm. 102. 96 Gal 1,23; vgl. dazu oben S. 213 bei Anm. 55. 97 In Gal 2,2 klingt Jes 49,4 an. 98 U. Schnelle, Paulus, 392–398, kommt zu dem Ergebnis: »Der Philipperbrief wurde wahrscheinlich um 60 n. Chr. in Rom geschrieben« (398); anders P. Pokorný / U. Heckel, Einleitung, 287 f., die eine ephesinische Gefangenschaft annehmen und entsprechend früher ins Jahr 55 datieren. R. Riesner, Fixpunkte, 218, gibt zu bedenken: Wenn Paulus noch nach Spanien fuhr, muß man mit der Abfassung des Philipperbriefs in Ephesus um 54/55 n. Chr. rechnen. Vgl. zuletzt J. Frey, Philipperbrief, 5–9, der mit Nachdruck für eine Abfassung in Ephesus plädiert.
222
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
seine Berufung zurück. Weil der Eifer für das Gesetz Paulus zum Verfolger und Feind Christi gemacht hatte, mußte seine Begegnung mit dem auferstandenen Sohn Gottes grundlegend für sein neues Gesetzesverständnis werden.99 Für den pharisäischen Eiferer war der gekreuzigte Jesus von Nazareth ein vom Gesetz Verfluchter, dessen Verkündigung als Messias und Gottessohn durch die Hellenisten eine Blasphemie darstellte, gegen die er gewaltsam einschreiten mußte. In Gal 3,13 führt Paulus den Schriftbeweis mit der Vorschrift von Dtn 21,23.100 Die Plötzlichkeit der Erkenntnis, daß das Heil allein im Glauben an Christus geschenkt wird und das Gesetz keine soteriologische Funktion hat, verbindet Phil 3 noch deutlicher als Gal 1 mit der Lebenswende des Apostels. Es erscheint doch sehr unwahrscheinlich, daß Paulus in der Erinnerung sich selbst und andere in diesem Punkt getäuscht hat.101 Die ›Bekehrung‹ des ehemaligen Eiferers für das Gesetz und Verfolgers der Gemeinde setzt eine radikale Lebenswende voraus, die in der unverdienten Gnade und der »menschlich unvorbereitete[n] Tat Gottes« gründet und nicht in einer menschlichen Entscheidung angesichts von Zweifeln oder gar vom Scheitern am Gesetz.102 Aus seinem Eifer für die Tora wurde sein Eifer »für die Teilhabe der Heiden am eschatologisch eröffneten Heil«.103 So kann Paulus an die Korinther schreiben (2 Kor 11,2): ζηλῶ γὰρ ὑμᾶς θεοῦ ζήλῳ. Gewiß hat er seine Lehre »von der völligen Gnadenhaftigkeit des Heils oder der Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben … in ihrer vollen … Entfaltung« nicht sofort in der Zeit seiner Berufung entworfen,104 aber man sollte die Radikalität der Lebenswende des Apostels im Hinblick auf das Gesetz 99 Vgl. F. Avemarie, Tora und Leben, 588: »Führt … das, was das paulinische Denken … mit dem rabbinischen verbindet, in gerader Linie auf die jüdischen Wurzeln des Apostels zurück, so kann das, was ihn von diesen Wurzeln trennt, letztlich nur in der fundamentalen Lebenswende seiner Begegnung mit Christus gründen, wie er von ihr in Phil 3,5–9 schreibt.« Dazu jetzt auch G. Holtz, Niedrigkeit, 266–273. 100 Vgl. dazu oben S. 211 f. bei Anm. 45–48. 101 Siehe dazu M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 283 f. = KS III, 174 f.; anders K. Haacker, Antinomismus, 394 f. (mit Verweis auf P. Fredriksen, Paul, 33: Konversionsberichte seien anachronistisch und apologetisch, man dürfe ihnen wirklich nicht trauen): »Gerade … ein engagiertes Selbstzeugnis wie Phil 3,2–11 könnte mehr von den Erfordernissen einer aktuellen Kontroverse als von der Erinnerung an den genauen Hergang der Lebenswende des Paulus bestimmt sein.« Vgl. auch Schnelle, Paulus, 81 ff. (im Anschluß an Strecker): Paulus habe seine Berufung ursprünglich rein christologisch-soteriologisch beschrieben und erst nachträglich die Sprache der Rechtfertigungslehre verwendet. 102 Zitat: J. Frey, Galaterbrief, 250. Zur Kritik an der »autobiographischen Deutung« von Röm 7 bei Robert H. Gundry u. a.: H. Lichtenberger, Ich Adams, 84–87. Vgl. schon M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 283 Anm. 323 = KS III, 174 Anm. 323. 103 J. Frey, Paulus und die Apostel, 227; vgl. S. Vollenweider, Art. Paulus, RGG4 6 (2003), 1050: »P.’ Ringen mit dem Problem des Gesetzes wird verständlicher, wenn man von einem – in seiner Berufungserfahrung angebahnten – theol. Paradigmenwechsel ausgeht, in dem … Christus an die Stelle der Tora rückt.« 104 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 160–167 u. ö. (Zitat 167, Hervorhebung A. M. S.).
§ 6 Der frühe Paulus
223
nicht mit der Annahme einer sich allmählich entwickelnden Gesetzesauffassung aufweichen. Es sind nicht Wandlungen im paulinischen Gesetzesverständnis, sondern es handelt sich um eine »Weiterführung seiner Grundkonzeption«.105 Seit dem schmerzhaften Konflikt mit Petrus in Antiochia und der Trennung von Barnabas ändert sich die Situation für den Apostel, und die Folgen der Auseinandersetzungen belasten die späteren Jahre seiner Mission, wie an der Korrespondenz mit den Gemeinden, vor allem in Korinth, aber auch in Galatien und Rom, abzulesen ist. Er muß seinen Apostolat gegen Angriffe verteidigen106 und sieht sich genötigt, seine Lehre von der Rechtfertigung ohne des Gesetzes Werke und von der Freiheit vom Gesetz gegen den Vorwurf zu verteidigen, er fordere: »Laßt uns das Böse tun, damit das Gute komme« (Röm 3,8b). Diesen Spannungen und Konflikten verdanken wir die grundsätzliche Darstellung im Römerbrief, den er im Winter 56/57 n. Chr. von Korinth aus schrieb und der für uns sein theologisches Testament darstellt.107
6.3.2 Der dreifache Bericht in der Apostelgeschichte Euseb verbindet die eigenen Mitteilungen des Paulus nahtlos mit den Berichten des Lukas in der Notiz: »In jener Zeit erwies sich Paulus, das Gefäß der Auserwählung, als Apostel nicht von Menschen oder durch Menschen, sondern durch Offenbarung Jesu Christi selbst und Gottes, des Vaters, der ihn von den Toten auferweckt hatte; der Berufung war er nämlich durch ein Gesicht und eine himmlische Stimme, welche während der Offenbarung zu ihm sprach, gewürdigt worden.«108
In der Moderne scheint man mehr an den Widersprüchen zwischen Paulus und der Apostelgeschichte interessiert, doch vor allem Charles Kingsley Barrett und andere haben betont, daß die Übereinstimmungen bei weitem überwiegen.109 Die Berufung des Paulus bildet einen einschneidenden und folgenreichen Wendepunkt in der frühesten Geschichte des Urchristentums.110 Wir haben ge F. Hahn, Entwicklung, 296. Siehe dazu schon C. Dietzfelbinger, Berufung, 90 ff. 1 Kor 9,1–7; siehe dazu M. Hengel, Petrus, 108 ff.; zum antiochenischen Konflikt vgl. M. Hengel, Petrus, 92–106; J. Frey, Paulus und die Apostel, 210.225–227. 107 M. Hengel, Petrus, 118 ff. Die Klage darüber, daß die paulinischen Briefe schwer verständlich seien, setzt mit 2 Petr 3,15 f. ein. 108 Euseb, H. e. 2,1,14 (GCS Eusebius II/1, 108,19–24 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 109 C. K. Barrett, Acts I, 439–445: »The agreements are much more important than the disagreements« (441); zustimmend zitiert in M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 63 Anm. 223; weiter op. cit., 63–72.77–80; siehe auch J. D. G. Dunn, Paul’s Conversion, 80.90; vgl. J. A. Fitzmyer, Acts, 430; D. Marguerat, Paul, 33–37. 110 So zu Recht F. Avemarie, Tauferzählungen, 332: Die Erzählung von der Berufung des Paulus dokumentiert »einen der glänzendsten und folgenschwersten Wendepunkte in der 105 106
224
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
sehen, welch großes Gewicht Paulus selbst auf dieses Erlebnis legt: Diese Offenbarung Gottes konnte er nicht vergessen, sie hat sein ganzes weiteres Leben und seine Theologie bestimmt. Weil die Berufung des Paulus so ein epochemachendes Ereignis bildete, unterstreicht Lukas dies in der Apostelgeschichte, indem er dreimal davon erzählt.111 Alle drei Darstellungen sind durch lukanischen Stil geprägt. Daneben lassen sich übernommene Traditionen feststellen und zudem bewußte Paulinismen. Lukas ahmt hier paulinischen Sprachgebrauch nach und nimmt paulinische Theologumena auf. Wird Lukas, der die Sammlung der Paulusbriefe noch nicht verwenden konnte und vermutlich auch keine einzelnen Briefe kannte,112 den eigenen Angaben des Apostels, so wie wir sie aus seinen Briefen kennen, dabei gerecht? 6.3.2.1 Die Bekehrung des Paulus in Apg 9,1–30 In seinem ersten Bericht erzählt Lukas in 3. Person als »allwissender Erzähler« vom Ablauf des Geschehens, wie aus dem, der Christus und die »Jünger des Herrn« verfolgte, ein selbst um Christi willen Verfolgter wird. Man muß den ganzen Abschnitt in seiner Bewegung lesen: Ausgang als Verfolger in Jerusalem, Kehre und Wende in Damaskus, Flucht als Verfolgter aus Damaskus, Rückkehr nach Jerusalem, dort wieder Gefährdung und Ausweichen nach Tarsus. Apg 9,1–30 ist als Ringkomposition gestaltet, wie sie Lukas bevorzugt verwendet, wenn er sich mit der Darstellung besondere Mühe gibt; erinnert sei an die Emmausperikope oder die Erzählung von Philippus und der Taufe des Kämmerers der Königin Kandake. In großem Bogen werden Kehre und Wende beschrieben, Anfang und Ende entsprechen sich mit spiegelbildlichem Kontrast. Die Erzählung bildet die Lebenswende auch formal ab.113 Vielleicht verzichtet Lukas unter anderem um dieser klaren Linie willen auf die Beschreibung des Arabienaufenthaltes des Paulus – falls er davon wußte.114
Geschichte der nachösterlichen Jesusbewegung«. Gegen C. K. Rothschild, Luke-Acts, 113 u. ö., die hier reine rhetorische Phantasie des Verfassers der Apostelgeschichte am Werk sah. 111 C. K. Barrett, Acts I, 439: »That Luke narrates this event three times … measures the importance that it had for him.« Vgl. die synoptische Übersicht von Barrett an dieser Stelle. 112 Anders E. Plümacher, Rom, 154 f.: Lukas kenne den Römerbrief, der vier Jahrzehnte vor der Abfassung der Apostelgeschichte geschrieben worden sei, denn Apg 28 sei aus Röm 9–11 erschlossen. A. J. M. Wedderburn, History, 201 Anm. 27, meint, Lukas habe den Galaterbrief und vermutlich noch andere Briefe gekannt und kritisch verwendet. In Wirklichkeit unterscheiden sich Röm 11 und Apg 28 deutlich, und erst recht ist vom Konflikt mit den Galatern und der paulinischen Argumentation bei Lukas nichts zu finden. Vgl. auch die Zusammenfassung von C. Schaefer, Zukunft Israels, 441–448. 113 Vgl. zur Ringkomposition F. Avemarie, Tauferzählungen, 320. 114 Vgl. dazu unten S. 239 und 241 ff. u. ö.
§ 6 Der frühe Paulus
225
Die göttliche Lenkung drückt sich in der Schilderung einer Doppel-, ja Dreifachvision aus.115 Kurz vor seinem Eintreffen in Damaskus, wo der Verfolger, durch hohepriesterliche Empfehlungsbriefe bevollmächtigt, gegen Christen in den Synagogen vorgehen will, wird er plötzlich (Apg 9,3: ἐξαίφνης) durch eine himmlische Lichterscheinung zu Boden geworfen. Die Vision ist mit einer Audition verbunden, einem kurzen Zwiegespräch: »Saul, Saul, warum verfolgst du mich?« Paulus kennt diese Person nicht und fragt: »Wer bist du, Herr?« und bekommt die Antwort: »Jesus, den du verfolgst. Aber steh auf und geh in die Stadt, und es wird dir gesagt werden, was du tun mußt.«
Weil Paulus Jesus zu Lebzeiten nicht kannte, muß er nach dem Namen fragen. Dies unterscheidet ihn von den anderen Auferstehungszeugen, auch wenn diese zum Teil den Auferstandenen zunächst nicht erkennen. Vision und Audition sind nicht ein nur Paulus betreffendes inneres Geschehen, sondern sind für den lukanischen Paulus objektiv und – wenn auch nur teilweise und undeutlich – für die Begleiter wahrnehmbar; diese können zwar akustisch eine Stimme hören, aber keine Person sehen.116 In Kapitel 9 erzählt Lukas gewissermaßen »vorläufig« von der Berufung des Verfolgers. Seine künftige Funktion als Missionar für die Völker wird nicht Saulus selbst, sondern nur dem Ananias im Traumgesicht mitgeteilt. Das rührt nicht in erster Linie von der Verwendung von Traditionsstoff her, der der Darstellung des Paulus ab Kapitel 13 als Heidenmissionar eigentlich widerspricht, sondern entspricht der Absicht des Auctor ad Theophilum im Bauplan der Apostelgeschichte.117 Die erste Bekehrung eines Heiden bleibt bei ihm Petrus, dem führenden Jesusjünger und Sprecher der Apostel, vorbehalten, der freilich nach seiner programmatischen Rede in Apg 15 das Feld räumen muß. Das Traumgesicht des Ananias und sein Gespräch mit Christus wird als inneres Geschehen beschrieben, das Erlebnis des Paulus dagegen erscheint bei Lukas als ein direktes göttliches Eingreifen vom Himmel her; es erhält damit auch eine ganz andere Dimension als die Stephanusvision. Weil Lukas einer Jerusalemer 115 Vgl. die Steigerung dieses Motivs in der Corneliusgeschichte; dazu unten S. 258 und 278 u. ö. 116 In Apg 22 ist es umgekehrt, siehe dazu unten S. 229. 117 Siehe dazu F. Avemarie, Tauferzählungen, 322: »Mit ihrer starken Betonung der Bekehrung und dem marginalen Rang, den sie dem Missionsauftrag des Saulus einräumt, steht die Version von Act 9 zu dem anderwärts die Apostelgeschichte beherrschenden Interesse an Paulus als einer Schlüsselfigur der Missionsgeschichte in eigenartigem Missverhältnis. Doch zu folgern, dass das, was diese Version zu einer Bekehrungserzählung macht, prinzipiell auf Vorgaben der Tradition beruhen müsse, wäre verfehlt. … Da die Bekehrung des Kornelius als Präzedenzfall der Völkermission noch aussteht, darf der lukanische Saulus sein missionarisches Rüstzeug einstweilen nur vor jüdischem Publikum erproben.«
226
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Tradition folgt, die die Erscheinungen des Auferstandenen auf den Zeitraum von 40 Tagen beschränkt, bezeichnet er die Christusepiphanie vor Damaskus nicht als Ostererscheinung, aber er legt wie bei seinen Ostererzählungen Wert auf die real wahrnehmbare Form der Epiphanie. Auch in diesen Ostererzählungen erscheint der Auferstandene vom Himmel her, nachdem er zuvor in seine δόξα eingegangen ist.118 Bei Paulus und Lukas erhält Paulus als letzter eine solche Christusepiphanie.119 Auffällig ist, wie die Sendung zu den Völkern eingeführt wird. Christus teilt sie dem Ananias mit: Paulus diene ihm als »Gefäß der Erwählung«, um »seinen Namen vor Heidenvölker, Könige und die Söhne Israels zu tragen«. Dabei werde Christus selbst ihm zeigen, wie vieles er bei dieser Sendung um Jesu willen leiden muß.120 In der Darstellung des Lukas wird der Verfolger selbst zum Verfolgten.121 In dieser ›Bekehrungserzählung‹ in Apg 9 fehlt der Aspekt der Berufung zur Heidenmission nicht, er wird zwar in erster Linie als Vorausverweis auf die weitere Darstellung in der Apostelgeschichte verwendet, aber es wird doch klar gesagt, daß Paulus zu dem Zweck berufen wird, den »Namen« Jesu weltweit unter Leiden bekanntzumachen. Der Auftritt vor Königen wird schließlich in der dritten Version der Berufungserzählung in Kapitel 26 durch das Auftreten des Paulus vor König Agrippa II. und dessen Schwester Berenike eingelöst. Der Bericht in Kapitel 9 ist wie in Kapitel 22 und 26 durchgehend von lukanischer Sprache geprägt. Bemerkenswert ist jedoch, wie in den Versen Apg 9,4–9, der Erzählung von der Christusepiphanie, die Lukanismen zurücktreten, ebenso in der Wiederholung dieses Abschnittes in 22,7–11, weniger deutlich in 26,14–18.122 Zugleich werden an diesen Stellen Ausdrücke wiederholt, die sich
118 Lk 24,26: »Mußte der Christus nicht dieses leiden und in seine Herrlichkeit eingehen?« So werden die Emmausjünger bei ihrer Osterbegegnung vom Auferstandenen gefragt. Nachdem er bereits zuvor in seine himmlische δόξα eingegangen ist, erscheint er auf Erden. Die jeweilige ›Himmelfahrt‹ ist eine sichtbare Entrückung; siehe A. W. Zwiep, Assumptus; vgl. auch U. Mittmann-Richert, Sühnetod, 216–225. 119 Vgl. oben S. 215 Anm. 67. 120 Apg 9,15 f.; siehe dazu J. A. Kelhoffer, Persecution, 300–303. 121 Vgl. R. Pesch, Apg I, 307: »Der ehemalige Verfolger wird selbst verfolgt werden.« Dieses Leiden bezieht sich nicht nur auf die in Apg 9,23–30 beginnenden Konflikte. 122 Friedrich Avemarie, der die Idiomatik der Berufungs‑ und Taufberichte in der Apostelgeschichte sorgfältig untersucht hat, schließt aus der besonderen Behandlung dieser Verse, daß sie Lukas vermutlich in schriftlicher Form vorlagen: F. Avemarie, Tauferzählungen, 304: »[D]ie Hand des Lukas [macht sich] in allen drei Erzählungen durchgehend bemerkbar.« Aber an zwei Stellen treten Lukanismen auffällig zurück: 9,4–9 und 22,7–9; op. cit., 305: »Alles spricht demnach dafür, dass Lukas die Szene vor Damaskus einer sprachlich fixierten, also wohl schriftlichen Tradition verdankt, die er in 9,3–9 und 22,6–11 zurückhaltend und in 26,12–15 etwas kräftiger übermalt hat.«
§ 6 Der frühe Paulus
227
sonst nicht im Neuen Testament finden.123 Es wird sich um ein Traditionsstück handeln, das sich an einem alttestamentlich-frühjüdischen Berufungsschema orientiert, am nächsten kommen hier Moses Berufung in Ex 3 und JosAs 14.124 Daß Lukas über vielfältige Informationen über und Erinnerungen an Paulus verfügt haben muß, die auf zuverlässiger Tradition beruhen, zeigen auf den ersten Blick in Kapitel 9 die Erwähnung der Flucht aus Damaskus im Korb über die Stadtmauer (vgl. 2 Kor 11,33) und die Verwendung von πορθεῖν für die Verfolgungstätigkeit in Jerusalem wie in Gal 1,13.23. Es könnte sein, daß Lukas dabei auf eigene, ältere Aufzeichnungen zurückgreift. Auffällig erscheint in Kapitel 9 weiter der Gebrauch von Paulinismen. Diese begegnen vor allem im Gespräch Christi mit Ananias: Der wichtigste Anklang an paulinische Sprache und Theologie ist σκεῦος ἐκλογῆς, das »Gefäß der Erwählung« (V. 15). Lukas verwendet sonst σκεῦος nicht im übertragenen Sinn. Im Alten Testament werden Menschen öfter mit Gefäßen verglichen, um ihre Hinfälligkeit zu unterstreichen. Paulus scheint in der frühjüdischen und ‑christlichen Literatur nicht der einzige und auch nicht der erste zu sein, der σκεῦος als Metapher für den Menschen als ganzen verwendet.125 In Röm 9,22 f. spricht er von den σκεύη ὀργῆς und den σκεύη ἐλέους, wobei diese »Gefäße des Erbarmens« sowohl syntaktisch wie semantisch dem σκεῦος ἐκλογῆς, »Gefäß der Erwählung«, erstaunlich nahekommen. Wie Barrett und zuletzt Avemarie betont haben, ist auch ἐκλογή kein lukanisches Wort, Lukas gebraucht zwar das Verb, aber das Substantiv ist ein paulinisches Vorzugswort und erscheint ebenfalls in Röm 9–11.126
123 Das Licht »umblitzte«: περιαστράπτω in 9,3 und 22,6; die Begleiter nahmen den erblindeten Paulus an der Hand: χειραγωγέω in 9,8 und 22,11; τιμωρέω erscheint nur in 22,5 und 26,11; dazu F. Avemarie, Tauferzählungen, 305. 124 PVTG 5, 174–182 ed. Burchard / Burfeind / Fink. 125 Unter den frühjüdischen Schriften kommt die griechische Vita Adae et Evae (Apocalypsis Mosis) 16,5 und 26,1 seinem Sprachgebrauch nahe: Die Schlange dient Satan als Gefäß, und deshalb wird sie von Gott als σκεῦος ἀχάριστον verflucht, und τὸ ἴδιον σκεῦος erscheint in »schöpfungstheologische[r] Verwendung« für den Menschen, den Gott selbst gebildet hat und um den er sich kümmert; siehe dazu J. Dochhorn, Apokalypse des Mose, 318 f.; vgl. TestNaph 8,4 (123 ed. de Jonge): Den Sünder wird »der Teufel bewohnen wie sein eigenes Gefäß«. Zum Paulinismus σκεῦος ἐλέους siehe C. K. Barrett, Acts I, 455 f.; ausführlich F. Avemarie, Tauferzählungen, 308. 126 Vgl. ἐκλογή in Röm 9,11; 11,5.7.28; 1 Thess 1,4; F. Avemarie, Tauferzählungen, 309: »Die Nachbarschaft von σκεῦος und ἐκλογή in Röm 9–11 lässt die Affinität erkennen, die auch für Paulus zwischen den beiden Ausdrücken bestand; wie es scheint, gehörten sie für ihn zum selben theologischen Wortfeld, dem der unverfügbaren göttlichen Gnade.« J. A. Fitzmyer, Acts, 428, verweist auf die Nachwirkung in den Pseudoklementinen mit ihrer Übertragung der Gestalt des Paulus auf Simon Magus (PsClem R 3,49,5: magis deflendus est Simon, quod vas electionis factus est maligno [GCS Pseudoklementinen II, 129,19 f. ed. Rehm / Strecker]). Zum Unterschied zwischen Röm 11 und Apg 28 siehe oben S. 224 Anm. 112.
228
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Es lassen sich mühelos eine ganze Anzahl weiterer Paulinismen in den drei Berufungsberichten ebenso wie in den Paulusreden der Acta finden.127 Lukas muß in einzelnen Texten bewußt paulinische Sprache nachgeahmt haben, um den großen Missionar möglichst authentisch vorzustellen und ein getreues Bild für das Gedächtnis festzuhalten. Die einfachste Erklärung für diese Paulinismen scheint: Lukas erinnert sich an die Sprache des Paulus und verwendet sie, um diesen Mann in seiner Eigenart als Zeugen Jesu seinen Lesern vor Augen zu führen – nicht nur hier, sondern auch an anderen markanten Stellen.128 Die konkreten Details lassen die Darstellung des Lukas für antike Verhältnisse wenig legendär erscheinen, auch wenn sie nur zum Teil in den eigenen Angaben des Apostels begegnen: Paulus als Verfolger, die Lichterscheinung bei der Christusepiphanie, Krankheit und Heilung des Paulus, die Person des Ananias, die Wohnung des Judas in der Geraden Straße, die Taufe des Paulus und seine Aufnahme in die Gemeinschaft der Damaszener »Jünger«, die Verkündigung des Sohnes Gottes, mit der Paulus sofort in den Synagogen von Damaskus beginnt, seine abenteuerliche Flucht und schließlich die nächste Todesgefahr in Jerusalem. Für die Schilderung der Epiphanie läßt sich eine »Vorlage« vermuten, die das Ereignis nach dem Vorbild von alttestamentlichen und frühjüdischen Bekehrungserzählungen beschrieb. Daß diese direkt auf Paulus zurückgeht, scheint mir fraglich, denn gerade hier fehlen die Paulinismen. Näher liegt es meines Erachtens, den Ursprung dieser »Legende« im Umkreis der Begleiter des Paulus bzw. der Damaszener oder der Jerusalemer Gemeinde zu suchen. 6.3.2.2 Christusvision und Sendung zu den Völkern nach Apg 22 Paulus erhält nach seiner Verhaftung durch den römischen Befehlshaber, die ihn vor seinen jüdischen Feinden rettet, Gelegenheit, eine Verteidigungsrede ans Volk zu richten, in der er auch auf seine Bekehrung und Berufung eingeht. Lukas greift auf seinen schon in Kapitel 9 vorliegenden Text zurück und ändert nur situationsgemäß die Schilderung, denn nun spricht Paulus selbst im Tempel zum Volk: »Es geschah mir aber, als ich unterwegs war und mich Damaskus näherte, daß mich um die Mittagszeit plötzlich ein großes Licht vom Himmel her umblitzte; und ich fiel zu Boden und hörte eine Stimme, die zu mir sprach: ›Saul, Saul, warum verfolgst du mich?‹ 127 F. Avemarie, Tauferzählungen, 128: ein »bewusstes Echo paulinischer Diktion«; vgl. weiter 545 Index s. v. »paulinische Diktion in der Apostelgeschichte«. 128 F. Avemarie, Tauferzählungen, 314 ff., hat gegen diese Erklärung eine Reihe von Bedenken und rechnet damit, daß Lukas doch Briefe des Apostels zur Verfügung gestanden haben könnten; aber er läßt es offen, »inwieweit sich das Lukas zugängliche Paulusmaterial mit den uns erhaltenen Paulusbriefen überschnitt« (314). Entscheidend dürften persönliche Erinnerung und darauf gründende Aufzeichnungen sein. Bei einer Verwendung der Paulusbriefe hätte die Apostelgeschichte ganz anders ausgesehen.
§ 6 Der frühe Paulus
229
Ich aber antwortete: ›Wer bist du, Herr?‹ Und er sagte zu mir: ›Ich bin Jesus aus Nazareth, den du verfolgst.‹ Die aber, die mit mir waren, sahen das Licht, jedoch die Stimme dessen, der mit mir redete, hörten sie nicht. Ich aber sagte: ›Was soll ich tun, Herr?‹ Der Herr aber sagte zu mir: ›Steh auf und geh nach Damaskus, und dort wird dir alles gesagt werden, was dir zu tun aufgetragen ist.‹« (Apg 22,6–10)
Abänderungen gegenüber Kapitel 9 sind unschwer festzustellen: Die Erklärung »Jesus aus Nazareth« ist nötig für das Publikum im Tempelhof, dem Verfolger von Kapitel 9 selbst mußte nur gesagt werden, daß ihm genau derjenige in himmlischem Licht erschien, dessen Anhänger er verfolgte. Der Widerspruch, daß in Kapitel 9 die Begleiter des Paulus eine Stimme hören, aber keine Person sehen, und nun die Begleiter das Licht zwar sehen, die Stimme dessen, der mit Paulus redet, aber nicht hören, löst sich auf, wenn wir hier zwei Aspekte desselben Vorgangs annehmen. Die Begleiter erleben in Kapitel 9 eine nicht personale Wahrnehmung der Lichterscheinung, in Kapitel 22 eine nicht personale Wahrnehmung der Stimme. Dabei wird jeweils vorausgesetzt, daß sie so etwas wie plötzlichen Blitz und Donner129 einer Epiphanie erlebten. Möglicherweise war die Vorlage, die Lukas verwendet, hier klarer.130 Die Schilderung ist gegenüber Kapitel 9 leicht gesteigert, der lukanische Paulus spricht nicht nur von großem Licht (φῶς ἱκανόν), sondern auch von dem feurigen Herrlichkeitsglanz, der δόξα, die ihn blendet.131 Durch den Perspektivenwechsel berichtet nun Paulus in seiner Verteidigungsrede selbst über seine Vergangenheit. Wie in Gal 1,14 bezeichnet er sich als ζηλωτής (τοῦ θεοῦ) und beschreibt sich als Verfolger ganz im Einverständnis mit dem Hohenpriester und dem gesamten Synhedrium, die Paulus nun als Zeugen für seine Verfolgertätigkeit aufruft. Wie in Phil 3 sind der Eifer und die Gesetzes treue der Grund für die Verfolgung. Auch hier läßt sich beobachten, wie Lukas seine Vorlage zum Damaskusbericht mit anderen Pauluserinnerungen anreichert und variiert. Seine Erzählkunst zeigt sich darin, daß wir nun aus dem Mund des Paulus hören, was ihm Ananias im göttlichen Auftrag über seine Sendung mitgeteilt hat. Mit προχειρίζομαι (»erwählen, bestimmen«, 22,14) verwendet er ein lukanisches Vorzugswort, das aber sachlich den Aussagen des Paulus über die unverdiente göttliche Gnadenwahl bei seiner Berufung entspricht. Lukas wiederholt das Verb in 26,16. Der archaische Christustitel ὁ δίκαιος132 in 22,14 illustriert den Sprachgebrauch der christlichen Frühzeit. Die Audiovision wurde Paulus zuteil, um ihn zum Zeugen Christi gegenüber allen Menschen zu machen. »Zeuge« ist in der Apostelgeschichte eine umfassendere Bezeichnung als »Apo129 Vgl. Ex 19,18 f.; 20,18; Joh 12,29. F. E. Brenk, Epiphanies, hat Belege zu den Gottesepiphanien unter Blitz und Donner gesammelt. 130 Vgl. F. Avemarie, Tauferzählungen, 320 f. 131 Apg 22,6.11. 132 Vgl. Apg 3,14; 7,52; vgl. Lk 23,47; Jes 53,11(LXX); Sap 5,1.
230
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
stel« und kann daher auch auf Paulus als den »dreizehnten Zeugen« übertragen werden, während Lukas ihm den Aposteltitel – bis auf die eine Ausnahme Apg 14 – vorenthält.133 Die Sendung zu den Heidenvölkern erscheint hervorgehoben in einer Variante zur Damaskuserzählung, die Lukas im Anschluß mitteilt. Dieser zufolge gerät Paulus nach seiner Rückkehr nach Jerusalem im Tempel während des Gebets in Ekstase und sieht Christus, der ihm befiehlt, sofort aus Jerusalem fortzugehen, denn sein Zeugnis würde hier nicht angenommen: »Geh, denn ich will dich weit fort zu den Völkern senden.« (Apg 22,17–21) Der Einwand des Paulus, daß es seine eigene Schuld sei, daß die Jerusalemer sein Zeugnis nicht annehmen, weil er in den Synagogen der Stadt als Verfolger gewirkt habe, enthält ein interessantes historisches Detail, das uns Lukas bisher so nicht mitgeteilt hatte: die Verfolgung der Hellenisten in den Jerusalemer Synagogen.134 Nach Apg 8,3 drang Paulus in die einzelnen Häuser ein, um Männer und Frauen ins Gefängnis zu bringen. Es sieht so aus, als ob Lukas dies als eine Übertreibung hier etwas zurückgenommen hätte. Aber vermutlich deutet dies nicht auf einen Widerspruch hin, sondern darauf, daß sich die landsmannschaftlichen Synagogengemeinden nicht nur in einem großen Pilgerzentrum wie der Theodotos-Synagoge, sondern auch in Privathäusern trafen. Nicht erst die Erwähnung des Zeugen Stephanus in Apg 22,20 erinnert an dessen Rede in Apg 7. Man hat Lukas dafür gescholten, daß er hier Paulus und Ananias als gesetzestreue Juden vorstelle; in Kapitel 9 war Ananias ein μαθητής, nun ist er εὐλαβὴς κατὰ τὸν νόμον und hat bei allen jüdischen Einwohnern von Damaskus einen guten Ruf.135 Dieser Vorwurf verkennt den sich steigernden provozierenden Charakter der Rede in Kapitel 22, die das Damaskuserlebnis des Paulus als göttliche Gnadenwahl und seine Tempelvision, zu der Jes 6 mit dem Verstockungsauftrag an den Profeten als Vorbild gedient hat, ins Zentrum stellt. Diese Apologie ist wie die Stephanusrede eine Anklage und bricht deshalb mit dem lauten Protest des Volkes ab. Die Episode von der 133 Vgl. C. Burchard, Zeuge; ders., Paulus, 140: »Der Begriff (kein Titel) stellt Paulus neben die zwölf Apostel, die Lukas sonst allein noch Zeugen nennt«, was so nicht ganz stimmt, denn auch Stephanus ist μάρτυς (Apg 22,20); vgl. auch ders., Formen, 277: »Nach Lukas ist Paulus so viel wie ein Apostel, und sogar mehr.« Lukas beschränkt den Aposteltitel auf den Zwölferkreis und verwendet ihn scheinbar eher versehentlich im Plural auch für Paulus und Barnabas auf ihrer ersten großen Missionsreise – von Antiochia aus – in Lystra und Ikonium (Apg 14,4.14). J. Frey, Paulus und die Apostel, 196 f., führt diese Verwendung mit Hinweis auf Roloff u. a. auf Quellenbenutzung zurück. Lukas habe die Bezeichnung an dieser Stelle übernehmen können, »weil ihre Verwendung hier mit der grundlegenden Funktion der Zwölf nicht kollidierte« (197). Wahrscheinlicher scheint mir, daß Lukas hier ganz bewußt gegen die Jerusalemer Tradition, der er sonst verpflichtet ist, den Aposteltitel gewissermaßen durch die »Hintertür« auf Paulus und Barnabas überträgt. Eine erzählerische Unachtsamkeit ist bei der zentralen Bedeutung des Paulus unwahrscheinlich. 134 Siehe dazu oben S. 213. Vgl. L. I. Levine, Synagogue, 132.371. 135 Apg 22,12; vgl. J. Becker, Paulus, 62.64 f.; anders U. Schnelle, Paulus, 104.
§ 6 Der frühe Paulus
231
Tempelvision ist ganz von lukanischer Sprache geprägt. Geht sie auf eine Erzählung des Paulus zurück? Sie widerspricht den Angaben in Gal 1, wonach Paulus sofort nach der Berufung nach Arabien ging und seinen Auftrag zur Heidenmission auf der Straße vor Damaskus erhalten hat. Aber in Röm 15,19 kann auch Paulus sagen, daß seine Mission von Jerusalem und seinem Umkreis ausging, mit κύκλῳ deutet er vermutlich den Damaskus‑ und den Arabienaufenthalt an.136 Paulus mag viele verschiedene ekstatische Erlebnisse gehabt haben, aber diese hier von Lukas beschriebene Tempelvision scheint wohl eine ›Legende‹ zu sein, zu stark sind die hintergründigen Anspielungen auf Jes 6. Vielleicht geht diese Variante des Damaskusereignisses auf Jerusalem feindlich gegenüberstehende Paulusschüler zurück.137 Otto Betz plädiert für Lukas als Verfasser, dann hätten wir hier eine lukanische Pauluslegende, gespeist aus verschiedenen Erinnerungen des Autors.138 Möglicherweise liegt der Ursprung in einer ekstatischen Offenbarung des Paulus beim sogenannten Apostelkonvent, die als Tempelvision nach dem Vorbild von Jes 6 legendär ausgestaltet wurde.139 6.3.2.3 Christusvision und Sendung zu den Völkern nach Apg 26,1–23 Ein drittes Mal berichtet Lukas in aller Ausführlichkeit von Christusepiphanie und Missionssendung in der Rede des Paulus vor Agrippa II., dessen Schwester Berenike, dem römischen Statthalter Festus und der militärischen und zivilen Spitze der Einwohner von Caesarea. Lukas beschreibt das Milieu dieser vornehmen Gesellschaft illustrativ und zeigt damit Theophilos und seinem Kreis, wie selbstbewußt Paulus mit den jüdischen und römischen Eliten umzugehen weiß.140 Schon bei der Schilderung der Verhandlungen vor Felix erweist sich Lukas als guter Kenner der Verhältnisse: Felix ist mit der lebenslustigen Drusilla verheiratet und mag wie diese selbst nichts von Gerechtigkeit, Enthaltsamkeit und dem Jüngsten Gericht hören; er hofft, daß Paulus ihm Bestechungsgelder zukommen läßt.141 Zu Ende seiner Amtszeit schließlich wird Paulus nicht im Zuge einer Amnestie entlassen, sondern bleibt den Juden zu Gefallen ein Gefan M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 147. Vgl. oben S. 210 mit Anm. 37. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 228. 138 O. Betz, Vision. 139 R. Schäfer, Paulus, 414 f., plädiert für eine mündlich tradierte »Erinnerung« an ein Erlebnis des Paulus bei einem Aufenthalt in der Stadt, der Apg 15,4–29 oder 18,22 entsprechen könne. 140 E. Plümacher, Geschichte, 55, verkennt meines Erachtens den Charakter der Darstellung und spricht im Anschluß an Conzelmann von einer »fulminanten ›Prunkszene‹«, deren »schriftstellerische[s] Ziel« es gewesen sei, »[d]en Leser zu überwältigen«. Vgl. dagegen zu Recht F. Avemarie, Juden, 121 f.: Lukas schildert die römischen Beamten »in ihrer unspektakulären Alltäglichkeit … in hohem Maße realistisch«. 141 Apg 24,24–27. 136 137
232
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
gener.142 Entsprechend gut scheint Lukas über Agrippa II. Bescheid zu wissen; seine Angaben über dessen Bildung entsprechen dem Lob des Josephus, nur hebt dieser dessen griechische Bildung hervor, der lukanische Paulus dagegen dessen Kenntnis in jüdischen Sitten und Rechtsfragen.143 Agrippa hatte zu dieser Zeit die Oberaufsicht über den Tempel, das Recht, die Hohenpriester einzusetzen, und vertrat die Interessen des Tempels gegenüber den Römern. Der Rechtsfall des Paulus ging ihn aus diesem Grunde etwas an. Der Situation gemäß ist die Sprache der Rede etwas hochgestochen, es gibt jedoch auch sprachliche und inhaltliche Paulinismen. Die Verfolgertätigkeit wird wieder variierend gesteigert beschrieben: Paulus war nicht nur einverstanden mit dem Mord an Stephanus (22,20), sondern gab, wenn welche von den Heiligen getötet werden sollten, »seinen Stimmstein ab« (26,10). Das klingt übertreibend fast so, als ob er Mitglied im Synhedrium gewesen sei und dieses die Kapitalgerichtsbarkeit besessen habe – eine typisch lukanische rhetorische Steigerung. Auf der anderen Seite liefert die Angabe, Paulus habe die »Heiligen« (ein Paulinismus) in den Synagogen gezwungen, Jesus zu verfluchen (βλασφημεῖν), ein weiteres realistisches Detail.144 Die Helligkeit der Lichterscheinung wird durch einen Vergleich mit dem natürlichen Sonnenlicht erklärt, die es überstrahlt, und ihre Wirkung unterstrichen mit »wir alle stürzten auf die Erde« (26,14). In Kapitel 9 und 22 war nur Paulus gestürzt. Es läßt sich schwer entscheiden, ob Lukas diese Steigerung seiner Quelle oder seiner eigenen Rhetorik verdankt, jedenfalls erreicht vor den Königen die dreifache Beschreibung ihren Gipfel – sprachlich und inhaltlich. Dem römischen Statthalter muß erklärt werden, daß die Stimme, die Σαοὺλ Σαούλ rief, aramäisch sprach, und Lukas legt ganz ungeniert Christus ein griechisches ›Sprichwort‹ in den Mund, um Paulus als Gottesfeind zu charakterisieren und die Vergeblichkeit seines Widerstands zu betonen; »Es kommt dich hart an, gegen den Stachel zu löcken« ist vermutlich seit den Bacchen des Euripides sprichwörtlich, aber auch ein Zeichen von Bildung.145 Wenn Paulus in 1 Tim 1,13 geschildert wird als βλάσφημος, διώκτης und ὑβριστής, so führt 142 Vgl. dagegen den entgegengesetzten Parallelfall, von dem Josephus, Ant. 20,215, berichtet: Albinus habe am Ende seiner Amtszeit, um den Juden einen Gefallen zu tun, die Gefängnisse geleert. Schwerverbrecher wurden hingerichtet und die anderen gegen Bestechungssummen freigelassen. 143 Apg 26,3; zu seiner griechischen Bildung, die er wie alle Mitglieder des herodianischen Königshauses besaß, siehe Josephus, Vita 359. Zu seiner Oberaufsicht über den Tempel siehe Josephus, Ant. 20,15 f.222. 144 Siehe oben S. 212 mit Anm. 48. 145 Apg 26,14; Euripides, Bacchae 795 (SCBO, Euripides Fabulae III, 324 ed. Diggle): πρὸς κέντρα λακτίζοιμι θνητὸς ὢν θεῷ. Dionysos, der Gott, demonstriert so seine Überlegenheit über den vergeblich gegen ihn kämpfenden Pentheus. In der jüdischen Literatur gibt es sonst keinen Hinweis auf diese Redensart, die in der griechischen öfter zitiert wird; siehe J. A. Fitzmyer, Acts, 758 f., der auch auf die Übereinstimmung mit Phil 3,12 (Paulus wurde von Christus vor
§ 6 Der frühe Paulus
233
der Verfasser die Charakterisierung des Paulus als Gottesfeind in der Apostelgeschichte, die er kennt, weiter.146 Daß in der dritten Beschreibung das Erzählinteresse des Lukas am deutlichsten zum Ausdruck kommt, zeigt vor allem die Fortsetzung: Keine lange Ausführung über den vermittelnden Ananias, sondern nach der Selbstvorstellung ἐγώ εἰμι Ἰησοῦς ὃν σὺ διώκεις (V. 15) offenbart der Kyrios Paulus direkt den Sinn der Epiphanie. Der Befehl »Steh auf und stell dich auf deine Füße« läßt Ez 2,1 anklingen, er entspricht auch wörtlich dem Befehl Michaels an Aseneth;147 dagegen erinnert εἰς τοῦτο γὰρ ὤφθην σοι nicht zufällig an das viermalige ὤφθη in 1 Kor 15 mit seinem Schluß ὤφθη κἀμοί (15,8). Diese Paradosis kann Lukas nicht unbekannt gewesen sein, er mußte dazu nicht die Korintherkorrespondenz lesen. Der gekreuzigte und auferstandene Christus (vgl. Apg 26,23) offenbart Paulus, daß er ihn auserwählt hat (προχειρίσασθαι) »zum Diener und Zeugen dessen, was du gesehen hast und was ich dich sehen lassen werde« (Apg 26,16). Auch wenn Paulus nicht Jünger des irdischen Jesus war,148 wird er damit eingereiht in die »Diener des Wortes« und »Augenzeugen«, die der Prolog des Evangeliums nennt. Er verkündigt von nun an, daß Christus gelitten hat und als erster aus der Auferstehung der Toten dem Volk Israel und den Völkern Licht bringen wird. Der Prolog des Evangeliums bezieht sich auch auf das zweite Buch, die Apostelgeschichte, deshalb ist deren Vorwort so kurz und verweist auf den ersten Band.149 Für den Missionsbefehl in Apg 26,17 f. nimmt Lukas die Zusicherung Gottes an den Profeten Jeremia bei dessen Berufung auf, wie die Verwendung von ἐξαιρεῖσθαι zeigt: »Ich werde dich retten aus dem Volk und aus den Völkern, zu denen ich dich senden werde.«150 Den Zweck der Sendung zu den Völkern beschreibt er mit Anspielung auf Stellen aus Deuterojesaja: »… um zu öffnen ihre Augen, um sie zu bekehren von der Finsternis zum Licht, aus der Gewalt Satans zu Gott, damit sie Vergebung der Sünden empfangen und Erbteil unter den Heiligen durch den Glauben an mich.« (Apg 26,18)
»Licht der Völker« (Apg 13,47), »Augen öffnen« und die Betonung des Gegensatzes von Licht und Finsternis kommen aus Jes 42,6 f.16. Aber auch Jes 49,6: »Ich habe dich eingesetzt zum Licht der Völker« klingt an. Das Motivwort φῶς Damaskus »überwältigt«: κατελήμφθην ὑπὸ Χριστοῦ) und 1 Kor 9,15–18 (die ἀνάγκη, der »Zwang«, unter dem Paulus sein Evangelium verkündigt) verweist. 146 Der Verfasser der Pastoralbriefe kennt und verwendet die Apostelgeschichte. M. Wolter, Paulus, 48–66, hält dies für unmöglich; doch vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 15 Anm. 44; 17 Anm. 51; 165 Anm. 666. 147 JosAs 14,8.11 (PVTG 5, 178.180 ed. Burchard / Burfeind / Fink). 148 Lk 1,1 ff. Vgl. M. Hengel, Lukasprolog, 221 Anm. 128 = KS VI, 272 Anm. 128. 149 Siehe dazu S. Byrskog, Story, 229. Josephus verfährt ebenso mit den beiden Bänden von Contra Apionem; auch Philo verweist in der kurzen Widmung von Quod omnis probus liber sit auf einen vorhergehenden Band, vgl. Prob. 1,1: Ὁ μὲν πρότερος λόγος ἦν ἡμῖν, ὦ Θεόδοτε, περὶ τοῦ δοῦλον εἶναι πάντα φαῦλον. 150 Jer 1,8.17.19 LXX gebraucht dreimal ἐξαιρεῖσθαι.
234
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
wird im Kontext dreimal verwendet: zuerst in der Epiphanieszene V. 13, dann im Missionsbefehl V. 18 und V. 23: Der Messias, der sterben mußte, ist als erster von den Toten auferstanden und verkündigt Juden und Heiden Licht. Das ist die Botschaft aller Profeten und die des Paulus. Lukas zitiert dazu Jes 49,6 hier nicht, er führt den Vers vielmehr als Schriftzitat im Munde von Paulus und Barnabas an, als sie sich im pisidischen Antiochia von den Juden ab‑ und der Heidenmission zuwenden (Apg 13,47).151 Was dort explizit zitiert wurde, muß an dieser Stelle nicht noch einmal wiederholt werden. Jes 49,6 kann schon früh als Begründung für die Heidenmission verwendet worden sein,152 aber es ist doch auffällig, daß Lukas an dieser Stelle, die den Höhepunkt seiner Darstellungen der Szene auf der Straße vor Damaskus bildet, auf die Schriftstellen anspielt, die auch Paulus im Sinn hat, wenn er seinen Berufungsauftrag als Apostel für die Heidenvölker in Gal 1 beschreibt. Hier, wo das lukanische Erzählinteresse an der Berufung des Paulus am deutlichsten zutage tritt, kommt er auch sachlich dem Selbstverständnis des Paulus von seiner Berufung am nächsten. Diese Verwandtschaft scheint nicht in allgemeiner urchristlicher Terminologie für die Heidenmission begründet zu sein, sondern im Bemühen des Lukas, paulinische Verkündigung in Erinnerung zu rufen und im Gedächtnis zu bewahren.
6.3.3 Ergebnis Der Vergleich zwischen den Darstellungen des Paulus von seiner Berufung und denen des Lukas bestätigt die Beobachtungen zu den Prologen und dem Wir-Bericht: Lukas, der ehemalige Reisebegleiter des Paulus in seiner späteren Zeit, besitzt nicht nur Traditionen und Legenden über Paulus, sondern hat auch eigene Erinnerungen an ihn, sonst könnte er seine Sprache nicht so gut nachahmen. Diese Erinnerungen bringt er in der Erzählung von der Berufung vor allem in Kapitel 26 und in den Paulinismen zum Ausdruck; er nimmt aber auch eine Personallegende auf über die Epiphanie auf dem Weg nach Damaskus, für die er vermutlich über besondere Aufzeichnungen verfügte. Dem Ananias, über den Paulus, wie über fast alle Personen seiner Frühzeit, in seinen Briefen schweigt, setzt er ein Denkmal. Die Erzählung von der Tempelvision erklärt das spannungsreiche Verhältnis des Apostels zu Jerusalem vermutlich legendär. Das lukanische Erzählinteresse zielt auf die Schilderung der Berufung in Kapitel 26, wo sich die Angaben von Paulus und Lukas am engsten berühren.
Apg 13,46 f.; vgl. 28,28. So J. Roloff, Apg, 209; vgl. weiter R. Genz, Jesaja 53, 125.382 f.386 f.412.
151 152
§ 6 Der frühe Paulus
235
6.4 Damaskus, Arabien, Jerusalem153 Schon mehrfach haben wir darauf hingewiesen, daß Paulus von Jerusalem nach Damaskus reiste, um weiter gegen die während der Verfolgung aus der Heiligen Stadt dorthin geflüchteten »Hellenisten« vorzugehen.154 Vermutlich ging diese Aktion von den griechischsprachigen Synagogengemeinden in Jerusalem aus. Daß Paulus sich dazu vom Hohenpriester bzw. von diesem und dem Synhedrium Empfehlungsschreiben mitgeben ließ, ist gut möglich, aber der Arm des Hohenpriesters reichte nicht so weit, daß er Anhänger der jüdisch-messianischen Sekte in Damaskus durch Paulus verhaften und gefesselt über eine Strecke von 220 km durch verschiedene Herrschaftsgebiete nach Jerusalem transportieren lassen konnte.155 Lukas neigt auch hier dazu, den Verfolger Paulus übertreibend zu zeichnen und dadurch auf seine Weise die Radikalität von dessen Lebenswende erzählerisch hervorzuheben. In Gal 1,15 ff. unterstreicht Paulus selbst – so knapp er sich dabei auch ausdrückt –, daß er sich direkt nach seiner Berufung zunächst in Damaskus aufhielt: »… beriet ich mich nicht sofort mit Fleisch und Blut, ging auch nicht nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern zog fort nach Arabien und kehrte wieder nach Damaskus zurück.«
Paulus kann sich so kurz fassen, weil er den galatischen Gemeinden vermutlich schon bei seinem Gründungsaufenthalt von seiner Berufung und Bekehrung erzählt hat, deshalb gibt er auch seinen weiteren Lebenslauf hier nur in Stichworten wieder. Dabei ist er in seiner Darstellung vor allem bemüht, seine Unabhängigkeit von den Jerusalemer Uraposteln in seinen missionarischen Anfängen klar herauszustellen. Die Wendung »ich beriet mich nicht sofort mit Fleisch und Blut« unterstreicht die Unabhängigkeit seiner Evangeliumsverkündigung von jeder menschlichen Instanz156 und bedeutet – doch wohl mit einer Anspielung auf die Petrustradition von Mt 16,17157 –, daß seine Beauftragung dieselbe Offenbarungsunmittelbarkeit hat wie das Messiasbekenntnis des Petrus, des Urapostels, den er nicht »sofort« um Rat fragte, sondern den er erst nach dem Arabienaufenthalt und der Flucht aus Damaskus drei Jahre später besuchte.158 Siehe dazu ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, passim. dazu oben S. 213 und unten S. 236 f. 155 Apg 9,1 f.; vgl. 22,5; 26,10.12. Dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 80. 156 Siehe J. Frey, Galaterbrief, 240. 157 Siehe dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 70 Anm. 256; vgl. auch die Anspielung in 1 Kor 3,10 ff. auf das Felsenwort; weiter M. Hengel, Petrus, 24–29 u. ö. zum späteren Konflikt zwischen Petrus und Paulus, der auch mit ihrer jeweils besonderen persönlichen Offenbarungserfahrung und dem daraus resultierenden Autoritätsanspruch zusammenhängt. Vgl. schon oben S. 220 Anm. 92. 158 Siehe dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 214–236; M. Hengel, Petrus, 143 f. 153
154 Siehe
236
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
6.4.1 Damaskus und seine jüdischen Bewohner, Paulus und die ersten Christen in der Stadt159 Die Oasenstadt Damaskus war zu dieser Zeit eine bedeutende, angesehene hellenistisch-römische Handelsmetropole mit dem griechischen Rechtsstatus einer Polis. Sie gehörte zum Städtebund der Dekapolis und stand als freie Stadt in lockerem Verbund mit der Provinz Syrien unter dem Schutz der römischen Herrschaft.160 Der alte Hadad-Tempel war zu einem großen Zeusheiligtum im hellenistischen Stil umgebaut worden, ähnlich wie etwas früher der Jerusalemer Tempel von Herodes I. großartig ausgebaut worden war.161 (Ur)alte Verbindungen bestanden zu Palästina, und in frühjüdischer Zeit lebte auch eine beträchtliche jüdische Minderheit in der Stadt, die durch die heidnischen Sympathisanten, die die Synagogengottesdienste besuchten, verstärkt wurde.162 Es ist ja auffällig, daß Lukas von einer Mehrzahl von Synagogen spricht, ebenso wie für Jerusalem und auch für Salamis auf Zypern.163 Ein Theater und ein Gymnasium hatte Herodes I. gestiftet, was sicher auch dem Ansehen der jüdischen Bewohner der Stadt dienen sollte.164 Während der Massaker an der jüdischen Bevölkerung in den syrischen Städten nach der römischen Niederlage zu Beginn des Ersten Jüdischen Krieges sollen in Damaskus 10.500 unbewaffnete Juden wegen Aufruhrverdachts von den einheimischen Bürgern im Gymnasium zusammengedrängt und dann getötet worden sein. Den Plan zu diesem Massenmord, so betont Josephus, mußten die Damaszener aus Furcht vor ihren Frauen geheimhalten, »die sich alle, bis auf wenige Ausnahmen, der jüdischen Gottesverehrung zugewandt hatten. So wetteiferten sie förmlich darum, es vor ihren Frauen geheimzuhalten«.165
Damaskus war eine auf ihre hellenistische Kultur stolze Stadt, und ein Teil der Jerusalemer christlichen »Hellenisten« mag sich vor der Verfolgung hierher ge-
Ausführlicher dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 43–152. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 90–101. Die Nabatäer beherrschten in dieser Zeit Damaskus nicht; der »Ethnarch«, den Paulus in 2 Kor 11,32 f. erwähnt, war kein »Statthalter«, sondern der Vorsteher der nabatäischen Handelskolonie in Damaskus und als solcher Repräsentant des nabatäischen Königs. Siehe dazu E. A. Knauf, Arabienreise. 161 Zum Tempelbau des Herodes siehe M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 59–62. 162 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 139–146. 163 Apg 9,2.20; Jerusalem: 6,9; 24,12; 26,11; Salamis: 13,5. 164 Josephus, Bell. 1,422. 165 Josephus, Bell. 2,560 f.; 7,368: In der Rede des Zeloten Eleazar in Masada sind es sogar 18.000. Vgl. auch Josephus, Vita 27; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 82 f.93: Die Zahlen sind – wie oft bei Josephus – übertrieben; die mit der entsprechenden Ironie geschilderte Furcht vor den Frauen unterstreicht den Einfluß der jüdischen Minderheit in der Stadt. 159 160
§ 6 Der frühe Paulus
237
flüchtet haben, weil sie von hier stammten.166 Paulus scheint jedenfalls erfahren zu haben, daß Anhänger dieser neuen Sekte, Frauen und Männer, die diesen »Weg« vertraten, auch die Synagogen in Damaskus in Unruhe versetzten.167 Diese ›Umtriebe‹ wollte er wohl ursprünglich in Damaskus unterbinden. Nach der lukanischen Darstellung, die auf einer schriftlichen Quelle gründen könnte,168 wohnte Paulus bei einem Juden namens Judas169 in der Geraden Straße und wurde von dem »Jünger« Ananias in die christliche Gemeinschaft170 aufgenommen. Ananias überwindet seine Bedenken auf Grund einer Traumvision und gehorcht dem Herrn nach anfänglichem Widerstand, geht zu dem berüchtigten Verfolger und legt ihm die Hände auf, wodurch er ihn heilt und Paulus den heiligen Geist empfängt. Danach wird dieser von Ananias getauft. Auf diese lukanische Darstellung der Taufe des Paulus und seiner Aufnahme in die Gemeinde von Damaskus haben wir schon im Zusammenhang mit der Berufungsschilderung in Apg 9 kurz verwiesen.171 Es besteht kein Grund, daran zu zweifeln, daß Paulus in Damaskus getauft wurde, oder gar anzunehmen, daß er nicht getauft war. Er selbst schließt sich in den Taufaussagen in Röm 6,3–8 und 1 Kor 12,13 durch die Verwendung der 1. Person Plural mit ein. Paulus muß sich rasch nach seiner Berufung an die ersten Christen in Damaskus angeschlossen haben. Dies erzählt nicht nur Lukas so, sondern das ergibt sich auch aus den Angaben des Paulus in Gal 1,17, auch wenn sie lückenhaft sind.172
166 Zu den Spekulationen, daß die ersten Christen aus Galilaea nach Damaskus gingen und dort missioniert haben, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 53. 167 Als Bezeichnung für die Christen und ihre Lehre erscheint ἡ ὁδός hier (9,2) zum ersten Mal in der Apostelgeschichte, vgl. 19,9.23; 22,4; 24,14.22. Diese frühe Selbstbezeichnung, die wir im Neuen Testament nur bei Lukas in der Apostelgeschichte finden, hat ihre nächsten Parallelen in Texten aus Qumran, so in der Damaskusschrift (CD 1,13; 2,6) und der Sektenregel, wo unter anderem in 1QS 8,12–15 »der Weg des Herrn« (Jes 40,3) als »Studium der Tora« ausgelegt wird; siehe dazu J. A. Fitzmyer, Acts, 424; P. Trebilco, Self-designations, 247–271; vgl. oben S. 24 f. mit Anm. 105. 168 Vgl. oben S. 226 Anm. 122. 169 Apg 9,11. Nach den Acta Pauli handelt es sich um den Herrenbruder Judas, der ihm auch »die hohe Liebe des Glaubens gegeben hat« (siehe NTApo II5, 242; dazu jetzt die Edition von R. Kasser / P. Luisier, Papyrus Bodmer XLI, 281–384). 170 Apg 9 spricht immer von den »Jüngern« (μαθηταί) in Damaskus, nie von der ἐκκλησία. Erst die Gemeinde in Antiochia bezeichnet Lukas dann wie die in Jerusalem und Judaea als ἐκκλησία (Apg 11,26). Anders wieder die Acta Pauli: Hier tritt Paulus in eine große »Kirche« (koptisch: ἐκκλησία) ein; siehe NTApo II5, 242; R. Kasser / P. Luisier, Papyrus Bodmer XLI, 318 f.349. 171 Vgl. oben S. 228; ausführlicher in M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 71–75.80. 144.153. 172 Vgl. zum Taufbericht F. Avemarie, Tauferzählungen, 295–339 (336).
238
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
6.4.2 Die Mission in Arabien und die Flucht aus Damaskus Wie lange Paulus sich in Damaskus aufgehalten hat – vermutlich nicht lange, denn die einflußreiche jüdische Gemeinde wird über den neuen Besucher nicht erfreut gewesen sein –, teilt Paulus den Galatern nicht mit, sondern er betont, er sei zunächst nach Arabien weitergereist. Mit »Arabien« bezeichnet er nach damaligem Sprachgebrauch das Königreich der Nabatäer, das eine lange gemeinsame Grenze mit dem jüdischen Peraea und Idumaea, aber auch mit dem Stadtgebiet von Damaskus hatte. Die Nabatäer galten aus jüdischer Sicht als Nachkommen des älteren Abrahamsohnes Ismael; sie waren nahe Verwandte und selbstverständlich wie ihr Stammvater beschnitten.173 J. A. Fitzmyer unterstreicht in seinem Kommentar zur Apostelgeschichte, daß wir nicht wüßten, warum Paulus nach Arabien ging und wie lange er dort blieb.174 Er vermeidet damit eine Entscheidung über die Frage, ob der Schock seines Berufungserlebnisses Paulus in die Einöde in der Nähe von Damaskus geführt hat, um sich über seine weitere Zukunft klarzuwerden, oder ob mit dem Arabienaufenthalt bei Paulus der Durchbruch zur konsequenten Heidenmission beginnt. Gern wird ja immer noch der Arabienaufenthalt in Analogie zum Aufenthalt Jesu in der Wüste nach seiner Taufe gesehen. So sei Paulus zunächst in die Damaskus nahegelegene Wüste gegangen, habe über seine künftige Aufgabe meditiert und wäre danach wieder in die Stadt zurückgekehrt.175 Aber ist das eine plausible Antwort auf die Frage, warum Paulus nach Arabien ging und was er dort tat?
173 Zu den Nabatäern siehe J. Starcky, Art. Petra et la Nabatène, DBS 7 (1966), 886– 1017; R. Wenning, Nabatäer; ders., Dekapolis; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 60 ff.80 ff.174–213. 174 J. A. Fitzmyer, Acts, 434; er kommt damit zur selben Ansicht wie R. Riesner, Paulus, 231 und A. v. Harnack, Mission, 699 Anm. 5: »Was ihn nach Arabien getrieben und was er dort getan hat, entzieht sich schlechthin unserer Kenntnis«; vgl. A. J. M. Wedderburn, History, 222 Anm. 35. 175 Das haben schon Eduard Meyer und viele andere angenommen; vgl. A. J. M. Wedderburn, History, 87: »… it may not have been the beginnings of his gentile mission which took Paul to Arabia, but rather the need to reflect upon the chance of his life and thought necessitated by what he had just experienced«; vgl. 222 f. Anm. 36; ähnlich U. Schnelle, Jahre, 166: »Arabia steht wahrscheinlich für die steinige Wüstengegend südöstlich von Damaskus.« Wahrscheinlich knüpft die Episode von der Taufe des Löwen in den Paulusakten an die Erwähnung der Ἀραβία in Gal 1,17 an und malt sie legendär aus: Paulus berichtet in Ephesus im Haus von Aquila und Priska über seine Bekehrung. Direkt anschließend sei er des Nachts betend mit zwei Frauen von Damaskus nach Jericho unterwegs gewesen, in der Morgenfrühe sei ein Löwe auf ihn zugestürzt, der um die Taufe gebeten habe. Ein Fluß war in der Nähe, Paulus tauft den Löwen, der ihm dann hinterher in der Arena in Ephesus wieder begegnet und seinen Tierkampf in Ephesus glücklich enden läßt. Siehe dazu R. Kasser / P. Luisier, Papyrus Bodmer XLI, 281–384.
§ 6 Der frühe Paulus
239
Dem Hinweis auf seine Reise nach Arabien geht in Gal 1,16 die deutliche Angabe über den Sinn der Berufung voran: »damit ich ihn unter den Völkern verkündige«. Aber auch für Lukas, der den Arabienaufenthalt wegläßt, beginnt Paulus sofort mit der Verkündigung der neuen Botschaft.176 Vielleicht kam es in den Damaszener Synagogengemeinden zu Auseinandersetzungen zwischen Paulus und seinen jüdischen Volksgenossen, weil er die heidnischen Sympathisanten für die neue »Sekte« gewinnen wollte. Wurde ihm die Lage zu riskant, und wich er aus in das nächstgelegene »Missionsgebiet«? Dann wäre die Auseinandersetzung, die Lukas in Apg 9,22 f. als Grund für die »Flucht im Korb« aus der Stadt Richtung Jerusalem angibt, als einer der Gründe für den Weggang nach Arabien zu sehen. Diese Möglichkeit ist jedoch weniger wahrscheinlich. Erst das Wirken des Apostels in »Arabien« selbst, wo er vermutlich durch seine Christusverkündigung zumindest in den Synagogengemeinden für Unruhe sorgte, wird den Zorn des Königs Aretas erregt haben, der dann den nabatäischen »Ethnarchen« in Damaskus, das heißt den Vorsteher der nabatäischen Kolonie in Damaskus, eine Art Konsul des Nabatäerkönigs, auf Paulus ansetzte, so daß er vor diesem fliehen mußte (2 Kor 11,32 f.). Paulus wußte sich zudem durch seine Berufung von Anfang an als Missionar unter die Völker gesandt. An keiner Stelle in seinen Briefen gibt er zu erkennen, daß sich diese Erkenntnis erst allmählich entwickelt hätte,177 allmählich erweitert haben sich vielmehr seine geographischen Missionsziele. Er betont, daß er mit seiner Berufung wie der Prophet Jeremia und wie Jesaja, das heißt der Gottesknecht von Jes 42 und 49, zur Verkündigung als einzelner unter die Völker, die Heiden, gesandt wurde. Darin besteht eine deutliche Übereinstimmung mit der Darstellung des Lukas.178 Auffällig ist jedenfalls, daß sich die urchristlichen Missionsreisen in den ersten 15 Jahren im Grunde auf das Gebiet beschränken, das man nach dem Vorbild der Ausdehnung des Abraham verheißenen Landes und des davidischen Reiches als messianisches Reich erwartete und als »Großjudaea« betrachtete.179 Vielleicht begab sich Paulus nach »Arabien«, weil er wußte, daß andere Missionare sich schon auf den Weg nach Syrien, der palästinischen Küste entlang Richtung Norden, gemacht hatten, und weil er selbst immer – und dann von Anfang an – Wert darauf legte, nur dort das Evangelium zu verkünden und Gemeinden aufzubauen, wo noch niemand vor ihm den Grundstein gelegt hatte (Röm 15,20). Deshalb ging er nach Arabien, d. h. weiter nach Süden zu den N abatäern, 176 Apg
9,18b–22; siehe dazu ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 177 f. Gegen A. J. M. Wedderburn, History, 86 f. 178 Siehe dazu oben S. 234. 179 Siehe dazu M. Hengel, Liste = KS VI, 191–211; ders., Paulus in Arabien, in: KS III, 207 f.; M. Bockmuehl, Antioch. 177
240
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
die – wie gesagt – als Söhne Ismaels und nah verwandte Nachkommen Abrahams galten und deren »Bekehrung« von den Profeten geweissagt worden war.180 Sie waren selbstverständlich beschnitten, die Frage der Beschneidung konnte hier bei der Aufnahme von »Neubekehrten« noch gar nicht auftauchen. Bei den arabischen Stämmen gab es wie in den semitischen Religionen Syriens eine monotheisierende Tendenz zur Verehrung eines höchsten Gottes, sei er der »Gott der Väter« bei den Nomaden, sei er in den Städten der anonyme, an den jeweiligen Ort oder Berg gebundene höchste Gott, der dann als universaler Zeus bzw. Jupiter oder als Θεός bezeichnet und als Himmelsgott und »Herr« (mrʾ, mrn, κύριος) oder auch anonym als der, »dessen Name gepriesen sei für immer«, angerufen und bildlos verehrt wurde.181 Es gab aber auch starke jüdische Gemeinden; in der Hauptstadt Petra ist eine solche vorauszusetzen, und im weiter südlich gelegenen Hegra sind Juden für diese Zeit inschriftlich belegt.182 Paulus wird sich damals schon, wie er es später getan hat, bei seiner Mission zunächst auf die örtlichen Synagogengemeinden gestützt und sich dort mit seinem Evangelium besonders an die heidnischen Sympathisanten gewandt haben. Als ein Indiz für den Arabienaufenthalt des Paulus kann man seine Allegorese in Gal 4,21–31 ansehen, in der er die Mutter Ismaels, Hagar, mit der Stadt Hegra und mit dem Berg Sinai gleichsetzt. Es handelt sich dabei um eine ungewöhnliche Identifizierung des Sinai mit dem Hausberg von Hegra, der südlichen Metropole des Nabatäerreiches, auf deren Bedeutung für die Lage des Sinai Hartmut Gese als erster hingewiesen hat.183 Paulus hat bei seinem Arabienaufenthalt diese ungewöhnliche Lokaltradition kennengelernt, die wohl auf die jüdische Bevölkerung in Hegra zurückgeht. Was lag ihm in Damaskus näher, als in dieser »Ausgangslage« – seine Berufung auf dem Weg nach Damaskus, seine vermutlich schwierige Situation in den Synagogen der Stadt und die Wanderungen der Hellenisten an der palästinischen Küste entlang Richtung Norden – eine Weisung für sich selbst zu den nächsten 180 Nebajot ist der Erstgeborene der Zwölf Stämme Ismaels; auf diesen Enkel Abrahams wurden die Nabatäer zurückgeführt, Gen 25,13; 1 Chr 1,28; sie gelten als die nächsten Verwandten, Gen 28,9; 36,2 f.; vgl. Jes 60,7. Ihnen gelten auch eschatologische Weissagungen, siehe Jes 42,11 LXX: εὐφρανθήσονται οἱ κατοικοῦντες Πέτραν, … δώσουσιν τῷ θεῷ δόξαν; vgl. ausführlicher zu den Nabatäern und ihren Beziehungen zu den jüdischen Nachbarn M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 179–194. 181 Siehe dazu den Exkurs »Zur religiösen Situation in Arabien und Syrien und zum Gebrauch des Titels Kyrios«, in: M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 194–207. 182 Siehe dazu E. A . Knauf, Arabienreise, 469.470 Anm. 26 f.; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 183 Anm. 744. 183 H. Gese, Ἁγάρ. Vgl. A. M. Schwemer, Himmlische Stadt, 198–202. Anders D.-A. Koch, Geschichte, 213: Paulus sei höchstens bis Bostra gekommen. »Alles andere ist Spekulation.« Aber warum bis Bostra? Und woher hat Paulus die eigenartige Lokaltradition über die Lage des Sinai?
§ 6 Der frühe Paulus
241
Volksverwandten zu sehen und sich an die Nachkommen Ismaels mit der Verkündigung des Evangeliums für die Heiden zu wenden, das heißt an diejenigen unter ihnen, die bereits mit dem Judentum sympathisierten?184 Die Gründe, die für eine aktive Wirksamkeit des Apostels aus paulinischer Sicht als Einzelmissionar in Arabien sprechen, lassen sich kurz so zusammenfassen: 1. Es kam in Damaskus zu Spannungen mit Juden in den Synagogengemeinden, so daß Paulus der Boden zu heiß wurde. 2. Er wurde als einzelner zum Heidenmissionar berufen. 3. Die Vorstellung vom messianischen Reich, die gespannte Naherwartung sowie die Tatsache, daß im Nabatäergebiet – aus sprachlichen Gründen – bisher noch kein Missionar aus den Reihen der »Hellenisten« gewirkt hatte, spielten eine Rolle. 4. Die Frage der Beschneidung belastete die Mission in diesem Gebiet noch nicht. 5. Paulus konnte als Einzelmissionar hier wirken, weil er aramäisch sprach und sich von seinem Handwerk als Zeltmacher ernähren konnte. 6. Vermutlich handelte es sich nicht um einen kurzen, missionarisch erfolglosen Aufenthalt. Paulus muß hier so unliebsam aufgefallen sein, daß Aretas IV. ihm sogar in Damaskus durch seinen dortigen Ethnarchen nachspüren ließ, um ihn zu verhaften (2 Kor 11,32 f.). Wahrscheinlich mußte Paulus Nabataea auch wegen des militärischen Konflikts zwischen Herodes Antipas und Aretas IV. im Jahr 35/36 n. Chr. verlassen.185 Immer wieder stoßen wir auf das Problem, daß die Lückenhaftigkeit der Quellen, ihre Widersprüchlichkeit und die Zufälligkeit dessen, was uns erhalten geblieben ist, eine wirklich klare historische Rekonstruktion dessen, »wie es gewesen sein könnte«, erschweren. Es bleiben Fragen, auch wenn man sich um plausible Hypothesen bemüht. Deshalb hier noch einmal eine Zusammenfassung zu dem Bild, das Lukas von den Vorgängen zeichnet, im Vergleich mit den eigenen Angaben des Apostels: Lukas setzt die Akzente anders. Er verzichtet auf die Erwähnung des Arabienaufenthalts und läßt Paulus nur in den Damaszener Synagogen als Verkündiger des Messias und Sohnes Gottes auftreten. Entweder wußte Lukas nichts von der Mission des Paulus in Arabien, so wie er auch sonst über die Frühzeit des Apostels nicht so gut informiert ist, oder er läßt sie als nebensächlich weg, weil ihm alles daran liegt, Petrus als den Begründer der Heidenmission darzustellen. Vielleicht meinte er auch, sie übergehen zu können in seinem Bestreben, die Vgl. auch J. D. G. Dunn, Beginning, 364 ff. Siehe die ausführlichere Zusammenstellung der Gründe für die Mission in der Arabia: M. Hengel, Paulus in Arabien, in: KS III, 204–211. 184 185
242
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Berufung des Paulus in Apg 9 in einer geschlossenen Ringkomposition darzustellen.186 Zudem war er geographisch nur an der Westorientierung interessiert. Nach Apg 9,19b–25 tritt Paulus rasch nach seiner Taufe in den Damaszener Synagogen auf und verkündigt Jesus als den »Sohn Gottes« (ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ) und »Messias« (ὁ χριστός).187 Darin ist Lukas nun gar nicht so weit von Paulus entfernt, der seine Berufung als eine Offenbarung des Gottessohnes durch Gott selbst an ihn bezeichnet. Beide setzen die zentrale Bedeutung dieser Titel für die Zeit der Berufung des Paulus voraus.188 Die Botschaft des Apostels erregt unter den Juden der Stadt so großes Aufsehen, daß sie sich entsetzen und es zum Mordkomplott kommt, dem Paulus nur mit Hilfe »seiner Jünger«, heimlich nachts in einem Korb über die Stadtmauer herabgelassen, entkommen kann. Für diese spektakuläre Flucht besitzen wir einen eigenen Bericht des Paulus (2 Kor 11,30–33), der mit der Erwähnung des Ethnarchen des Aretas zeigt, daß Verfolgung und Flucht aus Damaskus nur durch den von ihm selbst in Gal 1,17b erwähnten Arabienaufenthalt zu erklären und mit diesem in Verbindung zu bringen sind.189 Paulus mußte seine Mission im Nabatäerreich vermutlich während des Krieges zwischen Aretas IV. und Herodes Antipas im Jahr 35/36 abbrechen; der Zeitpunkt des Krieges korrespondiert doch wohl nicht zufällig mit dem dritten Jahr nach seiner Berufung.190 Ein Jude, der mit seiner Verkündigung eines gekreuzigten und auferstandenen jüdischen Messias Unruhe in die örtlichen Synagogengemeinden mit deren heidnischen Sympathisanten brachte, war weder den ansässigen Juden in dieser angespannten Lage willkommen noch dem Herrscher. Paulus wandte sich nach Damaskus zurück (Gal 1,17b), mußte dann aber bald vor dem Ethnarchen des Aretas aus der Stadt fliehen. Er hatte wohl bei seiner Mission in Arabien hinreichende Gründe dafür geliefert, sich bei Aretas IV. in Mißkredit zu bringen, und dieser hatte seinerseits seinen Konsul beauftragt, den Unruhestifter zu inhaftieren bzw. an ihn auszuliefern.191 Siehe dazu oben S. 224. Mit diesen Titeln deutet Lukas zentrale Themen der paulinischen Evangeliumsverkündigung an; vgl. Röm 1,1–4 u. ö.; »Sohn Gottes« ist sonst in der Apostelgeschichte selten. Vgl. auch J. A. Fitzmyer, Acts, 434. 188 Siehe M. Hengel, Sohn Gottes, 103 f. = KS IV, 124; ders., Jesus, der Messias Israels, 155 ff. = KS IV, 259 ff. 189 Vgl. auch oben S. 239 und 241. Anders D.-A. Koch, Geschichte, 213 f.: »Der Grund für die Nachstellungen des Aretas ist … nicht erkennbar.« 190 Der Grund waren Streitigkeiten um Grenzgebiete, die vorher zum Herrschaftsgebiet des Herodessohns Philippus gehört hatten, der im Jahr 34 ohne direkten Erben verstorben war. Josephus führt als Volksmeinung über die Gründe der vollständigen Niederlage des Antipas in der entscheidenden Schlacht an, daß Gott damit den Justizmord an Johannes dem Täufer gerächt und den König bestraft habe; siehe Josephus, Ant. 18,109–115.116–119; vgl. dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 73.75.298. 191 Vgl. E. A. Knauf, Arabienreise, 469.471. 186 187
§ 6 Der frühe Paulus
243
Daß Paulus zur Zeit des Königs Aretas IV., der bis zum Jahr 40 n. Chr. über Nabataea herrschte, aus Damaskus fliehen mußte, schreibt er selbst in 2 Kor 11,30–33, wo er in seiner ›Narrenrede‹ die »Vorzüge« – das heißt die Leiden, Schikanen und blamablen Situationen, in die er bei der Verkündigung des Gekreuzigten geraten ist – aufführt, um seinen Gegnern, die von ihm eine Auflistung seiner ›Exzellenz‹ als Apostel forderten, den Mund zu stopfen: »Wenn gerühmt werden muß, werde ich mich meiner Schwachheit rühmen. Gott, der Vater unseres Herrn Jesus, weiß es, der gepriesen sei in Ewigkeit, daß ich nicht lüge. In Damaskus bewachte der Ethnarch des Königs Aretas die Stadt Damaskus, um mich zu ergreifen, aber durch ein Fenster wurde ich in einem Korb über die Stadtmauer herabgelassen und entkam seinen Händen.«192
Der ›Ethnarch‹ des Aretas war, wie Ernst Axel Knauf gezeigt hat, so etwas wie der Vorsteher der nabatäischen Handelskolonie, der die Interessen des Nabatäerkönigs in der Stadt vertrat; denn Aretas beherrschte diese als Mitglied der Dekapolis damals freie Oasenstadt nicht. Zum Konflikt war es wohl auf Grund der Mission des Paulus in Arabien gekommen; den mögen Streitigkeiten des Paulus mit jüdischen Gegnern in Damaskus verstärkt haben, die sich an den Ethnarchen wandten, um Paulus aus dem Weg zu räumen. Lukas berichtet diese Episode etwas anders, aber nicht völlig entgegengesetzt. Für ihn sind es die jüdischen Volksgenossen des Paulus in Damaskus, die mit einem Mordanschlag auf seine erfolgreiche Verkündigung des Christus reagieren. Paulus entkommt heimlich bei Nacht, von »seinen Jüngern« im Korb über die Stadtmauer herabgelassen.193
6.4.3 Der Besuch bei Petrus in Jerusalem194 Da ihm die Wege im Osten, der von den Nabatäern kontrolliert wurde, verbaut waren, wandte sich Paulus auf seiner Flucht zurück nach Jerusalem.195 Auch er konnte auf die Dauer ohne Kontakt mit der Urgemeinde nicht erfolgreich 192 2 Kor
11,30–33; vgl. dazu G. Holtz, Nichtigkeit, 61–71. 9,23–25. Die auffällige Wendung λαβόντες δὲ οἱ μαθηταὶ αὐτοῦ (∏74 אA B C 81c pc) ist nicht nur besser bezeugt als der Mehrheitstext λαβόντες δὲ αὐτὸν οἱ μαθηταί, sondern scheint auch die ursprünglichere Lesart zu sein; denn die Angabe, daß es sich um »seine«, das heißt um die Schüler des Paulus handle, ist ungewöhnlich und widerspricht dem lukanischen Sprachgebrauch. Lukas wird die Nachricht, daß Paulus in Damaskus »Schüler« hatte, der Tradition verdanken. Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 210; vgl. C. S. Keener, Acts II, 1686: »the statement reflects genuine early tradition about Paul«. 194 Dazu ausführlicher M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 214–236. 195 Gal 1,18–20; vgl. 2 Kor 11,32; Apg 9,19b–30. R. Bauckham, Paul, 177 = ders., Jewish World, 262, nimmt an, daß Paulus nicht weiter im Osten missionieren konnte, weil die Nabatäer alle Handelswege kontrollierten. Weil ihm jede Missionsmöglichkeit im Osten versperrt war, habe er sich zunächst nach Jerusalem gewandt und dann weiter in den Westen. 193 Apg
244
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
arbeiten. Er wollte ja keine von dort völlig getrennte neue Sekte gründen. In Gal 1,18–21 erwähnt er diesen Besuch in der Heiligen Stadt und gibt auch den Zweck an: »Darauf, nach drei Jahren, ging ich nach Jerusalem hinauf, um Kephas (persönlich) kennenzulernen,196 und ich blieb bei ihm vierzehn Tage. Einen anderen von den Aposteln sah ich nicht, außer Jakobus, den Bruder des Herrn. Was ich euch schreibe – siehe, es ist vor Gott, daß ich nicht lüge. Danach ging ich in die Gegenden von Syrien und Kilikien.«
Paulus hält es für nötig, die Wahrheit dieses apologetischen biographischen Berichts den Galatern gegenüber mit einer Schwurformel zu unterstreichen. Er muß sich ja offenkundig – wie schon betont197 – gegen Unterstellungen wehren, die ihn in seiner Evangeliumsverkündigung in Abhängigkeit von den Jerusalemer Uraposteln sehen; deshalb legt er dar, wie es sich damals verhielt, als er sich zum ersten Mal nach seiner Berufung und seiner dreijährigen Tätigkeit als Einzelmissionar wieder in Jerusalem befand. Weder hat er eine Mehrzahl von Aposteln getroffen (Gal 1,19), noch ist er in den Gemeinden Judaeas persönlich aufgetreten (Gal 1,22). Der Anlaß seines Besuches war der Wunsch, den führenden Kopf der neuen messianischen Bewegung, Kephas / Petrus, kennenzulernen. Mit diesem Wunsch hatte er sich jedoch drei Jahre Zeit gelassen. Der direkte Anlaß zu diesem Zeitpunkt ergab sich aus dem Zwang, aus Damaskus zu fliehen, wie in 2 Kor 11,30–33 und Apg 9,23–25 geschildert wird. Er hat aber in Jerusalem Kephas nicht nur »kennengelernt«, sondern war auch volle zwei Wochen persönlich bei ihm zu Gast. Das ist für einen Besuch keine kurze Zeit, und eine solch großzügige Gastfreundschaft bedeutete ein Privileg.198 Doch für den Gesamtaufenthalt in der Stadt ist es eine auffallend kurze Frist, und mit Unterstützung durch Verwandte konnte Paulus damals anscheinend nicht rechnen.199 Lukas schließt an die Flucht aus Damaskus unmittelbar den Aufenthalt in Jerusalem an, und es besteht kein Grund zu bezweifeln, daß es sich so verhielt,
196 Zu dieser einleuchtenden Übersetzung siehe O. Hofius, Gal 1,18. Zum »Kennenlernen« gehört auch die Kenntnis der jeweiligen Verkündigung des anderen. 197 Dazu oben S. 235 bei Anm. 156. 198 Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 219.225; auch J. D. G. Dunn, Beginning, 368 f., findet eine solche Gastfreundschaft ungewöhnlich lang und verweist zustimmend auf uns und A. J. M. Wedderburn, History, 223 Anm. 39; zur ur‑ und frühchristlichen Gastfreundschaft vgl. D. Gorce, Art. Gastfreundschaft, RAC 8 (1972), 1103–1120; J. Koenig, Art. Gastfreundschaft. V. Neues Testament, RGG4 3 (2000), 476; V. Leppin, Art. Gastfreundschaft. VI. Kirchengeschichtlich, RGG4 3 (2000), 476 f. 199 Siehe dagegen Apg 23,16–22 zu seinem Neffen, dem Schwestersohn, der ihm später bei seiner Inhaftierung einen wichtigen Dienst leistet und die gegen ihn gerichtete Verschwörung vereitelt. Auch A. J. M. Wedderburn, History, 87, bezeichnet zu Recht den gesamten Jerusalemaufenthalt als »a brief visit«.
§ 6 Der frühe Paulus
245
auch wenn er den Arabienaufenthalt, der dieser Flucht vorausging, – aus welchen Gründen auch immer – übergeht: »Als er aber nach Jerusalem gekommen war, versuchte er mit den Jüngern Verbindung aufzunehmen, und alle fürchteten sich und glaubten nicht, daß er ein Jünger sei. Barnabas aber nahm ihn mit zu den Aposteln. Und er [Paulus] erzählte ihnen, wie er auf dem Wege den Herrn sah und er [der Herr] mit ihm redete und wie er in Damaskus freimütig im Namen Jesu redete. Und er ging ein und aus bei ihnen in Jerusalem, indem er freimütig redete im Namen des Herrn. Und er redete und disputierte auch mit den Hellenisten, die aber versuchten ihn zu töten. Als das die Brüder erfuhren, brachten sie ihn hinab nach Caesarea und sandten ihn nach Tarsus.«200
Die lukanische Schilderung des Geschehens scheint die knappen paulinischen Angaben verständlicher zu machen und zu ergänzen, im entscheidenden Punkt widerspricht sie aber dem Bericht des Galaterbriefs: Paulus hat nicht einfach alle Apostel in Jerusalem getroffen und sich auch nicht völlig freizügig in der Stadt bewegt.201 Die Einführung des Paulus durch Barnabas bei Petrus scheint dagegen nicht »ausgeschlossen«, sondern eher wahrscheinlich.202 Wie sollte Paulus die Bekanntschaft und die Gastfreundschaft des ihm vorher persönlich unbekannten Petrus ohne Vermittlung erlangt haben? Petrus war damals die unangefochtene Autorität im Apostelkreis und der Leiter der Urgemeinde; ihn wollte Paulus treffen, weil er wußte, daß er der Bedeutendste war, der erste Jünger Jesu und – da Maria Magdalena, die Empfängerin der Protophanie des Auferstandenen, nach jüdischem Recht als Frau keine Zeugenfunktion hatte – erste Auferstehungszeuge. Daß Jakobus, der Herrenbruder, an den Gesprächen zeitweise teilnahm, zeigt, daß er schon damals, im Jahr 36 n. Chr., eine nicht unwichtige Rolle spielte, aber noch nicht das Haupt der Urgemeinde war.203 Daß Paulus keine anderen Apostel angetroffen hat, lag kaum daran, daß sich diese gerade alle auf Missionsreisen befunden hätten, sondern hängt mit dem besonderen Interesse, das Paulus an Petrus hatte, zusammen und mit der 200 Apg 9,26–30; zur Begründung der Übersetzung vgl. M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 215. 201 Gal 1,18. Vermutlich handelt es sich in Apg 9,26–28 um Jerusalemer Tradition, der Paulus energisch widersprechen muß; siehe M. Hengel, Petrus, 56.144. 202 M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 223 f.; anders M. Öhler, Barnabas, 200: »Eine Vermittlungstätigkeit des Barnabas wird durch Gal 1,18 f. ausgeschlossen.« Auch J. Frey, Paulus und die Apostel, 217 f., rechnet damit, daß Barnabas Paulus zum ersten Mal in Tarsus begegnet ist (Apg 11,25 f.). 203 Anders P.-A. Bernheim, Jacques, 132 ff.260 ff.278 ff.; J. Painter, James, 44; S. C. Mimouni, Mouvement, 164 f., die Jakobus zur führenden Persönlichkeit in Jerusalem von Anfang an machen möchten. Dagegen spricht auch die Aufzählung der Auferstehungszeugen in 1 Kor 15,5 ff.: An erster Stelle steht Petrus, Jakobus erst an vierter. Vgl. dazu ausführlicher unten S. 443 mit Anm. 18.
246
II. Die Ausbreitung der Gemeinde und die Anfänge der Heidenmission
Gefährdung des Paulus in der Stadt durch seine einstigen Freunde, die jüdischen »Hellenisten« in den Jerusalemer Synagogen, die ihn für einen Abtrünnigen und Verräter halten mußten. Vermutlich hat Lukas darin recht: Paulus geriet in Streit mit seinen früheren Verbündeten, und es drohte ihm das Schicksal des Stephanus.204 Die interessante Frage, auf die weder Gal 1,18–21 noch Apg 9,26–30 direkt einzugehen scheinen, besteht darin, ob bei diesem Treffen über die Heidenmission gesprochen wurde. War Petrus zu diesem Zeitpunkt schon zur Heidenmission übergegangen? Stimmt die Darstellung bei Lukas, dann hatte auch Paulus bisher nur in den Damaszener Synagogen zu Juden (und Sympathisanten) gesprochen, obwohl er doch auch nach seinem dreifachen Bericht seit seinem Damaskuserlebnis zum Völkermissionar bestimmt war. Aber als erster ging für Lukas Petrus im Haus des Cornelius in Caesarea zur Heidenmission ohne Rücksichtnahme auf die Einhaltung jüdischer Speisegesetze und heidnische Unreinheit über, und zwar nach dem Treffen mit Paulus in Jerusalem. Petrus gelang dieser Durchbruch dank göttlicher Weisung und Führung. Lukas hat damit historisch gesehen kaum recht. So gewiß auch die Darstellung des Paulus in Gal 1 und 2 nicht ohne einseitige Tendenz ist, so unbestreitbar ist sein Anspruch, daß er in einzigartiger Weise zum Heidenmissionar berufen wurde und als solcher von Anfang an gewirkt hat. Deshalb wird es bei diesem Austausch in Jerusalem auch um die Verkündigung des Evangeliums unter den Völkern gegangen sein.205 Zwei Wochen war Paulus bei Petrus zu Gast – für eine private Visite eine lange Zeit, aber kurz für einen Jerusalembesuch. Wegen der Bedrohung durch seine einstigen Freunde konnte Paulus nicht länger in der Stadt bleiben und reiste ab in die Gegenden von »Syrien und Kilikien«, wo er anschließend ca. zwölf Jahre als Missionar wirkte.206 Zunächst begab er sich in seine Heimatstadt Tarsus, die damals zur Doppelprovinz Syrien-Kilikien gehörte. Danach ließ er sich von Barnabas in die Hauptstadt Antiochia holen, um dort mit diesem zusammen als einer der führenden »Profeten und Lehrer« ihren missionarischen Auftrag und Dienst unter den Völkern erfolgreich ohne Rücksicht auf das jüdische Ritualgesetz zu erfüllen.207 204 Zum Motiv der Geheimhaltung des Besuchs in der Stadt siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 217 f. Zu Apg 9,29 vgl. S. 142 Anm. 11. 205 R. Bauckham, Paul, 182 Anm. 28 = ders., Jewish World, 267 Anm. 28, dagegen folgt mit seiner Betonung, daß die Völkermission ohne jeden Bezug zur Berufung des Paulus mit Apg 10 f. begonnen habe, der lukanischen Sicht und spricht von einem »rather desperate attempt by Hengel and Schwemer … to postulate Paul’s influence on the Jerusalem ›pillar‹ apostles«. 206 Gal 1,21; 2,1. 207 Apg 11,25 f.; 12,25; 13,1 f.; dazu ausführlich M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 314–350. Vgl. T. Söding, Apostel gegen Apostel, 109 f.: »Paulus ist ein Großstadtmensch, der wie ein Städter gedacht und gehandelt hat, vor und nach seiner Berufung. Paulus hat sich von
§ 6 Der frühe Paulus
247
Wieder zeigt sich dabei, daß es in den Angaben des Lukas doch mehr Übereinstimmungen als Widersprüche zu denen des Apostels gibt, auch wenn sich Lukas über die Frühzeit des Paulus nicht so gut informiert zeigt wie in seinen Schilderungen von dessen letzten Jahren.
Barnabas wohl auch deshalb nach Antiochia locken lassen …, weil er die strategische Bedeutung der Stadt für die Völkermission erkannt und später zielstrebig genutzt hat.«
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission1 Für die gut zehn Jahre der Entwicklung der Urgemeinde zwischen der Stephanusverfolgung ca. 32/33 n. Chr. und der durch Agrippa I. ca. 43 n. Chr. sind unsere Quellen besonders dürftig. Trotz der sich allmählich ausbreitenden Mission der Hellenisten außerhalb Judaeas, bei der auch Saulus / Paulus rasch eine bedeutsame Rolle spielte, behielt die judenchristliche Gemeinde in Jerusalem ihre Führungsrolle bei. Dies gilt, wie das »Apostelkonzil« (48/49 n. Chr.) sowie das sogenannte »Aposteldekret« (vermutlich etwa 52/53 n. Chr. nach dem Zwischenfall in Antiochia)2 und die Reise des Paulus mit der Kollekte nach Jerusalem zum Wochenfest im Jahr 57 n. Chr. zeigen, bis zur Hinrichtung des Jakobus und anderer Judenchristen ungefähr im Jahr 62 n. Chr. Freilich ist unser Wissen über die Urgemeinde in der Heiligen Stadt, wenn man bedenkt, wieviel sich hier ereignet haben muß, ganz und gar fragmentarisch. Von den anderen Gemeinden in Judaea, Galilaea oder Samarien wissen wir noch weniger, das heißt im Grunde nur von ihrer Existenz.3 Wir besitzen hier nur ganz vereinzelte, zufällige Nachrichten, gewisse Hinweise auf Proteste gegen die Abschwächung der Geltung 1 Vgl. L. Goppelt, Christentum, 80 ff.164 ff.; W. Schneemelcher, Urchristentum, 86 ff.155 f.; D. Zeller, Art. Heidenmission, NBL 2 (1991), 84 f. (mit Literaturangaben); O. Betz, Art. Mission, TRE 23 (1994), 23–31; R. Bauckham, James and the Jerusalem Church; G. Lüdemann, Art. Heidenchristen, RGG4 3 (2000), 1516–1520; J. Carleton Paget / B. Wander, Art. Judenchristentum, RGG4 4 (2001), 601–605; J. Ådna / H. Kvalbein (Hg.), Mission; vgl. auch F. W. Horn, Verzicht; E. J. Schnabel, Mission, passim, vgl. die Zusammenfassung 1478–1484: Schnabel führt »das Projekt der Heidenmission« auf die Verkündigung Jesu zurück (1478); ähnlich M. Bird, Jesus, 3.172 (siehe dazu auch unten S. 255 Anm. 16); vgl. C. S. Keener, Acts I, 505–517, der ebenfalls betont (507 Anm. 70): »some of Jesus’s activity did prepare for the Gentile mission«; vgl. 511 Anm. 95 mit Verweis auf Apg 1,8. Vgl. auch W. Reinbold, Propaganda, 4 (Literaturangaben); er möchte auf die Begriffe »Judenmission« und »Heidenmission« ganz verzichten (281 f. u. ö.); S. C. Mimouni, Mouvement, 161–208; J. Frey, Ausbreitung. Zur Rolle des Petrus: P. Lampe, Art. Petrus, RGG4 6 (2003), 1160–1165; E. J. Schnabel, Mission, 685–711, vgl. 1794 Index s. v. »Cornelius«; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 383 ff. Petrusmonographien: O. Cullmann, Petrus; R. Pesch, Simon-Petrus (dazu die Rezension von O. Betz, ThLZ 109 [1984], 38 f.); C. Grappe, Images de Pierre; P. Dschulnigg, Petrus; C. Böttrich, Petrus; vgl. auch die Rezension von L. Doering (ThLZ 127 [2002], 184 ff.) über P. Perkins, Peter; M. Hengel, Petrus. 2 Zu den Datierungen siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 21 f.47.317 ff.380 u. ö. und die Tabelle S. 472 ff.; ferner unten S. 295 Anm. 4 und S. 409 Anm. 56. 3 Vgl. Apg 9,31; 15,3; Gal 1,22 und 1 Thess 2,14: die »Gemeinden Judaeas«.
252
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
des Gesetzes und gegen die Heidenmission, einige Petruslegenden und noch weniger Spuren von der führenden Rolle des Herrenbruders Jakobus. Man kann für die früheste Gemeinde in Palästina nicht, wie es heute in der sogenannten »Q«Forschung vor allem in Nordamerika gerne geschieht, einfach die Logienquelle (Q) heranziehen.4 Q ist als literarische Einheit fragwürdig – wir sprechen daher besser von Logientradition.5 Diese bildet ein katechetisch geformtes Konzentrat der Verkündigung Jesu und ist nicht einfach das theologische Spiegelbild oder Produkt einer Gemeinde. Nur in Einzelfällen, die zu begründen sind, kann man aus der Logientradition direkt auf die judenchristlich-palästinische Gemeinde und ihr Haupt, die Gemeinde in Jerusalem, zurückschließen. Dies gilt vor allem für einige Traditionen aus dem spätesten synoptischen Evangelium, Matthäus, das von einem schriftgelehrten Judenchristen aus Palästina oder dem südlichen Syrien stammt, aber zwischen 90 und 100 wieder eine ganz andere Situation voraussetzt, als sie in der Zeit zwischen 30 und 60 n. Chr. bestand.6 So finden wir bei Matthäus neben alten Sondergutüberlieferungen in den Gleichnissen auch legendäre Erweiterungen – etwa in der Leidensgeschichte und in seinen Petruserzählungen. Unter den Evangelisten verwendet nur er zweimal den Begriff ἐκκλησία, und nur bei ihm lassen sich Ansätze zu einer Gemeindeordnung finden.7
7.1 Frühe Zeugnisse für den Widerstand gegen die Aufnahme von Heiden Auf die Bedeutung chronologischer Beobachtungen für die Frage der Abfassung der Evangelien und der Entstehung und Sammlung(en) der Logienüberlieferung sind wir schon mehrfach eingegangen. Matthäus als das späteste synoptische Evangelium setzt nicht nur Markus, sondern auch Lukas voraus und verwendet ihn. Zwar kann man die Logienquelle »Q« nicht einfach als Zeugnis für die früheste Gemeinde heranziehen, doch lassen sich Texte finden, die es plausibel erscheinen lassen, daß sie in der frühen palästinischen Gemeinde entstanden bzw. umgeformt wurden und deren Auseinandersetzung über die Bedeutung der Tora für die Gemeinde und ihre Heidenmission widerspiegeln. Während sich die Hellenisten auf kritische Äußerungen über einzelne Gebote der Tora und die zentrale Bedeutung des doppelten Liebesgebotes bei Jesus be4 Siehe dazu die berechtigte Kritik von B. A. Pearson, Q Community; vgl. auch D.-A. Koch, Geschichte, 185–191. 5 Siehe dazu ausführlich M. Hengel, Evangelien, 407 Index s. v. »Logienquelle(n)« und besonders 274–301 (»Das Rätsel Q«). 6 Vgl. M. Hengel, Evangelien, 132 f.139.170.180.320 ff. u. ö., siehe 409 Index s. v. »Matthäusevangelium (– Entstehungsort; – Entstehungszeit)«. 7 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 235 f.
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
253
rufen konnten, wurden in der palästinischen Gemeinde einige Logien verbreitet, die man Jesus zuschrieb und die die unverbrüchliche Geltung der ganzen Tora zum Inhalt hatten. Vermutlich stammten sie von judenchristlichen Lehrern, die damit gegen die in ihren Augen gefährliche Entwicklung außerhalb Palästinas protestierten. Ein typisches Beispiel ist Lk 16,16 f. In der Vorlage des Lukas aus der Logientradition stand ein echtes Jesuswort, das die Zeit des Gesetzes und seiner profetischen Ausleger bis zu Johannes andauern läßt. Von diesem an, also mit Jesus selbst, beginnt das Neue, die Zeit der Erfüllung: »Das Gesetz und die Profeten gehen bis Johannes. Von da ab wird die Gottesherrschaft verkündigt, und jeder drängt mit Gewalt in sie hinein.«8
Unter dem Stichwort νόμος wurde nun bei der Zusammenstellung der Logienvorlage des Lukas ein weiteres – angebliches – Jesuswort hinzugefügt, das die kritische Kraft des ersten wieder relativiert: »Es ist leichter, daß Himmel und Erde vergehen, als daß vom Gesetz ein einziges Häkchen wegfalle.« (Lk 16,17)
Die Häkchen (κεραῖαι) sind die kleinen Striche, mit denen man ähnlich aussehende hebräische Konsonanten zur besseren Unterscheidung versehen hat,9 das heißt, bei der Tora darf kein Buchstabe geändert werden, weil damit ihr Sinn verändert würde. Ein solches Logion könnte aus dem Munde jedes rabbinischen Lehrers stammen. Es erscheint als ein ›Kampfwort‹ gegen Leute, die am Gesetz Kritik üben und aus dem Wort Lk 16,16: »Das Gesetz und die Profeten gehen bis Johannes« schließen, jetzt habe die Zeit der Tora und des Alten Bundes ein Ende. Lk 16,16 und 16,17 stehen so zueinander in Spannung. Dieses Wort nimmt dann Mt 5,17 f. auf und stellt es programmatisch an den Anfang der Bergpredigt, um Jesus als den Bringer und Erfüller des wahren Gesetzes herauszustellen: »Glaubt nicht, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Profeten ungültig zu machen. Ich bin nicht gekommen, ungültig zu machen, sondern zu erfüllen. Wahrlich, ich sage euch, bis daß Himmel und Erde vergehen, wird kein Iota oder Häkchen vom Gesetz vergehen, bis dies alles geschieht.«
Es geht Matthäus dabei um die Einhaltung der ganzen Schrift in der Weise, wie sie durch den Messias Jesus erfüllt wird, der die wahre Gerechtigkeit 8 καὶ πᾶς εἰς αὐτὴν βιάζεται (Lk 16,16). Zum positiven Sinn des Verbs siehe Bauer / Aland, WB, 281. Auch Mt 11,12b interpretiert den Vorgang nicht negativ: »Gewalttätige reißen sie an sich« ist nicht in bezug auf die Zeloten oder Jesu Gegner zu deuten, sondern auf diejenigen, die rasch entschlossen in der Nachfolge Jesu um der Gottesherrschaft willen alles auf eine Karte setzen wie der Finder des Schatzes im Acker oder der Kaufmann mit der Perle. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 337. 9 Siehe dazu R. Deines, Gerechtigkeit, 312–318.332 f.
254
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
verkörpert und diese den Glaubenden bringt.10 Die Dauer des Gesetzes wird jedoch eingeschränkt. Es gilt in der Heilsgeschichte nur, »bis Himmel und Erde vergehen«, das heißt bis zur Parusie und bis der Neue Himmel und die Neue Erde erscheinen. Matthäus selbst vertritt zwischen dem gesetzestreuen palästinischen Judenchristentum, das der Tora uneingeschränkte Gültigkeit und Dauer gibt, und dem gesetzeskritischen Heidenchristentum paulinischer Prägung, wo Christus das Ende des Gesetzes11 bedeutet, eine gewisse Zwischenposition, die vielleicht ungefähr der Haltung der früheren »Hellenisten« entsprach: Entsprechend der durch Jesus erfüllten Gerechtigkeit konzentriert sich das Gesetz auf das Liebesgebot als den zentralen Gotteswillen, an ihm hängen die anderen Gebote (Mt 22,37 ff.); in dieser Weise verstanden, ist es die neue, vollkommene Tora des Messias Jesus. Nach dem Missionsbefehl sollen die Jünger die neue, vollkommene Tora, das heißt die Gebote Jesu, allen aus den Völkern der Welt gewonnenen Jüngern einschärfen (28,20). Matthäus hätte kaum gesagt: »Christus ist des Gesetzes Ende zur Gerechtigkeit jedem, der da glaubt« (Röm 10,4). Auch bei ihm gründet das Heil ganz im Werk Christi,12 aber zugleich fordert er mit auffallendem Nachdruck das gehorsame Tun des Gotteswillens, das heißt des doppelten Liebesgebotes, das ja schon im Gesetz Moses formuliert wurde.13 Darum kann er judenchristliche Traditionen aufnehmen und vor jeder ἀνομία warnen.14 Ein anderes Wort aus dem Matthäusevangelium dürfte aus der palästinischjudenchristlichen Polemik gegen die Heidenmission stammen – und deshalb läßt es sich auch einigermaßen sicher datieren. Wir haben es schon mehrfach erwähnt.15 Es steht in Mt 10,5 f. im Zusammenhang der Aussendungsrede und stammt wohl aus der Logientradition, wurde aber von Lukas nicht aufgenommen, weil es seiner Missionskonzeption widersprach: »Auf den Weg der Heiden [d. h. zu den Heiden] geht nicht, und in eine Stadt der Samaritaner geht nicht hinein; geht vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel!« 10 Vgl. Mt 3,15 und 11,13 (siehe auch oben zu Lk 16,16): Die alttestamentliche Weissagung geht bis zu Johannes dem Täufer. Mit ihm und Jesus beginnt die Zeit der Erfüllung »der ganzen Gerechtigkeit« als des Weges der Gerechtigkeit, der in die Gottesherrschaft führt (Mt 21,32), vgl. R. Deines, Gerechtigkeit, 127–136.289–370; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 234. 11 Röm 10,4; vgl. F. Avemarie, Tora und Leben, 584–596; K.-W. Niebuhr, Art. Nomos. C. Neues Testament. IV. Paulus, RAC 25 (2013), 1048–1058. 12 Mt 1,21; vgl. 5,6.10; 26,28. 13 Dtn 6,5; Lev 19,18; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 433–437.447. 14 Das Wort verwendet in den Evangelien nur Matthäus; es erscheint insgesamt viermal: 7,23; 13,41; 23,28; 24,12; vgl. auch 1 Joh 3,4. 15 M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 356 f.; ferner oben S. 56 mit Anm. 261 und S. 188 und unten S. 427.
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
255
Das Wort könnte eine Gegenreaktion gegenüber der Mission der Hellenisten bei den Samaritanern und außerhalb des jüdischen Palästinas darstellen, dann hätte es seine Form im palästinischen Judentum bald nach der Stephanusverfolgung erhalten. Wegen dieser frühen Entstehung konnte es als Herrenwort tradiert werden. Die beiden von Lukas erzählten Philippusgeschichten Apg 8, wo Philippus »in eine Stadt der Samaritaner hineingeht« und von einem Engel auf den »Weg von Jerusalem nach Gaza« – das heißt auf den Weg zu den Heiden – gesandt wird, scheinen ihrerseits indirekt eine Polemik gegen dieses Logion zu enthalten. Hier geschieht, was dort verboten wird.16 Man kann sich die Diskussion um die Heidenmission auch an der Geschichte von der syrophönizischen Frau17 verdeutlichen (Mk 7,24–30). Sie spielt in der Gegend von Tyrus, Matthäus setzt noch Sidon hinzu. Diese Heidin – eine »Hellenis und Syrophoinikissa«, wie Markus sagt – bittet Jesus, ihre Tochter von einem Dämon zu befreien. Er lehnt dies brüsk ab: Erst müssen die Kinder satt werden, bevor man den Hunden etwas hinwirft. Sie widerlegt ihn und erklärt, daß die Hunde unterm Tisch fressen, was die Kinder fallen lassen. Jesus muß sich ihrem Argument geschlagen geben. Dieses »Streitgespräch« wird in der Auseinandersetzung um die Heidenmission – gerade in Syrien – eine Rolle gespielt haben und konnte als Vorbild für die Aufnahme von Heiden dienen.18 Mit den »Kindern« sind in diesem Fall doch wohl die Kinder Abrahams gemeint – nicht einfach Gotteskinder. Sie stehen im Gegensatz zu den heidnischen Hunden. Daß die pagane Bevölkerung Palästinas allegorisch als Tiere dargestellt wird, begegnet auch an anderer Stelle. »Hunde« sind in der Tierapokalypse des Henochbuches Philister bzw. Samaritaner, die zusammen mit Füchsen und Wildschweinen (= Esau / Edom) die Schafe (= Israel) gefährlich bedrohen.19 Matthäus unterstreicht stärker die Zudringlichkeit der Frau, die Jesus mit »Sohn Davids« anredet, und steigert die schroffe Ablehnung Jesu, dieser Frau zu helfen.20 Mit dem Zusatz: »Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen Israels«21 und mit der Bezeichnung »Kanaanäerin« zeigt Matthäus, daß er 16 Anders M. Bird, Jesus, der bezweifelt, daß es jemals judenchristlichen Widerstand gegen die Heidenmission gegeben habe; siehe dazu auch oben S. 188 Anm. 35. Y. S. Chae, Jesus, stellt ausführlich den traditionsgeschichtlichen Hintergrund für die Metaphorik der »verlorenen Schafe« und für Jesus als den eschatologischen, davidischen Hirten und Retter dar, geht aber leider auf das Missionsverbot in Mt 10,5 nicht ein (op. cit., 212–219.378 f.). Er sieht hier nur »a very nationalistic mission; yet it follows exactly Ezekiel’s pattern«. Diese Sicht wird dann im Blick auf die Völker – Ez 40–48 folgend – im universalen Missionsbefehl aufgehoben (Mt 28,19 f.). 17 Siehe dazu R. Feldmeier, Syrophönizierin. 18 Dies unterstreichen auch die Bemerkungen von S. Freyne, Reflections, 106 f. 19 1 Hen 89,42 f.49; 90,4; vgl. dazu H.-J. Loth, Art. Hund, RAC 16 (1994), 773–828 (783); zu den rabbinischen Belegen siehe Bill. I, 725. 20 Mt 15,21–28, besonders V. 23 f. 21 Mt 15,24; vgl. 10,5 f.: In der Aussendungsrede folgt dieses Logion auf das Verbot »Geht nicht auf den Weg der Heiden …«; dazu oben Anm. 16.
256
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
noch etwas von diesen älteren Zusammenhängen mit der Diskussion um die Heidenmission versteht. Aber bei ihm erhält diese Frau, obwohl sie sich zu den »Hunden« rechnet, wegen ihres großen Glaubens (!) Heilung für ihre Tochter – eine deutliche Korrektur gegenüber Markus. Im matthäischen Sondergut findet sich der merkwürdige Ratschlag: »Gebt das Heilige nicht den Hunden, und werft eure Perlen nicht den Schweinen vor, damit sie sie nicht mit den Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen.«22
Das sorgfältig mit einem chiastisch verschränkten Parallelismus membrorum – Hunde zerreißen, Schweine zertreten – formulierte Logion23 gehört meines Erachtens in denselben Zusammenhang der Diskussion um die Völkermission und der judenchristlichen Warnung vor ihr. »Hunde« und »Schweine« sind die gefährlichen Nachbarvölker Israels. Matthäus kann diese Logien für die Zeit des irdischen Herrn aufnehmen, der Befehl des Auferstandenen zur weltweiten Mission läßt dann die Ratschläge »Geht nicht auf den Weg der Völker …« und »Gebt das Heilige nicht den Hunden« weit hinter sich. Auch der erste Evangelist scheidet streng zwischen dem auf Israel konzentrierten Wirken des irdischen Herrn und der nachösterlichen Zeit mit dem Befehl des Auferstandenen, mit dem für ihn die Völkermission einsetzt (Mt 28,16–20).24 Eine andere legendäre Erzählung, die auf die Haltung des palästinischen Judenchristentums zum Tempel hinweist, ist in Mt 17,24–27 erhalten. Dort wird Petrus gefragt, ob Jesus die Tempelsteuer von zwei Drachmen (bzw. von einem halben Schekel) zahle. Er bejaht die Frage. Zu Hause kommt ihm Jesus zuvor und fragt ihn, von wem Könige Steuer erheben: von ihren eigenen Söhnen oder von den Fremden? Dies bedeutet, die Söhne sind von der Steuer gegenüber dem Tempel, das heißt Gott selbst, frei. Doch damit »wir ihnen kein Ärgernis geben«,25 soll Petrus einen Fisch fangen, in seinem Mund werde ein Stater von vier Drachmen liegen, den soll er für den Meister und sich selbst zahlen. Das 22 Mt 7,6; EvThom 93. Did 9,5 zitiert dann: »Gebt das Heilige nicht den Hunden« zur Begründung dafür, daß die Eucharistie nur an Getaufte gegeben werden darf, was deutlich eine spätere Situation widerspiegelt. Anders H. van de Sandt, Dogs, er verweist auf das Sprichwort »Holy things (dedicated sacrifices) are not to be redeemed to feed them to dogs« in der rabbinischen Literatur (230) und das Verbot des Aufenthalts von Hunden in Jerusalem in 4QMMT 58–62 (ed. E. Qimron / J. Strugnell, Miqṣat Maʿaśe Ha-Torah, 52 f.) (236), was zeige, daß Did 9,5 unabhängig von Mt 7,6 und älter sei; vgl. auch H.-U. Weidemann, Taufe, 57 f.81 u. ö., siehe 449 Index zu Did 9,5. 23 Vgl. U. K. Plisch, Perlen, 55; A. M. Schwemer, Land Abrahams, 81 f. 24 Siehe dazu M. Konradt, Ausrichtung. 25 Mt 17,27: ἵνα δὲ μὴ σκανδαλίσωμεν αὐτούς. Ursprünglich könnten, wenn die Anweisung auf Jesus zurückgeht, mit αὐτούς die Eintreiber der Tempelsteuer gemeint sein, siehe M. Hengel, Schrifttum, in: KS VII, 239 Anm. 39; vgl. auch U. Luz, Mt I/2, 535 ff.
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
257
heißt, die Tempelsteuer wird für Jesus und seine Jünger an sich abgelehnt, der Tempel hat seine Heil vermittelnde Funktion verloren. Die Glaubenden, denen Christus die Gotteskindschaft vermittelt hat, sind wie er selbst frei von allen Verpflichtungen gegenüber dem alten Heiligtum. Man zahlt jedoch die Steuer, um bei den eigenen Volksgenossen kein Ärgernis zu erregen.26 Obwohl Mat thäus sein Evangelium erst gegen Ende des 1. Jahrhunderts verfaßt hat, muß diese Erzählung vor der Tempelzerstörung 70 n. Chr. entstanden sein; denn nach derselben verlangte Vespasian, daß die Juden die bisherige Halbschekelsteuer als fiscus Iudaicus an den Tempel des Iuppiter Capitolinus in Rom zahlten.27 In dieser Petruslegende geht die Auseinandersetzung von ihrem Inhalt her noch um die alte Tempelsteuer, und die Anweisung, die Steuer zu zahlen, könnte vielleicht noch auf Jesus zurückgehen. Die Anekdote selbst gibt jedoch die Haltung der palästinischen Urgemeinde zur Tempelsteuer, ja zum Tempel als Opferstätte, vor dem Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges wieder. Die Anweisung konnte nach 70 n. Chr. auch auf den fiscus Iudaicus, der als Fortsetzung der Tempelsteuer fungierte, übertragen werden. Daß diese Steuer, die reichsweit von den Juden erhoben wurde, je und je zu Konflikten führte und die Trennung der Wege zwischen Judentum und Christentum beschleunigte, liegt auf der Hand. Mit dieser Steuer wollten dann die Nachkommen der Judenchristen nichts mehr zu tun haben.28
7.2 Petrus und die Bekehrung des Cornelius (Apg 10,1–11,18)29 Nach der Darstellung des Lukas geht Petrus als erster zur Aufnahme eines gottesfürchtigen Heiden durch die Taufe mit anschließender Mahlgemeinschaft über, ohne von diesem die vorherige Beschneidung zu verlangen. Dafür hat er den Status des äthiopischen Finanzministers und Eunuchen in Apg 8 in der Schwebe gelassen und berichtet auch nichts vom Wirken des Paulus in »Arabien«, obwohl dieser selbst, wie wir aus seinem autobiographischen Bericht (Gal 1,15 ff.) wissen, sich von seiner Berufung und Bekehrung an – wie der Siehe dazu Schürer II, 271 ff.; vgl. I, 513.528; III, 122 f. Siehe dazu M. Tellbe, Temple Tax; M. Heemstra, Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, der zu Recht gegen Paul Foster u. a. betont, daß sich Mt 17,24–27 von seiner Entstehung her noch nicht auf den fiscus Iudaicus bezieht (63). 28 Vgl. dazu M. Hengel, Schrifttum, in: KS VII, 239. Zumindest in der Diaspora wird dies so gewesen sein. In Palästina werden Judenchristen um des sozialen Friedens willen diese Steuer weiter bezahlt haben unter Berufung auf Mt 17,20. 29 Vgl. R. Pesch, Apg I, 326–349; J. A. Fitzmyer, Acts, 446–473; J. Jervell, Apg, 299–320; F. Avemarie, Tauferzählungen, 340–398; J. D. G. Dunn, Beginning, 389–402; M. Hengel, Petrus, 79.86.136 u. ö.; C. Schaefer, Zukunft Israels, 382 f.; C. S. Keener, Acts II, 1727–1829; H.-U. Weidemann, Taufe, 241–251. 26 27
258
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Profet Jeremia (Jer 1,5) und der Gottesknecht bei Jesaja (Jes 49,1.5) – als zu den Völkern gesandter Apostel verstanden hat. Dieses Faktum an sich streicht auch Lukas in der Apostelgeschichte heraus, wie sich besonders deutlich in der dritten Wiederholung der Berufung des Paulus in Kapitel 26 zeigt. Hier, vor König Agrippa II. und dessen Schwester Berenike sowie dem Präfekten Felix, kommt der lukanische Paulus in der Darstellung seiner Berufung sprachlich und sachlich dem Paulus, wie wir ihn aus seinen Briefen kennen, am nächsten.30 Dieser Schritt zur vollständigen Aufnahme eines gottesfürchtigen Heiden in die christliche Gemeinschaft ohne Rücksicht auf das Gebot der Beschneidung der Männer und die jüdischen Reinheitsbestimmungen wird auch von Lukas als ein epochemachendes Ereignis in der frühchristlichen Geschichte angesehen. Er beschreibt diesen wichtigen Vorgang in der längsten Einzelerzählung der Apostelgeschichte dreimal wiederholend als durch mehrfache, besondere göttliche Offenbarungen und den Befehl des heiligen Geistes veranlaßt. Petrus erfährt durch eine himmlische Vision von seinem Auftrag, und auch der erste bekehrte Heide wird durch das Erscheinen eines Engels zum Handeln angewiesen. In fünf bzw. acht Einzelszenen, die untereinander wiederum durch Motiv-, Wort‑ und Satzwiederholungen verknüpft sind, beschreibt Lukas das Geschehen: 1. die Vision des Cornelius und die Handlungsanweisung an ihn (10,1–8) in Caesarea; 2. die Vision des Petrus und die Handlungsanweisung an ihn (10,9–16) in Joppe; 3. Petrus und der Empfang der Boten des Cornelius (10,17–23a) in Joppe; 4. Petrus und Cornelius in Caesarea (10,23b–48); 4.1 die Reise und die Begegnung von Petrus und Cornelius in Caesarea (10,23b–29); 4.2 der Bericht des Cornelius über die Erscheinung des Engels (10,30–33); 4.3 die Predigt des Petrus (10,34–43); 4.4 Geistempfang und Taufe des Cornelius und seines Hauses (10,44–48); 5. die Rechtfertigung des Petrus in Jerusalem Apg (11,1–18).31 Durch den Abschluß mit dem Rechenschaftsbericht des Petrus in Jerusalem wird das ganze Geschehen noch einmal rekapituliert, und es entsteht eine Art Ringkomposition, wie sie Lukas besonders gerne kunstvoll gestaltet.32 Diese Siehe dazu oben S. 234. Vgl. auch A. M. Schwemer, Erinnerung. Zu dieser groben Gliederung vgl. R. Pesch, Apg I, 330 f., der in acht Szenen aufteilt; ebenso F. Bovon, Tradition, 114. Ich betone stärker den Ortswechsel und gliedere ähnlich wie J. A. Fitzmyer, Acts, 445–473, der ebenfalls fünf Szenen annimmt und Apg 10,23–48, den Aufenthalt des Petrus im Haus des Cornelius, als die vierte Hauptszene zusammenfaßt. 32 Vgl. die Geschichte von den Emmausjüngern (Lk 24,13–35) oder die Taufe des Äthiopiers in Apg 8,26–40; siehe dazu F. Avemarie, Tauferzählungen, 267 ff.283. Auch bei der Berufung des Paulus in Apg 9 verwendet er diesen Erzählduktus (siehe oben S. 224), und für die Schilderung der Agrippa-Verfolgung in Apg 12 wählt Lukas dieses Stilmittel ebenfalls (vgl. 30 31
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
259
Ringkompositionen sind bei ihm trotz aller Entsprechungen nicht streng konzentrisch angelegt, sondern so erzählt, daß eine deutliche Spannung entsteht, die auf ein Ziel am Ende hinläuft.33 In diesem Falle ist es die Anerkennung der beschneidungsfreien Heidenmission durch die Jerusalemer Urgemeinde. Hält man sich an die Ortsangaben, so geht die Erzählung von Caesarea aus nach Joppe, von Joppe zurück nach Caesarea, wo der Hauptvorgang stattfindet, um dann in Jerusalem ihren Abschluß zu finden. Indirekt scheint dabei vorausgesetzt, daß Petrus zuvor von Jerusalem aus nach Lydda und Joppe aufgebrochen ist. Entgegen den Briefen des Paulus,34 aber auch seiner eigenen Schilderung von dessen Berufung zum Heidenapostel35 und gegen alle historische Wahrscheinlichkeit datiert Lukas die Taufe des ersten Heiden und seine Aufnahme in die christliche Mahlgemeinschaft durch Petrus vor den Übergang der Hellenisten zur Heidenmission in Antiochia am Orontes36 und vor das missionarische Wirken des Paulus unter den Völkern.37 Auf der anderen Seite ist eine Spätdatierung, die die Bekehrung des Cornelius erst nach dem Apostelkonzil – also nach dem Jahr 49 – ansetzt, wenig wahrscheinlich.38 Der nach Gal 2,9 gefundene Kompromiß: Paulus und Barnabas sollten sich an die »Heiden« und Petrus und Jakobus an die »Beschneidung« wenden, setzt voraus, daß Petrus schon vorher auch unter gottesfürchtigen Heiden missioniert hat, also in der Zeit vor 48/49 n. Chr. A. M. Schwemer, Agrippa, 147–152, und unten S. 349 und 358. Diese typisch lukanische Vorliebe für Ringkompositionen spricht gegen die Meinung von R. Pesch, Apg I, 333, daß Apg 10 f. als »kunstvolle Komposition … nicht erst ein Werk des Lukas [ist], sondern … im ganzen schon auf die vorluk. Tradition zurück[geht]«. 33 Siehe dazu F. Avemarie, Tauferzählungen, 269.320; A. M. Schwemer, Der Auferstandene, 96; anders U. Mittmann-Richert, Sühnetod, 211 ff., die eine chiastische Struktur in der Emmauserzählung findet. 34 Siehe vor allem Gal 1,15 ff. 35 Apg 22,17–21; 26,16–20. 36 Apg 11,19 f. In V. 20 ist gegen Nestle / Aland Ἕλληνας, »Griechen«, das heißt Heiden, zu lesen; siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 238 Anm. 958; 280 Anm. 1145; J. A. Fitzmyer, Acts, 476; J. D. G. Dunn, Beginning, 297–299; anders E. J. Schnabel, Mission, 768. Ebenso hält M. Zugmann, Hellenisten, 4–8.308 u. ö., die Lesart Ἑλληνιστάς für die richtige; denn er definiert die »Hellenisten« im Anschluß an W. Reinbold als griechischsprachige Nichtgriechen und unterscheidet drei Gruppen: die judenchristlichen Hellenisten in Jerusalem (Apg 6,1), die jüdischen Hellenisten (Apg 9,29) und Nichtjuden in Antiochia (Apg 11,19), vermutlich heidnische Syrer, die griechisch zur Muttersprache hatten; vgl. auch 473 Index s. v. »Hellenisten«; ähnlich D.-A. Koch, Geschichte, 171 Anm. 3. Auch C. S. Keener, Acts II, 1842, entscheidet sich für die Lesart Ἑλληνιστάς. Vgl. dagegen die Argumente oben S. 141 f. Anm. 10 und unten S. 296 Anm. 10. 37 Lukas übergeht den Aufenthalt des Paulus in Arabien. Siehe dazu oben S. 224 bei Anm. 114 und die Querverweise in Anm. 114; ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 174–207. 38 Für die Spätdatierung plädieren R. Pesch, Apg I, 333; J. Wehnert, Reinheit, 58 ff.; W. Reinbold, Propaganda, 60 ff. C. S. Keener, Acts II, 1734 f., erwägt die verschiedenen Vorschläge und hält eine Datierung in die Zeit vor oder während der Herrschaft Agrippas I. (41–44 n. Chr.) für möglich.
260
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
und nicht erst danach. Die politische Entwicklung verlief für das Verhältnis von Juden und Heiden in der Stadt negativ, worauf ich später ausführlich zurückkommen werde. Am sinnvollsten scheint es deshalb, diesen historischen Vorfall in Caesarea zeitlich nicht nur vor der Herrschaft Agrippas I. (41–44 n. Chr.), sondern auch schon vor den Wirren der Caligula-Krise (ca. 39/41 n. Chr.) anzusetzen. Wir kommen dann in die Zeit zwischen dem Jahr 36, als Paulus Petrus in Jerusalem besuchte, und 39 n. Chr.39 Lukas legt außerordentlichen Wert darauf darzustellen, daß Petrus nicht nur der erstberufene Jünger Jesu und der erste Auferstehungszeuge war, sondern daß er auch als der erste zur Heidenmission – und zwar zur beschneidungsfreien – übergegangen ist; vor allem, daß er derjenige war, der in der zweiten Hälfte der 30er Jahre deren Anerkennung in Jerusalem gegen den dortigen Widerstand zunächst durchgesetzt hat.40 Dafür läßt er – wie oben schon betont – den Status des äthiopischen Kämmerers im unklaren. Er übergeht die Frage, was Philippus denn in Caesarea, der vorwiegend heidnischen Stadt, eigentlich getan hat, bevor er ihn in Apg 21,8–14 als Gastgeber des Paulus wieder erwähnt,41 und vor allem läßt er Paulus nach seiner Berufung bei Damaskus zwar sofort unter Juden das Evangelium in den Synagogen verkünden, aber erst auf der ersten von ihm geschilderten Missionsreise im pisidischen Antiochia ausdrücklich zum Heidenmissionar werden.42 Doch dann, in seiner Verteidigungsrede vor Agrippa II. – einem Höhepunkt in der Erzählung der Apostelgeschichte –, darf Paulus über seine Berufung zum Apostel der Völker von Anfang an berichten.43 Die Corneliusgeschichte verdankt Lukas vermutlich Petrusanhängern – bzw. einer auf diese zurückgehenden Tradition –, die in dem Apostel den eigentlichen Begründer der Heidenmission gesehen haben.44 Die judenchristlichen Pseudo39 Zur Begründung siehe auch M. Hengel, Petrus, 86. Vgl. unten S. 274 Anm. 107. Die »Caligula-Krise«, die Judaea an den Rand des Krieges brachte, wurde dadurch ausgelöst, daß der Kaiser den Befehl gab, seine Statue als die des »neuen Zeus« im Jerusalemer Tempel aufzustellen; siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 84–87 u. ö., ferner unten S. 291 und 341. Zum Besuch von Paulus bei Petrus ca. im Jahr 36, bei dem sie auch ihre jeweiligen Missionserfahrungen ausgetauscht haben werden und Paulus von seiner Mission in »Arabien« berichtet haben wird, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 232–236; die Kritik daran von R. Bauckham, Paul, 182 Anm. 28 = ders., Jewish World, 267 Anm. 28, ist nicht überzeugend. Bauckham meint, daß mit Cornelius tatsächlich die Heidenmission ohne Beschneidungsforderung ihren Anfang nahm. 40 Darin ist unter anderem der berühmt-berüchtigte »historische Kern« der Corneliusgeschichte zu sehen; siehe dazu ausführlicher unten S. 292 f. 41 Siehe dazu ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 240. 42 Apg 13,46–49; vgl. zu den möglichen Gründen für diese Darstellungsweise M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 242 f. 43 Apg 26,17–20; doch vgl. die Ankündigungen der künftigen Funktion in Apg 9,15; 22,15: ἔσῃ μάρτυς … πρὸς πάντας ἀνθρώπους. 44 M. Hengel, Petrus, 91 f.; vgl. schon ders., Geschichtsschreibung, 79 ff. = KS VI, 71 ff. J. Jervell, Apg, 318, nimmt dagegen an, es handle sich um Tradition aus Caesarea.
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
261
klementinen lösen dann später das Problem auf ihre Weise: Simon Magus (das heißt: Paulus) kam zwar zuerst zu den Heiden, und Petrus wurde erst als zweiter geschickt, aber die Späteren sind – seit der Erschaffung von Himmel und Erde und der Geburt von Kain und Abel – immer die besseren. Deshalb kann Petrus in diesem Text die Vorreiterrolle des Paulus negativ beurteilen und hier von sich sagen: »… der ich später als jener aufgetreten bin und hinzukam wie zur Finsternis das Licht, wie zur Unwissenheit die Erkenntnis, wie zur Krankheit die Heilung.«45
Man wird damit rechnen können, daß Lukas für seine Sammlung von Petruserzählungen mündliche und schriftliche Petrustraditionen zur Verfügung standen, die er für die Darstellung in Apg 9,32–11,18, aber auch für die von der wunderbaren Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis und von seiner Flucht aus Jerusalem (Apg 12,1–17) verwendete.46 Unwahrscheinlich ist dagegen die Annahme, daß die Erzählung von der Taufe des Cornelius eine rein lukanische Erbauungsgeschichte darstelle, die dieser völlig frei gestaltet habe. Diese einst von der älteren Tübinger Schule vertretene Sicht, die zudem auch Petrus zu einem strengen, gesetzesfrommen »Judaisten« macht, läßt sich nicht halten, sie findet aber immer noch Vertreter.47 Den Nachweis, daß Lukas für seine 45 PsClem H 2,17,3 (GCS Pseudoklementinen I, 42,5–8 ed. Rehm / Strecker); zur Übersetzung vgl. NTApo II5, 484; J. Wehnert, Klemensroman, 67. 46 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 370 f. 47 E. Zeller, Apg, 509, kam zu dem Ergebnis: »Alles zusammengenommen erscheint es … wahrscheinlicher, dass die Geschichte nicht einmal … traditionelle Veranlassung hatte, sondern reine Fiktion ist.« Einen zustimmenden Hinweis auf Eduard Zeller findet man bei Franz Overbeck, siehe W. M. L. de Wette / F. Overbeck, Apg, 151; auch E. Haenchen, Apg, 343, schloß sich Zeller an. Zu den neueren Vertretern gehört F. Watson, Paul, 23–25; im Anschluß an Watson und Haenchen: I. J. Elmer, Paul, Jerusalem and the Judaisers, 68 ff.: »Luke’s Cornelius story seems incredible« (69), und es handle sich um eine lukanische Fiktion, denn »[a]ny attempt to argue for an historical core to the Cornelius story by affirming a role for Peter in the Gentile mission … ultimately founders on the evidence in Galatians 2:1–10« (70); ähnlich M. Wolter, Art. Petrus I, RAC 27 (2016), 394: »lukanische Konstruktion«. Positiv dagegen zum Problem der »historische[n] Grundlage« J. Jervell, Apg, 319. Unter Berufung auf R. I. Pervo, Acts, 267, sieht C. K. Rothschild, Ἐτυμολογία, 292 f., in Cornelius eine von Lukas erfundene fiktive Gestalt mit einem sprechenden Namen. Cornelius stehe stellvertretend für das römische Militär. Wie unwahrscheinlich solche Annahmen sind, hat bereits M. Dibelius gezeigt, siehe J. A. Fitzmyer, Acts, 448. Es ist ein alter methodischer Fehler, einem antiken Historiker freie Erfindung zu unterstellen, siehe M. Hengel in ders. / A. M. Schwemer, Paulus, 11; vgl. C. S. Keener, Acts I, 92.101: »Luke had sources for the events in most of his scenes …, wrote reasonably close in time to the events he narrates«. Kaiser Julian dagegen bezweifelte nicht die Historizität der Corneliusgestalt, sondern meinte, Jesus und die Apostel hätten Mägde und Sklaven verführt und durch diese dann auch höhergestellte Frauen und Männer wie »Cornelius und Sergius« (Apg 10; 13,6–12) mit ihrer Mission erreicht; diese jedoch würden von den zeitgenössischen Historikern nicht erwähnt, weil sie zu
262
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Corneliusgeschichte unter anderem eine schriftliche Quelle eingearbeitet hat, hat Friedrich Avemarie mit seiner Untersuchung der »idiomatischen Gestalt der Erzählung« und ihrer quellenkritischen Fragen überzeugend erbracht.48
7.2.1 Petrus als Missionar in Judaea Lukas stellt vor die Corneliusgeschichte zur Überleitung zwei Wundererzählungen über Petrus, nachdem er zunächst in einem Summarium festgehalten hatte, daß die »Kirche« über ganz Judaea, Galilaea und Samarien hin »Frieden hatte«, dabei weiter »aufgebaut« wurde und »wandelte in der Furcht des Herrn« und auf diese Weise »sich (ständig) vermehrte durch den Beistand des heiligen Geistes«.49 Wie die einzelnen Gemeinden in den palästinischen Landstrichen gegründet wurden, schildert Lukas nicht. Petrus besucht – im Falle Samariens könnte man von »visitiert« bzw. »inspiziert«50 sprechen – in diesem ganzen Gebiet51 schon bestehende Gemeinden, deren Mitglieder Lukas »Jünger« oder »Heilige« nennt. So kommt Petrus zunächst nach Lydda52 in der Saronebene, besucht die dort »wohnenden Heiligen« und heilt einen seit acht Jahren gelähmten Mann namens Äneas.53 Dieses Heilungswunder, nicht die Verkündigung des Petrus – sie wird nicht eigens erwähnt –, führt dann zu einem überwältigenden Missionserfolg in der nahezu rein jüdischen Gegend: »Und alle Einwohner Lyddas und der Saronebene, die ihn [Äneas] sahen, bekehrten sich zum Herrn.«54
Bei πάντες, »alle«, handelt es sich wieder um eine typisch lukanische Übertreibung. unbedeutend gewesen seien (Julianus Imperator, Contra Galilaeos 206a–b [Testi e Commenti 9, 142,7–12 ed. Masaracchia]); vgl. G. Rinaldi, Biblia Gentium, 619; J. G. Cook, Interpretation of the New Testament, 139.289. 48 F. Avemarie, Tauferzählungen, 352–380. 49 Apg 9,31. 50 Apg 8,14–17; Zitat: M. Hengel, Petrus, 148; dazu oben S. 190. Vgl. auch R. Pesch, Apg I, 318: »Lukas versteht die Reise des Petrus als Visitations‑ und Missionsreise.« H.-U. Weidemann, Taufe, 241, spricht entsprechend von »Pastoralreisen«. 51 Apg 9,32: Πέτρον διερχόμενον διὰ πάντων. 52 Zu dieser Stadt siehe M. Hengel, Historiker Lukas, 169 f. = KS VI, 170 f. Zu ihrem jüdischen Charakter vgl. Josephus, Bell. 2,515 f.: Als Cestius Gallus im Jahr 66 n. Chr. zu Beginn des 1. Jüdischen Krieges auf dem Marsch Richtung Jerusalem durch Lydda kam, fand er die Stadt nahezu ausgestorben vor, weil die Bewohner zum Laubhüttenfest nach Jerusalem gegangen waren: »Nur fünfzig Personen ließen sich blicken, die tötete er und brannte die Stadt nieder.« Vgl. A. Oppenheimer, Lydda, 47 f.; C. S. Keener, Acts II, 1705 f. 53 Apg 9,32–35. Der Name des mythischen Trojaners und Ahnherrn der Römer ist für Juden seit der Zeit Hyrkans belegt, siehe T. Ilan, Lexicon I, 257 f.; C. S. Keener, Acts II, 1706. 54 Apg 9,35.
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
263
Die Saronebene erstreckt sich vom Karmel bis nach Joppe an der Meeresküste. Von der in dieser Hafen‑ und Handelsstadt55 lebenden Gemeinde wird Petrus gerufen, als die äußerst beliebte, wohltätige »Jüngerin« Tabitha / Dorkas – Lukas bezeichnet sie als μαθήτρια – stirbt. Im Gegensatz zum knappen Bericht über Äneas schildert Lukas diese Frau ausführlich als eine bedeutende Persönlichkeit für die Gemeinde.56 Sie trägt einen aramäisch-griechischen Doppelnamen und zeichnete sich in jeder Hinsicht durch ihre guten Werke und reichlichen Almosen aus.57 Auch die Umstände ihrer Heilung werden breit beschrieben. So wie einst die Profeten Elia und Elisa jeweils einen Knaben wiederbelebten und wie man auch vom Profeten Ezechiel berichtete, erweckt Petrus sie durch sein Gebet wieder zum Leben, und wie Jesus befiehlt er ihr – genauso wie schon zuvor dem Äneas – »Steh auf«.58 Noch einmal unterstreicht Lukas den vom Wunder hervorgerufenen missionarischen Erfolg, denn es wird in der ganzen Stadt 55 Die Stadt hatte eine lange, wechselhafte Geschichte seit der späten Eisenzeit. In Joppe zeigte man den Felsen, an dem Andromeda dem Seeungeheuer preisgegeben hing und von dem Perseus sie befreite; Strabon, Geographika 16,2,28 (Strabons Geographika IV, 334 ed. Radt; Text auch bei M. Stern, GLAJJ I, 290 Nr. 114); Pseudo-Scylax, Periplous (Text und Kommentar bei M. Stern, GLAJJ III, 10 ff. Nr. 558; vgl. 104.128 Index s. v. »Andromeda« und »Jaffa«). Nach ihrer Blütezeit als Handelszentrum unter den Ptolemäern – diese Phase belegen auch die Zenon-Papyri und die Ausgrabungen – und ihrer Bedeutung als Hafenstadt für Jerusalem in persischer Zeit – der Profet Jona will von hier aus auf einem Hochseeschiff nach Tarschisch fliehen (Jon 1,3) – folgte der Niedergang unter den Seleukiden. Die Hasmonäer eroberten die Stadt und sollen von hier aus Seeräuberei betrieben haben. Obwohl der Hafen nach dem großen Ausbau von Caesarea Maritima durch Herodes I. (siehe dazu unten S. 265 ff.) seine Bedeutung verlor, blieb Joppe für Handel und Verkehr und als Verwaltungszentrum wichtig. Zu Beginn des 1. Jüdischen Krieges wurde die Stadt von Cestius Gallus im Jahr 66 n. Chr. zerstört, die jüdischen Bewohner wurden getötet. Den Aufständischen gelang jedoch zunächst die Rückeroberung, bis Vespasian Joppe wieder einnahm und militärisch besetzte, siehe Josephus, Bell. 2,508; 3,414–430. Vgl. W. Ameling in CIIP III, 19–31. Bei den Inschriften (S. 32–148) handelt es sich – neben einer Weihinschrift für Ptolemaios IV., Gewichten und Amuletten – vor allem um jüdische Grabinschriften aus dem 3.–6. Jahrhundert, die meisten in griechischer Sprache, nur wenige aramäisch bzw. hebräisch oder Bilinguen. Sie kommen aus Familiengräbern und geben ein anschauliches Zeugnis vom jüdischen Leben in der Stadt in dieser späteren Zeit. Die Petruslegende dagegen gehört in die Zeit vor den Wirren des 1. Jüdischen Krieges. 56 Vgl. C. S. Keener, Acts II, 1714–1724; zu Tabithas Prominenz als »Jüngerin« siehe T. J. Calpino, Women, 139–179 (142): »Tabitha is remembered as a community leader, a business owner, and a woman who, in spite of her status, worked alongside other women for the benefit of the entire community.« 57 Zum Almosengeben siehe unten S. 276 Anm. 120. 58 Zu Elia und Elisa vgl. 1 Kön 17,17–24; 2 Kön 4,8–37; zur breiten legendären Ezechielüberlieferung vgl. VitProph 3,11b; in der rabbinischen Literatur wird nicht nur Ez 37 als Totenerweckung gedeutet, sondern auch die Rettung der drei Jünglinge in Dan 3 aus dem Tode wird auf Ezechiel zurückgeführt; siehe dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden I, 279 ff. In den neutestamentlichen Erzählungen von den Totenerweckungen Jesu (Mk 5,22 ff.35–43 par.; Lk 7,11–16) erwähnt nur Joh 11,32–44 das Gebet, auf das hin das Wunder geschieht – und dies bezeichnenderweise nur in der Danksagung im Rückblick. Bei Jesus wird dessen einzigartige Vollmacht hervorgehoben.
264
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
bekannt, so daß »viele an den Herrn glaubten«. Petrus wird von Lukas wie alle bedeutenden Gestalten des Urchristentums – mit der bezeichnenden Ausnahme des Herrenbruders Jakobus59 – als charismatischer Wundertäter geschildert. Mit diesen beiden Erzählungen über die Heilung und die Totenerweckung durch das Gebet des Petrus und über den durch diese Wunder bewirkten missionarischen Erfolg bereitet Lukas die Corneliusgeschichte vor.60 Er illustriert zugleich mit den Beispielen die friedliche, unaufhaltsame und erfolgreiche Ausbreitung der Mission im gesamten Gebiet von Palästina durch die Wirkung des heiligen Geistes. Besonders auffällig ist, daß Lukas geographisch korrekt informiert ist, wenn er beschreibt, wie sich Petrus bei den christlichen Gemeinden im jüdischen Gebiet der Ebene von Saron aufhält und von einem Ort zum anderen bewegt.61 In Joppe hält sich Petrus längere Zeit als Gast im Haus Simons des Gerbers auf, der ein Haus am Meer besaß, in dessen Nähe er seinem Handwerk nachgehen konnte.62 Das Gerberhandwerk, wie das der Walker, war zwar nötig, aber nicht angesehen. Der Umgang mit den Häuten toter (in der Regel reiner) Tiere und mit den damaligen »Chemikalien« zur Lederverarbeitung, wozu auch Urin gehörte, war mit erheblicher Geruchsbelästigung vor allem durch den Aasgestank der unbearbeiteten Felle und Häute verbunden. Diese Arbeit war in der Antike allgemein verachtet, und durch den Kontakt mit Tierkadavern machte sie Juden auch rituell unrein.63 Wichtig war in der gesamten Antike, nicht nur in Palästina, daß man diesen Berufen am Rande der Siedlungen und in der Nähe von Wasser nachging. Deshalb lag Simons Gerberei am Meer. Daraus, daß 59 Vgl. J. A. Kelhoffer, Miracle, 268 f.; zum legendären Regenwunder des Jakobus siehe unten S. 486 f. mit Anm. 57. 60 Das betonen schon die älteren Kommentare: E. Zeller, Apg, 176; W. M. L. de Wette / F. Overbeck, Apg, 148, wie auch alle neueren. 61 M. Hengel, Historiker Lukas, 169–173.182 f. = KS VI, 170–175.187 f. 62 Apg 9,43; 10,6.32. 63 Es war einer Frau nach rabbinischer Rechtsauffassung erlaubt, die Scheidung zu verlangen, wenn ihr Mann Gerber war und sie den mit seinem Beruf verbundenen Gestank nicht mehr ertragen konnte – das waren auch nach halachischer Sicht verständliche Gründe, nicht etwa weil ihr Mann einem aus pharisäischer Sicht »(kultisch) unreinen« Gewerbe nachging (mKet 7,10: »Es geschah in Sidon mit einem Gerber, der starb. Und er hatte einen Bruder, der auch Gerber war. Da sagten die Gelehrten: Die [Witwe] kann sagen: ›Deinen Bruder habe ich ertragen, aber dich kann ich nicht ertragen.‹« [Übersetzung: D. Correns, Mischna, 339]). Die Bemerkung von Bill. II, 695, daß Petrus »als Gast« bei einem Gerber »seine innere Freiheit von den pharisäischen Satzungen [bezeugt]«, führt nicht völlig in die Irre; so die einseitige Kritik an Billerbeck von I. W. Oliver, Simon Peter; ausführlicher ders., Torah Praxis, 327–337; korrekt dagegen G. Wasserberg, Israels Mitte, 280.304; R. Deines, Aposteldekret, 333 f. = ders., Apostolic Decree, 131. Zu den Belegen für Gerber bei Martial, Epigrammata 6,93; 12,59 (BSGRT, 209.418 ed. Shackleton Bailey), und Artemidor, Onirocriticon 1,51,30 (BSGRT, 59,5 ed. Pack), vgl. T. J. Calpino, Women, 176. In Rom war Trastevere, wo viele Juden wohnten, das Viertel der Gerber und Walker, die am Tiberufer arbeiteten; vgl. auch C. S. Keener, Acts II, 1726 Anm. 232.
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
265
Petrus die Gastfreundschaft seines Namensvetters in Anspruch nimmt, darf man zwar nicht direkt auf seine Freiheit gegenüber pharisäischer Gesetzesauslegung schließen. Aber der Beruf des Gastgebers wird sicher nicht ohne Absicht dreimal hervorgehoben: Er soll eine Seite des sozialen Milieus der frühesten christlichen Gemeinden kennzeichnen. Der längere Zeit dauernde Aufenthalt des Petrus bei Simon dem Gerber steht so in einem gewissen Gegensatz zu dem anschließenden im vornehmen Haushalt des Centurio Cornelius. Die Bekehrung eines wohlhabenden Herrn der Mittelschicht bildete in der Frühzeit eher die Ausnahme. Die Mehrzahl der frühen Christen gehörte zum »Kleinbürgertum«, das heißt, sie waren »Handwerker, kleine[…] Gewerbetreibende[…] und Bauern, die rechtschaffene Handarbeit in Ehren hielten«.64 Sie mußten sich mit körperlicher Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen.65 Noch Kelsos spottet über das Christentum als eine Religion der »Wollarbeiter, Schuster, Walker«, also ungebildeter, wenig angesehener Handwerker.66 Während Petrus mit Lydda und Joppe die bedeutenden Orte in dieser fast rein jüdisch bewohnten Gegend besuchte, wirkte Philippus schon zuvor in Caesarea Maritima, das ebenso wie Azotos67 eine vorwiegend »griechische« Stadt mit einer jüdischen Minderheit war. Besonders in Caesarea kam es immer wieder zu schweren Zwischenfällen und Spannungen zwischen dem heidnischhellenistischen und dem jüdischen Bevölkerungsteil.
7.2.2 Caesarea Maritima und seine Bedeutung Die Stadt war anstelle der alten, wesentlich kleineren Hafenfestung Stratons Turm (Στράτωνος πύργος) von Herodes I. neu gegründet und großartig ausge M. Hengel, Eigentum, 65 = KS VI, 399 (Hervorhebungen im Original). 1 Kor 1,26–31. M. Hengel, Arbeit = KS VI, 424–466; ders., Eigentum, 45 = KS VI, 382 f. 66 Origenes, Contra Celsum 3,55 (SVigChr 54, 196 f. ed. Marcovich); vgl. dazu M. Hengel, Eigentum, 65 = KS VI, 399. 67 Nach Apg 8,39 f. wurde Philippus nach Azotos entrückt; siehe dazu oben S. 201 mit Anm. 97. Zu Azotos als heidnischer Stadt, die Judas Makkabäus zerstörte (1 Makk 5,68), und als einer »Stadt der Griechen« vgl. die Jona-Vita (VitProph 10,1), dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden II, 58 ff. Zur Lage und Geschichte der Stadt vgl. O. Keel / M. Küchler, Orte II, 38–48; M. Hengel, Historiker Lukas, 166 = KS VI, 166 f.; B. Isaac in CIIP III, 199 ff. Die Inschriften aus hellenistisch-römischer Zeit (siehe CIIP III, 199–224) sind zumeist griechisch, darunter ein Bleigewicht, das Herodes I. erwähnt (Nr. 2300); es gibt jedoch Ausnahmen: Nr. 2302: Graffito auf einem Krug »Jewish Script«, 4.–3. Jahrhundert v. Chr., vor dem Brennen angebracht; ebenso Nr. 2309 eine lateinische Inschrift auf einem Krater, während Nr. 2308 mit hebräischen Buchstaben auf dem Hals des Vorratkruges ins 3. Jahrhundert n. Chr. oder noch später zu datieren ist; sehr viel interessanter ist Nr. 2311: Fragment einer samaritanischen Inschrift, von der nur ein Buchstabe erhalten ist »which seems the beginning of a one-line monumental inscription«; sie gehörte wahrscheinlich zu einer Synagoge. 64 65
266
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
baut worden.68 Die modernen Ausgrabungen der Stadt haben den prächtigen Augustus-Roma-Tempel, den Königspalast, der dann den römischen Präfekten und Prokuratoren als Amtssitz diente, und die imposante Hafenanlage, die so groß wie Athens Hafen Piräus oder noch größer gewesen sein soll, wieder zutage gefördert. Sie haben im großen und ganzen die Angaben des Josephus über den Ausbau bestätigt.69 Die Stadt bekam durch Herodes I. ihren neuen Namen zu Ehren des Augustus, und auch die Hafenanlage war der kaiserlichen Familie gewidmet. Der größte ihrer Türme an der Hafeneinfahrt – so berichtet Josephus – erhielt seinen Namen nach Drusus. Ein anderer – der diesem wohl entsprechend gegenüberlag – war zu Ehren des Tiberius benannt, wie der Bauinschrift zu entnehmen ist, die Pontius Pilatus bei der Renovierung des Turmes anbringen ließ.70 Caesarea war so von der Gründung des Vorgängerhafens Stratons Turm her eine pagane Stadt,71 und seine Bewohner verstanden sich selbst als stolze »Griechen«. Nach ihrem eigenen (zumindest späteren) Selbstverständnis ging ihre Stadt nicht auf eine phönizische, sondern auf eine griechische Gründung zurück.72 Wenn Josephus die Caesarener immer wieder als »Syrer« bezeichnet, so 68 Vgl. Tacitus, Historiae 2,78,4 (BSGRT, Vol. II/1, 76,25 f. ed. Wellesley); M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 55 ff.; dazu J. Patrich, Studies, passim. 69 Josephus, Bell. 1,408–416; Ant. 15,331–341; vgl. J. Patrich, Studies, 5–40 u. ö.; 13: »The major discrepancy between Josephus’ descriptions and the actual finds pertains to the ›polished stone‹ and ›white stone‹, interpreted by some commentators as marble.« Es handelt sich jedoch um den lokalen Kalkstein, der mit weißem Kalk verputzt war. 70 Siehe die geniale Rekonstruktion und Ergänzung von G. Alföldy, Pontius Pilatus, 106 f.: [NAUTÍ]S TIBERIÉUM [‑ PO]NTIUS PÌLATUS [PRAEF]ECTUS IUDAE[A]E [REF]É[CIT] »Für die Schiffer hat das Tiberieum Pontius Pilatus, der Präfekt Judaeas, wiedererbaut.« Diese Lesung hat die meisten Fachleute überzeugt. M. Bernett, Kaiserkult, 205–214 u. ö., hat wieder für ein Tiberiusheiligtum votiert, aber ihre Argumente sind wenig überzeugend. Dazu weiter G. Alföldy, L’iscrizione di Ponzio Pilato. 71 Josephus, Ant. 20,173: In Stratons Turm habe kein einziger Jude gewohnt; nach Bell. 2,266 sagen die paganen Einwohner der Stadt, wenn Herodes sie für Juden ausgebaut hätte, so hätte er keine Tempel und Statuen in ihr errichtet. 72 Der Gründungsmythos der Stadt ist dargestellt auf einem Bronzebecher mit lateinischen Inschriften, der sich im Louvre befindet. Siehe Beschreibung und Fotos in CIIP II, 49–54; vgl. dazu auch die Zeichnungen der dargestellten Szenen von Sh. Patrich in: J. Patrich, Studies, 8–12.80 f. und Abb. 13b–d: 1. Die Libation vor der Stadtgöttin, der Tyche von Caesarea, lateinisch genio colonia(e), zu deren Ehren Spiele veranstaltet werden. 2. Die Einholung eines Orakels vor der Stadtgründung – lesbar sind die Namen »Apollon«, »Strato«, »Lysimachos« und »Ctesipon«; Strato trägt ein königliches Diadem. 3. Die Landung der Schiffe an der fremden, feindlichen Küste. 4. Besiegelung des Vertrags mit Handschlag zwischen Straton und dem Gott Asklepios, den seine Tochter Hygieia begleitet. Auch hier sind die Namen über die Gestalten geschrieben und gut lesbar.
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
267
spricht daraus unter anderem jüdische Polemik.73 Die Stadt besaß seit der Neugründung durch Herodes eine selbstbewußte, wohlhabende jüdische Minderheit mit mehreren Synagogen. Unter römischer Herrschaft beanspruchte diese das gleiche Bürgerrecht wie die hellenistisch-syrische Stadtbevölkerung, unterlag J. Patrich führt (loc. cit.) verschiedene Gründe dafür an, daß die dargestellte Gründung eine historische Grundlage hat und es sich nicht um die phönizische Gründung eines Königs Straton von Sidon (Straton I. 375/374–361 oder Straton II. 343/342–332 v. Chr.) handle, sondern um eine ptolemäische – vermutlich dann durch einen Feldherrn namens Straton. Das wichtigste Argument für Patrich stellen die archäologischen Funde dar, die kaum Spuren für die persische Zeit ergeben haben. Der Hafen wird jedoch schon in den Zenon-Papyri für das Jahr 259 v. Chr. (CPJ I, Nr. 2; vgl. dazu M. Hengel, Judentum und Hellenismus, 77) erwähnt. J. Patrich, Studies, 9, datiert mit »The earliest mention of Straton’s Tower is in the Zenon papyri of 159 BCE (P. Cairo Zen. 59004)« versehentlich hundert Jahre später; richtig dagegen auf S. 80. Stratons Turm muß vor 259 v. Chr. gegründet worden sein. Auch die Notiz bei Justinian, Novellae 103 praefatio (CIC[B].N, 496 f. ed. Schoell), daß der Grieche Straton die Stadt zuerst gegründet habe und sie dann von Vespasian in Caesarea umbenannt worden sei, ist für die Entstehung und die Geschichte der Stadt zwar nicht völlig wertlos, aber wenig aufschlußreich für die Frühgeschichte. Daß die Neugründung und Benennung durch Herodes I. unterschlagen wird, zeigt, wie selbstbewußt sich die Bürgerschaft von Anfang an als Griechen verstanden hat und daß die Neugründung durch Vespasian, der die Stadt nach dem 1. Jüdischen Krieg zur »Colonia« machte, in positiver Erinnerung blieb, während die ›Episode‹ unter jüdischer Herrschaft verdrängt und vergessen wurde. Der griechische Text nach der Edition von R. Schoell ist auch zitiert bei Schürer III/1, 115 Anm. 156; W. Ameling und W. Eck in CIIP II, 53, führen die lateinische Version an. Hier eine möglichst wörtliche Übersetzung des griechischen Textes: »Indes ist sie [die Stadt Caesarea] alt und immer geehrt, sowohl (seit der Zeit,) als Straton sie als erster aufbaute, der, aus Griechenland aufgebrochen, ihr erster Besiedler war, als auch, als der vergöttlichte Vespasian, der ruhmvollste der Kaiser, … sie mit der Benennung nach den Kaisern umbenannte, während sie vorher ›Turm des Straton‹ hieß, wobei er ihr diese Ehre gewährte, weil er in ihr nach dem Sieg über Judaea zum Kaiser proklamiert [wörtlich: aufgeschrieben] worden war.« Vgl. auch J. Patrich, Studies, 11 f. Anm. 27. Hinzu kommt, daß Isis in Caesarea als »Agathe« und »Hellas« verehrt wurde und nicht als »Astarte« wie in Sidon. Ausführlich zur Geschichte der Stadt und ihren Inschriften: CIIP II, 17–35 (Introduction); 37–820 (Inscriptions), wobei Ameling und Eck die phönizische Gründung zu Recht für wahrscheinlicher halten; denn griechische Städtenamen enthalten selten die Bezeichnung »Turm«, ein Element, das jedoch in semitischen Namen häufig ist. Für palästinische und ägyptische Städte siehe schon W. Gesenius’ Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch, 396. Vgl. weiter zu idealen griechischen Stadtgründungen, bei denen vor allem die vorherige Einholung eines Orakels zum Ritus gehörte, A. M. Schwemer, Gründungslegende. Die Gründung Caesareas durch Herodes I. konnte, da bei Josephus belegt, bei Historikern nicht völlig in Vergessenheit geraten; siehe etwa Eutropius, Breviarium ab Urbe Condita 7,10,3 (BSGRT, 44,17–20 ed. Santini); Ammianus Marcellinus, Res Gestae 14,8,11 (BSGRT, Vol. I, 23,26 f. ed. Seyfarth); dazu M. Stern, GLAJJ II, 576 f.604. 73 Vgl. J. Patrich, Studies, 81 Anm. 41. In Josephus, Bell. 2,266–270.284, werden die paganen Bewohner sowohl als »Syrer« wie als »Griechen« bezeichnet; in Ant. 20,173–178.182– 184 dagegen nur als »Syrer«. J. Patrich, Studies, 11 Anm. 27, weist auch auf Bell. 3,442 hin. Zum Verhältnis von Syrern und Juden in der Stadt siehe auch S. Freyne, Matthew and Mark, 183: »there were continued disturbances between Jewish and Syrian inhabitants of Caesarea Maritima with regard to who controlled the city. Josephus identifies the Syrians as Greeks and alleges that they could rely on support from the army«.
268
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
aber im Kampf um die »Isopoliteia« schließlich bei der Entscheidung durch Kaiser Nero.74 In dieser Niederlage lag auch eine der Ursachen für den Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges, der mit Unruhen in Caesarea begann. Sie entzündeten sich zunächst durch Streitigkeiten um eine Synagoge, deren Lage die jüdische Gemeinde durch den Zukauf eines benachbarten Grundstückes gerne verbessert hätte. Doch dessen Besitzer, »ein Grieche und Caesarener« (das heißt ein ortsansässiger Bürger), gab es ihnen nicht, sondern bebaute es mit Werkstätten und ließ ihnen nur einen engen Zugang zur Synagoge.75 Die wohlhabenden Juden versuchten vergeblich, mit einer Bestechung des Statthalters Florus einen Baustop zu erreichen. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen nahmen kein Ende und gipfelten in der Provokation durch das Vogelopfer eines Caesareners am Sabbat direkt vor dem Eingang der Synagoge. So kam es zu einem ersten bewaffneten Zusammenstoß, den Josephus als den »Anfang« und den nichtigen Anlaß zum Beginn des Krieges im Jahr 66 bezeichnet.76 Eine andere Synagoge muß dagegen größer gewesen sein und eine hervorragende Lage gehabt haben, denn sie wurde von Vespasian »zur Schmach« der Juden nach dem Krieg in ein Odeion verwandelt, wenn die Nachricht darüber bei Malalas zuverlässig ist.77 Die »Tyche«, Glücksgöttin, einer hellenistischen Stadt beschützte den Herrscher und seine Gründung und war zugleich deren Personifikation. Maßgebend für die bildliche Darstellung der Städte wurde im syrischen Raum die Tyche von Antiochia, mit Mauerkrone auf dem Haupt auf dem Hausberg Silpius sitzend, und ihr zu Füßen schwimmt der jugendliche Flußgott Orontes. Ein zweiter Bildtyp mit einer stehenden Tyche hatte sich vor allem auf Münzen durchgesetzt.78 Der Typus der Statue der Stadtgöttin Caesareas, die schon auf Münzen aus neronischer Zeit für das Jahr 68 n. Chr. belegt ist, richtet sich sowohl nach dem Vorbild der hellenistischen Darstellung der Tyche von Antiochia als auch nach dem römischen für Virtus und Roma verwendeten Figurentypus einer Tyche mit kurzem Gewand und Bewaffnung. Sie trägt in der Hand nicht ein Ährenbündel, einen Palmzweig oder das übliche Füllhorn, sondern eine Kaiserbüste.79 Der Josephus, Ant. 20,173–178.182–184; Bell. 2,266–270. Bell. 2,284 ff. 76 Josephus, Bell. 2,284.287–290. 77 Johannes Malalas, Chronographia 10,46 (197 ed. Thurn), berichtet über die Errichtung eines Theaters nach dem 1. Jüdischen Krieg an dem Platz, wo zuvor eine Synagoge stand, in Daphne bei Antiochia (siehe dazu unten S. 333 Anm. 194), und fügt hinzu: »Es stiftete auch zu Caesarea in Palästina aus der nämlichen jüdischen Beute ebendieser Vespasianus ein sehr großes Odeion, das die gewaltige Ausdehnung eines Theaters hatte; auch diese Stätte war vorher eine Synagoge der Juden gewesen« (Übersetzung und Kommentierung: J. Thurn / M. Meier u. a., Johannes Malalas, Weltchronik, 269 f.). 78 Ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 407. 79 M. Meyer, Stadtgöttin, 163: »Diese Münzen liefern einen Terminus ante quem für die Entstehung des Typus. Die Statue, die das Vorbild für die Nachbildungen und Abbildungen [auf Münzen] war, ist somit noch vor der Erhebung Caesareas zur Colonia durch Vespasian im Jahre 74
75 Josephus,
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
269
verstärkte römische Einfluß ist hier schon vor dem Ersten Jüdischen Krieg deutlich erkennbar. Auf Herodes I. geht dieser Typus der Stadtgöttin nicht zurück; denn noch in der Zeit Agrippas I. (37/41–44 n. Chr.) hat die Tyche von Caesarea einen traditionelleren Typus und trägt nicht die Kaiserbüste, sondern einen Palmzweig.80 Vespasian erhöhte den rechtlichen Status der Stadt und ernannte sie zur »Colonia Prima Flavia Augusta Caesariensis«, dadurch erhielt sie »den Rang einer Kolonie römischen Rechts«.81 Mit dieser Gründung als Kolonie entstand ein neues Gemeinwesen mit einem entschieden römischen Charakter. Die Gründung durch den jüdischen König Herodes I. wurde verdrängt und geriet im Lauf der Zeit fast völlig in Vergessenheit.82 Nicht nur die offiziellen Inschriften wurden nun in lateinischer Sprache abgefaßt, »sondern auch im privaten Leben [scheint] Latein bei vielen die bevorzugte Sprache gewesen zu sein«,83 während vorher griechisch und aramäisch die Umgangssprachen der griechisch-syrischen, samaritanischen und jüdischen Bevölkerung Caesareas gewesen waren. Durch die blutigen Ausschreitungen gegen die jüdischen Stadtbewohner im Jahr 66 n. Chr. waren diese völlig vernichtet worden. Josephus spricht von 20.000, »die in einer einzigen Stunde niedergemetzelt wurden«.84 Caesarea verlor nach der Darstellung des Josephus seine gesamte jüdische Bevölkerung; denn auch diejenigen, denen die Flucht aus diesem Blutbad gelang, ließ der Statthalter Florus ergreifen und gefangennehmen.85 Wahrscheinlich hat Vespasian an ihrer Stelle nach dem Krieg wie in Emmaus in großer Zahl Veteranen angesiedelt. Anders läßt sich der rasche, durchgehende Sprachwechsel vom Griechischen zum Lateinischen in den Inschriften der Stadt nicht erklären.86 Die Corneliusepisode weist so in eine wesentlich frühere Zeit, bevor sich der Konflikt zwischen den jüdischen und den paganen Bewohnern in der Stadt zunehmend verschärfte und zuspitzte. In neronischer Zeit wird es in der Hafenstadt wohl keinen römischen Centurio mehr gegeben haben, der als Gottesfürchtiger eine der örtlichen Synagogengemeinden unterstützte und sich dem christlichen Glauben anschloß. Auch der Evangelist Philippus und seine Töchter, die Paulus 69 n. Chr. aufgestellt worden.« Vgl. 173 f.: »Das Darstellungsinteresse war … nicht römisch, sondern lokalstädtisch … Die Verwendung der Roma-Ikonographie war nicht Anmaßung, sondern ein Zeichen von Zugehörigkeit zum … Imperium Romanum.« 80 M. Meyer, Stadtgöttin, 171. 81 Siehe dazu W. Eck, Rom und Judaea, 216 ff. (Zitat 217). 82 Siehe oben Anm. 72 die Beschreibung des Bronzebechers im Louvre und den in Übersetzung zitierten Text von Justinian, Novellae 103 praefatio (CIC[B].N, 496 f. ed. Schoell). Vgl. M. Meyer, Stadtgöttin, 174. 83 W. Eck, Rom und Judaea, 223; ders., Caesarea Maritima. 84 Josephus, Bell. 2,457. 85 Josephus, Bell. 2,457 f.; 7,359–363. Vgl. J. Patrich, Studies, 73 Anm. 11. 86 W. Eck, Rom und Judaea, 187.191.223–226; ders., Caesarea Maritima, 153 ff.
270
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
im Jahr 57 noch in der Stadt besuchte, haben Caesarea in den Jahren vor 66 n. Chr. verlassen und sind nach Hierapolis in Phrygien ausgewandert – vermutlich, weil angesichts der Spannungen in den 60er Jahren »die Lage für sie unhaltbar geworden war«.87 Schon in den 40er Jahren scheinen die Rivalitäten und Feindseligkeiten zwischen der griechisch-syrischen und der jüdischen Bevölkerung die Atmosphäre in der Stadt vergiftet, aber noch nicht Anlaß zu direkten blutigen Auseinandersetzungen gegeben zu haben. Daß fortwährend Spannungen herrschten, verdankt sich auch dem Umstand, daß Herodes I. und seine Amtsnachfolger ihre Truppen aus der paganen Bevölkerung der hellenistisch-syrischen Städte rekrutierten, vor allem aus Sebaste / Samaria und Caesarea, worauf diejenigen aus Caesarea in ihren Auseinandersetzungen mit Juden stolz hinwiesen.88 Denn auch als Judaea im Jahr 6 n. Chr. nach der Absetzung des Archelaos unter direkte römische Herrschaft kam und römische Präfekten und später Prokuratoren in Caesarea residierten, blieben die Legionen bei dem ihnen übergeordneten Statthalter von Syrien, der seinen Sitz in Antiochia am Orontes hatte, und standen vor allem an der Euphratgrenze. Die römischen Besatzungstruppen in Judaea waren keine römischen Legionäre, sondern Auxiliartruppen. Die jüdische Bevölkerung selbst war vom Militärdienst befreit.89 Ein besonders gravierender Vorfall ereignete sich Josephus zufolge direkt nach dem Tod König Agrippas I. im Frühjahr 44 n. Chr. Dessen Soldaten verließen als Reaktion auf seinen plötzlichen Tod ihre Posten und begaben sich – als Einheimische – nach Hause. Sie stellten zum Spott die Statuen der Töchter des Königs auf die Dächer der Bordelle. Berenike, die älteste, war sechzehn und schon verheiratet, Drusilla war zehn und Mariamne gerade sechs Jahre alt.90 In ihrem triumphierenden Haß auf das jüdische Königshaus benahmen sie M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 170. Josephus, Ant. 20,176. Zu den römischen Truppen, die in dieser Zeit ständig in Judaea waren, siehe D. B. Saddington, Development, 51.99 ff.; W. Eck, Rom und Judaea, 105–108: Es waren eine berittene Einheit (eine Ala) und fünf Kohorten Infanterie. Sie wurden weiterhin aus der nichtjüdischen Bevölkerung in Caesarea, Sebaste und Askalon ausgehoben, so wie es schon Herodes I. und seine Söhne getan hatten. Vgl. auch M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 55.92.94 f.610. 89 Vgl. das Edikt Caesars, das die Aushebung von Soldaten in jüdischen Gebieten untersagt (Josephus, Ant. 14,204): καὶ ὅπως μηδεὶς μήτε ἄρχων μήτε ἀντάρχων μήτε στρατηγὸς ἢ πρεσβευτὴς ἐν τοῖς ὅροις τῶν Ἰουδαίων ἀνιστῇ συμμαχίαν … ἀλλ’ εἶναι πανταχόθεν ἀνεπηρεάστους (»unbehelligt«); vgl. 14,227 f.231 f.; 19,238 ff. Vgl. dazu Schürer III/1, 121; M. Pucci Ben Zeev, Jewish Rights, 81.87 f.377. In späterer Zeit sind Juden in den römischen Armeen vereinzelt belegt, zumeist wird man von der Möglichkeit, Geld zu zahlen, statt als Rekrut eingezogen zu werden, Gebrauch gemacht haben. Vgl. Y. Le Bohec (übersetzt von C. Pöthig), Art. Militärrecht, DNP 8 (2000), 183 ff.; A. Oppenheimer, Jewish Conscripts; W. Eck, Rom und Judaea, 124. 90 Josephus, Ant. 19,354. 87 88
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
271
sich – auch für antike Verhältnisse – unglaublich obszön, wie Josephus betont: »unanständiger, als man sagen kann«.91 Auf den öffentlichen Plätzen der Städte veranstalteten sie Freudenfeste für die Bevölkerung und feierten mit Trinkgelagen den Tod des Königs.92 Kaiser Claudius wollte anschließend diese Truppen nach Pontus strafversetzen, gab dann aber doch den Bitten der Soldaten, bleiben zu dürfen, nach. Das rächte sich jedoch schon unter dem Statthalter Cumanus (48–52 n. Chr.) und führte auch später zu weiteren Ausschreitungen.93 Unter diesen Umständen könnte man es sogar in den 30er Jahren, bevor sich die Lage immer mehr zuspitzte, für historisch unwahrscheinlich halten, daß ein römischer Centurio in Caesarea ein gottesfürchtiger Verehrer des einzigen Gottes, ein großer Freund und ein Wohltäter einer örtlichen Synagogengemeinde war.94 Doch es gab in Syrien neben diesen ausgesprochen judenfeindlichen Soldaten aus Sebaste und Caesarea auch römische Bürgertruppen, die je nach Bedarf nach Judaea abgeordnet und dort eingesetzt werden konnten, was häufiger vorkam.95 Aber auch »einzelne Angehörige der syrischen Legionen [waren] für längere Zeit … im jüdischen Gebiet eingesetzt«.96 Auch muß Cornelius als Centurio der Cohors Italica nicht mit seiner gesamten Truppeneinheit in Caesarea Josephus, Ant. 19,356 ff. (Zitat: 358); vgl. F. Avemarie, Tauferzählungen, 381; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 92.610 (auch zu weiteren Vorfällen). 92 Ein etwas früheres Beispiel für die Judenfeindschaft dieser Truppen bildet die Geißelung Jesu, bei der die Soldaten ihren Haß und Hohn an einem angeblichen »König der Juden« austoben konnten (Mk 15,16–20 parr.); siehe dazu ausführlich M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 610 f. Die nächste Parallele zu dieser Königstravestie ist der Fall des Karabas bei der Verspottung Agrippas I. in Alexandria (Philo, Flacc. 36–39); vgl. dazu B. Mutschler, Verspottung, 23–49 (besonders 29 Anm. 29). 93 Vgl. dazu ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 92.94; sie wurden erst nach 70 n. Chr. strafversetzt, vgl. E. M. Smallwood, Jews, 333. 94 Deshalb unterstreichen H. M. Cotton / W. Ameling / W. Eck in CIIP II, 23: »If true, such an attitude seems not to have been typical of officers in these units.« 95 W. Eck, Rom und Judaea, 108. 96 W. Eck führt als Beispiel den Centurio M. Pulfennius an, der unter dem Verwalter der großen Domäne von Jamnia gedient hat, unter Herennius Capito, den wir auch durch Philo und Josephus kennen. Pulfennius gehörte der legio VI Ferrata an, die in Syrien stand; siehe W. Eck, Rom und Judaea, 108: »Dass der Stab des Domänenprokurators aus den Truppen der Provinz, also des syrischen Heeres, genommen worden ist, entspricht nur dem, was wir aus vielen anderen Provinzen kennen.« Die Inschrift lautet nach der Lesung, die ich einer brieflichen Mitteilung von Werner Eck verdanke (AE 1941, 00105 = AE 1947, 00039 Teate Marrucinorum): Ti(berio) Caesari divi Aug(usti) f(ilio) / Augusto pontif(ici) maximo / trib(unicia) potest(ate) XXXVIII co(n)s(uli) V / ex testamento M(arci) Pulfenni / Sex(ti) f(ilii) Arn(ensi) | (centurionis) leg(ionis) VI Ferr(atae) / C(aius) Herennius [--] Arn(ensi) Capito / trib(unus) milit(um) III praef(ectus) alae / praef(ectus) veteranorum / proc(urator) Iuliae Augustae / proc(urator) Ti(beri) Caesaris Aug(usti) / proc(urator) C(ai) Caesaris Aug(usti) / Germanici / arg(enti) p(ondo) XI (quincunx). Werner Eck schrieb mir zu Cornelius am 16. 7. 2 012: »… (man) könnte sich natürlich vorstellen, daß ein centurio der cohors II Italica civium Romanorum (die dann eine cohors voluntariorum gewesen sein sollte) sich in Iudaea aufhält, entweder als aktiver Angehöriger 91
272
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
stationiert gewesen sein, wie man, um die historische Unwahrscheinlichkeit des lukanischen Berichts insgesamt zu unterstreichen, oft betont hat, sondern er kann mit einer kleineren Abordnung in der großen Hafenstadt eingesetzt worden sein. Mit σπεῖρα ἡ καλουμένη Ἰταλική kann die Cohors II Italica civium Romanorum voluntariorum gemeint sein, die in Syrien im 1. und 2. Jahrhundert stationiert war und inschriftlich belegt ist.97 Centurionen98 erfüllten im römischen Heer und in der Verwaltung der Provinzen sehr wichtige und vielseitige Aufgaben, nicht nur rein militärischer, sondern auch unterschiedlicher ziviler Art. In der für Judaea bedeutendsten Hafenstadt Caesarea wurden vermutlich Centurionen mit kleineren militärischen Detachements vor allem eingesetzt beim Zoll, bei der Steuer, der Polizei und anderen Verwaltungsaufgaben.99 Cornelius könnte sich zudem auch als Veteran – nach des syrischen Heeres (zusammen mit seiner Einheit?) oder vielleicht auch als Veteran. Letztlich kommt man bei der gegenwärtigen Quellenlage m. E. nicht weiter.« 97 J. A. Fitzmyer, Acts, 449, schreibt zu dieser Identifikation optimistisch: »undoubtedly«. Vgl. weiter I. Levinskaya, Italian Cohort. J. Schröter, Lukas als Historiograph, 244 Anm. 105, hält die Erwähnung der »italische[n] Kohorte in Cäsarea« für eine der lukanischen Ungenauigkeiten. Wir wissen leider zuwenig über die Truppenverhältnisse in Palästina vor dem 1. Jüdischen Krieg. Zur wichtigsten Inschrift vgl. M. Hengel, Historiker Lukas, 171 ff. = KS VI, 173 Anm. 112: »Die Grabinschrift (… CIL 13483a) eines ›optio (Gehilfen des Centurio) Proculus Rabili filius‹, der aus … Philadelphia stammte, in einer ›cohors secunda civium Romanorum … exercitus Syriaci‹ gedient hatte und vermutlich beim Marsch des syrischen Heeres nach Italien gegen Ende 69 n. Chr. gestorben war, deutet auf die Anwesenheit solcher Kohorten in Syrien vor 69 hin« (Hervorhebung im Original). Vgl. weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 239 f. Anm. 965; Text und Kommentar auch bei L. Boffo, Iscrizioni, 295–301. 98 Apg 10,1 wählt mit ἑκατοντάρχης die hellenistische Bezeichnungsform. Die Centurionen waren, abgesehen von den Senatoren und Rittern, die wichtigsten Offiziere im römischen Heer. Zur Zeit des Prinzipats stiegen in diese sehr gut bezahlten Posten erfahrene und langgediente Soldaten auf; vgl. G. Webster, Imperial Army, 117–120.259 und 314 Index s. v. »centurion«; J. B. Campbell, Art. Centurio, DNP 2 (1997), 1068 f. Andere Centurionen im Neuen Testament: Mk 15,39.44 f. parr. Lukas und Matthäus schreiben ἑκατοντάρχης und ἑκατόνταρχος: Lk 7,1–10; Mt 8,5–13 (Joh 4,46 macht daraus einen βασιλικός); 27,54; aber in den Handschriften wechselt die Bezeichnung hin und her. 99 In M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 239 Anm. 965, verwiesen wir auf einen παρακήπτης … εἰσφερομένων φορτίων und ἑκατοντάρχης μετὰ στρατεύματος, der als Zollbeamter »mit einer Truppe in dem nabatäischen Hafen Leukome am Roten Meer um 75 n. Chr.« war (Periplus 19, in: L. Casson, Periplus Maris Erythraei, 6 f. und den Kommentar dazu 145); vermutlich handelt es sich um einen nabatäischen Offizier. In eine wesentlich spätere Zeit als die Corneliusgeschichte weisen die Funde aus Caesarea: Aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammen die Inschriften der Fußbodenmosaike im Praetorium, die einzelne Räume ihren Benutzern zuweisen. Dieses Praetorium hatten die Amtsnachfolger der Präfekten und Prokuratoren, die Statthalter mit prätorischem Rang, erweitert, und hier residierten sie jeweils als legatus Augusti pro praetore provinciae Iudaeae. Ein Raum ist durch die Inschrift in einer Rundbasis als scola centurionum zu identifizieren, das heißt als Amtslokal (officium) und Clubraum der Centurionen der beiden in der Provinz stationierten Legionen, die zur besonderen Verfügung des kaiserlichen Legaten standen. Dazu W. Eck, Römische Herrschaft, 85 f.:
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
273
seinem aktiven Dienst mit einer respektablen Abfindungssumme ausgestattet – mit seiner Familie in Caesarea niedergelassen haben.100 Der in Apg 10,7 erwähnte, ihm untergebene und ebenfalls »gottesfürchtige« Soldat könnte sich ihm nach seiner Entlassung aus der Armee angeschlossen haben. Cornelius war höchstwahrscheinlich kein primus pilus wie der Centurio Tiberius Claudius Italicus,101 aber er war doch angesichts der frühchristlichen Verhältnisse ein sehr prominenter Mann, »und es war Ehrensache, daß sich der Anführer der messianischen Bewegung, Petrus, selbst um ihn bemühte«.102 Cornelius trägt einen römischen Namen, der recht verbreitet war, seit P. Cornelius Sulla viele Sklaven freigelassen hatte.103 Mit seinem Rang als Centurio war er sozial hervorgehoben, gehörte zum oberen Mittelstand und besaß vermutlich auch das römische Bürgerrecht. Lukas beschreibt ihn jedenfalls als Römer und ausländischen Angehörigen der Oberschicht, ähnlich wie er den Äthiopier in Apg 8 und dann den Prokonsul Sergius Paulus in Apg 13 als vornehme Männer heraushebt. Wahrscheinlich soll er wie diese dem »werten Theophilos«, dem Lukas sein Doppelwerk gewidmet hat, als Vorbild dienen.104 Mit den judenfeindlichen Auxiliartruppen, die in Caesarea und Sebaste ausgehoben wurden, hatte dieser vornehme Herr Cornelius jedenfalls nichts zu tun.105 Die Bekehrung des Cornelius wird man also – wie schon betont – mit guten Gründen zeitlich zwischen dem Jahr 36, dem vermutlichen Datum für den Besuch des Paulus bei Petrus in Jerusalem, und 41, dem Regierungsantritt
»Von ihrem Dienstraum aus war der Eingangsbereich des Praetorium leicht zu überwachen« (86). Vgl. CIIP II, 223–226. 100 Dafür plädieren J. D. G. Dunn, Beginning, 390; L. Brink, Soldiers in Luke-Acts, 151. Erst zwischen 70 n. Chr. und dem Ende der Herrschaft Trajans bzw. dem Beginn der Hadrians ist die Inschrift an einem Grabmal für einen Centurio Tiberius Claudius Italicus in Caesarea zu datieren. Er war primus pilus in der legio X Fretensis, als diese die einzige Legion in Judaea war, und lebte vermutlich nach seinem Ausscheiden aus der Armee in Caesarea. Siehe dazu W. Eck in CIIP II, Nr. 1350, 309 f.: »A retired primuspilus would have been most welcome in a colony like Caesarea, as strengthening its local elite.« Zu den primi pilares siehe auch G. Webster, Imperial Army, 118 und 329 Index s. v. »primus pilus«. 101 Siehe vorige Anmerkung. 102 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 239. 103 J. A. Fitzmyer, Acts, 448. Josephus (Ant. 20,14) zitiert einen Brief des Kaisers Claudius vom 28. Juni 45, der unter anderem von einem Cornelius, Sohn des Geron, der vermutlich Jude war, nach Jerusalem gebracht wurde. Vgl. weiter T. Ilan, Lexicon I, 329. I. Levinskaya, Italian Cohort, 107 Anm. 4, erwähnt über 2600 inschriftliche Nennungen mit diesem Namen. Die Häufigkeit des Namens gab jedoch den Lesern des Auctor ad Theophilum keinen Grund, diese Person als »a character nicknamed ›Cornelius‹ to represent the Roman military« zu verstehen, wie C. K. Rothschild, Ἐτυμολογία, 293, meint; vgl. dazu auch oben S. 261 Anm. 47. 104 Siehe dazu M. Hengel, Historiker Lukas, 172 f. = KS VI, 173 f. Zu Sergius Paul(l)us vgl. unten S. 372–377. 105 Vgl. CIIP II, 23; dazu oben Anm. 94.
274
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Agrippas I. in Judaea, anzusetzen haben.106 Diesen Zeitraum kann man noch weiter einschränken und das Ereignis in die Zeit vor dem Ausbruch der CaligulaKrise im Sommer 39 datieren.107
7.2.3 Cornelius als Gottesfürchtiger und die christliche Mission In Caesarea, dieser vorwiegend paganen Stadt mit einer selbstbewußten jüdischen Minderheit, herrschte gewissermaßen eine Atmosphäre wie in der Diaspora. Für Lukas ist sie die zweitwichtigste Stadt Palästinas, und er unterscheidet sie korrekt vom eigentlichen Judaea.108 Hier schließt sich ein vornehmer römischer Soldat mit seinem ganzen Haus, seiner Familie und seinen Freunden109 sehr eng an das Judentum und die Synagogengemeinde an, ohne ganz als Proselyt zum Judentum überzutreten. Cornelius ist der erste Gottesfürchtige, den Lukas in der Apostelgeschichte schildert: Er ist nicht nur selbst fromm (εὐσεβής) im jüdischen Sinne, sondern »fürchtet Gott mit seinem ganzen Haus« (φοβούμενος τὸν θεὸν σὺν παντὶ τῷ οἴκῳ αὐτοῦ).110 Er gehörte damit zu den heidnischen Sympathisanten des Judentums, die sich – bevorzugt in der Diaspora – den jüdischen Synagogengemeinden anschlossen, aber von dem vollen Übertritt zum Judentum als Proselyten aus beruflichen oder persönlichen Gründen absahen bzw. absehen mußten.111 Pagane Sympathisanten finden wir im Umkreis der jüdischen Synagogen sozusagen in konzentrischen Kreisen. Am engsten mit ihnen verbunden waren »Gottesfürchtige« wie Cornelius, die sie 106 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 339 f.; vgl. F. Avemarie, Tauferzählungen, 389–394 zur Bedeutung dieser Datierung für die Entstehung der Verbindung von »Taufe und Geistverleihung« (389). 107 M. Hengel, Petrus, 86; vgl. oben S. 260 Anm. 39. 108 Lukas scheint ein Gespür für diese Situation zu haben, wenn er schreibt, Agrippa »reiste aus Judaea hinab nach Caesarea« (Apg 12,19); siehe M. Hengel, Historiker Lukas, 168 = KS VI, 168 f.; zur wechselnden Einschätzung über die rechtliche Zugehörigkeit Caesareas zum Heiligen Land in der rabbinischen Literatur siehe F. Avemarie, Tauferzählungen, 383 Anm. 210; J. Patrich, Studies, 41–70 zu mOh 18,9 und tOh 18,13. 109 Theophilos, dem Lukas sein Doppelwerk gewidmet hat, müssen wir uns ebenfalls als einen solchen vornehmen Herrn mit der entsprechenden Umgebung von Familie und Freunden vorstellen, die zugleich mit Theophilos auch jeweils im Prolog zum Evangelium und zur Apostelgeschichte angesprochen werden. Siehe dazu M. Hengel, Lukasprolog, 199 = KS VI, 247. 110 Apg 10,2. 111 Vgl. ausführlich zur Diskussion um die Gottesfürchtigen M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 85 f.101–132 und 532 Index s. v. »Gottesfürchtige«; B. Wander, Gottesfürchtige und Sympathisanten; G. Stanton, God-fearers; ders., Justin Martyr; J. D. G. Dunn, Beginning, 387.391.397.560–566 und 1343 Index s. v. »God-fearers«. F. Avemarie, Diasporagemeinden, 48 = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum, 69: »… die Anziehungskraft, die das Judentum gerade in der Diaspora auf die pagane Welt ausübte, ist nicht nur durch einige verstreute Inschriften, sondern auch durch eine weit größere Zahl von literarischen Zeugnissen belegt.« Die flapsige Bemerkung von J. M. Ogerau, Collection, 361 Anm. 4: »The real identity of these ›god-fearers‹ remains a moot question«, verkennt die Quellen‑ und Forschungslage völlig.
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
275
als Wohltäter unterstützten, jüdische Speisegebote beachteten, die Gebetszeiten einhielten und entsprechend den synagogalen Gottesdienst mit Schriftlesung, Predigt und Gebet am Sabbat besuchten. Dieser monotheistische Gottesdienst zu Ehren des einen Gottes ohne Kultbilder und ohne Opferriten, aber mit einer stark ethischen Ausrichtung, konnte wie eine philosophische Versammlung anziehend wirken. Vor allem für Frauen waren diese religiösen Veranstaltungen attraktiv.112 Besonderen Anklang fanden auch jüdische Riten wie der Sabbat, denn einen arbeitsfreien Tag fand man auch in der Antike angenehm.113 So gießt Juvenal bitteren Spott aus über den schrittweisen Übergang zum jüdischen Aberglauben innerhalb eines einzigen Generationswechsels: »Manche, denen ein den Sabbat ehrender (metuentem) Vater zuteil wurde, beten nichts anderes an außer den Wolken und der Gottheit des Himmels, glauben, von menschlichem Fleisch unterscheide sich nicht das des Schweines, dessen sich der Vater enthielt, und lassen bald auch ihre Vorhaut beschneiden. Gewohnt aber, die römischen Gesetze geringzuschätzen, kennen sie das jüdische Recht genau, beachten und fürchten (metuunt) es, ganz wie Moses es ihnen in geheimer Rolle überlieferte: niemandem die Wege zu zeigen außer dem Anhänger des Kults, allein die Beschnittenen hin zur gesuchten Quelle zu führen. Doch liegt die Schuld beim Vater, der an jedem siebenten Tag träge war und keinen Teil des Geschäftslebens anrührte.«114
Das Verbum metuere (»fürchten, ehren«) verwendet der römische Satiriker mit Absicht zweimal, um mit diesem Stichwort das Milieu der Gottesfürchtigen zu charakterisieren, das er offensichtlich aus eigener Anschauung in der Reichshauptstadt gut kennt.115 Von Juvenal erfahren wir nicht nur die lateinische Entsprechung von φοβέομαι bzw. σέβομαι τὸν θεόν, sondern auch, daß er den Josephus, Bell. 2,560 f., berichtet, daß bei dem Pogrom in Damaskus zu Beginn des 1. Jüdischen Krieges die Damaszener dieses Vorhaben vor ihren Frauen verheimlichen mußten, »die sich alle bis auf wenige Ausnahmen der jüdischen Gottesverehrung zugewandt hatten«; siehe dazu ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 82.101.111–115; dazu oben S. 236 mit Anm. 165; vgl. weiter P. W. van der Horst, Epitaphs, 109 ff.136 f.: 50 % der erhaltenen Inschriften für Proselyten betreffen Frauen, und 80 % der Gottesfürchtigen sind Frauen; darauf verweist auch J. D. G. Dunn, Beginning, 426 Anm. 50. Vgl. unten S. 383 zu den vornehmen gottesfürchtigen Frauen im pisidischen Antiochia (Apg 13,50). 113 Josephus, Ap. 2,281 f.: »… aber auch die Massen haben seit langer Zeit Eifer für unsere Frömmigkeit gezeigt, es gibt auch keine Stadt der Griechen und keine barbarische und auch nicht ein Volk, wo nicht die Sitte des siebten Tages der Woche, an dem wir ruhen, hingekommen ist und wo das Fasten und das Anzünden der Lampen und vieles, was bei uns in Hinsicht auf die Speisen gesetzlich vorgeschrieben (νενομισμένων) ist, nicht gehalten wird.« Siehe dazu H. Löhr, Speisenfrage, 17, der auch auf die σαμβαθίονες hinweist. 114 Juvenal, Saturae 14,96–106 (BSGRT, 188 ed. Willis); zur Übersetzung vgl. J. Adamietz, Juvenal, Satiren, 282 f. Vgl. weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 105 f.; F. Avemarie, Diasporagemeinden, 48 = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum, 69. 115 Vgl. dazu schon M. Stern, GLAJJ II, 103–106 mit Verweis auf J. Bernays, der die 112
276
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Hang zur jüdischen Religion zu den Lastern der Römer zählt und als Gefahr betrachtet.116 Am äußersten Rand dieser mit dem Judentum sympathisierenden Gruppen standen Leute, die nur an der jüdischen Magie interessiert waren.117 Als das prominenteste Beispiel für den vollständigen Übertritt kann man das Königshaus von Adiabene im Partherreich jenseits des Tigris nennen.118 Der alte Streit um die jüdische »Mission«, in deren Fußstapfen die christliche ohne Probleme sofort eingetreten sein soll, scheint inzwischen beendet. Die jüdischen Synagogengemeinden in der Diaspora betrieben keine aktive Mission, aber sie verhielten sich einladend ihren paganen Mitbürgern gegenüber. Philo von Alexandria war nicht der einzige, der hoffte, daß sich einmal alle Völker dem Gesetz Moses zuwenden und dieses annehmen würden.119 Die Verbindung des Cornelius mit einer der Synagogengemeinden in Caesarea kommt in seiner Wohltätigkeit zum Ausdruck, denn er unterstützt mit seinen zahlreichen Almosen120 wahrscheinlich nicht allgemein das jüdische Volk, sondern eine Synagogengemeinde in der Stadt. Daß mit λαός an dieser Stelle nicht Juvenal-Stelle bereits mit den talmudischen und frühchristlichen Belegen zu den Gottesfürchtigen verbunden hat. 116 Zur ambivalenten Haltung gegenüber den Juden in Rom und zur spezifischen Judenfeindschaft in der Reichshauptstadt siehe P. Schäfer, Judeophobia, 180–195: »… they sensed an appeal to which they reacted either with sympathy and, indeed, conversion or with fear, dislike, and, indeed, hatred. But they did not remain impassive and even in their hatred paid tribute to the sceleratissima, despectissima, and taeterrima gens of the Jews« (195) = deutsche Übersetzung von C.-J. Thornton: P. Schäfer, Judenhaß, 281. 117 S. J. D. Cohen, Crossing, unterschied sieben Stufen bis hin zum Vollübertritt; dazu bemerkt F. Avemarie, Diasporagemeinden, 49 = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum, 70, zu Recht, daß die Variabilität in Wirklichkeit sehr viel größer gewesen sein wird und »die Grenzen … durchlässig [waren], jüdische Religion und Kultur wirkte in ihr nichtjüdisches Umfeld hinein, wie auch umgekehrt das Nichtjüdische – soweit es die Religion nicht berührte – anerkennend in das jüdische Leben aufgenommen wurde«. Vgl. auch M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 101–132. 118 Josephus, Ant. 20,23.34–48; siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 108 f. Auch hier vollzog sich der Prozeß des Übertritts zunächst schrittweise, und hinsichtlich der Beschneidung des Königs Izates waren seine Mutter, die Königin Helena, und ihr jüdischer Berater Ananias erst einmal zurückhaltend, weil sie politische Schwierigkeiten befürchteten. Schließlich gab ein jüdischer Reisender Eleazar, der vermutlich Pharisäer war, denn »er nahm es mit den Gesetzen besonders streng« (Ant. 20,43), den Ausschlag. Er drängte auf die Beschneidung des Königs, und dank Gottes Hilfe blieben die befürchteten politischen Folgen aus. Izates ließ dann seine fünf Söhne in Jerusalem erziehen (Josephus, Ant. 20,71); siehe dazu oben S. 208 Anm. 28. Vgl. auch J. P. Dickson, Mission-Commitment, 33–37. Dazu ferner unten S. 305. 119 Philo, Mos. 2,41–44; dazu A. M. Schwemer, Diatheke, 67 f. Vgl. J. P. Dickson, Mission-Commitment, 75–77.293. 120 Vgl. dazu M. Wolter, Lk, 432: »Almosen« (in Apg 10,2 gesteigert zu ποιῶν ἐλεημοσύνας πολλάς) sind nicht einfach eine »milde Gabe«, sondern haben im Judentum eine sehr weitgehende Bedeutung. Sie gehören zu den Liebeswerken, sie reinigen und sühnen Sünden. Tob 12,9: »Almosengeben rettet vom Tod, und es reinigt von jeder Sünde«; vgl. Tob 4,7–10; Sir 3,30 u. ö.; siehe dazu J. A. Fitzmyer, Tobit, 292 f. und 171 zu Tob 4,10. Das Sprichwort in Tob 12,9 geht zurück auf Prov 10,2; 11,4: »Gerechtigkeit errettet vom Tode«; צדקהwird
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
277
einfach das ganze jüdische Volk bezeichnet wird (wie dann kurz darauf in Apg 10,41 f.), sondern die örtliche Synagogengemeinde, legen eine ganze Reihe von Inschriften aus der jüdischen Diaspora nahe, vor allem aber auch die Verwendung von λαός in Apg 13,15 für die versammelte Synagogengemeinde.121 Aber auch eine – allerdings wesentlich spätere – Inschrift aus Caesarea gebraucht λαός für die Gemeinschaft einer Synagoge. Die Inschrift auf einer Mamorplatte stammt aus dem 6./7. Jahrhundert n. Chr.: Κ(ύριο)ς β(οηθό)ς Προσφορὰ τοῦ λαοῦ ἐπὴ Μαρουθᾶ Der Herr sei unser Helfer. Eine Schenkung der Gemeinde unter (dem Synagogenvorsteher) Marutha.122
Solche in Caesarea selbst erhaltenen Synagogeninschriften setzen erst ab dem 3./4. Jahrhundert ein. Von den früheren, literarisch belegten Synagogen wurden keine archäologischen Zeugnisse gefunden. Daher wird vor allem im Vergleich mit anderen, früheren jüdischen Inschriften aus der Diaspora deutlich, daß die Erwähnung von zwei höheren heidnischen Amtsträgern im lukanischen Doppelwerk, die die lokalen Synagogengemeinden unterstützten, nicht dem Wunschdenken seines Autors entsprungen sein muß. Wir haben durch die neueren Inschriftensammlungen anschauliche Parallelen erhalten.123 Lukas war wahrscheinlich selbst ein Gottesfürchtiger, bevor er Christ wurde. Deshalb kennt er sich in diesem Milieu gut aus und schildert Personen wie den Hauptmann von Kapernaum, den Finanzminister der Königin Kandake, Cornelius und die Purpurhändlerin Lydia so liebevoll124 – und aus diesem Grund ist seine Beschreiin der Septuaginta mit ἐλεημοσύνη (»Barmherzigkeit«) übersetzt, beides erhält in frühjüdischer Zeit die Bedeutung »Almosengeben«. 121 Vgl. M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, 187.189 = KS III, 37.39, dazu oben S. 160 Anm. 96 zur Stephanusgeschichte. Auch F. Avemarie, Diasporagemeinden, 47 Anm. 135 = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum, 69 Anm. 136, nahm an, daß bei der »Beschreibung der Wohltätigkeit des Hauptmanns Cornelius … λαός möglicherweise die örtliche Synagogengemeinde meint«. 122 Siehe dazu die Lesung und den Kommentar von J. J. Price in CIIP II, 59 ff.; vgl. auch R. Hachlili, Synagogues, 19 f.121 f. u. ö., siehe 719 Index s. v. »Caesarea« und W. Ameling, IJO II, 136 ff. Nr. 26 (Nysa); 192 ff. Nr. 44 (Smyrna); 386 f. Nr. 181 (Appia in Phrygien); 436 f. Nr. 206 (Hierapolis). 123 Dazu F. Avemarie, Diasporagemeinden, 31.47 = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum, 52 f.68 f. 124 Vgl. die Charakterisierung des Centurio von Kapernaum Lk 7,5: »Er liebt unser Volk, und die Synagoge hat er für uns bauen lassen« (ἀγαπᾷ γὰρ τὸ ἔθνος ἡμῶν καὶ τὴν συναγωγὴν αὐτὸς ᾠκοδόμησεν ἡμῖν); siehe dazu M. Wolter, Lk, 271. Vgl. auch L. Brink, Soldiers in Luke-Acts, 128–164; zur sprachlichen Charakterisierung des Cornelius »as being ›more Je-
278
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
bung des Wirkens der christlichen Missionare unter den frommen Heiden im Umkreis der Synagogen historisch besonders interessant.125
7.2.4 Die Begegnung zwischen Petrus und Cornelius J. D. G. Dunn sah in Apg 10 die »Bekehrung« des Petrus,126 nicht so sehr die des Cornelius. Die Erzählung von der Begegnung zwischen Petrus und Cornelius gehört wahrscheinlich zu dem Stoff an Petrustraditionen, die Lukas aus Jerusalem erhalten hat.127 Es handelt sich um das »Petruskapitel« der Apostelgeschichte, in dem sein Name fünfzehnmal genannt wird.128 Während sich Petrus in Joppe im Haus Simons des Gerbers befindet, erhält er eine Vision.129 Die Ausgestaltung ist ganz durch lukanische ›Rhetorik‹ geprägt: Die dreimalige Traumvision des Petrus wird zweimal erzählt, und die Himmelsstimme wird zweimal völlig identisch – und damit besonders betont – in wörtlicher Rede angeführt. Petrus sieht ein riesiges Tuch, gefüllt mit allen vierfüßigen Tieren und Vögeln, vom Himmel kommen. Die Himmelsstimme befiehlt ihm: »Steh auf, Petrus, schlachte und iß!«130 Petrus wehrt sich gegen diesen Befehl mit Worten, die an die Weigerung des Profeten Ezechiel erinnern sollen, und versichert, daß er noch nie etwas »Gemeines und Unreines« gegessen habe.131 Doch Christus wiederholt den Befehl und setzt die erklärende Begründung hinzu: »Was Gott wish‹ than other gentiles« siehe J. A. Snyder, Language and Identity, 85 u. ö., 326 Index s. v. »Characterization – Of Cornelius«. 125 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 104. Während man früher in der Regel in Lukas einen Heidenchristen sah, plädiert (neben anderen, siehe dazu oben S. 10 Anm. 33) M. Wolter, Lk, 9 f., für seine jüdische Herkunft. Auf die Bedeutung der Gottesfürchtigen im lukanischen Werk geht Wolter jedoch nicht ein, sondern betont nur die ausgezeichnete Kenntnis der Septuaginta, des jüdischen Milieus, »das herausragende Interesse an der Israelfrage, das Lukas … veranlasst haben dürfte, die Geschichte der Trennung von Christentum und Judentum als Bestandteil der Geschichte Israels zu schreiben« (9). Vgl. ders., Doppelwerk, 262 ff. 126 J. D. G. Dunn, Beginning, 389–396, gibt seinem Kapitel die Überschrift: »The Conversion of Peter«; noch einmal unterstrichen im Ergebnis (401): »Peter himself had been converted«; sehr kritisch dazu M. Bockmuehl, Remembered Peter, 195: »The language of turning and repentance is indeed applied to this narrative; it pertains, however, not to Peter but only to Cornelius and his household.« Zu Unrecht suggeriert M. Bockmuehl, daß J. D. G. Dunn die in Lk 22,32 angekündigte »Bekehrung« des Petrus in Apg 10 fände. 127 M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 239–242; F. Avemarie, Tauferzählungen, 66. 128 A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft, 205. 129 Apg 9,43; 10,6.32, vgl. dazu oben S. 264 bei Anm. 62. 130 Apg 10,13: ἀναστάς, Πέτρε, θῦσον καὶ φάγε. Vgl. die identische Wiederholung des Wortlauts im Rechtfertigungsbericht des Petrus in Jerusalem Apg 11,7.9. 131 Apg 10,14: μηδαμῶς, κύριε, ὅτι οὐδέποτε ἔφαγον πᾶν κοινὸν καὶ ἀκάθαρτον; die Wiederholung in 11,8 (μηδαμῶς, κύριε, ὅτι κοινὸν ἢ ἀκάθαρτον οὐδέποτε εἰσῆλθεν εἰς τὸ στόμα μου) klingt noch deutlicher an Ez 4,14 (LXX) an: Μηδαμῶς, κύριε θεὲ τοῦ Ισραηλ· ἰδοὺ ἡ ψυχή μου οὐ μεμίανται ἐν ἀκαθαρσίᾳ, … οὐδὲ εἰσελήλυθεν εἰς τὸ στόμα μου πᾶν κρέας ἕωλον.
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
279
gereinigt hat, erkläre du nicht für unrein.«132 Petrus begreift die Bedeutung dieser Vision mit dem Erscheinen des Tuchs, seinem seltsamen Inhalt und mit dem Befehl Christi dann schrittweise.133 Aber zunächst erhält der Apostel keine Zeit zum Nachdenken; denn bevor er wieder aus seiner »Verzückung« richtig zur Besinnung kommen kann, treibt der heilige Geist ihn an, sofort und ohne Bedenken mit den fremden Leuten zu gehen, die gerade in Joppe bei ihm angekommen sind. Er selbst, Gottes Geist, habe sie gesandt.134 Als ihm schließlich Cornelius seine eigene entsprechende ›Korrespondenzvision‹ glaubhaft schildert und von der Ankündigung des Engels erzählt, daß seine Gebete und Almosen »zum Gedenken vor Gott aufgestiegen sind«135 und seine Bitte um Erlösung erhört werden soll, versteht Petrus, daß nicht nur die Speisegebote über »Rein und Unrein« obsolet und ungültig geworden sind, sondern Gott ihm mit dieser Vision und dem Befehl Christi gezeigt hat, daß er auch keinen Menschen für »gemein oder unrein« halten darf.136 Gerade die breite und umständliche Weise, mit der Lukas beschreibt, wie Petrus sein Unverständnis und seinen Widerspruch gegen das Gebot Christi allmählich aufgibt, verrät an dieser Stelle, wie virulent die Frage der Reinheit der Speisen im frühen Christentum war und wie heftig der Streit darüber geführt werden konnte.137 Nach der Darstellung des Lukas wurzeln alle Konflikte, die bei der Aufnahme eines gottesfürchtigen Heiden in die christliche Gemeinschaft entstehen, letztlich in den jüdischen Speisevorschriften.138 Ebendeshalb müssen auch die Heidenchristen Rücksicht nehmen und sich an die Minimalforderungen 132 Apg 10,15: ἃ ὁ θεὸς ἐκαθάρισεν, σὺ μὴ κοίνου. Mit der Himmelsstimme spricht jedesmal Christus; Petrus richtet seine Antwort in Apg 10,14 mit κύριε an ihn. Vgl. Apg 11,9; dazu A. M. Schwemer, Land Abrahams, 82 Anm. 130, und oben S. 128 f. Anm. 195. 133 Zweimal wird sein Überlegen und Nachdenken über die Bedeutung der Vision erwähnt: Apg 10,28b.34 f. 134 Apg 10,20. Vgl. H. Gunkel, Geist, 183: »Ausschlaggebend dafür, dass das Evangelium nun eine größere Gruppe gottesfürchtiger Heiden erreicht hat, war … der als personales Gegenüber agierende Geist.« Die Personalisierung des heiligen Geistes ist ein Kennzeichen der lukanischen Pneumatologie. 135 Der Ausdruck erscheint im Alten Testament noch nicht, aber im Frühjudentum begegnet die Vorstellung, daß Engel die Gebete vor Gott »zum Gedächtnis« bringen: Tob 12,12; 1 Hen 99,3. Verbreitet ist die Wendung dann später in der rabbinischen Literatur; besonders eindrücklich ist die Verwendung in der Neujahrsliturgie, in der Israel »die Zikhronot-Gebete spricht …, ›damit ihr Gedächtnis vor ihm zum Guten aufsteige‹«. Zitat: F. Avemarie, Tauferzählungen, 360 (360 f. weitere Belege aus der rabbinischen Literatur). 136 Apg 10,28: μηδένα κοινὸν ἢ ἀκάθαρτον λέγειν ἄνθρωπον. 137 Vgl. Mk 7,1–23; Röm 14; 1 Kor 8 und 10. Siehe dazu P. J. Tomson, Paul; M. Bock muehl, Jewish Law; F. Avemarie, Jesus and Purity = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum, 407–432. 138 Vgl. C. Wahlen, Jesus, 143: »Luke portrays the difficulty of incorporating Gentiles into the Church as rooted in conflicting ideas of purity«; F. Avemarie, Jesus and Purity, 273 f. = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum, 424 f.
280
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
des Aposteldekrets halten.139 Das Ziel des Aposteldekrets war, daß Juden‑ und Heidenchristen gemeinsam essen konnten, ohne daß die Judenchristen aus den Synagogen ausgeschlossen wurden.
Exkurs: Der Streit um Rein und Unrein Bei den frühesten Christen war die Distanz, mit der Jesus die pharisäische Auslegung der Reinheitsgebote angesichts der Nähe der Gottesherrschaft betrachtete, nicht in Vergessenheit geraten. So bewahrt Mk 7,1–23 par. die Auseinandersetzung um die pharisäische Sitte des Händewaschens vor dem Essen, einen Brauch, durch den vermieden werden sollte, daß man mit kultisch unreinen Händen (κοιναῖς χερσίν) ißt.140 Jesu Souveränität gegenüber pharisäischen Reinheitsvorstellungen ist gut belegt in seinen Mahlzeiten »mit Zöllnern und Sündern«, seinem Verhalten gegenüber unreinen Kranken und in den Sabbatkonflikten. Zugespitzt erscheint sie als Kritik in einer Polemik gegen die Pharisäer, die auf Jesus selbst zurückgehen kann: »Nicht was von außen in den Menschen kommt, macht ihn unrein (δύναται κοινῶσαι αὐτόν), sondern das, was aus dem Menschen herauskommt, das ist es, was den Menschen unrein macht (τὰ κοινοῦντα τὸν ἄνθρωπον).«141 Auch mit dem Vorwurf, die Pharisäer reinigten zwar ihre Becher und Schüsseln äußerlich, aber ihr Inneres sei voll von Raubgier und Bosheit, weist der markinische Jesus auf die Diskrepanz zwischen der peniblen Einhaltung von Reinheitsvorschriften und korrupter Unmoral hin, die die zentralen ethischen Gebote der Tora mißachtet.142 Es handelt sich dabei um eine innerjüdische Debatte, die sich nicht gegen das Gesetz Moses – und damit gegen Gottes Gebote – richtet, sondern gegen die »Überlieferung der Alten«, die die Pharisäer hochhielten.143 Doch der zusammenfassende Kommentar des Evangelisten zur Erklärung Jesu über die »unreinen Hände«, die bereits vom speziellen Fall des Händewaschens zum Problem von eigentlicher, ethischer Reinheit übergegangen war, weist dann in Mk 7,19c über die innerjüdischen Konflikte hinaus und verallgemeinert: καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα (»damit erklärte er alle Speisen für rein«). Heidenchristen, für die der Evangelist in erster Linie schreibt144 und denen er die jüdische Sitte des Händewaschens erklärt, konnten dies so verstehen, daß Jesus lehrte, auch der Hase, das Schwein und das Kamel seien eßbar, weil alle Speisen rein seien.145 Siehe dazu unten S. 412–415. Siehe dazu R. Deines, Jüdische Steingefäße, 266 ff. 141 Mk 7,15. Vgl. M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 394 f.; F. Avemarie, Jesus and Purity, 270 f. = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum, 420 ff. 142 Lk 11,39 ff.; Mt 23,25–28; vgl. dazu H. Löhr, Speisenfrage, 32–35; M. Wolter, Lk, 431 f. 143 F. Avemarie, Jesus and Purity, 264–271 = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum, 415–422. 144 Das Markusevangelium ist in Rom für »vorwiegend heidenchristliche Leser« geschrieben, siehe dazu M. Hengel, Petrus, 59. 145 F. Avemarie, Jesus and Purity, 272 = ders., Neues Testament und frührabbinisches 139 140
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
281
»The stance of the Marcan Jesus and his followers is to reject specific halachic observances of the Judeans that separated them from non-Judeans, thereby opening the door for non-Jews also to feel at home in this new family.«146 Lukas übergeht im Evangelium den Streit mit den Pharisäern um das Händewaschen und das Problem der unreinen Speisen.147 Nur in seinem Sondergut findet sich in der Aussendungsrede die Anweisung: »Eßt, was euch vorgesetzt wird« (ἐσθίετε τὰ παρατιθέμενα ὑμῖν).148 Wie so oft trägt er in der Apostelgeschichte an passender Stelle nach, was er im Evangelium ausgelassen hatte, bzw. sieht dort den richtigen Ort für die Auseinandersetzung.149 Wahrscheinlich war die Bezeichnung κοινά für die Unreinheit von Tieren und Heiden Lukas schon durch seine Quelle für die Petrusvision vorgegeben.150 Auf jeden Fall hat er diese Wortwahl bewußt übernommen und eingesetzt, um das Problem der paganen Unreinheit, das für die frühesten Judenchristen beim Übergang zur Völkermission auftrat, in der Corneliusgeschichte erzählerisch darzustellen. Mit κοινός, »gemeinsam, allgemein, gemein«, können seit der Makkabäerzeit heidnische, kultisch unreine Tiere und Speisen bezeichnet werden, die Juden nach der Tora verboten sind, aber von vielen anderen Völkern – wie Griechen und Römern – gegessen werden, wie z. B. das Schwein, dessen Opferung am Jerusalemer Tempel die hellenistischen Reformer mit Unterstützung durch Antiochos IV. durchsetzen wollten.151 Die wichtigsten Belege finden sich im 1. Makkabäerbuch: Judentum, 423: »… does that mean that not only the contaminated loaves of the preceding debate, but also the hare, the pig, the camel and the rock-badger (cf. Lev 11:4–8; Deut 14:7–8) must be regarded as pure and palatable? Gentile Christian readers of this text, as are addressed in 7:3, may assume this without hesitation.« Mt 15,17 korrigiert deshalb, läßt καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα aus und schreibt statt dessen in 15,20: »aber mit ungewaschenen Händen essen verunreinigt den Menschen nicht«. Siehe dazu F. Avemarie, Jesus and Purity, 272 Anm. 77 = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum, 423 Anm. 77: »Matthew clearly knew how to re-adapt the Markan Jesus to the Mosaic Torah.« Paulus erklärt in Röm 14,14.20 unter Berufung auf Jesustradition ebenfalls: »Alles ist rein«, ganz ähnlich wie das markinische Kommentarwort. Siehe dazu M. Theobald, Erkenntnis, 492 f.; zu Röm 14,14 vgl. V. Gäckle, Die Starken, 362.374.402 ff. u. ö. Vgl. auch D. Stökl Ben Esra, Art. Markusevangelium, RAC 24 (2010), 173–207 (190 f.): Mk 7,19c »muss … nicht notwendigerweise dahingehend interpretiert werden, dass nun alle (auch unkoschere) Speisen rein, d. h. erlaubt sind.« Darauf verweist zustimmend I. W. Oliver, Torah Praxis, 32. 146 S. Freyne, Matthew and Mark, 192. 147 Der Abschnitt gehört zu seiner »großen Auslassung«. Matthäus verzichtet in der Parallele zu Mk 7,1–15 in Mt 15,2 auf die nähere Bezeichnung »unreine Hände« (κοιναῖς χερσίν), trägt dies aber in 15,20 nach. 148 Lk 10,8b könnte lukanischer Zusatz zur Logientradition sein, doch wenn Matthäus das Lukasevangelium gekannt hat, übergeht er den Satz ähnlich wie Mk 7,19c (vgl. oben Anm. 145 das Zitat von F. Avemarie zu Mt 15,20). H. Löhr, Speisenfrage, 31 f., plädiert für einen lukanischen Zusatz. 149 Vgl. dazu oben das Tempelwort in der Stephanusgeschichte (Apg 6,14) (S. 151 f. bei Anm. 55 und 57). 150 In den von ihm selbst formulierten Summarien Apg 2,44 und 4,32 verwendet Lukas dagegen κοινός in der Bedeutung »gemeinsam« (ἅπαντα κοινά) für die ideale Gütergemeinschaft der Urgemeinde. Vgl. dazu oben S. 36 f. 151 Zur hellenistischen Reform siehe die klassischen Untersuchungen von E. Bickermann, Gott der Makkabäer, und M. Hengel, Judentum und Hellenismus, besonders 464–564 (»Ka-
282
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
»Der König sandte Briefe nach Jerusalem … Sie sollten … das Heiligtum … verunreinigen … und Altäre, Tempelbezirke und Götzenheiligtümer errichten und Schweine und unreine Tiere opfern (οἰκοδομῆσαι βωμοὺς καὶ τεμένη καὶ εἰδώλια καὶ θύειν ὕεια καὶ κτήνη κοινά).«152 Doch die Reformer hatten damit keinen durchschlagenden Erfolg; denn die Frommen widersetzten sich der Religionspolitik der hellenistischen Reformer, die »vom heiligen Bund abfielen und sich mit den Heiden zusammentaten und sich verkauften, das Böse zu tun«.153 Denn nun »wurden viele in Israel bestärkt und faßten den Entschluß, nichts Unreines zu essen« (καὶ πολλοὶ ἐν Ισραηλ ἐκραταιώθησαν καὶ ὠχυρώθησαν ἐν αὑτοῖς τοῦ μὴ φαγεῖν κοινά).154 Der Begriff κοινός und das dazugehörige Verbum κοινόω sowie verwandte Derivate erscheinen seit dieser Zeit in frühjüdischen Texten für »(kultisch) Unreines« und »(sich) verunreinigen«.155 Der Terminus hat von seinem Ursprung her und dann auch in seiner Verwendung im frühen Judentum nichts mit profaner Schlachtung oder gar mit »Zweifelhaftem« zu tun.156 Mit κοινός wird nicht ein Zwischenstadium zwischen rein und unrein pitel IV: Die ›interpretatio Graeca‹ des Judentums und der Reformversuch der Hellenisten in Jerusalem«); zum Bedeutungswandel der Terminologie siehe W. Paschen, Rein und Unrein. Vgl. V. Gäckle, Die Starken, 369 f. 152 1 Makk 1,44–47; zur Übersetzung vgl. LXX.D, 666. 153 1 Makk 1,15: καὶ ἀπέστησαν ἀπὸ διαθήκης ἁγίας καὶ ἐζευγίσθησαν τοῖς ἔθνεσιν καὶ ἐπράθησαν τοῦ ποιῆσαι τὸ πονηρόν. 154 1 Makk 1,62; zur Übersetzung vgl. LXX.D, 666. 155 Josephus, Ant. 12,320, verwendet κοινός ebenfalls im Zusammenhang mit der Religionsnot unter Antiochos IV. (μετέπεσεν αὐτῶν ἡ ἅγιος θρησκεία εἰς βέβηλον καὶ κοινὴν συνήθειαν), aber auch für kultisch unreines Essen, so Ant. 11,346: »Wenn jemand in Jerusalem beschuldigt wurde, Unreines gegessen (κοινοφαγία), den Sabbat gebrochen oder eine andere derartige Verfehlung begangen zu haben, dann floh er zu den Sichemiten und sagte, er sei unschuldig verbannt worden.« Zu den »Sichemiten« und dem samaritanischen Schisma siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 142–147. In Ant. 3,181 verbindet Josephus βέβηλος mit κοινός im Sinne von »allgemein zugänglich und profan«; in Ant. 13,4 bezieht er κοινός wieder auf die hellenistischen Reformer, die die väterlichen Gesetze verlassen und dem κοινὸς βίος folgen, dem »heidnische[n] Lebenswandel von abtrünnigen Juden« (W. Paschen, Rein und Unrein, 167 Anm. 10). Josephus, selbst Priester, lobt die in Rom inhaftierten Priester, die sich nur von Feigen und Nüssen ernährten, um nicht mit unreiner Speise in Berührung zu kommen (Vita 14). Vgl. 4 Makk 7,6, wo der Märtyrerpriester Eleazar gerühmt wird, der in der Verfolgung lieber sich martern und töten ließ, als mit unreinem Essen seinen Magen zu entweihen: ὦ ἄξιε τῆς ἱερωσύνης ἱερεῦ, οὐκ ἐμίανας τοὺς ἱεροὺς ὀδόντας οὐδὲ τὴν θεοσέβειαν καὶ καθαρισμὸν χωρήσασαν γαστέρα ἐκοίνωσας μιαροφαγίᾳ (»O Priester, würdig des Priestertums, du hast die heiligen Zähne nicht besudelt und den Magen, der nur der Gottesfurcht und der Reinigung Raum gewährte, nicht entweiht durch Verzehr von Unreinem.« Zur Übersetzung siehe LXX.D, 737). Das 4. Makkabäerbuch verwendet zweimal κοινός im normalen Wortsinn »gemeinsam«, nur einmal das Verbum κοινόω in der Bedeutung »gemein machen, entweihen« und sonst 20mal die eindeutigere Wortgruppe μιαρός κτλ. 156 Anders C. Wahlen, Peter’s Vision, der κοινός mit »potentially defiled« übersetzt, es auf den Gottesfürchtigenstatus des Cornelius bezieht und nicht auf ihn als Heiden; er bringt den Terminus zudem mit der rabbinischen Diskussion um das »Zweifelhafte« in Verbindung. Unter »Demai« wird verhandelt, ob Speisen ordnungsgemäß verzehntet etc. sind. Wahlen stellt seine Lösung des Problems auch graphisch dar: Den innersten Kreis würden die Israeliten als
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
283
bezeichnet und entsprechend auch nicht der Status von Gottesfürchtigen, sondern es bedeutet »pagan« und damit »kultisch unrein«. Die Entwicklung hin zu dieser Sonderbedeutung im jüdischen Sprachgebrauch, die dann von den Christen ebenfalls verwendet wurde,157 war möglich, weil κοινός die Nuance »gemein« im pejorativen Sinn an sich schon besaß.158 Nach dem Heiligkeitsgesetz dienen die Vorschriften über reine und unreine Tiere dazu, daß sich Israel nach Gottes Willen für ihn heiligt und absondert von den anderen Völkern, weil er sie abgesondert hat: »Ich bin der Herr, euer Gott, der euch von den Völkern abgesondert hat, daß ihr euch absondern sollt das reine Vieh vom unreinen und die unreinen Vögel von den reinen und euch nicht unrein macht an Vieh, Vögeln und an allem, was auf der Erde kriecht, das ich abgesondert habe, daß es für euch unrein sei. Darum sollt ihr mir heilig sein; denn ich, der Herr, bin heilig, der euch abgesondert hat von den Völkern, daß ihr mein Volk wäret.«159 Diese Absonderung von den Völkern umrahmt als inclusio die Vorschriften über die Tiere. Die Bestimmungen über die Reinheit und Unreinheit Israels und der Völker und die der Tiere sind so schon von der Tora als sich gegenseitig bedingend miteinander verbunden. Der Gehorsam gegen dieses göttliche Gebot sollte das tägliche Leben der Israeliten bestimmen. Insofern kann Petrus nur auf Grund seiner Vision mit dem Befehl Christi »schlachte und iß« und auf Grund der Weisung des Geistes zu seiner neuen Erkenntnis kommen, daß Gott jetzt selbst die unreinen Heiden reinigt.160 ἅγιοι bilden, darum schließe sich der Bereich der Gottesfürchtigen als κοινοί an, und den äußeren Kranz bildeten die unreinen Heiden. Ihm schließt sich D. J. Rudolph, A Jew, an; gegen Wahlens Vorschlag siehe schon J. D. G. Dunn, Beginning, 395 Anm. 74; I. W. Oliver, Torah Praxis, 347. Im Anschluß an J. W. Jipp, Divine Visitations, 208: »clean food mixed with the unclean food«, und D. L. Bolton, Who Are You Calling »Weak«?, 621: »clean food that has become contaminated«, der sich wiederum auf J. D. M. Derrett, Art. κοινός, κοινόω, in: Filología Neotestamentica 5 (1992), 69–78, beruft, will H.-U. Weidemann, Taufe, 241–245, wieder streng zwischen drei Bedeutungen κοινόν = »Gewöhnliches«, »Profanes« und ἀκάθαρτον = »Unreines« unterscheiden. Dagegen zu Recht schon C. S. Keener, Acts II, 1772: »the terms are synonymous on a popular level«. Anders R. Bauckham, James, Peter, der κοινός ebenfalls mit »common, profane« übersetzt. 157 Vgl. G. W. H. Lampe, Lexicon, 762: »3. profane, unclean opp. holy or consecrated«. So betont Justin, Dial. 20,3 (PTS 47, 102,18 ed. Marcovich), daß Christen bestimmte Gemüsesorten vermeiden, nicht weil sie κοινὰ ἢ ἀκάθαρτα seien, sondern weil sie bitter schmeckten. Clemens Alexandrinus, Paedagogus 2,6,49,1 (SC 108, 104 ed. Marrou / Mondésert), identifiziert κοινόν mit ἐθνικόν und ἀπαίδευτον; ähnlich Theodoret von Cyrus, Comm. in Iesaiam 56,2 (SC 315, 190,24–31 ed. Guinot): Βέβηλον δέ ἐστι τὸ μὴ ἅγιον, τουτέστι τὸ (κοινόν) … βέβηλον δὲ τὸ κοινόν. Vgl. auch Protev 6,1 (ed. E. de Strycker, La forme, 90,7): Die Mutter Anna läßt nichts κοινὸν καὶ ἀκάθαρτον in das Zimmer ihres Kindes Maria, das sie zu einem Heiligtum gemacht hatte, gelangen. 158 Siehe W. Paschen, Rein und Unrein, 167. Anders O. Wischmeyer, Identity, 370; sie übersieht die jüdische Vorgeschichte und meint: »Paul is the first author to use κοινός in terms of religious purity. So we may conclude that κοινός as a term for ritual impurity has a Jewish Christian origin.« 159 Lev 20,24b–26; vgl. dazu J. D. G. Dunn, Beginning, 395 f. 160 Vgl. J. D. G. Dunn, Beginning, 395 f. Zur endzeitlichen »Reinigung« der Heiden durch Gott siehe unten S. 290.
284
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Daß mit κοινός dann im frühen Judentum nicht nur unreine Speisen bezeichnet werden können, sondern auch Menschen, belegt der Aristeasbrief. Er feiert die Übersetzung der Tora in die lingua franca der hellenistisch-römischen Welt, setzt den einen Gott der Juden mit dem der griechischen Philosophen gleich und möchte vor allem auch die jüdischen Speisegebote, die der paganen Umwelt besonders anstößig waren, mit allegorischethischer Auslegung verständlich machen. Dennoch hält er an einer strikten Trennung von aller heidnischen Unreinheit fest. Das Judentum verkörpert für ihn gewissermaßen das philosophisch-ethische Ideal der Umwelt; alles was bei Griechen, Ägyptern und Römern gut und schön ist, verdanken diese der jüdischen Gottesverehrung, von der sie dies übernommen haben. Das jüdische Volk muß sich vor allem absetzen von der heidnischen Vielgötterei161 und der primitiven Sinnlichkeit von Heiden, denen es nur um »Speisen, Getränke und Kleidung« gehe.162 Die Juden sind Weise und leben durch die »eisernen Mauern« der Reinheitsgebote abgesondert von der Menge der Völker: »Damit wir nicht besudelt und durch schlechten Umgang verdorben werden, zäunte er uns von allen Seiten mit Reinheitsgeboten ein in bezug auf Speisen und Getränke und Berühren, Hören und Sehen.«163 Auf diesem Hintergrund ist es gut verständlich, daß der Aristeasbrief auf der einen Seite Juden als »Menschen Gottes«164 und Heiden als κοινοὶ ἄνθρωποι bezeichnet.165 Den Ausdruck verwendet der Verfasser, um zu erzählen, wie die Tora einst durch ein Strafwunder vor paganem Mißbrauch geschützt wurde. Der Historiker Theopomp (4. Jahrhundert v. Chr.) sei zeitweise wahnsinnig geworden, weil er eine Textpassage aus dem jüdischen Gesetz, die damals – bereits vor der Übersetzung der »Siebzig« – ungenau übersetzt gewesen sei, unreinen Menschen (κοινοὺς ἀνθρώπους), das heißt Heiden, mitteilen wollte. Theopomp galt in hellenistisch-römischer Zeit als ein wegen seiner Wahrheitsliebe äußerst angesehener und als meistgelesener Geschichtsschreiber. Auch Josephus zitiert diese Passage aus dem Aristeasbrief wörtlich und mit Zustimmung.166 Der Aristeasbrief belegt also, daß nicht nur Tiere und Speisen, sondern auch Menschen mit κοινός als »unreine Heiden« gekennzeichnet werden konnten, und die Übernahme bei Josephus zeigt, daß ihm diese Wendung vertraut war und nicht erklärungsbedürftig schien. So erscheint die Verbindung zwischen dem Bild mit den unreinen Tieren als κοινά in der Petrusvision und der Übertragung auf Menschen als κοινοί in der Deutung nicht so ungewöhnlich. Der Aristeasbrief beschreibt eindrücklich, wie stark die Schranken zwischen Juden und Heiden betont werden konnten, und gibt zugleich reichlich Anschauungsmaterial für die jüdische Scheu, »mit Fremden zu verkehren und zu ihnen hineinzugehen« Arist 134–138 (SC 89, 168 ff. ed. Pelletier). Arist 140 f. (SC 89, 170 ff. ed. Pelletier); dazu R. Feldmeier, Weise, 27 = ders., Der Höchste, 168. 163 Arist 142; vgl. 139 (SC 89, 172.170 ed. Pelletier); dazu R. Feldmeier, Weise, 28 = ders., Der Höchste, 168. 164 Arist 140 (SC 89, 170 ff. ed. Pelletier): »Daher nennen uns die Oberpriester der Ägypter, die in vieles Einblick haben und vertraut sind mit (solchen) Dingen, ›Menschen Gottes‹. Diese Bezeichnung steht den übrigen nicht zu, es sei denn, jemand verehrt den wahren Gott.« Übersetzung: N. Meisner, Aristeasbrief, 63. 165 Arist 315 (SC 89, 236 ed. Pelletier); vgl. K. Mel, Art. Theopompos v. Chios, DNP 12 (2002), 395 ff.; E. Matusova, Letter of Aristeas, 94. 166 Josephus, Ant. 12,112. 161 162
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
285
(Apg 10,28),167 aber auch für die Anerkennung von heidnischen ›Gottesfürchtigen‹.168 Der Aristeasbrief zeigt zudem, wie das Zusammenleben in der Diaspora möglich ist: Nachdem Ptolemaios, der König, das Gesetz der Juden verehrt hatte, das ihm überbracht wurde, lud er die jüdische Gesandtschaft und alle Anwesenden zum gemeinsamen Mahl ein: »… ich will mit euch ein großes Festmahl halten (δειπνῆσαι). Alles, sagte er, wird für euch nach euren Bräuchen zubereitet sein und mir mit euch. … Und als sie sich (zu Tisch) niederlegten, beauftragte er den Dorotheos, die Gebräuche so zu beachten, wie es bei allen seinen Gästen aus Judaea geschieht.«169 Lukas setzt in Apg 10,28 – wo er die Erkenntnis des Petrus, die dieser aus dem bisherigen Geschehen zieht, in wörtlicher Rede wiedergibt – erklärend neben κοινός noch einmal das allgemein gebräuchliche ἀκάθαρτος hinzu und wiederholt dies in 11,8. Der Terminus technicus ἀκάθαρτος wurde schon in der Septuaginta als Übersetzung für »unreine« Speisen, die von der Tora verboten sind, verwendet und ist insgesamt sehr viel häufiger als κοινός.170
7.2.4.1 Die Predigt des Petrus Im weiteren zeigt Lukas an Cornelius und den Seinen exemplarisch, wie sich die »Rettung« von Heiden vollzieht. Die Predigt des Petrus beginnt mit einer captatio benevolentiae an sein paganes Publikum und dem Hinweis auf die für ihn selbst neue Einsicht, daß jeder Mensch aus jedem Volk Gott willkommen ist, wenn er ihn fürchtet und Gerechtigkeit übt. Denn Gott ist nicht voreingenommen, und er will nicht parteiisch171 allein Israel aus seinen Sünden retten.172 Petrus setzt voraus, daß seine Hörer bereits vom öffentlichen Wirken Jesu in Galilaea im Anschluß an seine Taufe durch Johannes erfahren haben, und ruft ihnen die Salbung durch den heiligen Geist, die Verkündigungs‑ und Heilungstätigkeit Jesu und seine Hinrichtung am Kreuz in Erinnerung. Er versichert, daß er 167 Vgl. auch VitProph 10,4: In der Jona-Vita wird die Witwe von Sarepta zu einer Jüdin, denn der Profet konnte nicht bei einer Heidin wohnen; siehe dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden II, 67 Anm. 101; 73 f. 168 Arist 16 und 140 (SC 89, 110.170 ed. Pelletier): Die Bezeichnung »Menschen Gottes« steht auch den Heiden zu, die den wahren Gott verehren. Der Begriff »Gottesfürchtige« fehlt im Aristeasbrief, aber die Sache ist da. Vgl. oben Anm. 164. Zur idealen »mittleren« Haltung von Juden gegenüber der paganen Umwelt im Aristeasbrief siehe Arist 122 (SC 89, 164 ed. Pelletier); vgl. dazu E. Matusova, Letter of Aristeas, 34.42. 169 Arist 180–184 (SC 89, 186 ff. ed. Pelletier); Übersetzung nach N. Meisner, Aristeasbrief, 68; vgl. E. Matusova, Letter of Aristeas, 34 Anm. 51. 170 Es erscheint allein im Pentateuch über 100mal als Übersetzung von ;טמאvgl. W. Paschen, Rein und Unrein, 165 f.: »an den drei Belegstellen für κοινός in Apg 10,14.28; 11,8 … folgt jedesmal das erläuternde Adjektiv ἀκάθαρτος, durch καί oder ἤ mit κοινός verbunden« (165). Lukas erläutert κοινός, wenn er es im Sinn von »kultisch unrein« gebraucht, mit einem klaren Zusatz ebenso wie Mk 7,2. Paulus setzt den Sprachgebrauch in Röm 14,14 als selbstverständlich voraus und verwendet den Terminus ohne Zusatz; vgl. auch Hebr 10,29; Apk 21,27. Ferner oben S. 281 Anm. 145. 171 Apg 10,34. Zur Übersetzung von προσωπολήμπτης siehe Bauer / A land, WB, 1443. 172 Vgl. Apg 10,35.43; 11,18.
286
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
und die anderen Apostel dafür glaubwürdige Zeugen seien. Sie seien aber auch Zeugen seiner Auferstehung auf eine ganz besonders intime Weise: Die Jünger haben mit Jesus nach seiner Auferstehung essen und trinken dürfen.173 Das Motiv der Erscheinungen des Auferstandenen beim Mahl begegnet im lukanischen Doppelwerk mehrfach. In Lk 24 erkennen ihn die Emmausjünger beim »Brotbrechen«. Danach erscheint der Auferstandene in Jerusalem den »Elfen und denen mit ihnen«, also der Jerusalemer Urgemeinde in statu nascendi, und verlangt etwas zu essen, damit sie ihn nicht für ein Gespenst halten. In den 40 Tagen174 der Erscheinungen in Apg 1 erteilt der Auferstandene seinen Jüngern die offenbarende Unterweisung zur Evangeliumsverkündigung, »während er mit ihnen zusammenkommt« (συναλιζόμενος).175 In Apg 10 wird dieses zunächst nicht genauer beschriebene »Zusammenkommen« nun erklärt als eine österliche Mahlgemeinschaft, die der Auferstandene seinen Jüngern gewährt, die ihn zuvor bei Prozeß und Hinrichtung alle feige im Stich176 und allein gelassen hatten. Auf Grund der Kombination von Apg 1,4 mit 10,41 erhält συναλίζομαι in christlichen Schriften dann die Bedeutung »zusammen essen«. So wird das Verbum etwa in den Pseudoklementinen für die Eucharistie verwendet.177 Die Mahlgemeinschaft mit dem Auferstandenen ist ein eigenartiger Zug der lukanischen Auferstehungsgeschichten, der in Joh 21 und im sekundären Markusschluß fortgeführt wird.178 In der Corneliusgeschichte unterstreicht Lukas mit dieser Erinnerung unmißverständlich die bedingungslose Vergebung, die die Jünger erfahren hatten:179 Wenn der Auferstandene seinen sündigen Jüngern, die alle an ihm schuldig geworden waren, vergeben hat, so daß sie mit ihm »zusammen essen und trinken« durften,180 so sollen auch sie mit den bekehrten Heiden Mahlgemeinschaft halten. Christus hat die Jünger als seine Zeugen zur Mission ausgesandt, damit Apg 10,41; siehe dazu A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft. handelt sich um die ideale Zeit einer vollständigen Unterweisung nach Moses Vorbild in frühjüdischen Texten; siehe Ex 24,18; 34,28; 4 Esr 14,23.36.42.44; 2 Bar 76,1–5; ApkAbr 12,1 f.; 2 Hen 71 f.; vgl. ausführlicher A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft, 202 f. 175 Apg 1,4; siehe dazu den Exkurs bei A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft, 203 f., und oben S. 78 mit Anm. 390. 176 Vgl. den Spott des Kelsos (Origenes, Contra Celsum 2,12.45 [SVigChr 54, 89.116 ed. Marcovich]); dazu J. G. Cook, Interpretation of the New Testament, 48 f. 177 PsClem Ep. 15,4 und PsClem H 13,4,3 (GCS Pseudoklementinen I, 18.194 ed. Rehm / Strecker). Der Bedeutungswandel findet sich seit dem 4. Jahrhundert n. Chr., zu den anderen Belegen siehe A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft, 204. 178 Zu Joh 21 vgl. Z. Garsky, Wirken Jesu, 275 f.; zu Mk 16,14 vgl. J. A. Kelhoffer, Miracle, 92–97, siehe auch 513 f. Index s. v. Mk 16,14. 179 Judas Iskariot war ein Sonderfall. Zum Thema der bedingungslosen Vergebung bei Lukas siehe Lk 15,11–32; 18,9–14; 19,1–10 u. ö.; es handelt sich um Perikopen, auf die Matthäus verzichtet. Dazu M. Hengel, Evangelien, 298. 180 In Apg 11,3 läßt Lukas bewußt das verhältnismäßig seltene Verb im Aorist 2 συνεφάγομεν aus Apg 10,41 wieder im Vorwurf der Jerusalemer gegen Petrus erscheinen: συνέφαγες. Vgl. F. Avemarie, Tauferzählungen, 372 f. Anm. 171. 173
174 Es
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
287
sie den Israeliten verkünden, daß »dieser der Herr aller (Menschen)« (οὗτός ἐστιν πάντων κύριος)181 und der von Gott bestimmte Richter der Lebenden und der Toten sei; diese Botschaft richtet sich nicht nur an das Volk Israel, sondern universal an alle Menschen, denn: »Für diesen bezeugen alle Profeten, daß jeder, der an ihn glaubt (πάντα τὸν πιστεύοντα), durch seinen Namen die Vergebung der Sünden empfangen wird.«182
7.2.4.2 Geistempfang und Taufe Nach diesen Worten wird die Rede des Petrus unterbrochen und findet ein abruptes Ende.183 Sachlich ist die Rede jedoch zu ihrem Ziel gekommen: Petrus bezeugt nun auch vor seinen paganen Hörern, daß im Namen Jesu alle Gläubigen die Vergebung der Sünden erhalten. Dieses Zeugnis führt auf die Taufe hin, die im Namen, das heißt im Auftrag, Jesu vollzogen wird und durch die die Gläubigen die Vergebung der Sünden empfangen. Aber bevor Petrus seiner Hörerschaft dies expressis verbis erklären und sie direkt zu Umkehr und zur Taufe auffordern kann, fällt auf diese der heilige Geist: »Als Petrus noch diese Worte redete, fiel der heilige Geist auf alle, die die Rede hörten.«
Mit ἐπέπεσεν τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον ἐπὶ πάντας verwendet Lukas in Apg 10,44 einen ungewöhnlichen Septuagintismus, den nur er unter den neutestamentlichen Autoren gebraucht.184 Die Formulierung ist sonst verhältnismäßig selten; in der Septuaginta wird nur in Ez 11,5 die profetische Geistbegabung bzw. in 1 Sam 181 Apg 10,36; vgl. Röm 10,12. Siehe dazu M. Hengel, Geschichtsschreibung, 88 = KS VI, 81: Lukas schreibt »mit dem ihm eigenen ›historisch-theologischen‹ Sachverstand.« Deshalb »beruht es [nicht] auf Zufall, daß er dem Petrus in seiner Ansprache vor der Großfamilie des Cornelius, das heißt bei der ersten Bekehrung mehrerer Heiden, die Aussage in den Mund legt, Jesus Christus sei ›der Herr aller‹ …, eine Formulierung, die von Röm 10,12 her interpretiert werden muß: ›Denn es ist kein Unterschied zwischen Jude und Grieche. Denn derselbe ist der Herr aller, er erweist seinen Reichtum gegenüber allen, die ihn anrufen‹« (Hervorhebung im Original). 182 Apg 10,43. 183 In Apg 11,15 unterstreicht Petrus in seinem Bericht vor den Jerusalemern, daß er gerade angefangen hatte zu reden, als der heilige Geist die Heiden im Haus des Cornelius »überfiel«. Vgl. zu den verschiedenen Formen, mit denen Lukas die Reden beendet: Apg 2,37; 5,5.33; 7,54 (Reaktion der Hörer); 4,1; 22,21 f.; 23,7 (Abbruch der Rede). Unterbrechungen von Reden sind eine häufige Erscheinung im antiken Alltag und in der antiken Literatur; siehe dazu C. S. Keener, Acts I, 269, der zu Recht feststellt: »In Acts … it [= Abbruch der Rede] normally appears at strategic points in the speeches, after a speech has expanded the content of the apostolic message …« Anders R. Pesch, Apg I, 344. 184 F. Avemarie, Tauferzählungen, 356.474, führt »ἐπιπίπτω ἐπί … [verbunden mit] τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον« als lukanisches »Vorzugswort« Nr. 139b auf. Eine Suche im Thesaurus Linguae Graecae ergibt, daß die Wendung bei den Kirchenvätern anscheinend nur vorkommt, wenn die Corneliusgeschichte oder Ez 11,5 erwähnt wird.
288
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
18,10 der Überfall eines schlimmen Geistes auf König Saul im Griechischen mit dem Verbum πίπτω ausgedrückt.185 In der Regel dienen πίπτω und ἐπιπίπτω in der Verbindung mit πνεῦμα zur Beschreibung eines meteorologischen Ereignisses, wenn es sich um kein sanftes Wehen des Windes, sondern einen sehr heftigen Sturm handelt. Dafür nur ein Beispiel aus einem Bericht des Josephus. Die Bewohner der Hafenstadt Joppe hatten sich vor den Römern aus der Stadt auf Schiffe geflüchtet: »… als sich gegen Morgen ein heftiger Sturm erhob (πνεῦμα βίαιον ἐμπίπτει, das heißt wörtlich: ›herabfiel‹), der von den Seeleuten dieser Gegend ›schwarzer Nordwind‹ genannt wird. Einen Teil der Schiffe zerschlug er an Ort und Stelle …, einen anderen an den Felsen, viele, die der Brandung entgegen das offene Meer zu gewinnen suchten …, verschlang die sich turmhoch erhebende Flut. Es gab keine Möglichkeit zur Flucht …«186
Die Geistbegabung des Cornelius und seiner Großfamilie, das »Pfingsten der Heiden«,187 wird von Lukas also mit dem Ausbruch eines Orkans verglichen, so wie in Apg 2,2 f. das Kommen des Geistes beim Pfingstwunder wie ein akustisches Phänomen mit dem lauten Geräusch eines plötzlichen starken Windes zusammen mit Feuer beschrieben wird. In Apg 4,31 bebt die Erde, als die betenden Jünger vom Geist erfüllt werden.188 Erdbeben, Sturm und Feuer sind in der alttestamentlichen Tradition die Begleiterscheinungen von Theophanien.189 Diese Schilderungen in der Apostelgeschichte sind keine rein literarische Fiktion, sondern die frühesten Christen erlebten das Wirken des Geistes als elementare Erschütterungen, auf die sie mit ekstatischem Enthusiasmus reagierten. So bewirkt das Kommen des Geistes die Zungenrede, die »Glossolalie«,190 in die Cornelius und sein ganzes Haus bei ihrem Lobpreis Gottes ausbrechen, ebenso wie bei den Aposteln am Pfingsttag. Die sechs judenchristlichen Begleiter des Petrus aus Joppe können nur erschüttert feststellen, daß jetzt auch Heiden den 185 In Ez 11,5 LXX hat der Mehrheitstext καὶ ἔπεσεν ἐπ᾽ ἐμὲ πνεῦμα κυρίου καὶ εἶπεν πρός με Λέγε …; doch der Marchalianus, einige andere Handschriften und Kirchenväter haben ἐπέπεσεν; siehe dazu J. Ziegler, Ezechiel, 128. In 1 Sam (1 Reg) 18,10 belegt der Alexandrinus die Übersetzung ἐπέπεσεν dafür, daß »ein schlimmer Gottesgeist« Saul überfiel. Vgl. 1 Sam (1 Reg) 10,6.10 LXX, wo der profetische »Geistbefall« ( )צלחSauls mit ἐφάλλομαι bzw. ἅλλομαι (»anspringen«) übersetzt wird. 186 Josephus, Bell. 3,421–424 (vgl. zur Übersetzung Michel / Bauernfeind, Flavius Josephus I, 379–381). 187 F. Bovon, Tradition, 111 f. Anm. 7, verweist zu diesem Bonmot auf Frederic H. Chase (1902) und Bernhard Weiss (1907). 188 Siehe dazu oben S. 18. 189 C. S. Keener, Acts I, 798–804, führt zahlreiche Belege an von den Wettergottgestalten des Alten Orients bis hin zur rabbinischen Literatur; vgl. auch P. W. van der Horst, Hellenistic Parallels, 49 f. 190 Siehe dazu oben S. 15 ff.61 zum Pfingstbericht.
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
289
Gottesgeist empfangen haben so wie sie selbst, die Gläubigen aus dem Judentum.191 Es mußte ihnen als eine Art »Gottesurteil« erscheinen.192 Entsprechend reagiert Petrus und wendet sich an seine Begleiter mit der suggestiven Frage, wer es nach diesem Geschehen noch wagen könne, diesen Gläubigen das Taufwasser zu verweigern. Dies hieße dann folglich, sich dem Willen Gottes zu verweigern und Gottes Handeln zu behindern, wie Lukas in Apg 11,17 mit einer zweiten suggestiven Frage des Apostels, nun an die Jerusalemer gerichtet, die ihn zur Rechenschaft ziehen wollen, unterstreicht.193 Der Apostel beteiligt sich nicht selbst am Wasserritual, sondern ordnet an, daß seine judenchristlichen »Brüder« aus Joppe dieses vollziehen. Er verhält sich also ähnlich, wie es Paulus von sich im 1. Korintherbrief erwähnt. Die Hauptsache ist auch für Petrus die missionarische Verkündigung.194 Die Taufe geschieht »in dem Namen Jesu Christi« (Apg 10,48), durch dessen »Namen« alle, die an ihn glauben, die Vergebung der Sünden erhalten (Apg 10,43). Die Betonung, die Lukas in V. 48 auf ἐν τῷ ὀνόματι legt, scheint anzudeuten, daß er hier »auf eine etwas antiquierte Deutung« zurückgreift, »die ἐν τῷ ὀνόματι als ›im Auftrag‹ versteht«.195 Lukas schreibt hier mit historischem Blick über die Anfänge der Kirche und verwendet dazu gern »Archaismen«.196 Friedrich Avemarie unterstreicht zu Recht: »Der Hinweis auf den, in dessen Namen die Taufe geschehen soll, hat in diesem Zusammenhang einen pointierten Sinn: Nicht nach menschlicher Willkür, sondern im Sinne Jesu Christi werden diese Leute getauft.«197
Apg 10,45 f. Siehe dazu M. Hengel, Geschichtsschreibung, 80 = KS VI, 72: »Die Geistausgießung als ›Gottesurteil‹ vor dem Vollzug der Taufe dürfte dabei in dieser Erzählung ursprünglich sein.« 193 Apg 10,47: τὸ ὕδωρ … κωλῦσαι; 11,17: κωλῦσαι τὸν θεόν. F. Avemarie, Tauferzählungen, 90, spricht von »Suggestivfragen«, die »nicht erkennbar rituell geprägt, sondern ganz durch die besondere, einmalige Situation bedingt« sind; vgl. op. cit., 92. 194 1 Kor 1,13–17; vgl. dazu oben S. 28 Anm. 119; weiter F. Avemarie, Tauferzählungen, 399 ff. u. ö. 195 F. Avemarie, Tauferzählungen, 33. 196 Siehe dazu oben S. 4 u. ö. 197 F. Avemarie, Tauferzählungen, 33; zur »Taufe auf den Namen Jesu« siehe 26–43 und 544 Index s. v. »Name Jesu, Taufe im Namen Jesu«, »Anrufung des Namens« und »Namensformel«. Taufunterweisung und triadische Formel stellen dagegen spätere Entwicklungen dar, die in Mt 28,19 f. und Did 7,1.3 ihre frühesten Belege haben, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 204 Anm. 830 (vielleicht in Syrien entstanden); 353 Anm. 1446: »In Mt 28,20 fehlt jeder Hinweis auf eine Geistausgießung, dafür wird das Halten der Gebote eingeschärft«; vgl. F. Avemarie, Tauferzählungen, 26.88. Gegen C. S. Keener, Acts I, 983, der eine solche spätere Entstehung ablehnt. 191 192
290
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Wie Petrus im Rückblick auf sein missionarisches Wirken unter den Heiden auf dem Apostelkonzil betont, reinigt Gott, der »Herzenskenner«, auch die Herzen der Heiden durch den Glauben, indem er ihnen den Geist schenkt: »Und Gott, der Herzenskenner, hat für sie Zeugnis abgelegt, indem er ihnen den heiligen Geist gab wie uns auch. Und er machte in nichts einen Unterschied zwischen uns und ihnen, indem er durch den Glauben ihre Herzen reinigte.«198
Die Reinigung der Israeliten durch Gottes Geist in der Endzeit ist eine verbreitete eschatologische Hoffnung im frühen Judentum, die profetische Verheißungen aufnimmt und fortführt.199 Seltener erscheint die Erwartung, daß diese Reinigung auch die Völker betrifft. Loren Stuckenbruck hat auf die Belege in 1 Hen 10,20 ff. und in der Zwei-Geister-Lehre aus Qumran hingewiesen.200 Die eschatologische Reinigung der ganzen Erde von allem Bösen schließt im 1. Henochbuch die Völker mit ein: »20 Und du reinige die Erde von aller Unreinheit und von aller Bosheit und von aller Sünde und Gottlosigkeit und wisch ab (ἐξάλειψον) alle unreinen Taten, die auf der Erde geschehen sind. 21 Und alle Völker werden mir dienen und mich preisen und anbeten. 22 Und die ganze Erde wird gereinigt sein von jeder Befleckung und jeder Unreinheit und Zorn und Qual, und ich werde nicht wieder gegen sie (eine Flut) senden für alle Generationen in Ewigkeit.«201
Noch deutlicher spricht die Zwei-Geister-Lehre von der endzeitlichen Reinigung des Innersten aller Menschen durch den heiligen Geist: »20 Dann wird Gott durch seine Wahrheit alle Taten des Menschen reinigen und wird den Körper des Menschen läutern, indem er allen Geist des Frevels aus den innersten Teilen 21 seines Fleisches tilgt und ihn reinigt durch einen Geist der Heiligkeit von jeder bösen Tat. Und er wird über ihn sprengen den Geist der Wahrheit wie Reinigungswasser (um ihn zu reinigen) von allen Greueln.«202 Apg 15,8 f.: καὶ ὁ καρδιογνώστης θεὸς ἐμαρτύρησεν αὐτοῖς δοὺς τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον καθὼς καὶ ἡμῖν καὶ οὐθὲν διέκρινεν μεταξὺ ἡμῶν τε καὶ αὐτῶν τῇ πίστει καθαρίσας τὰς καρδίας αὐτῶν. 199 Eine große Fülle von Belegen führt C. S. Keener, Acts I, 519–534, auf (524 zu Jes 44,3; Ez 36,27 f.; 37,14; 39,29; Joel 2,28 ff.; 3,1). Für die frühjüdische Zeit enthält das Jubiläenbuch die schönste Stelle. In Jub 1,21 ff. betet Mose: »Denn sie sind dein Volk … Schaffe ihnen ein reines Herz und einen heiligen Geist«; Gott antwortet, daß die Israeliten abfallen werden, aber: »[N]ach diesem werden sie umkehren zu mir in aller Rechtschaffenheit und mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele. Und ich werde beschneiden die Vorhaut ihres Herzens und die Vorhaut des Herzens ihres Samens. Und ich werde ihnen schaffen einen heiligen Geist. Und ich werde sie rein machen …« (Übersetzung K. Berger, Jubiläen, 318). 200 L. T. Stuckenbruck, »Cleansing« of the Gentiles. 201 1 Hen 10,20–22 (griechisch) (PVTG 3, 26 f. ed. Black). Dazu L. T. Stuckenbruck, »Cleansing« of the Gentiles, 77: »In contrast to the Hebrew Bible, 1 En 10 seems to include all of humanity (i. e. Gentiles as well as Jews) in the cleansing of the earth.« 202 1QS IV 20–21; zum Vergleich mit Apg 15,8 f. siehe L. T. Stuckenbruck, »Cleansing« 198
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
291
Bis Gott diese endzeitliche Reinigung vollzieht, streiten im Herzen aller Menschen die beiden Geister, der Geist der Wahrheit und der des Frevels, miteinander. Aber mit der Reinigung des Herzens stellt der Schöpfer die ursprünglich intendierte »Herrlichkeit Adams« wieder her.203 Von der Beschneidung der Männer ist bei dieser Reinigung des ganzen Wesens des Menschen mit Körper und Geist überhaupt nicht die Rede, diese Reinigung geschieht auch nicht mehr mit dem Messer, sondern durch den Geist der Heiligkeit. Schon Jub 1,23 verbindet die endzeitliche geistige Beschneidung des Herzens (»und ich werde beschneiden die Vorhaut ihres Herzens und die Vorhaut des Herzens ihres Samens«) mit der Gabe des heiligen Geistes.204 Die Zwei-Geister-Lehre ist keine »sektenspezifische« Schrift, sie muß weiter verbreitet gewesen sein. Sie erhielt aber einen prominenten Platz in den Schriften aus Qumran innerhalb der »Sektenregel«.205 Vor dem Hintergrund dieser Anthropologie und der damit verbundenen eschatologischen Erwartungen argumentiert die Tradition, die Lukas für seine Darstellung der Diskussion unter den Judenchristen auf dem »Apostelkonzil« über die Aufnahme der Heiden verwendet hat. Die Herzen der Menschen kennt allein Gott – und hier entscheidet sich die Frage von Rein und Unrein. In Apg 10, 11 und 15 hat sich die endzeitliche Hoffnung erfüllt, Gott reinigt jetzt die Herzen von Menschen durch den Geist: »This opens up the way to Gentiles.«206 Die Taufe des gottesfürchtigen Centurio Cornelius, seines ganzen οἶκος207 und seiner Freunde blieb als ein spektakuläres Ereignis in der Frühgeschichte der Kirche in Erinnerung. Sie ist vermutlich zeitlich in den Jahren 36–38 n. Chr. – jedenfalls noch vor den Unruhen der Caligula-Krise – anzusetzen.208 Ungewöhnlich an dieser Taufe in der Apostelgeschichte erscheint, daß sie dem Wunder der Geistbegabung nachfolgt und diese nicht erst mit dem Ritual der Handauflegung im Anschluß an die Wassertaufe eintritt. Es handelt sich aus diesem Grund um ein ursprüngliches Element der Erzählung.209
of the Gentiles, 78–87; zur Zwei-Geister-Lehre vgl. auch A. Lange, Art. Qumran, TRE 28 (1997), 56 f. (Literatur). 203 1QS IV 23; vgl. L. T. Stuckenbruck, »Cleansing« of the Gentiles, 86; zu כבוד אדםvgl. 1QH XVII 15; CD III 20; weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 165 und 323 zu Jesus als dem »neuen Adam« in der Versuchungsgeschichte des Markus. 204 Siehe oben Anm. 199. 205 Siehe A. Lange, Weisheit; ders., Art. Qumran, TRE 28 (1997), 56 f. 206 L. T. Stuckenbruck, »Cleansing« of the Gentiles, 87. 207 Apg 11,14; vgl. 10,2. 208 Vgl. oben S. 259 f. zur Datierung. 209 Vgl. M. Hengel, Geschichtsschreibung, 80 = KS VI, 72; zitiert oben S. 289 Anm. 192.
292
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
7.2.5 Die Anerkennung der beschneidungsfreien Aufnahme von Heiden durch die Apostel in Jerusalem Der »Skopus« der lukanischen Erzählung liegt, wie Friedrich Avemarie zutreffend herausgestellt hat, »nicht bei der Person des Kornelius …« und – wie ich hinzufügen möchte – auch nicht der des Petrus, »sondern bei dem mit seiner Bekehrung aufbrechenden kirchlichen Konflikt, dem Problem der Aufnahme Unbeschnittener in eine bislang rein judenchristliche Gemeinschaft«.210 Das Nachspiel der Corneliusgeschichte in Jerusalem wird genauso wenig wie diese selbst auf die freie »Erfindung« des Lukas zurückgehen, sondern auf historische Vorgänge. Auch wird man nicht erst beim sogenannten »Apostelkonzil«, das Ende 48 bzw. Anfang 49 n. Chr. zu datieren ist,211 in der Heiligen Stadt über die Mission unter den Völkern und die Form der Aufnahme gottesfürchtiger Heiden in die christliche Gemeinschaft diskutiert haben.212 Die Aufnahme von Nichtjuden in die christliche Gemeinschaft ohne Bescheidung der Männer und ohne Beachtung der jüdischen Speisegesetze war und blieb zunächst umstritten. Die Erwartung der endzeitlichen Reinigung der Völker durch den heiligen Geist Gottes ist neben der Heilshoffnung für Israel in den Schriften des frühen Judentums verhältnismäßig selten belegt. So ist es kein Wunder, daß die Aufnahme von Nichtjuden, ohne daß sie zuvor Juden wurden, von Mitgliedern der Jerusalemer Urgemeinde und der palästinischen Judenchristen ein so einschneidendes Umdenken forderte, daß petrinische Tradition diesen Durchbruch in erster Linie auf die Autorität des Petrus zurückführt. So wurde der erstberufene Jünger und erste Auferstehungszeuge auch noch zum ersten Heidenmissionar, der durch seine Vision und den Befehl Christi: »Schlachte und iß« gelernt hatte, sich gegenüber den Nichtjuden zu öffnen.213 Durch sein Vorgehen bei der Taufe des gottesfürchtigen Cornelius mit seinem ganzen Haus und der Mahlgemeinschaft mit diesen »Heiden« – ohne deren vorherigen Übertritt zum Judentum – lernt dann auch die Gemeinde in Jerusalem diese Öffnung gegenüber den Nichtjuden zu akzeptieren: »Als sie dies hörten, beruhigten sie sich, lobten Gott und sagten: Also hat Gott auch den Völkern die Umkehr (μετάνοια) zum Leben geschenkt.«214
Mit dieser Anordnung der zeitlichen Etappen beim Übergang zur beschneidungsfreien Mission unter den Völkern folgt Lukas einem »Missionsschema«, F. Avemarie, Tauferzählungen, 396. Zur Begründung siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 47.233 f. und dort die Tabelle S. 475; vgl. auch oben S. 175 f. und unten § 11.1.1 (S. 395 f.). 212 F. Avemarie, Tauferzählungen, 392. 213 Vgl. F. Avemarie, Tauferzählungen, 340–398; ders., Acta Jesu, 539–562; vgl. oben S. 278 mit Anm. 130. 214 Apg 11,18. 210 211
§ 7 Die Urgemeinde und der Beginn der Völkermission
293
das die Heidenmission relativ früh mit Petrus beginnen läßt, das aber den autobiographischen Nachrichten des Paulus und dessen eigenen Angaben über seine Berufung zum Apostel widerspricht.215 Wie dargelegt, ist der Ursprung dieser Darstellung der Vorgänge auf die historische Rolle zurückzuführen, die Petrus bei der Durchsetzung der Anerkennung der beschneidungsfreien Heidenmission in Jerusalem spielte.216
Vgl. M. Hengel, Petrus, 91 f. Vgl. auch Apg 15,7–11.14; ferner oben S. 260 und unten S. 312.
215 216
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien1 Das Christentum breitete sich schon früh in der römischen Provinz Syrien aus.2 Das erscheint nicht weiter verwunderlich, waren doch Galilaea und Judaea, wo die Jesusbewegung begann, damals ein »Anhängsel« (προσθήκη) dieser Provinz, und die Klientelkönige aus dem herodianischen Königshaus, die Präfekten und Prokuratoren, die in Palästina im 1. Jahrhundert n. Chr. herrschten, waren entsprechend den römischen Statthaltern, den legati Augusti pro praetore, die ihren Sitz in der Provinzhauptstadt Antiochia am Orontes hatten, als nächsthöherer Instanz unterstellt.3 Wir besitzen über die frühesten Christen in Syrien Zeugnisse aus erster Hand in den Briefen des Apostels Paulus (vor allem Gal 1,21–2,15), dann – etwa 25–30 Jahre später, um ca. 80–85 n. Chr., verfaßt – die Darstellung der Ausbreitung der frühchristlichen Mission in der Apostelgeschichte des Lukas sowie im Matthäusevangelium, in der Didache, der Ascensio Jesaiae und schließlich in den Briefen des Bischofs Ignatius von Antiochia, geschrieben zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. Diese Nachrichten betreffen die hellenistischen Städte im südlichen und westlichen Syrien. Wie die ersten Christen nach Nord‑ und Ostsyrien, was damals zum Partherreich gehörte, etwa Edessa, kamen, liegt dagegen weitgehend im dunkeln. Vermutlich hat die Überlieferung, die die Traditionskette über den Herrenbruder Jakobus zu Addai, dem sagenhaften Begründer des Christentums in Edessa, führte, eine zuverlässige historische Erinnerung bewahrt, die dann durch die Legenden von König Abgar und seinem Briefwechsel mit Jesus und von der Mission des Jüngers Thaddäus nachträglich überboten und verklärt wurde.4 1 Vgl. M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 274–312; J. D. G. Dunn, Beginning, 416–438; D.-A. Koch, Geschichte, 195–223. 2 Zur römischen Provinz Syrien gehörte auch Kilikien, siehe F. Millar, Roman Near East. Als Nachfolgestaat des zerfallenen Seleukidenreichs richtete Pompeius diese Provinz 64 v. Chr. ein. Die Reichsgrenze in Richtung Osten bildete der Euphrat; siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 40 ff. Vgl. weiter A. M. Schwemer, Christen in Syrien; auf diese Untersuchung geht der folgende Abschnitt § 8 im Kern zurück. 3 Zur Geschichte Palästinas im 1. Jahrhundert v. und n. Chr. siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 39–121; zu den Verhältnissen aus römischer Sicht siehe W. Eck, Rom und Judaea, 1–51 (zur Stellung Judaeas innerhalb der Provinz Syrien); zu Josephus, Ant. 18,1 f.29, siehe op. cit., 26 f.; grundlegend: G. Labbé, L’affirmation. 4 Vgl. W.-P. Funk, Erste Apokalypse des Jakobus, in: AcA I/2, 1156; dazu ferner unten S. 306–310.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
295
8.1 Die Mission der Hellenisten und ihre Ankunft in Antiochia5 Während der etwa drei Jahre von 33 bis 36 n. Chr., die Paulus in Damaskus und Arabien verbrachte, hatten sich auch die aus Jerusalem vertriebenen Hellenisten, das heißt die griechischsprachigen Judenchristen des ehemaligen Stephanuskreises, schrittweise der Heidenmission genähert. Zunächst missionierte Philippus bei den Samaritanern als den allernächsten Verwandten der Juden, für die schon die Jesusüberlieferung Sympathien zeigt,6 taufte den Finanzminister der Königin Kandake, entweder einen gottesfürchtigen Heiden oder Diasporajuden,7 und ließ sich schließlich in der vorwiegend von Heiden bewohnten Stadt Caesarea Maritima nieder. Andere Hellenisten, aus Zypern und der Kyrenaika gebürtig, zogen weiter die Küste entlang nach Norden, bis sie nach Antiochia am Orontes kamen. In Apg 11,19 f. heißt es: »Die wegen der Verfolgung des Stephanus ringsum Zerstreuten zogen umher bis Phönizien, Zypern und Antiochia; sie sagten aber zu niemandem das Wort außer zu den Juden. Einige von ihnen aber, Männer aus Zypern und der Kyrenaika, kamen nach Antiochia und verkündigten den Herrn Jesus auch gegenüber den Griechen.«
Ihre Missionsreise wird einige Zeit gedauert haben, aber wohl nicht länger als die drei Jahre des Paulus in Damaskus und Arabien. Man kann annehmen, daß eine Gruppe der christlichen Missionare ungefähr um 36 n. Chr. die Hauptstadt der Provinz Syrien erreichte. Wir kommen damit etwa in dieselbe Zeit, in der wir die Vorgänge in Caesarea angesetzt haben.8 Man wird sich das Nacheinander in der lukanischen Darstellung von Apg 10,1–11,18 und den Vorgängen in Antiochia in 11,19–26 also »zeitlich eher nebeneinander als nacheinander« vorzustellen haben.9 Hier erst gehen – nach Lukas – auch einige von den »Hellenisten« zur Heidenmission über, ohne von den ehemaligen Heiden zu verlangen, daß sich 5 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 147–152, vgl. 523 Index s. v. »Hellenisten – Mission«; D.-A. Koch, Geschichte, 195–202. 6 Lk 10,30–37; 17,16–19; vgl. Joh 4,9–26.39–42. Vgl. zur Geschichte der Samaritaner M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 142–147; zu ihrer Rolle in der Jesusüberlieferung siehe 355 ff. 7 Apg 8,4–40. Lukas läßt die Frage offen, ob es sich um einen Gottesfürchtigen oder einen Diasporajuden handelt; vgl. dazu ausführlicher oben § 5.3 (S. 195 f.). 8 Anders D.-A. Koch, Geschichte, 195 f., der die »Entstehung der Gemeinde in Antiochia auf 32/33 n. Chr.« datiert, denn sie setze nur das Martyrium des Stephanus und die Vertreibung der Hellenisten aus Jerusalem voraus. Wie die Gemeinden in Damaskus, Samarien und Caesarea sei sie von den vertriebenen Hellenisten direkt anschließend gegründet worden; diese hätten sich sofort in ihre jeweilige Heimat zurückbegeben. Unsere Annahme (in: M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 148 f.268 f.397) einer allmählichen »Nordwanderung mit jeweiligen Gemeindegründungen« verschiedener kleiner Gruppen, wofür vor allem auch die Beschreibung dieser »Zerstreuten« in Apg 8,4; 11,19 und 20 spricht, hält er dagegen für unwahrscheinlich. 9 Zitat: M. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 286 = KS III, 177 (Hervorhebung A. M. S.); vgl. auch R. Riesner, Paulus, 95 ff.
296
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
die Männer zusätzlich zur Taufe beschneiden lassen und die Heidenchristen die jüdischen Speisegesetze einhalten.10
8.2 Syrien in der jüdischen eschatologischen Erwartung Es erscheint auffällig, daß die »Hellenisten«, das heißt ein Teil der griechischsprachigen Diasporajuden, die sich in Jerusalem der jungen enthusiastischeschatologischen messianischen Bewegung der Urgemeinde angeschlossen hatten, nach ihrer Vertreibung aus der Heiligen Stadt nicht einfach nur in ihre jeweilige Heimat zurückgekehrt waren, etwa nach Rom oder Alexandria oder in die Kyrenaika nach Nordafrika oder nach Kilikien und Kleinasien.11 Statt dessen zogen sie über die phönizisch-hellenistischen Küstenstädte nach Norden, bis einige von ihnen, die aus Zypern und der Kyrenaika stammten, die syrische Provinzhauptstadt Antiochia am Orontes erreichten.12 Auf der anderen Seite begab sich Paulus von Damaskus aus nach »Arabien«, das heißt in das Nabatäerreich, und missionierte dort unter den Söhnen »Ismaels«, den nächsten Verwandten Israels. Damit wählte auch er Syrien als Missionsgebiet.13 Diese geographische Missionsentwicklung kann nicht reiner Zufall gewesen sein. Vermutlich hatte man zuerst damit gerechnet, daß der auferstandene und erhöhte Herr sehr bald wiederkommen werde. Seine Parusie wurde in Jerusalem erwartet; dort erhofften die ersten Christen auch die endzeitliche Sammlung des Gottesvolkes aus der Diaspora und das eschatologische Kommen der Heidenvölker gemäß der von den Profeten verheißenen Völkerwallfahrt zum Zion.14 Man konnte sich dafür auf ein Herrenwort berufen: 10 Apg 11,19 f.; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 238 Anm. 958: Es ist Ἕλληνας und nicht Ἑλληνιστάς zu lesen (siehe auch oben S. 141 f. Anm. 10 und S. 259 Anm. 36). In der lukanischen Darstellung in Apg 10 und 11 erhält dagegen deutlich Petrus die Priorität als erster Heidenmissionar mit der Taufe des heidnischen Centurio Cornelius in Caesarea Maritima. Das erscheint als eine Neuerung, für die er sich in Jerusalem rechtfertigen muß; siehe dazu oben § 7.2.5 (S. 292 f.) und vgl. O. Skarsaune, Shadow, 166 ff. 11 Das sind nach Apg 6,9 die Herkunftsgebiete der Landsleute aus der Diaspora, mit denen Stephanus in Konflikt gerät. Aus Antiochia am Orontes kam der Proselyt Nikolaos, der zum Siebenergremium gehörte (Apg 6,5), aber dann in Apg 13,1 nicht in der Antiochener Fünferliste erscheint. 12 Apg 11,19–26. 13 Zur Mission des Paulus in »Arabien« siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 174–207, und E. A. Knauf, Arabienreise; ferner oben § 6.4.2 (S. 238–243). 14 Jes 2,2–4; 18,7; 19,22; 45,14 f.; Mi 4,1–4; Tob 13,11; 14,6; Mk 13,26 f. parr.; Apg 1,11. Vgl. auch 1 Hen 10,21; 48,5. Paulus erwartet die baldige Wiederkunft Christi auf dem Zion (Röm 11,26 f.). Noch Justin erklärt in der Mitte des 2. Jahrhunderts seinem jüdischen Gesprächspartner Tryphon, daß Jesus in Herrlichkeit an dem Ort wieder erscheinen wird, an dem er so schmachvoll hingerichtet wurde (Justin, Dial. 40,4 [PTS 47, 137,22 ff. ed. Marcovich]); vgl. C. Markschies, Zwischen den Welten, 15.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
297
»Sie werden kommen von Osten und von Westen und von Norden und von Süden und in der Königsherrschaft Gottes zu Tische liegen.«15
Aber die schwere Verfolgung und die Vertreibung der Hellenisten aus Jerusalem mußten als gottgewollt verstanden werden. Die Aussendung der Jünger durch Jesus zur Verkündigung der Nähe der Gottesherrschaft und zur Heilung von Krankheit wurde wiederaufgenommen, nun unter christologischem Vorzeichen: Der Sündenvergebung und universal für alle Menschen Heil schaffende Kreuzestod des Gottessohnes und seine Auferstehung und Erhöhung zur Rechten Gottes standen von jetzt an im Zentrum der Verkündigung. Missionsentscheidungen wurden auf Grund von visionären Erlebnissen, die im Urchristentum eine besonders große Rolle spielten, pneumatischen göttlichen Offenbarungserfahrungen und von geistgewirkter Schriftauslegung getroffen, aber auch die realen Möglichkeiten zur Mission wurden tatkräftig ergriffen. So hängt der Entschluß, nach Syrien zu gehen, wohl mit mehreren Gründen zusammen: Syrien besaß die größte und dichteste jüdische Diaspora, wie Josephus immer wieder betont. In allen Städten Syriens gab es zudem eine beträchtliche Zahl von heidnischen Sympathisanten, die die Synagogengottesdienste besuchten. Diese Sympathisanten umgaben – wie bereits oben beschrieben – gewissermaßen in konzentrischen Kreisen die Synagogen und schätzten ihren ›philosophischen‹ Gottesdienst mit Schriftlesung, Predigt und Gebet. Den engsten Kreis bildeten die Proselyten, das heißt diejenigen, die vollständig zum Judentum übertraten, was bei den Männern mit der Beschneidung verbunden war, der sich vor dem Ersten Jüdischen Krieg und der Zerstörung des Tempels das erste Tauchbad und das erste Opfer im Jerusalemer Tempel anschlossen. Für Frauen war der Übertritt leichter, weil sie sich nicht beschneiden lassen mußten, sondern nur die jüdische Lebensweise mit ihren strikten Reinheitsbestimmungen übernahmen. Etwas entfernter standen die Gottesfürchtigen (φοβούμενοι τὸν θεόν bzw. σεβόμενοι), die wohl den jüdischen Gottesdienst besuchten, mehr oder weniger auf jüdische Weise lebten, aber aus verschiedenen Gründen nicht völlig zum Judentum übertraten – bzw. treten konnten. Am entferntesten, ganz am Rande, standen pagane Interessenten, für die jüdische Gottes‑ und Engelvorstellungen im Zusammenhang mit Zauberei wichtig waren.16
15 Lk 13,29 par. Mt 8,11 verwendet das Logion dann in der Erzählung vom Hauptmann von Kapernaum und macht diesen zum »Paradigma« für die Heidenmission; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 425. 16 Dazu ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 101–139 und oben S. 274–277.
298
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Ein Proselyt aus Syrien ist inschriftlich auf einem Ossuar in Jerusalem bezeugt, Ariston von Apamea.17 Nach Apg 6,5 gehörte der Proselyt Nikolaos aus Antiochia am Orontes zum Siebenerkreis des Stephanus, er war also ein führendes Mitglied im griechischsprachigen Gemeindeteil der Urgemeinde in Jerusalem, bevor dieser aus der Heiligen Stadt vertrieben wurde. Die Gottesfürchtigen und Sympathisanten waren die frühesten heidnischen Ansprechpartner der christlichen Mission, und die christlichen Missionare fanden sie im Umkreis der jüdischen Synagogen. Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, kennt sich in diesem Milieu sehr gut aus und schildert es zutreffend. In Syrien war nicht nur die jüdische Diaspora am größten, sondern auch der jüdische Einfluß auf gebildete heidnische Sympathisanten besonders ausgeprägt.18 In Damaskus sollen fast alle vornehmen Damen dem Judentum derart zugeneigt gewesen sein, daß es ihre Männer beim Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges nur ohne deren Wissen wagten, die Juden der Stadt im Theater zusammenzutreiben und zu ermorden.19 In Syrien habe es heidnische Sympathisanten gegeben, die eine »nach beiden Seiten hin fragwürdige Gruppe« darstellten und »mit fremdem [d. h. jüdischem] Wesen« so »vermischt« gewesen seien, daß sie dann im Ersten Jüdischen Krieg zwischen die Fronten gerieten.20 Diese Anziehungskraft der jüdischen Religion weckte auf der anderen Seite aber auch einen heftigen Haß auf Juden.21 Syrien besaß nicht nur eine große jüdische Diaspora und zahlreiche heidnische Sympathisanten, die in den Augen der Hellenisten ein fruchtbares Missionsfeld darstellten, sondern wurde in jüdischer Sicht auch als Teil des endzeitlichen messianischen Reiches betrachtet. Dessen ideale Grenzen dehnten sich wie einst beim davidischen Reich von Hamath im Norden bis Elath im Süden aus, auch Damaskus sollte in dieses Gebiet eingeschlossen sein. Nach dem jüdischen Historiker Eupolemos (2. Jahrhundert v. Chr.) besiegte David die Syrer am Euphrat und unterwarf die Kommagene, das ganze Ostjordanland, die Phönizier und die Nabatäer. David machte sich also ganz Syrien tributpflichtig.22 Ähnlich schreibt Josephus im Anschluß an Nikolaos von 17 Zur zweisprachigen Inschrift siehe G. Avni / Z. Greenhut, Akeldama Tombs; vgl. M. Hengel, Zwischen Jesus und Paulus, ergänzt in: KS III, 60 f.63. 18 Josephus, Bell. 7,43 ff. 19 Josephus, Bell. 2,560 f.; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 82; dazu auch oben S. 275 Anm. 112. 20 Josephus, Bell. 2,462 f.465; dazu ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 83 f. 21 Vgl. P. Schäfer, Judeophobia, 106–118 und 303 Index s. v. »Godfearers« und 305 Index s. v. »Proselytism«; siehe dazu auch die deutsche Übersetzung von C.-J. Thornton: P. Schäfer, Judenhaß, 157–174 und 438 Index s. v. »Proselyten / Proselytismus«. 22 Euseb, Praeparatio evangelica 9,30,3 f. (GCS Eusebius VIII/1, 538 ed. Mras). Vgl. N. Walter, Historiker, 99 f.; C. R. Holladay, Hellenistic Jewish Authors I, 114.116. Vgl. dazu und zum Folgenden auch M. Bockmuehl, Antioch.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
299
Damaskus: David besiegte den mächtigen König Hadas von Damaskus und unterwarf »Damaskus und das übrige Syrien«. Josephus ist auch überzeugt, daß Jerobeam II. auf die Verheißung des Profeten Jona hin ganz Syrien erobert hat. In Hamath besiegt dann der Makkabäer Jonathan das Heer von Demetrios II. Schließlich steht in der Völker‑ und Länderliste der Pfingstperikope Apg 2,9 ff., die Lukas aus einer (geographischen?) Quelle übernommen hat, anstelle von Syrien Judaea, das heißt, Syrien wird als »Großjudaea« aufgefaßt.23 Auch in der Abrahamüberlieferung spielt Syrien eine bedeutende Rolle. Nikolaos von Damaskus schreibt, Abraham sei der König von Damaskus gewesen, bevor er nach Kanaan weiterzog, und nach Pompeius Trogus stammen die Juden aus Damaskus.24 Das überraschend reiche theologische Potential der Region Syrien soll in einem längeren Abschnitt vorgestellt werden. Ausgehend von der universalen Verbreitung der christlichen Botschaft (unter 8.3.1) richtet sich der Fokus auf Syrien (unter 8.3.2) vor dem Hintergrund der Landverheißungen an Abraham (unter 8.3.3) und deren Auslegungen in frühjüdischen Texten (unter § 8.3.4).
8.3 Die urchristliche Mission und die Landverheißung an Abrahamin der frühjüdischen Auslegung Mit den Grenzen des Heiligen Landes und dem engen Zusammenhang von Judaea und Syrien hatten sich in den letzten Jahrzehnten vor allem Günter Stemberger, Marcus Bockmuehl und Martin Hengel befaßt.25 Günter Stemberger und dann Marcus Bockmuehl haben die Ausdehnung des Landes unter halachischen Gesichtspunkten behandelt. Dabei ging Bockmuehl insbesondere der Frage nach, inwiefern Antiochia am Orontes zu Judaea gerechnet wurde und so das Verhalten der »Leute, die von Jakobus« kamen und auf der Einhaltung der jüdischen Speisegesetze in der Stadt (Gal 2,12) insistierten, durchaus seine Berechtigung hatte. Martin Hengel hat dann in seinem Aufsatz zur geographischen Liste in Apg 2,9 ff. die rätselhafte Nennung von »Judaea« zwischen Mesopotamien und Kappadokien als »Großjudaea« erklären können, ein Land,
23 Josephus, Ant. 7,101.104; 9,207; 1 Makk 12,24–30; vgl. auch M. Bockmuehl, Antioch, 169–172. Zu Apg 2,9 siehe M. Hengel, Liste, 62 f.66 = KS VI, 203 ff.208 f. 24 Josephus, Ant. 1,145; Justin, Epitome des Pompeius Trogus 36,2,1 (BSGRT, 247 ed. Seel; Text auch bei M. Stern, GLAJJ I, 335); ausführlicher dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 87 f. 25 G. Stemberger, Bedeutung; J. M. Scott, Paul and the Nations; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 147–152.184–194 u. ö.; M. Bockmuehl, Antioch; ders., Jewish Law, 49–83; M. Hengel, Liste = KS VI, 191–211; A. M. Schwemer, Christen in Syrien.
300
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
das ganz Syrien mit umfaßte.26 Er hat dazu vor allem auf die Vorstellungen vom davidischen Großreich mit seiner endzeitlichen Bedeutung verwiesen. Aber weder die Untersuchung der halachischen Grenzen Israels noch die seiner größten Ausdehnung unter David oder seiner Wiedererwartung als messianisches Reich erklärt, welche Vorstellungen die frühesten Christen veranlaßt haben könnten, gerade hier zur gezielten Mission unter Nichtjuden überzugehen und fast zwanzig Jahre – mit einer Ausnahme, der Reise von Barnabas und Paulus nach Zypern und Galatien – ihr aktives missionarisches Wirken ganz auf dieses Gebiet zu beschränken.
8.3.1 Zur universalen Verbreitung der christlichen Botschaft27 Diese Beschränkung der aktiven Mission ist auffällig, da es gleichzeitig deutliche Anzeichen für eine weltweite Ausbreitung gibt. Der jüngere Plinius schreibt zu Beginn des 2. Jahrhunderts an Kaiser Trajan, daß in seiner Provinz Pontus am Schwarzen Meer, also ganz am Rande des Römischen Reiches, der entsetzliche Aberglaube der Christen bereits Menschen eines jeden Standes sowohl in den Städten wie auf dem Land erfaßt habe. Vermutlich handelt es sich um eine Übertreibung.28 Aber wir haben frühe Nachrichten über Christen in Rom. Paulus schrieb in seinem Brief an die Römer im Winter 56/57 n. Chr., er hätte schon seit vielen Jahren das Verlangen, zu ihnen zu kommen.29 In die Reichshauptstadt kam das Christentum also recht früh und vermutlich auch noch ohne planmäßig gezielte Mission.30 Wahrscheinlich gelangte das »Evangelium« 26 M.
Hengel, Liste. Vgl. die immer noch lesenswerte Darstellung von A. v. Harnack, Mission, 529–816 (»Die Verbreitung der christlichen Religion«); M. Hengel, Christentum, 197–210 = KS II, 200–218; sehr kritisch gegenüber dem Bild, das die neutestamentlichen Quellen, vor allem die Apostelgeschichte, von der Mission der Apostel zeichnen: W. Reinbold, Propaganda; dagegen sehr konservativ E. J. Schnabel, Mission; vgl. den kurzen Überblick: J. Frey, Ausbreitung. 28 Plinius, Ep. 10,96,9 (BSGRT, 357 ed. Schuster / Hanslik); dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 396: Die große Verbreitung ist eine Übertreibung genauso wie die multitudo ingens bei der Neronischen Verfolgung (Tacitus, Annales 15,44,4 [BSGRT, Vol. I/2, 115,9 f. ed. Wellesley]); vgl. auch F. Bovon, Missionary Practice, 65. 29 Röm 15,23. Vermutlich trug sich Paulus mit dem Gedanken, nach Rom zu reisen, seit dem Apostelkonzil, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 390 ff. 30 Vgl. oben S. 18 Anm. 74 zu den unbekannten Missionaren; in Apg 2,10 sind Festpilger aus Rom bei der Pfingstpredigt in Jerusalem anwesend. Auch A. J. M. Wedderburn, History, 214 Anm. 5, verweist darauf, daß der Ambrosiaster (Ad Romanos 3 [2] [CSEL 81/1, 92–95 ed. Vogels]) vermerkt, daß die Kirche in Rom zunächst jüdische Riten befolgte und das Gesetz hielt. Noch das Mosaik über der Eingangstür in Santa Sabina auf dem Aventin (ca. 425 n. Chr.) stellt links die eclesia ex circumcisione und rechts die eclesia ex gentibus als zwei Frauengestalten mit einem Buch dar. Allerdings trägt die eclesia ex circumcisione die Tracht einer Dienerin und die eclesia ex gentibus die einer Matrone; vgl. dazu unten S. 407 Anm. 47. Zur Geschichte der Gemeinde vgl. P. Lampe, Die stadtrömischen Christen; ders., Early Christians; G. Rinaldi, 27
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
301
während der Herrschaft Caligulas (18.3.37–24.1.41 n. Chr.) direkt aus Jerusalem in die Reichshauptstadt durch judenchristliche Kaufleute auf dem Handelsweg über Puteoli (vgl. Apg 28,13 f.) oder durch jüdische Pilger aus Rom, die sich zu Festen in der Heiligen Stadt aufgehalten hatten, wie etwa die Festpilger, die Petrus in Apg 2,10 (οἱ ἐπιδημοῦντες Ῥωμαῖοι) anspricht. Es kann sich dabei um aus Judaea stammende, unbekannte Missionare gehandelt haben, die einzelne Hausgemeinden noch unter Caligula gründeten. Dafür spricht die entstellte Bemerkung des Porphyrios, die bei Augustin überliefert ist: longo post tempore lex Iudaeorum apparuit ac viguit angusta Syriae regione, postea vero prorepsit etiam in fines Italos, sed post Caesarem Gaium aut certe ipso imperante.31
Sachlich richtig, aber etwas frei übersetzt heißt das: »Lange Zeit später erschien und blühte das Gesetz der Juden [nur] in der kleinen Region von Syrien; später aber breitete es sich bis zu den Grenzen Italiens aus, aber nach Kaiser Caligula und sicher nicht vor seiner Regierungszeit.«
Es scheint verhältnismäßig sicher, daß die heidnischen Kontrahenten – bzw. deren Quelle –, gegen die sich Augustin wendet, den gelehrten Porphyrios mißverstanden haben, der vermutlich die lex nova der Christen mit diesem Datum verbunden hatte.32 Ins Jahr 41 fällt wahrscheinlich das Versammlungsverbot des Claudius.33 Die Unruhen innerhalb der römischen Synagogengemeinden wurden dennoch schließlich so heftig, daß Claudius (25.1.41–13.10.54) die Juden(christen) im Jahr 49 n. Chr. aus Rom verwiesen hat.34 Das Ehepaar Priska und Aquila gehörte zu diesen aus Rom verwiesenen Juden(christen) (Apg 18,2). Da die beiden in Korinth mit Paulus zusammenarbeiteten, werden sie aber wohl schon aus Rom die Aufnahme von Nichtjuden in die christliche Gemeinschaft ohne Einhaltung gesetzlicher Vorschriften gekannt haben. Sie kehrten vor dem Jahr 57 wieder zurück, wie ihre Erwähnung zu Be-
Biblia Gentium, 561–564; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 389 f.; E. K. Broadhead, Jewish Ways, 101–114; R. Hvalvik, Jewish Believers; S. Krauter, Studien, 127 f. 31 Augustin, Ep. 102,8 (CChr.SL 31B, 13,139–142 ed. Daur; Text auch bei M. Stern, GLAJJ II, 481 Nr. 465h). 32 Siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 389 (mit Verweis auf A. v. Harnack); M. Hengel, Geschichtsschreibung, 91 f. = KS VI, 84; H. Lichtenberger, Josephus und Paulus, 249. 33 Cassius Dio, Historia Romana 60,6,6 f. (Cassii Dionis Cocceiani Historiarum Romanorum quae supersunt II, 669 ed. Boissevain); siehe dazu H. Botermann, Judenedikt, 103–140; S. Krauter, Studien, 132 f. Anm. 499. 34 Apg 18,2; Sueton, Claudius 25,4 (Cambridge Greek and Latin Classics, 44 ed. Hurley): »Die Juden, die sich von Chrestus ständig zu Unruhen anstiften ließen, vertrieb er aus Rom«; dazu H. Botermann, Judenedikt, 50–102; S. Krauter, Studien, 131–134.
302
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
ginn der Grußliste am Ende des Römerbriefs zeigt.35 Paulus setzt in diesem Brief nicht nur voraus, daß die verschiedenen Hausgemeinden schon einige Jahre existieren – ohne auf ein bestimmtes Gründungsdatum zu verweisen – und daß den Christen dort »uralte« Jerusalemer christologische Traditionen und Formeln bekannt sind, sondern auch, daß dann in dieser Zeit in Rom die Hausgemeinden gemischt sind aus Juden‑ und Heidenchristen. Die Entstehung des Christentums in Ägypten liegt dagegen nach wie vor weitgehend im dunkeln. Es könnte sein, daß der Brief des Claudius an die Alexandriner vom November 41, mit dem er verboten hat, daß weiterhin »neue Juden« aus Syrien oder aus Ägypten in die Stadt kommen (und dort weitere Unruhen anstiften), eine Rolle gespielt hat.36 Daher scheint zumindest eine ungestörte Entfaltung von frühchristlichen Gemeinden in Alexandria und Ägypten in dieser Zeit wenig wahrscheinlich. In Alexandria waren vermutlich die andauernden politischen Spannungen zwischen der jüdischen, der ägyptischen und der griechischen Bevölkerung der Stadt nicht günstig für eine erfolgreiche Mission. Zudem galt Ägypten als das Land des von Noah verfluchten »Ham« und wie Babylonien als ein Land des Exils.37 Doch mit der »Flucht nach Ägypten« entzogen sich Israeliten schon seit alters der Verfolgung im Heimatland.38 Deshalb scheint es besonders auffällig, daß die aus Jerusalem geflohenen Hellenisten sich gerade nicht dorthin wandten, obwohl einige aus der Kyrenaika stammten.39 Apollos, der Missionskollege des Paulus in Korinth, wird in Apg 18,24 ein gebürtiger Alexandriner (Ἀλεξανδρεὺς τῷ γένει) genannt, aber wahrscheinlich lernte er die Johannestaufe und das Christentum in Palästina kennen. Erst 35 Röm
16,3 f. CPJ II, Nr. 153; vgl. die Übersetzung in: C. K. Barrett / C.-J. Thornton, Texte zur Umwelt, 55 ff. Nr. 52; J. Schröter / J. Zangenberg, Texte zur Umwelt, 104. Diese Hypothese haben schon S. Reinach, F. Cumont und in neuerer Zeit G. Lüdemann, Justin Taylor u. a. vertreten, siehe E. J. Schnabel, Mission, 832 Anm. 646, der diese ablehnt und mit Christen ca. 20 Jahre nach dem Kreuzestod Jesu in Ägypten rechnet (bes. 833–838). 37 Gen 9,22–25; vgl. Jub 7,10.13 f.; 9,1; TestSim 6,4; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 393: Die Rückkehr nach Ägypten war verpönt und wurde zum Teil sogar verboten, siehe Ex 14,13; Dtn 17,16; 28,68; Jer 42,7–22. 38 Vgl. Dtn 23,8; 1 Kön 11,17.40; 2 Kön 25,26; Jer 26,21 ff.; 41,17; 43,7; Sach 10,10; Josephus, Ant. 14,21; 15,42–49; Bell. 7,410.423; siehe dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden II, 100. Weiter wird Mt 2,13 ff. in der antichristlichen jüdischen Polemik dahin gedeutet, daß Jesus in Ägypten Zauberei gelernt habe; so schon der jüdische Gewährsmann des Kelsos in Origenes, Contra Celsum 1,28 (SVigChr 54, 30 ed. Marcovich). Kelsos zitiert eine Art jüdisches ›Antievangelium‹, das ihm als schriftliche Quelle vorlag; dazu und zum Fortleben in den Toledot Jeshu siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 210 f.; vgl. P. Schäfer, Jesus im Talmud, 38.76 ff. und 308 Index s. v. »Zauberei, Zauberer«. Zum ›Juden des Kelsos‹ siehe auch unten Anm. 44 und S. 375 Anm. 45 u. ö. Anders O. Skarsaune, Evidence, 516: »Whether this knowledge is firsthand or taken from written sources is impossible to say.« 39 Apg 11,20, vgl. 6,9. 36
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
303
Codex D und der Gigas haben in V. 25 den Zusatz, daß er bereits in seiner πατρίς im λόγος unterrichtet worden sei.40 Nach der späteren Legende sandte Petrus seinen Schüler, den Evangelisten Markus, von Rom aus – auf die Bitte Philos hin – im Jahr 43 nach Alexandria, um dort sein »von ihm niedergeschriebenes Evangelium« zu verbreiten. Solche Legenden entstehen in der Regel, um späte bzw. unklare Anfänge möglichst früh zu datieren.41 In den Pseudoklementinen finden sich Notizen, die die Anfänge des Christentums in Ägypten mit Barnabas, dem Onkel des Evangelisten Markus, verbinden, den Clemens Romanus in Alexandria angetroffen habe und der ihn »im Wort über die [christliche] Prophetie« unterwiesen habe.42 Diese BarnabasTradition steht in deutlicher Konkurrenz zur Petrus-Markus-Überlieferung, was man als Indiz für die relative Zuverlässigkeit der ersteren werten könnte, aber das macht sie trotzdem alles andere als sicher. Vermutlich gelangte das »Evangelium« zunächst – ähnlich wie nach Rom – nicht durch gezielte Mission, sondern durch Jerusalempilger bzw. jüdische Kaufleute nach Alexandria und Ägypten. Ein solcher Jerusalempilger war der Finanzminister der äthiopischen Königin Kandake, den Philippus auf der Straße nach Gaza getauft hat (Apg 8,26–39). Auch wenn ungewiß bleibt, ob dieser den neuen Glauben auf seiner Weiterreise in Ägypten und dann in seiner Heimat 40 Apollos wird in Apg 18,24 als ein »gebildeter Mann« mit großer Schriftkenntnis eingeführt, der in Ephesus und Korinth als wortmächtiger Missionar wirkt; siehe weiter 1 Kor 3,4 ff.22; 4,6; 16,12; vgl. 1,12; Tit 3,13. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 392 f.; J. Wehnert, Apollos, 403–412. 41 Euseb, H. e. 2,16,1; 2,24 (GCS Eusebius II/1, 140,20 ff.; 174,24 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); Hieronymus, De viris illustribus 8,1–3 (BPat, 90 ed. Ceresa-Gastaldo). Euseb datiert die Ankunft des Markus in seiner Chronik ins dritte Jahr des Claudius (Chronicon bei Hieronymus [261 F] [GCS Eusebius VII, 179 ed. Helm]; Chronikon-Kanon [GCS Eusebius V, 214 ed. Karst; vgl. Eusebi Chronicorum Canonum II, 152 ed. Schoene]) und bezieht folgerichtig Philos Schrift über die Therapeuten, De vita contemplativa, auf Christen (Euseb, H. e. 2,16,2–2,17,20 [GCS Eusebius II/1, 140,23–150,20 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]). Zu den Anfängen siehe C. Markschies, Valentinus, 318–331. Siehe weiter W. Löhr, Christliche ›Gnostiker‹, 419–423 zur Petrus-Glaukias-Tradition der Basilidianer, die behaupteten, Basilides habe Glaukias, den hermeneutes (Übersetzer) des Petrus, zum Lehrer gehabt; es handelt sich also um eine Konkurrenztradition zur Petrus-Markus-Überlieferung in Alexandria. Zum wahrscheinlich gefälschten Brief des Clemens Alexandrinus an Theodorus mit den Zitaten aus dem sogenannten ›Geheimen Markusevangelium‹, das in der Gemeinde von Alexandria gehütet worden sei, siehe H. Merkel, Das geheime Markusevangelium, in: AcA I/1, 395: »Weder für die Geschichte Jesu noch für die Vorgeschichte des kanonischen Markusevangeliums noch für die Geschichte der alexandrinischen Gemeinde kann dieser Text verwendet werden.« 42 PsClem H 1,9,1 f. (GCS Pseudoklementinen I, 27 ed. Rehm / Strecker): »Es gibt hier einen Mann, der ihn [den Sohn Gottes] nicht nur persönlich kennengelernt hat, einen Hebräer mit Namen Barnabas, der sagt, er sei selbst einer von seinen Jüngern gewesen …«; vgl. 2,4,1 f. (GCS Pseudoklementinen I, 37 ed. Rehm / Strecker): Barnabas, so sagt Petrus, habe für Clemens in Alexandria das Wort über die Profetie τελείως ausgelegt. Vgl. dazu J. Carleton Paget, Epistle of Barnabas, 6.36.41.
304
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
verbreitet hat, so bietet die lukanische Darstellung seiner Bekehrung doch einen anschaulichen Anhaltspunkt für solche Vorgänge. Daß wir so wenig über die ersten Christen in Ägypten wissen, hängt sehr wahrscheinlich damit zusammen, daß sie Juden waren. Die jüdische Bevölkerung wurde im Aufstand unter Trajan weitgehend dezimiert, und die wenigen Juden, die in der Stadt Alexandria überlebt hatten, verschwanden schließlich unter Hadrian fast vollständig.43 Aus verschiedenen Gründen kann man annehmen, daß der Barnabasbrief mit seiner stark antijüdischen Polemik und der allegorischen Auslegung des Alten Testaments ein frühes Zeugnis des Judenchristentums aus Alexandria darstellt. Wahrscheinlich wurde er schon vor dem Aufstand unter Trajan zur Zeit Nervas oder in der Frühzeit Trajans geschrieben und nicht erst kurz vor dem Bar-Kochba-Aufstand, als Juden in Alexandria keine bedeutende Rolle mehr spielten.44 Aber mit Sicherheit läßt sich dies nicht entscheiden. Die judenchristliche Bevölkerung scheint nach dem Bar-Kochba-Aufstand durch Flüchtlinge aus Palästina wieder zugenommen zu haben; dafür sprechen z. B. das Hebräerevangelium und die christliche Bearbeitung jüdischer Schriften aus Palästina wie etwa der Vitae Prophetarum.45 Auf jeden Fall wurde die reiche jüdische alexandrinische Literatur – soweit sie erhalten geblieben ist – im Laufe des 2. Jahrhunderts von Heidenchristen übernommen und bewahrt, wir finden aber noch keinen direkten Einfluss alexandrinischer philologischer und philosophischer Bildung in den Schriften des Neuen Testaments – mit der einen Ausnahme in den Hinweisen auf den gebildeten, gebürtigen Alexandriner Apollos.46 Als erste Christen kamen die nach Westen ausgerichteten Hellenisten nach Syrien, sie gingen schrittweise von der Judenmission zur planmäßigen Völkermission über. Auch Paulus und Barnabas und dann Petrus strebten von Antiochia aus in den Westen des Römischen Reiches: nach Zypern, Kleinasien, Griechenland und Italien, und Paulus will schließlich nach Spanien, an das Ende der Welt, um vor der Wiederkunft des Herrn alle Völker zu erreichen.47 Zu den aramäischsprachigen Juden in Ost‑ und Nordsyrien kann das Christentum schon vor der Tempelzerstörung im Jahr 70 n. Chr. über jüdische Jerusalempilger oder Siehe dazu A. M. Schwemer, Abbruch; W. Horbury, Jewish War, 222–235.427. Siehe dazu J. Carleton Paget, Epistle of Barnabas; ders., Jews, 113 ff. u. ö.; W. Horbury, Jewish War, 298–307. Etwas anders M. R. Niehoff, Jüdische Bibelinterpretation, 343 f.357 ff. Sie nimmt an, daß der Jude, dessen Kritik am Christentum Kelsos zitiert, in Alexandria schreibt und hier erst um die Mitte des 2. Jahrhunderts nicht nur gegen die Evangelien, sondern auch gegen den Barnabasbrief polemisiert. 45 Vgl. J. Frey, Fragmente des Hebräerevangeliums, in: AcA I/1, 598: »Insgesamt legt sich eine Abfassung in Ägypten in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts nahe.« Zur Tradierung der Vitae Prophetarum in Ägypten siehe A. M. Schwemer, Vitae Prophetarum, 554; T. Elgvin, Jewish Christian Editing. 46 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 392 f.; vgl. oben Anm. 40. 47 Vgl. Röm 15,23 f. 43 44
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
305
Kaufleute gekommen sein, wie es der lukanische Bericht vom Pfingstwunder nahelegt, der auch Juden aus Mesopotamien, Rom, Ägypten, Libyen und Kyrene erwähnt.48 In Mesopotamien gab es zu dieser Zeit auch Heiden, die mit dem Judentum sympathisierten. Durch Josephus wissen wir von der Bekehrung des Königshauses von Adiabene östlich des Tigris zum Judentum:49 Ein jüdischer Kaufmann namens Ananias hatte die Frauen am Hof des Königs von Charax Spasinou – am Zusammenfluß von Euphrat und Tigris gelegen – dazu gebracht, Gott auf jüdische Weise zu verehren, und er hatte auch Izates, den Thronfolger von Adiabene, der dort erzogen wurde, von den Vorzügen dieser Religion überzeugt. Als dieser die Nachfolge seines Vaters antrat, freute er sich, daß auch seine Mutter Helena in der Zwischenzeit eine Anhängerin dieser Religion geworden war.50 Ananias, der ihn begleitete, riet Izates von der Beschneidung ab, dies würde nur zu Unruhe bei seinen Untertanen führen. Aber als später aus Galilaea ein Jude namens Eleazar kam, der die Gesetze strenger auslegte und vermutlich Pharisäer war, ließ er sich sofort beschneiden. Die befürchteten negativen politischen Folgen blieben zunächst aus; später aber, als sich auch sein Bruder zum Judentum bekannte, kam es zu einer Verschwörung des Adels. Die Großen des Reiches riefen den König von Arabien und dann den Partherkönig zum militärischen Einschreiten ins Land. Die Verschwörung überstand Izates ebenso wie den Angriff der äußeren Feinde unbeschadet dank Gottes Hilfe und regierte insgesamt 24 Jahre glücklich. Schließlich wurde er zusammen mit seiner Mutter in Jerusalem beigesetzt.51 Diese von Josephus mit besonderem Stolz erzählte Geschichte belegt, daß es zumindest einzelne Fälle gab, in denen sich Juden erfolgreich um die Sympathie der Oberschicht in den Ländern des Ostens bemühten, und daß sich sogar ein Königshaus dem Judentum anschloß.52 Die Völkerliste beim Pfingstwunder Apg 2,9 ff. beginnt mit »Parthern und Medern und Elamitern und denen, die Mesopotamien bewohnen«. Lukas wird hier eine ältere geographische Liste aufgenommen haben, die die Gebiete aufführt, in denen Juden in der Diaspora besonders zahlreich wohnten. Deshalb darf man diese Angaben nicht zu sehr pressen und auf konkrete Missionserfolge unter all diesen Diasporajuden beziehen. Zur Liste siehe M. Hengel, Liste, 55 = KS VI, 194 f. 49 Josephus, Ant. 20,17–95. 50 Helena hielt sich in den 40er Jahren in Jerusalem auf und baute dort die prunkvolle Grabanlage als »eine würdige letzte Ruhestätte« für das Königshaus von Adiabene, das in Jerusalem mehrere Paläste besaß; vgl. dazu M. Küchler, Jerusalem, 985–993 (Zitat: 986). Sie und Izates unterstützten die jüdische Bevölkerung in Palästina während der Hungersnot 46 n. Chr. sehr großzügig (Josephus, Ant. 20,51 ff.). Vgl. Schürer III/1, 163 f. Zur jüdischen Erziehung der Söhne des Izates in Jerusalem siehe Josephus, Ant. 20,71 (oben zitiert S. 208 Anm. 28). 51 Josephus, Ant. 20,95. 52 Vgl. zum Ganzen M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 108–111; dort auch zu Josephus, Ant. 3,318 f., dem Fall der gottesfürchtigen heidnischen Wallfahrer aus dem Partherreich, deren Opfer im Jerusalemer Tempel nicht ausgeführt werden konnte, weil sie unbeschnitten waren. 48
306
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Zwischen dem Bericht des Josephus über das Königshaus von Adiabene und den ersten Nachrichten über Christen in diesem Land läßt sich keine direkte Verbindung herstellen. Die Chronik von Arbela erwähnt als den ersten christlichen Bischof in der Adiabene Mār Peqīdā (104–114 n. Chr.), »dem Addai der Apostel in eigener Person aufgelegt hat die Hand«.53
Dieser Addai wiederum war der Missionar Edessas, der nach dieser Tradition um die Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert den Mār Peqīdā durch Handauflegung in sein Bischofsamt einsetzte. Richard Bauckham hat Vermutungen über die frühere Zeit angestellt und gemeint, Paulus hätte, nachdem er mit der Mission in »Arabien«, das heißt im Land der Nabatäer, begonnen hatte und diese abbrechen mußte, trotzdem ursprünglich vorgehabt, weiterhin im Osten zu missionieren. Die Nabatäer, die alle Handelswege beherrschten, hätten ihm aber jede Wirkungsmöglichkeit dort versperrt.54 In die Gebiete jenseits des Euphrats seien vielmehr wohl jüdische Händler (nach dem Vorbild der Bekehrung des Izates und seiner Mutter) und vor allem die Brüder Jesu gezogen, deren Mission Paulus in 1 Kor 9,5 erwähnt.55 Doch die Verwandten Jesu wirkten nach der einzigen weiteren, verhältnismäßig frühen Notiz über ihr missionarisches Wirken, die Euseb bei Julius Africanus gefunden hat, in Galilaea und seiner palästinisch-syrischen Umgebung.56 Als weiteres Indiz für das Wirken der Herrenverwandten in Ostsyrien wertet Bauckham die Rolle Addais in der 1. Jakobusapokalypse und in noch späteren Texten.57 Die 1. Jakobusapokalypse aus Nag Hammadi nennt »Addai« als Traditionsträger. Diese gnostische Schrift wurde wahrscheinlich in Ostsyrien gegen Ende des 2. Jahrhunderts auf griechisch verfaßt, denn sie setzt das entwickelte valentinianische System voraus. Aber sie enthält ältere judenchristliche Traditionen, wie jetzt durch die vollständigere Version, die sich im Codex Tchacos erhalten hat, klarer erkennbar ist. In der 1. Jakobusapokalypse teilt der Herrenbruder Jakobus dem Addaios, der noch nicht – wie in der Überlieferung, die Euseb aufnimmt – mit Übersetzung und Datierung: P. Kawerau, Chronik von Arbela, 19. R. Bauckham, Paul, 177 ff. = ders., Jewish World, 263 ff.; vgl. Gal 1,17; 2 Kor 11,32 f.; ungenau dagegen Apg 9,23 ff.: Danach muß Paulus vor den Nachstellungen der Juden aus Damaskus fliehen. 55 R. Bauckham, Jude, 68–70, verweist dazu auf Bischofslisten in mittelalterlichen Chroniken. 56 Julius Sextus Africanus schreibt über sie (Euseb, H. e. 1,7,14 [GCS Eusebius II/1, 60,16– 19 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]): »… die Herrenverwandte (δεσπόσυνοι) genannt wurden wegen ihrer Verwandtschaft mit der Familie des Erlösers; und von den jüdischen Dörfern Nazareth und Kochaba aus durchzogen sie das übrige Land«; vgl. dazu R. Bauckham, Jude, 60–63. Zu Africanus siehe O. Skarsaune, Fragments, 348–360. 57 R. Bauckham, Paul, 180 = ders., Jewish World, 265: »there is no reason to doubt the basic historicity of Addai, the apostle of Edessa, and his links with the pre-70 Jerusalem church«; vgl. loc. cit. Anm. 24. 53 54
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
307
dem Jünger Thaddäus (Mk 3,18) identifiziert wird, die geheimen Offenbarungen Christi direkt nach seinem Tode mit. Addai soll diese Offenbarungen zehn Jahre später aufschreiben, das heißt nach dem Ersten Jüdischen Krieg, und dann an Manael und dessen Nachkommen weitergeben. Die Überlieferungskette wird personal und durch die Datierungen nach den verschiedenen jüdischen Kriegen und Aufständen chronologisch geordnet abgesichert. Der Auferstandene befiehlt dem Herrenbruder Jakobus: »Siehe Jakobus, ich habe dir darüber Offenbarungen erteilt, … (p. 23) Das, was ich gesagt habe[, sollst du verbergen]! Und es wird in dir bleiben, und du wirst darüber schweigen! Doch wirst du es dem Addai offenbaren, sobald du aus dem Fleisch herauskommst.58 Und sogleich wird dieses selbe Land im Krieg59 stehen. … Addai soll diese Worte in seinem Inneren behalten zehn Jahre lang!60 Dann wird er es unternehmen, sich hinzusetzen, um sie aufzuschreiben. Und wenn er sie aufgeschrieben hat, wird man sie von ihm nehmen und sie an Manael weitergeben. Das ist ein heiliger Name, und er ist vergleichbar (p. 24) mit Masphael. Dieser soll ebendieses Buch zum Erbe für die Kinder setzen. Aus ihm wird hervorgehen ein heiliger Same … Wenn sein kleiner Sohn [heranwächst] [zu] seinem vorgeschriebenen [Alter], wird er den Namen ›Levi‹ erhalten. Auch dann wird das Land Krieg führen.61 Steinigung des Jakobus im Jahr 62 n. Chr.; siehe Josephus, Ant. 20,200. 1. Jüdischer Krieg 66–70/73 n. Chr. 60 Man kommt in das Jahr 72 n. Chr., wenn man ab dem Tod des Jakobus rechnet, oder ins Jahr 80, wenn man zehn Jahre nach der Zerstörung Jerusalems annimmt; das letztere ist doch wohl wahrscheinlicher. Aber präzise Angaben darf man nicht erwarten; nach judenchristlicher Überlieferung belagerte Vespasian »sofort« nach dem Martyrium des Herrenbruders Jerusalem (vgl. Hegesipp bei Euseb, H. e. 2,23,18 [GCS Eusebius II/1, 170,23 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]). 61 Vermutlich ist der Aufstand unter Trajan 115–117 n. Chr. gemeint, der zwar hauptsächlich die jüdische Diaspora in Mesopotamien, Ägypten, Zypern und der Kyrenaika betraf, der aber 58 59
308
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Levi aber wird sie verbergen … Er wird sich aber eine Jerusalemitin zum Weibe nehmen, aus seinem Stamm, und mit ihr zwei Söhne zeugen. Und der … wird diese Dinge erben. … und er wird diese Dinge verborgen lassen, bis er an der Wende von siebzehn Jahren ist. (p. 25) Dann wird das Land Krieg führen.62 Da er jedoch nicht da ist, wird er gemäß der Vorsehung bewahrt werden. Und er wird heranwachsen und über viele Provinzen Herrschaft erlangen. Viele werden durch ihn gerettet werden, und er wird veranlassen, daß dieses Wort für viele Provinzen zum Dogma wird.«63
Der Herrenbruder Jakobus hat hier als einziger Traditionsträger die geheime Offenbarung von Jesus empfangen und enthüllt diese Gnosis allein Addai. Diese Überlieferung, die Addai mit dem Herrenbruder verbindet, wird älter und womöglich historisch zuverlässiger sein als die Notizen über Addai in der Abgarlegende.64 Die Generationenfolge von Manael über Levi bis zu dessen Söhnen soll die Zeitspanne zwischen der Offenbarungsübergabe an Addai und deren Proklamation überbrücken. Aber weder Addai noch Manael sind mit dem Herrenbruder Jakobus verwandt. Für Bauckhams Annahme einer frühen Mission von Herrenverwandten in Ostsyrien, auf die Paulus in 1 Kor 9,5 hinweisen würde, bietet die 1. Jakobusapokalypse also gerade keinen Anhaltspunkt.
auch Auswirkungen auf Palästina hatte. Die rabbinischen Quellen nennen die Ereignisse in Palästina in dieser Zeit den Krieg der »Qitus«; vgl. M. Hengel, Messianische Hoffnung, 664 f. = KS I, 322 ff.; A. Oppenheimer, Bewohnerschaft, 232 ff.237, dazu 482 Index s. v. »Diaspora Revolt«; A. M. Schwemer, Abbruch, 396; W. Horbury, Jewish War, 257–269 u. ö. 62 Damit sind wir beim Bar-Kochba-Aufstand 132–136 n. Chr. 63 1 ApkJak (NHC V,3 p. 36,15–24; 37/CT 2 p. 22,27; 23–25; Hervorhebungen A. M. S.). Siehe die deutsche Übersetzung von W.-P. Funk, Erste Apokalypse des Jakobus, in: AcA I/2, 1172 ff.; dazu den Kommentar 1156. Diese Ausgabe ersetzt die älteren Übersetzungen von: I. Schletterer / U.-K. Plisch, Die (erste) Apokalypse des Jakobus (NHC V,3), 407–418; vgl. H.-M. Schenke / H.-G. Bethge / U. U. Kaiser (Hgg.), Studienausgabe, 304–310, und die Version der 1. Jakobusapokalypse des Codex Tchacos in: Codex Tchacos, hg. v. J. Brankaer / H.-G. Bethge, 114–119.228–234. In der 1. Jakobusapokalypse wird auch deutlich, wie dieses esoterische Buch als kostbares Erbe über Generationen hin im geheimen bewahrt und erst von dem Enkel als »Dogma für viele Provinzen« verkündigt wird. 64 R. Bauckham datiert die 1. Jakobusapokalypse schon in die Mitte des 2. Jahrhunderts. Die Berufung auf Jakobus in den späteren gnostischen Texten will deren »Gnosis« früh beim Herrenbruder als Offenbarungsmittler verankern. Vgl. dazu unten S. 488 ff.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
309
Euseb, der bei der Abfassung seiner Kirchengeschichte ebenfalls Schwierigkeiten hatte, über die Frühzeit der Kirche Quellen zu finden außer den auch ihm bekannten, der Apostelgeschichte des Lukas und den Schriften des Josephus, verweist auf eine alte syrische Urkunde, die die Abgarlegende enthält. In dieser Gründungslegende der Gemeinde von Edessa, wie sie Euseb überliefert, ist Thaddäus / Addai der erste Apostel und Gründer der christlichen Gemeinde. Ihn schickt der Apostel Judas, »der auch Thomas heißt«, direkt nach dem Todespassa und der Auferstehung Jesu in die Hauptstadt der Osrhoëne.65 Euseb schreibt, er verdanke seine Nachrichten darüber einer alten syrischen Urkunde aus dem Archiv in Edessa, die ins Griechische übersetzt wurde. Danach hat schon König Abgar, »der hochberühmte Herrscher über die Völker jenseits des Euphrats«,66 der an einer schweren Krankheit litt, von Jesus und seinen Wundertaten gehört. Der König schreibt an Jesus einen Brief, bittet um Heilung und lädt ihn nach Edessa ein – auf diese Weise würde Jesus auch den Nachstellungen durch seine Landsleute entgehen und könnte ungehindert in Edessa wirken. Jesus antwortet dem König, daß er ihm nach seinem Tod einen seiner Jünger schicken werde, um ihn zu heilen und ihm und seinem Volk »Leben«, das heißt die missionarische Verkündigung und die Bekehrung, zu bringen.67 So geschieht es auch. Judas / Thomas schickt den Jünger Thaddäus (= Addai) nach Edessa, der den König und viele andere heilt und mit Erfolg das »Wort des Lebens« verkündigt.68 Euseb gibt zur Datierung dieses Geschehens das 340. Jahr der edessenischen Ära an, das heißt 30 n. Chr. Zu den aramäischsprachigen Ost‑ und Nordsyrern kam das Christentum aber wahrscheinlich nicht schon in den 30er Jahren, sondern später als in die römische Provinz Syrien. Vermutlich geschah das auf zwei Wegen, wie Sebastian Brock in der Festschrift für William Horbury vorgeschlagen hat:69 Zur griechischspra65 Euseb, H. e. 1,13,11 (GCS Eusebius II/1, 90,3 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Sehr skeptisch beurteilt den historischen Gehalt der Abgarlegende H. J. W. Drijvers in seinen verschiedenen Untersuchungen zum Christentum in Edessa; vgl. dazu H. J. W. Drijvers, Art. Edessa / Osroene, RGG4 2 (1999), 1057 f. Zur Addai-Abgar-Legende siehe M. Illert, Doctrina Addai; zuletzt J. Wasmuth, Abgarlegende, in: AcA I/1, 222–230; I. L. E. Ramelli, Addai-Abgar Narrative. 66 Euseb, H. e. 1,13,2 (GCS Eusebius II/1, 84,4 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 67 Euseb, H. e. 1,13,6–10 (GCS Eusebius II/1, 86,3–88,13 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 68 Euseb, H. e. 1,13,1–22 (GCS Eusebius II/1, 82,21–96,10 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); 13,20 (GCS Eusebius II/1, 94,12 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann): σπερῶ ἐν αὐτοῖς τὸν λόγον τῆς ζωῆς περί τε τῆς ἐλεύσεως τοῦ Ἰησοῦ … 69 S. Brock, Syria, 164–175. Vgl. J. Tubach, Anfänge: Der historische Kern der Überlieferung sei darin zu sehen, »dass Addai seinen jüdischen Gastgeber für das Christentum gewann« (24). Darin sieht Tubach das »Modell« für die früheste Mission, die zur Übernahme vieler aramäischer Begriffe führte; erst mit »der Ausbildung einer theologischen Literatur auf Syrisch wurden dann im großen Umfang griechische Begriffe von der Sprache rezipiert« (65).
310
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
chigen und literarisch gebildeten Oberschicht gelangte das Christentum über Antiochia nach Edessa, wie auch die Übersetzung der Evangelien zeige; zu den einen ähnlichen aramäischen Dialekt wie die Palästiner sprechenden Syrern kam es dagegen durch Judenchristen aus Palästina. Dies demonstriert Brock in seinem Aufsatz unter anderem an dem Terminus »malka mshiḥa«. Es muß direkte Beziehungen zwischen Juden in der Osrhoëne und im Mutterland gegeben haben und entsprechend dann auch solche zwischen Judenchristen in Palästina und Edessa.70 Das mag unter anderem der historische Kern der Abgarlegende sein, die einen Briefwechsel König Abgars von Edessa mit Jesus erfand, um das Manko, daß es keine diese früheste Zeit erhellenden und belegenden christlichsyrischen Urkunden gab, gutzumachen, und die zugleich zeigen wollte, daß das edessenische Christentum noch älter und ursprünglicher war als das durch die Mission der Hellenisten und von Paulus und Petrus bei den griechischsprachigen Syrern begründete. Sowohl die Angaben in der Chronik von Arbela wie die in der 1. Jakobusapokalypse weisen für das Auftreten Addais in die Zeit nach dem Tod des Herrenbruders Jakobus und der Zerstörung Jerusalems. In der Chronik von Arbela ›amtiert‹ Addai noch um das Jahr 100 n. Chr. All das spricht gegen die Vermutung von Richard Bauckham, daß schon die Brüder Jesu als Missionare im aramäischsprachigen Nordosten Syriens unterwegs waren.
8.3.2 Die Beschränkung der aktiven Mission auf Palästina und Syrien in den ersten Jahren Sean Freyne hat darauf hingewiesen, daß nicht nur die Sorge vor der Verfolgung durch Herodes Antipas Jesus aus Galilaea in die angrenzenden Gebiete von 70 Nach Euseb, H. e. 1,13,11–14 (GCS Eusebius II/1, 90,3–92,14 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann), wohnt Thaddäus in Edessa bei seinem Landsmann Tobias, Sohn des Tobias. Das könnte nach einer legendären Anlehnung an das Tobitbuch klingen, schließt aber nicht aus, daß es in Edessa jüdische Bewohner gab, die Beziehungen ins Mutterland unterhielten; das unterstreicht J. Tubach, Anfänge (siehe die vorige Anmerkung). Vgl. auch I. Ramelli, Addai-Abgar Narrative, 206 f.214 ff.238 ff.: Der – historische – Briefwechsel zwischen König Abgar Ukkama und Kaiser Tiberius sei das Vorbild für den legendären zwischen Jesus und Abgar gewesen, der in severischer Zeit entstanden sei. Der Brief in syrischer Sprache von Mara bar Sarapion aus Samosata, der vom »weisen König der Juden« und von seinem Weiterleben in den neuen Gesetzen, die er gab, schrieb, hilft für die Frühgeschichte der Christen in Ostsyrien nicht weiter. Die Datierung in die Zeit um 73 n. Chr., die G. Theissen / A. Merz, Jesus, 84 ff., vorschlugen, läßt sich nicht halten; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 211: Ein Anklang an das Matthäusevangelium ist um diese Zeit nicht möglich, zudem beginnt die Literatur in syrischer Sprache erst 100 Jahre später. M. Hengel, Jesuszeugnisse, 154 = KS V, 696 f.; ders., Leser, 110 = KS V, 716, vermutete deshalb eher eine Abfassung in griechischer Sprache in der Zeit nach dem Bar-Kochba-Krieg. A. Merz / T. Tielemann (Hg.), Mara bar Sarapion, plädieren wieder für die Zeit um 73 n. Chr. Überzeugend sind dagegen die Argumente von P. W. van der Horst, Consolation, der den Text ins 3. oder 4. Jahrhundert datiert, er sei verfaßt von einem hellenisierten Humanisten (218).
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
311
Tyrus und Sidon und in die Dekapolis ausweichen ließ und er dort nicht rein zufällig wirkte. Freyne schreibt in Ergänzung zu den Ausführungen Martin Hengels:71 »… it seems plausible to ascribe to Jesus an understanding of messiahship that, while focused on the restoration of Israel, was meant to include the gentiles also. As a Galilean one might expect him to be familiar with various passages of Isaiah that promised the eventual participation of gentiles in the blessings of the coming age. In particular, Isa 8:23.«72
Dem möchte ich gerne zustimmen. Die berühmte Heilsverheißung gilt nicht nur dem »Land von Sebulon und Naphtali«, sondern auch dem »Weg am Meer«, dem »Land jenseits des Jordans« und dem »Galilaea der Heiden«. Erstaunlicherweise hat sich in der synoptischen Überlieferung in diesem Zusammenhang aber auch der Widerstand gegen die Mission unter der paganen Bevölkerung Palästinas niedergeschlagen.73 Um es hier noch einmal zu betonen: Paulus sah sich selbst seit seiner Berufung im Jahre 32/33 als Apostel zu den Völkern gesandt.74 Das war aus seiner Sicht sein spezielles »Evangelium«, in dem an die soteriologische Stelle der Tora und ihrer heilsentscheidenden Funktion die Verkündigung Jesu Christi als des endzeitlichen Erlösers und Gottessohnes und der Glaube an ihn traten.75 Dadurch erhielt auch das missionarische Wirken der anderen Apostel weitere Impulse, aber Paulus war nicht der einzige und auch nicht der erste Heidenmissionar.76 Vielmehr machten die aus Jerusalem vertriebenen »Hellenisten« die ersten Schritte auf die gottesfürchtigen Heiden in der Umgebung der Synagogen zu, und ihre Mission ging der des Völkerapostels zunächst zeitlich etwas voran. Gerade in der Apostelgeschichte des Lukas wird diese Entwicklung sichtbar, obwohl Lukas den endgültigen Durchbruch erst bei der Bekehrung und Taufe des Cornelius durch Petrus schildert.77 Aber »[d]ie konsequente, theologisch durchreflektierte Heidenmission ist das opus proprium des Paulus und nicht irgendwelcher ›vorpaulinischer‹ Missionare«.78 Lukas führt also historisch völlig zu Recht den Anfang des schrittweisen Übergangs zur Heidenmission auch auf die Hellenisten zurück: Er nennt zunächst die Mission des Philippus in Samarien79 und anschließend die Taufe des M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 264. S. Freyne, Reflections, 107. 73 Siehe dazu oben S. 256 Anm. 22 zu Mt 7,6 und S. 254 Anm. 15 u. ö. zu Mt 10,5. 74 Siehe Gal 1,16; vgl. oben § 6.3.1 (S. 208 ff.) und § 6.3.3 (S. 239) und unten S. 327 bei Anm. 168. 75 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 153–173. 76 U. Schnelle, Jahre, 162, betont: »… in der Anfangszeit treten drei Namen deutlich in den Vordergrund: Philippus, Petrus und Barnabas.« 77 Siehe dazu oben § 7.2 (S. 257–262.292 f. u. ö.). 78 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus 318. 79 Dazu oben § 5.2 (S. 183–194). 71 72
312
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
äthiopischen Finanzministers, dessen religiösen Status er aber in der Schwebe läßt.80 Die erste Bekehrung und Taufe eines heidnischen Gottesfürchtigen überläßt er zwar Petrus,81 aber in der dreifachen Schilderung der Berufung des Paulus unterstreicht er – hier fast ganz im Einklang mit den eigenen Angaben des Apostels – zunehmend dessen einzigartige Sendung zu den Völkern.82 Anders als für seine etwas späteren Zeitgenossen Matthäus und Clemens Romanus, dann für die altkirchliche Tradition und schließlich für die moderne Apologetik geht für Lukas die Hinwendung zu den Völkern nicht einfach auf den Befehl des Auferstandenen an seine zwölf Jünger zur weltweiten Mission zurück.83 Die universale Völkermission ist vielmehr für Lukas wie schon für Paulus als heilsgeschichtliches Geschehen in den Gottesknechtsliedern des Jesajabuches einstmals verheißen, und auf diese künftige Schrifterfüllung verweist der Auferstandene seine Jünger.84 Aber zugleich zeichnet Lukas die fortschreitende Entwicklung und geographische Ausbreitung nach, was dem historischen Geschehen damals bis zum Apostelkonzil in Jerusalem im Jahr 48/49 n. Chr. entspricht. Auch Paulus arbeitete nach seinem eigenen Zeugnis als Missionar in Arabien, Syrien und Kilikien fast zwanzig Jahre in diesem engeren Gebiet, wie schon gesagt mit einer Ausnahme, der Missionsreise nach Zypern und Galatien zusammen mit Barnabas.85
Ausführlicher oben § 5.3 (S. 194 ff.199 f.). Siehe dazu oben § 7.2.4 (S. 278 f.). Historisch zutreffend ist jedoch, daß Petrus zunächst die Aufnahme von Heiden ohne Beschneidung in die christliche Gemeinschaft in Jerusalem durchsetzt. Das ist wahrscheinlich der ›historische Kern‹ der Schilderung in Apg 11. Vgl. oben S. 260 Anm. 40. 82 Apg 9,1–30; 22,6–10; 26,1–23; vgl. vor allem auch die Vision im Tempel Apg 22,17–21; dazu A. M. Schwemer, Erinnerung. 83 Mt 28,19 ff.; 1 Clem 42,1–4; vgl. auch den sekundären Markusschluß (Mk 16,15). Siehe dazu schon M. Hengel, Ursprünge, 25 = KS VI, 118. Die apologetische Rückführung der universalen Völkermission auf Mt 28,18 ff. mit dem trinitarischen Taufbefehl etwa bei E. J. Schnabel, Mission, 543–883 (Titel des Kapitels: »Die Mission der Zwölf von Jerusalem bis ans Ende der Erde«), kann nicht überzeugen; er hält auch die Aufteilung der Missionsgebiete unter die Zwölf, wie sie in den apokryphen Apostelakten des 2. und 3. Jahrhunderts begegnet, für historisch zutreffend. Vgl. auch die Erwägungen bei dem gewiß ›konservativen‹ C. S. Keener, Historical Jesus, 392 f.: »One argument against Jesus teaching about the Gentile mission, whether before or after the resurrection, is that it seems difficult to explain why his immediate followers in Acts took so long to catch (or at least, to implement) this vision« (392); vgl. etwas anders ders., Acts I, 507 Anm. 70; 511 Anm. 95 (vgl. schon oben S. 251 Anm. 1). 84 Auch Lk 24,46 ff. rechnet mit einer Entwicklung und hat einen anderen Skopus: Der Auferstandene weist auf die Erfüllung der profetischen Verheißungen, denn in Gottes Heilsplan stehen Jesu Tod, seine Auferstehung und die Rettung der Heiden durch die weltweite Mission aller »Zeugen« längst fest (vgl. Jes 52,15; 42,1.6; 49,1.6); siehe U. Mittmann-Richert, Sühnetod, 240 ff. Ferner unten zu Apg 13,47 S. 379 bei Anm. 85–86. 85 Gal 1,16 f.21; 2,1–10. Vgl. zur ersten Missionsreise von Antiochia aus unten § 10. 80 81
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
313
Im folgenden soll es zunächst um die Bedeutung der Abrahamverheißung für die Vorstellung vom eschatologischen Umfang des Landes und besonders um die Bedeutung für das Verhältnis zwischen Juden und den dort wohnenden Völkern gehen. Es soll damit eine Antwort auf die Frage gesucht werden, weshalb die urchristlichen Missionare rund zwanzig Jahre lang fast nur in diesem Gebiet gewirkt haben. Dabei handelt es sich um einen häufig vernachlässigten Aspekt in der Geschichte des frühesten Christentums.86
8.3.3 Die Landverheißung an Abraham in Gen 15,18 Wahrscheinlich spielte die Landverheißung an Abraham, die in frühjüdischer Zeit eschatologisch ausgelegt wurde, für die christliche Mission in ihrer frühesten geographischen Ausdehnung eine besondere Rolle. In Gen 15 verheißt Gott Abraham Schutz und großen Lohn und trotz seiner Kinderlosigkeit Nachkommenschaft, »zahlreich wie die Sterne des Himmels«. Abraham glaubt, und Gott rechnet ihm diesen Glauben als Gerechtigkeit an und verspricht ihm wie bereits in Gen 12 und 13 die Gabe des Landes.87 Gott schließt als Zeichen dafür mit ihm einen »Bund«,88 dessen Schwurritus mit dem Hindurchschreiten zwischen den geteilten Opferhälften89 Gott selbst in der Vision durchführt. Gott versichert Abraham und seinem Samen eidlich, das heißt mit einer bedingten Selbstverfluchung,90 den Besitz des Landes »vom Fluß Ägyptens bis zum gro86 Zu diesem Problem siehe M. Hengel im Jahr 1993 in seiner Einleitung zu: R. Feldmeier / U. Heckel (Hgg.), Heiden, XVf. = KS VI, 504: »Für die Christen wurde die Frage nach dem eschatologischen Heil ›der Heiden‹ zu einer elementaren Voraussetzung des Wahrheitsanspruchs ihrer Botschaft wie auch ihrer weltgeschichtlichen Wirksamkeit. Wie es zu dieser – innerhalb von zwei Generationen den Raum des Judentums aufsprengenden – Zuwendung zu den ›Heiden‹ kam, gehört zu den wichtigsten Fragen des frühesten Christentums, die wir immer noch nicht befriedigend beantworten können …«. 87 Gen 15,6 f. Zur Rezeptionsgeschichte siehe G. Stemberger, Genesis 15, der jedoch das Thema der Landverheißung nicht eigens behandelt, sondern sich auf die Fragen der Chronologie, den Glauben Abrahams und die Opferszene mit ihrer Deutung konzentriert. 88 Im Deuteronomium hat Gott den Vätern Abraham, Isaak und Jakob das Land mit einem Eid zugeschworen (Dtn 1,8.35). Siehe dazu L. Perlitt, Deuteronomium, 53 f. 89 Auffällig ist, daß Gott – symbolisiert durch Feuerofen und Fackel – selbst zwischen den Opferhälften hindurchgeht. Die Judäer waren verpflichtet, mit diesem Ritual ihre Sklaven zu entlassen; siehe Jer 34,15–20 (LXX 41,18 f.): »Ich mache die Männer, die meinen Bund verletzt haben und die Abmachungen des Bundes, die sie vor mir getroffen haben, wie das Kalb, das sie in zwei Teile geschnitten haben und zwischen denen sie hindurchgegangen sind« (V. 18). Dazu W. Speyer, Hinrichtung, 309: »[D]as getötete Tier nimmt symbolisch das Ende des Meineidigen voraus.« H.-D. Neef, Aspekte, 9: »Das Hindurchschreiten zwischen den Tierhälften soll die Selbstverfluchung des Bundespartners im Fall eines Bundesbruchs symbolisieren.« Weiter L. Schmitt, Genesis XV, 260: »Jahwe nahm somit für die Landverheißung sogar eine bedingte Selbstverfluchung auf sich.« 90 נתתי: Die Septuaginta gibt das Perfekt (der eidlichen Zusicherung) mit Futur δώσω wieder.
314
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
ßen Fluß, dem Fluß Euphrat« (V. 18). Das Land, das Abrahams Nachkommen erhalten sollen, wird sich also vom Nil bis zum Euphrat erstrecken.91 Die Grenzziehung in Gen 15,18 ist nicht nur »die weitest mögliche Ausdehnung des Landes«92 und eine »utopische«93 Vorstellung von seiner Größe, sondern auch ein Unikum innerhalb der Väterverheißungen.94 Umfassender als in allen anderen Ankündigungen95 an die Patriarchen und Mose – die zumeist einfach von »Kanaan« sprechen – wird das zukünftige Land geographisch bestimmt.96 91 Mit »Fluß Ägyptens« ( )נהר מצריםwird hier der Nil bezeichnet und nicht der öfter als Südgrenze Judaeas erwähnte »Bach Ägyptens« ()נחל מצרים, vermutlich das Wādī l-ʿArīš; vgl. dagegen die ältere Deutung bei G. v. Rad, Genesis, 146; C. Westermann, Genesis 12–36, 273 (»mit נהר מצריםkann nur der ›Bach Ägyptens‹ gemeint sein«) u. a.; anders bereits R. Albertz, Religionsgeschichte, 507 Anm. 50; 512. Auch in Jdt 1,9 ist mit ποταμὸς Αἰγύπτου wahrscheinlich der Nil gemeint wie in Am 8,8; 9,5. Zum »Bach Ägyptens« vgl. Num 34,5; Jos 15,4; dazu S. Mittmann / G. Schmitt (Hg.), Tübinger Bibelatlas, B IV 5 mit Nebenkarte oben; B IV 16 Nebenkarte III: Es ist unklar, ob es sich um das Wādī l-ʿArīš oder um das weiter nördlich – und damit näher am eigentlichen Judaea – liegende Wādī Gazza handelt. Der Euphrat wird in spätdeuteronomistischen Texten als äußerste Nordgrenze genannt. Dtn 1,7b; 11,24: »Jeder Ort, auf den die Sohle eures Fußes tritt, wird euch gehören. Von der Wüste und bis zum Libanon, von dem großen Fluß, dem Fluß Euphrat, und bis zum Meer im Westen wird euer Gebiet reichen.« Dies hat eine enge Parallele in Jos 1,3 f. Vgl. auch L. Schmitt, Genesis XV, 259. 92 C. Westermann, Genesis 12–36, 273. 93 R. Albertz, Religionsgeschichte, 507 Anm. 50. 94 Vgl. K. Schmid, Erzväter, 183: »Die abschließende breite Umschreibung des verheißenen Landes … ist in dieser Form singulär im Alten Testament, weist aber einige Stereotypen auf … Die Wendung … vom Nil bis zum Euphrat … erinnert der Sache nach an die Beschreibung des salomonischen Reichs 1 Kön 5,1.4, sprachlich an 2 Kön 24,7.« Vgl. Ex 32,13, wo Mose im Gebet nur von »das ganze Land« spricht. I. Fischer, Israels Landbesitz, 11, verweist zustimmend auf die Beobachtung von Z. Kallai, Patriarchal Boundaries, 78 f., daß »diese Definition der Landesgrenzen der abrahamitischen Sippe entsprechend gestaltet« ist. Das heißt, die von Abraham abstammenden Völker bewohnen das Gebiet, das sich zwischen den Großmächten Mesopotamien und Ägypten erstreckt, und bilden einen »dritten Machtblock«. Vgl. Jes 19,24 f. und die Umdeutung in Jes 19,24 f. LXX auf die jüdische Diaspora in Ägypten und Assur. 95 Vgl. auch die Ausweitung in der Gottesrede an Jakob in Bethel (Gen 28,13 f.) bei dessen Traumvision: »Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, auf dem du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen gesegnet werden alle Sippen auf Erden.« 96 Die anderen Stellen im Pentateuch zum Abraham verheißenen Land, Gen 12,1.6 f.; 13,14– 17; 15,7; 17,8; Dtn 1,7 f.35 (ohne geographische Angaben: Dtn 6,10.23 und 10,11), umfassen alle kein so großes Gebiet. In Gen 12 ist nur an das Land der Kanaanäer gedacht, und als Orte werden Sichem mit der Eiche des Sehers und Bethel genannt. In Gen 13,17 f. durchzieht Abraham das Land, das er von Bethel aus sehen kann, der Länge und der Breite nach und kommt im Süden zur Eiche von Mamre in der Nähe von Hebron. Die Traum-, Opfer‑ und Schwurszene der Nachkommen‑ und Landverheißung in c. 15 spielt dem Kontext nach in Mamre. Gen 17,8 unterstreicht auch nur, daß das Abraham und seinem Samen nach ihm versprochene Land das gesamte Land Kanaan sei. Vgl. auch Ps 105,9 ff.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
315
Gen 15 ist ein verhältnismäßig später Text innerhalb der Abrahamüberlieferung, der nicht nur deuteronomistisch geprägt ist und einen Einschub in V. 11–16 mit priesterschriftlichen Sprachmerkmalen97 enthält, sondern der bereits die Priesterschrift voraussetzt und insgesamt jünger sein muß.98 Das Kapitel wandelt die ältere Abrahamverheißung von Gen 12,1–3 ab. Auch die Aussage des Dekalogs über das »Herausführen« Israels aus Ägypten wird hier auf das »Herausführen« Abrahams aus Ur in Chaldäa übertragen.99 Die Landverheißung wird in Gen 15 mit einer Selbstverpflichtung Gottes verbunden.100 Auf den Stammvater Abraham werden zudem profetische Züge übertragen, er erhält eine Vision; die Verheißung der Nachkommenschaft ist dem Heilsorakel an den König nachgebildet und erinnert an die Dynastieverheißung an David in 2 Sam 7.101 Zudem werden Aussagen aus der Königstheologie über die spätere Vorstellung von der idealen Gestalt des Herrschaftsgebietes von David und Salomo, der über »alle Königreiche vom Euphrat … bis an die Grenze Ägyptens« herrschte und diese tributpflichtig machte, als Verheißung auf den Stammvater Abraham übertragen, aber zugleich noch übertroffen.102 Die Intention des Textes geht dahin, daß die Zusage dieser eidlichen Selbstverpflichtung Gottes sowohl bei der Landnahme durch Josua wie bei David und Salomo nur vorläufig eingelöst wurde, denn sie geht ja territorial über das hinaus, was sich »historisch« je ereignet hat. Die Verheißung Gottes ist also noch offen für die Zukunft.103 97 So H. Gese, Abrahamserzählung, 30 f., der vor extremen Spätdatierungen warnte. R. Albertz, Religionsgeschichte, 201.208.212, hält den Text für exilisch mit Verweis auf die Untersuchungen von E. Blum. H.-D. Neef, Aspekte, 8, dagegen datiert wieder ins 7. Jahrhundert v. Chr. 98 Siehe dazu L. Schmitt, Genesis XV, 251.259. Die Argumente für die Spätdatierung sind meines Erachtens stärker. Der Text gehört in die nachexilische, persische Zeit (mündlicher Hinweis von Herrn Kollegen Blum). In der Priesterschrift wird Abraham nur das Land Kanaan verheißen. Vgl. auch R. Feldmeier / H. Spieckermann, Menschwerdung, 19 ff. 99 Gen 15,7; Dtn 5,6; vgl. L. Schmitt, Genesis XV, 259. 100 H. Gese, Abrahamserzählung, 30 Anm. 9, meinte: »Gen 15 [sei] als Vorabbildung des Sinaigeschehens« gestaltet (Hervorhebung im Original), vgl. 45 f. Doch das Ritual der »bedingten Selbstverfluchung«, das Gott hier auf sich nimmt, zeigt keine Verwandtschaft mit dem Sinaibund, sondern unterstreicht, daß Gott die Landverheißung nicht wieder rückgängig machen wird, so wie die Sklavenentlassung für Judäer unwiderruflich zu sein hatte (Jer 34,15.18 ff.); vgl. L. Schmitt, Genesis XV, 260. Siehe auch oben S. 313 Anm. 89. 101 K. Schmid, Erzväter, 184; vgl. ders., Literaturgeschichte, 158 f.; weiter R. Fidler, Genesis XV, 171: »prophetic word formula«. 102 1 Kön 5,1; vgl. L. Schmitt, Genesis XV, 259. 1 Kön 5,5 nennt dann den traditionellen Wohnbereich von Juda und Israel von »Dan bis Beerscheba«, in dem die Stämme unter Salomo in Frieden »sitzen unter Weinstock und Feigenbaum«; vgl. 1 Kön 4,20; Mi 4,4; Sach 3,10; vgl. auch 2 Kön 18,31. 103 Vgl. R. Albertz, Religionsgeschichte, 512 Anm. 76: »Die utopische Beschreibung … des Landes … hat wohl die Funktion, die Phantasie der Kleinmütigen zu beflügeln.« Vgl. Jer 2,18, dort sind die Gegenden am Nil und am Euphrat die Gebiete des Exils. Vgl. auch Mi 7,11 ff.: »An jenem Tag kommen alle zu dir, von Assur bis Ägypten und von Ägypten bis zum
316
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Diese wird dann ihrerseits angesichts des gewalttätigen Siegeszugs Alexanders des Großen noch weiter überboten durch die eschatologische Hoffnung auf ein messianisches Friedensreich, das sich erstreckt »von Meer zu Meer, vom Strom bis an die Enden der Erde« (Sach 9,10).104 In den Ergänzungen aus hellenistischer Zeit im Königspsalm Ps 72 werden die »Landverheißung« von Sach 9,10 und die Segensverheißung für die Völker in Gen 12,3b zitiert und universal-eschatologisch auf den messianischen König und sein Reich gedeutet.105 Zum Abschluß folgt in Gen 15,19–21 eine Liste der vormaligen Bewohner des Landes mit zehn – in der Septuaginta sogar elf – Namen. Sie bildet die umfangreichste Namensliste mit den Urbewohnern von den Kenitern, Kenasitern, Kadmonitern, Hetitern, Perisitern, Rafaitern, Amoritern, Kanaanitern, Girgaschitern, Hiwitern bis zu den Jebusitern.106 Es wird zwar nicht ausdrücklich hinzugesetzt, daß sie vertrieben werden, aber in Gen 15,16 waren die Verzögerung der Landnahme und die 400 Jahre des Aufenthalts in Ägypten begründet worden mit: »Noch ist das Maß der Schuld der Amoriter nicht voll.« Gegen den Anspruch der im Land gebliebenen Israeliten, sie könnten ohne die Exilierten und deren Rückkehr mit Berufung auf Abraham das Land wieder besiedeln, richtete sich schon der scharfe Protest des Profeten Ezechiel.107 Wie die ideale Landverteilung und ‑ausweitung aussieht, zeigt das profetische Gegenstück zu Gen 15,18, die geographische Liste des Zwölfstämmevolkes in Ez 47,13–48,29 im Land, das Gott »den Vätern zu geben geschworen hat« (Ez 47,14). Im Zentrum liegt der heilige Tempel, von dem aus ein Fluß die Wüste bewässert und fruchtbar macht (Ez 47,1–12); in konzentrischer Heiligkeit umgeben das Land des Tempels die Stämmegebiete. Im Westen bildet das Mittelmeer die Grenze, die Nordgrenze erstreckt sich in der Höhe von Lebo-Hamat und Damaskus bis Hasor-Enon, der Osten reicht vom Hauran bis zum Toten Meer und umfaßt Gilead, die Südgrenze ist der Bach Ägyptens.108 Die Landverheißung erhält so eine Tendenz zur Universalisierung im Blick auf die Völkerwelt und zugleich eine äußerste Restriktion, die die Heiligkeit Jerusalems und des Tempels durch Ausgrenzung schützt. Das läßt sich im EntEuphrat …«; 7,19 f.: »… Ja, du wirfst alle unsere Sünden in die Tiefe des Meeres hinab. Du wirst Jakob deine Treue beweisen und Abraham deine Huld, wie du unseren Vätern geschworen hast …«. 104 Vgl. dazu B. Janowski, Stellvertretung, 45. 105 Ps 72,8–11 (V. 8) und V. 17b: »Und es sollen sich mit ihm Segen wünschen, ihn glücklich preisen alle Völker«. Vgl. dazu B. Janowski, Stellvertretung, 47 f.65. 106 Genannt werden die vormaligen Bewohner des Gebietes, das Abraham verheißen wird; es ist keine utopische Angabe. In Neh 9,8 wird diese Liste vorausgesetzt und durch eine Aufzählung ersetzt, die Dtn 7,1; Jos 3,10; 24,11 entspricht; siehe L. Schmitt, Genesis XV, 265.267. 107 Ez 33,24; vgl. 11,14–21; dazu R. Albertz, Religionsgeschichte, 420. 108 Vgl. 1 Chr 13,5 für das Reich Davids; weiter S. Freyne, Geography of Restoration, 106 f.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
317
wurf von Ez 40–48 beobachten: einmal die Betonung der Heiligkeit des Tempels und seines Bezirks, sodann der Ausschluß von allem Unreinen in der Mitte des Landes und die Ausweitung des Stämmegebietes auf Gegenden, die seit alters von Nichtisraeliten bewohnt wurden – wie die phönizische Küstenebene. Die dort wohnenden Heiden werden nicht vertrieben.109 Nach Ez 47,21 ff. erhalten die »Fremden«110 in diesem idealen Land Erbbesitz, und sie werden wie »einheimische Israeliten« behandelt. In der Heilsprofetie der Exils‑ und Nachexilszeit richtet sich dann der Blick zurück auf die Erzväter als Vorbild und Trost in der Hoffnung auf die Treue Gottes, und das Land erhält eine ideale Gestalt. In Jes 41,8 f. spricht Gott von Israel als dem Nachkommen »meines Freundes Abraham«. Dies wird später wiederaufgenommen: Vater Abraham wird zum Felsen, aus dem Gott sein Volk herausgehauen hat, und der Segen, den die unfruchtbare Sara erhalten hat, wird zum Vorbild für die Wiederbevölkerung der Gottesstadt auf dem Zion, deren »Wüste zu Eden« und deren »Ödland zum Garten Jahwes« werden.111 In der jesajanischen Profetie stehen aber nicht so sehr das Land112 und die Landverheißung, sondern der Zion im Zentrum der Erwartung der heilvollen Zukunft – auch für die Völker. »Dadurch, daß Israel gerettet wird und diese Rettung an sich geschehen läßt, kommen auch die Völker zum Heil.«113 In der späteren Fortschreibung stehen dann nicht mehr die Völker selbst direkt im Blickpunkt, sondern das Heil der universal unter die Völker zertreuten jüdischen Diaspora.114 Auf diese Weise wird die durch die alttestamentliche Profetie vorgegebene eschatologische Erwartung ambivalent: Es finden sich Aussagen, die sich unmittelbar auf das eschatologische Heil der Völker beziehen lassen, neben solchen, die der endzeitlichen Heimkehr der jüdischen Diaspora gelten. Den urchristlichen Missionaren waren so sowohl die weltweite Sendung zu den Israeliten wie die zu den Völkern in der profetischen Verheißung vorgegeben.
Vgl. S. Freyne, Geography of Restoration, 410.430. προσήλυτοι. Die Septuaginta übersetzt in der Regel den »Schutzbürger« mit προσήλυτος. 111 Jes 51,1–3; vgl. 54,1 ff.; siehe dazu H.-J. Hermisson, Deuterojesaja III, 152–160. 112 Doch siehe Jes 49,8: Aufrichtung des verwüsteten Landes und die erneute Zuteilung des Erbbesitzes. Es handelt sich um eine frühe Ergänzung des zweiten Gottesknechtsliedes; die Aufgabe des Knechtes, Jakob aufzurichten, wird auf die neue Landverteilung in persischer Zeit gedeutet, die dazu diente, »die früheren Besitzer wieder in ihre Rechte« einzusetzen; siehe dazu H.-J. Hermisson, Deuterojesaja II, 380. 113 H.-J. Hermisson, Deuterojesaja II, 363. Siehe auch Jes 45,18–25; 49,1–6; vgl. das Staunen der Heiden in Jes 52,15. Vor allem Paulus hat die universalen Aussagen des deuterojesajanischen Textes aufgegriffen; siehe dazu unten S. 327 bei Anm. 168–170. Für Lukas haben die Gottesknechtslieder dann besonderes Gewicht. Vgl. auch oben S. 312 mit Anm. 84. 114 Jes 49,11 f.22. 109
110 LXX:
318
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
8.3.4 Das Land Abrahams in frühjüdischen Texten Im Genesisapokryphon aus Qumran115 erhält Abraham in Bethel eine nächtliche Vision, in der ihm Gott befiehlt, nach Ramat Hazor zu gehen, das im Norden von Bethel liegt, und dort nach Osten, Westen, Süden und Norden zu schauen: »Sieh auf all das Land, das ich dir und deinem Samen in Ewigkeit gebe.« Abraham folgt dem Befehl und sieht am folgenden Morgen von Ramat Hazor aus das Land vom »Fluß Ägyptens« bis zum Libanon und zum Senir und vom großen Meer bis zum Hauran, und alles Land von Gebal bis nach Qadesch und die ganze große Wüste, die östlich vom Hauran und Senir ist, bis hin zum Euphrat. Den Grundtext bildet Gen 13,14–18. Die beiden äußersten Enden im Süden und im Norden des Landes sind aus Gen 15,18 genommen. Der Befehl in Gen 13,17: »Mach dich auf und durchzieh es in seiner Länge und seiner Breite« wird ergänzt um einen ausführlichen Ausführungsbericht. Abraham beginnt seine Reise am Fluß Gihon, der hier mit dem Nil identifiziert wird,116 geht die Mittelmeerküste nach Norden entlang, bis er den Berg des Stieres, den Taurus, erreicht; dort wendet er sich ab von der Küste nach Osten »durch die Breite des Landes«, bis er an den »Fluß Euphrat« kommt. Er geht weiter nach Osten den Euphrat entlang bis an das Rote Meer, also den heutigen Persischen bzw. Arabischen Golf, weiter die Küste und am Golf von Aden entlang rings um die arabische Halbinsel, bis er zum Schilfmeer, dem heutigen Roten Meer, kommt und wieder am Nil eintrifft. Diese erstaunliche »Rundreise« mag der Autor einer geographischen Quelle entnommen haben.117 Der Anlaß, sie aufzunehmen, war die Angabe in Gen 15,18 über den Umfang des verheißenen Landes. Nach seiner Reise läßt sich Abraham bei den Eichen von Mamre nördlich von Hebron nieder, baut einen Altar und hält ein Festmahl mit seinem ganzen Haus, zu dem er seine Freunde, die drei amoritischen Brüder Mamre, Anrem und Eschkol, einlädt.118 Abrahams Land umfaßt danach ganz Syrien und die arabische Halbinsel. Seine Inbesitznahme endet, so friedlich wie sie begonnen hat, mit der Errichtung des Heiligtums und dem gemeinsamen Mahl mit den heidnischen Ureinwohnern, die Abrahams Freunde sind und nicht Frevler, die aus dem Land verschwinden müßten.119 Wie 115 1 QapGen ar XXI,8–22 (ed. F. García Martinéz / E. J. C. Tigchelaar, Dead Sea Scrolls I, 44 f.). 116 Vgl. Gen 2,13: Der Fluß Gihon umfließt das Land Kusch und bildet das Südende der Erde. 117 Dafür sprechen die unterschiedlichen Bezeichnungen, etwa Gihon für Nil, und der Ausgangs‑ und Endpunkt der Reise jeweils am Nil und nicht in Ramat Hazor, wo sich Abraham ja gerade befindet. 118 Gen 13,18 dagegen berichtet nur von der Niederlassung in Mamre und vom Bau des Altars. 119 Die drei amoritischen Brüder sind aus Gen 14,13.24 entlehnt: »Abram« wohnte bei der Eiche des Amoriters Mamre, des Bruders von Eschkol und Aner / Anrem; sie sind auch seine Bundesgenossen im Krieg. In Gen 15,16.21 gehören sie zu den Völkern, die ›enteignet‹ werden.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
319
in Ez 47,15 ff.21 ff. wird das Land in riesigen Ausmaßen beschrieben, und die Fremden darin werden gleichberechtigt behandelt.120 Die schönste Stelle zum »Land Abrahams« verdanken wir dem Verfasser des Buches Tobit. Er schrieb um ca. 200 v. Chr. – ich vermute in Jerusalem – sein Buch in aramäischer Sprache; hier hatte er am Tempel eine Bibliothek zur Verfügung, die ihm seine gelehrte Schriftstellerei im Musivstil ermöglichte.121 Vielleicht war er ein frommes Mitglied des auch in dieser Zeit noch mächtigen Clans der Tobiaden, der unter anderem den berüchtigt schlechten Eigenschaften seiner Familie (zweifelhafte Herkunft, Mischehen, Eskapaden, Laxheit in Gesetzesfragen, Bankgeschäfte mit großen Bestechungssummen) das Ideal des gesetzestreuen Vorfahren Tobit und dessen Familie entgegenstellt. In Kapitel 14, der Abschiedsrede Tobits vor seinem Tod, prophezeit dieser seinem Sohn Tobiah, daß das Elend der Diaspora nicht ewig dauern werde, sondern nur »5 … bis zu der Zeit, da die Zeit der Weltzeiten (χρόνος τῶν καιρῶν) vollendet ist. Danach werden sie alle zurückkehren aus ihrer Gefangenschaft und Jerusalem ehrenvoll aufbauen, und das Haus Gottes wird in ihr gebaut werden, wie die Profeten Israels über es gesagt haben. 6 Und alle Völker im ganzen Land, alle werden umkehren und Gott wahrhaft fürchten, und sie werden alle ihre Götzenbilder wegwerfen und diejenigen, die sie auf ihren lügenhaften Irrweg in die Irre geführt haben […], und sie werden preisen den Gott der Ewigkeit in Gerechtigkeit. 7 Alle Söhne Israels, die in jenen Tagen gerettet werden, weil sie Gottes gedenken in Wahrheit, werden zusammengeführt, und sie werden nach Jerusalem kommen, und sie werden wohnen im Land Abrahams in Sicherheit, und es wird ihnen gegeben werden. Und die, die Gott lieben in Wahrheit, werden sich freuen, und die, die Sünde tun und Ungerechtigkeit, werden verschwinden aus dem ganzen Land.«122 120 So
auch S. Freyne, Geography of Restoration, 415. Josephus, Ant. 12,160, lebte die Familie in Jerusalem. Um 210 v. Chr. erhält Hyrkan (Enkel des Tobias des Tobiadenromans, der auch in den Zenon-Papyri erscheint) den Oberbefehl in der ptolemäischen Kleruchie im Ostjordanland und verfeindet sich deshalb mit seiner Familie in Jerusalem. Der Tobiadenroman, den Josephus als Quelle verwendet, wurde wohl in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts in Ägypten verfaßt. Zeugte schon der Briefwechsel zwischen Zenon und Tobias von einer laxen Haltung gegenüber dem Gesetz, so zeigt sich dieser Roman völlig »säkular«. Siehe dazu M. Hengel, Judentum und Hellenismus, 486–503. Unter dem Oniaden Simon II. um 200 v. Chr. erstarkte die ›fromme‹ priesterliche Gegenpartei und konnte sich zeitweise gegen die Tobiaden durchsetzen. 122 Tob 14,5b–7 LXX; zur Übersetzung von G II (Sinaiticus etc.) vgl. B. Ego, in: LXX.D, 661. Der aramäische Text ist in 4Q198 fragmentarisch und in 4Q196 sehr bruchstückhaft erhalten, aber das Fragment bestätigt, daß G II hier den ursprünglichen Text erhalten hat; siehe J. A. Fitzmyer, Tobit, 328–331. Der Kurztext G I hat das »Land Abrahams« gestrichen. In 4Q198 ist Tob 14,2–6 fragmentarisch auf aramäisch erhalten; in Z. 7 kann man »wohnend im Land Israels alle« lesen, was Tob 14,4 in G II entspricht; siehe M. Hallermayer, Tobit, 129 ff. 4Q196 frag. 19 ist ein kleines Textbruchstück von Tob 14,7, in dem Fitzmyer das Mem von Abraham ergänzen kann; siehe auch M. Hallermayer, Tobit, 88. 121 Nach
320
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Tobit aus dem (Nord‑)Stamm Naphtali prophezeit nicht nur die Rückkehr der nach Assur und Babylon in die Gefangenschaft Verschleppten, sondern die eschatologische Zukunft des Heiligen Landes und seiner Bewohner. Die Völker, die im Land wohnen, werden sich bekehren, dann wird auch die gesamte Diaspora zurückkehren.123 Dreimal wird dieses Land als das »Land Israel(s)«124 gekennzeichnet; der Terminus wird verwendet für das Gesamtreich vor dem Abfall der Nordstämme und das Gebiet, das die Südstämme vor125 und nach dem Exil bewohnen. Die Rückkehr aus Babylon und der Bau des Zweiten Tempels waren nur ein bescheidener Wiederanfang und gehören noch zu der Zeit »der Weltzeiten«. Nach der endzeitlichen Rückkehr werden alle Völker »des ganzen Landes« – bzw., wie man zumeist übersetzt, »der ganzen Erde« – vom Götzendienst ablassen und sich zum wahren Gott bekehren. Es ist schwer zu entscheiden, ob ursprünglich die Völker des Landes oder die Völker der ganzen Erde gemeint sind.126 Die sekundäre G I-Version klärt den Sachverhalt dann und spricht eindeutig von »allen Völkern« ohne Zusatz. Das scheint ein Indiz dafür zu sein, daß der Autor ursprünglich an die Völker dachte, die das Heilige Land bewohnen. Es gibt dafür noch weitere Gründe.
123 Vgl. zur Sicht Deuterojesajas, für den die Umkehr Israels die Voraussetzung für die Rettung der Völker ist, oben bei Anm. 113. 124 Tob 14,4 f. Dem entspricht der Beginn des Buches, wo Tobit (1,4) auch seine Heimat als das »Land Israels« bezeichnet, aus dem er gefangen in das assyrische Exil geführt wurde. Das »Land Israels« ist eine biblische Wendung, findet sich aber auch in der Tempelrolle, im halachischen Lehrbrief aus Qumran und im Neuen Testament. Vgl. 1 Sam 13,19; 2 Kön 5,2.4; 6,23; 11QTemplea (11Q19) 58,6; 4QMMT B 63; Mt 2,20 f. Die rabbinischen Texte sprechen sehr oft vom »Land Israel«; davon, daß Bill. I, 90 f., nur zwei Belege nennt (mChal 4,8; tChal 2,11 [99 ed. Zuckermandel]), darf man sich nicht irreführen lassen. 125 Das »Land Israel«, aus dem sie vertrieben werden, wird zusätzlich »das gute Land« genannt (Tob 14,4). 126 Tob 14,6: ἐν ὅλῃ τῇ γῇ. In Tob 13,11 werden viele Völker von den Enden der Erde in das Jerusalemer Heiligtum mit ihren Geschenken für Gott kommen. Während es in c. 13 um den endzeitlichen Bau von Tempel und Stadt geht, steht in c. 14 mehr das endzeitliche Land im Zentrum. Vgl. zum eschatologischen Heil für alle Völker, die Gott dienen und sich in seinem Tempel versammeln werden, 1 Hen 10,21. In 1 Hen 90,33–38 werden die »wilden Tiere« und »die Vögel« im messianischen Reich verwandelt und alle zu »weißen Bullen« werden. Das bedeutet in der Symbolsprache der Tierapokalypse: Die Völker werden dann wieder gerecht sein wie die frommen Urväter zwischen Adam und Isaak; weiter 1 Hen 48,4 (der Messias / Menschensohn wird das Licht der Völker sein). Zum Universalismus in 1 Hen 90 siehe M. Hengel, Judentum und Hellenismus, 342 ff.; dagegen sieht W. Kraus, Zwischen Jerusalem und Antiochia, 71, in 1 Hen 90 die »Konzeption einer eschatologischen Gleichstellung der Völker mit Israel im Sinn einer ›Rückkehr‹ in den Stand der Abrahamssohnschaft« belegt. Aber Abraham wird im Äthiopischen Henochbuch nicht als Vater der Völker hervorgehoben, das scheint vielmehr Adam als Vater des Menschengeschlechts zu sein; vgl. 1 Hen 85,3, dort werden Adam und Eva erwähnt als »weißer Bulle« und »Färse«, siehe S. Uhlig, Das äthiopische Henochbuch, 679.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
321
Dieses eschatologische Land wird im Gegensatz zum »Land Israels« das »Land Abrahams«127 genannt. Von den Auslegern wird etwa auf die Erfüllung von Dtn 12,10 verwiesen.128 Das ist sicher richtig, aber das Land Abrahams wird dort nicht erwähnt, und in Dtn 1,8; 6,10; 30,20; 34,4 handelt es sich immer formelhaft um das Land »Abrahams, Isaaks und Jakobs«, das nicht mehr als das alte Kanaan umfaßt. Wegen dieser klaren Unterscheidung zwischen dem »Land Israels« und der endzeitlichen Erfüllung der Verheißung mit der Gabe des »Landes Abrahams« ist anzunehmen, daß der Verfasser des Tobitbuches hier die Verheißungen Moses ergänzt und durch die Abrahamverheißung von Gen 15,18 präzisiert. Er denkt also an diese ›utopische‹ Ausdehnung des Landes, in dem alle Völker, die zwischen Nil und Euphrat wohnen, ihren Götzen adieu sagen und sich der wahren Gottesverehrung auf dem Zion zuwenden. Das Land muß so groß sein, um – neben den alten Bewohnern – zugleich Platz für alle wahren Israeliten zu bieten, die sich dann zu ihrem Gott bekehrt haben werden und aus dem Exil zurückkehren dürfen, nachdem sie zusammengesammelt worden sind (vgl. Jes 27,12 f.). Sünder und Ungerechte dagegen müssen das Land verlassen. Das Tobitbuch wird von Fitzmyer aus sprachlichen Gründen in dieselbe Zeit datiert wie das Genesisapokryphon – also um ca. 200 v. Chr.129 Die Verheißung an Abraham von Gen 15,18 wird auch im Sirachbuch, im Lob der Väter, aufgenommen.130 In typischem Musivstil verbindet Ben Sira die Verheißung von Gen 12,2 f.131 mit Ps 72,8 = Sach 9,10, aber auch Gen 15,5 und 15,18 klingen an. In Sir 44,21 heißt es über Abraham: »Darum bestätigte er ihm durch einen Schwur, durch seinen Samen Völker zu segnen;132 ihn zahlreich zu machen wie den Staub der Erde133 und wie Sterne134 seinen Samen zu erhöhen; ihnen Erbbesitz zu geben vom Meer bis zum Meer, vom Strom bis an die Enden der Erde135.«
Tob 14,7: ἐν τῇ γῇ Αβρααμ. Vgl. B. Ego, Tobit, 1002 Anm. 14c, die auch auf die Übereinstimmungen von G II mit LXX aufmerksam macht. J. A. Fitzmyer, Tobit, 331, verweist zudem auf Jes 60,21 und meint: »›The land of Abraham‹ refers to the promise made by God in Deut 1:8; 6:10; 30:20; 34:4«; so wieder R. L. Littman, Tobit, 157. Kein Ausleger scheint auf den Bezug zu Gen 15,18 zu verweisen. 129 J. A. Fitzmyer, Tobit, 51: »between 225 and 175 B. C.«. 130 Sir 44,21. 131 Mehrungsverheißung und Segen für die Völker. 132 Gen 12,2 f.; 13,16; 18,18; 22,18; 26,4; 28,14 u. ö. 133 Gen 13,16; 28,14. 134 Gen 15,5; 22,17; 26,4. 135 Sach 9,10; Ps 72,8, vgl. Gen 15,18. 127 128
322
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Die Ausdehnung vom »Meer bis zum Meer« und vom »Strom bis an die Enden der Erde« versteht man besser, wenn man die Beschreibung des Landes aus dem Genesisapokryphon im Ohr hat. Das Land, das Abrahams Nachkommen erhalten werden, erstreckt sich vom Mittelmeer bis zum Persischen Golf, vom Euphrat bis zum Gihon, dem Fluß am südlichen Ende der Erde, der das Land Kusch umfließt.136 Es handelt sich also um den dritten Beleg aus der Zeit um 200 v. Chr., der sich mit der eschatologischen Erfüllung der Landverheißung an Abraham beschäftigt und der sich unter anderem an Gen 15,18 orientiert und die Universalisierung aus der Zeit um 300 v. Chr. weiterführt. Das um die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. abgefaßte Jubiläenbuch sieht die Dinge – nach der Krise der hellenistischen Reform in Jerusalem – wieder anders.137 Denn die hellenistischen Reformer hatten propagiert: »Laßt uns gehen und mit den Völkern, die rings um uns sind (τῶν κύκλῳ ἡμῶν), einen Bund schließen, denn seitdem wir uns von ihnen abgesondert haben, traf uns viel Unglück … Da bauten sie ein Gymnasion in Jerusalem nach der Sitte der Heiden und stellten ihre Vorhaut wieder her und fielen so ab vom heiligen Bund. Sie verbanden sich mit den Völkern und verkauften sich dazu, das Böse zu tun.«138
Die Reformer begingen Verrat am Beschneidungsbund, der Abraham gegeben worden war, und schlossen einen Bund mit den Völkern, führten einen paganen Kult auf dem Zion ein, verfielen in eine »Blüte des Hellenismus« (ἀκμή τις Ἑλληνισμοῦ) und anderes mehr.139 Gegen all dies wettert der Autor des Jubiläenbuches und wehrt sich gegen den Vorwurf, die Israeliten hätten bei der Eroberung des Heiligen Landes den Völkern ihre angestammten Gebiete gestohlen. Nein, bei der Aufteilung der Welt unter Noahs Söhne bekamen Sem und Arphaxad das Gebiet in der Mitte der Erde zugesprochen, in dem dann Kanaan unrechtmäßig, Abraham aber rechtmäßig siedelte. Die Landnahme wird auf das »Jubiläum der Jubiläen« datiert, alle Ansprüche anderer Völker auf dieses Gebiet werden schroff abgelehnt. In der Paraphrase von Gen 15 in Jub 14 wird auch Gen 15,18 wörtlich zitiert und werden dazu alle zehn Völker von Gen 15,19 ff. aufgezählt, deren Land Abrahams Same erhält. Die Amoriter, die im Genesisapokryphon Abrahams Gastfreunde sind, bezeichnet das Jubiläenbuch als die schlimmsten Sünder, ein Volk, das »seine Sünden voll gemacht hat«.140 136 Gen
2,13. Jubiläenbuch als Reaktion auf die hellenistische Reform in Jerusalem unter den Hohenpriestern Jason und Menelaos vgl. M. Hengel, Judentum und Hellenismus, 486 ff.; J. Frey, Weltbild, 286 (mit Verweis auf weitere Literatur). Vgl. auch K. Berger, Art. Jubiläenbuch, RGG4 4 (2001), 594 f. 138 1 Makk 1,11–15; siehe dazu M. Hengel, Judentum und Hellenismus, 466 ff.; weiter J. Frey, Weltbild, 286 f. 139 Vgl. 2 Makk 4,13. 140 Jub 14,16; 29,11: »[D]ie bösen und sündigen Amoriter wohnten an ihrer Stelle. Und es gibt heute kein Volk so wie sie, das alle ihre Sünden erfüllt hat« (Übersetzung K. Berger); 137 Zum
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
323
Abraham freut sich, denn »der Herr hatte ihm Samen auf der Erde gegeben, damit er die Erde erbe«.141 Vor seinem Tod segnet Abraham seinen Sohn Jakob und ermahnt ihn: »Trenne dich von den Völkern und iß nicht mit ihnen«142 und warnt vor ihrem Götzendienst. Jakob wird in der kommenden Welt »die ganze Erde erben« (Jub 22,14), alle, die Götzen angebetet haben, werden gerichtet und nicht auferstehen (Jub 22,22). In Jub 32,18 f. wird die Weltherrschaft Israels in der Verheißung an Jakob in Bethel noch einmal unterstrichen. Nach dem Endgericht über die Völker wird Israel über die ganze Erde herrschen.143 Die groß angelegte Beschreibung der Welt in Raum und Zeit und die Erzväterüberlieferung dienten im Jubiläenbuch dem Beweis der Legitimität des Landbesitzes und der schroffen Ablehnung der heidnischen Völker. Sowohl das Jubiläenbuch wie das Genesisapokryphon wurden von den Frommen in Qumran gelesen. Ihr Herz schlug eher beim Rigorismus des Jubiläenbuchs.144 Die dritte Sibylle scheint dagegen damit zu rechnen, daß die Völkerwelt (»alle Inseln und Städte«145) in der Endzeit auch Anteil am Heiligen Land erhalten wird. Wenn die »Söhne des großen Gottes … um den Tempel herum in Ruhe leben« und unter dem mächtigen Schutz Gottes146 in Frieden leben »in Städten und Dörfern«,147 dann setzt auch die Abkehr der Heiden von ihren Götzen ein. Diese sollen dann mit ihrer Hinwendung zum Tempel in Jerusalem, zum Gesetz und zum weltweiten Frieden schließlich auch die Mahnung und die Verheißung beherzigen: »Diene dem großen Gott, damit du hieran Anteil erhältst.«148 In diesem Anteil an den Heilsgütern ist doch wohl auch der Anteil am Land mit eingeschlossen, das in V. 735 erwähnt wird.149 Nach dem Gericht bricht die vgl. LibAnt 25,9; 26,4; 27,9 u. ö., dazu K. Berger, Jubiläen, 403.468. Gen 15,16 begründete die 400 Jahre dauernde ägyptische Sklaverei damit, daß die Amoriter damals ihre Sünden noch nicht vollgemacht hatten. Vgl. oben S. 316 bei Anm. 106. 141 Jub 17,3; vgl. Röm 4,13. 142 Jub 22,16–22. 143 Vgl. Jub 9,15; 32,19: das Gericht über die Völker; 32,21 f.; 32,18 f.: die Weltherrschaft Israels; vgl. dazu J. M. Scott, Geography, 111.233. 144 Vgl. dazu R. Deines, Abwehr. Vgl. auch die Beschreibung der Herrschaft des Messias über das Zwölfstämmevolk, das der Messias »in ihren Stämmen im Land verteilen wird, aber kein Fremder und Ausländer wird zukünftig unter ihnen wohnen«. Die Völkerwelt muß diesem davidischen Herrscher dienen, darf aber in das gereinigte und geheiligte Jerusalem zur Wallfahrt kommen (PsSal 17,26–46); siehe dazu W. Horbury, Beginnings, 16. 145 Sib 3,710 f. 146 Sib 3,706 zitiert dazu Sach 2,9: Gott selbst umgibt sie als »eine Mauer aus flammendem Feuer«. 147 Sib 3,707. 148 Sib 3,740: ἵνα τῶνδε μετάσχῃς bezieht sich doch wohl auf alle genannten eschatologischen Heilsgüter. Die Verse 715–731 sind mit ihrer Aufforderung zum weltweiten Lob des Gottes Israels als des großen Königs und der Völkerwallfahrt zum Zion am Vorbild von Ps 95–100 ausgerichtet, siehe H. Merkel, Sibyllinen, 1104 Anm. 715a. 149 Sib 3,702–740. Die Verse 725–731 wurden von J. Geffcken im Anschluß an U. von Wilamowitz-Moellendorff als »alberne Interpolation« betrachtet; siehe H. Merkel, Sibyllinen,
324
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Königsherrschaft Gottes für alle frommen Menschen an mit paradiesischer Fruchtbarkeit und Tierfrieden, denn »voller Frieden kommt über die Erde / das Land der Gerechten«.150 Der Jerusalemer Tempel steht im Zentrum der ewigen Gottesherrschaft (V. 767) und ist der einzige Tempel in diesem eschatologischen Land, das dann die ganze Erde umfaßt, in der ein einziges Gesetz herrscht.151 Gott wird als unvergängliches Licht in Jerusalem wohnen, und der vom Profeten Jesaja angekündigte Tierfrieden bricht an.152 Den Niedergang des Seleukidenreiches nutzten die Hasmonäer dazu, das seleukidische Joch abzuschütteln, und sie eroberten im Süden Idumaea,153 im Norden ituräisches Gebiet154 und kolonisierten Galilaea mit jüdischen Siedlern.155 Die hellenistischen Städte zerstörten sie, soweit sie dazu in der Lage waren, ebenso den Tempel auf dem Garizim und Sichem, die Hauptstadt der Samaritaner. Idumäische Bevölkerung im Süden und ituräische im Norden, in Galilaea, durfte im Land wohnen bleiben, sofern sie sich beschneiden ließ.156 In 1 Makk 15,33 f. rechtfertigt der Hohepriester und Dynastiegründer Simon diese Eroberungspolitik: »Wir haben uns weder fremdes Land angeeignet noch uns fremden Besitzes bemächtigt, sondern das Erbe unserer Väter [zurückerobert], das von unseren Feinden zu einer gewissen Zeit willkürlich in Besitz genommen worden war. Wir aber halten … an dem Erbe unserer Väter fest.«157
Bei Josephus läßt sich in seiner Beschreibung der Verheißung an Abraham, der siegreichen kriegerischen Landnahme, der Eroberungen Davids, Jerobeams II. und der Makkabäer der patriotische Stolz auf die glorreiche Vergangenheit 1105 Anm. 725a, der noch meinte, daß Geffcken »damit aber kaum Gefolgschaft gefunden« habe. Doch J.-D. Gauger, Sibyllinische Weissagungen, 106 f., streicht die Verse wieder ohne weitere Begründung. Vgl. dagegen F. Avemarie, Tauferzählungen, 344, der ebenfalls darauf verweist, daß auch das Heilige Land in V. 735 genannt wird. 150 Sib 3,780: πᾶσα γὰρ εἰρήνη ἀγαθῶν ἐπὶ γαῖαν ἱκνεῖται. 151 Sib 3,772–784. Zum »gemeinsamen Gesetz auf der ganzen Erde«, das Gott festlegen wird, siehe Sib 3,757 f.; vgl. A. M. Schwemer, Diatheke, bes. 101 f. 152 Sib 3,787–794; vgl. Jes 11,6 ff.; 2 Bar 73,6; Philo, Praem. 85–90; Vergil, Eclogae 4,18–25 (SCBO, 10 ed. Mynors). 153 1 Makk 5,3 ff.; 2 Makk 10,17; 12,32. Das alte Edom galt nun als das Stammesgebiet von Simeon. In der Jona-Vita der Vitae Prophetarum wird der Profet im Grab des Kenaz beigesetzt; siehe A. M. Schwemer, Prophetenlegenden I, 72 f.: Drei Profeten kommen aus dem Stamm Simeon, was die Bedeutung des an Judaea im Süden angrenzenden idumäischen Gebiets nach der hasmonäischen Eroberung und Zwangsjudaisierung zeigt; dies., Prophetenlegenden II, 76 ff. (zu Jona); vgl. auch dies., Vitae Prophetarum, 620 f. 154 Das als Gebiet der Nordstämme galt; vgl. Josephus, Ant. 13,318 f. 155 Siehe dazu die Untersuchungen von S. Freyne, Galilee; ders., Galilee, Jesus and the Gospels; ders., Galilee and Gospel; vgl. E. A. Knauf, Art. Israel. II f) Hasmonäer und Römer, RGG4 4 (2001), 291 ff. 156 Vgl. dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 274. 157 Zur Übersetzung vgl. auch K.-D. Schunck, 1. Makkabäerbuch, 363.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
325
erkennen.158 Zweimal betont er in der Verheißung an Abraham die kriegerische Eroberung des ganzen Landes Kanaan (vgl. Gen 22,17), das sich »von Sidon bis Ägypten« erstreckt.159 Er interpretiert die Landverheißung nicht eschatologisch. Über seine endzeitlichen Hoffnungen schweigt er zumeist in seinen Werken, was in seiner Lage bei der Abfassung der Antiquitates und von Contra Apionem in Rom unter dem ›Judenhasser‹ Domitian nur zu verständlich ist. Daß er die endzeitlichen Hoffnungen seines Volkes teilt, deutet er in seiner Auslegung des Bileamorakels und des Danielbuches an: Rom ist nur das vierte Reich, das jetzt an der Macht ist und am Ende bei der »Wende der Äonen« und der Auferstehung der Toten verschwindet und dem Gottesreich Platz machen muß.160 In seinem Buch über Abraham schreibt Philo nichts über die Landverheißung. Ja, man könnte meinen, daß er, der Gen 15,18 allegorisch auslegt,161 nichts von der eschatologischen Bedeutung dieser Verheißung an Abraham wüßte. Aber in De praemiis et poenis zeigt er sich mit den eschatologischen Hoffnungen seines Volkes vertraut. Dazu eine kurze Paraphrase: Auf einen Signalton hin werden die Israeliten aus aller Welt zur Rückkehr in ihr Land aufbrechen in Begleitung der Proselyten. Die Wüste wird fruchtbar werden, und die Städte, die in Ruinen lagen, werden wiedererbaut, so daß das Land diese große Menge Menschen aufnehmen kann. Die Gebete der Erzväter unterstützen diesen endzeitlichen Zug von Israeliten und Proselyten ins Heilige Land.162
Daß der philosophisch gebildete Exeget Philo, ein Bruder des mit der herodianischen Familie verwandten Alabarchen Alexander, aus einer Familie, die man ihres Reichtums wegen die »Rothschilds« ihrer Zeit nannte, diese »chi158 Abraham: Ant. 1,185.191; Jakob: Ant. 2,194 f.; Kundschafter durchziehen das Land von Ägypten bis Hamath: Ant. 3,303 (vgl. Num 13,21); Davids Sieg über die Syrer: Ant. 7,107 f.; 8,160 ff.; Jerobeam II.: Ant. 9,206 f.; Makkabäer Jonathan: Ant. 13,174 (vgl. 1 Makk 12,24 ff.); siehe ausführlicher M. Hengel, Liste, 52–68 (bes. 66 f.) = erweitert und mit einem Nachwort versehen in: ders., KS VI, 191–211 (bes. 208 ff.). 159 In Josephus, Ant. 1,191, in der Paraphrase von Gen 17,1, verheißt Gott Abraham, daß er durch seinen Sohn Isaak »große Völker« und Könige als Nachkommen haben werde, die »durch kriegerische Eroberung ganz Kanaan in Besitz nehmen werden von Sidon bis Ägypten« (πολεμήσαντες καθέξουσιν τὴν Χαναναίαν ἅπασαν ἀπὸ Σιδῶνος μέχρι Αἰγύπτου). Vgl. Ant. 1,185, dort wandelt Josephus die Szene mit den Opferhälften ab, ganz ohne Feuerofen und Fackel verheißt eine Himmelsstimme 400 Jahre »schlechte Nachbarn in Ägypten«, nach dem Sieg über diese »und nachdem sie die Kanaanäer in der Schlacht überwältigt hätten, würden sie deren Land und Städte in Besitz nehmen«. Josephus mildert die göttliche Schwurhandlung in eine Himmelsstimme ab und verzichtet zunächst auf die utopischen Ausmaße des Landes von Gen 15,18. 160 Siehe dazu A. M. Schwemer, Gottesherrschaft bei Josephus. 161 Vgl. Philo, Her. 313 f. 162 Kurze Paraphrase von Philo, Praem. 164–168; vgl. A. M. Schwemer, Diatheke, 104 f. Philo zitiert in Praem. 158 auch Jes 54,1: »Freue dich, Unfruchtbare!« J. C. de Vos, Bedeutung, besonders 80 f., unterschätzt die eschatologische Bedeutung des konkreten Landes. Zu Josephus vgl. A. M. Schwemer, Gottesherrschaft bei Josephus.
326
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
liastischen« Zukunftserwartungen teilt, zeigt deren weite Verbreitung. Diese Hoffnungen waren kein Unterschichtsphänomen, sondern durch die profetischen Verheißungen vorgegeben. In Ps.-Philos Liber Antiquitatum Biblicarum zitiert Josua beim Bundesschluß in Silo Gen 15 in der Gottesrede paraphrasierend und versteht die Landverheißung eschatologisch.163 Josua beginnt mit Jes 51,1 f.: »Aus einem einzigen Felsen habe ich euren Vater ausgehauen«, er erwähnt Abrahams Glauben, seine Rettung aus dem Feuerofen, die Führung nach Kanaan und die Landverheißung und geht dann über zu einer Paraphrase von Gen 15: »Und euer Land wird genannt werden im ganzen Erdkreis, und euer Same wird erwählt sein inmitten der Völker (in medio populorum), die sagen: ›Siehe ein treues Volk, die dem Herrn geglaubt haben, deshalb hat sie der Herr befreit und hat sie eingepflanzt.‹ Deshalb werde ich euch einpflanzen gleichwie einen begehrenswerten Weinstock und werde euch regieren gleichwie eine liebenswerte Herde, und ich werde euch ernähren mit Regen und Tau, und sie werden euch sättigen in der Zeit eures Lebens.«164
Dieses paradiesische Leben mit völlig reiner Speise im Lande unter Gottes Königsherrschaft führen die Israeliten bis zu ihrem jeweiligen individuellen Tod. Wenn dann die Zeit dieses Äons vollendet ist, bricht die Auferstehung der Toten an, bei der Gott den Vätern ihre Söhne und den Söhnen ihre Väter zurückgibt. Interessant an diesem Entwurf ist die chiliastische Erwartung von einem Leben unter Gottes direkter Herrschaft im Lande, das weltweit gepriesen wird von den Völkern, die das Geschehen applaudierend bestaunen. Der Liber Antiquitatum Biblicarum erwartet also ein Zwischenreich im Lande ohne Messias, aber mit Gott als König vor der Auferstehung der Toten und vor dem Anbruch der Neuen Welt, die aber bereits Isaak165 sehen darf. Im Syrischen Baruchbuch (4,5) zeigt Gott Abraham zwischen den Opferhälften, von denen bei der Schwurhandlung in Gen 15 die Rede war, das bei Gott seit Beginn der Schöpfung wie das Paradies vorhandene himmlische Jerusalem, und im 4. Esrabuch (3,14) sieht Abraham bei dieser nächtlichen Traumvision das Ende der Zeiten. Dieses wird in 7,26 f. beschrieben: »Dann wird die unsichtbare Stadt erscheinen und das jetzt verborgene Land sich zeigen. Und jeder, der aus den vorher genannten Plagen gerettet wurde, wird meine Wunder schauen. Denn mein Sohn, der Messias, wird sich denen offenbaren, die bei ihm sind, und wird die Übriggebliebenen glücklich machen 400 Jahre lang.« LibAnt 23,4–13. LibAnt 23,12; zur Übersetzung vgl. C. Dietzfelbinger, Antiquitates Biblicae, 166. 165 LibAnt 23,8: novum ostendi seculum – wie alle Siebenmonatskinder hat er den Vorzug, daß er den neuen Äon schon schauen durfte. 163 164
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
327
Das Ausmaß dieses durchaus irdischen Landes und seine Fruchtbarkeit sind im Verb »glücklich machen« enthalten.166 Danach stirbt der Messias (7,29), und es folgt das Endgericht (7,33–44). Mit einem solchen messianischen »Zwischenreich« nach der Parusie Christi rechnen auch Paulus (1 Kor 15,23–28), die Offenbarung des Johannes (Apk 20,4 f.) und Papias.167 Auf der anderen Seite erfuhren die frühjüdischen eschatologischen Erwartungen gerade bei Paulus ganz charakteristische Umwandlungen. Paulus verstand ja seine Berufung zum Apostel der Völker analog zu der des Profeten Jeremia und der des Gottesknechtes bei Jesaja.168 Vor allem beim letzteren fand er die entscheidenden Profetien für die weltweite Völkermission.169 Das Land Abrahams wurde für ihn die kommende Welt: »Abraham bzw. sein Same … [sollen] Erbe der Welt (κόσμου) sein, aber durch die Glaubensgerechtigkeit.«170 Das erste entspricht – wie wir gesehen haben – dem »eschatologischen Verständnis in zeitgenössischer apokalyptischer Tradition«,171 für Paulus liegt die Betonung im Nachsatz »auf Grund der Glaubensgerechtigkeit«. Das Missionsgebiet und die Missionsziele haben sich für Paulus erweitert, aber Gen 15 blieb für ihn in anderer Hinsicht grundlegend: Durch Glauben wurde Abraham gerechtfertigt, und durch diesen Glauben wurde er der Vater vieler Völker, die ebenfalls das Heil durch den Glauben finden.172 166 Gegen W. Kraus, Volk Gottes, 229, ist dieses Land nicht einfach »ins Jenseits verlegt«; zudem stimmt die Stellenangabe »7,29« nicht. Auch die kommende Welt ist nicht einfach jenseitig; aber bei Gott steht sie mitsamt ihren Heilsgütern – unter anderem dem Land – schon bereit, siehe LibAnt 8,52 ff.; 9,8 f. 167 Zum Zwischenreich bei Paulus siehe W. Horbury, Land, 220; es handelt sich auch bei Paulus um die Erwartung eines auf den Zion und das Land bezogenen messianischen Reiches, nicht einfach um ein himmlisches Reich. Zu Papias siehe Irenäus, Adversus haereses 5,33,3 f. (SC 153, 410–420 ed. Rousseau / Doutreleau / Mercier); Papias malt vor allem die ungeheure Fruchtbarkeit aus; vgl. 2 Bar 29,5; 1 Hen 10,19. Weiter die christliche ›Profetie‹ in 5 Esr 2,10 (Übersetzung NTApo II5, 584): »Dies spricht der Herr zu Esra: Verkündige meinem Volke, daß ich ihnen das Reich Jerusalem geben werde, welches ich Israel geben wollte«; vgl. dazu W. Horbury, Beginnings, 16. 168 Gal 1,15 f.; Jer 1,5; Jes 49,1–6; vgl. dazu A. M. Schwemer, Erinnerung, 285. 169 Jes 49,6; 66,18 ff.; dazu H.-J. Hermisson, Deuterojesaja II, 341.394 f.; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 158 f. u. ö. Vgl. Jer 1,5; Jeremia gilt in frühjüdischer Zeit als der Profet für die Völker, was in der Regel übersehen wird; zu ihm siehe A. M. Schwemer, Prophetenlegenden I, 171–180. 170 Röm 4,13; vgl. U. Heckel, Segen, 152. W. D. Davies, Gospel, 168–185 u. ö., unterstrich, daß die Verheißung des Landes bei Paulus keine Rolle mehr spiele (179: »had become irrelevant«), deshalb gehe er nicht darauf ein. Siehe dagegen W. Horbury, Land, besonders 219–222. 171 U. Wilckens, Röm I, 269, der auch auf die entsprechenden Belege im Jubiläenbuch, im Syrischen Baruch und in 4. Esra verweist. 172 Röm 4,16–22; Gal 2,16 ff.; 3,6–4,8: Gott rechtfertigt die Heiden aus Glauben wie Abraham in Gen 15,6. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 162–173 u. ö.; U. Heckel, Segen, 112–159.
328
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Die Bedeutung Abrahams als ersten Proselyten und Vaters vieler Völker wie die des ihm verheißenen Landes bleibt so auch in den späteren Briefen des Paulus deutlich erhalten, obwohl in ihnen nicht mehr erkennbar ist, warum die früheste christliche Mission fast zwei Jahrzehnte auf das Gebiet von »Abrahams Land« beschränkt blieb.
8.3.5 Zusammenfassung Als Ergebnis dieses längeren Abschnittes läßt sich festhalten, daß diese durchaus chiliastischen frühjüdischen Erwartungen eines endzeitlichen heilvollen Zustandes in dem Land, das Abraham einst verheißen worden war, und eines glücklichen Lebens seiner Bewohner in Frieden und Wohlstand den Hintergrund bilden, auf dem wir das Verhalten der urchristlichen Missionare in dieser Zeit besser verstehen können. 1. Die Vertreibung der Hellenisten aus Jerusalem und ihre Hinwendung zu den »Randsiedlern« Israels bei ihrer Flucht in die hellenistischen Städte Phöniziens und Syriens mit ihrer zahlreichen jüdischen Bevölkerung und den griechisch gebildeten heidnischen Sympathisanten im Umfeld der Synagogen in diesen Städten führten zur christlichen Mission in Syrien. 2. Neben die Vorstellung von Syrien als Teil des bereits Abraham verheißenen endzeitlichen Landes, wie sie sich in den Erwartungen über die Ausdehnung des messianischen Reichs in Entsprechung zu dem Davids in den frühjüdischen Abrahamüberlieferungen feststellen läßt, tritt zudem 3. die Erwartung, daß in diesem verheißenen Land Israel und die Völker, miteinander vereint durch die Verehrung des einen Gottes, friedlich leben können. 4. Die Vertreibung der Völker aus dem verheißenen Land wird als obsolet angesehen und die Vorschrift zur Beschneidung der Heiden nie erwähnt. Gott reinigt in der Endzeit selbst die Völker durch seinen heiligen Geist.173 5. Die Bedeutung von Gen 15 insgesamt wird selbst in den späteren Briefen des Paulus noch erkennbar, auch wenn sie hier in einer deutlichen Umwandlung und Universalisierung begegnet, insofern Paulus die »Glaubensgerechtigkeit« Abrahams (vgl. Gen 15,6) betont.
173
Siehe oben S. 290 f.; vgl. unten S. 405 f. bei Anm. 41–42.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
329
8.4 Die neue Situation in der Großstadt Antiochia für die Christen174 Die Christen kamen in Antiochia am Orontes, das auch Antiochia bei Daphne genannt wurde, zum ersten Mal in eine wirkliche Weltstadt.175 Die Stadt war seit ihrer Gründung durch Seleukos I. Nikator eine griechische Polis und seit ca. 240 v. Chr. Hauptstadt des Seleukidenreiches und Residenz der Könige. Unter den Römern wurde Antiochia der Sitz des Statthalters, des legatus, und die »Metropole«176 der Provinz Syrien, die bis in die Spätantike ihren griechischen Charakter behielt. Gegründet wurde die Stadt durch einen Synoikismos der griechischen und makedonischen Einwohner von Antigonia und der syrischen Bewohner der umliegenden Dörfer. Vermutlich gab es schon lange vor der offiziellen Gründung griechische Handelsniederlassungen im Orontestal. An sie erinnern die Gründungsmythen und ‑bräuche, in denen Triptolemos und Io / Isis eine besondere Rolle spielen.177 Die Zuwanderung einheimischer Syrer aus dem Umland nahm im Laufe der Jahrhunderte zu, so daß sie zahlenmäßig den griechischen Einwohnern dann weit überlegen waren, aber sie übernahmen – nicht nur in der Oberschicht – rasch die griechische Sprache und Kultur.178 Dasselbe ist für die jüdischen Bewohner anzunehmen. Antiochia soll nach Rom und Alexandria in Ägypten die drittgrößte Stadt des Reiches gewesen sein179 und hatte in der frühen Kaiserzeit um die 200.000 freie Einwohner.180 Es besaß wie Rom und Alexandria eine große jüdische Gemeinde, ja, vermutlich war die Antiochias die größte innerhalb des Imperium 174 Ausführlich zu Antiochia: M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 274–461 (281 Anm. 1146 Bibliographie zur älteren Literatur). Vgl. zur Geschichte Antiochias in dieser Zeit F. Kolb, Antiochia, 99.100.113.116 f.; J. A. Fitzmyer, Acts, 475 f.; M. Zetterholm, Formation, 18–52; G. Brands / W. Hopfner / H. Pamir, Antiochia, 11–16; T. A. Robinson, Ignatius; D.-A. Koch, Geschichte, 195–202; A. M. Schwemer, Entstehungszeit. 175 Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 300. 176 Josephus, Bell. 3,29: μητρόπολίς ἐστι τῆς Συρίας; Ant. 12,119. 177 Strabon, Geographika 16,2,4 f. (Strabons Geographika IV, 308 ff. ed. Radt); Johannes Malalas, Chronographia 2,6 (20 ff. ed. Thurn; Übersetzung: H. Thurn / M. Meier u. a., Johannes Malalas, Weltchronik, 59 f.); Libanios, Or. 11,44–58 (BSGRT, Vol. I/2, 451–455 ed. Förster). Dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 410–413. 178 F. Kolb, Antiochia, 104, unterstreicht zu Recht, daß sich in der Stadt kaum Indizien für syrische Kultur und Religion aus der frühen Kaiserzeit erhalten haben. Vgl. M. Zugmann, Hellenisten, 66–73 zu den literarischen Belegen der Fremd‑ und Selbstbezeichnungen als »Syrer« und »Griechen«. Zur Verbindung von syrischem Nationalstolz und griechischer Bildung siehe schon M. Hengel, Judentum und Hellenismus, 152–161. 179 So Josephus, Bell. 3,29; vgl. Strabon, Geographika 16,2,5 (Strabons Geographika IV, 310,11 ff. ed. Radt); dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 286–293. 180 M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 287 mit dem Hinweis auf den Census von Apamea (Text auch bei L. Boffo, Iscrizioni, 182–216 [183]), der für diese Stadt 118.000 freie Einwohner ergab. Antiochia muß wesentlich größer gewesen sein. Doch die Größe der Stadt und die Zahl ihrer jüdischen Bevölkerung wurden früher häufig überschätzt, siehe die Kritik von F. Kolb, Antiochia, 99 f.
330
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Romanum.181 Die Römer förderten die Stadt, die einst während des Niedergangs des Seleukidenreiches schwer gelitten hatte. Sie war für Rom, seit Pompeius 64 v. Chr. die römische Provinz Syrien eingerichtet hatte, gewissermaßen ein Bollwerk hellenistisch-römischer Zivilisation gegen die Begehrlichkeit der Barbaren des Ostens. Hauptfeind war das Partherreich, gegen dessen Vordringen die römische Politik in Syrien und verschiedene Kriegszüge gerichtet waren. Caesar besuchte die Stadt, stiftete den Bau einer Basilika, »die er Caesareum nannte«, auf der Akropolis ein öffentliches Bad samt Wasserleitung, eine Arena für Gladiatoren und ein Theater, zudem restaurierte er das Pantheon, wie Johannes Malalas berichtet. Vor allem aber verlieh Caesar der Stadt die Freiheit (προετέθη ἐν Ἀντιοχείᾳ ἡ ἐλευθερία αὐτῆς): »… der heiligen und das Asylrecht besitzenden, autonomen, herrschenden Metropole, die den Vorrang führt über den Osten …«182
Am Ausbau der großen Prachtstraße und ihrer Kolonnaden, so weiß es Josephus, beteiligte sich auch der jüdische König Herodes I. Er unterstützte damit das Ansehen der jüdischen Bevölkerung, die entsprechend stolz sein konnte auf die Großzügigkeit ihres philanthropischen Herrschers. Schwere Erdbeben haben die Stadt in dieser Zeit mehrfach heimgesucht, so unter Tiberius und Caligula und dann zu Beginn des 2. Jahrhunderts, als Trajan sich in der Stadt aufhielt, um seinen Partherfeldzug vorzubereiten. Trajan selbst geriet dabei in Gefahr. Der Wiederaufbau wurde von den Kaisern jeweils gefördert und großzügig unterstützt.
8.4.1 Die jüdische Gemeinde Antiochias Die jüdische Bevölkerung geht auf Militärsiedler zurück, die Seleukos I. Nikator um 300 v. Chr. bei der Gründung der Stadt angesiedelt hat und denen er damals schon das Bürgerrecht verliehen haben soll.183 Die Angabe über die frühe Ansiedlung von »Militärkolonisten« wird zuverlässig sein, aber daß sie dieselben bürgerlichen Rechte wie die »Makedonen« und »Griechen« in den 181 H. Bloedhorn, Art. Antiochien, RGG4 1 (1998), 551 f.; zur jüdischen Bevölkerung Antiochias vgl. Schürer III/1, 13 f.126 f.; I. Levinskaya, Antioch; F. Kolb, Antiochia, 99.100.113.116 f.; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 300–312; J. D. G. Dunn, Beginning, 294–297; B. J. Brooten, Jews of Ancient Antioch; M. Bockmuehl, Jewish Law, 56–70; M. Zugmann, Hellenisten, 169–182. 182 Johannes Malalas, Chronographia 9,5 (162 f. ed. Thurn; Übersetzung: H. Thurn / M. Meier u. a., Johannes Malalas, Weltchronik, 225 f.). 183 Josephus, Ant. 12,119–124; Bell. 7,110 f.; Ap. 2,39; vgl. M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 286 ff.; C. Claussen, Versammlung, 236 f. Zu den bei Libanios und Malalas überlieferten Gründungslegenden, die die Anfänge der Stadt auf Griechen unter der Anführerschaft des Triptolemos auf der Suche nach Io zurückführen, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 409–413; M. Zugmann, Hellenisten, 66 f. Vgl. zu Libanios oben Anm. 177.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
331
syrischen Städten und in der Hauptstadt besaßen, wird zumeist mit Recht bezweifelt.184 Die Juden wohnten in Antiochia nicht wie in Alexandria und Rom in einem »relativ geschlossenen Viertel«, sondern über die Stadt hin zerstreut »in verschiedenen Stadtteilen«,185 zumal die Stadt in dieser Zeit noch nicht so dicht besiedelt war. Der jüdische Hohepriester Onias III. fand hier nach seiner Absetzung etwa im Jahr 170 v. Chr. Asyl im Heiligtum von Daphne, das Apollo und Artemis geweiht war. Der heimtückische Mord an ihm erregte die Empörung von Juden und »vielen aus den anderen Völkern« bzw. den »Griechen« in der Stadt, auf deren Beschwerde hin der König Antiochos IV. den Mörder entehren und hinrichten ließ.186 Dank der Gunst der Seleukiden war der jüdische Bevölkerungsteil im Laufe der Jahrhunderte beträchtlich gewachsen. Die Juden waren in Antiochia zur Ausbildung am Gymnasion, einer Voraussetzung des Bürgerrechts, zugelassen. Sie konnten sich auf Grund ihres »Ölprivilegs« vom Gymnasiarchen Geld erstatten lassen und statt des von ihm zur Verfügung gestellten Öls für die Körperpflege beim Sport reines Olivenöl aus der judäischen Heimat besorgen. Dieses Privileg verrät, daß die Antiochener Juden bei aller Hellenisierung in Reinheitsfragen recht sensibel waren.187 Wieweit auch höhere griechische Bildung im Gymnasion von Antiochia seit den Anfängen vermittelt wurde, wissen wir nicht. Die Stadt zog in hellenistischer Zeit und in der frühen Kaiserzeit im Gegensatz zu Alexandria keine berühmten Geistesgrößen an. Den Seleukiden gelang es nicht, ihre Hauptstadt zu einem Zentrum von Wissenschaft und Kultur zu machen. Cicero übertreibt zugunsten seines Klienten, wenn er Antiochia beschreibt als »eine einst stark bevölkerte und wohlhabende Stadt, die als Mittelpunkt hoher Geisteskultur viele Gebildete in ihren Bann zog«.188 Aber den Niedergang in der Spätzeit der Seleukiden spricht er deutlich an. Vermutlich 184 In Bell. 7,43 f. erwähnt Josephus eine volle bürgerliche Gleichstellung mit den »Griechen«; hier handelt es sich um die Erneuerung der jüdischen Rechte, die Antiochos IV. eingeschränkt hatte, durch die Nachfolger dieses Königs. Aber auch diese Angabe ist zweifelhaft, denn in »Wirklichkeit wird es sich nur um besondere Korporationsrechte der dortigen jüdischen Gemeinde gehandelt haben« (M. Hengel, Juden, Griechen und Barbaren, 151); die jüdischen »Militärkolonisten« waren vermutlich später »als ein politeuma innerhalb Antiochias organisiert«, so F. Kolb, Antiochia, 99; vgl. auch M. Zugmann, Hellenisten, 173. 185 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 300; vgl. A. M. Schwemer, Paulus in Antiochien. M. Zugmann, Hellenisten, 170, führt mit Berufung auf C. H. Kraeling u. a. Daphne im Westen, Holeth / Hulatha im Nordosten und Kerataion im Osten an. 186 2 Makk 4,33–38. Dazu M. Zugmann, Hellenisten, 146.171 f.; er wertet 2 Makk 4,35 f. zu Recht als »historisch plausibles Indiz, dass Juden und ›Griechen‹ in Antiochia in gutem Einvernehmen standen« (172, Hervorhebung im Original). 187 Josephus, Ant. 12,120; vgl. dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 287 ff.; M. Zugmann, Hellenisten, 172; A. M. Schwemer, Entstehungszeit, 257. J. Barclay, Antiochia, 205, hält dies dagegen für eine »obskure Nachricht«, sie könne aber nahelegen, daß Antiochener Juden derart »integriert waren, dass sie Mitglieder eines Gymnasiums waren«. 188 Cicero, Pro Archia 2,4 (BSGRT, Fasc. 19, 37,7 ff. ed. Kasten); dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 404.
332
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
trifft auf ihre Bevölkerung in dieser Epoche die Kritik des stoischen Philosophen Poseidonios (135–51 v. Chr.), der aus dem nahegelegenen Apameia stammte, ebenfalls zu, »daß die Syrer die G[ymnasien] hauptsächlich dazu benutzten, sich zu baden, zu ölen, zu parfümieren und dort Gelage zu veranstalten, so als handle es sich um ihre Privathäuser«.189
Sie sollen also keinen ernsthaften Sport betrieben, geschweige denn musische Fächer gepflegt haben. Vom klassischen griechischen Erziehungsideal mit seiner »Verbindung von Bildung des Körpers durch Leibesübungen und Bildung der Seele durch ›Musik‹ als Musenkunst im weitesten Sinn«190 konnte also vermutlich damals auch in Antiochia keine Rede sein. Diese Mißstände verbesserten sich unter römischer Herrschaft, denn die Baumaßnahmen der Kaiser förderten die städtischen religiösen Kulte. Musische und rhetorische Ausbildung bekamen neuen Aufschwung durch die entsprechenden Einrichtungen und Neugründungen. In der frühen Kaiserzeit bestimmten in der Stadt – vermutlich mindestens ebenso glanzvoll wie in Caesarea Maritima – die Veranstaltungen im Theater, Olympische Wettkämpfe, die alle vier Jahre stattfanden, aber auch Gladiatorenkämpfe das öffentliche kulturelle Leben.191 Antiochia blieb auch in römischer Zeit für Juden attraktiv. So kam der jüdische Potentat Samaris zwischen 9 und 6 v. Chr. mit fünfhundert berittenen Bogenschützen und einer Menge von hundert »Verwandten« aus Babylonien zum römischen Statthalter Saturnius nach Antiochia, der sie im Vorort Hulatha ansiedelte.192 Herodes der Große überbot diese Großzügigkeit: Er versprach diesem Samaris Land und bot ihm die Toparchie Batanaea steuerfrei und ohne jede Auflagen an. Dieser nahm an, schützte die Trachonitis vor Räubern und sicherte damit den jüdischen Handels‑ und Pilgerweg zwischen Jerusalem und Babylonien.193 In Antiochia gab es eine große Hauptsynagoge, die mit Weihgeschenken ausgestattet war wie ein Tempel, dazu weitere Synagogen in den Vorstädten, ver189 Athenaios, Deipnosophistai 5,210e–f (BSGRT, Vol. I, 467,3–14 ed. Kaibel); zitiert ist die deutsche Paraphrase von I. Hadot, Art. Gymnasion, DNP 5 (1998), 20–27 (26). 190 T. A . Szlezák, Europa, 115. 191 Zu den Stiftungen von öffentlichen Gebäuden für diese Veranstaltungen durch die Kaiser siehe Johannes Malalas, Chronographia 9,5 (162 f. ed. Thurn; dazu die Übersetzung J. Thurn / M. Meier u. a., Johannes Malalas, Weltchronik, 225 f.); vgl. auch oben S. 330 bei Anm. 181–182. Zur Einrichtung der Olympischen Spiele, vielleicht im Jahr 43/44 n. Chr., vgl. J. Hahn, Metropolis, 55. 192 Zur Datierung vgl. F. Kolb, Antiochia, 99; weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 300 Anm. 1253. 193 Josephus, Ant. 17,23–27.29. Die Steuerfreiheit zog weitere Juden an. Herodes hatte die Gebiete von Paneas, Gaulanitis, Batanaea, Trachonitis und Auranitis um 20 v. Chr. von Augustus erhalten, um dem Räuberunwesen ein Ende zu machen, das auch die Handels‑ und Pilgerwege zwischen Mesopotamien und Palästina unsicher machte; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 91.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
333
mutlich auch im Villenvorort Daphne.194 Vor allem die prachtvolle (Haupt‑)Synagoge übte eine große Anziehungskraft auf heidnische Sympathisanten aus: »Das jüdische Volk ist nämlich stark unter die eingeborene Bevölkerung auf dem ganzen Erdkreis zerstreut; am meisten aber war es in Syrien wegen der Nachbarschaft zu Palästina vertreten und hier besonders in Antiochia wegen der Größe der Stadt; vor allem hatten ihnen die Nachfolger des Antiochos dort ein sorgloses Leben ermöglicht. Antiochos Epiphanes hatte nämlich Jerusalem zerstört und den Tempel geplündert; die Nachfolger auf seinem Thron erstatteten alle ehernen Weihgeschenke den Juden Antiochias zurück und ließen sie in der Synagoge aufstellen (ἀπέδοσαν εἰς τὴν συναγωγὴν αὐτῶν ἀναθέντες). Dazu bewilligten sie ihnen die gleichen Rechte wie den Griechen.195 Da auch die späteren Könige die Juden ebenso behandelten, vermehrte sich ihre Zahl; sie schmückten ihr Heiligtum (τὸ ἱερόν) mit kunstvollen und prächtigen Weihgeschenken, veranlaßten ständig eine Menge Griechen, zu ihren Gottesdiensten zu kommen, und machten diese gewissermaßen zu einem Teil von ihnen (ἀεί τε προσαγόμενοι ταῖς θρησκείαις πολὺ πλῆθος Ἑλλήνων, κἀκείνους τρόπῳ τινὶ μοῖραν αὐτῶν πεποίηντο).«196
Josephus ist die wichtigste Quelle für die Geschichte der Juden in Antiochia in der frühen Kaiserzeit. Er berichtet nicht nur von der unter der Gunst der Seleukiden blühenden Diasporagemeinde und ihrer Treue zum Gesetz, sondern auch von einem besonders schweren Fall von Apostasie. Antiochus, der Sohn des Leiters der jüdischen Gemeinde, verleumdete im Jahr 67 n. Chr. zu Beginn des Ersten Jüdischen Krieges, als Vespasian in Syrien ankam und als der Haß auf die Juden in den syrischen Städten »einen Höhepunkt erreichte«,197 vor der im Theater versammelten antiochenischen Bürgerschaft seinen eigenen Vater und andere Juden, sie hätten sich verschworen, die ganze Stadt in einer Nacht anzuzünden. Daraufhin wurden die im Theater befindlichen Juden sofort verbrannt, und durch ein Pogrom kamen viele weitere ums Leben.198 Als besondere Perfidie – so erwähnt Josephus – verfiel Antiochos auf Opferzwang:
194 Johannes Malalas, Chronographia 10,45 (197 ed. Thurn; vgl. zur Übersetzung J. Thurn / M. Meier u. a., Johannes Malalas, Weltchronik, 269), erwähnt eine Synagoge in Daphne, die nach dem 1. Jüdischen Krieg von Titus beseitigt worden sei, um ein Theater zu erbauen mit der Aufschrift »Aus der Kriegsbeute Judaeas«. Eine Statue für sich selber, die »er sich dort errichten ließ, steht bis zum heutigen Tage«; vgl. dazu auch oben S. 268 Anm. 77. Vermutlich wurde die Synagoge zerstört, um dem Theater Platz zu machen, so zu Recht M. Zetterholm, Formation, 121; aber an der Stelle des Theaters hat man bei Ausgrabungen keine Reste einer Synagoge gefunden, so L. Triebel, Synagoge, 474 f. 195 Siehe dazu oben Anm. 184. 196 Josephus, Bell. 7,43 ff.; zu Text und Übersetzung siehe O. Michel / O. Bauernfeind, Flavius Josephus II/2, 84 f.; vgl. dazu ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 290 f. 197 Josephus, Bell. 7,46. 198 Josephus, Bell. 7,46–49.
334
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
»Antiochos steigerte aber ihren Zorn [d. h. den der paganen Bevölkerung] noch mehr; und weil er glaubte, er müsse einen Beweis seiner Sinnesänderung und seines Hasses gegen die jüdischen Gebräuche erbringen, opferte er nach griechischer Sitte. Dann forderte er die Griechen auf, die anderen Juden zu zwingen, dasselbe zu tun; an der Weigerung würden nämlich die Verschwörer erkannt. Als die Antiochener dies auch wirklich versuchten, ließen sich nur wenige Juden darauf ein; die Widerspenstigen wurden hingerichtet. Antiochos bekam nun vom römischen Statthalter Soldaten, mit denen er seine Mitbürger noch schlimmer bedrängte: Er ließ sie am siebten Tage nicht ruhen, sondern zwang sie … zu arbeiten …«.199
Worin das Opfer »nach griechischer Sitte« bestand, teilt Josephus nicht mit, es wird sich um ein Schwein gehandelt haben. Ein Opfer im Zusammenhang mit dem Kaiserkult ist weniger wahrscheinlich.200 Antiochos bekam Truppen vom Statthalter, weil er vermutlich selbst einen militärischen Posten hatte und mit der Rekrutierung römischer Truppen in Antiochia befaßt war, die in dieser Zeit in der Stadt zum Kampf gegen die aufständischen Juden im Ersten Jüdischen Krieg ausgehoben wurden. Wahrscheinlich wurde in diesem Kontext auch versucht, das Ölprivileg der jüdischen Bürgerschaft Antiochias abzuschaffen.201 Als es dann vier Jahre später wirklich in der Stadt brannte, wurden die Juden ebenfalls verantwortlich gemacht, aber der Statthalter stellte rasch die wahren Schuldigen fest.202 Diese Vorgänge erinnern an den Stadtbrand in Rom wenige Jahre zuvor unter Nero, aber aus Antiochia haben wir keinen Hinweis, daß Christen von diesen Auseinandersetzungen betroffen gewesen wären. Der Fall des Apostaten Antiochos belegt jedoch ebenso wie das Ölprivileg, daß die Oberschicht der Antiochener Juden, zu der die Familie des Archonten gehörte, an der gymnasialen Ausbildung und der Ephebie der Stadt teilnahm. Mit dieser Assimilation war für Juden die Gefahr des Abfalls von der Religion und dem Gesetz der Väter verbunden.203 Besonders energisch warnt das 4. Makkabäerbuch vor dieser Gefahr mit seinem Insistieren darauf, daß jedes Gebot gleich wichtig ist und vor allem die Speisegesetze kein Adiaphoron darstellen, so daß man ihre Gebote leichthin übertreten könnte. Es sei keine kleine Sünde, etwas Unreines zu essen, »denn in kleinen Dingen und in großen Dingen unge199 Josephus, Bell. 7,50–53; Übersetzung von O. Michel / O . Bauernfeind, Flavius Josephus II/2, 85 ff. (Zitat: 87). Vgl. J. M. G. Barclay, Jews, 256 f. (vgl. 322). 200 So der Vorschlag von O. Michel / O. Bauernfeind, Flavius Josephus II/2, 230 Anm. 31. 201 Siehe dazu J. M. G. Barclay, Jews, 256; vgl. oben S. 331. 202 Josephus, Bell. 7,54–62. 203 Josephus stilisiert die Rede des Simri in seiner Nacherzählung der Pinchas-Geschichte als die Empörung eines solchen Apostaten gegen die Gesetzestyrannei des Mose, siehe Ant. 4,145–149; vgl. A. M. Schwemer, Eiferer, 44 f.; dies., Entstehungszeit, 255.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
335
setzlich zu handeln ist völlig gleichwertig«.204 Dieser Grundsatz verrät ebenso wie das Ölprivileg die Nähe zum Mutterland. Wahrscheinlich wurde das 4. Makkabäerbuch in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. in Antiochia verfaßt und stellt ein Zeugnis sowohl für popularphilosophische Bildung wie für Gesetzestreue bei der jüdischen Ober‑ und Mittelschicht in der syrischen Hauptstadt dar. Es ist damit neben Josephus eine der seltenen Quellen für das Selbstverständnis der Antiochener Judenschaft aus der Zeit, als die ersten Christen in die Stadt kamen.205 Der anonyme Autor206 führt den Beweis, daß die »gottesfürchtige Vernunft« durch ihre Erziehung im jüdischen Gesetz souveräne Herrin über alle Leidenschaften, Triebe und Affekte ist, und begründet dies mit dem Beispiel der makkabäischen Märtyrer und ihres heldenhaften Sterbens. Der tapfere Widerstand des greisen Priesters Eleazar und der sieben Jünglinge zusammen mit ihrer Mutter gegen jede Versuchung des Tyrannen Antiochos IV., in rigorosem Gehorsam gegenüber der Tora, verbunden mit der Weigerung, auch nur das kleinste Gebot des Gesetzes zu übertreten, gipfelt in ihrem stellvertretenden Sterben: »Und diese also, die sich heiligten um Gottes willen«, haben erreicht, »dass der Tyrann bestraft und unser Vaterland gereinigt wurde, sind sie doch zu einer Art Ersatzleistung (ἀντίψυχον) für die Sünden des Volkes geworden.«207
Das 4. Makkabäerbuch ist ein wichtiges Zeugnis für die lebendige Weiterentwicklung der jüdischen Märtyrertheologie, für das Sühnemotiv und die Vorstellung vom stellvertretenden Sterben und vom ewigen Leben der Märtyrer bei Gott. Terminologisch berührt es sich eng mit den paulinischen und den ignatianischen Briefen, es finden sich auch ähnliche exegetische Themen, aber mit zum Teil entgegengesetzten Lösungen.208 Das 4. Makkabäerbuch blickt sehr optimistisch auf die in längst vergangener Zeit liegenden Martyrien zurück und spornt mit diesem Vorbild zum strengen Gesetzesgehorsam in der Gegenwart an. Es muß vor den Wirren und Schicksalsschlägen verfaßt worden sein, die die jüdische Gemeinde in Antiochia im Lauf des 1. Jahrhunderts n. Chr. getroffen haben. 204 4 Makk 5,20; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 296: »Gut palästinisch ist, daß im Gesetzesgehorsam die kleinen und die gewichtigen Gebote gleichwertig sind.« 205 Siehe dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 293–299; ausführlicher dazu mit Ergänzungen A. M. Schwemer, Entstehungszeit. 206 Zur Zuschreibung an Josephus in der Alten Kirche siehe A. M. Schwemer, Entstehungszeit, 251–254. 207 4 Makk 17,20 f.; Übersetzung: H.-J. Klauck, in: LXX.D, 745; die »Reinigung« des Volkes von Sünden bildet die inclusio des 4. Makkabäerbuchs (siehe 4 Makk 1,11); dazu A. M. Schwemer, Entstehungszeit, 267. 208 Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 293–299; H. Lichtenberger, Ich Adams, 243 ff.: zum Gebot »Du sollst nicht begehren«.
336
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Schon im dritten Jahr des Kaisers Gaius Caligula, das heißt im Jahr 39/40 n. Chr., »kam es zu einem gewaltigen Volksaufruhr … Die griechischen Antiochener gerieten nämlich mit den dortigen Juden in eine allgemeine Schlacht und töteten viele Juden und brannten ihre Synagogen nieder. Und davon vernahm in Palästina der Priester dieser Juden namens Phinees; so versammelte er eine Menge von Juden und Galiläern,209 die Mitbürger waren. Mit etwa 230.000 Mann … traf er plötzlich in dieser Stadt von Tiberias her ein. Und er tötete viele …, und ebendieser Phinees ließ wiederum [Antiochia] hinter sich und begab sich nach Tiberias.«210
Der Bericht des Johannes Malalas wirkt recht verwirrt. Von einem jüdischen Priester Phinees, der mit gewaltiger Heeresmacht in Antiochia einfiel, um ein Pogrom zu beenden, wissen wir sonst nichts. Immerhin bestätigt dieser dunkle Bericht, daß es in dieser Zeit im Zusammenhang mit der Caligula-Krise auch in Antiochia zu Unruhen gekommen sein muß; denn in dem Schreiben des Kaisers Claudius, der die blutigen Auseinandersetzungen zwischen »Griechen« und »Juden«, die nach der Ermordung Caligulas am 24. Januar 41 ausbrachen, in Alexandria beenden sollte, wird auch Syrien erwähnt und der Zuzug weiterer Juden aus Syrien nach Alexandria untersagt.211 Wahrscheinlich war ein entsprechendes kaiserliches Edikt auch nach Antiochia an den Statthalter Syriens, Petronius, gerichtet.212 Es ist anzunehmen, daß die Unruhen im Zusammenhang mit der Caligula-Krise auch Auswirkungen auf die frühen Christen in Antiochia und ihr Verhältnis zu den Synagogengemeinden der Stadt hatten.213
209 Es
49 f.
handelt sich um Zeloten, nicht um Christen; siehe dazu A. M. Schwemer, Eiferer,
210 Johannes Malalas, Chronographia 10,20 (185 f. ed. Thurn; zur Übersetzung siehe H. Thurn / M. Meier u. a., Johannes Malalas, Weltchronik 253 ff.). Malalas erwähnt auch, daß Caligula zur Strafe dann den Phinees und viele Juden und Galiläer ums Leben bringen ließ. Das Haupt des Phinees habe er jenseits des Orontes außerhalb von Antiochia an einer Lanze aufspießen lassen. 211 CPJ II, 153,73–104 (S. 40); deutsche Übersetzung in J. Schröter / J. Zangenberg, Texte zur Umwelt, 103 f. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 283 Anm. 1156. Die beiden bei Josephus in diesem Zusammenhang überlieferten Edikte des Claudius sind nach Alexandria und »an die übrige Oikumene« gerichtet und klingen sehr viel freundlicher für die jüdische Partei als der auf Papyrus erhaltene Brief des Claudius, aber auch hier wird Syrien erwähnt, siehe Josephus, Ant. 19,278–291; zur Interpretation und zum Problem der Echtheit dieser Urkunden vgl. M. Pucci Ben Zeev, Jewish Rights, 294–342. 212 In Josephus, Ant. 19,304.307.310, erwähnt Petronius nach dem Vorfall von Dora, als junge Männer eine Statue des Kaisers Claudius in der Synagoge aufstellten, ein nach Syrien gerichtetes Edikt des Kaisers mit dem Verbot, die jüdischen Rechte zu verletzen. Er habe daran die nach Alexandria gerichteten kaiserlichen Erlasse angehängt, um den kaiserlichen Willen, daß beide Seiten jeden Konflikt vermeiden sollten, zu unterstreichen; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 283; M. Pucci Ben Zeev, Jewish Rights, 344–356. 213 Siehe dazu unten § 8.4.4 (S. 341 f.).
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
337
Nach dem römischen Sieg im Ersten Jüdischen Krieg blieben die Strafmaßnahmen gegen die jüdischen Einwohner in Antiochia glimpflich. Titus gab dem Drängen der griechisch-syrischen Bevölkerung der Stadt auf Ausweisung der Juden nicht nach und entfernte auch die bronzenen Tafeln nicht, auf denen die δικαιώματα der Juden verzeichnet waren, sondern beließ ihren rechtlichen Status wie zuvor.214 Ob Titus, wie in allen anderen Städten Syriens, durch die er kam, auch in Antiochia prächtige Spiele veranstaltet hat, bei denen jüdische Kriegsgefangene »zur Schaustellung ihres eigenen Sterbens«215 verwendet wurden, läßt Josephus im Unklaren. Auch berichtet er nichts vom Bau eines Theaters anstelle einer Synagoge mit Mitteln aus der Kriegsbeute oder von der Demütigung der jüdischen Bevölkerung durch die Verwendung von »Cherubim« und »Seraphim« aus dem Jerusalemer Tempel, die nach Malalas zur Errichtung einer ehernen Statue der Mondgöttin vor dem Antiochener Stadttor entwendet wurden.216 Wie immer ist es schwer zu sagen, wie zuverlässig die Angaben des Malalas im Detail sind, aber die genannten Strafmaßnahmen passen auf jeden Fall nicht in das Bild, das Josephus von Titus zeichnen will. Vielleicht hat er davon gewußt und absichtlich nichts darüber berichtet. Jedenfalls scheint sich die jüdische Bevölkerung Antiochias von dieser Katastrophe verhältnismäßig rasch erholt zu haben. Wir hören – anders als in Alexandria – von keinem Versuch von Sikariern, hier Unruhen anzuzetteln, oder von Zwischenfällen während der jüdischen Aufstände unter Trajan und Hadrian. Die Nachrichten in den Briefen des Ignatius sprechen für eine blühende Diasporagemeinde, deren Gottesdienste in den Augen des Bischofs auf die Christen in der Stadt viel zu anziehend wirkten.217
8.4.2 Der Übergang zur gezielten Heidenmission Wahrscheinlich suchte die Gruppe der Hellenisten bei ihrer Ankunft in Antiochia nicht nur den Anschluß an die Synagogengemeinden der Stadt, sondern sie sprachen vor allem auch heidnische Sympathisanten am Rande der Synagogen an, so daß sie vermutlich bald auch eigene Konventikel in Form von mehreren
214 Josephus,
Bell. 7,103 f.108–111. Josephus, Bell. 7,96 (Übersetzung O. Michel / O. Bauernfeind, Flavius Josephus II/2, 95). 216 Johannes Malalas, Chronographia 10,45 (197 ed. Thurn; vgl. zur Übersetzung J. Thurn / M. Meier u. a., Johannes Malalas, Weltchronik, 269), berichtet, Titus habe den Sieg mit einem Triumph in Antiochia gefeiert, und Vespasian habe die »Cherubim« und »Seraphim« aus der Kriegsbeute genommen und damit zu Ehren der Selene ein Standbild mit vier Stieren, das nach Jerusalem blickte, errichtet. Zum Theater vgl. oben S. 268 Anm. 77 und S. 333. 217 IgnMagn 8,1; 9,1 f.; 10,3; IgnPhld 6,1. 215
338
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Hausgemeinden bildeten.218 Daß sie daneben auch die Synagogengottesdienste weiterhin besuchten, wird man in dieser Zeit noch als selbstverständlich annehmen können.219 Auseinandersetzungen um den Synagogenbesuch von Christen in Antiochia sind seit Ignatius belegt, denn seine Mahnungen an die Gemeinden in Kleinasien werden auf seine Erfahrungen in Antiochia zurückgehen.220 Wenn Lukas in Apg 11,20 unterstreicht, daß einige judenchristliche Missionare in Antiochia erstmals nicht allein Juden, sondern auch »Griechen« (Ἑλληνιστάς bzw. Ἕλληνας),221 also gottesfürchtige Heiden, ansprachen und ihnen das Evangelium verkündigten, so nimmt er eine Überlieferung auf, die festhält, daß die judenchristlichen Missionare in dieser Stadt zum ersten Mal grundsätzlich und uneingeschränkt zur programmatischen Heidenmission übergegangen waren. Zuvor hatte Lukas in Apg 8 die Frage offengelassen, ob der Finanzminister der äthiopischen Königin Kandake, den Philippus getauft hat, ein Jude oder ein gottesfürchtiger Heide gewesen ist.222 Dagegen schildert die Apostelgeschichte in Kapitel 10 und 11 ausführlich die Taufe des gottesfürchtigen Centurio Cornelius durch Petrus und die sich sofort anschließende Aufnahme in die Mahlgemeinschaft ohne vorherige Beschneidung der Männer und ohne Beachtung der Speisegesetze als den eigentlichen Durchbruch zu einer Heidenmission, die auf die Einhaltung der jüdischen Gesetzesvorschriften, insofern sie Juden‑ und Heidenchristen trennte, verzichtete.223 Um es noch einmal zu betonen: Historisch zutreffend wird an diesem Bericht sein, daß es Petrus war, der die Anerkennung der beschneidungsfreien Heidenmission in Jerusalem in der Frühzeit durchsetzte.224 Hier nimmt Lukas eine Überlieferung auf, die wohl auf Jerusalemer Tradition gründet. Auf der anderen Seite beansprucht Paulus für sich den ›Primat‹ bei der Völkermission. Das ist sein Evangelium, das er bei seiner Berufung erhalten hat. Wie die Profeten Jeremia und der von Jesaja angekündigte Gottesknecht wurde er vom Mutterleibe an mit dieser Sendung betraut.225 Diese verschiedenen Nachrichten lassen erkennen, daß es die Aufnahme von Heiden 218 Gal 2,14 rechnet mit unterschiedlichen Treffen zum gemeinsamen (Herren‑)Mahl und mit einer Vollversammlung (ἔμπροσθεν πάντων) aller Christen in Antiochia. 219 Vgl. M. Bockmuehl, Antioch, 190; M. Zetterholm, Formation, 94 f. Zum jüdischen Charakter der frühchristlichen Gemeinden in Syrien siehe auch T. A. Miller, Liturgy. 220 IgnMagn 8,1; 10,3; IgnPhld 6,1; vgl. dazu unten Anm. 227. 221 Zum textkritischen Problem siehe oben S. 141 Anm. 10, S. 259 Anm. 36 und S. 296 Anm. 10. 222 Siehe oben § 5.3 (S. 195 f.), S. 257 und S. 295 mit Anm. 7. 223 Siehe dazu oben § 7.2.4–5 (S. 278–291). Vgl. A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft, 204 ff.; M. Hengel, Petrus, 91.146 ff. 224 Vgl. oben S. 216 und 312 sowie § 7.2.5 (292 f.). 225 Gal 1,15 f.; A. M. Schwemer, Erinnerung, 281–286; vgl. oben S. 218 f. Weiter dazu F. Wilk, Paulus, 300: »Der Kern des paulinischen Selbstverständnisses liegt demnach … darin, daß der Prophet Jesaja ihn als den Apostel für die Heiden angekündigt hat.«
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
339
ohne Beschneidung schon zuvor und gleichzeitig gab, als die aus Zypern und der Kyrenaika stammenden Judenchristen in Antiochia am Orontes gezielt zur Heidenmission übergingen. Die Entwicklung verlief stufenweise, aber es waren jedenfalls nicht – wie man vorgeschlagen hat – die syrischen Heidenchristen, die die weltweite Völkermission ›erfanden‹.226 Die Bindung an die jeweilige Synagogengemeinde wird für die Judenchristen und die einstigen Gottesfürchtigen in Antiochia sicherlich weiterhin bestanden haben;227 wichtiger aber wurde gerade auch für den Zusammenhalt der Juden‑ und der Heidenchristen zunehmend der relativ freie, geistgewirkte Gottesdienst in den Hausgemeinden, wie ihn Apg 2,44.46 f. für Jerusalem und 1 Kor 11 und 14 für Korinth beschreiben. Während der Gottesdienst in den Synagogen mit Gebet, Schriftlesung und Predigt am Sabbat stattfand, versammelten sich die Christen am ersten Tag der Woche, dem Sonntag, zu Gebet und Lobgesang und um das Herrenmahl zu feiern. Dieser Gottesdienst wird dann zum eigentlichen geistlichen Zentrum. Seine profetisch-ekstatischen Elemente unter endzeitlichem Vorzeichen – die profetische Paraklese, Hymnengesang, Glossolalie und ihre geistgewirkte Deutung, Exorzismen und spontane Heilungen – werden in Syrien genauso werbewirksam für die neue messianische Bewegung gewesen sein wie früher in Jerusalem und später in Korinth; denn in der autochthonen syrischen Religion gab es bereits zahlreiche lokale Kultstätten mit Orakeln, auch die kultische Ekstase und ähnliche Phänomene spielten hier eine Rolle.228 Der frühchristliche, ekstatisch-visionäre Enthusiasmus fand hier besonderen Anklang. Auch das visionäre Erlebnis des Paulus, das er in 2 Kor 12,2–6 erwähnt – seine Entrückung in den dritten Himmel, die Schau des Paradieses und das Hören wunderbarer Worte –, fällt in die antiochenische Zeit des Apostels. Die Ascensio Jesaiae – eine christliche Schrift, die um 100 n. Chr. in oder in der Gegend von Antiochia entstanden ist – spiegelt ebenfalls dieses Interesse an visionär-profetischer, apokalyptischer Einsicht in die Heilsgeschichte wider und schildert einen profetisch-ekstatischen Gottesdienst, in dem es zu einer visionären Himmelsreise des Profeten kommt.229
226 Gegen die Thesen von F. Vouga, Geschichte, 30–37.91–94 u. ö., und A. Feldtkeller, Reich; siehe schon M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 40 f.421 f. 227 M. Bockmuehl, Antioch, 190. Ignatius setzt dann um 110 in Antiochia Heidenchristen voraus, die die jüdische Lebensweise übernehmen und für die jüdische Lehren attraktiv sind (IgnMagn 8,1; 10,3; IgnPhld 6,1); dagegen kämpft er an. 228 Ausführlicher dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 194–207.351. 229 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 354 f.; A. M. Schwemer, Rezension zu E. Norelli u. a., Ascensio Isaiae. Text und Kommentar, CChr.SA 7.8, Turnhout 1995, ZKG 110 (1999), 398–402.
340
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
8.4.3 Barnabas und Paulus in Antiochia Vermutlich kam es in Antiochia auch zu Spannungen mit den Synagogengemeinden, denen keineswegs daran gelegen sein konnte, daß ihre jüdischen Mitglieder zu den in Gesetzesfragen sehr viel liberaleren Christen übergingen und daß sie ihre heidnischen Sympathisanten, unter denen auch reiche Gönner gewesen sein werden, an die christlichen Hausgemeinden verloren. Die christliche Mission in der Hauptstadt der Provinz entwickelte sich jedoch so erfolgversprechend und damit auch arbeitsintensiv,230 daß die Jerusalemer Gemeinde, als sie von diesem Erfolg hörte, Joseph Barnabas zur Unterstützung sandte. Er war ein aus Zypern gebürtiger Levit, entstammte also dem jüdischen Geburtsadel, der religiösen Elite, und hatte sich in Jerusalem der Urgemeinde angeschlossen. Die Apostel gaben ihm, um ihn von den zahlreichen anderen Josephs zu unterscheiden, den aramäischen Beinamen bar nabûʾā mit der Bedeutung »Sohn des (profetischen) Trostes« (υἱὸς παρακλήσεως).231 Er hatte die Urgemeinde durch den Verkauf von Grundbesitz in der Nähe Jerusalems großzügig unterstützt.232 Dieser Barnabas war ein Mittelsmann zwischen den »Hellenisten« und den »Hebräern«; wahrscheinlich ist die Nachricht bei Lukas zutreffend, daß er Paulus bei Petrus eingeführt hat, als dieser auf der Flucht aus Damaskus nach Jerusalem kam.233 Die Jerusalemer schickten Barnabas nach Antiochia, wo er »eine große Menge für den Herrn« (Apg 11,24) gewann und sich zur Mitarbeit Paulus aus Tarsus holte. Wahrscheinlich verwendet Lukas hier zuverlässige antiochenische Tradition. Auch bei der Notiz, daß beide, Barnabas und Paulus, erfolgreich ein ganzes Jahr gemeinsam in Antiochia arbeiteten, wird es sich um eine solche zuverlässige Tradition handeln: »Es geschah ihnen aber, daß sie ein ganzes Jahr in der Ekklesia zusammenkamen und eine große Volksmenge belehrten.« (Apg 11,26)
Barnabas und Paulus wirkten als Lehrer und damit als Missionare gemeinsam in der Provinzhauptstadt, die sich also als fruchtbares Arbeitsfeld erwies, und brachen nicht gleich zur Mission in die umliegenden Städte auf.234 Wahrscheinlich fällt dieses gemeinsame Jahr, in dem sie zusammen die Antiochener 230 Apg 11,21: »Die Hand des Herrn war mit ihnen, und eine große Zahl wurde gläubig und bekehrte sich zum Herrn.« 231 Apg 4,36 f.; siehe dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 321–324; zum Beinamen siehe oben S. 41 Anm. 186. 232 Wahrscheinlich handelte es sich bei dem ἀγρός, den Barnabas veräußerte (Apg 4,37), um ein ländliches Gut oder ein Gehöft und nicht einfach um einen »Acker«; diese Bedeutung hat ἀγρός in Palästina nicht nur im Plural (so Bauer / Aland, WB, 24), vgl. VitProph 8,1; 9,1; 12,1; 13,1 u. ö.; siehe dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden II, 41; vgl. ferner oben S. 41 Anm. 187. 233 Apg 9,27; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 223 f. 234 Siehe dazu ausführlicher M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 336–340 u. ö.
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
341
Gemeinde festigten, in das Jahr der Caligula-Krise; um so mehr bedurfte die junge Gemeinde zur Konsolidierung der ständigen Anwesenheit solch bewährter Lehrer.235
8.4.4 Der Christenname In Antiochia fällt Außenstehenden der Unterschied zwischen Christen und Juden so stark auf, daß die Angehörigen der neuen »Sekte« eine eigene Bezeichnung, Χριστιανοί (Christianer / Christen), erhalten. In Judaea trugen sie den Namen nôṣrîm, Ναζωραῖοι, das heißt die Anhänger des Mannes aus Nazareth. Vermutlich nannten sie sich selbst, wie es bei Paulus belegt ist: οἱ ἐν Χριστῷ. Christianoi ist ein analog zu den Herodianoi, womit die Anhänger des herodianischen Königshauses bezeichnet wurden,236 nach dem Vorbild der lateinischen Parteinamen Caesariani, Pompeiani etc. gebildeter Name. Die Parteinamen Caesariani und Pisoniani hatten in Antiochia eine besondere Rolle gespielt, wie dem Senatus consultum zu entnehmen ist, das den Prozeß gegen den Statthalter Piso beendete. Diesem war nach dem Tod des Germanicus in Antiochia im Jahr 19 n. Chr. nicht nur vorgeworfen worden, er hätte Germanicus durch Gift umgebracht, sondern er hätte unter anderem auch geduldet, daß sich seine Soldaten mit diesen Parteinamen bezeichneten.237 Zu einer solchen neuen Gruppenbezeichnung kam es wohl, als die Differenzen zwischen Juden und Christen so deutlich wurden, daß sie für Außenstehende klar zu unterscheiden waren. Vermutlich geschah dies während der CaligulaKrise, die vom Sommer 39 bis Januar 41 andauerte. Der Befehl des größenwahnsinnigen Kaisers, der sich ärgerte, daß allein die Juden ihn nicht als Gott verehren wollten und sich weigerten, sein Standbild als das des »neuen Zeus« im Jerusalemer Tempel aufzustellen, brachte Judaea an den Rand des bewaffneten Aufstandes. Wäre Petronius, der Statthalter der Provinz Syrien, nicht so klug M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 279 f.338 f. N. Förster, Jesus, 145–152, möchte dagegen die Bedeutung auf Sklaven und Freigelassene des Herodes, die mit der Steuereintreibung befaßt waren, einschränken. Vgl. dagegen schon M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 346 f.: Es handelt sich um »Parteigänger, Klienten oder auch Glieder des umfangreichen herodianischen Hauses einschließlich der Sklaven, Freigelassenen oder Beamten« (346). Derartige ›Herodianer‹ gab es auch in Rom und Antiochia; siehe die Belege bei W. Horbury, Herod’s Temple, 123–149. Vgl. weiter zum Aufenthalt der herodianischen Familie in Antiochia den Konflikt, den Agrippa I. mit seinem dort lebenden und mit dem Statthalter befreundeten Bruder Aristobul hatte, siehe Josephus, Ant. 18,151–154. Anders O. Betz, Art. Herodianer, CBL 1 (2003), 552 f., der in »Herodianer« im Anschluß an Y. Yadin eher eine spöttische Bezeichnung für die Essener sehen möchte. So auch J. E. Taylor, Essenes, 109–130; siehe dazu die zustimmende Rezension von J. K. Zangenberg, ThLZ 140 (2015), 191–194 (193). 237 Siehe die Publikation von W. Eck / A. Caballos / F. Fernández, Senatus consultum, 42 f.175 f. Vgl. auch M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 340–351. 235 236
342
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
und diplomatisch gewesen, wäre der Erste Jüdische Krieg schon im Jahr 40 ausgebrochen. Die Unruhen wirkten sich auch auf Antiochia aus, wie dem oben zitierten, recht verwirrten Bericht des Johannes Malalas zu entnehmen ist, daß es im dritten Jahr Caligulas, also im Jahr 39/40, zu einem Pogrom gekommen sei, in dem auch viele Synagogen abgebrannt wurden. Die Juden hätten sich dafür mit Waffengewalt gerächt.238 Die ersten christlichen Missionare in Antiochia, die aus Jerusalem vertriebenen Hellenisten, vertraten – wie den Vorwürfen gegen Stephanus zu entnehmen ist – eine tempelkritische Haltung und werden die neugewonnenen Gläubigen entsprechend unterrichtet haben. So mag den Antiochener Christen die Entweihung des Tempels in Jerusalem mit einer Kaiser- / Götterstatue als gerechte Strafe und ein Vorzeichen für die hereinbrechenden Wehen der Endzeit (vgl. Mk 13,14) erschienen, aber kaum ein Grund gewesen sein, zum Schutz des Tempels oder der antiochenischen Synagogen zu den Waffen zu greifen. Christianoi war im Ursprung keine christliche Selbstbezeichnung und wurde den Christen auch nicht von den städtischen Behörden, sondern vermutlich von »dem Kreis um den römischen Statthalter« beigelegt.239 Ignatius, Bischof von Antiochia, nennt sich selbst den ἐπίσκοπος Συρίας und verwendet χριστιανοί und χριστιανισμός dann 70 Jahre später um 114 n. Chr. stolz als Selbstbezeichnung.240
8.4.5 Der Profetenbesuch aus Jerusalem und die Kollekte In Antiochia bildete sich die bedeutendste christliche Gemeinde Syriens, und hier entstand auch die erste größere heidenchristliche Gemeinde. Die ständige Verbindung nach Jerusalem und die guten Beziehungen zur jüdischen »Mutterstadt«241 rissen nach dem Kommen des Barnabas nicht ab. So erscheinen Zum Text siehe oben S. 336; vgl. dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 293; F. Kolb, Antiochia, 98: »Malalas hat offensichtlich eine antiochenische Lokalchronik oder dergleichen benützt.« Vgl. auch A. M. Schwemer, Eiferer; dies., Entstehungszeit. 239 W. Eck schrieb mir am 7. 2. 2 013 dazu: »was den Namen Christianoi betrifft, so würde ich diese Benennung … dem Kreis um den römischen Statthalter zuweisen. Denn diese Form der Benennung von ›Parteien‹ ist typisch römisch, nicht griechisch. Und Antiochia war eine griechische Polis.« Vgl. schon M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 340–351; ausführlich zu Christianoi als Fremdbezeichnung auch P. Trebilco, Self-designations, 272–297; U. Schnelle, Jahre, 187 u. ö.; vgl. jetzt B. van der Lans / J. N. Bremmer, Tacitus, 302; anders noch M. Zetterholm, Formation, 94 f. (95): »That a messianic Jewish community would be given a name by other Jews that manifested this is quite natural.« 240 IgnRöm 2,2: τὸν ἐπίσκοπον Συρίας; zu χριστιανοί siehe IgnEph 11,2; 14,2; IgnMagn 4,1; IgnTrall 6,1; IgnRöm 3,2 f.; IgnPol 7,3; zu χριστιανισμός siehe IgnMagn 10,1.3; IgnRöm 3,3; IgnPhld 6,1. 241 Jes 1,26 LXX; Philo, Flacc. 46; Legat. 203.281.294.305.334: μητρόπολις. Weiter dazu Apg 2,5.14, siehe A. M. Schwemer, Himmlische Stadt, 206 Anm. 51. 238
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
343
Profeten aus Jerusalem in Antiochia, und einer von ihnen mit Namen Agabos242 kündigt eine große Hungersnot243 an. Lukas berichtet nicht oft von christlichen Profeten, obwohl er in der Pfingstrede des Petrus (Apg 2,17) die Gabe des Gottesgeistes und das neugeschenkte Charisma der Profetie in der Urgemeinde mit der Erfüllung von Joel 3,1–5 (LXX): »… ich werde von meinem Geist ausgießen auf alles Fleisch, und eure Söhne und eure Töchter werden profezeien …«
begründet hatte.244 Solche wandernden Profeten treten hier bei Lukas zum ersten Mal auf. Aber auch von ortsansässigen Profeten spricht er recht selten.245 Derartige Profetenbesuche dienten dazu, die schon bestehenden Kontakte der Gemeinden untereinander zu pflegen, nicht der Neugründung von Gemeinden.246 Wahrscheinlich haben solche »wandernden« Profeten und Profetengruppen gerade in den eher ländlichen Gebieten und kleineren Orten in Galilaea und Syrien die Gemeinden besucht. Das legen die späteren Nachrichten in der Didache nahe, die im südsyrisch-palästinischen Raum entstanden ist und nicht aus Antiochia kommt, wie man oft annimmt.247 Die »wandernden Propheten 242 Vermutlich »Hagabos«, ein semitischer Name, siehe Esr 2,45 f.; Neh 7,48; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 365; T. Ilan, Lexicon I, 93. In Apg 21,10 f. kommt derselbe Profet aus Judaea nach Caesarea Maritima und kündigt Paulus mit einer Zeichenhandlung seine bevorstehende Gefangennahme an. Agabos reist also weiterhin und besucht die Gemeinden. 243 Zu den Versorgungskrisen unter Claudius siehe R. Riesner, Paulus, 112–119; bei den antiken Hungersnöten handelte es sich jeweils um lokale Nahrungsknappheit und Teuerungen, die die ärmeren, das heißt die unteren Schichten hart trafen. Die von Agabos angekündigte Not suchte Palästina in den Jahren 46–48 n. Chr. heim; sie kündigte sich aber schon unter der Prokuratur von Fadus (44–46 n. Chr.) an und dauerte längere Zeit. Die Königin Helena von Adiabene kaufte Getreide in Ägypten und Feigen in Zypern, um das hungernde Judaea zu unterstützen. Der römische Statthalter Tiberius Julius Alexander (46–48 n. Chr.), ein Sohn des Alabarchen Alexander und Neffe Philos, der als Apostat die römische Ämterlaufbahn einschlug und Karriere machte, scheint dagegen nichts unternommen zu haben. Helenas Sohn Izates hingegen sandte eine große Geldsumme nach Jerusalem, um die Not zu lindern. Siehe Josephus, Ant. 20,101: μέγαν λιμόν; 20,51 ff.; vgl. 3,320; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 94, vgl. 57 f. zum Vorgehen Herodes’ I. bei der Hungersnot und den Seuchen um 25–24 v. Chr. (Josephus, Ant. 15,299–316). Vgl. auch unten Anm. 254. 244 Vgl. M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 352; dazu auch oben S. 17. 245 Apg 13,2; vgl. 15,32; 21,10. 246 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 402. 247 So z. B. M. Slee, Church in Antioch, passim, die die Didache und das Matthäusevangelium in Antiochia lokalisiert und als Schriften versteht, die an die im antiochenischen Konflikt (Gal 2,11–21) unterlegene heidenchristliche Partei gerichtet seien. Letzteres ist sehr hypothetisch. Die Didache kennt das erste Evangelium und ist wie dieses vermutlich im nordpalästinisch-südsyrischen Raum entstanden; vgl. M. Hengel, Evangelien, 119 f.132.188; P. Pokorný / U. Heckel, Einleitung, 478 f.; U. Schnelle, Einleitung, 261.
344
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
der Didache [sind] … freilich z. T. im Begriff …, seßhaft zu werden (13,1)«.248 In Antiochia hat sich in dieser Zeit, zu Beginn des 2. Jahrhunderts, bereits der monarchische Episkopat mit Ältesten und Diakonen durchgesetzt, wie sich an den Briefen des Ignatius ablesen läßt.249 Paulus ermahnt um 50 n. Chr. die vor nicht allzu langer Zeit von ihm gegründete Gemeinde in Thessalonich: »Den Geist dämpfet nicht, die Gabe der Profetie verachtet nicht.« (1 Thess 5,19 f.)
Die Profetie spielte in dieser Zeit eine wesentlich größere Rolle in den Gemeinden als gegen Ende des Jahrhunderts. Das läßt sich am Matthäusevangelium ablesen, das ebenfalls im südlichen Syrien bzw. Nordpalästina entstanden ist und nicht in Antiochia. Wahrscheinlich waren auch die »Brüder des Herrn« mit ihren Ehefrauen in Galilaea und Südsyrien als wandernde Missionare unterwegs.250 Paulus erwähnt sie in 1 Kor 9,5 nur sehr knapp; wir erfahren zwar, daß sie sich von den Gemeinden auf ihren Missionsreisen unterhalten ließen, aber nicht, wo sie diese unternahmen. Auch Lukas ist an den christlichen Gemeinden in Galilaea nicht mehr weiter interessiert, sondern berichtet nur, dass die ἐκκλησία »in ganz Judaea, Galilaea und Samarien Frieden hatte, aufgebaut wurde und wandelte in der Furcht des Herrn und sich (ständig) vermehrte durch den Beistand des heiligen Geistes«.251 In holzschnittartiger Weise schließt er an diese Notiz die Petruslegenden252 an, die ihm offensichtlich wichtiger schienen. Um in einer Großstadt wie Antiochia sichtbaren Erfolg zu haben, mußten sich Missionare wie die Apostel bzw. die »Profeten und Lehrer« (Apg 13,1) dort K. Niederwimmer, Didache, 79. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 353. 250 Vermutlich waren Herrenbrüder in Galilaea als Missionare sowohl ansässig wie auch unterwegs in den verschiedenen Orten. Das legen die späteren Nachrichten über sie und ihr Ansehen in diesen Landstrichen bei Sextus Julius Africanus und andere durch Euseb erhaltene Fragmente nahe; nach Africanus waren die Herrenverwandten in Galilaea und Umgebung unterwegs, um ihre wohlgehüteten Stammbäume bekanntzumachen (Euseb, H. e. 1,7,14 [GCS Eusebius II/1, 60,13–20 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]); vgl. unten S. 446 f. mit Anm. 31. Großneffen Jesu, Enkel seines Bruders Judas, sollen vor Kaiser Domitian zitiert worden sein, weil er – wie schon zuvor Vespasian die Mitglieder des Königshauses Davids verfolgte – die Davididen hinrichten lassen wollte (Euseb, H. e. 3,12.19 [GCS Eusebius II/1, 228,7–11; 232,14 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]). Zoker und Jakobus gaben bei dem Verhör Auskunft über ihr Vermögen an Familiengrundbesitz in Nazareth, den sie mit eigenen Händen bearbeiteten, und daß das Reich Christi, das sie erwarteten, nicht irdisch, sondern himmlisch sei. Der Kaiser entließ sie verächtlich als arme Schlucker, von denen keine politische Gefahr ausgehe. Die beiden standen dann in hohem Ansehen als Herrenverwandte und »Märtyrer« und leiteten die Gemeinden in Frieden bis in die Zeit Trajans. Euseb zitiert dafür als Quelle Hegesipp (Euseb, H. e. 3,19,1–3,20,7; 3,32,5 f. [GCS Eusebius II/1, 232 ff.268 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]). Vgl. dazu R. Bauckham, Jude, 94–106; ders., James, 346; W. A. Bienert / P. Gemeinhardt, Jesu Verwandtschaft, 297 f. Ferner unten S. 524 und 542. 251 Apg 9,31; vgl. auch oben S. 262 und unten S. 419. 252 Apg 9,32–43; 10,1–11,18; dazu oben S. 4 und 261. 248 249
§ 8 Die Hellenisten, Paulus und Barnabas in Syrien
345
längere Zeit aufhalten und zum Teil schon in den 40er Jahren seßhaft werden. Das schloß den gelegentlichen Besuch wandernder Profeten nicht aus. Es wird nicht nur bei dem einen »Profetenbesuch« geblieben sein. Einige Mitglieder der Antiochener Gemeinde müssen verhältnismäßig wohlhabend gewesen sein; denn auf die von dem Profeten Agabos angekündigte Hungersnot hin veranstaltete die Gemeinde sofort eine großzügige Kollekte und sandte die Gelder nach Jerusalem zur Unterstützung der Urgemeinde.253 Wahrscheinlich fand diese Hilfsaktion statt, als die unter dem Prokurator Cuspius Fadus ausgebrochene ›Hungersnot‹, das heißt die unter ihm einsetzende Teuerung, von der Josephus berichtet, begann. Man kann sie dann in die Jahre 44 bis 46 datieren.254 Anders als Lukas mitteilt, kann Paulus nicht zusammen mit Barnabas die Antiochener Spende in Jerusalem an die »Ältesten« übergeben haben; denn dies widerspricht der Angabe des Apostels, daß zwischen seinem Aufenthalt als Gast bei Petrus und seiner Reise nach Jerusalem zum »Apostelkonzil« 14 Jahre liegen, in denen er nicht in Jerusalem war, sondern sich in Syrien und Kilikien aufhielt, um das Evangelium zu verkünden.255 Alle gelehrte Mühe, die darauf verwendet wurde, um die in Apg 11,30 erwähnte Reise mit dem »Apostelkonzil« zu verbinden, scheint zwecklos und führt zu keinem befriedigenden Ergebnis.256 Wahrscheinlich überbrachte Barnabas die antiochenische Kollekte in Jerusalem und nahm auf der Rückreise seinen Neffen Johannes Markus mit, der dann anschließend ihn und Paulus bei der Missionsreise auf Zypern begleitete.257 Diese Kollekte bildete dann das Vorbild für die mit Paulus und Barnabas bei dem »Apostelkonzil« vereinbarte Übereinkunft, »der Armen zu gedenken«,258 das heißt für die Armen in Jerusalem zu sorgen.
8.4.6 Die Leitungsgruppe der Antiochener Gemeinde Auch wenn der heidenchristliche Anteil in der Gemeinde Antiochias nicht gering gewesen ist, so behielten dennoch die Judenchristen die führende Rolle. Die Apg 11,29 f. 11,27–30; zur Hungersnot vgl. Josephus, Ant. 20,51 ff., dazu oben S. 305 Anm. 50 und S. 343 Anm. 243. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 364–369, hier 368 f. zum Problem, daß Lukas irrtümlich berichtet, auch Paulus habe an dieser Kollektenreise teilgenommen. Vgl. zur antiochenischen Kollekte auch M. Öhler, Barnabas, 228–252. 255 Gal 1,21 f.; 2,1. 256 Die mit großem Fleiß zusammengetragenen Argumente für die Gleichsetzung von Gal 2,1–10 und Apg 11,27–30; 12,25 von R. Schäfer, Paulus, 359.361–364.447 ff. und passim, können nicht überzeugen. Vgl. auch C. S. Keener, Acts II, 1861 ff. zu den verschiedenen Lösungsversuchen. Auch D.-A. Koch, Geschichte, 201 f., hält »[d]ie Beteiligung des Paulus an der Überbringung der Spende … [für] fraglich« (201). Weiter dazu oben S. 175 und unten § 11.1.1 (S. 396–400). 257 Apg 12,25; M. Öhler, Barnabas, 252. 258 Gal 2,10. 253
254 Apg
346
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Liste der Profeten und Lehrer in Apg 13,1 f., die die Gemeinde leiten, führt fünf Personen auf: An erster Stelle steht Barnabas. Obwohl er nicht zu den Gemeindegründern gehörte, nimmt er die wichtigste Stelle ein, vermutlich weil er zu den ersten nachösterlichen Anhängern der Jesusbewegung in Jerusalem gehörte,259 wohl auch dem Alter nach der Älteste war und vor allem die Entwicklung hin zur gezielten, »planmäßigen Heidenmission … maßgeblich mitbeeinflußt« hat.260 Symeon mit dem lateinischen Beinamen Niger wird – wie die in der Diaspora ungewöhnliche Namensform Symeon und nicht Simon zeigt – aus Palästina kommen, wo zwei weitere Juden mit dem Namen Niger belegt sind.261 Lukios aus Kyrene könnte schon mit den hellenistischen Gemeindegründern nach Antiochia gekommen sein. Manaen / Menachem, der σύντροφος des Herodes, das heißt der Vertraute des Tetrarchen Herodes Antipas, der im Jahr 38 n. Chr. auf Betreiben von Agrippa I. von Kaiser Caligula abgesetzt und nach Gallien verbannt worden war, gehörte zur jüdischen Aristokratie. Saulus / Paulus wird als letzter aufgeführt, vermutlich weil er der Jüngste war. Sie alle waren wie Barnabas an der Spitze und Paulus am Ende der Liste Juden und kamen aus dem Mutterland oder hatten sich dort zumindest wie Barnabas und Paulus längere Zeit aufgehalten.262 Ob die drei anderen zu den ersten nach Antiochia gekommenen Hellenisten gehörten oder wie Barnabas und Paulus später hinzukamen, läßt sich nicht mehr klären. Jedenfalls wird Barnabas die führende Rolle gespielt haben. Diese Fünf bildeten wie die Zwölf bzw. die Sieben in Jerusalem die leitende Gruppe. Über ihre Lehre erfahren wir in der Apostelgeschichte nichts Direktes. Sicherlich soll man aus den Reden der Apostelgeschichte, das heißt vor allem der des Stephanus (für die Hellenisten) und der des Paulus im pisidischen Antiochia (für Paulus und Barnabas), auf diese Lehre zurückschließen. Doch diese Spärlichkeit der Angaben unterstreicht, daß man keinen Grund hat, in Antiochia den »Quellort christlicher Theologie« zu vermuten.263
259 Etwas zu vorsichtig urteilt M. Öhler, Barnabas, 256: Barnabas sei »der für Lukas wichtigste Mann in Antiochien« gewesen (Hervorhebung A. M. S.). Die Pseudoklementinen übertreiben und machen Barnabas zu einem direkten Jünger und Augenzeugen Jesu, den Clemens in Alexandria trifft, siehe oben S. 303 Anm. 42. 260 J. Frey, Paulus und die Apostel, 217 ff. (Zitat: 218); vgl. M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 334. 261 T. Ilan, Lexicon I, 335 f. 262 Siehe dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 334 f. 263 Zu den Thesen Rudolph Bultmanns und der religionsgeschichtlichen Schule siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 423–443. Vgl. die Kritik an Jürgen Beckers und Klaus Bergers mißglücktem, erneutem Versuch, die paulinische Theologie auf das Kerygma der antiochenischen Gemeinde zurückzuführen, von U. Schnelle, Paulus, 108–111.
§ 9 Die Verfolgung in Jerusalem durch Agrippa I. und die Flucht des Petrus (ca. 43 n. Chr.) Auch in Palästina und in Jerusalem war die Zeit nicht stehengeblieben. Über die heftigen politischen Auseinandersetzungen, die das Land und seine jüdischen Bewohner in diesen Jahren erschütterten, erfahren wir in den frühchristlichen Quellen so gut wie nichts. Der äußere Geschichtsablauf spielte offenbar eine untergeordnete Rolle, auch wenn Lukas hin und wieder historische Hinweise gibt, die zu Spekulationen darüber verleiten, ob er die Antiquitates des Josephus nicht doch gekannt haben könnte.1 Es ist jedoch auffällig, was in der Apostelgeschichte fehlt: Es gibt keinen Hinweis auf den Krieg zwischen Herodes Antipas und Aretas IV., obwohl der Täufer in lebendiger Erinnerung blieb und die Niederlage des Antipas in der Volksmeinung als die Strafe für seinen Justizmord an Johannes dem Täufer gegolten hat.2 Die fast gleichzeitigen Amtsenthebungen von Pilatus, der ein Massaker unter den Anhängern eines samaritanischen endzeitlichen Profeten auf dem Garizim veranstaltet hatte, und des Hohenpriesters Kaiphas durch den römischen Statthalter in Syrien, Vitellius, um 36 n. Chr. werden nicht erwähnt. Vor allem aber fehlt die jahrelange schwere Krise, die durch den Befehl Kaiser Caligulas, sein Standbild als das des »Neuen Zeus« im Jerusalemer Tempel aufzustellen, ausgelöst wurde. Sie brachte nicht nur Palästina an den Rand des Krieges, sondern wirkte sich auch auf die Diaspora in Alexandria und Antiochia aus.3 Deshalb wollte man Mk 13,14–20: »Wenn ihr den Greuel der Verwüstung stehen seht, wo er nicht stehen darf« (V. 14), auf diese Situation beziehen. Doch es handelt sich hier nicht um ein Flugblatt aus der Zeit der Caligula-Krise, Mk 13,14 bezieht sich vielmehr auf die Erwartung des 1 Zu den Positionen von Max Krenkel und Steve Mason siehe A. M. Schwemer, Agrippa. Vadim Wittkowski rechnet dagegen mit einer noch stärkeren Verwendung der Werke des Josephus im lukanischen Doppelwerk (e-mail vom 24. 12. 2 015) und will das am Synchronismus in Lk 3 nachweisen; er konnte mich aber nicht überzeugen. 2 Josephus, Ant. 18,116 f.; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 276 f. 3 Tacitus, Historiae 5,9,2 (BSGRT, Vol. II/1, 172,26 ff. ed. Wellesley): Sub Tiberio quies; dein iussi a C. Caesare effigiem eius in templo locare arma potius sumpsere, quem motum Caesaris mors diremit; dazu M. Stern, GLAJJ II, 21 Nr. 281; Kommentar: 51; Philo, Legat. 346 (= Euseb, H. e. 2,6,2 [GCS Eusebius II/1, 120,1–9 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]); weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 280 Anm. 1143–1144. Vgl. zu den Vorgängen in Alexandria und Antiochia oben S. 336.
348
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Nero redivivus als endzeitlichem Antichrist.4 Auf der anderen Seite beruhen die in der synoptischen Apokalypse profezeiten Verfolgungen der Jüngergemeinde auf der Erfahrung von tödlicher Bedrohung und der Gefahr der Verführung durch falsche Profeten in diesen Jahren.5 Kaiser Claudius wird in der Apostelgeschichte zweimal genannt, einmal weil Priska und Aquila von seiner Ausweisung der Juden aus Rom betroffen waren (Apg 18,2), und dann, weil die Hungersnot, die der Profet Agabos in Antiochia angekündigt hatte, unter Claudius eintraf (Apg 11,28: ἐγένετο ἐπὶ Κλαυδίου).6 Dieser Kaiser wird wie Augustus und Tiberius namentlich im lukanischen Doppelwerk erwähnt – in auffälligem Gegensatz zu Nero, an dessen Namen Lukas nicht erinnern will (siehe dazu unten den Exkurs zu Agrippas göttlicher Stimme). In seinen Bericht über die Kollekte der Antiochener Gemeinde für die Jerusalemer, ihre Übergabe »an die Ältesten« (Apg 11,30) in Jerusalem und die Rückreise von Barnabas (und Paulus, der jedoch nicht dabeigewesen sein kann) zusammen mit dem Neffen Johannes Markus, den Barnabas mit nach Antiochia nimmt (Apg 12,25), fügt Lukas in Apg 12 seine Schilderung über die Verfolgung durch Agrippa I. ein. Warum macht er diese Verschränkung? Die beste Lösung dieser Frage ist meines Erachtens immer noch, daß er den Verfolgungsbericht als eine »Nachholung« bringt, um zu erklären, warum die Kollekte an die »Ältesten« übergeben und nicht wie zuvor alle Gaben »zu Füßen der Apostel« gelegt wurde (Apg 4,37; 5,2). Die christlichen Ältesten tauchen hier zum ersten Mal in der Apostelgeschichte auf.7 Damit deutet Lukas den Wechsel in der Leitung der Jerusalemer Gemeinde an. Von nun an stehen nicht mehr Petrus und die Apostel an der Spitze, sondern der Herrenbruder Jakobus und die Ältesten.
9.1 Die Verfolgung durch Agrippa I. in Jerusalem und die Befreiung des Petrus8 Die Verfolgung der Anhänger Christi durch König Agrippa I. in Jerusalem erwies sich im nachhinein als ein »Zwischenspiel«, dessen gravierende Folgen nicht nur die Urgemeinde in Jerusalem, sondern auch die Gemeinden der paulinischen Mission betrafen. 4 Zum Ganzen ausführlicher siehe M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 276–286; vgl. auch J. D. G. Dunn, Beginning, 402 f. 5 Mk 13,12 f.21 ff. par. 6 Siehe dazu oben S. 172 bei Anm. 15–16, S. 343 bei Anm. 243 und S. 345 bei Anm. 253–254. 7 Ausführliche Begründung in: M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 369–389. 8 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 369–389; dies., Jesus und das Judentum, 89–92; A. M. Schwemer, Verfolger; dies., Agrippa; D.-A. Koch, Geschichte, 192 f.; U. Schnelle, Jahre, 92 ff.; C. S. Keener, Acts II, 1864–1972.
§ 9 Die Verfolgung in Jerusalem durch Agrippa I.
349
Die Zeitangabe in Apg 12,1 »zu dieser Zeit« (κατ’ ἐκεῖνον δὲ τὸν καιρόν) ist so vage wie kurz zuvor die in Apg 11,27 »in diesen Tagen aber« (ἐν ταύταις δὲ ταῖς ἡμέραις). Beides könnte man mit »damals« wiedergeben. Lukas kann – es ist unwahrscheinlich, daß er nicht will – die Vorgänge nicht genauer datieren, aber er verwendet zur Darstellung wie so oft die Stilfigur einer Ringkomposition. Dabei bildet die Kollektenreise sozusagen den äußersten Rahmen und das gottlose Handeln des Königs und seine Bestrafung den nächsten äußeren Ring. Das muß nicht heißen, daß Lukas meint, Barnabas und Paulus hätten sich während der Verfolgung in Jerusalem aufgehalten. Historisch ereignete sich die Verfolgung wahrscheinlich im Jahr 43, denn Agrippa I. starb im Frühjahr 44, während die Kollektenreise später ins Jahr 44/45 n. Chr. zu datieren ist. Die damit im Zusammenhang stehende »Hungersnot« begann schon unter dem Prokurator Fadus in Judaea um 44–46. Viele Menschen starben, weil sie die hohen Getreidepreise nicht zahlen konnten. Die Versorgungskrise zog sich noch hin bis in die Zeit, in der Tiberius Julius Alexander Prokurator war (46–48 n. Chr.).9 Die schwere Verfolgung in Jerusalem wurde von »König Herodes« wahrscheinlich in der Passazeit des Jahres 43 n. Chr. inszeniert (Apg 12,1–4): »Zu jener Zeit aber legte der König Herodes Hand an einige von der Gemeinde, um ihnen Böses zu tun. Er tötete aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert. Als er sah, daß es den Juden gefiel, fuhr er fort und nahm auch Petrus gefangen – es waren aber die Tage der Ungesäuerten Brote. Als er ihn ergriffen hatte, warf er ihn ins Gefängnis und übergab ihn vier Wachen von jeweils vier Soldaten, um ihn zu bewachen. Denn er wollte ihn nach dem Passafest dem Volk (zur Hinrichtung) hinaufführen.«
Marcus Julius Agrippa I., vermutlich schon in der Quelle des Lukas nur mit seinem Dynastienamen »Herodes« genannt, war der Sohn von Aristobul und Berenike, Enkel von Herodes dem Großen und der Hasmonäerin Mariamne; er war der Bruder der Herodias und der letzte jüdische König, der ganz Palästina beherrschte.10 In Rom aufgewachsen, wurde er zusammen mit den Söhnen des julisch-claudischen Kaiserhauses erzogen. Kaiser Caligulas Charakterfehler als Herrscher schob man auch seinem Umgang mit seinen Jugendgefährten aus dem Osten zu. Im Jahr 37 hatte Agrippa die Tetrarchie seines Onkels Philippus östlich des Oberlaufs des Jordans und den Königstitel erhalten. Wenig später schenkte Caligula ihm das Gebiet seines Onkels Herodes Antipas, den der Kaiser 9 Siehe dazu oben S. 172 und S. 343 Anm. 243, vor allem zur Unterstützung durch Königin Helena von Adiabene. Josephus war Augenzeuge und berichtet erschüttert über die Vorgänge (Ant. 20,51); vgl. R. Riesner, Paulus, 112–121 (besonders 118 f.). Zu den Datierungsfragen siehe auch die Zeittafel in M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 474; weiter dies., Jesus und das Judentum, 94. 10 Zu Agrippa I. siehe D. R. Schwartz, Agrippa I; ders., Art. Agrippa, RGG4 1 (1998), 192; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 86–92; A. M. Schwemer, Verfolger; dies., Agrippa; U. Schnelle, Jahre, 192 ff.
350
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
in die Verbannung nach Gallien schickte, das heißt, Agrippa erhielt Galilaea und Peraea dazu. Als er sich in Rom nach der Ermordung Caligulas am 24. Januar 41 große Verdienste bei der Anerkennung des Claudius als Kaiser durch den Senat erwarb, machte ihn dieser zudem zum Klientelkönig in Judaea, er erhielt also fast das gesamte Gebiet seines Großvaters. Wahrscheinlich begab er sich dann im Frühsommer in sein neues Herrschaftsgebiet. Hier bemühte er sich, die Wogen nach der Erschütterung durch die Caligula-Krise wieder zu glätten und die Sympathien der jüdischen Führungsschicht zu erwerben.
9.1.1 Die Hinrichtung des Zebedaïden Jakobus Vermutlich ging Agrippa I. auch aus diesem Grund ca. zwei Jahre später in Jerusalem gegen die Christen vor. Lukas erzählt im Stil der Septuaginta: Er »legte Hand an einige Glieder der Gemeinde, um ihnen Böses zu tun«.11 Wie viele Jesusanhänger Agrippa mißhandeln ließ, erfahren wir nicht. Opfer dieser Verfolgung wurden jedenfalls die Führer: Lukas nennt zuerst den Apostel Jakobus, Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes, den Zweiten in der Dreierspitze des Jüngerkreises.12 Er wurde mit dem Schwert hingerichtet, nach späterem rabbinischem Recht die Strafe für Mörder und eine zum Götzendienst abgefallene Stadt.13 Vielleicht hatte man ihn der Apostasie beschuldigt. Doch auch Johannes der Täufer wurde enthauptet. Es handelt sich um eine bei den herodianischen Herrschern nicht ungewöhnliche, römische Hinrichtungsform.14 11 Apg 12,1; vgl. Gen 22,12 u. ö. Lukas bevorzugt diese Wendung (ἐπιβάλλω τὰς χεῖρας), siehe Lk 20,19; 21,12; Apg 4,3; 5,18; 21,27; nur bei der Gefangennahme in Gethsemane verzichtet er darauf gegen Mk 14,46 par. 12 Im 7. Buch der Hypotyposen = Euseb, H. e. 2,9,2 f. (GCS Eusebius II/1, 124,16–24 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann) berichtet Clemens Alexandrinus ἐκ παραδόσεως τῶν πρὸ αὐτοῦ (Hegesipp) eine typische Märtyrerlegende: Der, der ihn dem Gericht vorgeführt habe, sei durch sein Zeugnis so bewegt gewesen, daß »er sich als Christ bekannte«, so daß »beide zusammen abgeführt wurden«. Auf dem Weg zur Richtstätte bat er Jakobus um Verzeihung. Der antwortete »nach kurzem Zögern mit dem Friedensgruß und küßte ihn. So wurden beide zusammen enthauptet.« 13 Apg 12,2; siehe dazu Bill. II, 706: mSan 9,1; 10,4. 14 Vgl. Mk 6,16.24–28; Lk 9,9; Mt 14,8–11. In Hebr 11,37 wird auf die Enthauptung des Profeten Ezechiel angespielt (vgl. VitProph 3,2, dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden I, 255 f.); vgl. G. Schiemann, Art. Decollatio, DNP 3 (1997), 351: »Im röm. Recht die ›einfache‹ Todesstrafe … im Gegensatz zur Verbrennung bei lebendigem Leibe … und Kreuzigung.« Mit dem schnellen Tod durch Beil bzw. Schwert wurden römische Bürger und höhergestellte Personen bestraft. Er galt als verhältnismäßig ehrenvoll. Seit Augustus wurde diese Hinrichtung nicht mehr mit dem Beil, sondern mit dem Schwert vollzogen, was auf eine Militarisierung schließen läßt. Zum Vollzug einer solchen öffentlichen Hinrichtung vgl. Josephus, Ant. 19,269 ff.: Stolz und tapfer stirbt Chaerea, der Anführer bei der Ermordung Caligulas, nachdem er den Soldaten, der ihn hinrichten sollte, gefragt hatte, ob er darin Erfahrung hätte, und ihm das Schwert geben ließ, mit dem er das Attentat auf den Kaiser ausgeführt hatte: »Er starb glücklich nach einem einzigen Streich.« Ganz anders erging es dem Mörder von Caligulas Frau und Tochter, der
§ 9 Die Verfolgung in Jerusalem durch Agrippa I.
351
Im Markusevangelium ist das Martyrium des Jakobus angedeutet, ebenso wie das seines Bruders Johannes. Die beiden Brüder fordern von Jesus eine Zusage dafür, daß sie zu seiner Rechten und zu seiner Linken sitzen werden in seiner δόξα, das heißt in seiner himmlischen Königsherrschaft. Diese Bitte lehnt Jesus ab mit dem Hinweis, daß sie zuerst imstande sein müßten, den »Becher« zu trinken und die »Taufe« auf sich zu nehmen, die ihm bevorstünden. Auf ihre Antwort: »Das können wir« hin sagt er ihnen, daß sie sehr wohl mit »Becher« und »Taufe« analog zu seiner Passion sterben würden, er aber über das Thronen zu seiner Rechten und seiner Linken nicht verfügen könne; denn es käme allein denen zu, »denen es bereitet sei«, das heißt, allein Gott bestimmt darüber.15 Die beiden gehörten mit Petrus zum engsten Jüngerkreis Jesu und erhielten wie dieser einen aramäischen Ehrennamen: Boanerges, Βοανηργές (Mk 3,17). Markus übersetzt den Namen mit »Donnersöhne«, was wahrscheinlich nicht auf ihr Temperament und ihren »stürmischen Eifer« hin zu deuten ist, sondern auf ihre Funktion – entsprechend der des Simon Petrus / Kephas – als vollmächtige Zeugen zielt.16 Sie waren samt Petrus bei der Verklärung Jesu anwesend, gehörten in Gethsemane zu seinen nächsten Begleitern und bildeten zusammen mit Petrus gewissermaßen das Führungsgremium der Urgemeinde nach Ostern. In der ältesten Jüngerliste in Mk 3,16–19 (vgl. dagegen Lk 6,14; Mt 10,2) steht Jakobus an zweiter Stelle direkt nach Simon Petrus und vor seinem Bruder Johannes, das heißt, er war dem Rang nach der zweite Mann im Jüngerkreis. Im Markus‑ (vgl. Mk 1,19; 5,37; 9,2; 10,35; 14,33) und im Lukasevangelium wird er stets vor seinem Bruder genannt; aber wenn Lukas die Dreiergruppe mit Petrus an der Spitze erwähnt, steht hier Johannes vor Jakobus (Lk 8,51; 9,28). In der Apostelgeschichte tritt Jakobus dann gegenüber seinem Bruder Johannes deutlich zurück, weil er früher starb und deshalb seine Bedeutung für die Urgemeinde als Gemeindeleiter verlor.17 Schon in Apg 1,13 wird er nach Johannes genannt, und in den ersten Auseinandersetzungen mit der Hohepriesterschaft in Kapitel 4 und 5 treten immer Petrus und der Zebedaïde Johannes als Paar auf. Dieser Wechsel der Positionen zeigt einmal das verhältnismäßig hohe Alter der feige seinen Hals nicht streckte und erst nach mehreren Hieben starb. Zu weiteren Beispielen vgl. C. S. Keener, Acts II, 1873; vgl. auch Röm 8,35, wo μάχαιρα in der Siebenerreihe der Leidensliste als Klimax wohl allgemein für gewaltsamen Tod steht, siehe dazu S. Krauter, Studien, 207 f. mit Verweis auf M. Ebner. 15 Mk 10,35–45. Mt 20,17 ff. schwächt diesen Rangstreit der Jünger ab, indem die Mutter der Zebedaïden die Bitte äußert; Lk 22,25 ff. berichtet vom Rangstreit im Zusammenhang des letzten Mahles. Vgl. zum Rangstreit unter den Jüngern M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 437 f.585 f. 16 So J. Frey, Corpus Johanneum, 75 mit Verweis auf A. Y. Collins, Mark, 220. Den stürmischen Eifer erschließt man aus Lk 9,54, wo die beiden Feuer auf ein samaritanisches Dorf fallen lassen wollen. 17 Siehe M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 373 f.
352
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
von Markus bewahrten Traditionen und dann, daß sein früher Tod den Zebedaïden Jakobus zurücktreten ließ gegenüber seinem Bruder, der länger lebte. Dieser Johannes war beim »Apostelkonzil« im Jahr 48/49 noch dabei. Paulus nennt ihn an dritter Stelle unter den δοκοῦντες, den »Angesehenen«, nach dem Herrenbruder Jakobus und nach Petrus. Mit diesen dreien besiegelten er und Barnabas ihre Übereinkunft durch Handschlag.18 Der Zebedaïde Jakobus war damals nicht mehr am Leben. Sein Bruder Johannes ist nicht mit ihm zusammen hingerichtet worden, aber er wird vor der Abfassung des Markusevangeliums (um 69/70 n. Chr.) das Martyrium erlitten haben, wie das vaticinium ex eventu in Mk 10,38 f. andeutet. In den Fragmenten des Papias hat sich die Notiz erhalten, daß der Zebedaïde Johannes von den Juden getötet wurde. Es handelt sich um eine zuverlässige Überlieferung, die von der späteren Johanneslegende, nach der der Evangelist, Lieblingsjünger und Seher auf Patmos lange lebte und in Frieden starb, fast ganz verdrängt wurde.19 Petrus wurde – wie oben zitiert – ins Gefängnis geworfen, kam jedoch durch ein Wunder wieder frei. Agrippa I. ließ nach Apg 12,3 auch Petrus verhaften, weil er sah, daß die Hinrichtung des Jakobus – nicht zu verwechseln mit dem Herrenbruder – »den Juden gefiel« und im Volk auf Zustimmung stieß (vgl. Apg 12,11). Man hat immer wieder vermutet, Agrippa I. habe dadurch seine propharisäische Haltung demonstrieren wollen,20 dies ist jedoch nicht begründbar. Lukas spricht allgemein von der Zustimmung der Juden, das heißt doch wohl zunächst der führenden Schicht in Jerusalem. In erster Linie werden hier wieder die alten Feinde Jesu und der Urgemeinde, der einflußreiche sadduzäische Adel und die Hohepriesterschaft und damit die politische und religiöse Spitze des Volkes, gemeint sein.21 Doch neu und auffallend gegenüber dem bisherigen in der Apostelgeschichte beschriebenen Wohlwollen des Volkes gegenüber der neuen »Sekte« sind der Stimmungsumschwung und die zweimal erwähnte feindliche Haltung: Der Justizmord an Jakobus erscheint »den Juden wohlgefällig« (Apg 12,3: ἀρεστόν ἐστιν τοῖς Ἰουδαίοις), und Petrus erkennt nach seiner Befreiung, daß »ihn der Engel des Herrn aus der Hand des Herodes gerettet hatte und aus jeder Erwartung (πάσης τῆς προσδοκίας) des jüdischen Volkes«. (Apg 12,11) 18 Gal
2,9. »Papias nämlich, der Bischof von Hierapolis, dessen Augenzeuge, sagt im zweiten Buch der ›Herrenworte‹, daß er von den Juden umgebracht worden sei; so erfüllte er offensichtlich zusammen mit seinem Bruder die Prophezeiung Christi über sie«; Pap frag. 12, vgl. auch frag. 11 (300 f.298 ff. ed. Lindemann / Paulsen) = Pap frag. 17 und 10 (68.62 ed. Körtner). 20 Dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 377 Anm. 1558. Anders wieder C. S. Keener, Acts II, 1877 f. 21 Siehe dazu oben S. 49.130; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 369–383; so auch D.-A. Koch, Geschichte, 191 f. 19
§ 9 Die Verfolgung in Jerusalem durch Agrippa I.
353
Die näheren Gründe für die Verfolgung können wir nur indirekt erschließen. Agrippa I. muß politische Gründe gehabt haben, um gegen die »Nazoräer« vorzugehen. Lukas schildert nur das taktische Verfahren: Zuerst wurde eine namentlich nicht genannte Gruppe mißhandelt, das heißt, sie wurden ausgepeitscht bzw. verprügelt, aber dann wieder laufen gelassen.22 Nur an Jakobus wurde ein Exempel statuiert und anschließend Petrus inhaftiert, um ihn ebenfalls hinrichten zu lassen. Über die Beweggründe für diese Verfolgung gibt es eine ganze Reihe von Vermutungen: Daniel Schwartz sah in den Zebedaïden politische Zeloten, auch Petrus sei gewalttätig gewesen und habe bei der Verhaftung Jesu zum Schwert gegriffen.23 Bernd Wander schlug vor, Agrippa habe die Religionspolitik des Kaisers Claudius durchsetzen wollen. Er sei schon in Rom auf die Christen als Unruhestifter aufmerksam geworden und schreite im Interesse der jüdischen Diaspora in der Metropolis des Judentums ein.24 Dem schließt sich Udo Schnelle an und fügt hinzu, der König habe in der neuen Bewegung wegen ihrer Aufnahme von Heiden ein Unruhe stiftendes Element gesehen. Der Herrenbruder Jakobus sei verschont worden, weil er in dieser Frage eine distanzierte Haltung einnahm.25 Gerd Theißen rechnet mit mehreren Ursachen, der Hauptgrund: Nach der Caligula-Krise habe Agrippa sein Land befrieden und den Tempel schützen wollen. Alle Tempelkritik war nun verpönt, deshalb habe der König bei seinem Vorgehen gegen christliche Tempelkritiker mit Zustimmung im Volk rechnen können.26 Die christliche Tempelkritik setzt ein mit der zeichenhaften Aktion Jesu gegen den Tempelkult, der »Tempelreinigung«, und seinem Tempelwort, das beim Verhör vor dem Hohenpriester und dessen Kollegium eine wesentliche Rolle 22 Das lukanische Vorzugswort κακόω (vgl. Apg 7,6.19; 14,2; 18,10) erscheint im Neuen Testament sonst nur noch in 1 Petr 3,13. Vgl. zum Verfahren auch unten S. 356 Anm. 40. 23 D. R. Schwartz, Agrippa I, 123; vgl. dagegen schon M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 375; dort auch S. 376 f. gegen die Vermutung von R. Riesner, Paulus, 108, der Grund seien der Übergang zur Heidenmission und eigene messianische Ansprüche des Königs gewesen. 24 B. Wander, Trennungsprozesse, 224–229. 25 U. Schnelle, Paulus, 166; ders., Jahre, 193, faßt die seines Erachtens entscheidenden Gründe zusammen: 1. Agrippa hatte sich in der Caligula-Krise für den Tempel eingesetzt, »die distanzierte Haltung der Christen gegenüber dem Tempel [konnte] sein Vorgehen sanktionieren«. 2. Er wollte sich bei den Juden beliebt machen. Seine Agitation kam den wiedererstarkten Sadduzäern entgegen. 3. »Die Erfolge der frühchristlichen Mission« erwiesen die »neue Bewegung … aus … [Agrippas] politische[r] und religiöse[r] Perspektive zuallererst [als] Unruhestifter«. 26 G. Theissen, Verfolgung, 274–280; er verweist unter anderem zustimmend auf unseren Vorschlag (278): Der König habe sich vor allem mit der hohepriesterlichen Familie des Hannas gut stellen und dieser einen Gefallen tun wollen.
354
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
spielte. »Ich werde diesen mit Händen gemachten Tempel zerstören und in drei Tagen einen nicht mit Händen gemachten errichten« (Mk 14,58).27 Implizit ist in diesem Tempellogion der messianische Anspruch Jesu enthalten. Deshalb stellt der Hohepriester die Messiasfrage. Jesus wurde nach dem ältesten Bericht des Markusevangeliums nicht nur wegen seines messianischen Anspruchs an Pilatus ausgeliefert, sondern weil er zudem eine Blasphemie gegen den Hohenpriester begangen hatte, indem er diesem das Gericht durch den kommenden Menschensohn androhte. Eine solche Blasphemie wurde nach sadduzäischem Recht mit dem Tode bestraft, wie wir von Josephus erfahren.28 Die Verhandlung gegen Jesus war kein Geheimverhör gewesen und wurde vermutlich als Präzedenzfall immer wieder angeführt; Gesetzesänderungen und das Tempelwort Jesu nennt Apg 6,13 f. als Anklage gegen Stephanus. Wenn der König jedoch ein eigenes vitales Interesse an der Verfolgung gehabt und in den frühen Christen eine politische Gefahr gesehen hätte, dann hätte er nach dem Entkommen des Petrus das Verfahren doch wohl verstärkt fortgesetzt und nicht nur die fahrlässigen Gefangenenwächter bestraft. Auch die Römer gingen in Palästina vor 70 n. Chr. nie von sich aus gegen die Christen vor, weil sie sie für politisch völlig ungefährlich hielten. Für die Annahme, daß der HannasClan hinter dem Vorgehen Agrippas steckte, spricht auch das spätere Vorgehen von Hannas II., der die Sedisvakanz zwischen Festus und Albinus nutzte und den Herrenbruder Jakobus und einige andere steinigen ließ.29 Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Familie die Gelegenheit ergriff, als kein römischer Präfekt oder Prokurator, sondern ein jüdischer König in Palästina herrschte, dem an einem gutem Einvernehmen mit der mächtigsten hohepriesterlichen Familie lag und der über das ius gladii verfügte. In Apg 4,6 weiß Lukas sogar die Namen von vier Mitgliedern dieser Familie, die die Apostel verhören: Hannas, Kaiaphas, Johannes und Alexander.30 Seit dem Prozeß und der Kreuzigung Jesu waren die Mitglieder des Hannas-Clans die gefährlichsten Feinde der Urgemeinde. Zur 27 Vgl. dazu ausführlich J. Ådna, Tempel; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 557–561. 28 Josephus, Ant. 13,293–296: Johannes Hyrkan bricht mit den Pharisäern und schließt sich den Sadduzäern an, weil die ersteren eine gegen ihn ausgesprochene Beleidigung nur mit Schlägen bestrafen wollen; Ap. 2,194: »Wer dem Hohenpriester ungehorsam ist, muß vom Hohenpriester, wie wenn er sich gegen Gott vergangen hätte, bestraft werden.« Siehe dazu A. M. Schwemer, Passion, 149 ff. 29 Josephus, Ant. 20,197–203. Vgl. ausführlicher meine Bemerkungen in: M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 369–383; ferner unten S. 492–500. 30 Vgl. auch Apg 5,17. Die rein aramäisch-hebräischen Ossuarinschriften, die sich von Mitgliedern dieser Familie erhalten haben, sprechen für eine nationalbewußt-konservative Einstellung; vgl. M. Hengel, Johannesevangelium, in: KS II, 325 ff. Bei dem in Apg 4,6 erwähnten Johannes wird es sich um einen Enkel von Hannas I. handeln, der auf dem Ossuar seiner Tochter erwähnt wird, siehe L. Y. Rahmani, Catalogue, 259 Nr. 871.
§ 9 Die Verfolgung in Jerusalem durch Agrippa I.
355
Zeit der Agrippa-Verfolgung amtierte wieder ein Hohepriester aus der HannasFamilie, Matthias, Sohn des Hannas.31 Weiter darf man nicht vergessen, daß die Tempelkritik der frühesten Christen auf breiten Widerstand stoßen mußte. Die Hohenpriester, den König als Schirmherrn des Tempels und die Jerusalemer Stadtbevölkerung, die mit den in Apg 12,3 genannten Ἰουδαῖοι gemeint ist, verband ein großes gemeinsames wirtschaftliches Interesse am Tempel. Jerusalem war Wallfahrtsstadt und lebte von den Pilgern, die aus dem ganzen Land und aus der Diaspora nicht nur zu den Festen zusammenströmten. Herodes I. hatte den Tempel für den Pilgerbetrieb mit riesigen Vorhöfen ausgestattet.32 Wenn der Kult bedroht war, war auch der Wohlstand der Stadt gefährdet. Die Priester lebten von den Einkünften aus dem Opferkult, auch die hohepriesterlichen Clans waren auf diese angewiesen, ja, sie profitierten am meisten von den Opfergaben.33 Agrippa I. war zeit seines Lebens verschwenderisch und in Geldnot, auch als König waren seine Ausgaben größer als seine nicht unbeträchtlichen Einnahmen (Josephus, Ant. 19,352). Er hätte einen Rückgang der Tempeleinkünfte nicht ausgleichen können. Bei den Juden, deren Reaktion auf seine Maßnahmen der König abwartet, ist – wie gesagt – in erster Linie an die Jerusalemer Bevölkerung zu denken. Diese Juden waren vor und nach der Passafestwoche in der Stadt. Diesem Volk (λαός) wollte Agrippa die Hinrichtung des Petrus vorführen, ἀνάγειν heißt: Petrus sollte zur Hinrichtung hinaufgeführt werden.34 Es sollte ein öffentliches Schauspiel werden, kein Köpfen im verborgenen im Kerker. Deshalb hatte Agrippa zuerst einmal die Volksstimmung getestet, öffentliche Proteste wollte er nicht riskieren. Kultkritik schadete nicht nur der Heiligkeit des Tempels, sondern schmälerte auch die Einnahmen des Heiligtums und der Stadt. Die Christen bezahlten die Tempelsteuer, »um kein Ärgernis zu erregen« (Mt 17,27). Sie beteten im Tempel, nutzten die Vorhöfe zur Verkündigung und waren überzeugt, daß er ein »Bethaus für alle Völker« sein sollte.35 In der metaphorischen Verwendung des »Tempels Gottes« für die christliche Gemeinde, aber auch für den einzelnen Christen als Wohnsitz des Geistes, schon bei Paulus, läßt sich der Beginn des Ablösungsprozesses vom Jerusalemer Kult erkennen.36 Heidenchristen, Unbe31 Josephus, Ant. 19,313–316. Um 43/44 n. Chr. setzt Agrippa I. Elionaeus, den Sohn des Kantheras, ein. 32 Vgl. M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 98 f. Anm. 399. 33 Vgl. die ausführliche Darstellung zur Priesterschaft und ihren Einkünften in Schürer II, 237–313. 34 So auch C. K. Barrett, Acts, 577: Agrippa wußte, was er mit Petrus vorhatte; vgl. zur Terminologie 2 Makk 6,10. Es geht nicht um einen öffentlichen Prozeß gegen Petrus, wie zumeist angenommen wird. 35 Zum Zitat von Jes 56,7 in Mk 11,17 vgl. J. Ådna, Tempel, 276–289. 36 Vgl. C. Böttrich, Tempel; vgl. zur Tempelmetaphorik V. Gäckle, Allgemeines Priestertum, 361–383.
356
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
schnittene, konnten dort im Tempel keine Opfer darbringen. Aber auch für die Urgemeinde hatte der Kult seine Sühnefunktion verloren. Wenn Paulus in Röm 3,25 den Sühnetod Jesu mit Opferterminologie erläutert, so verwendet er alte Jerusalemer Tradition.37 Wahrscheinlich schlachtete die Urgemeinde seit der ersten Wiederkehr des Festes nach dem Kreuzestod Jesu keine Passalämmer mehr im Tempel, sondern feierte die Nacht mit Fasten und in Erwartung der Wiederkunft Christi, um dann beim ersten Hahnenschrei das Herrenmahl zu feiern. Diese Überlieferung findet sich zwar erst in der Epistula Apostolorum, aber bereits Paulus sagt: »Unser Passalamm ist geschlachtet« (1 Kor 5,7). Die Epistula Apostolorum verbindet auf eine eigenartige Weise ihre Schilderung der Passafeier mit einer vorläufigen Befreiung des Petrus durch den Engel Gabriel aus dem Gefängnis. Dieser nimmt an der Feier im Jüngerkreis teil, wird aber am Morgen wieder ins Gefängnis geworfen, um erst am Ende der Festwoche vom Engel aus der Gewalt Agrippas befreit zu werden.38 Vermutlich war die Erwartung der Parusie analog zur jüdischen Messiaserwartung vor allem mit der Passanacht verbunden, eine Erwartung, die sich im zwölften Jahr gesteigert haben mag.39 Auch dies könnte ein Grund sein, warum der König zu diesem Zeitpunkt auf Wunsch der hohepriesterlichen Familie des Hannas gegen die Führer der Urgemeinde vorging. Das lukanische Vorzugswort κακῶσαι umschreibt in Apg 12,1 die Prügelstrafe, ähnlich wie in Apg 18,10. In Lk 21,12 wird das markinische »prügeln« (Mk 13,9: δαρήσεσθε) durch »Hand anlegen« und »verfolgen« ersetzt. Vermutlich war das angewandte Verfahren dasselbe wie bei der Verfolgung durch Paulus nach Apg 26,10 f.: Die Jesusanhänger sollten Jesus verfluchen; taten sie das nicht, wurden sie mit Schlägen mißhandelt. Noch Bar Kochba verfuhr so – Justin spricht von »schrecklichen Strafen« (τιμωρίας δεινάς).40 Warum der Zebedaïde Jakobus vom König mit der in römischen Augen ehrenhaften Enthauptung hingerichtet wurde, scheint rätselhaft. Bernd Wander vermutete, er sei mit dem Herrenbruder gleichen Namens verwechselt worden – das ist recht unwahrscheinlich.41 Der Testfall traf einen prominenten, in der frühen Jüngergemeinde im Kreis der Zwölf nach Ostern sehr wichtigen Kandidaten. Der Herrenbruder wurde erst nach der Agrippa-Verfolgung der Leiter der Urge37 Siehe
M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 435. 15 (26), deutsche Übersetzung von C. D. G. Müller, Epistula Apostolorum, in: AcA I/2, 1071. Dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 381 f. 39 Siehe dazu ausführlicher A. M. Schwemer, Mahlgemeinschaft. 40 Justin, 1 Apol. 31,6 (SC 507, 210,24 ed. Munier); Euseb, H. e. 4,8,4 (GCS Eusebius II/1, 316,1–6 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Auch Plinius d. J. übernahm dieses Verfahren (Ep. 10,96,5 f. [BSGRT, 355 f. ed. Schuster / Hanslik]); vgl. schon 1 Kor 12,3; dazu W. Horbury, Jewish War, 374 f. 41 B. Wander, Trennungsprozesse, 227. 38 EpAp
§ 9 Die Verfolgung in Jerusalem durch Agrippa I.
357
meinde.42 Es könnte sein, daß der Zebedaïde beim Verhör den König beleidigt hat im Vertrauen auf die Überzeugung: »und wenn sie euch vor Gericht führen und übergeben, sorgt euch nicht, was ihr reden sollt, sondern was euch in jener Stunde eingegeben wird, das sagt; denn nicht ihr seid es, die sprecht, sondern der heilige Geist.«43
Die Zebedaïden verdankten ihren Beinamen »Donnersöhne« vermutlich – wie schon betont – nicht ihrem zelotischen Eifer oder ihrem stürmischen Temperament, sondern ihrem vollmächtigen Zeugnis, das sie mit dem entsprechenden »Freimut«, das heißt mit παρρησία, äußerten.44 Agrippa seinerseits reagierte auf Schmeicheleien mit Wohlgefallen, auf Kritik nicht immer milde. Er ließ z. B. seinen verdienten General Silas inhaftieren, weil dieser mit zuviel »Freimut« redete und den König an seine unrühmliche Vergangenheit erinnerte.45
9.1.2 Die Befreiung des Petrus Petrus konnte aus dem Gefängnis fliehen. Vermutlich gelang ihm dies durch die Hilfe von Pharisäern, die mit dem Vorgehen des Königs nicht einverstanden waren; er mußte jedoch das Herrschaftsgebiet Agrippas verlassen. Seine wunderbare Befreiung aus dem Gefängnis wird von Lukas besonders lebhaft mit konkreten Details geschildert, so daß man annehmen kann, daß er hier wieder – oft erzählte – Petrusüberlieferung verwenden kann.46 Auch das Nachspiel, der Besuch des Petrus im Haus der Maria, der Mutter des Johannes Markus, ist historisch ernst zu nehmen. Während die hier versammelten Gläubigen im inständigen Gebet für den inhaftierten Petrus verharren (Apg 12,5.12), hört die Magd Rhode Petrus’ Klopfen und Stimme und läßt ihn vor Freude völlig kopflos vor dem verschlossenen Tor stehen, um die Nachricht von seiner Befreiung schnell ins Haus zu bringen. Die Betenden, die ihr zunächst nicht glauben können, daß ihr Gebet schon erhört ist, öffnen erst auf das weitere energische Klopfen des Petrus hin. Mit »Ironie« würde ich diese Schilderung nicht bezeichnen.47 Den 42 Siehe dazu S. 364 bei Anm. 85; vgl. weiter S. 8 Anm. 21, S. 245 Anm. 203, S. 443 Anm. 18 und S. 478 Anm. 15. 43 Mk 13,11 par. 44 Siehe dazu oben S. 351 mit Anm. 16. Vgl. auch in Apg 4,13 die παρρησία, mit der sich Petrus und Johannes verteidigen; dazu Apg 4,29.31. 45 Josephus, Ant. 19,299.317–325; weiter M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 376 ff. zur Person des Königs. 46 Diese Befreiungserzählung wirkt nur teilweise legendär, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 381 ff. 47 Anders C. S. Keener, Acts II, 1946 Anm. 993, der in der lukanischen Darstellung gern »irony of the situation« (1876; vgl. 1877: »ironically«) sehen möchte, die den damaligen Lesern gefallen haben mag. Absurd ist der Vorschlag von C. K. Rothschild, Ἐτυμολογία, 295 f., die
358
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Befehl des Petrus an die Anwesenden, seine Befreiung Jakobus und den Brüdern mitzuteilen, erwähnt Lukas dagegen nur ganz knapp.48 Wahrscheinlich zielte diese Verfolgung auf den Kreis der Zwölf als das damalige Leitungsgremium. Der König ging vorsichtig vor, wollte nicht zuviel Blut vergießen und keinen Protest im Volk riskieren. Als offenkundige Übeltäter konnte er die Christen nicht inhaftieren lassen oder gar für sein Kriegsschauspiel bei der Einweihung des Amphitheaters in Berytos / Beirut aufsparen, bei dem er je 700 verurteilte Verbrecher gegeneinander kämpfen ließ.49 Aber auch wenn die Hinrichtung des Petrus nicht vollzogen werden konnte, war das Ziel der Verfolgung, die Auflösung bzw. die Dezimierung des Zwölferkreises, erreicht.50 Es gab keine Nachwahl mehr, denn der Märtyrertod des Zebedaïden war etwas anderes als die Apostasie des Verräters Judas und dessen Tod. Der Zwölferkreis mußte nach dem Tod des Judas ergänzt werden, denn die eschatologische Verheißung Jesu: »Ihr werdet sitzen auf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels« (Lk 22,30; Mt 19,28) konnte nicht hinfällig werden. Der Tod des Jakobus dagegen widersprach dieser Verheißung für die Zwölf nicht.51
9.2 Agrippas Tod als Gottesfeind52 So wie Lukas am Ende seines Berichts über die Verfolgung durch den König dessen Tod schildert, müssen auch wir auf Agrippa zurückkommen. Noch deutlicher als Josephus beschreibt Lukas Agrippas Ende als das eines Gottesfeindes,53 weil bei ihm das Motiv des Verfolgers hinzukommt. Mit einer für ihn typischen Ringkomposition gestaltet Lukas das zwölfte Kapitel der Apostelgeschichte. Er beginnt mit einer kurzen Notiz über die Verfolgung der Jerusalemer Gemeinde durch »König Herodes«, der Enthauptung des Zebedaïden Jakobus und der Inhaftierung des Petrus. Breit wird die Befreiung des Petrus geschildert, um dann zum Schluss wieder auf den König zurückzukommen und dessen Lebensende zu schildern. Schon mit der Komposition
den Namen der Sklavin Rhode nicht von griechisch »Rose« ableiten will, sondern von »Ῥόδη, the maenad, Haliad nymph, daughter of the god Poseidon«. 48 Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 382. 49 Gegen B. Wander, Trennungsprozesse, 229 Anm. 109, der das für möglich hält und auf Grund von 1 Thess 2,14 die Möglichkeit einer allgemeinen Verfolgung in Judaea erwägt. 50 Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 383 f.387 f. 51 Siehe dazu A. W. Zwiep, Judas, 49–52.180. 52 Siehe dazu ausführlicher A. M. Schwemer, Agrippa. 53 Vgl. Josephus, Ant. 19,343–348; vgl. A. M. Schwemer, Agrippa, 159–162. Zu Apg 12 als Ringkomposition vgl. schon oben S. 259 Anm. 32.
§ 9 Die Verfolgung in Jerusalem durch Agrippa I.
359
macht Lukas klar, daß Herodes Agrippa als Verfolger und Frevler bestraft wird. Er ist beides.54 Sein Ende berichtet Lukas wie folgt: »Dann zog er von Judaea hinab nach Caesarea und blieb dort eine Zeitlang. Er war aber zornig auf die Einwohner von Tyros und Sidon. Sie aber kamen einmütig zu ihm und überredeten Blastus, den Kammerherrn des Königs, und baten um Frieden, weil ihr Land seine Nahrung aus dem Land des Königs bekam. Und an dem festgesetzten Tag legte Herodes das königliche Gewand an, setzte sich auf den Richterstuhl und hielt eine Rede an sie. Das Volk aber rief ihm zu: ›Die Stimme eines Gottes und nicht eines Menschen!‹ Sofort aber schlug ihn ein Engel des Herrn dafür, daß er nicht Gott die Ehre gegeben hatte, und er wurde von Würmern zerfressen und starb.« (Apg 12,19b–22)
Wie schon Max Krenkel aufgefallen ist, enthält die Erzählung des Lukas Details, die auf lebendiger Erinnerung beruhen – so etwa den Namen des Kammerherrn Blastus, durch dessen Vermittlung die Gesandtschaften aus Tyros und Sidon beim König zur Audienz vorgelassen wurden. Daß Gesandtschaften von Herrschern im Theater oder Stadion empfangen wurden, war nicht ungewöhnlich.55 Die Berichte von Josephus und Lukas ergänzen sich hier gegenseitig und zeigen zugleich, wo für den jeweiligen Autor das Schwergewicht liegt. Nach Josephus führt der Auftritt des Königs bei Festspielen zu Ehren des Kaisers in Caesarea in einem aus Silber gewebten Gewand, das in den ersten Strahlen der Morgensonne aufleuchtete, zu Furcht bei den Zuschauern und zum Ausruf seiner Schmeichler: »Sei uns gnädig! Auch wenn wir dich bis jetzt als einen Menschen gefürchtet haben, so werden wir von nun an bekennen, daß du mehr als eine sterbliche Natur hast.«
Diese Schmeichelei weist Agrippa nicht zurück, was er später bedauert.56 Auch Lukas erwähnt das königliche Gewand, die Akklamation lautet jedoch etwas anders: Die pagane Volksmenge (ὁ … δῆμος), die als Zuschauer anwesend ist, packt zwar nicht das Erschauern angesichts der wie Apollo erstrahlenden Erscheinung, aber sie schmeichelt, aus ihm spreche »die Stimme eines Gottes, nicht die eines Menschen« (Apg 12,22: θεοῦ φωνὴ καὶ οὐκ ἀνθρώπου).
54 So schon E. Nestle, Legenden; anders J. Jervell, Apg, 337 Anm. 352, weil Wurmfraß der typische Tod eines Gottesverächters sei. 55 Tacitus erwähnt germanische Gesandte, die im Theater des Pompeius auf eine Audienz bei Nero warteten (Annales 13,54 [BSGRT, Vol. I/2, 67,32–68,20 ed. Wellesley]) und von den Vorführungen nicht beeindruckt waren. Vgl. Josephus, Ant. 19,24 ff.: Josephus weiß, daß die Bevölkerung im Theater den Herrschern ihre Bitten vortrug und gewöhnt war, daß diese erhört wurden. Vgl. weiter J. Jay, Theater, 240. 56 Josephus, Ant. 19,344–348.
360
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Exkurs: Agrippas göttliche Stimme Es ist erstaunlich, daß erst Hans-Josef Klauck die volle Bedeutung dieses Ausrufs der Menge erkannt zu haben scheint.57 Zwar hat schon Stefan Lösch in einer 1933 in Rottenburg am Neckar erschienenen Untersuchung auf die Verwandtschaft mit Neros Stimme hingewiesen, und auch Daniel Schwartz erwähnt in einer Anmerkung dazu Nero,58 aber sie haben nicht die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Klauck hat eine Fülle von Belegen zu Neros »göttlicher Stimme« gesammelt, angefangen bei Seneca im Jahr 54, und überzeugend gezeigt, daß erst, wenn man diese Anspielung auf Kaiser Nero erkennt, die lukanische Erzählung durchsichtig und in ihrer Bedeutung verständlich wird. Kein anderer Kaiser war so besessen von seinem Künstlertum als Sänger und Schauspieler. Bissigen Spott und Hohn gossen die Zeitgenossen aus dem senatorischen Adel über Neros penetrante »Beschäftigung mit der eigenen Stimme« aus. Doch dies konnte auch gefährlich werden; P. Clodius Thrasea Paetus soll unter anderem das Majestätsverbrechen das Leben gekostet haben, daß er »niemals für das Heil des Princeps oder seine göttliche Stimme opferte«.59 Suetons Kaiserviten und vor allem seine Nero-Vita sind eine »wahre Fundgrube« für dieses Thema, das genüßlich ausgeschlachtet wird.60 Klauck führt auch die Annalen des Tacitus an und schreibt: »Nach dem Brand Roms verbreitet sich das Gerücht, der Kaiser habe angesichts der brennenden Stadt die Hausbühne betreten und den Untergang Trojas … besungen (XV 39,3). Dem Verdacht, er habe selbst befohlen, die Stadt anzuzünden, antwortet er mit der Verfolgung der Christen als der Hauptschuldigen (XV 44,2–5; hier wird eine Kontaktstelle zwischen der kaiserlichen Obsession und der ersten größeren Christenverfolgung sichtbar!).«61 57 H.-J. Klauck, Stimme. Vgl. schon ders., Magie, 56 f. Leider wird Klaucks Aufsatz viel zuwenig beachtet; sogar M. Bockmuehl, Remembered Peter, übersieht ihn. O. W. Allen, Death of Herod, 88, meinte, die Akklamation korrespondiere mit der Szene, in der Rhode die Stimme des Petrus erkennt, »another contrast between Peter and Herod«. J. Jay, Theater, 248 Anm. 88, bemerkt nur: »The author of Acts likewise recounts Agrippa’s death as a result of his acceptance of this acclamation.« 58 S. Lösch, Deitas, 25: »Bei aller Knappheit der Schilderung könnte die Farbe des lukanischen Berichtes in Apg. 12,22 nicht schlagender in diese mit rhetorisch immer neu aufgeputzten Verherrlichungen sich förmlich überstürzende Apotheosen-Literatur aus der Mitte des ersten Jahrhunderts hineintreffen.« Auch D. R. Schwartz, Agrippa I, 147 f., verweist auf Neros »voice«. 59 Tacitus, Annales 16,22,1,1 (BSGRT, Vol. I/2, 137,16 ff. ed. Wellesley): numquam pro salute principis aut caelesti voce immolavisse; siehe dazu S. Lösch, Deitas, 20; W. Horbury, Antichrist (335 Anm. 9 verweist auf diese Tacitus-Stelle und auf Lösch); H.-J. Klauck, Stimme, 260. 60 H.-J. Klauck, Stimme, 260 f. Vgl. Sueton, Nero 20 f. (BSGRT, Vol. I, 232 ff. ed. Ihm); 21,1: caelestem vocem (BSGRT, Vol. I, 233,19 ed. Ihm); 33,2; 38,2 (BSGRT, Vol. I, 242 f.; 248,15 ff. ed. Ihm). Seinen Suizid soll er unter Tränen mit Versen und der Bemerkung in 49,1 (BSGRT, Vol. I, 256,23 ed. Ihm): qualis artifex pereo begangen haben, und schließlich stieß er sich den Dolch bezeichnenderweise in die Kehle (49,4 [BSGRT, Vol. I, 257 ed. Ihm]). Vitellius schmeichelte Nero wegen seines Gesangs (Sueton, Vitellius 4,1; 11,2 [BSGRT, Vol. I, 284.288 ed. Ihm]). Vespasian sei dagegen weggegangen oder schnell eingeschlafen, wenn Nero sang (Sueton, Vespasianus 4,4 [BSGRT, Vol. I, 296 ed. Ihm]). 61 H.-J. Klauck, Stimme, 260.
§ 9 Die Verfolgung in Jerusalem durch Agrippa I.
361
Die Anspielung auf Nero mit θεοῦ φωνή bringt auf versteckte Weise Kritik am Herrscherkult zum Ausdruck und legt dem Leser nahe, nicht nur an den Verfolger Herodes zu denken, sondern auch an Nero, dem dann gelang, was Herodes Agrippa vorhatte, nämlich Petrus hinzurichten. Den Händen Agrippas konnte Petrus entrinnen, aber nicht denen Neros.62 Um den Tod des Petrus unter diesem Kaiser in Rom zu erwähnen, genügten in den frühchristlichen Schriften zunächst Anspielungen, denn er war noch allen bekannt: so im Johannesevangelium,63 in den Petrusbriefen,64 dem 1. Clemensbrief,65 der Petrusapokalypse,66 im Römerbrief des Ignatius,67 in der Ascensio Jesaiae68 und bei den Kirchenvätern, angefangen bei Dionysios von Korinth, Origenes und Euseb.69 Sein Tod am Kreuz mit dem Kopf nach unten wird dann später ausführlich dargestellt im Martyrium des Petrus und in den sogenannten Petrusakten.70 Hätten wir den Bericht des Tacitus über Nero und seine Christenverfolgung nicht, würde man diese Andeutungen bei Lukas und in den anderen frühen Texten ins Reich der Fabel verweisen. Aber es ist nicht einfach so, wie Johannes Hahn meinte, daß die »Exekution römischer Christen als Folge des Brandes von Rom … selbst in der stadtrömischen Gemeinde der Vergessenheit anheimfiel«.71 Lukas mußte und wollte vorsichtig sein; denn er schreibt vermutlich in Rom zur Zeit Domitians (81–96 n. Chr.) für ein gebildetes Publikum, dem die Anspielung genügte und genügen mußte – sapienti sat.72 Theophilos, dem er das Doppelwerk widmete, und sein Freundeskreis gehörten zur Oberschicht, der Neros Stolz auf seine Stimme bis zum Überdruß 62 H.-J. Klauck,
Stimme, 266: »Falls Lukas davon ausgeht, dass die neronische Christenverfolgung seine Helden Petrus und Paulus oder auch nur einen der beiden das Leben kostete, ergibt sich eine fast schon zwingende Verbindung. Nero hätte dann nämlich zu Ende geführt, was Agrippa I. noch nicht ganz gelungen war.« Lukas erwähnt den Kaiser nicht namentlich in Apg 25,25 f.; 26,32, sondern nur »Sebastos«, »Kyrios« und »Caesar«, das ist bezeichnend; siehe auch J. G. Cook, Roman Attitudes, 39: »Luke refuses even to use his name in Acts«. 63 Joh 13,36 ff.; 21,18 f. 64 1 Petr 5,1.13; 2 Petr 1,13 ff. 65 1 Clem 5,1–7. Siehe dazu M. Hengel, Petrus, 8 f.160 f., vgl. 256 Index s. v. »Petrus – Martyrium«; M. Bockmuehl, Remembered Peter, 114–132. 66 Vgl. zum Erzherzog-Rainer-Fragment (PO XVII, 1924, 482 f.) NTApo II5, 575 Anm. 43; weiter M. Wolter, Art. Petrus I, RAC 27 (2016), 396. 67 IgnRöm 4,3. 68 AscJes 4,2 f. (CChr.SA 7, 64–67.374 f. ed. Bettioli u. a.). 69 Euseb, H. e. 2,25,8 und 3,1,2; 3,3,2 (GCS Eusebius II/1, 178,7–14; 188,5–8; 190,1–6 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 70 ActPetr 37–41 (NTApo II5, 287 f.); zur Überlieferungsgeschichte siehe H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten, 93–124. M. C. Baldwin, Whose »Acts of Peter«?, datiert die Petrusakten erst in die Zeit nach 250 n. Chr. Die Überlieferung vom Martyrium in Rom betrachtet er entsprechend zu skeptisch (308 Anm. 8); vgl. T. Nicklas / W. Grünstäudl, Art. Petrus II, RAC 27 (2016), 417 f. 71 J. Hahn, Neros Rom, 366. Zur sterilen, endlosen Diskussion um die Historizität des Petrusmartyriums in Rom siehe M. Hengel, Petrus, 160 Anm. 332; M. Bockmuehl, Remembered Peter, 124–132; vgl. die Rezension von F. W. Horn zu O. Zwierlein, Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom. Vom Neuen Testament zu den apokryphen Apostelakten, UALG 109, Berlin / New York 2013 (132: »Der historische Petrus war nie in Rom«) in: ThLZ 138 (2013), 689 ff. 72 Zur großen Bedeutung von »verdeckten Anspielungen« in der antiken Rhetorik und Literatur vgl. H.-J. Klauck, Stimme, 265 f.
362
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
bekannt gewesen war. Lukas wollte Petrus auch nicht einfach sang‑ und klanglos mit Apg 15 von der Bühne des Geschehens in seiner Darstellung der Frühgeschichte verschwinden lassen. Er deutet den Märtyrertod des Petrus mit dieser verdeckten Anspielung an und weist auf ihn voraus, so wie er ja auch den Tod des Paulus, den er in dessen Abschiedsrede in Milet anspricht, aber auch schon in den Berichten über seine Berufung anklingen läßt, dann nicht mehr ausdrücklich schildert.73 Während Petrus vom Engel zu seiner Rettung ein Schlag versetzt wird, schlägt der Engel Agrippa mit tödlicher Krankheit.74 Die in Apg 12,23 geschilderte Krankheit des Würmerfraßes bei lebendigem Leibe ist in jüdisch-christlicher Tradition seit der Schilderung der Todesqualen von Antiochos IV. Epiphanes75 die typische Strafe für den Gottesfeind.76 Eberhard Nestle hatte einst die wichtigsten Belege aus der griechisch-römischen, der jüdischen und der christlichen Literatur gesammelt.77 Josephus ließ bereits Herodes den Großen an der Würmerkrankheit unter entsetzlichen Qualen sterben; eine Fäulnis an seinen Geschlechtsorganen brachte Würmer hervor. Gottesmänner mit profetischer Weisheit erklärten das als Strafe für seine Gottlosigkeit bzw. im Bellum Iudaicum für seinen Mord an den Gelehrten, die den goldenen Adler am Tempel hatten entfernen wollen.78 Im Index Apostolorum Discipulorumque Domini des Pseudo-Dorotheus stirbt dann die gesamte Familie des Herodes samt der ehebrecherischen Herodias an der Würmerkrankheit.79 Man könnte die Liste lange fortsetzen; auffällig ist auf jeden Fall die Häufung dieser Todesart bei den Nachkommen von Herodes I. in der altkirchlichen Literatur. Sie ist vorgegeben durch die Notizen bei Josephus und Lukas.
73 Zu
Paulus siehe D.-A. Koch, Geschichte, 414. Apg 12,7: καὶ ἰδοὺ ἄγγελος κυρίου …· πατάξας δὲ τὴν πλευρὰν τοῦ Πέτρου ἤγειρεν αὐτόν und 12,23: παραχρῆμα δὲ ἐπάταξεν αὐτὸν ἄγγελος κυρίου. 75 2 Makk 9,8 f.: »Er aber, der eben noch gemeint hatte, er könne den Wogen des Meeres kraft seiner menschliches Maß übersteigenden Prahlerei Anordnungen geben, und der gemeint hatte, (er könne) die Höhe des Gebirges auf die Waagschale stellen, wurde zu Boden gestürzt … (und) zeigte so allen sichtbar die Macht Gottes, mit der Folge, daß auch aus den Augen des Schändlichen Würmer heraufquollen und sein Fleisch bei lebendigem Leib in Qualen und Schmerzen zerfiel, von seinem Gestank aber das ganze Heer mit Fäulnis belästigt wurde.« Zu den Würmern in verwesenden Toten im Grab, im Totenreich und als ewige Höllenpein siehe Jes 14,11; 66,24; Hi 7,5; Jdt 16,21 (LXX 16,17) und zu weiteren Belegen (im Anschluß an E. Nestle, Legenden, 247–267) vgl. J.-D. Gauger, Tod des Verfolgers, der jedoch meint, das Motiv des Würmerfraßes bei lebendigem Leib für den Verfolger könne »nur aus dem griechischen Umfeld kommen« (50 Anm. 23), tauche im jüdischen erst bei Josephus auf, und deshalb müsse 2 Makk 9 ein späterer Einschub sein (57 f.). Dieser spiele auf den Tempelzerstörer Vespasian an (59). Diese Argumente für eine Spätdatierung sind wenig überzeugend. Siehe dagegen D. R. Schwartz, 2 Maccabees, 357 f., der zu Recht neben den griechischen Parallelen den Bezug auf Jes 14,11 unterstreicht. 76 Vgl. C. K. Barrett, Acts I, 591 f.; F. Lang, Art. σκωληκόβρωτος, ThWNT VII (1964), 456 f. 77 E. Nestle, Legenden, führt die besonderen Todesarten für die Gottesverächter und θεομάχοι auf (ab S. 263 die jüdischen und christlichen Beispiele); vgl. F. Lang, Art. σκώληξ, ThWNT VII (1964), 452–457. Weitere Belege bei A. M. Schwemer, Agrippa. 78 Josephus, Ant. 17,169; vgl. Bell. 1,656; ausführlicher dazu A. M. Schwemer, Agrippa. 79 T. Schermann, Prophetarum vitae, 159. 74
§ 9 Die Verfolgung in Jerusalem durch Agrippa I.
363
Für die Todesnotiz verwendet Lukas Septuaginta-Sprache: Der Engel des Herrn schlug ihn. Die Begründung für dieses Sterben formuliert Lukas ebenfalls ganz schlicht mit Anklang an eine liturgische Formel: Herodes Agrippa mußte mit dem typischen Tod des Gottesfeindes »sein Leben aushauchen«, weil er »Gott nicht die Ehre gab«. Nach der Definition von 2 Thess 2,4 will sich ein Feind Gottes als Gott verehren lassen. Josephus teilt diese Ansicht und wendet sie expressis verbis auf Caligula an. Bei Agrippa I. ist er wesentlich vorsichtiger. Dem freundlichen Agrippa-Bild, das er aus der Tradition übernimmt, würde es nicht entsprechen, wenn der König den Tod aller schlechten Tyrannen, von Würmern zerfressen, sterben müßte, den Josephus aber für Herodes I. durchaus als Strafe gelten läßt. Agrippa stirbt einen plötzlichen, schmerzhaften Tod, weil er sich als göttliches Wesen huldigen und den Herrscherkult gefallen ließ, aber reu‑ und wehmütig, den Blick auf sein wehklagendes, bittflehendes eigentliches Volk, seine jüdischen Untertanen gerichtet. Zum Frevel verführt haben ihn seine Eitelkeit und sein Hang zu heidnischer Lebensweise sowie zum Herrscherkult.80 Lukas beurteilt Herodes Agrippa dagegen rein negativ: Dieser Herodes genoß die göttliche Verehrung und war ein Verfolger; er war damit auch ein erster Nero, wie Lukas dies verschlüsselt mit Anspielung auf die vox caelestis andeutet.
Um nach der Caligula-Krise wieder Ordnung und Frieden im Land herzustellen, förderte Agrippa I. die nationalkonservative sadduzäisch-priesterliche Adelspartei – und hier vor allem das Haus des Hannas –, deren Wohlwollen er erwerben bzw. behalten wollte. Unter diesem jüdischen (Klientel‑)König, der die Herrschaft der römischen Präfekten ablöste, verstärkte sich das nationale Selbstbewußtsein in der jüdischen Bevölkerung Palästinas. Agrippa wollte Jerusalem durch eine dritte Mauer im Norden stärker befestigen und die Stadt uneinnehmbar machen, wie Josephus schreibt, aber das weckte den Verdacht des Statthalters Marsus, der ihn beim Kaiser anschwärzte. Claudius habe den Mauerbau dann strikt verboten.81 Unter den anderen Klientelfürsten im Osten des Reiches nahm er eine besondere Stellung ein, er sei bei ihnen »angesehen« bzw. »bewundert« gewesen.82 Seine außenpolitischen Ambitionen spiegelt das ›Gipfeltreffen‹ in Tiberias, zu dem er fünf Klientelfürsten aus Syrien und dem östlichen Kleinasien, mit denen er zum Teil verwandt war, einlud. Damit weckte er bei Marsus den Verdacht auf antirömische Umtriebe; dieser kam selbst nach Tiberias und schickte die fünf Könige sofort heim. Vermutlich zog sich Agrippa damit die Feindschaft des Statthalters zu.83 Möglicherweise war bei seinem plötzlichen Tod römisches Gift im Spiel. Josephus, Ant. 19,346–349. Josephus, Ant. 19,326 f.; Bell. 2,218; 5,148; vgl. zu den abweichenden Berichten D. R. Schwartz, Agrippa I, 140–144. 82 Josephus, Ant. 19,338: τοῖς ἄλλοις βασιλεῦσιν περίβλεπτος. Er wollte wieder einen ähnlich bedeutenden Einfluß erreichen wie sein Großvater; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 95. 83 Josephus, Ant. 19,338–342. 80 81
364
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
9.3 Die Folgen für die Jerusalemer Gemeinde und für die paulinische Mission Während Agrippa herrschte, ging – jedenfalls nach der Darstellung des Josephus – die Zahl der zelotischen Eiferer und Aufrührer, aber auch die der endzeitlichen Profeten zurück. Erst nach seinem Tod traten unter den römischen Prokuratoren wieder vermehrt »Pseudoprofeten« und »Pseudomessiasse« auf, so unter Fadus der Profet Theudas, der den ersten Zug einer großen (bewaffneten) Menschenmenge an den Jordan führte und ihnen versprach, daß sich das Wunder des Einzugs in das Heilige Land unter Josua jetzt in der Endzeit wiederholen würde. Fadus schickte eine Reitertruppe, die Anhänger des Theudas fielen im Kampf oder wurden gefangengenommen. Den Kopf des Theudas ließ Fadus zur Abschreckung nach Jerusalem bringen.84 Die Christen schienen dagegen in römischen Augen ungefährlich. Die Prokuratoren versuchten die radikalen Unruhestifter, die Zeloten und die Anhänger der Aufstandsbewegung, unter Kontrolle zu halten. Diese mußten sie bekämpfen. Der unter der römischen Fremdherrschaft neu entfachte jüdische Eifer für Gott und das Gesetz brachte die Anhänger der neuen Sekte in Palästina von jüdischer Seite her in Bedrängnis. Jeder Verdacht einer laxen Haltung gegenüber dem Gesetz und dem Tempel führte die judenchristlichen Gemeinden in Palästina in immer neue Schwierigkeiten, da sie damit den Schutz durch die gemäßigten Pharisäer verloren. Sie meinten, sie könnten auf die Dauer in Palästina nur existieren, wenn sie sich streng an die Tora als die verbindliche Lebensnorm hielten. Diesen Weg beschritt konsequent der Herrenbruder Jakobus, der vermutlich bald nach der Verhaftung und Flucht des Petrus im Jahr 43 die Führung der Gemeinde in Jerusalem übernahm.85 Apg 12,17 führt ihn ganz überraschend erstmalig in der Apostelgeschichte ein. Petrus sagt dort nach seiner wunderbaren Befreiung zu der im Haus der Maria, Mutter des Johannes Markus, versammelten Hausgemeinde: »Verkündigt meine Befreiung dem Jakobus86 und den Brüdern!« 84 Vgl. ausführlicher M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 93. Zur Reaktion auf Theudas und den Ägypter im palästinischen Judenchristentum siehe C. Grappe, Zeloten, der überzeugend zeigt, daß in den Berichten von »der Brotvermehrung und dem Seewandel … die Ankunft und das Wirken Jesu … zum Gegenstand einer Relecture« werden, in der nicht das »Modell der Landnahme … [und] eine politisch-militärische« Aktion zum Vorbild werden, sondern die »Fürsorge Gottes für sein Volk während der Wüstenwanderung« (106). 85 Anders D.-A. Koch, Geschichte, 193, der – ohne weitere Begründung – Jakobus erst in den 50er Jahren an der Spitze sieht. 86 Eigenartig ist, daß Lukas, der ihn dreimal in einem wichtigen Zusammenhang erwähnt, im Gegensatz zu Paulus ihn nie als »Bruder des Herrn« bezeichnet, vgl. Apg 15,13 und 21,18. In Apg 1,14 nennt er nur die Mutter und Brüder Jesu ohne Namen. Zu Paulus siehe Gal 1,19, wo er bei der ersten Nennung im Brief »Bruder des Herrn« hinzufügt.
§ 9 Die Verfolgung in Jerusalem durch Agrippa I.
365
Anschließend heißt es dann in lapidarer und zugleich rätselhafter Kürze: »und er ging hinaus an einen anderen Ort«. Oft wurde angenommen, daß Petrus damals nach Rom ging, wo sich, wie die Sueton-Notiz zeigt, gerade eine christliche Gemeinde konstituierte. Trotz der altkirchlichen Nachrichten über einen frühen Aufenthalt des Petrus in der Hauptstadt des Reiches kann man das nicht beweisen.87 Man darf jedoch annehmen, daß er das Machtgebiet des Königs, das heißt Palästina, verließ. Nach dessen frühem Tod im Frühjahr 44 mag er wieder zurückgekehrt sein. Beim Apostelkonzil ca. vier Jahre später war er wieder in Jerusalem. Daß Jakobus jedoch nach der Flucht des Petrus die Führung in Jerusalem übernimmt, zeigt sich daran, daß Paulus ihn in Gal 2,9 als den ersten von den drei »Säulen« der Jerusalemer Urgemeinde nennt: zuerst Jakobus, den Herrenbruder, dann Kephas / Petrus und zuletzt den Zebedaïden Johannes. Die Reihenfolge ist hier – wie meistens im Neuen Testament – zugleich eine Rangfolge. Das Vorgehen Agrippas I. gegen die Urgemeinde erwies sich als ein »folgenschweres Zwischenspiel« in der Geschichte des frühen Christentums. Der Zwölferkreis wurde zerschlagen und verlor seine Funktion in Jerusalem.88 Der gesetzesstrengere Jakobus wurde zur führenden Autorität und verdrängte Petrus auf die zweite Stelle, wie Gal 2,9 zeigt. Die Urgemeinde stand aus verschiedenen Gründen weiterhin unter Druck. Der zelotisch-nationale Eifer für das Gesetz nahm angesichts der vielfach unklugen Politik der Prokuratoren weiter zu, ebenso die apokalyptischen Spannungen. Gerade dem zunehmenden Einfluß dieses Eifers für das Gesetz konnten sich auch die Judenchristen in Jerusalem nicht entziehen. Die Hauptgegner blieben aber weiterhin die sadduzäischhohepriesterliche Führungsschicht und hier insbesondere der Hannas-Clan. Hannas II. gelang es dann im Jahr 62, Jakobus und einige andere Judenchristen steinigen zu lassen. Angesichts der auch für die Urgemeinde schwieriger werdenden politischen Situation in Jerusalem ist es erstaunlich, daß Jakobus sie ganze zwanzig Jahre lang führen konnte. Deshalb vermutete Udo Schnelle: »Mit dem Herrenbruder Jakobus änderte sich die politische Linie der Jerusalemer Gemeinde. Als Nachwirkung der Konflikte unter Agrippa I. steuerte Jakobus eine Politik 87 W. Bauer, Apostelbild, 21 f.; M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus 382.388–392; J. A. Fitzmyer, Acts, 489 f.; M. Hengel, Petrus, 89.154 (ist der Romhypothese vorsichtig nicht völlig abgeneigt); eindeutig dagegen C. S. Keener, Acts II, 1952 f.; vgl. M. Wolter, Art. Petrus I, RAC 27 (2016), 397: »Ausschließen kann man, dass P. die röm. Gemeinde zusammen mit Paulus gegründet hat.« A. M. Schwemer, Verfolger, 184: Wahrscheinlich hielt sich Petrus nach seiner Flucht zunächst längere Zeit in Syrien auf; aber sein Wirken hat sich, bis er dann nach Rom kam, nicht allein auf Antiochia und Syrien beschränkt, siehe M. Hengel, Petrus, 81 f. 88 Vermutlich hat sich nach der Verfolgung durch Agrippa auch die Vorstellung von der Sendung der zwölf Jünger zu allen Völkern (vgl. Mt 28,18) entwickelt; dazu oben S. 114 Anm. 113.
366
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
der Annäherung gegenüber dem offiziellen Judentum, was gleichzeitig mit einer Distanzierung gegenüber der beschneidungsfreien Völkermission des Paulus verbunden war.«89
Aber was man dabei auch nicht vergessen darf: Die späteren Auseinandersetzungen des Paulus mit judenchristlichen Gegnern in seinen Missionsgemeinden gehören ebenfalls zu den Konsequenzen der Agrippa-Verfolgung.90
U. Schnelle, Jahre, 194. A. M. Schwemer, Verfolger; vgl. R. Bauckham, James and the Jerusalem Church, 440: »… the persecution of Agrippa I (AD 43 or 44) was the point at which the Twelve ceased to be the leadership of the Jerusalem church«. M. Hengel, Petrus, 15.146 f. 89 90
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus nach der Darstellung der Apostelgeschichte1 Bei ihrer Rückkehr aus Jerusalem von der Kollektenreise nehmen nach lukanischer Darstellung die Apostel Barnabas und Paulus Johannes Markus, den Neffen des Barnabas, mit nach Antiochia (Apg 12,25). Eine Zeitangabe verbindet Lukas nicht mit dieser Notiz, aber er bezeichnet das ganze Unternehmen und die Unterstützung der Jerusalemer Gemeinde als διακονία – wie dann die spätere Kollektensammlung des Paulus (Apg 21,19; dazu unten S. 450 Anm. 45–49).
10.1 Die Aussendung Die Apostelgeschichte schildert drei größere Missionsreisen, die von Antiochia als Zentrum ausgingen. In unserem Zusammenhang ist zunächst nur die erste von Interesse. Wenn der in Apg 13,7 erwähnte Prokonsul identisch wäre mit Quintus Sergius Paullus, der nach einer früheren Lesung und Deutung der sehr schlecht erhaltenen Inschrift SEG 20, 302 um 46/48 n. Chr. in Zypern amtierte, könnte man diese Reise mit Sicherheit in die Zeit um 46/47 n. Chr. datieren.2 Aber leider ist diese Identifikation fraglich und kein so guter Anker für die neutestamentliche Chronologie wie die Gallio-Inschrift.3 Das Leitungsgremium der Antiochener Gemeinde sendet, vom heiligen Geist beauftragt, Barnabas und Paulus zu dieser ersten Reise aus: »Als sie aber dem Herrn dienten und fasteten, sagte der heilige Geist: ›Sondert mir Barnabas und Saulus aus zu dem Werk, zu dem ich sie berufen habe.‹ Dann, nachdem sie gefastet und gebetet und ihnen die Hände aufgelegt hatten, entließen sie sie.«4
1 Vgl. dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 394–403; C. Breytenbach, Paulus und Barnabas; M. Öhler, Barnabas, 253–389; U. Schnelle, Paulus, 111 ff.; D.-A. Koch, Geschichte, 217–223; C. S. Keener, Acts II, 1980–2191. 2 Apg 13,7 gibt seine Amtsbezeichnung ἀνθύπατος korrekt wieder. Zur Chronologie siehe die Tabelle in M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 475. Zu SEG 20, 302 und Sergius Paullus ausführlicher unten S. 375 f. 3 Dazu oben S. 173. 4 Apg 13,2 f.
368
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Lukas beschreibt eine gottesdienstliche Gemeindeversammlung, in der die zuvor vorgestellten »Profeten und Lehrer« beten und fasten, worauf der heilige Geist durch einen der Profeten spricht und befiehlt, Barnabas und Paulus als Gemeindeapostel auszusenden.5 Die gewählte Terminologie erscheint auffällig: λειτουργεῖν τῷ κυρίῳ ist ein Septuagintismus,6 der einen kultisch-liturgischen Terminus auf die gottesdienstliche Versammlung der Gläubigen überträgt und deren Gebet – unter der Leitung der Profeten und Lehrer – umschreibt.7 Beten mit Fasten dient im frühen Judentum besonders den Profeten zur Vorbereitung auf göttlichen Offenbarungsempfang,8 hat aber auch fürbittende Kraft und ist vereint mit der Buße.9 Der Befehl des heiligen Geistes, ihm Barnabas und Saulus »auszusondern« (ἀφορίσατε … μοι), das heißt, sie zu ihrem künftigen Dienst zu bestimmen, erinnert an die Berufung des Paulus in Gal 1,15, wo Paulus davon spricht, daß Gott ihn »ausgesondert (ἀφορίσας) hat vom Mutterleibe an und berufen hat«, ebenso wie an die Selbstvorstellung des Apostels in Röm 1,1: Er ist der κλητὸς ἀπόστολος ἀφωρισμένος εἰς εὐαγγέλιον θεοῦ.10 Die Aussendung der Gemeindeapostel der Antiochener wird mit dem Terminus ἀφορίζειν genauso feierlich – als durch die göttliche Vorhersehung bestimmt – charakterisiert wie der Apostolat des Paulus in seinem Eigenbericht. Das Händeauflegen erscheint hier zum vierten Mal in der Apostelgeschichte, zum zweiten Mal für die Beauftragung zu einem besonderen Dienst, verbunden mit Gebet.11 5 Vgl. den in AscJes 6,6–14 (CChr.SA 7, 76 ff. ed. Bettioli u. a.) recht realistisch beschriebenen ekstatisch-profetischen Gottesdienst, in dem der heilige Geist zunächst zu allen spricht, dann der Profet Jesaja sich mit dem heiligen Geist unterhält und in Trance zu einer Himmelsreise entrückt wird. Dazu ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 354 f.; hier auch zu 2 Kor 12,2 f., dem meines Wissens einzigen authentischen biographischen Entrückungsbericht aus der Antike. Paulus datiert ihn 14 Jahre vor der Abfassung seines Briefes, damit kommen wir ins Jahr 42, das heißt in die Zeit seines Wirkens »in den Gegenden von Syrien und Kilikien« (Gal 1,21). 6 An sich bezeichnet λειτουργεῖν jeden öffentlichen Dienst, dient aber in der Septuaginta zur Übersetzung für den priesterlichen Dienst »(vor) dem Herrn« bzw. »(vor) Gott« (siehe besonders 2 Chr 13,10; 35,4; Jdt 4,14; Joel 1,13; Ez 40,46; 44,16; 45,4; Dan 7,10[Θ]) und später zur Bezeichnung des gottesdienstlichen Gebets. 7 Vgl. Did 15,1 f. Es sind in Apg 13,2 f. doch wohl nicht nur die fünf Profeten und Lehrer, die beten und fasten, gemeint; anders H. Strathmann, Art. λειτουργέω κτλ., ThWNT IV (1942), 233. 8 Dan 9,3; zum siebentägigen Fasten siehe 4 Esr 5,13.20; 6,31.35; 9,23 (Verbot des Fastens); 12,51 (gemäßigtes Fasten); 2 Bar 9,2; 12,5; 21,1. 9 Mk 9,29 (v. l.; ein alter Zusatz); Did 1,3; dazu H.-U. Weidemann, Taufe, 28. Zur Bußübung vgl. VitProph 4,16, dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden I, 350–353. 10 Zur Beschreibung seiner Berufung in Gal 1,15 und Röm 1,1 mit »aussondern« analog zu der des Profeten Jeremia in Jer 1,5 (MT) siehe oben S. 214 mit Anm. 63 und S. 219. 11 Apg 6,6 zur Einsetzung der Sieben; zur Gabe des Geistes 8,17 ff.; zur Heilung 9,12.17; aber vor allem dann 14,23 zur Einsetzung der πρεσβύτεροι in den Gemeinden. Vgl. U. Heckel, Segen, 334 ff.; C. S. Keener, Acts II, 1995.
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus
369
Für diese Reise benötigten die Apostel auch die entsprechende finanzielle Ausstattung. Wahrscheinlich erhielten sie diese von der antiochenischen Gemeinde und konnten auf Zypern zudem vermutlich mit der Gastfreundschaft von Verwandten des Barnabas und von christlichen Brüdern rechnen, die auf die frühere Mission der aus Jerusalem vertriebenen Hellenisten zurückgingen.12 Daß die Antiochener eine Gemeindedelegation für eine solche Reise ausrüsten, erwähnt Lukas erst bei der Reise zum sogenannten »Apostelkonzil« und gebraucht dafür den Terminus technicus προπέμπειν.13 Hier scheint es ihm wichtiger gewesen zu sein, die Aussendung durch den Geist (ἐκπεμφθέντες ὑπὸ τοῦ ἁγίου πνεύματος) expressis verbis zu erwähnen. Daß die Gemeinde ihre Sendboten für die Verkündigung des Wortes Gottes entsprechend mit allem, was zunächst nötig war, ausgestattet hat, war wohl eine Selbstverständlichkeit. Ob Barnabas und Paulus auf dieser Reise zusätzlich durch eigene Arbeit für ihren Lebensunterhalt, ihre Unterkunft und ihre Reisekosten sorgen konnten – auch darüber schweigt die Apostelgeschichte. Jedenfalls bezeichnet Paulus später sich und Barnabas als diejenigen Missionare, die sich von ihrer eigenen Hände Arbeit ernähren konnten und dadurch nicht auf den Unterhalt durch die jeweilige Gemeinde angewiesen waren.14
10.2 Die Mission in Zypern Die Reise führt über Zypern, Barnabas’ Heimat, wo schon vorher andere Hellenisten missioniert hatten,15 weiter nach Kleinasien, wo sie in die Städte der römischen Provinz Galatien gehen und schließlich nach Antiochia am Orontes zurückkehren.16 Barnabas und Paulus, der Barnabas – vorerst – untergeordnet ist, wirken hier als Gemeindeapostel Antiochias; deshalb liegt es nahe anzunehmen, daß Lukas, der den Titel sonst auf die Zwölf beschränkt, die beiden auf dieser Reise scheinbar versehentlich und ganz nebenbei ebenfalls »Apostel« nennt, weil er dies in der antiochenischen Quelle, die er seinem Bericht zugrunde Apg 11,19: καὶ Κύπρου. Apg 15,3; προπέμπω kann (Abreisende) »geleiten« bedeuten, so in Apg 20,38; 21,5; aber hier wird wie in 1 Kor 16,6.11; 2 Kor 1,16; Röm 15,24; Tit 3,13; 3 Joh 6 die finanzielle Ausrüstung gemeint sein. Auch C. S. Keener, Acts III, 2224, entscheidet sich für »financial support« in Apg 15,3 und meint: »The Antioch church probably had done the same for Paul and Barnabas’s journey to Cyprus, though this is not explicitly stated.« 14 1 Kor 9,6. Zur Unterstützung durch die Gemeinde in Philippi siehe J. M. Ogereau, Paul’s Koinonia. 15 Vgl. Apg 11,19. 16 Apg 13,1–14,28. Zur historischen Zuverlässigkeit der Reiseschilderung vgl. R. Riesner, Paulus, 242 f.; C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, passim; J. D. G. Dunn, Beginning, 419–427; D.-A. Koch, Geschichte, 220 ff.; U. Schnelle, Jahre, 213 f. 12 13
370
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
gelegt hat, so vorfand.17 Aber wahrscheinlich übernimmt Lukas an dieser Stelle ganz bewußt auch für Barnabas und Paulus – in dieser Reihenfolge, auch dies ein Hinweis auf eine schriftliche Quelle für diese Reise – den Aposteltitel und behält ihn hier ausnahmsweise bei, weil er weiß, daß die Verwendung des Titels für Paulus später umstritten war.18 Diese Darstellung der Missionsentwicklung in der Apostelgeschichte wird durch die Paulusbriefe korrigiert, aber im großen und ganzen auch bestätigt. Ein deutlicher Widerspruch besteht jedoch einerseits zwischen der autobiographischen Darstellung des Paulus über seine Berufung zum Heidenmissionar auf dem Weg nach Damaskus und sein erstes Wirken in Arabien unter den Nabatäern, die aber selbstverständlich beschnitten waren und als Nachkommen des Abrahamsohnes Ismael galten, und andererseits dem Bericht des Lukas über die spektakuläre erste Bekehrung und Taufe eines heidnischen Gottesfürchtigen namens Cornelius in Caesarea Maritima ohne Beschneidung durch Petrus. Vermutlich ist Lukas hier abhängig von späteren Anhängern des Petrus, die im ersten Jünger Jesu, dem Haupt der Zwölf und ersten Auferstehungszeugen, auch denjenigen sahen, der als erster zur beschneidungsfreien Heidenmission überging.19 Paulus gibt drei Jahre als Zeitspanne für seinen Aufenthalt in Damaskus und Arabien an und danach 14 Jahre für den in Syrien und Kilikien, bevor er mit Barnabas und Titus zum Apostelkonzil nach Jerusalem ging.20 Sein Wirken in Arabien und später in Syrien und Kilikien, das auch seine Reise nach Zypern und Südkleinasien umfaßt (Apg 13 f.), erstreckt sich wie das der anderen frühchristlichen Missionare, zu denen nach 43 n. Chr. wahrscheinlich auch Petrus als der prominenteste stieß, geographisch innerhalb der Grenzen von »Abrahams Land«, mit dem wir uns so ausführlich beschäftigt haben.21
10.2.1 Salamis und seine Synagogen Auf Zypern wirken sie zunächst in der Hafenstadt Salamis an der Ostküste. Die jüdische Bevölkerung der Stadt muß sehr zahlreich gewesen sein.22 Juden 17 Apg 14,4.14. Zu »Gemeindeapostel« vgl. J. Frey, Paulus und die Apostel, 195 ff.208.217; U. Schnelle, Jahre, 214. 18 1 Kor 9,1 ff.; M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 45 f. und 333: »in 14,4.14 nennt er – als typisch lukanischen ›Ausnahmefall‹, durch den er entgegen seiner üblichen Darstellung eine Hintertür offen läßt – beide ›Apostel‹ und gibt damit vielleicht die antiochenische Auffassung … wieder.« Vgl. auch oben S. 58 Anm. 277. 19 Vgl. M. Hengel, Petrus, 91 f. Weiter dazu oben § 7.2.4 und 7.2.5. 20 Gal 1,18; 2,1 f. 21 Siehe oben § 8.3.4 (S. 318–328). 22 Josephus, Ant. 13,284, schreibt, daß in der Regierungszeit Ptolemaios’ IX. Soter II. (142– 80 v. Chr.) die Juden in Jerusalem und auf dem Land (das heißt in Palästina) unter glücklichen
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus
371
waren auf der Insel wohl schon in persischer und ptolemäischer Zeit ansässig.23 Der Handel und Verkehr mit Syrien und Palästina war sehr lebhaft; Herodes I. besaß durch die Schenkung des Augustus die Kupferminen auf Zypern, denen er einen Teil seines beträchtlichen Reichtums verdankte.24 Die Stadt hatte mehrere Synagogen, was keine Selbstverständlichkeit war.25 Dort konnten die Apostel – vor allem am Sabbat – mit ihren Landsleuten und mit den am Judentum interessierten Heiden zusammentreffen26 und »das Wort Gottes« verkündigen, wobei Johannes Markus, der Neffe des Barnabas, ihnen dabei als ὑπηρέτης, ihr »Assistent«,27 half. Eine solche Situation schildert Lukas in der Apostelgeschichte mehrmals; hier scheint er sie einfach vorauszusetzen. Weder von einem Verhältnissen lebten (εὐπραγεῖν), aber auch die in Alexandria, Ägypten und Zypern. Dazu P. W. van der Horst, Jews of Ancient Cyprus, 29: »… the fact that the Jews of Cyprus are mentioned in one breath with the large communities in Jerusalem, Alexandria, and Egypt is telling enough.« In Salamis gelang es den Juden im Aufstand unter Trajan (115–117 n. Chr.), die Stadt zu erobern und zu zerstören; sie massakrierten nach Cassius Dio dabei 240.000 Nichtjuden (Historia Romana 68,32,1–3 [Cassii Dionis Cocceiani historiarum romanarum quae supersunt III, 220,3–16 ed. Boissevain; Text auch bei Stern, GLAJJ II, 385 Nr. 437]). Diese Zahl ist gewiß stark übertrieben, läßt aber den Schluß auf eine bedeutende Diasporagemeinde zu. Die Juden mußten sich ins Landesinnere zurückziehen, als die römische Flotte eingriff; siehe dazu Eusebs Chronik in armenischer Übersetzung (GCS Eusebius V, 219 ed. Karst); Chronik des Hieronymus (GCS Eusebius VII, 196 ed. Helm) zum Jahr 116 n. Chr.; Georgios Synkellos, Chronographia 657 (BSGRT, 425,10 f. ed. Moshammer); dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 81 Anm. 311. Direkt nach dem Aufstand war es Juden bei Todesstrafe verboten, die Insel zu betreten; vgl. dazu P. W. van der Horst, Jews of Ancient Cyprus, 31; A. M. Schwemer, Abbruch, 387.389 f.; W. Horbury, Jewish War, 173.246–252. 23 W. Horbury, Jewish War, 247, verweist dazu auf D. Noy / H. Bloedhorn (Hgg.), IJO III, 213 Nr. Cyp6–Cyp8: Es handelt sich um Grabsteine in phönizischer Sprache aus Citium / Kition, die Noy für jüdisch hält; anders P. W. van der Horst, siehe seine Rezension: Inscriptiones, 78. Die Bezeichnung »Kittim« für die westlichen Völker wie die Griechen und später die Römer geht auf die zyprische Stadt Kition zurück; siehe auch A. Ulbrich / W. Zwickel, Art. Zypern, TRE 36 (2004), 812. 24 Josephus, Ant. 16,128 f.; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 58; P. W. van der Horst, Jews of Ancient Cyprus, 29. 25 Mehrere Synagogen erwähnt die Apostelgeschichte außer in Jerusalem (Apg 6,9; 24,12; 26,11) und Damaskus (Apg 9,2.20) nur in Salamis (13,5), obwohl es in Antiochia am Orontes und Rom gewiß ebenfalls eine Mehrzahl gab. 26 Apg 13,14; 14,1; 16,13; 17,1 f.10.17; 18,4.19.26; 19,8; 28,17.23. J. D. G. Dunn, Beginning, 420 Anm. 16, zitiert C. K. Barrett, Acts I, 611: »This is Luke’s version of Paul’s ›to the Jew first but also to the Greek (Rom 1.16)‹.« Zum heutigen Konsens, daß auch die paulinische »Heidenmission«, ganz so wie es Lukas darstellt, ihre »Basis« in fremden Städten in den Synagogen hatte und von dort ihren Ausgangspunkt nahm, siehe C. S. Keener, Acts II, 2001–2004. 27 Apg 13,5; Kol 4,10; vgl. Phlm 24; 2 Tim 4,11. Johannes Markus war der Sohn der wohlhabenden Maria, in deren Haus sich die Gemeinde in Jerusalem während der Agrippa-Verfolgung versammelte (Apg 12,12). Barnabas hatte ihn aus Jerusalem nach Antiochia mitgebracht (Apg 12,25); in späterer Zeit war er »Dolmetscher« und Begleiter des Petrus, bildete aber auch »so etwas wie eine ›Brücke‹ zwischen Paulus und Petrus« und schrieb um 70 n. Chr. das Markusevangelium, siehe dazu M. Hengel, Evangelien, 144.173 f. u. ö. (Zitat 174).
372
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
besonderen Erfolg noch von Konflikten mit den Juden, noch davon, daß sie sich in den Synagogengemeinden den Gottesfürchtigen zuwenden, berichtet Lukas.28
10.2.2 Paphos, der Magier Barjesus / Elymas und der Prokonsul Sergius Paulus Von Salamis aus – wie lange der Aufenthalt gedauert hat, erfahren wir von Lukas nicht – durchziehen sie »die ganze Insel« bis nach Paphos an der Südwestküste, das heißt, sie fahren nicht einfach mit dem Schiff weiter, sondern können unterwegs auf der etwa 170 km langen Strecke auch Städte wie Kition und Amathous besucht haben. Paphos war damals die Hauptstadt und der Sitz des römischen Prokonsuls und hatte ebenfalls eine bedeutende jüdische Minderheit.29 In Paphos30 treffen die Missionare auf einen jüdischen Magier Namens Barjesus, also »Sohn des Jesus«, der am Hof des Statthalters Sergius Paulus als dessen Berater lebt. Letzterer wiederum wird »ein verständiger Mann« genannt, nicht so sehr wegen seines jüdischen Astrologen und Wahrsagers – Barjesus ist zudem ein »falscher Profet« (ψευδοπροφήτης)31 –, sondern weil er sich für Barnabas und Saulus / Paulus interessiert und diese zu sich rufen läßt, um das »Wort Gottes« zu hören.32 Der Falschprofet wird noch einmal näher gekennzeichnet mit einer recht rätselhaften Erklärung: »Elymas, der Magier (Ἐλύμας ὁ μάγος), denn so lautet sein Name übersetzt«. Zumeist versteht man Elymas als eine aramäische Bezeichnung für Traumdeuter, was mit μάγος übersetzt würde; vielleicht handelt es sich um eine Berufsbezeichnung bzw. einen ›Künstlernamen‹, den Lukas in seiner Quelle vorfand und nicht verstanden hat.33 Elymas, der Magier, sieht jedenfalls die Gefahr, daß ihm ›seine Felle davonschwimmen‹, Vgl. dazu J. D. G. Dunn, Beginning, 420 f. P. W. van der Horst, Jews of Ancient Cyprus, 29 Anm. 7, weist auf den Fund von hasmonäischen und herodianischen Münzen in Paphos hin. 30 Apg 13,6–12. 31 Vgl. die Scheltrede gegen die falschen Profeten, die in Gottes Namen Lüge und Lügenträume weissagen, in Jer 23,9–32; dazu H.-J. Klauck, Magie, 61; ausführlich zu »False Prophets« auch C. S. Keener, Acts II, 2009–2012. 32 Dagegen vermutet D.-A. Koch, Geschichte, 220, daß es von vornherein Ziel der Apostel war, Zugang zum Statthalter – als Mittelsmänner hätten Bedienstete fungiert – zu erhalten, da dieser als ein »an den religiösen Phänomenen des Ostens interessierter Mann« bekannt war. Auf Barjesus / Elymas geht Koch nicht weiter ein. 33 Die Herleitung des Namens Elymas scheint nicht mehr eindeutig zu klären zu sein, siehe J. A. Fitzmyer, Acts, 502. H.-J. Klauck, Magie, 63, schlägt unter anderem haloma, aramäisch für Traumdeuter, vor; ähnlich mit weiteren Vorschlägen für eine semitische Ableitung und zu den entsprechenden Erklärungsversuchen F. Avemarie, Tauferzählungen, 52 Anm. 39. T. Ilan, Lexicon I, 130 Nr. 50, erwähnt nur Βαριησοῦ. Für die »sieben Söhne eines gewissen Skeuas, eines jüdischen Hohenpriesters«, die in Ephesus als Exorzisten wirkten (Apg 19,13–16), nahm schon H.-J. Klauck an, daß sie sich einen »Künstlernamen« zugelegt hatten (Magie, 115). 28 29
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus
373
und will vielleicht auch seiner Aufgabe nachkommen und den von ihm betreuten Statthalter vor schwarzer Magie bewahren.34 Auf jeden Fall will er den Missionaren den Zugang zu seinem Schützling verwehren. Es kommt zu keiner langen Auseinandersetzung;35 denn Saulus, »der auch Paulus heißt«,36 verflucht – erfüllt vom heiligen Geist – diesen »Sohn des Teufels«,37 der voll von List und Übeltat »nicht aufhört, die geraden Wege des Herrn zu stören« (Apg 13,10). Er wird zur Strafe mit Blindheit geschlagen, so daß er die Sonne – für einige Zeit – nicht mehr sieht und hilflos auf der Suche nach einem Wegführer im Dunkeln tappt.38 Der Statthalter sieht dieses Strafwunder, wird gläubig und ist vor allem völlig 34 Seit jeher hatten Beschwörer im Alten Orient die Aufgabe, schwarze Magie und Schadenzauber vom König fernzuhalten. Die Funktion von Ritualexperten bei Hofe war der Schutz des Königs und seiner Familie. Die Verwendung der Bezeichnung μάγος ist in der Apostelgeschichte genauso polemisch gemeint wie ψευδοπροφήτης (anders M. Frenschkowski, Art. Magie, RAC 23 [2009], 857–967, der meint, μάγος sei Selbstbezeichnung des Elymas gewesen [921], aber auch darauf hinweist, daß die Magier in Mt 2 und deren Deutung in einer »gewissen Spannung« zur frühchristlichen Haltung gegenüber der Magie stehen [924 f.]) und ist schon früh weit verbreitet. Daß die Vornehmen Ärzte und Ritualkundige um sich scharten, wird in griechisch-römischer Zeit nicht anders gewesen sein als bei Babyloniern und Assyrern. Und daß man solche Leute außerdem gerne als μάγοι verunglimpft, kommt unter Konkurrenten in der griechischsprachigen Welt öfter vor. Vgl. nur die Darstellung der chaldäischen Magier in der Wiedergabe der Danielgeschichte bei Josephus, der diese dem wahren Profeten Daniel gegenüberstellt (Ant. 10,195–246); vgl. C. Theis, Magie, 41 f.: Zur Definition des Magiers bei Apuleius, Apologia 25; 26 (BSGRT, Vol. II/1, 29,25–30,3; 31,3–7 ed. Helm): magus ist in der Sprache der Perser 1. ein Priester, 2. ein Spezialist, der persische Prinzen in den Gesetzen der kultischen Riten zu unterrichten hat und der 3. mit den Göttern redet und dadurch eine unglaubliche Kraft an Zaubersprüchen hat (incredibili[a] … vi cantaminum); zudem ist das Charakteristikum des Zauberers sein Streben nach Reichtum (Apologia 40,3 [BSGRT, Vol. II/1, 46 f. ed. Helm]). Für Tacitus (Annales 16,30 f. [BSGRT, Vol. I/2, 140 f. ed. Wellesley]) sind Magier vor allem am Geld interessiert und lassen sich ihre Künste teuer bezahlen. Vgl. zur Verwendung von Magie und Magier im Griechischen J. Braarvig, Magic; J. N. Bremmer, Birth. 35 Anders die ausführlich geschilderten Zweikämpfe zwischen Petrus und Simon Magus / Paulus in den Pseudoklementinen; siehe dazu H.-J. Klauck, Simon Petrus; vgl. M. Frenschkowski, Art. Magie, RAC 23 (2009), 857–967 (922 f.). Zu Mose und seinen Gegnern Jannes und Jambres vgl. unten Anm. 43. 36 Ab Apg 13,9 verwendet Lukas den lateinischen Namen, den auch Paulus selbst in seinen Briefen gebraucht. Zum Doppelnamen siehe oben S. 205 mit Anm. 8; anders dagegen S. Mitchell, Anatolia II, 7: »The importance of the link between Paul and the proconsul of Cyprus, his most prominent convert, is surely symbolized by the fact that precisely from this moment the former adopted the Roman cognomen Paulus, to supplant the name he had borne hitherto.« Ich glaube auch nicht, daß Lukas dies suggerieren will. Der Name Paulus ist nicht so ungewöhnlich, wie Stephen Mitchell denkt; zum Namenswechsel an dieser Stelle siehe J. D. G. Dunn, Beginning, 423 f.; C. S. Keener, Acts II, 2017–2022. 37 Ein Wortspiel mit »Sohn Jesu«, Barjesus. 38 Untat und Strafe entsprechen sich; vermutlich war Barjesus auch Astrologe, der sich mit seinen Berechnungen an der Sonne orientierte. Noch in einem Kommentar des 19. Jahrhunderts kann die Blindheit des Barjesus die »28, 27. behauptete[…] Blindheit des jüd. Volks« symbolisieren (W. M. L. de Wette / F. Overbeck, Apg, 195 Anm. **).
374
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
außer sich über »die Lehre des Herrn«. Von einer Taufe ist jedoch nicht die Rede.39 Lukas gelingt es hier mit wenigen Strichen, die Szene plastisch zu schildern:40 Er zeigt den heiligen Zorn des Charismatikers Paulus41 über seinen Landsmann, der es wagt, sich der Wahrheit des Evangeliums in den Weg zu stellen, und als Astrologe am Hofe des Statthalters lebt. An einem solchen Magier ist auf Zypern nichts Ungewöhnliches. Viel zitiert wird auch der Jude Atomos von derselben Insel, dessen sich der Statthalter Felix bediente, um die Liebe der schönen jüdischen Prinzessin Drusilla zu gewinnen, die damals noch verheiratet war.42 Jüdische Magier und ihre Künste begegnen auch sonst oft in der antiken Literatur; aber vor allem in den Zauberpapyri sind jüdische Elemente enthalten.43 Am Hof eines hohen römischen Beamten war ein solcher Magier fast ›normal‹. Einige sind noch namentlich bekannt: So hatte Kaiser Tiberius, der berüchtigt war für seine abergläubische Furcht, den Astrologen Thrasyllus zum ständigen Begleiter.44 Jesus und die frühchristlichen Missionare wurden selbst der Zaube39 Das mag mit den kultischen Verpflichtungen eines hohen römischen Beamten zusammenhängen. Auf der anderen Seite berichtet Lukas bei dieser ersten großen Missionsreise nie von Taufen. Diese müssen aber schon selbstverständlich ausgeführt worden sein. Siehe dazu F. Avemarie, Tauferzählungen, 401; vgl. 46 zu Apg 13,12 und 17,34: Auch beim Areopagiten Dionysios verlautet nichts von einer Taufe. Vielleicht war der hochgestellte Theophilos, dem Lukas das Werk gewidmet hat, ebenfalls nicht getauft, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 17.116. 40 Ganz anders urteilten W. M. L. de Wette / F. Overbeck, Apg, 194: »die Erzählung Vs. 6–12 [ist] von so ausserordentlicher Dürftigkeit, dass die Frage nach ihrer Geschichtlichkeit nur ein sehr untergeordnetes Interesse hat«; das Geschmacksurteil des 19. Jahrhunderts wirkt bis heute nach. Den »factischen Kern« (195) vermuteten de Wette / Overbeck in einem Zusammenstoß des Paulus mit einem jüdischen Magier aus Zypern beim römischen Statthalter in Caesarea (!) mit Verweis auf Josephus, Ant. 20,141 f.; zur Frage der Historizität vgl. S. Al-Suadi, Magie. 41 Vgl. den Zornausbruch in 1 Thess 2,15 f. Zu den ›Wundern‹ des Apostels siehe Röm 15,18 f.; 2 Kor 12,12; 13,3; vgl. Hebr 2,4. Dazu H.-J. Klauck, Magie, 66: »Den Paulus ergreift … die pneumatische Erregung des Wundertäters.« Auch D. E. Aune, Magic, 416, ist aufgefallen: »The Paul depicted in Acts 13:6–12 is fully consonant with the author of the Pauline letters«; aber er verweist auf Gal 1,8 f.; 6,16; 1 Kor 5,3 ff.; 16,22. 42 Josephus, Ant. 20,141 f. P. W. van der Horst, Jews of Ancient Cyprus, 31 f., erwähnt einen weiteren jüdischen Magier (oder vielleicht zwei?) in Zypern im 7. Jahrhundert n. Chr. 43 Zu Mose vgl. Apuleius, Apologia 90,5 (BSGRT, Vol. II/1, 100,10–13 ed. Helm), der auch »Jannes« nennt, einen der beiden – ägyptischen bzw. vielmehr jüdischen – Zauberer, die im Dienst des Pharao als »Hofmagier« gegen Mose und Aaron kämpften (der Codex 799 Ex 7,11 [LXX] erwähnt die Namen; vgl. auch 2 Tim 3,8); zur frühjüdischen Schrift »Jannes und Jambres« siehe A. Pietersma, Apocryphon of Jannes and Jambres. Auch der ältere Plinius erwähnt die jüdischen Magier namentlich: est et alia magices factio a Mose et Janne et Lotape ac Iudaeis pendens, sed multis milibus annorum post Zoroastren (Naturalis historia 30,2,11 [BSGRT, Vol. IV, 423,16 ff. ed. Ian / Mayhoff]); dazu A. Pietersma, Apocryphon of Jannes and Jambres, 24 f. 44 Sueton, Augustus 98,4 f.; Tiberius 14,4; Caligula 19,3 (BSGRT, Vol. I, 106 f.119 f.164 ed. Ihm); dazu mit weiteren Belegen C. S. Keener, Acts II, 2012 f. Wie nötig Schutz gegen magische Praktiken erschien, zeigt auch der Fall des oben erwähnten Prokonsuls von Syrien
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus
375
rei verdächtigt,45 und so ist es nicht weiter verwunderlich, daß Lukas von mehreren Zusammenstößen der Apostel mit jüdischer und paganer Magie berichtet. Seit 22 v. Chr. war Zypern eine senatorische Provinz, die von einem jährlich wechselnden Prokonsul verwaltet wurde. Unter den verschiedenen Sergii könnte für unseren Sergius Paulus dank einer Inschrift aus Kytheria auf Zypern der beste Kandidat ein Quintus Sergius Paullus sein, der um 46/48 n. Chr. unter Claudius in Zypern amtiert haben soll.46 Nach anderen Versuchen, den stark fragmentarischen Text zu ergänzen, ist er jedoch vermutlich bereits unter Caligula zwischen 37 und 41 n.Chr anzusetzen.47 Die Lesung dieser Inschrift Piso, der um 19 n. Chr. in Antiochia am Orontes den Germanicus nicht nur vergiftet, sondern auch verhext haben soll: »Die Schwere der Krankheit steigerte die Überzeugung, er habe von Piso Gift bekommen. Man grub aus Boden und Wänden Reste menschlicher Leichname, Zauber‑ und Verwünschungsformeln und auf bleierne Tafeln eingeritzt den Namen des Germanicus aus, dazu halbverbrannte, mit Fäulnis überzogene Gebeine und andere Zaubermittel, mit denen man – wie man glaubte – Seelen den Mächten der Unterwelt weihen kann« (Tacitus, Annales 2,69,3 [BSGRT, Vol. I/1, 62 ed. Borzsák]). Diese Zaubermittel waren wahrscheinlich von den Gegnern Pisos versteckt und entsprechend ›gefunden‹ worden. 45 Zur Beelzebub-Anklage Mk 3,22–30 und zu Joh 8,48 (Jesus sei ein besessener Samaritaner) siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 290.310.487 u. ö. Schon der ›Jude des Kelsos‹ (dazu oben S. 302 Anm. 38 und S. 304 Anm. 44) kennt den Vorwurf, Jesus habe in Ägypten Zauberei gelernt (Origenes, Contra Celsum 1,28 [SVigChr 54, 30 ed. Marcovich]). Das Motiv zieht sich durch die rabbinische Literatur bis hin zu den mittelalterlichen Toledot Jeshu; vgl. P. Schäfer, Jesus im Talmud, 38; M. Meerson / P. Schäfer, Toledot Yeshu I, 67 ff.156; II, 73: Petr 274 22r 13. Zu Apg 8,4–25 siehe oben § 5. Vgl. Apg 16,16–24: Paulus als Exorzist in Philippi; Apg 19,11–20: Heilungswunder des Paulus in Ephesus, das Scheitern der sieben Exorzisten, die behaupten, die Söhne des Hohenpriesters Skeuas zu sein, und das Verbrennen der Zauberbücher; siehe dazu H.-J. Klauck, Magie, 77–87.112–117. Auch der Vorwurf, daß die Apostel und (später) die Christen ihre Wunder dämonischen Kräften verdanken, war verbreitet; zu Kelsos (Origenes, Contra Celsum 1,6 [SVigChr 54, 10 ed. Marcovich]), Porphyrios und Julian siehe J. G. Cook, Interpretation of the New Testament, 36–39.138.156 f.307; M. Frenschkowski, Art. Magie, RAC 23 (2009), 857–967 (918): »Die Interpretation Jesu als eines Magiers besaß für Heiden u. Juden große Attraktivität«. 46 SEG 20, 302 (85 f.); H. Halfmann, Senatoren, 55.101 f.105, dazu 106 ein Stemma für die Familienverhältnisse; W. Eck, Art. [II 2] Q. S. Paullus, DNP 11 (2001), 456: »Proconsul von Zypern um 46/48 n. Chr. (SEG 20, 302). … Er ist der in Apg 13,7 erwähnte Proconsul, mit dem der Apostel Paulus zu tun hatte.« W. Eck unterscheidet ihn – wie H. Halfmann – von seinem Bruder Lucius Sergius Paullus, der Senator war und der »wohl aus Antiochia in Pisidien stammte; curator riparum et alvei Tiberis unter Claudius« war, wie die Inschrift CIL VI 31545 Z. 3 = ILS 5926 belegt (W. Eck, Art. [II 1] L. S. Paullus, DNP 11 [2001], 456). Zu SEG 20, 302,9 ff. (und CIL VI 31545 Z. 3 = ILS 5926) vgl. die Zweifel an den verschiedenen Identifizierungen bei L. Boffo, Iscrizioni, 242–246; R. Riesner, Paulus, 122 ff.; E. J. Schnabel, Mission, 1038–1041 (besonders 1040 f. Anm. 59). 47 PIR S Nr. 527 und 531 (PIR VII/2, 213–216 ed. Heil / Wachtel u. a.); dazu das Stemma S. 214: »Sergii Paulli, quo modo inter se coniuncti esse videtur«. Ausführlich dazu R. Riesner, Paulus, 121–129; weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 115 f.; C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 38–45. Dagegen hält M. Öhler, Barnabas, 282–285, wieder Lucius Sergius Paullus für den wahrscheinlichsten Kandidaten für den Prokonsul in Apg 13,7 (im Anschluß an S. Mitchell, Anatolia II, 6). Vgl. auch C. S. Keener, Acts II, 2014: »Classical
376
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
ist also so unsicher, daß sich kaum noch jemand für die Identifizierung mit dem Sergius Paulus der Apostelgeschichte entscheidet, ohne ein vorsichtiges Fragezeichen hinzuzusetzen.48 Aber wir können sicher sein, daß die lukanische Angabe trotzdem wie im Fall Gallios Vertrauen verdient. Die Familie der Sergii ist durch eine ganze Reihe von Inschriften in Rom und in Kleinasien bekannt. Sie gehörte zur römischen Aristokratie, stammte ursprünglich aus Italien und hatte in der römischen Kolonie Antiochia ad Pisidiam ihren Hauptwohnsitz. Mitglieder der Familie fanden schon unter Tiberius Aufnahme in den römischen Senat,49 und unter Vespasian brachte es Lucius Sergius Paullus als erster aus der Familie zur Würde eines Konsuls; er war consul suffectus höchstwahrscheinlich im Jahr 70 n. Chr.50 Auf jeden Fall aber ist in der lukanischen Darstellung Sergius Paulus der erste Nichtjude, dem die Missionare auf dieser Reise begegnen. Der vornehme Herr kennt das Judentum bereits als »Sympathisant«, doch er läßt sich bisher von einem jüdischen »Hoftheologen«, der seinem Metier nach vor allem auf gute Honorierung aus ist, beraten.51 Paulus übernimmt ab hier in der lukanischen Darstellung die Führung bei dieser Reise, wie sich von da an an der Voranstellung seines Namens erkennen läßt.52 Nur Apg 14,14 macht wieder eine Ausnahme und nennt Barnabas zuerst. Das könnte durch die nicht ganz konsequente Quellenbenutzung unseres Autors entstanden sein, dem dann ein Bericht über diese Reise vorgelegen hätte, der sie noch ganz unter der Autorität des Barnabas gesehen hätte. Dies entspricht dann auch wahrscheinlich den historischen Vorgängen.53 Daß die Reiseleitung in Zypern bei Barnabas lag, erscheint plausibel. Aber schon in Apg 13,13 übernimmt Paulus die Führung, und »die um Paulus (οἱ περὶ Παῦλον)« brechen von Paphos aus auf nach Perge in Pamphylien. Dort verabschiedet sich Johannes Markus und reist nach Jerusalem. Die Gründe verschweigt uns Lukas leider. Er erwähnt aber später – nach dem Apostelkonzil – den sehr heftigen Streit (παροξυσμός) scholars are more open to the identification with Luke’s Sergius Paulus than biblical scholars tend to be.« 48 So gewiß wie Werner Eck (siehe oben Anm. 46), daß der in Apg 13,7 erwähnte Statthalter Quintus Sergius Paullus war, der um 46/48 n. Chr. in Zypern amtierte, sind nicht viele. S. Mitchell, Anatolia II, 7, urteilt nach Prüfung des Steins über die Inschrift SEG 20, 302: »The stone must be dismissed from consideration.« 49 H. Halfmann, Senatoren, 71. 50 S. Mitchell, Anatolia II, 6 Anm. 40 mit Verweis auf CIL VI 253. U. Schnelle, Jahre, 390 Anm. 217, meint im Anschluß an A. Weiss, R. Riesner und E. J. Schnabel: »Der Statthalter[, den Paulus in Zypern trifft,] ist am ehesten mit dem Tiberkurator L. Sergius Paullus zu identifizieren.« Ebenso jetzt C. Breytenbach / C. Zimmermann, Early Christianity in Lycaonia, 62: »Acts 13.7 probably refers to Lucius Sergius Paullus«. 51 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 238. 52 Vgl. die Tabelle bei M. Öhler, Barnabas, 236. 53 So der Vorschlag von D.-A. Koch, Geschichte, 217.
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus
377
zwischen Paulus und Barnabas über den »Missionsgehilfen« Johannes Markus, der sie auf dieser Reise in Perge im Stich ließ und den Paulus dann nach dem Apostelkonzil nicht mehr als Reisebegleiter haben wollte, was zur Beendigung ihrer gemeinsamen missionarischen Arbeit führte.54 Barnabas ging danach mit Johannes Markus wieder nach Zypern, Paulus dagegen wählte sich als Begleiter den Jerusalemer Silas und besuchte mit ihm zunächst die schon bestehenden Gemeinden in Syrien und Kilikien und die mit Barnabas gegründeten in Derbe, Lystra, Ikonium, um dann weiter nach Westen zu ziehen.55
10.3 Weiterfahrt nach Kleinasien: Mission in der Provinz Galatien Nach dem Aufenthalt auf Zypern, das man großzügig zu »Syrien« bzw. »Kilikien« und also auch zum eschatologischen Land rechnen konnte, kehren Paulus und Barnabas im Anschluß an die Begegnung mit dem Statthalter Sergius Paulus in Paphos nicht direkt nach Antiochia am Orontes zurück, sondern fahren weiter nach Kleinasien, zunächst nach Perge in Pamphylien, und unternehmen dann eine erste Missionsreise in das Innere Kleinasiens. Die Familie des Statthalters Sergius Paulus, der gläubig geworden war, war – wie oben schon erwähnt – ansässig im pisidischen Antiochia, das in dieser Zeit seine Blüte erlebte,56 und hatte in dieser sehr fruchtbaren Gegend ausgedehnten Landbesitz.57 Man kann mit Sicherheit annehmen, daß diese familiäre Verbindung der äußere Anlaß für die Fortsetzung der Missionsreise in diese Richtung war,58 und die Apostel erhielten dazu – wie in analogen Fällen – wahrscheinlich eine Offenbarung des Geistes. Vermutlich unterstützte der Prokonsul ihre Weiterreise nach Antiochia an der pisidischen Grenze auch finanziell und mit Empfehlungsbriefen an Freunde und Verwandte, bei denen Paulus und Barnabas als Gastfreunde aufgenommen wurden.59 Auf diese Weise bot sich ihnen eine ganz neue Missionsmöglichkeit, das heißt, es wurde ihnen – mit paulinischen Worten – »eine große Tür geöffnet«.60
54 Apg 13,13; in 15,39 führt der Streit »zur Trennung der missionarischen Wege, aber noch nicht zum endgültigen theologischen Bruch«, M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 330. 55 Apg 15,39–16,5. 56 Vgl. P. Weiss, Art. Antiocheia [5], DNP 1 (1996), 765; vgl. unten S. 380 Anm. 72. 57 Die »Sergii« waren eine »berühmte Familie Antiocheias« und »müssen in Westgalatien, nördlich von Vetissos, über Grundbesitz verfügt haben« (H. Halfmann, Senatoren, 55); vgl. weiter C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 42 f. 58 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 115. Vgl. jetzt C. Breytenbach / C. Zimmermann, Early Christianity in Lycaonia, 62. 59 Vgl. 1 Makk 12,4; so auch S. Mitchell, Anatolia II, 7. 60 1 Kor 16,9; vgl. 2 Kor 2,12; Kol 4,3; vgl. M. Öhler, Barnabas, 291 (zu Empfehlungsschreiben); 370 Anm. 45.
378
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Diese Metapher verwendet Lukas dafür nachträglich im Rechenschaftsbericht über die Reise in Antiochia am Orontes: »Als sie angekommen waren und die Gemeinde versammelt hatten, berichteten sie, was Gott durch sie getan hatte und daß er den Heiden die Tür zum Glauben geöffnet hatte.«61
Daß die Ursache für die neue Reiserichtung und Weiterfahrt in den familiären Beziehungen der Sergii zu dieser römischen Kolonie im Inneren Kleinasiens zu sehen ist, wurde durch lokalgeschichtliche Untersuchungen in den letzten Jahrzehnten weiter erhärtet.62 Schwieriger ist es zu erklären, warum Johannes Markus, der Neffe des Barnabas, der sie vorher begleitet hatte, nicht weiter mitreiste, sondern von Perge aus – wie ich schon betont habe – direkt nach Jerusalem zurückkehrte.63 Es könnten vielleicht doch theologische Gründe gewesen sein, die ihn zurückschrecken ließen, und nicht nur etwa das Heimweh nach Jerusalem, ein finanzieller Engpaß oder die Angst vor den Strapazen einer Fußreise ins Landesinnere Kleinasiens. Meinte er, daß man mit diesem Weg das »Land Abrahams« verließe? Wir wissen es nicht. Später jedenfalls begleitete Markus nach glaubwürdiger altkirchlicher Tradition Petrus bei seinen Missionsreisen als »Dolmetscher« und schrieb nach dem Martyrium des Petrus in »Italien« sein Evangelium.64 Für den gebürtigen Tarsier Paulus mag das Vorhaben einer Reise ins pisidische Antiochia und von dort weiter zu Fuß über die via Sebaste nach Kilikien und über Tarsus zum Ausgangsort Antiochia am Orontes zurück trotz der Gefahren unterwegs gut durchführbar erschienen sein. Die Apostel konnten mit dem Schiff von Paphos aus bis nach Perge gelangen.65 Ähnlich wie auf dem Orontes nach Antiochia oder auf dem Kidnos nach Tarsus konnte man auch nach Perge vom Mittelmeer aus per Schiff bis in den
Apg 14,27. Siehe ausführlich C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 38–50 zu den Sergii Paul(l)i, ihrer Familie und ihren Besitzungen; R. Riesner, Paulus, 245 f.; C. S. Keener, Acts II, 2026 f.2037. 63 Apg 13,13 (vgl. dazu oben Anm. 54). Er reist nicht »zum Ausgangspunkt, Antiochia am Orontes«, zurück, wie D.-A. Koch, Geschichte, 222, schreibt. Auf der anderen Seite hat Koch mit der Annahme wahrscheinlich recht, daß die Reise ursprünglich nur für Zypern »und nichts darüber hinaus« geplant war (223); so auch W. Reinbold, Propaganda, 91; C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 43 Anm. 79. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 329 f. Anm. 1359 zur Auseinandersetzung um Johannes Markus nach dem ›Konzil‹. Anders M. Öhler, Barnabas, 250, der damit rechnet, daß Johannes Markus nach dem Apostelkonzil mit Barnabas mitkam und sie danach zusammen mit Paulus zur ersten Missionsreise aufgebrochen seien; vgl. auch op. cit., 237 Anm. 55; 244 f. 64 M. Hengel, Evangelien, 125 f. u. ö.; ausführlich auch ders., Petrus, 58–78. 65 Zur Geschichte und Bedeutung der Stadt siehe W. Martini, Art. Perge, DNP 9 (2000), 562 ff. 61
62
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus
379
Flußhafen der Stadt gelangen.66 Perge gehörte zu Pamphylien und damit zur römischen Provinz Galatien. In Pamphylien lebten Juden spätestens seit dem 2. Jahrhundert v. Chr.67 Auf der Rückfahrt über das Meer wählen Barnabas und Paulus dann Attalia mit seinem größeren Hafen für die Reise nach Antiochia am Orontes.68 Von Perge aus konnten Paulus und Barnabas zunächst, einen kleinen Umweg nach Westen machend, auf der via Sebaste Richtung Norden gehen und über Komama und Apollonia – an Apamea vorbei, wo viele Juden wohnten – ins pisidische Antiochia gelangen. Oder sie konnten dieses ihr eigentliches Ziel auf direktem, anstrengenderem Weg und wesentlich kleineren Straßen nach Norden erreichen.69 Vermutlich nahmen die Apostel nicht diese sehr anstrengende direkte nord-südliche Verbindung, sondern die ihnen wahrscheinlich vom Statthalter Sergius Paulus empfohlene neue via Sebaste, die Augustus angelegt hatte. Der Statthalter kannte sich in den Verkehrsverbindungen gut aus, da dieses Antiochia seine patria war und er in der Gegend Landbesitz hatte. Er hat wahrscheinlich die Strecke mit den besten und sichersten Reise‑ und Übernachtungsmöglichkeiten empfohlen. So kommt auch der heutige Spezialist für das Zu den Häfen von Perge und Attalia vgl. D. A. Campbell, Paul, 595–602. Im Gegensatz zu E. J. Schnabel, Mission, 1030, der nur vom Hafen in Attalia weiß, hat Lukas genauere Informationen. 67 1 Makk 15,23. Philo, Legat. 245, schreibt, daß es in jeder (größeren) Stadt Asiens und Syriens Juden gab; Apg 2,10 erwähnt Juden aus Phrygien und Pamphylien. Antiochos III. (223–187 v. Chr.) siedelte 2.000 jüdische Familien aus Babylonien und Mesopotamien in Phrygien an zum Schutz gegen Aufstände (Josephus, Ant. 12,147–153). 68 Apg 13,14–14,26. 69 Vgl. E. J. Schnabel, Mission, 1030 f.1050, der die Städte aufzählt, durch die sie bei der längeren und bequemeren Reise auf der via Sebaste gekommen sein müssen. C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 79 f., plädiert für die östliche, kürzere, direkte Strecke, auf der man aber größere Höhenunterschiede überwinden mußte. Zu den Karten siehe S. Mitchell, Anatolia I, aber er verzeichnet nur die großen Straßen (Map 5: The Pisidian Taurus); C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 192 Anlage Nr. 2: Pisidien, Isaurica, Lykaonien, der einen Ausschnitt aus der Karte von W. M. Calder / G. E. Bean (A Classical Map of Asia Minor. 1:2.000.000. Being a Partial Revision, by Kind Permission of Messrs. John Murray, of J. G. C. Anderson’s Map of Asia Minor, Supplement to »Anatolian Studies« 7 [1957], London 1957/1958) abbildet; hier verbindet eine Straße Perge mit dem pisidischen Antiochia in direkter süd-nördlicher Richtung (über Adada und Dabene); doch die Calder-Bean-Karte verzeichnet »nicht notwendigerweise [die Straßen, die] zur Zeit des Paulus bestanden«, so C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 190 Anm. 50; A.-M. Wittke / E. Olshausen / R. Szydlak, Historischer Atlas, 197 Karte B: »Das Straßen‑ und Wegenetz im Alpenraum und in Kleinasien« zeichnet die via Sebaste und andere Straßen als gesichert ein, aber nicht eine direkte Verbindung von Perge nach Norden bis Antiochia ad Pisidiam; dagegen zeichnet auf S. 228 die Karte zu: »Die drei großen Missionsreisen des Paulus« einfach eine direkte Verbindung zwischen Perge und Antiochia ad Pisidiam ein. Der moderne, touristische »Paulusweg« führt den Wanderer über 500 km (sic!) in 27 Tagesetappen mit über 2200 m Höhenunterschied auf der östlichen Strecke von Perge nach Antiochia. Auch heute muß man auf dieser Strecke teilweise im Freien übernachten. Siehe C. Scheuermann, Auf Paulus Spuren. 66
380
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
römische Anatolien zu dem Schluß: »The via Sebaste was clearly the major line of communication from the south coast to the interior; there can be little doubt that this was the route along which St Paul travelled from Perge to Pisidian Antioch«.70
10.3.1 Das pisidische Antiochia Antiochia ad Pisidiam lag 170 km nördlich von Perge an der Nordgrenze Pisidiens und gehörte zur römischen Großprovinz Galatia, die von Augustus eingerichtet worden war und im Süden Teile von Pamphylien, Pisidien, Lykaonien und Phrygien umfaßte.71 Die Stadt war eine römische Kolonie und erlebte in dieser Zeit ihre Hochblüte, von der die Ruinen der damals errichteten prächtigen öffentlichen Gebäude noch zeugen.72 Es ist eigenartig, wie die Mission des Paulus sich auf diese im Aufbau befindlichen ›neuen Städte‹ und römischen Kolonien spezialisiert.73 Vermutlich hängt dies mit seinem römischen Bürgerrecht zusammen. Auf der ersten Station dieser Reise, für die Lukas über genauere Überlieferungen verfügt, geschieht dann der entscheidende Schritt zur Abkehr von der Judenmission, als die Apostel auf jüdischen Widerstand stoßen, hin zur gezielten Hinwendung zu den Heiden, die Lukas ausführlich und dramatisch schildert.74 Paulus ergreift am ersten Sabbat ihres Aufenthalts in der Synagoge – nach der Aufforderung der Synagogenvorsteher, der ἀρχισυνάγωγοι75 – das Wort, spricht 70 S. Mitchell, Anatolia I, 70, vgl. 76 ff.; 125 fig. 24; II, 11. Vgl. C. Breytenbach / C. Zimmermann, Early Christianity in Lycaonia, 63. 71 Zur Lage Antiochias, Ikoniums, Lystras und Derbes und zu den verschiedenen Gebieten innerhalb der Provinz Galatia siehe die Landkarte TAVO B V 7 = S. Mittmann / G. Schmitt, Tübinger Bibelatlas TAVO B V 7; vgl. auch K. Strobel, Art. Galatia / Galatien. II Römische Provinz, DNP 4 (1998), 744 f. 72 S. Mitchell, in: ders. / M. Waelkens u. a., Pisidian Antioch, 13: »The great age of Antioch was the Julio-Claudian period. This saw the creation of a magnificent complex of public buildings, especially the temple and sanctuary designed to promote the imperial cult.« Dazu R. Rubin, Ruler Cult, 33–60; auch das Theater war eng verbunden mit dem Herrscherkult und »was built first in the early 1st century AD«, siehe H. B. Mallampati / Ü. Demirer, Architecture, 64. 73 Vgl. R. Riesner, Paulus, 132.247; das setzt sich in Griechenland fort, wo Lukas sich auch besser auskennt und ausdrücklich von Philippi als κολωνία spricht (Apg 16,12). Vgl. P. Pilhofer, Antiochien und Philippi, 157 f.: »Antiochien hatte sozusagen seinen Appetit auf römische Kolonien geweckt: Ikonion folgte darauf, dann kam Lystra und, später, Alexandria Troas, Philippi und Korinth.« 74 Apg 13,42–49; vgl. M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 238; C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 45–50; C. Schaefer, Zukunft Israels, 219–234. 75 Diese Bezeichnung verwendet Lukas hier in Apg 13,15 und für zwei Synagogenvorsteher in Korinth: Krispus und Sosthenes (18,8.17); vgl. Lk 8,49; 13,14. Sie erscheint häufig in den Inschriften aus Kleinasien, siehe W. Ameling, IJO II, Nr. 168: Die Synagogeninschrift aus
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus
381
die Versammelten mit »Israeliten und Gottesfürchtige«76 an und gibt einen knappen Rückblick auf die Geschichte des Gottesvolkes, um dann rasch von König David auf den verheißenen Retter Israels, Jesus, und dessen Vorläufer Johannes zu sprechen zu kommen und ausführlich die christliche Botschaft zu verkünden: »So verkündigen wir euch die Heilsbotschaft (εὐαγγελιζόμεθα) …, daß Gott die Verheißung, die an die Väter ergangen ist, an uns, den Kindern, erfüllt hat …«. (Apg 13,32 f.)
Lukas läßt ihn diese Rede mit auffälligen ›Paulinismen‹ beenden und expressis verbis auf die Rechtfertigungslehre77 hinweisen: »So sei euch nun also kundgetan, Brüder, daß durch diesen [d. h. Jesus] euch Vergebung der Sünden verkündigt wird; von allem, wovon ihr durch das Gesetz des Mose nicht gerechtfertigt werden konntet, wird durch diesen jeder Glaubende gerechtfertigt.«78
Theologisch bedeutsam ist weiter, wie Lukas die Hinwendung der Apostel zu den »Völkern« begründet. Er schildert den Vorgang gewisserweise analog zu Jesu ›Antrittspredigt‹ und ›Verwerfung‹ in Nazareth.79 Paulus – Barnabas wird zur Nebenfigur – beginnt wie Jesus bei seinem ersten Auftreten seine Verkündigung mit dem Synagogenbesuch am Sabbat: Der Verlesung des Profetentextes mit anschließender Auslegung der Schrift in Lk 4 entspricht in Apg 13 die Aufforderung zur Auslegung und die anschließende Predigt des Apostels. Dieses »Modell« setzt sich in der Apostelgeschichte an jedem neuen Ort fort, wenn Akmonia erwähnt Julia Severa als Stifterin, zwei Archisynagogoi und einen Archon; vgl. Nr. 46 aus Teos (Jonien); weiter Nr. 28; 148; 184; 214; 256. Auch Frauen sind als ἀρχισυνάγωγος / ἀρχισυναγωγίσα belegt (Nr. 43; Nr. 255). Die Funktion der Archisynagogoi im synagogalen Gottesdienst ist nur in Apg 13,15 belegt. 76 Apg 13,16: ἄνδρες Ἰσραηλῖται καὶ οἱ φοβούμενοι τὸν θεόν, ἀκούσατε. Vgl. die Wiederholung 13,26: Ἄνδρες ἀδελφοί, υἱοὶ γένους Ἀβραὰμ καὶ οἱ ἐν ὑμῖν φοβούμενοι τὸν θεόν, und die Abwandlung in 13,43: πολλοὶ τῶν Ἰουδαίων καὶ τῶν σεβομένων προσηλύτων. Vgl. F. Siegert, Predigten II, 24: »Der Gottesdienst in den Synagogen war … öffentlich. Die nichtjüdischen Teilnehmer redete man höflich … an … Die ganze Szenerie ist aufschlußreich«. Die Predigt folgte auf die zweite Lesung, die Profetenlesung, und wurde in der Diaspora stehend – wie ein Rhetor – gehalten, während man in Palästina im Sitzen lehrte. 77 Schon zuvor (Apg 13,10) hatte der lukanische Paulus den Elymas als »Feind jeder Gerechtigkeit« (ἐχθρὲ πάσης δικαιοσύνης) angesprochen. 78 Apg 13,38 f. E. Plümacher, Rom, 154, nahm an, Lukas habe den Römerbrief gekannt, um solche Stellen zu erklären. Natürlich kann man nicht ausschließen, daß er in Rom auch diesen Brief gelesen hat. Siehe dazu C. Schaefer, Zukunft Israels, 11 f., der jedoch unterstreicht, daß »[d]ie Parallelen … eher darauf schließen [lassen], dass hier lebendige Überlieferungen vorliegen, die sich bei Paulus und Lukas jeweils schriftlich niedergeschlagen haben«. W. Klaiber, Art. Rechtfertigung. II. Neues Testament. 5. Die Entwicklung des Paulus, RGG4 7 (2004), 102, bemerkt: »In Apg 13,38 f. wird die Rechtfertigungslehre zitiert, aber ohne Auswirkung auf die Darstellung der Theol[ogie] des Paulus.« 79 Lk 4,16–30; vgl. U. Mittmann-Richert, Sühnetod, 276 Anm. 57 mit Verweis auf weitere Literatur; C. Schaefer, Zukunft Israels, 224–228. Vgl. oben S. 151 zu den Parallelen in der Darstellung der Passion Jesu und des Stephanusmartyriums.
382
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Paulus am Sabbat in die Synagoge kommt.80 Immer wieder stößt der Apostel auf Ablehnung durch seine Volksgenossen, wendet sich deshalb mit der Heilsbotschaft den Heiden zu, die er in Apg 13,16.26 (vgl. 13,50) expressis verbis als »Gottesfürchtige« angesprochen hat, und erfährt als Reaktion die gewaltsame Verfolgung durch seine Volksgenossen. Das Problem der »Verstockung« großer Teile des Volkes Israel erscheint als ein Hauptthema im gesamten Doppelwerk; die Darstellung gipfelt dann in dem expliziten Zitat von Jes 6,9 ff. im Munde des Paulus gegenüber den Häuptern der römischen Juden in Apg 28,23–28, in der Schlußszene der Apostelgeschichte.81 Doch Israel ist für Lukas mit diesem Schlußwort nicht »abgeschrieben«,82 denn Paulus empfängt ja weiterhin alle, die ihn aufsuchen: »… indem er die Königsherrschaft Gottes verkündigte und lehrte über den Herrn Jesus Christus mit allem Freimut ungehindert«. Als Theologe zeigt Lukas damit seine Nähe auch zu Röm 9–11.83 Im Auftreten des Paulus – und nicht zu vergessen: auch des Barnabas – im pisidischen Antiochia ist die Parallelität zu Jesu »Antrittspredigt« in Lk 4,16–30 besonders deutlich zu spüren. Der Auftritt hier dient zugleich als Modell für weitere, spätere Erlebnisse der Apostel. Als am nächsten Sabbat nicht nur Israeliten und Gottesfürchtige die Apostel hören wollen, sondern sich sogar die ganze Stadt versammelt, versuchen die Juden, »erfüllt von Eifer(sucht)«, den Erfolg der Missionare zu stoppen und ihnen mit Verleumdungen zu widersprechen. Diesen antworten Paulus und Barnabas mit »Freimut« und kündigen ihnen an: »Euch mußte zuerst das Wort Gottes verkündigt werden. Da ihr es verstoßen und euch selbst nicht des ewigen Lebens für würdig gehalten habt, siehe, da wenden wir uns nun an die Heiden.«84
Diese Hinwendung zur Völkermission nach der Ablehnung durch die Juden begründen beide grundsätzlich und zitieren am Ende Jes 49,6: »Ich habe dich gesetzt zum Licht der Völker, damit du zu ihrer Rettung seist bis an die Enden der Erde.«85 80 Apg 13,5.14.44; 14,1; 17,1 f.10; 18,4.19; 19,8; dazu U. Mittmann-Richert, Sühnetod, 276: »Erzählerisch ist diese Parallelität dargestellt durch die fortgesetzte Wiederholung des Nazarethgeschehens: … so beginnt auch Paulus sein Verkündigungswerk an jedem neuen Ort … am Sabbat in der Synagoge … Und immer wieder neu erfährt der Verkündiger … die gewaltsame Ablehnung seiner Predigt durch seine … Glaubensgenossen, die Juden. Es folgt die Hinwendung zu den Heiden«. 81 Zum Problem der »Verstockung« siehe oben S. 156 und S. 161 Anm. 103. 82 J. Jervell, Apg, 629 Anm. 616. 83 Apg 28,31; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 227 f.; A. M. Schwemer, Der Auferstandene, 113 f.; C. Schaefer, Zukunft Israels, passim; S. Butticaz, God. 84 Apg 13,46. 85 Apg 13,47. Dadurch, daß auch Barnabas und nicht nur Paulus der Sprecher dieser Botschaft ist, klingt bei Lukas die Bedeutung des Barnabas für die beschneidungsfreie Heidenmission noch nach. Jes 49,6 LXX ist ausführlich zitiert oben S. 218.
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus
383
Jes 49,1–6, der Beginn des zweiten Gottesknechtsliedes, der die Einsetzung des Gottesknechtes zur Rettung der Heidenvölker verheißt, hat für Paulus – neben den anderen Gottesknechtsliedern – zentrale Bedeutung. Im Licht dieser Verheißung versteht er selbst seine Berufung und Sendung, um Gottes Sohn zu verkündigen.86 Es ist nicht zufällig, daß Lukas ihm diese Profetenstelle in dieser Situation im pisidischen Antiochia beim Übergang zur gezielten Heidenmission in den Mund legt. Der Erfolg bei den Völkern bleibt nicht aus, und das »Wort des Herrn« verbreitet sich im ganzen Territorium (χώρα) der Stadt. Das wiederum veranlaßt die jüdischen Gegner der Apostel, die vornehmen gottesfürchtigen Frauen der Stadt »aufzuhetzen« und – mit ihrer Hilfe – »die ersten Männer der Stadt«, das heißt die zuständige ›Behörde‹, zu alarmieren, so daß diese eine Verfolgung veranstalten, und die Missionare aus ihrem Gebiet zu vertreiben.87 Bei dieser Episode zeigt sich wieder die Bedeutung der nichtjüdischen Frauen der Oberschicht für die Synagogen und ihre Gemeinden in der Diaspora sowie für die christliche Mission, die hier ihre Hörerschaft suchte und fand. Diese vornehmen Frauen und Männer hatten, wenn sie den Synagogen nahestanden, eine Schutzfunktion für diese und erhöhten durch ihre gesellschaftliche Stellung das Ansehen der Juden in der jeweiligen Stadt. Ebendeshalb kommt es in Antiochia zum Konflikt und zur Vertreibung der Apostel. Gegenüber diesen heidnischen »Patronen« verhielten sich die Synagogengemeinden in Fragen der jüdischen Reinheitsvorstellungen und der Abgrenzung von paganen kultischen Verpflichtungen sehr großzügig. Ein Beispiel, das sich in unserem Fall besonders nahelegt, ist Julia Severa im phrygischen Akmonia. Sie beteiligte sich an der Errichtung der Synagoge, war aber zugleich Oberpriesterin des Kaiserkults und Agonothetin.88 Sie stammte vom galatischen und attalidischen Königshaus ab und gehörte durch ihre Heirat mit L. Servenius Capito einer der führenden Familien der Stadt an.89 Ihr Sohn 86 Vgl. ferner oben S. 239. Zum lukanischen Paulus siehe S. 234; weiter K. O. Sandnes, Paul, 59–68; J. P. Dickson, Mission-Commitment, 173 ff. Auch für Lukas ist Jes 49,6 (vgl. 42,6) die zentrale Verheißung für die Hinwendung zu den Völkern; siehe zum Nunc dimittis (Lk 2,32) den Kommentar von M. Wolter, Lk, 141: »Von großer Bedeutung für das lk Geschichtsbild ist dieser Vers [Lk 2,32] …, weil er deutlich macht, dass die nachösterliche Heidenmission bereits von Anfang an fester Bestandteil der Verwirklichung von Gottes Heilshandeln unter den Menschen ist. Das, was Simeon hier erkennt, wird in Apg 28,28 den römischen Juden enthüllt.« 87 Apg 13,48 ff.; vgl. P. Pilhofer, Lukas, 121 Anm. 27 (vgl. ders., Philippi I, 193): Es handelt sich um »eine behördliche Maßnahme« der duumviri, der »leitenden Beamten« der Stadt. 88 H. Halfmann, Senatoren, 102: ἀρχιέρεια καὶ ἀγωνοθέτις (mit Verweis auf Münzen und die Inschriften MAMA VI 263 = AE 1940, 201 und IGRR IV 656); vgl. weiter S. 31: »Dieses Priesteramt besaß in vielen Städten Kleinasiens eponymen Rang und war daher mit hohem Sozialprestige verbunden.« Vgl. W. Decker, Art. Agonothetes, DNP 1 (1996), 266; zur Synagogeninschrift siehe oben S. 380 Anm. 75. 89 H. Halfmann, Senatoren, 102 Nr. 5 und 5a.
384
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
L. Servenius Cornutus90 kam kurze Zeit nach L. Sergius Paullus unter Nero in den römischen Senat und wurde 73 n. Chr. Prokonsul von Asia. Diese von ihrer Abstammung her und durch ihre Stellung in der Stadt Akmonia hervorragende Heidin war Patronin der jüdischen Synagoge am Ort.91 Die Verhältnisse in Antiochia ad Pisidiam müssen wir uns ähnlich vorstellen. Hier hatte die Familie der Sergii eine Stellung wie die Servenii in Akmonia. Die Apostelgeschichte »gibt … das historische Milieu durchaus sachgerecht wieder«, und »[d]em entspricht auch die Bedeutung der Frauen in den paulinischen Briefen«.92 So ist es nur zu verständlich, daß »die Juden« alles daran setzen, um den Schutz dieser einflußreichen und vornehmen Matronen nicht an dahergelaufene Unruhestifter zu verlieren. Paulus erwähnt solche Gefährdungen durch Juden und Heiden unter anderem in seiner längsten Aufzählung der Leiden eines Apostels,93 Leiden, denen er aber sein »Dennoch« in der Gemeinschaft des Sterbens und Lebens mit Christus entgegenhält: »Von allen Seiten sind wir bedrängt, aber nicht erdrückt; ratlos, aber nicht verzweifelt; verfolgt, aber nicht verlassen; niedergeworfen, aber nicht vernichtet. Allezeit tragen wir die Sterblichkeit Jesu an unserem Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar wird.«94
Lukas schildert in der Apostelgeschichte nur einen kleinen Teil der Situationen, in denen Paulus in Lebensgefahr geriet.95 Aber einen guten Teil der großen Strapazen und Todesgefahren, die Paulus im Peristasenkatalog im 2. Korintherbrief erwähnt, weil er sich gegen »falsche Brüder« und »Überapostel« wehren muß, wird er schon in der Zeit der ersten Missionsreise erlitten haben: »Diener Christi sind sie? … Ich noch mehr, in Mühen viel mehr, in Gefangenschaft viel mehr, in Schlägen viel mehr, in Todesgefahren oftmals. Von Juden erhielt ich die vierzig weniger einen fünfmal, dreimal wurde ich ausgepeitscht, einmal gesteinigt, dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, eine Nacht und einen Tag trieb ich auf dem tiefen Meer. Auf Reisen war ich oft in Gefahr, in Gefahren von Flüssen, in Gefahren von Räubern, in Gefahren, die von Volksgenossen ausgingen, in Gefahren, die von Heiden ausgingen, in Gefahren in H. Halfmann, Senatoren, 102 Nr. 5. Siehe S. Mitchell, Anatolia II, 9.31 Anm. 176; 35 fig. 15; etwas ausführlicher M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 114 f. 92 M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 113; vgl. Apg 13,43; 16,13 f.; 17,4.12 und 1 Kor 1,11. Vgl. C. Zimmermann, Christinnen, 445 Anm. 1 mit Verweis auf die jetzt (2018) bei Brill erschienene Monographie C. Breytenbach / C. Zimmermann, Early Christianity in Lycaonia. 93 2 Kor 11,26: κινδύνοις ἐκ γένους, κινδύνοις ἐξ ἐθνῶν; vgl. unten Anm. 96–97 und S. 390 bei Anm. 125 u. ö. 94 2 Kor 4,8 ff. 95 Auch das ist ein Argument dafür, daß Lukas bei der Abfassung die Paulusbriefe nicht als Quellen vorliegen hatte. 90
91
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus
385
der Stadt, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren durch falsche Brüder; durch Mühsal und Plage, durch Nachtwachen oftmals, durch Hunger und Durst, durch Fasten oftmals, durch Kälte und Nacktheit …«96
Der 2. Timotheusbrief, der auf die Leiden des Apostels in Antiochia, Ikonium und Lystra – in dieser Reihenfolge – aus späterer Situation zurückblickt, kennt die Apostelgeschichte und verfügt wohl auch noch über mündliche Tradition. Der Verfasser läßt Paulus ausrufen: »Welche Verfolgungen ertrug ich da! Und aus allen hat mich der Herr erlöst.«97
Dennoch war es Paulus und Barnabas gelungen, im pisidischen Antiochia »Jünger« zu gewinnen, die sie, mit »Freude und heiligem Geist erfüllt«, zurücklassen konnten, auch wenn sie aus dem Territorium der Stadt weichen mußten. Sie folgen der Weisung Jesu und schütteln mit einer Zeichenhandlung den Staub der Stadt von ihren Füßen,98 dann ziehen sie weiter Richtung Osten nach Ikonium.
10.3.2 Ikonium Die beiden Apostel nehmen die neue via Sebaste Richtung Osten und kommen in die nächste römische Kolonie: Ikonium.99 Es wiederholen sich analoge Abläufe (Apg 14,1: κατὰ τὸ αὐτό)100 wie in Antiochia: Der Auftritt in der Synagoge erweckt Glauben bei Juden und Griechen, und die Apostel können einige Zeit erfolgreich mit ihrer Predigt und ihren Wundertaten (Apg 14,3: σημεῖα καὶ τέρατα) wirken. Dann aber kommt es zu einem Anschlag von ungläubigen Heiden und von Juden, die sie mit Hilfe der Archonten der Stadt bzw. der Juden mißhandeln und steinigen lassen wollen.101 Lukas dramatisiert die Gefahren und Strapazen, 96 2 Kor 11,23–27; vgl. F. Lang, Korinther, 342 ff.; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 398 f. 97 2 Tim 3,11; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 15.17. 98 Mt 10,14 f. = Mk 6,11; Lk 9,5; 10,11 par.; vgl. Apg 18,6; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 373. 99 Apg 14,1–6. Ikonium gehörte damals zu der eparchia Lykaonien und war Teil der Großprovinz Galatia, siehe K. Belke, Art. Lykaonia, DNP 7 (1999), 555 ff. Siehe jetzt grundlegend zur Geschichte des Christentums in Lykaonien C. Breytenbach / C. Zimmermann, Early Christinanity in Lycaonia, passim. 100 Die Wendung κατὰ τὸ αὐτό kann man hier mit »auf dieselbe Weise« übersetzen, sie bezieht sich darauf, daß die Apostel als erstes wieder in die Synagoge gehen; siehe J. A. Fitzmyer, Acts, 527. 101 Apg 14,5: ὁρμή, vgl. R. Pesch, Apg II, 49.52: »›Anschlag‹ bzw. … Lynchversuch«; J. Jervell, Apg, 368: »Anschlag« unter Berufung auf B. Bertram, Art. ὁρμή, ThWNT V (1954), 470 f. Bei den »Archonten« kann es sich um die der Stadt oder um die der jüdischen Gemeinde handeln, aber es ist auch beides zugleich möglich, denn die alte πόλις mit ihrer Verfassung und den Archonten an der Spitze existierte noch; siehe C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 52; vgl. C. S. Keener, Acts II, 2127. Zu σημεῖα καὶ τέρατα vgl. oben S. 60 mit Anm. 286.
386
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
denen die Apostel auf dieser Reise ausgesetzt sind, nicht, eher untertreibt und harmonisiert er. Paulus berichtet, daß er mehrfach in Lebensgefahr war, in die ihn seine Volkgenossen und Heiden brachten.102 So geschieht es auch hier, aber Paulus und Barnabas können sich zunächst retten und fliehen in die Städte Lykaoniens Lystra und Derbe und ihre Territorien.
10.3.3 Lystra In Lystra103 erwähnt Lukas keine Synagoge, und von einer jüdischen Hörerschaft ist in Apg 14 nicht die Rede, das trägt er in Apg 16 nach, wenn er erzählt, daß Timotheus aus Lystra stammte und Paulus ihn wegen der dort wohnenden Juden beschnitten hat.104 Dafür schildert Lukas in Apg 14,8–20 eine dramatische Episode mit höchst interessanten Einzelheiten,105 die ganz im paganen Milieu spielt: Paulus heilt einen Mann, der von Geburt an gelähmt ist. Dieser lauscht der Predigt des Paulus aufmerksam, und Paulus sieht als charismatischer Herzenskenner seinen Glauben. Daß ein Lahmer plötzlich springen kann, gehört im frühchristlichen Kontext gewissermaßen zum ›Repertoire‹ der wunderbaren Ereignisse der Endzeit und ist ein Zeichen der Vollmacht Jesu und der Apostel.106 Auf Grund der Heilung des Gelähmten durch Jesus in der Synagoge von Kapernaum »geraten alle außer sich, preisen Gott und sagen: So etwas haben wir noch nie gesehen«.107 In der Aussendungsüberlieferung gibt Jesus diese Vollmacht, Kranke zu heilen und unreine Geister zu vertreiben, dann auch den Jüngern.108 Petrus erweckt mit seiner Heilung des Lahmen, der nun springen und Gott loben kann, die Aufmerksamkeit des Volkes, das »voll Staunen und Entsetzen« zusammenläuft und seiner Predigt zuhört, so daß »viele gläubig wurden und die Zahl der Männer um die 5000 betrug«.109 Er wird dafür – mit Johannes zusammen – sogar inhaftiert und muß sich vor der Hohepriesterschaft verantworten.110
2 Kor 11,23–27; vgl. oben bei Anm. 96. K. Belke, Art. Lystra, DNP 7 (1999), 613: »Von Augustus als röm[ische] Kolonie in der Prov[inz] Galatia gegr[ündet]«; vgl. S. Mitchell, Anatolia I, 77; C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 111. 104 Apg 16,1 ff. 105 Vgl. D.-A. Koch, Geschichte, 223: »auch wird hier Lokalkolorit erkennbar«. 106 Jes 35,6: »Dann springt der Lahme wie ein Hirsch« wird zitiert in der »Täuferanfrage« Mt 11,5 par.; vgl. Mk 2,1–12 = Lk 5,17–26 = Mt 9,1–8; Joh 5,1–9; Apg 3,2 ff.; 9,33 ff. 107 Mk 2,12; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 465 f. 108 Mk 6,7; 6,12 f.; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 466. 109 Apg 3,1–11. 110 Apg 4,1–17. 102 103
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus
387
In Lykaonien ist die kollektive Reaktion auf das Heilungswunder nicht weniger spektakulär: Die Einheimischen, die sich in einem luwischen Dialekt untereinander verständigen, können das Geschehene nicht fassen und meinen: »Die Götter sind in menschenähnlicher Gestalt (οἱ θεοὶ ὁμοιωθέντες ἀνθρώποις) zu uns herabgestiegen.«111
Barnabas halten sie für Zeus, Paulus jedoch für Hermes, weil »er das Wort führte«.112 Der Priester des Zeus, dessen Tempel außerhalb der Stadt lag, zieht schon mit Stieren und Girlanden zum Stadttor, um ihnen zusammen mit der Volksmenge zu opfern. Stiere waren das wertvollste und teuerste Opfer und kamen Zeus zu. Am Kaisertempel im pisidischen Antiochia befand sich ein prächtiger Fries mit Stierköpfen und Girlanden aus Blüten und Früchten aus der Zeit des Tiberius, dessen Reste eine Vorstellung von den für das Opfer geschmückten Tieren in Apg 14 vermitteln.113 Da endlich begreifen die Apostel, was vor sich geht, sie stürzen zum Schauplatz des Geschehens, zerreißen ihre Kleider und halten die Menge mit einer Rede über den wahren Gott, der Fruchtbarkeit und Leben spendet, mit Mühe (μόλις) von ihrem Vorhaben ab. Mit einer solchen Rede hätten auch nichtchristliche Juden versuchen können, ein heidnisches Publikum vom Götterkult abzubringen.114 Diese Episode paßt ganz in die »antike Sichtweise von Wunderheilern«, und die pagane Menge ist überzeugt: »Die Wunderheilung weist den Gott aus.« Wie verbreitet die Vorstellungen von den die Menschen auf Erden besuchenden, heilenden und wunderwirkenden Göttern in dieser Zeit war, zeigen die Berichte von Vespasians Wundern in Alexandria, die die flavische Propaganda verbreitete, um die Gottheit des Kaisers populär zu machen.115 Die Heilungen Vespasians sind nur das bekannteste Beispiel für die Funktion von Heilungswundern im Kaiserkult.
Apg 14,11; vgl. H.-J. Klauck, Magie, 71 f. Die lukanische Erklärung zeigt, daß Lukas wahrscheinlich nicht die unten erwähnte lokale Bedeutung des Götterpaares kannte, aber ihm die Funktion des Olympiers Hermes als ἑρμηνέα καὶ προφήτην τῶν θείων (Philo, Legat. 99) vertraut war und er vermutlich wußte, daß Hermes als εὐάγγελος angerufen wurde; zur Verbreitung der Hermes-Verehrung und der Bedeutung des Hermes für den Herrscherkult vgl. W. Horbury, Gospel, 94 mit Anm. 35. 113 Abbildung: S. Mitchell, Anatolia I, 106 Fig. 15; vgl. ders. / M . Waelkens, Pisidian Antioch, 130. B. Rubin, Ruler Cult, 49, weist zu Recht auf die Ähnlichkeit der Friese mit dem Schmuck der Ara Pacis in Rom hin. Die Qualität der Akanthusblätter und des Bukranienfrieses mit den Girlanden ist – hier in der Provinz – erstaunlich gut; sie stellen Frieden und Fruchtbarkeit dar und feiern die Pax Romana. 114 Vgl. zu dieser Rede unten bei Anm. 122. 115 M. Clauss, Wunder (Zitate: 158). 111
112
388
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Sowohl die lykaonische Sprache und die Verwechslung mit Zeus und Hermes als auch die Rede116 von Barnabas und Paulus verraten lebendiges Lokalkolorit, das Lukas einer Quelle bzw. mündlicher Tradition über diese Reise, bei der er nicht dabei war, verdankt. Solche Reisedetails werden in den späteren Abschnitten der Apostelgeschichte zuverlässiger und häufiger, wenn Lukas mit »wir« signalisiert, daß er selbst dabeigewesen ist. Folgende Elemente zeigen dieses »Lokalkolorit«: Weihinschriften für Zeus und Hermes, Hermes μέγιστος und Zeus Helios, Hermes und Zeus Bronton117 haben sich aus dieser Gegend erhalten. Das Götterpaar ist die interpretatio graeca des alten hethitischen bzw. luwischen Wetter‑ und Vegetationsgottes Tarchu(nt) als Zeus und des luwischen Gottes Ru(nt) »als dem Zeus dienender Hermes«. Ihre Verehrung ist in Phrygien und Pisidien bis in die Kaiserzeit epigraphisch und numismatisch nachgewiesen. Auch »in der Umgebung von Lystra wird Zeus … mit einer Anzahl von Kultstätten … als wetterbestimmender Vegetationsgott [verehrt]«,118 wobei »die Verbindung von Zeus Bronton und Hermes … für die Zeusverehrung in der Umgebung von Lystra typisch ist«.119 In einer – von Ovid erzählten – phrygischen Sage durchwandern die beiden Götter zusammen unerkannt in Menschengestalt das Land und besuchen schließlich Philemon und Baukis in deren einfacher Hütte. Die alten Leute sind die einzigen, die Jupiter und Merkur, das heißt Zeus und Hermes, gastlich aufgenommen haben. Zur Strafe wird das Land durch eine Wasserflut vernichtet, die Hütte jedoch in einen Tempel verwandelt, in dem Philemon und Baukis dann Priesterdienst versehen. Woher Ovid diese Geschichte kannte, ist nicht überliefert. Es mag sein, daß sie durch italische Kolonisten wie die Sergii oder andere Familien in Rom bekannt wurde.120 116 Siehe dazu ausführlich C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 53–75; C. S. Keener, Acts II, 2142–2172; zur Verwandtschaft mit jüdischen Synagogenpredigten siehe F. Siegert, Predigten II, 86.183.239. Es ist auffällig, daß in dieser Rede jedes christologische Element fehlt und kein Hinweis auf den wahren, menschgewordenen Gottessohn erscheint, obwohl die Terminologie an den Philipperhymnus erinnert (Phil 2,7b: ἐν ὁμοιώματι ἀνθρώπων γενόμενος· καὶ σχήματι εὑρεθεὶς ὡς ἄνθρωπος). Reinen Heiden mußten die Apostel zunächst den einzigen Gott verkündigen. 117 Abbildung bei C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 179, vgl. Anm. 8: Zeus Bronton wurde in Phrygien an vielen Orten verehrt. Dazu S. 71 f.: »Zeus Bronton … [hat] deutliche Züge eines Patrons der Agrarwirtschaft« und läßt sich »an der via Sebaste bis in die unmittelbare Umgebung von Lystra nachweisen«. 118 C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 73. 119 C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 73 Anm. 135, vgl. 69 ff.; zu den Inschriften siehe die Abbildungen S. 177 ff. 120 Ovid, Metamorphoses 8,620–724 (SCBO, 239–243 ed. Tarrant); vgl. R. Bloch, Art. Baukis, DNP 2 (1997), 504. Der Heros eponymus Lykaon wurde ebenfalls mit einer Flutgeschichte verbunden, siehe S. Mitchell, Anatolia I, 208: »… a legendary founder Lykaon. These stories were blended at Iconium … with a local tradition of a disastrous flood«; die phrygische Fluterzählung wurde von Juden auf die Sintflut bezogen, und der Ararat wurde
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus
389
Rechneten die Bewohner von Lystra nach phrygischer Tradition mit einem Götterbesuch wie bei Philemon und Baukis, oder waren sie so sehr Griechen und in ihrem Homer zu Hause, daß sie wußten, man müsse jederzeit damit rechnen, daß Götter in Menschengestalt als Gäste kommen und entsprechend geehrt und bewirtet werden wollen? Man könnte diese Szene auch als eine subtile Verspottung des zentralen Ritus im antiken Opferkult lesen: Der Priester – ein Mann aus der römisch-lykaonischen Elite – gibt dem barbarischen Mob nach, spielt mit und läßt einen neuen Kult einführen.121 Ich bezweifle, daß Theophilos und seine Freunde, die ersten Leser und Hörer der Apostelgeschichte, diese Episode als ironische Darstellung des Opferkults verstanden haben und daß Lukas es so gemeint haben könnte. Er schildert eine zunehmende Gefährdung: Von den Opfervorbereitungen erfahren die Apostel erst, als es fast zu spät ist, weil sie die einheimische Sprache nicht verstehen. In höchster Eile stürzen sie sich mitten in die Menge, zerreißen ihre Kleider und wehren sich laut schreiend gegen das Vorhaben. Die Erklärung der Apostel hat Lukas sorgfältig auf die Situation abgestimmt; sie bildet ein retardierendes Element in der Handlung und stellt klar: »Männer, warum tut ihr das? Wir sind doch wie ihr leidensfähige Menschen und bringen euch die frohe Botschaft, damit ihr euch weg von diesen nichtigen (Göttern) dem lebendigen Gott zuwendet, der den Himmel und die Erde und das Meer geschaffen hat und alles, was in ihnen ist. Er hat in den vergangenen Generationen alle Völker ihre Wege gehen lassen. Und doch hat er sich nicht unbezeugt gelassen, indem er Gutes tat und euch vom Himmel her Regen gab und fruchtbringende Zeiten, und mit Speise und Freude hat er eure Herzen erfüllt.«122
Lukas muß gut informiert gewesen sein über die Funktion von Zeus (und Hermes) in Lykaonien als Wetter‑ und Vegetationsgott, sonst hätte er die Apostel nicht diese Rede halten lassen. Die Ansprache macht aber auch deutlich, daß für reine Heiden die christliche Botschaft unverständlich war; ihnen mußte man zuerst vom wahren, »lebendigen Gott« erzählen. Die Rede kann jedoch das heidnische Publikum nicht beschwichtigen und bekehren, weil Juden – und jetzt wird es erst recht bedrohlich –, die aus Antiochia und Ikonium angereist sind, dazwischenfahren und die Volksmenge dazu bringen, Paulus als falschen Wundertäter und Zauberer zu steinigen. Wieder hindern Juden Paulus daran, »zu den Völkern zu sprechen, damit sie gerettet werden« (1 Thess 2,16), und die zu dem Berg, auf dem Noah mit der Arche landete, siehe Sib 1,196.261 f.; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 254 f.; C. S. Keener, Acts II, 2146 f. 121 So die These von L. A . Kauppi, Gods, 64–82. Doch zwischen der ironischen Verachtung, mit der z. B. Lukian von Samosata in seinen satirischen Schriften Kulte und Aberglauben seiner Zeitgenossen – auch der Christen (De morte Peregrini 11–14 [SCBO, Luciani Opera III, 191 ff. ed. Macleod]) – beschreibt, und der Ernsthaftigkeit des Auctor ad Theophilum liegen Welten. 122 Apg 14,15 ff.; siehe dazu C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 53–75.
390
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Apostel erleiden das Geschick der gewaltsam verfolgten Profeten.123 Hans-Josef Klauck nahm an, daß Lukas eine Vorlage hatte, die ohne das Dazukommen der Juden vom gescheiterten Opfer und von anschließender Steinigung berichtete.124 Aber das bleibt Vermutung. Dagegen spricht, daß hier nicht – wie sonst in der Apostelgeschichte – die örtliche Judenschaft gegen die Apostel vorgeht. Jedenfalls sieht Lukas den Grund dafür, daß die Stimmung in Lystra jäh umschlägt, darin, daß Juden aus Antiochia und Ikonium von der Verfolgung nicht ablassen, den Aposteln hinterherreisen und ihnen nun gelingt, was sie schon in Ikonium vorhatten. Diese Steinigung wird deutlicher als im Fall des Stephanus als eine spontane Lynchjustiz durch den aufgehetzten Mob geschildert. Sie geschieht sogar innerhalb der Stadt, und Paulus wird nach der Steinigung als vermeintlich Toter aus der Stadt geschleift. Paulus übersteht die Steinigung, kann wieder aufstehen, umringt von den »Jüngern«, und in die Stadt zurückkehren. Am nächsten Tag bricht er mit Barnabas auf in Richtung Derbe. Paulus selbst führt unter den vielen lebensgefährlichen Situationen, in die er im Laufe seines Missionarslebens geriet, auch eine Steinigung auf.125 Eduard Zeller konnte der ganzen Erzählung nichts abgewinnen. Vom »Lokalkolorit«, dessen Entdeckung in den letzten Jahrzehnten die Untersuchungen über die paulinischen Reisen in der Apostelgeschichte spannend machte, konnte er noch nichts wissen. So schien ihm die Heilung des Lahmen durch die Parallelität zwischen Paulus und Petrus, der in Apg 3,2 ff. einen Lahmen geheilt hatte, veranlaßt, und die Verwendung des »Mythus« von Philemon und Baukis, wonach »Lykaonien … als Schauplatz einer alten Theophanie galt«, zeigte ihm »auch in einigen kleineren Zügen«, »[w]ie wenig wir mit dieser Erzählung auf geschichtlichem Boden stehen«.126 Er kommt zu dem Schluß: »Je weniger wir … von diesen Zügen, nach der übrigen Darstellung unserer Schrift selbst, für geschichtlich halten können, um so deutlicher stellt sich auch hierin der Tendenzcharakter der ganzen Erzählung heraus.«127 Das Mißtrauen gegenüber der Darstellung der Apostelgeschichte ging bei Zeller und Overbeck so weit, daß sie sogar bezweifelten, ob die Steinigung in Lystra und die von Paulus erwähnte überhaupt dasselbe Ereignis meinten.128 Man nahm lieber eine zweimalige Steinigung an, als eine Übereinstimmung zwischen Paulus und Lukas zu akzeptieren. 1 Thess 2,15 f. H.-J. Klauck, Magie, 75. Man kann dazu anführen, daß Lukas auch in Apg 9,23 den Todesbeschluß gegen Paulus den Juden anlastet; dieser selbst dagegen berichtet von seiner Flucht vor dem Ethnarchen des nabatäischen Königs Aretas IV. (2 Kor 11,32 f.). 125 2 Kor 11,25. 126 E. Zeller, Apg, 215. 127 E. Zeller, Apg, 215 f. 128 W. M. L. de Wette / F. Overbeck, Apg, 214 (mit Verweis auf E. Zeller, Apg, 218): »Ob diese Steinigung die eine 2 Cor. 11,25. erwähnte ist, muss bei den krit. Bedenken, welche 123
124 So
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus
391
Diese Art der Lukaskritik seit Ferdinand Christian Baur und seinen Schülern, die in verschiedener Weise immer wieder fröhliche Urständ feiert, wird den Quellen nicht gerecht und trifft die Darstellung der Apostelgeschichte völlig unverdient. Ein Peristasenkatalog, wie ihn Paulus in 2 Kor 11,23–27 bietet, fehlt bei Lukas, aber manchmal lassen sich in seiner Erzählung deutliche Übereinstimmungen mit diesem finden. So erwähnt er die Flucht des Paulus im Korb über die Stadtmauer von Damaskus und – wie schon gesagt –, daß er in Lystra wunderbarerweise eine Steinigung überlebt hat. Doch von der Synagogenstrafe, den »vierzig Geißelhieben weniger einen«, die nach der Vorschrift von Dtn 25,3 vollzogen wurde und die Paulus zu der Zeit, als er den 2. Korintherbrief schrieb, schon fünfmal erlitten hatte, berichtet Lukas an keiner Stelle.129 Aber er betont ganz zu Recht, daß Paulus nicht aufhörte, wenn er in eine neue Stadt kam, zuerst die Synagoge(n) aufzusuchen. Das entsprach dem Prinzip des Apostels: »zuerst zu den Juden und dann zu den Heiden«.130 Die »Stigmata« Christi (Gal 6,17) sind die Narben, die Paulus auf seinem Rücken trug von den Geißelhieben in den Synagogen und den Stockschlägen,131 zu denen ihn die römischen Behörden verurteilten. Die Synagogengemeinden als Stützpunkte ihrer Mission verließen die Apostel nie freiwillig.132 Sie haben sich nicht einfach von der ›Synagoge‹ gelöst, sondern sie wurden hinausgedrängt, so wie es Paulus und Barnabas auf dieser Reise »modellhaft« im pisidischen Antiochia und in Ikonium erlebten und wie es in Lystra anzunehmen ist.
dieser ganzen Erzählung entgegenstehen … problematisch heissen.«. Der Baur-Schüler Eduard Zeller war überzeugt, daß Philemon und Baukis dem Autor der Apostelgeschichte für seine Erzählung Pate gestanden hatten, und äußert dann auf S. 216 seine Bedenken: Wir »haben nicht die mindeste Bürgschaft für die Richtigkeit der Angabe über ihren Schauplatz, es ist vielmehr ebenso möglich, dass dem Verfasser hierüber gar nichts Näheres bekannt war, und dass er nur im Interesse des Contrastes … den ihm aus 2 Kor. bekannten Vorfall hier eingereiht hat.« Es lohnt sich immer wieder, sich vor Augen zu führen, wie sehr die neutestamentliche Exegese in Deutschland in ihrer Beurteilung der Apostelgeschichte immer noch von ihren alten Vorurteilen in Hinsicht auf historische Fragen bestimmt ist. Ein Althistoriker sagt dazu: Würden wir unsere Quellen wie die Theologen behandeln, müßten wir Julius Caesar als eine erfundene Gestalt ansehen. Vgl. zum Problem M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 9 ff. 129 Dagegen berichtet er von der Prügelstrafe, zu der »Petrus und die Apostel« vom Hohenpriester und von seinem Synhedrion verurteilt wurden, nachdem der Einspruch des Gamaliel das Todesurteil abgewehrt hatte (5,40: δείραντες), und daß Paulus als Verfolger selbst mit dieser Strafe in den Synagogen gegen die Gläubigen vorging (Apg 22,19). Vgl. auch oben S. 48 Anm. 218 zu Apg 5,40. 130 Röm 1,16 (die Auslassung von πρῶτον zwischen τε … καί stellt eine sprachliche Verbesserung dar und geht wahrscheinlich auf Markion zurück, dem dieses »zuerst« sicher nicht paßte); vgl. auch J. D. G. Dunn, Beginning, 420 f.547 ff.557–560; dazu oben S. 371 Anm. 26 (Zitat Barrett). 131 2 Kor 11,25: τρὶς ἐρραβδίσθην. 132 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 431 f.
392
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
10.3.4 Derbe Derbe lag etwa 100 km südöstlich von Lystra und gehörte zum südöstlichen Teil der Provinz Galatien. Zuerst erwähnt wird der Ort in unserer Literatur, weil Ciceros Freund Antipater, der Sohn des Perilaos, hier seinen Regierungssitz hatte; bekannt wurde er, weil Paulus sich hier mindestens zweimal aufhielt.133 Auf der ersten Missionsreise gewinnt er zusammen mit Barnabas »Jünger«, und auf der zweiten besucht er zusammen mit Silas den Ort wieder, um die Gemeinde zu stärken. Der Paulusmitarbeiter Gaius stammte von hier.134 Strabon nennt Derbe eine κωμόπολις und ein πολίχνιον, das heißt eine kleine Stadt.135 Erst unter Claudius wurde es eine πόλις und erhielt den Namen Claudioderbe. Auch die Straßenverhältnisse waren hier schlechter als an der via Sebaste. Vielleicht wollten Paulus und Barnabas von hier aus zunächst über die Tauruspässe nach Tarsus und auf dem Landweg zurück nach Antiochia am Orontes reisen; es ist möglich, daß sie durch die ungünstige Jahreszeit und schlechtes Wetter davon abgehalten wurden.136
10.3.5 Der Rückweg Auf jeden Fall taten sie dies nicht, sondern nahmen einen viel längeren Rückweg in Kauf und besuchten die neugegründeten Gemeinden in Lystra, Ikonium und im pisidischen Antiochia noch einmal, um die Jünger zu stärken, und gewannen nun auch in Perge Anhänger. Daß Paulus jeweils auch »Älteste« (Apg 14,23) zur Leitung der Gemeinden eingesetzt hat, stellt einen Anachronismus dar; denn in der aussendenden Gemeinde Antiochia am Orontes gab es damals keine Presbyter (Apg 13,1 f.), und im Corpus Paulinum erscheinen sie erst in den Pastoralbriefen.137 Doch daß die Apostel die neugegründeten Gemeinden bald noch einmal besuchten, um sie zu stärken (ἐπιστηρίζοντες) und ihnen Mut zu machen, an ihrem Glauben festzuhalten (παρακαλοῦντες ἐμμένειν τῇ πίστει), und zu versichern, daß »wir durch viel Trübsal eingehen müssen in das Reich 133 Cicero, Epistulae ad familiares 13,73,2 (BSGRT, 518,6 ed. Shackleton Bailey); Apg 14,6.21; 16,1. Vgl. S. Mitchell, Anatolia I, 96; C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 165 f. 134 Apg 20,4. 135 Strabon, Geographika 12,2,6 p. 537; 12,6,3 p. 569; 14,2,29 p. 663 (Strabons Geographika III, 412.496; IV, 84 ed. Radt); vgl. dazu S. Mitchell, Anatolia I, 96. 136 R. Riesner, Paulus, 248, erwähnt, daß Cicero (Epistulae ad Atticum 5,21,14 [BSGRT, Vol. I, 206,4 f. ed. Shackleton Bailey]) schreibt, wegen des vielen Schnees könne man den Taurus auf dieser Strecke nicht vor Juni überqueren. 137 1 Tim 5,1 f.17.19; Tit 1,5. Vgl. J. A. Fitzmyer, Acts, 535: »a Lucan anachronism«; J. D. G. Dunn, Beginning, 434 f.; anders C. S. Keener, Acts II, 2184–2189, der sogar die Pastoralbriefe in die 60er Jahre datiert.
§ 10 Die erste Missionsreise von Antiochia aus
393
Gottes«, paßt nicht nur sehr gut zum Missionsverhalten des Paulus, wie es in seinen Briefen erkennbar ist, sondern Lukas ahmt hier auch paulinische Sprache nach.138 Auf dieser Reise wurden von Barnabas und Paulus die galatischen Gemeinden gegründet, die Paulus dann auf seiner zweiten Reise zusammen mit Silas wieder besuchte139 und an die der Galaterbrief gerichtet ist. Die alte Streitfrage der Neutestamentler, ob der Galaterbrief an Gemeinden in der Landschaft Nordgalatien oder an die Gemeinden in der Provinz im Süden gerichtet ist, kommt auch weiter nicht zur Ruhe.140 In Gal 1,21 spricht Paulus großzügig von seinem missionarischen Wirken »in den Gegenden von Syrien und Kilikien« und schließt in τὰ κλίματα τῆς Συρίας καὶ τῆς Κιλικίας auch die Reise nach Zypern und Südkleinasien mit ein.141 Paulus hätte der Nachwelt viel Kopfzerbrechen und Gelehrtenstreit erspart, wenn er klipp und klar geschrieben hätte, an welchen Orten und wann er die Gemeinden, an die er im Galaterbrief schreibt, gegründet hat. Aber es ging ihm ja nicht darum, den »Galatern« genau aufzuzählen, wo er in diesen Jahren gelebt hat, wann er jeweils in Tarsus, wann in Antiochia am Orontes und wann er auf Reisen unterwegs gewesen war, sondern darum zu betonen, daß er in diesen vierzehn Jahren nicht in Jerusalem war. Daß es beim sogenannten Apostelkonzil und bei dem Streit um die Beschneidung der Heidenchristen in besonderer Weise um die Adressaten des Galaterbriefes ging, stellt Paulus unmißverständlich fest in Gal 2,5: »damit die Wahrheit des Evangeliums bei euch erhalten bleibe«.
138 Apg 14,22; vgl. vor allem 1 Thess 3,2 ff.: καὶ ἐπέμψαμεν Τιμόθεον, τὸν ἀδελφὸν ἡμῶν καὶ συνεργὸν τοῦ θεοῦ ἐν τῷ εὐαγγελίῳ τοῦ Χριστοῦ, εἰς τὸ στηρίξαι ὑμᾶς καὶ παρακαλέσαι ὑπὲρ τῆς πίστεως ὑμῶν τὸ μηδένα σαίνεσθαι ἐν ταῖς θλίψεσιν ταύταις. αὐτοὶ γὰρ οἴδατε ὅτι εἰς τοῦτο κείμεθα· καὶ γὰρ ὅτε πρὸς ὑμᾶς ἦμεν, προελέγομεν ὑμῖν ὅτι μέλλομεν θλίβεσθαι, καθὼς καὶ ἐγένετο καὶ οἴδατε. Weiter zu (ἐπι)στηρίζειν: Apg 15,32.41; 18,23; Röm 1,11; 16,25; 1 Thess 3,2.13; zu παρακαλέω: Apg 15,32; 16,40; 20,1 f.; Röm 12,1; 15,30; zu μένειν τῇ πίστει κτλ.: Apg 11,23; 13,43; 1 Kor 15,1 f.; Gal 1,6. Siehe dazu J. D. G. Dunn, Beginning, 434. 139 Apg 15,40 f.; 16,1–6. 140 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 395 Anm. 1634: Mit den »gründlichen Untersuchungen« von C. J. Hemer, Book of Acts, 277–307; R. Riesner, Paulus, 254–259; J. M. Scott, Paul and the Nations, und C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, schien für Martin Hengel die alte Streitfrage »endgültig erledigt zu sein«. Das ist nicht eingetreten, siehe U. Schnelle, Paulus, 275–278, und D.-A. Koch, Geschichte, 573–579, die sich für die Landschaftshypothese entscheiden; auch W. Klaiber, Galaterbrief, 11.197 ff., neigt vorsichtig zu dieser Einschätzung, läßt aber die Frage offen. Anders dagegen P. Pokorný / U. Heckel, Einleitung, 229 f.; vgl. auch J. Frey, Galaterbrief, 245, der »in der Forschung die Tendenz zugunsten einer Lokalisierung der Adressaten in den Missionsgebieten der kleinasiatischen Südküste … wachsen« sieht, sowie C. S. Keener, Acts II, 2115–2119, der sich für die »Province of Galatia« entscheidet und auch das Für und Wider in der englischsprachigen Literatur diskutiert. 141 M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 244 ff.395; vgl. C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 89.
394
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Die galatischen Gemeinden sind vor dem Jerusalemer »Apostelkonzil« gegründet worden. Zudem setzt der Bericht des Paulus vom Apostelkonzil voraus, daß beide zusammen, Paulus und Barnabas, bei den »Völkern« missioniert haben.142 Diese Reise nach Kleinasien gab dann mit den Anlaß, daß der Streit um die Beschneidung der Heidenchristen eskalierte, der auf dem Apostelkonzil einstweilen beigelegt wurde.
Vgl. C. Breytenbach, Paulus und Barnabas, 91; M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 394–403: »Die Kollegialmission in Syrien und Kilikien«; weiter dazu unten § 11.1.1 (S. 396–400). 142
§ 11 Das »Apostelkonzil« und das »Aposteldekret« 11.1 Das »Apostelkonzil« im Jahr 48/49 in Jerusalem1 Nach der Darstellung der Apostelgeschichte verbrachten Paulus und Barnabas im Anschluß an ihre Missionsreise nach Zypern und in die Provinz Galatien »nicht geringe Zeit« zusammen bei den »Jüngern« (σὺν τοῖς μαθηταῖς) in Antiochia am Orontes und wirkten hier also wieder als »Profeten und Lehrer«.2 Die Erfolgsgeschichte der antiochenischen Mission unterbrach jedoch ein offener Konflikt (Apg 15,1): »Und es kamen einige aus Judaea [nach Antiochia] und lehrten die Brüder: ›Wenn ihr euch nicht beschneiden laßt nach dem Brauch Moses, könnt ihr nicht gerettet werden.‹«
Wie schon öfter erwähnt, sollte der anschließende Konvent in Jerusalem, das sogenannte »Apostelkonzil«3 im Jahr 48/49,4 das Problem lösen, das sich durch den Erfolg der beschneidungsfreien und damit für Heiden ›gesetzesfreien‹ bzw. ›gesetzeskritischen‹ Mission von Antiochia aus auf der einen Seite und durch die 1 M. Hengel, Geschichtsschreibung, 93–105 = KS VI, 86–98; ders. / A. M. Schwemer, Paulus, 315–320.402 u. ö., siehe 529 Index s. v. »Apostelkonzil«; J. A. Fitzmyer, Acts, 538–550; R. Schäfer, Paulus, 160–222; M. Zetterholm, Formation, 143–177; C. Dietzfelbinger, Art. Apostelkonzil, CBL 1 (2003), 99 ff.; M. Öhler, Barnabas, 31–50.390–438, vgl. 563 Index s. v. »Apostelkonvent«; J. D. G. Dunn, Beginning, 446–469; I. J. Elmer, Paul, Jerusalem and the Judaisers, 90–104; D.-A. Koch, Geschichte, 225–241; C. S. Keener, Acts III, 2194–2258; R. Deines, Jakobus, 205–219. Zur Forschungsgeschichte siehe H. Zeigan, Aposteltreffen. 2 Apg 14,28, vgl. 13,1. 3 Diese Bezeichnung (»really a misnomer, because the meeting … is not a solemn assembly«, J. A. Fitzmyer, Acts, 543) wird hier beibehalten, weil sie der allgemeinen Konvention entspricht und Verwechslungen vermeidet. Man kann sich wie Fitzmyer behelfen und dieses »Konzil« in Anführungsstriche setzen. Die andere Möglichkeit ist »Apostelkonvent«, eine Bezeichnung, die auch schon im 19. Jahrhundert üblich war, siehe E. Zeller, Apg, 216; vgl. auch D.-A. Koch, Geschichte, 225: »die Bezeichnung ›Konzil‹ ist natürlich anachronistisch … Andererseits hat dieses Treffen ein wesentliches Moment mit späteren Konzilien gemeinsam: Es geht um eine theologische Verständigung als Voraussetzung für die Sicherung der kirchlichen Gemeinschaft.« 4 Zur Datierung siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 21 f.47.317 ff.380 u. ö. und die Tabelle 472 ff.; vgl. auch die Vorschläge von D.-A. Koch, Geschichte, 238: »49 n. Chr.«; U. Schnelle, Jahre, 235 (Tabelle): »48 Apostelkonvent (Frühjahr); antiochenischer Zwischenfall (Sommer / Herbst)«. Anders R. Deines, Jakobus, 176 ff.; dazu unten Anm. 7.
396
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
sich allmählich weiter verschlechternde politische Lage der Christen in Jerusalem und Judaea angesichts des wachsenden Eifers für das Gesetz bei Pharisäern und Zeloten auf der anderen Seite ergeben hatte.5 Völlig ›gesetzesfrei‹ waren die heidenchristlichen Gemeinden und die paulinische Mission natürlich nicht, denn es galten selbstverständlich der Dekalog und das doppelte Liebesgebot als die zentralen Gebote des Gesetzes und als der Kern christlicher Ethik weiterhin.6 Das »Apostelkonzil« in Jerusalem war die Folge der zuvor geschilderten Missionsreise von Barnabas und Paulus auf die Insel Zypern und zum kleinasiatischen Festland nach Pisidien und Lykaonien, das heißt in die römische Provinz Galatien. Doch die Überlegungen und Untersuchungen reißen nicht ab, die dafür plädieren, daß es umgekehrt gewesen sein müsse.7
11.1.1 Zur Diskussion über die historische Zuordnung der Angaben des Paulus und der Apostelgeschichte in der Forschung Die Diskussion scheint uferlos, und seit Ferdinand Christian Baur ist unendlich viel geschrieben worden zum Apostelkonzil, was hier nicht alles aufgeführt werden kann und soll.8 Wir haben hier den Glücksfall, daß sowohl Paulus wie die Apostelgeschichte über dieselben Vorgänge berichten. Aber wie sind die Quellen 5 Zum pharisäischen und zelotischen Eifer für das Gesetz siehe M. Hengel, Zeloten, passim, und oben S. 167 f. und 364; ebenso U. Schnelle, Paulus, 286: »Die Urgemeinde geriet durch die Erfolge der beschneidungsfreien und damit aus jüdischer Sicht faktisch torafreien Heidenmission sowohl theologisch als auch politisch immer mehr unter Druck«. Zur angespannten Lage in Jerusalem und im Mutterland siehe ausführlicher unten S. 426–439. 6 Siehe dazu oben S. 130 f. und 254.Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 433–437 u. ö. (vgl. 735 Index s. v. »Liebesgebot, doppeltes; Dekalog«) zum doppelten Liebesgebot in der Verkündigung Jesu; op. cit., 450: »Paulus [ist] in seiner Paränese in vielfältiger Weise von der Weisung Jesu abhängig.« 7 So in den letzten Jahren M. Öhler, Barnabas, 61: »Für den Zeitpunkt der Mission in Zypern, Pamphylien und Südgalatien sollte … der Apostelkonvent als terminus post quem angenommen werden« (Hervorhebung im Original), dazu die Zeittafel S. 62 f.; R. Schäfer, Paulus (siehe dazu unten Anm. 11). Auch A. J. M. Wedderburn, History, 104: »… all those missionary journeys of Paul described in Acts from chapter 13 onwards are to be placed after the meeting described in Gal 2.1–10.« Ausführlich listen J. D. G. Dunn, Beginning, 446–450, und C. S. Keener, Acts III, 2195–2202, die Argumente auf, die gegen die Identifizierung der in Apg 11,30 und 12,25 erwähnten Reise mit Gal 2,1–10 sprechen, und diejenigen, die für die Mehrheitsmeinung, daß in Apg 15 und Gal 2,1–10 dasselbe Treffen in Jerusalem aus unterschiedlicher Perspektive dargestellt wird, ins Feld geführt werden. Beide entscheiden sich wie M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, und unter anderen J. Frey, Galaterbrief, ebenfalls für diese ›Mehrheitsmeinung‹. Anders jetzt wieder R. Deines, Jakobus, 176 ff. (und passim), der zwischen einem »Beschneidungskonvent« in Jerusalem um 45 und einem »Schlichtungskonvent« in Jerusalem um 49 unterscheidet. 8 Die Diskussion um die gesetzestreuen Judenchristen und ihren Antipaulinismus, die mit der Lösung des Apostelkonzils nicht zufrieden waren, geht natürlich weiter zurück, siehe J. Carleton Paget, Definition, 24–27.
§ 11 Das »Apostelkonzil« und das »Aposteldekret«
397
miteinander zu koordinieren? Das Verhältnis der verschiedenen Berichte bei Paulus und Lukas erscheint historisch sehr komplex, und es wird entsprechend unterschiedlich beurteilt. Paulus schreibt seine Selbstverteidigung im Galaterbrief in höchster Empörung über das Vorgehen von judaisierenden Missionaren, die in den paulinischen Gemeinden in Galatien die nachträgliche Beschneidung der Heidenchristen durchsetzen wollen. Sie verkünden seiner Ansicht nach ein »anderes Evangelium« und wollen die Arbeit des Paulus zunichte machen. Er schildert gewiß cum ira et studio einseitig die Konflikte und Verhandlungen in der Vergangenheit. Lukas auf der anderen Seite beschreibt für seinen ersten Adressaten Theophilos als Historiker die Vorgänge reflektierend und zusammenfassend, dabei bemüht, alle Schärfen zu vermeiden. Kurz zu einigen Punkten der Diskussion in der Forschung der letzten Jahre: Entsprechen sich Gal 2,1–10 und Apg 15,1–29, was bei der grundlegenden Übereinstimmung in den wesentlichen Punkten immer noch das Wahrscheinlichste ist, dann muß man annehmen: Die Reise mit der antiochenischen Kollekte nach Jerusalem, die Lukas in Apg 11,30 und 12,25 erwähnt, unternahm Barnabas – anders als Lukas es darstellt – allein bzw. mit anderen Begleitern, an ihr kann Paulus nicht teilgenommen haben. Um jedoch die Angabe des Paulus, daß er erst 14 Jahre nach seinem Besuch bei Petrus in der Heiligen Stadt wieder nach Jerusalem gereist sei, mit der in Apg 11,30 und 12,25 erwähnten Teilnahme an der Reise mit der Antiochener Kollekte zusammen mit Barnabas nach Jerusalem zu harmonisieren, wurden eine ganze Reihe von Gründen angeführt, und die Datierung der Berufung des Paulus und die Chronologie seiner Reisen wurde entsprechend nach dieser Rekonstruktion der Ereignisse ausgerichtet: 1. Paulus schreibt in Gal 2, daß er nach seinem Aufenthalt bei Petrus in Jerusalem 14 Jahre in Syrien und Kilikien gewirkt hat9 und erst danach wieder nach Jerusalem zum Apostelkonzil reiste. Die erste Reise des Paulus von Antiochia nach Jerusalem, die Lukas erwähnt, ist die Kollektenreise in Apg 11,30 und 12,25. Also müßte diese Kollektenreise mit der in Gal 2,1–10 geschilderten Reise identisch sein. 2. Paulus erwähnt in Gal 2,1 eine »Offenbarung« (ἀποκάλυψις), auf Grund derer er nach Jerusalem ging. Diese Offenbarung will man mit der Profetie des Agabos, der, aus Jerusalem kommend, in Antiochia eine weltweite Hungersnot profezeite (Apg 11,27 f.), identifizieren.10 3. Wenn die Reise in Gal 2,1–10 der Übergabe der antiochenischen Kollekte in Jerusalem galt, dann ist die Auflage, die Paulus und Barnabas in Jerusalem 9 Hinzu kommt hier das Problem, ob Paulus die 14 Jahre von seiner Berufung oder von seinem Besuch bei Petrus an rechnet. Nach R. Riesner, Paulus, 284, ist grammatisch beides möglich, aber sachlich spricht alles für die Rechnung seit der Begegnung mit Petrus in Jerusalem; so auch U. Schnelle, Paulus, 33. 10 So E. J. Schnabel, Mission, 947.
398
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
für ihr missionarisches Wirken erhalten, sie sollten »der Armen gedenken« (Gal 2,10), eine sinnvolle Reaktion. 4. Unserer Hypothese, daß das einst Abraham verheißene Land bei der Missionsstrategie der ersten Jahrzehnte eine große Rolle gespielt hat, käme es entgegen, wenn die Reise nach Zypern und in die Provinz Galatien erst nach dem Apostelkonzil stattgefunden hätte. Was die Identifizierung der Reise von Gal 2,1–10 mit Apg 11,30 und 12,25 besonders für konservative Forscher überzeugend erscheinen ließ und immer noch läßt, ist vor allem das erste Argument. Auf diese Weise vermeidet man das Problem, daß sich Lukas bei der Teilnahme des Paulus an dieser Kollektenreise geirrt haben muß.11 Die Übereinstimmungen zwischen Gal 2,1–10 und Apg 15 in den wesentlichen Punkten wiegen jedoch sehr viel schwerer. Die Hauptakteure sind dieselben bei diesem Treffen in Jerusalem, und der Streit geht um die Beschneidung der Heidenchristen. Es lassen sich zudem auch eine Reihe von historischen Gründen anführen, die gegen die Gleichsetzung der Reise von Gal 2,1–10 mit der in Apg 11,30 und 12,25 und für die mit der Reise in Apg 15 sprechen: 1. Weniger bedeutend scheint zu sein, daß die antiochenische Kollekte in Apg 11,30 den »Ältesten« in Jerusalem übergeben wird, nicht den Aposteln. 2. Die Kollektenreise in Apg 11,30 und 12,25 ist überschattet durch die Agrippa-Verfolgung (vermutlich im Jahr 43 n. Chr.12), die etwa in das Jahr zuvor zu datieren ist. Davon ist in Gal 2,1–10 überhaupt nichts zu spüren. 3. Das Ergebnis der Agrippa-Verfolgung ist in Gal 2,1–10 längst eingetreten: Der Zebedaïde Jakobus lebt nicht mehr, und der Herrenbruder Jakobus steht wie in Apg 15 an der Spitze der Urgemeinde, denn er übernahm deren Leitung nach der Flucht des Petrus (Apg 12,17). Petrus ist in Gal 2,1–10 wie in Apg 15 an die zweite Stelle gerückt. Er konnte sich erst nach dem Tod Agrippas wieder in dessen Herrschaftsbereich aufhalten. 4. Der Anlaß der Jerusalemreise war in Gal 2,1–10 und Apg 15 die Forderung der Brüder aus Judaea in Antiochia, die Heidenchristen müßten sich beschneiden lassen und das Gesetz Moses halten. Dieser Forderung wurde beim »Apostelkonzil« in Jerusalem nicht nachgegeben; darin stimmen Paulus und Apg 15 überein. 11 Im 19. Jahrhundert bekämpften E. Zeller und W. M. L. de Wette / F. Overbeck die »Apologetik«, die diese ältere, traditionelle Identifikation vertrat; der konservative Erlanger T. Zahn nahm sie dagegen wieder auf, ebenso in den letzten Jahren E. J. Schnabel, Mission, 947–951; mit Modifikation auch R. Schäfer, Paulus, die in Gal 2,1–10 einen ersten Apostelkonvent sieht, der Apg 11,30; 12,25 entspricht und der dem Apostelkonzil in Apg 15 vorangeht; vgl. dazu J. Frey, Galaterbrief, 206 Anm. 33. Zu J. D. G. Dunn, C. S. Keener und R. Deines siehe oben Anm. 7. 12 Zur Datierung ausführlicher oben § 9.1 (S. 349.353 Anm. 31).
§ 11 Das »Apostelkonzil« und das »Aposteldekret«
399
5. Irritierend erscheint zunächst, daß die Vereinbarung, die das Ergebnis dieses Treffens war, von Paulus und Lukas unterschiedlich geschildert wird: Paulus schreibt, man habe sich geeinigt, die Missionsbereiche in »Beschneidung« und »Völker« zu trennen: Petrus und die Jerusalemer sollten unter Juden wirken, Paulus und Barnabas dagegen mit beschneidungsfreier Mission unter den Heiden. Aber die Missionare sollten mit einer Kollekte in ihren Gemeinden die Verbundenheit der Heidenchristen mit der Urgemeinde zeigen. Lukas dagegen übergeht diese Vereinbarung und zitiert als Ergebnis das »Aposteldekret«. Lukas sind die gedeihlichen Bestimmungen dieses Dekrets für das Zusammenleben in den gemischten, juden‑ und heidenchristlichen Gemeinden so wichtig, daß er sie nicht nur mehrmals zitiert, sondern von Paulus und Silas in Apg 16,4 auch an die Gemeinden in Derbe und Lystra übergeben läßt. Und dennoch bleibt eine Spannung: Der Herrenbruder teilt das Dekret Paulus erst in Apg 21,25 eigens mit.13 Das heißt, sowohl die historische Situation wie der Konfliktgrund und die Lösung des Problems sprechen für die Gleichsetzung von Gal 2,1–10 und Apg 15, wobei man aber in diesem Fall die in Apg 15,22–33 geschilderte Vereinbarung des Aposteldekrets, das Judas Barsabbas und Silas zusammen mit Barnabas (an erster Stelle in Apg 15,25) und Paulus nach Antiochia bringen, nicht mit dieser Reise und dem Apostelkonzil verbinden darf, sondern später ansetzen muß. Denn dieses Dekret antwortet auf den antiochenischen Konflikt, den Paulus in Gal 2,11–21 schildert. Danach trennten sich die Wege, und Paulus war nicht mehr an der Jerusalemer Lösung des Problems beteiligt. Auch in der Apostelgeschichte erfährt er vom Dekret erst in Apg 21,25 aus dem Munde des Jakobus. Doch dazu im einzelnen später. Soviel scheint meines Erachtens klar zu sein: Diese Reise in Apg 11,30 und 12,25 kann man nicht mit dem von Paulus in Gal 2,1–10 geschilderten Zusammentreffen gleichsetzen. Das »Apostelkonzil«, bei dem es um die Frage der Beschneidung der Heidenchristen ging, schildert Lukas dagegen in Apg 15. Craig S. Keener schreibt dazu mit Recht: »A work documenting the earliest history of the Gentile mission would need to include the theological watershed for that mission that occurred at the Jerusalem Council«.14 Lukas unterlaufen Fehler – wie jedem Historiker –, es gibt jedoch keinen ersichtlichen Grund, warum er sich mit der Einordnung der ersten größeren Missionsreise vor dem Treffen in Jerusalem getäuscht haben sollte. Paulus setzt jedenfalls in Gal 2,5 voraus, daß die Mission in Galatien dem Apostelkonvent voranging, wenn er an die galatischen Gemeinden schreibt:
Zu Apg 16,4 vgl. C. Schaefer, Zukunft Israels, 237 f.240.262; zum Aposteldekret siehe unten § 11.2.2 (S. 412–415). 14 C. S. Keener, Acts III, 2194. 13
400
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
»Diesen [die Beschneidung der Heidenchristen fordernden Judenchristen] gab ich nicht einen Augenblick nach, damit die Wahrheit des Evangeliums bei euch (aufrechterhalten) bleibe.«
11.1.2 Der theologische Konflikt: Die Wahrheit des Evangeliums und die Heilsnotwendigkeit des Gesetzes Paulus unterstreicht in Gal 2,5 schärfer und deutlicher als die Apostelgeschichte, daß der Streit beim »Apostelkonzil« nicht um Äußerlichkeiten ging, sondern – vor allem für ihn, den ehemaligen Pharisäer – um den Kern der christlichen Soteriologie. Seit der Verfolgung durch Agrippa I. im Jahr 43, in der der Zebedaïde Jakobus und andere Christen getötet worden waren und Petrus der Hinrichtung nur durch Flucht entkommen konnte, hatte sich der Druck auf die Christen in Judaea durch den wachsenden pharisäischen und national-zelotischen Eifer für das Gesetz wesentlich verschärft.15 Einige von ihnen drängten deshalb auf die Preisgabe der beschneidungsfreien Völkermission. Mit ungewöhnlich harten Worten schildert sogar Lukas die Auseinandersetzungen, die daraufhin in Antiochia losbrachen, und spricht von στάσις und ζήτησις, von »Aufruhr« in Antiochia und »Wortgefecht[en]« sowohl in Antiochia wie in Jerusalem.16 Paulus beklagt sich im Rückblick bitter über diese eingeschlichenen »Falschbrüder«, die die »Freiheit« der antiochenischen Mission »belauert« hätten.17 In der Frage der Beschneidung und der Gesetzesverpflichtung der Heidenchristen mußte eine Einigung in Jerusalem herbeigeführt werden; man wollte keinen antiochenischen Sonderweg, aber man wollte sich auch nicht sang‑ und klanglos den Forderungen zum Abbruch der beschneidungsfreien Mission unterwerfen bzw. sich »versklaven« lassen, wie Paulus sich ausdrückt. Deshalb nahm Paulus den Heidenchristen Titus mit nach Jerusalem, sozusagen als »Testfall«, wie er ausdrücklich hervorhebt: »Aber nicht einmal Titus, der mich begleitete und Grieche [d. h. Heide] war, wurde gezwungen, sich beschneiden zu lassen.«18
Aber warum blieb die Frage der Beschneidung weiterhin so wichtig, wo sich doch bei der Mission unter den Heiden gezeigt hatte, daß ihnen wie den gebürtigen Juden der heilige Geist geschenkt wurde, Gott ihre Herzen reinigte und sie 15 Dazu A. M. Schwemer, Verfolger, 182 ff.; zur historischen Situation siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 93–121.168. 16 Apg 15,2: γενομένης δὲ στάσεως καὶ ζητήσεως οὐκ ὀλίγης; 15,7: Πολλῆς δὲ ζητήσεως γενομένης. Zu στάσις vgl. auch Apg 19,40; 23,7.10; 24,5. 17 Gal 2,4: … τοὺς παρεισάκτους ψευδαδέλφους, οἵτινες παρεισῆλθον κατασκοπῆσαι τὴν ἐλευθερίαν ἡμῶν ἣν ἔχομεν ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ, ἵνα ἡμᾶς καταδουλώσουσιν. 18 Gal 2,3. In Apg 15,2 werden Paulus und Barnabas und einige andere (τινας ἄλλους ἐξ αὐτῶν) von der Antiochener Gemeinde nach Jerusalem geschickt.
§ 11 Das »Apostelkonzil« und das »Aposteldekret«
401
durch die Taufe zu vollen Mitgliedern der Gemeinde Christi wurden, wie das Lukas im Fall des Cornelius exemplarisch beschrieben hatte und wie es die Jerusalemer auch eingesehen und anerkannt hatten? Dies hängt mit der bleibenden Bedeutung der Beschneidung für die männlichen Israeliten im frühen Judentum zusammen. Bisher hatte ich vor allem die Textstellen angeführt, die von der Hoffnung sprachen, daß in der Endzeit alle Völker durch eine Beschneidung des Herzens das Heil erhalten. Doch bedeutete dies, daß dann auch der »Bund der Beschneidung«, der Abraham für die Israeliten gegeben worden war, hinfällig wurde? Stephanus erwähnt ihn in seiner Rede.19 Paulus erörtert das Problem dann ausführlich im Galaterbrief und bemüht sich in mehreren Argumentationsgängen, die Gemeinden in Galatien davon zu überzeugen, daß sie den strengen judenchristlichen Missionaren nicht nachgeben dürfen, die von ihnen nachträglich die Beschneidung fordern, denn dann sei Christus »zwecklos« gestorben.20 Die Aufnahme Unbeschnittener in die christliche Gemeinschaft blieb in der Frühzeit umstritten; Paulus hatte immer wieder Konflikte mit judenchristlichen Gegnern, wie sie später auch im Philipper‑ und im Römerbrief erscheinen. Das rasche Wachsen der heidenchristlichen Mission und die bedrängte Lage der Judenchristen in Palästina spitzte die Auseinandersetzung in den späten 40er Jahren schon so zu, daß judäische Missionare die Heilsnotwendigkeit der Beschneidung bei Heidenchristen in Antiochia durchsetzen wollten (Gal 2,4). Gegen die Zusatzbedingung der Beschneidung für Heidenchristen hat Paulus vehement gekämpft bis hin zum sarkastischen Ausfall, dann sollten sich diejenigen, die von den galatischen Gemeinden die Beschneidung verlangten, doch gleich selbst kastrieren.21 Paulus war hier so unerbittlich streng, weil er auf der Wahrheit des Evangeliums »ohne des Gesetzes Werke« insistieren mußte. Über Gesetz und Evangelium hat keiner in der Frühzeit der christlichen Gemeinden so konsequent nachgedacht wie der in jüdischer Theologie geschulte gelehrte Paulus.
Exkurs: Die Heilsnotwendigkeit der Beschneidung für Israel22 In Gen 17 spricht Gott zu Abraham: »Das ist mein Bund, den ihr halten sollt zwischen mir und euch und deinem Geschlecht nach dir: Alles, was männlich ist unter euch, soll beschnitten werden; eure Vorhaut sollt ihr beschneiden: Das soll das Zeichen des Bundes sein zwischen mir und euch. Jeden 19 Apg
7,8. Gal 2,21; zur Übersetzung vgl. Bauer / Aland, WB, 424. O. Hofius, »Werke des Gesetzes«, 78, übersetzt: »grundlos … d. h.: dann war Christi Tod nicht notwendig«. 21 Gal 5,12; vgl. Phil 3,2. 22 Vgl. J. D. G. Dunn, Beginning, 439–442. 20
402
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Knaben, wenn er acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden … Wenn aber ein Männlicher nicht beschnitten wird an seiner Vorhaut, wird er ausgerottet werden aus seinem Volk, weil er meinen Bund gebrochen hat.«23 Während des babylonischen Exils wurde die Beschneidung zu einem wesentlichen Unterscheidungsmerkmal der jüdischen Familien gegenüber ihrer Umwelt. Vorher lebte die israelitische Volksgruppe unter Ägyptern, Arabern, Edomitern, Moabitern, Ammonitern, Syrern, die alle – mit Ausnahme der Philister – die Beschneidung als selbstverständlichen Ritus übten.24 Das Gebot galt der gesamten Hausgemeinschaft eines Israeliten, und sein Vollzug war die Voraussetzung zur Teilnahme am Passafest; die Beschneidung »bildete einen Aspekt der Kultfähigkeit …, der kultischen Reinheit« und wurde zum »Identitätsmerkmal«, als die Umwelt sie nicht mehr »generell praktiziert[e]«.25 Zum für die Folgezeit entscheidenden Konflikt um Beschneidung (und Speiseregeln) kam es in der Makkabäerzeit. Die hellenistischen Reformer am Jerusalemer Tempel wollten neue Bräuche einführen, um sich der griechisch-seleukidischen Umwelt anzupassen. Sie bauten in Jerusalem ein Gymnasium, um die männliche Jugend des Adels sportlich und musisch nach griechischem Vorbild zu Epheben auszubilden. Dazu gehörten athletische Wettkämpfe, die nackt ausgeübt wurden. Dadurch wurde die Beschneidung als ein unangenehm auffallendes Unterscheidungsmerkmal sichtbar, die man versuchte wieder rückgängig zu machen, weil sie in griechischen Augen eine barbarische Verstümmelung darstellte.26 Doch bei solchen Versuchen, den körperlichen Makel wieder zu beseitigen, blieb es nicht. Die Krise spitzte sich durch die seleukidische Religionspolitik zu, als Antiochos IV. eine einheitliche Religion in seinem Reich einführen wollte. Die königlichen Edikte, die die Reformen durchsetzen sollten, stießen nicht nur auf Zustimmung, sondern bei den Frommen in Israel auf heftigen Widerstand. Sie wollten an dem hergebrachten Gesetz des Mose und der alten kultischen Ordnung am Jerusalemer Tempel festhalten; es kam zu Protesten der Gesetzestreuen, die mit gewaltsamen Ausschreitungen und mit Opferzwang unterdrückt wurden. Durch »Religionsverbot und Glaubensnot«27 kam es zu Martyrien: »… zwei Frauen wurden abgeführt, weil sie ihre Söhne hatten beschneiden lassen. Man hängte ihnen die Kleinkinder an die Brust, führte sie öffentlich in der Stadt herum und warf sie dann von der Mauer herab.«28 23 Gen
17,10–14. 9,24 f.; siehe R. Albertz, Religionsgeschichte, 422 f. 25 E. Blum, Art. Beschneidung. II.1. Altes Testament, RGG4 1 (1998), 1355. 26 1 Makk 1,14 f.: »Sie erbauten ein Gymnasion in Jerusalem nach den Sitten der Heiden und stellten sich (künstlich) ihre Vorhaut wieder her und fielen vom heiligen Bund ab.« In der Parallelstelle 2 Makk 4,12–17 wird der »gottlose« Hohepriester Jason als der Erbauer des Gymnasions genannt, der es in unmittelbarer Nähe zum Tempel errichtete, so daß die Jugend der Priesterschaft in die Palästra strömte und den Tempeldienst vernachlässigte; siehe dazu M. Hengel, Judentum und Hellenismus, 135: »Die besten jungen Männer des jerusalemischen Adels … folgten ihm, der Hohepriester, Gymnasiarch und Archon der ›Antiochener in Jerusalem‹ in einem war.« Herodes I. verzichtete wegen dieser Vorgänge bei seinen Baumaßnahmen in Jerusalem auf die Errichtung eines Gymnasiums mit Ephebie, siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 57 Anm. 103. 27 So die Überschrift über 2 Makk 6,1–7,42 in: LXX.D, 702. 28 2 Makk 6,10 (Übersetzung: LXX.D, 702). In der Parallelstelle 1 Makk 1,60 f. geschieht dies einer Vielzahl von Frauen in Jerusalem; auch ihre Familien und diejenigen, die die Kinder 24 Jer
§ 11 Das »Apostelkonzil« und das »Aposteldekret«
403
Diese Ereignisse wirkten traumatisch. Das Jubiläenbuch erinnert um die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. voll Abscheu daran: »… alle Söhne Beliars werden ihre Söhne ohne Beschneidung lassen … Und es wird ein großer Zorn sein … Und sie haben keine Vergebung und Verzeihung mehr, daß er ihnen vergebe und daß ihnen verziehen würde von aller Sünde dieser Verirrung, die in Ewigkeit ist.«29 Wer seine Söhne nicht beschneiden läßt, ist demnach ein Sohn des Teufels und findet in Ewigkeit keine Vergebung bei Gott. Die Hasmonäer zwangen dann die Idumäer und Ituräer, die in den eroberten Gebieten wohnten, sich beschneiden zu lassen und das jüdische Gesetz anzunehmen oder auszuwandern.30 Auch die Zeloten versuchten in Einzelfällen die Zwangsbeschneidung durchzusetzen, was später in der rabbinischen Literatur abgelehnt wurde.31 In der Diaspora scheint man die Dinge zum Teil etwas anders gesehen zu haben; man mußte großzügiger sein und auf vieles Rücksicht nehmen. Philo von Alexandria verteidigt den Ritus gegen alle, die sich darüber lustig machen, und führt medizinische und ethische Gründe an: So dient die Beschneidung der Vermeidung von Krankheiten, der Hygiene und der Fertilität; aber da sie auch die Libido mindert, läßt sie sich ebenfalls als Symbol interpretieren für den Verzicht auf überflüssige Begierden und die Konzentration auf die Einhaltung des Gesetzes.32 Das Gebot in Ex 22,21(20) (LXX): »Ihr sollt einen Hinzugekommenen (προσήλυτον) nicht schlecht behandeln noch bedrängen, denn ihr seid selbst Hinzugekommene gewesen in Ägypten« bezieht Philo auf die Beschneidung der Proselyten, die man damit nicht bedrängen soll; denn der Proselyt ist jemand, der seine Begierden und Leidenschaften beschnitten hat, indem er seine Götter verlassen und sich dem einen Gott und Vater des Alls zugewendet hat.33 Das legt die Folgerung nahe, daß Philo davon abrät, auf der Beschneidung von beschnitten hatten, wurden getötet. Die Makkabäer zogen dann sofort, als sie sich gegen die hellenistischen Reformer durchsetzen konnten, schon zu Beginn des Aufstands gegen die seleukidische Oberherrschaft durchs Land, um die Folgen der Religionsnot zu beheben und Gottes Zorn abzuwenden: »und sie beschnitten mit Gewalt die Kinder, die unbeschnitten waren, so viele sie im Gebiet Israels fanden« (1 Makk 2,46). Dieses Vorgehen diente dann den Zeloten zum Vorbild, siehe M. Hengel, Zeloten, 202 = 3. Aufl. 199; zur Situation unter Hadrian und zu seinem Beschneidungsverbot siehe W. Horbury, Jewish War, 176 ff.311–315. 29 Jub 15,33 f. (Übersetzung: K. Berger, Jubiläen, 409). 30 Josephus, Ant. 13,257. 31 Vgl. Josephus, Vita 113: Hier verhindert Josephus eine zelotische Zwangsbeschneidung; zu 1 Makk 2,46 siehe oben Anm. 28; vgl. Hippolyt, Refutatio omnium haeresium 9,26,2 (PTS 25, 371,6–11 ed. Marcovich); dazu M. Hengel, Zeloten, 72 ff. = 3. Aufl. 74 ff. Justin, Dial. 47,1–4 (PTS 47, 146 ff. ed. Marcovich), diskutiert das Problem, daß Judenchristen aus »geistiger Beschränktheit« Heidenchristen zum Leben nach den mosaischen Gesetzen zwingen wollen oder den Umgang mit Heidenchristen radikal ablehnen. 32 Philo, Spec. 1,1–11; QG 3,47 f. Doch gebürtige Juden warnt er davor, den vom Gesetz gebotenen Vollzug des Ritus zu unterlassen, auch wenn die Beschneidung einen symbolischen Sinn hat, siehe Migr. 92. 33 In QE 2,2 begründet Philo dies mit: »For in Egypt the Hebrew nation was not circumcised« (Übersetzung aus dem Armenischen von R. Marcus, Philo. Supplement II. Questions and Answers on Exodus, Cambridge, Mass. / London 1953 [Nachdr. 1987], 36). Zur Vorstellung, daß die Israeliten in Ägypten nicht beschnitten waren, siehe A. Blaschke, Beschneidung,
404
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Proselyten zu insistieren. Dazu paßt, daß er in seiner Schrift über Abraham, die an interessierte Heiden gerichtet ist, die Beschneidung gar nicht erwähnt. Vielleicht ist Paulus gegenüber den interessierten »Heiden«, die er im Umkreis der Synagogen angesprochen und für das Evangelium gewonnen hat, auch so verfahren. Dies könnte das Fehlen des Themas im 1. Thessalonicherbrief und die Erschütterung in den galatischen Gemeinden angesichts der Forderung, die Heidenchristen müßten sich nach der Taufe zusätzlich noch beschneiden lassen, sowie die Empörung des Paulus darüber erhellen.34 Die Verpflichtung zur Beschneidung für Juden wird dagegen im frühesten Christentum nicht in Frage gestellt. Auch der Vorwurf gegen Paulus, der ihm vom Herrenbruder Jakobus in Apg 21,21 mitgeteilt wird: Die kleinasiatischen Juden behaupteten, Paulus rate Juden, ihre Kinder nicht beschneiden zu lassen, spricht nicht dagegen. Doch diese Beschuldigung macht deutlich, daß diese Tendenz, auf die Beschneidung auch bei geborenen Juden zu verzichten, schon in der Luft lag.
11.1.3 Die Lösung des Konflikts auf dem »Apostelkonzil« Paulus erreicht bei dem »Apostelkonzil«, daß Heidenchristen sich nicht beschneiden lassen müssen und daß die Jerusalemer sein Apostelamt als gleichwertig mit dem des Petrus anerkennen: »… mir haben die Maßgebenden nichts auferlegt, sondern im Gegenteil: Als sie sahen, daß ich mit dem Evangelium für die Unbeschnittenheit betraut bin wie Petrus mit dem für die Beschneidung, denn der, der in Petrus wirksam war zum Apostolat unter der Beschneidung, wirkte in mir (zum Apostolat) unter den Völkern, erkannten sie die mir gegebene Gnade …«.
Die Vereinbarung, die Jakobus, Petrus und Johannes mit Paulus und Barnabas nach der Darstellung des Paulus in Gal 2,1–10 zum Schluß treffen und die sie mit 215–219, der jedoch betont, daß Philo die Notwendigkeit der physischen Beschneidung von Proselyten nicht bestreitet, sondern voraussetzt. Philo scheint meines Erachtens in dieser Frage so vorsichtig zu sein wie Ananias, der erste jüdische Lehrer des Königs Izates, der dem König von der Beschneidung abrät, sie aus politischen Gründen für zu gefährlich und deshalb für unnötig, also nicht heilsnotwendig hält (Josephus, Ant. 20,38–42). Später entschließt sich Izates unter dem Einfluß des Galiläers Eleazar, der wohl Pharisäer war, die Beschneidung zu vollziehen (Ant. 20,43–48); vgl. dazu oben S. 276 Anm. 118. J. D. G. Dunn, Beginning, 441, dagegen verweist nur auf Josephus, Ant. 20,38–48, und Philo, Migr. 92 ff., und lehnt jede Relativierung der Bedeutung der Beschneidung für den Übertritt zum Judentum strikt ab: »But in each case the answer given is that the rite of circumcision was too fundamental to be dispensed with.« Ähnlich W. Kraus, Volk Gottes, 102 f., der betont, daß QE 2,2 »im Kontext« von Migr. 92 ff. »und anderer Philo-Stellen gelesen werden« müsse und man die Stelle keineswegs auf ein Nachgeben bei der Beschneidungsforderung beim vollständigen Übertritt deuten dürfe. Vgl. auch den Exkurs bei C. S. Keener, Acts III, 2215–2222. U. Schnelle, Jahre, 225 Anm. 7, verweist zustimmend auf W. Kraus, daß es einen vollgültigen Übertritt zum Judentum ohne Beschneidung wahrscheinlich nie gegeben habe. Doch auf S. 186 Anm. 120 notiert Schnelle, daß es »eine kleine Strömung innerhalb des hellenistischen Diasporajudentums gegeben [habe] …, die den Beschneidungsverzicht als eine Position innerhalb des Judentums ansah«, mit Hinweis auf Philo, Migr. 89–93, und A. Blaschke, Beschneidung, 210–213. 34 So die Vermutung von M. Böhm, Abraham, 393 f.
§ 11 Das »Apostelkonzil« und das »Aposteldekret«
405
Handschlag besiegeln, beschließt eine Trennung der Missionsbereiche und vereinbart die Kollekte in den heidenchristlichen Gemeinden für die Urgemeinde in Jerusalem. Paulus und Barnabas sollen weiterhin die Verkündigung unter den Heiden übernehmen, die anderen sollen mit der Mission unter den Juden betraut werden.35 Die Jerusalemer ahnten nicht, worauf sie sich einließen und wie wenig praktikabel eine solche Trennung für die Mission in den gemischten Synagogengemeinden der Diaspora war.36 Die späteren Konflikte waren mit dieser Lösung vorprogrammiert. Die Darstellung der Auseinandersetzungen und der Lösung des Konflikts in Apg 15 setzt die Akzente anders, weil Lukas sie aus der Perspektive der Antiochener Gemeinde und der Jerusalemer Leitungsgruppe schildert.37 Damit wirft er zusätzliches Licht auf die Vorgänge, und so ergänzen sich beide Darstellungen. Diese Ergänzung ist nötig, um den historischen Vorgang zu rekonstruieren, denn gerade Paulus schreibt im Galaterbrief keineswegs unparteiisch. Während wir Paulus die exakte Zeitangabe für das Apostelkonzil verdanken – vierzehn Jahre nach seinem letzten Jerusalemaufenthalt –, gibt uns Lukas die eindeutige Ortsangabe »Antiochia« für den Beginn der Auseinandersetzungen.38 Zudem schildert er den Verlauf der Reise der von der Gemeinde beauftragten Verhandlungsführer, Paulus und Barnabas, nach Jerusalem mit ihrem Besuch der heidenchristlichen Gemeinden in Phönikien und Samarien, die wahrscheinlich von Antiochia aus gegründet worden waren.39 Auch hier konstatiert Lukas bei allen Brüdern »große Freude« bei diesen Besuchen über die Bekehrung und den Lebenswandel der Heiden.40 Bei der Konferenz in Jerusalem ergreift – nach der lukanischen Darstellung – zuerst Petrus das Wort und erinnert an die Bekehrung des Cornelius. Damals wurde er erwählt, damit die Heiden durch ihn das Evangelium hörten und zum Glauben kämen, und damals hatten er und die Jerusalemer41 erfahren und gelernt, daß die »Völker« genauso gerettet werden wie die gebürtigen Juden; denn Gott, der Herzenskundige (καρδιογνώστης), reinigt die Herzen der Heiden wie 35 Gal
2,9 f. Eine »Scheinlösung« nennt das U. Schnelle, Paulus und das Gesetz, 261. 37 Doch das spricht nicht dafür, daß er hier eine »Antiochener Quelle« verwendet (gegen J. A. Fitzmyer, Acts, 540 f.), seine Darstellung fußt vielmehr – wie in der Corneliusgeschichte – auf Jerusalemer Petrusüberlieferung und zusätzlichen Informationen, die er über Paulus erhielt. 38 Kurz zuvor – Apg 14,26 – kehren Paulus und Barnabas nach Antiochia zurück, berichten der Gemeinde von ihrer Reise und wirken hier als Missionare, bevor der Streit um die Beschneidung der Heidenchristen entbrennt. 39 Apg 15,3. 40 Apg 15,3b; vgl. in 11,23 die Freude des Barnabas über den Übergang zur Heidenmission in Antiochia; weiter 8,8; 13,52. 41 Sie sind in den ὑμεῖς und ὑμῖν in der Anrede in V. 7 eingeschlossen. 36
406
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
der Juden durch den Glauben und schenkt ihnen den heiligen Geist.42 Hinter diese Erfahrung der göttlichen Erfüllung der endzeitlichen Verheißung zurückzufallen und von den Heiden die vollständige Unterwerfung unter alle Gesetzesvorschriften zu verlangen bedeute, Gott zu versuchen.43 Damit bringt Petrus die Menge zum Schweigen und Zuhören, und Barnabas und Paulus kommen zu Wort, um von den »Zeichen und Wundern«44 der Mission unter den Völkern zu berichten. Barnabas wird hier wieder als erster genannt. Das kann ein Indiz dafür sein, daß Lukas eine Quelle verwendet, die Barnabas an erster Stelle aufführte. Auf jeden Fall weist dies noch einmal auf die führende Rolle des Barnabas bei der Völkermission hin. So kommen auch bei Lukas die beiden Missionare zu Wort; sie werden nicht einfach übergangen. Das Schlußwort erhält dann der Herrenbruder Jakobus. Er unterstreicht, daß Petrus – er spricht ihn mit der gräzisierten Form seines hebräischen Namens Simeon (Συμεών)45 an – ganz zu Recht an den schon früheren Beginn (πρῶτον) der Heidenmission durch Gottes Eingreifen bei der Bekehrung des Cornelius erinnert hat, und führt dafür, daß Gott sich »aus den Heiden ein Volk für seinen Namen« nehmen wollte, den Schriftbeweis mit Am 9,11 f. (LXX), gerahmt mit Jer 12,15 (LXX) und Jes 45,21 (LXX): »An jenem Tage werde ich aufstellen die eingefallene Hütte Davids …, und ich werde sie wieder aufbauen ganz wie in den Tagen der Vorzeit, so daß die Übriggebliebenen der Menschen und alle Völker, über denen mein Name ausgerufen ist, sie aufsuchen werden, spricht der Herr, der dies gemacht hat.«
Dieses Verständnis von Am 9,11 f. ist in der Septuaginta-Version, aber nicht im Masoretischen Text möglich.46 Mit der Erfüllung dieser Verheißung »einer mes42 Apg 15,7b.8. Dieser Rückverweis verbindet die Petrustradition in Apg 10 und 11 mit der in Apg 15; siehe dazu oben S. 291. Zur frühjüdischen Erwartung der endzeitlichen Reinigung aller Menschenherzen durch Gott vgl. L. Stuckenbruck, »Cleansing« of the Gentiles. 43 Apg 15,8–11. 44 Apg 15,12: Mit σημεῖα καὶ τέρατα werden die Wunder des Exodus in Erinnerung gerufen, die für die Endzeit wieder erwartet werden. Vgl. dazu oben S. 60 mit Anm. 286. 45 Dazu J. A. Fitzmyer, Acts, 554; R. Pesch, Apg II, 79. Vgl. C. Schaefer, Zukunft Israels, 245 f.: Für »die ungewöhnliche Anrede … gibt der Seitenblick auf den greisen Simeon aus Lk 2 die Möglichkeit, tiefere Bedeutungsschichten auch für Apg 15 ans Licht zu bringen. So wird in Simeons Lobpreis zum ersten Mal im Doppelwerk der Ausgriff auf die Heidenvölker verbalisiert.« 46 Stand im Masoretischen Text »Edom«, so liest die Septuaginta »Adam« / »Mensch« und erreicht so die Universalisierung. Vgl. W. Kraus, Relevanz, 16–20. Vgl. auch R. Bauckham, James and the Jerusalem Church, 455 und E. J. Schnabel, Mission, 972, die beide in der σκηνὴ Δαυίδ, der »Hütte Davids«, die nun wieder errichtet wird aus Juden und den Völkern, eine Anspielung auf das Verständnis der Urgemeinde als eschatologischen Tempels sehen. Ähnlich J. Ådna, Heilige Schrift, der zu dem Ergebnis kommt (23): »Apg 15,13ff liefert ein historisch glaubwürdiges Referat der ausschlaggebenden Stellungnahme des Herrenbruders zugunsten der beschneidungsfreien Heidenmission auf jener Versammlung in Jerusalem im Jahr 48 n. Chr.« (Hervorhebung im Original). Anders C. Schaefer, Zukunft Israels, 252–256, der
§ 11 Das »Apostelkonzil« und das »Aposteldekret«
407
sianisch erneuerten ecclesia ex circumcisione tritt nun die ecclesia ex gentibus hinzu«.47 Die Entscheidung auf dem »Apostelkonzil« läßt Lukas in einem Schreiben des Jakobus gipfeln, dem sogenannten Aposteldekret. Darin geht es jedoch nicht um die Beschneidungsfrage, sondern um Speise‑ und Ehevorschriften. Paulus weiß von dieser Lösung nichts. So legt sich die Annahme nahe, daß Lukas eine spätere Entscheidung, die nach dem Konflikt in Antiochia (Gal 2,11–21) nötig wurde, mit dem Ende des »Apostelkonzils« verknüpft hat, um dieses mit einem wirklich befriedigenden Beschluß zu beenden und nicht bei einer »Scheinlösung« stehenzubleiben.
Exkurs: Jakobus und die Leitung der Jerusalemer Gemeinde beim »Apostelkonzil« in Apg 15 In der Darstellung, die Lukas vom Apostelkonzil in Apg 15 gibt, geschieht der entscheidende Schritt durch Jakobus. Dieser führt in seiner Rede zunächst (15,13–17) den Schriftbeweis für die – beschneidungsfreie – Heidenmission mit einem Mischzitat aus Jer 12,15; Am 9,11 f. und Jes 45,21. Daran schließt Lukas sofort den Vorschlag des sogenannten Aposteldekrets (Apg 15,19 ff.28 f.) an – die Enthaltung von Götzenopferfleisch, von Blutgenuß und von ungeschächtetem, das heißt nicht rituell geschlachtetem Fleisch, und von Unzucht –, um einen Kompromiß zwischen den streitenden Parteien herbeizuführen. Die grundlegende Änderung der judenchristlichen Führung in Jerusalem zeigt sich dabei im Zurücktreten der Zwölf bzw. der Apostel und in ihrer Ersetzung durch die anonymen πρεσβύτεροι, die Ältesten, die sich um Jakobus scharen und die das typische Leitungsgremium einer jüdischen Gemeinde darstellen. Bis Apg 11,1 ff., dem Ende der Corneliuserzählung,48 sind in der Apostelgeschichte die zwölf Apostel für Lukas noch eindeutig das eigentliche Leitungsgremium der Gemeinde mit Petrus an der Spitze. In 11,30 erscheinen dann erstmals die »Ältesten« in Jerusalem, sie empfangen die antiochenische Kollekte aus der Hand von Barnabas und Paulus. In Apg 12,17 taucht erstmals namentlich die »Wiedererrichtung der verfallenen Hütte Davids« christologisch interpretiert: Mit Christi »Erhöhung [hat] auch die Mission unter den Nichtjuden begonnen« (255); bei der Parusie wird dann »das Reich für Israel endgültig errichtet«. Ausführlich auch C. S. Keener, Acts III, 2241–2258; weiter jetzt R. Deines, Jakobus, 214–217: »Jakobus gebraucht … das Amoszitat, um das Hinzukommen von Nichtjuden zum Gottesvolk zu begründen, wobei die ›wiederaufgerichtete Hütte Davids‹ einen verhüllten Verweis auf den Thron Davids darstellt« (217). Zur Bedeutung des »Throns Davids« in der Jakobusüberlieferung, die Roland Deines gründlich untersucht hat, siehe unten S. 491. 47 R. Pesch, Apg II, 79. Zur Darstellung von »eclesia (sic) ex circumcisione« und »eclesia ex gentibus« in S. Sabina in Rom, wo die eclesia ex gentibus wie eine römische Matrone, die eclesia ex circumcisione jedoch wie eine Dienerin gekleidet ist, und zu den anderen Mosaiken mit diesem Thema in den römischen Kirchen siehe S. C. Mimouni, Le judéo-christianisme, 25–37 und oben S. 300 Anm. 30; vgl. auch R. Hvalvik, Jewish Believers, 215 f. (mit Abbildung). 48 Die ἀπόστολοι καὶ ἀδελφοί üben dort Kritik an Petrus’ Verhalten bei Cornelius; vgl. oben S. 292 f.
408
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
in der Apostelgeschichte der Herrenbruder Jakobus (zusammen mit »den Brüdern«) auf, während Petrus sich aus Jerusalem entfernt. Beim Apostelkonzil läßt Lukas außer den namentlich Genannten die ἀπόστολοι und die πρεσβύτεροι stereotyp miteinander agieren.49 Neben ihnen erscheint noch als »Chor« im Hintergrund die Vielzahl der »Brüder« bzw. »die ganze Gemeinde«.50 Sie sind dann auch zusammen die gemeinsamen Absender des Aposteldekrets (15,23). Möglicherweise stellte sich Lukas die Sache so vor, daß Petrus die Apostel und Jakobus die Ältesten anführt. Als freilich Paulus im Jahr 56/57 am Ende der dritten Reise nach Jerusalem kommt, wo er verhaftet wird, sucht er nur noch Jakobus auf, bei dem sich die Ältesten versammeln (21,18 f.). Die Apostel und Petrus sind völlig von der Bildfläche verschwunden, Jakobus und seine Ältesten beherrschen in Jerusalem alleine das Feld. Nach dem Apostelkonzil hören wir von Petrus bei Lukas kein Wort mehr, aber er hat mit der Erwähnung der göttlichen Stimme in Apg 12,22 auf Kaiser Nero angespielt, den Verfolger, der das Martyrium des Apostel verursachte. Das lukanische Interesse wendet sich ganz Paulus zu, und dessen Gesprächspartner in Jerusalem ist bei seinem nächsten Besuch eben nicht mehr Petrus, sondern Jakobus: Auch hier zeigt sich wieder, daß Lukas viel mehr weiß, als er sagt. Vieles übergeht er schweigend – das gilt vor allem für Konflikte. Manches trägt er scheinbar ganz am Rande nach – so etwa die Kollekte für die Urgemeinde, die er Paulus erst bei seinem Verhör vor dem Prokurator Felix erwähnen läßt.51 Aber selbst bei Lukas, der sich ja um eine harmonisierende Darstellung bemüht, tritt der Übergang der Führung von Petrus und den Aposteln – die Apostel spielen in seiner Darstellung sowieso nur eine Statistenrolle – hin zu dem Herrenbruder Jakobus und dessen Ältesten klar zutage. Die Veränderung in der Führung hatte eine Verschärfung der positiven Haltung zur Tora und der Ablehnung der paulinischen Gesetzeskritik im jüdischen Palästina selbst zur Folge.52 Diese Haltung der Gemeinde in Jerusalem wird bestätigt durch die Nachricht bei Lukas, die judenchristlichen Gegner des Paulus und des Barnabas beim Apostelkonzil seien Pharisäer gewesen, die Christen geworden waren (15,5). Entsprechend sagt Jakobus zu Paulus bei seiner Ankunft auf der letzten Jerusalemreise im Jahre 57 in warnendem Ton: »Du siehst, Bruder, wie viele Zehntausende von Gläubigen es unter den Juden gibt, und alle sind Eiferer für das Gesetz.«53 Apg 15,2.6. Apg 15,4: παρεδέχθησαν ἀπὸ τῆς ἐκκλησίας καὶ τῶν ἀποστόλων καὶ τῶν πρεσβυτέρων; 15,22: ἔδοξεν τοῖς ἀποστόλοις καὶ τοῖς πρεσβυτέροις σὺν ὅλῃ τῇ ἐκκλησίᾳ; 15,23: Οἱ ἀπόστολοι καὶ οἱ πρεσβύτεροι ἀδελφοί. In Gal 2,3.6 spricht dagegen Paulus nur von den δοκοῦντες und in 2,9 von den δοκοῦντες στῦλοι εἶναι: Der paulinische Bericht ist polemisch eingefärbt. 51 Apg 24,17. Doch wirklich nur scheinbar, denn in Apg 21,19 verwendet der lukanische Paulus bei seinem Besuch bei Jakobus und den Ältesten in Jerusalem den Terminus διακονία für seinen »Dienst unter den Völkern«. Da Paulus selbst in den Korintherbriefen und im Brief an die Römer mit Diakonia »speziell die Überbringung der Kollekte nach Jerusalem bezeichnete« (so A. Hentschel, Diakonia, 156), signalisiert Lukas mit diesem Wortgebrauch in Apg 21,19 die Übergabe der Kollekte an Jakobus und die Ältesten an der passenden Stelle; siehe dazu ausführlicher unten S. 450. 52 Zur Auswirkung auf die Gemeinde in Antiochia siehe unten S. 410 ff. 53 Apg 21,20: θεωρεῖς, ἀδελφέ, πόσαι μυριάδες εἰσὶν ἐν τοῖς Ἰουδαίοις τῶν πεπιστευκότων καὶ πάντες ζηλωταὶ τοῦ νόμου ὑπάρχουσιν. Damit ist nicht gesagt, daß Jakobus die Haltung der Gesetzeseiferer teilt, siehe dazu unten S. 448 f. 49 50
§ 11 Das »Apostelkonzil« und das »Aposteldekret«
409
Die μυριάδες sind natürlich ein typischer Fall lukanischer Übertreibung, der damit den Missionserfolg der palästinischen Gemeinde demonstrieren will. Apg 2,41 nannte 3000 Getaufte bei der Pfingstpredigt; nach der Heilung des Lahmen in Apg 4,4 beträgt die Zahl der gläubigen Männer schon 5000; jetzt sind es Zehntausende. Damit will Lukas das einstige Gewicht der Jerusalemer Gemeinde zu einer Zeit – er schreibt ca. 85 n. Chr. – unterstreichen, in der die Metropole durch die Zerstörung ihre Bedeutung als Heilige Stadt und Pilgerzentrum völlig eingebüßt hatte. Es ist wahrscheinlich, daß, gemessen an diesen judenchristlichen »Eiferern für das Gesetz«, der Herrenbruder Jakobus selbst noch eine vermittelnde Stellung zur heidenchristlichen, ›gesetzesfreien‹ Mission eines Paulus einnahm und seinerseits, bedrängt von radikalen, gesetzestreuen Judenchristen, zu verhindern suchte, daß es zwischen den palästinischen Judenchristen und den paulinischen, überwiegend heidenchristlichen Missionsgemeinden zu einem endgültigen Bruch kam. Aus demselben Grund tritt Paulus, trotz schwerer Befürchtungen,54 seine letzte Reise nach Jerusalem an, um die Kollekte dorthin zu überbringen. Auch er versucht, die nahezu unüberwindlich scheinende Kluft durch den Opfergang nach Jerusalem zu überbrücken. Zunächst jedoch gab die Entscheidung auf dem Apostelkonzil Paulus erst einmal grünes Licht für die weitere Mission im Westen. Mit Silas / Silvanus, einem Jerusalemer, bricht er nach Asien und Griechenland auf. Dennoch äußert Paulus im Rückblick im Galaterbrief direkt provozierend mokant seine Enttäuschung über den Mißerfolg dieser Vereinbarung mit den »Angesehenen«, die als die sogenannten »Säulen« in Jerusalem geachtet wurden. Es kam immer wieder zu Konflikten,55 der schmerzhafteste war wohl der Zusammenstoß zwischen Paulus und Petrus in Antiochia. Wieder ging es um die Heidenchristen.
11.2 Der Konflikt zwischen Petrus und Paulus in Antiochia und das Aposteldekret56 Nur einmal erwähnt Paulus den Namen der Stadt Antiochia in seinen Briefen, obwohl er sich immerhin vierzehn Jahre in den »Gegenden von Syrien und Kilikien« als Missionar aufgehalten hat. In Gal 2,11 kann er gar nicht anders, er muß den Ort mit Namen nennen, an dem es zu seinem heftigen Streit mit Petrus gekommen war. 54 Röm 15,30; Paulus bittet die römische Gemeinde, für ihn zu beten, daß er von der Gefahr, die ihm durch die Ungläubigen, das heißt die Juden, in Judaea droht, bewahrt und seine Kollekte in Jerusalem von den Heiligen, gemeint ist die Urgemeinde, mit Wohlgefallen auf‑ und angenommen werde. 55 Vgl. die Auseinandersetzung mit der Petruspartei und den Überaposteln in Korinth sowie den Gegnern in Galatien; dazu M. Hengel, Petrus, 84. 56 Vgl. M. Hengel, Geschichtsschreibung, 97 f. = KS VI, 91; ders., Petrus, 92–106 (zur Datierung: 93), vgl. 248 Index s. v. »Antiochien … – Konflikt zwischen Petrus und Paulus«; ders. / A. M. Schwemer, Paulus, 329 f.; M. Zetterholm, Formation; M. Slee, Church in Antioch. Zur Datierung vgl. auch M. Konradt, Datierung, der sich von unserem Vorschlag hat überzeugen lassen; M. Öhler, Essen; ebenso für eine Datierung einige Zeit nach dem Apostelkonzil T. Söding, Apostel; M. F. Bird, Incident, 332 f.; H.-U. Weidemann, Taufe, 276–294.
410
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
Von diesem Streit berichtet Lukas in der Apostelgeschichte nichts. Er schreibt nur von dem Zerwürfnis zwischen Barnabas und Paulus nach dem Apostelkonzil, als sich Paulus weigerte, den Neffen des Barnabas, Johannes Markus, wieder als Mitarbeiter auf die nächste Missionsreise mitzunehmen, weil er damals in Perge versagt hatte. Lukas wählt für seine Verhältnisse starke Worte, um die Heftigkeit der Auseinandersetzung zu beschreiben (Apg 15,39): ἐγένετο δὲ παροξυσμός (»es entstand eine heftige Verbitterung«). Daraufhin trennen sich die Wege, und Barnabas geht mit Johannes Markus wieder nach Zypern, während Paulus mit Silas / Silvanus Syrien und Kilikien durchzieht, die galatischen Gemeinden wieder besucht, Kleinasien durchquert und schließlich nach Griechenland kommt.
11.2.1 Zum sogenannten antiochenischen Zwischenfall Den Aufenthalt des Paulus in Antiochia, bei dem sich der antiochenische Zwischenfall vermutlich ereignete, übergeht Lukas fast vollständig mit Schweigen. Wahrscheinlich ist er mit dem in Apg 18,22 so ganz eigenartig wortkargen Bericht von einer Reise des Paulus von Ephesus aus nach Caesarea Maritima und Jerusalem und dem anschließenden Aufenthalt in Antiochia zu verbinden.57 Vielleicht erfuhr Paulus in Jerusalem, daß Petrus in Antiochia war, und begab sich deshalb dorthin. Auf diese Weise kommt man auch zu der Datierung ins Jahr 52 n. Chr. Der »antiochenische Zwischenfall« wirft wieder ein bezeichnendes Licht auf die Situation in Antiochia und das Verhältnis von Juden‑ und Heidenchristen in der Stadt. Paulus schreibt: »Als aber Kephas / Petrus nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, denn er hatte sich schuldig gemacht. Denn bevor einige von Jakobus kamen, hatte er mit den Heiden(christen) zusammen gegessen. Als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus der Beschneidung fürchtete. Und mit ihm zusammen heuchelten auch die übrigen Juden(christen), so daß sogar Barnabas durch ihre Heuchelei mit fortgerissen wurde.« (Gal 2,11–13)
Petrus und andere Judenchristen hatten mit Heidenchristen problemlos Mahlgemeinschaft gehalten, das heißt vor allem auch das Herrenmahl gefeiert. Als aber Leute von Jakobus, dem Herrenbruder, der – wie oben schon betont – der Urgemeinde in Jerusalem als Leiter vorstand, kamen, nahmen Petrus, Barnabas und die anderen Judenchristen auf die gesetzesstrengere Haltung dieser Leute Rücksicht, hielten mit den Gästen Mahlgemeinschaft und ließen die Heidenchristen im Regen stehen. Paulus schildert den Konflikt sehr verkürzt und verschweigt uns die Argumentation der Jakobusleute und die Gründe, die gerade 57 Apg 18,22. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 329 f.; vgl. weiter die in der vorigen Anmerkung zur Datierung genannte Literatur.
§ 11 Das »Apostelkonzil« und das »Aposteldekret«
411
die Autoritäten, Petrus und seinen einstigen, engen Missionskollegen Barnabas, zu ihrem Handeln veranlaßten. Marcus Bockmuehl hat darauf hingewiesen, daß Jakobus selbst und dann auch diese Jakobusleute Antiochia wie Syrien als Teil des Heiligen Landes bzw. des eschatologischen Messiasreiches angesehen haben könnten und deshalb auf strengerer Einhaltung der Speisegesetze bestanden haben.58 Paulus dagegen sieht darin Heuchelei und einen Verrat an der Wahrheit des Evangeliums,59 wo doch mit der Verkündigung des Evangeliums von Kreuz und Auferstehung Christi und dem Geschenk des Glaubens aus reiner Gnade das Gesetz seine soteriologische Funktion verloren hat. Paulus führt in Gal 2,15 f. zur Begründung seiner scharfen Kritik am Verhalten des Petrus und der anderen Judenchristen die Rechtfertigungslehre als gemeinsame Erkenntnis an, die er mit Petrus und doch wohl auch den anderen Judenchristen teilt: »Wir, geborene Juden, … wissen, daß ein Mensch nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt wird, sondern nur durch den Glauben an Jesus Christus.«
Dieser ›Basissatz‹ der Rechtfertigungslehre bildet die Grundlage für das gemeinsame Leben von Juden und Nichtjuden in den christlichen Gemeinden. So wie Paulus den Konflikt in Antiochia darstellt, galt dies als die gemeinsame Überzeugung, die eine Gemeinschaft zwischen Juden‑ und Heidenchristen ohne Beachtung aller Vorschriften der Tora überhaupt erst möglich machte. Die Annahme, diese Rechtfertigungslehre sei erst im syrischen Antiochia entwickelt worden, ist recht unwahrscheinlich. Schon sprachliche Gründe sprechen dagegen; denn für den Ausdruck ἔργα νόμου haben wir einen entsprechenden Wortgebrauch nur in den Qumrantexten belegt, und zwar ebenfalls in Verbindung mit Rechtfertigungsterminologie.60 Ein in den paulinischen Briefen variabel immer wiederkehrender Kernsatz lautet:
M. Bockmuehl, Antioch, 179–191. Siehe unten S. 414 f. Anm. 73. Gal 2,14; vgl. dazu M. Hengel, Petrus, 92–105; zum Ausdruck »Wahrheit des Evangeliums« siehe O. Hofius, »Die Wahrheit des Evangeliums«. 60 4Q398 Frg. 14–17 II,2 f.7 = 4QMMT C 25–31: »Wir aber schrieben dir eine Auswahl der Gesetzeswerke ( … )מקצת מעשי התורהUnd es wird dir zur Gerechtigkeit gerechnet werden ()ונחשבה לך לצדקה, wenn du das Rechte und Gute vor Seinem Angesicht tust.« Zu diesem halachischen Brief des Lehrers der Gerechtigkeit (?) an den Hohenpriester in Jerusalem und zur paulinischen Terminologie vgl. P. J. Tomson, Täter des Gesetzes, 201. Der Satz Gal 2,16 ist wie Röm 2,17 an Juden gerichtet, und Paulus zitiert ihn als Tradition, die sich zurückverfolgen läßt auf Ps 143(142),2 und die auch die Theologie der Hodajot aus Qumran bestimmt. Tomson (op. cit., 214) betont ganz richtig, daß der Satz, daß alle Menschen Sünder sind, ein »traditionell jüdischer« ist. Vgl. weiter in Auseinandersetzung mit M. Bachmanns Auslegung, der im Anschluß an E. Qimron / J. Strugnell »Regelungen des Gesetzes« übersetzt: O. Hofius, »Werke des Gesetzes«, 52–55; ders., »Werke des Gesetzes« – Zwei Nachträge. 58 59
412
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
»Weder Beschneidung ist etwas noch Unbeschnittenheit, sondern der Glaube, der durch die Liebe wirksam ist.«61
Gegen diese »Regel« (Gal 6,15 f.), daß nämlich Juden weiter wie Juden und Heiden wie Heiden (»heidnisch«) leben sollen, verstieß das Verhalten des Petrus und der anderen Judenchristen, indem sie Rücksicht nahmen auf die strengere Reinheitsauffassung der Gäste aus Jerusalem und deren bedrängte Lage in der Heiligen Stadt. Dagegen protestierte Paulus heftig in aller Öffentlichkeit und ergriff Partei für die Heidenchristen. Paulus unterlag in diesem Streit. Die Heidenchristen in Antiochia mögen in dieser Zeit (es muß sich um das Jahr 52/53 handeln) schon zahlenmäßig überlegen gewesen sein, die Judenchristen aber hatten die Leitung der Gemeinde inne und waren weiterhin die theologischen Sprecher. Eine selbstbewußte heidenchristliche Gemeinde hätte sich in diesem Konflikt das Verhalten der Jakobusleute nicht bieten lassen, sondern umgekehrt diesen die Gastfreundschaft aufgesagt.62 Die alten Thesen der Religionsgeschichtlichen Schule vom »syrischen Synkretismus«, dem die frühchristliche Theologie mit Bekenntnisformeln, Kyriostitel etc. schlechterdings alles verdanke, bis hin zur neueren Variante, daß die uneingeschränkte Heidenmission auf die offenen syrischen Heidenchristen zurückgehe, lassen sich nicht halten.63 Der Streit ging in Antiochia um die urjüdische Frage der Beschneidung der Männer, für die auf dem Apostelkonzil in Jerusalem im Jahr 48/49 eine vorläufige Lösung gefunden wurde, und um die Einhaltung der jüdischen Speisegesetze, um die es bei dem antiochenischen Zwischenfall im Jahr 52 ging. Paulus hat nach diesem schweren Konflikt mit Petrus die Stadt Antiochia nicht mehr besucht.64
11.2.2 Zum »Aposteldekret«65 Für das Problem des Zusammenlebens und der Mahlgemeinschaft zwischen Juden‑ und Heidenchristen in der Diaspora wurde vermutlich erst nach dem antiochenischen Zwischenfall und nicht schon beim Apostelkonzil in Jerusalem, wie es Lukas darstellt, mit dem Aposteldekret ein Kompromiß gefunden. Dieses »Dekret« wird wahrscheinlich historisch zu Recht auf den Herrenbruder 61 Gal 5,6; weiter 3,27 f.; 6,15; 1 Kor 7,17 ff.; 12,13; vgl. Röm 14,17; Kol 3,11. Vgl. dazu M. Theobald, Kanon von der Rechtfertigung, 174 ff. 62 Siehe A. M. Schwemer, Paulus in Antiochien. 63 Vgl. oben S. 339 bei Anm. 226 zu den Thesen von A. Feldtkeller u. a. 64 Vgl. zur Schwere des Konflikts M. Hengel, Petrus, 92–106; J. Frey, Paulus und die Apostel, 225 f. 65 R. Deines, Aposteldekret; F. Avemarie, Wurzeln = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum, 773–800; ders., Apostolic Decree = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum, 801–821 (jeweils mit ausführlichen Literaturangaben); D.-A. Koch, Geschichte, 235.243–247; C. S. Keener, Acts III, 2194.2258–2296; U. Schnelle, Jahre, 230.
§ 11 Das »Apostelkonzil« und das »Aposteldekret«
413
Jakobus als die Jerusalemer Autorität im frühesten Christentum in dieser Zeit zurückgeführt. Er scheint derjenige gewesen zu sein, der die Anliegen der Judenchristen am stärksten vertrat. Diese sogenannten Jakobusklauseln sind nach der Darstellung in Apg 15 vom Herrenbruder Jakobus auf dem Apostelkonzil beschlossen und im direkten Anschluß als Brief nach Antiochia, Syrien und Kilikien geschickt und von Judas Barsabbas und Silas zusammen mit Paulus und Barnabas überbracht worden.66 Vermutlich lag Lukas als Quelle, die er bearbeitet hat, ein enzyklisches Schreiben aus Jerusalem an die Gemeinden in Antiochia, Syrien und Kilikien vor.67 Doch die direkte Verbindung von Apostelkonzil und Dekret kann nicht stimmen; denn beim Apostelkonzil ging es um die Frage der Beschneidung der Heidenchristen und die Trennung der Missionsgebiete. Paulus betont ausdrücklich, daß ihm nichts auferlegt wurde außer der Kollekte für die Urgemeinde. In den Bestimmungen des Dekrets geht es dagegen um Reinheitsfragen. Lukas läßt zudem durchblicken, daß Paulus nichts von diesen Bestimmungen wußte; denn der Herrenbruder macht erst in Apg 21,25 dann Paulus eigens auf diese aufmerksam: »Was aber die gläubigen Heiden betrifft, so haben wir beschlossen und angeordnet, daß sie sich hüten sollen vor Götzenopferfleisch, vor Blut, vor Ersticktem und vor Unzucht.«68
Lukas zitiert diese Regelungen insgesamt dreimal69 mit leicht wechselnder Reihenfolge und stellt sie zudem in Kapitel 15 ins Zentrum seines Werks – sie müssen wichtig gewesen sein. Von der Beschneidung ist hier nicht mehr die Rede, es geht vielmehr um ›Minimalforderungen‹ für die Heidenchristen: Verzicht auf in heidnischen Tempeln geschlachtetes Fleisch, Verzicht auf den Genuß von Blut70 und Verzicht auf Fleisch von Tieren, die von anderen Tieren gerissen 66 F. Avemarie, Apostolic Decree, 802: »The Lukan story and the Apostolic Decree in particular are notoriously fraught with difficulties.« Die Frage wird nicht erleichtert durch die Angabe in Apg 16,4, daß Paulus und Silas das Schreiben auch in Derbe, Lystra und Ikonium den Gemeinden übermittelt haben. 67 Siehe den überzeugenden Nachweis von L. Doering, Jewish Letters, 463–469. 68 Apg 21,25: περὶ δὲ τῶν πεπιστευκότων ἐθνῶν ἡμεῖς ἐπεστείλαμεν κρίναντες φυλάσσεσθαι αὐτοὺς τό τε εἰδωλόθυτον καὶ αἷμα καὶ πνικτὸν καὶ πορνείαν. 69 Apg 15,20: ἀπέχεσθαι τῶν ἀλισγημάτων τῶν εἰδώλων; 15,29: ἀπέχεσθαι εἰδωλοθύτων; 21,25 (zitiert in der vorigen Anmerkung). Zur paulinischen Lösung der Konflikte vgl. V. Gäckle, Die Starken; zum Dekret die gründliche Untersuchung von R. Deines, Aposteldekret; zu den halachischen Fragen siehe F. Avemarie, Wurzeln; vgl. zur Funktion des Dekrets in der Apostelgeschichte ders., Apostolic Decree. 70 Mit αἷμα ist nicht der Mord an einem Menschen gemeint oder wird das Töten von Tieren an sich verboten, sondern es wird verlangt, daß das Blut beim Schlachten vollständig ausläuft und nicht verzehrt wird. Es geht wie bei den beiden anderen Vorschriften um Speiseregeln. Vgl.
414
III. Der »Kampf« um die Heidenmission
wurden oder von selbst verendet sind,71 schließlich – an letzter Stelle, in 15,20 an zweiter nach der Befleckung durch Götzenopfer(fleisch) – Verzicht auf πορνεία, »Unzucht«. Mit dieser Aufforderung ist hier nicht nur negativ die Vermeidung jeder Art von sexueller Ausschweifung, sei es mit Menschen oder Tieren, wie man sie generell aus jüdischer Sicht den Heiden unterstellte, gemeint, sondern darunter ist vor allem auch positiv die Aufforderung zu einer keuschen Eheführung zu verstehen. Vermieden werden sollen dabei nicht nur Ehen, die nicht nach jüdisch-pharisäischem Rechtsempfinden und jüdischer Frömmigkeit entsprechend geschlossen werden, etwa Ehen unter zu nahen Verwandten, sondern auch jede Form der sexuellen Lust, die nicht dem gegenseitigen Respekt der Gatten und der Kinderzeugung dient – eine Forderung, die Paulus entschieden geteilt hat.72 Die Forderungen des Dekrets verlangen von den Heidenchristen – wie Roland Deines überzeugend gezeigt hat – Rücksichtnahme auf jüdische Tabus und jüdische Reinheitsvorstellungen, die auch in der Diaspora gelten. Direktes Vorbild waren dabei nicht so sehr die Bestimmungen für den im Heiligen Land wohnenden heidnischen Fremden (Lev 17 und 18) als vielmehr deren schon vorchristliche Übertragung auf jüdisches Leben in der Diaspora.73 Lev 17,10–14; 19,26; Gen 9,4; Dtn 12,23 ff. Siehe dazu auch die Speise‑ und Sexualvorschriften für Heidenchristen aus judenchristlicher Sicht in den Pseudoklementinen, die in Syrien verfaßt wurden; hier zitiert Petrus außer der Goldenen Regel und der Lehre von den zwei Wegen auch das Aposteldekret, um die von Simon Magus verwirrte Gemeinde in Tripolis zu trösten und wieder aufzubauen, siehe PsClem H 7,8,1 f. (GCS Pseudoklementinen I, 120,9 ff. ed. Rehm / Strecker), wo zusätzlich zur Taufe geboten wird: »nicht am Tisch der Dämonen teilzunehmen – ich sage: (nicht teilzuhaben) an Götzenopfer, Haut von toten Tieren, von Tieren, die von selbst gestorben sind (πνικτῶν) oder von Tieren gerissen wurden, von Blut –, nicht unrein zu leben, nach dem Verkehr mit der Frau sich zu waschen, die Frauen sollen ihrerseits das Reinheitsgebot halten …« Vgl. A. Y. Reed, Jewish Christianity, 189 f.; H.-J. Klauck, Apostelakten, 217. A. L. A. Hogeterp, Judaism, 69 f., vermißt das Verbot der porneia in den Pseudoklementinen. Doch dieses Element ist in den Vorschriften für das sexuelle Verhalten in der Ehe enthalten. 71 Vgl. Lev 17,15; schärfer ist das Verbot in Ex 22,30; Dtn 14,21. Zum Verständnis von πνικτόν siehe R. Deines, Aposteldekret, 386–392. 72 Vgl. vor allem 1 Thess 4,3–5: »Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, daß ihr euch enthaltet von der πορνεία, daß jeder von euch weiß, daß er sein eigenes Gefäß [= seine Frau] gewinnen soll in Heiligkeit und Ehrfurcht, nicht in der Leidenschaft der Begierde wie die Heiden, die Gott nicht kennen.« Zur Parallelstelle in 4Q416 2 II 21 vgl. J.-S. Rey, 4QInstruction, 360 f., der die Deutung von כליund σκεῦος auf die (Ehe‑)Frau jedoch ablehnt. Zur vorbildlichen Enthaltung von πορνεία in der jüdischen Ehe siehe Tob 4,12; 8,7: Tobit sagt im Gebet zusammen mit seiner Frau Sara in der Hochzeitsnacht: »Nicht aus Unkeuschheit (διὰ πορνείαν) nehme ich diese meine Schwester (zur Frau), sondern aus reiner Gesinnung.« Andere Beispiele zur jüdischen Sexualmoral besonders aus Philo und Josephus bei R. Deines, Aposteldekret, 383–386, und F. Avemarie, Wurzeln. Zum jüdischen Abscheu vor heidnischer Zügellosigkeit in der rabbinischen Literatur vgl. auch S. Stern, Jewish Identity. C. S. Keener, Acts III, 2271–2275, bezieht πορνεία allein auf Prostitution, Ehebruch und Vergewaltigung, also »Sexual Immorality« im modernen Sinn; das ist viel zu kurz gegriffen. 73 Im Anschluß an R. Bauckham, James and the Jerusalem Church, 459 ff., betont M. Bockmuehl, Antioch, 187: »the prohibitions of the decree are precisely those that in Le-
§ 11 Das »Apostelkonzil« und das »Aposteldekret«
415
Roland Deines hat ganz richtig festgestellt, daß es wahrscheinlich so gewesen sein wird: »Die vier Einzelbestimmungen des Aposteldekrets formulieren … vier Felder, in denen den Heidenchristen ein Verhalten angemahnt wird, das jüdischem Empfinden im Hinblick auf elementare Vollzüge menschlicher Existenz Rechnung trägt.« (393). Denn Götzendienst widerspricht dem Bekenntnis zu dem einen Gott, »unnatürlich[e] Sexualität« dem Schöpfungswillen Gottes, der Mann und Frau geschaffen hat, damit sie miteinander Kinder haben, ebenso wie der Genuß von Blut und Aas der von Gott gegebenen Ordnung nicht entspricht. So verpflichtet das Dekret die Heidenchristen »auf ein Leben gemäß der Schöpfungsordnung Gottes« (394).74
Diesen mehrjährigen Streit in Antiochia und Jerusalem fochten die Judenchristen untereinander aus. Die Heidenchristen spielten dabei in dieser Zeit noch – auch in Syrien – nur eine Statistenrolle. Das Ziel des Aposteldekrets war, es den Judenchristen zu ermöglichen, mit den Heidenchristen in Tischgemeinschaft zu leben und dennoch an ihrer jüdischen Identität festzuhalten und nicht aus der Synagogengemeinschaft ausgestoßen zu werden.75
viticus 17–18 apply to Gentiles living ›in the midst of‹ … the house of Israel« (Hervorhebung im Original). Weil der Herrenbruder Jakobus Syrien zu Eretz Israel gerechnet habe, vertrete er die Einhaltung strengerer Reinheitshalacha durch seine Abgesandten in Antiochia. Bockmuehl hält es auch gegen die Mehrheitsmeinung für plausibel, daß das Dekret aus dem Apostelkonzil hervorging (190). Er hat dann jedoch Schwierigkeiten damit, daß das Aposteldekret auch in der Apostelgeschichte nicht geographisch eng auf Syrien eingegrenzt wird (Apg 16,1–4; 21,25); so op. cit., S. 187 Anm. 123. 74 R. Deines, Aposteldekret, 394 f., trägt die Belege zusammen, die dafür sprechen, daß die Bestimmungen des Aposteldekrets viel allgemeiner und grundsätzlicher sind. 75 So R. Deines, Aposteldekret, 377 = ders., Apostolic Decree, 171.
IV. Das palästinische Judenchristentum
§ 12 Zur Situation der palästinischen Gemeinde1 12.1 Die Ausbreitung der christlichen Gemeinden in Palästina Die christlichen Gemeinden in Judaea (und Galilaea), die Paulus als unser frühester Zeuge zweimal erwähnt,2 breiteten sich nach dem, was wir aus der Apostelgeschichte wissen, vor allem von Jerusalem ausgehend über die verschiedenen Gebiete Palästinas aus. Lukas rechnet mit einer Zeit von zehn Jahren der friedlichen Entwicklung und Verbreitung zwischen dem Martyrium des Stephanus und der Vertreibung der Hellenisten, also um 32/33, und der Verfolgung durch Agrippa I. im Jahr 43. Dazu nimmt er die – palästinische – Gesamtkirche im Singular in den Blick: »Die Kirche (ἡ … ἐκκλησία) hatte nun Frieden über ganz Judaea und Galilaea und Samaria hin, aufgebaut und wandelnd in der Furcht des Herrn; und durch den Beistand (παρακλήσει) des heiligen Geistes wuchs sie weiter.«3
Daß es auch in Galilaea weiterhin Anhänger Jesu gegeben hat, die nun die neue Botschaft verkündeten, setzt Lukas – wie aus dieser Notiz zu ersehen ist – als selbstverständlich voraus, deshalb sollte man ihre Existenz nicht problematisieren. Als Orte erwähnt er in der Apostelgeschichte – außer Jerusalem als dem Sitz 1 H. J. Schoeps, Theologie; ders., Judenchristentum. – Neuere Literatur: J. D. G. Dunn (Hg.), Jews and Christians; S. C. Mimouni, Le judéo-christianisme; ders., Mouvement, 161– 173.257–273; ders., Early Judaeo-Christianity; B. D. Chilton / C. A. Evans (Hgg.), James the Just; A. J. M. Wedderburn, History, 151–166; J. Carleton Paget, Jewish Christianity; ders., Jews; E. K. Broadhead, Jewish Ways; G. Stemberger, Art. Judenchristen, RAC 19 (1998), 228–245 = ders., Judenchristen; P. Luomanen / I. Pyysiäinen / R. Uro (Hgg.), Explaining Christian Origins; P. Luomanen, Recovering Jewish-Christian Sects; vgl. vor allem die Beiträge in: O. Skarsaune / R. Hvalvik (Hgg.), Jewish Believers; dazu die Rezension von J. Frey, ZAC 15 (2011), 567–572; D.-A. Koch, Geschichte, 375–401; J. Schwartz / P. J. Tomson (Hgg.), Jews and Christians (CRI 13); U. Schnelle, Jahre, 366–389; dazu den Überblick mit ausgewählter Literaturliste bis 2015 von J. Frey, Art. Judenchristentum, WiBiLex (Stand Okt. 2015, URL: http://www.bibelgesellschaft.de/stichwort/51882, letzter Zugriff: 25. 9. 2017); weiter jetzt die Beiträge in J. Schwartz / P. J. Tomson (Hgg.), Jews and Christians (CRI 15). 2 1 Thess 2,14: τῶν ἐκκλησιῶν τοῦ θεοῦ τῶν οὐσῶν ἐν τῇ Ἰουδαίᾳ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ und Gal 1,22: ταῖς ἐκκλησίαις τῆς Ἰουδαίας ταῖς ἐν Χριστῷ. 3 Apg 9,31; vgl. dazu schon oben S. 344 u. ö.
420
IV. Das palästinische Judenchristentum
der Urgemeinde – palästinisch-jüdische Städte wie Joppe4 und Lydda,5 Dörfer im Distrikt Samaria,6 aber auch den samaritanischen Hauptort, dessen Namen Lukas leider ausläßt, der aber wahrscheinlich mit Sychar zu identifizieren ist – vgl. Joh 4,5 – und nicht mit dem vorwiegend heidnischen Samaria / Sebaste.7 Azotos und Caesarea Maritima nennt Lukas als große Städte, die eine überwiegend pagane Bevölkerung mit einer jüdischen Minderheit besaßen.8 Die jüdischen Gemeinden dort hatten eher Diasporacharakter, ebenso wie die in den großen hellenistischen Städten in der näheren Umgebung des jüdischen Kernlandes. So lagen in der weiteren Nachbarschaft an der Grenze zu Galilaea die großen Städte Akko-Ptolemaïs, Tyrus und Damaskus mit ihren Stadtgebieten, in denen jeweils eine starke jüdische Minderheit lebte und in denen die Apostelgeschichte christliche Gemeinden erwähnt.9 Diese Gemeinden mögen sich noch vorwiegend aus den jüdischen Synagogengemeinden heraus gebildet, dort aber auch schon heidnische Gottesfürchtige angezogen haben. Die Bekehrung und Taufe von Cornelius und den Seinen in Caesarea Maritima wird von Lukas als ein erster prominenter Ausnahmefall dargestellt, aber vermutlich kam es hier auch zu weiteren Missionserfolgen. In den palästinischen Distrikten Judaea und Galilaea bildeten sich die frühen Gemeinden dagegen wie in Jerusalem ganz innerhalb der jüdischen Bevölkerung. Das gilt auch noch für die Christen, die Bar Kochba während seines Aufstands (132–136 n. Chr.) verfolgte. Diese Notiz ist zugleich eines der wenigen Zeugnisse für die Anwesenheit von Judenchristen im Süden Judaeas, den Bar Kochba in dieser Zeit beherrschte.10 Auch in Samaria galt die Mission des Philippus den einheimischen »Vettern« der Juden und nicht den paganen Bewohnern von Samaria / Sebaste.
4 Apg
9,36–43; vgl. oben S. 263 Anm. 55 zur Geschichte der Stadt. 9,32–35; vgl. oben S. 262 Anm. 52. 6 Apg 8,25: πολλάς τε κώμας τῶν Σαμαριτῶν εὐηγγελίζετο. 7 Apg 8,5–8; dazu oben S. 185 f. 8 Vgl. dazu M. Hengel, Historiker Lukas, 164–182 = KS VI, 163–187. W. Horbury, Beginnings, 61, weist darauf hin, daß die geographischen Angaben in Mk 3,8 für die Reichweite der Wirksamkeit Jesu ein anderes Bild ergeben: Aus Galilaea, Judaea, Jerusalem, Idumaea, Peraea und den Stadtgebieten von Tyrus und von Sidon kommen Menschen zu Jesus an den See Genezareth, um sich von ihm heilen zu lassen. 9 Apg 21,4.7: In Tyrus und Ptolemaïs werden auch von Antiochia ausgehende Missionare gewirkt haben, denn Paulus und seine Begleiter besuchen die Gemeinden dort auf der Kollektenreise nach Jerusalem. In Damaskus gab es außer den nach der Steinigung des Stephanus dorthin geflohenen Hellenisten bereits einheimische ›Jesusjünger‹ wie Ananias (Apg 9,2.10 ff.): Apg 9,19b nennt »Jünger« im Plural; nach Apg 9,25 helfen »seine Jünger« Paulus bei der Flucht. Letztere gehen auf seinen Missionserfolg zurück. 10 Justin, 1 Apol. 31,6 (SC 507, 210,22–25 ed. Munier); vgl. dazu unten S. 603 bei Anm. 288 sowie S. 607 bei Anm. 301 und S. 608 bei Anm. 309. 5 Apg
§ 12 Zur Situation der palästinischen Gemeinde
421
Die etwa zehn Jahre dieses ›Kirchenfriedens‹ zwischen den Verfolgungen um 32/33 und 43 n. Chr. erscheinen in der Apostelgeschichte als eine Zeit des von der Kraft des heiligen Geistes geleiteten ungestörten Wachstums. Aus der Sicht des Historikers Lukas lebten die »Anhänger Jesu« in Palästina in dieser frühen Zeitspanne relativ ungestört. Er schreibt rückblickend in den 80er Jahren, nachdem seit dem Ende der Herrschaft Agrippas I. die apokalyptischen Erwartungen, der zelotische Eifer und der politische Widerstand gegen Rom unentwegt zugenommen hatten, die sich dann im Ersten Jüdischen Krieg entladen hatten. Die Caligula-Krise scheint die frühen Gemeinden in Palästina nicht betroffen zu haben.11 Lukas erwähnt sie jedenfalls nicht. Aber Judas Galilaeus12 und den ›Pseudoprofeten‹ Theudas, der unter Fadus (44–46 n. Chr.) auftrat und eine große Menschenmenge samt ihrem Besitz mit der Verheißung des Eintreffens des eschatologischen Heils in der Wüste zum Jordan führte, nennt er in der Gamalielrede als Parallelen zur Jesusbewegung. Mit Theudas beginnt wieder eine sehr unruhige Zeit, in der endzeitliche Profeten auftraten, die jeweils unter dem Versprechen der »Zeichen und Wunder« des Exodus dem Volk die endzeitliche Freiheit ankündigen.13 Auch die Samaritaner wurden von diesem apokalyptischen Fieber gepackt. Schon im Jahr 36 führte ein Profet Volksscharen zum Berg Garizim, denen er die Auffindung der heiligen Tempelgeräte, die Mose dort verborgen hatte, versprach.14 Die Gemeinden in Palästina waren ebenso wie die in Jerusalem »jüdisch« bis auf einzelne Ausnahmen in den stärker paganen Städten, in denen ein Milieu wie in der Diaspora vorherrschte. In diesem »Judaea« bestimmten wie in Jerusalem das Gesetz Moses und die jüdischen Sitten das tägliche Leben der christlichen Gemeinden, und »um keinen Anstoß zu erregen«, bezahlten sie die Tempelsteuer (vgl. Mt 17,27) und richteten sich auch nach den Weisungen der »Schriftgelehrten und Pharisäer«.15 Mit der Entscheidung für die Zulassung einer Mission in der ›gesetzeskritischen‹ Form, wie sie Paulus und Barnabas auf dem Apostelkonzil in Jerusalem vertraten, war im Grunde im Jahr 48/49 n. Chr. das Tor zu einer weltweiten Mission unter den Völkern geöffnet worden, ohne daß diese Heiden, wenn sie sich durch die Taufe der Kirche anschlossen, zugleich auch Juden werden mußten. Diese Mission wurde 11 Mk 13,14 sollte man nicht aus dieser Situation erklären; siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 84–87 u. ö. 12 Apg 5,36 f. Doch irrtümlich nimmt Lukas an, Judas Galilaeus sei erst später (nach Theudas) aufgetreten; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 93.547 Anm. 224. 13 Dazu M. Hengel, Zeloten, 235–239 = 3. Aufl. 230–234 u. ö.; ders. / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 98–101; C. Grappe, Zeloten, 81–106. 14 Josephus, Ant. 18,85–89; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 82.604. 15 Mt 23,2 f., dazu unten S. 587 f.; zur Tempelsteuer vgl. oben S. 256 f.
422
IV. Das palästinische Judenchristentum
erfolgreicher als die unter Juden. Doch immer wieder versuchten palästinische Judenchristen diesen Prozeß zu korrigieren und rückgängig zu machen, indem sie auf der Heilsnotwendigkeit der Einhaltung des jüdischen (Ritual‑)Gesetzes für beide, Juden‑ und Heidenchristen, insistierten. So lösten die ›Sendboten‹ des Jakobus – vermutlich im Jahr 52/53 – den antiochenischen Konflikt aus, indem sie Petrus und Barnabas veranlaßten, die Tischgemeinschaft mit den Heidenchristen aufzugeben – zumindest aus Rücksicht auf sie in ihrer Gegenwart.16 Das Aposteldekret, das diesen Streit lösen sollte, verlangte von den Heidenchristen jedoch nur die Rücksichtnahme auf jüdische Tabus, aber nicht die Beschneidung, auch nicht das Halten des Sabbats oder die generelle Unterscheidung reiner und unreiner Speisen. Damit wurde zugleich eine Entwicklung eingeleitet, die diejenigen Christen im Laufe des 2. Jahrhunderts schließlich an den Rand drängte, die auf der grundsätzlichen Einhaltung des gesamten mosaischen Gesetzes durch alle bestanden bzw. an ihrer »partikulär jüdischen Identität« durch strikte jüdische Lebensweise festhielten.17 An beiden Entscheidungen für eine beschneidungsfreie Mission unter den Völkern – sowohl beim ›Apostelkonzil‹ in Jerusalem wie bei der Abfassung des Briefes mit dem Aposteldekret – war der Herrenbruder Jakobus nach der Darstellung der Apostelgeschichte in entscheidender Funktion beteiligt. Er vertrat die Interessen der Jerusalemer Gemeinde und der palästinischen Judenchristen, aber er war zugleich auf Ausgleich bedacht und nicht der strenge Gesetzesverfechter, als den ihn die ältere Forschung verstanden hat: »Jakobus war nicht jener extreme Vertreter einer intolerant gesetzesstrengen Haltung, zu dem ihn die Tübinger Schule gemacht hat. Vielmehr zeigt er sich als das Haupt der Jerusalemer Gemeinde trotz aller persönlichen Gesetzesfrömmigkeit als ein Mann des Ausgleichs, der die Einheit der messianischen Jesusgemeinde aufrecht zu erhalten suchte, der dafür Opfer zu bringen bereit war und der darin zunächst Erfolg hatte.«18
Ein solches »Opfer« könnten z. B. die Minimalforderungen des Aposteldekrets gewesen sein. Jakobus mußte vorsichtig sein, um seine Gemeinde nach außen 16 Siehe dazu oben § 11.2.2 (S. 412–415). Vgl. M. Hengel, Petrus, 136 ff. Anders R. Deines, Jakobus, 176 ff., der sich für die Datierung 48/49 entscheidet. 17 So J. Frey, Ausbreitung, 93 Anm. 22: »Die Bedeutung dieses letztlich durch die paulinische Mission begründeten ›Durchbruchs‹, der dann z. B. im Johannesevangelium schon vorausgesetzt ist …, zeigt sich umgekehrt im Schicksal des Judenchristentums, das an einer partikulär jüdischen Identität festhalten wollte, aber ab dem 2. Jhd. fortschreitend an den Rand gedrängt wurde.« 18 M. Hengel, Jakobus, 92 = KS III, 570 (Hervorhebungen im Original). »Mann des Ausgleichs« wird zustimmend zitiert von W. Pratscher, Herrenbruder, 97, und M. Konradt, Jakobusbrief, 38. Diese Beurteilung des Jakobus unterstreicht auch die jüngste Darstellung von R. Deines, Jakobus, mit Nachdruck. Siehe op. cit., 276 f. mit dem Zitat von M. Hengel, KS III, 570.576, und der Bemerkung, daß Hengels »Bild von Jakobus zwischen positiver Anerkennung und lutherischer Voreingenommenheit schwankt« (277 Anm. 216).
§ 12 Zur Situation der palästinischen Gemeinde
423
zu schützen und nach innen zusammenzuhalten. Man darf nicht vergessen, daß er schließlich wegen – angeblichen – Gesetzesverstoßes gesteinigt wurde. Wenn der Jakobusbrief direkt oder – wie viele meinen – nur indirekt auf den Herrenbruder zurückgeht, dann bestätigt er diese ausgleichende, irenische Haltung des Jakobus.19 Seine persönliche Gesetzesfrömmigkeit führte zu seinem Ehrentitel und dem Beinamen »der Gerechte«.20 Bei der zunehmend schwieriger werdenden politischen Situation in Palästina vor dem Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges mit ihren heftigen sozialen Spannungen und apokalyptischen Endzeiterwartungen, der Zunahme des pharisäischen Eifers für das Gesetz und der »Verschärfung der zelotischnationalreligiösen Tendenzen … ab der vierziger Jahre«21 und mit dem wachsenden Widerstand gegen die römische Fremdherrschaft ist es verständlich, daß der christliche Missionseifer, der das doppelte Liebesgebot als Kern des Gesetzes propagierte und die Wiederkunft eines am Kreuz gestorbenen Messias und Gottessohns verkündete, auf zunehmende Ablehnung stieß. Insofern ist es erstaunlich, daß und wie es Jakobus gelang, die Jerusalemer Gemeinde nach der Agrippa-Verfolgung noch fast zwei Jahrzehnte zu leiten und als Missionar hier zu wirken. Den großen Missionserfolg betont schon übertreibend Apg 21,20, wo Jakobus und die Ältesten Paulus darauf hinweisen, »… wie viele Tausende unter den Juden gläubig geworden sind«. Die Jakobuslegende des Hegesipp überbietet dies dann noch.22
19 Siehe dazu unten S. 452–474 zum Problem der antipaulinischen Polemik im Jakobusbrief und seinen ethischen Mahnungen. 20 Vgl. EvThom 12; EvHebr Frag. 5 (bei Hieronymus, De viris illustribus 2,12 f. [BPat, 12,78 ed. Ceresa-Gastaldo]); 1 ApkJak (NHC V,3 p. 32,1 ff. / CT 2 [W.-P. Funk, Die erste Apokalypse des Jakobus, in: AcA I/2, 1168]); 2 ApkJak (NHC V,4, p. 44,13; 60,4 [W.P. Funk, Die zweite Apokalypse des Jakobus, in: AcA I/2, 1187.1193); Hegesipp bei Euseb, H. e. 2,23,4.7 (GCS Eusebius II/1, 166,9–12; 166,19–168,2 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); Epiphanius, Panarion 78,7 (GCS Epiphanius III, 456,30–458,17 ed. Holl / Dummer); Clemens Alexandrinus, Hypotyposes, Frag. 10; 13 (GCS Clemens Alexandrinus III, 198,20–24; 199,19–28 ed. Stählin / Früchtel / Treu); Euseb, H. e. 2,1,2–5 (GCS Eusebius II/1, 102,19–104,19 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Zur Bedeutung und Entstehung des Titels siehe M. Hengel, Jakobus, 79 ff.; vgl. W. Pratscher, Herrenbruder, 114–118; J. Frey, Fragmente des Hebräerevangeliums, in: AcA I/1, 598 f. Anm. 27; R. Deines, Jakobus, 49–58. Dazu unten S. 475 ff. u. ö. 21 M. Hengel, Petrus, 105. Weil die Situation für die palästinischen Judenchristen immer bedrohlicher wurde, mußten die Leute des Jakobus in Antiochia auf getrennten Mahlzeiten bestehen, um in der Heimat nicht als Gesetzesübertreter dazustehen. Die Verpflichtung der Heidenchristen auf das Aposteldekret war dann der Kompromiß. Vgl. dazu oben § 11.2.2 (S. 412–415). 22 Euseb, H. e. 2,23,4–18 (GCS Eusebius II/1, 166–170 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); vgl. auch PsClem R 1,43,3 (GCS Pseudoklementinen II, 33,17 ff. ed. Rehm / Strecker); dazu unten S. 490 bei Anm. 76.
424
IV. Das palästinische Judenchristentum
Exkurs: Zur Forschungsdebatte um das Judenchristentum und den »Trennungsprozeß« zwischen Juden und Christen23 Über das »Judenchristentum« ist vor allem in den letzten dreißig Jahren unendlich viel geschrieben worden. Die Forschung erlebte geradezu einen »Boom«, seit sie sich der »Trennung der Wege«, »The Parting(s) of the Ways«, zwischen Juden und Christen verstärkt zugewandt hatte.24 Dabei kam es zu einer wachsenden Tendenz, bei diesem Auseinandergehen bis hin ins 4. Jahrhundert keine klare Grenzlinie mehr zwischen Juden und Christen zu ziehen. Bis heute sieht man einerseits einen frühen Beginn der Ablösungen, der spätestens mit Paulus begann und seit dem Jahr 70 eine Umkehrung unmöglich machte.25 Auf der anderen Seite wurde einseitig das Motto »Ways that Never Parted«26 proklamiert. Daß das Christentum auf jüdische Wurzeln zurückgeht, war – von wenigen unrühmlichen Ausnahmen abgesehen27 – immer Konsens unter Neutestamentlern; aber daß es ganz und gar aus dem Judentum heraus entstanden ist und es sich bei der »Trennung« um einen längeren, schmerzhaften Prozeß gehandelt haben muß, der sich nicht als eine schlichte, einmalige »Abspaltung« vollzogen hat, war nicht immer selbstverständlich. Hinzu kommt in den letzten Jahren vor allem die Entdeckung, daß sich auch das rabbinische Judentum erst im Gegenüber zum frühen Christentum herausgebildet hat. Dies führte zu einer weiteren Differenzierung. So schreibt Peter Schäfer: »Wir wussten schon immer, dass das entstehende Christentum sich im Rückgriff auf und in Auseinandersetzung mit dem Judentum definierte, aber es dauerte sehr viel länger, bis sich die Einsicht durchzusetzen begann, dass auch dieses Judentum (das rabbinische Judentum der ersten nachchristlichen Jahrhunderte) sich erst im Austausch mit dem Christentum herauskristallisierte, dass also die Etablierung der beiden Schwesterreligionen frühes ›Christentum‹ und rabbinisches ›Judentum‹ – nicht die Abspaltung einer ›Tochterreligion‹ von ihrer ›Mutterreligion‹ – ein wechselseitiger Prozess war, der sich gegenseitig bedingte.«28 23 M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 21–36: »Judentum und frühes Christentum«; U. Schnelle, Jahre, 296–303.366–389.426–431; zuletzt S. J. D. Cohen, Ways That Parted. 24 Siehe dazu vor allem D. A. Hagner, Another Look; zur Forschungsgeschichte vgl. auch B. Wander, Trennungsprozesse, 8–39; ferner unten § 18. 25 So U. Schnelle, Jahre, 296–303 zur »Herausbildung des frühen Christentums als eigenständiger Bewegung«. Vgl. S. 367: »Zugleich handelt es sich dabei um einen lang anhaltenden Prozess, der dynamisch im 2. und 3. Jh. n. Chr. anhielt und erst im Mittelalter auslief.« J. Schröter, Jesus, 229.349: Für Lukas beginnt das Auseinandergehen mit dem Aposteldekret, das die Tora ablöst. Paulus dagegen nimmt den »im Judentum selbst angelegte[n] Universalismus« auf, der »der Aufrechterhaltung abgrenzender Merkmale [widerspricht]« (349). 26 So A. H. Becker / A. Y. Reed (Hgg.), Ways that Never Parted; dazu bemerkt D. A. Hagner, Another Look, 384, ganz zu Recht, daß trotz des provozierenden Titels nicht alle Autoren der Beiträge in diesem Band auf dieser Linie sind. Zu den zahlreichen Studien von D. Boyarin vgl. die Rezension von P. Schäfer, Zum Buch von Daniel Boyarin: The Jewish Gospels. The Story of the Jewish Christ, in: The New Republic, 7. Juni 2012, 36–39; übersetzt von C.-J. Thornton in: KuI 27 (2012), 100–109. 27 Zu W. Grundmann vgl. R. Deines / V. Leppin / K.-W. Niebuhr (Hgg.), Walter Grundmann. 28 P. Schäfer, Anziehung und Abstoßung, 13. Doch die Metapher Mutter / Tochter behält ihre Berechtigung, sie wird schon von Kelsos als Modell verwendet (dazu A. I. Baumgarten,
§ 12 Zur Situation der palästinischen Gemeinde
425
Die Periode, um die es in unserer29 Darstellung des frühesten Christentums geht, war eine Zeit der heftigen »Auseinandersetzung«; es war ein Prozeß der Abstoßung, der mehrfach bis hin zu blutiger Verfolgung von der einen Seite her führte, auf den die andere Seite mit scharfer Polemik reagierte. Denn man sollte heute bei aller Freude über die Entdeckung vieler früher übersehener Verbindungen zwischen Juden und Christen nicht vergessen, daß mit dem Christentum etwas ganz Neues entstanden war, das im Judentum vorwiegend auf Ablehnung stieß. Diese Ablehnung wiederum konnten die frühesten Christen in ihrem Missionseifer überhaupt nicht begreifen. Gestritten haben in dieser frühen Phase Juden mit Judenchristen. Heidenchristen spielten dabei noch eine reine Statistenrolle.30 Allein schon um die Terminologie »Judenchristen« und »Judenchristentum« ist in der Forschung eine breite Diskussion entbrannt; denn der Begriff hat zwar antike Vorläufer,31 wurde aber in der Moderne wohl vom englischen Deismus geprägt und ist seit dem 19. Jahrhundert durch die Auseinandersetzung mit den Thesen Ferdinand Christian Baurs bestimmt.32 Zudem wurde man sich der Vielfalt der unterschiedlichen judenchristlichen Gruppen und ihrer Texte in den letzten Jahren immer deutlicher bewußt.33 Rule of the Martian, 409; vgl. dazu unten Anm. 37). Dazu M. Hengel, Schrifttum, in: KS VII, 235: »Man könnte … im Verhältnis [von Judentum] zum Christentum nicht nur von Mutter und Tochter, sondern auch von zwei sich mehr und mehr entfernenden Geschwistern sprechen.« 29 Ich hätte auch schreiben können »meiner«, doch ich bin sicher, daß Martin Hengel hier einverstanden wäre. 30 Vgl. A. M. Schwemer, Paulus in Antiochien, 179 f. Origenes (Contra Celsum 2,1 [SVigChr 54, 75.77 ed. Marcovich]) tadelt dann Kelsos, weil er einen Juden seine Argumente gegen Judenchristen und nicht gegen die Großkirche vorbringen läßt; vgl. dazu A. I. Baumgarten unten Anm. 37. In diesem Zusammenhang verweist Origenes auch darauf, daß Judenchristen »Ebioniten« sind, deren Namen er – an anderer Stelle – von »der Armut ihres Verstandes« ableitet; siehe Origenes, De principiis 4,3,8 (TzF 24, 752,4 f. ed. Görgemanns / Karpp): τῆς πτωχείας τῆς διανοίας ἐπώνυμοι. Vgl. weiter O. Skarsaune, Evidence, 515: Origenes mißversteht Kelsos, der seinen Juden Argumente gegen Jesus und die ersten Jünger richten läßt und die spätere Phase des Judenchristentums, die Origenes vor Augen hat, noch gar nicht kennen kann. Das spricht meines Erachtens eindeutig dafür, daß Kelsos eine oder mehrere schriftliche Quelle(n) für ›seinen Juden‹ verwendete (anders Skarsaune). 31 Hieronymus, Comm. in Zachariam zu Sach 14,10 f. (CChr.SL 76A, 885 ed. Adriaen), verwendet die Verbindung »iudaei christiani«, aber nach dem Kontext wird klar, daß »in iudaei christiani kein Beleg für das Determinativkompositum ›Judenchristen‹ vorliegt«, so J. Frey, Die Fragmente judenchristlicher Evangelien, 565 mit Verweis unter anderem auf James Carleton Paget. 32 Die sogenannte pragmatische Definition von »Judenchristentum«, die für das Heilige Land wie für die Diaspora zutrifft, stammt von J. Carleton Paget, Definition, 49 Anm. 119: »A Jewish Christian is a Jewish Believer in Jesus who maintains a Jewish lifestyle.« So auch U. Schnelle, Jahre, 368 Anm. 137. J. Frey, Die Fragmente judenchristlicher Evangelien, 565–568, ist noch vorsichtiger (567): »Jede Definition stößt angesichts der Diversität der Phänomene an ihre Grenzen. … Das ›Judenchristentum‹ ist weder lehrmäßig noch gar organisatorisch eine Einheit«. Vgl. auch P. J. Tomson, Transformations; J. Verheyden, Jewish Christianity, 134: »There apparently are indeed many ways and various ›degrees‹ of being ›Jewish Christian‹.« 33 Auf diese Vielfältigkeit hat vor allem Jörg Frey hingewiesen; siehe J. Frey, Vielgestaltigkeit; vgl. ders., Die Fragmente judenchristlicher Evangelien, 567 f.; ders., Art. Judenchristentum, WiBiLex (Stand Okt. 2015, URL: http://www.bibelgesellschaft.de/stichwort/51882, letzter Zugriff: 25. 9. 2 017).
426
IV. Das palästinische Judenchristentum
Unter dem Prozeß der zunehmenden Verdrängung der Christen aus den Synagogen hatten die Judenchristen besonders zu leiden. Aber auch das geschah auf unterschiedliche Weise und nicht überall gleichzeitig. Wie früh das begann, zeigen die »Stigmata Christi« auf dem Rücken des Paulus. Diese Stigmata waren die Narben, die von der fünfmal erhaltenen Synagogenstrafe der »Vierzig weniger einen (Schläge)« zurückblieben.34 Auf der anderen Seite drängte später auch die Großkirche die Judenchristen an den Rand, indem sie sie zu Häretikern erklärte.35 Auf dieses Problem werden wir am Ende noch einmal zurückkommen müssen.36 In den Untersuchungen, die diesen »Ablösungsprozeß« als eine Art freiwilligen Ausstieg der Juden‑ und Heidenchristen aus den Synagogen sehen und keine klaren Grenzen zwischen Juden und Christen bis weit ins 2. und 3. Jahrhundert erkennen wollen, wird zuwenig berücksichtigt, daß in der frühen Zeit die Macht politisch und juristisch ganz auf der jüdischen Seite lag und die Opfer in den Auseinandersetzungen die noch völlig ohnmächtigen Christen waren. Dabei betraf der Streit zwischen Juden und Christen natürlich in erster Linie die Judenchristen. Um sie ging die Auseinandersetzung, wie man noch beim ›Juden des Kelsos‹ lernen kann.37 Auch auf dieses Problem werden wir immer wieder stoßen.
12.2 Die verschärfte Verfolgung der palästinischen Gemeinde38 Die Quellenbasis für das palästinische Judenchristentum ist für die Zeit vor 70 verhältnismäßig gut. Für die Zeit danach fehlt uns bedauerlicherweise vor allem ein Historiker wie Josephus. Aber auch die Apostelgeschichte endet mit der Ankunft des Paulus in Rom um 60 n. Chr. Die späteren neutestamentlichen Briefe – auch die deuteropaulinischen – befassen sich kaum mit der Situation in Palästina. Es bleiben als Quellen die Evangelien – und da vor allem die sogenannten redaktionellen Bemerkungen im Matthäusevangelium –, für die Frühzeit auch der Jakobusbrief,39 die Johannesapokalypse, die Didache und für die spätere Zeit die sporadischen Nachrichten über die christlichen Gemeinden in Palästina, die sich bei Justin, Clemens Alexandrinus, bei Euseb, der sich Gal 6,17. B. Wander, Art. Judenchristen. I. Neues Testament, RGG4 (2001), 601 ff.; J. Carleton Paget, Art. Judenchristen. II. Alte Kirche, RGG4 4 (2001), 603 ff. 36 Siehe dazu unten § 18.3.3 (S. 598 f. mit Anm. 267). 37 Siehe dazu A. I. Baumgarten, Rule of the Martian: Der ›Jude des Kelsos‹ ist eine schriftliche Quelle von einem Autor, ein Dialog; 408: Dabei hat das »parting of the ways« schon stattgefunden. Die Auseinandersetzung geht um Judenchristen (Origenes, Contra Celsum 2,1 [SVigChr 54, 75 ff. ed. Marcovich]); auf S. 409 verweist Baumgarten auf Apg 21,21, wo Paulus angeklagt wird, er verführe zum Abfall. Kelsos’ Jude verwendet das »Mutter-Tochter«-Modell (Contra Celsum 2,4 [SVigChr 54, 79 f. ed. Marcovich]) für das Verhältnis zwischen Judentum und Christen; der ›Jude des Kelsos‹ hätte nie zugestimmt zu Thesen wie »Ways that Never Parted« (Becker / Reed) oder »Two Nations in Your Womb« (Yuval). 38 Siehe dazu W. Horbury, Beginnings, 61–74; J. A. Kelhoffer, Persecution, passim. 39 Zum Problem seiner Authentizität und Datierung siehe unten § 13.2 (S. 452–474). 34
35 Dazu
§ 12 Zur Situation der palästinischen Gemeinde
427
hier auf Hegesipp und Ariston von Pella stützt, in den Pseudoklementinen, bei Epiphanius von Salamis und anderen erhalten haben; aber auch die wenigen Erwähnungen in der rabbinischen Literatur helfen, das Verhältnis von Juden und Judenchristen und den Prozeß der Trennung zwischen ihnen etwas besser zu verstehen.40 Die schon mehrfach genannten Warnungen vor dem »Weg zu den Heiden« beleuchten die Situation der frühen Gemeinden in Palästina, insbesondere die der Gemeinde in Jerusalem. Es ist bezeichnend, daß nur Matthäus diese Logien überliefert.41 Derartige Logien und Anekdoten – wie die Geschichte über die Tempelsteuer, die die Jünger eigentlich nicht bezahlen müssen42 – zeigen die Vorsicht angesichts der Schwierigkeiten, in denen sich die palästinische Gemeinde befand. Sie konnte um ihrer Existenz willen den Weg der Hellenisten in eine sich steigernde, konsequente Gesetzeskritik nicht gutheißen. Falls die palästinischen Gemeinden – in Radikalisierung des gesetzeskritischen Ansatzes Jesu – sich wie die Hellenisten vom Ritualgesetz und vom Tempel grundsätzlich gelöst hätten, hätten sie entweder aus Palästina fliehen müssen, oder sie wären der Ächtung und damit der Gefahr, ausgerottet zu werden, anheimgefallen. Zunächst waren sie nach Apg 4 und 5 von dem sadduzäisch beherrschten Synhedrium verfolgt worden; das vermittelnde Urteil des pharisäischen Schulhauptes Gamaliel führte dann nach Lukas zur Einstellung von direkten Strafmaßnahmen. Das heißt, gemäßigte Pharisäer traten wohl im Synhedrium gegen den Hannas-Clan und seine Parteigänger für eine tolerantere Behandlung der Christen ein.43 In einem neuen Konflikt richtete sich der Zorn von griechischsprachigen Juden aus den hellenistischen Synagogen in Jerusalem gegen Stephanus und seinen Kreis und führte zu dessen Zerschlagung und Vertreibung wegen seiner Kritik an Tempel und Gesetz.44 An dieser blutigen Auseinandersetzung war nach Apg 7,58 und 8,1.3 auch Paulus beteiligt, der vor seiner Berufung und Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus die ἐκκλησία der judenchristlichen Hellenisten in Jerusalem zerstören wollte.45 In den Pseudoklementinen geht Paulus vor seiner Berufung sogar gegen 40 Dagegen würde ich nicht die »Logienquelle« als »eigenständigen Typus des frühen Judenchristentums« betrachten; gegen U. Schnelle, Jahre, 370 ff. (Zitat: 370), u. a. Zur Logientradition siehe M. Hengel, Evangelien. 41 Siehe oben S. 56 f. bei Anm. 260–261 und S. 188.254 u. ö. 42 Mt 17,24–27; dazu ausführlicher oben S. 256. 43 Siehe dazu oben S. 48 bei Anm. 216–217 und unten S. 494 bei Anm. 11. 44 Siehe dazu oben S. 151 ff. bei Anm. 56–61; S. 164 f. bei Anm. 124–125; S. 186 f. vor Anm. 32. 45 Siehe Gal 1,13.23; vgl. dazu oben S. 164; § 6.2.2 (S. 210); weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 60–63; A. M. Schwemer, Verfolger. Hartnäckig hält sich dagegen die Vorstellung, Paulus habe erst nach seinem Damaskusaufenthalt Jerusalem erstmals besucht. So wieder D.-A. Koch, Geschichte, 207–211.
428
IV. Das palästinische Judenchristentum
den Herrenbruder Jakobus vor und stößt ihn von der Tempeltreppe. Von der Verfolgung durch König Agrippa I. war oben schon die Rede.46 Paulus bezeugt im 1.Thessalonicherbrief, seinem frühesten Brief, der uns erhalten geblieben ist, daß die christlichen Gemeinden in Palästina weiterhin unter Schikanen und Verfolgungen zu leiden hatten: »Ihr seid, Brüder, Nachahmer geworden der Gemeinden Gottes, die in Judaea in Christus Jesus sind, denn ihr habt dasselbe erlitten von euren eigenen Volksgenossen wie auch diese Gemeinden von den Juden. Sie haben den Herrn Jesus und die Profeten getötet und uns verfolgt, sie gefallen Gott nicht und sind allen Menschen feind …«47
Der Brief ist etwa um das Jahr 50 geschrieben. Welche Verfolgungen Paulus konkret meint, teilt er nicht mit. Aber sie müssen schwerwiegend gewesen sein und sich auch öfter wiederholt haben, sonst hätte Paulus nicht mit einer so scharfen Invektive reagiert. Er führt nicht nur die deuteronomistische ›Doktrin‹ von Israel als Mörder der Profeten an, sondern greift auch ein Schlagwort der antiken Judenfeindschaft auf, den »Menschenhaß«.48 Gewiß schaut er auch auf die ungefähr sieben Jahre zurückliegende Verfolgung unter Agrippa I. zurück, in der in Jerusalem der Zebedaïde Jakobus geköpft wurde und auch einige andere starben und aus der Petrus nur durch den Beistand eines »Engels« der Hinrichtung entfliehen konnte.49 Paulus selbst war – um es noch einmal zu betonen – einst ein rabiater Verfolger, der in seinem Gesetzeseifer gegen die Gemeinde der »Hellenisten« in Jerusalem vorging und das auch in Damaskus tun wollte. Durch seine Berufung und Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus kam jedoch alles anders. Darüber hinaus gab es wahrscheinlich in Palästina auch außerhalb Jerusalems immer wieder lokale Unterdrückungsmaßnahmen, von denen die Apostelgeschichte nichts berichtet. Paulus selbst wird auf seinen Missionsreisen verfolgt, weil seine Volksgenossen ihn seinen missionarischen Auftrag, Christus unter den Völkern zu verkünden, nicht ausführen lassen wollen, denn er fährt im ersten Brief an die Thessalonicher fort:
46 Siehe
oben § 9.1 (S. 348–366). 1 Thess 2,14 f.; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 599: »Die von Paulus in 1 Thess 2,14 f. erwähnte Verfolgung ›der Gemeinden in Judäa‹ empfing ihre letzte Rechtfertigung durch die Anklage des Synhedriums gegen den Volksverführer Jesus. Die Judenchristen konnten bei ihren Gegnern … als Verbrecher erscheinen.« 48 Siehe dazu P. Schäfer, Judeophobia, 173–179 und 304 Index s. v. »Misanthropia« = ders., Judenhaß, 253–259 und 437 Index s. v. »Menschenfeindschaft / -haß«. 49 Dieser »Engel« war vermutlich ein pharisäischer Sympathisant, der diese Hinrichtungen – hinter denen das Interesse des Hannas-Clans stand – nicht billigte. 47
§ 12 Zur Situation der palästinischen Gemeinde
429
»Um das Maß ihrer Sünden fortgesetzt vollzumachen, hindern sie uns, zu den Völkern zu sprechen, damit diese gerettet werden. Aber der Zorn Gottes hat sie schließlich erreicht.«50
Paulus geht in diesem Brief nicht näher auf die Zustände in Judaea ein, sondern spricht sofort von seinen eigenen Erfahrungen mit jüdischem Widerstand gegen seine missionarische Verkündigung in der Diaspora. Er zählt keine historischen Einzelfälle auf, sondern denkt apokalyptisch und »sieht seine Heidenmission unter eschatologischem Aspekt«.51 Für Paulus geht es hier um die endzeitliche Rettung und um die Verwerfung im Endgericht. Aber zugleich erinnert er seine Adressaten an den heftigen Widerstand, auf den seine Mission in Thessaloniki von jüdischer Seite stieß, wovon Apg 17,5–10.13 ebenfalls berichtet.52 Im Heiligen Land gilt der christliche Missionseifer den jüdischen Mitbürgern. Der Inhalt der Heilsbotschaft stößt aber sowohl im Heimatland wie in der Völkerwelt immer wieder auf entschiedenen und trennenden jüdischen Widerstand: Diese Missionare verkündigen einen gekreuzigten Messias und Gottessohn, der der Messias und König Israels sein soll. Das ist das empörende Skandalon, das die erbitterte Feindschaft nicht nur der frommen Gesetzeseiferer hervorruft. Paulus unterstreicht das in seinen Briefen unübersehbar: »Wir verkündigen den gekreuzigten Christus / Messias, den Juden ein Skandal, den Griechen eine Torheit.«53
Die Hohepriesterschaft hatte Jesus mit einer entsprechenden Anklage an Pilatus ausgeliefert, damit ihn der Präfekt zum Tod am Kreuz verurteilen sollte. Dies war sicher die Absicht, noch bei Josephus klingt dies durch.54 Mit diesem Tod am Fluchholz sollte der messianische Anspruch Jesu vom Gesetz ein für allemal widerlegt werden; denn »verflucht ist jeder, der am Holze hängt«. Dtn 27,26 (vgl. 21,23) zitiert Paulus in Gal 3,13 nicht als einen ganz neuen Gedanken. Es war nicht nur die »Torheit« des schändlichsten Martertodes in der römischhellenistischen Welt, sondern der Fluch des Gesetzes, der in jüdischen Augen auf Jesus lastete. So läßt Justin den Juden Trypho sagen:
50 1 Thess 2,16; vgl. Apg 13 f.; vgl. auch M. Heemstra, Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, 52 f. Anm. 90; ders., Fiscus Judaicus. Its Social and Legal Impact, 333. Zu Heemstras Dissertation siehe die kluge Rezension von J. Carleton Paget, JEH 62 (2012), 352–355, der auf deren Stärken und Schwächen hinweist. 51 T. Holtz, 1 Thess, 107. 52 Siehe dazu W. Horbury, False Prophecy, 125. 53 1 Kor 1,23; Gal 5,11. Die Didache (16,5) bezeichnet selbstbewußt Christus, den Retter in den Nöten der Endzeit, als den »Verfluchten«. 54 Josephus, Ant. 18,64: »Auf Anzeige (ἐνδείξει) der Ersten bei uns verurteilte ihn Pilatus zum Kreuzestod.«
430
IV. Das palästinische Judenchristentum
»Dieser euer sogenannter Christus aber ist ohne Ehre und Herrlichkeit gewesen, so daß er sogar dem schlimmsten Fluch verfiel, den das Gesetz Gottes verhängt: Er ist nämlich gekreuzigt worden.«55
Der Skandal seines Todes am Kreuz machte diesen Messias für die meisten in Israel unannehmbar und führte letztlich zur Trennung zwischen Juden und Christen. »… the cross never became the symbol of Jewish suffering; the influence of Deuteronomy 21.23 made this impossible. So a crucified messiah could not be accepted either. It was here that the preaching of the earliest Christians caused particular offence in the mother country itself.«56 Das vergessen all diejenigen, für die der Prozeß des / der »Parting(s) of the Ways« zum völligen Rätsel wird, die von einer »Trennung« nicht mehr sprechen wollen oder diese gar erst in die Zeit der Reichskirche verlegen wollen. Mit gutem Recht betont deshalb Peter Schäfer gegen Daniel Boyarin: »Das stellvertretende Leiden des Messias oder sogar sein Tod stellt keine unüberschreitbare Grenze dar, aber der Skandal seines Todes am Kreuz, den Paulus so sehr betont, tut es.«57 Paulus wußte als ehemaliger Verfolger sehr gut, weshalb er einst in seiner »vorchristlichen« Zeit glühend vor Eifer für das Gesetz gegen die Anhänger Jesu vorgegangen war, die einen gekreuzigten Messias verkündigten. Wie gefährdet die Lage der judenchristlichen Gemeinden in Judaea und vor allem in Jerusalem immer wieder war und wie ihre Missionsbedingungen aussahen, läßt sich an einzelnen Logien in der synoptischen Apokalypse und in den Aussendungsüberlieferungen erkennen: 1. Bevor die Schrecken und Nöte der Endzeit kommen, müssen bei Markus die Jünger verschiedene Verfolgungen erleiden. Unter anderem werden sie ermahnt (Mk 13,9a): »Seht auf euch selbst, sie werden euch an die Synhedrien ausliefern [d. h. an die örtlichen jüdischen Gerichtshöfe] und werden euch in den Synagogen verprügeln.« Justin, Dial. 32,1 (PTS 47, 121 ed. Marcovich; Übersetzung Haeuser, Justinus Dialog, 46); vgl. 89,2; 90,1; 94,5; 95,1; 96,1 (PTS 47, 224 f.233 ff. ed. Marcovich). Vgl. dazu unten S. 608 mit Anm. 310. 56 So M. Hengel, Crucifixion, 85; vgl. auch ders., Überlegungen, 148 f. = KS VI, 323 f.: »Es war auch die Christologie, die diese neue jüdisch-messianische Bewegung von ihrer heidnischen Umwelt und Schritt für Schritt auch von ihrer jüdischen Mutter unterschied. Der gekreuzigte Christus ›ist den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit‹ …« (Hervorhebung A. M. S.). 57 So die Rezension von P. Schäfer, Zum Buch von Daniel Boyarin: The Jewish Gospels. The Story of the Jewish Christ, in: The New Republic, 7. Juni 2012, 36–39; übersetzt von C.-J. Thornton in: KuI 27 (2012), 100–109 (108). Unter Neutestamentlern ist es dagegen üblich geworden, die Ansichten Boyarins positiv aufzunehmen, so etwa die Rezension von R. Kampling / C. Leonhard, Gegenwärtige Ansätze der Rekonstruktion der frühen Geschichte von Judentum und Christentum, ThRv 106 (2010), 267–286, hier 269 ff. In eine ähnliche Richtung gehen einige Beiträge in: A. Bedenbender (Hg.), Judäo-Christentum; unkritisch übernommen wird Boyarins Sicht von M. Tiwald, Frühjudentum, 36 f. 55
§ 12 Zur Situation der palästinischen Gemeinde
431
Die Fortsetzung (Mk 13,9b): »Und ihr werdet vor Statthalter und Könige gestellt werden um meinetwillen ihnen zum Zeugnis«
führt bis in die jüngste Vergangenheit des Evangelisten. Markus blickt hier insbesondere auf die Neronische Verfolgung in Rom zurück.58 Auf die Ankündigung der Verfolgung folgt die Verheißung, daß – bevor dann wirklich das Ende kommt – zuerst das Evangelium bei allen Völkern verkündigt werden wird und daß vor allem die Jünger nicht ohne Beistand vor Gericht stehen werden: »Und wenn sie euch [vor Gericht?] führen und übergeben, sorget nicht, was ihr sagen sollt; sondern was euch dann gegeben wird in jener Stunde, das sagt. Denn nicht ihr seid es dann, die sprechen, sondern der heilige Geist.«59
2. Dieses vaticinium ex eventu aus der markinischen Apokalypse beläßt Lukas in dessen Kontext und betont in der »letzte[n] öffentliche[n] Rede«60 Jesu ebenso wie Markus, daß diese Verfolgungen sich ereignen, bevor die Drangsale der Endzeit eintreffen: »Vor all dem aber werden sie Hand an euch legen und euch verfolgen, indem sie euch an die Synagogen und in die Gefängnisse ausliefern und vor Könige und Herrscher abführen um meines Namens willen.«61
Zudem nimmt Lukas eine ähnliche Voraussage in den Ermahnungen an die Jünger in der Aussendungsrede auf, die der lukanische Jesus für die Zeit seiner Abwesenheit an sie richtet: »Wenn sie euch aber vor die Synagogen und die Behörden und die Machthaber führen, macht euch keine Sorgen … Denn der heilige Geist wird euch in derselben Stunde lehren, was ihr sagen müßt.«62
3. Matthäus präzisiert dies noch einmal aus späterer Sicht und schreibt distanzierter »ihre Synagogen«, sieht seine Adressaten also bereits von den jüdischen Zur Synagogenstrafe vgl. oben S. 48 Anm. 218. Mk 13,11. In der apokalyptischen Rede Mk 13,5–37 »spiegeln sich die zurückliegenden grausamen Erfahrungen der Neronischen Verfolgung wie auch der Wirren des nach dem Tod Neros ausbrechenden römischen Bürgerkriegs wider« (M. Hengel, Evangelien, 142). Dem widerspricht S. Freyne, Matthew and Mark, 188 f. Er hält die Identifizierung von Mk 13,9–13 mit der Neronischen Verfolgung für zu eng begrenzt. Der Schluß des Evangeliums weise nach Galilaea (Mk 14,27 f.; 16,7). »The suffering and rejection of the Jesus-followers that the Markan narrative foresees / reflects occur therefore in the context of the disturbances in Syria which Josephus, however exaggeratedly, has described« (189). 60 M. Wolter, Lk, 666. 61 Lk 21,12; vgl. 21,27 f.: Diese Verfolgungen werden andauern, bis der Menschensohn kommt »mit Macht und großer Herrlichkeit«. 62 Lk 12,11 f. Dazu M. Wolter, Lk, 445 f.: Lukas hat hier Situationen vor Augen, wie er sie mehrfach in der Apostelgeschichte schildert. 58 59
432
IV. Das palästinische Judenchristentum
Synagogengemeinden ausgegrenzt. Er nimmt das Logion in die große Aussendungsrede auf: »Hütet euch aber vor den Menschen: Sie werden euch an die Synhedrien ausliefern und euch in ihren Synagogen auspeitschen.«63
Diese Synagogenstrafen bedrohten die Judenchristen. Gottesfürchtige oder Heidenchristen hatten sie nicht zu befürchten.64 Matthäus schreibt nicht nur für die Gemeinden in Palästina und Syrien, vielmehr für die ganze Kirche,65 damit sein Evangelium im Gottesdienst verlesen wird. Die Gegner seiner judenchristlichen Hörer und Leser beherrschten die Synagogen. Sie hatten die Macht, so zu verfahren und die Christen zu unterdrücken. Die synagogale Prügelstrafe war vermutlich ein oft angewandtes Verfahren, nicht nur um sie zu bestrafen, sondern auch um sie zu vertreiben. 4. Solche Differenzen haben eine längere Vorgeschichte, denn der Streit um die rigorosen Forderungen Jesu an seine Nachfolger spaltete schon zu seinen Lebzeiten die Familien: »Wenn einer zu mir kommt und haßt nicht seinen Vater und (seine) Mutter und (seine) Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern und auch sein eigenes Leben, kann er nicht mein Jünger sein.«66
Die Bereitschaft zur Nachfolge Jesu war mit der Bereitschaft, um Jesu willen sein Leben zu riskieren und zu leiden, von Anfang an verbunden. Die radikalen Nachfolgeforderungen Jesu wurden weitertradiert: Man soll nicht nur das eigene Leben riskieren, sondern sogar das der Familie, um die Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden. Entsprechend erscheint in Mk 13,12 die Spaltung der Familien, die bis hin zu Denunziationen führte, als ein Zeichen der endzeitlichen Nöte:67 »Und ein Bruder wird den Bruder zum Tod ausliefern und ein Vater das Kind, und die Kinder werden sich gegen die Eltern erheben und sie töten. Und ihr werdet verhaßt sein bei allen Menschen um meines Namens willen.«
Matthäus stellt Mk 13,9–13 in die Aussendungsrede (Mt 10,17–42) und bezieht die Verfolgungsaussagen damit auf die Mission der Zwölf in Israel und die der 63 Mt
10,17. Vgl. H.-J. Becker, Kathedra, 102 f. Weiter dazu unten S. 557 bei Anm. 49–50. mit Recht auch M. Heemstra, Fiscus Judaicus. Its Social and Legal Impact, 338. 65 M. Hengel, Petrus, 51 Anm. 103: »Daß Mt die ganze Kirche im Auge hat, zeigen nicht nur Mt 16,17–19, sondern auch der allen Christen geltende Schluß 28,18–20. Wir sollten aufhören, unkritisch von der ›Gemeinde‹ von Q und des Mk, Lk, Mt und Joh zu sprechen« (Hervorhebung im Original). 66 Lk 14,26; vgl. Mt 10,37 f.; Mk 10,29 f. 67 So M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 363 f. Bei Markus spiegelt sich hier auch die Verfolgung durch Nero in Rom; vgl. oben Anm. 59. 64 So
§ 12 Zur Situation der palästinischen Gemeinde
433
anderen frühchristlichen Missionare.68 Zugleich verschärft er Mk 13,12 in Mt 10,21 sowie Mk 13,13 in der »die Verfolgungssituation radikalisierende[n] Dublette« in Mt 10,22 und 24,9b–14.69 Die Gefahren, die den christlichen Sendboten drohen, erscheinen damit schon von Jesus angekündigt. Diese Ankündigungen und die Verheißung des Beistandes des Geistes gelten für alle Evangelisten »über die geschichtliche Situation Jesu und seiner Jünger … hinaus« auch für die Zeit der nachösterlichen Mission.70 So wird auch das Wort aus der Logienüberlieferung, das Lukas an den Beginn der Aussendung der 72 Jünger stellt und mit dem Matthäus seinen Abschnitt über die Verfolgung der Jünger einleitet, verstanden worden sein: »Geht hin! Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.«71
Der Vergleich unterstreicht die völlige Wehrlosigkeit der Boten Jesu und die lebensbedrohliche Gefährdung, der sie bei ihrer Sendung und Aufgabe ausgesetzt sind. Die Seligpreisung in Lk 6,22 f. fordert auf, diesen Nöten mit Festtagsfreude zu begegnen in der Gewißheit des himmlischen Lohnes: »22 Selig seid ihr, wenn (ὅταν) euch die Menschen hassen und wenn (ὅταν) sie euch ausstoßen (ἀφορίσωσιν) und beschimpfen (ὀνειδίσωσιν) und euren Namen verwerfen (ἐκβάλωσιν) als etwas Schlechtes um des Menschensohnes willen. 23 Freut euch an jenem Tag und tanzt, denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel. Genauso haben nämlich ihre Väter die Profeten behandelt.«
Diese Verse sind kein authentisches Jesuslogion, sondern eine spätere Erweiterung innerhalb der lukanischen Reihe der Seligpreisungen und Weherufe. Der Makarismus bezieht sich wahrscheinlich auf die Situation der Urgemeinde, in der schon Stephanus in der Synagoge solches erlebte und gesteinigt wurde.72 Das doppelt gesetzte ὅταν ist iterativ zu verstehen und setzt eine andauernde Ablehnung voraus, die aus dem fortwährenden Haß entspringt, dem die dennoch Seliggepriesenen ausgesetzt sind. Der Menschensohntitel weist auf eine verhältnismäßig alte Überlieferung hin; in den Evangelien erscheint er immer im Mt 10,21, vgl. 10,37. Zitat: M. Hengel, Evangelien, 348 Anm. 1069. 70 H. Schürmann, Lk II/1, 61. 71 Lk 10,3; Mt 10,16. 2 Clem 5,2 ff. bezieht das Herrenwort auf die Situation der Christen in der Welt: »Ihr sollt sein wie Schafe inmitten der Wölfe«; zur Aussendungsüberlieferung in der »Q-Tradition« siehe M. Hengel, Nachfolge, 82 = KS V, 119: »Gewiß hat … sich die Gemeindeüberlieferung aus ihrer eigenen vielschichtigen und reichen Missionserfahrung heraus mit den überkommenen älteren Traditionen fast unauflöslich verschmolzen«; M. Wolter, Lk, 378: »Das Wort reflektierte ursprünglich die Ablehnungserfahrung der wandercharismatischen Jesusboten«. 72 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 388 Anm. 53; vgl. J. A. Kelhoffer, Persecution, 277 ff. u. ö.; M. Theobald, Zeugnis, 247. 68 69
434
IV. Das palästinische Judenchristentum
Munde Jesu. »Das Leidensgeschick der Jünger wird hier als alltägliche Erfahrung von sozialer Ausgrenzung und Diffamierung beschrieben. Es handelt sich hierbei um die typischen Reaktionen, die eine marginalisierte Minderheit von Seiten der Mehrheitsgesellschaft erfährt.«73 Dem Verwerfen und Schlechtmachen des Namens74 entspricht antithetisch im Wehewort (V. 26) das Schönreden, das Lob der Falschprofeten. Die Vorwürfe richten sich gegen jüdische Volksgenossen, aber Lukas drückt sich ganz allgemein aus und läßt auch die Identität der Unterdrücker offen. Ablehnung erfahren die Anhänger Jesu auf vielfältige Weise wie einst die Profeten.75 »Wahrscheinlich formuliert Lukas so offen, damit seine Zeitgenossen ihre eigenen Erfahrungen hier wiederfinden können.«76 Ein »Menschensohnwort« aus der Aussendungstradition – matthäisches Sondergut – geht vermutlich im Ursprung auf Jesus zurück, ist aber für den Evangelisten nicht nur an die Jünger bei ihrer Aussendung gerichtet, sondern nimmt auch die spätere Mission im jüdischen Palästina in den Blick: »Wenn sie euch verfolgen in dieser Stadt, so flieht in eine andere. Denn Amen, ich sage euch, ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen, bis der Menschensohn kommt.«77
Nicht zuletzt war es der judenchristliche Missionseifer in Judaea selbst, der den Anstoß der religiösen Autoritäten im Mutterland erregte. Die Verkündigung eines den Fluchtod am Kreuz gestorbenen Messias war für sie ein Ärgernis (σκάνδαλον), das zuletzt zum Ausschluß der Judenchristen in Palästina aus den Synagogen führte.78 73 M. Wolter,
Lk, 250. 1 Petr 4,14: »Wenn ihr geschmäht werdet im Namen Christi – selig!« Zu Sueton, Nero 16,2 (BSGRT, Vol. I, 231 ed. Ihm), siehe M. Wolter, Lk, 251. Weiter Jak 2,6 f.: »Sind es nicht die Reichen, die euch gewalttätig behandeln, und sind nicht sie es, die euch vor die Gerichtshöfe schleppen? Sind nicht sie es, die den guten Namen lästern, der über euch genannt ist?« Das bezieht sich, wenn der Jakobusbrief authentisch ist, wie hier angenommen wird, ebenfalls auf die Situation der Urgemeinde, aber auch die der frühen palästinischen Gemeinden, und noch nicht speziell auf die Birkat ham-mînîm. D. C. Allison, James, 552, vermutet auch eine Anspielung auf die Birkat ham-mînîm in Jak 3,9 f. Das paßt dann gut zu seiner Spätdatierung des Jakobusbriefes; dazu unten S. 455 Anm. 75. 75 Ganz ähnlich formuliert Lukas die Anklage des Stephanus gegen seine Mörder (Apg 7,52): »Welchen Profeten haben eure Väter nicht verfolgt? Sie töteten diejenigen, die das Kommen des Gerechten vorherverkündigten, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid.« 76 M. Wolter, Lk, 250. Er meint, im Ursprung gehe es noch nicht um den Synagogenbann oder ‑ausschluß oder um die Birkat ham-mînîm, aber diese läßt sich dann darauf beziehen. In späterer Situation ist »euer Name« dann auch eindeutig das nomen Christianum wie in 1 Petr 4,14. Vgl. F. Bovon, Lukas, 303, der in ἀφορίζειν die »religiöse Exkommunikation aus der Synagoge« sieht, »nicht aber einen Ausschluß aus der sozialen Gemeinschaft«. Zur Aufnahme von Lk 6,22 in Joh 9 siehe unten S. 577 f. 77 Mt 10,23. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 538; zu Joh 16,2 (9,22; 12,42) siehe unten § 18.2.2, besonders S. 579 Anm. 174. 78 Vgl. dazu oben S. 430 und unten S. 568 f. Anm. 110 sowie S. 575–581 u. ö. 74 Vgl.
§ 12 Zur Situation der palästinischen Gemeinde
435
Die Aufforderung zur Kreuzesnachfolge an die Menge und die Jünger stellt Markus in den Zusammenhang der Leidensankündigungen. Den Einwand des Petrus gegen die erste Leidensankündigung weist Jesus schroff zurück: »Weg, hinter mich, Satan; denn du denkst nicht, was Gottes ist, sondern was der Menschen ist.«79 Vielmehr belehrt er die Menge und die Jünger über die Kreuzes‑ und Leidensnachfolge: »Und er rief die Menge herbei zusammen mit seinen Jüngern (τὸν ὄχλον σὺν τοῖς μαθηταῖς) und sagte: Wenn mir einer nachfolgen will, verleugne er sich selbst und trage sein Kreuz und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, wird es retten.«80
Bei Markus wirken nicht die Missionserfahrungen in Palästina nach, sondern die Martyrien in der Neronischen Verfolgung in Rom,81 in der auch Petrus gekreuzigt wurde.82 Vermutlich wendet sich Jesus deshalb in der markinischen Erzählung ausdrücklich an die Menge, die er zu dieser Jüngerbelehrung hinzuruft. Eine noch schroffere Aufforderung zur Kreuzesnachfolge – und eine der jesuanischen Sprache nähere Form – hat sich in der Logienüberlieferung bei Lukas und Matthäus erhalten. Auch bei Lukas wendet sich Jesus an die Volksscharen (ὄχλοι πολλοί) mit diesen Worten, um ihnen die rigorosen Nachfolgebedingungen klar vor Augen zu stellen. Dabei wird der einzelne in die Nachfolge gerufen und muß bereit sein, auf alles zu verzichten, wenn er Jesu Jünger sein will: »Wenn einer zu mir kommt und haßt nicht seinen Vater und (seine) Mutter und (seine) Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern und auch sein eigenes Leben, kann er nicht mein Jünger sein. Wer nicht sein eigenes Kreuz trägt und hinter mir hergeht, kann nicht mein Jünger sein.«83 Mk 8,32 f. Mk 8,34 ff. 81 Tacitus, Annales 15,44,4 (BSGRT, Vol. I/2, 115,12 f. ed. Wellesley): aut crucibus adfixi, ut flammandi, ubi defecisset dies, in usum nocturni luminis urerentur; vgl. auch 1 Clem 6; Mk 8,34 parr.; M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 438.516; vgl. J. G. Cook, Roman Attitudes, 104 f. zu Tacitus, Annales 15,44,2–5 (Text und Übersetzung 40 f.), und Mk 8,34; 13,9: »The account of the Neronian persecution in Tacitus becomes one of the foundation stones for interpreting the Gospel in its first century context« (105). Zum schändlichen Tragen des patibulum, des Querbalkens des Kreuzes, den die zur Kreuzigung Verurteilten unter Schlägen durch die Straßen zur Hinrichtungsstätte schleppen mußten, siehe J. G. Cook, Crucifixion, 22.30.370.375. Vgl. auch P. Lampe, Roman Christians, 119 f. 82 Dazu M. Hengel, Petrus, 8 ff.49. 83 Lk 14,26 f.; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 363. 79 80
436
IV. Das palästinische Judenchristentum
Matthäus stellt dieses Logion in seine Aussendungsrede und bezieht es auf die Mission der Jünger in Palästina: »Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. Und wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert.«84
Matthäus mildert den strengen Ton, kürzt und korrigiert das mißverständliche »hassen« / »μισεῖν« in »mehr lieben als mich« / »φιλῶν … ὑπὲρ ἐμέ«.85 Er erwähnt auch die Ehefrau nicht, denn die Apostel und Missionare ließen sich – nach Ostern – in der Regel von ihren Ehefrauen begleiten.86 Auch hier läßt sich erkennen, wie in der Aussendungsrede des Matthäus vor‑ und nachösterliche Jüngerschaft und Mission miteinander verschmelzen. In Palästina wurden Christen in der Zeit, auf die Markus und Lukas zurückblicken, nicht gekreuzigt, da sie hier noch nicht von den Römern verfolgt wurden. Matthäus, der deutlich später schreibt, könnte schon Fälle von Kreuzigungen von Christen in Palästina kennen. Denn er ändert bei der Aufnahme des »Weisheitswortes« Lk 11,49: »Deshalb sagte die Weisheit Gottes: Ich werde zu ihnen Profeten und Apostel senden, und einige werden sie töten und verfolgen …«
in Mt 23,34 nicht nur die »Profeten und Apostel« in »Profeten und Weise und Schriftgelehrte«, sondern formt auch das lukanische Weisheitswort in ein IchWort Jesu um. Das »einige von ihnen werden sie töten und verfolgen« wird in Mt 23,34 nun zur direkten Anklage in der 2. Person Plural: »Deshalb siehe, ich sende gegen euch Profeten und Weise und Schriftgelehrte, einige von ihnen werdet ihr töten und kreuzigen, einige aber werdet ihr geißeln in euren Synagogen und werdet sie von Stadt zu Stadt verfolgen.«87
84 Mt
10,37 f.
85 M. Wolter,
Lk, 516 f., weist zu Recht auf die Bedeutung von שׂנאhin, das nicht nur »hassen«, sondern als »antithetische Aussage« »verwerfen«, »ablehnen« bedeutet. Wolter bevorzugt hier die Übersetzung »hintansetzen«. 86 1 Kor 9,5. 87 In den frühjüdischen Profetenlegenden wird kein Profet gekreuzigt, sie werden gesteinigt, zersägt, enthauptet (vgl. auch Hebr 11,37). Allerdings erwähnt J. G. Cook, Crucifixion, 13 ff., daß »ἀποτυμπανισμός … (expose on a board / beam)« (13), der Tod auf dem Tympanon, in späterer Zeit als eine Form von Kreuzigung verstanden wurde. Nach VitProph 7,1 f. wurde der Profet Amos unter Schlägen auf dem Tympanon gefoltert und schließlich zu Tode gebracht. Auch der Märtyrer Eleazar (2 Makk 6,19 f.) wurde so gefoltert und hingerichtet; siehe dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden II, 31–39. Zur Kreuzigung des Simeon, Sohn des Klopas, unter Trajan siehe unten § 17.3 (S. 530–535).
§ 12 Zur Situation der palästinischen Gemeinde
437
Hier begegnet das Motiv der Verfolgung »von Stadt zu Stadt«, das schon in Mt 10,23 als matthäisches Sondergut auffiel, wieder in einer redaktionellen Ergänzung gegenüber der Q-Tradition bei Lukas. Es scheint eine Erfahrung der Missionare im jüdischen Palästina gewesen zu sein, die sich hier niederschlägt.88 Die Ankündigung, daß einige der von Jesus dann in der Zukunft gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer ausgesandten Profeten, Weisen und Schriftgelehrten auch noch gekreuzigt werden, erscheint jedoch etwas eigenartig. Sie könnte durch das Wort vom »Kreuztragen« bei Markus veranlaßt sein. Doch es ist nicht ausgeschlossen, daß Matthäus, der sein Evangelium um 90–100 in Syrien bzw. im Norden Palästinas schrieb, bereits erlebt hat, daß jüdische Gegner gegen christliche Profeten und Gemeindeleiter vorgegangen waren und diese bei den Römern als politisch gefährliche »Davididen« denunziert hatten. In der Spätzeit Domitians könnte das durchaus vorgekommen sein.89 Die Kreuzigung Simeons, Sohn des Klopas, der ein Vetter Jesu war, lag für Matthäus wahrscheinlich noch in der Zukunft. Simeon war der Nachfolger des Herrenbruders Jakobus in der Leitung der Jerusalemer Gemeinde. Er wurde – so schreibt Hegesipp – unter Trajan (98–117) vom römischen Statthalter Atticus gekreuzigt.90 Simeon soll von jüdischen »Häretikern« beim Statthalter als Davidide und Christ angezeigt worden sein, insofern könnte der Vorwurf an die »Schriftgelehrten und Pharisäer« eine plausible Adressierung sein.91 James Kelhoffer schlug vor, Matthäus habe auf Grund von Jesu Kreuzigung angenommen, daß die jüdischen Gegner auch gegen die Anhänger Jesu in Zukunft so vorgehen würden.92 Matthäus erinnert dann an die Kreuzigung Jesu und erwartet, daß den Gläubigen in der Nachfolge Jesu dasselbe Leiden bevorsteht. Aber man muß auch beachten: Mit σταυρώσετε wird die Schuld an der Kreuzigung Jesu angedeutet und auf Mt 27,25: »Sein Blut (komme) auf uns und unsere Kinder« vorausverwiesen.93 Die Apostelgeschichte berichtet von Verfolgungen in Jerusalem und der anschließenden Flucht der Gläubigen (Apg 8,1; 12,17) und dem mißglückten Versuch des Paulus, auch in Damaskus gegen die »Jünger des Herrn« vorzugehen, die vermutlich aus Jerusalem dorthin geflohen waren (Apg 9,1–9); dieser mußte dann aber selbst wieder aus Damaskus, von dort nach Jerusalem und dann nach Tarsus fliehen (Apg 9,23 ff.29 f.). Hier handelte es sich immer wieder um eine solche Flucht von Stadt zu Stadt. Für Lukas und Matthäus liegt auch die Flucht der Jerusalemer Gemeinde nach Pella nach dem Tod des Jakobus in der Vergangenheit. Zur Auswanderung nach Pella siehe unten § 16. 89 Apk 11,3–14; vgl. 2,13. M. Hengel, Evangelien, 143 Anm. 411, meinte, daß in Mt 23,34 an einen Vorfall gedacht sei, der sich »nicht eindeutig verifizieren läßt«. 90 Euseb, H. e. 3,11; 3,32,3.6 (GCS Eusebius II/1, 226,20–228,6; 268,8 ff.; 268,22–270,6 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). M. Hengel, Evangelien, 143 Anm. 411, verweist zu Mt 23,34 ebenfalls auf die Kreuzigung des Simeon. Siehe dazu ferner unten § 17.3 (S. 530–535). 91 Siehe dazu unten S. 555 f. bei Anm. 41 und 43. 92 J. A. Kelhoffer, Persecution, 248: »Matthew believed that, just as Jesus had been crucified, the scribes and Pharisees would at some future point somehow crucify some of Jesus’ followers« (Hervorhebung im Original). 93 So H.-J. Becker, Zerstörung Jerusalems, 67; vgl. weiter dazu unten S. 513 Anm. 3. 88
438
IV. Das palästinische Judenchristentum
Gut belegt sind Christenprozesse erst seit der Zeit Trajans, aber bereits das Matthäusevangelium rechnet mit römischer Verfolgung in Palästina um 90–100 n. Chr.: »Der Kirche zur Zeit des Matthäus weht … ein schärferer Wind entgegen … Offenbar war es seit dem späten Domitian verstärkt zu staatlichen Prozessen mit Todesurteilen gegen die Christen gekommen«.94 Ebenso auffällig ist, daß Matthäus das Wort »verfolgen«, διώκειν, als »Leitwort«95 insgesamt sechsmal verwendet. So begegnet es betont in der Bergpredigt zunächst in den Seligpreisungen (5,10 ff.): »Selig sind die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten, denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und sagen alles Schlechte über euch, indem sie lügen um meinetwillen.96 Freut euch und jubelt, denn euer Lohn wird viel sein in den Himmeln, denn so haben sie auch die Profeten verfolgt, die vor euch waren.«
Diese Seligpreisungen gelten den um Christi willen Verfolgten. An sie ist dann auch die Aufforderung zur Feindesliebe gerichtet (5,44):97 »Denn ich sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.«
Das nächste Mal erscheint das Stichwort in der Aussendungsrede (10,23): »Wenn sie euch verfolgen in dieser Stadt, flieht in die nächste.«
Zuletzt verwendet der Evangelist das Motivwort in der Scheltrede gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer, an der oben schon zitierten Stelle in Mt 23,34.98 Dabei läßt sich eine immer genauere Identifizierung der Verfolger erkennen. Während die Stellen in der Bergpredigt offenlassen, wer die angesprochenen M. Hengel, Evangelien, 348 Anm. 1069. U. Luz, Mt I, 61: διώκω gehört zum Vorzugsvokabular des Evangelisten. R. Deines, Gerechtigkeit, 99.155–160, spricht von einem »Mikrogewebe«, das im Evangelium »durch Schlüsselwörter« den »Gesamtzusammenhang« verbindet (99). Bei Markus fehlt das Verbum, das Lukasevangelium kommt auf zwei, Johannes auf drei Belege in dieser Bedeutung; die Apostelgeschichte hat es 9mal. Paulus verwendet διώκω für die mit Mt 5,44 verwandte Bitte für die Verfolger (Röm 12,14; 1 Kor 4,12), sein Verfolgtsein (2 Kor 4,9), die Verfolgung von Judenchristen durch Juden (Gal 6,12) und für seine eigene Verfolgertätigkeit (1 Kor 15,9; Gal 1,13.23; Phil 3,6), insgesamt 8mal. Vgl. auch M. Hengel, Evangelien, 348 Anm. 1069. 96 Zu Lk 6,22 siehe oben S. 433. 97 U. Luz, Mt I, 402: »Auf [Matthäus] geht … die aktualisierende Zuspitzung auf die Situation der Verfolgung zurück.« 98 Siehe oben bei Anm. 87. Weiter dazu unten S. 494. 94 95
§ 12 Zur Situation der palästinischen Gemeinde
439
Jünger verfolgen wird, sind es in der Aussendungsrede die jüdischen Bewohner Palästinas, denn die Jünger werden zu den »verlorenen Schafen Israels« gesandt. In der Rede in Kapitel 23 werden die Gegner klar identifiziert als die jüdischen »Schriftgelehrten und Pharisäer«.99 Darin spiegelt sich die gefährdete Situation der judenchristlichen Gemeinden in Palästina wider, die Matthäus selbst erfahren hat, als gegenwärtig bedrohlich erlebt und die letztlich zur Ausstoßung aus der Synagoge führte. Verfolgt wurden sie um Christi willen. Die Christologie – auch Matthäus vertritt eine Hochchristologie – und deren aktive missionarische Propaganda waren zunehmend der Anstoß, der diese jüdischen Anhänger Jesu für ihre Volksgenossen unerträglich machte. Um überhaupt die Möglichkeit einer ungestörten Existenz zu haben, mußte die palästinische Gemeinde gegen alle Anfeindungen ihre strenge Gesetzestreue demonstrieren. Diese Situation beleuchtet auch das Vorgehen gegen Paulus im Tempel im Jahr 57, als ihn Juden aus Kleinasien sehen und ihm vorwerfen, er lehre überall den Abfall vom Gesetz und führe jetzt auch noch Heiden in den Tempel. Die Menge ergreift ihn, um ihn hinauszuschleppen und zu steinigen. Nur die Verhaftung durch den römischen Chiliarchen rettet ihn vor Lynchjustiz und Ermordung.100 Paulus wußte schon zuvor sehr wohl, daß sein Leben in Judaea gefährdet war, wie seine Bitte an die römische Gemeinde vor seiner Reise nach Jerusalem in Röm 15,30 f. zeigt: »Kämpft mit mir in den Gebeten für mich zu Gott, damit ich gerettet werde vor den ungehorsamen [Juden] in Judaea …«.
99 So J. A. Kelhoffer, Persecution, 237–252. Schließlich werden in Mt 24,9–14 im Anschluß an Mk 13 die Verfolgung durch »alle Völker« und die Gefährdung durch falsche – christliche – Profeten (Mt 24,5.11) genannt. 100 Apg 21,27–36.
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament1 In den neutestamentlichen Schriften steht Jakobus, wenn man vom Jakobusbrief absieht, auffallend im Hintergrund. Doch wenn er bei Paulus und in der Apostelgeschichte erwähnt wird, erscheint er als maßgebende Autorität. Er war zwanzig Jahre lang der Leiter der Jerusalemer Gemeinde und erhielt – nach Hegesipp auch von Nichtchristen – den Beinamen ὁ δίκαιος, haṣ-ṣaddîq, das heißt, er galt der Nachwelt als Gerechter, also als strenger Gesetzesobservant, und blieb vor allem als großer Beter in Erinnerung, der jeden Tag im Tempel für sein Volk auf den Knien lag.2 Dennoch wurde er nach Josephus, Ant. 20,200 ff., zusammen mit anderen Judenchristen im Jahr 62 während einer Vakanz im Prokuratorenamt nach dem Tode des Festus durch den sadduzäischen Hohenpriester Hannas, Sohn des Hannas der Leidensgeschichte, durch Steinigung hingerichtet. Die Anklage gegen sie lautete, sie seien »Gesetzesbrecher«.3 Trotz seiner paradigmatischen Gesetzestreue wurde gegen ihn dieselbe Anklage erhoben wie gegen Paulus ca. fünf Jahre zuvor. Diese Hinrichtung erschien jedoch selbst den – vielleicht nur noch bedingt – christenfreundlichen Pharisäern als ein offener Justizmord, und sie erhoben Protest bei König Agrippa II. und dem anreisenden neuen Prokurator Albinus. Das heißt, es muß Jakobus durch seine gesetzestreue und vermittelnde Haltung gelungen sein, wenigstens die Duldung, ja vielleicht die Achtung von seiten maßvoller Pharisäer erreicht zu haben. Auf diesen einschneidenden Vorgang, der schon vor Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges für die Urgemeinde in Jerusalem eine Katastrophe bedeutete und dessen Gewicht in der Forschung gerne unterschätzt wird, wurde mit gutem Grund schon mehrfach hingewiesen.4
1 M. Hengel, Jakobus = KS III, 549–582; W. Pratscher, Herrenbruder, 49–100; R. Bauckham, James and the Jerusalem Church; J. Painter, James, 42–57; J. D. G. Dunn, Beginning, 210.1078–1090 u. ö.; ders., Neither Jew nor Greek, 512 f.598; D.-A. Koch, Geschichte, 164–167.375–380 u. ö., siehe 674 Index s. v. »Jakobus (Herrenbruder)«; U. Schnelle, Jahre, 123 f.; R. Deines, Jakobus. 2 Vgl. Hegesipp in seinem legendären Bericht bei Euseb, H. e. 2,23,3–24 (GCS Eusebius II/1, 166,5–174,11 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); dort wird er zusätzlich als asketischer »Nasiräer« dargestellt mit priesterlichen Vorrechten. Siehe dazu unten § 14.3.2 (S. 482 ff.). 3 Josephus, Ant. 20,200: ὡς παρανομησάντων. 4 Siehe M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 102.594.599 u. ö., und oben S. 26.101.113.440 und § 15.1 (S. 492–500).
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
441
Am vier Jahre später um 66 n. Chr. ausbrechenden Jüdischen Krieg hat sich die Jerusalemer Gemeinde nicht mehr beteiligt, sie floh auf eine Weisung des Geistes hin in die hellenistische Stadt Pella im Ostjordanland.5 Durch diese Auswanderung war es wahrscheinlich möglich, daß zumindest ein Teil der judenchristlichen Urgemeinde nach dem Ende des Krieges zurückkehren konnte. Vermutlich haben sich auch Christen in der in den letzten Jahren neu entdeckten jüdischen Siedlung in der Nähe von Shuʾafat – und zwar 4 km nördlich der in Trümmern liegenden Stadt Jerusalem – wieder ansiedeln können.6 Die archäologischen Funde dieser Grabung zeigen, daß das Bild, das wir uns von Jerusalem in der Zeit zwischen 70 und 130 gemacht hatten, korrigiert werden muß. Es gab direkt bei dem Schutt‑ und Ascheberg Jerusalems einen beachtlichen Ort, in dem jüdische Oberschicht wohnte: »The evidence of a relatively prosperous, romanized lifestyle combined with Jewish purity observance suggests that this was a settlement of elite families including priests who remained as close as possible to Jerusalem after 70, perhaps awaiting the rebuilding of the temple.«7
Nach Epiphanius dagegen gab es nur am südlichen Ende des Westhügels bei der heutigen Dormitio nach 70 wieder eine judenchristliche Kirche neben sieben Synagogen, eine Nachricht, deren Zuverlässigkeit freilich schon früher sehr fraglich schien.8 Sie wird zudem durch die neueren archäologischen Erkenntnisse erheblich relativiert. Im Süden des zerstörten Jerusalems befand sich das römische Militärlager der legio X Fretensis.9 Ihr Emblem auf den Feldzeichen war ein Eber, ein unreines Schwein, in jüdischen Augen eine ungeheure Beleidigung.10 5 Euseb, H. e. 3,5,3 (GCS Eusebius II/1, 196 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); vgl. Schürer I, 498; II, 147 f. Diese ernstzunehmende Nachricht wird in der Forschung zu Unrecht als Erfindung abgetan. Siehe dazu J. Wehnert, Auswanderung, 235–242. Weiter dazu unten § 16. 6 Dazu R. Bar-Nathan / D . A . Sklar-Parnes, Jewish Settlement, 57–64 (hebräisch); W. Horbury, Jewish War, 152.257. C. Weikert, Jerusalem, 100 Anm. 361. Weiter dazu unten S. 518 f. 7 J. Magness, Stone, 185. 8 Epiphanius, De mensuris 14 f., besonders 14 (SAOC 11, 30 ed. Dean, syrische Version); vgl. dazu M. Theobald, Zeugnis, 237; W. Horbury, Jewish War, 151. 9 Schürer I, 367.509.514. W. Eck, Kommunikation, 50 Anm. 11: »Bisher ist es nicht gelungen, den Ort, an dem das Lager … errichtet worden war, eindeutig zu bestimmen. Doch es ist zu hoffen, dass die großangelegten Grabungen, die zur Zeit stattfinden, darüber endlich Klarheit schaffen.« Bis jetzt liegen keine neuen Grabungsergebnisse vor. Vgl. C. Weikert, Jerusalem, 97–100, der darauf hinweist, daß nicht die ganze Legion in Jerusalem stationiert war, sondern (99 Anm. 356) »vexillationes … sich an verschiedenen Orten der Provinz [befanden] … jüngst wurde bei Beth Guvrin … ein Militärlager entdeckt, das ca. 1000 Mann fasste«. 10 Vgl. E. M. Smallwood, Jews, 333. R. Deines, How Long?, 208 ff.: Die legio X Fretensis hatte vier Symbole, aber der Eber findet sich in Jerusalem und Umgebung am häufigsten. Dieses
442
IV. Das palästinische Judenchristentum
»An die Stelle des ehemaligen religiösen Mittelpunkts und damit des Machtzentrums war das römische Militärlager getreten – krasser hätte man nicht demonstrieren können, wer hier nun der Herr war und wem auch die jüdischen Bewohner der neuen Provinz zu gehorchen hatten. Die römische Militärmacht trat an die Stelle des religiösen Zentrums.«11
Jerusalem verlor auch seine administrative Bedeutung und war nicht mehr das Haupt der gleichnamigen Toparchie, sondern gehörte nach dem Jahr 70 zum Destrikt Orine.12 Dieser knappe Überblick soll nun im einzelnen begründet werden.
13.1 Jakobus in den Evangelien, bei Paulus und in der Apostelgeschichte13 Über die Person des Herrenbruders wissen wir angesichts seiner Bedeutung für das früheste Christentum verhältnismäßig wenig. Er tritt in den neutestamentlichen Quellen stark zurück. Dabei erwähnt ihn Paulus namentlich dreimal als wichtige Autorität in Jerusalem: Er nennt Jakobus in der alten Aufzählung der Auferstehungszeugen, die er selbst als Tradition erhalten und an die Korinther weitergegeben hat, an vierter Stelle14 und berichtet von seiner Begegnung mit dem Herrenbruder bei seinem Jerusalembesuch im Jahr 36. Nachdem er aus Damaskus hatte fliehen müssen, wandte er sich in die Heilige Stadt, um Petrus kennenzulernen. Der nahm ihn zwei Wochen lang als Gast auf, und bei ihm sah Paulus auch »Jakobus, den Bruder des Herrn«.15 Jakobus muß damals schon eine bedeutende Rolle in der Jerusalemer Gemeinde gespielt haben. Beim nächsten Zusammentreffen anläßlich des »Apostelkonzils« im Jahr 48/4916 nennt Paulus Jakobus als ersten der drei »angesehenen Säulen«, der δοκοῦντες στῦλοι:
Emblem befand sich nicht nur auf den Feldzeichen, sondern war auch auf Ziegel und Keramik aus der örtlichen Ziegelhütte gestempelt und vor allem auf den Münzen zu sehen. Der Eber war also allgegenwärtig. 11 W. Eck, Römische Herrschaft, 60. 12 Plinius d. Ä., Naturalis historia 5,70 (BSGRT, Vol. I, 390,14 f. ed. Ian / Mayhoff): Orinen, in qua fuere Hierosolyma; Text auch bei M. Stern, GLAJJ I, 469. Zu Orine vgl. Lk 1,39; es war zuvor gebräuchlich als Bezeichnung für das judäische Bergland. Vgl. auch C. Weikert, Jerusalem, 100 mit Anm. 363. 13 Vgl. auch oben S. 407 ff. den Exkurs zu »Jakobus und die Leitung der Jerusalemer Gemeinde beim ›Apostelkonzil‹«. Dazu jetzt R. Deines, Jakobus. 14 Zu 1 Kor 15,7 siehe unten S. 445 Anm. 26. 15 Gal 1,18 f.; vgl. dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 214–236. 16 R. Deines, Jakobus, 175–178, plädiert (gegen M. Hengel, Petrus, 121) für den Ansatz um das Jahr 45; er betont jedoch (176): »Es wird also dabei bleiben, dass es in dieser Frage in der Forschung keinen Konsens gibt, weil in jedem Fall einzelne Daten … in die eine oder andere Richtung gepresst werden müssen«.
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
443
Jakobus, Kephas und der Zebedaïde Johannes, und damit an erster Stelle in der Gemeinde in Jerusalem.17 Der Herrenbruder Jakobus wurde höchstwahrscheinlich nach der Verfolgung durch Agrippa I., in der der Zebedaïde Jakobus – und einige andere – ums Leben kamen, und nach der durch diese Verfolgung erzwungenen Flucht des Petrus zur leitenden Persönlichkeit in der Jerusalemer Gemeinde.18 Es kann nicht umgekehrt gewesen sein, das heißt, daß er und nicht Petrus zunächst der Leiter der Jerusalemer Gemeinde seit Pfingsten wäre; denn in der gesamten Evangelienüberlieferung treten Jakobus und die Brüder Jesu völlig zurück. Sie spielen »keine beziehungsweise eine negative Rolle … Dies erklärt sich am besten daraus, daß die synoptische Jesustradition zuerst durch die Hellenisten, aber dann vor allem durch Petrus das jüdische Palästina bereits verlassen und sich verselbständigt hat, bevor Jakobus die volle Herrschaft in der Jerusalemer Gemeinde übernahm.«19
Da Jakobus in der Aufzählung der Geschwister Jesu (Mk 6,3) an erster Stelle genannt wird, wird er nach Jesus der nächstälteste unter seinen Brüdern gewesen sein. In der Alten Kirche gab es drei Deutungen für das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Jesus und seinen Brüdern: a) leibliche Brüder, also Söhne von Maria und Joseph: die sogenannte Lösung des Helvidius, b) Stiefbrüder aus einer früheren Ehe des Joseph: die sogenannte Lösung des Epiphanius, c) Vettern Jesu: die sogenannte Lösung des Hieronymus. In der protestantischen Exegese hat sich seit Theodor Zahn vor allem die Lösung a) durchgesetzt, weil sie sich mit den neutestamentlichen Nachrichten am besten vereinbaren läßt. Die Lösung b) ist mit dem Protevangelium des Jakobus seit dem 2. Jahrhundert belegt. Hieronymus schließlich führt mit der Lösung c) einen gelehrten Beweis dafür, daß die ἀδελφοί nicht als Brüder, sondern als Vettern zu verstehen seien. Wer die Lösung a) für die richtige hält, versteht die Lösungen b) und c) als aus dogmatischen Gründen entstanden: Diese lassen sich mit der Gal 2,9; siehe dazu M. Hengel, Petrus, 15 u. ö. M. Hengel, Petrus, 12–15; J. D. G. Dunn, Beginning, 1078 ff.; U. Schnelle, Jahre, 308. Dagegen sehen Jakobus als den Gemeindeleiter in Jerusalem von Anfang: P. A. Bernheim, Jacques, 132 ff.260 ff.278 ff.; J. Painter, James, 44, noch einmal unterstrichen in: ders., James and Peter, 143–209. Auch für P. J. Hartin, James, 52–57, ist Petrus der Missionar, während Jakobus (57) »exercises the role of organizational leadership in the Jerusalem community«. Ähnlich M. Konradt, Jakobusbrief, 30 ff., der annimmt, daß »Petrus und Jakobus unterschiedliche, aber einander ergänzende Rollen zukamen, nämlich insofern, als Jakobus (von Anfang an?) offenbar gegenüber dem umherreisenden Missionar Petrus eine … stärker … gemeindeintern ausgerichtete Funktion ausübte« (32). 19 M. Hengel, Evangelien, 151. 17 18
444
IV. Das palästinische Judenchristentum
Vorstellung von der Jungfrauengeburt und der bleibenden Jungfräulichkeit Mariens vereinen.20 Auf der anderen Seite gibt jetzt Roland Deines zu bedenken, »ob nicht die Vorstellung der bleibenden Jungfräulichkeit Mariens auch deshalb entstehen konnte, weil es ein Wissen darum gab, dass Jesus keine ›echten‹ Geschwister hatte. … Wäre Jakobus dagegen ein leiblicher jüngerer Bruder gewesen, ist es schwierig zu erklären, wie zu Beginn des 2. Jahrhunderts, zu einer Zeit als die Herrenverwandten in den Gemeinden noch bekannt waren, die Vorstellung aufkommen konnte, dass Maria nur diesen einen Sohn [nämlich Jesus] hatte.«21 Er verficht also wieder die Lösung b). Wie dem auch sei, ob Bruder oder Stiefbruder, Petrus verweist in Apg 12,17 die versammelte Hausgemeinde der Maria auf ihn und befiehlt, »Jakobus und den Brüdern« – in diesem Fall handelt es sich um die Gemeindemitglieder22 – zu sagen, daß er aus dem Gefängnis entkommen sei und, um sein Leben zu retten, aus der Stadt fliehen müsse. Er traut Jakobus also die Führung der Gemeinde in dieser schwierigen Situation zu. Vermutlich hatte Jakobus im Laufe der 30er Jahre zunehmend an Einfluß und Bedeutung in der Urgemeinde gewonnen.23 Die Hinrichtung des Zebedaïden und die Verhaftung und Flucht des Petrus müssen die Jerusalemer Gemeinde schwer erschüttert haben. Damit weiterhin »das Wort Gottes wuchs und zunahm« (Apg 12,24), mußten wieder geordnete Verhältnisse hergestellt werden. Jakobus gelang es, nach der Agrippa-Verfolgung das Schiff der Urgemeinde für zwei weitere Jahrzehnte durch innere und äußere Krisen zu lenken. Die spätere Legende – wie sie Euseb als Zitat aus Hegesipps Hypomnemata überliefert – rühmt den Missionserfolg des Jakobus in Jerusalem überschwenglich: Dieser Erfolg gehe allein auf Jakobus zurück, habe die Eifersucht der jüdischen ›Parteien‹, der Schriftgelehrten und Pharisäer, erweckt und dann zu seiner Steinigung geführt:
20 M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 283–291; zur Diskussion auch R. Bauckham, Jude, 19–32; W. A. Bienert / P. Gemeinhardt, Jesu Verwandtschaft, in: AcA I/1, 280–298; D. A. deSilva, Jewish Teachers, 31–34; ausführlich dazu jetzt R. Deines, Jakobus, 74–102. Für P. J. Hartin, James, 24 ff.35.53 u. ö., ist Jakobus einer der Vettern Jesu und Mitglied der Großfamilie. 21 R. Deines, Jakobus, 102; daneben hält er es für »[s]ituativ stimmiger …, wenn es sich um ältere Stiefgeschwister handelt«, die zusammen mit der Mutter versuchen, Jesus zu ergreifen und in Gewahrsam zu nehmen, weil sie der Ansicht sind: »Er ist von Sinnen.« (Mk 3,21) Normalerweise übernahmen ältere Geschwister die Verantwortung »im Guten wie im Bösen« gegenüber den jüngeren, »[a]ls Vergleich kann das Verhalten der älteren Jakobssöhne gegenüber Josef und Benjamin dienen« (110 Anm. 86). 22 Anders P. J. Hartin, James, 53 Anm. 9. 23 So auch J. D. G. Dunn, Beginning, 210; vgl. R. Deines, Jakobus, 198 ff.
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
445
»9 … Aber alle, die zum Glauben kamen, (taten dies) durch Jakobus. … 14 Und … viele wurden (von Begeisterung) erfüllt und priesen (Gott) auf das Zeugnis des Jakobus hin und sagten: ›Hosanna dem Sohn Davids‹!«24
Von diesem Missionserfolg in Jerusalem berichtet bereits die Apostelgeschichte in Kapitel 15 und 21. Auch sie führt ihn auf das Wirken des Jakobus zurück, denn schon damals galt: »In einer autokratisch und aristokratisch verfaßten Gesellschaft konnten die Einheit und Ordnung der Kirche auf die Dauer nur durch die Autorität klar umrissener Ämterhierarchien bewahrt werden.«25 Jakobus wird in dem alten Bekenntnis, das die Osterzeugen chronologisch geordnet aufführt und das Paulus im 1. Korintherbrief zitiert, zwar erst an vierter Stelle erwähnt, aber er ist neben Kephas / Petrus der einzige, der namentlich genannt wird: »daß er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten heute noch leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.«26
Anschließend fügt sich Paulus als letzten Osterzeugen hinzu, setzt sich selbst jedoch in 1 Kor 15,8 von den anderen Zeugen etwas ab: »Zuletzt von allen ist er gesehen worden auch von mir als einer unzeitigen Geburt.«
Nach der Bekenntnisformel erhielt Jakobus wie Kephas / Petrus und Maria Magdalena, die als Frau hier nicht genannt wird,27 eine Einzelvision, die das Bekenntnis zeitlich vor einer – abschließenden – Erscheinung vor allen Aposteln einordnet. Seine eigene Oster‑ und Berufungserfahrung rückt Paulus von diesen Euseb, H. e. 2,23,9.14 (GCS Eusebius II/1, 168,7 f.; 170,2 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); dazu ferner unten S. 499 f.503. 25 M. Hengel, Überlegungen, 165 = KS VI, 345. 26 1 Kor 15,5 ff. W. Pratscher, Herrenbruder, 35–46, sieht in 1 Kor 15,7 eine »Rivalitätsformel« gegenüber 1 Kor 15,5 wie schon A. v. Harnack, denn »indem Jakobus nicht bloß den Zwölfen, sondern dem sicher größeren Kreis aller Apostel vor‑ und damit übergeordnet wird, wird seine Bedeutung in Konkurrenz zu Petrus erst recht herausgestrichen« (42). Ähnlich R. Bauckham, James, Peter; J. Painter, James, 79–82. Doch es handelt sich hier vermutlich um eine zeitlich durch die Wiederholung von ἔπειτα und εἶτα geordnete Aufzählung der Erscheinungen und nicht um eine Konkurrenz zwischen Petrus und Jakobus; siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 634; so auch J. D. G. Dunn, Beginning, 140; anders ders., Neither Jew nor Greek, 512 Anm. 9, wo er sich Pratscher anschließt. Vgl. auch D.-A. Koch, Geschichte, 164 ff. 27 Joh 20,1.11–19; vgl. Mt 28,9 f. Vgl. Origenes, Contra Celsum 2,55 (SVigChr 54, 127,22 f. ed. Marcovich): Noch der ›Jude des Kelsos‹ spottet: »Wer hat das gesehen? Eine verrückte Frau, wie ihr behauptet …«. Mit Frauen als Auferstehungszeugen war kein Staat zu machen; siehe dazu M. Hengel, Maria Magdalena = KS V, 28–39. Zum ›Juden des Kelsos‹ vgl. A. I. Baumgarten, Pharisäer; ders., Rule of the Martian, 405. 24
446
IV. Das palästinische Judenchristentum
Ostervisionen zeitlich deutlich ab; wahrscheinlich ist sie etwa im Jahr 32/33 n. Chr. anzusetzen. Jakobus erhielt seine Erscheinung des Auferstandenen früher und im Rahmen der ›eigentlichen‹ Osterereignisse. Während die Familie dem öffentlichen Wirken Jesu als Wundertäter und Wanderprediger ablehnend gegenüberstand28 und Markus die Namen der Brüder nur in 6,3 (= Mt 13,55) nennt, schlossen sich die Mutter Jesu und die Brüder wahrscheinlich bald nach Beginn der Osterereignisse und – vermutlich spätestens – nach der Ostervision des Jakobus der Urgemeinde in Jerusalem an.29 In Apg 1,14 gehören »die Frauen und Maria, die Mutter Jesu, und seine Brüder« neben den namentlich aufgezählten Elfen zur Urgemeinde in statu nascendi, die sich in Jerusalem in einem Obergemach zum Gebet versammelt. Die Familie Jesu spielte seitdem in der neuen messianischen Bewegung eine wesentliche Rolle und behielt diese bis in die Zeit Trajans, ja Hadrians hinein.30 Paulus erwähnt in 1 Kor 9,5 Herrenbrüder im Plural, die auf ihren Missionsreisen wie die übrigen Apostel von ihren Frauen begleitet und von den Gemeinden finanziell unterstützt werden: »Haben wir nicht das Recht, eine Schwester als Ehefrau mitzunehmen wie die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas?«
Leider erfahren wir nicht, an welche Herrenbrüder Paulus hier denkt und ob er meint, daß auch Jakobus als Missionar mit seiner Frau unterwegs gewesen ist. Auch wo sie missionierten, teilt Paulus nicht mit. Es könnte sein, daß sie vor allem in Galilaea unterwegs waren. Julius Africanus berichtet zu Anfang des 3. Jahrhunderts, daß Herrenverwandte noch – im späten 2. Jahrhundert – in den jüdischen Dörfern Nazareth und Kochaba wohnten, von wo aus sie »das übrige
28 Mk 3,21.31–35 parr.; 6,1–6 parr.; vgl. EvThom 31,1. Unabhängig von der synoptischen Tradition belegen diese Ablehnung auch Joh 2,4; 7,3.5. Zur Familie Jesu siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 283–291. Vgl. R. Bauckham, Jude, 5–57, der jedoch annimmt, daß auch die Brüder Jesu sich ihm vor seinem letzten Besuch in Jerusalem angeschlossen hatten (56); W. A. Bienert / P. Gemeinhardt, Jesu Verwandtschaft, in: AcA I/1, 280–298; D. A. deSilva, Jewish Teachers, 34–41; zuletzt R. Deines, Jakobus, 104–114.130–135. 29 Joh 19,25 ff. sieht die Mutter Jesu schon unter dem Kreuz; doch hier übergibt sie Jesus dem Lieblingsjünger, nicht Petrus und auch nicht Jakobus. Auch die anderen galiläischen Frauen, die Jesus nachfolgten, deren Gegenwart bei der Kreuzigung Jesu und bei seinem Begräbnis wesentlich breiter und besser bezeugt ist, könnten – abgesehen von Maria Magdalena – mit seiner Familie in Verbindung gestanden haben. Doch D. A. deSilva, Jewish Teachers, 41, betont zu Recht: »Jesus’ natural brothers, then, most likely remained outside of, and even at some critical remove from, the circle of disciples during Jesus’ earthly ministry« (Hervorhebung im Original). 30 Euseb, H. e. 3,32,5 f. (GCS Eusebius II/1, 268 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 288.290.
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
447
Land« besuchten und ihre davidische Genealogie erläuterten.31 Der Märtyrer Konon, der wohl in der Verfolgung unter Decius in der Mitte des 3. Jahrhunderts in der Stadt Magydos in Pamphylien als alter Mann starb, gab beim Verhör vor dem Statthalter an, daß er aus der Stadt Nazareth in Galilaea stamme und mit Christus verwandt sei, dessen Verehrung als Gott er von seinen Vorfahren her empfangen habe.32 Nach der späteren legendären Überlieferung war Jakobus ständig in Jerusalem anwesend, nicht nur Paulus und die Apostelgeschichte erwecken diesen Eindruck. Im Neuen Testament und in der frühchristlichen Überlieferung wird von keiner Ehefrau des Jakobus berichtet, und man erfährt auch nichts über direkte Nachkommen.33 In der mittelalterlichen Chronik von Ktesiphon / Seleukia am Tigris werden in einer Bischofsliste als direkte Nachfolger von Mari, dem Gründer der dortigen Kirche gegen Ende des 1. Jahrhunderts, Abris, Abraham und Yakʿub (Jakobus) erwähnt. Abris sei aus der Familie Josephs, des Mannes der Maria, gewesen, und Abraham stamme aus der Familie des Jakobus, des sogenannten Bruders des Herrn, und Yakʿub sei Abrahams Sohn.34 Der Zusammenstoß in Antiochia setzt wohl voraus, daß Jakobus in Jerusalem war. Petrus sowie Barnabas und Paulus hielten sich gemeinsam in Antiochia auf, und der Konflikt brach aus, als »einige Leute von Jakobus« – doch wohl von Jerusalem kommend – Petrus und Barnabas und die ihnen folgenden judenchristlichen Teile der Gemeinde veranlaßten, ihre Mahlfeiern ohne die heidenchristlichen Brüder (und Schwestern) zu halten.35 31 Julius Africanus, Ep. ad Aristides (erhalten bei Euseb, H. e. 1,7,14 [GCS Eusebius II/1, 60 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]); vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 281. J. K. Zangenberg, Galilean Jesus, 85: »Skarsaune rightly assumes that Africanus’ letter embodies an old Galilean tradition about the preaching activity of some of Jesus’ close relatives«. Er verweist auf O. Skarsaune, Fragments, 360. Zu Sextus Julius Africanus ausführlicher: C. Markschies, Stadt und Land, 280–285. Markschies nimmt an, daß Julius Africanus selbst Kontakte zu diesen Herrenverwandten hatte (280). 32 The Martyrdom of Saint Conon 4; Text und englische Übersetzung bei H. Musurillo, Acts of the Christian Martyrs, 188 f. J. K. Zangenberg, Galilean Jesus, 86, meint im Anschluß an J. Taylor, das Konon-Martyrium sei abhängig von den Anekdoten über die Herrenverwandten bei Hegesipp und Julius Africanus, weil dieser Konon angibt, er sei ein täglich hart arbeitender Gärtner. Auch H. Musurillo (op. cit., xxxiii und 189 Anm. 4) hält das Martyrium für legendär und nachkonstantinisch. Eine solche Skepsis scheint völlig unnötig, vgl. dazu unten S. 565 Anm. 89 und S. 597 Anm. 262. 33 Epiphanius, Panarion 78,13,2 (GCS Epiphanius III, 464,1 f. ed. Holl / Dummer), bezeichnet ihn als παρθένος. Vgl. weiter R. Deines, Jakobus, 184 ff. zu den verschiedenen Angaben des Epiphanius: Die Ehelosigkeit passe ins 4. Jahrhundert. Wenn Paulus so selbstverständlich von den Brüdern des Herrn und ihren Ehefrauen schreibe, lege das auch bei Jakobus »sein mögliches Verheiratetsein [und] … auch … eine missionierende Reisetätigkeit« nahe (185). 34 So R. Bauckham, Jude, 68 f.; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 288 Anm. 77. 35 Gal 2,11–14. Dazu oben § 11.2.1 (S. 410 ff.).
448
IV. Das palästinische Judenchristentum
Die Apostelgeschichte erwähnt den Herrenbruder Jakobus erst in 12,17 namentlich, obwohl er in der Urgemeinde schon vorher eine – gewiß bedeutende – Funktion innegehabt haben muß. Schließlich war er einer der Auferstehungszeugen, das Haupt der Familie nach dem Tod Jesu, und Paulus ist ihm – wie gesagt – bei seinem Besuch bei Petrus / Kephas in Jerusalem, der vermutlich ins Jahr 36 zu datieren ist, schon begegnet.36 Daß Jakobus bei den Gesprächen zwischen Petrus und Paulus hinzugezogen wurde, läßt darauf schließen, daß er sich für die Gemeinde in Damaskus, für die Tätigkeit des jungen Missionars in Arabien und dessen erste Schritte Richtung Völkermission interessiert haben wird. Daß Paulus nicht mit weiteren Aposteln zusammentraf, mag mit seiner Gefährdung als »Apostat« in der Stadt und der Geheimhaltung seines Aufenthalts zusammenhängen.37 Beim sogenannten »Apostelkonzil« in Jerusalem im Jahr 48/49 stand Jakobus dann an der Spitze, und auf ihn wird das Schreiben zurückgeführt, das mit dem Aposteldekret den Streit um die Tischgemeinschaft in Antiochia lösen sollte und auch nach Syrien und Kilikien gerichtet war.38 Die betonte Vorsicht, mit der Jakobus und die Jerusalemer Ältesten dann im Jahr 57 Paulus bei seinem Besuch in Jerusalem auf die Zunahme der toratreuen Haltung auch unter den christlichen Brüdern hinweisen, hängt vermutlich unmittelbar mit der ständigen Bedrohung der Christen im jüdischen Palästina und der latenten Verfolgungssituation zusammen. Zugleich zeigt der Hinweis, daß der »Eifer für das Gesetz« auch die palästinische Gemeinde angesteckt hat, aber »nichts [deutet] in der Darstellung [der Apostelgeschichte] darauf hin, dass dieser nationalistische, fremdenfeindliche Zelotismus von Jakobus unterstützt oder gefördert würde«.39 Jakobus und die Ältesten machen vielmehr Paulus besorgt auf die bei den christlichen Eiferern verbreiteten Gerüchte aufmerksam, die Paulus zu einem in deren Augen gefährlichen und deshalb in Jerusalem auch gefährdeten »Apostaten« machen: » Du siehst, Bruder, wie viele Zehntausende von Gläubigen es unter den Juden gibt, und alle sind Eiferer für das Gesetz. Sie wurden davon unterrichtet, daß du alle unter den Völkern (wohnenden) Juden den Abfall von Mose lehrst und sagst, sie sollten ihre Kinder nicht beschneiden und nicht nach den Gesetzen wandeln.«40 36 Gal 1,18 f.: »Dann ging ich nach drei Jahren hinauf nach Jerusalem, um Kephas kennenzulernen, und blieb bei ihm 14 Tage (zu Gast). Einen anderen von den Aposteln sah ich nicht – außer Jakobus, den Bruder des Herrn.« 37 So M. Hengel / A . M. Schwemer, Paulus, 217 ff.; vgl. Apg 9,29. 38 Siehe dazu oben S. 413. 39 So R. Deines, Jakobus, 233. 40 Apg 21,20 f. Schon in 1 Thess 2,3 wehrt sich Paulus gegen den Vorwurf der Falschprofetie; das hat W. Horbury, False Prophecy, gezeigt. Er paraphrasiert den Vers (125): »Our prophetic exhortation arises not from seduction to apostasy, nor from the spiritual uncleanness which possesses the false prophet; it is not preached with the guileful insincerity which would cover falsehood.«
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
449
Weder Jakobus noch die Ältesten erwecken den Eindruck, als seien sie derselben Meinung wie diese »Eiferer für das Gesetz« gewesen. Vermutlich geht die Lösung des Problems, die die Einheit zwischen den palästinischen Judenchristen und den gemischten, vorwiegend heidenchristlichen Gemeinden der paulinischen Mission wahren will, letztlich auf Jakobus zurück. Er war – wie schon betont – ein »Mann des Ausgleichs«41 und nicht der »konservativ-gesetzesstrenge Jakobus«, als den ihn ein neues Lehrbuch jetzt wieder bezeichnet.42 Weitere Rückschlüsse auf die Rolle des Jakobus in der Jerusalemer Gemeinde ermöglicht Apg 21. Der Bericht über die Kollektenreise des Paulus zusammen mit seinen zahlreichen Begleitern43 gehört zu den »Wir-Erzählungen« der Apostelgeschichte, so daß man annehmen kann, daß Lukas damals selbst dabei war, als Paulus mit seinen Begleitern den Herrenbruder und die Jerusalemer Ältesten bei dem Zusammentreffen in Apg 21 aufsuchte. Das Problem der Kollektenübergabe steht im Hintergrund, doch Lukas übergeht diese hier scheinbar und läßt sie Paulus erst bei seiner Verteidigung vor dem Statthalter Felix nachträglich ganz nebenbei expressis verbis erwähnen: »Nach mehreren Jahren bin ich gekommen, um Almosen für mein Volk zu überbringen und zu opfern.«44 Doch auffallend ist, wie Paulus in Apg 21,19 Jakobus und den Ältesten von seiner διακονία unter den Völkern berichtet: »Und nachdem er sie begrüßt hatte, erzählte er eins nach dem andern, was Gott durch seinen Dienst (διὰ τῆς διακονίας αὐτοῦ)45 unter den Völkern gewirkt hatte.«
Lukas verwendet hier dasselbe Wort διακονία, das Paulus in der Korintherkorrespondenz46 für die »Sendung« und »Überbringung« der gesammelten Gelder
M. Hengel, Jakobus, 92. Zitiert oben S. 422 Anm. 18. M. Tiwald, Frühjudentum, 102: Der Protest der Pharisäer gegen die Hinrichtung des Jakobus zeige, daß »der konservativ-gesetzesstrenge Jakobus noch voll und ganz als Mitglied des Judentums gewertet wurde und von seiner Grundhaltung den Pharisäern nahestand.« Auch bei U. Schnelle, Jahre, 123, vertritt Jakobus »einen strengen judenchristlichen Standpunkt«. 43 In Apg 20,4 werden genannt: Sopater, der Sohn des Pyrrus, aus Beröa, aus Thessaloniki Aristarch und Sekundus, Gaius aus Derbe und Timotheus aus Lystra, aus Asien (Ephesus?) Tychikus und Trophimus. Zu diesen sieben Männern hinzu kommen die nicht namentlich genannten »Wir« in Apg 20,5 f. und »einige Jünger« aus Caesarea (Apg 21,16). 44 Apg 24,17. 45 A. Hentschel, Diakonia, 371, übersetzt »Verkündigungstätigkeit« und bezieht διακονία hier ganz allgemein auf die paulinische Mission unter den Völkern. Doch in Apg 15,4.12 verwendet der lukanische Paulus eben nicht διακονία, um seine erfolgreiche Missionstätigkeit zu bezeichnen, sondern erzählt, »was Gott … durch sie getan hatte«. 46 2 Kor 8,4; 9,1.12.13. Siehe dazu A. Hentschel, Diakonia, 146–156 (156): »Mit Diakonia wird von Paulus speziell die Überbringung der Kollekte nach Jerusalem bezeichnet, der er sich als einer übergemeindlichen und wichtigen Beauftragung selbst unterstellt weiß (2 Kor 8,3–4). In Verantwortung vor Gott und vor den ihn beauftragenden Gemeinden bringt Paulus als Bote (διακονῶν) die Geldspende nach Jerusalem (2 Kor 8,20–21; Röm 15,25.31).« 41 42
450
IV. Das palästinische Judenchristentum
für die Heiligen in Jerusalem47 und auch in Röm 15,3148 im Zusammenhang mit seiner Kollekte gebraucht, wenn er die römischen Christen bittet, für ihn zu beten, daß er vor den ungläubigen (Juden) in Judaea gerettet werde und daß seine διακονία für Jerusalem den dortigen Heiligen willkommen sei. Daß jeweils bei Paulus wie in Apg 21,19 von διακονία die Rede ist, kann kein Zufall sein.49 Zudem wird in Apg 11,29 f. und 12,25 ebenfalls im Zusammenhang mit einer Kollekte, durch die in diesem Fall die Antiochener die Jerusalemer Gemeinde unterstützt hatten, das Stichwort διακονία gebraucht, um die Überbringung des gesammelten Geldes zu bezeichnen.50 Aber was bedeutet διακονία an den jeweiligen Stellen? Es fragt sich doch, ob in Apg 21,19b nur pauschal die gesamte Missionstätigkeit des Paulus unter diesem Begriff zusammengefaßt wird51 oder ob hier nicht im besonderen auch an den Auftrag gedacht ist, den Paulus beim Apostelkonzil (Gal 2,10) übernommen hatte und der ihm seitdem besonders am Herzen lag, und zwar als von Gott selbst bewirkte διακονία. Die Apostelgeschichte übergeht die Kollekte der paulinischen Gemeinden aus den Völkern nicht mit völligem Schweigen, denn Paulus gibt sie vor dem Statthalter als Grund seines Aufenthalts in Jerusalem an (Apg 24,17). Diese Geldspende wurde auch nicht von Paulus allein, sondern muß von der stattlichen Delegation seiner Begleiter, den »Wir«, mit überbracht worden sein, die von Jakobus und den Ältesten als Vertretern ihrer Gemeinden entsprechend empfangen werden (vgl. Apg 20,4 ff.). Anders als in Apg 11,30, wo die Annahme der Antiochener Kollekte ohne Kommentar erzählt wird, wird in Apg 21,20 die Reaktion der versammelten Jerusalemer auf den Bericht des Paulus – und indirekt auf die Überbringung der Gaben – erwähnt: »Als sie das gehört hatten, priesen sie Gott.«52 Zur Wortbedeutung an diesen Stellen vgl. A. Hentschel, Diakonia, 148 f.152 f. Hier schlägt A. Hentschel, Diakonia, 154 f., die Bedeutung »Botengang« vor. 49 So auch R. Deines, Jakobus, 237: »Will man zwischen den Zeilen lesen, dann ist dies der Moment, wo Paulus die Kollekte der Kirche aus den Völkern der Jerusalemer Gemeinde zu Füßen legt.« Vgl. auch L. T. Johnson, Brother of Jesus, 5: »diakonia … an oblique reference to the collection …?« Anders U. Schnelle, Jahre, 289 ff., der überzeugt ist, daß die Jerusalemer die Annahme der Kollekte ablehnten und es »am Ende der grundlegenden Epoche des frühen Christentums [zu einer] … bleibende[n] Entzweiung« (291) kam. 50 A. Hentschel, Diakonia, 348, dagegen betont, daß διακονία in Apg 11,29 nicht die Kollekte bezeichnet, sondern »den Botengang zur Überbringung der Spende«. In 12,25 erscheint ihr die »zutreffendste[…]« Übersetzung »Auftrag« bzw. »offizielle[…] Beauftragung« (350, Hervorhebungen im Original). Wie in Apg 21,18 ff. gehört es in 11,30 zur Kompetenz der Gemeindeältesten, daß sie die Kollekte annehmen. 51 A. Hentschel, Diakonia, 351, ist überzeugt: »Im Erzählduktus der Apostelgeschichte spielt … die dem historischen Paulus so wichtige Kollekte auffallenderweise … keine Rolle mehr«, deshalb übersieht sie, daß sie in Apg 24,17 von Paulus als Grund für seine Reise nach Jerusalem angegeben und die Überbringung der Kollekte eindeutig erwähnt wird. 52 Vgl. Apg 11,18: die Reaktion auf den Bericht des Petrus und die Anerkennung der beschneidungsfreien Völkermission. 47 48
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
451
Lukas hält sich nicht länger damit auf, die Annahme – von einer Ablehnung ist erst recht nicht die Rede – der Kollekte zu schildern, sondern geht gleich über zu den Gerüchten, die in Jerusalem über Paulus als Apostaten kursierten. Der Vorschlag der versammelten Jerusalemer – nicht des Jakobus allein –, daß Paulus die Auslösung von vier Nasiräern übernehmen solle, um öffentlich seine Gesetzestreue zu beweisen, ist für Lukas wichtiger für den Fortgang seiner Erzählung. Denn im Zusammenhang mit dieser Auslösung wird Paulus dann verhaftet. Es ist anzunehmen, daß die Kollektengelder auch für die kostspieligen Opfer dieser Auslösung verwendet wurden. Paulus war kein reicher Mann, woher sollte er die vom Gesetz vorgeschriebenen Mittel für die beträchtlichen Opfergaben haben?53 Vielleicht sollte die Jerusalemer Gemeinde dann am üppigen Opfermahl am Ende der Zeremonie in freudiger Gemeinschaft teilhaben. Der lukanische Paulus wird vom Vorschlag der Jerusalemer Gemeindeältesten und des Jakobus nicht völlig überrascht worden sein, denn er hatte sich ja schon Jahre zuvor in Kenchreä vor einem Jerusalembesuch auf Grund eines Gelübdes die Haare schneiden lassen.54 Den Vorwurf, Paulus verführe gebürtige Juden zur Apostasie, hatte Lukas schon mit dem Bericht von der Beschneidung des Timotheus entkräftet (Apg 16,3). Die Forderungen des Aposteldekrets für die gläubig gewordenen Heiden werden nach der Darstellung des Lukas hier in Apg 21,25 – im Widerspruch zu Apg 15,22 – Paulus zum ersten Mal mitgeteilt.55 Dabei erscheint nicht Jakobus allein als Sprecher, sondern die Gemeinschaft von Jakobus mit den Ältesten. Der Eindruck, daß Jakobus »der absolute Leiter« und die Ältesten nur ein untergeordnetes »Ratskollegium«56 gewesen seien, führt wohl doch in die falsche Richtung. Der gebürtige Schweizer Adolf Schlatter legte einst großen Wert darauf, daß die früheste Kirche ›demokratisch‹ geführt wurde. Jakobus war in der historischen Situation damals in Jerusalem noch nicht der ἐπίσκοπος ἐπισκόπων,
53 Num 6,14–20; Philo, Spec. 1,247–254. Paulus hatte also pro Person aufzuwenden: ein einjähriges männliches und ein einjähriges weibliches Schaf, einen Widder, einen Korb mit ungesäuertem Kuchen aus Feinmehl und Öl, ungesäuerte, mit Öl bestrichene Fladen »und alles, was dazugehört an Speisopfern und Trankopfern«. Agrippa I. ließ »sehr viele« Nasiräer sich die Haare scheren, als er als König in Jerusalem ankam, das heißt, er löste sie aus als Zeichen dafür, daß er keine der vom Gesetz vorgeschriebenen Riten ausließ und natürlich um seine königliche Freigebigkeit zu beweisen (Josephus, Ant. 19,293 f.). Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus, 386. 54 Apg 18,18. 55 B. Wander, Trennungsprozesse, 242, nimmt an, daß es vorher in den Gemeinden der petrinischen Mission gegolten habe und »nun auch für die paulinische Mission verbindlich« gemacht werden sollte. 56 So J. Jervell, Apg, 523; zur Auseinandersetzung um das »Kalifat« des Jakobus zwischen E. Stauffer und H. v. Campenhausen siehe M. Hengel, Jakobus, 580 Anm. 86.
452
IV. Das palästinische Judenchristentum
als der er in den Pseudoklementinen erscheint,57 und auch noch nicht der Inhaber des θρόνος von Jerusalem, als der er dann seit der Zeit Eusebs wichtig wird.58
13.2 Zum Rätsel des Jakobusbriefs59 »Der Jakobusbrief ist … kein spätes, dürftiges Zufallsprodukt. Er ist mit Überlegung konzipiert und mit rhetorischem Geschick verfaßt. Die dahinterstehende Gedankenwelt ist die der jüdischen Weisheit, verbunden mit profetischem Pathos und in engster Verflechtung mit der Jesustradition, wie sie uns in der Logientradition, bei Lk, Mt und Mk begegnet.«60
Seit Martin Hengel dies vor gut 30 Jahren geschrieben hat, sind zahlreiche Untersuchungen zum Jakobusbrief erschienen. Seinem Ergebnis, wie es hier formuliert ist, wird man heute noch gerne zustimmen, nur der Weg, auf dem er zu diesem gekommen ist, scheint sich nicht bewährt zu haben. Für ihn war eine durchgehende antipaulinische Polemik der Schlüssel, mit dem er sich den »nicht befriedigend gelöste[n] Aporien«61 des Jakobusbriefes näherte. Seinen hypothetischen (!) Lösungsvorschlag begründete er unter anderem damit, daß der Herrenbruder dieses Schreiben mit Hilfe eines »Sekretärs« verfaßt habe. Die Annahme eines rhetorisch gebildeten Gemeindegliedes, das Jakobus bei der Abfassung unterstützte, schien ihm plausibel, weil der Herrenbruder kaum ein in seiner Wortwahl so ausgesucht gebildetes Griechisch geschrieben haben könne.62 Auf der anderen Seite wies er darauf hin, daß Satzperioden fast völlig 57 PsClem
Ep. 1,1 (GCS Pseudoklementinen I, 5,2 ed. Rehm / Strecker). dazu unten § 14.3.6 (S. 489 ff.). 59 Vgl. M. Hengel, Jakobusbrief; W. Pratscher, Herrenbruder, 209–221; J. Painter, James, 227–269; J. D. G. Dunn, Beginning, 1122–1147; ders., Neither Jew nor Greek, 512 f.: »The Enigma of James«; K.-W. Niebuhr, Jakobusbrief; ders., New Perspective on James?; L. T. Johnson, Brother of Jesus; P. J. Hartin, James, 87–113; M. Konradt, Jakobus, der Gerechte; D. A. deSilva, Jewish Teachers, 45–57; D. C. Allison, James, 1: »The book of James has been dubbed ›the enigma of the New Testament‹, and critical opinion regarding the letter is unusually diverse.« Vgl. J. Painter, What James Was, der sein Ergebnis von 1997 noch einmal bekräftigt. Zuletzt R. Deines, Jakobus, 28–37.244–276: »Der Jakobusbrief als Quelle für den historischen Jakobus«. 60 M. Hengel, Jakobusbrief, 264 = KS III, 547. Zu diesem Ergebnis kam Hengel in einem Aufsatz, den er zuerst in der Festschrift für E. Earle Ellis 1987 veröffentlicht und dann – wesentlich erweitert – in den dritten Band seiner Kleinen Schriften aufgenommen hatte. Im Gespräch konnte er später sagen, daß der Jakobusbrief »möglicherweise doch echt« sei. Vgl. U. Schnelle, Jahre, 376 ff. 61 M. Hengel, Jakobusbrief, 248 = KS III, 511. Dem widerspricht unter anderem im Hinblick auf die paulinische Rechtfertigungslehre K.-W. Niebuhr, Gerechtigkeit, 1343: »Wenn man die paulinische Rechtfertigungslehre als Schlüssel zum Jakobusbrief gebrauchen wollte, dann würde dieser Schlüssel im Schloss steckenbleiben und abbrechen.« 62 So auch D. C. Allison, James, 25: »It is rather a question of how likely it is that the brother of Jesus could have written fairly accomplished Greek, possessed such a large Greek 58 Siehe
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
453
fehlen, ebenso der Genitivus absolutus, AcI und Optativ. Doch dieses, wie der »eingeschränkte Gebrauch der Partikel und die Vorliebe für das Asyndeton müssen nicht unbedingt als … Stilmängel betrachtet werden, sondern hängen mit [der] … ›autoritären‹, imperativischen Struktur des Briefes zusammen«.63 Zugleich entdeckte Hengel aber auch erstaunlich viele palästinische Traditionen und sogar Jerusalemer Lokalkolorit in diesem Brief.64 Doch die Bildung und die Griechischkenntnisse des Herrenbruders selbst sollte man nicht unterschätzen. Er hätte sich kaum als Gemeindeleiter in Jerusalem über zwei Jahrzehnte halten können, wenn er nicht über eine entsprechende Schriftkenntnis und Bildung verfügt hätte.65 In Gal 2,9, Apg 15,13–21 und 21,18–25 steht er an der Spitze bei den Verhandlungen mit den Delegationen aus der Diaspora und führt in Apg 15,16 f. mit seinem Schriftbeweis – nach der Septuaginta – den Kompromiß herbei.66 Wenn man mit Sicherheit annehmen könnte, daß der Herrenbruder Jakobus in Jerusalem den Brief verfaßt hat,67 wäre es einfacher, sich ein Gesamtbild vocabulary, employed the LXX, and adopted Hellenistic literary topoi« (Hervorhebungen im Original). Anders R. Deines, Jesus and Scripture; ders., Jakobus, 266 ff., neigt dazu, R. Bauckham recht zu geben und den Jakobus‑ und den Judasbrief den Brüdern Jesu zuzuschreiben. Dann ergäbe sich ein wesentlich anderes Bild von der Erziehung und Bildung in der Familie Jesu im Galilaea des 1. Jahrhunderts. Deines hält zudem Magnifikat und Benediktus für poetisch-messianische Psalmen aus der Familie Jesu, die deren Frömmigkeit charakterisieren; er verweist dazu auf D. A. deSilva, Jewish Teachers. Anders z. B. O. Wischmeyer, Beobachtungen, 320; sie ist der Überzeugung, daß Jakobus »nach allem, was wir wissen, selbst illiterat war«. Hier wirkt die alte formgeschichtliche Betrachtungsweise nach. 63 M. Hengel, Jakobusbrief, 250 = KS III, 518. 64 M. Hengel, Jakobusbrief, 261.262 = KS III, 540.542 Anm. 85 zu Jak 5,14 ff.: Die Vollmacht der Presbyter zur Heilung mit Ölsalbung »macht … das Spezifikum der Presbyter in Jerusalem aus, die sich als Nachfolger der (zwölf) Apostel betrachten konnten, für die die Heil[ung]sgabe nach der Aussendungsüberlieferung Mk 6,7.13 … inhärent war«. D. C. Allison, James, z. St., schildert breit die Wirkungsgeschichte und nennt auch viele Parallelstellen, aber zur Ölsalbung bei der Heilung betont auch er (762): »Mark 6.13 is the only other reference to anointing as an act of healing in the earliest Christian sources. … Perhaps it was not widely practiced.« Aus diesem Befund zieht er keine Folgerungen. Weiter P. H. Davids, Traditions. Zu den Semitismen siehe auch D. C. Allison, James, 86 f., der zu dem Schluß kommt (87): »One cannot object, however, to the possibility that our author was bilingual, perhaps a Greekspeaking Jew who, despite his knowledge of the LXX, also had some sort of education in the Hebrew Bible.« Auch das könnte meines Erachtens für die Sekretärshypothese sprechen. Vgl. M. Hengel, Jakobusbrief, 249 f. = KS III, 516 f.: »Rhetorische Bemühung und weisheitliche Form geben … dem Brief ein fast ›poetisch‹ erscheinendes Gepräge. … Das alles könnte darauf hinweisen, daß ein griechisch gebildeter palästinischer Jude schreibt, der sowohl die alttestamentlich-jüdische Weisheit wie die Grundbegriffe der Rhetorik kennt.« Anders O. Wischmeyer, Milieu of James, 36 (mit Verweis auf C. Burchard, Jakobusbrief, 7): »there is no sign of particular ›Lokalkolorit‹ in James«. 65 So M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 295 f. 66 Vgl. R. Deines, Jakobus, 214–219; dazu auch oben S. 406 bei Anm. 45–46. 67 In die Zeit zwischen 58 und 60 n. Chr. datierte ihn M. Hengel, Jakobusbrief, 258 f. = KS III, 536 f. Anders jetzt mit guten Gründen R. Deines, Jakobus, der wieder die Frühdatierung um 45–50 vertritt.
454
IV. Das palästinische Judenchristentum
von der Persönlichkeit dieses Leiters der Jerusalemer Gemeinde zu machen. Immerhin haben wir durch Paulus und Lukas noch Berichte von Augenzeugen, die ihn persönlich kannten. Josephus lebte in Jerusalem und kannte die Vorgänge, die zur Verurteilung und Steinigung des Jakobus durch Hannas II. führten, aus nächster Nähe. Josephus schildert auch die Zeitumstände damals in Jerusalem in lebhaften Farben. Paulus nennt Jakobus in Gal 2,9 als ersten unter den drei »Säulen«, die die ihm geschenkte Gabe der Evangeliumsverkündigung anerkannten. Entsprechend muß auch Jakobus eine besondere, charismatische Autorität besessen haben. Doch er war kein Wundertäter; dieses Element fehlt bei ihm – soweit ich sehe – auch in der legendären Überlieferung bis auf sein bei Epiphanius überliefertes Regenwunder.68 Auf der anderen Seite tritt seine Gewißheit, daß Gebete erhört werden, sowohl im Jakobusbrief (1,5 f.; 5,13–18) hervor wie in der legendären Erinnerung an ihn als großen Beter. Es sind nicht nur die griechische Sprache und die gepflegte Rhetorik, die gegen die Verfasserschaft des Jakobus zu sprechen scheinen, es werden auch verschiedene Gründe vorgebracht, die eine spätere Entstehung des Briefes in einem anderen Milieu nahelegen.69 Als stärkstes Argument wird aber immer wieder angeführt, daß der Brief erst so spät bezeugt sei, erst von Origenes als Schrift zitiert werde70 und daß der Brief Schwierigkeiten hatte, in den Kanon aufgenommen zu werden.71 68 Dieses
Regenwunder ist erschlossen aus Jak 5,7.17 f.; dazu unten S. 486 Anm. 57. Dazu M. Konradt, Existenz, 317–338; P. Pokorný / U. Heckel, Einleitung, 719–725, besonders 726: »so fehlt die Problematik des mosaischen Gesetzes … die Auseinandersetzung … um die Frage der Heilsbedeutung des Gesetzes bei der Beschneidung und den Speisegeboten … Auch das Verhältnis der Kirche zu Israel … oder der Umgang mit den Heidenchristen … sind kein Thema mehr. Vielmehr zeigt sich ein verändertes geistiges Klima, in dem die paulinische Theologie weitere Bereiche der Kirche beeinflusste.« Aus diesem Grund lehnen sie die ›Sekretärshypothese‹ ab. 70 Für Origenes – und später für Augustin – ist der Jakobusbrief wichtig, um die paulinische Rechtfertigungslehre vor falscher Auslegung zu bewahren. Siehe dazu D. R. Nienhuis / R. W. Wall, Reading, 25 ff. zu Origenes, Comm. in Joannem 20,10 (66) [ad 8,39] (GCS Origenes IV, 337 ed. Preuschen) und Comm. in ep. ad Rom. 2,9,27 (SC 532, 400,6–21 ed. Hammond Bammel / Fédou / Brésard); 4,1,5 (SC 539, 186,1–12 ed. Hammond Bammel / Fédou / Brésard): »… in numerous commentary passages Origen shows a deep concern to keep believers from concluding that Paul is advocating justification by ›faith alone‹ without the corresponding evidence of a holy life« (26). 71 D. C. Allison, James, 13–18: »… there are only uncertain hints that James was known before the last part of the second century« (18), mit Verweis auf Euseb, H. e. 2,23,25 (GCS Eusebius II/1, 174,12–17 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Doch eine Abhängigkeit des Hirten des Hermas vom Jakobusbrief sieht auch D. C. Allison, James, 20–23. Den Hirten des Hermas datiert er vor 150 in Rom. Allison erwähnt auch, daß sich Jakobus in der HegesippLegende an die Diaspora wendet (op. cit., 25 mit Verweis auf Euseb, H. e. 2,23,11 [GCS Eusebius II/1, 168 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]). Vgl. D. R. Nienhuis / R. W. Wall, Reading, 77 ff. D. R. Nienhuis, Paul, 119 f., gibt zu bedenken, daß der Autor des Jakobusbriefs genauso gut den Hirten des Hermas gekannt haben kann. Ebenso sieht er den Autor des Jako69
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
455
13.2.1 Zur neueren Forschungsgeschichte Während der Jakobusbrief früher vor allem dank Luthers Diktum von der »strohernen Epistel« in der protestantischen Forschung eher im Schatten stand, hat er in den letzten Jahrzehnten verstärkt Aufmerksamkeit gefunden.72 Dabei herrscht heute große Einigkeit darüber, daß mit dem zu Beginn des Briefes als Verfasser genannten Jakobus kein anderer als nur der Herrenbruder gemeint sein kann.73 Uneins ist man darüber, ob er wirklich der Verfasser gewesen ist oder ob es sich beim Jakobusbrief nicht doch um ein Pseudepigraphon handelt. Das letztere ist die Meinung der Mehrheit: »Dass der Jakobusbrief … tatsächlich vom Bruder Jesu stammt, wird in der kritischen Forschung zumeist verneint.«74 Für die Datierung und den Ort, an dem der Brief verfaßt sein könnte, gibt es die unterschiedlichsten Vorschläge.75 Im Grunde läßt sich – wenn der Jakobusbrief busbriefes als Verfasser der drei Katholischen Briefe, die er zu einer Sammlung der Schriften der drei Säulenapostel gestaltet habe; diese sollte als ein kanonisches Gegengewicht, ein »counterbalance to the Pauline dominance whose dangers had been exposed by Marcionism«, dienen (so Francis Watson im Vorwort zu diesem Band [S. X]). Meines Erachtens kennt schon die von Hegesipp mitgeteilte Jakobuslegende den Jakobusbrief; vgl. dazu unten S. 475 bei Anm. 5 und S. 502 bei Anm. 46. 72 Vgl. D. C. Allison, James, 109: »The academic study of James is prospering at the moment.« Das gilt auch fünf Jahre später noch. 73 U. Schnelle, Einleitung, 439 f.; P. Pokorný / U. Heckel, Einleitung, 725; J. D. G. Dunn, Beginning, 1123; ders., Neither Jew nor Greek, 512. D. C. Allison, James, 5: »[T]he only James who could be introduced without further biographical specification, and who speaks with the authority that this writer does, must be the most famous James, which means the bro ther of Jesus.« Das spricht bei Allison aber für ein Pseudepigraphon. Vgl. weiter op. cit., 113 ff. zur Auslegungsgeschichte. Zu den verschiedenen Jakobusgestalten im Neuen Testament siehe jetzt R. Deines, Jakobus, 59–79. 74 M. Konradt, Jakobus, der Gerechte, 575. C. Burchard, Jakobusbrief, 4: »Gegen den Herrenbruder sprechen … die griechische Rhetorik …, die hellenistischen, wenn auch oft jüdisch vermittelten Züge seiner Theologie und Ethik, die sprachlichen und sachlichen Berührungen mit der nachpaulinischen frühchristlichen Literatur und was sich über die Adressaten ausmachen läßt«. J. D. G. Dunn, Beginning, 1123 ff., nimmt eine mündliche Phase der Lehre des Herrenbruders an, die dann wohl von Schülern in diesem Schreiben zusammengefaßt worden sei. Für die Echtheit plädieren außer dem zitierten Aufsatz von M. Hengel in den letzten Jahren unter anderen: R. Bauckham in seinen zahlreichen gelehrten Studien zu Jakobus und zum Jakobusbrief (R. Bauckham, Jude; ders., James; ders., James, Peter; ders., Offence; ders., James and the Jerusalem Community, 93 f.); L. T. Johnson, Brother of Jesus, 3 und passim; vgl. R. J. Foster, Significance, 18–24.203. Foster betont, daß sich keine zwingenden Gründe für die Echtheit, aber auch nicht gegen sie finden lassen, und geht deshalb davon aus, daß Jakobus der Gerechte der Autor war. Zuletzt R. Deines, Jakobus, 244–276: »Der Jakobusbrief als Quelle für den historischen Jakobus«. 75 Siehe dazu die Listen in den Kommentaren; besonders ausführlich bei D. C. Allison, James, 28 f.: Die Datierung schwankt zwischen 40–50 n. Chr. und der Mitte des 2. Jahrhunderts. Allison selbst plädiert für 100–120 n. Chr. (wie schon A. v. Harnack). Ebenso variabel sind die Vorschläge für den Abfassungsort (op. cit., 94–98): Rom, Ägypten / Alexandria, Syrien, Antiochia, Palästina, Jerusalem, Galilaea – oder die Frage wird offengelassen. Allison gibt Rom den Vorzug, weil der Brief am nächsten verwandt sei mit Texten wie dem 1. Clemens-
456
IV. Das palästinische Judenchristentum
ein Pseudepigraphon ist – auch die Frage nach dem Abfassungsort nicht mehr beantworten.76 Nach James D. G. Dunn gibt dieser Brief »an unparalleled insight into the embryonic Christianity of Palestine and probably of Jerusalem itself«.77 Obwohl der Herrenbruder nicht der Verfasser sei, enthalte der Brief die Lehre des Jakobus, die dieser mündlich den nach Jerusalem gekommenen Pilgern verkündigt habe. Das unterstreicht Dunn im dritten Band seiner Geschichte des frühen Christentums noch einmal.78 Gerd Theißen nahm den oben zitierten Vorschlag von Martin Hengel zur antipaulinischen Polemik im Jakobusbrief auf und modifizierte ihn: »Der Jakobusbrief korrigiert ein Bild vom Judenchristentum, das die paulinischen Briefe, insbesondere Gal, 2 Kor, Phil, hervorrufen mussten, als seien Judenchristen auf ihren Status stolz, auf rituelle Fragen fixiert, hätten sich nicht von der Last des Gesetzes emanzipiert und suchten mit anderen Christen den Konflikt.«79
Mit seinem Bild »von einem ethisch hochstehenden Judenchristentum« will der Jakobusbrief »zu den polemisch verzerrten Aussagen des Paulus über seine judenchristlichen Gegner einen notwendigen Ausgleich« schaffen.80 Theißen schlägt vor, der Jakobusbrief sei als Pseudepigraphon von einem späteren Judenchristen verfaßt worden in einer Zeit, in der die Paulusbriefe als Sammlung zirkulierten, das heißt gegen Ende des 1. Jahrhunderts.81 Wegen seiner Nähe zum Matthäusevangelium sei eine Entstehung im syrischen Raum am wahrscheinlichsten.82 Beides hatte Theißen auch in einem Band zum Jakobusbrief unterstrichen, den er zusammen mit Petra von Gemünden und Matthias Konradt »zur Rehabilitierung der ›strohernen Epistel‹« herausgegeben hatte. Wie schwankend die Vorschläge zur Datierung sind, läßt sich auch daran erkennen, daß Matthias brief und dem Hirten des Hermas, die in Rom geschrieben wurden; das Judenchristentum habe im 1. und 2. Jahrhundert hier noch besonders engen Kontakt zur Synagoge gehabt (97). Aber wahrscheinlich ist Rom zwischen 100 und 120 nicht der Entstehungsort, sondern der für uns noch erkennbare Ort seiner frühen Rezeption, siehe M. Hengel, Jakobusbrief, 264 = KS III, 548 Anm. 104: »In Rom war er [d. h. der Jakobusbrief] immerhin noch bis zur Zeit des Hermas bekannt.« Vgl. oben Anm. 71. 76 W. Popkes, Jakobus, 69; vgl. J. Frey, Brief des Judas, 26 Anm. 153 mit Verweis auf Popkes. 77 J. D. G. Dunn, Beginning, 1122. 78 J. D. G. Dunn, Neither Jew nor Greek, 512: »Indeed, the suggestion is highly plausible that the letter of James consists of the teaching / preaching which James gave to diaspora Jewish believers (and other Jewish pilgrims?) on their pilgrimage visits to Jerusalem« mit Verweis auf ders., Beginning, § 37.2c. 79 G. Theissen, Entstehung, 176. Zur Hypothese von Martin Hengel siehe oben Anm. 61. 80 G. Theissen, Entstehung, 176 f. 81 G. Theissen, Entstehung, 176 Anm. 29; dazu ders., Intention, 54–82. 82 Vgl. den Schluß des Vorwortes in P. v. Gemünden / M. Konradt / G. Theissen, Jakobusbrief.
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
457
Konradt im selben Band das Schreiben auf »schwerlich später als 85« datiert,83 denn der Jakobusbrief kenne das Matthäusevangelium noch nicht. Besonders eingehend und ausführlich hat in den letzten Jahren Dale C. Allison in seinem in jeder Hinsicht gewichtigen Kommentar84 die Diskussion dargestellt und einen eigenen Lösungsvorschlag vorgetragen. Allison betont, daß die Unsicherheit über den Autor und den Entstehungsort an unserem Mangel an Quellen liegt: »Our knowlegde of both early Christianity and early Judaism remains, despite new discoveries and the undeniable progress of scholarship, woefully incomplete. … One can indeed slot James into pre-70 Palestine if so inclined. But one can equally read the epistle, as does this commentary, as a second-century pseudepigraphon composed in the diaspora. The vagaries of our letter and the gaping holes in our knowledge allow different scholars to place James in different times and different places.«85
Allison entscheidet sich für eine späte Datierung um 100–120 und nimmt an, der Jakobusbrief sei vom 1. Petrusbrief abhängig und nicht umgekehrt. Offensichtlich haben der Jakobusbrief und der 1. Petrusbrief zwölf sehr enge Parallelen. Diese werden traditionell so erklärt, daß der 1. Petrusbrief den Jakobusbrief als Quelle verwendet und, was dort an christlicher Theologie fehlt, ergänzt.86 Auch der Briefkopf 1 Petr 1,1 scheint von Jak 1,1 abhängig zu sein.87 Die umgekehrte Abhängigkeit kann Allison vor allem deshalb postulieren, weil er der Ansicht ist, daß das Schreiben des Jakobus an Judenchristen und Juden gerichtet ist, also nur an Angehörige des jüdischen Volkes – seien sie nun Anhänger Jesu oder nicht. Aus diesem Grund habe der Autor auf die christologischen Passagen des 83 M. Konradt, Jakobusbrief, 42. Anders wieder D. C. Allison, James, 61: »The hypothesis that James knew Matthew is a real possibility.« Vgl. auch M. Konradt, Jakobus, der Gerechte, 592 Anm. 75: »zwischen 70 und 80/85 n. Chr.« geschrieben. 84 D. C. Allison, James; vgl. dazu die Rezension von K.-W. Niebuhr, ThLZ 141 (2016), 475–478. Niebuhr schließt mit: »In diesem Fall liegt wohl für die kommenden Jahrzehnte ein Standardkommentar vor.« (478) 85 D. C. Allison, James, 13. Vgl. D. R. Nienhuis / R. W. Wall, Reading, 76: »No scholarly consensus has been reached on any detail of this letter’s point of origin«. 86 So schon F. Spitta, Geschichte, 183–202; A. Meyer, Rätsel des Jacobusbriefes; weiter M. Hengel, Jakobusbrief, 251 = KS III, 519 Anm. 26. Anders z. B. auch M. Konradt, Jakobusbrief, 39–42, der den Jakobusbrief, den 1. Petrusbrief, das Matthäusevangelium und paulinisch-deuteropaulinische Schriften unabhängig voneinander in gemeinsamer antiochenischer Tradition wurzelnd sieht. In M. Konradt, Existenz, 335, verweist er dazu auf K. Berger, Theologiegeschichte, 418–430. 87 Während Jak 1,1 allgemein an die Diaspora gerichtet ist und seine Adressaten als Zwölfstämmevolk anspricht, richtet sich in 1 Petr 1,1 »Petrus, der Apostel Jesu Christi«, an die »Fremdlinge in der Zerstreuung in Pontus, in Galatien, Kappadokien, Asien und Bithynien«. Die Adresse ist gegenüber Jak 1,1 christlich vertieft und erweitert: Die Gläubigen leben als Fremde in der Welt der Diaspora, die durch konkrete Provinznamen bestimmt ist und die Gebiete im Osten des Römischen Reiches nennt, in die die christliche Mission schon vorgedrungen ist.
458
IV. Das palästinische Judenchristentum
1. Petrusbriefs verzichtet und nur das übernommen, was ihm für seine jüdischen Adressaten dienlich schien. Diese Annahme stützt er auch auf sein textkritisches Urteil, in Jak 2,1 ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ als sekundär auszuscheiden. Er begründet dies zudem damit, daß er entschieden der in den letzten Jahren immer stärker werdenden »Forschungstendenz« folgt, nach welcher die »Grenzen zwischen ›Juden‹ und ›Christen‹ … noch bis weit in das 2. Jh. hinein alles andere als klar definiert und markiert waren«.88 Allison stellt die Forschungsgeschichte – und hier vor allem auch die ältere – ausführlich dar und erörtert die verschiedenen Vorschläge für die Abhängigkeitsverhältnisse der neutestamentlichen Briefe und der frühchristlichen Literatur untereinander in aller Breite.89 Dabei betont er, wie schwer es sei, hier die richtige Entscheidung zu treffen (23): »The truth is very hard to make out.« Er kommt zu dem Schluß: Allein der Hirte des Hermas sei ein Text, der vor 150 den Jakobusbrief kenne.90 Dennoch ist diese Spätdatierung nicht zwingend, und die traditionelle Ansicht, daß schon der 1. Petrusbrief den Jakobusbrief kennt, scheint mir immer noch plausibler.91 Zudem setzen auch der Judasbrief und – indirekt – der 2. Petrusbrief, der weitgehend den Judasbrief aufnimmt, den Jakobusbrief voraus. Der Autor des Judasbriefs stellt sich mit der Verfasserangabe »Bruder des Jakobus« als in der Traditionslinie des Jakobus und des Jakobusbriefes stehend vor.92 Drei deutsche Lösungsvorschläge aus jüngster Zeit seien eigens vorgestellt: Karl-Wilhelm Niebuhr bekräftigt in seinem Aufsatz über den Glauben im Jakobusbrief, daß dieser und die Briefe des Paulus unabhängig voneinander seien und nicht gegeneinander den christlichen Gemeinden das Verhältnis von Glaube und Werken erläuterten. Jakobus wolle gerade nicht Glaube und Werke in einem Gegensatz sehen; denn der Glaube ist für Jakobus wie jede gute Gabe von Gott geschenkt, aber er muß in der Liebe tätig sein, sonst ist er tot. Jakobus und Paulus haben sich persönlich gekannt und schöpfen beide aus dem gemeinsamen Frömmigkeitsreservoir des frühen Christentums.93 Indirekt deutet Niebuhr somit wieder an, daß er es für möglich hält, daß der Jakobusbrief authentisch ist.
88 K.-W. Niebuhr, loc. cit. (Anm. 84), 476. Diese Tendenz läuft meines Erachtens in die verkehrte Richtung. 89 D. C. Allison, James, 7.17.20–23.62–70. 90 D. C. Allison, James, 23. Dazu oben S. 454 Anm. 71 und S. 456 Anm. 75. 91 Vgl. M. Hengel, Jakobusbrief, 251 = KS III, 519 Anm. 26: »Natürlich hat 1 Petr Jak nicht ausgeschrieben, wohl aber gelesen und später ›verarbeitet‹. Ein umgekehrtes Abhängigkeitsverhältnis ist unmöglich. 1 Petr hat die jakobäische Tradition sehr viel stärker ›verchristlicht‹.« 92 So J. Frey, Autorfiktion, 689 ff.700 ff.; ders., Brief des Judas, 12: »Der Briefeingang legt nahe, dass der Autor den Jakobusbrief kennt und bewusst auf diesen anspielt, um so an die Autorität des Herrenbruders Jakobus bzw. seines Briefes anzuknüpfen.« 93 K.-W. Niebuhr, Glaube, besonders 496–499.
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
459
Jörg Frey nennt die Auslegung des Jakobusbriefs von Martin Hengel, der in diesem Brief – wie oben erwähnt – mit offener und subtil verdeckter antipaulinischer Polemik rechnet, ausdrücklich »bold«, also außerordentlich kühn. Dennoch ist er mit ihm, Friedrich Avemarie, Gerd Theißen und Dale C. Allison darin einig, daß man die antipaulinische Tendenz des Briefes, die sich in der Wirkungsgeschichte schon im Judasbrief zeigt, nicht leugnen sollte.94 Anders wiederum Roland Deines. Er dreht den Spieß um: Den Jakobusbrief datiert er »extrem« früh in die Jahre 45–50. Nicht der Jakobusbrief reagiere auf die Lehre des Paulus, sondern Paulus reagiere im Römerbrief auf den Jakobusbrief. Diese Lösung ist mit dem Problem behaftet, daß man dann auch die neutestamentliche Chronologie, anders als Martin Hengel sie rekonstruiert hat, sehen muß: Jakobus‑ und Galaterbrief sind nach Roland Deines die frühesten Briefe im Neuen Testament, geschrieben vor dem Aposteltreffen in Jerusalem im Jahr 48/49 n. Chr., dem schon ein solches Treffen um 45 n. Chr. vorausging.95 Soweit würde ich in Hinsicht auf den Galaterbrief nicht gehen, auch wenn die Ausführungen von Roland Deines zum Jakobusbrief von großer Kenntnis und Einfühlungsvermögen in die damalige Situation in Jerusalem zeugen.
13.2.2 Der Jakobusbrief als Lehre des Jakobus für die »zwölf Stämme in der Zerstreuung« Einleuchtend ist der Vorschlag von Roland Deines, daß der Herrenbruder diesen Brief um 45–50 n. Chr. an die aus Jerusalem in die »Zerstreuung« vertriebenen Gläubigen gesandt hat, um sie in ihren »vielfältigen Anfechtungen« zu mahnen und zu trösten, ihren Glauben zu festigen und um sich als neuer Leiter der Jerusalemer Gemeinde vorzustellen (258 f.). Der Verfasser des Jakobusbriefes zählt sich zu den christlichen Lehrern.96 Dem Anspruch seines Schreibens nach handelt es sich um einen paränetischen christlichen »Diasporabrief«, verfaßt von »Jakobus, Gottes und des Herrn Jesus, des Messias, Sklave« (Jak 1,1). Er ist gerichtet »an die zwölf Stämme … in der Zerstreuung« und will nach »seinem Selbstverständnis … als authentisches
J. Frey, Holy Tradition. R. Deines, Jakobus, 146–157.162–178.258–276. Auf S. 151 nennt Roland Deines das Problem der Datierungsfragen und Bezüge von »Aposteltreffen« und Gal 1,13–2,14 ein »Fragenknäuel«. Auf S. 258 verweist er zum Problem der Datierung des Galaterbriefes auf die ausführliche englische Version seines Jakobusbuches. 96 Jak 3,1 f. betont die besondere Verantwortung, die dieses Leitungsamt mit sich bringt: »Laßt nicht so viele von euch Lehrer sein, meine Brüder; denn wir wissen, daß wir ein strengeres Gericht empfangen werden.« Vgl. P. Pilhofer, Jakobus, 257 zu den Übersetzungsmöglichkeiten; D. C. Allison, James, 520. 94 95
460
IV. Das palästinische Judenchristentum
Wort« des Herrenbruders verstanden werden.97 Insofern scheint es zunächst naheliegend anzunehmen, daß der Jakobusbrief doch auf den Herrenbruder zurückgeht,98 sei es, daß er dieses Schreiben mit der Unterstützung durch einen rhetorisch gebildeten christlichen Bruder als »Sekretär« verfaßt hat – so Martin Hengel – oder daß Schüler in Berufung auf ihn seine Lehre über Gott und den Willen Gottes und seine Anweisungen zu einem gottgefälligen, vollkommenen Leben nach seinem Tod niedergeschrieben und an die Diaspora versandt haben, wie es James D. G. Dunn und andere vorgeschlagen haben. Mit »Sklave«, δοῦλος, gibt sich der Absender den Würdetitel, der dem alttesttamenlichen עבדentspricht und den Israel (besonders im Psalter und bei Deuterojesaja), Abraham, Mose, Josua, David und vor allem die Profeten als Gottes Diener / Sklaven tragen,99 den Christus in Phil 2,7 als Zeichen der Kenose, aber auch Maria, die Mutter Jesu, Simeon im Nunc dimittis und die Apostel erhalten.100 Als Absenderangabe erscheint δοῦλος öfter neben ἀπόστολος in den neutestamentlichen Briefen.101 Paulus verwendet die Bezeichnung δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ – neben ἀπόστολος – für sich und seine Mitarbeiter als christliche Missionare.102 Die Bezeichnung δοῦλος ist also eine geläufige Absenderangabe in frühchristlichen Briefen geworden, die im ›Briefkopf‹ anzeigt, daß der Absender eine führende Funktion in den Gemeinden innehat, die er, dem Willen Gottes gehorsam, ausübt.103 Aber die Wendung θεοῦ καὶ κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ δοῦλος ist einmalig im Neuen Testament und in den frühchristlichen Schriften104 und verrät damit den besonderen Autoritätsanspruch des Verfassers. Aber nicht 97 K.-W. Niebuhr, Gerechtigkeit, 1344; vgl. ders., Ethik, 329–346; vgl. P. J. Tomson, Transformations, 121: »James addresses the Jewish Christians in order to encourage them in their specific calling.« Anders O. Wischmeyer, Beobachtungen, 320: »Diese salutatio schafft eine fiktionale, besser literarische Leserschaft, des Näheren handelt es sich um eine theologischekklesiologische Binnenadresse.« Eine solch rein fiktional-theologische Lektüre verkürzt die historisch-konkreten Züge des Textes bzw. will sie nicht wahrnehmen. Zu diesem Problem bei der Exegese des Johannesevangeliums vgl. J. Frey, ›Die Juden‹, 373 Anm. 170. 98 So P. Stuhlmacher, Tübinger Biblische Theologie, 87. 99 Siehe D. C. Allison, James, 123 f. Anm. 69 f.: z. B. Ex 14,31; Mal 4,4; 4Q504 6 12; LibAnt 20,2 (Mose); Ps 36; Ez 34,23 f. (David); Ps 105,42 (Abraham); 2 Kön 17,13; Esr 9,11; Jes 20,3; 1QS I 3; 4Q 292 2; weiter ParJer 1,4; 6,17(19) (die Profeten). W. Popkes, Leadership, diskutiert diesen Titel nicht. 100 Lk 1,38; 2,29; Apg 4,29; 16,17; Jak 2,23 (v. l. statt φίλος); Apk 10,7 (die Profeten); 15,3 (Mose). 101 Röm 1,1; Phil 1,1: Paulus und Timotheus. In Abhängigkeit von Jak 1,1 wird δοῦλος in Jud 1 und davon wieder abhängig in 2 Petr 1,1 verwendet; die Selbstbezeichnung δοῦλος θεοῦ wird auch in Tit 1,1 im Präskript gebraucht. Dazu U. Wilckens, Röm I, 61 f.; D. C. Allison, James, 123 f. 102 1 Kor 3,5 (διάκονοι); Phil 1,1; 2,22 (ἐδούλευσεν); 1 Thess 3,2 (συνεργὸν τοῦ θεοῦ); vgl. Kol 1,7; 4,12; vgl. U. Wilckens, Röm I, 61. 103 So auch P. J. Hartin, James, 91. 104 Vgl. D. C. Allison, James, 122: Am nächsten verwandt ist Tit 1,1. R. Deines, Jakobus, 266 f.: »Es ist … die einzige Stelle im Neuen Testament, in der die Selbstbezeichnug als
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
461
nur das, der Schreiber erklärt damit Gott und den Herrn Jesus, den Messias, als eine Einheit, als seine beiden Herren. Wer sind nun die Adressaten? Die Adresse »an die zwölf Stämme in der Diaspora / Zerstreuung« stellt ebenfalls ein Unikum in der frühjüdischen und in der frühchristlichen Literatur dar. Sind unter diesen »zwölf Stämmen« alle Christen als das wahre Israel zu verstehen, das Gottesvolk, das bisher noch »in der Zerstreuung«, das heißt außerhalb des Heiligen Landes – bzw. in der »Welt« –, lebt?105 Oder sind mit diesen »zwölf Stämmen« nur Judenchristen gemeint? Beschränkt sich die Adresse auf diese, und sind die Heidenchristen damit ausgeschlossen?106 Richtet sich das Schreiben schlicht »an diejenigen, die sich als Glieder der Jesusbewegung dem biblischen Gottesvolk zurechnen«?107 Oder lösen sich alle Probleme, wenn man annimmt, der Verfasser schreibe gezielt nur an Juden und Judenchristen, aber nicht an Heidenchristen?108 Ist mit »Diaspora« die tatsächliche weltweite Verbreitung / Zerstreuung des Gottesvolkes gemeint oder nicht doch eher dessen Fremdlingschaft in der Welt fern der himmlischen Heimat? Wenn der Jakobusbrief ein Pseudepigraphon ist, dann ist nicht nur der Absender ein Pseudonym, sondern dann sind es auch die Adressaten.109 Man kann ›Sklave‹ gleichzeitig auf Jesus und Gott bezogen ist, wodurch beide aufs engste zusammenrücken« (Hervorhebung im Original). 105 So M. Hengel, Jakobusbrief, 248 = KS III, 512. 106 So J. D. G. Dunn, Beginning, 1128 Anm. 115. Vgl. auch B. Weiss, Das Neue Testament III, 263, der bemerkt: »Die zwölf Stämme (Mt. 19,28) bezeichnen das von den Vätern stammende Volk Israel nach seinem nationalen Bestande, während das εν τ. διασπ. … auf den ausserhalb Palästinas … zerstreut wohnenden Teil desselben hinweist. Da es in der Natur der Sache liegt, dass ein Knecht Jesu Christi sich zunächst an die Messiasgläubigen unter ihnen wendet, und dieselben doch nicht als solche charakterisiert werden, leben sie noch in engster sozialer Gemeinschaft mit ihren ungläubigen Volksgenossen.« 107 So K.-W. Niebuhr, Jakobusbrief, 423; vgl. ders., Gerechtigkeit, 1345 Anm. 77: »M. E. deutet nichts im Brief darauf, dass die Adressaten Nichtjuden sind (also sogenannte ›Heidenchristen‹), aber ebensowenig kann man von einer klar definierten oder gar begrifflich fixierten ›christlichen‹ Identität der Adressaten ausgehen. Aus der Sicht des Autors (sei es der Herrenbruder selbst oder ein pseudepigrapher Verfasser, der seine Autorität in Anspruch nimmt) gehören sie zu Israel, und zwar gerade als solche, die ihren Glauben wie Jakobus auf Gott und den Herrn Jesus Christus stützen.« Vgl. L. Doering, Jewish Letters, 452–463. 108 So D. C. Allison, James, 32–50.116 mit Verweis auf Beda, der der erste Vertreter dieser Ansicht gewesen sei, und auf die zahlreichen Vertreter im 18. und 19. Jahrhundert. Dagegen J. Marcus, Twelve Tribes; vgl. schon M. Hengel, Jakobusbrief, 248 = KS III, 512 Anm. 2: »Die seit der Alten Kirche vorherrschende Beschränkung auf die Judenchristen … engt den Kreis der Adressaten zu sehr ein. Erst recht ist die Vermutung jüdischer Adressaten … abwegig.« Zu J. H. Moulton, der das letztere vertrat, siehe D. C. Allison, James, 38–42. 109 Vgl. O. Wischmeyer, Beobachtungen, 320. Im Anschluß an C. Burchard, Jakobusbrief, 49, schreibt M. Konradt, Jakobus, der Gerechte, 582: »Die Adressierung an die ›zwölf Stämme‹ liest sich … als ein schriftgelehrtes Namensspiel: ›Zwölf Stämme‹ lässt an den Patriarchen Jakob denken …, d. h. der Verfasser ›spielt‹ mit einer assoziativen Verknüpfung des Namens … [Jakobus] mit dem Stammvater Israels.« Er kommt zu dem Schluß (586): »Das
462
IV. Das palästinische Judenchristentum
dann jede beliebige Spätdatierung vertreten oder ganz auf die Bestimmung von Entstehungsort und ‑zeit verzichten.110 Dabei gibt der Brief in 2,14–26 einen deutlichen Hinweis, daß er in die Diskussion um die paulinische Rechtfertigungslehre gehört, aber auch das ist umstritten.111 In dieser verfahrenen Lage hat Roland Deines jetzt eine alte Lösung von Theodor Zahn wieder aufgegriffen, die es erlaubt, den Jakobusbrief als Brief des historischen Jakobus zu lesen.112 Die Vorstellung vom Zwölfstämmevolk und seiner endzeitlichen Sammlung war schon für die Urgemeinde wichtig. Nimmt man die im Neuen Testament – und im frühen Judentum – ungewöhnliche Adresse »an die zwölf Stämme in der Zerstreuung« ernst und versteht sie nicht als eine übertreibende Fiktion oder als ein gelehrtes »Namensspiel«,113 dann gehört diese Anrede in den Kontext der endzeitlichen Erwartung der Sammlung des Zwölfstämmevolkes und der Hoffnung auf seine Rückkehr in das Heilige Land vor dem Anbruch der Königsherrschaft Gottes bzw. dem Jüngsten Gericht.114 Schon Jesus hatte zwölf Jünger berufen und sie ausgesandt, die Nähe der Ankunft der Königsherrschaft Gottes zu verkünden und die Kranken zu heilen.115 Sie sollen, auf zwölf Thronen sitzend, in der βασιλεία τοῦ θεοῦ herrschen, »an der Richterfunktion Gottes« teilhaben und das endzeitliche Gericht durchführen.116 Die Einsetzung der jak Präskript bietet ein geistreiches schriftgelehrtes Wortspiel, mit dem sich primär eine theologische Ortsbestimmung verbindet. … Dass hier der Herrenbruder selbst schreibt, ist aus den genannten Gründen … mehr als unwahrscheinlich.« 110 Die Situation in der Forschung scheint so disparat, daß Nicholas Ellis in seiner Oxforder Dissertation auf eine Datierung und Lokalisierung im Grunde verzichtet. »Hermeneutik« kam schon immer ohne die historischen Quisquilien aus: N. Ellis, Hermeneutics, 40: »I assume the letter to be written from an uncertain location (though likely the Levant or Asia Minor) within the first two centuries of the Common Era. The author was likely circumcised and Torahobservant, as was his audience.« Für eine hermeneutische Untersuchung mag das hinreichend erscheinen. Ellis verzichtet auch auf die Untersuchung der neutestamentlichen Paralleltexte, das heißt auf den eigentlichen »Kontext« des Jakobusbriefes. Als warnendes Beispiel für die Unwägbarkeiten der Datierung antiker Texte nennt er die Weisheitsschrift aus der Kairoer Geniza, die Klaus Berger um 100 n. Chr. datieren wollte und dem Hans-Peter Rüger widersprach, indem er die Abhängigkeit vom Talmud und die Verwandtschaft mit mittelalterlichen jüdischen Texten zeigte. A. P. Hayman dagegen habe bei beiden Zirkelschlüsse nachgewiesen (39 Anm. 43). 111 Vgl. oben S. 73 Anm. 362. Dazu die von M. Konradt, Jakobus, der Gerechte, 589 Anm. 66, angeführten Autoren: E. Baasland, P. H. Davids, R. Heiligenthal, K. Berger, W. Bindemann, L. T. Johnson, T. C. Penner, K. Haacker, die »eine … Bezugnahme des Jak auf Paulus oder auf zu Parolen verkommene Paulinismen überhaupt bestreiten« (589). Auch C. Burchard, Jakobusbrief, 109–133 und K.-W. Niebuhr, Gerechtigkeit, 1343, lehnen die Annahme, daß der Jakobusbrief antipaulinische Polemik enthält, ab, siehe oben S. 452 Anm. 61. Zu Jak 2,14–26 siehe auch unten S. 467 f. 112 Vgl. R. Deines, Jakobus, 256 Anm. 195 mit Verweis auf T. Zahn, Einleitung I, 88–98. 113 M. Konradt, Jakobus, der Gerechte, 582, zitiert oben Anm. 109. 114 So auch J. Marcus, Twelve Tribes. 115 Mk 3,14–19 parr.; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 367. 116 Lk 22,29 f. Zitat: M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 367.
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
463
»Zwölf« zeigt Jesu Anspruch auf das Zwölfstämmevolk, das er für die endzeitliche βασιλεία τοῦ θεοῦ gewinnen will.117 Bereits Johannes der Täufer hatte – wie dann auch Jesus – mit der Gottesherrschaft die Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen für die Restitution des Zwölfstämmevolkes erwartet.118 Die Apokalypse des Johannes überträgt dann wesentlich später diese Erwartungen auf die Beschreibung der 144.000 Versiegelten, das heißt der »12 x 12 x 1000«, aus allen »Nationen und Stämmen und Völkern«, die das endzeitliche Gottesvolk bilden und vor dem himmlischen Thron den Lobpreis auf Gott und das Lamm anstimmen.119 Die Zwölfzahl bestimmt das Neue Jerusalem mit seinen zwölf Toren, die die Namen der zwölf Stämme tragen, und mit den zwölf Grundsteinen, auf denen die Namen der Apostel stehen.120 Die Kirche als das eschatologische Gottesvolk steht hier nicht nur in enger Verbindung mit den zwölf Stämmen Israels, sondern repräsentiert sie. In der Johannesoffenbarung spiegelt sich die christliche Weiterbildung endzeitlicher jüdischer Hoffnung in der »Übertragung von Israelselbstverständnis … auf die Kirche«.121 Das muß keine erst spät einsetzende Entwicklung sein, schon mit der Selbstbezeichnung ἐκκλησία θεοῦ in der Urgemeinde bahnt sich ein solches Selbstbewußtsein an.122 Die jüdische Bitte um die Zusammenführung der in der Diaspora Zerstreuten wird dann später im christlichen Gottesdienst fortgeführt für die Kirche: »Und führe sie zusammen von den vier Winden, die Geheiligte, in dein Reich, das du ihr bereitet hast.«123 Ausschlaggebend für das Verständnis der Adresse des Jakobusbriefs bleibt also, sogar wenn es sich um ein Pseudepigraphon handelt: Die Anrede »entspricht« mit dieser »Benennung der Adressaten … als ›die zwölf Stämme in der Zerstreuung‹ einem Grundimpuls Jesu«.124 Dieser Grundimpuls wirkte in der Urgemeinde und bei Paulus und Lukas weiter.125 Gegen die Annahme von Matthias Konradt, daß Absender und Adressaten symbolisch gemeint seien und daß es sich um ein reines Wortspiel mit Anklang 117 So M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 367.632; vgl. vor allem W. Horbury, Twelve, 181–184. 118 So M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 328. 119 Apk 7,4–10; vgl. H. Lichtenberger, Apokalypse, 146 ff. J. Dochhorn, Presbyter, 285: »Das eigentliche Gottesvolk ist in der Apokalypse nicht das nichtchristliche Judentum …, sondern das endzeitliche Gottesvolk aus zwölf Stämmen, das identisch ist mit der Christenheit«. Vgl. op. cit., 278. 120 Apk 21,12.14.18–21; vgl. J. Marcus, Twelve Tribes, 435. 121 M. Konradt, Jakobusbrief, 50; vgl. ders., Jakobus, der Gerechte, 582. 122 Vgl. dazu S. 22 ff. bei Anm. 93–100. Anders M. Konradt, Jakobus, der Gerechte, 583. 123 Did 10,5; vgl. 9,4; dazu den Kommentar von G. Schöllgen, Didache, 122 f. Anm. 104; 124 f. Anm. 111. 124 So zu Recht K.-W. Niebuhr, Ethik, 343. 125 Apg 26,7; vgl. W. Horbury, Twelve, 168; zum fortwirkenden Sendungsauftrag der Jesusanhänger an das Zwölfstämmevolk siehe auch oben S. 20.
464
IV. Das palästinische Judenchristentum
an den Stammvater Jakob und dessen zwölf Söhne handle,126 spricht, daß solche Erwartungen im frühen Judentum und im frühen Christentum nicht theoretisch und blaß oder nur auf die Heimholung der zehn »verlorenen Stämme« ausgerichtet waren,127 sondern eschatologisch konkret, und das heißt chiliastisch, in der Hoffnung auf die Wiederherstellung des δωδεκάφυλον ἡμῶν.128 Ebenso bildete die weltweite jüdische Diaspora ein wirkliches Phänomen. Die Israeliten, deren endzeitliche Rückkehr man erhoffte, lebten – nach der Aufzählung in der Pfingstgeschichte – nicht nur unter Parthern, Medern, Elamitern und in Mesopotamien, sondern auch in Kappadokien, Pontus, Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten, Libyen, der Kyrenaika und Rom.129 Zudem gab es ja noch »die verlorenen Stämme Israels«, die abgefallen und jenseits des Euphrats verschollen waren.130 Sogar der philosophische Exeget Philo von Alexandria teilt die Erwartung, daß in der messianischen Zeit Juden und Proselyten auf wunderbare Weise gemeinsam in das Heilige Land zurückgeführt werden. Als ein Volk der Bußfertigen werden sie heimkehren in das Land, das sich so weit ausdehnen wird, daß es alle aufnehmen kann.131 Die Restitution des Zwölfstämmevolkes ist in Jes 49,5 f. LXX untrennbar mit der Hinwendung zu den Völkern und der Rückführung der Diaspora (τὴν διασπορὰν τοῦ Ἰσραὴλ ἐπιστρέψαι) verbunden. Diese Profetie war nicht nur für Lukas, sondern schon für Paulus entscheidend und bestimmte vermutlich auch die Mission des Petrus.132 Dachte der Verfasser des Jakobusbriefes als θεοῦ καὶ κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ δοῦλος bei seiner Adresse an die zwölf Stämme in der Diaspora auch an diese Profetie, und wollte er seine Leser daran erinnern?133 Nach Apg 15,13–17 stimmt Jakobus auf Grund seiner Auslegung 126 M. Konradt, Jakobusbrief, 50 Anm. 170; ders., Jakobus, der Gerechte, 582 (zitiert oben S. 461 Anm. 109). Schon Niebuhr nannte diese Auslegung von Jak 1,1 eine »bemerkenswerte Pirouette« (K.-W. Niebuhr, New Perspective on James, 1030); dagegen wehrt sich M. Konradt, Jakobus, der Gerechte, 584 Anm. 47. O. Wischmeyer, Beobachtungen, 320, erklärt den Briefeingang »als literarisch-kommunikative[n] Kunstgriff … Ein christlicher Lehrer (3,1f), der in schriftlicher Gestalt ein breites christliches Lesepublikum ansprechen will, leiht sich den Lehrergestus des Herrenbruders Jakobus, einer der bekanntesten und autoritativsten urchristlichen Gestalten.« Ähnlich dies., Milieu of James. 127 Vgl. J. Marcus, Twelve Tribes, 437. 128 Apg 26,7; vgl. W. Horbury, Twelve, 168.178 f. 129 In Apg 2,5–11 sind Vertreter dieser Diaspora in Jerusalem zum Wochenfest versammelt. 130 Vgl. Josephus, Ant. 13,133: »Aber das Volk der Israeliten als Gesamtheit blieb im Land [d. h. in Medien].« 131 Philo, Praem. 164–172; dazu A. M. Schwemer, Diatheke, 104 f. 132 M. Hengel, Historiker Lukas, 153 = KS VI, 148 Anm. 33. Die jesajanischen Texte (Jes 8,9; 48,20; 49,6; 62,11) bestimmten nicht nur das Verhältnis zu den Völkern, sondern auch die Vorstellung von der universalen Mission »bis ans Ende der Erde«, die auch der ›historische‹ Herrenbruder gutgeheißen hat, siehe Gal 2,9; Apg 15,12 f.17 ff.; 21,18 ff. 133 Vgl. D. C. Allison, James, 125; er bleibt vorsichtig skeptisch gegenüber dieser »intertextual allusion«.
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
465
von Am 9,11 f. in Verbindung mit Jer 12,15 und Jes 45,21 der beschneidungsfreien Völkermission zu.134 Auffällig ist jedoch, daß im Jakobusbrief nie von den Völkern oder von der Heidenmission die Rede ist. Es gibt den Gegensatz zwischen den Gläubigen und der Welt, ebenso den zwischen den Reichen und den Armen. Aber warum fehlt die Frage nach Juden‑ und Heidenchristen völlig? Martin Hengel meinte: Wenn der Brief von Jakobus – mit Hilfe eines Sekretärs – verfaßt wurde, dann legt sich die Vermutung nahe, »daß der Autor dieses in früherer Zeit heiße, aber in der Zeit um 60 bereits abgekühlte Eisen ganz bewußt vermeidet«.135 Geht es Lukas – und Paulus136 – vor allem um die Gewinnung der Völker, so dem Jakobusbrief um die ›zwölf Stämme‹ als alle Anhänger Jesu umfassendes eschatologisches Gottesvolk?137 Wenn der Brief von Jakobus an die »zwölf Stämme in der Zerstreuung« schon früher geschrieben wurde, als Hengel annahm, nämlich in den Jahren 45–50, dann kann man sich den Anlaß zu diesem Schreiben auch anders vorstellen: »In den krisenhaften Jahren, rund 15 bis 20 Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung, richtete er [= Jakobus] sich – dem Vorbild Jeremias folgend (Jer 29) – mit diesem Brief als Send‑ oder Hirtenschreiben von Jerusalem in erster Linie an die von dort vertriebenen oder geflohenen Gläubigen, um sie angesichts ihrer schwierigen Situation geistlich zu stärken und zu gegenseitiger Hilfe … [zu ermahnen]. Zugleich stellt sich Jakobus diesen Flüchtlingsgemeinden als neuer Vorsteher der Jerusalemer Gemeinde vor, so dass der Kontakt zwischen der Muttergemeinde und ›ihrer‹ Diaspora erhalten bleibt. Mit der Anrede der Vertriebenen als ›die zwölf Stämme in der Zerstreuung‹ verdeutlicht er, dass er in den Adressaten, allen äußeren Widrigkeiten zum Trotz, dennoch das restaurierte Israel des messianischen Davidssohnes sieht, die wiedererrichtete ›Hütte Davids‹ (Apg 15,16).«138
Während Martin Hengel die Adressaten verunsichert sieht durch die Verhaftung und den Prozeß des Paulus in den Jahren 58–60 und Jakobus dann mit seinem Brief diesen Trost und Mahnung zuspricht, hat Roland Deines jetzt den älteren Vorschlag von Theodor Zahn wieder aufgegriffen. Dann wäre mit der Adresse an 134 J. Ådna, Heilige Schrift, 23, meint, daß Lukas sich hier auf eine historisch zuverlässige Nachricht stützen kann; vgl. oben S. 406 Anm. 46. 135 M. Hengel, Jakobusbrief, 257 = KS III, 534. D. R. Nienhuis, Paul, 112, wertet dies dagegen als ein Argument für die späte Entstehung des Briefs. Doch gerade in »einem späteren Pseudepigraphon, das Jakobus zugeschrieben wurde, hätte man eigentlich ein Eingehen auf diese Frage erwarten können, denn auch die lukanische Apostelgeschichte, die Pseudoklementinen und der Epheserbrief behandeln diesen Punkt sehr wohl«, so fährt M. Hengel, Jakobusbrief, 275 = KS III, 534, fort. 136 Doch auch Paulus vergißt sein Volk nicht; vgl. Röm 11,25 f. 137 So M. Hengel, Jakobusbrief, 248 = KS III, 512. 138 R. Deines, Jakobus, 258 f. Die ausführliche Begründung für diese These soll in der englischen Version des Werkes folgen. Sie ist – bei Roland Deines – an die Frühdatierung des Jakobus‑ und des Galaterbriefes gebunden und mit seinem zeitlichen Ansatz der verschiedenen Aposteltreffen in Jerusalem. Man darf gespannt sein, ob sich dieser Lösungsvorschlag bewährt.
466
IV. Das palästinische Judenchristentum
die »Zwölf Stämme« zunächst etwas viel Schlichteres gemeint: Jakobus wendet sich konkret an die aus Jerusalem vertriebenen und geflüchteten Gemeindemitglieder, die in der Diaspora Zuflucht suchen mußten und sich in bedrängter Lage befinden. Äußere und innere Nöte fechten sie an, so daß sie in ihrem Glauben schwankend werden. In der nicht mit irdischen Gütern gesegneten Jerusalemer Gemeinde kann man sich die Gefahr der Korrumpierung, die vom Reichtum vornehmer Synagogenbesucher in den christlichen Diasporagemeinden ausgeht und zur Verachtung der Armen statt zur Fürsorge führt, lebhaft vorgestellt haben.139 Die Versammlung der christlichen Gemeinde in »eurer Synagoge« spricht ebenfalls für eine Frühdatierung.140 Die christliche Gemeinde selbst wird aber ἐκκλησία genannt; als Ämter werden das des Lehrers (3,1: »Laßt nicht so viele von euch Lehrer sein«) und das des Ältesten erwähnt.141 Auch das könnte man als Indiz für eine Frühdatierung ansehen.142 Der Verfasser rechnet sich selbst unter die Lehrer. Mit seiner Warnung »beweist [er], wie gesucht dieser Stand in der Gemeinde war, von dem Hermas (Sim. IX, 25, 2) ausdrücklich sagt, daß seine Vertreter den heiligen Geist zu diesem Beruf empfangen hätten«.143
139 Jak 2,1–7; vgl. M. Hengel, Jakobusbrief, 263 = KS III, 545; zur christlichen Armenfürsorge siehe ders., Eigentum, 54 = KS VI, 390. 140 Jak 2,2; vgl. M. Hengel, Jakobusbrief, 263 = KS III, 546 Anm. 98. Die Frage, ob mit »Synagoge« einfach eine Versammlung oder die Versammlung in einem Synagogengebäude gemeint ist, läßt sich meines Erachtens im letzteren Sinne beantworten. Dazu R. Riesner, Synagogues, 207 f.; R. Deines, Sources, 57: »the very vivid description in v. 3 of standing or sitting at the feet of somebody else … is so reminiscent of the benches in the excavated synagogues of first century Palestine«. Der Autor des Jakobusbriefes würde dann voraussetzen, daß es in der Diaspora (juden‑)christliche Synagogen gab, die architektonisch wie die jüdischen Synagogen in Palästina gestaltet waren. Zum Problem, ob sich frühe judenchristliche Synagogen archäologisch identifizieren lassen, siehe R. Deines, Sources, 27 f.58; vgl. 57 f. auch zur markionitischen Synagogeninschrift aus Lebeda (4. Jh.) und zum Haus des Leontis. Vgl. auch D. C. Allison, James, 386 ff.392 f. Möglicherweise dachte der Verfasser des Jakobusbriefes an die Verhältnisse im reichen Antiochia. Vgl. dazu M. Bockmuehl, Antioch, 161 ff. (zum Reichtum der Antiochener jüdischen Gemeinde im Vergleich zur Armut in Palästina); 179 Anm. 95 zum Jakobusbrief als Diasporabrief. 141 Jak 5,14: »Ist jemand krank, so soll er die Ältesten der Gemeinde (zu sich) rufen, und sie sollen für ihn beten und ihn mit Öl salben im Namen des Herrn.« Zur Ölsalbung siehe oben S. 453 Anm. 64. Zum Gebet für die Kranken durch die Beauftragten der Gemeinde vgl. mBer 5,5. 142 Vgl. dagegen ἐπίσκοποι und διάκονοι in Did 15,1. Zu 1 Clem 42,4 f. vgl. H. Löhr, Gebet, 83. G. Schoellgen, Art. Bischof. I. Neues Testament, RGG4 1 (1998), 1614, unterstreicht, daß die »Episkopen im NT ein kollegiales Gremium« sind und der »Monepiskopat … lediglich in den Pastoralbriefen möglich, aber nicht wahrscheinlich« ist. 143 A. v. Harnack, Mission, 365 f. Zu Lehrern neben Profeten als Gemeindeleiter vgl. Apg 13,1; dazu oben S. 59; vgl. auch P. Pilhofer, Jakobus, 257.
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
467
Mit dem Thema der Sammlung des Zwölfstämmevolkes war die Erwartung des endzeitlichen Gerichts eng verbunden. Auch der Jakobusbrief sieht das Gericht und den Richter unmittelbar »vor der Tür«.144 Beansprucht der Verfasser des Briefes im Namen des Jakobus eine Autorität, wie sie nicht einmal Paulus in seinen Briefanfängen zum Ausdruck bringt? Schreibt er eine »Enzyklika« an alle Christen, die in der Völkerwelt zerstreut leben, wie Martin Hengel gemeint hat? Und waren das damals schon »ganz überwiegend ›Heidenchristen‹«? Ist es richtig, daß der Jakobusbrief »der erste, ja der einzige frühchristliche Brief [ist], der expressis verbis mit diesem unerhörten Anspruch auftritt, er wolle von allen gehört werden«?145 Durch die Adresse »An die zwölf Stämme in der Zerstreuung« ist vorausgesetzt, daß der – reale oder fingierte – Autor in Jerusalem bzw. in Palästina schreibt. Zugleich überschreitet die Adresse an die »zwölf Stämme« die rein geographische Sicht der Diaspora. Es lebten doch Angehörige der Stämme Israels weiterhin im Heiligen Land.146 Diese Schwierigkeiten lösen sich auf, wenn man annimmt, daß Jakobus als Haupt der Urgemeinde an die aus Jerusalem vertriebenen Angehörigen des Zwölfstämmevolkes schreibt, wie es Roland Deines vorschlägt. Die Datierung und die Frage der Autorschaft hängen unter anderem von der Einschätzung der Polemik im Jakobusbrief ab. Friedrich Avemarie hatte – im Anschluß an Martin Hengel – noch einmal dafür plädiert, daß es sich bei diesem Schreiben um eine »akute antipaulinische Polemik handelt«,147 aber auch er datiert den Brief – wie Burchard und Theißen – in eine spätere Zeit.148 Dale C. Allison sieht Jak 2,14–26 – wie Gerd Theißen – in direkter Auseinandersetzung mit paulinischer Theologie, wie sie in den entsprechenden Passagen im Römer‑ und im Galaterbrief erscheint, und setzt die Kenntnis dieser Briefe beim Autor des Jakobusbriefes voraus.149 Auch wenn man den Jakobusbrief nicht direkt als Reaktion auf die paulinischen Briefe sehen will, sondern ihn eher in der Auseinandersetzung mit der Theologie des Paulus beim historischen Jakobus ansiedelt, so hat Allison auf jeden Fall recht, wenn er betont, daß der Jakobusbrief nur hier in Jak 2,14–26 versucht, eine Lehre, die er ablehnt – und nicht wie Jak 5,9 (vgl. Mk 13,29); 5,7 f.; vgl. 2,13; 5,1 ff.; zu θύρα vgl. D. C. Allison, James, 707 f. M. Hengel, Jakobusbrief, 248 = KS III, 512. Vgl. R. Riesner, James, 1253: »an encyclical letter«. 146 So auch L. Doering, Jewish Letters, 456 f. 147 M. Hengel, Jakobusbrief, 253 = KS III, 526 Anm. 43; F. Avemarie, Werke, 671–699; dazu die Würdigung von J. Frey, Friedrich Avemarie, XXII–XXIV. 148 F. Avemarie, Werke, 695 Anm. 89: »Persönlich neige ich eher zu der Annahme einer relativ späten, pseudepigraphischen Schrift«; vgl. auch R. M. Calhoun, Letter, 322 f. Anm. 96. 149 D. C. Allison, James, 425–508, besonders 445 f.; zu der ähnlichen Sicht G. Theißens siehe oben S. 456. Vgl. auch U. Schnelle, Jahre, 377 f. 144
145 Zitate:
468
IV. Das palästinische Judenchristentum
sonst allein ein falsches Verhalten – zu benennen und zu korrigieren.150 Um das Problem zu verdeutlichen, soll der Text – so bekannt er ist – hier auszugsweise wörtlich zitiert werden: »14 Was nützt es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, aber keine Werke hat? Kann ihn etwa sein Glaube retten? 15 Wenn ein Bruder oder eine Schwester nackt sind und Mangel an täglicher Nahrung leiden, 16 und jemand von euch sagt zu ihnen: ›Geht hin in Frieden, wärmt und sättigt euch‹, und ihr gäbt ihnen nicht das, wessen der Leib bedarf, was nützte das? 17 So ist auch der Glaube, wenn er keine Werke hat, für sich allein tot. … 20 Willst du wohl einsehen, du leerer Mensch, daß der Glaube ohne die Werke nutzlos ist? … 21 Ist nicht Abraham, unser Vater, aus Werken gerechtfertigt worden, ›da er Isaak, seinen Sohn, auf dem Altar darbrachte‹ (Gen 22,2.9)? 22 Du siehst, der Glaube wirkte mit seinen Werken zusammen, und aus den Werken gewann der Glaube die Vollendung. 23 Und die Schrift wurde erfüllt, die da sagt: ›Abraham aber glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet‹ (Gen 15,6), und er wurde ein ›Freund Gottes‹ (vgl. Jes 41,8) genannt. 24 Ihr seht, daß der Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und nicht allein aus Glauben (ὁρᾶτε ὅτι ἐξ ἔργων δικαιοῦται ἄνθρωπος καὶ οὐκ ἐκ πίστεως μόνον). … 26 Denn wie der Leib tot ist ohne Geist, so ist der Glaube tot ohne Werke.«151
Nicht nur die Rechtfertigungslehre des Paulus wird hier kritisiert.152 Auffallend ist dabei auch, daß der Jakobusbrief bei seiner Begründung für das in seinen Augen einzig richtige Verständnis des Zusammenhangs von Glaube, Werken und Rechtfertigung die übliche palästinische, jüdische Auslegungstradition von Gen 22,12 in Verbindung mit Gen 15,6 vertritt.153 Das steht im Gegensatz zu D. C. Allison, James, 448: »Not only does James here directly address someone with an opposing point of view, but the section … is itself bereft of moral exhortations. This differentiates it from every other portion of our letter. It appears that, in 2.14–26, James is not trying to change bad behavior but to refute a defective opinion.« 151 Jak 2,14–26. Zur Übersetzung vgl. P. Stuhlmacher, Theologie II, 63; dazu die kluge und ausgewogene Darstellung der Auslegungsgeschichte seit der Alten Kirche und der Forschungsgeschichte in der Moderne bei D. C. Allison, James, 425–508. Er hebt hervor (452): »To sum up the argument so far: the evidence that Jas 2.14–26 is a negative response to Paul is considerable.« 152 Zu den Argumenten derer, die annehmen, daß sich der Jakobusbrief nicht auf Paulus bezieht, siehe D. C. Allison, James, 449–454, der dieser Ansicht nicht zustimmt. Anders wieder K.-W. Niebuhr, Gerechtigkeit, 1346: »die Argumentationen und die literarischen Mittel, mit denen die drei neutestamentlichen Autoren [Matthäus, Paulus, Jakobus] die Terminologie von Gerechtigkeit und Rechtfertigung gebrauchen, [dürfen] nicht miteinander vermischt oder gegenseitig ausgespielt werden. Aus ihren Kontexten heraus sind sie vielmehr als je eigenständige Konzeptionen zu verstehen, die sich gegenseitig nicht widersprechen.« 153 Diese ist belegt in 1 Makk 2,52: Αβρααμ οὐχὶ ἐν πειρασμῷ εὑρέθη πιστός, καὶ ἐλογίσθη αὐτῷ εἰς δικαιοσύνην; Diese Auslegung beruht auf »Stichwortassoziation« (dazu siehe 150
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
469
Paulus, der die Akedah, das heißt die ›Opferung Isaaks‹, nie erwähnt, aber sehr wohl auf Abraham in Gen 15,6 und 12,1–3 zur Begründung der Rechtfertigung ›allein‹ aus Glauben verweist.154 Weiter verzichtet der Jakobusbrief »auf jeden Hinweis auf rituelle Gebote« und spricht statt dessen vom »vollkommenen Gesetz der Freiheit« (Jak 1,25; 2,25), er meint damit die »ethischen Weisungen, vor allem das [doppelte] Liebesgebot«.155 In seinen ethischen Weisungen zeigt er sich als in der Tradition der jüdischen Toraparänese stehend, wie sie in der jüdischen Weisheitsliteratur bei Jesus Sirach, dem 1. Henochbuch, Tobit und den Testamenten der Zwölf Patriarchen, aber auch in den frühjüdischen Diasporabriefen erscheint.156 »Die Stärke … [des] Briefes liegt in der unmittelbar einleuchtenden weisheitlichen Paränese.«157 Seine Schwäche hat man in der defizitären Christologie und Soteriologie gesehen, das Schreiben erscheint theozentrisch.158 Der Jakobusbrief mahnt seine Adressaten »zum vollkommenen Wandel« (1,4) und zum Tun des Gesetzes. Er ruft die immer wieder direkt angesprochenen Brüder dazu auf, »in ihren vielfältigen Versuchungen« (1,2) Gott vertrauensvoll um Weisheit von oben zu bitten (1,5), um dem Zweifel (1,6.8), der Gespaltenheit (1,8; 4,8),159 dem Wankel‑ (4,8) und dem Hochmut (2,1 ff.; 4,6) und allen Begierden,160 die in die Versuchung führen (1,12–15), zu entgehen. Jede gute F. Avemarie, Gezera schawa, 353; vgl. P. H. Davids, Test of Wealth, 360 f.; B. Schliesser, Abraham’s Faith, 219 zur Auslegung von Gen 22, vgl. 419 kurz zum Verhältnis zwischen Paulus und Jakobus(brief) hinsichtlich der ἔργα νόμου mit Verweis auf F. Avemarie, Werke, 282 ff. Auch R. J. Foster, Significance, 64, sieht in 1 Makk 2,52 f. »a clear potential source« für den Jakobusbrief. 154 Röm 4,1–25; Gal 3,6–9. 155 So M. Hengel, Schrifttum, in: KS VII, 237 f. 156 K.-W. Niebuhr, Jakobusbrief, 440–443; ders., Tora ohne Tempel, 452–455. 157 P. Stuhlmacher, Theologie II, 68. 158 M. Hengel, Jakobusbrief, 264 = KS III, 548: »Theologisch kann man an dem Brief erkennen, in welche Problematik eine auf das Ethos reduzierte, ›vereinfachte‹ Jesusüberlieferung hineinführt«. Doch auch hier widerspricht R. Deines, Jakobus, 267–270; vgl. auch K.-W. Niebuhr (dazu unten S. 471 mit Anm. 171). 159 Zu δίψυχος siehe ταλαίπωροί εἰσιν οἱ δίψυχοι, οἱ διστάζοντες τῇ ψυχῇ in einem Zitat aus einem verlorengegangenen jüdischen Apokryphon (vielleicht Eldad und Modad, dazu D. C. Allison, Eldad and Modad, 112–126) in 1 Clem 23,3 und 2 Clem 11,2 f. Der Hirt des Hermas verwendet δίψυχος 20mal, dazu sehr oft διψυχέω und διψυχία; siehe den Index zu den Apostolischen Vätern von H. Kraft, Clavis, 113 f. Vgl. weiter D. C. Allison, James, 186–191 mit zahlreichen Belegen und den semitischen Entsprechungen. Auch wenn δίψυχος κτλ. weder in der Septuaginta noch in weiteren frühjüdischen Schriften belegt ist, kommt der Begriff aus der hellenistischen Synagoge, so M. Hengel, Jakobusbrief, 251 Anm. 24 = KS III, 519 Anm. 24 mit Verweis auf das verwandte διπρόσωπος κτλ. 160 Jak 1,14 f.: »Jeder aber wird durch seine eigene Begierde (ἐπιθυμία) versucht, von ihr fortgerissen und verlockt. Dann gebiert die Begierde, wenn sie empfangen hat, die Sünde, die Sünde aber, wenn sie ans Ziel gekommen ist, gebiert den Tod.« Vgl. den »verhängnisvollen Zusammenhang von Begierde, Sünde und Tod« in Röm 7,7–13. Die Sünde wird hier wie bei
470
IV. Das palästinische Judenchristentum
Gabe kommt von Gott, dem »Vater der Lichter«, das heißt dem Schöpfer, der die Gläubigen durch das Wort der Wahrheit wiedergeboren hat (1,18). Deshalb sollen sie Täter und nicht nur Hörer des Wortes sein (1,22).161 Die Mahnungen des Briefes beruhen auf den Erfahrungen der angefochtenen nachösterlichen Situation gerade auch in Palästina.162 Und so kann man ergänzen: Die Adressaten sollen erkennen, daß dieser Brief die Verkündigung ihres Herrn von der Vatergüte Gottes aufnimmt und ihnen Trost und Mahnung spenden will für ihre eigene Situation in den »vielfältigen Versuchungen«, die sie bedrohen.163 Zugleich berührt sich diese Form der Toraparänese eng mit der Jesustradition, wie sie sich in den synoptischen Evangelien und hier vor allem in der lukanischen Feldrede und der matthäischen Bergpredigt erhalten hat.164 Die Verheißung der βασιλεία Gottes an die Armen165 und das doppelte Liebesgebot stehen im Zentrum der Verkündigung Jesu, so auch in der Lehre des Jakobus an die Diaspora. Auffallend ist dabei jedoch, daß der Jakobusbrief nie darauf hinweist, etwa bekräftigend mit dem Zusatz »wie der Herr sagt« o. ä., wenn es sich um ethische Weisungen handelt, für die er die Autorität Jesu in Anspruch nehmen könnte.166 Der Jakobusbrief zitiert nur Lev 19,18, das »königliche Paulus als eine Macht verstanden, siehe dazu und zur Übersetzung H. Lichtenberger, Ich Adams, 251 f. 161 Vgl. dazu U. Schnelle, Jahre, 377. 162 So auch P. Stuhlmacher, Theologie II, 68: »Der Jak illustriert seine Paränese offenkundig aus konkreten judenchristlichen Gemeindeerfahrungen (in Palästina) heraus.« 163 M. Hengel, Jakobusbrief, 263 = KS III, 546. Zur historischen Situation op. cit., 263 f. = 544 ff. Weiter R. Deines, Jakobus, 259–262. 164 Dazu ausführlich D. A. deSilva, Jewish Teachers, zu Ben Sira, 1. Henoch, Tobit, Testament der Zwölf Patriarchen, Psalmen Salomos, Vitae Prophetarum, Testament Hiob u. a.; auf S. 271 Anm. 86 führt er 27 Stellen im Jakobusbrief auf für »extensive echoes of the Jesus tradition in James«. Vgl. die Liste bei D. C. Allison, James, 56 f.; Allison fügt hinzu (58): »James … like the Synoptic Jesus, employs aphoristic formulations, synonymous parallelism, and similitudes. In short, our text reflects not only individual sentences from the Jesus tradition but also some of its themes, literary forms, and modes of speech.« 165 Jak 2,5: »Hört, meine geliebten Brüder: Hat Gott nicht die in der Welt Armen erwählt, damit sie reich im Glauben und Erben der Königsherrschaft sind, die er denen verheißen hat, die ihn lieben?« steht Lk 6,20 – und damit auch der jesuanischen Verheißung – etwas näher als Mt 5,3; vgl. P. H. Davids, Test of Wealth, 371; D. C. Allison, James, 56–62.394–398. Im Hintergrund des Ausdrucks »die Königsherrschaft erben« steht die biblische Wendung »das Land erben« (so auch D. C. Allison, James, 396 f.). Zu »Jesu Verkündigung vom Reich Gottes« siehe M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 406–430, besonders 417 f. zu Lk 10,21 = Mt 11,25 f.: »Die Einladung Jesu in die Gottesherrschaft wird von dem einfachen, ungebildeten Volk gehört, denn Gott erweist sich darin als ihr Vater, daß er ihre Ohren öffnete, im Gegensatz zur Verstockung der einflußreichen religiösen und politischen Repräsentanten des Volkes« (418). 166 O. Wischmeyer, Milieu of James, 40 Anm. 30, meint: »This fact remains a problem for scholars who give reasons ›of an early dating for this letter‹ and relate the letter in close proximity to James, the brother of Jesus.« Doch ist das wirklich stichhaltig? Ist es nicht gerade umgekehrt?
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
471
Gesetz«, als γραφή in Jak 2,8, das identisch ist mit dem »vollkommenen Gesetz der Freiheit« (Jak 1,25).167 Aber er kann auch die vertrauten Zitationsformeln verwenden wie in 2,8–11.168 Die Nähe zur synoptischen Tradition sehen eigentlich alle, die sich mit dem Jakobusbrief befassen, sie wird nur unterschiedlich beurteilt. Dabei weist der Jakobusbrief – wie schon betont – nirgends explizit auf ein »Wort des Herrn« hin. Meines Erachtens setzt der Autor voraus, daß seine Leser bzw. Hörer erkennen, daß Jakobus als δοῦλος »Gottes und des Herrn Jesus Christus« die ethische Verkündigung seines Bruders über den Gotteswillen aufnimmt und sie ins Gedächtnis ruft.169 Betrachtet man das Phänomen aus der Leserperspektive, so kann man wie Karl-Wilhelm Niebuhr sagen: »Wenn christliche Hörer / Leser einen Brief empfangen, der von ›Jakobus, Sklave Gottes und des Herrn Jesus Christus, an die zwölf Stämme in der Diaspora‹ gerichtet ist …, können sie gar nicht anders, als in jedem der folgenden Worte die Stimme des Bruders ihres Herrn zu vernehmen.«170
Niebuhr erklärt von daher auch das sogenannte christologische Defizit: »So wenig wie in der Sapientia der Name Salomo genannt zu werden braucht, um den Lesern dessen Rolle als König Israels und Beter um Weisheit in Erinnerung zu rufen …, so wenig brauchen auch die Leser des Jakobusbriefes im Text den Namen Jesus zu lesen, um in den Mahnungen des Briefes die Stimme ihres Herrn zu vernehmen. Und so wie in der Sapientia das Mosegesetz weitgehend ›verschwiegen‹ wird, und doch praktisch in jedem Satz mitschwingt, so wird auch im Jakobusbrief die endzeitliche Rettung durch Christus weitgehend ›verschwiegen‹, und ist doch im Hintergrund seiner Aussagen allgegenwärtig.«171
Besonders eng sind die Beziehungen zwischen der synoptischen Logienüberlieferung und dem Jakobusbrief im Hinblick auf die Polemik gegen die Reichen. Dabei steht der Jakobusbrief der lukanischen Version näher als der matthäischen. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 436. Vgl. Jak 2,23; 4,6. 169 Zudem waren Anspielungen in den frühjüdischen Schriften, den Apokryphen, Pseudepigraphen und den Texten aus Qumran, beliebter und interessanter als das explizite Zitat. Schriftkenntnis wurde dabei offensichtlich vorausgesetzt. Siehe A. M. Schwemer, Verwendung, 85. 170 K.-W. Niebuhr, Ethik, 331 (Hervorhebung im Original); vgl. M. Konradt, Jakobus, der Gerechte, 595: »Pseudo-Jakobus schreibt mit der Überzeugung, Positionen des Herrenbruders zu vertreten. Insofern kann man den Jak tatsächlich als ein theologisches Vermächtnis des Herrenbruders Jakobus lesen …, das lediglich ein Jakobusbild reflektiert, nicht aber Jakobustraditionen zitiert.« Vgl. auch S. C. Mimouni, Mouvement, 165: »Dans la suscription de l’Épître de Jacques … Jacques est … gratifié du titre de ›serviteur du Messie Jésus‹. Rien ne permet de mettre en doute l’authenticité de ces attributions et qualifications, du moins d’un point de vue de la tradition si ce n’est de l’histoire.« 171 K.-W. Niebuhr, Jakobus und Paulus, 14 (Kursive im Original). Aus diesem Grund verteidigt Niebuhr den Brief auch immer wieder gegen den Vorwurf, er habe eine mangelhafte Christologie. 167 168
472
IV. Das palästinische Judenchristentum
Der Schärfe des Weherufs gegen die Reichen in Lk 6,24 ff.: »… wehe euch, den Reichen, ihr habt euern Trost schon gehabt« entspricht im Neuen Testament nur Jak 5,1–6:172 »Auf nun ihr Reichen, weint und jammert über euer kommendes Elend. Euer Reichtum ist verfault, eure Gewänder sind von Motten gefressen, euer Gold und Silber ist verrostet; und ihr Rost wird zum Zeugnis wider euch dienen und euer Fleisch auffressen wie Feuer … Siehe der Lohn, den ihr den Arbeitern, die eure Felder abernteten, vorenthalten habt, schreit laut, und die Rufe der Erntearbeiter sind zu den Ohren des Herrn Zebaoth (Jes 5,9) gedrungen. Geschwelgt habt ihr auf der Erde und gepraßt. Ihr habt euch nach Herzenslust gesättigt – am Schlachttag (Jer 12,3)! Verurteilt und gemordet habt ihr den Gerechten, und er ist euch nicht entgegengetreten.«173
Innerhalb der frühjüdischen Literatur sind allein die Weherufe gegen die Ungerechten und die Reichen in den »Mahnreden« Henochs vergleichbar.174 Die Kritik der Profeten am Reichtum setzt sich hier fort.175 Die heftige Invektive im Jakobusbrief erinnert lebhaft an die sozialen Mißstände und Spannungen in Judaea und Galilaea in den beiden Jahrzehnten nach dem Tod Agrippas I. und vor dem Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges.176 Sie bringt »in gleicher Weise die Unterdrückung wie die Empörung des einfachen Volkes im bäuerlichen Palästina zum Ausdruck. Hier zeigt sich, daß das Urchristentum unter anderem eine sozialkritische Bewegung war«.177 Jakobus ist hier unerbittlich: »Ein Reicher kann nicht wirklich Christ sein.«178 Der Angriff richtet sich nicht gegen die Adressaten des Briefes, sondern kündigt deren 172 Vgl. R. Deines, Jakobus, 268 f., der auch auf Lk 18,24 f.; 12,16–21; 16,19–31 und 12,15.22 f. hinweist. 173 Vgl. Jak 2,6 f. (dazu Lk 6,22); dazu M. Hengel, Eigentum, 54 = KS VI, 390. Zur eschatologischen Umkehrung vgl. Jak 1,9 ff.; Lk 1,52 f. Vgl. auch P. H. Davids, Test of Wealth, 357: »James’ denunciation of the rich (James 5:1–6) is paralleled in Luke 6:24 (and there may also be echoes of Luke 6:25 in that James pictures the rich as feasting) and nowhere else in the New Testament.« Vgl. auch D. J. Armitage, Theories of Poverty, 214. 174 1 Hen 94,6–10 (8 f.): »Wehe euch Reichen, denn ihr habt auf euren Reichtum vertraut, aber ihr werdet aus eurem Reichtum heraus müssen, weil ihr in den Tagen eures Reichtums nicht an den Höchsten gedacht habt. Ihr habt Blasphemie und Ungerechtigkeit begangen, ihr seid für den Tag des Blutvergießens und den Tag der Finsternis und den Tag des großen Gerichtes bereitet.« (Übersetzung: S. Uhlig, Das äthiopische Henochbuch, 717) Vgl. P. H. Davids, Test of Wealth, 357 Anm. 8; R. Deines, God or Mammon, 363. 175 Vgl. M. Hengel, Jakobusbrief, 263 = KS III, 544 f.; D. J. Armitage, Theories of Poverty, 214 Anm. 48. 176 M. Hengel, Jakobusbrief, 263 = KS III, 544: Die »Gemeinde der Armen in Jerusalem und Judäa« wird von der sadduzäischen Oberschicht … »unterdrückt und z. T. blutig verfolgt«. Vgl. auch W. Eck, Herrschaft, Widerstand, Kooperation, 39 zu den inneren Spannungen, die durch die römische Präsenz verstärkt wurden. Zu den sozialen Spannungen vgl. ferner unten S. 493 zu Josephus, Ant. 20,179 ff. 177 M. Hengel, Eigentum, 54 = KS VI, 390. 178 M. Hengel, Jakobusbrief, 263 = KS III, 544.
§ 13 Der Herrenbruder Jakobus im Neuen Testament
473
Unterdrückern das Gericht Gottes »am Schlachttag« an, denn ihr Schreien ist an die Ohren κυρίου Σαβαώθ gedrungen.179 Diese profetische Scheltrede gipfelt in dem Vorwurf: »Verurteilt und gemordet habt ihr den Gerechten, und er ist euch nicht entgegengetreten.« Der Autor des Jakobusbriefs blickt hier auf den Justizmord an Jesus zurück, zu dem die reiche Hohepriesterschaft Pilatus veranlaßte, indem sie ihn unter der Anklage, er sei ein politischer Messiasprätendent, an diesen zur Verurteilung und zur Hinrichtung am Kreuz übergab.180 Mit dem »Gerechten« wird nicht allgemein auf die leidenden Armen als Gerechte181 oder auf den Herrenbruder Jakobus182 verwiesen, sondern hier ist – wie in der Stephanusrede – Christus gemeint.183 »Gerechter« war ein altertümlicher messianischer Würdetitel, den besonders Lukas gern verwendet hat.184 Ebenso wird in Jak 5,11 an Jesu τέλος erinnert: »Von der Geduld Hiobs habt ihr gehört, und das Ende / die Vollendung des Herrn / κύριος habt ihr gesehen.« Die Adressaten des Briefes werden als Zeugen für den Tod Jesu in Jerusalem angesprochen.185 »Die Aussagen über Gottes Erbarmen in Jak 5,11c wären dann im Hinblick auf Jesu Auferweckung und seine Einsetzung zur Rechten Gottes zu verstehen.«186 Aus der Betonung des wirkungskräftigen Gebetes des Gerechten in Jak 5,16 schließt dann die spätere legendäre Überlieferung auf den Herrenbruder Jakobus, den sie als Gerechten und charismatischen Beter schildert.187 179 Vgl. dazu die gute Darstellung von R. J. Foster, Significance, 137–145: »the very term ›Lord Sabaoth‹ speaks of divine judgement in its severest form« (141). 180 M. Hengel, Jakobusbrief, 252.263 Anm. 93 = KS III, 522.545 Anm. 93: »Wenn man Jak 5,5 f. … vornehmlich auf Jesus bezieht, wird dieser historische Zusammenhang … deutlicher. Die, die Jesus, den δίκαιος, … zu Tode brachten, sie unterdrücken und verfolgen auch die Gemeinde der ›Armen‹ in der darauffolgenden Zeit (2,6).« D. C. Allison, James, 774, dagegen sieht, entsprechend seiner Spätdatierung, in der Hegesipp-Legende vom Martyrium des Jakobus eine Parallele zu Jak 5,16; er erwägt auch die Möglichkeit, daß Hegesipp eine Tradition bewahrt hat, die den Autor des Jakobusbriefs beeinflußt hat. Für weniger wahrscheinlich hält er die Abhängigkeit der Legende vom Jakobusbrief. 181 So R. J. Foster, Significance, 141 f., ebenso die Mehrzahl der Kommentare; auch D. C. Allison, James, 686 f., bevorzugt diese Lösung. 182 So schon Theophylakt von Bulgarien, Expositio in epistulam S. Jacobi (PG 125, 1184B– C); D. R. Nienhuis, Paul, 150 ff.; zu weiteren modernen Vertretern siehe D. C. Allison, James, 685. 183 R. Deines, Jakobus, 270 f., weist darauf hin, daß schon Beda die Verwandtschaft beider Stellen aufgefallen ist. 184 Lk 23,47; Apg 3,14; 7,52; 22,14. Der Titel geht auf Jes 53,11 zurück und wird besonders in den Henochbüchern verwendet; vgl. dazu U. Mittmann-Richert, Sühnetod, 93–97 und 388 Index s. v. »gerecht, Gerechter, Gerechtigkeit«; R. Genz, Jesaja 53, 217–227.313. 185 So R. Deines, Jakobus, 272 mit Verweis auf die christologische Interpretation bei Augustin und Beda. 186 R. Deines, Jakobus, 272. 187 Dazu die Erwägungen von M. Hengel, Jakobusbrief, 251.261 f. = KS III, 522.541 f.,
474
IV. Das palästinische Judenchristentum
Fazit: Es bleibt bei der Frage nach der Autorschaft des Jakobusbriefes nicht bei einem non liquet.188 Für die Annahme der Echtheit lassen sich eine Reihe von Gründen anführen, aber ebenso für die der Pseudepigraphie. Doch bei allen Unsicherheiten zu Datierung und Autorschaft des Briefes läßt sich festhalten: Die Gründe für die Authentizität des Schreibens sind stärker und überwiegen. Die – im Vergleich mit Paulus – sehr viel glattere griechische Sprache spricht nicht dagegen, daß sich hier der Herrenbruder in einem offiziellen Diasporabrief an die aus Jerusalem vertriebenen Gläubigen wendet. Unter dieser Voraussetzung ergeben sich aus diesem Schreiben auch Erkenntnisse über die Geschichte des palästinischen Judenchristentums, auch wenn hier vieles hypothetisch bleibt. Der Brief ist aus christologischer Sicht nicht defizitär, wenn man alle Hinweise auf den »Herrn der Herrlichkeit« beachtet.189 Vielleicht ist es ja gerade sein Mangel an expliziter Hochchristologie und Soteriologie, der ihn in heutigen Augen so interessant und anziehend erscheinen läßt. In seiner Intention weicht der Jakobusbrief von der späteren legendären Weiterentwicklung des Jakobusbildes im 2. Jahrhundert ab, obwohl es im einzelnen zahlreiche Berührungen gibt.190 Wenn der Jakobusbrief nicht auf den Herrenbruder selbst und seine Lehre zurückgeht – was ich jedoch inzwischen für unwahrscheinlich halte –, so stammt er aus judenchristlichem Milieu in Palästina / Syrien, in dem die Person des Herrenbruders als Lehrer hoch verehrt wurde; die antipaulinische Tendenz des Schreibens sollte man, wie schon mehrfach betont, nicht leugnen. Schon der Judasbrief hat den Jakobusbrief als Kritik an Paulus verstanden.191
der gerade hier Argumente für die Authentitizität findet. Zum Gebet des Gerechten, das wie ein Opfer ist, siehe CD XI 21; 1QS IX 5. 188 Anders das Fragezeichen in M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 733 Index s. v. »Jakobus – Autor des Jakobusbriefes?«. 189 Vgl. vor allem die verschiedenen Untersuchungen von K.-W. Niebuhr; dazu J. D. G. Dunn, Neither Jew nor Greek, 513 Anm. 12, der sich jedoch von Niebuhr nicht überzeugen ließ. Dazu jetzt R. Deines, Jakobus, 271 f. 190 Siehe dazu die Liste bei D. C. Allison, James, 121. Jakobus bleibt in Erinnerung vor allem als Autor, der Einfluß hat auf das jüdische Volk, als »Sklave / Knecht« Gottes, als großer Beter etc. 191 Vgl. J. Frey, Holy Tradition. Zum Fortwirken des Antipaulinismus im Judenchristentum vgl. die antipaulinische Polemik in den Pseudoklementinen; dazu H.-J. Klauck, Apokryphe Bibel, 271: »Das Festhalten am jüdischen Gesetz gehört ebenso wie der Vorbehalt gegen Paulus zum judenchristlichen Erbe des pseudoclementinischen Schrifttums.« Weiter T. Nicklas, Jews and Christians, 47–52.
§ 14 Jakobus »der Gerechte« Der Herrenbruder Jakobus wird in den späteren frühchristlichen Schriften fast durchgehend als »der Gerechte« bezeichnet.1 Dieser Beiname ist noch nicht in den neutestamentlichen Schriften belegt, erscheint aber dann ab der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts. Er verdrängte teilweise den Beinamen »Bruder des Herrn« und diente dann auch dazu, ihn von seinen Namensvettern zu unterscheiden.2 »… ursprünglich wird der Bruder Jesu diesen Ehrennamen aufgrund seines vorbildlichen Toragehorsams und seiner vom Gebot Jesu geprägten Lebensführung erhalten haben, die wohl nicht nur die Judenchristen beeindruckten, wobei wir annehmen können, daß Jakobus Vertreter einer spezifisch judenchristlich-jesuanischen Halacha war.«3
Nach einer judenchristlichen Legende, die über Hegesipp bei Euseb erhalten ist, stand Jakobus im ganzen jüdischen Volk als Gerechter in hohem Ansehen. Er galt nicht nur als gerecht, sondern auch als völlig unparteiisch und fähig, das Volk vom Irrtum wieder auf den rechten Weg zurückzubringen.4 Dieses Idealbild zeigt auch deutliche Berührungen mit dem Jakobusbrief.5 Die judenchristlichen Traditionen machten den Herrenbruder nicht nur zum allerersten Auferstehungszeugen, sondern später vor allem auch zum ersten »Bischof« auf dem θρόνος Jerusalems und zum direkten (Amts‑)Nachfolger Jesu. Eine Ausnahme scheint allein das »Protevangelium des Jakobus« zu machen, wo er weder »Herrenbruder« noch »Gerechter« genannt wird, aber durch seinen Bericht als Zeuge für die Jungfräulichkeit Mariens post partum dient. 2 So Hegesipp bei Euseb, H. e. 2,23,4 (GCS Eusebius II/1, 166,10 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); dazu unten S. 482. Im Mittelalter wurde er zu »Jacobus minor«, das heißt »dem Jüngeren«, aber sein Ehrentitel blieb erhalten; vgl. etwa Jacobus de Voragine, Legenda aurea 67 (FC Sonderbd., 916,5 ed. Häuptli): »Er wird auch Jakobus der Gerechte genannt wegen seines Verdienstes überragender Heiligkeit« (Übersetzung: Häuptli, Legenda aurea, 917) mit Verweis auf Hieronymus und Hegesipp bei Euseb. Jacobus de Voragine referiert breit die Historia ecclesiastica Eusebs. Siehe dazu jetzt auch R. Deines, Jakobus, 65 ff. 3 M. Hengel, Jakobus, 80 = KS III, 558. 4 Euseb, H. e. 2,23,10 f. (GCS Eusebius II/1, 168 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); dazu ausführlicher unten S. 501 bei Anm. 42. 5 Jak 5,6 (auch wenn hier ursprünglich Jesus gemeint war); 5,16: δίκαιος; 2,9: εἰ δὲ προσωπολημπτεῖτε, ἁμαρτίαν ἐργάζεσθε ἐλεγχόμενοι ὑπὸ τοῦ νόμου ὡς παραβάται; 5,19 f.: Ἀδελφοί μου, ἐάν τις ἐν ὑμῖν πλανηθῇ ἀπὸ τῆς ἀληθείας καὶ ἐπιστρέψῃ τις αὐτόν, γινωσκέτω ὅτι ὁ ἐπιστρέψας ἁμαρτωλὸν ἐκ πλάνης ὁδοῦ αὐτοῦ σώσει ψυχὴν αὐτοῦ ἐκ θανάτου καὶ καλύψει πλῆθος ἁμαρτιῶν. 1
476
IV. Das palästinische Judenchristentum
14.1 Der erste Auferstehungszeuge Für die Ersterscheinung vor Jakobus dem Gerechten zitiert Hieronymus aus dem Hebräerevangelium:6 »Und das Evangelium, das ›nach den Hebräern‹ genannt wird und von mir kürzlich in die griechische und die lateinische Sprache übersetzt wurde, das auch Adamantius [d. h. Origenes] oft verwendet, berichtet nach der Auferstehung des Erlösers: Als aber der Herr das Leichentuch dem Knecht des Priesters gegeben hatte, ging er zu Jakobus und erschien ihm. Jakobus hatte nämlich geschworen, er werde kein Brot mehr essen von der Stunde an, in der er den Kelch des Herrn getrunken hatte, bis er ihn von den Entschlafenen auferstehen sehe. Und kurz darauf sagte der Herr: ›Bringt einen Tisch und Brot!‹ Und sogleich wird hinzugefügt: Er nahm das Brot und dankte und brach es und gab es Jakobus dem Gerechten und sprach zu ihm: ›Mein Bruder, iß dein Brot, denn der Menschensohn ist von den Schlafenden auferstanden.‹«7
Diese Erzählung läßt zwei verschiedene ›apokryphe‹ Weiterbildungen der Ostergeschichten erkennen, die die Tatsächlichkeit der leiblichen Auferstehung Jesu apologetisch unterstreichen: Die Erzählung vom Knecht des Hohenpriesters, der das Leichentuch erhält, setzt die öffentliche Auferstehung vor Zeugen voraus. Wahrscheinlich war dieser unter den Grabwächtern und soll nun das Tuch zum Beweis dem Hohenpriester bringen.8 Jakobus dagegen gehörte hier – anders als in der neutestamentlichen Überlieferung – schon zum vorösterlichen Jüngerkreis. Er war beim letzten Mahl Jesu mit den Jüngern anwesend. Sein Verzichtsgelübde wandelt das Jesuslogion ab, das in der Darstellung des Matthäus – und des Markus – am Ende des Abendmahls Jesu Ausblick auf das eschatologische Mahl in der Gottesherrschaft bildet: »Amen, ich sage euch, daß ich nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken werde bis zu jenem Tage, an dem ich es neu trinken werde in der Gottesherrschaft.«9
Während das Logion bei den Synoptikern die Vollendungsgewißheit Jesu ausdrückt und dem historischen Geschehen noch sehr nahe kommt, unterstreicht Jakobus im Hebräerevangelium mit seinem Gelübde – nur noch – seine felsenfeste Gewißheit, daß der »Menschensohn« von den Toten auferstehen werde. »Menschensohn« für Jesus wird außerhalb der Evangelien nur in Apg 7,56 und in judenchristlicher Überlieferung als Hoheitstitel verwen6 J. Frey, Fragmente des Hebräerevangeliums, in: AcA I/1, 598, nimmt »eine Abfassung in Ägypten in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts« durch Judenchristen an. 7 Hieronymus, De viris illustribus 2,12 f. (BPat, 78 ed. Ceresa-Gastaldo); zur Übersetzung vgl. J. Frey, Fragmente des Hebräerevangeliums, in: AcA I/1, 604 f. 8 So H.-J. Klauck, Apokryphe Evangelien, 61; J. Frey, Fragmente des Hebräerevangeliums, in: AcA I/1, 596: »vor den Augen der Grabwächter«. 9 Mt 26,29 par.; vgl. Lk 22,16. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 415.532 ff.585.
§ 14 Jakobus »der Gerechte«
477
det.10 Dabei muß »[d]as Bekenntnis zu Jesus als dem Menschensohn … eine Eigenheit des palästinischen Judenchristentums gewesen sein«.11 Die Szene scheint in Jerusalem zu spielen, denn Jesus geht vom Grab direkt zu Jakobus und erscheint ihm (ivit ad Iacobum et apparuit ei). Da Hieronymus den Text des Hebräerevangeliums kürzt und nach einer Auslassung fortfährt, erscheint unklar, zu wem der Auferstandene sagt: »Bringt einen Tisch und Brot.« Wendet er sich an die Diener des Jakobus, um mit ihm allein das Mahl zu halten? Oder sind inzwischen auch andere Apostel anwesend?
14.2 Der Offenbarungsmittler Nicht nur als Gerechter, sondern auch als Offenbarungsmittler stand Jakobus in hohem Ansehen. So schreibt Clemens im siebten Buch seiner Hypotyposen: »Jakobus dem Gerechten und Johannes und Petrus gab der Herr nach der Auferstehung die Erkenntnis (γνῶσις), diese gaben sie den übrigen Aposteln, die übrigen Apostel den Siebzig, unter denen auch Barnabas war. Es gab aber zwei Männer mit dem Namen Jakobus. Der eine war Jakobus der Gerechte, der von der Zinne [des Tempels] gestürzt und von einem Walker mit dem Holz erschlagen wurde, der andere aber wurde enthauptet.«12
Jakobus der Herrenbruder steht hier an erster Stelle, aber die Reihenfolge scheint gegenüber Gal 2,9 etwas eigenartig. Warum steht Petrus erst an dritter 10 So im Jakobusmartyrium Hegesipps (Euseb, H. e. 2,23,13 [GCS Eusebius II/1, 168,25– 170,2 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]). Vgl. oben S. 162 bei Anm. 106 zum »Menschensohn« in der Stephanusrede; vgl. weiter M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 263.265.526–541 u. ö. In der Ascensio Jesaiae, einer judenchristlichen Schrift aus dem frühen 2. Jahrhundert, wird der Terminus für das Erdenleben Jesu verwendet (AscJes 11,2 [CChr.SA 7, 231.315.430 ed. Bettiolo u. a.]): Et vidi similem filii hominis, et cum hominibus habitare. Ebenso »schon im Stil des 2. Jahrhunderts« erscheint er ohne Artikel in Barn 12,10, in IgnEph 20,2 »als Gegenüberstellung zu υἱὸς θεοῦ«, so M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 527 Anm. 140. 11 M. Hengel, Jakobus, 82 f. = KS III, 560 f. 12 Euseb, H. e. 2,1,4 f. (GCS Eusebius II/1, 104,9–16 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann), vgl. Clemens Alexandrinus, Stromateis 6,68,3 (GCS Clemens Alexandrinus II, 466,9 ed. Stählin / Früchtel / Treu). J. Painter, James, 116 f., meint – unter Berufung auf G. Lüdemann –, Clemens lasse die Steinigung aus, denn er berichte unabhängig von Josephus und Hegesipp. Er sei abhängig von einer Tradition (Painter gibt die Stelle ungenau mit »Sanhedrin 81a« an), nach der Jakobus als Priester hingerichtet wurde. Nach mSan 9,6; bSan 82b–83a muß ein Priester, der seinen Dienst in Unreinheit verrichtet, sofort getötet werden, deshalb »führen ihn Priesterjünglinge außerhalb des Tempels und zerschmettern ihm das Gehirn mit Holzscheiten«. Dazu M. Hengel, Zeloten, 220 = 3. Aufl. 216 u. ö.; A. M. Schwemer, Prophetenlegenden II, 297. Die Legende vom Walkerholz (ξύλον) ist jedoch wahrscheinlich entstanden, um das Martyrium des Jakobus an den Kreuzestod Jesu anzugleichen, siehe dazu unten S. 507 mit Anm. 69. Der Schlag mit dem Walkerholz ist ebenso wie der Sturz von der Tempelzinne eine christliche Legendenbildung; beides fehlt bezeichnenderweise bei Josephus.
478
IV. Das palästinische Judenchristentum
Stelle?13 Jakobus bildet die Spitze der Sukzession, die auffällig an die successio Moses erinnert. »Die Parallele zur Übergabe der Tora an Mose und der sich anschließenden Tradentenkette Abot 1,1 ist offensichtlich. Dies deutet wieder auf judenchristlichen Ursprung hin.«14 Jakobus ist Offenbarungsmittler wie in EvThom 12, bei Hegesipp und in gnostischen Schriften aus Nag Hammadi (dazu unten). Diese Traditionen sind historisch nicht zuverlässiger als die lukanische Darstellung in Apg 1–15, sondern wie die von der Ersterscheinung vor Jakobus Früchte der judenchristlichen Verehrung des Herrenbruders. Man kann aus ihnen nicht folgern, daß die Führungsrolle der Urgemeinde von Anfang an bei Jakobus gelegen habe.15 Vermutlich verdankt Clemens die Tradition, daß Christus die γνῶσις zuerst dem ›Dreiergremium‹ Jakobus, Johannes und Petrus übergeben habe, seinem judenchristlichen Lehrer aus Palästina.16 Ebenso deutlich wie bei Clemens erscheint Jakobus als Offenbarungsmittler im Thomasevangelium. Dieses wurde vermutlich in griechischer Sprache in Syrien um die Mitte des 2. Jahrhunderts abgefaßt.17 Hier hat sich eine ältere Überlieferung erhalten, die wohl ebenfalls ursprünglich aus Palästina stammt. Der Auferstandene verweist seine zurückbleibenden Jünger auf Jakobus und dessen Führung: »Die Jünger sprachen zu Jesus: ›Wir wissen, daß du von uns gehen wirst. Wer ist es, der (dann) über uns herrschen [wörtlich: ›groß sein‹] wird?‹ Jesus sprach zu ihnen: ›Woher (auch immer) ihr gekommen seid – zu Jakobus dem Gerechten sollt ihr gehen, um dessentwillen der Himmel und die Erde entstanden sind.«18
13 Die Unterordnung des Petrus unter Jakobus läßt sich öfter feststellen. Sie findet sich vor allem in den Pseudoklementinen, dem Apostelroman aus dem 3. bis 4. Jahrhundert, der ebionitische Traditionen enthält, und hier auch in der Epistula Petri apocrypha zu Beginn (1,1 [GCS Pseudoklementinen I, 5,2.16 ed. Rehm / Strecker]). Siehe dazu M. Hengel, Jakobus, 81.87 = KS III, 559.565. 14 M. Hengel, Jakobus, 85 f. = KS III, 563 f. 15 Eigenartigerweise hält sich die Ansicht hartnäckig, daß Jakobus und nicht Petrus der Anführer bei der Entstehung der Urgemeinde von Anfang an war; so etwa wieder bei J. Magness, Stone, 174 im Anschluß an J. Painter, James, 3 ff. Dazu W. Horbury, Beginnings, 57 f.: Diese Überlieferungen spiegeln die sehr frühe Übernahme der Gemeindeleitung durch Jakobus nach der durch die Agrippa-Verfolgung erzwungenen Flucht des Petrus. 16 Clemens Alexandrinus, Stromateis 1,11,3 (GCS Clemens Alexandrinus II, 9,4 ff. ed. Stählin / Früchtel / Treu); Euseb, H. e. 5,11,3 ff. (GCS Eusebius II/1, 452,13–454,2 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Siehe W. Horbury, Beginnings, 15 Anm. 17; 57 Anm. 105. 17 H.-J. Klauck, Apokryphe Evangelien, 144: »Selbst bei vorsichtiger Schätzung wird man mit ca. 120–140 als Zeitpunkt des Abschlusses einer frühen Fassung rechnen dürfen.« Vgl. auch J.-D. Kaestli, Art. Evangelium nach Thomas, RGG4 2 (1999), 1743 f. 18 EvThom 12 (Übersetzung: H.-G. Bethge u. a. in: K. Aland, Synopsis, 522); vgl. ders., Thomasevangelium, in: AcA I/1, 509. Dazu M. Hengel, Jakobus, 79 Anm. 31 = KS III, 557 Anm. 31; vgl. auch E. E. Popkes, Menschenbild, 86.89.
§ 14 Jakobus »der Gerechte«
479
Während in der synoptischen Tradition die Jünger darüber streiten, wer der größte sei, und von Jesus entsprechend zurechtgewiesen werden und die beiden Zebedaïden um die Ehrenplätze neben Jesus in seiner himmlischen Herrlichkeit bitten,19 erhält in diesem Logion Jakobus der Herrenbruder eindeutig den Vorrang, denn »ihm [wird] die Rolle des universalen Seelensammlers und Schöpfungsfokus zuerkannt«.20 Innerhalb des Thomasevangeliums ist die Funktion des Jakobus in Logion 12 jedoch bereits relativiert und der des Thomas in Logion 13 nachgeordnet.21 In seinem Ursprung bestimmte das Logion die überragende Würde des Jakobus analog zum Felsenwort für Petrus: »Der Beiname ›der Gerechte‹ hat dabei in ähnlicher Weise ›ekklesiologische‹ Bedeutung wie ›Kephas‹ für Simon, ja er übertrifft für das Judenchristentum dessen Gewicht bei weitem.«22 Der Ehrentitel »der Gerechte« erklärt auch die Angabe, daß um seinetwillen Himmel und Erde erschaffen wurden. »Der Satz, daß um des Jakobus willen ›Himmel und Erde geworden sind‹, unterstreicht seine Autorität als paradigmatischer, einzigartiger ṣaddîq.«23 Dies entspricht dem jüdischen Bild vom Gerechten. In der rabbinischen Literatur wird es zum Topos, daß »um der Gerechten willen Himmel und Erde erschaffen sind«.24 Doch schon im frühen Judentum stellt »der 19 Zum Rangstreit der Jünger: Mk 9,33–37 parr.; zu den Söhnen des Zebedäus: Mk 10,35–45 par. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 355.368.437 ff.585 f. 20 W.-P. Funk, Die zweite Apokalypse des Jakobus, in: AcA I/2, 1186 Anm. 14. Doch Himmel und Erde und ihre Erschaffung haben in gnostischen Texten keinen so hohen Stellenwert wie in judenchristlichen. 21 Anders J. Schröter, Evangelium nach Thomas, in: AcA I/1, 505 f.: »Auffällig ist … die … Sonderstellung Jakobus’ des Gerechten. … An Jakobus werden die Jünger für die Zeit der Abwesenheit Jesu verwiesen, Thomas dagegen gilt als derjenige, der die verborgene Lehre Jesu bereits empfangen hat … Die Abfolge von Spruch 12 und 13 ist … als Schilderung der Situationen vor und nach dem Weggang Jesu aufzufassen … später soll Jakobus der Gerechte der Anführer der Jünger sein.« Aber Thomas ist doch vor und nach Ostern der Garant für die »verborgenen Worte« Jesu (EvThom 1) und übertrifft damit Jakobus und seine Funktion als der »Gerechte«? Vgl. dagegen E. E. Popkes, Menschenbild, 88 Anm. 115: »Aus diesem Grunde ist es wahrscheinlich, daß EvThom 12 zwar eine traditionelle Einschätzung des Herrenbruders Jakobus wiedergibt, welche jedoch durch die Verschränkung mit EvThom 13 eine Relativierung erfährt«, mit Verweis auf M. Hengel und H.-J. Klauck. 22 M. Hengel, Jakobus, 80 = KS III, 558. Vgl. W. Pratscher, Herrenbruder, 152 f.: »Auch wenn man keine direkte Anspielung an Mt 16,16 ff. postuliert, ist doch die Ablehnung des darin gegebenen Anspruches deutlich.« 23 M. Hengel, Jakobus, 79 = KS III, 557. Vgl. auch schon oben bei Anm. 3. 24 Siehe M. Hengel, Jakobus, 79 ff. = KS III, 557 ff. mit Verweis auf die zahlreichen Belege bei R. Mach, Zaddik, 108–133. Auch in frühjüdischen Texten begegnet das Motiv. So ist etwa in 4 Esr 6,55.59; 7,11 diese Welt um Israels willen erschaffen, in 2 Bar 14,19 um der Menschen willen; vgl. 15,7: »Wenn um der Gerechten willen … diese Welt gekommen ist, so wird auch ihretwillen erscheinen, was noch kommt«; vgl. 21,24: Um »Abrahams, Isaaks und Jakobs … und aller, die ihnen ähnlich sind«, willen ist diese Welt geschaffen; vgl. auch J. Painter, James, 162 f. Im samaritanischen Memar Marqah ist Mose derjenige, für den die Welt erschaffen
480
IV. Das palästinische Judenchristentum
Gerechte« das Ideal eines Frommen dar.25 Auch andere Funktionen, die Jakobus in der legendären Weiterbildung erhält, erklären sich aus seinem Charakter als der »Gerechte«.26
14.3 Die Vita des Jakobus bei Hegesipp Diese verschiedenen Charakterzüge und Funktionen treten in der Darstellung seines Lebens und Sterbens bei Hegesipp, der über verhältnismäßig frühe Quellen aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts verfügt hat, gehäuft zutage. Hegesipp war vermutlich »Judenchrist aus Palästina oder Syrien«, der »Hypomnemata / Erinnerungen« in fünf Büchern verfaßt hat, die nur fragmentarisch vor allem durch Zitate bei Euseb erhalten sind.27 Am ausführlichsten – so schreibt Euseb – äußert sich Hegesipp »im fünften Hypomnema« über Jakobus und sein Martyrium. Hieronymus nennt den Stil des Hegesipp »schlicht«, weil dieser auch »die Redeweise der Menschen, deren Leben er beschrieb, ausdrücken wollte«.28 Im Falle des Herrenbruders jedoch ist die Diskrepanz zwischen der gepflegten griechischen Sprache des Jakobusbriefes und dem recht unklaren, zum Teil rätselhaften Bericht Hegesipps über Jakobus auffallend.29 Hieronymus kürzt Hegesipps Darstellung,30 die er in Eusebs Kirchengeschichte vorfand, vermutlich weil sie ihm nicht nur zu lang, sondern auch recht wirr erschien. wurde, siehe J. Macdonald (Hg.), Memar Marqah, Bd. I, 46, englische Übersetzung Bd. II, 73; dazu A. Broadie, Samaritan Philosophy, 156. 25 Zudem ist es einer der Ehrennamen des Messias; vgl. Apg 3,14; 7,52; 22,14. C. S. Keener, Acts II, 1090 ff., verweist unter anderem auf Qumrans »Lehrer der Gerechtigkeit«, den Hohepriester Simon den Gerechten (mAv 1,2), Henoch (TestLev 10,5; TestJud 18,1; TestDan 5,6; TestBen 9,1), Noah, Abraham – ein Blick in die entsprechenden Konkordanzen zeigt die Häufigkeit des Titels gerade für einzelne besonders hervorragende Gestalten wie Henoch, die Patriarchen und Esra; er wird aber auch als Gottesprädikation verwendet. 26 Zum Martyrium siehe unten § 15. 27 C.-J. Thornton, Art. Hegesipp, RGG4 3 (2000), 1510; J. Frey, Die Fragmente judenchristlicher Evangelien, 573; vgl. Euseb, H. e. 4,22,8 (GCS Eusebius II/1, 372,13–16 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Besonders wichtig für die Geschichte des frühen Christentums sind Hegesipps Nachrichten über die Herrenverwandten, die Entstehung der ersten »Häresien« aus den jüdischen Religionsparteien und über die Nachfolge der Bischöfe in Jerusalem; siehe dazu oben S. 344 Anm. 250 und unten S. 521 bei Anm. 6. Vgl. die Sammlung und Übersetzung der Fragmente: F. Schleritt, Hegesipp. 28 Hieronymus, De viris illustribus 22,1 (BPat, 116 ed. Ceresa-Gastaldo): Hegesippus … quinque libros composuit sermone simplici, ut, quorum vitam sectabatur, dicendi quoque exprimeret charactera. 29 W. Pratscher, Herrenbruder, 104: »ein sehr depravierter und mit vielen Problemen behafteter Text …, der in der jetzigen Form sicher nicht den Hegesipps wiedergibt«. Pratscher rechnet mit Interpolationen und in den Text geratenen Randglossen, die er dann ausscheidet. 30 Hieronymus übernimmt Hegesipps Beschreibung des Nasiräers und Asketen Jakobus
§ 14 Jakobus »der Gerechte«
481
Euseb zitiert in der Regel seine Quellen getreu, so gibt er wohl auch hier wieder, was ihm als Hegesipp-Text überliefert ist. Hegesipp seinerseits verwendet vermutlich eine oder mehrere judenchristliche Quellen, die letztlich auf Personallegenden zurückgehen, die wahrscheinlich in der Jerusalemer Gemeinde vor dem Bar-Kochba-Aufstand entstanden sind,31 das heißt in den Jahren zwischen der Rückkehr aus Pella und der Verbannung der jüdischen Bevölkerung aus der Nähe der neuen römischen Kolonie Aelia Capitolina. Die »Vita« des Jakobus bei Hegesipp erscheint als ein Paradebeispiel für judenchristliche biographische Legendenbildung. Die legendäre Umwandlung historischer Geschehnisse und die Bildung von Personallegenden über berühmte Personen der Vergangenheit lassen sich in der Literatur des frühen Judentums öfter beobachten. Es handelt sich dabei nicht, wie man früher angenommen hat, um ein Phänomen der Volksliteratur, sondern die »Autoren« waren in der Regel Schriftgelehrte.32 Gerade die in modernen Augen bizarren Züge und Motivhäufungen können auf Kombinationen in der Schriftauslegung zurückgehen. Ähnliches läßt sich auch in den rabbinischen Legenden feststellen. Die Bandbreite der legendären Umwandlungen ist dabei sehr groß. Sie reicht von der Heroisierung bis hin zur verschlüsselten Umkehrung und Polemik.33 Da wir durch die Briefe des Paulus und die Apostelgeschichte des Lukas Nachrichten von Personen haben, die Jakobus persönlich gekannt haben, und durch Josephus, ebenfalls einen Zeitgenossen, der damals, als Jakobus hingerichtet wurde, als ca. 35jähriger in Jerusalem lebte und politisch tätig war, einen dem historischen Geschehen nahen Bericht über den Tod des Jakobus, sollte man annehmen können, daß sich der Weg der Legendenbildung verhältnismäßig gut verfolgen läßt.
aus Euseb und übersetzt sie ins Lateinische (De viris illustribus 2,3 ff. [BPat, 74 ff. ed. CeresaGastaldo] = Euseb, H. e. 2,23,4 ff. [GCS Eusebius II/1, 166 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]); für das Martyrium paraphrasiert er Josephus und übernimmt aus Eusebs Hegesipp-Text nur den Sturz von der Zinne des Tempels, den Schlag mit dem Walkerholz und das Sterbegebet. Er begründet seine Kürzung mit: Dicit et multa alia quae enumerare longum est (De viris illustribus 2,8 [BPat, 76 ed. Ceresa-Gastaldo]). Damit umgeht er elegant alle Rätsel, die der Hegesipp-Text bis heute bietet. Auch Clemens Alexandrinus kürzt das umständliche Martyrium ab, erwähnt nur den Anfang mit dem Sturz von der Zinne und das Ende mit dem tödlichen Schlag durch das Walkerholz (Euseb, H. e. 2,1,5 [GCS Eusebius II/1, 104,15 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]); dazu oben S. 477 Anm. 12). 31 Ähnlich W. Pratscher, Herrenbruder, 107: »Entstanden ist diese Quelle … im griechisch sprechenden Judenchristentum Syriens oder Palästinas, vermutlich in der 1. Hälfte des 2. Jh.s; verarbeitet sind in ihr Traditionen der aramäisch sprechenden Jerusalemer Gemeinde vor 135«. 32 Die jüdischen biographischen Legenden(sammlungen) sind abhängig vom literarischen Vorbild der griechischen biographischen Schriftstellerei in hellenistischer Zeit, siehe A. M. Schwemer, Prophetenlegenden I, 43–50. Vgl. M. R. Lefkowitz, Lives. 33 Dazu M. Hengel, Rabbinische Legende.
482
IV. Das palästinische Judenchristentum
14.3.1 Jakobus als erster Bischof Hegesipp hat, nachdem er zur Zeit des Bischofs Aniket (ca. 154–165) in Rom gewesen war, seine »Erinnerungen« wohl wieder im Osten geschrieben. Er war in erster Linie an der richtigen, lückenlosen Sukzession der Bischöfe interessiert als Garantie für die richtige Lehre (ὀρθὸς λόγος) gegen die Häresien, nicht so sehr an der Sammlung von Personallegenden. Für ihn »it is James and other relatives of Jesus who inaugurate the succession of ›right doctrine‹«.34 Die Reihe der Hegesipp-Exzerpte bei Euseb setzt ein mit: »4 Es übernahm die Kirche(nleitung) gemeinsam mit den Aposteln der Bruder des Herrn, Jakobus, der von allen (zur Unterscheidung) ›Gerechter‹ genannt wurde von den Zeiten des Herrn an bis zu unseren (Zeiten), denn viele hießen Jakobus.«35
Jakobus erscheint in dieser Notiz schon als primus inter pares, aber noch nicht als der monarchische Bischof der späteren Überlieferungen und wie er Hegesipp selbst wichtig war. Der Hegesipp-Bericht gehört, da er hier auf eine judenchristliche Quelle aus der Jerusalemer Gemeinde zurückgeht, zu den ältesten nachneutestamentlichen Texten über Jakobus. Er spiegelt ein ähnliches Milieu wie das oben zitierte Hebräerevangelium, die unten zitierte Auskunft bei Clemens Alexandrinus, daß die beiden Zebedaïden nach der Himmelfahrt Christi Jakobus den Vorrang gelassen hätten, und Logion 12 im Thomasevangelium, das um die Mitte des 2. Jahrhunderts in das Thomasevangelium aufgenommen wurde, aber vermutlich älter ist.36
14.3.2 Jakobus als Nasiräer Hegesipp beschreibt Jakobus als Nasiräer mit (hohe)priesterlichen Zügen: »5 Dieser war von seiner Mutter Leib an heilig, Wein und Most trank er nicht, aß auch nichts Beseeltes,37
O. Skarsaune, Fragments, 347. Euseb, H. e. 2,23,4 (GCS Eusebius II/1, 166,9 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Vgl. dazu auch unten S. 490. 36 Siehe dazu oben S. 479 mit Anm. 21. R. Bauckham, James and the Jerusalem Church, 451, nimmt sogar an, daß dieses Logion EvThom 12 noch zu Jakobus’ Lebzeiten entstanden sei und seinen Einfluß auf die Mission in Ostsyrien spiegele. Zu Clemens Alexandrinus siehe Euseb, H. e. 2,1,3 (GCS Eusebius II/1, 104,15 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); vgl. unten S. 490. 37 Mit ἔμψυχος ist Tierisches gemeint. Nach Josephus essen Daniel und seine Gefährten (Dan 1,8–16) nicht nur nichts von der königlichen Tafel, sondern ausdrücklich auch keine tierische Nahrung (ἔμψυχος: Ant. 10,190). Zur Diät von Philostrats Apollonius siehe unten S. 484 bei Anm. 45. 34 35
§ 14 Jakobus »der Gerechte«
483
ein Schermesser kam nicht auf seinen Kopf, er salbte sich nicht mit Öl, und er besuchte auch kein (öffentliches) Bad. 6 Diesem allein war es gestattet, in das Heilige38 hineinzugehen, denn er trug auch nichts Wollenes, sondern Leinengewänder. Und er pflegte allein hinein in das Tempelhaus zu gehen, und man fand ihn auf den Knien liegend und um Vergebung bittend für das Volk, so daß seine Knie hart wurden wie die eines Kamels, da er sich ständig auf die Knie beugte und Gott anbetete, um Vergebung für das Volk zu erbitten. 7 Wegen des Übermaßes seiner Gerechtigkeit wurde er der Gerechte genannt und Oblias,39 was auf griechisch Umwallung des Volkes (περιοχὴ τοῦ λαοῦ) heißt und Gerechtigkeit, wie auch die Profeten über ihn offenbaren.«40
Jakobus wird als lebenslanger Nasiräer geschildert, der heilig und damit Gott von Mutterleib an geweiht ist wie Simson, auf dessen »Haupt kein Schermesser« kam (Ri 13,5). Auch mit seinem Verzicht auf berauschende Getränke ähnelt er Simson und Johannes dem Täufer.41 Einen Anknüpfungspunkt für die Charakterisierung als Nasiräer kann man im Rat des Jakobus an Paulus, die vier Nasiräer auszulösen, sehen.42 Als Vegetarier hält Jakobus sich strikt an das Verbot des Opferns und Schlachtens und übertrifft mit seiner Askese Simson und den Täufer bei weitem. Daß er sich nicht mit Öl salbte und kein Bad aufsuchte, könnte man auf seine asketische Bußhaltung deuten, sein Verhalten entspricht jedoch auch τὰ ἅγια, gemeint ist das Allerheiligste. Zu ΩΒΛΙΑΣ siehe J. Bourgel, Jacques le Juste, 232 f.: Es handelt sich um das aramäische ʾābûlāʾ, das ursprünglich aus dem Akkadischen kommt und dort »Stadttor« bedeutet, aber dann »semble d’avoir peu à peu intégrer le champ sémantique relatif aux fortifications« (232). M. Jastrow, Dictionary, s. v. 4, gibt als Bedeutung auch »fortified place« an. Hegesipps Aramäischkenntnisse wären dann besser als die vieler moderner Exegeten. Nach Euseb, H. e. 4,22,8 (GCS Eusebius II/1, 372 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann), machte er Exzerpte aus Schriften in syrischer und hebräischer Sprache und zeigte damit, daß er »aus den Hebräern zum Glauben gekommen war«. Bourgel listet in einer Tabelle zwölf weitere ältere, zum Teil recht phantasievolle Lösungsvorschläge auf, von denen nur einer ernsthaft in Betracht kommt: ΩΒΛΙΑΣ ist verschrieben aus ΩΒΔΙΑΣ und leitet sich her aus Ob 1,1: Hier finden wir im Namen des Profeten Obadja eine Anspielung auf den »Knecht Gottes«, den עבד, und in der Septuaginta wird in diesem Zusammenhang eine περιοχὴ εἰς τὰ ἔθνη erwähnt. R. Deines, Jakobus, 161, nimmt diesen Vorschlag, der den Verweis auf die Profeten erklären könnte, wieder auf, aber auch diese Lösung bleibt nicht völlig befriedigend. 40 Euseb, H. e. 2,23,5 ff. (GCS Eusebius II/1, 166,12–168,2 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 41 Zum Begriffspaar οἶνος καὶ σίκερα siehe Lev 10,6; Num 6,3; Dtn 14,26; 29,5; Ri 13,4.7.14 (Simsons Mutter); Lk 1,15 u. ö.; vgl. auch 1 Sam 1,11; zu Simson siehe auch LibAnt 42,3. Vgl. M. Wolter, Lk, 79: »Alkoholverzicht [gilt] … als Merkmal von Menschen …, die in besonderer Nähe zu Gott stehen«, das heißt vor allem für Priester und Nasiräer. 42 Apg 21,24. B. D. Chilton, James, 13 f., nimmt dagegen an, der legendäre Bericht des Hegesipp tradiere in bezug auf das asketische Nasiräertum des Jakobus eine historische Erinnerung, anders sei es mit seiner (hohe)priesterlichen Würde. 38 39
484
IV. Das palästinische Judenchristentum
den Vorschriften für den Jom Kippur, den Großen Versöhnungstag.43 Zudem trägt er nur die priesterlichen Leinengewänder. Wahrscheinlich ist die Vorstellung vom Herrenbruder als Nasiräer sekundär aus seiner Funktion als Hohepriester und von seiner hohepriesterlichen Interzession im Tempel abgeleitet.44 Eine interessante Parallele bildet Philostrats Beschreibung des Apollonius von Tyana, der sich an folgende Lebensweise hielt: Er aß kein Fleisch (ἐμψύχους βρώσεις), trank keinen Wein, weil er den Kopf benebelt, trug keine Schuhe und nur Leinengewänder, ließ sein Haar lang wachsen und lebte im Tempel des Asklepius. Er vermied warme Bäder und ging nur in kaltes Wasser. Die Bevölkerung, die rings um den Tempel wohnte, geriet außer sich vor Bewunderung. Der Gott lobte sein Verhalten.45 Vermutlich spiegelt das asketische Leben, das Philostrat dem Apollonius zuschreibt, eine enkratitische Mode in Syrien im 2. Jahrhundert. Bei Philostrat mögen zudem pythagoreische Traditionen eine Rolle gespielt haben.
14.3.3 Jakobus als Hohepriester Wurde schon Jesus als messianischer Hohepriester verstanden,46 so wird diese Funktion und Würde nun entsprechend auch auf Jakobus übertragen. Der Priesterdienst des Jakobus besteht bei Hegesipp in seinem unaufhörlichen Gebet im Allerheiligsten, durch das er die Vergebung der Sünden für sein Volk erfleht. Er 43 Sich nicht zu waschen und nicht zu salben gehört unter anderem zu den Trauer‑ und Fastenriten, siehe mTaan 1,4 ff. An den Fasttagen werden die Bäder geschlossen (mTaan 1,6). Weiter mYoma 8,1: »Am Versöhnungstag ist es verboten zu essen, zu trinken, sich zu waschen, zu salben, die Sandalen anzulegen und das Bett zu benutzen.« Vgl. dazu unten bei Anm. 49. Anders T. Nicklas, Jews and Christians, 203, der zum Nichtsalben auf Ex 29,7; 30,30; Lev 8,12 und zum Nichtwaschen auf Ex 29,4; Lev 8,6; 16,4b.24a verweist. Doch es geht in der Jakobuslegende nicht darum, daß Priester – passivisch – gesalbt werden und sich nicht selbst salben und gewaschen werden zur Weihe und Amtseinführung, sondern um den Trauerbrauch wie in 2 Sam 14,2, wo die Septuaginta ebenfalls ἀλείφομαι im Medium mit ἔλαιον im Akkusativ (nicht Dativ) verwendet für »salbe dich nicht mit Öl«. Die eindrückliche Liste von alttestamentlichen Stellenangaben bei Nicklas ist in dieser Hinsicht irreführend. 44 W. Pratscher, Jakobus bei Hegesipp, 150 Anm. 15, nimmt zu Recht an, daß die priesterliche Funktion die ältere Vorstellung ist und die vom Nasiräer später hinzugekommen sei. Anders B. D. Chilton, James, 13 f. (dazu oben Anm. 42). Vgl. auch D. Stökl Ben Ezra, Yom Kippur, 248. 45 Philostratus, Vita Apollonii 1,8.16 (LCL 16, 46 ff.68 ff. ed. Jones). Vgl. dazu F. S. Jones, Hegesippus. Philostrat schrieb zu Beginn des 3. Jahrhunderts. 46 Zu Jesus Christus als Hohepriester siehe Lk 24,50 f. (der Segen des Auferstandenen, vgl. Sir 50,22 f.); Joh 19,23b (der ungenähte Rock); Apg 5,31 (»Anführer und Retter …, um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu verleihen«) und 7,55 f. (stehend als priesterlicher Interzessor im himmlischen Tempel zur Rechten Gottes). Dazu A. M. Schwemer, Jesus; jetzt auch D. M. Moffitt, Atonement. Zur Hohepriester-Christologie vgl. vor allem Hebr 4,14–5,10; 7,1–28; 8,1–6 u. ö.; dazu G. Gäbel, Kulttheologie.
§ 14 Jakobus »der Gerechte«
485
wird nicht etwa historisierend als ein mit dem Hohenpriester, Hannas II., der den historischen Jakobus ja zum Tod verurteilen ließ,47 konkurrierender Gegenpriester beschrieben. Hannas II. spielt in der legendären Überlieferung keine Rolle mehr, auch wenn der Mord durch den Hohenpriester die Legendenbildung befruchtet hat.48 Jakobus allein durfte das Allerheiligste betreten, und zwar täglich. Mit seinem unablässigen kniefälligen Flehen – eindrücklich der Vergleich seiner Knie mit denen eines Kamels – bewirkt er durch sein Gebet dasselbe wie der Hohepriester am Jerusalemer Tempel durch den Vollzug der Riten am Großen Versöhnungstag, nämlich Sündenvergebung für sein Volk (ἄφεσιν τῷ λαῷ).49 Ja, er übertrifft diesen. Der amtierende Hohepriester betrat nach dem Gesetz nur einmal im Jahr das Allerheiligste; Jakobus hatte dagegen – nach Hegesipp und Euseb, der ihn zitiert – als einziger täglich freien Zutritt.50 Er erfüllt damit – in der Vorstellung seiner judenchristlichen palästinischen Verehrer – die Profetie Jesajas: »Mein Haus soll ein Bethaus sein«, die Jesus nach der synoptischen Tradition zur Begründung der Tempelreinigung zitiert.51 Mit seinem Priesterdienst durch unablässiges Gebet52 im Tempel nimmt Jakobus nach unserer Überlieferung ein Anliegen Jesu auf, der mit seiner »Tempelaktion … darauf zielte, den Opferkultbetrieb zeichenhaft zum Erliegen zu bringen«.53 Jakobus machte – in 47 Dazu
unten § 15.1 (S. 492–500). Es würde sich dann um einen Fall der legendären Umkehrung handeln: Der Hohepriester Hannas II., der den Justizmord an Jakobus beging, wurde selbst von radikalen aufständischen Idumäern ermordet und unbegraben liegen gelassen (dazu unten S. 496). Josephus, der dies berichtet, sieht darin den Anfang des Untergangs und der Zerstörung Jerusalems (Bell. 4,315– 318). In der christlichen Legende wird Jakobus zum wahren Hohenpriester, und der Mord an ihm läßt die Zerstörung Jerusalems sofort eintreten. 49 Euseb, H. e. 2,23,6 (GCS Eusebius II/1, 166,17 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann): zweimal; vgl. Lev 16,5–34. Weniger wahrscheinlich scheint die Annahme von Richard Bauckham, daß der Priesterdienst des Jakobus aus Ez 44,15 ff. und Ps 118,19 erschlossen sei (so R. Bauckham, Offence, 213 ff.). Bauckham nimmt auch an, Jakobus sei als Hohepriester gesehen worden, weil die Urgemeinde sich als Tempel verstanden hat. Zu diesem Problem siehe schon oben S. 47 mit Anm. 211. 50 Anders Epiphanius; dazu unten Anm. 56. 51 Jes 56,7; Mk 11,17 parr. O. Skarsaune, Fragments, 341, hat diese Beziehung ebenfalls gesehen. 52 Die Vorstellung vom Schutz durch das hohepriesterliche Gebet ist älter. Judas Makkabäus erscheint im Traum der als ›Märtyrer‹ (2 Makk 4,34; der Terminus erscheint hier natürlich noch nicht) gestorbene Hohepriester Onias III., »ein schöner, vortrefflicher Mann … Dieser hatte mit erhobenen Händen für die gesamte Gemeinde der Juden gebetet. Daraufhin sei in gleicher Weise ein durch weißes Haar und glanzvolle Erscheinung ausgezeichneter Mann erschienen … Onias aber habe das Wort ergriffen und gesagt: ›Dieser bruderliebende Mann ist der, der so oft für das Volk und die Heilige Stadt gebetet hat, Jeremia, der Profet Gottes.‹ Jeremia habe die Rechte ausgestreckt und Judas ein goldenes Schwert übergeben.« (2 Makk 15,12–16) In diesem Fall spornt Judas seine Truppen mit seiner Erzählung von dieser Traumvision an und erringt einen gewaltigen Sieg über Nikanor. Zur Übersetzung vgl. C. Habicht, 2. Makkabäerbuch, 277 f. 53 J. Ådna, Tempel, 385. 48
486
IV. Das palästinische Judenchristentum
der Legende, die die Erinnerung an ihn bewahrt – den Tempel zu einem »Haus des Gebets« für die Zeitspanne der gut 30 Jahre zwischen der Passion Jesu und seinem eigenen Martyrium, dem die Tempelzerstörung durch die Römer – nach der Version des Hegesipp – sofort auf dem Fuße folgte. Wenn die Vermutung richtig ist, daß Hannas II. gegen Jakobus als πλάνος – als Verführer zum Götzendienst – und einige andere Judenchristen unter anderem wegen ihrer Kritik am Jerusalemer Tempelkult vorging, dann wäre dies der historische Haftpunkt für die Entstehung der erbaulichen Vorstellung von Jakobus als hohepriesterlichem Beter und Interzessor im Tempel.54 Epiphanius korrigiert und ergänzt noch einige Einzelheiten, die er bei Hegesipp vermißte: Jakobus hat das hohepriesterliche Petalon55 auf dem Haupt, trägt keine Sandalen und geht nur einmal im Jahr am Jom Kippur in das Allerheiligste.56 Auch ein Regenwunder soll er vollbracht haben.57 54 Dazu
M. Hengel, Bekennen und Bekenntnis, in: KS VII, 342; zitiert unten S. 497 Anm. 23. Zur Ablehnung der Opfer im späteren Judenchristentum siehe PsClem H 3,56,4 (GCS Pseudoklementinen I, 77,17 ff. ed. Rehm / Strecker); PsClem R 1,37.39; 1,64,1 f. (GCS Pseudoklementinen II, 30,1–18; 31,8–15; 44,19–24 ed. Rehm / Strecker). Auch die Anabathmoi des Jakobus – es soll sich nach Epiphanius um ebionitische Apostelakten handeln – enthielten unter anderem Kritik am Tempel, an den Opfern und am Feuer auf dem Brandopferaltar (Epiphanius, Panarion 30,16,7 [GCS NF 10/1, Epiphanius I/1, 354,12–355,3 ed. Holl / Bergermann / Collatz]). Im Evangelium der Ebioniten soll das Jesuswort gestanden haben (Epiphanius, Panarion 30,16,5 [GCS NF 10/1, Epiphanius I/1, 354,7 f. ed. Holl / Bergermann / Collatz]): ἦλθον καταλῦσαι τὰς θυσίας, καὶ ἐὰν μὴ παύσησθε τοῦ θύειν, οὐ παύσηται ἀφ’ ὑμῶν ἡ ὀργή. Dazu M. Hengel, Jakobus, 78 = KS III, 556 f. Anm. 29; J. Frey, Fragmente des Ebionäerevangeliums, in: AcA I/1, 611: Das Zitat stammt wahrscheinlich aus einem »Bericht über das als Passahfeier charakterisierte letzte Mahl«; vgl. die Übersetzung auf S. 620. 55 Epiphanius, Panarion 78,14,1 (GCS Epiphanius III, 464,24 ed. Holl / Dummer); vgl. Ex 28,36; Lev 8,9: das goldene »Stirnblatt«, auf dem stand »heilig für Jahwe«. Nach Polykrates von Ephesus trägt es der Apostel Johannes (bei Euseb, H. e. 3,31,3 [GCS Eusebius II/1, 264,18 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]). 56 Epiphanius, Panarion 78,13,5 (GCS Epiphanius III, 464,11 ff. ed. Holl / Dummer): »Allein diesem Jakobus war es erlaubt, einmal im Jahr in das Allerheiligste hineinzugehen, weil er Nasiräer war und zur Priesterschaft gehörte.« Er korrigiert die Vorstellung von der ständigen Anwesenheit des Jakobus als Beter im »Heiligen«, weil er sie nicht mehr versteht. Vgl. auch Epiphanius, Panarion 29,4,2 ff. (GCS NF 10/1, Epiphanius I/1, 324,16–25 ed. Holl / Bergermann / Collatz). 57 Epiphanius, Panarion 78,14,1 (GCS Epiphanius III, 464,25 f. ed. Holl / Dummer): »Als einmal eine Dürre eintrat, hob er die Hände zum Himmel und betete; und sofort gab der Himmel Regen.« Das klingt ganz nach einer judenchristlichen Legende, in der Jakobus wie der Profet Elia und Honi der Kreiszieher durch sein Gebet Regen bewirken kann. Vor allem erwähnt Jak 5,16 ff., daß das Gebet des Gerechten viel vermag, und erwähnt als Beispiel Elias Gebet um Regen. Das war wohl der Anknüpfungspunkt. Es gibt aber auch die christliche Legende, die das Regenwunder in den Markomannenkriegen (um 172 n. Chr.) auf das Gebet des christlichen Soldaten Donatus zurückführt. Vgl. W. Eck, Art. Marcus Aurelius, DNP 7 (1999), 873: »In Dakien … wurde ein röm. Heer von den Quaden eingeschlossen und drohte zu verdursten; die Rettung durch ein ›Regenwunder‹ reklamierten Pagane und Christen jeweils als Zeichen der
§ 14 Jakobus »der Gerechte«
487
Zum Schluß seines Charakterbildes erläutert Hegesipp noch einmal den Beinamen der »Gerechte« genauer: Jakobus verdankt ihn dem »Übermaß seiner Gerechtigkeit«, durch die er auch als »Oblias« einen Schutzwall für sein Volk bildete.58
14.3.4 Die »Tür Jesu« Danach treten die Gegner des Jakobus auf den Plan und melden sich zu Wort mit einer Frage, die im Grunde eine bis heute nicht befriedigend gelöste Crux darstellt: »8 Einige von den sieben Sekten im Volk, die ich schon früher [in den Hypomnemata] beschrieben habe, wollten von ihm erfahren: ›Τίς ἡ θύρα τοῦ Ἰησοῦ‹?59 Und er sagte, dieser sei der Retter. 9 Von diesen glaubten einige, daß Jesus der Messias ist. Die erwähnten Sekten glaubten weder an die Auferstehung noch an einen, der kommt, einem jeden entsprechend seinen Werken zu vergelten. Aber alle, die zum Glauben kamen, (taten dies) durch Jakobus. 10 Da nun auch viele von den Führern (des Volkes) glaubten, entstand ein Aufruhr unter den Juden, Schriftgelehrten und Pharisäern, die sagten, das ganze Volk sei in Gefahr, Jesus für den Messias / Christus zu halten.«60
Das Messiasbekenntnis des Jakobus wird ausgelöst durch die Frage: Τίς ἡ θύρα τοῦ Ἰησοῦ? Schon deren Übersetzung ist, wie gesagt, umstritten. »Wer ist die Tür zu Jesus?« war der Vorschlag von Martin Hengel, der vermutete: »Sollte hinter dieser vielumrätselten Frage ursprünglich der judenchristliche Anspruch gestanden haben, daß der Herrenbruder ›die Tür zu Jesus‹, mediator ad mediatorem, sei, der durch sein Bekenntnis viele zu Jesus hinführt?«61 Macht ihrer Religion.« Dieses Regenwunder ist auf der Mark-Aurel-Säule in Rom dargestellt; vgl. W. Speyer, Art. Regen, RAC Lieferung 223 (2017), 811 f. 58 Zu dieser Funktion des Gerechten siehe oben S. 483 mit Anm. 39 und unten S. 509 f. mit Anm. 80. 59 Das könnte man nach dem vorhergehenden Kontext mit »Wer ist die Tür Jesu?« übersetzen, da aber die Antwort lautet: τοῦτον εἶναι τὸν σωτῆρα (»dieser sei der Retter«), passen Frage und Antwort nicht zusammen. Auch die Übersetzung »Wer ist die Tür zu Jesus?« paßt nicht zu der personalen Antwort in Euseb, H. e. 2,23,8 und 2,23,12 f. (GCS Eusebius II/1, 168,4 f.; 168,24–170,2 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); denn Jesus selbst kann ja schlecht die Tür zu Jesus sein, so W. Pratscher, Jakobus bei Hegesipp, 152, der ausführlich auf frühere Lösungsvorschläge eingeht. Die Übersetzung, die F. Schleritt, Hegesipp, 23 (»Was ist die Tür Jesu?«), wieder vorschlägt, ist möglich. Aber wenn hinter der Frage die Überzeugung der Gegner steht, Jesus sei ein πλάνος, der das Volk in die Irre führe, so O. Skarsaune, Fragments, 345, dann übersetzt man besser mit »Welche (Tür) ist die Tür Jesu?«. 60 Euseb, H. e. 2,23,8–10 (GCS Eusebius II/1, 168,2–11 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 61 M. Hengel, Jakobus, 87 f. = KS III, 565 f. Er wies dazu auf IgnPhld 9,1 (hier ist Christus Hohepriester und »die Tür zum Vater, durch die Abraham, Isaak, Jakob, die Profeten, die
488
IV. Das palästinische Judenchristentum
Die Frage wird noch einmal von Gegnern wiederholt in der nächsten Szene (2,23,12 f.), wo Jakobus sich auf die »Zinne« des Tempels, den Ort der Versuchung / Erprobung Jesu, stellen muß, um in aller Öffentlichkeit das Volk vor der Gefahr zu bewahren, Jesus für den Messias zu halten. Vielleicht löst sich das Rätselraten über diese Crux, wenn man die Frage an Jakobus als eine Frage der Gegner ernst nimmt. Die Gegner können dann so fragen, weil sie der Überzeugung sind, daß Jesus ein falscher Messias ist, der das Volk zum Abfall verführt, das heißt, er ist ein πλάνος.62 Hinter der Verwendung der Metapher »Tür« könnte dann die Lehre von den »zwei Wegen«63 stehen: Die Gegner sind der Meinung, Jesus führe das Volk durch die Tür des Verderbens, Jakobus dagegen glaubt, Jesus führe seine Anhänger auf dem Weg des Lebens durch die Tür des Lebens. Diese Lösung bleibt nahe bei frühen judenchristlichen Vorstellungen.64 Man kann dann die Frage übersetzen mit: »Welche (Tür) ist die Tür Jesu?« Euseb und Hieronymus interpretieren den Hegesipp-Text sehr viel einfacher. Sie schlagen sich nicht mit der Tür-Metapher herum, sondern setzen voraus, daß Jakobus öffentlich gezwungen werden sollte zu leugnen, daß Jesus der Messias und die Tür zum Heil sei. Das legt auch Hegesipp nahe, wenn er in der nächsten Szene das Frage‑ und Antwortspiel auf der Zinne des Tempels, dem Ort der Versuchung Jesu, lokalisiert.65 Für Martin Hengels Deutung könnte man auf die spätere, gnostische 2. Jakobusapokalypse verweisen, die den älteren Legendenstoff aufnimmt und weiter ausgestaltet. Jesus sagt in einer Erscheinungszene zu Jakobus: »[Ich] will [ihm] durch dich und den [Geist der Kraft] Offenbarung zuteil werden lassen, und er (sc. der Geist) soll [den] Deinen Offenbarung geben; und durch dich sollen die, die hineingehen wollen, die gute Tür öffnen. Und sie kehren um (auf ihrem bisherigen Weg?), auf daß sie (fortan) auf dem Weg wandeln, der vor diese Tür führt, und sie hinter dir (zur Tür) hineingehen [und du] sie hineingeleitest und einem jeden den Lohn gebest, der ihm zukommt. Denn du bist nicht der Erlöser und ein Helfer von Fremden. Du bist (vielmehr) Apostel und die Kirche eintreten«), 1 Clem 48,4 (in Auslegung von Ps 118,19 f. ist »das Tor der Gerechtigkeit das Tor Christi«) und die Tür‑ und Fenstermetaphorik in den Marienhymnen hin. In Jak 5,9 steht die Parusie nahe bevor und Jesus als »der Richter vor den Türen«. Doch mit dieser Stelle kann man kaum die Formulierung von der »Tür Jesu« im Hegesipp-Martyrium erklären, so zu Recht D. C. Allison, James, 708. 62 Als Motivwort erscheint πλανᾶν κτλ. im Kontext sechsmal. Dazu unten S. 501 ff. 63 Siehe Mt 7,13 f.; vgl. Did 1,1–6,1; dazu G. Schöllgen, Didache, 27–41; Barn 18 ff.; dazu J. Carleton Paget, Epistle of Barnabas, 80 ff. 64 Das ist der Lösungsvorschlag von O. Skarsaune, Fragments, 345. 65 Siehe dazu R. Deines, Jakobus, 333, der in Anm. 260 Euseb, H. e. 2,23,2 zitiert: »Sie verlangten von ihm eine Verleugnung des Glaubens an den Messias … vor dem ganzen Volk« und Hieronymus, De viris illustribus 2,7, wiedergibt mit »der Hohepriester Ananos (Hieronymus kombiniert hier Josephus und Hegesipp) ›versuchte Jakobus öffentlich dazu zu bringen, Christus, den Sohn Gottes, zu verleugnen‹«. Weiter dazu unten S. 501.
§ 14 Jakobus »der Gerechte«
489
Erleuchter und Erlöser der Meinen – jetzt auch der Deinen. Du sollst ihnen Offenbarung geben, und du sollst ihnen allen Gutes erweisen.«66
Hier wird der irdische Stellvertreter zum himmlischen, der – analog zu Petrus – »dazu bestimmt ist, den Heimkehrern die Himmelstür zu öffnen und den Lohn auszuteilen«.67 Jakobus als Offenbarungsmittler wird über die Maßen erhöht und verehrt. Die Motiv der »Tür« und die im Hegesipp-Text damit verbundene Vorstellung von den zwei Wegen stehen vermutlich im Hintergrund bei dieser Weiterbildung in der 2. Jakobusapokalypse.68
14.3.5 Die Gegner des Jakobus Doch wer sind die Gegner? Josephus beschreibt mehrfach drei bzw. vier verschiedene Religionsparteien in seinem Volk: Sadduzäer, Pharisäer, Essener, und hinzu kommen dann auch noch die Zeloten.69 Hegesipp weiß von einer Siebenzahl: Essäer, Galiläer, Hemerobaptisten, Masbothäer, Samaritaner, Sadduzäer, Pharisäer. Diese Sekten seien allesamt gegen den Stamm Juda und den Messias eingestellt.70 Hier gibt Hegesipp als Lehre der αἱρέσεις an, daß sie die Auferstehung und den kommenden Endzeitrichter ablehnen, das heißt, sie glauben nicht an die Auferstehung und Parusie Jesu Christi.71 Und doch gelingt es Jakobus, sogar »einige« von ihnen zum Glauben zu bringen. Sein anschließend berichteter großer Missionserfolg, dem sich dann die Juden – und zwar jetzt präziser »Schriftgelehrte und Pharisäer« als Gegner – entgegenstellen, führt dann zu seinem Märtyrertod (dazu unten § 15).
14.3.6 Der Bischofssitz des Jakobus Auffällig scheint, daß von der Bischofswürde des Jakobus und von seinem Bischofssitz in den Fragmenten Hegesipps nirgends direkt die Rede ist, solange 66 2 ApkJak (NHC V,4, p. 55 [W.-P. Funk, Die zweite Apokalypse des Jakobus, in: AcA I/2, 1191]), Hervorhebungen A. M. S. 67 W.-P. Funk, Die zweite Apokalypse des Jakobus, in: AcA I/2, 1186. 68 Zur Abhängigkeit der 2. Jakobusapokalypse von den älteren Jakobuslegenden vgl. das Stemma bei W. Pratscher, Herrenbruder, 255, der beide unabhängig voneinander auf »judenchristl. Tradition über das Mart. Iac.« zurückführt; J. Painter, James, 174–177; R. Bauckham, Offence, 119–232; weiter W.-P. Funk, Die zweite Apokalypse des Jakobus, in: AcA I/2, 1185. 69 Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 122–161. 70 Euseb, H. e. 4,22,7 (GCS Eusebius II/1, 370,9–12 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); dazu ausführlicher unten S. 522. Vgl. Justin, Dial. 80,4 (PTS 47, 209,26–29 ed. Marcovich). 71 Oder sind hier nur die Sadduzäer gemeint? So M. Hengel, Jakobus, 77 = KS III, 555. Das ist unwahrscheinlich. Vielmehr lehnen alle »Sekten« Jesus Christus als auferstandenen Messias und kommenden Richter ab.
490
IV. Das palästinische Judenchristentum
er sich in der Darstellung des Lebens und Sterbens des Herrenbruders eng an ältere Quellen hält. Doch der Eindruck kann täuschen, denn wir besitzen das Werk Hegesipps nicht mehr. Aber in der Passage über die Wahl des Nachfolgers des Jakobus, Simeons, des Sohnes des Klopas, formuliert Hegesipp offensichtlich frei. Deshalb fällt hier auch der Terminus ἐπίσκοπος in diesem Zusammenhang zweimal.72 Für Hegesipp war Jakobus ohne Frage der erste »Bischof« Jerusalems; Euseb rechnet ihn im Grunde zum Apostelkreis, denn er beginnt sein schon oben genanntes Exzerpt aus den Hypomnemata mit: »Es übernahm die Kirche(nleitung) gemeinsam mit den Aposteln der Bruder des Herrn, Jakobus« (Διαδέχεται τὴν ἐκκλησίαν μετὰ τῶν ἀποστόλων ὁ ἀδελφὸς τοῦ κυρίου Ἰάκωβος).73 Hegesipp scheint es gewohnt zu sein, die Bischöfe Jerusalems durchzuzählen, denn den Simeon, den Sohn des Klopas, nennt er ausdrücklich den zweiten (δεύτερον).74 Entsprechend teilt Clemens Alexandrinus im sechsten Buch seiner Hypotyposen mit: »Denn, sagt er [= Clemens], Petrus, Jakobus und Johannes [d. h. die beiden Zebedaïden] haben, da sie schon vorher vom Erlöser hoch geehrt worden waren, nach der Himmelfahrt des Erlösers nicht um die Ehre (δόξα) gestritten, sondern Jakobus den Gerechten zum Bischof (ἐπίσκοπον) von Jerusalem gewählt.«75
In den Pseudoklementinen tritt die Führungsrolle des Jakobus von Anfang an noch wesentlich stärker hervor. Hier wurde er vom Herrn selbst in sein Bischofs amt eingesetzt.76 Die heidenchristliche Gemeinde Jerusalems hat später nach dem Bar-KochbaKrieg, als es Juden verboten war, in der neuen Stadt Aelia Capitolina zu wohnen, das Andenken an Jakobus in Ehren gehalten. Die successio apostolica wird mit dem apostolischen Thron des Jakobus, seiner Kathedra, anschaulich verbunden. Euseb, H. e. 4,22,4 f. (GCS Eusebius II/1, 370,11.14 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); zur Wahl von Simeon, Sohn des Klopas, siehe unten § 17.1 (S. 520–523). 73 Euseb, H. e. 2,23,4 (GCS Eusebius II/1, 166,9 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Vgl. auch oben S. 482. 74 Vgl. Euseb, H. e. 4,22,4 (GCS Eusebius II/1, 370,9–12 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); Epiphanius, Panarion 29,3,9 (GCS NF 10/1, Epiphanius I/1, 324 ed. Holl / Bergermann / Collatz). Auch Euseb, H. e. 3,32,1 und 3,22 (GCS Eusebius II/1, 266,21 ff.; 236,15 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann), erwähnt Simeon ausdrücklich als zweiten Bischof Jerusalems. Vgl. W. A. Löhr, Basilides, 16 f. zur Häresiologie Hegesipps; leider übersieht er, daß Simeon immer als der zweite Bischof genannt wird und es nicht darum geht, daß er dem Rang nach der Zweite gewesen sei. Vgl. ferner unten S. 521 zu Euseb, H. e. 4,22,4 f. 75 Euseb, H. e. 2,1,3 (GCS Eusebius II/1, 104,15 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 76 PsClem R 1,43,3 (GCS Pseudoklementinen II, 33,17 ff. ed. Rehm / Strecker): ecclesia dei in Hierusalem constituta copiosissime multiplicata crescebat per Iacobum, qui a domino ordinatus est in ea episcopus, rectissimis dispensationibus gubernata. Vgl. M. Hengel, Jakobus, 83 = KS III, 561. Dazu auch unten S. 499. 72
§ 14 Jakobus »der Gerechte«
491
Diesen »Thron« des Jakobus77 erwähnt schon Euseb mehrfach, so auch in seiner letzten Notiz über den Herrenbruder: »Der Thron (θρόνον) des Jakobus, der als erster vom Herrn und von den Aposteln das Bischofsamt der Kirche in Jerusalem erhalten hat und der, wie die göttlichen Schriften sagen, den Titel Bruder Christi trug, ist bis heute noch erhalten. Die Brüder in der Nachfolge dort umsorgen ihn und zeigen damit deutlich allen, wie sowohl die Alten als auch die Leute unserer Zeit betreffs der heiligen Männer wegen der Liebe zu Gott die Verehrung bewahrt haben und bewahren.«78
»Die ›Cathedra Jacobi‹ war … auf diese Weise für die vornicänische Kirche älter und bedeutsamer als die ›Cathedra Petri‹. Epiphanius geht so weit, zu sagen, daß ›ihm der Herr seinen Thron auf der Erde als erstem anvertraut habe‹. Da er Nachkomme Davids über Joseph war, konnte auch sein ›Thron‹ als ›Thron Davids‹ betrachtet werden, gewissermaßen als die irdische Entsprechung des himmlischen Thrones seines Bruders zur Rechten Gottes. Wie der Herr selbst Hohepriester und König war, so hatte auch Jakobus als vom Herrn, seinem Halbbruder und Jugendgefährten, selbst eingesetzter erster Bischof in Jerusalem und Hohepriester besonderer Art indirekt an der königlichen und hohepriesterlichen Würde seines Bruders Anteil.«79
77 Vgl. J. Painter, James, 154 ff.; am ausführlichsten R. Deines, Jakobus, 290–299. In den Fragmenten des Hegesipp findet sich noch keine Bezeichnung für den Bischofssitz des Jakobus, der θρόνος spielt hier noch keine Rolle. 78 Euseb, H. e. 7,19 (GCS Eusebius II/1, 672,24–674,6 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); zum θρόνος des Jakobus siehe weiter H. e. 2,1,2; 2,23,1; 3,5,2; 3,11 (GCS Eusebius II/1, 104,1 ff.; 162,20; 196,6 f.; 228,1–5 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann) – an der letzten Stelle ist Simeon nicht nur der Nachfolge des Jakobus für würdig gehalten worden, sondern auch des θρόνος von Jerusalem; vgl. 7,32,29 (GCS Eusebius II/1, 730,1 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann): ἀποστολικὸν … θρόνον. Zum heutigen θρόνος des Jakobus in der armenischen Jakobuskathedrale in Jerusalem und zu seiner Geschichte vgl. M. Küchler, Jerusalem, 543–548. 79 M. Hengel, Jakobus, 85 = KS III, 563 (Hervorhebung im Original); vgl. R. Deines, Jakobus, 295.
§ 15 Das Martyrium des Herrenbruders Jakobus1 15.1 Josephus, Ant. 20,199–203 Fast könnte man den Eindruck gewinnen, Josephus schenke Jakobus mehr Beachtung als seinem Bruder Jesus.2 Durch Josephus ist uns ein verhältnismäßig zuverlässiger zeitgenössischer Bericht über den Tod des Jakobus erhalten. Josephus war zu dieser Zeit selbst in Jerusalem und schreibt über die Vorgänge nicht nur als Zeitgenosse, sondern als Augenzeuge. Es geht ihm in seiner Darstellung um die ungewöhnlich frühe Absetzung des Hohenpriesters Hannas II. nach nur dreimonatiger Amtszeit.3 Er muß Jakobus, »den Bruder des sogenannten Messias / Christus«, und einige andere Judenchristen nur erwähnen, weil der Justizmord an ihnen der verhältnismäßig unbedeutende Anlaß von Hannas’ Absetzung war. Dieser Hannas war der jüngste Sohn von Hannas I., des Hohenpriesters, der »besonders glücklich gewesen [sei]. Denn er hatte fünf Söhne, und diese erlangten alle das Hohepriesteramt vor Gott. Er selbst war der erste, der diese Ehre erhielt und sich ihrer lange Zeit erfreute. Das geschah mit keinem anderen Hohenpriester.«4
Der jüngere Hannas war somit Sohn des einflußreichen Hannas I., Bruder von vier amtierenden Hohenpriestern und Schwager des Kaiphas. Seit herodianischer Zeit wechselte das Amt des Hohenpriesters häufig, und da jeder, der einmal zum Hohenpriester geweiht worden war, dies auch lebenslänglich blieb, gehörte die Macht nicht so sehr den einzelnen Männern, sondern der Familie. In der Regel wechselten sich die fünf führenden hohepriesterlichen Clans untereinander ab. Doch zu Beginn der 60er Jahre herrschten in Jerusalem Zustände wie in 1 Vgl. M. Hengel, Jakobus = KS III, 549–582; W. Pratscher, Herrenbruder, 229–260; S. Matthews, Perfect Martyr, 79–97; R. Deines, Jakobus, 314–331. 2 So D. C. Allison, James, 5 f. Doch das Testimonium Flavianum ist im Wesentlichen echt, und die christlichen Verbesserungen lassen sich gut erkennen. Zum Testimonium Flavianum siehe oben S. 25 f. und unten S. 498 nach Anm. 32. 3 Sogar der letzte Hasmonäer amtierte ein ganzes Jahr (Josephus, Ant. 15,56). Herodes I. ließ seinen jugendlichen Schwager Aristobul im Schwimmbad ermorden, nachdem dieser bei seinem ersten öffentlichen Auftreten am Laubhüttenfest im Jahr 36 v. Chr. »tosenden Beifall« (A. Schalit, Herodes, 112) von der Menge erhalten hatte (Josephus, Ant. 15,50–55); vgl. anders Bell. 1,437: Herodes tötete ihn sofort nach der Ernennung: κτείνας εὐθέως. 4 Josephus, Ant. 20,198; siehe dazu M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 79 f., vgl. 731 Index s. v. »Hannas I.« und »Hannas II.«.
§ 15 Das Martyrium des Herrenbruders Jakobus
493
der Weimarer Republik. Die rivalisierenden hohepriesterlichen Familien legten sich private Banden zu, mit denen sie sich gegenseitig bekämpften. Josephus berichtet dies im Zusammenhang mit der ersten Amtseinsetzung eines Hohenpriesters durch Agrippa II. Es handelt sich um den Vorvorgänger von Hannas II. im Jahr 59 n. Chr.: »Zu dieser Zeit gab König Agrippa die Hohepriesterschaft Ismael. Dieser war der Sohn des Phabi. Es entbrannten aber verbissene Parteikämpfe (ἔχθρα τις … καὶ στάσις) sowohl bei den Hohenpriestern untereinander als auch gegen die Priester und die Volksführer in Jerusalem, und jeder von ihnen baute eine Truppe aus den frechsten Umstürzlern auf und versammelte sie unter seiner Führung. Und wenn sie zusammenstießen, beschimpften sie einander und warfen mit Steinen. Es war aber niemand da, um sie zu tadeln, sondern wie in einer führungslosen Stadt tobte sich das mit aller Macht aus. Es ergriff aber die Hohenpriester eine solche Schamlosigkeit und Frechheit, daß sie Sklaven zu den Dreschplätzen zu schicken wagten, um die Zehnten, die den Priestern zustanden, zu holen. Und es geschah, daß die Armen unter den Priestern aus (Nahrungs‑)Mangel starben. So besiegte die Gewalt der Kämpfenden jede Gerechtigkeit.«5
Diese sozialen Mißstände und Spannungen hielten wohl auch noch drei Jahre später an. Aber nicht sie brachten Hannas II. um sein Amt, sondern eine ganz andere Ungerechtigkeit: »Der jüngere Hannas, der, wie wir sagten, die Hohepriesterschaft erlangt hatte, war in seiner Art tollkühn und überaus verwegen. Er gehörte der Religionspartei der Sadduzäer an, die in ihren Urteilen strenger sind als alle anderen Juden, wie wir bereits dargelegt haben. Da Hannas nun einen solchen Charakter hatte und da er glaubte, eine günstige Gelegenheit zu haben, weil Festus tot war, [sein Nachfolger] Albinus aber noch auf der Reise, berief er eine Richterversammlung ein (καθίζει συνέδριον κριτῶν)6 und führte vor sie den Bruder des Jesus, der Christus genannt wurde – er hieß Jakobus –, und einige andere und übergab sie zur Steinigung, nachdem er Anklage erhoben hatte, sie hätten gegen das Gesetz verstoßen (ὡς παρανομησάντων … παρέδωκε λευσθησομένους). Diejenigen aber, die als die anständigsten (ἐπιεικέστατοι) unter den Einwohnern der Stadt und bezüglich der Gesetze als genau (περὶ τοὺς νόμους ἀκριβεῖς) galten, ärgerten sich darüber, schickten heimlich [Boten / Briefe] zum König und forderten ihn auf, dem Hannas zu verbieten, weiter so etwas zu tun. Denn schon im ersten Fall habe er nicht richtig gehandelt. Einige von ihnen suchten auch den Albinus auf, der auf der Anreise von Alexandria her war, und machten ihm klar, daß es dem Hannas nicht erlaubt gewesen wäre, ohne seine Einwilligung einen Rat einzuberufen (καθίσαι συνέδριον). 5 Josephus, Ant. 20,179 ff. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 101–121; vgl. W. Eck, Herrschaft, Widerstand, Kooperation, 38 f. mit Verweis auf Josephus, Bell. 3–7 für »die internen Kämpfe zwischen den verschiedenen Fraktionen«, die durch die römische Fremdherrschaft verstärkt wurden. 6 An dieser Stelle zeigt sich sehr schön, daß das Jerusalemer Synhedrium kein regelmäßig tagender oberster Gerichtshof war, sondern je nach Bedarf einberufen wurde. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 575 ff.; D. Goodblatt, Monarchic Principle, 109.
494
IV. Das palästinische Judenchristentum
Albinus, der durch das Gesagte überzeugt war, schrieb einen zornigen Brief an Hannas, in dem er ihm androhte, er werde ihn bestrafen. Und der König Agrippa nahm ihm deshalb die Hohepriesterwürde wieder ab, nachdem er sie drei Monate ausgeübt hatte, und setzte Jesus, den Sohn des Damnaios, ein.«7
Hannas II. gehörte – um es noch einmal zu betonen – zum mächtigen Clan des Hannas, Sohn des Sethi, der hohepriesterlichen Familie, der Jesus von Nazareth und seine Anhänger seit über drei Jahrzehnten ein besonderer Dorn im Auge waren.8 Der Bruder Jesu ist für Josephus – wie oben gesagt – nur eine Nebenfigur, er muß ihn erwähnen, weil das Gerichtsverfahren, das der jüngere Hannas gegen ihn und einige andere anstrengte, der Anlaß dafür war, daß König Agrippa II. sich genötigt sah, ihn nach nur dreimonatiger Amtszeit abzusetzen. Hannas II. hatte die Sedisvakanz zwischen Festus, der in der Provinz starb, und der Ankunft des Albinus ausgenutzt, um Jakobus und einige andere Judenchristen hinzurichten. Man hat mit unzureichenden Gründen im 19. Jahrhundert die Echtheit dieser Notiz bezweifelt und mit einer christlichen Interpolation gerechnet. Vor allem der Rückverweis auf Jesus, den sogenannten Christus, als den Bruder des Jakobus mußte dafür herhalten.9 Aber das Testimonium Flavianum10 selbst wurde zwar schon früh von christlicher Hand redigiert und geschönt, so daß sich keine Handschrift ohne diese Verbesserungen erhalten hat, es ist aber in der Hauptsache »echt«. Im Falle des Jakobus wurde der Josephustext ohne Korrekturen tradiert. In der Regel sieht man mit gutem Grund in den Gegnern des Hannas Pharisäer, die mit Jakobus sympathisierten, die also ähnlich wie Gamaliel in Apg 5,34–39 zur Mäßigung im Vorgehen gegen die Jerusalemer Judenchristen neigten. Die Wortwahl ἐπιεικέστατοι und περὶ τοὺς νόμους ἀκριβεῖς zeigt, daß Josephus die Gegner des Sadduzäers Hannas eindeutig als Pharisäer charakterisiert, deren Verhalten bei Gerichtsverfahren und deren Gesetzeskenntnis und ‑befolgung er auch an anderen Stellen mit entsprechenden Termini umschreibt.11 Das schließt 7 Josephus, Ant.
20,199–203. Die Anklageschrift gegen Jesus und der Auslieferungsbeschluß an Pilatus werden im hohepriesterlichen Archiv über die Jahrzehnte vorhanden und den Hohenpriestern und Synhedristen zu Händen gewesen sein; hier waren als Anklagepunkte wahrscheinlich verzeichnet: messianischer Prätendent, falscher Profet, Volksverführer und Gotteslästerer. Diese Urkunden konnten während der Verfolgung durch König Agrippa I. und auch jetzt herangezogen werden; so M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 599. Vgl. auch D. Bock, Blasphemy, 28 Anm. 68. 9 Vgl. Schürer I, 430. 10 Siehe oben S. 25 f. und unten S. 498. 11 Josephus, Bell. 2,166; Ant. 13,294: Die Pharisäer sind in bezug auf Strafen »mild«. Zur Charakterisierung ihrer Gesetzesauslegung mit ἀκριβής und ἀκρίβεια siehe Josephus, Bell. 1,110.648; 2,145; Ant. 17,41; Vita 191; vgl. Apg 22,3; 26,5. Vgl. auch J. Carleton Paget, Josephus and Christianity, 191–199; S. Mason, Life of Josephus, 98 Anm. 851; vgl. auch E. Regev, Temple, 86–89, der die unterschiedliche halachische Rechtsauffassung von Sad 8
§ 15 Das Martyrium des Herrenbruders Jakobus
495
nicht aus, daß auch die Rivalität, die zwischen den hohepriesterlichen Familien herrschte, einer der Gründe für ihren Protest war12 und nicht allein die Sympathie von Pharisäern mit den diesem Justizmord zum Opfer gefallenen Christen. Vermutlich wollte man mit diesem doppelten Protest bei Agrippa II. als dem Schutzherrn des Tempels, der für die Ein‑ und Absetzung der Hohenpriester zuständig war, und beim römischen Prokurator als dem politischen Oberhaupt vor allem dem »Machtstreben des ungestümen Hannas« entgegentreten und ihn in seine Schranken weisen,13 denn »[d]as ganze Unternehmen des Ananus [= Hannas II.] war von Anfang an Rechtsbruch«.14 Er hatte kein Recht, Hinrichtungen anzuordnen, und auch das – von Fall zu Fall einberufene – Synhedrium15 konnte in dieser Zeit keine Todesurteile verhängen. Die Kapitalgerichtsbarkeit lag beim römischen Präfekten.16 Obwohl er nur drei Monate amtierte, blieb Hannas II. auch weiterhin Hohepriester und der führende Sadduzäer. Zu Beginn des Ersten Jüdischen Krieges übernahm er wie Josephus und die gemäßigten »Hohenpriester und Pharisäer« die militärische Organisation der aufständischen Truppen. Er und andere wurden dann in Jerusalem von radikalen duzäern und Pharisäern anführt; die hohepriesterlichen Sadduzäer bestimmten die kultische Reinheit des Tempels strikter und bestraften Verstöße strenger als die Pharisäer. 12 Nur diese Rivalität sei der Grund für die Hinrichtung des Jakobus gewesen, meint J. Painter, James, 158; ähnlich J. S. McLaren, Ananus. McLaren kommt zu dem Ergebnis, daß Jakobus in die Machtkämpfe und Intrigen im damaligen Jerusalem verwickelt war. Er sei auch nicht aus religiösen Gründen hingerichtet worden. Der Vorfall »does not portray Jewish persecution of Christians« (25). Dies sei vielmehr eine Eintragung vom späteren HegesippMartyrium her. Diese Einwände können nicht überzeugen. Painter und McLaren bedenken nicht die andauernde Feindschaft des Hannas-Clans gegenüber den Jesusanhängern und die gewisse Toleranz und Affinität, die zwischen Pharisäern und Christen bestand – so die Toleranz Gamaliels (Apg 5,34–39). Zudem gab es zahlreiche christliche Pharisäer (Apg 15,5); so erreicht auch Paulus, daß die Pharisäer im Synhedrium seine Unschuld bezeugen (Apg 23,6–9). Zu den verschiedenen möglichen Gründen für das Schweigen des Josephus über die Christen (gerade auch in Rom) siehe ausführlich J. Carleton Paget, Josephus and Christianity, 249–260; C. S. Keener, Acts III, 3121 ff. Vgl. M. Heemstra, Fiscus Judaicus. Its Social and Legal Impact; dazu unten Anm. 33. 13 So M. Hengel, Jakobus, 74 = KS III, 552. 14 W. Pratscher, Art. Jakobus, RAC 16 (1994), 1228. 15 Zum Synhedrium siehe oben Anm. 6. Auch Johannes weiß, daß das Synhedrium keine Behörde war, sondern das Beratungskollegium des Hohenpriesters, das dieser nach Bedarf einberufen hat; dazu unten S. 574 Anm. 139. 16 Josephus, Bell. 2,117; vgl. auch die Fastenrolle MegTaan 6,15 (Text und Übersetzung bei K. Beyer, Texte vom Toten Meer, 356): »Am zweiundzwanzigsten desselben ([Monats im Jahr] 66 n. Chr.) kehrten wir zur Hinrichtung der Verbrecher zurück.« Weiter jSan 1,1, 18a,42 f.: »Es ist gelehrt worden: Vierzig Jahre, bevor das Haus (= Tempel) zerstört wurde, wurden (den Israeliten die Gerichtsbarkeiten über) die Lebensrechtsfälle weggenommen« (Übersetzung: G. A. Wewers, Sanhedrin, 3). Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 76.593; W. Pratscher, Art. Jakobus, RAC 16 (1994), 1228. Vgl. auch oben S. 151 Anm. 55 zu diesem Problem beim Martyrium des Stephanus.
496
IV. Das palästinische Judenchristentum
Zeloten ermordet, weil sie im Verdacht standen, sie wollten mit den Römern einen Vergleich anstreben und ihnen die Stadt übergeben. Die Leichen der beiden Hohenpriester Hannas II. und Jesus, Sohn des Gamaliel, wurden verspottet und geschändet, über die Stadtmauer geworfen und blieben unbestattet liegen.17 Josephus kommentiert diesen Frevel mit: »Ich gehe wohl kaum fehl mit der Behauptung, die Eroberung der Stadt habe mit der Ermordung des Ananos (= Hannas II.) begonnen und der Einsturz der Mauer, der Untergang des jüdischen Staates habe mit jenem Tage eingesetzt, an dem die Bürger Jerusalems den Hohenpriester und Führer, auf dem ihr eigenes Heil beruhte (τὸν ἀρχιερέα καὶ ἡγεμόνα τῆς ἰδίας σωτηρίας), mitten in der Stadt hingeschlachtet sahen.«18
Es ist bezeichnend, daß die theologische Interpretation des Frevels gegen den Hohenpriester als Grund für die Zerstörung der Stadt in der hagiographischen Legende, die Hegesipp tradiert, auf das »Opfer« von Hannas’ eigenem Justizmord, den Herrenbruder Jakobus, übertragen wird: Solange Jakobus lebte, betete er als Hohepriester im Tempel für das Volk um Sündenvergebung und diente als »Schutzmauer« der Stadt. Sofort nach seiner Ermordung beginnt die Belagerung der Stadt und bricht die Katastrophe herein.19 Josephus verwendet für das todeswürdige Verbrechen, das zur Steinigung der Angeklagten führte, den recht allgemeinen Terminus παρανομέω. Das Verbum ist verhältnismäßig blaß und kann bei Josephus ganz verschiedene Vergehen bezeichnen.20 Worin der »Gesetzesverstoß« bestand, teilt Josephus nicht mit. Nur die Hinrichtungsform, die Steinigung, die im Alten Testament und im frühen Judentum die Kapitalstrafe für Vergehen gegen das Gottesrecht wie Gotteslästerung, Sabbatschändung, Götzendienst, sexuelle Vergehen und Ungehorsam gegenüber den Eltern oder gegenüber dem König bzw. dem Hohenpriester war,21 läßt darauf schließen, daß das Bekenntnis zu dem am Kreuz den Fluchtod gestorbenen »Herrn der Herrlichkeit« (Jak 2,1) das Vergehen war, das als Blasphemie verurteilt wurde und für das Jakobus und die anderen Angeklagten gesteinigt wurden.22 Vermutlich wurde Jakobus und den Judenchristen in Jerusalem auch Josephus, Bell. 2,562–565; 4,226.229.245.273.315–318.321–325.347. Josephus, Bell. 4,318; siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 115 ff. 19 Siehe dazu unten S. 507 bei Anm. 79–80. 20 K. H. Rengstorf, Konkordanz III, 302 f., verzeichnet 42mal παρανομέω; 4mal παρανόμημα; 62mal παρανομία; 16mal παράνομος. 21 Zur Steinigung als Strafe für Blasphemie siehe Lev 24,14 ff.; 1 Kön 21,10; vgl. Ex 22,27; Joh 8,59; 10,39; vgl. auch Apg 7,54–58. 22 So auch D. L. Bock, Blasphemy, 196 Anm. 30 f. mit Verweis auf Gespräche mit Martin Hengel. Zum Martyrium des Stephanus (Apg 6,11; 7,54.57 f.), bei dem es sich historisch jedoch um einen Fall von spontaner Lynchjustiz ohne Gerichtsurteil handelte, siehe oben S. 161 mit Anm. 99. Zu Apg 14,19 vgl. oben S. 390. Vgl. weiter B. Wander, Trennungsprozesse, 142 ff.: »Exkurs: Steinigung«. J. Carleton Paget, Josephus and Christianity, 192.198, sieht den 17 18
§ 15 Das Martyrium des Herrenbruders Jakobus
497
vorgeworfen, daß sie Kritik am Tempelkult übten,23 indem sie die »Öffnung der dem Tempelkult eigenen exklusiven Sühnekonzeption«24 vertraten und diese auf Christus übertrugen. Wegen seiner Tempel‑ und Gesetzeskritik wurde schon Stephanus gesteinigt. Auch »[d]ie Anklage gegen [Paulus] lautete: Bruch des Gesetzes und Entweihung des Heiligtums (Apg 21,28; 24,6)«.25 Ein politisches Vergehen, das auch in römischen Augen mit der Todesstrafe hätte geahndet werden können, lag bei Jakobus nicht vor. Sonst hätte Hannas es nicht so eilig gehabt und die Gelegenheit bei der Sedisvakanz nützen müssen.26 Vielleicht warf Hannas II. Jakobus und den anderen auch Ungehorsam gegenüber seiner Person als dem Hohenpriester vor, was bei Sadduzäern als eine Form der Blasphemie galt.27 Man kann weiter annehmen, daß Jakobus und die anderen zudem gezwungen werden sollten, Christus zu verfluchen, und er sich statt dessen zu ihm als dem Menschensohn bekannte.28 Wie eine Steinigung als ordentliches Verfahren damals in Palästina vollstreckt wurde, wissen wir im Grunde nicht eindeutig.29 Doch vermutlich wurde sie – Grund ebenfalls in »blasphemy«; dazu auch J. Frey, ›Die Juden‹, 375 f. Zu mSan 6,4 siehe unten Anm. 29. 23 So M. Hengel, Bekennen und Bekenntnis, in: KS VII, 342: »Wahrscheinlich stand hinter diesem Justizmord die Ablehnung des Tempelkultes durch die Judenchristen in Jerusalem: Seit dem ein für allemal erfolgten Sühnetod Jesu war der Opferkult für sie obsolet geworden.« Vgl. oben S. 486 Anm. 54 zur Ablehnung des Opferkults im Judenchristentum. W. Pratscher, Herrenbruder, 258 f., nimmt an, Hannas II. habe die messianische Sekte der Christen für gefährlich und Jakobus für einen »destabilisierende[n] Faktor im Gesellschaftsgefüge« (258) gehalten. Seine Verbindung mit dem Heidenchristentum und mit Paulus habe ihn diskreditiert (259). Das sind alles keine hinreichenden Gründe für eine Steinigung. 24 C. A . Eberhart, Kultmetaphorik, 167 ff. (Zitat 167); er verweist auf Röm 3,25 und die Spaltung des Tempelvorhangs beim Tod Jesu. 25 M. Hengel, Jakobus, 97 = KS III, 575. 26 Jesus wurde als politischer Aufrührer und falscher messianischer Königsprätendent an Pilatus ausgeliefert. Vgl. auch C. A. Evans, Jesus and James, 235: Römische Statthalter hatten kein Interesse an religiösen Streitfragen; vgl. das Verhalten Gallios in Apg 18,14 f. 27 Vgl. Josephus, Ant. 13,293–296: Johannes Hyrkan trennt sich von der Partei der Pharisäer, weil sie eine gegen ihn gerichtete Schmähung nicht als Blasphemie mit dem Tode bestrafen wollen, und schließt sich den Sadduzäern an. 28 Vgl. Apg 26,11; 1 Kor 12,3; Plinius, Ep. 10,96,5 f. (BSGRT, 355 f. ed. Schuster / Hanslik): Christo maledicere; Justin, 1 Apol. 31,6 (SC 507, 210,22–25 ed. Munier); dazu auch unten S. 603 nach Anm. 286 bis Anm. 289. 29 Siehe dazu auch unten S. 504 nach Anm. 54 zur detaillierten Beschreibung einer spontanen Lynchjustiz. Ob das in mSan 6,4 vorgeschriebene Verfahren damals und überhaupt jemals durchgeführt wurde, ist nicht sicher: »Der Ort der Steinigung war zwei Manneslängen hoch. Einer der Zeugen stößt ihn auf seine Hüften um. Er fällt auf sein Herz. Der [Zeuge] dreht ihn auf seine Hüften. Wenn er tot ist, ist er frei, aber wenn nicht, nimmt der zweite [Zeuge] einen Stein und wirft ihn auf sein Herz. Wenn er tot ist, ist er frei, aber wenn nicht, wird er gesteinigt von ganz Israel, denn es wird gesagt: ›Die Hand der Zeugen soll die ersten [sic] sein, ihn zu töten, und die Hand des ganzen Volkes danach.‹ (Dtn 17,7)« (Übersetzung: D. Correns, Mischna, 515) Das mischnische Strafrecht ist um Milde bemüht: Der Sturz von der Höhe soll schon zum raschen Tod führen, ebenso der große Stein, erst dann beginnt das äußerst blutige Steinewerfen.
498
IV. Das palästinische Judenchristentum
was die genannten gewalttätigen, Steine werfenden privaten Bandentrupps der Hohepriesterschaft nahelegen – von den Sklaven und angeheuerten »Banditen« des Hohenpriesters ausgeführt und sicher nicht vom Kollektiv der Jerusalemer Bevölkerung.30 Die Hinrichtung selbst bezeichnet Josephus nicht direkt als Amtsanmaßung – obwohl sie das natürlich auch war, denn die Kapitalgerichtsbarkeit in Jerusalem gehörte, wie schon betont, in dieser Zeit zur Amtsgewalt des römischen Prokurators und keineswegs in die Hände des Hohenpriesters. Er unterstreicht vielmehr, daß schon die Einberufung eines Richterkollegiums, des Synhedriums, ohne die Zustimmung des Prokurators Unrecht gewesen sei. Dies wird Albinus gegenüber als Anklage vorgebracht.31 Josephus vermeidet es, wenn er kann, über die Anhänger des Jesus, der Christos / Messias genannt wurde, und deren Tun und Ergehen sowohl in Palästina wie erst recht in Rom zu schreiben. Und wenn er es notgedrungen dann doch tun muß, äußert er sich sehr zurückhaltend. In seiner Notiz über die Hinrichtung des Jakobus und einiger anderer Juden(christen) deutet er mit keinem Wort an, daß Jakobus und die anderen, die dasselbe Schicksal erlitten, im Jahr 62 außerhalb des Judentums stünden.32 Auch im Testimonium Flavianum scheint dies nicht anders zu sein. Es schien den christlichen Tradenten zu negativ über Jesus zu sein, sie konnten es nicht unverbessert stehenlassen. Der ›Originalton‹ des Josephus ist wahrscheinlich noch in der Schlußbemerkung zu hören, daß das φῦλον der Anhänger Jesu, eine Mischung aus Juden und Griechen, immer noch – das heißt Wie man sich letzteres vorzustellen hat, kann man den Berichten über den heutigen Vollzug z. B. im Irak entnehmen. Oft belegt ist in der Antike die Steinigung in Form einer Lynchjustiz: Mt 21,35; 23,37 par.; Joh 10,31 ff.; 11,8; Apg 5,26; 7,58 f.; 14,5.19; 2 Kor 11,25 u. ö.; vgl. auch Lk 4,29 f. Zumeist leiteten das Hinaustreiben aus der Stadt (Num 15,35 f.) und der Sturz von einer Höhe die Steinigung ein. Vgl. C. S. Keener, Acts II, 1454 f. 30 Zu den Sklaven und Banden der Hohepriesterschaft siehe Josephus, Ant. 20,180 f. (zitiert oben S. 493 bei Anm. 5). Steinigung ist ein kollektives Hinrichtungsverfahren; dazu oben S. 161 mit Anm. 99. Die Schilderung eines regulären Steinigungsverfahrens ist im frühen Judentum eher sehr selten. Josephus, Ant. 8,359, beschreibt, wie Naboth wegen angeblicher Blasphemie gegen Gott und den König gesteinigt wird. Die Steinigung geschieht auf den Befehl des Königs (bzw. Isebels) hin, wird aber vom Volk vollzogen (βαλλόμενος ὑπὸ πλήθους ἀπέθανεν, vgl. 8,407: Ναβώθου τοῦ δι’ αὐτὸν καταλευσθέντος ὑπὸ τοῦ ὄχλου). Der Profet Sacharja ben Jojada, der Israel wegen seines Abfalls zum Götzendienst tadelt, wurde auf Befehl des Königs vom Volk gesteinigt (2 Chr 24,20 ff.). Sacharja ben Jojada ist das Urbild – neben Jeremia – der vom Volk gesteinigten Profeten. In den Vitae Prophetarum werden der König und das Haus Davids als schuldige Täter hervorgehoben (siehe dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden II, 287–303); in der stärker von der sogenannten deuteronomistischen ›Doktrin vom gewaltsamen Geschick der Propheten‹ beeinflußten synoptischen Tradition dagegen erscheint Israel bzw. Jerusalem als Täter (Lk 11,49 ff.; Mt 23,34 ff.). Sacharja ben Jojada galt als der letzte Profet; er wurde zwischen Tempel(haus) und Altar gesteinigt; auch in der rabbinischen Weitergestaltung der Legende von Sacharja ben Jojada tritt der König völlig in den Hintergrund. 31 Josephus, Ant. 20,202. Vgl. oben S. 493 f. mit Anm. 6 zur Kapitalgerichtsbarkeit. 32 So auch J. Carleton Paget, Josephus and Christianity, 198: »Josephus seems not to have seen James and his ilk as part of a separate movement outside Judaism.«
§ 15 Das Martyrium des Herrenbruders Jakobus
499
in den neunziger Jahren – existiere. Josephus trennt diese »Sippe« nicht vom jüdischen Volk ab, aber er bezeichnet sie auch nicht als eine neu entstandene Religionspartei.33 Er schreibt in der auch für Juden, nicht nur für die römische Aristokratie, angespannten Lage unter Domitian in Rom. Aus diesem Grund hält er vermutlich auch seine Bemerkungen über Jakobus und die übrigen Opfer des Hohenpriesters möglichst knapp und führt nur rein »formalrechtliche« Gesichtspunkte an.34 Auch für einen forschen jungen Hohenpriester und einen von ihm beherrschten Gerichtshof müssen es gewichtige Verstöße gegen das Gesetz gewesen sein, die sie mit der Steinigung bestraft haben. Vermutlich wurden Jakobus und die anderen wie schon Jesus selbst, Stephanus und die Apostel unter anderem beschuldigt, die Heiligkeit des Tempels verletzt zu haben. Fast alle – nachneutestamentlichen – christlichen Quellen, die von Jakobus erzählen, versäumen es nicht zu erwähnen, daß er im Tempel öffentlich aufgetreten ist und dort durch sein unerschrockenes Bekenntnis zu Jesus als dem Retter und Menschensohn mit großem Erfolg missionarisch gewirkt hat.35 Das war schon der Grund für das Vorgehen der sadduzäischen Hohepriesterschaft gegen Petrus und die übrigen Apostel in Apg 4 und 5.36 Warum sollte Jakobus nicht wie sie und schon sein Bruder im Tempelbereich in den Augen der Hohepriesterschaft Anstößiges gelehrt haben? Das könnte einer der Anknüpfungspunkte für die legendäre Weiterbildung über Jakobus als Beter und Hohepriester im Tempel sein. In den Pseudoklementinen lehrt Jakobus im Tempel und wird von dem homo … inimicus, das heißt vom ›vorchristlichen‹ Paulus, die Treppe hinuntergestürzt.37 33 Siehe J. Carleton Paget, Josephus and Christianity, 255. Nach M. Heemstra, Fiscus Judaicus. Its Social and Legal Impact, 346, hängt das Phänomen, daß Josephus über die Christen möglichst schweigt, mit der Situation unter Domitian zusammen, der den fiscus Iudaicus verschärft habe, um judaisierende Neigungen zu unterbinden: »Seen in this light Josephus’ remarkable, almost absolute silence on the early Christian movement can be explained by the fact that he wanted to prevent any association of this controversial movement with the ideal, non-harmful kind of Judaism that he wished to describe for his audience.« Heemstra neigt dazu, alles einseitig auf den fiscus Iudaicus zu beziehen. 34 Vgl. M. Hengel, Jakobus, 74 = KS III, 552. 35 Hegesipp bei Euseb, H. e. 2,23,2.6.11–16 (GCS Eusebius II/1, 164,20–28; 166,16–19; 168,16–170,15 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); PsClem R 1,43,3 (GCS Pseudoklementinen II, 33,17 ff. ed. Rehm / Strecker), zitiert oben S. 490 Anm. 76. Vgl. dazu N. Kelley, Knowledge, 174–178. Schon Hieronymus kombiniert Josephus mit Hegesipp in De viris illustribus 2,7 (BPat, 76 ed. Ceresa-Gastaldo): Ananus … pontifex … concilium congregavit et compellens publice Iacobum ut Christum Dei filium denegaret, contradicentem lapidari iussit (»Der Hohepriester Ananus … versammelte den Rat; und er versuchte Jakobus öffentlich dazu zu bringen, Christus, den Sohn Gottes, zu verleugnen; und als dieser widersprach, befahl er ihn zu steinigen.«); Text und Übersetzung bei C. Barthold, Hieronymus, 162 f. Vgl. dazu auch R. Deines, Jakobus, 333. 36 So E. Regev, Temple. 37 PsClem R 1,70,1–8 (GCS Pseudoklementinen II, 47,22–48,11 ed. Rehm / Strecker).
500
IV. Das palästinische Judenchristentum
Die 2. Jakobusapokalypse schildert ihn dann, wie er auf der Treppe des Tempels seine große Rede hält.38 Historisch mag der Hauptgrund für die Hinrichtung durch Steinigung die Blasphemie gewesen sein, die im Bekenntnis zu dem Gekreuzigten als Menschensohn und in der Opfer‑ und Kultkritik der Judenchristen bestand, die den Tempel als »Bethaus« ansahen und die Sühnefunktion der dort vollzogenen Riten als obsolet betrachteten.39
15.2 Das Martyrium des Jakobus nach Hegesipp40 Besonders reizvoll erscheint es, die »historischen« Angaben des Zeitgenossen Josephus mit den legendären späteren Überlieferungen zu vergleichen, um mehr über das Denken der palästinischen Judenchristen zu erfahren. Diese Traditionen sind zwar nicht besonders wertvoll für die historische Person des Herrenbruders, aber aufschlußreich für das Weiterleben der Erinnerung an ihn. Hier blieb Jakobus als »Gerechter«, als der erste Bischof der Urgemeinde, als Hohepriester, Missionar, Offenbarungsmittler und Märtyrer im Gedächtnis. Der Grund für seine Steinigung ist in der legendären Überlieferung sein Bekenntnis zu Jesus als dem Menschensohn und sein ungeheurer Missionserfolg, dem seine Gegner ein Ende bereiten wollten. Das führt in der Legende zur Lynchjustiz ganz ohne richterlichen Beschluß. Im Bericht des Hegesipp nehmen Schriftgelehrte und Pharisäer zuerst an, Jakobus sei als frommer Jude ganz auf ihrer Seite und könne das Volk vom Irrtum und Abfall an den Glauben an Jesus abhalten. Deshalb wenden sie sich an ihn: »10 Da nun auch viele von den Führern (des Volkes) glaubten, entstand ein Aufruhr unter den Juden, Schriftgelehrten und Pharisäern, die sagten, das ganze Volk scheine in Gefahr, Jesus für den Messias / Christus zu halten (κινδυνεύει πᾶς ὁ λαὸς Ἰησοῦν τὸν Χριστὸν προσδοκᾶν). Sie kamen zusammen und sagten zu Jakobus: ›Wir bitten dich, halte das Volk zurück, denn es wurde in die Irre geführt (ἐπλανήθη) zu Jesus hin, als ob er der Messias sei.
38 2 ApkJak (NHC V,4, p. 45,8 [W.-P. Funk, Die zweite Apokalypse des Jakobus, in: AcA I/2, 1187]): »Er setzte sich auf die fünfte, die ›schöne‹ Treppe«, um in Jerusalem seine Rede an das Volk und »die Menge der Völker« zu halten. Hier wendet sich Jakobus nicht nur an (Gesamt‑)Israel, sondern auch an die ›Heiden‹. 39 So M. Hengel, Bekennen und Bekenntnis, in: KS VII, 342; vgl. oben S. 497 Anm. 23 und S. 355.485. 40 M. Hengel, Jakobus = KS III, 549–582; H. Kemler, Herrenbruder; W. Pratscher, Herrenbruder, 103–121; R. Bauckham, Offence; ders., James, 77; O. Skarsaune, Fragments; R. Deines, Jakobus, 315–338.
§ 15 Das Martyrium des Herrenbruders Jakobus
501
Wir bitten dich, alle, die zum Tag des Passa gekommen sind, im Hinblick auf Jesus zu überzeugen, denn dir vertrauen wir alle. Denn wir bezeugen dir und das ganze Volk (πᾶς ὁ λαός), daß du gerecht bist und daß du unparteiisch bist. 11 Überzeuge du nun die Menge, damit sie nicht über Jesus in die Irre geführt wird (μὴ πλανᾶσθαι). Denn sowohl das ganze Volk (πᾶς ὁ λαός) wie auch wir vertrauen dir. Stell dich auf die ‚Zinne des Tempels‘,41 damit du dort oben sichtbar bist und deine Worte dem ganzen Volk (παντὶ τῷ λαῷ) gut hörbar sind. Denn wegen des Passafestes sind alle Stämme gemeinsam auch mit den Völkern zusammengekommen (πᾶσαι αἱ φυλαὶ μετὰ τῶν ἐθνῶν).‹«42
Das ist eine bemerkenswerte Legende, die voraussetzt, daß Jakobus allgemein im jüdischen Volk als »der Gerechte« anerkannt und als »unparteiisch«43 beliebt war und überhaupt noch nicht im Verdacht stand, er sei ein Anhänger Jesu, bis er sich öffentlich zu diesem bekannte.44 Diese Legende bezieht sich vermutlich auf die Frühzeit des Jakobus, entspricht dem Treppensturz in den Pseudoklementinen und ist erst nachträglich mit der Erzählung vom Martyrium zusammengewachsen.45 Weil die »Schriftgelehrten und Pharisäer« – die Gegner sind gegenüber dem vorhergehenden pauschalen Verweis auf die jüdischen »Sekten« präziser benannt – so ahnungslos sind, bitten sie Jakobus, er solle am Passafest dem ganzen Volk die gewünschte Aufklärung geben – auch den anwesenden, aus der Diaspora angereisten Juden und Heiden. Der Zeitpunkt, das Passafest, ruft die Passion Jesu in Erinnerung und der Ort, das πτερύγιον, die Versuchungsgeschichte. Jakobus erleidet seinen Tod zur selben Zeit und wird in Versuchung geführt am selben Ort wie Jesus und – wie Hegesipp später betont – muß aus demselben Grund wie sein Bruder auch sterben. Nach dem Vorbild der Passion Jesu wird die Erzählung vom Jakobusmartyrium auch mit Anklängen an das Stephanusmartyrium gestaltet. Die »Schriftgelehrten und Pharisäer« sind im Matthäusevangelium konstant die Gesprächspartner und Kontrahenten Jesu und so auch hier die des Jakobus. Schon in diesem Abschnitt fällt das Motivwort πλανᾶν zweimal, das insgesamt sechsmal im Jakobusmartyrium des Hegesipp erscheint. Es wird hier 41 Wiederholt in Euseb, H. e. 2,23,12. Mit ἐπὶ πτερύγιον τοῦ ἱεροῦ wird form‑ und folgeidentisch Mt 4,5; Lk 4,9 zitiert; das πτερύγιον in der Versuchungsgeschichte der Evangelien meint damit ursprünglich wahrscheinlich das Akroterion als die höchste Spitze der Tempelfassade; vgl. dazu M. Wolter, Lk, 183. Nach der Tempelzerstörung 70 n. Chr. wandert die Bezeichnung wahrscheinlich zur teilweise stehengebliebenen, über dem Kidrontal hochaufragenden, Südostecke des Tempels. Weiter dazu unten S. 503. 42 Euseb, H. e. 2,23,10 f. (GCS Eusebius II/1, 168,8–20 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 43 Vgl. die Warnung vor προσωπολημψία in Jak 2,1. Dazu oben S. 475 Anm. 5. 44 So D. C. Allison, James, 47 f. Er sieht in dieser Legende eine Bestätigung für seine These, daß sich der Jakobusbrief an Judenchristen und Juden wendet; vgl. D. R. Nienhuis, Paul, 134. 45 Siehe dazu R. Deines, Jakobus, 332–338, und unten bei Anm. 59–61.
502
IV. Das palästinische Judenchristentum
gebraucht in den Bedeutungsnuancen »in die Irre führen / geführt werden« bzw. »verführen und verführt werden«. Πλανᾶν erinnert an den entsprechenden Vorwurf gegen Jesus in Mt 27,63. Vor allem aber nimmt das Motivwort den Schlußsatz des Jakobusbriefes auf, in dem es zweimal erscheint (Jak 5,19 f.): »19 Meine Brüder!Wenn jemand unter euch abirren würde (πλανηθῇ) von der Wahrheit, und jemand brächte ihn zur Umkehr, 20 der soll wissen: Wer den Sünder zur Umkehr bringt von seinem Irrweg (ἐκ πλάνης ὁδοῦ αὐτοῦ), der wird dessen Seele vom Tod erretten und eine Menge von Sünden bedecken.«
Die Legende bei Hegesipp gehört in die Wirkungsgeschichte des Jakobusbriefes, denn Jakobus wird als einer verstanden, der die Sünder von ihrem Irrtum abbringt. Die Gegner des Jakobus halten Jesus für einen πλάνος – wie sich im Fortgang der Geschichte immer klarer zeigt46 – und werfen dann Jakobus dasselbe vor. Im Anschluß an den Jakobusbrief rechnet die Legende mit seiner Funktion als Lehrer, der die Brüder vor dem Irrtum bewahrt. Er ist zugleich der Lehrer für das Zwölfstämmevolk und für die Völker, die sich mit diesem gemeinsam zum Fest versammeln; Jakobus wendet sich mit seiner Rede mehrfach betont sowohl an das ganze Volk als auch an die Völker.47 Daß die Handlung regelrecht burleske Züge annimmt, wenn die Schriftgelehrten und Pharisäer merken, daß sie auf das falsche Pferd gesetzt haben, wird man auf das Konto der christlichen antijüdischen Polemik der Quelle Hegesipps schreiben können. Sie zeigt, welche Form sie in der Zeit, als die Legende entstand, angenommen hatte: »12 Die zuvor genannten Schriftgelehrten und Pharisäer führten Jakobus auf die Zinne des Tempels, riefen ihm zu und sagten: ›Gerechter, dem wir alle vertrauen müssen, da das ganze Volk in die Irre geht (πλανᾶται) hinter Jesus, dem Gekreuzigten, her, verkünde uns: Welche (Tür) ist die Tür Jesu?‹ 13 Und er antwortete mit lauter Stimme: ›Was fragt ihr mich nach dem Menschensohn? Er sitzt im Himmel zur Rechten der großen Kraft und wird kommen mit den Wolken des Himmels.‹ 14 Und als viele erfüllt wurden und (Gott) priesen auf das Zeugnis (ἐπὶ τῇ μαρτυρίῃ) des Jakobus hin und sagten: ›Hosanna dem Sohn Davids!‹, da sagten dieselben Schriftgelehrten und Pharisäer zueinander: ›Schlecht haben wir (das) gemacht, indem wir ein solches Zeugnis (μαρτυρίαν) für Jesus verursacht haben. Aber wir wollen hinaufsteigen und ihn hinabwerfen, damit sie erschreckt werden und ihm nicht glauben.‹«48
46 Vgl. O. Skarsaune, Fragments, 345. Vgl. auch unten zu πλάνος und πλανᾶν S. 534 bei Anm. 63 und S. 506 mit Anm. 63 (zu Mt 27,63). 47 Ebenso in der 2. Jakobusapokalypse (NHC V,4, p. 45,8 [W.-P. Funk, Die zweite Apokalypse des Jakobus, in: AcA I/2, 1187]); dazu oben Anm. 38. 48 Euseb, H. e. 2,23,12 ff. (GCS Eusebius II/1,168,20–170,7 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Zum Verständnis der Frage »Welche (Tür) ist die Tür Jesu?« siehe oben S. 487 f. mit Anm. 59 und 61.
§ 15 Das Martyrium des Herrenbruders Jakobus
503
Nach der Tempelzerstörung im Jahr 70 blieb die Südostecke des Tempels »ein so dominantes Mauerstück, dass sich seit frühchristl[icher] Zeit verschiedene Stein‑ und Mauertraditionen an sie hefteten«.49 Hier lokalisierte man dann die »Zinne« als den Ort der Versuchung Jesu und als den Ort, von dem Jakobus hinabgestürzt wurde. Die Höhe muß vom Kidrontal aus immer noch gewaltig erschienen sein. Josephus beschrieb den Blick ins Kidrontal vom Dach der damals, vor der Zerstörung, dort stehenden Säulenhalle als schwindelerregend.50 Von dieser ›Plattform‹ herab antwortet Jakobus auf die Bitte seiner Gegner, die noch einmal nach der »Tür Jesu« fragen, mit einem erneuten Bekenntnis zum Menschensohn, das die Antwort Jesu im Verhör durch den Hohenpriester leicht abgewandelt aufnimmt (Mt 26,64 parr.). Die Menge reagiert wie einst die Begleiter Jesu beim Einzug in Jerusalem mit dem Hosanna-Ruf (Mt 21,9 parr.). »Die bei Mk, Mt, Joh, der Didache und dem Martyrium des Jakobus nach Hegesipp bezeugte Formel ist eines der vielen Indizien für den palästinisch-jüdischen Charakter des Urchristentums.«51 Wie πλανᾶν erscheinen hier auch μαρτυρία, μαρτυρέω und μάρτυς gehäuft, insgesamt viermal, als Motivwörter. In der Quelle, die diesem Abschnitt bei Hegesipp zugrunde liegt, wird μάρτυς κτλ. noch nicht in der spezifisch christlichen, martyrologischen Bedeutung verwendet, was für ihr hohes Alter spricht.52 Noch einmal wird der Missionserfolg hervorgehoben, der die Gegner zum raschen Einschreiten zwingt. Sie beschließen einen »Felssturz« von der Tempelzinne, der die anschließende Steinigung einleitet: »15 Und sie schrien und sagten: ›Oh, oh, auch der Gerechte wurde in die Irre geführt (ἐπλανήθη).‹ Und sie erfüllten die Schrift(stelle), die bei Jesaja geschrieben ist: ›Laßt uns den Gerechten beseitigen, denn er ist uns lästig. Sie werden nun die Früchte ihrer Taten essen.‹53 M. Küchler, Jerusalem, 187. Josephus, Ant. 15,412: »Während nämlich die Stützmauer der Schlucht riesig war und es unerträglich war hinabzublicken, wenn sich jemand von oben über den Abgrund beugte, stand auf ihr die gewaltige Höhe der Säulenhalle, so daß es einem, wenn er von der Spitze ihres Daches herunterblickte und die Höhen zusammennahm, schwindlig werden mußte, da der Blick nicht in die unermeßliche Tiefe reichte.« Vgl. M. Küchler, Jerusalem, 187. 51 So M. Hengel, Abba, 164 = KS IV, 515. Die Formel entstammt dem Schlußpsalm des Hallels (Ps 118,25), das bei den großen Festen – vor allem Passa und Laubhüttenfest – gesungen wurde; siehe ausführlicher M. Hengel, Abba, 165 = KS IV, 516. 52 Zur Entwicklung der frühchristlichen Märtyrerterminologie siehe A. M. Schwemer, Prophet (zu unserem Text dort: 338 Anm. 87). 53 Vgl. Jes 3,10: ἄρωμεν τὸν δίκαιον statt δήσωμεν τὸν δίκαιον erscheint auch bei Justin und wird von ihm als die richtige Septuaginta-Lesart gegen Trypho verteidigt (Justin, Dial. 137,3 [PTS 47, 307,17–20 ed. Marcovich]). Es handelt sich vermutlich um eine frühe christliche ›Korrektur‹ – vielleicht entstanden aus einem Schreibfehler –, die dann in eine christliche Tes timoniensammlung aufgenommen wurde wegen des Anklangs an die Passionsgeschichte (Lk 23,18; Joh 19,15); siehe dazu M. Hengel, Septuaginta, 64 = KS II, 359 f. 49 50
504
IV. Das palästinische Judenchristentum
16 Sie stiegen hinauf und warfen den Gerechten hinab. Und sie sagten zueinander: ›Laßt uns Jakobus, den Gerechten, steinigen.‹ Und sie begannen ihn zu steinigen, denn er war, obwohl er hinabgeworfen worden war, nicht gestorben. Aber er drehte sich um, kniete hin und sagte: ›Ich bitte dich, Herr, Gott und Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.‹«54
Eine Steinigung war an sich schon ein mehrstufiges Hinrichtungsverfahren. Es begann mit dem Hinausschleifen aus der Stadt, dem Sturz von einem Abhang – wenn die Möglichkeit dazu bestand – oder dem Eingraben des Delinquenten bis zur Leibesmitte.55 Den ersten Stein warf der erste Zeuge, dann kam der zweite an die Reihe, dann das ganze Volk, bis der Tod eintrat.56 Die Mehrstufigkeit von Jakobus’ Martyrium scheint aus der Mehrstufigkeit einer Steinigung entstanden zu sein und aus der Vorstellung von der Ausdauer des Gerechten beim Leiden und von der Schwierigkeit, ihn zu töten.57 Die Ausdauer im Leiden wird auch ausdrücklich an Simon, Sohn des Klopas, bewundert, dem Nachfolger des Jakobus.58 Roland Deines schlug vor, den durch Wiederholungen überladenen und dadurch komplizierten Bericht des Hegesipp in zwei verschiedene Erzählstränge aufzuteilen und so zu entwirren: einmal den Sturz von der Tempelzinne und auf der anderen Seite die Erzählung von der Steinigung. Für den Sturz von der Tempelzinne gibt es die verwandte, in den Pseudoklementinen überlieferte Geschichte vom Sturz des Jakobus von der Tempeltreppe.59 Hier bittet Kaiphas 54 Euseb, H. e. 2,23,15 f. (GCS Eusebius II/1, 170,7–15 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 55 Vgl. zur Steinigung auch schon oben S. 497 f. mit Anm. 29. Die 2. Jakobusapokalypse (NHC V,4, p. 61 f. [W.-P. Funk, Die zweite Apokalypse des Jakobus, in: AcA I/2, 1193]) enthält die vollständigste Beschreibung einer Steinigung und auch dieses Element. Nach dem Sturz von der »Zinne des Tempels … bei dem starken Eckstein … griffen [sie, A. M. S.] ihn und [schmähten] ihn, wobei sie ihn auf der Erde schleiften. Sie streckten ihn aus, wälzten einen Stein auf seinen Bauch, traten ihn alle mit Füßen und riefen: ›O du Irregegangener!‹ Sie richteten ihn, da er (immer noch) lebte, wieder auf, ließen ihn eine Grube graben und stellten ihn hinein. Nachdem sie ihn bis zum Bauch zugeschüttet hatten, steinigten sie ihn so.« Hier wird die Tempelzinne mit dem »starken Eckstein« (Ps 118,22, vgl. Jes 28,16; Mk 12,10 parr.) identifiziert; vgl. zu den späteren Pilgerberichten M. Küchler, Jerusalem, 187 f. 56 Zu mSan 6,4 siehe oben S. 497 Anm. 29. Zum »ersten Stein« vgl. auch Joh 8,7. 57 Auf Letzteres weist schon M. Hengel, Jakobus, 77 Anm. 23 und 80 Anm. 33 = KS III, 555 Anm. 23 und 558 Anm. 33, hin mit Beispielen aus der rabbinischen Literatur. 58 Bei Euseb, H. e. 3,32,6 (GCS Eusebius II/1, 270,4 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann) als ein Hegesipp-Zitat: »Während er viele Tage lang gefoltert wurde, legte er Zeugnis ab, so daß alle sehr darüber staunten, auch der Statthalter, wie (ein Mann) von 120 Jahren die Qualen ertrug. Und es wurde befohlen, daß er gekreuzigt werde.« Die Schlußwendung mit doppeltem Passiv klingt so, als ob der Statthalter nun endlich einen Schlußpunkt setzen wollte. 59 R. Deines, Jakobus, 43 ff.333–338. In PsClem R 1,27–71 (GCS Pseudoklementinen II, 23–49 ed. Rehm / Strecker) ist wahrscheinlich eine judenchristliche Antiapostelgeschichte als Quelle verwendet, siehe F. S. Jones, Ancient Jewish Christian Source; ders., Art. Pseudoklementinen, RGG4 6 (2003), 1790.
§ 15 Das Martyrium des Herrenbruders Jakobus
505
(sacerdotum princeps) den Jakobus (Iacobum episcoporum principem), aus den (heiligen) Schriften zu zeigen: utrum Iesus ipse sit Christus an non.60 Jakobus lehrt dann im Tempel sieben Tage lang ununterbrochen das ganze Volk samt dem Hohenpriester, so daß sie zur Taufe eilen: »Als sie schon kamen und getauft wurden, begann ein feindlich gesinnter Mensch, der zu dem Zeitpunkt mit ganz wenigen den Tempel betrat, zu schreien und zu sagen: ›Was tut ihr, Israeliten? Warum laßt ihr euch so leicht täuschen? Warum laßt ihr euch so leicht Hals über Kopf verleiten von unglückseligen Leuten, die von einem Zauberer getäuscht worden sind?‹ Als er dies sagte und [durch das, was er] darauf hörte, vom Bischof Jakobus besiegt wurde, begann er, das Volk aufzuwiegeln … und zugleich die Priester anzuklagen und mit Vorwürfen und Schmähungen zu entflammen und wie ein Wahnsinniger jeden einzelnen zum Mord anzutreiben, indem er sagte: ›Was treibt ihr? Warum zögert ihr? Warum dringen wir nicht mit unseren Händen auf sie ein und zerreißen diese alle?‹ Und als er dies gesagt hatte, griff er vom Altar ein angebranntes [Stück Holz] und begann mit dem Morden. Dann aber stürzten auch die übrigen, als sie ihn sahen, in ähnlichem Wahnsinn herzu. Es erhebt sich ein allgemeines Geschrei, in gleicher Weise von den Mördern und von den Ermordeten. Sehr viel Blut fließt, und es gibt eine chaotische Flucht. Da griff inzwischen [in diesem Durcheinander] jener feindselige Mensch den Jakobus an, stürzte ihn von den obersten Stufen kopfüber hinunter, aber er versäumte, ihn weiter zu schlagen, da er ihn für tot hielt.«61
Jakobus wird von den Brüdern gerettet und am Morgen vor Tagesanbruch nach Jericho gebracht. Dabei erfahren sie auch, daß der »feindliche Mensch« nach Damaskus aufgebrochen sei mit Briefen des Hohenpriesters Kaiphas, um dort die Gläubigen zu verfolgen. Hier wird eine Episode aus der Anfangszeit des Wirkens des Jakobus in Jerusalem geschildert. Der »feindselige Mensch« ist ohne weiteres als der jugendliche Paulus zu erkennen, der ja auch nach eigener Aussage vor seiner Berufung und Bekehrung vor Damaskus die ἐκκλησία in Jerusalem verfolgte und vernichten wollte.62 Doch bis zu einer älteren Quelle, die die Angaben der Apostelgeschichte historisch ergänzen und korrigieren könnte, kommen wir damit nicht. Die Hoffnung, in den Pseudoklementinen früheste Quellen zu finden, leitete schon die ältere Tübinger Schule in die Irre. 60 PsClem R 1,68,1 f. (GCS Pseudoklementinen II, 46,20–25 ed. Rehm / Strecker). Zuvor schon wollen Priester und Kaiphas erfahren, ob Jesus der Christus aeternus sei (1,43,1; 1,44,2 [GCS Pseudoklementinen II, 33,13.25 ed. Rehm / Strecker]). 61 PsClem R 1,70,1–8 (GCS Pseudoklementinen II, 47,21–48,11 ed. Rehm / Strecker). 62 Gal 1,13.23; 1 Kor 15,9; Phil 3,6; vgl. Apg 8,3; 9,1.21; 22,4.19; 26,10 f. Schon in Apg 22,4 und 26,10 gibt Paulus an, daß er die Gemeinde »bis in den Tod verfolgt habe«; in Apg 7,58 beteiligt sich Paulus – passiv, aber einverstanden – an der Steinigung des Stephanus. Das wird hier gesteigert aufgenommen und auf Jakobus bezogen. Damit wird eine Lücke in der Apostelgeschichte gefüllt, aber um solide Information über die Frühgeschichte der Jerusalemer Gemeinde handelt es sich nicht. Vgl. dazu die Szenerie, die Roland Deines (Jakobus, 334–338) zeichnet und versuchsweise eine »alternative Apostelgeschichte« dazu entwirft.
506
IV. Das palästinische Judenchristentum
Die von Hegesipp beschriebene tumultuarische Szene mit dem Sturz von der Tempelzinne hat sich genauso wenig historisch ereignet wie der in den Pseudoklementinen tradierte Treppensturz. Die Lynchjustiz erinnert an die Steinigung des Stephanus, die jedoch von Lukas mit einer ganz anderen erzählerischen Kunst geschildert wird. Zeugen werden im Hegesipp-Bericht nicht erwähnt, aber der Grund für das spontane Vorgehen wird den Tätern in den Mund gelegt: Sie erkennen, daß der Gerechte in die Irre geführt wurde und nun das Volk in die Irre führt. Einen solchen (zum Götzendienst) verführten Verführer müssen sie sofort beseitigen. In diesem Punkt gleicht die Legende das Geschick des Jakobus an das seines Bruders an, dem dieses »In-die-Irre-Führen« ebenfalls vorgeworfen wurde. Die Anschuldigung, Jesus sei ein πλάνος gewesen, erscheint schon in Mt 27,63.63 Das Schriftzitat Jes 3,10 könnte eine Einfügung Hegesipps in seine Quelle sein, aber das ist nicht zwingend. Im Sterbegebet des Jakobus, das er wieder auf den Knien spricht, klingt das Gebet Jesu für seine Feinde an. Jakobus stirbt wie Stephanus in der Nachfolge Christi.64 Der Einspruch gegen die Hinrichtung kommt im Hegesipp-Bericht nicht wie bei Josephus nachträglich durch Pharisäer, die den sadduzäischen Hohenpriester in seine Schranken weisen wollen, sondern während der Steinigung durch einen Priester, und zwar einen Rechabiter. »17 Und während sie ihn so mit Steinen bewarfen, schrie einer von den Priestern von den Söhnen Rechabs, des Sohnes der Rechabim, die vom Profeten Jeremia bezeugt sind: ›Hört auf! Was tut ihr? Der Gerechte betet für euch.‹«
Der Profet Jeremia, auf den ausdrücklich verwiesen wird, hielt einst den Judäern die Rechabiter als vorbildlich vor, die getreu den nomadischen Lebensregeln ihres Ahns Jonadab lebten – ohne Wein und Weinbau und ohne Häuser, sogar noch, als sie in Jerusalem Zuflucht suchen mußten. Aber die Bewohner Judaeas und Jerusalems hielten sich anders als die Rechabiter nicht an die Gebote Gottes. Wegen ihrer Treue, für die der Profet Jeremia Zeuge ist (τῶν μαρτυρουμένων ὑπὸ Ἱερεμίου τοῦ προφήτου), wird den Rechabitern verheißen, 63 Zur Bestrafung des Falschprofeten, der Israel zum Abfall verführt (πλανᾶν), siehe Dtn 13 und 16. Der Vorwurf gegen Jesus begegnet unter anderem bei Justin, Dial. 69,6 f.; 108,1 f. (PTS 47, 190,34–191,45; 255,1–15 ed. Marcovich); zum Text siehe unten S. 560 Anm. 61; beim ›Juden des Kelsos‹ (Origenes, Contra Celsum 2,1.4 [SVigChr 54, 75,12–15; 77,3–7; 79,19–25 ed. Marcovich]), einem jüdischen ›Antievangelium‹, das auch Tertullian zu kennen scheint (De spectaculis 30,6 [SC 332, 324,28–326,33 ed. Turcan]: quaesturiae filius … quem … hortulanus detraxit); aber dann auch im Babylonischen Talmud, siehe bSan 107b: »Der Meister sagte: ›Jesus von Nazareth hat Magie ausgeübt und Israel verführt und fehlgeleitet.‹« Dazu die Übersetzung und den Kommentar bei P. Schäfer, Jesus im Talmud, 71.208–212; vgl. auch A. M. Schwemer, Passion, 137.147 Anm. 65. Zu Mt 27,63 vgl. unten S. 560 bei Anm. 65. 64 Lk 23,34; vgl. Apg 7,59. Zur imitatio Christi siehe unten S. 533.
§ 15 Das Martyrium des Herrenbruders Jakobus
507
»daß ein Mensch von den Söhnen Jonadabs, des Sohnes des Rechab, vor meinem Angesicht steht alle Tage [der Erde]«.65
Aus dieser Verheißung ist der Priesterstatus des Rechabiters erschlossen, denn Priesterdienst besteht im »Stehen« vor dem Angesichts Gottes. Die Rechabiter gehörten ja keineswegs zu den ›historischen‹ 24 Priesterordnungen. Die Legende, die Hegesipp verwendet, geht meines Erachtens von einem Text ohne den Zusatz »der Erde« aus, deshalb begrenzt sie wohl den Priesterdienst der Rechabiter bis ans Ende des Zweiten Tempels. Die Entstehung der Legende vom entsetzten Einspruch des Rechabiters in dieser Situation wird so verständlich: Einer der letzten Rechabiter, der als Priester vor Gott stehen durfte, will nicht nur gegen den Mord an dem Gerechten protestieren, sondern sieht quasi auch das Ende des Tempels damit gekommen.66 Den Schluß des mehrstufigen Martyriums,67 dessen sich steigernde Qualen schon durch die Hinrichtungsform angelegt waren, bildet schließlich der Schlag eines Walkers. »18 Und da nahm einer von ihnen, einer von den Walkern, das Holz (ξύλον), mit dem er die Kleider auspreßt, und schlug gegen den Kopf des Gerechten. Und so legte er Zeugnis ab (ἐμαρτύρησεν).68 Und sie begruben ihn an der Stelle beim Tempel, und seine Grabstele ist noch (jetzt) beim Tempel. Er wurde ein wahrer Zeuge (μάρτυς … ἀληθής) für Juden und Griechen dafür, daß Jesus der Messias ist. Und sofort belagerte sie Vespasian.«
Das Holz (ξύλον) des Walkers, durch das Jakobus dann endlich den Tod findet, ist eine typisch judenchristliche legendäre Weiterbildung. Wie der Profet Jesaja als Typos für Christus in der christlichen Legende durch eine »hölzerne« Säge stirbt, so Jakobus in der Nachfolge Jesu ebenfalls durch »Holz«.69 Das Motiv Jer 35,19 (LXX 42,19 hat zusätzlich τῆς γῆς). Epiphanius, Panarion 78,14,6 (GCS Epiphanius III, 465,20–23 ed. Holl / Dummer), versteht diese Zusammenhänge nicht mehr und ersetzt den Rechabiter deshalb durch Simeon, Sohn des Klopas. 67 Euseb, H. e. 2,23,18 (GCS Eusebius II/1, 170,18–24 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Vgl. dazu schon oben S. 504 bei Anm. 57. Diese Mehrstufigkeit ist auch durch die antiken Folter‑ und Hinrichtungsmethoden bedingt. 68 Die Quelle Hegesipps verwendete μαρτυρέω κτλ. noch nicht im speziell martyrologischen Sinn, aber Hegesipp (und erst recht Euseb) verstand wohl »starb er als Märtyrer«. 69 Auch in den Vitae Prophetarum wird in den stärker christlich redigierten Versionen die Säge, mit der der Profet Jesaja zersägt wurde, zu einer »hölzernen«. Es handelt sich um eine typisch christliche legendäre Ergänzung, siehe A. M. Schwemer, Zersägung, 58; vgl. auch R. Bauckham, Offence, 217 f., der auf AscJes 5,1 (CChr.SA 7, 73.379 ed. Bettiolo u. a.) verweist. Noch Kelsos spottet über diese Eigenart der Christen, überall das Kreuz Christi zu entdecken (besonders ausgeprägt im Barnabasbrief und bei Justin). Sie würden das Kreuz verehren, weil ihr Lehrer am Kreuz gestorben oder weil er ein Zimmermann gewesen sei. Wäre er einen Abhang hinabgestoßen worden, würden sie von »einem Abhang des Lebens 65 66
508
IV. Das palästinische Judenchristentum
spiegelt zudem Lokaltradition; denn Walker arbeiteten in Jerusalem nicht nur im »Walkerfeld« im Norden der Stadt,70 sondern auch südlich, wo das Kidrontal in das Hinnomtal mündet, an der ʿEn-Rogel, der Rogelquelle, deren Name mit »Walkerquelle« übersetzt wird.71 Es war ein geschichtsträchtiger Ort an der Grenze zwischen Juda und Benjamin. In der Nähe wurden in frühjüdischer Zeit bedeutende Gräber lokalisiert, so z. B. das des Profeten Jesaja »unter der Eiche Rogel«.72 Vor allem priesterliche Grabbauten aus hellenistisch-römischer Zeit befinden sich bis heute im südöstlichen Teil des Kidrontals am Hang des Ölbergs. Auch das Grab des Jakobus soll hier gelegen haben, und Hegesipp versichert, daß man seine Grabstele noch an Ort und Stelle finden kann. Jakobus soll also nicht in das Massengrab für zum Tode Verurteilte73 geworfen worden sein, sondern ähnlich wie Stephanus ein Erdgrab erhalten haben, das durch einen Grabstein, eine Stele, gekennzeichnet wurde. Auch im antiken Judentum waren in den Fels gehauene Gräber und Grabbauten, in denen in dieser Zeit die Zweitbestattung der Gebeine in steinernen Ossuaren üblich war, der reichen Oberschicht vorbehalten.74 Die Armengräber waren einfache Erdgräber, die zusätzlich durch Steinplatten oder Ziegel geschützt und abgedeckt werden konnten. Die Essener in Qumran bevorzugten wohl aus asketischen Gründen diese einfache Bestattungssitte.75 Die Angabe bei Hegesipp scheint so historisch nicht völlig wertlos. Hegesipps Bericht setzt auch nicht voraus, daß Jakobus im Tempel begraben worden sei, sondern rechnet mit einem Sturz von der Zinne, vom »Flügel des Tempels«, in das Kidrontal. So befand sich Jakobus’ Grab »beim Tempel« (παρὰ τῷ ναῷ), das heißt in dessen Nähe, aber unten im Kidrontal, wo wohl zur Zeit der Abfassung der von Hegesipp zitierten Quelle sein Gedenkstein, seine στήλη, noch zu sehen war.76 Das Grab war aber nicht direkt über den Himmeln« faseln; so Origenes, Contra Celsum 6,34 (SVigChr 54, 410,23–411,2 ed. Marcovich). 70 Jes 7,3; 36,2; 2 Kön 18,17. 71 Siehe dazu M. Küchler, Jerusalem, 746–752. 72 VitProph 1,1, dazu A. M. Schwemer, Prophetenlegenden I, 115–122; dies., Vitae Prophetarum, 562. 73 Dazu mSan 6,5 f. 74 Bei der Inschrift »Jakob, Sohn des Joseph, sein Bruder, von Jesus« (Abbildung und Übersetzung bei R. Deines, Jakobus, 349) auf einem Ossuar, das in Jerusalem auftauchte und 2002 veröffentlicht wurde, handelt es sich um eine Fälschung. Vgl. R. Deines, Jakobus, 346–354. Wenn die Inschrift echt wäre, wäre Jakobus in einem Felsengrab beigesetzt worden. Dagegen spricht die früheste literarische Tradition bei Hegesipp. 75 Diese Form der Gräber blieb rund ums Mittelmeer bis in die Neuzeit gebräuchlich. So finden wir sie auf der Isola sacra bei Rom aus antiker Zeit; ähnlich wird man sich das Petrusgrab vorzustellen haben. Ich selbst habe solche einfachen, mit Ziegel abgedeckten Gräber Anfang der 80er Jahre auf der Peloponnes in der Mani noch gesehen. 76 Euseb, H. e. 2,23,18 (GCS Eusebius II/1, 170,20–23 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); vgl. zu Armengräbern und zum Jakobusgrab J. Magness, Stone, 155–164.174–177.
§ 15 Das Martyrium des Herrenbruders Jakobus
509
im »Bereich des Tempelhauses«,77 sondern, wie auch Hieronymus weiß: »Er wurde neben dem Tempel, wo er hinabgestürzt worden war, bestattet und hatte eine Grabinschrift, die bis zur Belagerung durch Titus und bis zur letzten durch Hadrian wohlbekannt war.«78 Der Bericht über das Martyrium des Jakobus endet bei Hegesipp mit »und sofort belagerte sie Vespasian«. Nun hat aber Titus die Stadt belagert, eingenommen und den Tempel zerstört. Daß hier nur sein Vater Vespasian genannt wird, scheint ein typisch judenchristlicher Zug zu sein, denn ähnliche Angaben finden sich auch in der zeitgenössischen jüdischen und in der rabbinischen Literatur.79 Mit dem Mord an dem Gerechten ist der Schutzwall des Volkes, der »Oblias«, gefallen, und Stadt und Tempel sind ihrem Untergang preisgegeben.80 Es handelt sich um ein Theologumenon, das in der frühjüdischen, christlichen und rabbinischen Literatur öfter belegt ist. Es erscheint in legendärer Form besonders eng mit dem Martyrium des Jakobus bei Hegesipp verwandt in der Syrischen Baruchapokalypse. Hier befiehlt Gott Baruch:
Zur Geschichte des Jakobusgrabes, das mit dem Säulengrab der Priesterfamilie Bene Chesir identifiziert wurde, und zur Auffindung der Gebeine im Jahr 351 durch einen Eremiten siehe M. Küchler, Jerusalem, 187.718–724; R. Deines, Jakobus, 338–345. 77 Gegen M. Küchler, Jerusalem, 719 f., der an dieser Stelle Y. Z. Eliav, Tomb of James, folgt. Eliav meinte – mit unzureichenden Gründen –, Hegesipp sei der Ansicht, daß das πτερύγιον und das Grab des Jakobus »were both located at the top of the mount, immediately next to the temple ruins« (47). Auf den Schlag mit dem Walkerholz geht Eliav nicht ein; dieses Motiv zeigt eindeutig, daß die Tradition, der Hegesipp folgt, die Steinigung und das Grab im Kidrontal lokalisiert hat. 78 Hieronymus, De viris illustribus 2,14 (BPat, 78 ed. Ceresa-Gastaldo): iuxta templum, ubi et praecipitatus fuerat, sepultus, titulum usque ad obsidionem Titi et ultimam Hadriani notissimum habuit. Zur irrtümlichen Annahme, daß auch Hadrian die Stadt belagert habe, die sich in jüdischen und christlichen Texten findet, siehe unten S. 541; vgl. W. Horbury, Jewish War, 406. 79 In Sib 5,36 wird Vespasian »großer Verderber frommer Männer« genannt; hier ist er der Zerstörer Jerusalems, nicht Titus. Historisch hat Vespasian die Belagerung Jerusalems seinem Sohn Titus überlassen. In der rabbinischen Literatur belagert Vespasian die Stadt, wird dabei aber nicht völlig negativ gesehen: Während Vespasian Jerusalem belagert, flüchtet R. Jochanan ben Zakkai in sein Feldlager, kündigt ihm die Weltherrschaft an und erhält dann von ihm Jabne, »um dort Tora zu lehren«. Zu ARN A4 und B6, EkhaR 1,31 und bGit 56a–b siehe G. Stem berger, Herrschaft, 67 ff.; vgl. M. Hengel, Jakobus, 61 = KS III, 559 Anm. 36 und 37. 80 M. Hengel, Jakobus, 61 = KS III, 559: »Es ist verständlich, daß die Judenchristen die wenige Jahre nach seinem Martyrium über die Heilige Stadt hereinbrechende Katastrophe als Gottes Strafe für die Hinrichtung des ›Gerechten‹ betrachten mußten.« Ausführlich zum Motiv J. Bourgel, Jacques le Juste; vgl. Euseb, H. e. 3,7,8 (GCS Eusebius II/1, 214,13–17 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann): 40 Jahre lang wirkten die Apostel und Jünger und vor allem Jakobus, der erste Bischof Jerusalems, als Schutzmauer (ἕρκος) für die Stadt, in der sie lebten. J. Painter, James, 144, verweist zu dem Motiv auf Gen 18,23–33 und BerR 30,7.
510
IV. Das palästinische Judenchristentum
»Dies nun habe ich zu dir gesagt, damit du Jeremia und allen euresgleichen sagen mögest, daß ihr euch aus dieser Stadt entfernen sollt. Denn eure Werke sind für diese Stadt wie eine feste Säule und eure Gebete wie eine starke Mauer.«81
Wie oben schon erwähnt, verwendet auch Josephus dieses Theologumenon, wenn er über den Mord an den Hohenpriestern Hannas II. und Jesus, Sohn des Gamaliel, berichtet, deren Leichen von den aufständischen Zeloten zertreten und über die Mauer geworfen wurden, um sie unbestattet liegen zu lassen.82 Mit dem Mord an Jakobus ist die Mauer, der Schutzwall um die Stadt, dahin. Der Herrenbruder hatte mit seinem kniefälligen, unaufhörlichen Gebet im Tempel und seinem Flehen für die Vergebung der Sünden des Volkes den Untergang der Stadt und des Tempels aufgehalten, der bereits seit dem Vergehen an Jesus über sie verhängt war.83 Die Strafe für die Kreuzigung des Gottessohnes, »sein Blut komme auf uns und unsere Kinder«,84 war durch die Gegenwart und das Gebet des Gerechten aufgehalten worden, nach seinem Tod bricht sie nun herein. Es ist nicht so, daß es zwei unabhängige, miteinander konkurrierende Traditionen gab: einmal die Zerstörung der Stadt und des Tempels als Folge der Kreuzigung Jesu und auf der anderen Seite als Strafe für den Mord am Herrenbruder. Origenes geht auf den Bericht des Josephus über den Tod des Jakobus ein und behauptet, der jüdische Historiker habe nur deshalb davon berichtet, weil er der Ansicht gewesen sei, die Zerstörung Jerusalems »sei ihnen auf Grund von Gottes Zorn zugestoßen wegen des an Jakobus durch sie begangenen Verbrechens«.85 »Der sachliche Bericht des Josephus wird hier der christlichen Apologetik dienstbar gemacht, denn dieser Satz findet sich bei Josephus nicht.«86 Alle Spekulationen darüber, ob es Handschriften mit anderem Text gab, sind überflüssig. Daß es in Wirklichkeit der amtierende Hohepriester war, der Jakobus und einige andere hinrichten ließ, spielt bei dieser Legendenbildung anscheinend höchstens als polemische Umkehrung eine Rolle. Jakobus erwirkt als betender Hohepriester Aufschub für sein Volk für die schon seit Jesu Auslieferung an Pilatus und seiner Kreuzigung verhängte Strafe. Er fungiert als Hohepriester, der 81 2 Bar 2,1 (Übersetzung: A. F. J. Klijn, Baruch-Apokalypse, 123); als Auslegung von Jer 1,18 auch in ParJer 1,1–3.7: »Eure Gebete sind wie eine feste Säule in ihrer Mitte und wie eine gestählte Mauer [rings] umher« (vgl. Übersetzung und Kommentar: B. Schaller, Paralipomena Jeremiou, 712); vgl. PesR 131a. 82 Siehe dazu oben S. 541. Zu Bell. 4,316 ff. vgl. auch J. Bourgel, Jacques le Juste, 235 f. 83 Vgl. zum Vorschlag, in Jakobus den κατέχων von 2 Thess 2,7 zu sehen, R. Deines, Jakobus, 326. 84 Mt 27,25; Matthäus denkt bei dieser bedingten Selbstverfluchung an die Zerstörung Jerusalems, auf die er zurückblickt. 85 Origenes, Comm. in Matth. 10,17 (SC 162, 216,27–218,40 ed. Girod); Origenes, Contra Celsum 1,47; 2,13 (SVigChr 54, 47,7–14; 92,24–28 ed. Marcovich); vgl. Euseb, H. e. 2,23,20 (GCS Eusebius II/1, 172,9 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 86 Zitat: M. Hengel, Jakobus, 75 = KS III, 553. J. A. Overman, Destruction, 274, vermutet wieder eine verlorene Josephushandschrift.
§ 15 Das Martyrium des Herrenbruders Jakobus
511
durch sein Gebet im Tempel diesen in ein »Haus des Gebets« umwandelt und die verdiente Katastrophe über 30 Jahre lang aufhält.87 Unterstrichen wird dieser Zusammenhang noch einmal dadurch, daß der Rechabiter ausdrücklich darauf hinweist, daß der Gerechte für »euch«, das heißt die Verfolger und Mörder, betet. Und deshalb heißt es nach der Konstatierung des vollendeten Martyriums lapidar: »Und sofort belagerte sie Vespasian.« Seinen Bericht über die Geschehnisse im Ersten Jüdischen Krieg mit langen Auszügen aus Josephus’ Bellum Judaicum beendet Euseb dann mit den Worten: »Dies war der Lohn für die Frevel und die Gottlosigkeit der Juden gegenüber dem Gesalbten Gottes.«88
Nur die Anwesenheit des Herrenbruders und der Urgemeinde in Jerusalem hatte den Eintritt der Katastrophe hinausgezögert.
Die Personallegende des Jakobus bei Hegesipp erklärt, warum die Selbstverfluchung der Jerusalemer »für sich und ihre Kinder« (Mt 27,25) jetzt eintrifft. 88 Euseb, H. e. 3,6,28 (GCS Eusebius II/1, 210,13 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 87
§ 16 Die »Auswanderung« der Jerusalemer Gemeinde nach Pella1 Euseb gibt einen »Synchronismus« für das Jahr 68/69 n. Chr.,2 indem er den Tod Neros nach 13jähriger Herrschaft, Galba und Otho als Kaiser – Vitellius läßt er aus – und dann die Proklamation Vespasians zum Kaiser in Judaea, seine Abfahrt nach Rom und die Übernahme der Kriegsführung in Judaea durch Titus erwähnt. Dann rekapituliert er die verschiedenen Verfolgungen der Apostel und der Urgemeinde seit der Himmelfahrt Christi, ihre Vertreibung aus der Stadt mit dem Zug der Apostel in alle Welt und die Auswanderung der Urgemeinde nach Pella. Danach erst ereilt Jerusalem das Strafgericht: »Nach der Himmelfahrt unseres Erlösers, als die Juden zu dem gegen ihn selbst gerichteten Verbrechen hinzu auch noch die höchst zahlreichen Anschläge auf seine Apostel begangen hatten, indem als erster Stephanus von ihnen gesteinigt, dann nach ihm Jakobus, der Sohn des Zebedäus und der Bruder des Johannes war, enthauptet worden war, und als zu diesem allem hinzu Jakobus, der den dortigen Bischofssitz (τὸν αὐτόθι ἐπισκοπῆς θρόνον) als erster nach der Himmelfahrt unseres Erlösers erlangt hatte, auf die oben genannte Weise beseitigt worden war und die übrigen Apostel unzählige Male mit dem Tode bedroht und aus dem Land Judaea verjagt worden waren, sie sich andererseits zur Verbreitung der Botschaft auf die Reise zu allen Völkern begeben hatten mit der Kraft Christi, der ihnen gesagt hatte: ›Geht hin und macht alle Völker zu Jüngern in meinem Namen‹ (Mt 28,19), und als, nicht genug damit, auch dem Volk der Gemeinde in Jerusalem, gemäß einem den dortigen Vornehmen durch eine Offenbarung gegebenen Orakelspruch, befohlen worden
1 A. v. Harnack, Mission, 634–637; siehe vor allem J. Wehnert, Auswanderung, 235–242; zustimmend zitiert als »durchschlagende[r] Nachweis« für die alte Tradition bei: M. Theobald, Zeugnis, 233 Anm. 83. Ebenso B. Wander, Trennnungsprozesse, 267–270; vorsichtig zustimmend M. Tiwald, Frühjudentum, 107. Zuletzt J. Carleton Paget, Jewish Revolts, 279 f. 2 Euseb, H. e. 3,5,1 (GCS Eusebius II/1, 194,19–196,1 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Vgl. Tacitus, Dialogus de oratoribus 17,3 (BSGRT, Vol. II/4, 16,23 f. ed. Heubner): … illum Galbae et Othonis et Vitellii longum et unum annum; zitiert als Motto in M. Hengel, Entstehungszeit, 1 = KS V, 478.
§ 16 Die »Auswanderung« der Jerusalemer Gemeinde nach Pella
513
war, vor dem Krieg aus der Stadt auszuwandern und sich in einer Stadt in der Peraea niederzulassen – sie heißt Pella –, und daher die an Christus Glaubenden von Jerusalem weggezogen waren, als nun sozusagen vollständig die heiligen Männer die königliche Mutterstadt der Juden und das ganze Land Judaea verlassen hatten, traf sie endlich das Strafgericht Gottes, da sie Christus und seinen Aposteln soviel Unrecht angetan hatten, und vertilgte gänzlich jene Generation von Gottlosen (τῶν ἀσεβῶν ἄρδην τὴν γενεὰν αὐτὴν ἐκείνην) aus der Menschheit.«3
Die Aufzählung der Verfolgungen geschieht in einem einzigen, langen Satz, gedrängt in eine lange Reihe von zwölf Genitivi absoluti, deren letztes Glied die Auswanderung nach Pella bildet; dann erst kommt der Hauptsatz, der die Strafe Gottes nennt. Anschließend stellt Euseb ausführlich die entsetzlichen Leiden der jüdischen Bevölkerung während der Belagerung und Zerstörung Jerusalems dar. Er zitiert dazu den Augenzeugen Josephus mit langen, wörtlichen Passagen aus seiner erschütternden Beschreibung der Hungersnot während der Belagerung im fünften und sechsten Buch des Bellum Judaicum.4 Diesen Berichten des Josephus schließt er nach einem Verweis auf das »von den Profeten« angekündigte βδέλυγμα τῆς ἐρημώσεως, den »Greuel der Verwüstung«,5 »die wahrheitsgemäße Profezeiung unseres Erlösers« an.6 Doch kommen wir auf die Pella-Tradition zurück. Dadurch, daß nach dem Tod des Jakobus gewissermaßen auch alle »heiligen Männer« das Land verlassen haben, sind die Bewohner von Jerusalem und Judaea schutzlos. So sind sie einerseits der ruchlosen Gewalt der Aufständischen innerhalb der Stadt und andererseits der römischen Belagerung durch Titus ausgeliefert. Das Theologumenon, daß die Gerechten und Frommen eine Schutzwehr für die betreffende Stadt oder das Land bilden, begegnet in frühjüdischer und frühchristlicher Literatur häufig.7 Hier ist es auf die Urgemeinde in Jerusalem bezogen. Hegesipp schilderte Jakobus als eine solche Schutzmauer für Jerusalem und schloß seinen Bericht über dessen Martyrium mit »Und sofort belagerte sie Vespasian«. Euseb hat diesen Hegesipp-Bericht zitiert und weist hier auf ihn zurück. Er sieht keinen 3 Euseb, H. e. 3,5,2 f. (GCS Eusebius II/1, 196,1–22 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Vgl. die schöne, ebenfalls wörtliche Übersetzung von M. Theobald, Zeugnis, 234 f., dessen überzeugende Gliederung ich übernommen habe. Zum Motiv der Vernichtung einer »Generation von Gottlosen« vgl. Dtn 32,5.20; 1 Hen 93,9 f.; Lk 11,29–32 parr.; Mt 27,25. Die unselige Interpretation von Mt 27,25, daß diese ›Selbstverfluchung‹ für alle Zeiten auf dem jüdischen Volk lasten würde, hat Euseb noch nicht vertreten. 4 Euseb, H. e. 3,5,4–3,8,9 (GCS Eusebius II/1, 196–220 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); Josephus, Bell. 5,424–438.512–519.566; 6,193–213.425–428. 5 Euseb, H. e. 3,5,4 (GCS Eusebius II/1, 198,1 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); vgl. Dan 9,27; 12,11; Mt 24,15 par. 6 Euseb, H. e. 3,7 (GCS Eusebius II/1, 210–214 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); Mt 24,19 ff.; Lk 19,42 ff.; 21,23 f.20. 7 Siehe dazu schon oben S. 509 f. Vgl. auch oben S. 483 Anm. 39.
514
IV. Das palästinische Judenchristentum
Widerspruch im pauschalen Verweis auf Vespasian als Eroberer und Zerstörer, den er aus Hegesipp übernimmt, und seinen genaueren Angaben in H.e. 3,5,1 über Vespasian und Titus, die er dem Bellum des Josephus verdankt. Die Notiz über die Auswanderung nach Pella ist denkbar knapp. Wegen dieser – vermutlich beabsichtigten – Knappheit verzichtet Euseb wahrscheinlich auch darauf, seine Quelle anzugeben. Mit guten Gründen kann man annehmen, daß er diese Nachricht Ariston von Pella verdankt, den er im vierten Buch der Kirchengeschichte als Tradenten für Hadrians Ausweisung der Juden aus Jerusalem nach dem Bar-Kochba-Krieg nennt.8 Vermutlich stand sie in dessen nicht mehr erhaltenem Dialog zwischen dem Judenchristen Jason und dem Juden Papiskos über Christus.9 Man hat die historische Zuverlässigkeit der Pella-Tradition immer wieder bezweifelt, so wieder mit Nachdruck in letzter Zeit Udo Schnelle.10 Als Gründe werden von ihm im Anschluß an Gerd Lüdemann angeführt: 1. Sie sei erst spät und nur bei Euseb bezeugt; doch das Schicksal der Jerusalemer Gemeinde sei für die Großkirche von so elementarem Interesse gewesen, daß diese Tradition breiter belegt sein müßte. 2. »Pella war eine heidnische Stadt«, strenge Judenchristen hätten hier kaum Zuflucht gesucht. Zudem sei die Stadt zu Beginn des Krieges von den jüdischen Aufständischen zerstört worden. 3. Die Jerusalemer Gemeinde sei faktisch nach 70 n. Chr. verschwunden und habe die Zerstörung Jerusalems nicht überlebt. 4. Die Pella-Tradition sei eine »Lokaltradition«, die im 2. Jahrhundert n. Chr. entstanden sei, als sich die Gemeinde in Pella auf die Urgemeinde zurückführte. All diese Gründe sind, auch wenn sie immer wieder vorgebracht werden, historisch nicht stichhaltig, wie im einzelnen zu zeigen ist:
Euseb, H. e. 4,6,3 (GCS Eusebius II/1, 308,4–7 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); Euseb datiert irrtümlich auch die Gründung von Aelia Capitolina nach dem Krieg. In Wirklichkeit hat Cassius Dio recht, der die Gründung von Aelia Capitolina vor den Ausbruch des Bar-Kochba-Aufstandes legt: Cassius Dio, Historia Romana 69,12,1 f. (Cassii Dionis Cocceiani Historiarum Romanorum quae supersunt II, 232,12–233,4 ed. Boissevain = M. Stern, GLAJJ II, 391 f. Nr. 440); siehe dazu unten S. 541 bei Anm. 97. 9 So auch W. Horbury, Beginnings, 68. J. Wehnert, Auswanderung, 254, führt überzeugende Gründe für diese seit »Karl Reinhold Köstlin häufig vertretene Auffassung« an. Zu Ariston von Pella siehe oben S. 63 Anm. 302 und unten S. 539 bei Anm. 87 sowie S. 601 Anm. 280. 10 U. Schnelle, Jahre, 309 f., beruft sich auf die Untersuchungen von Gerd Lüdemann gegen die Argumente bei J. Wehnert und D.-A. Koch. Auch G. Stemberger, Art. Judenchristen, RAC 19 (2001), 231 f. = ders., Judenchristen, 56, beurteilt die Pella-Tradition skeptisch, sie »schneidet alle der Großkirche verdächtigen judenchristlichen Gruppen von der Urgemeinde vor 70 ab … Ob der Auszug nach Pella historisch ist oder nicht, jedenfalls dient er einem schematisierten Bild der Geschichte.« 8
§ 16 Die »Auswanderung« der Jerusalemer Gemeinde nach Pella
515
ad 1. Nicht nur Euseb berichtet von der Flucht nach Pella, auch die syrische (und die lateinische) Version der pseudoklementinischen Recognitiones enthält darüber – von Euseb unabhängige – Nachrichten: 1,37,2: »Diejenigen, die an ihn glauben, werden durch die Weisheit Gottes zu [ihrer] Rettung an einen sicheren Ort des Landes (εἰς ἰσχυρὸν τόπον τὴς γῆς) geführt und vor dem Krieg bewahrt werden.« (syr.) 1,39,3: Die Gläubigen werden vor dem Krieg gerettet werden, während die Ungläubigen zugrunde gehen (syr. und lat.).11 1,71,2: Die Jerusalemer Gemeinde – fünftausend Mann stark – geht nach dem Martyrium des Jakobus nach Jericho (ante lucem descendimus Hiericho ad quinque milia viri).12
Doch nicht nur diese späten Quellen belegen die Pella-Tradition. Schon die lukanische Bearbeitung von Mk 13,9–12 in Lk 21,12–24.34 ff. zeigt: Lukas weiß, daß die Belagerung und Zerstörung Jerusalems die Christusgläubigen nicht betroffen hat, sondern der »Zorn (Gottes) diesem Volk [d. h. den Juden, die keine Jesusanhänger sind]« (V. 23) galt und die in der Schrift vorhergesagten »Tage der Vergeltung« (V. 22) das ungläubige jüdische Volk treffen. Die Gläubigen dagegen sehen als Außenstehende die Belagerung Jerusalems und erkennen ihr Ergebnis (V. 24): »Sie werden fallen durch die Schärfe des Schwerts und, als Kriegsgefangene versklavt, unter alle Völker fortgeschleppt werden; und Jerusalem wird zertreten werden von den Völkern, bis sich die Zeiten der Völker erfüllt haben werden.«13
Die Erwartung des βδέλυγμα τῆς ἐρημώσεως, das »steht, wo er nicht stehen darf«, das heißt des Nero redivivus in Mk 13,14 als Antichrist, streicht Lukas und ersetzt diesen durch den Hinweis auf die »Verwüstung« Jerusalems (V. 20): 11 PsClem
R 1,37,2; 1,39,3 (GCS Pseudoklementinen II, 30,4 ff.; 31,16–20 ed. Rehm / Strecker); siehe dazu J. Wehnert, Auswanderung, 243; englische Übersetzung und Synopse der syrischen und lateinischen Versionen: F. S. Jones, Ancient Jewish Christian Source, 66; ders., Syriac Pseudo-Clementines, 94, übersetzt: »Those who believe in him will be led, through the wisdom of God, to a fortified place of the land«, bezweifelt aber, daß damit Pella gemeint sei (94 Anm. 59). 12 GCS Pseudoklementinen II, 48,16 f. ed. Rehm / Strecker. Vgl. auch Epiphanius, De mensuris 15 (SAOC 11, 31 ed. Dean, syrische Version). 13 Siehe dazu J. Wehnert, Auswanderung, 244 f.; vgl. M. Hengel, Entstehungszeit, 28 = KS V, 507; ders., Evangelien, 327: »Lukas steht mit dieser radikalen Veränderung der historisch relativ unbestimmten markinischen Vorlage, die auf die letzte, auch für den Evangelisten noch ausstehende apokalyptische Notzeit bezogen ist, ganz unter dem Eindruck der jüngsten Vergangenheit«. Das »Weisheitswort« Lk 13,34 f. par. Mt 23,37 ff. wird kaum erst als Reaktion auf die Steinigung des Jakobus entstanden sein, aber Lukas und Matthäus blicken auf diese Steinigung zurück, vgl. D.-A. Koch, Geschichte, 380 f. Meines Erachtens hat Matthäus mit Bedacht Lk 11,49 f. und 13,34 f. am Ende der Rede gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten in c. 23 zusammengestellt, um in diesen Vorwürfen – mit Achtergewicht – die Scheltrede gipfeln zu lassen.
516
IV. Das palästinische Judenchristentum
ἡ ἐρήμωσις αὐτῆς.14 Hier wie in Lk 19,41–44, der Klage Jesu über die Zerstörung Jerusalems, blickt Lukas zurück auf die Katastrophe, die er selbst zutiefst bedauert. Mit dem »Zertreten (πατουμένη) Jerusalems durch die Heiden«, das noch anhält, weist Lukas wohl auf das römische Legionslager in der Stadt hin. Auf das βδέλυγμα verzichtete Lukas, aber mit der Wortwahl πατουμένη nimmt er die profetischen Verheißungen auf,15 und mit der Wendung καιροὶ ἐθνῶν »orientiert« er sich an der apokalyptischen Sprache des Profeten Daniel, um die letzte Frist zu bezeichnen, die den Völkern bis zur Parusie bleibt, »die für ihn zugleich die letzte Frist für die Heidenmission ist«.16 Matthäus verfährt anders: Er bleibt eng am Markustext, ergänzt aber in Mt 24,20 gegen Mk 13,18: »betet darum, daß eure Flucht (φυγὴ ὑμῶν) nicht im Winter und nicht am Sabbat stattfinden wird«. Es handelt sich um ein vaticinium ex eventu, das direkt an die christliche Jüngergemeinde in Jerusalem gerichtet ist und an deren Flucht denkt. Zugleich kann man daraus ersehen, daß Matthäus selbstverständlich voraussetzt, daß die damalige Jüngergemeinde den Sabbat hielt. Der »Orakelspruch«, der in der Pella-Überlieferung an die Angesehenen in der Gemeinde ergeht, paßt in die Situation der damaligen Zeit. Es sind noch einige apokalyptische Texte erhalten, die mit dem Untergang des Jerusalemer Tempels und der Zerstörung der Stadt rechnen und vor den Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges zu datieren sind. Der Unheilsprofet Jesus, Sohn des Ananias, der vier Jahre vor dem Ausbruch des Krieges unter dem Statthalter Albinus auftrat, das heißt wohl bald, nachdem der Herrenbruder Jakobus gesteinigt worden war, und mit seinem unaufhörlichen Geschrei »Wehe Jerusalem« die Stadtbevölkerung belästigte, wird von Josephus eindrücklich als der Gipfel der sieben schlimmen Vorzeichen für die Zerstörung geschildert.17 Zur Deutung von τὸ βδέλυγμα τῆς ἐρημώσεωϛ ἑστηκότα ὅπου οὐ δεῖ auf die Erwartung der Wiederkunft Neros als ›Endfeind‹ in Jerusalem und die lukanische Umformung siehe M. Hengel, Entstehungszeit, 25–31 = KS V, 504–510; ders., Evangelien, 325. Weniger wahrscheinlich bezog sich τὸ βδέλυγμα τῆς ἐρημώσεως auf Caligulas Versuch, sein Standbild im Jerusalemer Tempel aufzustellen. Zu den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten siehe J. Frey, Temple and Identity, 466 f. Ich nehme an, daß Lukas noch wußte, auf wen sich Mk 13,14 bezog; da sich diese Erwartung nicht erfüllt hatte, nahm er die leichte Korrektur vor. Statt dessen spielt er in Apg 12,22 auf Nero an. Siehe dazu oben S. 360–363 den Exkurs über Agrippas göttliche Stimme. 15 Vgl. Sach 12,3; Dan 8,13 (LXX) u. ö. Die ganze Passage ist so stark von Septuagintismen geprägt, daß M. Wolter, Lk, 678, hier keinerlei »historische Reminiszenzen an die Zerstörung Jerusalems durch Titus« erkennen will. Doch Septuagintasprache und historische Erinnerung schließen sich bei Lukas gerade nicht aus. Lukas ist derjenige unter den Evangelisten, der die historische Situation in Palästina am besten und insgesamt recht gut kannte. Deshalb legt sich die Annahme, daß er die Werke des Josephus als Quelle verwenden konnte, für manche so nahe. Vgl. dazu oben S. 347 Anm. 1. 16 M. Hengel, Evangelien, 328. Zu καιροί vgl. Dan 9,27 (LXX); 7,25; 12,7. 17 Josephus, Bell. 6,300–309; dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Juden14
§ 16 Die »Auswanderung« der Jerusalemer Gemeinde nach Pella
517
Hinzu kommt, daß die Hinrichtung des Herrenbruders Jakobus und einiger anderer Judenchristen im Jahr 62 die Gemeinde schwer erschüttert haben muß. Gerade die δόκιμοι der Gemeinde werden danach um ihre besondere Gefährdung gewußt haben. Nach der Stephanusverfolgung mußten die »Hellenisten« aus Jerusalem fliehen, der Agrippa-Verfolgung war Petrus – und vermutlich waren es auch noch andere Apostel – nur durch Flucht entkommen. Jetzt war eine wesentlich dramatischere Situation eingetreten, deshalb ist es wahrscheinlich, »… daß die vieldiskutierte Flucht der Urgemeinde nach Pella relativ bald nach der Hinrichtung des Jakobus und anderer Judenchristen erfolgte: In dem von Leidenschaften aufgepeitschten Jerusalem war nach dieser Untat für die Christen kein Platz mehr.«18 ad 2. Gegen Udo Schnelles Argument, daß Pella als eine heidnische Stadt, die zudem zu Beginn des Ersten Jüdischen Krieges zerstört worden sei, kein angemessener Zufluchtsort für gesetzesstrenge Judenchristen gewesen sein könne, läßt sich Josephus anführen. Dieser beklagt, daß es unter der zunehmenden Mißwirtschaft der römischen Prokuratoren und ihrer Raffgier, die mit den »Räubern«, die das Land heimsuchten, gemeinsame Sache machten, dazu kam, daß die Rückwanderung aus der Diaspora aufhörte und statt dessen schließlich unter Gessius Florus (64–66 n. Chr.) Juden in großer Zahl auswanderten: »… denn die unglücklichen Juden, die die Plünderungen durch die Räuber nicht mehr ertragen konnten, wurden gezwungen, ihre eigene Heimat zu verlassen und alle zu fliehen, weil sie dachten, es sei besser, bei Fremden (ἀλλοφύλοις) wo auch immer zu wohnen.«19
Ebenso deutlich schreibt er im früheren Bellum: »So kam es, daß auf Grund seiner [d. h. Gessius Florus’] Habgier alle Städte verödeten und viele Bürger im Widerspruch zu den väterlichen Gesetzen (τῶν πατρίων ἠθῶν) in Provinzen mit fremder Bevölkerung auswanderten.«20
Vermutlich ist in dieser Zeit auch der Hellenist Philippus zusammen mit seinen weissagenden Töchtern nach Hierapolis in Kleinasien emigriert.21 Auch die Auskunft, die Udo Schnelle wieder vorbringt, Pella sei im Ersten Jüdischen Krieg zerstört worden, ist nicht richtig. Eine Zerstörung ist auch archäologisch tum, 103.119 ff. Auch Euseb, H. e. 3,8,7 ff. (GCS Eusebius II/1, 218,5–220,2 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann), verzichtet nicht darauf, diesen Bericht (leicht verkürzt) wörtlich wiederzugeben. Zu Euseb, H. e. 3,5,3 (GCS Eusebius II/1, 196,14 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann): κατά τινα χρησμόν, vgl. oben S. 167 Anm. 137; vgl. auch S. 441 Anm. 5. 18 M. Hengel, Johanneische Frage, 289 f.; vgl. auch J. Wehnert, Auswanderung, 248; B. Wander, Trennungsprozesse, 269 f. 19 Josephus, Ant. 20,256. 20 Josephus, Bell. 2,279; vgl. dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 104 mit Verweis auf die Flucht nach Pella; M. Theobald, Zeugnis, 236. 21 Siehe dazu oben S. 181 u. ö. Der Verfasser des Johannesevangeliums wird vor oder nach dem Krieg Palästina verlassen haben und nach Ephesus ausgewandert sein.
518
IV. Das palästinische Judenchristentum
nicht nachgewiesen. Die Aufständischen konnten – im Gegensatz zu den Hasmonäern – keine der hellenistischen Städte erobern, auch Pella nicht. Es gelangen ihnen nur am Anfang des Krieges Plünderungen und Brandschatzungen in syrischen Dörfern und in einigen Städten der Dekapolis.22 Und vor allem, und das erscheint als wichtigster Grund: Nur in einer Stadt mit überwiegend nichtjüdischer Bevölkerung im ›Ausland‹ konnten die christlichen Flüchtlinge aus Jerusalem hoffen, toleriert zu werden und Schutz zu finden.23 ad 3. Gegen das dritte Argument läßt sich einwenden: Die Jerusalemer Gemeinde verlor mit der Zerstörung der Mutterstadt zwar ihre zentrale Bedeutung für die Gesamtkirche, aber nicht ihre Existenz, wie Udo Schnelle meint. Zudem ist die Erwartung der Wiederkunft Christi in Jerusalem eigentlich nie völlig erloschen.24 Natürlich ist die Quellenlage nicht berauschend. Aber es gibt einige ernstzunehmende Nachrichten darüber, daß Jerusalemer Christen sich nach 70 wieder in der zerstörten Stadt eingefunden und hier eine Gemeinde gebildet haben. Ich habe oben schon auf die bei Epiphanius erhaltenen Überlieferungen hingewiesen.25 Inzwischen haben archäologische Grabungen im Norden Jerusalems eine jüdische, planmäßige Siedlung nachgewiesen; sie wurde zwischen 70 und 130 n. Chr. von Juden gebaut und existierte bis zu Hadrians Gründung von Colonia Aelia Capitolina vor dem Ausbruch des BarKochba-Krieges. Den Namen dieser Stadt weiß man bisher nicht. Vielleicht lebten hier »Teile der jüdischen Bevölkerung, die sich nicht massiv gegen die Römer gestellt hatten. Eine solche Siedlung aber konnte kein Ersatz sein für das religiöse und gesellschaftliche Zentrum; dieses war verloren.«26 Auf jeden Fall ist damit die Existenz von jüdischer Besiedlung und Bevölkerung zwischen den beiden großen jüdischen Kriegen in der nächsten Umgebung von Jerusalem nachgewiesen.27 »This was perhaps a settlement of Jewish elite families,
22 Josephus,
Bell. 2,458: »Sie teilten sich auf und versuchten die Dörfer der Syrer und die benachbarten Städte zu zerstören (ἐπόρθουν, Impf. de conatu): Philadelphia, Esebon, Gerasa, Pella, Skythopolis«. J. Wehnert, Auswanderung, 240, bezeichnet die Aktion zu Recht als »jüdischen Rachezug im Jahr 66«; zu den archäologischen Untersuchungen siehe J. Wehnert, op. cit. 23 So auch W. Horbury, Beginnings, 68 f.: »Such a community might hope for toleration only in cities where there was a large Gentile majority, and consequently less fear of Jewish activism. Josephus notes this as one consideration …«. 24 Siehe dazu W. Horbury, Beginnings, 72; ders., Jerusalem. 25 S. 441 vor Anm. 8. 26 W. Eck, Herrschaft, Widerstand, Kooperation, 42. 27 Dazu H. M. Cotton, Background, 12*: »Archaeological evidence for a continued but brief (down to ca. 130) Jewish presence in a planned settlement in the evirons of Jerusalem after the destruction of the temple leads one to reconsider the aftermath of the Great Revolt in terms different from those used so far.« Vgl. J. Magness, Stone, 185 (zitiert oben S. 441 bei Anm. 7).
§ 16 Die »Auswanderung« der Jerusalemer Gemeinde nach Pella
519
including priests, remaining close to Jerusalem and perhaps expecting a return to Jerusalem and Temple.«28 Dadurch erweist sich die altkirchliche Überlieferung über das Fortbestehen der Jerusalemer judenchristlichen Gemeinde zwischen den beiden Kriegen als nicht so unwahrscheinlich, wie oft angenommen und zuletzt wieder von Schnelle behauptet wurde.29 Aber vermutlich gehen auch die später in diesem transjordanischen Gebiet belegten christlichen Gemeinden auf diese »Flucht« nach Pella zurück. Es scheint deutlich, daß keines der Argumente von Udo Schnelle gegen die Zuverlässigkeit der Pella-Tradition beweiskräftig ist. Damit hat sich auch sein vierter Punkt, die Vermutung, daß die Pella-Tradition auf eine Lokalüberlieferung, die in der Mitte des 2. Jahrhunderts entstanden sei, erledigt. Es bleibt bei dem Ergebnis, zu dem schon Jürgen Wehnert kam: »Die durch die Hinrichtung des Herrenbruders Jakobus (und anderer Christen?) während des Prokuratoreninterregnums im Jahr 62 entstandene Gefährdung und tiefe Verunsicherung der Jerusalemer Gemeinde, namentlich ihrer ›angesehenen‹ Mitglieder, nährte den (durch eine göttliche Offenbarung an eben jene δόκιμοι sanktionierten) Entschluß, der Stadt den Rücken zu kehren und ins nächstgelegene Ausland, die Dekapolis, zu emigrieren. Möglicherweise noch im Jahr 62 verließ daher eine größere Anzahl Jerusalemer (und anderer judäischer?) Christen den jüdischen Herrschaftsbereich und erreichte – womöglich auf dem Weg über Jericho und das Jordantal – die zur Dekapolis gehörende Stadt Pella, wo sie sich (in ihrer Mehrheit?) niederließ.«30
J. Schwartz, Yavne Revisited, 248. Vgl. C. Weikert, Jerusalem, 100 f. Vgl. dagegen D.-A. Koch, Geschichte, 387 f.: »Man kann damit rechnen, dass eine begrenzte Anzahl von Juden … wieder in ihre alte Stadt zurückkehrte. Gleiches kann man auch für die judenchristliche Gemeinde vermuten, deren Mitglieder … bei Beginn der Belagerung Jerusalem bereits verlassen hatten.« Das erste hat sich durch die neuen archäologischen Erkenntnisse bestätigt. Die Auswanderung nach Pella geschah sicher nicht erst zu Beginn der Belagerung kurz vor dem Passafest des Jahres 70; dazu Josephus, Bell. 6,42 ff.67–70; zum Datum vgl. auch Schürer I, 502. 30 J. Wehnert, Auswanderung, 252. 28 29
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus 17.1 Die »Bischofswahl« Die Wahl des Simeon,1 des Sohnes des Klopas, zum Nachfolger des Herrenbruders Jakobus als Jerusalemer ἐπίσκοπος2 scheint an einem nicht mit Namen genannten Ort stattgefunden zu haben: »Nach dem Martyrium des Jakobus und nach der bald (αὐτίκα) danach folgenden Eroberung Jerusalems kamen, wie berichtet wird, die Apostel und die Jünger des Herrn, die damals noch am Leben waren, von überallher an einem Ort zusammen zugleich mit denen aus der Verwandtschaft des Herrn nach dem Fleisch, denn der größte Teil auch von diesen war damals noch am Leben. Sie sollen alle zusammen darüber beraten haben, wen sie für die Nachfolge des Jakobus für würdig halten sollten, und alle einmütig Simeon, den Sohn des Klopas, dessen auch die Schrift des Evangeliums gedenkt, des Bischofsstuhls in der dortigen Gemeinde (τοῦ τῆς αὐτόθι παροικίας θρόνου) für würdig erachtet haben. Er war, wie man sagt, der Vetter des Erlösers (ἀνέψιον … τοῦ σωτῆρος), denn Klopas war der Bruder Josephs, wie Hegesipp berichtet.«3
Über welche Quellen Euseb für diesen Bericht verfügt – außer für Hegesipps Angabe, daß Simeon ein Vetter Jesu war –, gibt er nicht ausdrücklich an, aber vermutlich referiert er aus Hegesipps Hypomnemata. Die Bezeichnungen »Bischof« und »Bischofsthron« sind ebenso wie der Terminus »Martyrium« natürlich Anachronismen. Simeon war einer der häufigsten Namen im antiken Judentum, deshalb wird ein Simon / Simeon in der Regel immer mit seinem Patronym oder mit einem Beinamen bezeichnet. »Klopas« 1 Euseb verwendet die semitisierende Namensform »Symeon«, während Hegesipp die griechische »Simon« gebraucht. Aber der Wechsel der Namensformen ist nicht konsequent und erlaubt keine Quellenscheidung. 2 Vgl. Apg 20,28; Phil 1,1; 1 Tim 3,1–7; Tit 1,7 ff. 3 Euseb, H. e. 3,11 (GCS Eusebius II/1, 226,20–228,6 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). J. D. G. Dunn, Beginning, 1096, vermutet, daß Simeon wie Jakobus ein Bruder Jesu gewesen sei, weil die Sukzession immer von Bruder zu Bruder gegangen sei. Der Beiname scheint jedoch eindeutig in die weitere Verwandtschaft und auf einen Vetter hinzuweisen. W. Horbury, Jewish War, 257, schrieb versehentlich, Simeon sei ein Enkel von Judas, dem Bruder Jesu, gewesen.
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus
521
ist die semitische Form des Namens Kleopas und der wiederum eine Abkürzung von Kleopatros, ein im antiken Judentum nicht so häufiger Name.4 Der Text geht wahrscheinlich auf Hegesipp zurück, der von dem zeitweisen Aufenthalt der Jerusalemer Gemeinde in Pella nichts zu wissen scheint, aber davon überzeugt war, daß die Zerstörung Jerusalems zeitlich direkt auf den Tod des Herrenbruders Jakobus folgte. Auf jeden Fall datiert Hegesipp die Wahl Simeons, des Sohnes des Klopas, nach dem Fall Jerusalems.5 Die Auswahl wird nicht mit einem Losverfahren bestimmt, sondern durch einen gemeinsamen Beschluß der Versammelten zugunsten des Würdigsten. Daß als Ort der Wahl des neuen »Bischofs« nicht einfach »Jerusalem« angegeben wird, erscheint durch die Ausgrabung der für uns bisher namenlosen jüdischen Stadt im Norden Jerusalems in einem neuen Licht. Es könnte durchaus sein, daß die Rückkehrer aus Pella zusammen mit den Herrenverwandten in ebendieser Ansiedlung einen Nachfolger für Jakobus gewählt haben und sich hier die Jerusalemer Gemeinde – oder vielleicht ein Teil von ihr – wieder niederließ, bis sie – als Juden – nach dem Bar-Kochba-Aufstand durch Hadrian aus der neuen Stadt Aelia Capitolina ausgeschlossen wurden. Euseb gleicht die Differenzen zwischen seinen Quellen nicht aus und nimmt solche Unklarheiten notgedrungen in Kauf. Daß Hegesipp – und Euseb, der ihn referiert – vor allem an der Sukzession der Bischöfe interessiert ist und daran, daß es bis zur Wahl Simeons noch keine (christlichen) Häresien gab, sondern die Kirche eine reine »Jungfrau« war, wird aus einer späteren Stelle in seiner Kirchengeschichte deutlich.6 Euseb gibt hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung vom Martyrium des Jakobus und von der Wahl des Simeon, für die er ausdrücklich auf Hegesipp als Quelle hinweist: »4 Derselbe [d. h. Hegesipp] teilte auch die Anfänge der zu seiner Zeit entstandenen Sekten mit, und zwar mit den Worten: ›Nachdem Jakobus der Gerechte wie auch der Herr und auf Grund derselben Anklage das Martyrium erlitten hatte, wurde wiederum Simeon, der Sohn des Klopas, eines Onkels des Herrn, zum Bischof eingesetzt. Den hatten alle als zweiten7 [Bischof] vorgeschlagen, weil er ein Vetter des Herrn war. Deshalb nannte man die Kirche eine Jungfrau; sie war nämlich noch nicht durch eitles Gerede verdorben worden. 4 Vgl. Lk 24,18; Joh 19,25. Man hat immer wieder vermutet, daß Simon / Symeon der zweite, nicht mit Namen genannte Emmausjünger, gewesen sei. Dann würde Lukas dem Leiter der Jerusalemer Gemeinde seiner Zeit damit ein »Denkmal« setzen, und die Geschichte von den Emmausjüngern ginge letztlich auf Überlieferungen aus der Familie Jesu zurück; siehe dazu A. M. Schwemer, Der Auferstandene, 105 f. Zum Namen vgl. T. Ilan, Lexicon I, 291 f. 5 Vgl. R. Bauckham, Jude, 87. 6 Euseb, H. e. 3,32,7; 4,22,4 (GCS Eusebius II/1, 270,7–11; 370,12 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Vgl. dazu unten bei Anm. 12. 7 Zur Erklärung von δεύτερον vgl. oben S. 490 Anm. 74.
522
IV. Das palästinische Judenchristentum
5 Thebutis machte, da er nicht zum Bischof gewählt worden war, den Anfang, sie zu beschmutzen. Er gehörte den sieben Sekten im Volk an. Von denen kamen her Simon, dem die Simonianer enstammen, und Kleobius, dem die Kleobianer entstammen, und Dositheus, dem die Dosithianer entstammen, und Gorthäus, dem die Gorathener und die Masbothäer entstammen. Von diesen her haben die Menandristen und die Markianisten und die Karpokratianer und die Valentinianer und die Basilidianer und die Satornilianer jeweils in eigener und voneinander abweichender Weise eine eigene Lehre eingeführt. 6 Von diesen her kommen falsche Christusse, falsche Profeten und falsche Apostel, die die Einheit der Kirche zerstört haben durch verderbliche Lehren gegen Gott und seinen Christus.‹«8
Aus Hegesipps Hypomnemata zitiert Euseb eine successio der Häretiker, die nacheinander auftraten: Nach dem Martyrium des Jakobus und der Einsetzung seines Nachfolgers beginnt mit Thebutis, der verärgert war, weil er nicht zum Bischof gewählt wurde, die allmähliche / heimliche Korruption von seiten der sieben Sekten im Volk (der Juden), zu denen auch Thebutis gehörte.9 Darauf folgen die christlichen Sekten. Zunächst werden vier Sektenstifter und ihre Schulen genannt: Simon Magus aus Gitta (Geth) in der Nähe von Sebaste, der nach Apg 8,9 f. die große Kraft Gottes genannt wurde; auf ihn gehen die Simonianer zurück. Dann Kleobius mit seiner Schule. Als dritter der Zeitgenosse Simons, der Samaritaner Dositheus. Dieser Dositheus sagte nach Origenes, er sei der von Mose verheißene Messias; er soll ein strikter Verfechter der Sabbatobservanz gewesen sein. Seine Anhänger hätten von ihm gesagt, er werde nicht sterben.10 8 Euseb, H. e. 4,22,4 ff. (GCS Eusebius II/1, 370,6–372,6 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); zur Übersetzung vgl. F. Scherlitt, Hegesipp, 62 f. 9 Bei diesen »Sekten« im Volk handelt es sich – gegen Bauckham – um die jüdischen Sekten. Hegesipp zählt sie auf (bei Euseb, H. e. 4,22,7 [GCS Eusebius II/1, 372,7–11 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]); vgl. dazu unten S. 527 bei Anm. 27. Beim Abfall auf Grund gekränkten Ehrgeizes bei der Bischofswahl handelt es sich wohl um ein gängiges Motiv in der Ketzerpolemik, Valentin wurde dies auch vorgeworfen; dazu C. Markschies, Valentinus, 308 f. 10 Origenes, Contra Celsum 1,57; 6,11 (SVigChr 54, 58,22–59,5; 388,20–389,3 ed. Marcovich); Comm. in Joannem 13,27 (GCS Origenes IV, 251,15–19 ed. Preuschen); De principiis 4,3,8 (TzF 24, 736,12–15 ed. Görgemanns / Karpp); dazu W. Horbury, Beginnings, 63.
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus
523
Der vierte sei Gorthäus gewesen, auf den die Gorathener und die Masbothäer zurückgingen. Denen folgen in der nächsten Generation die Menandristen, Markianisten, Karpokratianer, Valentinianer, Basilidianer und Satornilianer. Interessant ist an diesem Bericht das Gewicht, das die samaritanischen christlichen »Sekten« in der Frühzeit haben: Simon Magus, Dositheus und Simons Schüler Menander sind Samaritaner. Zwischen ihnen und den palästinischen Judenchristen scheint es schwere Auseinandersetzungen gegeben zu haben.11 Seit der Wahl des Simeon, Sohn des Klopas, beginnt für Hegesipp die Zeit des Kampfes mit den Häretikern. Diese Häretiker haben ihren Ursprung in den verschiedenen Auffassungen über den Messias in den sieben αἱρέσεις des jüdischen Volkes. In einem gewissen Widerspruch dazu steht, daß Euseb in H.e. 3,32,7 f. mitteilt, Hegesipp sei der Meinung gewesen, die Kirche sei eine »reine und unverdorbene Jungfrau« geblieben bis in die Zeit Trajans, das heißt zum Tod des Simeon, Sohn des Klopas, und weiterer Herrenverwandter: »denn die, welche die gesunde Lehre der Heilspredigt zu untergraben suchten, hielten sich damals, wenn es schon welche gab, wohl noch in der Finsternis versteckt und verborgen. Als der heilige Chor der Apostel auf verschiedene Weise sein Ende gefunden hatte und jenes Geschlecht, das gewürdigt worden war, mit eigenen Ohren der göttlichen Weisheit zu lauschen, abgetreten war, erhob sich zum ersten Mal der gottlose Irrtum (τῆς ἀθέου πλάνης ἀρχὴν ἐλάμβανεν ἡ σύστασις) durch den Trug der Irrlehrer (διὰ τῆς τῶν ἑτεροδιδασκάλων ἀπάτης). Diese wagten nun, da keiner der Apostel mehr am Leben war, mit frecher Stirn der Lehre der Wahrheit eine falsche sogenannte Gnosis entgegenzusetzen.«12
Der Widerspruch in den Angaben über die Entstehung der Häresien wird überbrückt mit der Vorstellung, daß sie zunächst im verborgenen existiert hätten, denn Paulus hatte ja schon vor der gefährlichen Gnosis, was mit der Anspielung auf 1 Tim 6,20 angedeutet wird, gewarnt.13 Der 1. Timotheusbrief galt als paulinisch.
17.2 Die Verfolgung der Davididen Vespasian (69–79 n. Chr.) soll nach der Eroberung Jerusalems die Davididen verfolgt haben:
11 So W. Horbury, Beginnings, 63: »Simonians and Dositheans are two of the heresies that affected the Judaean Church after the death of James … Menandrians are named first in a list of Christian groups thought to have sprung from them.« Vgl. zur Liste auch C. Markschies, Valentinus, 383. 12 Euseb, H. e. 3,32,7 f. (GCS Eusebius II/1, 270,7–18 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 13 Zu 1 Tim 6,20 siehe M. Hengel, Gnosis.
524
IV. Das palästinische Judenchristentum
»Und darüber hinaus [geht die Überlieferung], daß Vespasian nach der Eroberung Jerusalems befohlen habe, alle aus dem Geschlecht Davids aufzuspüren, damit keiner aus dem königlichen Geschlecht bei den Juden übrigbleibe, und daß aus diesem Grund den Juden eine sehr große Verfolgung bereitet worden ist.«14
Diese Verfolgung soll alle Juden betroffen haben und diente – wenn sie denn wirklich stattfand – wohl dazu, letzte national-zelotische Hoffnungen auf einen davidischen Messias und Familientraditionen über davidische Herkunft zu unterbinden.15 Josephus scheint nichts davon zu wissen. Besser belegt, weil Euseb Hegesipp als Quelle angibt, erscheint, daß dann unter Domitian (81–96 n. Chr.) Nachkommen Davids als mögliche messianische Aufrührer aufgespürt und vor Gericht zitiert worden sein sollen.16 So seien auch zwei Enkel des Jesusbruders Judas, Zoker und Jakobus,17 angezeigt und von Galilaea nach Rom vor Kaiser Domitian gebracht worden. Der habe sie verhört. Sie gaben zu, sie würden von David abstammen, aber sie seien Bauern und bewirtschafteten mit eigenen Händen ihre Felder, wofür sie zum Beweis die Schwielen an ihren Händen vorwiesen. Sie nannten den Wert ihres kleinen Vermögens und ihres Besitzes, von dem sie ihre Steuern zahlten. Auch über ihre Vorstellungen von Christus, ihrem Großonkel, und seinem Reich gaben sie bereitwillig Auskunft: Seine βασιλεία »sei weder weltlich noch irdisch, vielmehr himmlisch und engelgleich«, und er selbst werde »am Ende der Weltzeit in Herrlichkeit« wiederkommen, um »die Lebenden und die Toten zu richten«. Domitian hätte dies alles für wenig aufregend gehalten, politisch völlig ungefährlich, und die beiden armen Schlucker wieder laufen lassen. Zurück in der Heimat, standen sie dann in hohem Ansehen und leiteten die Gemeinden. Der Kaiser habe ein Edikt erlassen und die Verfolgung beendet.18 Diesem Hegesipp14 Euseb, H. e. 3,12,1 (GCS Eusebius II/1, 228,7–11 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); es handelt sich wohl um ein Hegesipp-Zitat. Dazu E. M. Smallwood, Jews, 351 f.; vgl. auch P. J. Tomson, Transformations, 116 Anm. 95. C. Weikert, Jerusalem, 122: »Eine von Euseb behauptete Judenverfolgung Vespasians, die aus der Suche nach verbliebenen Mitgliedern der davidischen Familie resultiert habe, ist wohl nicht mehr als eine Stilisierung der allgemeinen Kriegsfolgen«. 15 Vgl. M. Hengel, Zeloten, 305 f. = 3. Aufl. 298 f. Schürer I, 528: »There is no way of checking the historical truth of this story.« 16 Euseb, H. e. 3,19 (GCS Eusebius II/1, 232 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 17 Hegesipp gab auch ihre Namen an, die Euseb übergeht; sie sind überliefert in zwei mittelalterlichen Handschriften (Cod. Parisinus Graecus 1555 A und Cod. Baroccianus 142). E. Preuschen, Antilegomena, 111, frag. 4b, schrieb das Fragment Philippus Sidetes zu; vgl. die Übersetzung von F. Schleritt, Hegesipp, 76: »Hegesipp aber führt auch ihre Namen an und sagt, dass der eine Zoker hieß, der andere aber Jakobus.« In diesem Fragment werden die beiden »Söhne« des Herrenbruders Judas genannt. 18 Euseb, H. e. 3,19–3,20,6 (GCS Eusebius II/1, 232,12–234,18 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); zur Beendigung der Verfolgung verweist Euseb auch auf Tertullian, Apologeticum 5,4: »… Domitian, seiner Grausamkeit nach ein halber Nero (portio Neronis de crudelitate), … unterdrückte … bald das Beginnen [der Verfolgung] und setzte sogar wieder
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus
525
Bericht fehlt zwar alle legendäre Ausschmückung; er scheint also historisch recht vertrauenswürdig, denn der Kaiser wird nicht als zweiter Nero und grausamer Verfolger geschildert.19 Und doch klingt die Angabe, Domitian habe aus Angst alle Davididen hinrichten lassen wollen, verdächtig nach christlicher Legendenbildung und erinnert an Herodes den Großen und den Kindermord in Bethlehem. Dazu Dieter Timpe: »Domitian [wurde] in anachronistischer Zuspitzung auf die Bekenntnisfrage zum engagierten Antagonisten des Christentums stilisiert, den z. B. die Sorge zum Befehl trieb, alle Davididen hinzurichten … Damit werden es bei aller Tyrannenwillkür religiöse Motive, die Domitian treiben und seinen grundsätzlichen, reichsweiten (Oros. 7,10,1), aber schließlich verlorenen und wieder abgebrochenen Kampf gegen die Kirche zum Zentrum seiner Herrschaft machen.«20
Vermutlich ist die Angabe, die Delatoren seien »Häretiker« gewesen, insofern zuverlässig, als es immer wieder von jüdischer Seite aus zu Denunziationen von Judenchristen kam. Der fiscus Iudaicus war eine Sondersteuer, die Vespasian eingeführt hatte. Nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels, an den alle männlichen Juden im Alter von 20 bis 50 Jahren die jährliche Tempelsteuer in Höhe von einem Halbschekel bzw. zwei Drachmen entrichtet hatten, mußte in seine Würde ein, wen er verbannt hatte.« (Text und Übersetzung: Tertullian, Apologeticum. Verteidigung des Christentums. Lateinisch und Deutsch, ed. C. Becker, München 21961, 74 f.) 19 Siehe dazu M. Hengel, Reich Christi, 163 ff. = KS V, 408 ff.; ders. / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 292; anders R. Bauckham, Jude, 94–106. J. G. Cook, Roman Attitudes, 118 Anm. 40: »That tradition is unreliable because Domitian was never in Palestine, and Hegesippus assumes the farmers could be arrested and easily brought before the emperor« (mit Verweis auf T. D. Barnes, Tertullian, 150). Anders M. Heemstra, Fiscus Judaicus. Its Social and Legal Impact, 329 Anm. 10; 335; ders., Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, 81: Er nimmt an, sie hätten den fiscus Iudaicus umgehen und die Steuer nicht bezahlen wollen. 20 D. Timpe, Domitian, 240 f. (Hervorhebung im Original). Timpe sieht im naiven Umgang der Christen mit der geschichtlichen Überlieferung und ihrem Hang zur Legendenbildung die Ursache dafür, daß aus »der suetonische[n] saevitia Domitians gegen die römische Aristokratie« bei Euseb »Gotteshass« wurde und aus Domitians Vorgehen »gegen seine flavischen Verwandten« diese »in die Heiligenlegende geraten« sind (240); vgl. zur Begründung op. cit., 219 ff.232 f. Timpe zeigt überzeugend, daß der Konsul und Vetter des Kaisers, Titus Flavius Clemens, und seine Frau Flavia Domitilla wegen ἀθεότης bestraft wurden, die Anklage wegen Sympathie für das Judentum jedoch eine andere Gruppe betraf. Titus Flavius Clemens und seine Frau gehörten dann also nicht zu den ἐς τὰ τῶν Ἰουδαίων ἤθη ἐξοκέλλοντες und waren auch gewiß keine Christen, wie die spätere christliche Überlieferung dann meint. Anders noch M. Hengel, Schrifttum, in: KS VII, 239 f. zu Cassius Dio, Historia Romana 67,14,1 f. (Cassii Dionis Cocceiani Historiarum Romanorum quae supersunt III, 181,5–12 ed. Boissevain = M. Stern, GLAJJ II, 379 f.; dazu den Kommentar 380 ff.), der ἐς τὰ τῶν Ἰουδαίων ἤθη ἐξοκέλλοντες auch auf Titus Flavius Clemens und seine Frau bezieht. Flavia Domitilla wird von Euseb, H. e. 3,18,4 (GCS Eusebius II/1, 232,7–11 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann), als christliche Märtyrerin bezeichnet; bei Syncellus, Ecloga chronographica (BSGRT, 419,29 ed. Mosshammer), heißt es dann: αὐτός τε Κλήμης ὑπὲρ Χριστοῦ ἀναιρεῖται, vgl. dazu M. Stern, GLAJJ II, 282.
526
IV. Das palästinische Judenchristentum
nun die entsprechende Steuer in Höhe von zwei Drachmen von allen Juden an den Tempel des Iuppiter Capitolinus in Rom bezahlt werden.21 Erhoben wurde sie vom fiscus Iudaicus in Rom, eingezahlt und gesammelt wurde sie – wie zuvor die Steuer für den Jerusalemer Tempel – weltweit in den Synagogen bzw. auf Grund von deren Mitgliederlisten.22 Finanziert wurde davon zunächst der Wiederaufbau des Tempels auf dem Kapitol, der durch einen Brand schwer gelitten hatte. Für Juden war diese Steuer eine Bestrafung und Demütigung. Domitian betrieb dann wegen seiner Finanzprobleme eine rigorose Einziehungspraxis auch dieser Steuer. Angesichts des verschärften Einzugs des fiscus Iudaicus unter Domitian gerieten die Judenchristen immer wieder zwischen alle Fronten.23 Hebr 10,32 ff. geht von der Situation in Rom bzw. in der Diaspora aus und könnte sich – wie Marius Heemstra vorgeschlagen hat – auf die Leiden der Judenchristen unter dem fiscus Iudaicus unter Domitian beziehen: »Gedenkt aber der früheren Tage, an denen ihr, nachdem ihr erleuchtet wart, einen großen Kampf des Leidens erduldet habt, indem ihr zum Teil selbst durch Schmähungen und Bedrängnisse zur Schau gestellt wurdet, zum Teil Gemeinschaft hattet mit denen, welchen es so erging. Denn ihr habt mit den Gefangenen gelitten und den Raub eurer Güter mit Freuden erduldet, weil ihr wißt, daß ihr eine bessere und bleibende Habe habt.«24
Aber es ist nicht sicher, daß diese schwere Verfolgung, auf die Hebr 10,32 ff. zurückblickt, mit dem fiscus Iudaicus zusammenhing. Wohlhabende Judenchristen konnten – wie schon erwähnt – in den Verdacht der Steuerflucht geraten. Domitians Vorgehen beim Eintreiben dieser Steuer war nicht populär. Nerva 21 Josephus, Bell. 7,218; Cassius Dio, Historia Romana 66,7,2 (Cassii Dionis Cocceiani Historiarum Romanorum quae supersunt II, 140,1–4 ed. Boissevain); dazu Schürer II, 273 f. 22 Vgl. M. Heemstra, Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, 7–23. 23 Sueton, Domitian 12,2 (BSGRT, Vol. I, 327,5 f. ed. Ihm): praeter ceteros Iudaicus fiscus acerbissime actus est …: »Besonders hart wurde die Judensteuer eingetrieben. Zu ihrer Zahlung wurden diejenigen herangezogen, die entweder wie Juden lebten, ohne sich dazu zu bekennen, oder jene, welche die ihrem Volke auferlegten Zahlungen nicht geleistet hatten, da sie ihre Herkunft verheimlichten. Ich erinnere mich, daß ich als ganz junger Mann dabei war, als von einem Prokurator und seinen zahlreich versammelten Ratgebern bei einem 90jährigen nachgeprüft wurde, ob er beschnitten sei.« (Übersetzung von H. Martinet, Kaiserviten, 911) Vgl. D. Timpe, Domitian, 233: »Die Aktivitäten des fiscus Iudaicus und Domitians Maßnahmen gegen jüdische Sympathisanten können Christen betroffen haben, aber haben wahrscheinlich mit der Verurteilung seiner flavischen Verwandten nichts zu tun«. Ähnlich C. Weikert, Jerusalem, 138 ff. Zur Situation in Kleinasien vgl. P. Hirschberg, Israel, 98 f.; ders., Jewish Believers; zur Situation speziell der johanneischen Gemeinden siehe J. Frey, ›Die Juden‹; ders., Von Paulus zu Johannes, 268–275 zur Situation in Ephesus und zum fiscus Iudaicus als »Impuls zur Trennung der Wege«. In Palästina werden die Judenchristen diese Steuer um des sozialen Friedens willen bezahlt haben, siehe Mt 17,24–27. 24 So M. Heemstra, Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, 134–158. B. van der Lans / J. N. Bremmer, Tacitus, 310 f., schlagen vor, Hebr 10,32 f. könne sich auf die Neronische Verfolgung beziehen, halten das aber für nicht sicher.
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus
527
machte die Verschärfungen rückgängig und propagierte dies auf einer Münze. Erhoben wurde die Steuer aber noch lange.25 Mit αἱρέσεις werden bei Hegesipp jüdische »Sekten« bezeichnet, die andere messianische Vorstellungen als die Anhänger Christi hatten.26 Hegesipp nennt in seinem Katalog sieben verschiedene: »Es gab in der Beschneidung, unter den Söhnen der Israeliten, verschiedene Anschauungen (γνῶμαι διάφοροι) gegenüber dem Stamm Juda und gegenüber Christus, nämlich die Essäer, Galiläer, Hemerobaptisten, Masbothäer, Samaritaner, Sadduzäer, Pharisäer.«27
Die Samaritaner, Essener, Sadduzäer, Pharisäer und die Galiläer kennen wir aus den Evangelien, der Apostelgeschichte, den Werken des Josephus und durch die Schriften aus Qumran. Über Hemerobaptisten und Masbothäer wissen wir sehr viel weniger, aber es handelt sich um Taufsekten.28 Man ist gewohnt, die jüdischen Religionsparteien nach ihrer unterschiedlichen Auslegung des mosaischen Gesetzes zu unterscheiden29 und nicht nach ihren unterschiedlichen messianischen Erwartungen. Und doch paßt die Angabe Hegesipps sehr gut in das Bild des Judentums im 1. und 2. Jahrhundert mit seinen verschiedenen messianischen Bewegungen und politisch-messianischen Aufständen.30 Es ist nicht allein der christliche Blickwinkel, der Hegesipp bzw. seine Quelle zu diesem Urteil führt. Hegesipp geht es darum, die verschiedenen christlichen Häresien auf ihre jüdischen Vorläufer, die hier genannten sieben Sekten, zurückzuführen. Mit Thebutis31 begannen die jüdischen Häresien, in die Kirche einzudringen und sie »allmählich zu verderben«.32 Von diesen kommen dann »falsche Christusse, falsche Profeten und falsche Apostel, die die Einheit der Kirche zerstört haben 25 Sueton, Domitian 12,1 f. (BSGRT, Vol. I, 326 f. ed. Ihm = M. Stern, GLAJJ II, 128); vgl. S. J. D. Cohen, Ways That Parted, 312. 26 Euseb, H. e. 2,23,8 (GCS Eusebius II/1, 168,2 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Vgl. oben S. 523 nach Anm. 11. Vgl. den entsprechenden Katalog bei Justin, Dial. 80,4 (PTS 47, 209,26–29 ed. Marcovich): Sadduzäer, Genisten, Meristen, Galiläer, Hellenianer, Pharisäer und Baptisten. 27 Euseb, H. e. 4,22,7 (GCS Eusebius II/1, 372,9 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Dazu O. Skarsaune, Fragments, 344. 28 Die Essäer sind die durch Josephus, die Qumranfunde etc. bekannten Essener. Bei den Galiläern handelt es sich wohl um die Bewohner Galilaeas (so M. Hengel, Leser, 107 = KS V, 712 Anm. 45). Die »Tagtaufer« waren wahrscheinlich Asketen wie Bannus, den Josephus während seiner ›Lehrjahre‹ am Jordan aufsuchte, »der sich häufig Tag und Nacht mit kaltem Wasser wusch wegen der Reinheit« (Josephus, Vita 11). Der Name Masbothäer läßt sich von hebräisch »( צבעtauchen«) ableiten (den ersten Hinweis darauf verdanke ich Friedrich Avemarie), damit ist eine Taufsekte gemeint. 29 Zu den ›Sektenkatalogen‹ des Josephus siehe M. Hengel / A . M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 122–141. 30 Siehe dazu W. Horbury, Messianism, 275–288. 31 Vgl. zu Thebutis schon oben S. 522. 32 Euseb, H. e. 4,22,5 (GCS Eusebius II/1, 370,13 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann).
528
IV. Das palästinische Judenchristentum
durch verderbliche Lehren gegen Gott und seinen Christus«.33 Historisch gesehen hat Hegesipp mit der Rückführung der frühen christlichen »Häresien« auf Samaritaner und Juden gar nicht so unrecht.34 Euseb macht keine Angaben dazu, ob Hegesipp diese verschiedenen »Sekten« auch näher beschrieben hat. In Pseudo-Hieronymus, De haeresibus Iudaeorum,35 hat sich eine Erklärung der jüdischen Häresien erhalten, die vielleicht ebenfalls unter anderem auf Hegesipp zurückgeht: »Die Essener sagen, der Messias (Chr[ist]um) habe jene (illos) vollständige Enthaltsamkeit gelehrt. Die Galiläer sagen, der Messias (Chr[ist]um) sei gekommen und habe sie gelehrt, dass sie nicht den Kaiser Herrn nennen und sein Geld nicht benutzen. Die Marbonäer sagen, gerade er sei der Messias (Chr[ist]um), der jene gelehrt habe, in jeder Sache den Sabbat zu halten. Die Pharisäer leugnen, dass der Messias (Chr[ist]um) gekommen sei, und haben nichts mit … gemeinsam. Die Sadduzäer leugnen die Auferstehung, indem sie sagen: Es ist in der Genesis zu Adam gesagt: Erde bist du, und zur Erde wirst du gehen. … Die Samaritaner, die anstelle Israels, das gefangen und nach Babylonien abgeführt wurde, hingebracht sind (translati sunt), halten (tenent), seit sie in das Land des Königreichs Samaria kamen, zum Teil die Lebensweise der Israeliten, die sie durch einen zurückgeführten Priester gelernt haben, ein, zum Teil die heidnische, die sie im Land ihrer Geburt gehabt haben. Denn in ihren öffentlichen Gebeten (v. l.: Gebräuchen) werden sie von den Juden ganz und gar getrennt. Der Aberglaube36 von diesen ist zweifellos allen bekannt. … Hemerobaptisten (sind), die täglich ihre Körper, Häuser und den Hausrat waschen.«37
Pseudo-Hieronymus zählt im Ganzen zehn Sekten auf; zu den sieben auch bei Hegesipp genannten kommen noch die Genisten, die Meristen38 und die Herodianer hinzu, die König Herodes als Messias verehren. Hegesipp bei Euseb, H. e. 4,22,6 (GCS Eusebius II/1, 372,3–6 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); vgl. zu Übersetzung und Kommentar F. Schleritt, Hegesipp, 63.66 f. 34 Vgl. M. Hengel, Gnosis, in: KS VI, 549 ff. zu 1 Tim 1,4; 2 Tim 2,18 (die Lehre von Hymenaios und Philetos, die sich mit der des Samaritaners Menander berührt); Tit 1,14; und weiter S. 592 zu Menander, Satornil und den Erwähnungen der Häretiker in den Pastoralbriefen: »Wäre es nicht denkbar, daß nach 70 philosophisch gebildete Juden am Gott der Väter verzweifelten, sich den christlichen Gemeinden anschlossen und ihre Kritik am Schöpfungsbericht und der alttestamentlichen Heilsgeschichte in diese jungen und … noch nicht in ihrer Lehre völlig konsolidierten Gemeinden einbrachten und mit ihrer platonisierenden Alternative … Eindruck erweckten?« Hegesipps Berichte erwähnt Hengel nicht. 35 Codex Matritensis 80, Fol. 17va–17vb; Text und Übersetzung bei N. Förster, Jesus und die Steuerfrage, 290–294. 36 superstitio statt des verderbten suppresti[ti]tio der Handschrift, siehe die Angaben zu den verschiedenen Editionen bei N. Förster, Jesus und die Steuerfrage, 293. 37 Textrekonstruktion und Übersetzung (mit Korrekturen) nach: N. Förster, Jesus und die Steuerfrage, 292 ff. (Hervorhebungen im Original). 38 Genisten und Meristen werden auch von Justin, Dial. 80,4 (PTS 47, 209,27 ed. Marcovich), genannt. 33
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus
529
Interessant ist, daß hier die Galiläer als Zeloten39 identifiziert werden und im Abschnitt zu den Samaritanern gesagt wird, ihre Sekte sei allen bekannt (omnibus nota est). Das legt die Vermutung nahe, daß die Liste bei PseudoHieronymus auf Quellen zurückgeht, die mit den Verhältnissen in Palästina im 1. und 2. Jahrhundert vertraut waren. Vermutlich beruhen die Angaben des Pseudo-Hieronymus unter anderem auf Exzerpten aus den verlorengegangenen Hypomnemata Hegesipps und Justins Dialogus cum Tryphone.40 Aus dem Werk Hegesipps wären dann auch die Nachrichten über die Einstellung der »Sekten« zum jüdischen Messias genommen und nicht aus Eusebs Referat.
17.3 Das Martyrium des Simeon Simeon, der Sohn des Klopas, soll schließlich nach einem ungewöhnlich langen Leben ebenfalls das Martyrium erlitten haben, nachdem er als Davidide und Christ denunziert worden war: »Nach Nero und Domitian – so lautet die Überlieferung – kam es unter dem Herrscher, dessen Zeiten wir jetzt behandeln [sc. Trajan], teilweise in den Städten zu einer Verfolgung gegen uns infolge von Volksaufständen (μερικῶς καὶ κατὰ πόλεις ἐξ ἐπαναστάσεως δήμων τὸν καθ’ ἡμῶν … ἀνακινηθῆναι διωγμόν). Wir haben überliefert erhalten, daß in dieser (Verfolgung) Simeon, der Sohn des Klopas, von dem wir schon berichtet haben, daß er der zweite Bischof (δεύτερον … ἐπίσκοπον) in Jerusalem war, sein Leben mit dem Martyrium beendete. Und Zeuge ist dafür derselbe Mann …, nämlich Hegesipp. Der nämlich, über einige Sektierer erzählend, fügt erläuternd hinzu …: Von diesen – den Sektierern, versteht sich – klagten (κατηγοροῦσι) einige den Simeon, Sohn des Klopas, als jemanden an, der von David abstamme und Christ sei, und so starb er als Märtyrer mit 120 Jahren zur Zeit des Kaisers Trajan und des Prokonsuls Atticus. Derselbe [d. h. Hegesipp] sagt …: Auch seine Ankläger (τοὺς κατηγόρους αὐτοῦ) seien, als damals die aus dem königlichen Stamm der Juden gesucht wurden, als solche gefangengenommen worden, die zu diesen gehörten.«41
Nach einer kurzen Zwischenbemerkung über die Glaubwürdigkeit von Simeons hohem Alter und die Mitteilungen Hegesipps über die Herrenverwandten fährt Euseb noch einmal – wie er unterstreicht – mit einem wörtlichen Hegesipp-Zitat fort:
39 Zu den Zeloten vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 77 f., vgl. 747 Index s. v. »Zeloten«; R. Deines, Freiheitsbewegung. Weiter N. Förster, Ablehnung. 40 N. Förster, Jesus und die Steuerfrage, 81 f. 41 Euseb, H. e. 3,32,1–4 (GCS Eusebius II/1, 266,19–268,13 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann).
530
IV. Das palästinische Judenchristentum
»Sie [d. h. die vorher genannten Enkel des Herrenbruders Judas, die von Domitian verhört worden sein sollen] kamen nun und erhielten als Bekenner und als Verwandte des Herrn führende Stellen in der ganzen Kirche. Nachdem tiefer Friede in der ganzen Kirche eingetreten war, lebten sie noch bis zur Regierung Kaiser Trajans, bis zu jener Zeit, da der oben erwähnte Simeon, der Sohn des Klopas, von den Sekten (ὑπὸ τῶν αἱρέσεων42) als Sohn eines Onkels (ὁ ἐκ θείου) des Herrn angezeigt (συκοφαντηθείς) und unter Prokonsul Atticus aus ebendiesem Grunde angeklagt wurde (κατηγορήθη). Obwohl er viele Tage lang gemartert wurde, blieb er standhaft im Glauben, so daß alle und auch der Prokonsul sich wunderten, wie ein Mann von 120 Jahren solches aushalten konnte. Sodann befahl man, ihn zu kreuzigen.«43
Das Schicksal des zweiten Jerusalemer ›Bischofs‹ steht so in einem gewissen Gegensatz zu der Verschonung der beiden Enkel des Judas, die sich vor Domitian verantworten mußten, nach ihrer Freilassung aber Ehrenposten in der Leitung der palästinischen Gemeinden erhielten. Euseb berichtet vom Märtyrertod des Simeon recht umständlich – sich dreimal wiederholend, indem er wörtliche Zitate zwischen seine eigenen Paraphrasen einschiebt und weitere Details einfügt. Man hat angenommen, Titus Claudius Atticus, der Vater des berühmteren Rhetors Herodes Atticus, der der reichste Athener seiner Zeit war, sei in den Jahren 99/100–102/103 der achte Statthalter in Judaea und der Richter Simeons gewesen. Aber auf diese Identifizierung muß man verzichten, denn der von Hegesipp genannte ὑπατικός Atticus kann nicht der Vater des späteren Herodes Atticus gewesen sein.44 Historisch gesehen interessant ist die Angabe, daß Simeon im Zusammenhang mit Volksaufständen hingerichtet wurde. Unter Trajan kam es in den Jahren 115–117 n. Chr. in Mesopotamien im Zusammenhang mit seinem Partherkrieg und dann vor allem in der Cyrenaika, in Ägypten und Zypern zu einem großen 42 Euseb,
H. e. 3,32,6 (GCS Eusebius II/1, 270,4 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann), gemeint sind Angehörige der jüdischen Sekten; in 3,32,2.3 (GCS Eusebius II/1, 266,25–268,1; 268,8 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann) schreibt Euseb αἱρετικῶν, das heißt doch wohl christliche Häretiker – vermutlich eine nachträgliche Korrektur mit antihäretischer Spitze. 43 Euseb, H. e. 3,32,6 (GCS Eusebius II/1, 268,22–270,6 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); der Schlußsatz mit doppeltem Passiv (eigentlich: »Und es wurde befohlen, daß er gekreuzigt werde«) ist auffällig, siehe dazu oben S. 504 Anm. 58. Vgl. die Parallelüberlieferungen in Euseb, H. e. 3,32,3 und 4,22,4 f. (GCS Eusebius II/1, 268,8 ff.; 370,7–15 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); weiter A. M. Schwemer, Prophetenlegenden II, 323 ff. 44 Doch so R. Hanslik, Art. Claudius II,8, DNP 1 (1979), 1211 mit Verweis auf E. M. Smallwood, Atticus; dies., Jews under Roman Rule, 548: »reasonable, though not proved«; Werner Eck danke ich für die Auskunft, daß die Hegesipp-Stelle diese Annahme nicht trägt, weil Titus Claudius Atticus Herodes erst 132 oder 133 Konsul wurde und deshalb nicht unter Trajan in Judaea amtiert haben kann; siehe W. Eck, Art. Ti. C. Atticus Herodes, DNP 3 (1997), 13 f.; bei T. D. Barnes, Early Christian Hagiography, 339 Anm. 52, findet sich eine Liste der neueren Literatur bis 2009. Es bleibt also bei dem Urteil, das Barnes nicht erwähnt, daß dieser »Prokonsul Attikus« »sonst unbekannt« ist, so M. Hengel, Hadrians Politik, 161 Anm. 42 = KS I, 367 Anm. 42.
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus
531
jüdischen Aufstand, der von messianischen Prätendenten angeführt wurde.45 Auch in Syrien und Palästina kam es damals zu Unruhen.46 Aber Hegesipp und Euseb datieren den Tod Simeons in die Früh‑ und nicht in die Spätzeit Trajans. Doch schon vorher läßt die Verstärkung der römischen Truppen in Palästina auf die Befürchtung neuer Unruhen schließen. Ein Militärdiplom aus dem Jahr 90 n. Chr. führt »zwei Alen und sieben Kohorten« auf, das heißt, es handelt sich »um rund 5000 Soldaten«, zusammen mit der dort schon stationierten Legion, ergibt das »rund 10.000 Mann«.47 Wichtiger als die genaue Identifizierung des Statthalters ist es, um dieses »Martyrium« zu verstehen, die Todesart zu beachten, denn Kreuzigungen wurden in Palästina in dieser Zeit nur von den Römern und nur aus politischen Gründen vorgenommen.48 Auch den Jesusanhängern wurden immer wieder nationalpolitische Hoffnungen zugeschrieben, deshalb stehen die nachdrücklichen Warnungen vor den falschen Messiassen schon in der synoptischen Apokalypse. Die ausdrückliche Ablehnung und Korrektur einer solchen – enttäuschten – politischen Erwartung findet sich in der Perikope von den Emmausjüngern. Ihrem »wir hofften, daß er Israel erlösen würde« setzt der Auferstandene entgegen, daß er zuerst leiden und in seine himmlische Doxa eingehen mußte.49 Die Rechts‑ und Sicherheitslage der Christen hatte sich geändert, denn in den Jahren seit dem Kreuzestod Jesu waren Christen in Palästina zunächst nicht von den Römern verfolgt oder hingerichtet worden. Sie galten offensichtlich als politisch harmlos. Das entspricht dem Bericht Hegesipps, daß es erst unter Trajan im Zusammenhang von Volksaufständen (ἐξ ἐπαναστάσεως δήμων) auch in Palästina zu einer Verfolgung gekommen sei, in der Simeon von den »Häretikern« als Davidide, Vetter Jesu und Christ50 denunziert wurde. Aus diesem 45 Drei sind namentlich bekannt: Lukuas aus Kyrene in Ägypten, Andreas in Kyrene und Artemion in Zypern; dazu A. M. Schwemer, Abbruch, 387 ff.; W. Horbury, Jewish War, 176 u. ö. 46 Siehe dazu unten S. 535 f. zu Pappus und Lulianus. 47 So W. Eck, Rom und Judaea, 110 ff.; vgl. W. Horbury, Jewish War, 257. 48 Jesus wurde kurz nach einer στάσις, an der Barabbas beteiligt war, bei Pilatus angeklagt (Mk 15,7; Lk 23,19.25) und zwischen zwei »Räubern« gekreuzigt (Mk 15,27 par.); vgl. W. Horbury, Beginnings, 66. Siehe dazu J. G. Cook, Crucifixion, 203; weiter den Überblick zur Kreuzigung in Palästina durch die Römer bei D. W. Chapman / E. J. Schnabel, Trial and Crucifixion, 638–669, vgl. 637 Anm. 755. Zu den späteren Kreuzigungen von Christen (Euseb, De martyribus Palaestinae 11,23 und H. e. 8,8 [GCS Eusebius II/2, 943,9–13; 754,23–756,6 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]) vgl. T. D. Barnes, Early Christian Hagiography, 341 f. 49 Lk 24,18–21.25 f. Vgl. W. Horbury, Beginnings, 66: »Despite their strong links in outlook with the patriotic tendency, the followers of Jesus were probably suspect from the first for their loyalty to a leader whom they regarded as the king of Israel.« Vgl. auch die Jüngerfrage in Apg 1,6; zum Thema der Wiederherstellung Israels im Lukasevangelium und in der Apostelgeschichte siehe C. Schaefer, Zukunft Israels, 330–342 u. ö. 50 Euseb, H. e. 3,32,3.6 (GCS Eusebius II/1, 268,8 ff.; 268,22–270,6 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Vgl. M. Heemstra, Fiscus Judaicus. Its Social and Legal Impact, 329:
532
IV. Das palästinische Judenchristentum
Grund sei er gekreuzigt worden. Für Euseb – und vermutlich auch schon für Hegesipp – scheint es ein hinreichender Grund für tagelange Folter51 und für die Verurteilung zur schlimmsten Todesstrafe gewesen zu sein, daß er Davidide und Christ war.52 Matthäus ergänzt, so wie er damit rechnet, daß Christen gekreuzigt werden (Mt 23,34), in Mt 24,9–14 die markinische ›Vorlage‹ Mk 13,13 aus seiner späteren Sicht: »9 Dann werden sie euch übergeben in die Drangsal und euch töten, und ihr werdet verhaßt sein bei allen Völkern wegen meines Namens. 10 Dann werden viele Anstoß nehmen, und sie werden einander ausliefern, und sie werden sich untereinander hassen. 11 Und viele Pseudoprofeten werden auftreten und viele in die Irre führen. 12 Und wegen der Zunahme der Gesetzlosigkeit wird die Liebe bei vielen erkalten. 13 Wer aber ausharrt bis zum Ende, dieser wird gerettet werden. 14 Und dieses Evangelium von der (Gottes‑)Herrschaft wird verkündigt werden in der ganzen Oikumene zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen.«53
Während Matthäus die Ankündigung der endzeitlichen Verfolgung der Gemeinde in Lk 21,12–19 in die Aussendungsrede Mt 10,18–22.30 aufnimmt und auf die Situation der Jünger bei der Mission in Palästina bezieht, radikalisiert er hier die Verfolgungssituation, die den angesprochenen zwölf Jüngern für die Endzeit angekündigt wird. Zum ersten Mal ist an dieser Stelle bei Matthäus auch von der Verfolgung durch Heiden die Rede. Mit »übergeben euch in die Drangsal« (παραδώσουσιν ὑμᾶς εἰς θλῖψιν) wird wahrscheinlich die Folter bezeichnet.54 In dieser Verschärfung der Verfolgungsankündigung zeigt sich auch die zeitliche Priorität des Lukas gegenüber Matthäus, der nach ihm schreibt und aus der Spätzeit Domitians solche Verfolgungen von römischer Seite schon kennt. Auch der Abfall der Gläubigen in den Nöten der Endzeit wird von Matthäus konkreter ins Auge gefaßt, vermutlich weil er dieses Problem schon erlebt hat. Christ zu sein wurde in dieser Zeit als Verbrechen betrachtet; so verfolgte Plinius die Christen in Bithynien, und Ignatius von Antiochia starb in Rom als Märtyrer. Vgl. op. cit., 340 f. zu Judenchristen, die wieder zur Synagoge zurückkehrten (vgl. Hebr 10,25; 1 Joh 2,19); 340 f.: zu mSan 10,1 – wer ausgeschlossen wird: »Diejenigen, die sagen, die Tora sei nicht vom Himmel«, bezieht sich auf Judenchristen, denn die Hochchristologie des Johannesevangeliums, des Hebräerbriefs etc. stellt den Messias Jesus höher als Mose. Heemstra verweist auf seine Dissertation: Hier (M. Heemstra, Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, 165) datiert er die Birkat ham-mînîm auf 90 n. Chr. Sehr kritisch zu diesen Hypothesen G. Stemberger, Judentum in frührabbinischer Zeit, 15 Anm. 27. 51 Die Folter verrät seinen in römischen Augen niedrigen sozialen Status. Vgl. die Sklavinnen, die Plinius unter der Folter befragen läßt: Plinius, Ep. 10,96,9 (BSGRT, 356 ed. Schuster / Hanslik). 52 T. D. Barnes, Early Christian Hagiography, 11.339. 53 Die aus Mk 13,13 entnommenen Worte sind kursiv gesetzt. Vgl. auch J. A. Kelhoffer, Persecution, 231.251. 54 So J. A. Kelhoffer, Persecution, 231 Anm. 11 mit Verweis auf die New Revised Standard Version (NRSV): »they will hand you over to be tortured«.
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus
533
Auffallend wortkarg ist der eigentliche Bericht über Simeons Martyrium. Hervorgehoben werden nur sein hohes Alter, seine Ausdauer unter der Folter, die sogar dem Statthalter Hochachtung abverlangte, und die Tatsache, daß er gekreuzigt wurde. Und doch erscheint auch in Eusebs Paraphrase des HegesippTextes die eigentliche Motivation, die Hegesipp / Euseb schon beim Martyrium des Jakobus des Gerechten55 genannt hatten: Simeon »habe … ein dem Leiden des Herrn ähnliches Ende davongetragen«.56 Am Schluß des Berichts klingt das Motiv noch einmal an: Simeon wurde verleumdet und angeklagt, »auch er aus demselben Grund« wie der Herr.57 Das kann heißen, daß Simeon als messianischer Prätendent und Unruhestifter zum Kreuzestod verurteilt wurde.58 Die imitatio Christi bildete von Anfang an »das Eigene des christlichen Märtyrertums …; ein Gedanke, dessen Bedeutung nicht unterschätzt werden kann, da diese Nachfolge auch eine Nachfolge bis in den Tod« bedeutete.59 Die Aufforderung Jesu zur Kreuzesnachfolge60 und die Vorhersage der künftigen Leiden der Gläubigen um des Namens Christi willen behielten für die frühen Christen ihre grundlegende Bedeutung. »Man kann davon ausgehen, dass in der frühesten Zeit vor allem eine einzige Motivation eine Rolle spielte, und zwar die imitatio Christi.«61 Für die christlichen Tradenten – Hegesipp und Euseb – leidet Simeon als ein Märtyrer, für dessen Tod am Kreuz es keiner weiteren rechtlichen Erklärung für ihre Leserschaft bedarf. Sie wußten, daß es gegenüber den römischen Behörden seit der Spätzeit Domitians reichte, ein bekennender Christ zu sein, um zum Tod verurteilt zu werden. Die immer wieder zitierte Quelle dafür ist der Briefwechsel des jüngeren Plinius mit der kaiserlichen Kanzlei Trajans.62 Aber war das im Fall des Simeon, Sohn des Klopas, schon so? Timothy D. Barnes und John Granger Cook betonen, es könne nur ein politischer Grund gewesen sein, der den Statthalter veranlaßte, Simeon zur Kreuzigung zu verurteilen. Ähnlich wie im Fall Jesu hätten dann jüdische Gegner einen politischen Anklagepunkt vorgebracht, um die Hinrichtung beim römischen Statthalter zu erwirken. Die 55 Euseb, H. e. 2,23,18 (GCS Eusebius II/1, 170,18 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann): Jakobus stirbt durch das »Holz / ξύλον« des Walkers so wie Christus durch das »Holz / ξύλον« des Kreuzes; dazu oben S. 507 nach Anm. 67, bes. Anm. 69. 56 Euseb, H. e. 3,32,2 (GCS Eusebius II/1, 268,4 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). Vgl. F. Schleritt, Hegesipp, 47.49. 57 Euseb, H. e. 3,32,6 (GCS Eusebius II/1, 270,1–4 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 58 So T. D. Barnes, Early Christian Hagiography, 339. 59 B. Dehandschutter, Leben, 195. 60 Siehe dazu oben S. 435 f. 61 B. Dehandschutter, Leben, 195 (Hervorhebungen im Original). 62 Plinius, Ep. 10,96,2 f. (BSGRT, 355 ed. Schuster / Hanslik); vgl. Tertullian, Apologeticum 2,6 f. (Tertullian Apologeticum. Verteidigung des Christentums. Lateinisch und deutsch, ed. C. Becker, München 21961, 60); Euseb, H. e. 3,33,1 ff. (GCS Eusebius II/1, 270,19–274,3 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann).
534
IV. Das palästinische Judenchristentum
jüdischen Gegner wollten diesen lästigen Kopf der Jerusalemer Gemeinde beseitigen; denn Jesus war als gekreuzigter Messias in ihren Augen nur ein falscher Profet und πλάνος gewesen und als solcher zu Recht so qualvoll und schimpflich gestorben.63 Schon Hannas II. hatte aus diesem Grund Jakobus den Gerechten steinigen lassen. Um es noch einmal zu unterstreichen: Hegesipp nimmt es im 2. Jahrhundert als feste Tradition, daß die jüdischen Religionsparteien sich in ihren messianischen Vorstellungen unterschieden haben. Angesichts messianischer Heerführer von Menachem ben Hiskia bis zu Bar Kochba war das auch ein extrem politischer Faktor. Doch es ist völlig unwahrscheinlich, daß sich der Leiter der Jerusalemer Gemeinde als politischer Aufrührer betätigt hat oder von sich aus diesen Eindruck erweckte. Es kann aber durchaus so gewesen sein – wenn man den bei Euseb überlieferten Text ernst nimmt und ihm folgt –, daß jüdische Gegner, die selbst als Davididen und damit als politische Unruhestifter in Verdacht geraten und verhaftet worden waren, Simeon als einen prominenten Davididen, der zudem Christ war, mit dieser Angabe beim Statthalter angezeigt haben.64 Der Haß auf die Anhänger Jesu, von dem schon Paulus und dann alle Evangelisten berichten, wird sich in der Frühzeit Trajans nicht gelegt haben. Sobald ein jüdischer Führer die Macht dazu hatte, ging er gewaltsam gegen die Christen vor, wie man dann bei Bar Kochba sieht und wie es Justin in seinem Dialog mit Tryphon mehrfach beklagt. Der jüdische Widerstand gegen die römische Herrschaft war in der Flavierzeit in Palästina nicht abgebrochen.65 Rom galt als das vierte Reich Daniels, dessen Ende sehnlichst erwartet wurde.66 Davon zeugen die jüdischen apokalyptischen Schriften, die in der Zeit zwischen den beiden Aufständen – das heißt zwischen 70 und 132 n. Chr. – in Palästina geschrieben wurden. Sie spiegeln unter anderem die Erwartung einer politischen Befreiung durch einen messianischen Füh63 So die Argumentation des ›Juden des Kelsos‹, siehe Origenes, Contra Celsum 2,4 f. (SVigChr 54, 79 ff. ed. Marcovich); vgl. Justin, Dial. 17,1; 108,2 (PTS 47, 97 f.; 255,7–15 ed. Marcovich): Die Hohepriesterschaft habe gleich nach dem Tod Jesu weltweit einen Brief verschickt mit der Warnung vor Jesus als »Verführer«, den sie zu Recht gekreuzigt hätten. Dazu W. Horbury, Jewish-Christian Relations, 156 f.; vgl. S. J. D. Cohen, Ways That Parted, 317. 64 Euseb, H. e. 3,32,3 f. (GCS Eusebius II/1, 268,8–13 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann): »Derselbe [d. h. Hegesipp] berichtet, daß auch seine Ankläger – da damals nach jenen gesucht wurde, die aus dem königlichen Stamm der Juden waren – zu jenen gehörten, die verhaftet wurden.« 65 Vgl. das 4. Esrabuch, wo die erste und die zweite Tempelzerstörung in eins gesehen werden und Rom »Babylon« heißt; der Adler symbolisiert das Römische Reich in der Adlervision in 4 Esr 10,1–12,34; etwas später dazu das Syrische Baruchbuch und die Paralipomena Jeremiae sowie die Fortschreibung der jüdischen Sibyllendichtung; vgl. G. Stemberger, Herrschaft, 26–32; R. Deines, How Long?. 66 Sogar Josephus ist dieser Ansicht, siehe A. M. Schwemer, Gottesherrschaft bei Josephus; R. Deines, How Long?, 223 f. Anm. 79. Zur Johannesoffenbarung siehe vor allem J. Frey, Johannesapokalypse.
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus
535
rer innerhalb von 70 Jahren analog zu den 70 Jahren zwischen der Zerstörung des Ersten Tempels und der Rückkehr aus dem Exil sowie dem Wiederaufbau des Tempels unter Kyros. Diese apokalyptischen Texte wurden in der Folgezeit nur von Christen weitertradiert, die an diesen interessiert und von analogen Hoffnungen erfüllt waren, welche sie auf die Parusie Christi bezogen. Die Erwartung der Vernichtung Roms vertritt auf der christlichen Seite vor allem die Johannesoffenbarung. Auch für sie ist Rom das vierte Reich Daniels und der Christenverfolger Nero das Tier, dessen Name der Zahl 666 entspricht. Apk 11,1–13 bezieht sich auf Vorgänge in Jerusalem: Der Seher soll den Tempel vermessen und den Vorhof zur Vernichtung durch die Heiden preisgeben. Zwei christliche Profeten treten als Ankläger und Zeugen auf, die vom Tier aus dem Abgrund in der Stadt, »wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde« (Apk 11,8), getötet werden. Die Orakel in Apk 11,1–13 sind recht dunkel und rätselhaft und deshalb in der Deutung entsprechend umstritten. Klar sind die Profetien, die den Fall und das Gericht über die »Hure Babylon«, das heißt Rom, ankündigen. Diese Hure Babylon ist trunken »vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu« (Apk 17,6). Rom wird mit Vernichtung bestraft (Apk 18), vor allem für die Neronische Verfolgung und für einzelne Martyrien (Apk 2,13) – wohl im Zusammenhang mit dem Kaiserkult. Der Erste Jüdische Krieg tritt völlig in den Hintergrund. Traditionell datiert man die Johannesoffenbarung seit Irenäus in die Zeit Domitians und lokalisiert sie in Kleinasien, aber vermutlich ist die mittlere Zeit Trajans wahrscheinlicher.67 Die Vorgänge in Palästina bleiben dennoch für den ›Seher auf Patmos‹ wichtig, denn dort wird die Wiederkunft Christi erwartet, das Tausendjährige Reich, an dessen Ende Satan mit seinen Völkerscharen gegen das »Lager der Heiligen« und »die geliebte Stadt« Krieg führt und Jerusalem umzingelt, aber durch vom Himmel fallendes Feuer vernichtet wird (Apk 20,9). Der neue Himmel und die neue Erde und das Erscheinen des himmlischen Jerusalems, in dem Gott mit dem Lamm bei den Menschen wohnt, übersteigen dann alle irdischen Vorstellungen (Apk 21 f.). Der Diasporaaufstand unter Trajan 115–117 n. Chr. hatte wahrscheinlich auch Auswirkungen auf Palästina / Syrien. Es scheint auch dort zu Unruhen gekommen zu sein.68 Die rabbinischen Quellen sprechen vom »Krieg des Qîtus«, das heißt des Lusius Quietus,69 in dem die beiden Brüder Pappus und 67 So J. Frey, Erwägungen, 427; anders H. Lichtenberger, Apokalypse, 48–52.166– 172.220–230 (unter Domitian) und D.-A. Koch, Geschichte, 481–493, der wegen des ausgebrochenen Konflikts mit dem Kaiserkult – wie Thomas Witulski – die Johannesoffenbarung in die Zeit Hadrians datiert. Vgl. weiter zur Diskussion die Beiträge in: J. Frey / J. A. Kelhoffer / F. Tóth (Hgg.), Johannesapokalypse; besonders J. A. Kelhoffer, Revelation’s Date, 553–585. 68 Vgl. W. Horbury, Jewish War, 257–264; A. M. Schwemer, Abbruch. 69 mSot 9,14. Der maurische Fürst und römische Feldherr Lusius Quietus wurde nach seinen Erfolgen beim raschen Niederschlagen des Aufstands in Mesopotamien von Trajan zum
536
IV. Das palästinische Judenchristentum
Lulianus »von Trajan70 erschlagen« wurden. Pappus und Lulianus waren sehr wohlhabende Juden, die nach der Tradition auf die Nachricht hin, der Tempel in Jerusalem werde wiederaufgebaut, an der Straße von Akko / Ptolemaïs bis Antiochia Wechslertische aufgestellt hatten, um den Rückkehrern die Reise zu erleichtern.71 »Und als Trugianus72 Pappus und Lulianus in Laodikea73 tötete, sagte er zu ihnen: ›Seid ihr nicht vom Volk von Hananja, Mischael und Asarja? Mag euer Gott kommen und euch aus meiner Hand befreien.‹ Sie sagten zu ihm: ›Hananja, Mischael und Asarja waren rechtschaffen, und Nebukadnezar war würdig, daß ein Wunder durch seine Hand bewirkt wurde. Du aber, du bist ein böser König, und du bist nicht würdig, daß durch deine Hände ein Wunder bewirkt wird. … Aber schließlich wird der Allgegenwärtige unser Blut von deinen Händen fordern.‹ Man sagt, er war noch nicht von dort abgereist, als ein Brief gegen ihn aus Rom kam, und sie schlugen ihm das Gehirn mit Holzscheiten aus.«74
Man hat natürlich vermutet, daß auch Pappus und Lulianus Aufstandsführer waren und aus diesem Grund hingerichtet worden seien. Aber das scheint abwegig, denn wie William Horbury betont: »At the roots of the martyr legend, then, is a second-century tradition of the execution of eminent Jews under Trajan in Syrian Laodicaea, in connection with encouragement of Jewish entry from Syria into Judaea – the fomenting of disturbance, from the viewpoint of the ruling power.«75 Ihr Gedenktag wurde am 12. Adar, kurz vor dem Nikanortag und dem Purimfest, gefeiert. Immerhin haben wir hier in einer in der rabbinischen Literatur breit belegten Märtyrergeschichte eine verhältnismäßig nahe Parallele zu Simeons Tod.76 Nicht alle, die in dieser unruhigen Zeit im Zusammenhang mit Aufständen zum Tod verurteilt wurden, waren auch selbst Insurgenten. Aber der Verdacht war wohl schnell bei der Hand. Statthalter in Palästina ernannt und erhielt konsularischen Rang: Cassius Dio, Historia Romana 68,32,3 (Cassii Dionis Cocceiani Historiarum Romanorum quae supersunt III, 220,14 ff. ed. Boissevain = M. Stern, GLAJJ II, 389 f. Nr. 438). Hadrian setzte ihn sofort nach Regierungsantritt ab und ließ ihn töten; dazu M. Hengel, Messianische Hoffnung, 322 f.; ders., Hadrians Politik, 364; W. Horbury, Jewish War, 252–264. 70 Der bekanntere Name Trajan steht oft anstelle des unbekannteren Qîtus / Quietus. 71 Dazu A. Oppenheimer, Bewohnerschaft, 234; W. Horbury, Jewish War, 266 f. 72 Eine Verballhornung von Trajan. 73 Andere Versionen überliefern »Lydda«. Dazu W. Horbury, Jewish War, 266. 74 Sifra Emor, pereq 9,5; ich folge der Textversion und Übersetzung von F. Avemarie, Martyrdom, 144 f. W. Horbury, Pappus and Lulianus; ders., Jewish War, 264–268; vgl. auch G. Stemberger, Herrschaft, 76 ff., der es jedoch – ebenso wie Peter Schäfer – für fraglich hält, daß Palästina in die Aufstände verwickelt war. 75 W. Horbury, Jewish War, 268. 76 M. Heemstra, Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways. Its Social and Legal Impact, 342, meint, der Tod Simeons passe gut in die Zeit der Auseinandersetzung um den fiscus Iudaicus. Das Martyrium von Pappus und Lolianus übersieht er. Siehe dazu unten Anm. 83.
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus
537
Legendär ist die Lebenszeit Simeons von 120 Jahren, und typisch sind des Märtyrers Tapferkeit und Ausdauer im Ertragen der Folterqualen sowie das Motiv der »Bekehrung des Henkers«, das im Staunen des Statthalters über die Tapferkeit Simeons anklingt.77 Die extreme Standhaftigkeit unter der Folter gehörte schon zum legendären Repertoire der älteren jüdischen Märtyrererzählungen, aber vor allem wurde sie nun ein Zeichen der imitatio Christi.78 Euseb bringt das Vorgehen des römischen Statthalters Atticus in Verbindung mit den anderen Verfolgungen in dieser Zeit, so dem Vorgehen des Plinius gegen die Christen in Bithynien am Schwarzen Meer und dem gegen Ignatius, den Bischof von Antiochia. In Palästina scheinen in dieser Zeit die römischen Maßnahmen gegen Judenchristen von ihren Volksgenossen veranlaßt worden zu sein. Nach Euseb hat Hegesipp sie als »Häretiker« bezeichnet, sie gehörten also zu den sieben jüdischen Religionsparteien, die über den Stamm Juda und den Messias anderer Ansicht waren als die Anhänger Jesu. Zugleich sollen die Denunzianten selbst Davididen gewesen sein, die sich gegen den Verdacht, sie zettelten einen Aufstand an, verteidigen mußten. Der Aufruhr in verschiedenen Städten, den Euseb in diesem Zusammenhang erwähnt, wird sich kaum auf den fiscus Iudaicus bezogen haben.79 Eine zeitlich nahe Parallele bildet der Fall des berühmten frührabbinischen Lehrers Eliezer ben Hyrkanos; beide Fälle wurden auch schon oft verglichen. Eliezer soll etwa um 90 n. Chr. wegen mînût (»Häresie«) vor Gericht zitiert worden sein, das heißt, er soll angezeigt worden sein mit der Anschuldigung, er sei Judenchrist. Die früheste Version dieser Geschichte findet sich in der Tosefta: 77 Mose wurde 120 Jahre alt; auch Hillel, Jochanan ben Zakkai und Aqiba sollen so alt geworden sein. R. Bauckham, James and the Jerusalem Community, 91, vermutet deshalb kühn »rival claims« zwischen den Größen der rabbinischen Literatur und Simeon. Vorbild für die Ausdauer im Leiden waren die makkabäischen Märtyrer; im 2. und im 4. Makkabäerbuch begegnen wir auch der sogenannten ›Bekehrung des Henkers‹; vgl. auch die bei Clemens Alexandrinus erhaltene Legende vom Martyrium des Zebedaïden Jakobus (siehe oben S. 352 Anm. 12). 78 In 2 Makk 6,18–31 ist der alte Eleazar das Vorbild für die sieben jugendlichen Märtyrer mit ihrer Mutter und deren Tapferkeit; vgl. 4 Makk 5,4–7.11.31.33; 6,2–21; 7,13 ff. Auch bei Eliezer ben Hyrkanos wird sein Greisenalter hervorgehoben, ebenso bei Polykarp (Martyrdom of Polycarp 7,3; 9,3 [OECT, 6,29; 8,28 ed. Musurillo]). Zur Ausdauer im Leiden vgl. auch oben S. 504 bei Anm. 57–58 zum Jakobusmartyrium Hegesipps; doch wesentlich wichtiger wurde die imitatio Christi für das Selbstverständnis der christlichen Märtyrer (dazu oben S. 533 bei Anm. 58–61; zur Leidensbereitschaft im frühesten Christentum siehe J. A. Kelhoffer, Persecution, passim. 79 Das sagt auch M. Heemstra, Fiscus Judaicus. Its Social and Legal Impact, nicht, aber er unterstreicht, daß die Römer dank dieser Steuer in dieser Zeit Juden und Judenchristen unterscheiden konnten. Seit Nerva wurde die Steuer nur von denen erhoben, die ihren väterlichen Gesetzen treu geblieben waren (339 ff.). Dazu, daß Josephus nicht ohne Einfluß auf die Entscheidungen des Senats unter Nerva war, siehe J. Carleton Paget, Josephus and Christianity, 256 ff.
538
IV. Das palästinische Judenchristentum
Eliezers Prozeß endet schnell mit positivem Ausgang. Der Statthalter entläßt ihn, weil er Eliezers Zuversicht auf die Verläßlichkeit des (himmlischen) Richters irrtümlich auf sich selbst bezieht. Was Eliezer nach der Entlassung weiterhin bekümmert, ist die Frage, wie er unter einen solchen Verdacht geraten konnte. Dabei stellt sich heraus, daß er Kontakt mit einem Judenchristen, Jakob aus Sichnin, hatte und ihm eine von diesem im Namen Jesu geäußerte mînût gefallen hatte.80 Diese Begegnung war nach der Tosefta hinreichend, um Rabbi Eliezer zu Recht vor ein römisches Gericht zu stellen; denn ihm hatte die Äußerung von Jakob aus Sichnin – vermutlich eine Schriftauslegung – nicht nur gefallen, er hatte sie auch wiederholt.81 Aus diesem Vorfall soll jeder Jude die Folgerung ziehen, daß man sich vor jeglicher Berührung mit dieser gefährlichen mînût wie vor der mit einer Prostituierten hüten muß.82 Diese Erzählung könnte ebenfalls wie die Nachrichten bei Matthäus und Hegesipp bestätigen, daß es in den 90er Jahren in Palästina zu Christenprozessen vor den römischen Behörden kam.83 Die späteren Überlieferungen über Eliezer ben Hyrkanos im Bavli und im Midrasch Rabba lassen nicht nur den »schmerzhafte[n] Prozeß des Wegbrechens des ›Christentums‹ vom ›Judentum‹ … sichtbar« werden, sondern geben dann auch »Einblick in die Waffen, die die Rabbinen einsetzten – nicht nur um sich 80 tChul 2,24; vgl. QohR I,1.8; bAS 16b–17a; dazu die Synopse bei J. Maier, Jesus von Nazareth, 145–151; P. Schäfer, Jesus im Talmud, 83–104; vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 212 f.; J. Schwartz / P. J. Tomson, Rabbi Eliezer; P. S. Alexander, Jewish Believers, 661–665. J. K. Zangenberg, Galilean Jesus, 98 ff., folgt J. Maier und J. Taylor und kommt zu tChul 2,24 und 2,22 f. zu dem Schluß: »All in all, the matter remains obscure« (100). 81 P. S. Alexander, Jewish Believers, 662: »Eliezer was not entirely innocent. His arrest was punishment not only for associating with Jacob, but even more for being pleased with what he said« (Hervorhebung im Original). 82 Das stellt auch die vorhergehende ›Begebenheit‹ in der Tosefta (tChul 2,22 f.) klar heraus, in der Rabbi Jischmael – wohl um 100 n. Chr. – verhinderte, daß sein Neffe, der von einer Schlange gebissen wurde, von einem Judenchristen im Namen Jesu geheilt wurde. Der Neffe starb. Vgl. M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 213. Doch die Absicht, sich von einem Judenchristen heilen zu lassen, verrät auch die Nachbarschaft von Juden und Judenchristen in Galilaea. Vgl. Justin, Dial. 38,1 (PTS 47, 132,1 ff. ed. Marcovich): Καὶ ὁ Τρύφων εἶπεν· Ὦ ἄνθρωπε, καλὸν ἦν πεισθέντας ἡμᾶς τοῖς διδασκάλοις, νομοθετήσασι μηδενὶ ἐξ ὑμῶν ὁμιλεῖν, μηδέ σοι τούτων κοινωνῆσαι τῶν λόγων· βλάσφημα γὰρ πολλὰ λέγεις; vgl. 112,4 (PTS 47, 262,21–27 ed. Marcovich): οἱ διδάσκαλοι ὑμῶν … μηδὲ εἰς κοινωνίαν λόγων ἐλθεῖν, das heißt, der Jude Trypho sagt zu Justin, daß sie besser ihren Lehrern gefolgt wären, die angeordnet haben, den Umgang und die Unterhaltung von Juden mit Christen zu vermeiden, und dringend davon abgeraten hätten. Dazu W. Horbury, Benediction, 107, der auch auf Heinrich Graetz verweist,: »Graetz long ago identified the ordinance mentioned in Trypho’s speech with … minim at Tos. Hullin ii. 20 f. and elsewhere.« 83 M. Heemstra, Fiscus Judaicus. Its Social and Legal Impact, 342 zu tChul 2,24: »The arrest and execution of Simeon, Jewish Christian and bishop of Jerusalem, during the reign of Trajan, fit very well into this context.« Heemstra führt einseitig alle Konflikte auf den fiscus Iudaicus zurück.
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus
539
von den Judenchristen abzugrenzen, sondern auch um sie mit allen Mitteln zu bekämpfen«.84 Ein besonderes Problem, das Udo Schnelle bei seiner Behauptung, die Jerusalemer Gemeinde habe im Jahr 70 aufgehört zu existieren, gar nicht in den Blick nimmt, bildet die Namensliste, die Euseb für die »Bischöfe« Jerusalems »aus der Beschneidung« liefert. Sie umfaßt alle »Bischöfe« von dem Herrenbruder Jakobus an zumindest bis zum Jahr 130, der Neugründung Jerusalems als Colonia Aelia Capitolina.85 Doch wahrscheinlich verbot Hadrian erst nach dem Aufstand allen Juden das Betreten seiner neuen Stadt, und aus diesem Grund amtierten dort dann keine Bischöfe »aus der Beschneidung« mehr.86 Euseb beruft sich für dieses Verbot auf Ariston von Pella: Nach der Eroberung von Betar und dem Tod Bar Kochbas »wurde durch Gesetzesbestimmung und durch Verordnungen Hadrians dem gesamten Volk verboten, das Gebiet um Jerusalem überhaupt noch zu betreten«.87
Dieses Verbot spiegelt sich auch im Thomasevangelium in Logion 68: »Jesus spricht: Selig seid ihr, wenn sie euch hassen (und) euch verfolgen. Doch sie (selbst) werden keinen Platz finden an dem Ort, an dem sie euch verfolgt haben.«88
Das Logion des Thomasevangeliums ergänzt Lk 6,22 aus der Sicht nach dem Bar-Kochba-Aufstand, als Jerusalem in eine römische Kolonie verwandelt war und es Juden bei Todesstrafe verboten wurde, Jerusalem zu betreten. Interessant wäre es zu erfahren, ob Logion 68 noch von weiteren Verfolgungen bis in die Zeit der letzten jüdischen Bewohner Jerusalems weiß oder ob nur pauschal auf Jerusalem als Ort der Verfolgungen verwiesen wird. Es gibt verschiedene Nach84 P. Schäfer,
Jesus im Talmud, 103. Zur Datierung zuletzt C. Weikert, Jerusalem, 263–271. Man hatte auch schon vor der Neugründung und vor dem Krieg teilweise mit dem Wiederaufbau begonnen; darauf weisen neue archäologische Funde hin, siehe op. cit., 269 mit Verweis auf den noch nicht erschienenen Band: S. Weksler-Bdolah / A. Onn (Hgg.), Jerusalem. The Western Wall Plaza Excavations, Vol. 1: The Eastern Cardo, Jerusalem (non vidi). 86 Euseb, H. e. 4,5,3; 4,6,3 f. (GCS Eusebius II/1, 304,22 ff.; 306,19–308,13 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); Euseb, Chronicon, bei Hieronymus ad a. 107; 111; 123; 134–135 (GCS Eusebius VII, 194; 196; 198 f.; 201,15 ff. ed. Helm); vgl. dazu die Zusammenstellung der verschiedenen Überlieferungen von F. Manns, La liste. Der »Brief des Jakobus an Quadratus« führt dagegen nicht weiter, gegen G. Stemberger, Art. Judenchristen, 231 = ders., Judenchristen, 55; zu diesem ›Brief‹ vgl. W. Pratscher, Herrenbruder, 226. 87 Euseb, H. e. 4,6,3 (GCS Eusebius II/1, 306,19–308,7 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); vgl. Justin, 1 Apol. 47,6 (SC 507, 254,15 ff. ed. Munier); Dial. 16,2 (PTS 47, 96,10–13 ed. Marcovich); Tertullian, Adversus Iudaeos 13,3 f. (FC 75, 278 ff. ed. Tränkle / Hauses); dazu Schürer I, 553 f. 88 EvThom 68,1 f. Zur Übersetzung siehe H.-G. Bethge, Evangelium nach Thomas, in: AcA I/1, 517; vgl. U. Schnelle, Jahre, 221 mit Verweis auf den Kommentar von U.-K. Plisch, Das Thomas-Evangelium, 177. Vgl. Euseb, H. e. 4,6,3 f. (GCS Eusebius II/1, 306,19–308,13 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann) mit Berufung auf Ariston von Pella. 85
540
IV. Das palästinische Judenchristentum
richten in der rabbinischen Literatur über den Besuch berühmter Lehrer, die in den Ruinen auf dem Tempelberg trauerten. Auch das war nun verboten, Hadrian wollte eine rein griechisch-römische Stadt. Für die judenchristliche Gemeinde Jerusalems war diese Entscheidung besonders nachteilig. Sie verlor ihr Zentrum, und die »Folge war die Zerstreuung der judenchristlichen Gemeinden im ganzen Land.«89 Wir wissen nicht genau, wo und ab wann der »monarchische Episkopat« in der Kirche entstanden ist, aber vermutlich ging diese Entwicklung »von der Führerrolle des Herrenbruders Jakobus in Jerusalem aus … und [hat] sich, wie Ignatius zeigt, zuerst in Syrien und dann in Kleinasien [durchgesetzt]«.90 Bei Hegesipp und Euseb sind die Jerusalemer Gemeindeleiter selbstverständlich seit Jakobus dem Gerechten allesamt »Bischöfe«.91 Euseb nennt nach dem Herrenbruder Jakobus, Simeon, dem Sohn des Klopas, und Justus,92 einem weiteren Herrenverwandten, zwölf weitere Namen von ἐπίσκοποι, über deren Zuverlässigkeit er selbst im Zweifel ist, weil ihm keine genauen Daten überliefert sind und weil ihn die hohe Zahl von Bischöfen zwischen dem Martyrium des Simeon, Sohn des Klopas, und dem Ende der Jerusalemer judenchristlichen Gemeinde nach dem Bar-Kochba-Krieg irritiert: »Über die Jahre der Bischöfe in Jerusalem konnte ich überhaupt keine schriftliche Nachricht ausfindig machen; sie haben aber nach der Überlieferung (λόγος κατέχει) nur ganz kurze Zeit gelebt (βραχυβίους).«93 89 G. Stemberger, Judentum in frührabbinischer Zeit, 16, der hinzusetzt (17): »Bis in das 4. Jahrhundert war das palästinische Christentum noch immer in einem gewissen Maß Teil der jüdischen Geschichte, auch wenn es nahezu unmöglich ist festzustellen, ein wie bedeutender Teil des palästinischen Judentums es damals noch war.« Vgl. ausführlicher zu den Nachrichten bei den Kirchenvätern: J. Frey, Art. Judenchristentum, WiBiLex (Stand Okt. 2015, URL: http://www.bibelgesellschaft.de/stichwort/51882, letzter Zugriff: 25. 9. 2 017). 90 M. Hengel, Evangelien, 339; vgl. ders., Jakobus, 103 f. = KS III, 581 f.; ders., Schriftauslegung des 4. Evangeliums, 258 = KS V, 611: »An der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert« tritt die »urchristliche[…] Schriftauslegung« durch die »charismatische Deutung durch freie Lehrer … mehr und mehr zurück, an ihre Stelle treten, wohl von Jerusalem ausgehend, die kirchlichen Amtsträger, Presbyter und Bischöfe«. 91 Die frühesten Belege für den monarchischen Episkopat finden sich in den Briefen des Ignatius. M. Hengel vermutete, daß diese Institution ihren Ursprung in Jerusalem hatte und allmählich, von Osten vordringend, nach Westen kam. Vgl. M. Hengel, Jakobus, 83.103 = KS III, 561.581; ders., Überlegungen, 166 = KS VI, 345: »Vermutlich geht die Leitung einer Gemeinde durch eine Einzelperson auf ihn [d. h. auf Jakobus] zurück. … Vermutlich war Jakobus nicht nur das ›geistliche Oberhaupt‹ von Judäa, seine Autorität wurde wohl auch in Missionsgemeinden beachtet. Das zeigt … der Zwischenfall in Antiochien Gal 2,11 ff.« – Vgl. auch G. Schoellgen, Art. Bischof. I. Neues Testament, RGG4 1 (1998), 1614 f. 92 Euseb, H. e. 3,35,1 (GCS Eusebius II/1, 274,9–12 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 93 Euseb, H. e. 4,5,1 f. (GCS Eusebius II/1, 304,12–16 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann).
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus
541
Es handle sich um: Zakchäus als vierten, Tobias als fünften, Benjamin als sechsten, Johannes als siebten, Matthias als achten, Philippus als neunten, Seneca als zehnten, Justus als elften, Levi als zwölften, Ephres als dreizehnten, Joseph als vierzehnten und als fünfzehnten Judas.94 In seiner Demonstratio evangelica versichert Euseb, daß die Namen dieser Bischöfe »bis heute« bei den palästinischen Christen in lebendiger Erinnerung seien,95 nachdem er zuvor bemerkt hatte, daß die sehr große (μεγίστη) Kirchengemeinde in Jerusalem, deren ungeheure Zahl schon in der Apostelgeschichte des Lukas erwähnt werde, aus Juden bestanden habe bis in die Zeit von Hadrians »Attacke« gegen die Stadt.96 Nun mußte Hadrian Jerusalem weder belagern noch erobern oder zerstören, denn die Insurgenten konnten sich im Bar-Kochba-Aufstand des Stadtgebiets nicht bemächtigen. Vielmehr war des Kaisers Neugründung von Jerusalem als Colonia Aelia Capitolina der Auslöser des Aufstands.97 Hadrian gründete die Stadt nach römischem Ritus, indem er sie mit dem Pflug, der von einer Kuh und einem Ochsen gezogen wurde, umkreiste.98 Diese circumductio ist auf einer berühmten Münze dargestellt.99 In der rabbinischen Literatur wird dieses »Pflügen« auf Grund von Mi 3,12 (zitiert in Jer 26,18) als ein »Zerstören« verstanden: »Zion wird wie ein Acker umgepflügt und Jerusalem zu Steinhaufen werden und der Berg des Tempels zu einer Höhe wilden Gestrüpps.«100
94 Euseb, H. e. 4,5,3 (GCS Eusebius II/1, 304,26–306,3 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 95 Euseb, D.e. 3,5,109 (GCS Eusebius VI, 131,14–17 ed. Heikel): λέγονται γοῦν οἱ πρῶτοι κατὰ διαδοχὴν προστάντες αὐτόθι ἐπίσκοποι Ἰουδαῖοι γεγονέναι, ὧν καὶ τὰ ὀνόματα εἰσέτι νῦν παρὰ τοῖς ἐνχωρίοις μνημονεύεται. 96 Euseb, D.e. 3,5,108 (GCS Eusebius VI, 131,14 ed. Heikel): μέχρι τῶν χρόνων τῆς κατ’ Ἀδριανὸν πολιορκίας. Vgl. unten Anm. 100. 97 Cassius Dio, Historia Romana 69,12,1 f. (Cassii Dionis Cocceiani Historiarum Romanorum quae supersunt III, 232,12–233,4 ed. Boissevain = M. Stern, GLAJJ II, 391 f. Nr. 440). Vgl. M. Hengel, Hadrians Politik, 171 ff. = KS I, 379 ff.; ders., Bar-Kokhbamünzen, 328 = KS I, 346. Hengel weist zudem auf das Beschneidungsverbot hin, das in der Historia Augusta überliefert ist. Weiter W. Eck, Rom, 61; P. J. Tomson, Didache, 358; W. Horbury, Jewish War, 308 Anm. 97; vgl. die ausführliche jüngste Darstellung von C. Weikert, Jerusalem, 263–286. 98 Siehe W. Horbury, Jewish War, 406 f. 99 M. Hengel, Hadrians Politik, 172 = KS I, 380; W. Horbury, Jewish War, 406 Anm. 496. 100 mTaan 4,6; jTaan 4,8, 69b,46–47, siehe A. Lehnardt, Taʿaniyot, 157: »›An [einem] neunten [Tag des Monats Av] wurde die Stadt (Jerusalem) umgepflügt.‹ Rufus, (seine) Knochen (mögen) zermalmt (werden), pflügte den Tempel um.« Dazu loc. cit. Anm. 370: »Turnus … Rufus, röm. Gouverneur von Judäa zur Zeit des Bar-Kochba-Aufstandes.« Auch Hieronymus weiß von der Belagerung der Stadt durch Hadrian, siehe oben S. 509 Anm. 78; zu Euseb vgl. auch oben Anm. 96; dazu W. Horbury, Jewish War, 406 f.
542
IV. Das palästinische Judenchristentum
Die ungeheure Größe und die Bedeutung der Jerusalemer Gemeinde zwischen 70 und 130 ist gewiß weit übertrieben und aus den Zahlen in der Apostelgeschichte und aus der überlieferten stattlichen Reihe der Bischofsnamen erschlossen. Richard Bauckham schlug vor, daß Jakobus, Simeon und Justus die Bischöfe gewesen seien, während die übrigen in dieser Liste die den Herrenbruder umgebenden »Ältesten« gewesen sein könnten, darunter auch weitere Herrenverwandte.101 Es seien zwölf gewesen, die an die Stelle der Zwölf Jünger Jesu getreten seien. Eine andere Möglichkeit sei, daß die Liste über das Jahr 135 hinausreiche, sie »includes a succession of Jewish bishops of Jerusalem in exile«, die gleichzeitig mit den heidenchristlichen Bischöfen in Jerusalem / Aelia Capitolina amtierten.102 Möglicherweise geben die Namen der Nachfolger von Jakobus und Simeon in Eusebs Liste unter anderem die der ἐπίσκοποι der christlichen Gemeinden in den palästinischen Landstädten an, obwohl Euseb eindeutig nur von Jerusalem schreibt.103 Aber Euseb erwähnt auch zwei Enkel des Jesusbruders Judas, deren Namen Zoker und Jakobus sich in mittelalterlichen Handschriften erhalten haben, als Gemeindeleiter (ἡγήσασθαι τῶν ἐκκλησιῶν) wohl in Galilaea.104 Doch es gibt eine interessante jüdische Überlieferung im Babylonischen Talmud, die sich mit der Darstellung Eusebs recht eng berührt und die »Kurzlebigkeit« der Leiter der christlichen Gemeinde damit erklärt, daß sie rechtmäßig zum Tode verurteilt wurden: »Unsere Meister haben gelehrt: Jesus von Nazareth hatte fünf Schüler. Und diese sind es: Mattai, Naqqai, Nezer, Buni und Todah. Als man Mattai (bei Gericht) vorführte, sagte er [Mattai] zu ihnen [den Richtern]: Mattai soll getötet werden? Es steht doch geschrieben: Wann (matai) komme ich, zu sehen das Angesicht Gottes (Ps 42,3)? Sie [die Richter] entgegneten ihm: Ja, Mattai soll getötet werden, denn es steht geschrieben: Wann (matai) wird er sterben und sein Name vergehen (Ps 41,6)?«105 R. Bauckham, Jude, 74–79; ders., James and the Jerusalem Community, 70. J. D. G. Dunn, Beginning, 211 Anm. 205, lehnt dies nicht völlig ab. Vgl. W. Horbury, Twelve, 179 mit Verweis auf R. van den Broek und R. Bauckham, wohl eher ablehnend. 102 R. Bauckham, James and the Jerusalem Community, 70; Y. Lederman, Évêques, 211, schlägt vor: »La liste donnée par Eusèbe des successeurs de Jacques, les ›évêques‹ juifs de Jérusalem jusqu’à 135, est en réalité formée de deux listes de responsables de communautés (episkopoi) au temps de Trajan et d’Hadrien, ce que confirment des sources rabbiniques.« 103 Euseb, H. e. 4,5,1 f. (GCS Eusebius II/1, 304,12–16 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); Euseb, D.e. 3,5,109 (GCS Eusebius VI, 131,14–17 ed. Heikel). Vgl. schon A. v. Harnack, Mission, 631, der auf T. Zahn (Apostel und Apostelschüler, 300) verweist, der »meint, es seien die Namen palästinensischer gleichzeitiger Bischöfe in die jerusalemische Liste geraten«. Das ist immer noch eine sinnvolle Hypothese. 104 Euseb, H. e. 3,19–3,20,6 (GCS Eusebius II/1, 232,12–234,18 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); weiter dazu oben S. 524 mit Anm. 17. 105 bSan 43a–b; Übersetzung und Hervorhebungen: P. Schäfer, Jesus im Talmud, 154. Das folgende Zitat im Text: op. cit., 155. 101
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus
543
Alle fünf werden nacheinander vor Gericht gestellt und von den jüdischen Autoritäten zum Tode verurteilt. Das jeweilige Verhör »ist ein außerordentlich subtiler Kampf mit biblischen Versen, und zwar ein Kampf auf Leben und Tod«. Unmittelbar an seinen Bericht von der Hinrichtung Jesu fügt der Babylonische Talmud diesen als »Baraita« gekennzeichneten Text über seine Schüler an. Diese Namen lassen sich nicht mit den im Neuen Testament überlieferten Namen der Jünger in Verbindung bringen. So schenkte Peter Schäfer dem historischen Hintergrund dieser Erzählung keine Aufmerksamkeit und ließ es offen, ob sie »vielleicht auf einigen früheren palästinischen Elementen basiert«.106 Er ist der Ansicht, der Text wolle von vornherein keine historische Information bieten, denn »alle fünf Namen … [seien] literarische Konstruktionen und im Hinblick auf die biblischen Verse entworfen«.107 Er wendet sich deshalb dieser »subtilen« Argumentation mit der Schrift zu, die zum jeweiligen Todesurteil führt. Das ist gewiß spannend genug; denn Peter Schäfer kann überzeugend nachweisen, wie die Namen und die Argumentation letztlich immer auf Jesus und seine Verurteilung zielen. So ist das Ergebnis der ganzen Argumentation: »Jesus wurde zu Recht getötet, und es gibt absolut nichts, das nach seinem Tod von ihm und von seiner Lehre übrig bleibt.«108 Und doch hat die Geschichte von der Verurteilung dieser »fünf Schüler Jesu« wahrscheinlich auch einen historischen Hintergrund, der nun wiederum wichtig erscheint für die Geschichte des frühen Christentums, denn es gibt auffällige Berührungen mit der Liste der Jerusalemer ›Bischöfe‹, die sich bei Euseb erhalten hat: »Mattai« ist eine Kurzform von »Mattithyahu«109 bzw. Mattathias und entspricht »Matthäus«; so heißt der achte ›Bischof‹ in Eusebs Liste. »Naqqai« bedeutet »unschuldig«, wird aber nicht als Eigenname verwendet. Nach der Rekonstruktion von Lederman ersetzt Naqqai den vierten ›Bischof‹ bei Euseb namens Zachäus;110 denn in Ps 10,8, der Textstelle, die in der Diskussion im Babylonischen Talmud zur Verurteilung Naqqais angeführt wird, übersetzt der Targum das hebräische nāqî mit zakkaj (»unschuldig«), was wiederum als Name geläufig und dessen gräzisierte Form Zachäus ist.111 Die ironische
P. Schäfer, Jesus im Talmud, 155. Jesus im Talmud, 157. 108 P. Schäfer, Jesus im Talmud, 166. 109 Y. Lederman, Évêques, 218. Zur Kurzform siehe G. Dalman, Grammatik, 178 f. 110 Y. Lederman, Évêques, 219: »Naqi … ce terme n’est pas utilisé comme nom propre en hébreu, contrairement à son équivalent araméen, zakkaï, Zachée (›le Juste‹), qui est vraisemblablement un surnom; l’équivalence est justement visible dans le targum du verset cité dans le débat (Ps 10,8), où naqi est rendu zakkaa.« 111 Vgl. G. Dalman, Dialektproben, 53; vgl. zur Kurzform ders., Grammatik, 178. 106
107 P. Schäfer,
544
IV. Das palästinische Judenchristentum
Anspielung auf die »Unschuld« Jesu als »Gotteslamm«, seine Geburt durch die Jungfrau und auf seine von Pilatus festgestellte Unschuld liegt auf der Hand.112 »Nezer«, »Sproß«, ist wie »Naqi« kein Eigenname, sondern entspricht, wenn Lederman mit seinem Vorschlag recht hat, mit einem Wortspiel von Jes 11,1 und Gen 41,52 »Ephraim« und damit dem »Ephrem«, der als dreizehnter in Eusebs Liste genannt wird.113 Bei dem Namen »Nezer« sind die messianischdavidischen Implikationen klar, die im Neuen Testament vor allem im Matthäusevangelium hervorgehoben werden. Hier kann nun Peter Schäfer sehr schön zeigen, wie mit Anspielungen auf den Evangelientext letztlich der »Sproß« Jesus von Nazareth wieder zum Tode verurteilt wird.114 Der Name »Buni« ist wesentlich einfacher als Abkürzung von Benjamin zu erkennen. Der sechste in Eusebs Liste heißt Benjamin. Der fünfte Schüler Jesu im Babylonischen Talmud heißt »Todah«, eigentlich »Dankopfer«. Vermutlich handelt es sich um eine polemische Umwandlung von »Juda« auf Grund von Ps 50,22.115 »Judas« heißt nun wiederum der fünfzehnte und letzte in Eusebs Liste.116 In der ganzen Diskussion im Babylonischen Talmud, in diesem »Kampf mit biblischen Versen«, geht es – nach Peter Schäfer – nur noch vordergründig um die Schüler Jesu, die verzweifelt argumentieren, um dem Tod zu entrinnen, sondern um das Schicksal Jesu und seine Lehren und darum, daß er zu Recht von den Rabbinen mit dem Tode bestraft wurde. Dabei ist diese Baraita nicht eine zufällige, »bizarre und bedeutungslose Ergänzung zur Erzählung vom Prozeß Jesu und von seinem Tod, sondern bildet den Höhepunkt der Diskussion über Jesus und das Christentum im babylonischen Talmud«.117 Zugleich wirft dieser Text aber auch etwas Licht auf die Frühgeschichte der palästinischen judenchristlichen Gemeinden und ihrer Leiter in trajanischer und hadrianischer Zeit in Jerusalem. Aus der Fülle der Namen werden exemplarisch fünf Schüler Jesu herausgegriffen, so wie etwa Jochanan ben Zakkai fünf Schüler hatte.118 Es handelt sich also um eine fiktive Situation. Bei der dürftigen Quellenlage, die für diese Zeit des frühen Christentums besteht, können wir auf keine noch so unscheinbaren Hinweise verzichten. Die Baraita im Babylonischen Talmud, die »Bischofsliste« Eusebs und die Ausgrabung 112 Vgl. bShab 54a: nāqî (»junges Lamm«); siehe dazu Y. Lederman, Évêques, 219; vgl. auch P. Schäfer, Jesus im Talmud, 159: »… Naqqai kann leicht auf Jesus bezogen werden: Pilatus erklärt ihn im Prozeß ausdrücklich für unschuldig (naqi)«. 113 Y. Lederman, Évêques, 219. 114 P. Schäfer, Jesus im Talmud, 160 f. 115 So der Vorschlag von Y. Lederman, Évêques, 220. 116 Euseb, H. e. 4,5,3 (GCS Eusebius II/1, 306,2 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 117 P. Schäfer, Jesus im Talmud, 165. 118 mAv 2,8; vgl. P. Schäfer, Jesus im Talmud, 155.
§ 17 Simeon, der Sohn des Klopas, als Nachfolger des Jakobus
545
von der städtischen jüdischen Siedlung im Norden Jerusalems beleuchten sich gegenseitig, lassen aber auch viele Fragen offen. Dabei ist es nicht so wichtig, ob die im Babylonischen Talmud genannten fünf »Schüler Jesu« alle hingerichtet wurden, die Rabbinen nehmen in diesem Punkt gerne den Mund zu voll; aber wir hören einen Nachhall der scharfen Ablehnung, die die judenchristlichen Gemeinden in Palästina und vor allem die in Jerusalem besonders hart traf.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum1 Die Geschichte der Juden und Judenchristen in Palästina ist in den Jahrzehnten von 70 bis 132 n. Chr. durch weitere jüdische Aufstände gegen Rom, aber vor allem auch »durch die endgültige Trennung des Judentums vom Christentum geprägt«.2 Dabei hat »[d]ie Synagoge … das Judenchristentum erst am Ende des 1. Jahrhunderts ausgestoßen, auch haben die christlichen Gemeinden den Bruch mit dem Judentum nicht von sich aus vollzogen, sie wurden vielmehr, das zeigt schon das Beispiel der paulinischen Mission, – man kann sagen verständlicherweise – Schritt für Schritt hinausgedrängt. Für die messianischen Störenfriede war kein Platz mehr in der Synagoge. Mit anderen Worten, die Bühne, auf der sich das Drama der urchristlichen Anfänge abspielt, ist das – palästinische – Judentum, und es entwächst dieser Bühne nur schrittweise.«3
Der alte Konsens, daß sich in der ›Periode von Jabne‹ das Judentum unter einer starken pharisäischen Führung wieder konsolidiert und alle Minim, alle Abweichler, ausgestoßen habe, wird in dieser einfachen Form heute kaum noch von jemandem vertreten. Die judaistischen Fachleute beurteilen die historische Aussagefähigkeit der rabbinischen Quellen für die Frühzeit zum Teil sehr 1 Die Formulierung dieser Überschrift geht noch auf Martin Hengel zurück. Vgl. zur Metapher »The Parting(s) of the Ways«: J. D. G. Dunn, Partings of the Ways; weiter ders. (Hg.), Jews and Christians; ders., Beginning, 378–415; ders., Neither Jew nor Greek, 598–672; A. Y. Reed / A. H. Becker, Introduction, 1–33; A. K. Petersen, End; weiter die berechtigte Kritik an der zum Teil übertriebenen Spätdatierung der Trennung, die A. Y. Reed / A. H. Becker, D. Boyarin, E. K. Broadhead u. a. vertreten, von D. A. Hagner, Another Look; J. Carleton Paget, Jews, 2–22 und passim; zur Ausstoßung vgl. Schürer II, 432. Vor allem W. Horbury, Beginnings, 77 ff.; ders., Jews and Christians, 11 ff., legt das Gewicht auf die Untersuchung, welche Rolle die »Benediction of the Minim« und die jüdisch-christliche Polemik »in the process of separation from the community by Jewish unity« (11) spielte, dazu ders., Jews and Christians, 43–243; P. S. Alexander, Parting of the Ways, 1–25; G. Jossa, Jews or Christians, 102–121; vgl. auch P. J. Tomson, Transformations; J. Verheyden, Jewish Christianity; J. Frey, Art. Judenchristentum, WiBiLex (Stand Okt. 2015, URL: http://www. bibelgesellschaft.de/stichwort/51882, letzter Zugriff: 25. 9. 2 017); vgl. auch die klassischen Untersuchungen von H. J. Schoeps, Theologie; ders., Judenchristentum. 2 G. Stemberger, Juden in rabbinischer Zeit, 15. 3 M. Hengel, Überlegungen, 153 = KS VI, 330. Dazu auch J. Carleton Paget, Jews, 16 Anm. 59 mit dem Verweis auf seine Auseinandersetzung mit M. Goodmans These, daß die Christen für die Trennung verantwortlich seien, in: ders., After 70.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
547
skeptisch. Zugleich besteht ein nicht nachlassendes Interesse daran, sich mehr Klarheit angesichts dieser Quellen‑ und Forschungslage über die Vorgänge in der Zeit zwischen 70 und 130 n. Chr. zu verschaffen. Will man einigermaßen Sicheres über das Verhältnis zwischen Juden und Judenchristen in Palästina erfahren, so muß man vor allem auch zu den zeitgenössischen christlichen Quellen, aber auch zur sogenannten zwischentestamentarischen Literatur und zu den frühen Apologeten und Kirchenvätern greifen. Im folgenden soll das schrittweise Auseinandergehen von Juden und Christen in Palästina anhand der verschärften antijüdischen Polemik in den Evangelien, die auf die Verfolgungssituation und die Ausgrenzung durch die jüdischen Autoritäten und deren Polemik antwortet, dargestellt werden. Als Quellen kommen die rabbinischen Texte hinzu, die sich auf das Verhältnis zu den Judenchristen beziehen lassen. Hierbei geht es vor allem auch um die Frage nach dem ›Ketzersegen‹, der Birkat ham-mînîm im Achtzehnbittengebet. Die Probe aufs Exempel für die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus der Synagoge liefert dann der Dialogus cum Tryphone des Philosophen und Märtyrers Justin, dem wir die frühesten erhaltenen Apologien des Christentums verdanken.
18.1 Die verschärfte Polemik im Matthäus‑ und im Lukasevangelium 18.1.1 Die Polemik in Mt 23 Wie oben schon erwähnt, steigert Matthäus seine polemischen Anklagen über die Verfolgung und die Nöte, die die Anhänger Jesu zu erdulden haben, dadurch, daß er innerhalb seines Werks immer genauere Angaben über diese Gegner macht. Die fünfte und letzte Rede im Matthäusevangelium entspricht als Pendant der Bergpredigt. In dieser Rede gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer4 bezeichnet der erste Evangelist die Gegner Jesu – und seine eigenen – siebenmal mit »Schriftgelehrte und Pharisäer«.5 Der matthäische Jesus wendet sich gegen sie mit einer sich steigernden Reihe von Weherufen und Anklagen. Die Rede beginnt, gewendet an die Volksmassen und die Jünger, anscheinend erst einmal ganz harmlos (Mt 23,2 f.): 4 Mt 23,2–29. In der Bergpredigt wird zwar auch vor dem Verhalten der »Heuchler« gewarnt, sie werden aber noch nicht direkt als »Schriftgelehrte und Pharisäer« identifiziert (Mt 6,2.16). Das geschieht aber in Mt 15,1.7 und c. 23. 5 V. 14 ist sekundäre Ergänzung; οἱ γραμματεῖς καὶ οἱ φαρισαῖοι ist die stereotype Bezeichnung der Gesprächspartner und Gegner Jesu im Matthäusevangelium. Matthäus war selbst ein solch gut ausgebildeter Schriftgelehrter und Pharisäer. Wir wissen nicht, wann und wie er zu einem Anhänger Jesu wurde. Doch der aggressive Ton – gerade in Mt 23 – verdankt sich der Nähe zu seinen Gegnern. Familienstreitigkeiten sind in der Regel bis heute die schmerzlichsten. Siehe M. Hengel, Evangelien, 333–338 u. ö., siehe 362 Index.
548
IV. Das palästinische Judenchristentum
»Auf die Kathedra Moses (τῆς Μωϋσέως καθέδρας) haben sich die Schriftgelehrten und die Pharisäer gesetzt. Alles nun, was sie euch sagen, tut und haltet. Nach ihren Werken aber handelt nicht.«
Matthäus billigt den Schriftgelehrten und Pharisäern nicht nur Autorität in der Auslegung des Gesetzes und in der Rechtsprechung zu, sondern der matthäische Jesus ermahnt die Jünger auch, deren Entscheidungen und Weisungen zu befolgen. Die Schriftgelehrten haben sich zwar selbst auf die »Kathedra Moses« gesetzt, aber um des sozialen Friedens willen sollen die Gläubigen »tun und halten«, was sie sagen.6 »Die Jünger Jesu haben …. keinen [eigenen] Verkündigungsauftrag im Hinblick auf die Tora … Sie zu halten, bedeutet fortan dem Frieden (insbesondere innerhalb des Volkes Israel) zu dienen …, wie Jesus selbst an [ihr] … zum ›Diener der Beschneidung‹ (Röm 15,8) zu werden, um … [›möglichst viele‹ (τοὺς πλείονας)] zu gewinnen‹ (1 Kor 9,19f).«7
Diese Haltung entspricht dem Rat an die Jünger, die Tempelsteuer zu zahlen, um kein Ärgernis zu erregen, obwohl sie eigentlich nicht dazu verpflichtet sind.8 Die Jünger haben vielmehr die Aufgabe, die Gebote Jesu zu lehren (Mt 28,20). Matthäus spricht in Kapitel 23 die ›Familiensprache‹ der jüdischen Gelehrten seiner Zeit, der Weisen und Schriftgelehrten ( חכמיםund )ספרים, wie die rabbinische Literatur die Autoritäten dieser Zwischenzeit zwischen der Tempelzerstörung und dem Bar-Kochba-Aufstand nennt.9 Wahrscheinlich hat der Evangelist selbst eine schriftgelehrte Schulung in einem jüdischen Lehrhaus erhalten – und hat dort wohl auch eine Ausbildung in griechischer Sprache zur Exegese der Septuaginta bekommen. Mit der Bezeichnung »Schriftgelehrte und Pharisäer« für die Gegner projiziert Matthäus das Machtverhältnis der verschiedenen Religionsparteien zu seiner Zeit in die Zeit Jesu zurück.10 Auch in dem mit Matthäus etwa gleichzeitig abgefaßten Liber Antiquitatum Biblicarum heißen die Volksführer sapientes, und die Priesterschaft spielt keine große Rolle mehr.11 Matthäus nennt zumeist die 6 PesK 1,37, dazu H.-J. Becker, Kathedra, 44–51; weiter Dtn 17,10 f. in der rabbinischen Auslegung, dazu H.-J. Becker, Kathedra, 52–60. 7 R. Deines, Gerechtigkeit, 255 f. 8 Mt 17,24–27; vgl. dazu oben S. 256 bei Anm. 25. Vgl. M. Hengel, Schrifttum, in: KS VII, 239. 9 Dazu H.-J. Becker, Kathedra, 18–23. 10 M. Hengel, Evangelien, 333: »Matthäus [versetzt] die jüdischen Gegner seiner Zeit in die Zeit Jesu zurück …« Vgl. ders., Bergpredigt, 266 f. = KS II, 374 f. 11 Vgl. LibAnt 23,7; 40,4. Liber Antiquitatum Biblicarum ist wie 4. Esra, 2. Baruch und Paralipomena Jeremiae in der Zeit zwischen 80 und 130 n. Chr. verfaßt. Die Schrift war ursprünglich auf hebräisch geschrieben, ist aber nur in lateinischer Übersetzung erhalten. Am wahrscheinlichsten ist eine Entstehung um 100 n. Chr. Erzählt wird die Geschichte Israels von Adam und Eva bis zum Tod Sauls mit ständiger Warnung vor dem Abfall zum Götzendienst – eine Sünde, die Israel allzuoft begeht. Siehe dazu A. M. Schwemer, Eiferer, 50–74; zuletzt Z. Safrai,
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
549
Pharisäer gleichzeitig mit den Schriftgelehrten, weil sie bereits Gesprächspartner und Gegner Jesu waren. Die Jünger werden ermahnt, sich vorsichtig zu verhalten und jeden unnötigen Anstoß zu vermeiden. Sie sollen weder die Prügelstrafe in den Synagogen provozieren noch von sich aus riskieren, vor die lokalen Gerichte zitiert zu werden. Die Jünger haben im Matthäusevangelium keine Lehrhoheit in bezug auf die Tora. Diese besitzen die Pharisäer und Schriftgelehrten. Es gab Ehrensitze in den Synagogen, die archäologisch nachgewiesen sind und später in der rabbinischen Literatur auch mit dem griechischen Fremdwort »Kathedra« bezeichnet werden konnten. Mt 23,2 scheint neben LibAnt 11,8 (kathedra seniorum) der früheste schriftliche Beleg für solche Ehrensitze in den Synagogen zu sein.12 In LibAnt 11,8 wird das Sabbatgebot von Ex 20,8 mit der Weisung von Ps 107,32 verbunden und erklärt: »Du sollst keinerlei Arbeit an ihm [dem Sabbat] tun, du und die ganze Gemeinschaft derer, die für dich arbeiten, außer daß du in ihr [d. h. mit der Gemeinschaft] den Herrn lobst in der Versammlung der Ältesten und den Starken preisest auf dem Sitz der Alten.« Non facies in eo omne opus, tu et omnis operatio tua, nisi ut in ea laudes Dominum in ecclesia presbiterorum et glorifices Fortem in cathedra seniorum.13
Die Septuaginta übersetzt in Ps 107[106],32 qāhāl mit ἐκκλησία und môšab mit καθέδρα bzw. καθέδραι, darin folgen ihr die lateinischen Übersetzungen. Das Sitzen (ἐκάθισαν) der »Pharisäer und Schriftgelehrten« hätte man sich dann ganz analog dazu vorzustellen, wie Jesus sich nach der Schriftlesung zu Predigt und Lehrunterweisung in Lk 4,20 gesetzt hat (ἐκάθισεν). Doch bei der »Kathedra Moses« scheint es sich nicht einfach um den Sitz des in der Synagoge lehrenden Predigers oder einen Ehrensitz oder eine Versammlung von Ältesten und Weisen zu handeln. Zudem werden die Ehrensitze in den Synagogen (πρωτοκαθεδρίας ἐν ταῖς συναγωγαῖς) in V. 6 expressis verbis von Matthäus im Plural genannt. Der einzige Beleg für die »Kathedra Moses« in der rabbinischen Literatur deutet auf einen anderen Zusammenhang hin: In PesK Liber Antiquitatum Biblicarum, 410 ff., der auf die Bedeutung der »Weisen« in dieser Schrift hinweist, die die Priesterschaft verdrängt haben (410): »their election was abrogated because of their sins«; 411: »the author of LAB gives the sapientes that same exclusive role as did the rabbis from Yavne onward« (Hervorhebung im Original). 12 Siehe C. S. Spigel, Synagogue, 38–42. Die frühesten erhaltenen »stone chairs« aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. fanden sich in der Synagoge von Delos; andere Exemplare in den Synagogen in Palästina sind in das 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. zu datieren. Vermutlich waren auch derartige Ehrensitze oft aus Holz – wie auch anderes Synagogenmobiliar – und sind deshalb archäologisch nicht mehr nachweisbar. Entsprechende Ehrensitze gab es dann natürlich auch in den christlichen Kirchen. 13 SC 229, 122 ed. Harrington / Cazeaux: Übereinstimmungen mit Ex 20,8 und Ps 107,32 sind kursiv hervorgehoben wie in der Textausgabe von D. J. Harrington / J. Cazeaux; vgl. Z. Safrai, Liber Antiquitatum Biblicarum, 411: »The text does not say who the elders are, but … they are clearly not the priests. They might well be sages, though they could also be dignitaries of the community.«
550
IV. Das palästinische Judenchristentum
1,7 wird der siebenstufige Thron Salomos beschrieben. Den einzelnen Stufen werden Sätze aus Dtn 16 und 17 zugeordnet, und jede Stufe hat einen Sitz. Aber bei der höchsten Stufe heißt es: »Er gelangte zu dem Sitz auf der siebten Stufe – da sagte er zu ihm: Wisse, vor wem du sitzest!14 Und seine Rückenlehne war rund. R. Acha sagte: Wie die Kathedra des Mose.«15
Wahrscheinlich war diese »Kathedra des Mose« nicht ein Sitz, auf dem der Prediger saß, um zu lehren, sondern der Sitz, auf dem während des Gottesdienstes die Torarolle nach der Lesung aufgestellt wurde. Leir Y. Rahmani16 hatte das schon vorgeschlagen und auf die Ähnlichkeit mit den paganen »empty thrones« hingewiesen.17 Eric Ottenheijm hat dies jetzt wieder aufgegriffen: »Rather than a chair for preachers, textual data suggest that the ›seat of Moses‹ meant a resting place for the Tora scroll.«18 Dafür, daß Matthäus speziell an diese »Kathedra Moses« denkt, spricht auch der Singular. Wenn dieser »Sitz« der Tora gemeint ist, dann ist die Formulierung wesentlich prätentiöser und polemischer.19 Aber ob nun an den Sitz des Predigers in der Synagoge oder an einen Sitz in 14 Das ist kein Deuteronomium-Zitat, sondern eine verkürzte und abgewandelte Form von mAv 3,1: »… Bedenke drei Dinge, und du wirst nicht in eine Übertretung geraten: Wisse, woher du gekommen bist, wohin du gehst und vor wem du künftig Rechenschaft abzulegen hast. Woher bist du gekommen? Aus einem übelriechenden Tropfen. Und wohin gehst du? An einen Ort des Staubes, der Made und des Wurms. Und vor wem legst du künftig Rechenschaft ab? Vor dem König der Könige, dem Heiligen, gepriesen sei er.« Siehe H.-J. Becker, Kathedra, 45. 15 Zu Übersetzung und Kommentar siehe H.-J. Becker, Kathedra, 44 f.; L. Y. Rahmani, Stone Synagogue Chairs, 198. R. Acha wird in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts datiert; zu Mt 23,2 verweist Rahmani auf die Thronvision Moses in der Exagoge des Tragikers Ezechiel, 68–89 = Frag. 6 und 7 (Text: C. R. Holladay, Hellenistic Jewish Authors II, 362–367; Übersetzung: E. Vogt, Tragiker Ezechiel, 124 f.). Doch diese Vision verheißt Mose, daß er als Richter herrschen und die Menschen anführen wird und dabei das Weltall und alle Zeiten überblickt, das hat mit Mt 23,2 wenig zu tun. 16 L. Y. Rahmani, Stone Synagogue Chairs. 17 L. Y. Rahmani, Stone Synagogue Chairs, 204: »small votive chairs, have turned up in Syria and Lebanon, ranging from about the second century B. C. E. to the third century C. E.« Das Konzept von »empty thrones« wurde in den hellenistischen Herrscherkult und später in die christlichen Kirchen übernommen, dazu L. Y. Rahmani, Stone Synagogue Chairs, 205 ff.; anders L. I. Levine, Synagogue, 323–327, der Rahmanis Lösungsvorschlag ablehnt: »it is more probable that the cathedra was merely a piece of furniture on which an important person sat, as was the case elsewhere in the ancient world« (327). 18 E. Ottenheijm, Matthew and Yavne, 392; die syrischen Übersetzungen verwenden in Mt 23,2 kursia für das griechische καθέδρα; im Babylonischen Talmud (bMeg 26b) wird kursia erwähnt: »a wooden throne used as the resting-place of a Tora scroll during the service« (E. Ottenheijm, Matthew and Yavne, 392). C. E. Carlston (in: ders. / C. A. Evans, Synagogue, 136) bleibt in dieser Frage unentschieden. 19 Vgl. C. E. Carlston / C. A. Evans, Synagogue, 136 Anm. 32; E. Ottenheijm, Matthew and Yavne, 393 f.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
551
der Nähe der Bema und des Toraschreins, auf dem die Torarolle während des Gottesdienstes aufgestellt ruhte,20 gedacht ist, die Bedeutung bei Matthäus ist klar: Die Schriftgelehrten und Pharisäer beanspruchen die Vollmacht, mit ihrer Auslegung der Tora Moses dem Volk zu »sagen«, was es zu tun und zu lassen hat – vermutlich vermeidet Matthäus es absichtlich, den Terminus »lehren« zu verwenden.21 Doch daß es um die Lehre ging, betonten schon die Ausleger in der Alten Kirche und erklärten diese zum Teil mit Ps 1,1 (καθέδραν λοιμῶν bzw. kathedra pestilentiae / pestilentium).22 In den pseudoklementinischen Homilien, auf die Ottenheijm nicht eingeht, wird die »Kathedra Moses« nicht so kritisch gesehen: »18,2. … Aber du hast nicht gefragt, wem die Zeit des Königtums gehört und wem die Kathedra der Weissagung, obwohl er sich selbst zu erkennen gibt, wenn er sagt: ›Auf die Kathedra des Mose haben sich die Schriftgelehrten und Pharisäer gesetzt; hört auf sie in allem, was sie euch sagen!‹ (Mt 23,2–3) 18,3. ›Auf sie‹ aber sagte er, weil ihnen der Schlüssel des Königreichs anvertraut ist, nämlich die Erkenntnis, die allein das Tor des Lebens öffnen kann, durch das allein der Eintritt ins ewige Leben möglich ist (vgl. Mt 7,14; Joh 10,7–10). ›Allerdings‹, so sagt er, ›halten sie den Schlüssel fest und reichen ihn nicht denjenigen, die eintreten wollen (vgl. Mt 23,13/Lk 11,52).‹ 19,1. Deshalb, so sage ich, erhob er [d. h. Jesus] sich von seiner Kathedra. Indem er wie ein Vater zum Besten seiner Kinder verkündigte, was seit Ewigkeit im verborgenen den Würdigen überliefert wird, dehnte er das Erbarmen auch auf die Heiden aus, und indem er sich der Seelen aller Menschen erbarmte, vernachlässigte er sein eigenes Blut.«23
Jesus ist hier die Inkarnation des wahren Profeten wie vor ihm Adam und Mose. Er erklärt, daß den Schriftgelehrten und Pharisäern eigentlich der Schlüssel der βασιλεία anvertraut ist, daß sie diese Erkenntnis jedoch den Eintrittswilligen verweigern. Deshalb erhob sich Jesus als der wahre Profet von seiner Kathedra 20 Ein solcher Sitz aus dem späten 4. Jahrhundert wurde in der Synagoge in Horvat Kur in Galilaea in situ entdeckt »near the bema«; dazu E. Ottenheijm, Matthew and Yavne, 389 ff. (mit Fotos). 21 Vom διδάσκειν der Schriftgelehrten und Pharisäer ist nur in Mt 15,9 mit Zitat von Jes 29,13 im negativen Sinn die Rede. Mt 16,12 warnt direkt vor der διδαχή der Pharisäer und Schriftgelehrten. 22 E. Ottenheijm, Matthew and Yavne, 393 Anm. 69–70, verweist auf Asterius Sophistes, Frag. in Ps 1,1 (= Oxford, Bodleian Library Cod. Baroccianus 235, f. 14r) (SO.S 16, 249,17 ff. ed. Richard): »the seat clearly means teaching, as he [d. h. Matthäus] says: on the seat of Moses; this is the teaching of the pestilent lawbreakers«; Athanasius, Expositiones in Psalmos 1,1 (PG 27, 60,32); Didymus der Blinde, Comm. in Job 12,1–16,8, p. 327 (PTA 33/1, 68,16 ff. ed. Hagedorn / Hagedorn / Koenen); Cyrill von Jerusalem, Catecheses ad illuminandos 12,23 (Cyrilli Hierosolymarum archiepiscopi opera quae supersunt omnia II, 32 Reischl / Rupp): οὐ γὰρ τὴν ξυλίνην καθέδραν, ἀλλὰ τῆς διδασκαλίας σημαίνει τὴν ἐξουσίαν. 23 PsClem H 3,18,2–3,19,1 (GCS Pseudoklementinen I, 63,6–15 ed. Rehm / Strecker; Übersetzung: J. Wehnert, Klemensroman, 91). Vgl. auch PsClem R 2,46,3–5 (GCS Pseudoklementinen II, 79,14–26 ed. Rehm / Strecker); EvThom 39.102; dazu U. Luz, Mt III, 311.
552
IV. Das palästinische Judenchristentum
und schenkte die Erkenntnis sogar so reichlich den Völkern, daß er sich um »sein eigenes Blut«24 nicht kümmerte. Der Gegensatz zu den Völkern könnte dafür sprechen, daß mit »Blut« seine leibliche Verwandtschaft, das jüdische Volk, gemeint ist. Doch da es um die Rettung aller Seelen geht, wird eher nicht an die Vernachlässigung der Juden zugunsten der Heiden gedacht sein, sondern daran, daß Jesus sein Leben nicht schonte. Auf jeden Fall wird die Schärfe der Polemik in Mt 23 abgemildert. Das zeigt sich auch in PsClem H 3,70,2: »Ehrt also den Thron Christi! Denn sogar die Kathedra des Mose zu ehren hat er euch befohlen, auch wenn die, die darauf sitzen, als Sünder gelten.«25
Der Thron Christi entspricht an dieser Stelle dem Thron des Bischofs; denn die Ehre, die man dem Bischof erweist, »wird auf Christus übertragen und von Christus auf Gott«.26 Der Vorwurf gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer wird mit κἂν ἁμαρτωλοὶ νομίζωνται – einem Eventualis – deutlich abgeschwächt gegenüber Matthäus: »auch falls / wenn sie für Sünder gehalten werden«. Die mit der unerhört scharfen Invektive von Matthäus bedachten Gegner werden hier nicht einmal generell als Sünder eingestuft. Die dritte Stelle in den pseudoklemtinischen Homilien, die auf Mt 23,2 eingeht, beschäftigt sich mit dem Vorwurf der Heuchelei. Diesen läßt man nicht unkorrigiert stehen: »Unser Lehrer hat nämlich einige der Pharisäer und Schriftgelehrten unter uns, die Abgesonderte27 sind und als Schriftgelehrte die Gesetze besser kennen als alle anderen, dennoch als Heuchler überführt, weil sie nur das, was den Menschen sichtbar ist, reinigten … Folgende gezielte Worte richtete er in Wahrheit an die Heuchler unter ihnen, nicht an alle. Denn von einigen sagte er auch, dass man auf sie hören müsse, weil ihnen die Kathedra des Mose anvertraut wurde … Zu den Heuchlern sagte er jedoch: ›Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler …‹«28
Die judenchristliche Lehre, die sich hier erhalten hat, unterscheidet zwischen Pharisäern, denen die Kathedra Moses anvertraut wurde und auf die man hören muß, und Pharisäern, die Heuchler sind. Nicht alle Pharisäer sind Heuchler! 24 Vgl. J. Wehnert, Klemensroman, 91 Anm. 75: »Doppeldeutige Formulierung. Jesu ›Blut‹ kann sich sowohl auf sein Leben als auch auf seine Verwandtschaft (das jüdische Volk) beziehen.« 25 GCS Pseudoklementinen I, 82,12 ff. ed. Rehm / Strecker; vgl. zur Übersetzung: J. Wehnert, Klemensroman, 113. 26 PsClem H 3,70,1 (GCS Pseudoklementinen I, 82,10 f. ed. Rehm / Strecker; Übersetzung: J. Wehnert, Klemensroman, 113). 27 J. Wehnert, Klemensroman, 208 Anm. 207: »›Abgesonderte‹ ist Übersetzung des hebräischen Wortes ›Pharisäer‹.« 28 PsClem H 11,28,4–11,29,2 (GCS Pseudoklementinen I, 168,11–21 ed. Rehm / Strecker; Übersetzung J. Wehnert, Klemensroman, 208 f.). Vgl. PsClem R 6,11,2 f. (GCS Pseudoklementinen II, 193,24–194,6 ed. Rehm / Strecker).
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
553
Darauf kommt es den pseudoklementinischen Homilien an. An dieser Stelle läßt sich die judenchristliche Auslegung von Mt 23 deutlich erkennen, aber auch die beiden vorigen Zitate wird man dieser Tradition zuordnen können. Diese Exegese geht von der Lehre vom »wahren Profeten« aus. Der wahre Profet hat sich in Adam, Mose und Jesus inkarniert. Diejenigen Pharisäer, denen die Kathedra Moses anvertraut ist, stehen weiterhin in der successio Mosaica: »The True Prophet, in other words, took on the form of Jesus precisely to reveal prophetic truths to Gentiles. Just as the Homilies here depict the ›seat of prophecy‹ … as the source of salvific knowledge and describe the True Prophet as rising from his seat to come to earth, so the reader is assured that his teachings are still transmitted on earth through parallel lines of prophetic succession – with the Pharisees in the ›seat of Moses‹ (… 3.18–19; 3.70; 11:29) and Peter’s bishops in the ›seat of Christ‹ (… 3.60).«29
Matthäus dagegen unterscheidet zwischen den akzeptablen Lehren hinsichtlich der Auslegung des Gesetzes und der völlig inakzeptablen Praxis, die er den »Schriftgelehrten und Pharisäern« vorwirft. Sie werden bei Matthäus durchgehend als »Heuchler« beschimpft.30 Sie handeln nicht einmal nach ihren eigenen Maximen, sondern legen dem Volk mit ihren Gesetzesauslegungen schwere Lasten auf. Dabei streben sie nur nach äußerem Ansehen beim Volk: Sie machen ihre Phylakterien breit und die Quasten an den Mänteln lang, sie lieben den Vorsitz bei Gastmählern und in den Synagogen31 und lassen sich in der Öffent-
29 A. Y. Reed, »Jewish Christianity« as Counter-history, 193; vgl. 195: »They … also affirm Jewish claims to continuity and connection with the same past. The result is a surprisingly harmonious picture of Judaism and Christianity«; vgl. dies., Rethinking, 367: »If the Homilies’ reference to Pharisees as trustworthy tradents of ethical monotheism and oral ›explanations of the Law‹ in unbroken succession from Moses (e. g. Ps.-Clem. Hom. 2.38; 3.18–19; 11.29; also Ep. Pet. 1–2) encode late antique rabbis, for instance, their function is to articulate Christianity as an ancient prophetic truth like Judaism, waging a common battle against idolatry, polytheism, Greek philosophy …«. 30 Vgl. Mk 7,6 (1mal gegen Pharisäer und Schriftgelehrte); Lk 12,1 (1mal gegen die Heuchelei der Pharisäer); anders Mt 6,2.5.16; 7,5 (4mal in der Bergpredigt ohne die explizite Nennung der Pharisäer); 15,7; 22,18; 23,13.[14].15.23.25.27.29 (8mal als Bezeichnung für Pharisäer bzw. Schriftgelehrte und Pharisäer); 24,51: Am Ende des Gleichnisses befinden sich die Heuchler an dem Ort, wo »Heulen und Zähneklappern« herrscht, vgl. Mt 8,12 par.; 13,42.50; 22,13; 25,30; dazu LXX Ps 111,10. Durch das Gewicht von Mt 23 gilt die Bezeichnung »Heuchler« auch in der Bergpredigt pharisäischem Verhalten. In der Didache wirkt der Sprachgebrauch des Matthäus nach; mit »Heuchler« werden in der Didache polemisch fromme Juden bezeichnet, deren Praxis Christen beim Fasten und Beten nicht folgen sollen (Did 8,1 f.); vgl. die Verwerfung der Heuchelei in der Zwei-Wege-Lehre (Did 4,12; 5,1). Die Septuaginta übersetzt »( חנףFrevler / Gottloser«) mit ὑποκριτής; zur Bedeutungsgeschichte siehe U. Wilckens, Art. ὑποκρίνομαι κτλ., ThWNT VIII (1969), 560–571. Vgl. auch unten S. 591 zu Did 8,3. 31 Das erinnert an Jak 2,1; daher unter anderem die oft vermutete enge Beziehung zwischen Matthäusevangelium und Jakobusbrief.
554
IV. Das palästinische Judenchristentum
lichkeit ehrenvoll mit den Titeln »Rabbi«,32 »Vater«, das heißt »Abba«,33 und »Lehrer« begrüßen.34 All das sollen die Anhänger Jesu nicht tun. Keiner soll als Lehrer für sich Autorität und Ehrentitel beanspruchen, sondern nach dem Vorbild ihres einzigen Lehrers, Jesus, als διάκονος den Brüdern dienen. Hans-Jürgen Becker hat gezeigt, daß diese Polemik gerade kein getreues Bild vom tatsächlichen Verhalten der pharisäisch-rabbinischen Gelehrten zeichnet, sondern daß »es sich bei den Vorwürfen der Heuchelei und falschen Eitelkeit … um Topoi [handelt], die die Evangelientradition aus dem Pharisäismus übernommen hat … Mit anderen Worten, was Matthäus als typisch pharisäisch brandmarkt, wurde von den Pharisäern nicht weniger scharf verurteilt.«35 Matthäus verbindet in dieser Rede Mk 12,38 ff. mit der älteren Reihe der Weherufe gegen die Pharisäer und Gesetzeslehrer in Lk 11,39–52 und der Warnung vor den Schriftgelehrten in Lk 20,45 f., die er aus dem Lukasevangelium übernimmt und neu ordnet, mit eigenem Sondergut und ›redaktionellen‹ Ergänzungen.36 Er bildet daraus eine Reihe von sich steigernden sieben Weherufen. Dabei werden die Gegner fünfmal zusätzlich mit »Heuchler« apostrophiert: »Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler«. Die »Heuchler« sind eine typisch matthäische Zutat zu den Weherufen bei Lukas. Der siebte und letzte Weheruf lautet: »Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler. Ihr baut die Gräber der Profeten und schmückt die Grabmäler der Gerechten und sagt: ›Hätten wir in den Tagen unserer Väter gelebt, wären wir nicht gemeinsam mit ihnen am Blut der Profeten schuldig geworden.‹ Daher stellt ihr euch selbst das Zeugnis aus, daß ihr die Söhne seid der Mörder der Profeten!«37 32 Mt 23,8–12; vgl. M. Hengel, Evangelien, 338: »Ein wohl ebenfalls redaktioneller Matthäustext ist 23,8, wo der institutionalisierte Gebrauch der Ehrenanrede ›Rabbi‹ für den anerkannten Gelehrten bereits vorausgesetzt wird. Im Gegensatz zu der mehrfachen Anrede ›Rabbi‹ … bei Markus und Johannes legt Matthäus diese ursprüngliche Ehrenanrede nur noch abwertend dem Verräter Judas in den Mund [26,25.49].« Nach 70 wurde Rabbi zum »festen Titel des Schriftgelehrten …, der als solcher von den Autoritäten in Jabne anerkannt wurde« (Hervorhebung im Original). 33 Den Titel »Abba« tragen eine ganze Reihe Gelehrter im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr.; vgl. Bill. I, 919; E. Ottenheijm, Matthew and Yavne, 396. 34 Vgl. dazu die Warnungen in Jak 2,1 ff.; 3,1 f. M. Hengel, Evangelien, 339, nimmt an, daß sich Matthäus auch mit »christliche[n] Ansprüche[n] auf Ehrentitel in den Gemeinden etwa im Zusammenhang mit dem Aufkommen des monarchischen Episkopats« auseinandersetzt und diese zurückweist. 35 F. Avemarie, Judentum, 17. 36 M. Hengel, Evangelien, 337: »Vermutlich stammt die programmatische Einleitung in Mt 23,1–3 im Anschluß an Mk 12,37b–38 und Lk 20,45 f. vom Evangelisten selbst. Man spürt hier ebenso seine redaktionelle Hand wie in der Einleitung zu den Antithesen der Bergpredigt Mt 5,20 oder in der Polemik gegen die (pharisäischen) Heuchler Mt 6,1–18.« 37 Mt 23,29 ff.; siehe dazu A. M. Schwemer, Vitae Prophetarum und Neues Testament, 210 f.; J. A. Kelhoffer, Persecution, 246–250.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
555
Das Logion findet sich auch bei Lukas.38 Bei ihm zielt der Vorwurf (συνευδοκεῖτε τοῖς ἐργοῖς τῶν πατέρων ὑμῶν) darauf, daß die jüdischen Gegner (bei Lukas sind es νομικοί) nicht nur einverstanden sind mit den Verbrechen ihrer Väter, sondern jetzt – auch bei Lukas spricht Jesus – selber im Begriff sind, zu Tätern zu werden. Matthäus verschärft aus der Sicht seiner späteren Zeit die Polemik, denn bei ihm endet dieser Weheruf mit der profetischen Gerichtsdrohung: »Ihr habt das Maß eurer Väter vollgemacht. Schlangen und Otternbrut, wie wollt ihr dem Gericht der Gehenna entkommen?«39
Die schon zweimal im ersten Evangelium gegen die Führer des Volkes verwendete Beschimpfung γεννήματα ἐχιδνῶν wird mit dem Zusatz ὄφεις verdoppelt, denn nun droht das Gericht den Schriftgelehrten und Pharisäern unausweichlich. Sie sind als Heuchler und falsche Führer dafür verantwortlich, daß diejenigen im Volk, die glauben wollen, nicht zum Glauben kommen. Aus diesem Grund sind »sie verantwortlich für den Unglauben ›dieser Generation‹«.40 Sie sind damit letztlich dafür verantwortlich, daß ›diese Generation‹ schuldig wird und mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels bestraft wird. Auch das Volk macht sich durch seinen Unglauben schuldig, wie aus der Fortführung in Mt 23,36–39 deutlich wird.41 Hinter diesen scharfen Anklagen steht eine akute Auseinandersetzung, die in der Gegenwart des Evangelisten und seiner Leser geführt wird. Dabei versetzt der Evangelist seine Gegner zurück in die Zeit Jesu. Ja, man kann sagen: »Mt 23
Lk 11,47 f. 23,33. Vgl. Mt 3,7; 12,34; Lk 3,7: Die Führer – Sadduzäer und Pharisäer – des Volkes werden zuerst von Johannes dem Täufer als γεννήματα ἐχιδνῶν (Mt 3,7/Lk 3,7) gescholten und mit dem Gericht bedroht; in Mt 12,34 wendet sich Jesus mit γεννήματα ἐχιδνῶν im Streitgespräch gegen die Pharisäer. 40 So R. Deines, Gerechtigkeit, 117 Anm. 55. 41 Vgl. J. A. Kelhoffer, Persecution, 250: »In effect, Matthew complements the several condemnations against the scribes and Pharisees with a generalization of judgment that will befall ›this generation‹ and Jerusalem.« H.-J. Becker, Kathedra, 235: »Mt … deutet … mit 23,34 bereits an, daß er diese Schuld mit der Zerstörung Jerusalems nicht für gesühnt hält. Vielmehr tragen nach Mt die nicht christlichen Weisen sowie alle, die ihnen folgen (vgl. 23,13.15), nach 70 die Schuld weiter und bezeugen dies durch ihre Verfolgung der christlichen Gemeinde.« Vgl. auch C. E. Carlston / C. A. Evans, Synagogue, 257 Anm. 42: »But this means only that Matthew should be read in the light of Old Testament usage and not as implying an everlasting curse by this phrase«. Das heißt, »diese Generation« bedeutet: die »jetzt Lebenden«, was identisch ist mit »bis ins dritte und vierte Glied«. Hartmut Gese zitierte, um den Ausdruck »diese Generation« zu veranschaulichen, seinen Studenten Gustav Schwabs »Urahne, Großmutter, Mutter und Kind …«. Matthäus rechnete mit der baldigen Wiederkunft Christi und dem direkt bevorstehenden Gericht. 38
39 Mt
556
IV. Das palästinische Judenchristentum
wäre ohne eine akute Auseinandersetzung mit den jüdischen Führern nicht geschrieben worden.«42 Schon oben bei der Beschreibung der zunehmenden Verfolgung der Judenchristen in Palästina waren wir immer wieder auf Texte gestoßen, die nicht nur eine wachsende Entfremdung erkennen ließen, sondern auch eine aggressive Ausgrenzung. So wird z. B. in der Seligpreisung Lk 6,22 ausdrücklich auch ἀφορίζω und ἐκβάλλω verwendet: »Selig seid ihr, wenn (ὅταν) euch die Menschen hassen und wenn (ὅταν) sie euch ausstoßen (ἀφορίσωσιν) und beschimpfen (ὀνειδίσωσιν) und euren Namen verwerfen (ἐκβάλωσιν) als etwas Schlechtes um des Menschensohnes willen.«43
Lukas schreibt sein Evangelium um 75–80 und verwendet wahrscheinlich Jesusüberlieferung und Traditionen, die er selbst in der Zeit zwischen 57 und 60 in Jerusalem und Palästina gesammelt hat. In der Apostelgeschichte, die er ein paar Jahre später als das Evangelium verfaßt hat, schildert er immer wieder Situationen, in denen genau dieses »Ausstoßen«, »Schmähen« und »Verwerfen« geschieht. Vor allem Paulus hatte – nachdem er vom Verfolger zum Verfolgten geworden war – unter dieser Ablehnung durch seine Volksgenossen zu leiden, die dann schließlich zu seiner Inhaftierung in Jerusalem und zum Prozeß führten. Auch der Streit um die Beschneidung der Heidenchristen begann in Jerusalem. Dort begegnet Paulus dem Verdacht von Judenchristen, daß er den Abfall vom Gesetz lehre (Apg 21,20 f.). Daher kommt Peter J. Tomson zu dem Schluß: »The message Luke’s story generates is that the gospel could peacefully spread among Jews and non-Jews, if it were not for developments among Jews and Jewish believers from Judaea causing separation.«44
Matthäus, der gut 15 Jahre später als Lukas in Nordpalästina bzw. Syrien schreibt, stellt diese Seligpreisung aus Lk 6,22 – betont mit Achtergewicht – ans Ende seiner Reihe der Makarismen, die die Bergpredigt einleiten (Mt 5,11 f.). Er formt um und betont die Verfolgung nicht durch die verschiedenen konkreten feindlichen Aktionen der Gegner, sondern mit der dreifachen Wiederholung des Motivworts διώκειν auf seine Art noch stärker.45 Er nimmt das Logion Lk 6,22 verkürzt auf und stellt es hinter den seiner Christologie entsprechenden Makarismus (5,10):
M. Hengel, Bergpredigt, 375 = KS II, 267 (Hervorhebung im Original). Dazu oben S. 433 und unten S. 577 f. bei Anm. 164–165 sowie S. 592 bei Anm. 238; vgl. weiter Jak 2,7, dazu oben S. 105 Anm. 48 und S. 434 Anm. 74. Vgl. W. Horbury, Extirpation and Excommunication, 53; ders., Jewish-Christian Relations, 160. 44 P. J. Tomson, Josephus, Luke-Acts, 446. 45 Siehe dazu schon oben S. 436 und 438. 42 43
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
557
»Selig sind, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen [d. h. um Christi willen], denn ihrer ist das Himmelreich.«46
Während Lukas die Kontinuität der Täter (»dasselbe taten ihre Väter den Profeten«) stärker betont, liegt bei Matthäus das Gewicht eher auf demselben Leiden, der Verfolgung mit tödlichem Ausgang. Den Verfolgern steht dann das Gericht unmittelbar bevor. Denn nach dem letzten Weheruf innerhalb von Kapitel 23, der den Schriftgelehrten und Pharisäern das Gericht angekündigt hatte, fährt Matthäus in der Ich-Rede Jesu fort:47 »Deshalb siehe, ich sende zu euch Profeten und Weise und Schriftgelehrte. Einige von ihnen werdet ihr töten und kreuzigen, einige aber werdet ihr geißeln in euren Synagogen und werdet sie von Stadt zu Stadt verfolgen, damit alles gerechte Blut, das auf der Erde vergossen ist, auf euch komme, vom Blut Abels, des Gerechten, bis hin zum Blut Sacharjas, des Sohnes des Barachja, den ihr getötet habt zwischen dem Tempel und dem Altar. Wahrlich, ich sage euch, das wird alles über diese Generation kommen. … Siehe, ›euer Haus soll euch wüst gelassen werden‹ (Jer 22,5; Ps 69,26).«48
Zunächst einmal ist mit Hans-Jürgen Becker festzuhalten: »Mt spricht prononciert von ›euren‹ bzw. ›ihren‹ Synagogen und weist, zum Teil im Zusammenhang damit, auf die Verfolgung durch rabbinische Instanzen hin, die die Gemeinde leidend erträgt.49 Von einer ›Zugehörigkeit zum Synagogenverband‹ … kann darum allenfalls im Sinne der jurisdiktionellen Zuständigkeit des rabbinischen Bet Din gesprochen werden. Ein theologisches Gespräch findet nicht mehr statt; vielmehr ist bei Mt bereits die pauschalierende Polemik an die Stelle des Streitgesprächs getreten, wie vor allem die Weherufe in Mt 23 eindringlich dokumentieren.«50
Auch die Version der Sacharjalegende, die Matthäus für seine Erklärung der Tempelzerstörung anführt, zeigt zwar enge Verwandtschaft mit der rabbinischen Auslegungstradition, schildert das Geschehen aber aus einer völlig anderen Perspektive. Dabei geht es um den gewaltsamen Tod des Profeten Sacharja im Tempel (2 Chr 24,21 f.). Matthäus und die rabbinische Haggada sehen die Zerstörung des Ersten und des Zweiten Tempels als einen einzigen Vorgang. In der frühjüdischen Version der Legende, die vor der Zerstörung des Zweiten Tempels entstanden ist, hat das Haus David mit diesem Mord Blutschuld auf sich geladen, 46 Siehe dazu R. Deines, Gerechtigkeit, 155–158. 1 Petr 4,14 nimmt den Makarismus in der lukanischen Form auf, und in EvThom 68 wird Lk 6,22 f. verwendet, um die Flucht nach Pella anzudeuten. 47 In Lk 11,49 ff. spricht die Weisheit Gottes. 48 Mt 23,34–38; vgl. schon oben Anm. 41. 49 Mt 9,35; 10,17; 12,9; 13,54 und 23,34 – alles matthäische Redaktion. 50 H.-J. Becker, Kathedra, 102 f.
558
IV. Das palästinische Judenchristentum
und diese lastet weiterhin auch auf dem Tempel als dem Ort des Geschehens.51 In der rabbinischen Legende sprudelt das Blut Sacharjas ungestillt auf dem Tempelplatz, als das babylonische Heer anrückt. Nevuzaradan52 will den Grund wissen. Das ganze Volk gesteht nach anfänglichem Zögern den Mord an dem Profeten und nimmt diese Schuld auf sich, und die Blüte des Volkes, die Priesterjünglinge, sterben stellvertretend zur Sühne. Das große Blutvergießen, das nun folgt – nicht nur Schlachttiere, sondern achtzigtausend Priesternachkommen werden über dem Blut Sacharjas von Nevuzaradan getötet, um es zu stillen –, nimmt erst ein Ende, als selbst Nevuzaradan entsetzt genug davon hat. Da erst wurde »sofort … der Heilige, gepriesen sei er, von Erbarmen erfüllt …«.53 Matthäus spricht nicht nur von »euren Synagogen«, sondern weist auch jede Schuld an allem unschuldigen Blut von Abel bis hin zu Sacharja ben Jojada (ben Berechja), von denen im ersten und im letzten Buch der Schrift die Rede ist, allein den angesprochenen Gegnern zu.54 Die Strafe für all das wird »über diese Generation kommen«. Dem entspricht Mt 27,25, wenn das ganze Volk sagt: »Sein Blut [komme] auf uns und auf unsere Kinder« (dazu unten). Matthäus denkt an die Zerstörung Jerusalems und des Tempels, an die vielen Menschen, die in diesem Krieg umkamen, und die vielen, die danach in den Amphitheatern als Gladiatoren sterben mußten oder in die Sklaverei verkauft wurden, Ereignisse, die sich für ihn schon vor 20 bis 30 Jahren ereignet haben. Die verhängnisvolle Wirkungsgeschichte dieses Satzes im Laufe der Kirchengeschichte konnte er nicht ahnen. Er erwartet zudem das Jüngste Gericht in unmittelbarer zeitlicher Nähe. Zugleich »vertritt [er] damit die Perspektive einer Gemeinschaft, die der Synagoge bereits getrennt gegenübersteht und die selbst für die Untaten der jüdischen Geschichte keine Verantwortung zu übernehmen bereit ist«.55 Getrennt haben sie aus christlicher Sicht der Unglaube und die jahrzehntelange Verfolgung, mit der die »Schriftgelehrten und Pharisäer« als Repräsentanten und Führer des ganzen Volkes die Anhänger Jesu aus der 51 Eine frühjüdische Version der Sacharjageschichte hat sich in VitProph 23 erhalten, siehe A. M. Schwemer, Prophetenlegenden II, 283–321; dies., Vitae Prophetarum und Neues Testament, 214 ff. 52 Nevuzaradan ist der Oberste der Leibwache in Jer 39,9 ff., der Jeremia nach der Eroberung Jerusalems aus dem Gefängnis befreit, alle anderen Stadtbewohner aber gefangen nach Babel führt. 53 jTaan 69a, 65–71 (mit zahlreichen Parallelen); zur Übersetzung siehe A. Lehnardt, Taʿaniyot, 152 ff. 54 Zu den Chronikbüchern als den letzten Büchern des damaligen ›Kanons‹ der Schrift siehe A. M. Schwemer, Vitae Prophetarum und Neues Testament, 224 Anm. 98: 4QMMT C 11; Josephus, Ap. 1,40 f. 55 Zitat: H.-J. Becker, Zerstörung Jerusalems, 69. Anders J. D. G. Dunn, Neither Jew nor Greek, 637: »the condemnation in Matthew is not Israel, but Israel’s leadership«; die Polemik unterscheide sich nicht von der der Profeten und den Streitigkeiten der verschiedenen Religionsparteien zur Zeit des Zweiten Tempels.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
559
Gemeinschaft ausgeschlossen haben.56 Die (Juden‑)Christen verließen – um es noch einmal zu betonen – nicht freiwillig die Synagoge. Damit unterstreicht das Matthäusevangelium die Distanz – wenn man nicht einfach ›Trennung‹ sagen will – zwischen Judenchristen und Juden, die letztlich zur Ausstoßung der Judenchristen aus dem Judentum führte.
18.1.2 Die Abwehr jüdischer Polemik in der Passions‑ und Ostergeschichte bei Matthäus Diese Distanz zwischen Juden und Judenchristen erscheint auch in der Verhandlung vor Pilatus bei Matthäus. Der römische Statthalter wäscht seine Hände in Unschuld, aber das ganze Volk (πᾶς ὁ λαός) versichert: »Sein Blut (komme) auf uns und unsere Kinder.« Damit nimmt diese Generation des gesamten Volkes (abgesehen von den Anhängern Jesu) die Verantwortung für diese Hinrichtung auf sich.57 Das ist matthäisches Sondergut. Man erkennt hier zudem die Anfänge der legendären Pilatusüberlieferung.58 In der späteren Diskussion zwischen Juden und Judenchristen, wie sie sich etwa im Dialog des ›Juden des Kelsos‹ mit Jesus und seinen judenchristlichen Anhängern findet, insistiert der ›Jude‹ mit ungebrochenem Selbstbewußtsein, daß er und seine Volksgenossen Jesus völlig zu Recht mit dem Tod bestraft haben.59 Auch im sehr viel späteren Babylonischen Talmud – und dann entsprechend in den Toledot Jeshu – waren es die Rabbinen selbst, die dieses Todesurteil gefällt haben.60 56 Im Lukasevangelium und in der Apostelgeschichte, die eine frühere Phase schildern und diesen Vorgängen noch recht nahe stehen, sind die gefährlichsten Verfolger die Hohepriesterschaft, während das pharisäische ›Schulhaupt‹ Gamaliel zur Mäßigung und zum Abwarten rät. Doch auch der junge Paulus, ein Pharisäer, verfolgte die Jerusalemer Urgemeinde mit dem Vorsatz, sie zu vernichten. Es gab wohl auch einen durchgehenden Gegensatz zwischen Jesus und seinen Anhängern auf der einen und den Pharisäern auf der anderen Seite. 57 Mt 27,24 ff. 58 Zu den Pilatusakten im ersten Teil des Nikodemusevangeliums siehe M. Schärtl, Nikodemusevangelium, in: AcA I/1, 233–236.238.240; dies., Die sonstige Pilatusliteratur, in: AcA I/1, 262–269; weiter AcA I/2, 1443 Index s. v. »Pilatus«. 59 Origenes, Contra Celsum 2,4 (SVigChr 54, 79 f. ed. Marcovich); vgl. auch oben S. 534 mit Anm. 63. 60 bSan 43a; dazu P. Schäfer, Jesus im Talmud, 129–152: Nach dem Neuen Testament wurde Jesus nach römischem Recht verurteilt und gekreuzigt; der Talmud hält es für selbstverständlich, daß Jesus nach rabbinischem Recht nach einem fairen Verfahren als Zauberer, als einer, der Israel zum Götzendienst verführt und abtrünnig gemacht hat, hingerichtet wurde – also durch Steinigung und anschließendes Aufhängen. Peter Schäfer paraphrasiert den Text so (151): »Wir sind nicht die Mörder des Messias und Gottessohnes … Wir sind vielmehr die rechtmäßigen Vollstrecker des Urteils über einen Gotteslästerer und Götzendiener, der mit dem vollen Gewicht unseres Rechtes … verurteilt wurde. … wir [sind] hier mit einer Botschaft konfrontiert, die stolz und geradezu aggressiv die Beschuldigung der Christen, die Juden seien die Mörder Jesu, pariert.«
560
IV. Das palästinische Judenchristentum
In der Grabes‑ und Auferstehungsüberlieferung bei Matthäus begegnen wir der Verteidigung gegen jüdische Angriffe mit antijüdischer Polemik: Die Hohenpriester und die Pharisäer erbitten von Pilatus eine Wache am Grab, um zu verhindern, daß der Leichnam gestohlen wird und die Jünger behaupten können, Jesus sei auferstanden.61 Das Vorhaben, durch die Wache am Grab die Auferstehung zu verhindern, mißlingt natürlich, aber das Gerücht über den Diebstahl bleibt »bis zum heutigen Tag«,62 das heißt bis in die Zeit des Evangelisten. Man findet hier bei Matthäus Legende und Gegenlegende – wieder ein Beweis für die späte Abfassungszeit des ersten Evangeliums.63 Gewiß ist die Geschichte von den Grabwächtern kein »geschichtlicher Bericht«, doch ist es unwahrscheinlich, daß Matthäus diese polemische Legende selbst fingiert hat, um die Hohepriesterschaft endgültig zu demaskieren.64 Vielmehr war die Legende von den Grabwächtern und ihrer Bestechung durch die Priesterschaft die polemische Antwort auf die diffamierende Legende vom Leichendiebstahl der Jünger. Bei der Bitte der Hohepriesterschaft und der Pharisäer an Pilatus um Grabwächter erscheint auch erstmals der Vorwurf, daß Jesus ein πλάνoς, das heißt ein Volksverführer, gewesen sei.65 »Der abschließende Satz der Grabeswächterlegende: ›und diese Geschichte wurde unter den Juden verbreitet bis auf den heutigen Tag‹66 weist auf die Ausbildung einer antichristlichen jüdischen Jesusüberlieferung hin, die für den Evangelisten schon längere Zeit in Umlauf war und bei Markus und Lukas so noch nicht vorlag. Ihr wurde christlicherseits die Legende von den Grabeswächtern und ihrer Bestechung entgegengestellt, die für Matthäus noch den Vorteil hatte, die Wächter zu Zeugen der Auferstehung zu machen. Eine derartige polemische Legendenbildung setzt eine größere zeitliche Distanz voraus.«67
Der letzte Satz wurde von Martin Hengel kursiv hervorgehoben, denn diese Beobachtungen waren ihm wichtig für die späte Datierung des Matthäusevan geliums in die 90er Jahre. Auch die Betonung, daß diese Gerüchte unter »Juden« verbreitet sind, zeigt die Distanz zwischen Matthäus und der Kirche seiner 61 Mt 27,62–66; vgl. G. N. Stanton, Matthew’s Christology, 101 f. Vgl. Justin, Dial. 108,2 (PTS 47, 255,8–15 ed. Marcovich): αἵρεσίς τις ἄθεος καὶ ἄνομος ἐγήγερται ἀπὸ Ἰησοῦ τινος Γαλιλαίου πλάνου, ὃν σταυρωσάντων ἡμῶν οἱ μαθηταὶ αὐτοῦ κλέψαντες αὐτὸν ἀπὸ τοῦ μνήματος νυκτός, ὁπόθι κατετέθη ἀφηλωθεὶς ἀπὸ τοῦ σταυροῦ, πλανῶσι τοὺς ἀνθρώπους λέγοντες ἐγηγέρθαι αὐτὸν ἐκ νεκρῶν καὶ εἰς οὐρανὸν ἀνεληλυθέναι ‹καὶ› κατειπόντας δεδιδαχέναι ‹αὐτὸν› [καὶ] ταῦτα, ἅπερ κατὰ τῶν ὁμολογούντων Χριστὸν καὶ διδάσκαλον καὶ υἱὸν θεοῦ εἶναι παντὶ γένει ἀνθρώπων ἄθεα καὶ ἄνομα καὶ ἀνόσια λέγετε. Vgl. Dial. 69,6 f. (PTS 47, 190,34–191,45 ed. Marcovich). 62 Mt 28,4.11–15. 63 Siehe M. Hengel, Evangelien, 343. 64 Gegen U. Luz, Mt IV, 426. 65 Mt 27,63. Zu diesem Vorwurf gegen Jakobus in der Hegesipp-Legende siehe oben S. 502 und 506. 66 Mt 28,15, vgl. 27,8; dazu G. N. Stanton, Matthew’s Christology. 67 M. Hengel, Evangelien, 343.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
561
Zeit zur Synagoge.68 Noch weiter geht die entsprechende spätere Ausgestaltung dieser Legende im Petrusevangelium.69 Während hier das einfache Volk verhältnismäßig bald angesichts von Sonnenfinsternis und Erdbeben beim Tod Jesu dies als große Zeichen und ihn als großen Gerechten erkennt und »murrte, man sich an die Brust schlug« (28), gerieten die Ältesten und Priester immer mehr in Furcht und Bedrängnis. Die Ältesten intervenierten bei Pilatus, um zu verhindern, daß die Grabwächter, ein Centurio und Soldaten, die Auferstehung bekanntmachten, obwohl sie auch selbst Zeugen davon sein mußten. Sie baten Pilatus, den Soldaten zu befehlen, nichts davon zu erzählen. Sie begründen dies so: »Es ist nämlich besser für uns …, wegen der größten Sünde vor Gott schuldig zu sein, als in die Hände der Juden zu fallen und gesteinigt zu werden.« Das einfache Volk wird nicht völlig entlastet, doch die Hauptschuld liegt in jeder Hinsicht bei den Volksführern, den Ältesten und Priestern.70 Im Petrusevangelium spiegeln sich die antijüdischen Klischees des 2. Jahrhunderts. Vom Schmerz über den Ausschluß, der zur scharfen Polemik im Matthäusevangelium und ähnlich auch noch im ca. zehn Jahre später veröffentlichten Johannesevangelium führte, ist hier nichts mehr zu spüren. Die Trennung liegt in der Vergangenheit.
18.1.3 Die Verteidigung gegen jüdische Polemik in den Kindheitsgeschichten bei Lukas und Matthäus Wie in der Passionsgeschichte wird auch in der Kindheitsgeschichte des Matthäus die Verteidigung gegen jüdische Polemik sichtbar. Das wird besonders deutlich, wenn man sie mit der älteren Kindheitsgeschichte bei Lukas vergleicht. Daß Matthäus das Lukasevangelium kennt, wird auch an den verschiedenen Versionen der Kindheitsgeschichte deutlich.71 68 J. D. G. Dunn, Neither Jew nor Greek, 635–639, sieht dagegen Matthäus und seine Gemeinden im heftigen Streit »with the emerging rabbinic leadership of post-70 Judaism« (638), aber betont dreifach, daß seine Kirche sich noch intra muros des Judentums befinde. »The pressure for a ›parting of the ways‹ was coming from the side of the Yavnean rabbis. But whatever the post-70 rabbis wanted to bring about, for Matthew himself the ways had not yet parted« (639). Dunn datiert das Matthäusevangelium früher, auf 80 n. Chr. 69 EvPetr 34–49; dazu M. Hengel, Evangelien, 343 Anm. 1044; M. Vinzent / T. Nicklas, Petrusevangelium, in: AcA I/1, 683–695 (hier 693 f.). Vgl. auch Justin, Dial. 17,1; 108,1 ff. (PTS 47, 97,6–98,12; 255,6–21 ed. Marcovich). Dazu unten S. 604 Anm. 291. 70 Vgl. M. Vinzent / T. Nicklas, Petrusevangelium, in: AcA I/1, 690: »das Petrusevangelium [zeigt] vor allem bei der Darstellung der Kreuzigung Jesu unübersehbar die Verwendung antijüdischer Stereotypen, die sich … verbreitet in der christlichen Literatur des zweiten Jahrhunderts finden … [Trotzdem] bietet der Text wohl keinen vollkommen undifferenzierten Antijudaismus: Zumindest … könnten Ansätze erkennbar sein, die von der Einsicht … des jüdischen Volkes ausgehen, die aber durch den Betrug der Führenden des Volks (V. 47 f.), welche verhindern, daß die Auferstehung Jesu bekannt wird, keine Konsequenzen zeigt.« 71 Dazu M. Hengel, Evangelien, 172 Anm. 497 und 342 f.
562
IV. Das palästinische Judenchristentum
Bei Lukas ist die Empfängnis-, Geburts‑ und Kindheitsgeschichte Jesu erfüllt vom Jubel über das Eintreffen der endzeitlichen messianischen Verheißungen. Diese Freude besingen Menschen und himmlische Heerscharen. Doch in Simeons Profetie über die kommende Funktion des Kindes klingen auch das kommende Leiden und die Spaltung Israels an: »Siehe, dieser ist bestimmt zum Fallen und Aufstehen vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird …, damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden.«72
Damit ist nicht nur an das Erdenwirken Jesu und seine Auseinandersetzung mit Gegnern, die ihn ablehnen, und den Unglauben, auf den er im Volk stößt, gedacht, sondern zugleich an die Trennung von Juden und Judenchristen.73 Jesus wird zum »Zeichen«, dem widersprochen wird, als der Gekreuzigte. Das Leiden Jesu kündigt der hochbetagte Simeon der Mutter, die ja die Hauptrolle in dieser Kindheitsgeschichte spielt, eigens noch einmal an mit »und deine eigene Seele wird ein Schwert durchdringen«.74 Die ›jungfräuliche‹ Entstehung des Kindes wird nach dem Vorbild der Erzvätergeschichte geschildert. Die Geburtsankündigung und die allein durch Gott bewirkte Schwangerschaft hat ihr Vorbild in Saras Mutterschaft (Gen 21,1). Die Heimsuchung Saras in Gen 21,1: »Und JHWH suchte Sara gnädig heim (ἐπεσκέψατο / )פקד, wie er gesagt hatte, und JHWH tat an Sara, wie er gesprochen hatte« wurde in der jüdischen Auslegungstradition als eine ›Erschaffung‹ Isaaks ohne Beteiligung Abrahams gesehen, obwohl die Endredaktion des Pentateuchs den Sachverhalt mit Gen 15,4 und 25,19 schon wieder richtiggestellt und Isaak als Abrahams leiblichen Sohn betont hervorgehoben hatte.75 »Dem einfachen Wortsinn von Gen 21,1 nach verdankt sich die Schwangerschaft Saras … keinem anderen als Gott selbst.«76 Die Vorstellung von Gottes Schöpfermacht bei der Entstehung Isaaks in Gen 21,1 hatte eine breite Rezeptions‑ und Wirkungsgeschichte,77 zu der auch
72 Lk 2,34 f. Dem entspricht am Ende des Doppelwerks die Uneinigkeit der führenden Juden in Rom beim Gespräch mit Paulus (Apg 28,17–28), die dann untereinander uneins (ἀσύμφωνοι) weggehen; dazu M. Theobald, Zeugnis, 218. 73 So auch M. Wolter, Lk, 142: »Dieses ἀντιλέγειν wird letztlich dazu führen, dass es zur Trennung zwischen Juden und Christen kommt, und dieser Vorgang wird hier bereits in den Blick genommen.« 74 Lk 2,35. Worin das Leiden besteht, wird nicht eigens erklärt. Es beginnt mit der Sorge um dieses Kind, die schon der Zwölfjährige bei der Mutter auslöst; dann sein öffentliches Auftreten, das die Familie verhindern will (Mk 3,21 wird in Lk 8,19 ff. abgeschwächt aufgenommen); schließlich seine Passion. 75 Siehe dazu G. Holtz, Jungfrauengeburt, 23–26 und passim. 76 G. Holtz, Jungfrauengeburt, 31. 77 Es gibt vorchristliche frühjüdische Texte, die die jungfräuliche Geburt Isaaks berichten; so Jub 16,10–14, dazu G. Holtz, Jungfrauengeburt, 33–43; weiter LibAnt 23,7 f., vgl. 32,5; dazu Z. Safrai, Liber Antiquitatum Biblicarum, 405.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
563
die paulinische Vorstellung von Isaak und der Nachkommenschaft Abrahams nach der Verheißung78 und die lukanische Kindheitsgeschichte gehören. Nach Lk 1,35 wird »heiliger Geist … auf Maria kommen … und Kraft … des Höchsten sie überschatten … und so die Empfängnis Jesu wirken«.79 Mit der Aufnahme von Gen 21,1 und 18,14a gelingt es Lukas, das Handeln Gottes am Kind Mariens als Wirkung seiner Schöpfermacht darzustellen. Diese besondere Erschaffung Isaaks und Jesu hat jeweils ein Ziel, das über das individuelle Entstehen des Kindes hinausgeht: »Realisiert sich mit Isaak die Nachkommenverheißung an Abraham, die in Jakob-Israel ihr Ziel hat, so greift Gott nach Lukas in der Geschichte Jesu über Israel hinaus zu den Völkern aus (2,32).«80 Damit verbunden ist bei Jesus die christologische Aussage, daß dieses Kind ein einzigartiges Geschöpf Gottes ist und »das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden« wird (1,35b). Vermutlich reagiert schon Lukas apologetisch auf Gerüchte über das Vorleben Marias. Er – vielmehr die Tradition, die er aufnimmt – tut dies ohne besondere Polemik mit einer »Gegengeschichte«.81 Gerade die starken Bezüge der lukanischen Kindheitsgeschichte zu den Erzvätererzählungen sprechen dafür, daß Lukas diese Kindheitsgeschichte nicht erst in Rom unter dem Einfluß der bukolischen Literatur des augusteischen Zeitalters neu entworfen hat, sondern daß er von genuin palästinischen Traditionen abhängig ist.82 Auch für die Vorstellung von der »Jungfrauengeburt« muß man nicht den Umweg über »eine hellenistisch-judenchristliche Gemeinde als Traditionsmilieu«83 einschlagen. Gudrun Holtz kommt mit Recht zu dem Ergebnis: Die »von Lukas und Matthäus aus der Gemeindetradition übernommene Verbindung von Geistzeugung und Schöpfermacht Gottes auf der einen und Jungfräulichkeit Marias auf der anderen Seite [ist] nicht in der Religionsgeschichte zu suchen, sondern als Innovation des frühen Christentums anzusehen. … Allerdings dürfte der Weg vom schöpferischen Handeln Gottes im Geist …, wie er sich bei Sara gezeigt hat, zur Vorstellung einer Jungfrauengeburt nicht … weit gewesen sein.«84
Entsprechend verfährt Matthäus. Er nimmt aber im Gegensatz zu Lukas Legenden auf, die die Ereignisse aus männlichem Blickwinkel schildern, und 78 Gal
4,21–31; dazu G. Holtz, Jungfrauengeburt, 83–92. G. Holtz, Jungfrauengeburt, 119. Gudrun Holtz hat die Auslegungsgeschichte von Gen 21,1 im Frühjudentum, frühen Christentum und in der rabbinischen Literatur untersucht und gezeigt, daß Lk 1,35 in diese Tradition gehört. 80 G. Holtz, Jungfrauengeburt, 126. 81 G. Holtz, Jungfrauengeburt, 127; vgl. 123: »Für Lukas … hat die Jungfräulichkeit Marias keinen eigenen Wert. Ihm geht es um die Herausstellung der Schöpfermacht Gottes und … zugleich um die Göttlichkeit des Kindes.« 82 Gegen M. Wolter, Lk, 127. 83 U. Luz, Mt I, 145. 84 G. Holtz, Jungfrauengeburt, 123. 79
564
IV. Das palästinische Judenchristentum
stellt den Vater in den Mittelpunkt – vor allem um das Vorleben Marias gegen Verdächtigungen in Schutz zu nehmen. Joseph war ein so gerechter Mann, daß er sogar angesichts der vorehelichen Schwangerschaft Marias nicht gleich die entsprechenden Folgerungen zog, sondern sie nur »stillschweigend entlassen wollte«.85 Er weiß nicht, warum seine Verlobte schwanger ist, wo er sich doch an die Vorschrift hielt, daß es während der Verlobungszeit zu keinem Geschlechtsverkehr kommen durfte. Der Engel belehrt ihn dann des Nachts eines Besseren. Das heißt, Matthäus verteidigt die Mutter Jesu gegen Verleumdungen über ihr unmoralisches voreheliches Leben, indem er den berechtigten Verdacht des Verlobten sofort zerstreut durch die Traumoffenbarung. Diese jüdischen Vorwürfe gegen die Mutter Maria erscheinen dann beim ›Juden des Kelsos‹ und in der rabbinischen Literatur verstärkt. Auch in diesem Punkt zeigt sich deutlich, daß Matthäus nach Lukas schreibt und dessen Evangelium kennt. Während die Kindheitsgeschichte bei Lukas ganz aus der Perspektive der Mutter erzählt wird, aber auch wiederum deutlich macht, daß sie aus der Auslegung alttestamentlicher Texte entstanden ist, reagiert die Kindheitsgeschichte des Matthäus auf die Angriffe, indem sie verstärkt auf der Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen insistiert und auch den locus classicus Jes 7,14 nach der Septuaginta zitiert (Mt 1,23): »Siehe, die Jungfrau (παρθένος) wird schwanger sein, und sie wird einen Sohn gebären, und sie werden ihn ›Emmanuel‹ nennen, was übersetzt heißt: ›Mit uns ist Gott‹.«
Abgesehen von einer kleinen Änderung (statt καλέσεις, was sich auf den in Jes 7,14 angesprochenen König Ahas bezieht, nimmt Matthäus den Plural der 3. Person, καλέσουσιν) und der Erweiterung durch die Übersetzung des Namens Emmanuel stimmt Mt 1,23 mit Jes 7,14 LXX wörtlich überein. Bei Lukas klang das Sohnesverheißungsorakel von Jes 7,14 nur indirekt an.86 Aber die Jungfräulichkeit Mariens, die »von keinem Manne weiß«, ist auch bei Lukas für die Entstehung des Kindes selbstverständlich vorausgesetzt.87 Daß sie bei Matthäus nun mit dem Septuaginta-Zitat noch klarer unterstrichen wird, zeigt, daß eine solche Rückversicherung nicht nur durch die Traumoffenbarung an den Vater, sondern auch durch ein Erfüllungszitat nötig geworden war, um den Ruf der Kindesmutter stärker zu schützen. Auch die Hervorhebung der Frauen Tamar, Rahab, Ruth und Bathseba, der früheren Frau des Uria, im Stammbaum Jesu stellt Jesus als fünften in eine Reihe mit ungewöhnlich entstandenen, nicht 85 Mt 1,19; zum Dilemma Josephs vgl. T. Ilan, Women, 246: Während der Verlobungszeit war dem Paar der Geschlechtsverkehr verboten; dazu U. Luz, Mt I, 146 ff. 86 Zu Lk 1,31 vgl. M. Wolter, Lk, 89. 87 Lk 1,34, vgl. 1,37; Gen 18,14; G. Holtz, Jungfrauengeburt, 119.221.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
565
aus regulären Verhältnissen stammenden Söhnen.88 Der ›Jude des Kelsos‹ äußert gegen die Judenchristen dann, daß »die Mutter Jesu von einem Zimmermann verstoßen worden sei, mit dem sie verlobt war, weil sie des Ehebruchs überführt worden sei und von einem Soldaten namens Panthera [ein Kind] geboren habe«.89
Danach ist Jesus nicht nur als Bastard geboren, sondern auch der Sohn eines Nichtjuden. Panthera ist inschriftlich als Name von römischen Soldaten belegt. Wahrscheinlich ist der Name nicht nur eine Verspottung von παρθένος, sondern auch eine Art Namenszauber.90 Die später im Babylonischen Talmud und im Mittelalter in den Toledot Jeshu diskutierte unehrenhafte Herkunft Jesu ist durch den ›Juden des Kelsos‹ bis in die Mitte des 2. Jahrhunderts zurückzuverfolgen. Vermutlich ist die Kindheitsgeschichte des Matthäus schon gegen ähnliche Vorwürfe gerichtet, aber auch die Versicherung der Juden in Joh 8,41 gegen Jesus, sie würden – zu ergänzen: im Gegensatz zu ihm – nicht aus einem Ehebruch abstammen, weist bereits in diese Richtung. Gegen Jesus selbst gewendet bringt der ›Jude des Kelsos‹ kurz zuvor Folgendes vor:
Dazu C. E. Carlston / C. A. Evans, Synagogue, 351–354. Origenes, Contra Celsum 1,32 (SVigChr 54, 33,18 ff. ed. Marcovich); zur Übersetzung: P. Koetschau, Origenes Celsus I, 44. Vgl. P. Schäfer, Jesus im Talmud, 38 Anm. 25: »Dieser ›Jude‹ ist ein wichtiges Bindeglied zwischen den Evangelienüberlieferungen, dem Talmud und den späteren Toledot Jeshu, und die von ihm präsentierten Traditionen sind deutlich älter als die sechziger und siebziger Jahre des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts«, in denen Kelsos schreibt. O. Skarsaune, Evidence, 514 ff., rechnet dagegen damit, daß Kelsos alle Evangelien, Paulusbriefe, Justin und Ariston von Pella als Quellen verwendet; für die jüdische Polemik scheint er eher an mündliche Quellen zu denken. Dagegen plädieren zu Recht A. I. Baumgarten, Rule of the Martian, 421, und J. Carleton Paget, The Four, 279–282, für eine schriftliche Quelle. J. Carleton Paget verweist dazu – neben Tertullian, De spectaculis 30,5 f. (SC 332, 322–326 ed. Turcan), und Laktanz, Divinae institutiones 5,3,4 (BSGRT, 446,9 f. ed. Heck / Wlosok) – auch auf das Martyrium des Konon 4 (Text bei H. Musurillo, Acts of the Christian Martyrs, 188 ff.): Der Statthalter, vor den Konon – wohl in der Decischen Verfolgung – gebracht wird, sagt dem Märtyrer, daß Juden ihn genau darüber informiert hätten, aus welcher Familie Jesus stamme, welche Werke er vollbracht habe und wie er gekreuzigt wurde und gestorben sei. Dazu hätten sie ihm seine ὑπομνήματα vorgelesen. Der Statthalter fordert Konon dann auf, diese Narrheit aufzugeben. Bei diesen ὑπομνήματα – einer gebräuchlichen Bezeichnung für Evangelien – wird es sich um ein jüdisches Antievangelium, ähnlich dem, mit dem der ›Jude des Kelsos‹ argumentierte, gehandelt haben. 90 Zum Nachweis siehe P. Schäfer, Jesus im Talmud, 198: »die Buchstaben ›r‹, ›th‹ und ›n‹ [werden] in umgekehrter Reihenfolge gelesen«, so ergibt sich aus parthenos ein pantheros. Dabei handelt es sich nicht einfach um eine Verballhornung, sondern (199) »die Rabbinen … sprechen einen magischen Zauber oder einen Exorzismus aus und ›verwandeln‹ dadurch Jesu Geburt von einer Jungfrau in die Abstammung von einem gewöhnlichen römischen Söldner namens Panther«. 88 89
566
IV. Das palästinische Judenchristentum
»daß er [d. h. Jesus] sich fälschlich als der Sohn einer Jungfrau ausgegeben habe …, daß er aus einem jüdischen Dorf und von einer einheimischen armen Landfrau stamme, die ihren Lebensunterhalt als Spinnerin verdiente. … Diese habe, von ihrem Mann verstoßen und unstet und ehrlos umherirrend, den Jesus heimlich geboren. Dieser habe sich aus Armut nach Ägypten als Tagelöhner verdingt und sich dort an gewissen Zauberkräften versucht, auf die die Ägypter stolz seien; er sei dann zurückgekehrt und habe sich viel auf diese Kräfte eingebildet und sich ihretwegen öffentlich für Gott erklärt.«91
Auf eine Vorform solcher Invektiven antwortet Matthäus. Doch seine Beweisführung für die Davidssohnschaft und die Jungfrauengeburt wirkte offensichtlich auf Juden nicht sehr überzeugend. Die jüdische Gegengeschichte, die Kelsos zitiert, bezieht sich auf das Matthäusevangelium: 1. Statt der Flucht der Familie nach Ägypten vor Herodes und seinen Anschlägen wird erzählt, daß Jesus sich aus Armut dorthin gewandt und die Zauberei gelernt hat. Vermutlich richtet sich diese Geschichte zugleich gegen die von den Magiern aus dem Osten. 2. Die Armut der Eltern und Jesu eigene wird betont gegen die vornehme Herkunft aus dem Königsgeschlecht der Davididen herausgestrichen. 3. »Das stärkste Argument gegen den Bericht des Evangelisten ist selbstverständlich die Behauptung der illegitimen Geburt von einer ehebrecherischen Mutter und einem völlig unbedeutenden Liebhaber.« Jesus ist nicht der verheißene Messias aus dem Geschlecht Davids, sondern nur der Sohn eines römischen Söldners, der »Nichtjude und Angehöriger des verhaßten römischen Reiches« war.92 All diese Argumente tauchen dann Jahrhunderte später auch in der talmudischen Literatur und im Mittelalter in den Toledot Jeshu auf.93 Der neuralgische Punkt in der Geburtsgeschichte der Evangelien ist die Jungfrauengeburt. Das hat die antichristliche Polemik immer wieder aufgespießt. Justin, der Apologet und Märtyrer, gibt sich in seinem Dialog mit dem Juden Trypho die größte Mühe,94 seinen Gesprächspartner mit Jes 7,14 LXX als dem Weissagungsbeweis für die Geburt Jesu aus der Jungfrau zu überzeugen, doch dieser bleibt dabei: Das Sohnesorakel bezieht sich auf den Sohn des Königs Ahas, den König Hiskia.95 Er beharrt zudem darauf, daß beim Profeten selbst nicht von einer Jungfrau (παρθένος), sondern von einer jungen Frau (νεᾶνις = ʿalmāh) die Rede ist. Auch darin muß man Trypho recht geben. 91 Origenes, Contra Celsum 1,28 (SVigChr 54, 29,27–30,5 ed. Marcovich); zur Übersetzung vgl. P. Koetschau, Origenes Celsus I, 38 f. 92 Zitate: P. Schäfer, Jesus im Talmud, 43. 93 Siehe P. Schäfer, Jesus im Talmud, passim; M. Meerson / P. Schäfer, Toledot Yeshu I und II; dazu die Erläuterungen in: P. Schäfer, Jüdische Polemik. 94 Justin, Dial. 43,3–7; 67,1 f.; 71,3; 84,3 f. (PTS 47, 140 f.184 f.193.215 f. ed. Marcovich). 95 Justin, Dial. 43,8 (PTS 47, 141 f. ed. Marcovich) u. ö.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
567
Exkurs: Das Protevangelium des Jakobus96 Das Protevangelium des Jakobus, die Genesis Mariae bzw. die Apokalypsis Jakobou, wahrscheinlich eine judenchristliche Schrift aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, die in griechischer Sprache in Syrien / Palästina abgefaßt ist, geht dann mit grobem Geschütz gegen jegliche Bezweiflung der Jungfräulichkeit Mariens vor. Hier bezeugt nicht nur die Hebamme die Jungfräulichkeit ante und post partum, sondern auch Salome, der ein Strafwunder geschieht, weil sie ungläubig Marias »Geschlecht« (φύσις) untersucht hatte. Die Jungfrauengeburt gehörte zu den Streitpunkten zwischen Juden und Judenchristen, aber auch – wie Justin zeigt – zwischen Juden und Christen allgemein und dazu noch – wie Origenes in Contra Celsum97 bezeugt – zwischen den verschiedenen judenchristlichen Gruppen. Die Schrift stellt gewissermaßen das erste »Marienleben« dar.98 Joachim und Anna als das alte Elternpaar Mariens werden hier erstmals erwähnt. Das Kind Maria wächst in äußerster Reinheit auf und wird mit drei Jahren dem Tempel – zur Erziehung oder doch eher zur Bewahrung der Reinheit? – übergeben. Zwölfjährig muß das Mädchen vor der ersten Menstruation den Tempel verlassen und wird dem Witwer Joseph anvertraut, der bereits ältere Söhne aus einer ersten Ehe hat. Für die wunderbare Empfängnis Jesu durch den Geist werden die Kindheitsgeschichten des Lukas‑ und des Matthäusevangeliums verbunden und mit neuen Elementen gemischt, z. B. die Geburt in der Höhle in der Nähe von Bethlehem und der Stillstand der Natur.99 Das größte Gewicht liegt jedoch auf der Jungfräulichkeit Mariens, die eine Empfängnis ohne Sünde ermöglicht. Zeuge und Garant für diese Überlieferungen ist der Herrenbruder Jakobus, der hier erstmals als älterer Bruder Jesu aus einer früheren Ehe Josephs erscheint. Der Schlußteil schildert den Tod von Zacharias, dem Vater Johannes’ des Täufers, mit den Motiven der alten Sacharjalegende. Direkte antijüdische Polemik findet sich hier anscheinend nicht. Nur die Betonung, die auf der Jungfräulichkeit Marias liegt, zeigt, daß dieses Kernstück der Christologie im 2. Jahrhundert weiter verteidigt werden mußte. Vorwürfe von jüdischer Seite werden schon gegen die Eltern Joachim und Anna erhoben. Joachim muß sich vorwerfen lassen, daß er der einzige unter den Gerechten ohne Nachkommen sei. Er erinnert sich an 96 Siehe dazu die Edition von É. de Strycker, La forme; die Bearbeitung von S. Pellegrini, Protevangelium des Jakobus, in: AcA I/2, 903–929, hat leider Fehler (923: »jungfräuliche Geburt Jesu in der Krippe«). Siehe weiter den Kommentar von A. Toepel, Protevangelium, 32–42, er datiert und lokalisiert die Schrift um 180–200 n. Chr. (42) in »Syrien oder Palästina« (37) und sieht sie ganz zu Recht in der Auseinandersetzung mit jüdischer Polemik gegen die Jungfrauengeburt (36); vgl. die Rezension von S. Gathercole, JEH 68 (2017), 824 f. 97 Origenes, Contra Celsum 5,61 (SVigChr 54, 372,28 ff. ed. Marcovich); vgl. Irenäus, Adversus haereses 1,26,2 (SC 264, 346 ed. Rousseau / Doutreleau); F. S. Jones, Art. Ebionäer / Ebioniten, RGG4 2 (1999), 1041 f.; J. Carleton Paget, Ebionites. 98 A. Toepel, Protevangelium, betont immer wieder, daß es nicht nur um die virginitas in partu gehe, die Schrift auch (270) »keine Biographie Mariens [sei], sondern eine Darstellung ihrer Gottesmutterschaft, die als solche in den Bereich der Christologie gehört«. Vgl. op. cit., 40. 99 In der ältesten Version und Handschrift (Papyrus Bodmer 5) ist der eindrückliche Stillstand der Natur (18,1 f.) noch nicht enthalten; er ist vermutlich sekundär hinzugekommen, siehe É. de Strycker, La forme, 148 ff.404 ff.; anders A. Toepel, Protevangelium, 206–209.
568
IV. Das palästinische Judenchristentum
Abraham. Anna trauert wegen ihrer Unfruchtbarkeit und bittet Gott, ihren Mutterschoß zu öffnen wie einst den Saras. Beide erhalten Maria als ein Kind, das ohne sexuellen Kontakt entsteht, also rein von Sünde ist.100 Auch Joseph und Maria überstehen später die Prüfung mit dem Bitterwasser, die ihnen der Hohepriester Hannas auferlegt, unbeschadet und widerlegen allen Verdacht des Ehebruchs. Da das Protevangelium im Denken und in der Schriftargumentation nahe Verwandtschaft mit rabbinischen Texten zeigt, legt sich die Vermutung nahe, daß auch diese Erzählung unter anderem zur Abwehr gegen jüdische Verdächtigungen der Jungfrauengeburt verfaßt wurde.101
18.2 Die ›Juden‹ und der »Ausschluß aus der Synagoge« im Johannesevangelium Das Johannesevangelium102 ist etwa ein Jahrzehnt später als das Matthäusevangelium veröffentlicht worden. Es entstand nicht in der Nähe von Palästina, sondern in Kleinasien, wahrscheinlich in Ephesus, aber es hat zahlreiche palästinische Traditionen bewahrt, erklärt jüdische Sitten und Feste und hat ein besonderes Interesse an Jerusalem.103 In seiner antijüdischen Polemik klingt es zum Teil noch schärfer als Lukas und Matthäus. Diese Schärfe wurde für die christliche Exegese in den letzten Jahrzehnten gerade angesichts der modernen Judenverfolgungen, die im 20. Jahrhundert von Deutschland ausgingen, auch zu einem ethischen Problem.104
18.2.1 Die »Juden« Die Gegner Jesu heißen im Johannesevangelium zunächst einfach fast immer nur »die Juden«105 oder »die Pharisäer«106 und werden nicht wie bei den Synoptikern 100 Vgl.
LibAnt 23,7 f. zu Abraham und Isaak; dazu Z. Safrai, Liber Antiquitatum Biblicarum, 405. 101 Dazu G. Holtz, Jungfrauengeburt, 93–113, die diesen Aspekt zu Recht stärker als A. Toepel herausstellt. 102 Dazu M. Hengel, Johanneische Frage; ders., Evangelien, 182 ff. u. ö., siehe 405 Index s. v. »Johannesevangelium«; U. Schnelle, Einleitung, 499.533–547. 103 Sehr gut kann man sich das an der Perikope von der Hochzeit zu Kana verdeutlichen: Die großen steinernen Krüge für Wasser zur Reinigung nach jüdischer Sitte gab es damals in Palästina, solche Gefäße wurden vor allem in der Nähe von Jerusalem gefunden. Der Wandel von Wasser für das rituelle Händewaschen in – messianischen – Wein ›symbolisiert‹ sozusagen den Anbruch der Heilszeit mit dem Kommen des Gottessohnes. Vgl. M. Hengel, Der »dionysische« Messias, in: KS V, 568–600; R. Deines, Jüdische Steingefäße, 247–277. Vgl. weiter M. Hengel, Johanneische Frage, 279 ff.: »Offenbar ist Johannes – mehr als die anderen Evangelisten – bestrebt, das jüdisch-palästinische ›Lokalkolorit‹, das ihm von seiner Herkunft vertraut ist, am geeigneten Ort zur Sprache zu bringen« (281). 104 Siehe J. Frey, ›Die Juden‹. 105 Über 20mal zur Bezeichnung der Gegner Jesu. 106 Joh 7,32.45.47 f.; 8,13; 9,13.15 f.40; 11,46 f.56; 12,19.42; 18,3, vgl. 1,24; 3,1.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
569
differenziert den verschiedenen jüdischen Parteien zugeordnet. Herodianer und Sadduzäer fehlen im Johannesevangelium völlig. Gegen Ende des Evangeliums erscheint dagegen dann die Hohepriesterschaft gehäuft (14mal in Kapitel 17 und 18). Dabei spitzen sich in den Kapiteln 5–10 die Auseinandersetzungen Jesu mit »den Juden« immer weiter zu, und in Kapitel 11 fällt nach der Auferweckung des Lazarus der endgültige Todesbeschluß des Synhedriums, für den die Pharisäer und die Hohepriesterschaft verantwortlich gemacht werden (11,47). In den Abschiedsreden kündigt der scheidende Jesus den Jüngern dann den κόσμος, das heißt die gesamte Menschenwelt, als Verfolger an. Diese Eigenart der johanneischen Darstellungsweise, in der die Probleme der eigenen Gegenwart des Verfassers und seiner Gemeinden deutlicher als bei den Synoptikern durchschimmern und erkennbar werden, bezeichnet man als »Horizontverschmelzung«.107 Die Heilung des Lahmen am Teich Bethesda in Jerusalem am Sabbat in Kapitel 5 führt zum Konflikt und zur Verfolgung: »Deshalb verfolgten die Juden Jesus, weil er dies am Sabbat getan hat.«108 Aus der anschließenden Rechtfertigung für sein Tun: »Mein Vater wirkt noch immer, und ebenso wirke auch ich« ziehen die Gegner den entsprechenden Schluß: »Deshalb trachteten die Juden um so mehr danach, ihn zu töten; denn er hatte nicht nur das Sabbat(gebot) aufgelöst, sondern Gott seinen eigenen Vater genannt und sich selbst Gott gleich gemacht.«109
Diese ›Hochchristologie‹ ist der Hauptvorwurf der Gegner im Johannesevangelium, und darin besteht dann die Blasphemie, die zum Todesbeschluß gegen Jesus führt (vgl. Joh 10,33.36). Es geht bei dem Ausschluß der Judenchristen aus der Synagoge im Johannesevangelium nicht um »Fragen der Toraobservanz«, sondern um das Bekenntnis zur Gottessohnschaft Jesu.110 Dazu J. Frey, Hintergrund, 470: T. Onuki verwandte den von Hans-Georg Gadamer geprägten Begriff, um »das Phänomen, daß der johanneische Autor die vorgegebene Tradition der Geschichte Jesu (die ihrerseits bereits durch die frühchristliche Gemeinde vermittelt ist und deren Erfahrungen in sich aufgenommen hat) auf die Gegenwart seiner Lesergemeinde hin interpretiert, so daß diese Geschichte für die Fragen der eigenen Gegenwart transparent wird, während er umgekehrt die Terminologie und Theologie der eigenen Gegenwart in die Geschichte Jesu hineinprojiziert«. Jörg Frey hat die Fruchtbarkeit dieses »hermeneutische[n] Modell[s]« durchgehend bei seinen Untersuchungen zur johanneischen Eschatologie gezeigt. Vgl. J. Frey, Eschatologie I, 550 Index s. v. »Zeit – Verschmelzung der Zeiten bzw. Horizonte«. Vgl. auch unten S. 576 Anm. 158 und S. 580 bei Anm. 177. 108 Joh 5,16; διώκω erscheint erst in 15,20 in den Abschiedsreden wieder. Dazu unten S. 575 bei Anm. 148 und S. 580 vor Anm. 178. 109 Joh 5,18; vgl. 10,33; 19,7. 110 M. Theobald, Zeugnis, 249 f. mit zustimmendem Verweis (in Anm. 162) auf J. Frey, Bild, 51: »Die hohe Christologie des vierten Evangeliums … dürfte historisch nicht erst eine Folge der Distanzierung von der Synagoge … sein, vielmehr scheint sie schon den Streit zwischen den johanneischen Judenchristen und den bestimmenden Kreisen der Synagoge geprägt zu haben.« 107
570
IV. Das palästinische Judenchristentum
Auf die wunderbare Brotvermehrung und die Brotrede Jesu reagieren »die Juden« mit »Murren« (γογγύζω).111 Sie tauchen als Gegner plötzlich in der Szene auf, während zuvor nur von der Volksmenge (ὄχλος) die Rede war. Wie die Väter in der Wüste murrten, obwohl ihnen das Manna zum Überleben geschenkt worden war, so murren sie jetzt über Jesus, der von sich sagt: »Ich bin das Brot (des Lebens), das vom Himmel herabkam.«112 Er sei doch nur der Sohn Josephs: »Kennen wir nicht den Vater und die Mutter?«113 Entsprechend »streiten die Juden« über die unverständliche Behauptung Jesu, sein Fleisch sei das Brot, das er für das Leben der Welt gebe. Wer sein Fleisch esse und sein Blut trinke, werde das ewige Leben haben. Auch einigen Jüngern ist das zu anstößig, auch sie »murren« und verlassen Jesus.114 In der nächsten Szene in Jerusalem beim Laubhüttenfest suchen ihn »die Juden« unter den Festpilgern. Es entsteht »viel Murren« über ihn, und die Volksmenge ist geteilter Meinung. Die einen sagen, er ist gut, die anderen, »er verführt (πλανᾷ) die Menge«, »niemand jedoch sprach mit Freimut über ihn aus Furcht vor den Juden«.115 »Die Juden« wiederum staunen über seine Lehre. Auf die Frage Jesu: »Warum sucht ihr mich zu töten?« antwortet die Menge: »Du hast einen Dämon. Wer sucht dich zu töten?« Einige Jerusalemer vermuten, die Archonten / Führenden hätten ihn als Messias anerkannt, weil Jesus so ungehindert auftritt. »Man wollte ihn verhaften, aber niemand legte Hand an ihn, weil seine Stunde noch nicht gekommen war.«116 Da viele an ihn glauben, andere aber nicht, und manche meinen, er sei der endzeitliche Profet, manche, er sei der Messias, wollen ihn wieder andere verhaften, doch erneut tut ihm niemand Gewalt an.117 Aber die Pharisäer hören die Menge über ihn murren. Pharisäer und Hohepriester treten nun vereint als Gegner auf den Plan und schicken ihre Diener, um ihn zu ergreifen. »Johannes [weiß], daß die eigentliche politische Macht in Judäa bei den ›Hohenpriestern‹ lag, er führt sie daher zusammen mit den Pharisäern auf dem ersten Höhepunkt des Konflikts über die Messiasfrage 7,32 ein. Beide Gruppen senden gemeinsam ›Diener‹ aus, um Jesus festzunehmen.«118
Joh 6,41.43.61; 7,32, vgl. 7,12: γογγυσμός. Dazu Lk 5,30. Joh 6,41.43; vgl. 6,35.48.51.58. 113 Joh 6,42. Hier klingt die jüdische Polemik gegen die Jungfrauengeburt an. 114 Joh 6,60 f.66. Zum Problem des Abfalls von Christen im Johannesevangelium vgl. unten S. 574 Anm. 146 und S. 580. 115 Joh 7,11 ff. Zu πλανᾶν im Johannesevangelium vgl. 7,12.47. 116 Joh 7,30; hier erscheint das Motivwort πιάζω zum ersten Mal, vgl. 7,32.44; 8,20; 10,39; 11,57. 117 Joh 7,44. 118 M. Hengel, Johanneische Frage, 294. 111
112
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
571
Das gelingt ihnen nicht, weil diese Diener sich von der Rede Jesu beeindrucken lassen. Sie müssen sich von den Pharisäern vorwerfen lassen, daß sie sich verführen ließen (πεπλάνησθε) wie das ungebildete Volk; dagegen würde niemand von den Hohenpriestern oder den Pharisäern an ihn glauben. Nikodemus wagt einen vorsichtigen Einwand und muß sich fragen lassen: »Du bist doch nicht etwa auch aus Galilaea?«119 Das Ich-bin-Wort »Ich bin das Licht der Welt« leitet die weitere Auseinandersetzung mit den Pharisäern am Laubhüttenfest ein.120 Diese verstehen nicht, was er bei der Schatzkammer im Tempel lehrt, aber noch einmal stellt der Evangelist fest: »Niemand verhaftete ihn, denn seine Stunde war noch nicht gekommen.«121 »Die Juden« überlegen, ob Jesus sich selbst das Leben nehmen will, weil er sein Weggehen ankündigt. Und doch kommen auch viele zum Glauben. Den Juden, die an ihn geglaubt hatten, sagt Jesus: »(Nur) wenn ihr bei meinem Wort bleibt, seid ihr in Wahrheit meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen.« In der in Joh 8,31–59 folgenden Auseinandersetzung um die Abrahamskindschaft mit Juden, die an ihn geglaubt hatten, jetzt aber Apostaten sind, beweist Jesus diesen Gegnern, daß sie keine Söhne Abrahams sind, wenn sie ihn töten wollen,122 sondern Söhne des Teufels, des Menschenmörders von Anfang an.123 »Die Juden« entgegnen, er sei ein Samaritaner und habe einen Dämon.124 Schließlich greifen sie zu Steinen, »um sie auf ihn zu werfen«. Aber Jesus entzieht sich ihnen – »er wurde verborgen« – und geht aus dem Tempel. Den ersten unmittelbaren Tötungsversuch unternehmen also ehemalige Anhänger Jesu. Die Spaltung der Gemeinde, die sich hier spiegelt, wird in den Johannesbriefen deutlich angesprochen. Renegaten sind die schlimmsten Feinde. Bei der Heilung des Blindgeborenen in Kapitel 9 erscheinen wieder die Pharisäer als Gegner, die den Geheilten befragen. Darüber entsteht unter ihnen noch einmal ein σχίσμα, das auch die Befragung von dessen Eltern nicht löst, 119 Joh
7,52. 8,12 f. 121 Joh 8,20. 122 Joh 8,37.40. In 8,41 betonen die Gegner: »Wir stammen nicht aus einem Ehebruch (ἐκ πορνείας), sondern haben nur den einen Vater: Gott.« P. Schäfer, Jüdische Polemik, 9 f., sieht in dieser innerjüdischen Auseinandersetzung die Spaltung aufbrechen (10): »Schärfer könnte man den Gegensatz nicht formulieren: die Juden als Söhne Satans versus Jesus als Kind der Unzucht.« Die Beschuldigung, daß Jesus einem Ehebruch entstammt, wird zu einem geläufigen Topos in der späteren jüdischen Polemik gegen Christen. 123 Vgl. die Polemik gegen die, »die sich Juden nennen und sind es nicht, sondern Synagoge des Satans«, und gegen die »aus der Synagoge des Satans, die behaupten, sie seien Juden« in Apk 2,9; 3,9. Dazu H. Lichtenberger, Apokalypse, 90: »Ähnlich scharfe Töne gegenüber dem Judentum finden sich im NT lediglich im JohEv (Joh 8,39–48). … Derart schroffe Gegenüberstellungen … sind eigentlich nur gegen Ende des ersten Jahrhunderts nach der vollzogenen Trennung des Christentums vom Judentum möglich (vgl. auch den Barnabasbrief).« 124 Joh 8,48.52. 120 Joh
572
IV. Das palästinische Judenchristentum
die aus Furcht vor »den Juden« nicht offen sprechen; denn diese hatten damals »schon festgesetzt, daß jeder, der ihn als Messias bekenne, aus der Synagoge ausgeschlossen werden solle«.125 Der Geheilte wird zum zweiten Mal von den Pharisäern befragt; er bleibt aber standhaft bei der Ansicht, wenn Jesus nicht von Gott sei, hätte er ihn nicht heilen können. Daraufhin wird er hinausgeworfen (ἐξέβαλον αὐτὸν ἔξω). Das Hinauswerfen wird noch einmal betont: Jesus hört, daß er hinausgeworfen wurde,126 findet ihn und fragt ihn: »Glaubst du an den Menschensohn?« Er versichert: »Herr, ich glaube« und fällt vor ihm nieder. Jesus kommentiert das Wunder der Blindenheilung selbst mit den Worten: »Zum Gericht bin ich in diese Welt gekommen, damit die Nichtsehenden sehend und die Sehenden blind werden.«127
Deshalb fragen einige Pharisäer, die Jesus begleiten, ob er sie zu den Blinden rechne. Das wird alles sehr hintergründig geschildert mit »Erzählelemente[n]«, die »auf die vom Autor intendierte Interpretation des geschichtlichen Geschehens im Blick auf die christologische Würde Jesu und die soteriologische Bedeutsamkeit seines Handelns« zielen, und mit »Erzählelemente[n]«, die »sich auf das Bild der Gegner Jesu und die Hinweise auf die Jüngerschaft« beziehen.128 Mit Jörg Frey ist die Perikope von der Blindenheilung als ein Zeuge für »die Trennung der Wege« zu erkennen: »Das Wunder der Blindenheilung wird aus der Zeit Jesu und im chronologischen Rahmen seines Wirkens erzählt, jedoch in einer Darstellungsweise, die durch viele Einzelelemente die Adressaten dahin führt, daß sie in der Episode aus dem irdischen Wirken Jesu zugleich ihre eigene Heilserfahrung und ihre Verkündigungssituation angesprochen finden: das ›Sehendwerden‹ im Glauben, die Erfahrung der Sündenvergebung …, die Existenz als Jüngergemeinde im Gegenüber zum pharisäisch geprägten Judentum, die erfahrene Ablehnung ihrer Verkündigung (vgl. V. 27) und die schmerzliche Trennung von der Synagoge.«129
Bezieht sich diese Trennung nur auf Vorgänge im kleinasiatischen Ephesus und in seiner Umgebung und nicht auch auf Palästina?130 Joh 9,22; vgl. 12,42; 16,2; dazu unten S. 576 ff. und 579 f. So auch H. Thyen, Joh, 469: »Die wörtliche Wiederaufnahme von ἐξέβαλον αὐτὸν ἔξω … unterstreicht das Gewicht dieser Maßnahme im Sinne von 9,22.« 127 Joh 9,39. 128 J. Frey, Eschatologie II, 258. 129 J. Frey, Eschatologie II, 260. Zur »Horizontverschmelzung« siehe oben S. 569 mit Anm. 107; vgl. auch S. 575 Anm. 158 und S. 580 bei Anm. 177. 130 Dieses Problem stellt sich nicht, wenn man das Evangelium in Palästina / Syrien ansiedelt, was aber aus den von Martin Hengel, Udo Schnelle, Jörg Frey u. a. angeführten Gründen unwahrscheinlich ist. Anders M. Theobald, Zeugnis, 245, er plädiert wieder für Syrien und zitiert zustimmend (Anm. 140) J. Becker, Johanneisches Christentum, 56: »Die kleinasiatische Johannestradition ist ein Kunstprodukt ohne historischen Wert, deren Ausgangspunkt bei Justin liegt.« Theobald entscheidet sich selbst jedoch für ein non liquet. 125 126
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
573
Nach der darauffolgenden Hirtenrede in Kapitel 10 entsteht wieder ein σχίσμα unter den Juden. Die einen sagen, Jesus habe einen Dämon und sei verrückt, die anderen sagen, ein Besessener könne nicht so reden, und ein Dämon könne einem Blinden nicht die Augen öffnen.131 Die Szene spielt wieder im Tempel. Am Tempelweihfest wird Jesus von »den Juden« bedrängt, sie umringen ihn im Tempel und wollen eine klare Antwort auf ihre Frage haben, ob er der Messias sei.132 Jesus weist sie darauf hin, daß er das längst gesagt habe, sie aber nicht glauben und daß sie deshalb nicht zu seinen Schafen gehören. Seine Antwort auf die Messiasfrage gipfelt in dem Satz: ἐγὼ καὶ ὁ πατὴρ ἕν ἐσμεν (»ich und der Vater[, wir] sind Eines«133). Die Messianität Jesu ist im Johannesevangelium im Sinne der Einheit Jesu mit dem Vater zu verstehen.134 Es kommt nicht überraschend, daß »die Juden« auf diesen Spitzensatz hin wieder zu Steinen greifen: »Da hoben die Juden erneut Steine auf, um ihn zu steinigen. Jesus aber entgegnete ihnen: Viele gute Werke habe ich euch gezeigt vom Vater. Welches dieser Werke ist es denn, um des willen ihr mich steinigen wollt? Die Juden erwiderten ihm: Nicht wegen eines guten Werkes wollen wir dich steinigen, sondern wegen der Blasphemie (βλασφημίας), weil du, der du doch bloßer Mensch bist, dich selbst zu Gott machst. … Da wollten sie ihn wiederum ergreifen, doch er entkam ihrer Hand.«135
Nur hier erscheint im Johannesevangelium die Terminologie βλασφημία und βλασφημέω. Das geschieht nicht ohne Grund. Es unterstreicht die Bedeutung dieser Stelle als Peripetie des Evangeliums.136 Von jetzt an fechten die Gegner keine Zweifel mehr an, und sie sind sich auch nicht mehr uneins in ihrem Tötungswillen. Von jetzt an halten gegnerische Pharisäer und die Hohepriesterschaft das Heft in der Hand. Das heißt aber nicht, daß die mit Jesus sympathisierenden Ἰουδαῖοι nun völlig verschwunden wären. Sie erscheinen in Joh 11,36 und kommentieren die Tränen Jesu um Lazarus: Die einen sehen, wie sehr er ihn geliebt hat, die anderen meinen: Warum hat der, der den Blindgeborenen sehend gemacht hat, nicht den Tod des Freundes verhindert?137 Noch einmal wird betont, daß viele von »den Juden« nach der Auferweckung des Lazarus an Jesus glauben, aber einige von ihnen denunzieren ihn bei den Pharisäern.138 Diese wiederum berufen nun mit den Hohenpriestern das Synhedrium ein, um den Todesbeschluß zu fassen und Jesus steckbrieflich suchen zu Joh 10,19 ff.; vgl. zu σχίσμα 7,43; 10,19. Joh 10,22 ff. 133 Joh 10,30. Zur Begründung dieser Übersetzung siehe H. Thyen, Joh, 493.497 f.; vgl. Joh 17,22. Das Einssein bedeutet nicht die Identität, sondern »durch das Neutrum ἕν [ist] die Einheit der Verschiedenen ausgesagt« (op. cit., 497 [Hervorhebung im Original]). 134 Vgl. J. Frey, Eschatologie II, 87 Anm. 52 mit Verweis auf H. Thyen, Ich bin, 30. 135 Joh 10,33–39. 136 H. Thyen, Joh, 497 mit Verweis auf E. A. Wyller. 137 Joh 10,37; vgl. 11,56; 12,9 ff. 138 Joh 11,45 f. 131 132
574
IV. Das palästinische Judenchristentum
lassen.139 In Joh 12,12–19 zieht die Menge der Festpilger aus der Stadt Jesus zur Hypantesis entgegen, weil er Lazarus zum Leben erweckt hatte, und holt ihn unter Hosianna-Rufen als messianischen König in die Stadt ein – sehr zum Ärger der Pharisäer.140 Und doch zitiert der johanneische Jesus nach einem Zwiegespräch mit der Menge Jes 53,1 und 6,10, um deren Unglauben zu bezeichnen. Auch die Anhänger Jesu unter den Archonten / Oberen bekennen sich nicht öffentlich zu ihm, weil sie den Synagogenausschluß fürchten, so wie schon zuvor die Eltern des Blindgeborenen.141 In den Abschiedsreden werden die Ἰουδαῖοι nicht mehr expressis verbis genannt, aber in der Passionsgeschichte treten sie neben den Hohenpriestern bzw. dem amtierenden Hohenpriester im Prozeß noch einmal als die Hauptgegner Jesu auf.142 Zwar scheint für die Jünger in Zukunft immer noch Gefahr von der jüdischen Seite auszugehen,143 die schlimmere Gefährdung droht jedoch durch den Abfall der eigenen Leute, und das heißt auch durch die Spaltung der johanneischen Gemeinden. Deshalb mahnt Jesus zum »Bleiben«144 und zur Bruderliebe.145 »Die Auseinandersetzung mit den Juden ist längst nicht mehr das Hauptthema des Werks. … Wenn nun das Evangelium sich auf den Unglauben der Juden konzentriert, so hängt dies mit der erzählerischen Situation zusammen. Der Evangelist beschreibt ja nicht die Situation seiner Gemeinde, sondern berichtet die ›Geschichte Jesu‹ vom Auftreten des Täufers bis zu seiner Passion. D. h. die Juden stehen im Evangelium für alle NichtGlaubenden, weil Jesus nicht den Heiden, sondern nur seinem eigenen Volk predigte.«146
In den Abschiedsreden tritt an die Stelle »der Juden« und der »Pharisäer« der Kosmos, das heißt die Menschenwelt, als feindliches Gegenüber.147 Gehaßt und 139 Joh 11,47–53.57. Johannes weiß wie Josephus (Ant. 20,200, dazu oben S. 495 mit Anm. 6), daß das Synhedrium in Jerusalem keine Behörde war, sondern das jeweils ad hoc einberufene Richterkollegium des Hohenpriesters. Das bestätigt wieder, daß er sich in den palästinischen Verhältnissen in der Zeit vor 70 n. Chr. sehr gut auskennt. 140 Bei den Synoptikern ziehen dagegen die Jünger und die galiläischen Festpilger mit Jesus in Jerusalem ein (Mt 21,1–9 parr.). Die Hypantesis ist die feierliche Einholung eines Herrschers in der Antike. 141 Joh 12,37–43. 142 Joh 18,38b–40; 19,7.12.21. Vgl. M. Hengel, Johanneische Frage, 295. 143 Joh 16,1 ff.; siehe dazu unten S. 579 bei Anm. 174. 144 Joh 15,4–8. 145 Joh 15,9–17. 146 M. Hengel, Johanneische Frage, 300; vgl. U. Schnelle, Einleitung, 544. J. Frey, ›Die Juden‹, 361: »Der brennendste Konflikt der johanneischen Gemeinde zur Zeit der Abfassung der Briefe und der Herausgabe des Evangelium[s] ist daher wohl nicht mehr der Streit mit der Synagoge, sondern die Infragestellung durch die innergemeindliche Spaltung, den Rückzug einiger, vermutlich wohlhabender Gemeindeglieder, sowie die Verunsicherung durch den Unglauben und den Haß, den die Gemeinde von Seiten ›der Welt‹ (Joh 15,18 ff.) erfährt.« 147 Vgl. L. Kierspel, Jews and the World, 177 und passim.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
575
verfolgt werden die Jünger Jesu von der Welt, so wie schon Jesus von der Welt gehaßt und verfolgt wurde. Die Verfolgung geschieht »um des Namens [Jesu] … willen«.148 Doch die Zukunft ist nicht nur düster: Wer Jesu Wort gehalten und bewahrt hat, der wird auch die Verkündigung seiner Anhänger bewahren.149 Wenn dann der Paraklet kommt, der Geist der Wahrheit, wird er Zeugnis für Jesus ablegen, und auch die Jünger werden zu seinen Zeugen.150 Das Evangelium wendet sich an eine vorwiegend heidenchristliche Leserschaft, die fern von Palästina lebt und der das einstige Lehren und Wirken Jesu unter den Juden erklärt werden muß. Daß die schmerzhafte Trennung von ›den Juden‹ in der Vergangenheit liegt, wird auch daran deutlich, daß in den Johannesbriefen, die eng mit dem Evangelium zusammengehören, jede Polemik gegen die Juden fehlt.151 Die Schärfe der Polemik gegen »die Juden« im Evangelium »weist wohl historisch zurück auf zurückliegende Auseinandersetzungen und Trennungsprozesse, die zwar inzwischen abgeschlossen sind, aber sich im ›kollektiven Gedächtnis‹ der johanneischen Gemeinden und im Denken des Evangelisten, der ja selbst Judenchrist ist, fest eingeprägt haben«.152
Meines Erachtens weist der Evangelist damit auch zurück auf Vorgänge in Palästina selbst. Es finden sich im Evangelium auf Schritt und Tritt Spuren wie die genannten Feste und ihre Erklärung, die auf die Kenntnis der Verhältnisse dort – und zwar gerade in Jerusalem – vor dem Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges zurückweisen und für die Herkunft des Autors von dort sprechen. Jüdische Sitten und Gebräuche, die Tempelfeste, die erklärt werden, die spezifische Ortskenntnis in Jerusalem und Palästina, die der Evangelist hat, oder auch das Wissen um die oben erwähnte Funktion des Synhedriums in Jerusalem belegen dies sehr gut.153
18.2.2 Der Ausschluß aus der Synagoge154 Besonders klar zeigt sich, daß sich die »Wege« für Johannes bereits getrennt haben, im Vorwurf der Teufelskindschaft, der sich eng berührt mit der Polemik gegen »die Synagoge des Satans« in der Johannesapokalypse.155 Hinzu kommt ein dem Johannesevangelium ganz eigentümlicher Zug: die Verwendung des Stichworts ἀποσυνάγωγος. Der Terminus erscheint erstmals bei Johannes und Joh 15,21. Joh 15,20c. 150 Joh 15,26 f. 151 So auch U. Schnelle, Einleitung, 544; J. Frey, ›Die Juden‹, 361. 152 J. Frey, ›Die Juden‹, 372. 153 Siehe dazu M. Hengel, Johanneische Frage, 276–284 u. ö. 154 Dazu M. Hengel, Johanneische Frage, 288 f. 155 Joh 8,44; Apk 2,9; 3,9. Dazu oben S. 571 mit Anm. 123. 148 149
576
IV. Das palästinische Judenchristentum
geht vielleicht auf ihn zurück. Er ist nur in christlicher Literatur zu finden, die von ihm abhängig ist. Johannes gebraucht den Neologismus ἀποσυνάγωγος dreimal, um den Ausschluß von Jesusanhängern aus der Synagogengemeinde zu bezeichnen.156 Wie schon erwähnt, fürchten die Eltern des Blindgeborenen in Joh 9,22 diese Ausstoßung, wenn sie sich öffentlich als Sympathisanten oder gar Anhänger des Messias Jesus zu erkennen geben. Ihre Furcht vor »den Juden« wird begründet mit der Auskunft: »Denn (damals) schon hatten die Juden beschlossen, daß, wenn einer ihn als Christus bekenne, er aus der Synagoge ausgestoßen werden solle.«157
Mit dem Gebrauch des Plusquamperfekts συνετέθειντο deutet der Evangelist an, daß für ihn dieser Beschluß lange zurückliegt und er es für plausibel hält, daß er schon zu Jesu Lebzeiten in Palästina, genauer in Jerusalem, gefaßt wurde.158 Mit der Ausstoßung wurden in der Frühzeit Israels Apostasie und ähnlich schwere Verbrechen bestraft; im frühen Judentum war es im Grunde immer noch Joh 9,22; 12,42; 16,2. F. Siegert, Passa, 101, datiert die ἀποσυνάγωγος-Stellen ebenso wie die Apokalypse in die hadrianische Zeit. Die antijüdischen Stellen habe ein Späterer eingefügt. Das scheint abwegig. 157 Joh 9,22. Vgl. dazu J. Frey, Eschatologie II, 116: »Der Evangelist verwendet« hier das Plusquamperfekt, »um eine erzählerische Erläuterung anachronisch nachklappend einzuflechten«; vgl. auch P. J. Tomson, Didache, 382. H. Thyen, Joh, 464 f., hält dagegen die Möglichkeit eines »förmlichen Ausschlußverfahrens … im ersten Jahrhundert für denkbar unwahrscheinlich« und rechnet mit »intertextuellem Spielmaterial« (465) des Evangelisten mit Lk 6,22 und Joh 16,2. Sehr gut belegt ist die Umkehrung des Priestersegens zum Fluch über alle Männer des Loses Belials in der Liturgie des jährlich gefeierten Bundeserneuerungsfests in der Sektenregel aus Qumran (1QS II 4–18). Die Qumran-Essener haben Disziplinregeln, die bei schweren Vergehen die endgültige Ausstoßung aus der Gemeinschaft vorsehen (1QS VIII 21 f.; IX 1) und bei weniger schweren den zeitweisen Ausschluß »aus der Reinheit«. Auch »die Pharisäer kannten …, ähnlich wie die Qumran-Gemeinde, zwei verschiedene Grade der Exkommunikation«, so C.-H. Hunzinger, Art. Bann II, TRE 5 (1980), 161–164 (163). Weiter Schürer II, 431 f.; W. Horbury, Extirpation and Excommunication, 45 f. Zur Gemeinderegel in Mt 18,15–18 vgl. 1 Kor 5,1–5; 2 Kor 2,5–11 u. a., siehe U. Luz, Mt III, 37–51. Zum Bann (ḥerem) der Rabbinen gegen die mînîm in tChul 2,20–23 siehe P. S. Alexander, Jewish Believers, 677 ff.; weiter Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 187–296: das Kapitel »The Struggle against the Minim: Warnings and Bans«. 158 Das wurde er sicher nicht. Auf der anderen Seite sieht J. A. Kelhoffer, Persecution, 256 f., im Anschluß an C. S. Keener hier und in Joh 12,42 f. und 16,2 sich nur jüngste Erfahrungen der johanneischen Gemeinde widerspiegeln. Wenn das so wäre, dann bezögen sich Joh 9,22; 12,42; 16,2 nur auf die Situation der johanneischen Gemeinden in Ephesus und Umgebung. Dagegen schon M. Hengel, Johanneische Frage, 293 f.: »Die heutige Tendenz, möglichst viele Nachrichten in den Evangelien vorschnell auf die Gegenwart der jeweiligen ›Gemeinde‹ des Evangelisten zu beziehen, führt leicht zu Fehldeutungen. Auch die Evangelisten waren sich der zeitlichen Distanz zur Geschichte Jesu und zum früheren Schicksal der Gemeinde bewußt und waren nicht völlig unfähig, Gegenwart und Vergangenheit zu unterscheiden.« Bei Johannes kommt noch sein hermeneutisches Verfahren der ›Horizontverschmelzung‹ hinzu, dazu oben S. 569 mit Anm. 107. 156
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
577
ein Todesurteil, bei dem man es Gott überließ, auf welche Weise es vollstreckt wurde. Ausstoßung aus dem Volk Israel durch den Bann gab es zur Zeit des Zweiten Tempels, wie vor allem Esr 10,8;159 Neh 13,3; Jes 66,3 zeigen, aber auch noch später. Nach mTaan 3,8 soll Schimeon ben Schetach zu Honi dem Kreiszieher nach dessen Regenwunder gesagt haben: »Es wäre nötig, dich zu bannen (leniddôt), aber kann ich dir das antun?«160 Honi – ein Charismatiker, dessen Regenwunder auch Josephus161 erwähnt – benimmt sich nach der Tosefta Gott gegenüber so vertraulich wie ein verzogenes Kind, ohne jede Distanz und ohne Respekt. Der Verfasser dieser Geschichte rechnet mit der Möglichkeit des Banns. In der Perikope vom Blindgeborenen erscheint zudem gegen Ende zweimal ἐκβάλλω für den Hinauswurf des Geheilten.162 Das ist gewiß kein Zufall. Auf der Erzählebene »werfen« die Pharisäer den geheilten Blindgeborenen nach einem nochmaligen Verhör und einem Streitgespräch, in dem sie ihn beschimpfen und sich selbst als »Schüler Moses« bezeichnen, einfach »hinaus«, ohne daß angegeben wird, wo sie sich befinden. »Vom Kontext her wird man den Satz: καὶ ἐξέβαλον αὐτὸν ἔξω, nicht als bloßen ›Lokalverweis‹ begreifen dürfen, sondern darin die Exekution jenes ›Beschlusses‹ sehen müssen, die die Eltern unseres glücklich sehend Gewordenen so gefürchtet hatten«, nämlich daß, wer sich zu Christus bekennt, zu einem ἀποσυνάγωγος gemacht wird.163 In den synoptischen Evangelien kommt Lk 6,22 den ἀποσυνάγωγος-Stellen bei Johannes am nächsten.164 Hartmut Thyen spricht ganz zu Recht von 159 Esr 10,8: »und wer nicht in drei Tagen nach dem Ratschluß der Oberen und Ältesten käme, dessen ganze Habe sollte dem Bann verfallen und er selbst ausgeschlossen sein aus der Gemeinde [yibbādēl = LXX 1 Esdr 9,4 ἀλλοτριωθήσεται].« Neh 13,3: »Als sie nun dieses Gesetz hörten, stießen sie alles fremde Volk aus Israel aus [wayyabdîlû = LXX 2 Esdr 23,3 ἐχωρίσθησαν]«. Das Gebot des Ausschlusses der Fremdstämmigen und des Eunuchen aus der Gemeinde in Dtn 23,2 wird in Jes 56,3 ›eschatologisch‹ aufgehoben: »Der Fremdstämmige, der sich Jahwe angeschlossen hat, soll nicht sagen: Ausschließen will mich Jahwe (habdēl yabdîlani yhwh; LXX: ἀφοριεῖ με … κύριος) aus seinem Volk. Und der Eunuch soll nicht sagen: Ich bin ein dürrer Baum.« Siehe dazu ausführlich mit vielen Belegen W. Horbury, Extirpation and Excommunication, 49. William Horbury weist mit der ihm eigenen Gelehrsamkeit nach, daß die Gesetze des Pentateuchs gegen die Apostasie im frühen Judentum gegolten haben und angewendet wurden. Vgl. auch 1 Kor 16,22 und Gal 1,8 f. zum Ausschluß aus der christlichen Gemeinde. Vgl. zu den strengen Regeln der Frommen in Qumran oben Anm. 157. 160 Dazu C. Hezser, Social Structure, 144. Vgl. unten S. 593 Anm. 243. 161 Josephus, Ant. 14,22. 162 Joh 9,34 f. Vgl. oben S. 572 bei Anm. 126. 163 H. Thyen, Joh, 468. 164 Da das Johannesevangelium etwa 20 Jahre nach dem Lukasevangelium verbreitet wurde, »wäre eine Kenntnis dieses Werks für den vierten Evangelisten … eher wahrscheinlich«. Zudem lassen sich »exegetisch viele Details« des Johannesevangeliums »auf dem Hintergrund markinischer und lukanischer Texte« besser verstehen. Zitate: J. Frey, Johannes und die Synoptiker, 289. Vgl. dazu auch M. Hengel, Schriftauslegung im 4. Evangelium, 282 =
578
IV. Das palästinische Judenchristentum
»Lk 6,22 als de[m] möglichen Prätext unserer Erzählung, wo Jesus diejenigen selig preist, die von den Menschen gehaßt, ausgegrenzt (ἀφωρίσωσιν) und geschmäht werden, ja deren ›Name‹ als böse hinausgeworfen werden wird [ἐκβάλωσιν, A. M. S.] um des Sohnes des Menschen willen«.165
Der Bezug auf Lk 6,22 ist wichtig, weil sich daran erkennen läßt, daß Johannes nicht nur von den jüngsten Erfahrungen seiner Gemeinden erzählt. »Die wörtliche Wiederaufnahme von ἐξέβαλον αὐτὸν ἔξω« in V. 34 »unterstreicht das Gewicht dieser Maßnahme im Sinne von 9,22«.166 Das heißt, der Geheilte erleidet damit genau das Schicksal, dem seine Eltern entgehen wollten, er wird sozusagen ›exkommuniziert‹. »If one sees the portrayal of the man’s parents as a reflection of later Johannine experience, John could be indirectly critiquing secret Jesus-followers who not only fail to confess Jesus but may also betray their brethren to examination and exclusion.«167 Dieser Synagogenausschluß traf natürlich die Judenchristen sehr viel härter als die Heidenchristen, auch wenn diese vorher gottesfürchtige Sympathisanten gewesen und über die Synagoge zum Christentum gekommen waren. Daß eine solche Ausstoßung wirklich zu fürchten war, geht dann aus Joh 16,2 f. deutlich hervor. In Joh 12,37–43 gibt der Evangelist zunächst ein Resümee168 über das öffentliche Wirken Jesu: »Obwohl er derart große Zeichen vor ihnen getan hatte, glaubten sie dennoch nicht an ihn« und begründet den Unglauben der Juden damit, daß sich nun die Profetie Jes 53,1 erfüllt: »Herr, wer glaubt unserer Predigt, und wem ist der Arm des Herrn offenbar?« Und die Ablehnung, auf die Jesus stößt, wird mit dem Verstockungsauftrag von Jes 6,10 erklärt: »Geblendet hat er ihre Augen, und verhärtet hat er ihre Herzen, damit sie mit den Augen nicht sehen und mit den Herzen nicht erkennen und sie nicht umkehren, daß ich sie heile.«
Jesaja habe dies über das Volk gesagt, als er die δόξα Christi sah. Die δόξα des Herrn (τὸν κύριον), die den Tempel erfüllte, sah Jesaja in seiner Berufungsvision KS V, 636 f.: Johannes kennt die synoptische Tradition, hat sie aber »in eigenständiger Weise umgeformt«. 165 H. Thyen, Joh, 468 (Hervorhebungen im Original); weiter loc. cit.: »τὸ ὄνομα [ist] wohl als Inbegriff der verworfenen Person selbst zu verstehen«. Wenn Johannes Lk 6,22 kennt, so versteht er dies als Jesu Ankündigung des Synagogenausschlusses. Zu Lk 6,22 vgl. oben S. 556 Anm. 43 und die dort genannten weiteren Stellen. 166 H. Thyen, Joh, 469; weiter P. Hirschberg, Jewish Believers, 232: »… he is thereupon excommunicated from the synagogue. This hasn’t been expressed explicitly, but the phrase ›so they threw him out [expelled him from the synagogue]‹ (9:34) is formulated intentionally in an ambiguous manner, which unfailingly raises the image of an excommunication from the synagogue.« 167 J. A. Kelhoffer, Persecution, 258. 168 H. Thyen, Joh, 570: »Resümee seines Erzählers«; vgl. R. Schnackenburg, Joh II, 515: »auf das ganze Wirken Jesu zurückblickende Feststellung«.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
579
6,1 (LXX).169 Κύριος bezieht Johannes selbstverständlich auf den präexistenten Christus. Aber, fährt der Evangelist fort, viele, auch von den Oberen, haben gleichwohl an Jesus geglaubt,170 doch wegen der Pharisäer hätten sie ihren Glauben nicht bekannt, »damit sie nicht aus der Synagoge ausgestoßen würden. Denn sie liebten das Ansehen (δόξα) bei den Menschen mehr als das Ansehen (δόξα) bei Gott.«171 Wieder erscheinen Juden, auch Obere (ἄρχοντες), vermutlich handelt es sich um Mitglieder des Laienadels, die in der Passionsgeschichte des Markus mit πρεσβύτεροι (15,1) bezeichnet und in Joh 7,26.48 von den Pharisäern unterschieden werden,172 die sich nicht öffentlich zum Glauben an Jesus bekennen wollen, weil sie bedrohliche Auseinandersetzungen in den Synagogen vermeiden und nicht ausgestoßen werden wollen. Sie fürchten sich vor den Pharisäern, die offensichtlich wie in Joh 9,13.15 darüber zu bestimmen haben, wer aus der Synagoge ausgeschlossen wird. Die Pharisäer bilden nach Johannes die religiöse Elite, die die Synagogen beherrscht. Damit ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei Matthäus, der die Gegner Jesu stereotyp als »Schriftgelehrte und Pharisäer« bezeichnet.173 Zum dritten Mal erscheint ἀποσυνάγωγος in den Abschiedsreden (16,1 f.): »Aber das (alles) habe ich euch gesagt, damit ihr nicht zu Fall kommt. Sie werden euch aus der Synagoge ausstoßen. Ja, es kommt die Stunde, daß jeder, der euch tötet, glaubt, er erweise Gott einen Dienst.«174
Nun spricht der scheidende johanneische Jesus über die Zukunft der nachösterlichen Jüngergemeinde. In den Abschiedsreden kommt die Situation der Gemeinden, für die dieses Evangelium geschrieben wurde, am deutlichsten zum Ausdruck.175 An sich tritt die Auseinandersetzung mit ›den Juden‹ in den Abschiedsreden zurück, so wie sie auch in den Johannesbriefen nicht erwähnt wird.176 An die Stelle der Feindschaft »der Juden« tritt die Feindschaft des Johannes legt den Septuaginta-Text aus. Es ist aber auch in der rabbinischen Literatur geläufig, daß Jesaja nicht Gott selbst, sondern seine »Herrlichkeit« gesehen hat; siehe dazu J. Frey, Eschatologie II, 234 f. 170 Beispiele im Evangelium sind Nikodemus (Joh 3,2–13) und Joseph von Arimathia (19,38 f.). Vgl. weiter M. Theobald, Zeugnis, 209 f. 171 Joh 12,43. 172 Sie erscheinen dreimal als Sammelbegriff in Joh 7,26.48; 12,42; vgl. Nikodemus in 3,1 als ἄρχων; weiter Lk 14,1; 23,13.35; 24,20; Apg 3,17; 4,5.8.26; 13,27; 16,19. M. Hengel, Johanneische Frage, 295, nahm an, bei Johannes seien es Führer der Pharisäer, dafür könnte nur Lk 14,1 sprechen. 173 Vgl. dazu oben S. 547 mit Anm. 5 und S. 554. 174 Dies bezieht sich nicht erst auf die Einführung der Birkat ham-mînîm ins Achtzehnbittengebet, sondern gilt schon für frühere Jahrzehnte. Vgl. dazu unten S. 582 bei Anm. 192–193. 175 Vgl. J. Frey, Eschatologie III, 234 f. 176 Sonst nur noch Joh 13,33 in einem Rückblick darauf, was Jesus »den Juden« einst gesagt hatte. 169
580
IV. Das palästinische Judenchristentum
»Kosmos« – der gesamten Menschenwelt – auch im Rückblick auf das Leben Jesu. Diese Eigenart der johanneischen Darstellungsweise – der »Horizontverschmelzung« – tritt hier besonders deutlich hervor.177 Die Gemeinden trifft der Haß der Welt in der gleichen Weise, wie sie Jesus gehaßt hat (15,18 f.). Weil »die Juden« bzw. »die Welt« Jesus hassen, hassen sie auch seinen Vater. So wie sie Jesus verfolgt haben, werden sie auch die Jünger verfolgen (15,20a). Doch positiv gewendet bedeutet dies auf der anderen Seite: Wenn sie das Wort Jesu bewahrt haben (ἐτήρησαν), werden sie auch die Worte der Jünger bewahren (15,20b). »Doch dies alles tun sie euch an um meines Namens willen; denn sie kennen nicht den, der mich gesandt hat.«178 Diesen angefochtenen Jüngern gilt der Trost des Parakleten,179 aber auch die Warnung vor dem Abfall.180 Mit der dem Evangelisten Johannes eigentümlichen Wortbildung ἀπο συνάγωγος charakterisiert der scheidende johanneische Jesus nun auch »die nachösterliche Zukunft der Jüngergemeinde«.181 Er spricht zugleich die Gefahr des Abfalls an (σκανδαλισθῆτε), der in der Zukunft droht und mit dem die johanneischen Gemeinden in den Johannesbriefen zu kämpfen haben.182 Im Blick auf die nachösterliche Situation wird nun noch deutlicher, daß die Ausstoßung aus der Synagoge nicht nur soziale Isolierung und Benachteiligung brachte,183 sondern lebensgefährliche Folgen haben konnte. Etwas von dieser Härte ist in der Verbindung des Synagogenausschlusses mit der Überzeugung, die Judenchristen sollten als Apostaten mit dem Tod bestraft werden und dies sei dann eine richtige Opfergabe an Gott, immer noch spürbar. Daß die Gegner die Tötung der Anhänger Jesu als einen Dienst für Gott betrachten, »entspricht durchaus dem«, daß Stephanus gesteinigt wurde wegen Blasphemie, der Zebedaïde Jakobus enthauptet, der Herrenbruder Jakobus und einige andere gesteinigt und auch der Zebedaïde Johannes »von den Juden getötet wurde«.184
Dazu oben S. 569 mit Anm. 107, S. 572 Anm. 129 und S. 576 Anm. 158. 15,21. 179 Joh 15,26 f. 180 Joh 16,1; vgl. Mk 4,17. 181 J. Frey, Heiden, 302. 182 Joh 16,1; vgl. 6,60–71; 1 Joh 2,28 f. Vgl. dazu J. Frey, ›Die Juden‹, 360 ff.; dazu oben S. 570 bei Anm. 114 und S. 574 Anm. 146. 183 Siehe dazu tChul 2,20–23. P. S. Alexander, Jewish Believers, 677: »The rabbis did not only attempt to exclude the minim from communal institutions; they also attempted to ostracize them in everyday life.« 184 Ausführlicher dazu M. Hengel, Johanneische Frage, 289; zum Zebedaïden Johannes siehe in den Papiasfragmenten: Pap frag. 12 (300 f. ed. Lindemann / Paulsen) = Pap frag. 17 (68 ed. Körtner), vgl. auch Pap frag. 11 (298 ff. ed. Lindemann / Paulsen) = Pap frag. 10 (62 ed. Körtner) und oben S. 352 mit Anm. 19. 177
178 Joh
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
581
Sicher geht es hier nicht um ein Vorgehen wie bei der Tat des Pinchas oder der des Mattathias, die als »Eiferer« gewaltsam einschritten und die Apostaten töteten, um das Volk vor dem Abfall zu bewahren.185 Aber die Synagogengemeinden waren imstande, den ausgeschlossenen Judenchristen den sozialen und juridischen Schutz der Synagogen zu entziehen. Das hatte für sie die entsprechenden Folgen: Denunziationen waren sie schutzlos ausgeliefert. »Daß der Haß auf beiden Seiten groß war und je und je zu Übergriffen führen konnte, läßt sich kaum bezweifeln, wobei die Juden am Ende des ersten und im zweiten Jahrhundert in der politisch günstigeren Lage waren, denn die Christen mußten, falls gegen sie Anklage erhoben wurde, schon auf Grund des nomen ipsum mit schwersten Strafen rechnen. Diese Situation sollte sich erst im vierten Jahrhundert grundsätzlich ändern.«186
Der erste Schritt zur Trennung war die Prügelstrafe der »Vierzig weniger einen (Schläge)«, die an Judenchristen in den Synagogen vollzogen wurde, wenn sie der Aufforderung, Christus zu verleugnen, nicht folgen wollten. Paulus hatte diese schwere Strafe, als er den 2. Korintherbrief schrieb, schon fünfmal erlitten.187 Mit der Auseinandersetzung um die Verkündigung des Stephanus kam es in Jerusalem etwa im Jahr 31/32 n. Chr. zu einem ersten schlimmen Eklat in einer Synagoge, der bis hin zur Lynchjustiz durch Steinigung führte. Am Ende stand der Ausschluß der Jesusanhänger aus den Synagogengemeinden.188 Das Johannesevangelium spiegelt auf seine Weise diesen Prozeß und insistiert darauf, daß dieser in Jerusalem begann. Diese Trennung, von der das Johannesevangelium zeugt, wurde früher sehr oft mit dem sogenannten »Ketzersegen«, der Birkat ham-mînîm, in Verbindung gebracht. Dessen Entstehung gehört geographisch nach Palästina.
185 Auf Pinchas verweist R. Schnackenburg, Joh III, 139 Anm. 101. Zu Pinchas und Mattathias vgl. A. M. Schwemer, Eiferer. 186 M. Hengel, Johanneische Frage, 293. Er verweist dazu auf die Korrespondenz zwischen Plinius und Trajan, die zeigt, daß die Christen bei einer Anklage vor dem Statthalter, wenn sie ihrem christlichen Glauben treu blieben, mit der Todesstrafe zu rechnen hatten (Plinius, Ep. 10,96,2 f. [BSGRT, 355 ed. Schuster / Hanslik]). Und er führt auch die Märtyrer in Lyon an, die um 177 n. Chr. in ihrem Brief an die Christen in Asia und Phrygien Joh 16,2 zitieren als »Profezeiung des Herrn, die sich in ihrer Verfolgung durch die Heiden erfüllte« (Euseb, H. e. 5,1,15 [GCS Eusebius II/1, 408,2 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]). Vgl. dazu auch oben § 17.2 (S. 523–529) und § 17.3 (S. 529–545) zur Verfolgung der Davididen und zum Martyrium des Simeon, Sohn des Klopas, in Palästina. 187 2 Kor 11,24. 188 Siehe dazu tChul 2,20–23; P. S. Alexander, Jewish Believers, 677.
582
IV. Das palästinische Judenchristentum
18.3 Die Birkat ham-mînîm im Achtzehnbittengebet und die Ausgrenzung der Judenchristen aus dem Judentum Das Achtzehnbittengebet189 bildet neben dem Shemaʿ einen »Hauptbestandteil des jüdischen Gottesdienstes«, dessen »12. Benediktion den Häretikern (in talmudischer Terminologie mînîm, daher der Name Birkat ham-mînîm) gewidmet« ist.190 Ismar Elbogen kam einst in seinem klassischen Werk zum jüdischen Gottesdienst, das in erster Auflage 1913 erschien, zu dem Ergebnis, daß das Achtzehnbittengebet durch R. Gamaliel II. redigiert und diese Bitte unter ihm eingefügt wurde, um »die Trennung der Christen von der Synagoge durchzusetzen … Es ist kaum daran zu zweifeln, daß unser Gebet sich tatsächlich auf die Christen bezogen hat, es bildete eines der Mittel zur völligen Scheidung der beiden Religionen«.191
Seinem Urteil ist man lange gefolgt. Für Neutestamentler schien dies eine ideale Lösung, bei der die Puzzleteile wunderbar zusammenpaßten: einmal der Ausschluß aus den Synagogen im Johannesevangelium, dann die Nachrichten über die Verfluchung der Christen in den Synagogen bei Justin, Hieronymus und Epiphanius und auf der anderen Seite die rabbinischen Texte über die Einfügung der Birkat ham-mînîm, des sogenannten Ketzersegens, in das Achtzehnbittengebet unter Gamaliel II. um 100 n. Chr. Die verschiedenen Nachrichten schienen sich gegenseitig zu ergänzen und ein geschlossenes Bild zu ergeben. Aus diesem Grund wurde gerade in der Exegese des Johannesevangeliums an dieser Sicht lange festgehalten.192 Doch ist dort nicht von einer Verfluchung der Christen in den Synagogen die Rede, schon deshalb läßt sich diese bequeme Erklärung nicht halten.193 Aber das Matthäus‑ und das Johannesevangelium zeigen mit Hebräisch: Shemone Esre, Amida oder einfach Tefilla; vgl. K. Herrmann, Art. Shemone Esre, RGG4 7 (2004), 1279 f., der auf die zahlreichen Revisionen des Textes und Angleichungen an zeitgenössische Bedürfnisse im Laufe der Jahrhunderte kurz eingeht. Dazu vor allem die Textsammlung und den Katalog bei R. Langer, Cursing the Christians, 187–254. 190 P. Schäfer, Synode von Jabne, 46. Zum Terminus mînîm und zu den anderen Bezeichnungen für Häretiker und ihre Entwicklung vgl. P. S. Alexander, Jewish Believers, 666–669. 191 I. Elbogen, Gottesdienst, 36 (Hervorhebungen im Original), zitiert auch bei P. Schäfer, Synode von Jabne, 48. W. Horbury, Benediction, 67 ff., der auch auf die ältere Forschung eingeht, verweist darauf, daß moderne Autoren seit Heinrich Graetz Justins Vorwurf, daß die Christen in den Synagogen verflucht werden, mit der zwölften Bitte der Tefilla verbunden haben. 192 Siehe J. Frey, ›Die Juden‹, 362 zu den Untersuchungen von J. Louis Martyn, Klaus Wengst und anderen, die aber schon ältere Vorläufer hatten. Vgl. auch L. Kierspel, Jews and the World, 167–174 u. ö. 193 P. W. van der Horst, Birkat, 102: »John does not speak about the Christians being cursed in the synagogues, and that is the point at issue. It is for that reason that the Gospel of John should be left out of the discussion of the birkat ha-minim« (Hervorhebungen im Original). Vgl. ausführlich auch die Argumente von M. Theobald, Zeugnis, 241–249. 189
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
583
ihrer Polemik, daß der Trennungsprozeß nicht nur im Gang war, sondern klare Trennungen bereits eingesetzt hatten.
18.3.1 Die Birkat ham-mînîm im Achtzehnbittengebet194 Martin Hengel schrieb zur Birkat ham-mînîm: »Die birkat ham-mînîm im täglichen Gebet der Juden, deren genaues [Entstehungs‑] Datum wir nicht kennen, ist nur die letzte Konsequenz auf einem an Auseinandersetzungen und Leiden reichen Weg. Wir sollten darüberhinaus bedenken, daß sich dieser Fluch nicht nur gegen jüdische Christen, sondern gegen alle jüdischen ›Häretiker‹ richtete; die Einfügung des die Judenchristen explizit bezeichnenden Terminus nôṣrîm scheint erst noch später erfolgt zu sein.«195
Die Birkat ham-mînîm ist die zwölfte Bitte im Achtzehnbittengebet. Dieses selbst bildet neben dem Shemaʿ den zweiten »Hauptpfeiler« des jüdischen Gottesdienstes,196 ja sein Herzstück. Wie das Shemaʿ wurde es zwei‑ bzw. dreimal täglich zu den Gebetszeiten gebetet und ist als »Tefilla« das Bittgebet schlechthin.197 Es wurde im Stehen gesprochen, daher sein anderer Name Amida, und der Vorbeter trat dazu vor den Toraschrein.198 Weiter durfte es wie das Shemaʿ in allen Sprachen gebetet werden.199 Spätestens im 4. Jahrhundert enthielt das Achtzehnbittengebet die zwölfte Bitte, denn Epiphanius und Hieronymus wissen, daß die Christen dreimal täglich unter dem Namen Nazarener 194 Aus der Fülle der Literatur seien erwähnt: W. Horbury, Benediction; Y. Y. Teppler, Birkat haMinim; R. Langer, Cursing the Christians, 75–88; G. Stemberger, The birkat haminim; zuletzt S. J. D. Cohen, The Ways That Parted. 195 M. Hengel, Johanneische Frage, 290. Zur Terminologie vgl. P. S. Alexander, Jewish Believers, 668: nôṣrîm bezeichnet die Anhänger Jesu von Nazareth (Mk 1,24; 14,67; 16,6; Lk 4,34; Mt 2,23; 26,71) und entspricht Apg 24,5 (τῶν Ναζωραίων αἱρέσεως). Die Bezeichnung ist jedoch in der frühen rabbinischen Literatur selten, was Alexander auf die Tätigkeit von christlichen Zensoren zurückführt. Vgl. E. K. Broadhead, Jewish Ways, 162–187 zu ihrer Darstellung bei Epiphanius und Hieronymus. 196 So S. C. Reif, Art. Shemaʿ, RGG4 7 (2002), 1277 f.; K. Herrmann, Art. Shemone Esre, RGG4 7 (2002), 1279 f. 197 Nach Epiphanius und Hieronymus wurde die Birkat ham-mînîm entsprechend dreimal täglich gebetet: Epiphanius, Panarion 29,9,2 (GCS NF 10/1, Epiphanius I/1, 332,4 f. ed. Holl / Bergermann / Collatz): τρὶς τῆς ἡμέρας φάσκοντες ὅτι »ἐπικαταράσαι ὁ θεὸς τοὺς Ναζωραίους«. Da das Achtzehnbittengebet in allen Sprachen gebetet werden konnte, könnte Epiphanius eine reale griechische Textform der Ketzerbitte bezeugen. Doch das ist wohl eher unwahrscheinlich. Vgl. Hieronymus, Comm. in Jes. 2 zu Jes 5,18 f. (CChr.SL 73, 76,42–45 ed. Adriaen): usque hodie perseverent in blasphemiis et ter per singulos dies in omnibus synagogis sub nomine Nazarenorum anathematizent vocabulum Christianum. 198 Zum »Stehen« im priesterlichen Dienst vgl. oben S. 162 und S. 484 Anm. 46; zum Stehen bei der Amida und zum Rezitieren siehe U. Ehrlich, Nonverbal Language of Prayer, 13–28.174–198 u. ö. 199 mSota 7,1; vgl. Bill. IV, 196.220.
584
IV. Das palästinische Judenchristentum
in den Synagogen verflucht werden.200 Die zwölfte Bitte, die diese Verfluchung enthält, ist in den mittelalterlichen Handschriften recht variantenreich überliefert. Eine palästinische Version aus dem frühen Mittelalter lautet: »Den Abtrünnigen sei keine Hoffnung, und das anmaßende Königreich rotte eilends aus in unseren Tagen. Und die Nazarener (nôṣrîm) und Häretiker (mînîm) mögen wie ein Augenblick dahingehen, ausgelöscht werden aus dem Buch des Lebens und mit den Gerechten nicht aufgeschrieben werden (Ps 69,29). Gepriesen seist du, Herr, der die Anmaßenden (zedîm) demütigt.«201
Ismar Elbogen schrieb dazu: »Dieses Stück hat die meisten Änderungen erfahren, neben der natürlichen Einwirkung der Zeit haben die gewaltsamen Eingriffe der Zensur seinen Wortlaut beeinflußt und umgestaltet. Ob es je gelingen wird, den ursprünglichen Wortlaut wiederzufinden, ist mehr als fraglich.«202 Dieser letzte Satz gilt noch heute. Elbogen stellte hinsichtlich der zwölften Bitte für seine Zeit in Deutschland fest: »In neueren Gebetbüchern ist der Text vielfachen Änderungen unterworfen worden, die vernunftgemäßeste ist die völlige Streichung, wie es im Berliner Gebetbuch der Fall ist.«203 Es gibt zudem eine palästinische und eine babylonische Rezension. Die ältesten Handschriften fand Solomon Schechter am Ende des 19. Jahrhunderts in der Alt-Kairoer Geniza und veröffentlichte sie. Daß Gebete in der Regel auch in der Antike mehr oder weniger leicht variieren, kann man sich am sehr viel kürzeren und schlichteren Vaterunser verdeutlichen. Dessen aramäische Urform hat sich 200 Vgl. Hieronymus, Comm. in Am 1,11 f. (CChr.SL 76, 227,476 ff. ed. Adriaen): usque hodie in synagogis suis sub nomine Nazarenorum blasphemant populum christianum, et dummodo nos interficiant, volunt igne comburi. Mit usque hodie (»bis auf den heutigen Tag«) – wie in Comm. in Jes. 2 zu Jes 5,18 f. (zitiert oben in Anm. 197) – weist er darauf hin, daß das keine neue Sitte in Palästina war. Er wirft den Juden außerdem vor, daß sie – sofern sie können – Christen töten und nicht nur ihre Bücher im Feuer verbrennen wollen. 201 Zum Text siehe R. Langer, Cursing the Christians, 46 f. (Tabelle der Geniza-Texte; die Texte werden hebräisch mit englischer Übersetzung wiedergegeben); 187–254 (hebräischer Text mit kritischem Apparat). Dieser Text ist bei R. Langer, op. cit., 188, als »Version 2: Land of Israel« abgedruckt; ihn bieten zwei Geniza-Handschriften: Cambridge, T-S Glass 20.57, und Cambridge, T-S K 27.33. Die mit sechs Handschriften besser belegte »Version 1« (op. cit., 187 f.) bietet statt »und das anmaßende Königreich rotte eilends aus in unseren Tagen« zu den Abtrünnigen den Passus »wenn sie nicht zurückkehren zu deiner Tora«. Eine Rückkehrmöglichkeit für die mînîm und nôṣrîm ist in keiner Version vorgesehen. Der Passus über das »anmaßende Königreich« entspricht der Eulogie am Schluß: »Gepriesen seist du, Herr, der die Anmaßenden demütigt« und gehört also zum älteren Bestand. Zur Übersetzung vgl. P. Schäfer, Synode von Jabne, 48. Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 371 ff., druckt »Original Hebrew Versions« ab. Vgl. weiter die Auflistung, Sortierung der Handschriften und die Einteilung der Versionen von U. Ehrlich / R. Langer, Earliest Texts; darauf beruht die Textwiedergabe in: R. Langer, Cursing the Christians, 187–254; vgl. P. S. Alexander, Jewish Believers, 674 f. 202 I. Elbogen, Gottesdienst, 51. 203 I. Elbogen, Gottesdienst, 52. Vgl. die Liste bei R. Langer, Cursing the Christians, 247–251 zu »Texts of the Liberal Movements«.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
585
zwar nicht erhalten, aber es ist in griechischer Sprache früh, gut und mehrfach belegt. Doch schon bei Lukas, Matthäus und in der Didache hat es jeweils einen etwas anderen Wortlaut.204 Das Achtzehnbittengebet selbst – und auch die zwölfte Bitte – wird in der talmudischen Literatur nicht vollständig im Wortlaut zitiert. Durch die Funde der Handschriften in der Esra-Geniza von Kairo und durch die jüdischen Gebetbücher seit Rav Amram Gaon († 880) und Rav Saadja Gaon (882–942) weiß man, daß diese zwölfte Bitte mit mehr oder weniger gezielter Ausrichtung vor allem gegen die Christen gerichtet war. Der Grundbestand ist in fast allen Rezensionen gleich, die vier grundlegenden Elemente seien im folgenden aufgeführt. Mal wird gekürzt, mal wird erweitert, doch was am stärksten »wechselt, sind die Bezeichnungen derer, denen die Verwünschung gilt«. Peter Schäfer schreibt dazu: 1) »Den N. N. sei keine Hoffnung.« Hier werden immer die Abtrünnigen genannt. Erst in späten Texten erscheinen statt dessen »Verleumder«.205 2) »N. N. rotte aus … in unseren Tagen«. Hier wird zumeist das »anmassende Königreich« (malkhût zādôn) genannt. 3) »Die N. N. mögen wie ein Augenblick dahingehen …«. Hier sind die »Adressaten … am unterschiedlichsten, nämlich allgemein Häretiker (mînîm)«, meist auch die »Judenchristen (nôṣrîm) und Denunzianten (môsrîm)«. 4) »Den Abschluss bildet die Eulogie ›der die Anmassenden (zedîm)206 demütigt‹, meist erweitert durch ›und die Frevler … bzw. Feinde … zerbricht.‹«207 Dafür wird Gott gepriesen. 204 Mt 6,9–13 hat sieben Bitten, und zahlreiche Handschriften hängen eine Doxologie an. Lk 11,2 ff. hat nur fünf Bitten und wird ohne Schlußdoxologie überliefert. Did 8,2 stimmt bis auf kleine Abweichungen mit Mt 6,9–13 überein und hat eine kurze Schlußdoxologie. Did 8,3 ordnet an, daß das Vaterunser dreimal täglich gebetet werden soll. Darin stimmt Did 8,3 mit der Verordnung für das Shemaʿ und das Achtzehnbittengebet überein. Noch heute wandelt sich das Vaterunser: In meiner Kindheit (vor 1950) hieß es: »der du bist im Himmel« und »und erlöse uns von dem Übel«. Die deutschen Bischöfe – katholische und evangelische – haben jetzt dem Wunsch des Papstes nach einer besseren Übersetzung der Bitte »und führe uns nicht in Versuchung« widersprochen; dazu den Artikel von C. Pfeffer / F. Fritzen, Textänderung wird abgelehnt. Das Vaterunser bleibt, in: FAZ vom 17. 12. 2 017 (URL: http://www.faz.net/ aktuell/politik/vaterunser-aenderungen-im-text-werden-in-deutschland-abgelehnt-15344193. html, letzter Zugriff: 27. 2. 2 018). 205 So auch im deutschen Gebetbuch: S. Bamberger, Sidur Sefat Emet, Ausgabe Basel 1986, 43. 206 Hier wird zedîm etc. durchgehend mit »anmaßend« übersetzt; vgl. Mal 3,15.19; Jer 50,31 f.: zādôn zweimal als Name für Babel. Vgl. auch 1QHa XIV 35 (F. García Martínez / E. J. C. Tigchelaar [Hgg.], Dead Sea Scrolls I, 177): »in den Kriegen gegen die Anmaßenden«. Zur Demütigung vgl. auch 1QM I 6 (F. García Martínez / E. J. C. Tigchelaar [Hgg.], Dead Sea Scrolls I, 113): »Die Herrschaft (mmšlt) der Kittim weicht, damit Gottlosigkeit gedemütigt werde.« Man könnte für zedîm auch »vermessen« und ähnliche Synonyme wählen; siehe A. Meinhold, Maleachi, 367. 207 Zitate aus: P. Schäfer, Synode von Jabne, 50. W. Horbury, Benediction, 91, kritisiert, daß Schäfer in der Bitte gegen das »anmaßende Königreich« nur »a simple expression of ho-
586
IV. Das palästinische Judenchristentum
Auf Grund des sonstigen rabbinischen Sprachgebrauchs und der handschriftlichen Überlieferung der Tefilla kann man mit einiger Sicherheit sagen: Die mînîm waren Juden, und die Bitte gegen die nôṣrîm, um die Christen genauer zu bezeichnen, kam erst später eigens hinzu. Mînîm ist die allgemeine Bezeichnung für jüdische »Abweichler / Häretiker«. Wenn die nôṣrîm erwähnt werden, stehen sie immer voran, so daß man übersetzen sollte »die Nazoräer und die übrigen Häretiker«.208 Gegen die Apostaten und gegen die Abweichler und gegen die Ansprüche eines »anmaßenden« bzw. »vermessenen« Königreichs wenden sich die Verwünschungen des Gebets.209 Zugleich wird um die gegenwärtige Ausrottung des »anmaßenden Königreichs« gefleht und Gott dafür gepriesen, daß er solche Anmaßenden demütigt. Es liegt sehr nahe, bei dem »anmaßenden« Königreich, wenn dieses Element im Gebet, das Schmuel der Kleine formulierte (dazu unten), enthalten war, an die Römer zu denken und dann später an die jeweilige politische Herrschaft. Doch Yaakov Teppler hat hier einen weiteren phantasievollen Vorschlag gemacht: Wenn die Birkat ham-mînîm unter Gamaliel II. in das Gebet eingefügt wurde, wendet sie sich kaum gegen die Römer, mit denen er sich sehr gut arangiert hat,210 sondern gegen die Christen und ihre Rede vom Reich Gottes und Christus als dessen König.211 Das könnte die Auskunft bei stility to Rome« sieht. Es gehe in dieser Bitte um die Befreiung von der Fremdherrschaft und schließlich um die von allem Bösen (so W. Horbury, Benediction, 89). 208 Zu dieser Wortstellung bei der Bezeichnung der »Evangelien und [der anderen] Bücher der Häretiker« siehe P. S. Alexander, Jewish Believers, 681 f.; vgl. entsprechend die Wortstellung der Bezeichnung in der Birkat ham-mînîm, dazu J. Marcus, Birkat Ha-Minim, 537–540: »The Nazarenes and the [Other] Heretics«. 209 Zur Frage, gegen welche »Häretiker« sie ursprünglich gerichtet war, meint W. Horbury, Benediction, 97: gegen alle Christen, nicht nur die Judenchristen. D. Instone-Brewer, Eighteen Benedictions, kommt zu dem Ergebnis: ursprünglich gegen Sadduzäer gemünzt und vor 70 entstanden. P. J. Tomson, Wars, 16 f.: ursprünglich von Gamaliel II. gegen Essener und Sadduzäer gerichtet, in Joh 9,22 dann gegen die Christen. J. Marcus, Birkat Ha-Minim, 523.541, schlug vor, eine frühere Form sei »a Qumranian curse« gewesen und gegen die Römer (… »die Hochmütigen«) gerichtet gewesen: »At a later stage (under Rabban Gamaliel, according to b. Ber. 28b), it was reformulated to include other targets«. Ähnlich P. Schäfer, Synode von Jabne, 55 Anm. 35: »Es ist denkbar, dass die Verwünschung der feindlichen Obrigkeit der alte Kern der Benediktion war, in den in Jabne die Verwünschung der Häretiker eingefügt wurde.« Vgl. weiter P. S. Alexander, Jewish Believers, 673–676. Sehr kritisch zu den Versuchen, die Frühgeschichte der Birkat zu rekonstruieren, ist der ausführliche Forschungsbericht von R. Langer, Cursing the Christians, 16–39.259–273. 210 Vgl. P. Schäfer, Geschichte, 154 f. = 2. Aufl., 170. 211 Siehe dazu Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 135–148: »The ›Kingdom of Arrogance‹ and the Roman Empire« und 148–164: »The Kingdom of Arrogance and the Christian Kingdom of Heaven«. Teppler unterstreicht (163): »if Birkat haMinim included the kingdom of arrogance in its second century versions, then it was aimed at a kingdom in the theological sense only«. Die Bitte würde sich dann gegen das christliche Konzept von der Königsherrschaft Gottes als dem Reich Jesu Christi richten, was mit der Auskunft Justins übereinstimmt, daß Christus als König verflucht und abgelehnt wird: Dial. 137,2 (PTS 47, 306,6–307,9 ed. Marcovich): »Stimmt also nicht ein in die Schmährede gegen den Sohn Gottes! Folgt niemals den Pharisäern als Lehrern
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
587
Justin über die Verfluchung der Christen in den Synagogen und die Belehrung der »Synagogenvorsteher« nach dem Gebet in der Predigt über Jesus als einen falschen König Israels, über den man nur spotten kann, bestätigen. Zudem hat die zwölfte Bitte dann ein einheitliches Thema, und die Verfluchung der mînîm entspricht dann der Eulogie am Schluß, in der Gott dafür gepriesen wird, daß er die Anmaßenden demütigt, besser.212 Erst im Babylonischen Talmud ist die Entstehungsgeschichte dieser zwölften Bitte überliefert: »Unsere Rabbinen haben gelehrt: Schimon, der Flachshändler, ordnete die 18 Benediktionen vor Rabban Gamliel in Jabne in der [festgelegten] Reihenfolge an. Da sagte Rabban Gamliel zu den Weisen: Gibt es wohl jemanden, der die Verwünschung der Häretiker (Birkat ham-mînîm) festsetzen (letaqqen) kann? Da stand Schmuel der Kleine auf und setzte sie fest. Im folgenden Jahr hatte er sie vergessen und dachte zwei oder drei Stunden über sie nach … – man entfernte ihn aber nicht (vom Vorbeterpult). Warum entfernte man ihn denn nicht? Hat nicht Rab Jehuda im Namen Rabs gesagt: Hat jemand bei allen Benediktionen geirrt, entfernt man ihn nicht, handelt es sich aber um die Birkat ham-mînîm, entfernt man ihn. Wir müssen nämlich befürchten, er könnte ein Häretiker (mîn) sein. Anders war es (jedoch) bei Schmuel dem Kleinen, denn er selbst hatte sie ja festgesetzt, und wir könnten (höchstens) befürchten, dass er seine Meinung geändert hat. Abaje sagte: Es ist eine Lehrtradition: Ein Guter wird nicht (plötzlich) schlecht.«213
Die Leitung im Lehrhaus in ›Jabne‹ soll Gamaliel II. um 80–90 n. Chr. in der Nachfolge von Jochanan ben Zakkai übernommen haben.214 Ihm wird die Anordnung für die Einfügung der Birkat ham-mînîm in das Achtzehnbittengebet zugeschrieben. Es ist anzunehmen, daß es schon zuvor eine Sammlung von Segenssprüchen gab, die dann in ›Jabne‹ nur neu geordnet wurde.215 Auch wenn man nicht mehr wie früher von einer einmaligen ›Synode‹ von ›Jabne‹ / Jamnia sprechen sollte, so gab es doch dort ein Lehrhaus, das sich nach der Katastrophe um die Konsolidierung von Lehre und Rechtsprechung unter der Führung der »Weisen« bemühte. Deshalb meinte Peter Schäfer: »An der Histound verspottet niemals den König Israels! Denn hierin unterrichten euch eure Synagogenvorsteher nach dem Gebete.« Zur Übersetzung vgl. P. Haeuser, Justinus Dialog, 223. Vgl. dazu auch das Verhör der Enkel des Herrenbruders Judas, die vor Domitian über das Reich Christi Auskunft geben müssen; siehe dazu oben S. 524 ff. 212 Vgl. auch jTaan 2,2, 65c: »Doch wurde nicht gelehrt [tTaan 3,25]: Man nimmt den (Segensspruch) gegen die Minim und die Übeltäter in den (Segensspruch) ›makhniaʿ zedim‹ hinein …?« (Übersetzung: A. Lehnardt, Taʿaniyot, 53). Dazu L. I. Levine, Yavnean Traditions, 271 Anm. 13. 213 bBer 28b–c; Übersetzung: P. Schäfer, Synode von Jabne, 46. Vgl. R. Langer, Cursing the Christians, 18. 214 P. Schäfer, Geschichte, 154 = 2. Aufl., 169. 215 So P. Schäfer, Geschichte, 154 = 2. Aufl., 169. Vgl. J. Marcus, Birkat Ha-Minim, 521.541; dazu oben Anm. 209.
588
IV. Das palästinische Judenchristentum
rizität dieses Berichtes über die Einführung einer Verwünschung der Häretiker in das Achtzehn-Bitten-Gebet zu zweifeln, besteht kein Anlass.«216 Zu einem entsprechenden Ergebnis kam Yaakov Teppler: »The Shemoneh Esreh prayer was constructed and crystallised in the time of Yavneh under the leadership of Rabban Gamaliel, the rabbis and the elders, including Birkat haminim.«217 Teppler ist überzeugt, daß es keine frühere Sammlung von Segenssprüchen gab, in die die zwölfte Bitte eingefügt wurde. In der Mischna218 wird im Traktat Berakot über das Achtzehnbittengebet festgehalten: »Rabban Gamliel sagt: An jedem Tag bete jedermann das Achtzehnbittengebet. Rabbi Jehoschua sagt: [Ein Gebet] nach Art des Achtzehnbittengebets. Rabbi Aqiba [† um 135] sagt: Wenn er das Gebet fließend sprechen kann, bete er das Achtzehnbittengebet, wenn aber nicht, (bete er) nach Art des Achtzehnbittengebets.«219
Entsprechend werden dann in der Tosefta und in den Talmudim der Umfang und die Reihenfolge der Benediktionen erörtert und mit Schriftbelegen begründet. In der zwölften Bitte wird darum gebetet, daß die mînîm zugrunde gehen und verschwinden. Damit verbindet sich die Hoffnung auf das eschatologische Heil der Frommen.220 Schon im Jerusalemer Talmud heißt es dazu bei der Begründung der Reihenfolge der Benediktionen: »Sobald die Exulanten versammelt sein werden (um nach Israel zurückzukommen), wird man die Anmaßenden (zedîm) demütigen, und die Gerechten werden ihres Lebens froh sein. In bezug darauf wurde gelehrt: Die (Verwünschungen) der Ketzer und der Anmaßenden wurden in dem (Gebet, das mit den Worten) ›der die Anmaßenden demütigt‹ (endet), zusammengefaßt.«221
216 P. Schäfer, Synode von Jabne, 47; vgl. auch P. S. Alexander, Jewish Believers, 674: »Though attested only much later, there are strong grounds for accepting the basic accuracy of the Bavli’s report that the cursing of the heretics was introduced under rabbinic auspices into the Amidah in the late first / early second century c.e. The tradition is given as a baraita, and it is alluded to again in t. Ber. 3:25–26 and in y. Ber. IV,8a. Justin Martyr probably has the Birkat Haminim in mind when he speaks of the Jews cursing the Christians in synagogue (Dial. 16 and 96).« Vgl. G. Stemberger, The birkat ha-minim, 87 f.: »There is no serious reason to doubt that birkat ha-minim, whatever its precise wording, existed as part of the Shemoneh ʿEsreh from the period of Yavneh (or at least from the second century). But we do not know how widely it was used in Jewish communities beyond the small circles of the rabbis«. 217 Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 131. 218 Die Mischna ist die Gesetzessammlung, die unter Jehuda haNasi um 200 n. Chr. redigiert wurde; siehe dazu G. Stemberger, Einleitung, 123–166; ders., Talmud, 30–38. 219 mBer 4,3; zur Übersetzung vgl. D. Correns, Mischna, 7; weiter G. Stemberger, Wenn du betest, 207 ff. 220 Siehe dazu bMeg 17b; vgl. tBer 3,25; jBer 2,4, 5a; 4,3, 8a; jTaan 2,2, 65c. 221 jBer 2,4, 5a (Übersetzung C. Horowitz, Berakhot, 63 f.); vgl. 4,3, 8a; tBer 3,25.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
589
Hier findet man auch eine Diskussion darüber, ob es 17, 18 oder 19 Segenssprüche sein müssen, denn die babylonische Tradition zählt deren 19, während die palästinische auf 18 beharrt. In diesem Kontext wird auch die Ketzerbitte erwähnt: »R. Huna sagte: Sollte dir jemand sagen, daß es doch siebzehn Benediktionen sind, so entgegne ihm: Die die Häretiker (mînîm) betreffende [Bitte] haben die Gelehrten in Jabne verfaßt.«222
In amoräischer Zeit stand also die »Verfluchung« aller jüdischen »Häretiker« im täglichen Gebet in den Synagogen für die Rabbinen fest, und sie waren überzeugt, daß sie diese bereits seit der Konsolidierung von ›Jabne‹ auch durchgesetzt hatten.223
18.3.2 Zum Ausschluß der Judenchristen in den rabbinischen Quellen Ein bezeichnendes Licht auf die soziale Lage der Judenchristen in Palästina wirft die schon oben erwähnte Geschichte von Rabbi Eliezer, der unter dem Verdacht, Häresie – das heißt »mînût« – zu lehren, verhaftet und vor den römischen Richter gestellt wurde, aber als unschuldig freigesprochen wurde. Rabbi Eliezer selbst erkennt – mit Hilfe R. Aqibas – jedoch, daß er sich schuldig gemacht hatte, weil ihm Worte des Judenchristen Jakob aus Sichnin gefallen hatten und er damit die Worte der Tora übertreten hatte: »Laß deine Wege ferne von ihr sein, und nähere dich nicht der Tür ihres Hauses« (Prov 5,8), »denn zahlreich sind die Erschlagenen, die sie gefällt hat, und viele sind, die sie getötet hat« (Prov 7,26).224 Die Begegnung mit judenchristlicher Ketzerei muß ein rabbinischer Lehrer meiden
222 jBer
4,3, 8a; zur Übersetzung vgl. C. Horowitz, Berakhot, 123; vgl. jTaan 2,2, 65c (Übersetzung bei A. Lehnardt, Taʿaniyot, 52 f.). Sehr zurückhaltend beurteilt den historischen Wert dieser Stelle: C. Hezser, Uncertain Symbol, 193: »The statement merely suggests that in late antiquity, at the time of the later Amoraim, the curse of unspecified minim was part of the Amida prayer und was retroactively associated with Yavne.« Sie verweist dazu auf Ruth Langer; siehe dazu die nächste Anmerkung. 223 Siehe dazu schon M. Hengel, Johanneische Frage, 288 ff.; ders. / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 154; G. Stemberger, The birkat ha-minim, 88. Vgl. R. Langer, Cursing the Christians, 26: »According to a careful but positivist reading of the Babylonian Talmud and hints in the Jerusalem Talmud, then, the origins of the birkat haminim as we know it lie at Yavneh.« Doch neigt sie selbst mehr zu (33) »a new, ›sceptical‹ way of reading the rabbinic evidence«, die Daniel Boyarin (dessen Vorschlägen sie jedoch nicht folgt) und andere vertreten, und äußert sich vorsichtig (38): »We … cannot know whether the birkat haminim in its early stages cursed Christians specifically, or, if it did, whether Christians were just one group among many addressed by the malediction.« Ruth Langer rügt W. Horbury und Y. Y. Teppler dafür, daß sie der Überlieferung gegenüber zuwenig kritisch seien. 224 tChul 2,24; ARN A 2; vgl. dazu oben S. 538; P. S. Alexander, Jewish Believers, 661 f.; Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 241 f.277–296 u. ö., siehe 396 Index z. St.
590
IV. Das palästinische Judenchristentum
wie die Prostitution, denn sie ist wie diese Götzendienst,225 und damit ist sie lebensgefährlich. Wie andere »Häretiker«, etwa die Samaritaner (kûtîm), die Epikureer226 oder die Sadduzäer, werden die nôṣrîm aus dem Volk Israel ausgeschlossen. In mSan 10,1 werden nur die Epikureer mit Namen genannt, aber die Sadduzäer und die Judenchristen sind mit gemeint, gegen letztere richtet sich der Ausspruch von R. Aqiba: »Ganz Israel hat Anteil an der zukünftigen Welt, denn es ist gesagt: ›Und dein Volk sind alle Gerechte, für immer werden sie das Land besitzen als der Sproß meiner Pflanzung, als ein Werk meiner Hände, damit ich verherrlicht werde‹ (Jes 60,21). Und diese haben keinen Anteil an der zukünftigen Welt: Wer sagt: ›Es gibt keine Auferstehung der Toten nach der Tora‹ und: ›Es gibt keine Tora vom Himmel‹ und ein Epikureer. Rabbi Aqiba sagt: Auch einer, der draußenstehende Bücher liest und der über eine Wunde flüstert und sagt: ›All die Krankheit, die ich auf Ägypten gelegt, werde ich nicht auf dich legen‹ (Ex 15,26). Abba Schaʾul sagt: Auch wer den Gottesnamen mit seinen Buchstaben ausspricht.«227
Der alte apokalyptische Grundsatz zu Beginn: »Ganz Israel wird gerettet werden« (vgl. Röm 11,26)228 wurde an dieser Stelle sekundär eingetragen. Leicht zu erkennen sind die Sadduzäer als Leugner der Totenauferstehung. Vermutlich bezieht sich »Es gibt keine Tora vom Himmel« sowohl auf Judenchristen, die Christus über die Tora stellen, als auch auf Epikureer. Sicher ist, daß Judenchristen »draußenstehende«, das heißt außerkanonische, Bücher lesen229 und 225 Die Verbindung von Götzendienst und Unzucht ist alttestamentlich vorgegeben. Auch Jesus wird vorgeworfen, der Sohn einer Prostituierten und Ehebrecherin zu sein (bSan 67a; bShab 104b; PesR 21; vgl. Origenes, Contra Celsum 1,28.32 [SVigChr 54, 29,27–30,2; 33,18 ff. ed. Marcovich]; dazu oben S. 565 f. und Israel zum Götzendienst verführt zu haben (bSan 43a; mSan 7,4); weiter P. Schäfer, Jesus im Talmud, 29–67.131–136.138–141 und 303 Index s. v. »Götzendienst«. 226 Als Epîqôrsîm werden in der rabbinischen Literatur Atheisten und Freigeister bezeichnet, denen man einen ausschweifenden Lebenswandel nachsagte; dazu P. S. Alexander, Jewish Believers, 668: »loose-living Jews«. 227 Zur Übersetzung vgl. D. Correns, Mischna, 523; vgl. P. S. Alexander, Jewish Believers, 669 f.; M. Hengel, Septuaginta als ›christliche Schriftensammlung‹, 207 f. 228 Dazu F. Avemarie, Erwählung und Vergeltung, 143: Der Satz hat »hohes theologisches Gewicht«, aber er fehlt »in wichtigen Textzeugen … und [kann] auch aus inhaltlichen Gründen nicht zum ursprünglichen Bestand von Mischna Sanhedrin gehört haben«. Sachlich steht der Satz aber an der richtigen Stelle. Anders P. S. Alexander, Jewish Believers, 669, der die Bestimmungen über den Ausschluß für »probably a late second century rabbinic restrictive reworking of an old universalistic theologoumenon« hält. Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 247.258, zitiert den ersten universalistischen Satz nicht. 229 M. Hengel, Septuaginta als ›christliche Schriftensammlung‹, 207 Anm. 80: »damit [wurde] jene Literatur verboten …, die bei den Christen des 2.–5. Jh.s … besonderes Interesse fand und nur durch diese uns wenigstens teilweise erhalten blieb«; 208: »Das rigorose Dictum Aqibas verhinderte nicht, daß derartige ›apokryphe‹ Bücher im Judentum trotzdem gelesen … wurden.« Vgl. Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 247 f.257.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
591
Krankheiten und Wunden im Namen Jesu heilen.230 Häretiker sind schwere Sünder. Jede Häresie wird mit dem Ausschluß von der »zukünftigen Welt« bestraft werden. tSan 13,4 f. erläutert dies näher mit der Beschreibung des Geschicks nach dem Tode: Die Gerechten gelangen im Paradies zur ewigen Seligkeit, die Sünder aus Israel und aus den Völkern werden ein Jahr in der Hölle (Gehinnom) bestraft, ihre Seelen werden danach vernichtet und ihre Körper verbrannt. Aber die mînîm werden wie die anderen jüdischen Apostaten und die Epikureer mit ewigen Höllenqualen bestraft.231 Eine Änderung in der synagogalen Liturgie richtete sich wohl ebenfalls gegen Judenchristen. In mTam 5,1 wird vorausgesetzt, daß die Priester im Tempel die Zehn Gebote vor dem morgendlichen Shemaʿ sprachen. Das wurde wahrscheinlich zunächst in die Liturgie in den Synagogen übernommen, dann aber geändert: »R. Mathena und R. Schemuel b. Nachman sagten beide: Richtig wäre es, wenn man alltäglich (im Morgengebet) die zehn Gebote rezitieren würde. Warum werden sie dennoch nicht rezitiert? Wegen der eventuellen Behauptungen der Minim, damit diese nicht sagen: Nur die zehn Gebote allein wurden Moses am Sinai gegeben (und nicht die ganze Torah).«232
Die hier zitierten rabbinischen Autoritäten sind Amoräer der zweiten bzw. dritten Generation, gehören also erst ins 3. Jahrhundert.233 Doch Philip Alexander betont zu Recht: »The report … is found in an Amoraic source, but there seems little doubt that it refers to a change to the liturgy which goes back to earlier times.«234 Die Konzentration auf den Dekalog und seine Hervorhebung sollte im Gottesdienst vermieden werden.235 Die Vorschrift in Did 8,3, das Vaterunser dreimal täglich zu beten im Gegensatz zu den Gebetssitten der »Heuchler«, zeigt, wie sich der christliche Gottesdienst in Anlehnung an den und im Gegensatz zum jüdischen Gottesdienst ausbildet. Genauso steht es mit der Vorschrift, die Fasttage nicht gemeinsam mit den »Heuchlern«, die »am Montag und Donnerstag« fasten, zu halten, sondern »am Mittwoch und Freitag« (Did 8,1). Die auffällige Betonung des Herrentages in Did 14,1 mit dem Pleonasmus κυριακὴ (ἡμέρα) κυρίου richtet sich wohl an Judenchristen, die gleichzeitig noch den Sabbat halten.236 In Mt 24,20 wird Vgl. Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 240–249. dazu P. S. Alexander, Jewish Believers, 670 f. 232 jBer 1,5, 3c; Übersetzung: C. Horowitz, Berakhot, 30. 233 G. Stemberger, Einleitung, 104; vgl. ders., Dekalog, 100 f. 234 P. S. Alexander, Jewish Believers, 675. 235 Mit noch völlig anderer Intention hält Josephus, Ant. 3,90, den Wortlaut für so hochheilig, daß er ihn nicht wörtlich wiedergibt. Vgl. dazu G. Stemberger, Dekalog, 95, der vermutet, daß es nicht um Geheimdisziplin geht, sondern »das mehrmals im Text enthaltene Tetragramm« auf diese Weise geschützt wird. 236 Siehe dazu G. Schöllgen, Didache, 118–121.132 f. Anm. 144. 230
231 Siehe
592
IV. Das palästinische Judenchristentum
dagegen die Sabbatobservanz in den judenchristlichen Gemeinden noch als selbstverständlich vorausgesetzt. Die Schilderung der endzeitlichen Nöte übernimmt Matthäus mit kleinen Änderungen aus dem Markusevangelium. Zu Mk 13,18: »Betet darum, daß es [Matthäus: eure Flucht] nicht im Winter geschehe« setzt Matthäus ausdrücklich hinzu: »und nicht am Sabbat«. Das ist eine bewußte Änderung des Markustextes, die der erste Evangelist als Präzisierung einfügt.237 Die Synagogen waren die Zentren des öffentlichen jüdischen Lebens in Palästina in den Jahrzehnten nach der Tempelzerstörung, und hier fanden vermutlich auch weiterhin Auseinandersetzungen zwischen jüdischen Lehrern und den (juden)christlichen Abweichlern statt, wenn diese sich dorthin wagten. Heiden waren in den Synagogen – vor allem in der Diaspora – zu allen Zeiten willkommen als Gottesfürchtige und Sympathisanten; die judenchristlichen Häretiker mußte man ausschließen, denn die Synagogenstrafen genügten offensichtlich nicht, um sie zu vertreiben. Lk 6,22 und vor allem Joh 9,22; 12,42 und 16,2 sprechen eine deutliche Sprache und spiegeln wahrscheinlich die Verhältnisse in Palästina schon vor 70 n. Chr. wider.238 Doch die Ausgrenzung erstreckte sich in besonderer Weise auch auf das täg liche Leben. »Social Ostracism« nennt Philip Alexander dies. Yaakov Y. Teppler verwendet den Terminus »ban(s)«. So heißt es in tChul 2,20 f.: »(A) If meat is found in the hand of a Gentile, it is permitted to derive benefit from it, but if it is found in the hand of a min, it is forbidden to derive benefit from it. (B) That which comes out of the house of a min [reading mi-bet ha-min for mi-bet ʿavoda zarah of Vienna MS] is indeed meat of sacrifices to the dead. (C) For they said: The slaughtering of a min is idolatry; their bread is bread of a Samaritan; their wine is the wine of libation; their fruits are untithed; their books are the books of diviners; and their children are mamzerim. (D) We do not sell to them, nor do we buy from them. We do not take from them, nor do we give to them. We do not teach their sons a craft. We are not healed by them, neither healing of property or healing of life.«239
237 Dazu L. Doering, Schabbat, 402: »eine Flucht am Sabbat [ist] für sabbathaltende Menschen – selbst wenn in Bedrängnis grundsätzlich erlaubt … – keineswegs wünschenswert …, da sie (durch die Übertretung der Sabbatgrenze) eine Entweihung des Sabbats bedeutet« (Hervorhebung im Original); vgl. 435 f.462 und 478: »Da nach 24,20 die mt Gemeinde den Sabbat mindestens in ihrem judenchristlichen Teil hält, ist zu folgern, daß hier eine christlich ›gebrochene‹, d. h. durch christliche Perspektiven mitbestimmte Sabbatpraxis geübt wird, die sich von der halachisch geformten sonstigen jüdischen unterscheidet«; vgl. 556. 238 Dazu oben S. 577 f. bei Anm. 164–165. 239 Übersetzung: P. S. Alexander, Jewish Believers, 677. Dazu Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 239 f.274 f. u. ö.; vgl. auch die Textwiedergabe und Übersetzung von A. Schremer, Laws of Minim, 386 f.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
593
Die Rabbinen erlassen schärfere Verbote für den Umgang mit Judenchristen als für den mit Heiden, denn Christen sind schlimmer als Heiden.240 Jeder soziale Kontakt sollte unterbunden werden. »Deriving benefits« verbietet sowohl das Kaufen wie das Essen von Nahrung, die von judenchristlichen Bauern produziert wurde. Alles, was diese schlachten, ist Götzenopfer, ihr Wein steht unter dem Verdacht, heidnischen Göttern gespendet worden zu sein. Alles, was sie herstellen, ist verdächtig, nicht verzehntet zu sein. Es gibt keinen Handel und keine Gastfreundschaft. Da ihre Kinder mamzerim sind, sind (Misch‑)Ehen mit ihnen für Juden ausgeschlossen.241 Der Lehrling wurde in der Regel ins Haus des Lehrherrn aufgenommen, deshalb wird auch ein solches Verhältnis verboten.242 Die Christen waren bekannt für ihre Heilungswunder und ihr wunderwirkendes Gebet.243 Ebendeshalb gilt es auch diesen Kontakt streng zu vermeiden, wie mit dem Fall Eleazars ben Dama gezeigt wird, der anschließend erzählt wird: »Eine Begebenheit betreffend R. Eleasar b. Dama, den eine Schlange gebissen hatte. Da kam Jakob aus Kefar Sama, um ihn im Namen von Jesus, Sohn des Pantera, zu heilen. Aber R. Jischmael ließ ihn [Jakob] nicht gewähren. Sie sagten zu ihm [Eleasar b. Dama]: Es ist dir nicht erlaubt, [die Heilung durch Jakob zuzulassen], Ben Dama! Er [Eleasar b. Dama] sagte zu ihm [Jischmael]: Ich werde dir einen Beweis bringen, daß er mich heilen darf! Doch er hatte keine Zeit mehr, den Beweis zu bringen, bevor er starb. R. Jischmael sagte: Glückselig bist du, Ben Dama, daß du in Frieden die Welt verlassen hast und nicht das Verbot …, das die Weisen aufgestellt haben, durchbrochen hast! Denn jeden, der den Schutzwall …, den die Weisen errichtet haben, durchbricht, ereilt schließlich seine Strafe, wie es heißt: Wer einen Schutzwall … einreißt, wird von einer Schlange gebissen (Pred 10,8).«244
240 Der Jude Trypho sagt zu Justin: Solange er sich noch als Heide an die Philosophie hielt und unbescholten lebte, hätte er Hoffnung auf ein »besseres Schicksal« (ἐλπὶς ὑπελείπετο ἀμείνονος μοίρας) – im Jenseits – gehabt, jetzt solle er sich beschneiden lassen und das Gesetz halten, damit ihm Gott gnädig werde (Dial. 8,3 f. [PTS 47, 85,15–24 ed. Marcovich]). Vgl. dazu W. Horbury, Benediction, 99 f. 241 Hier gilt Dtn 23,3: »Kein Mischling soll in die Gemeinde des Herrn kommen; auch seine Nachkommenschaft bis ins zehnte Glied soll nicht in die Gemeinde des Herrn kommen.« Zum Vorwurf, Jesus sei ein mamzer und Sohn eines römischen Söldners namens Panthera, vgl. oben S. 565 f. 242 Zu dieser Liste der Bestimmungen siehe vor allem A. Schremer, Laws of Minim; er datiert diese Bestimmungen in die ersten Jahrzehnte des 2. Jahrhunderts n. Chr. 243 Deshalb vermutet C. Hezser, Social Structure, 144, zu der oben schon erwähnten Geschichte von Schimeon ben Schetach (mTaan 3,8): »The author of the story, who probably identified himself with Shimon b. Shetach, acknowledged Choni’s special relationship with God. He used Choni’s example to warn lesser known charismatic figures against ›inappropriate‹ statements about their closeness to God. Perhaps the author of the story was bothered by the similarity between claims such as Choni’s and Christian claims about Jesus’ relationship to God.« 244 tChul 2,22 f.; dazu die kommentierte Übersetzung von P. Schäfer, Jesus im Talmud, 109 f.
594
IV. Das palästinische Judenchristentum
R. Jischmael († um 132) gehört wie R. Aqiba zu den bedeutenden Lehrern der ›Periode von Jabne‹.245 Eleazar ben Dama war sein Neffe.246 »Jischmael ist berüchtigt für seine unnachgiebige und kompromißlose Haltung nicht nur gegenüber Häretikern, sondern sogar gegenüber dem, was die rabbinische Literatur ›griechische Weisheit‹ nennt.«247 Die Geschichte von ben Dama ist in Tosefta Chullin nicht naiv, sondern hintergründig erzählt.248 Ben Dama war ja bereits von einer Schlange gebissen worden, das heißt, er hatte zuvor schon Kontakt mit diesem Jakob, wenn er wußte, daß dieser ihn nun hätte heilen können. Aber die Heilung wäre eine nochmalige Übertretung des ›Gebots der Weisen‹ gewesen, daß man sich nicht heilen lassen darf im Namen des Ben Panthera. Deshalb gratuliert Jischmael seinem Neffen zu seinem Tod: Es ist diesem nicht mehr gelungen, den Schriftbeweis dafür anzuführen, daß er sich heilen lassen darf, der lautet: »Ihr sollt durch sie leben (Lev 18,5), nicht durch sie sterben.« Das heißt, daß man durch die Tora leben soll. Diesen Schriftbeweis fügt dann der Redaktor im Babylonischen Talmud hinzu und erklärt damit: »Nicht der Biß der Schlange bewirkte seinen Tod, sondern der Biß der Rabbinen, die ihre eigenen Gebote über die der Tora stellen.«249 Jischmael stellt das Gebot der Weisen über die Tora und insistiert auf der »Trennung der Wege«, auch wenn es um Leben und Tod geht. Der »Schutzwall der Weisen« bewirkt den strikten Ausschluß der Judenchristen – in diesem Fallbeispiel des christlichen Wundertäters. Nach Jischmaels noch berühmterem Zeitgenossen R. Aqiba hat einer, »der draußenstehende Bücher liest und der über eine Wunde flüstert«, keinen Anteil an der zukünftigen Welt.250 So sind in dem oben zitierten Text tChul 2,20 f. die Bücher der mînîm von Wahrsagern verfaßte Bücher (sifrê qôsmîn); diese zaubern und betreiben ihre magischen Praktiken mit ihnen.251 Heilige, als inspiriert anerkannte Schriften »verunreinigen« nach rabbinischer Sicht die Hände, das gilt nicht von den Büchern der häretischen Judenchristen und von den jüdischen Schriften seit Ben Sira.
G. Stemberger, Einleitung, 87. bBer 56b; bMen 99b; dazu P. Schäfer, Jesus im Talmud, 110. 247 P. Schäfer, Jesus im Talmud, 111; er zitiert dazu bMen 99b, wo Jischmael seinem Neffen verbietet, »griechische Weisheit« zu lernen. Vgl. Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 278: »Christianity had moved outside the boundaries of Judaism, opening her arms to the Hellenistic world.« Auch hier spielt für die Rabbinen die Sorge vor der Attraktivität der mînût eine Rolle. 248 Zur Analyse des Textes in der Version von jShab 14,4 (14d,70–15a,1) und zu seinen Parallelen siehe F. Avemarie, Tora und Leben, 113–117. 249 P. Schäfer, Jesus im Talmud, 113. 250 mSan 10,1. 251 tChul 2,21: »their books are the books of diviners«, oben S. 592 zitiert. Vgl. zu den Parallelstellen Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 275. 245 246
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
595
Über die Bücher der Häretiker gibt es eine interessante Diskussion in der rabbinischen Literatur.252 Die Mischna bestimmt (mJad 3,4): »Der Rand (gillajôn) einer Buch[rolle der Schrift], sei es der obere, der untere, der am Anfang oder der am Ende, macht Hände unrein. Rabbi Jehuda sagt: Der am Ende macht Hände so lange nicht unrein, bis man den Stab [der Rolle] an ihm angebracht hat.«253
Das heißt, daß auch die unbeschriebenen Ränder der Schriftrolle und die letzte unbeschriebene Seite, an der dann der Stab für die Rolle befestigt wird, heilig sind und daß sie aus diesem Grund die Hände unrein machen. In der Tosefta ist dann ein Bedeutungswandel eingetreten, denn giljônîm im Plural machen die Hände nicht mehr unrein. So heißt es in tJad 2,13: »Die giljônîm und die [anderen] Bücher der mînîm verunreinigen die Hände nicht. Die Bücher Ben-Sîraʾ und alle Bücher, die von da an und später verfaßt worden sind, verunreinigen die Hände nicht.«254
Der Plural (giljônîm) bezeichnet nun in Verballhornung des griechischen εὐαγγέλιον die Evangelien.255 Diese sind profan und verunreinigen die Hände nicht, das gleiche gilt von den übrigen Schriften der mînîm.256 Sie sind also genausowenig inspiriert wie die Bücher Homers (mJad 4,6). Die Frage, ob man Bücher von Häretikern am Sabbat aus dem Feuer retten soll, verlangte eine Antwort. Wie schnell ganze Bibliotheken bei einem Brand vernichtet werden konnten, wußte man in der Antike nur zu gut. Aber auch in den Häusern konnte Feuer ausbrechen, und Juden durften sogar am Sabbat schnell noch retten, was zu retten ging. In der Tosefta findet sich als Antwort:
252 Vgl. Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 250–277; dazu zuletzt den Aufsatz von D. Jaffé, Index. 253 Übersetzung: D. Correns, Mischna, 973. 254 Vgl. zur Übersetzung J. Maier, Jüdische Auseinandersetzung, 28; P. S. Alexander, Jewish Believers, 681; Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 251, vgl. 261.274. 255 Eine minutiöse Rekonstruktion der Ableitung jetzt bei D. Jaffé, Index, 449–455. 256 So P. S. Alexander, Jewish Believers, 678.681 f.: »Gilyonim is most plausibly explained as a deliberate deformation of the word εὐαγγέλιον, ›Gospel‹ (cf. b. Šabb. 116a). The pairing ›Gospels and books of minim‹ should probably not be taken contrastively, as implying that the Gospels are not ›books of minim.‹ Rather the sense is: ›the Gospels and [other] books of minim‹« (Hervorhebungen im Original). Vgl. schon M. Hengel, Septuaginta als ›christliche Schriftensammlung‹, 206 f. zur Bedeutung »Bücherränder« als »wohl eine[r] Verballhornung von εὐαγγέλιον« (in Auseinandersetzung mit G. Stemberger). Anders J. Maier, Jüdische Auseinandersetzung, 28–32, der die Bedeutung »abgeschnittene Rollenränder« bevorzugt; weiter 47–51.57–70: Man habe, vom eindeutigen Text im Babylonischen Talmud ausgehend, die Toseftastellen als »Evangelien« interpretiert. Auf der ganzen Linie galt (61, vgl. 70) für Johann Maier: »Die Bedeutung ›Evangelien‹ ist … mit Sicherheit auszuschließen.«
596
IV. Das palästinische Judenchristentum
»Die giljônîm und die [anderen] Bücher der mînîm rettet man nicht vor dem Brand, sondern läßt sie samt den Gottesnamen in ihnen, wo sie sind, verbrennen. R. Jose ha-Galili sagte: Am Werktag schneidet man die Gottesnamen (aus solchen Büchern) aus und verbirgt sie [rituell in der Geniza], und den Rest läßt man verbrennen. Es sagte R. Tarfon: Meine Söhne will ich einbüßen, wenn ich nicht für den Fall, daß sie in meine Hände geraten, sie verbrenne, sie samt ihren Gottesnamen! Verfolgte mich ein Verfolger, würde ich (zwar) einen Götzentempel betreten, aber nicht ihre Häuser; denn die Götzendiener kennen ihn [Gott] nicht und leugnen ihn, jene aber kennen ihn und leugnen ihn. … So gilt in bezug auf die Bücher der mînîm, die da Feindschaft und Eifer und Wettstreit zwischen Israel und ihrem Vater im Himmel stiften, … daß sie ausgetilgt werden samt ihren Gottesnamen.«257
Dem kann man entnehmen, daß die aramäischsprachigen Judenchristen Palästinas auch die Bücher der Tora, der Profeten und der Schriften, die den Gottesnamen, das Tetragramm, enthielten, in hebräischer Sprache besaßen. Dasselbe bezeugt auch Epiphanius: »Sie [d. h. die Nazoräer] gebrauchen aber die hebräische Sprache in einer sorgfältigen Weise. Denn bei ihnen werden das ganze Gesetz, die Profeten und die sogenannten Schriften, das heißt die poetischen Schriften (στιχηρά), die Königebücher, die Chronikbücher, Esther und alles übrige auf hebräisch gelesen, wie natürlich auch bei den Juden.«258
Noch strenger als R. Tarfon urteilt R. Nahum im Babylonischen Talmud: »Wir haben überkommen, daß ein Torabuch, welches ein Häretiker geschrieben hat, verbrannt werden soll.«259
18.3.3 Zur Situation der palästinischen Judenchristen seit dem Ende des 1. Jahrhunderts Die Christen orientierten sich von Anfang an an den Schriften des Judentums. Sie übernahmen selbstverständlich die hebräischen Schriften des Alten Testaments, dessen Kanon aber noch nicht endgültig festgelegt war, und dessen Übersetzungen ins Griechische. Sie lasen nicht nur Ben Sira, sondern auch die Bücher, die sie später zur Septuaginta rechneten, wie Tobit, die Makkabäerbücher, die 257 tShab 13,5; zur Übersetzung vgl. J. Maier, Jüdische Auseinandersetzung, 29 f., der jedoch (31) die »Bücher der mînîm« im Anschluß an das »babylonische Schulhaupt … Haj b. Scherira Gaon … [als] die Tora-Rollen« versteht, »welche mînîm geschrieben haben«, und die »giljônîm … [als] Schreibrollen … für die sifrê mînîm, auf denen (noch) nichts geschrieben steht«. Vgl. gegen diese Deutung jetzt D. Jaffé, Index, 454 f. 258 Epiphanius, Panarion 29,7,4 (GCS NF 10/1, Epiphanius I/1, 329,14–18 ed. Holl / Bergermann / Collatz). 259 bGit 45b; dazu M. Hengel, Septuaginta als ›christliche Schriftensammlung‹, 207; zu ARN A,2 und B,3 und weiteren Parallelstellen siehe Y. Y. Teppler, Birkat haMinim, 278–296.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
597
Sapientia Salomonis und die Psalmen Salomos. Aber sie nahmen auch noch zu Ende des 1. und zu Beginn des 2. Jahrhunderts verfaßte jüdische Schriften wie etwa die Vitae Prophetarum, 4. Esra, Liber Antiquitatum Biblicarum, 2. und 4. Baruch, die Adamschriften und weitere jüdische Texte in ihren Bücherschrank auf, schrieben sie fort und sicherten so ihren Erhalt.260 Nicht nur die großen Werke Philos und die des Josephus, fast alle auf griechisch verfaßten Texte wie die Sapientia Salomonis, die Sibyllinen oder ins Griechische übersetzte Literatur wie die Henochbücher, das Jubiläenbuch und die Testamente der Zwölf Patriarchen wurden nur von Christen überliefert. Im Fall der Ascensio Jesaiae ist nur eine durchgehend christlich verfaßte Version des Martyriums Jesajas erhalten. Aber auch die Christen tradierten nicht alles, und auch bei ihnen blieb schließlich vieles höchstens bruchstückhaft in Fragmenten oder ganz am Rande der Kirche erhalten. Vieles andere wie Eldad und Modad, vom Jakobusbrief vermutlich zitiert, ging praktisch ganz verloren. Erst durch die Funde in Qumran bekam man wieder einen Eindruck von der Fülle an hebräischen Texten, die in Palästina vorhanden gewesen sein müssen. Eine Vorstellung, wie weitere »Bücher der mînîm« ausgesehen haben, geben neben den jüdischen Apokryphen und Pseudepigraphen etwa judenchristliche Schriften wie der Barnabasbrief mit seiner scharfen antijüdischen Polemik oder die Didache.261 Daß es unter diesen Bedingungen für Judenchristen in Palästina weiterhin eine Existenzmöglichkeit gab, lag daran, daß die »Weisen« – bzw. die Rabbinen als die Nachfolger der Weisen und der Pharisäer – sich zunächst im 2. und 3. Jahrhundert noch nicht auf der ganzen Linie durchsetzen konnten. Der von der rabbinischen Elite verachtete ungebildete ʿam(mê) hā-ʾāräṣ, dem aber auch wohlhabende Landbesitzer und Archisynagogen angehören konnten, der die nichtrabbinische Landbevölkerung in Galilaea bildete, scheint Judenchristen die Möglichkeit zum Überleben und auch zur Teilnahme am Synagogengottesdienst geboten zu haben, wenn sie nicht eigene judenchristliche Synagogen besaßen.262 260 Noch in der Moderne wurden sie zu Unrecht quasi aus dem Judentum ausgeschieden, wie man z. B. an dem Streit zwischen David Satran und mir im Fall der Vitae Prophetarum sehen kann; zuletzt A. M. Schwemer, Vitae Prophetarum und Neues Testament, 203–206; vgl. weiter T. Elgvin, Jewish Christian Editing. 261 So P. J. Tomson, Transformations, 115. Zur frühen Datierung des Barnabasbriefes unter Nerva (18.9.96–27.1.98) siehe W. Horbury, Jewish-Christian Relations, 133; vgl. ders., Jewish War, 298–307. 262 In Joh 7,49 meinen die Pharisäer, daß »diese Volksmenge, die das Gesetz nicht kennt, verflucht« ist. Siehe dazu M. Hengel / A. M. Schwemer, Jesus und das Judentum, 427; vgl. 502: Jesus wendet sich den sozial Deklassierten unter ihnen zu. Judenchristen lebten zunächst weiter in Galilaea, wie die rabbinische Abwehr gegen sie zeigt. Auch der Märtyrer Konon gibt in der Verfolgung unter Decius als alter Mann an, daß er in Nazareth in Galilaea geboren sei und aus der Familie Christi stamme. Der Text des Martyriums kommt wohl noch aus dem 3. Jahrhundert. Vgl. zu Konon oben S. 447 Anm. 32 und S. 565 Anm. 89. Euseb und Hieronymus erwähnen im Onomastikon dagegen (Euseb, Onomastikon 750 [GCS NF 24, Eusebius III/1,
598
IV. Das palästinische Judenchristentum
Überleben bis ins 4.–6. Jahrhundert konnten Judenchristen in Nazareth und Kochaba und zerstreut über Galilaea, vor allem aber auch in den geschlossenen Siedlungen jenseits des Jordans, von denen Euseb († 339/340),263 Epiphanius († 404) und Hieronymus († 419/420)264 berichten. Epiphanius ist bei den Ortsangaben am ausführlichsten: »7 Diese Sekte der Nazoräer findet sich aber im Gebiet der Beröer in Koile-Syrien und in der Dekapolis um (die Gegenden von) Pella herum und in der Kokaba, hebräisch aber Chochabe genannten Basanitidis. 8 Von dorther entstand sie, als nach dem Wegzug von Jerusalem alle Jünger in Pella wohnten, weil Christus gesagt hatte, daß sie Jerusalem verlassen und von dort weggehen sollten wegen der Belagerung, die es erleiden sollte.«265
Euseb erwähnt im Onomastikon nur einen Ort, den Judenchristen bewohnen – vermutlich, weil er nur die biblischen Ortsnamen erklärt. Die Rabbinen sahen jedenfalls – auch wenn die Christen in ihrem Schrifttum spärlich scheinen – in den Judenchristen sehr gefährliche Gegner und Verführer zu Abfall und Götzendienst – so wie die Hohepriesterschaft Jesus und seine Anhänger schon zu Beginn eingeschätzt hatte. Für Justin um die Mitte des 2. Jahrhunderts vertreten diejenigen Judenchristen, die an Jesus als den gekreuzigten Christus Gottes und kommenden Richter glauben, dem die ewige Königsherrschaft gehört, eine »legitime Form der Theologie«, auch wenn sie gleichzeitig die »Verordnungen Moses« über Beschneidung, Sabbat, Speise‑ und Reinheitsgesetze einhalten. Andere Heidenchristen lehnen dagegen diese Judenchristen ab.266 Spätere Kirchenväter sehen die Judenchristen nicht nur am Rand der Mehrheitskirche, sondern lehnen sie als mehr oder weniger schlimme Häretiker ab.267 181; 181* ed. Timm]) keine Judenchristen in Nazareth. Vgl. weiter L. I. Levine, Synagogue, 192: »Undoubtedly, Jewish-Christian communities had their own places of worship, although we know next to nothing about them.« 263 Euseb, Onomastikon 945 (GCS NF 24, Eusebius III/1, 232,1 ff. ed. Timm): Χωβά˹λ˺ (Gen 14,15). »ἥ ἐστιν ἐν ἀριστερᾷ Δαμασκοῦ«. ἔστιν δὲ καὶ Χωβὰ κώμη ἐν τοῖς αὐτοῖς μέρεσιν, ἐν ᾗ εἰσὶν Ἑβραίων οἱ εἰς Χ(ριστὸ)ν πιστεύσαντες, Ἐβιωναῖοι καλούμενοι. Zu Nazareth und Kochaba vgl. Sextus Julius Africanus bei Euseb, H. e. 1,7,14 (GCS Eusebius II/1, 60 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann); dazu jetzt R. Riesner, Nazareth, 333 f. 264 Hieronymus erweitert in seiner Übersetzung von Eusebs Onomastikon (Euseb, Onomastikon 945 [GCS NF 24, Eusebius III/1, 232*,1–4 ed. Timm]): »Chobaa. ad laeuam partem Damasci. est autem et villa Chobaa in iisdem regionibus, habens accolas Hebraeos, qui credentes in Christum omnia legis praecepta custodiunt, et a principe haereseos ᾿Εβιωνῖται nuncupantur. contra istiusmodi dogma Paulus apostolus scribit ad Galatas« (Hervorhebung der Zusätze im Original). 265 Epiphanius, Panarion 29,7 f.; vgl. 30,2,7 (GCS NF 10/1, Epiphanius I/1, 330,4–10; 335,5–11 ed. Holl / Bergermann / Collatz). 266 Vgl. C. Markschies, Theologie, 381 f. zu Justin, Dial. 46,1 und 46,2 (PTS 47, 144,1 f.; 144,6–145,17 ed. Marcovich). 267 Justin, Dial. 47 (PTS 47, 146 ff. ed. Marcovich), unterscheidet: 1) Christen, die die jüdi-
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
599
Auch wenn die oben zitierten rabbinischen Texte zum Teil sehr viel später entstanden sind und nicht direkt vom Ende des 1. Jahrhunderts oder aus dem 2. Jahrhundert stammen, so bestätigen sie doch den Eindruck, den das Matthäus‑ und das Johannesevangelium und später Justin vom Ausschluß der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum geben. Philip Alexander kam deshalb für das 2. und 3. Jahrhundert zu dem Ergebnis: »Jewish Christianity was a more significant movement in the Jewish communities of Palestine than it might at first sight appear. Jewish Christians were one of a range of ideological opponents of the rabbis, who struggled with them for dominance in the Judaism of the post-70 era. … The rabbinic strategy against the Christians was to exclude them from all areas of Jewish life, both religious and social, in effect to put them under ban … The main battleground was the synagogue.«268
Der erbitterte Kampf der Rabbinen während der ersten vier Jahrhunderte gegen die mînîm und die nôṣrîm zeigt, daß diese weiterhin existierten, aber ausgegrenzt wurden.269 Die »Ausstoßung« der palästinischen Judenchristen aus der Synagoge war ein sehr schmerzhafter, lange dauernder Prozeß, der im Grunde schon vor Paulus mit dem Martyrium des Stephanus begann270 und erst hundert Jahre später abgeschlossen war. »In den Jahrzehnten nach 70 wurden auch die gesetzestreuen Judenchristen immer stärker aus dem Judentum ausgegrenzt. … Einen gewissen Schlusspunkt der Trennungsgeschichte bildet der Bar KokhbaAufstand.«271 Das Gespräch und der Austausch zwischen Juden und Christen rissen nicht völlig ab, aber die »Wege« hatten sich doch auseinanderentwickelt. Für die Ausstoßung der Judenchristen in Palästina aus den jüdischen Gemeinden war so kaum der fiscus Iudaicus ursächlich – dieser spielte in der Entwicklung in der Diaspora für den Trennungsprozeß wahrscheinlich eine größere Rolle; denn Heidenchristen werden ihn kaum haben bezahlen wollen, während Mt 17,26 f. in den Gemeinden so verstanden werden sollte, daß damit die schen Gesetze halten; 2) Judenchristen, die die anderen Christen zur Einhaltung des Gesetzes zwingen wollen oder sich weigern, mit Heidenchristen zusammenzuleben; 3) christliche Apostaten, die Juden werden; 4) Juden, die nach dem Gesetz leben, aber nicht an Christus glauben; 5) Juden, die Christus lästern und in den Synagogen seine gläubigen Anhänger verfluchen. Darunter kann nur die erste Gruppe nach der Meinung Justins »gerettet« werden. Vgl. zur »Stellung der Judenchristen im sich formierenden Christentum um 150 n. Chr.« D.-A. Koch, Geschichte, 401: »Die judenchristlichen Gemeinden standen … vor der Alternative, in gleich großer Distanz zu Judentum und Christentum zu existieren oder sich in eine der beiden Gruppen zu integrieren und dort allenfalls eine geduldete Randexistenz zu führen.« 268 P. S. Alexander, Jewish Believers, 686. 269 Ähnlich J. D. G. Dunn, Neither Jew nor Greek, 626: »At the very least it is worth noting that the minim and the notzrim are clear evidence that a good many Jews resisted the rabbis in their attempt to reconstitute Judaism.« 270 So M. Hengel, Johanneische Frage, 289; zustimmend zitiert von U. Schnelle, Jahre, 431. 271 G. Stemberger, Judenchristen, 56.
600
IV. Das palästinische Judenchristentum
Judenchristen in Palästina und Syrien ermahnt werden, ihn zu zahlen.272 Diese Mahnung läßt wiederum darauf schließen, daß Judenchristen allen unnötigen Konflikten ausweichen und keine Denunziationen provozieren sollten. Auch die drei jüdischen Aufstände gegen Rom beschleunigten den Trennungsprozeß nicht so stark, wie man in den letzten Jahrzehnten immer wieder nachzuweisen versucht hat.273 Aber sie schwächten das palästinische Judenchristentum erheblich. Jerusalem blieb nicht mehr das Zentrum der christlichen Welt, auch wenn dort in Aelia Capitolina nach dem Bar-Kochba-Aufstand eine neue heidenchristliche Gemeinde entstand. Die Hauptstadt des Reiches, Rom, wurde das neue Zentrum. Die christlichen Gemeinden in Kleinasien wurden im 2. Jahrhundert ebenfalls bedeutender und erlangten mehr Gewicht. Vermutlich hatten diese Gemeinden auch eine nicht geringe judenchristliche Mitgliederzahl, und eine ganze Reihe von bedeutenden Bischöfen könnten ihrer Herkunft nach aus dem Judentum gekommen sein. Die Annahme, daß die Christen insgesamt von sich aus auf den Schutz durch die jüdischen Synagogen verzichtet haben, hat sich nicht bestätigt. Sie verließen auch in den Jahren der zunehmenden Rechtlosigkeit und der Verfolgung durch die römischen Behörden nicht freiwillig die Synagoge.274 Sie schämten sich auch nicht für die Niederlage ihres Gottes in den Aufständen gegen Rom, wie man auf Grund von Minucius Felix, Octavius 10,3 f., vermutet hat.275 Diese Juden‑ und Heidenchristen trennten sich auch nicht freiwillig vom Judentum, sie blieben ja in vielem weiterhin abhängig – vor allem von jüdischer Schriftgelehrsamkeit.276 Sie suchten immer wieder auch das Gespräch mit Juden, denn die Parusie Christi und das Weltgericht kamen nicht so schnell, wie etwa Paulus und Matthäus angenommen hatten. Daß 272 G. Stemberger, The birkat ha-minim, 87, ist sich sicher, daß die (Heiden‑)Christen den fiscus Iudaicus nicht zahlen wollten: »But it is highly probable that the separation of Christians from the Jewish communities occurred in the diaspora much earlier than in Palestine, because of the much higher proportion there of Christians of non-Jewish origin.« 273 Zu den Thesen von P. J. Tomson und J. Schwartz siehe zuletzt J. Carleton Paget, Jewish Revolts; vgl. auch das Vorwort in diesem Band von den Herausgebern Joshua Schwartz und Peter J. Tomson, Jews and Christians (CRI 15), 10.13: »James Carleton Paget discusses all possible arguments in favor of their thesis and concludes that it is untenable.« 274 So auch J. Carleton Paget, Jewish Revolts, 278.291–298 in Auseinandersetzung mit M. Goodman, Rome and Jerusalem, 525–548. 275 Minucius Felix, Octavius 10,3 f. (BSGRT, 8,20–23 ed. Kytzler): Iudaeorum sola et misera gentilitas unum et ipsi deum …, cuius adeo nulla vis nec potestas est, ut sit Romanis hominibus cum sua sibi natione captivus. 276 Vgl. J. Carleton Paget, Jewish Revolts, 293 mit Verweis auf Tertullian, Apologeticum 18,9 (Text und Übersetzung: Tertullian, Apologeticum. Verteidigung des Christentums. Lateinisch und Deutsch, ed. C. Becker, München 21961, 122 f.): Iudaei palam lectitant … vulgo aditur sabbatis omnibus (»allgemein geht man jeden Sabbat hin«). Tertullian erwähnt die Anziehungskraft der Schriftlesung in den Synagogen und betont, daß man auf diesem Weg zu Gott findet.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
601
dieses Gespräch nicht abbrach, bedeutet jedoch nicht, daß sich die Wege nicht getrennt hätten.277 Das läßt sich am besten anhand von Justins Dialog mit dem Juden Trypho zeigen.
18.3.4 Die Trennung von Juden und Christen bei Justin Die Diskussion um die historische Aussagekraft der rabbinischen Quellen und in unserem Fall besonders über die Birkat ham-mînîm scheint man endlos fortsetzen zu können. Dabei bietet sich ein verhältnismäßig zuverlässiger Lösungsweg an, wenn man Justins Dialogus cum Tryphone als historische Quelle ernst nimmt. Justin wurde in Flavia Neapolis in Samarien, dem heutigen Nablus, geboren und war Heidenchrist.278 Er schrieb seinen Dialog mit dem Juden Trypho wahrscheinlich in den Jahren 155–160 n. Chr. in Rom, wo er dann um 165 n. Chr. das Martyrium erlitt.279 Es ist der erste erhaltene jüdisch-christliche Dialog; denn der etwas ältere zwischen dem Judenchristen Jason und dem Juden Papiskos über Christus, den wohl Ariston von Pella verfaßt hat, ging verloren.280 Die Handlung von Justins Dialog spielt in Ephesus281 bald nach dem Ausbruch des Bar-Kochba-Aufstands (132–136 n. Chr.). Justin, der das Pallium, den Philosophenmantel, trägt, wird von einem Juden angesprochen, der sich in Begleitung einiger anderer Volksgenossen, die ebenfalls aus Palästina kommen, befindet und sich mit dem Namen Trypho und als »Hebräer aus der Beschneidung« vorstellt. Trypho gibt sich damit als mit der Heimat eng verbundener, auch Hebräisch sprechender Jude zu erkennen.282 Er erzählt, daß er sich in Griechenland und da vor allem in Korinth aufhält, weil er vor dem in Palästina 277 Das ist der Fehlschluß des Programms von »Ways that Never Parted«; dazu S. J. D. Cohen, Ways That Parted, 308 f. 278 Justin, 1 Apol. 1,1 (SC 507, 128,6 ff. ed. Munier): »Justinus, Sohn des Priskus und Enkel des Bakchius, aus Flavia Neapolis in der syrischen Landschaft Palästina« (Übersetzung: G. Rauschen, Apologien Justins, 65). 279 Vgl. S. Heid, Art. Justinus Martyr I, RAC 19 (2001), 801–847 (821 f.); sehr knapp: W. Kinzig, Art. Justin, RGG4 4 (2001), 719 f. Zu den Acta Iustini siehe H. Musurillo, Acts of the Christian Martyrs, 42–61. 280 Origenes, Contra Celsum 4,52 (SVigChr 54, 269,15 ff. ed. Marcovich), und Euseb, H. e. 4,6,3 (GCS Eusebius II/1, 308,6 f. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 281 Euseb, H. e. 4,18,6 (GCS Eusebius II/1, 364,23 ff. ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann). 282 Vgl. Phil 3,5; 2 Kor 11,22. Euseb, H. e. 4,18,6 (GCS Eusebius II/1, 364,25 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann), bezeichnet Trypho als τῶν τότε Ἑβραίων ἐπισημότατον, »den berühmtesten unter den damaligen Hebräern«; Zweisprachigkeit erwähnt Euseb auch bei Hegesipp (H. e. 4,22,8 [GCS Eusebius II/1, 372,13–17 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann]), der »von den Hebräern« zum Christentum konvertierte und aus syrischen und hebräischen Schriften Exzerpte machte. S. Heid, Art. Justinus Martyr I, RAC 19 (2001), 819, beachtet dies nicht und nimmt an, daß »Trypho wie die meisten röm. Juden wohl kein Hebräisch konnte«. Er beruft sich dabei auf A. B. Hulen, Dialogues, 63.
602
IV. Das palästinische Judenchristentum
ausgebrochenen Bar-Kochba-Krieg geflohen sei.283 Justin wählt sich also zum – fiktiven – Gesprächspartner keinen Vertreter der Aufstandspartei oder Anhänger des politischen Messias Bar Kochba, sondern einen selbstbewußten »Hebräer«, der zugleich ein wißbegieriger Freund der griechischen Philosophie ist. Diesem Trypho schildert er im Proömium des Dialogs seinen eigenen Bildungsgang, der ihn durch alle philosophischen Schulen führte, bis er zur christlichen LogosLehre, der einzig wahren Philosophie, gelangte. Der umfangreiche Dialog ist nicht ganz vollständig erhalten. Im Mittelteil fehlt eine Passage. Das Gespräch zwischen Justin und Trypho erstreckt sich über zwei Tage, und da am zweiten Tag Trypho von anderen Gefährten begleitet wird, ergeben sich Wiederholungen und Präzisierungen, mit denen Justin die Kunst seiner philosophischen Rhetorik zeigen kann und die für das Verständnis der Thematik sehr nützlich sind. Für wen ist der Dialog geschrieben? Die scharfen antijüdischen Attacken machen den Dialog kaum zu einer erbaulichen Lektüre für Juden. Christen dagegen können sich darin bestätigt fühlen, daß sie die alttestamentlichen Texte von ihrer Erfüllung in Christus her besser verstehen als Juden. Doch vermutlich zielt der Dialog dahin, heidnische Gottesfürchtige der Synagoge abspenstig zu machen und für den Anschluß an die Kirche zu werben.284 Reine Heiden werden die langatmigen Beweisführungen aus den profetischen Schriften für Christus als Messias und Gottessohn kaum angesprochen haben. Da die entsprechende griechischsprachige jüdische Literatur praktisch verlorengegangen ist, weiß man anscheinend nichts darüber, ob Justins Text bei Juden überhaupt Reaktionen hervorgerufen hat.285 Durch die fiktive Situation, in die Justin seinen Dialog stellt, ergeben sich Bezüge zu Juden und Christen in Palästina. Justin kennt Palästina, denn seine Familie ist mindestens seit drei Generationen in Flavia Neapolis ansässig, und er hat selbst offensichtlich noch Kontakte in seine Heimat; aber wo er Christ wurde, teilt er leider nicht mit. Er erzählt nur von seiner Begegnung mit einem ehrwürdigen Greis am Meeresstrand, der ihn ins Christentum als in die wahre Philosophie und Lehre vom Logos eingeführt hatte. 283 Justin, Dial 1,3: φυγὼν τὸν νῦν γενόμενον πόλεμον; vgl. 9,3 (PTS 47, 70,15 f.; 86,20 f. ed. Marcovich); 1 Apol 31,6 und 47,1–6 (SC 507, 210,22 f.; 252 ff. ed. Munier). Dazu W. Horbury, Jewish-Christians Relations, 131: »the Dialogue is envisaged as taking place not long after it [d. h. der Bar-Kochba-Aufstand] had broken out«. 284 Die heftigste Reaktion erzielt der Autor bei seiner Auslegung von Jes 49,6; 42,16; 43,10; 42,6 f. auf die Christen und nicht auf die Proselyten. Ein Teil der Gefährten Tryphos protestiert daraufhin so lautstark, »wie wenn sie im Theater wären« (Dial. 121,4–122,4 [PTS 47, 279,26–281,20 ed. Marcovich]). Zum Nachweis siehe M. Marcovich, Iustini Martyris Dialogus, 64 f. 285 S. Heid, Art. Justinus Martyr I, RAC 19 (2001), 845, meint, Justin hätte Einfluß auf jüdische haggadische Schriften.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
603
Die beiden Gesprächspartner, Justin und Trypho, begegnen sich persönlich betont höflich, aber in der Auseinandersetzung kann ihre Polemik sehr scharf werden. Während Tryphos Gefährten über Justins Philosophie zuerst lachen, reagiert Trypho selbst mit einem vornehmen Lächeln und schlägt Justin statt dessen vor, sich zum Judentum zu bekehren, sich beschneiden zu lassen und das Gesetz zu halten. Denn die christliche Lehre vom Messias sei falsch, die jüdische dagegen die richtige.286 Daraufhin bittet Justin seinen Gesprächspartner, nicht auf seine falschen jüdischen Lehrer zu hören, sondern sich von der Wahrheit des Glaubens an Christus überzeugen zu lassen, nämlich daß »wir nicht in die Irre gegangen sind und wir nicht aufhören werden, diesen zu bekennen, auch wenn uns das Schmach von den Menschen einträgt und auch wenn der schrecklichste Tyrann uns zwingen will, [ihn] zu verleugnen.«287
Mit dem »Tyrannen« ist wohl insbesondere Bar Kochba gemeint, denn kurz danach erwähnt Justin den Krieg in Palästina, und die Verfolgung durch Bar Kochba beschreibt er in der Apologie.288 Auf diese Weise erklärt sich Justin mit den palästinischen Judenchristen solidarisch. Im Grunde tut er dies auch, wenn er die Flüche, die in den Synagogen gegen Christus und die, die ihm nachfolgen, ausgestoßen werden, auf die ganze Christenheit bezieht. In Kapitel 47 geht er kurz auf die verschiedenen judenchristlichen Gruppierungen seiner Zeit ein. Sie werden »das Heil erlangen«, wenn sie nicht die Heidenchristen zwingen wollen, nach dem Gesetz zu leben, oder sich weigern, mit Heidenchristen gemeinschaftlich zu verkehren. Doch die, die dieses tun, und die Apostaten, die zum »Gesetzesleben« zurückkehren, lehnt Justin ab. Sie haben keinen Anteil am Heil so wie die Juden, die die Christen verfluchen.289 Hier hat sich die Ausgrenzung der Judenchristen aus der Mehrheitskirche bereits deutlich angebahnt. Für Epiphanius sind sie dann Häretiker. Justin greift bei seiner Verteidigung gegen jüdische Polemik eine Weiter bildung des Gerüchts vom Leichendiebstahl und von der Bestechung der Grabwächter in Mt 27,63 und 28,13 auf, indem er mehrfach erwähnt, daß »ihr«, das heißt die Juden, nach der Kreuzigung Jesu von dessen Auferstehung und Himmelfahrt erfahren hattet. Und doch Justin, Dial. 8,3 f. (PTS 47, 85,13–28 ed. Marcovich). Justin, Dial. 9,1 (PTS 47, 85,4 ff. ed. Marcovich). Vgl. Dial. 39,6 (PTS 47, 135,26–136,32 ed. Marcovich): Christen werden bis zur Parusie verfolgt werden von den Fürsten, die unter dem Einfluß der »Schlange« stehen. 288 Justin, Dial. 9,3 (PTS 47, 86,20 f. ed. Marcovich); 1 Apol. 31,6 (SC 507, 210,22–25 ed. Munier). S. Heid, Art. Justinus Martyr I, RAC 19 (2001), 819 ff., nimmt an, daß der Dialog römische Verhältnisse spiegle. Justin habe mit römischen rabbinischen Lehrern Schulgespräche geführt, und darauf gehe der Dialog zurück. 289 Justin, Dial. 47,1–4 (PTS 47, 146,1–148,39 ed. Marcovich); zur Übersetzung vgl. P. Haeuser, Justinus Dialog, 70 ff. 286 287
604
IV. Das palästinische Judenchristentum
»habt ihr euch nicht bekehrt …, sondern habt, wie ich bereits sagte [ein Verweis auf Dial. 17,1], durch Abstimmung ausgewählte Männer in alle Welt ausgeschickt, die verkündeten: ›Eine gott‑ und gesetzlose Sekte ist durch einen gewissen Galiläer Jesus, einen Verführer (πλάνου), ins Leben gerufen worden; wir haben ihn gekreuzigt, aber seine Jünger haben ihn aus dem Grab, in das er nach der Kreuzesabnahme gelegt worden war, bei Nacht gestohlen und machen den Leuten weis, er sei von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgefahren.‹ Auch habt ihr ihm die gleichen gottlosen, schlimmen und verbrecherischen Lehren nachgesagt, deren ihr überall diejenigen beschuldigt, welche Christus als Lehrer und Sohn Gottes bekennen. Ja, nicht einmal nach der Eroberung eurer Stadt und der Verwüstung eures Landes tut ihr Buße, sondern erkühnt euch, Jesus und alle seine Gläubigen zu verfluchen. Wir aber hassen weder euch noch diejenigen, welche euretwegen solche Behauptungen ausgestreut haben; wir beten vielmehr, daß ihr euch alle wenigstens jetzt bekehrt und bei Gott, dem wohlwollenden und erbarmungsreichen Vater aller, Barmherzigkeit findet.«290
Justin weiß also von einer Art Gegenmission, die gleich nach den Osterereignissen eingesetzt haben soll. In Dial. 17,1 erwähnt er dies zum ersten Mal,291 und in Dial. 117,3 heißt es noch einmal mit direktem Vorwurf gegen die Hohepriesterschaft und die jüdischen Lehrer: »Daß nun dessen Name [d. h. des Gottessohnes] auf der ganzen Erde entweiht und gelästert wird, das war das Werk der Hohenpriester und Lehrer eures Volkes.«292
Als Quellen kann er dafür das Matthäusevangelium und – wie ich vermute – Apg 28,22 verwendet haben, wo die »Ersten der Juden« Roms zu Paulus sagen, sie hätten zwar noch nichts Schlechtes über ihn und von seinem Prozeß gehört und auch keine diesbezüglichen Briefe erhalten, doch sie wüßten, daß diese »Sekte« überall umstritten sei. Die Profetenstellen – vor allem aus Jesaja –, mit denen Justin den Schriftbeweis gegen die Anklagen führt, deuten darauf hin, daß er hierfür eine ältere Auslegungstradition aufgreift.293 Bei den »gottlosen, schlimmen und verbrecherischen 290 Justin, Dial. 108,1 ff. (PTS 47, 255,6–21 ed. Marcovich); zur Übersetzung vgl. P. Haeuser, Justinus Dialog, 175. Vgl. auch S. J. D. Cohen, Ways That Parted, 215 f. 291 Justin, Dial. 17,1 (PTS 47, 97,6–98,12 ed. Marcovich): ἐπειδὴ ἐγνώκατε αὐτὸν ἀναστάντα ἐκ νεκρῶν καὶ ἀναβάντα εἰς τὸν οὐρανόν, ὡς αἱ προφητεῖαι προεμήνυον γενησόμενον, οὐ μόνον οὐ μετενοήσατε ἐφ’ οἷς ἐπράξατε κακοῖς, ἀλλὰ ἄνδρας ἐκλεκτοὺς ἀπὸ Ἰερουσαλὴμ ἐκλεξάμενοι τότε ἐξεπέμψατε εἰς πᾶσαν τὴν γῆν, λέγοντας αἵρεσιν ἄθεον Χριστιανῶν πεφηνέναι, καταλέγοντας ‹τε› ταῦτα ἅπερ καθ’ ἡμῶν οἱ ἀγνοοῦντες ἡμᾶς πάντες λέγουσιν· ὥστε οὐ μόνον ἑαυτοῖς ἀδικίας αἴτιοι ὑπάρχετε, ἀλλὰ καὶ τοῖς ἄλλοις ἅπασιν ἁπλῶς ἀνθρώποις. Euseb, H. e. 4,18,7 (GCS Eusebius II/1, 366,3–8 ed. Schwartz / Mommsen / Winkelmann), zitiert diese Stelle. 292 Justin, Dial. 117,3 (PTS 47, 271,18 ff. ed. Marcovich); zur Übersetzung vgl. P. Haeuser, Justinus Dialog, 190. 293 Vgl. W. Horbury, Jewish-Christian Relations, 156 f. S. J. D. Cohen, Ways That Parted, 316, verweist dazu auf Apg 9,1 f.; 22,5; sehr viel näher liegt es, an Apg 28,22 zu denken. So auch R. Hvalvik, Struggle for Scripture, 241.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
605
Lehren« der Christen handelt es sich um den wohlbekannten Kannibalismus und die sexuellen Orgien, die man ihnen nachgesagt hat. Auf diese Vorwürfe, die Justin schon in der Apologie erwähnt hatte, ging er zu Beginn des Dialogs ein: »Meine Freunde! Ist das alles, was ihr an uns tadelt, daß wir nicht nach dem Gesetz leben, daß wir weder gleich euren Vorfahren das Fleisch beschneiden noch wie ihr den Sabbat halten? Oder sind auch unser Leben und unsere Moral bei euch verleumdet? Ich möchte nämlich fragen: Habt denn auch ihr von uns die Ansicht, daß wir wirklich Menschen essen und daß wir nach Trinkgelagen die Leuchter auslöschen, um unerlaubtem Umgang zu frönen?«294
Trypho lehnt eine Diskussion darüber vornehm ab. Es handle sich um üble Gerüchte, die im Umlauf seien. Er dagegen habe das sogenannte Evangelium mit großem Interesse und mit Bewunderung gelesen.295 Justin ist unser frühester Zeuge für diese jüdische Polemik, und er führt sie direkt auf die Hohepriesterschaft und die damaligen jüdischen Lehrer in Jerusalem nach der Kreuzigung Jesu zurück. Für ihn gehen diese Verleumdungen nicht einfach nur allgemein auf Juden zurück.296 Etwas später verteidigen sich Tertullian und Minucius Felix um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert gegen diese Vorwürfe, die auch Kelsos aufnimmt, wie dann Origenes rügt.297 294 Justin, Dial. 10,1 (PTS 47, 86,2–7 ed. Marcovich); zur Übersetzung vgl. P. Haeuser, Justinus Dialog, 15. Vgl. Justin, 1 Apol. 26 (SC 507, 198–202 ed. Munier); dazu P. Schäfer, Jesus im Talmud, 200 ff.; M. Hengel, Mahl, 136 Anm. 87 = KS IV, 472 Anm. 87. Das Herrenmahl wurde als thyesteische Mahlzeit verunglimpft. 295 Justin, Dial. 10,2 (PTS 47, 87,10–14 ed. Marcovich). 296 So P. Schäfer, Jesus im Talmud, 203, der zwar Dial. 108,2 berücksichtigt, aber Dial. 117,3 übersieht. 297 Tertullian, Apologeticum 7,1; 8,2 (Text und Übersetzung: Tertullian, Apologeticum. Verteidigung des Christentums. Lateinisch und Deutsch, ed. C. Becker, München 21961, 80.84). Minucius Felix, Octavius 9,2–7, vgl. 31 (BSGRT, 7 f.29 f. ed. Kytzler), schreibt: »Alles redet davon« und gibt als Quelle für seine Version Fronto an, den Lehrer Marc Aurels. Origenes, Contra Celsum 6,27 (SVigChr 54, 404,20–405,4 ed. Marcovich), wirft Kelsos vor: »Seine Absicht war nämlich, die mit unsern Lehren unbekannten Leser seiner Schrift gegen uns aufzuhetzen, als ob wir den edlen Schöpfer dieser Welt als ›verfluchten Gott‹ bezeichneten. Er hat da meines Erachtens ähnlich gehandelt wie die Juden. Als man anfing, das Christentum zu verkündigen, haben diese das Evangelium in Verruf zu bringen gesucht, indem sie sagten, die Christen opferten ein kleines Kind und äßen sein Fleisch; und wiederum, sie löschten (bei ihren Versammlungen), um Werke der Finsternis zu begehen, die Lichter aus und trieben Unzucht, ein jeder mit der ersten, auf die er stieße. So widersinnig diese Verleumdung auch war, so hat sie doch einstmals auf Unzählige Eindruck gemacht … und selbst jetzt noch gibt es Leute, die sich dadurch täuschen und aus solchen Gründen davon zurückhalten lassen, auch nur in einfachen mündlichen Verkehr mit den Christen zu treten« (Übersetzung: P. Koetschau, Origenes Celsus II, 131). Origenes führt die Verleumdung nicht direkt auf den ›Juden des Kelsos‹ zurück, aber er sieht wie Justin die antichristliche Propaganda schon gleichzeitig mit der christlichen Mission beginnen. P. Schäfer, Jesus im Talmud, 206, verweist dazu auch auf E. Bickerman, Ritualmord und Eselskult, der nachgewiesen hat, daß die Geschichte vom Ritualmord auf ältere pagane antijüdische Polemik zurückgeht.
606
IV. Das palästinische Judenchristentum
Schon immer ist aufgefallen, daß die Vorwürfe gegen Jesus, die Justin mit der Botschaft der in alle Welt ausgesandten Gegenapostel in Dial. 108,3 ›zitiert‹, sehr ähnlich wie die in bSan 43a klingen. William Horbury kommt deshalb zu dem Schluß: »The story of official denunciation immediately after the crucifixion is told in the context of complaints about contemporary Jewish criticisms, which the Christians think to be disseminated among the gentiles by the community as a body (Dialogue xvii 1–2; cviii 2, cf. First Apology xlix). Despite the legendary character of this story, it corresponds to the currency of Jewish anti-Christian statements from an early period, as suggested by Matt. xxviii 15; items of propaganda listed at cviii 2 recur elsewhere, and overlap with the rabbinic tradition according to which Jesus was executed because he practised sorcery and deceived and led astray Israel (Babylonian Talmud, Sanhedrin 43a).«298
Reidar Hvalvik bemerkt zu den jüdischen »Aposteln«, daß die meisten Belege zwar erst aus dem 3. und 4. Jahrhundert stammen und sich auf die Abgesandten des jüdischen Patriarchen in Palästina beziehen, dies aber nicht heiße, daß es früher keine gab. Er verweist dazu auf Euseb, der unabhängig von Justin in alten Quellen fand (εὕρομεν ἐν τοῖς τῶν παλαιῶν συγγράμμασιν), »daß es bis zu dem heutigen Tag Sitte bei den Juden ist, diejenigen Apostel zu nennen, die beauftragt sind, die enzyklischen Briefe ihrer Oberen zu überbringen«. Von Jerusalem aus hätten Priester und Älteste Briefe an die jüdische Diaspora gesandt, in denen die Lehre Christi verleumdet wurde als αἵρεσις ξένη καὶ ἀλλοτρία θεοῦ.299 Da nach der Gründung von Aelia Capitolina keine Juden mehr in Jerusalem wohnten, muß sich diese ›alte Quelle‹ auf die Zeit davor beziehen. Da sie Priester und Älteste als Autoritäten nennt, wird sie wie Justin an die Zeit vor dem Ersten Jüdischen Krieg denken. An sieben weiteren Stellen beklagt Justin, daß Christus und die Christen von Juden verflucht und verspottet werden. Viermal gibt er dazu auch ausdrücklich den Ort an, an dem dies geschieht: in den Synagogen.300 Als er das erste Mal auf dieses Thema zu sprechen kommt, betont er expressis verbis, daß es sich bei dieser Verfluchung um eine Ausstoßung handelt. So in Dial. 16,4: »Den Gerechten habt ihr ja getötet und vor ihm seine Profeten. Und jetzt verstoßt ihr (ἀθετεῖτε) die, welche auf ihn und auf den allmächtigen Gott, den Weltschöpfer, der ihn W. Horbury, Jewish-Christian Relations, 157. Zu den jüdischen Aposteln siehe R. Hvalvik, Struggle for Scripture, 240 f. mit Verweis auf M. Stern, GLAJJ II, 565 f., zu Euseb, Comm. in Jes. 18,1 (GCS Eusebius IX, 119,17–21 ed. Ziegler; Text auch bei A. v. Harnack, Mission, 66); vgl. weiter L. Doering, Jewish Letters, 375 f. 300 Justin, Dial. 16,4*; 47,4*; 93,4; 96,2*; 108,3; 133,6; 137,2*. Wie bei S. J. D. Cohen, Ways That Parted, 317 Anm. 33, sind die Stellen, die die Synagogen erwähnen, mit Asterisk gekennzeichnet. 298 299
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
607
gesandt hat, ihre Hoffnung setzen, und entehrt sie, soweit es bei euch möglich ist, indem ihr die Christgläubigen in den Synagogen verflucht. Denn Hand an uns zu legen, dazu habt ihr jetzt keine Macht dank denen, die jetzt regieren; getan aber habt ihr es, sooft ihr konntet.«301
In Dial. 133,6 betont Justin zudem, daß diese Verfluchung »ohne Unterlaß« (ἀδιαλείπτως) geschehe. Damit deutet er an, daß dieser Fluch beim Gebet gesprochen wird, denn mit ἀδιαλείπτως wird im frühchristlichen Sprachgebrauch das unablässige, das heißt genauer das regelmäßige Gebet gekennzeichnet.302 Zudem setzt Justin diesem Fluch die Fürbitte der Christen für ihre Feinde direkt entgegen: »Ihr verflucht unseren Christus und seine Anhänger, obwohl wir alle für euch beten …, wie wir von unserem Christus und Herrn gelehrt wurden« (πάντων ἡμῶν εὐχομένων ὑπὲρ ὑμῶν … ὡς ὑπὸ τοῦ Χριστοῦ ἡμῶν καὶ κυρίου … ἐδιδάχθημεν)303
und zitiert dazu Mt 5,44. Es scheint eindeutig, daß für Justin dieser Fluch gegen die Christen im Gebet gesprochen wurde.304 Er geht davon aus, daß die Verfluchung der Christen in den Synagogen weltweit geschieht, aber er führt
301 Justin, Dial. 16,4 (PTS 47, 96,18–97,5 ed. Marcovich; zur Übersetzung vgl. P. Haeuser, Justinus Dialog, 46): ἀπεκτείνατε γὰρ τὸν δίκαιον καὶ πρὸ αὐτοῦ τοὺς προφήτας αὐτοῦ· καὶ νῦν τοὺς ἐλπίζοντας ἐπ’ αὐτὸν καὶ τὸν πέμψαντα αὐτὸν παντοκράτορα καὶ ποιητὴν τῶν ὅλων θεὸν ἀθετεῖτε καί, ὅσον ἐφ’ ὑμῖν, ἀτιμάζετε, καταρώμενοι ἐν ταῖς συναγωγαῖς ὑμῶν τοὺς πιστεύοντας ἐπὶ τὸν Χριστόν. οὐ γὰρ ἐξουσίαν ἔχετε αὐτόχειρες γενέσθαι ἡμῶν διὰ τοὺς νῦν ἐπικρατοῦντας· ὁσάκις δὲ ἂν ἐδυνήθητε, καὶ τοῦτο ἐπράξατε. Vgl. Justin, 1 Apol. 31,6 (SC 507, 210,22–25 ed. Munier). Von Hieronymus aus Euseb übernommen: Hieronymus, De viris illustribus 21,3 (BPat, 114 ed. Ceresa-Gastaldo): … temporibus Hadriani, qua tempestate et Cochebas, dux Iudaicae factionis, christianos variis suppliciis enecavit (»… zu Zeiten Hadrians, in derselben Zeit, als auch Cochebas, der Anführer des jüdischen Aufstands, die Christen mit verschiedenen Folterungen tötete«). Die Übersetzung von C. Barthold, Hieronymus, 187, ist hier irreführend (factio übersetzt sie mit »Partei«). 302 PTS 47, 301,41 ed. Marcovich. Siehe 1 Thess 1,2; 2,13; 5,17; Röm 1,9; IgnEph 10,1; IgnPol 1,3; Hermas, sim 9,11,7 (SUC 3, 320 ed. Leutzsch); vgl. Lampe, Lexicon, 34: »of prayer and contemplation«. 303 PTS 47, 301,41–44 ed. Marcovich; vgl. Dial. 35,8; 85,7; 96,3 (PTS 47, 129,38 ff.; 218,45; 236,15–21 ed. Marcovich); 1 Apol. 14,3; 15,9 (SC 507, 164,16–21; 170,28–31 ed. Munier). 304 In der Literatur zur Birkat ham-mînîm bin ich bisher noch nicht auf diesen eindeutigen Beleg dafür gestoßen, daß Justin den jüdischen »Fluch« im Gebet lokalisiert. Meines Erachtens ist dies ein Indiz dafür, daß Justin eine entsprechende Form der Birkat ham-mînîm kannte, nur den Wortlaut teilt er nicht mit. R. Langer, Cursing the Christians, 30, hat nicht recht, wenn sie zu Justin meint: »We … cannot know how the curses he describes were performed: Verbally, nonverbally, through a legal formula, in the context of an ad hoc gathering, etc. Without more specifics, we cannot legitimately jump to the conclusion that Justin knows of the birkat haminim.« Auch G. Stemberger, The birkat ha-minim, 87, übersieht Dial. 133,6 und meint, daß Justin kein klares Zeugnis für die Existenz und liturgische Verwendung der Birkat ha-minim biete. Doch im Fall des fiscus Iudaicus ist Stemberger sicher, daß die Christen diesen nicht zahlen wollten, was aber auf die Judenchristen nicht unbedingt zutrifft (siehe Mt 17,27).
608
IV. Das palästinische Judenchristentum
sie letztlich auf die Initiative der Hohepriesterschaft und der palästinischen jüdischen Lehrer zurück. An mindestens 29 Stellen305 weist der Autor Trypho und seine Gefährten mit »euch« und »eure Lehrer« auf deren Schriftauslegung hin, die er widerlegen will. Nicht immer bezieht er sich dabei so deutlich wie in Dial. 117,3306 auf die jüdischen Lehrer in Palästina. Aber da in der fiktiven Situation des Dialogs Justin sich mit jungen Leuten unterhält, die gerade vor dem Bar-Kochba-Krieg geflohen sind, lokalisiert er damit deren jüdische »Lehrer« in der Heimat Palästina.307 Recht bitter weist Justin dabei immer wieder auf den unsicheren Rechtsstatus hin, dem die Christen ausgesetzt sind: Haben die Juden politisch die Macht und die Möglichkeit, sorgen sie dafür, daß Christen verfolgt und umgebracht werden.308 So z. B.: »Denn in euren Synagogen verflucht ihr alle, welche nach jenem [d. h. Christus] Christen genannt werden, wie auch die übrigen Völker euren Fluch wirksam machen und diejenigen hinrichten, welche nur sagen, sie seien Christen.«309
Der Zusammenhang zwischen dem Tod Jesu am Kreuz »als dem schlimmsten Fluch, den das Gesetz Gottes verhängt«,310 und der Ausstoßung und Verfluchung Christi und der Christen kommt ebenfalls mehrfach zur Sprache. So gesteht Trypho zu, daß die Schrift einen leidenden Messias verheißen hat: »Das wissen wir ja, daß er leidet und wie ein Lamm (zur Schlachtbank) geführt werden wird. Beweisen mußt du uns jedoch, ob er gekreuzigt werden und eines so schmachvollen und ehrlosen, im Gesetz verfluchten Todes sterben mußte, denn so etwas können wir uns nicht einmal denken.«311
305 Justin, Dial. 9,1; 38,1 (»unsere Lehrer«); 38,2; 43,8; 48,2; 62,2.3; 68,7; 71,1; 83,1; 94,4; 102,5 (Jesus in Auseinandersetzung mit »Pharisäern und Schriftgelehrten und überhaupt mit den Lehrern eures Volkes«); 103,2.9; 110,1; 112,2; 114,3; 117,3.4; 120,5; 134,1.2; 137,2; 140,2; 142,2. 306 Justin, Dial. 117,3 (PTS 47, 271,18 ff. ed. Marcovich). 307 Anders S. Heid, Art. Justinus Martyr I, RAC 19 (2001), 820, der als »Hintergrund … ein Konkurrenzverhältnis zwischen seiner u. einer rabbin. Schule in Rom« (im Anschluß an P. Lampe, Die stadtrömischen Christen, 61 Anm. 171) sieht. 308 Justin, Dial. 16,4; 95,4; 96,2; 110,5; 133,6 (PTS 47, 96 f.234 f.259 f.301 ed. Marcovich); 1 Apol. 31,6 (SC 507, 210,22–25 ed. Munier). 309 Justin, Dial. 96,2 (PTS 47, 235,7–10 ed. Marcovich): ὑμεῖς γὰρ ἐν ταῖς συναγωγαῖς ὑμῶν καταρᾶσθε πάντων τῶν ἀπ’ ἐκείνου λεγομένων Χριστιανῶν, ‹ὡς› καὶ τὰ ἄλλα ἔθνη, ἃ καὶ ἐνεργῆ τὴν κατάραν ἐργάζονται, ἀναιροῦντα τοὺς μόνον ὁμολογοῦντας ἑαυτοὺς εἶναι Χριστιανούς. 310 Justin, Dial. 32,1 (PTS 47, 121,5 ed. Marcovich; zur Übersetzung vgl. P. Haeuser, Justinus Dialog, 46); dazu oben S. 430 Anm. 55. 311 Justin, Dial. 90,1 (PTS 47, 225,2–5 ed. Marcovich; zur Übersetzung vgl. P. Haeuser, Justinus Dialog, 149); weiter 89,2; 94,5; 95,1 f.; 96,1 (PTS 47, 225.233 ff. ed. Marcovich). Vgl. oben S. 96 Anm. 15 zu Gal 3,13 und zum Skandal des Kreuzestodes.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
609
Justin gibt sich entsprechend alle Mühe, die Notwendigkeit des Kreuzestodes in den profetischen Schriften nachzuweisen. Ps 22 legt er dazu aus, und eine sehr ausführliche Typologie des Kreuzesholzes fehlt auch nicht. Dabei sind ihm Moses Gebetshaltung bei der Schlacht gegen die Amalekiter und Moses Erhöhung der Schlange in der Wüste die wichtigsten typologischen Vorbilder im Streit mit dem Juden, um den Zusammenhang vom Fluch des Gesetzes und dem Kreuzestod zu erläutern.312 Gegen Schluß seines Werkes mahnt Justin seine Gesprächspartner noch einmal: »Stimmt also nicht ein in die Schmährede gegen den Sohn Gottes! Folget niemals den Pharisäern als Lehrern, und verspottet niemals den König Israels! Denn hierin unterrichten euch eure Synagogenvorsteher nach dem Gebet.«313
Die Predigt und die Lehrunterweisung in der Synagoge waren wie der diesem Vorbild folgende christliche Gottesdienst von Gebeten gerahmt. Es handelt sich hier nicht um den liturgischen Sitz der Birkat ham-mînîm innerhalb des Achtzehnbittengebets,314 sondern um die Lehre, das διδάσκειν, in der Synagoge. So scharf die Diskussion zwischen Justin und Trypho in der Sache geführt wird – es geht ja schließlich auch Justin nicht nur darum, Anfeindungen und Verfolgungen anzuprangern, sondern um die Wahrheit und das ewige Heil –, so endet der Dialog doch versöhnlich: Beide wünschen sich eine Fortsetzung des Gesprächs.
18.4 Zusammenfassung Es mag kühn erscheinen, gerade Justin als Kronzeugen für den Ausschluß der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum anzuführen. Doch er scheint mir bei der Wahl seines Gesprächspartners bewußt auf die Situation in Palästina eingehen zu wollen, nicht auf die Verhältnisse in Rom in der Mitte des 2. Jahrhunderts. Zudem demonstriert er noch deutlicher als der Barnabasbrief und der 312 Zu Ex 17,10 ff. vgl. Justin, Dial. 90,4 f.; 91,3; 111,1; 112,2; 131,4 (PTS 47, 226.228.260.262.297 ed. Marcovich); Barn 12,2 f.; Sib 8,251–255; Tertullian, Adversus Marcionem 3,18,6 (SC 399, 162 ed. Braun) = Adversus Iudaeos 10,10 (FC 75, 260 ff. ed. Tränkle / Hauses). Zu Num 21,4–9 vgl. Justin, Dial. 91,4; 94,1 ff.; 112,2 f.; 131,4 (PTS 47, 228.232 f.262.297 ed. Marcovich); Joh 3,14 f.; Barn 12,5 ff. Justin kannte das Johannesevangelium; es gab aber auch eine jüdische Auslegungstradition, die Ex 17,10 ff. und Num 21,4–9 miteinander verbunden hat, die auch schon im Barnabasbrief aufgenommen wird, siehe dazu J. Frey, Mose, 192 zu Justin. 313 Dial. 137,2 (PTS 47, 306,6–307,12 ed. Marcovich): συμφάμενοι οὖν μὴ λοιδορῆτε ἐπὶ τὸν υἱὸν τοῦ θεοῦ, μηδὲ Φαρισαίοις πειθόμενοι διδασκάλοις τὸν βασιλέα τοῦ Ἰσραὴλ ἐπισκώψητέ ποτε, ὁποῖα ‹ποιεῖν› διδάσκουσιν οἱ ἀρχισυνάγωγοι ὑμῶν μετὰ τὴν προσευχήν. 314 So mißversteht R. Langer, Cursing the Christians, 268 Anm. 76, die Stelle. Vgl. dagegen richtig Schürer II, 462 f. Anm. 164.
610
IV. Das palästinische Judenchristentum
›Jude des Kelsos‹, daß die Trennung längst vollzogen war. Der Streit geht für Justin um das gemeinsame Erbe der profetischen Schriften, die Gewinnung von heidnischen Sympathisanten mit dem Judentum, die er davon abhalten will, als Proselyten Juden zu werden. Aber natürlich geht es ihm auch darum, die Christen gegen ungerechte Verleumdung, Verfluchung und Verfolgung zu verteidigen. Der Dialog ist nicht – wie einst Harnack sagte – der Monolog des Siegers. Justin vertritt ein Christentum, das schwach ist und in einer rechtlosen Situation. Justin selbst wird wenige Jahre später gegeißelt und enthauptet. Ich bin so ausführlich auf das Matthäus‑ und das Johannesevangelium, auf die späteren rabbinischen Texte und auf Justin eingegangen, um den Trennungsprozeß zwischen (Juden‑)Christen und Juden möglichst nah an den Quellen zu zeichnen. Sicher geschah dies auch aus der Einsicht heraus, daß es ein Irrweg der Forschung ist, wenn man diesen Prozeß der Trennung bis ins 4. Jahrhundert hinausschieben will.315 Justin blickt gewissermaßen nach dem Ende des Prozesses der Trennung zurück, um das Gespräch nicht abreißen zu lassen. Bestätigt haben mich auf diesem Weg vor allem die Anregungen, die man dazu in den Arbeiten Martins Hengels findet. Aber auch William Horbury wies hier schon lange in die richtige Richtung: »The widespread view that Jews and Christians are not clearly differentiated until the fourth century rightly affirms the Jewish character of Christian culture, but does less than justice to the strong sense of separation that emerges in Christian texts from the end of the first century onward.«316
Martin Hengel soll dazu das letzte Wort haben. Er schrieb über »Die endgültige Trennung«: »Aber auch nach diesem Auseinanderleben, das dann in den ersten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts definitiv wird, blieb doch das Verhältnis von Juden und Christen ein besonderes, ja, man könnte sagen: ein einzigartiges. Nur mit den Juden verband die Christen der Besitz der Heiligen Schriften … Man blieb sich der beiderseitigen Verwandtschaft stets bewußt, auch und gerade dort, wo man die grundlegenden Unterschiede betonte.«317
Donald A. Hagner hat dazu die ausführlichere englische Version des Aufsatzes zitiert: »The wise words of Martin Hengel are worth quoting: ›The goal of this mutual [Jewish and Christian] research of the sources should no longer be the apologetic definition and biased estimation of one’s own position but the earnest understanding of classical texts of the other side, their authors and the events that they describe. At the same time, a better understanding is most possible when one does not fully shy away from one’s own standpoint but expresses it in each case with the necessary 315 Vgl. dazu auch die klaren Worte gegen diese Tendenz bei Daniel Boyarin von J. Carleton Paget, Ebionites, 373 f. 316 W. Horbury, Beginnings, 77. 317 M. Hengel, Schrifttum, in: KS VII, 232.240 f.
§ 18 Die Ausstoßung der palästinischen Judenchristen aus dem Judentum
611
clarity; for only when one strives to define one’s own position can one understand and respect the different and consciously held position of others. For a person who thinks that everything should be true in the same way, truth has in effect ceased to be.‹«318
318 D. A. Hagner, Another Look, 419, zitiert M. Hengel, Early Christianity as a JewishMessianic, Universalistic Movement, 41.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel Bei abgekürzt zitierter Literatur ist der Kurztitel durch Kursive gekennzeichnet oder das Kürzel in Klammern angegeben. Bei mehreren Titeln eines Autors bzw. einer Autorin ist alphabetisch nach den Kurztiteln sortiert. Rezensionen und Lexikonartikel sind nicht aufgenommen. Adamietz, J.: Juvenal, Satiren. Lateinisch – deutsch. Hg., übers. und mit Anmerkungen versehen, Sammlung Tusculum, München 1993. Ådna, J.: Der Gottesknecht als triumphierender und interzessorischer Messias. Die Rezeption von Jes 53 im Targum Jonathan untersucht mit besonderer Berücksichtigung des Messiasbildes, in: B. Janowski / P. Stuhlmacher (Hgg.), Der leidende Gottesknecht. Jesaja 53 und seine Wirkungsgeschichte, FAT 14, Tübingen 1996, 129–158. –: Die Heilige Schrift als Zeuge der Heidenmission, in: ders. / S. J. Hafemann / O. Hofius (Hgg.), Evangelium – Schriftauslegung – Kirche. Festschrift für Peter Stuhlmacher (zum 65. Geburtstag), Göttingen 1997, 1–23. –: Jesu Stellung zum Tempel. Die Tempelaktion und das Tempelwort als Ausdruck seiner messianischen Sendung, WUNT II/119, Tübingen 2000. Ådna, J. / Kvalbein, H. (Hgg.): The Mission of the Early Church to Jews and Gentiles, WUNT 127, Tübingen 2000. Aland, B.: Was ist Gnosis? Studien zum frühen Christentum, zu Marcion und zur kaiserzeitlichen Philosophie, WUNT 239, Tübingen 2009. Aland, K.: Synopsis Quattuor Evangeliorum, Stuttgart 151996 (4. korr. Druck 2005). Albertz, R.: Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, Bd. 2: Vom Exil bis zu den Makkabäern, GAT / ATD Ergänzungsreihe 8/2, Göttingen 1992. Alexander, L.: Community and Canon. Reflections on the Ecclesiology of Acts, in: A. A. Alexeev / C. Karakolis / U. Luz (Hgg.), Einheit der Kirche im Neuen Testament. Dritte Europäische orthodox-westliche Exegetenkonferenz (Sankt Petersburg, 24.–31. August 2005), hg. unter Mitarbeit von K.-W. Niebuhr, WUNT 218, Tübingen 2008, 45–78. Alexander, P. S.: Jewish Believers in Early Rabbinic Literature (2d to 5th Centuries), in: O. Skarsaune / R. Hvalvik (Hgg.), Jewish Believers in Jesus. The Early Centuries, Peabody (Mass.) 22007, 659–709. –: »The Parting of the Ways« from the Perspective of Rabbinic Judaism, in: J. D. G. Dunn (Hg.), Jews and Christians. The Parting of the Ways A. D. 70 to 135, The Second Durham-Tübingen Research Symposium on Earliest Christianity and Judaism (Durham, September, 1989), WUNT 66, Tübingen 1992, 1–25. Alföldy, G.: L’iscrizione di Ponzio Pilato. Una discussione senza fine?, in: G. Urso (Hg.), Iudaea Socia – Iudaea Capta. Atti del convegno internazionale (Cividale del Friuli, 22–24 settembre 2011), Pisa 2012, 137–149.
614
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: Pontius Pilatus und das Tiberieum von Caesarea Maritima, SCI 18 (1999), 85–108. Allen, O. W.: The Death of Herod. The Narrative and Theological Function of Retribution in Luke-Acts, SBL.DS 158, Atlanta (Ga.) 1997. Allison, D. C.: Eldad and Modad, JSPE 21 (2011), 99–131. –: A Critical and Exegetical Commentary on the Epistle of James, ICC, New York u. a. 2013. Al-Suadi, S.: Magie und Apokalyptik im Zentrum lukanischer Geschichtsschreibung. Historizität am Beispiel von Apg 13,6–12, NTS 61 (2015), 482–504. Armitage, D. J.: Theories of Poverty in the World of the New Testament, WUNT II/423, Tübingen 2016. Attridge, H. W.: Josephus and His Works, in: M. E. Stone (Hg.), Jewish Writings of the Second Temple Period. Apocrypha, Pseudepigrapha, Qumran Sectarian Writings, Philo, Josephus, CRI Sect. 2/2, Assen / Philadelphia 1984, 185–232. Aune, D. E.: Magic in Early Christianity, in: ders., Apocalypticism, Prophecy and Magic in Early Christianity. Collected Essays, WUNT 199, Tübingen 2006, 368–420. –: Prophecy in Early Christianity and the Ancient Mediterranean World, Grand Rapids (Mich.) 1983. –: Revelation 1–5, WBC 52A, Dallas (Tex.) 1997. Avemarie, F.: Acta Jesu Christi. Zum christologischen Sinn der Wundermotive in der Apostelgeschichte, in: J. Frey / C. K. Rothschild / J. Schröter (Hgg.), Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie, BZNW 162, Berlin / New York 2009, 539–562. –: The Apostolic Decree and the Jewishness of Luke’s Paul. On the Narrative Function of Acts 15:23–29, in: K.-P. Adam / ders. / N. Wazana (Hgg.), Law and Narrative in the Bible and in Neighbouring Ancient Cultures, FAT II/54, Tübingen 2012, 373–392 = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum (s. u.), 801–821. –: Jüdische Diasporagemeinden in der Antike. Ihr Selbstverständnis im Spiegel der Inschriften, in: U. H. J. Körtner (Hg.), Kirche – Christus – Kerygma. Profil und Identität evangelischer Kirche(n), Neukirchen-Vluyn 2009, 21–61 = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum (s. u.), 43–82. –: Erwählung und Vergeltung. Zur optionalen Struktur rabbinischer Soteriologie, NTS 45 (1999), 108–126 = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum (s. u.), 141–159. –: Gab es eine vorrabbinische Gezera schawa? Schriftauslegung durch lexematische Assoziation in Qumran, bei Paulus und in der frühen rabbinischen Literatur, in: ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum (s. u.), 347–391. –: Jesus and Purity, in: R. Bieringer / F. García Martínez / D. Pollefeyt / P. J. Tomson (Hgg.), The New Testament and Rabbinic Literature, JSJ.S 136, Leiden 2010, 255–279 = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum (s. u.), 407–432. –: Juden vor den Richterstühlen Roms. In Flaccum und die Apostelgeschichte im Vergleich, in: R. Deines / K.-W. Niebuhr (Hgg.), Philo und das Neue Testament. Wechselseitige Wahrnehmungen, 1. Internationales Symposium zum Corpus JudaeoHellenisticum (Eisenach / Jena, 1.–4. Mai 2003), WUNT 172, Tübingen 2004, 107–126 = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum (s. u.), 729–748. –: Das antike Judentum als wachsende Herausforderung für die neutestamentliche Wissenschaft, in: ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum (s. u.), 3–24.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
615
–: Martyrdom and Noble Death in the Rabbinic Tradition, in: J. W. van Henten / ders., Martyrdom and Noble Death. Selected Texts from Graeco-Roman, Jewish and Christian Antiquity, London / New York 2002, 132–176. –: Neues Testament und frührabbinisches Judentum. Gesammelte Aufsätze, hg. von J. Frey und A. Standhartinger unter Mitarbeit von M. Schmied und S. Weigert, WUNT 316, Tübingen 2013. –: Die Tauferzählungen in der Apostelgeschichte. Theologie und Geschichte, WUNT 139, Tübingen 2002. –: Tora und Leben. Untersuchungen zur Heilsbedeutung der Tora in der frühen rabbinischen Literatur, TSAJ 55, Tübingen 1996. –: Die Werke des Gesetzes im Spiegel des Jakobusbriefs. A Very Old Perspective on Paul, in: ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum (s. o.), 671–699. –: Die jüdischen Wurzeln des Aposteldekrets. Lösbare und ungelöste Probleme, in: M. Öhler (Hg.), Aposteldekret und antikes Vereinswesen. Gemeinschaft und ihre Ordnung, WUNT 280, Tübingen 2011, 5–32 = ders., Neues Testament und frührabbinisches Judentum (s. o.), 773–800. Avni, G. / Greenhut, Z. (Hgg.): The Akeldama Tombs. Three Burial Caves in the Kidron Valley, Jerusalem, Israel Antiquities Authority Report No. 1, Jerusalem 1996. Bachmann, M.: Jerusalem und Rom im lukanischen Doppelwerk. Beobachtungen zur Struktur und Aussageabsicht, in: ders., Von Paulus zur Apokalypse – und weiter. Exegetische und rezeptionsgeschichtliche Studien zum Neuen Testament, NTOA / StUNT 91, Göttingen / Oakville (Conn.) 2011, 317–339 = [engl. Fassung] ders.: Jerusalem and Rome in Luke-Acts. Observations on the Structure and the Intended Message, in: D. Rhoads / D. Esterline / J. W. Lee (Hgg.), Luke-Acts and Empire. Essays in Honor of Robert L. Brawley, PTMS 151, Eugene (Or.) 2011, 60–83. –: Die Stephanusepisode (Apg 6,1–8,3). Ihre Bedeutung für die lukanische Sicht des jerusalemischen Tempels und des Judentums, in: J. Verheyden (Hg.), The Unity of Luke-Acts, BEThL 142, Leuven 1999, 545–562. Back, F.: Spirituelle Einsicht und geistliche Blindheit. Die Stephanusvision und Test Hiob 52, Early Christianity 3 (2012), 419–434. –: Verwandlung durch Offenbarung bei Paulus. Eine religionsgeschichtlich-exegetische Untersuchung zu 2 Kor 2,14–4,6, WUNT II/153, Tübingen 2002. Backhaus, K.: Die Apostelgeschichte im Kontext der hellenistisch-römischen Literatur. Interdisziplinäre Annäherungen, ThLZ 137 (2012), 887–900. –: Mose und der »Mos Maiorum«. Das Alter des Judentums als Argument für die Attraktivität des Christentums in der Apostelgeschichte, in: C. Böttrich / J. Herzer (Hgg.), Josephus und das Neue Testament. Wechselseitige Wahrnehmungen, 2. Internationales Symposium zum Corpus Judaeo-Hellenisticum (Greifswald, 25.–28. Mai 2006), hg. unter Mitarbeit von T. Reiprich, WUNT 209, Tübingen 2007, 401–428. Baldwin, M. C.: Whose »Acts of Peter«? Text and Historical Context of the Actus Vercellenses, WUNT II/196, Tübingen 2005. Bamberger, S.: Sidur Sefat Emet, Ausgabe Basel 1986. Barag, D. / Flusser, D.: The Ossuary of Yehoḥanah Granddaughter of the High Priest Theophilus, IEJ 36 (1986), 39–44. Barclay, J. M. G.: Die Diaspora in Antiochia, in: K. Erlemann / K. L. Noethlichs (Hgg.), Neues Testament und Antike Kultur, Bd. 1: Prolegomena – Quellen – Geschichte, Neukirchen-Vluyn 2004, 204–206.
616
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: The Jews in the Mediterranean Diaspora. From Alexander to Trajan (323 BCE–117 CE), Edinburgh 1996. Bar-Nathan, R. / Sklar-Parnes, D. A.: A Jewish Settlement in Orine between the Two Revolts, in: J. Patrich / D. Amit (Hgg.), New Studies in the Archaeology of Jerusalem and Its Region, Jerusalem 2007, 57–64 (hebräisch). Barnes, T. D.: Early Christian Hagiography and Roman History, Tria Corda 5, Tübingen 2010. –: Tertullian. A Historical and Literary Study, Oxford 1971. Barrett, C. K.: A Critical and Exegetical Commentary on the Acts of the Apostles, Vols. I–II, ICC, Edinburgh 1994–1998. Barrett, C. K. / Thornton, C.-J.: Texte zur Umwelt des Neuen Testaments, UTB 1591, Tübingen 21991. Barthold, C.: Hieronymus. De viris illustribus. Berühmte Männer, mit umfassender Werkstudie hg., übers. und kommentiert, Mühlheim 22011 (unveränd. Nachdruck 2013). Bauckham, R.: James. Wisdom of James, Disciple of Jesus the Sage, London / New York 1999. –: James and the Jerusalem Church, in: ders. (Hg.), The Book of Acts in Its First Century Setting, Vol. 4: The Book of Acts in Its Palestinian Setting, Grand Rapids (Mich.) 1995, 415–480. –: James and the Jerusalem Community, in: O. Skarsaune / R. Hvalvik (Hgg.), Jewish Believers in Jesus. The Early Centuries, Peabody (Mass.) 22007, 55–95. –: James, Peter, and the Gentiles, in: B. D. Chilton / C. A. Evans (Hgg.), The Missions of James, Peter, and Paul. Tensions in Early Christianity, NT.S 115, Leiden / Boston 2005, 91–142. –: Jude and the Relatives of Jesus in the Early Church, Edinburgh 1990. –: For What Offence Was James Put to Death?, in: B. D. Chilton / C. A. Evans (Hgg.), James the Just and Christian Origins, NT.S 98, Leiden u. a. 1999, 199–232. –: The Origin of the Ebionites, in: P. J. Tomson / D. Lambers-Petry (Hgg.), The Image of the Judaeo-Christians in Ancient Jewish and Christian Literature, WUNT 158, Tübingen 2003, 162–181. –: What if Paul had Travelled East rather than West?, Biblical Interpretation 8 (2000), 171–184 = ders., The Jewish World around the New Testament, WUNT 233, Tübingen 2008, 257–268. Bauer, W.: Das Apostelbild in der altchristlichen Überlieferung, in: E. Hennecke, Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, hg. von W. Schneemelcher, Bd. II: Apostolisches und Verwandtes, Tübingen 41971, 11–52. Bauer, W. / Aland, K. und B.: Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, 6., völlig neu bearbeitete Aufl. im Institut für neutestamentliche Textforschung / Münster unter besonderer Mitwirkung von Viktor Reichmann hg., Berlin / New York 61988 (= Bauer / Aland, WB). Baumgarten, A. I.: Die Pharisäer und die Gräber der Propheten, in: A. Bedenbender (Hg.), Judäo-Christentum. Die gemeinsame Wurzel von rabbinischem Judentum und früher Kirche, Paderborn / Leipzig 2012, 13–32. –: The Rule of the Martian in the Ancient Diaspora. Celsus and His Jew, in: P. J. Tomson / J. Schwartz (Hgg.), Jews and Christians in the First and Second Centuries. How to Write Their History, CRI 13, Leiden / Boston 2014, 398–430.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
617
Becker, A. H. / Reed, A. Y.: The Ways that Never Parted. Jews and Christians in Late Antiquity and the Early Middle Ages, TSAJ 95, Tübingen 2003. Becker, H.-J.: Auf der Kathedra des Mose. Rabbinisch-theologisches Denken und antirabbinische Polemik in Matthäus 23,1–12, ANTZ 4, Berlin 1990. –: Die Zerstörung Jerusalems bei Matthäus und den Rabbinen, NTS 44 (1998), 59–73. Becker, J.: Johanneisches Christentum. Seine Geschichte und Theologie im Überblick, Tübingen 2004. –: Paulus. Der Apostel der Völker, Tübingen 1989. Bedenbender, A. (Hg.): Judäo-Christentum. Die gemeinsame Wurzel von rabbinischem Judentum und früher Kirche, Paderborn / Leipzig 2012. Ben-Ḥayyîm, Z.: [ תבאת מרקהTibat Marqe]. A Collection of Samaritan Midrashim. Edited, Translated and Annotated, Jerusalem 1988. Berger, K.: Das Buch der Jubiläen, JSHRZ II/3, Gütersloh 1981, 275–575. –: Theologiegeschichte des Urchristentums. Theologie des Neuen Testaments, UTB für Wissenschaft. Große Reihe, Tübingen / Basel 21995. –: Die Urchristen. Gründerjahre einer Weltreligion, München 2008. Bernett, M.: Der Kaiserkult in Judäa unter den Herodiern und Römern. Untersuchungen zur politischen und religiösen Geschichte Judäas von 30 v. bis 66 n. Chr., WUNT 203, Tübingen 2007. Bernheim, P.-A.: Jacques, Frère de Jésus, Paris 1996. Bethge, H.-G.: Thomasevangelium. Übersetzung, unter Mitwirkung von C.-M. Franke u. a., in: AcA I/1, 507–522. Betz, O.: Die Frage nach dem messianischen Bewusstsein Jesu, NT 6 (1963), 20–48. –: Jesus. Der Messias Israels. Aufsätze zur biblischen Theologie 1, WUNT 42, Tübingen 1987. –: Die Vision des Paulus im Tempel von Jerusalem. Apg 22,17–21 als Beitrag zur Deutung des Damaskuserlebnisses, in: O. Böcher / K. Haacker (Hgg.), Verborum Veritas. Festschrift für Gustav Stählin zum 70. Geburtstag, Wuppertal 1970, 113–123 = ders., Jesus der Herr der Kirche. Aufsätze zur biblischen Theologie 2, WUNT 52, Tübingen 1990, 91–102. –: Zungenreden und süßer Wein, in: ders., Jesus, der Herr der Kirche. Aufsätze zur biblischen Theologie 2, WUNT 52, Tübingen 1990, 49–65. Beyer, K.: Die aramäischen Texte vom Toten Meer samt den Inschriften aus Palästina, dem Testament Levis aus der Kairoer Genisa, der Fastenrolle und den alten talmudischen Zitaten. Aramaistische Einleitung, Text, Übersetzung, Deutung, Grammatik / Wörterbuch, Deutsch-aramäische Wortliste, Register, Göttingen 1984. Beyschlag, K.: Simon Magus und die christliche Gnosis, WUNT 16, Tübingen 1974. Bickermann, E.: Der Gott der Makkabäer. Untersuchungen über Sinn und Ursprung der makkabäischen Erhebung, Berlin 1937. –: Ritualmord und Eselskult. Ein Beitrag zur Geschichte antiker Publizistik, in: ders., Studies in Jewish and Christian History, Vol. II, AGJU 9, Leiden 1980, 225–255. Bienert, W. A. / Gemeinhardt, P.: Jesu Verwandtschaft, in: AcA I/1, 280–298. Bilde, P.: Flavius Josephus between Jerusalem and Rome. His Life, His Works, and Their Importance, JSPE.S 2, Sheffield 1988. Bird, M. F.: Crossing over Sea and Land. Jewish Missionary Activity in the Second Temple Period, Peabody (Mass.) 2010.
618
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: The Incident at Antioch (Gal. 2.11–14). The Beginnings of Paulinism, in: ders. / J. Maston (Hgg.), Earliest Christian History. History, Literature, and Theology. Essays from the Tyndale Fellowship in Honor of Martin Hengel, WUNT II/320, Tübingen 2012, 329–361. –: Jesus and the Origins of the Gentile Mission, LNTS 331, London 2006. Blaschke, A.: Beschneidung. Zeugnisse der Bibel und verwandter Texte, TANZ 28, Tübingen 1998. Blinzler, J.: The Jewish Punishment of Stoning in the New Testament Period, in: E. Bammel (Hg.), The Trial of Jesus. Cambridge Studies in Honour of C. F. D. Moule, SBT 13, London 1970, 147–161. Bock, D. L.: Blasphemy and Exaltation in Judaism and the Final Examination of Jesus. A Philological-Historical Study of the Key Jewish Themes Impacting Mark 14:61–64, WUNT II/106, Tübingen 1998. Bockmuehl, M.: Antioch and James the Just, in: B. D. Chilton / C. A. Evans (Hgg.), James the Just and Christian Origins, NT.S 98, Leiden u. a. 1999, 155–198. –: The Conversions of Simon Peter, in: ders., Remembered Peter (s. u.), 188–205. –: Jewish Law in Gentile Churches. Halakhah and the Beginning of Christian Public Ethics, Edinburgh 2000. –: The Remembered Peter in Ancient Reception and Modern Debate, WUNT 262, Tübingen 2010. Boffo, L.: Iscrizioni greche e latine per lo studio della Bibbia. Premessa e introduzione di Emilio Gabba, BSSTB 9, Brescia 1994. Böhm, M.: Abraham und die Erzväter bei Philo. Überlegungen zur Exegese und Hermeneutik im frühen Judentum, in: R. Deines / K.-W. Niebuhr (Hgg.), Philo und das Neue Testament. Wechselseitige Wahrnehmungen, 1. Internationales Symposium zum Corpus Judaeo-Hellenisticum (Eisenach / Jena, 1.–4. Mai 2003), WUNT 172, Tübingen 2004, 377–395. –: Samarien und die Samaritai bei Lukas. Eine Studie zum religionshistorischen Hintergrund der lukanischen Samarientexte und zu deren topographischer Verhaftung, WUNT II/111, Tübingen 1999. Bolton, D. L.: Who Are You Calling »Weak«? A Short Critique on James Dunn’s Reading of Rom 14,1–15,6, in: U. Schnelle (Hg.), The Letter to the Romans, BEThL 226, Leuven u. a. 2009, 617–629. Botermann, H.: Das Judenedikt des Kaisers Claudius. Römischer Staat und Christiani im 1. Jahrhundert, Hermes Einzelschriften 71, Stuttgart 1996. Böttrich, C.: Petrus. Fischer, Fels und Funktionär, Biblische Gestalten 2, Leipzig 2001. –: »Ihr seid der Tempel Gottes«. Tempelmetaphorik und Gemeinde bei Paulus, in: B. Ego / A. Lange / P. Pilhofer (Hgg.), Gemeinde ohne Tempel – Community without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, hg. in Zusammenarbeit mit K. Ehlers, WUNT 118, Tübingen 1999, 411–425. Bourgel, J.: Jacques le Juste, un Oblias parmi d’autres, NTS 59 (2013), 222–246. Bovon, F.: Les Actes de Philippe, ANRW 2.25.6, Berlin / New York 1988, 4431–4527. –: Das Evangelium nach Lukas (Lk 1,1–9,50), EKK 3/1, Zürich / Neukirchen-Vluyn 1989. –: Missionary Practice and Transmission of the Gospel in Early Christianity, in: ders., New Testament and Christian Apocrypha. Collected Studies II, hg. von G. E. Snyder, WUNT 237, Tübingen 2009, 65–75.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
619
–: Tradition and Redaction in Acts 10:1–11:18, in: ders., New Testament and Christian Apocrypha. Collected Studies II, hg. von G. E. Snyder, WUNT 237, Tübingen 2009, 110–128. Braarvig, J.: Magic. Reconsidering the Grand Dichotomy, in: D. R. Jordan / H. Montgomery / E. Thomassen (Hgg.), The World of Ancient Magic. Papers from the First International Samson Eitrem Seminar at the Norwegian Institute at Athens, 4–8 May 1997, Papers from the Norwegian Institute at Athens 4, Bergen 1999, 21–54. Brands, G. / Hopfner, W. / Pamir, H.: Antiochia am Orontes und Seleukia Pieria, AW 35 (2004), 11–16. Brankaer, J. / Bethge, H.-G. (Hgg.): Codex Tchacos. Texte und Analysen, TU 161, Berlin u. a. 2007. Braun, H.: Geschichte des Gottesvolkes und christliche Identität. Eine kanonischintertextuelle Auslegung der Stephanusepisode Apg 6,1–8,3, WUNT II/279, Tübingen 2010. Bremmer, J. N.: The Birth of the Term »Magic«, in: ders. / J. R. Veenstra (Hgg.), The Metamorphosis of Magic from Late Antiquity to the Early Modern Period, Leuven 2002, 1–11 (zuerst in: ZPE 126 [1999], 1–14). Brenk, F. E.: Greek Epiphanies and Paul on the Road to Damaskos, in: U. Bianchi (Hg.), The Notion of »Religion« in Comparative Research. Selected Proceedings of the XVIth Congress of the International Association for the History of Religions, 3rd–8th September 1990, StorRel(R) 8, Rom 1994, 415–424. Breytenbach, C.: Paulus und Barnabas in der Provinz Galatien. Studien zu Apostelgeschichte 13 f.; 16,6; 18,23 und den Adressaten des Galaterbriefes, AGJU 38, Leiden / New York / Köln 1996. Breytenbach, C. / Zimmermann, C. (Hgg.): Early Christianity in Lycaonia and Adjacent Areas. From Paul to Amphilochius of Iconium, AGJU 101, Early Christianity in Asia Minor 2, Leiden / Boston 2018. Brink, L.: Soldiers in Luke-Acts. Engaging, Contradicting and Transcending the Stereotypes, WUNT II/362, Tübingen 2014. Broadhead, E. K.: Jewish Ways of Following Jesus. Redrawing the Religious Map of Antiquity, WUNT 266, Tübingen 2010. Broadie, A.: A Samaritan Philosophy. A Study of the Hellenistic Cultural Ethos of the Memar Marqah, StPB 31, Leiden 1981. Brock, S.: Syria and Mesopotamia. The Shared Term ›malka mshiḥa‹, in: J. Carleton Paget / M. Bockmuehl (Hgg.), Redemption and Resistance. The Messianic Hopes of Jews and Christians in Antiquity, Edinburgh 2007, 171–182. Brockhaus, U.: Charisma und Amt. Die paulinische Charismenlehre auf dem Hintergrund der frühchristlichen Gemeindefunktionen, Wuppertal 1972. Brooten, B. J.: The Jews of Ancient Antioch, in: C. Kondoleon (Hg.), Antioch. The Lost Ancient City, Princeton 2001, 29–37. Brox, N.: Der Hirt des Hermas, KAV 7, Göttingen 1991. –: Nikolaos und Nikolaiten, VigChr 19 (1965), 23–30. Bruneau, P.: »Les Israélites de Délos« et la juiverie délienne, BCH 106 (1982), 465–504. Burchard, C.: Formen der Vermittlung christlichen Glaubens im Neuen Testament. Beobachtungen anhand von κήρυγμα, μαρτυρία und verwandten Wörtern, in: ders.,
620
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
Studien zur Theologie, Sprache und Umwelt des Neuen Testaments, hg. von D. Sänger, WUNT 107, Tübingen 1998, 265–292. –: Der Jakobusbrief, HNT 15/1, Tübingen 2000. –: Joseph und Aseneth, JSHRZ II/4, Gütersloh 1983, 579–735. –: Paulus in der Apostelgeschichte, in: ders., Studien zur Theologie, Sprache und Umwelt des Neuen Testaments, hg. von D. Sänger, WUNT 107, Tübingen 1998, 126–148. –: Der dreizehnte Zeuge. Traditions‑ und kompositionsgeschichtliche Untersuchungen zu Lukas’ Darstellung der Frühzeit des Paulus, FRLANT 103, Göttingen 1970. Burkert, W.: Craft versus Sect. The Problem of Orphics and Pythagoreans, in: B. F. Meyer / E. P. Sanders (Hgg.), Jewish and Christian Self-Definition, Vol. 3: SelfDefinition in the Greco-Roman World, London 1982, 1–22.183–189. Butticaz, S.: »Has God Rejected His People?« (Romans 11.1). The Salvation of Israel in Acts. Narrative Claim of a Pauline Legacy, in: D. P. Moessner u. a. (Hgg.), Luke the Interpreter of Israel, Vol. II: Paul and the Heritage of Israel. Paul’s Claim upon Israel’s Legacy in Luke and Acts in the Light of the Pauline Letters, LNTS 452, London / New York 2012, 148–164. Byrskog, S.: Story as History – History as Story. The Gospel Tradition in the Context of Ancient Oral History, WUNT 123, Tübingen 2000. Calhoun, R. M.: The »Letter« of Mithridates. A Neglected Item of Ancient Epistolary Theory, in: J. Frey u. a. (Hgg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen. Pseudepigraphy and Author Fiction in Early Christian Letters, WUNT 246, Tübingen 2009, 295–330. Calpino, T. J.: Women, Work and Leadership in Acts, WUNT II/361, Tübingen 2014. Campbell, D. A.: Paul in Pamphylia (Acts 13.13–14a; 14,24b–26). A Critical Note, NTS 46 (2000), 595–602. Capper, B. J.: Community of Goods in the Early Jerusalem Church, ANRW 2.26.2, Berlin / New York 1995, 1730–1774. –: The Palestinian Cultural Context of Earliest Christian Community of Goods, in: R. Bauckham (Hg.), The Book of Acts in Its First Century Setting, Vol. 4: The Book of Acts in Its Palestinian Setting, Grand Rapids (Mich.) 1995, 323–356. Carleton Paget, J.: After 70 and All That. A Response to Martin Goodman’s »Rome and Jerusalem«, JSNT 31 (2009), 339–365. –: Barnabas 9.4. A Peculiar Verse on Circumcision, in: ders., Jews (s. u.), 77–89. –: The Definition of the Terms »Jewish Christian« and »Jewish Christianity« in the History of Research, in: O. Skarsaune / R. Hvalvik (Hgg.), Jewish Believers in Jesus. The Early Centuries, Peabody (Mass.) 22007, 22–52. –: The Ebionites in Recent Research, in: ders., Jews (s. u.), 325–379. –: The Epistle of Barnabas. Outlook and Background, WUNT II/64, Tübingen 1994. –: Jewish Christianity, in: W. Horbury / W. D. Davies / J. Sturdy (Hgg.), The Cambridge History of Judaism, Vol. 3: The Early Roman Period, Cambridge 1999, 731–775. –: Jewish Revolts and Jewish-Christian Relations, in: J. Schwartz / P. J. Tomson (Hgg.), Jews and Christians in the First and Second Centuries. The Interbellum 70–132 CE, CRI 15, Leiden 2017, 276–306. –: Jews, Christians and Jewish Christians in Antiquity, WUNT 251, Tübingen 2010. –: Some Observations on Josephus and Christianity, in: ders., Jews (s. o.), 185–265. –: The Four among the Jews, in: ders., Jews (s. o.), 267–286.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
621
Carlston, C. E. / Evans, C. A.: From Synagogue to Ecclesia. Matthew’s Community at the Crossroads, WUNT 334, Tübingen 2014. Casson, Lionel: The Periplus Maris Erythraei. Text with Introduction, Translation and Commentary, Princeton 1989. Chapman, D. W.: Ancient Jewish and Christian Perceptions of Crucifixion, WUNT II/244, Tübingen 2008. Chapman, D. W. / Schnabel, E. J.: The Trial and Crucifixion of Jesus. Texts and Commentary, WUNT 344, Tübingen 2015. Chilton, B. D.: James, Peter, Paul, and the Formation of the Gospels, in: ders. / C. A. Evans (Hgg.), The Missions of James, Peter, and Paul. Tensions in Early Christianity, NT.S 115, Leiden / Boston 2005, 3–28. Chilton, B. D. / Evans, C. A. (Hgg.), James the Just and Christian Origins, NT.S 98, Leiden u. a. 1999. Clauss, M.: Wunder und Kaiserkult, in: B. Kollmann / R. Zimmermann (Hgg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen. Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven, WUNT 339, Tübingen 2014, 153–164. Claussen, C.: Versammlung, Gemeinde, Synagoge. Das hellenistisch-jüdische Umfeld der frühchristlichen Gemeinden, StUNT 27, Göttingen 2002. Cohen, S. J. D.: Crossing the Boundary and Becoming a Jew, HThR 82 (1989), 13–33. –: The Ways That Parted. Jews, Christians, and Jewish-Christians, ca. 100–150 CE, in: J. Schwartz / P. J. Tomson (Hgg.), Jews and Christians in the First and Second Centuries. The Interbellum 70–132 CE, CRI 15, Leiden 2017, 307–339. Collins, A. Y.: Mark. A Commentary, Hermeneia, Minneapolis 2007. Collins, J. J.: The Angelic Life, in: ders., Scriptures and Sectarianism. Essays on the Dead Sea Scrolls, WUNT 332, Tübingen 2014, 195–211. Colpe, C.: Die Barbarisierung der Weisheit. Eindeutige Belebung von Begriffen – Konstruktion mehrdeutiger Sexualität – Vieldeutige theopoietische Fiktionen, in: H. Cancik (Hg.), Geschichte – Tradition – Reflexion. Festschrift für Martin Hengel zum 70. Geburtstag, Bd. II: Griechische und römische Religion, Tübingen 1996, 155–182 = ders., Griechen – Byzantiner – Semiten – Muslime. Hellenistische Religionen und die west-östliche Enthellenisierung. Phänomenologie und philologische Hauptkapitel, WUNT 221, Tübingen 2008, 93–117. –: Die älteste judenchristliche Gemeinde, in: J. Becker u. a., Die Anfänge des Christentums. Alte Welt und neue Hoffnung, Stuttgart 1987, 59–79. Conzelmann, H.: Geschichte des Urchristentums, GNT 5, Göttingen 51983. Conzelmann, H. / Lindemann, A.: Arbeitsbuch zum Neuen Testament, UTB 52, Tübingen 132000. Cook, J. G.: Crucifixion in the Mediterranean World, WUNT 327, Tübingen 2014. –: Envisioning Crucifixion. Light from Several Inscriptions and the Palatine Graffito, NT 50 (2008), 262–285. –: The Interpretation of the New Testament in Greco-Roman Paganism, STAC 3, Tübingen 2000. –: Roman Attitudes toward the Christians. From Claudius to Hadrian, WUNT 261, Tübingen 2010. Correns, D.: Die Mischna. Das grundlegende enzyklopädische Regelwerk rabbinischer Tradition. Ins Deutsche übertragen, mit einer Einleitung und Anmerkungen, Wiesbaden 2005.
622
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
Cotton, H. M.: The Administrative Background to the New Settlement Recently Discovered Near Givʿat Shaul, in: J. Patrich / D. Amit (Hgg.), New Studies in the Archaeology of Jerusalem and Its Region, Jerusalem 2007, 12*–18*. Cotton, H. M. / Ameling, W. u. a. (Hgg.): Corpus Inscriptionum Iudaeae / Palaestinae, Vol. 1: Jerusalem, Part 1: 1–704, Berlin / New York 2010; Part 2: 705–1120, Berlin / Boston 2012; Vol. 2: Caesarea and the Middle Coast. 1121–2160, Berlin / Boston 2011; Vol. 3: South Coast. 2161–2648, Berlin / Boston 2014. Crown, A. D. (Hg.): Samaritan Scribes and Manuscripts, TSAJ 80, Tübingen 2001. –: The Samaritans, Tübingen 1989. Crown, A. D. / Pummer, R. / Tal, A. (Hgg.): A Companion to Samaritan Studies, Tübingen 1993. Cullmann, O.: Petrus. Jünger – Apostel – Märtyrer. Das historische und das theologische Petrusproblem, Zürich / Stuttgart 21960. –: Samarien und die Anfänge der christlichen Mission, in: ders., Vorträge und Aufsätze 1925–1962, hg. von K. Fröhlich, Tübingen / Zürich 1960, 232–240. Dalman, G.: Aramäische Dialektproben, in: ders., Grammatik (s. u.), III–72. –: Grammatik des jüdisch-palästinischen Aramäisch. Nach den Idiomen des palästinischen Talmud, des Onkelostargum und Prophetentargum und der jerusalemischen Targume. Aramäische Dialektproben, Leipzig 21905/1927 (unveränd. fotomechan. Nachdruck Darmstadt 1989). Dautzenberg, G.: Urchristliche Prophetie. Ihre Erforschung, ihre Voraussetzungen im Judentum und ihre Struktur im ersten Korintherbrief, BWANT 104, Stuttgart u. a. 1975. Davids, P. H.: The Test of Wealth in James and Paul, in: B. D. Chilton / C. A. Evans (Hgg.), The Missions of James, Peter, and Paul. Tensions in Early Christianity, NT.S 115, Leiden / Boston 2005, 355–384. –: Palestinian Traditions in the Epistle of James, in: B. D. Chilton / C. A. Evans (Hgg.), James the Just and Christian Origins, NT.S 98, Leiden u. a. 1999, 33–57. Davies, G.: A Samaritan Inscription with an Expanded Text of the Shemaʿ, PEQ 131 (1999), 3–19. Davies, W. D.: The Gospel and the Land. Early Christianity and Jewish Territorial Doctrine, Berkeley u. a. 1974. Davies, W. D. / Allison, D. C., Jr.: A Critical and Exegetical Commentary on the Gospel according to St. Matthew, ICC, Vols. I–III, Edinburgh 1988, 1991, 1997 (= Mt). Dehandschutter, B., Leben und / oder Sterben für Gott bei Ignatius und Polykarp, in: S. Fuhrmann / R. Grundmann (Hgg.), Martyriumsvorstellungen in Antike und Mittelalter. Leben oder sterben für Gott?, AGJU 80, Leiden / Boston 2012, 191–202. Deichgräber, R.: Gotteshymnus und Christushymnus in der frühen Christenheit. Untersuchungen zu Form, Sprache und Stil der frühchristlichen Hymnen, StUNT 5, Göttingen 1967. Deines, R.: Die Abwehr der Fremden in den Texten aus Qumran. Zum Verständnis der Fremdenfeindlichkeit in der Qumrangemeinde, in: R. Feldmeier / U. Heckel (Hgg.), Die Heiden. Juden, Christen und das Problem des Fremden, WUNT 70, Tübingen 1994, 59–91. –: Das Aposteldekret – Halacha für Heidenchristen oder christliche Rücksichtnahme auf jüdische Tabus?, in: J. Frey / D. R. Schwartz / S. Gripentrog (Hgg.), Jewish Identity in the Greco-Roman World – Jüdische Identität in der griechisch-römischen Welt, AGJU 71, Leiden / Boston 2007, 323–395.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
623
–: The Apostolic Decree. Halakhah for Gentile Christians or Christian Concession to Jewish Taboos, in: ders., Acts of God in History. Studies Towards Recovering a Theological Historiography, hg. von C. Ochs und P. Watts, WUNT 317, Tübingen 2013, 121–188. –: Gab es eine jüdische Freiheitsbewegung? Martin Hengels »Zeloten« nach 50 Jahren, in: M. Hengel, Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr, 3. durchgesehene und ergänzte Aufl. hg. von R. Deines und C.-J. Thornton, WUNT 283, Tübingen 32011, 403–448. –: Die Gerechtigkeit der Tora im Reich des Messias. Mt 5,13–20 als Schlüsseltext der matthäischen Theologie, WUNT 177, Tübingen 2004. –: God or Mammon. The Danger of Wealth in the Jesus Tradition and in the Epistle of James, in: M. Konradt / E. Schläpfer (Hgg.), Anthropologie und Ethik im Frühjudentum und im Neuen Testament. Wechselseitige Wahrnehmungen. Internationales Symposium in Verbindung mit dem Projekt Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti (CJHNT) (Heidelberg, 17.–20. Mai 2012), WUNT 322, Tübingen 2014, 327–385. –: How Long? God’s Revealed Schedule for Salvation and the Outbreak of the Bar Kokhba Revolt, in: A. Lange / K. F. D. Römheld / M. Weigold (Hgg.), Judaism and Crisis. Crisis as a Catalyst in Jewish Cultural History, SIJD 9, Göttingen 2011, 201–234. –: Jakobus. Im Schatten des Größeren, Biblische Gestalten 30, Leipzig 2017. –: Jesus and Scripture. Scripture and the Self-Understanding of Jesus, in: M. R. Malcolm (Hg.), All That the Prophets Have Declared. The Appropriation of Scripture in the Emergence of Christianity, Milton Keynes (U. K.) 2015, 39–70.225–234. –: Jüdische Steingefäße und pharisäische Frömmigkeit. Ein archäologisch-historischer Beitrag zum Verständnis von Joh 2,6 und der jüdischen Reinheitshalacha zur Zeit Jesu, WUNT II/52, Tübingen 1993. –: Die Pharisäer. Ihr Verständnis im Spiegel der christlichen und jüdischen Forschung seit Wellhausen und Graetz, WUNT 101, Tübingen 1997. –: The Pharisees between »Judaisms« and »Common Judaism«, in: D. A. Carson / P. T. O’Brien / M. A. Seifrid (Hgg.), Justification and Variegated Nomism, Vol. I: The Complexities of Second Temple Judaism, WUNT II/140, Tübingen / Grand Rapids (Mich.) 2001, 443–504. –: Non-literary Sources for the Interpretation of the New Testament. Methodological Considerations and Case Studies Related to the Corpus Judaeo-Hellenisticum, in: ders. / J. Herzer / K.-W. Niebuhr (Hgg.), Neues Testament und hellenistisch-jüdische Alltagskultur. Wechselseitige Wahrnehmungen. III. Internationales Symposium zum Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti (Leipzig, 21.–24. Mai 2009), WUNT 274, Tübingen 2011, 25–66. Deines, R. / Leppin, V. / Niebuhr, K.-W. (Hgg.): Walter Grundmann. Ein Neutestamentler im Dritten Reich, AKThG 21, Leipzig 2007. Deissmann, A.: Paulus. Eine kultur‑ und religionsgeschichtliche Skizze, Tübingen 2 1925. Delling, G.: Wort Gottes und Verkündigung im Neuen Testament, SBS 53, Stuttgart 1971. deSilva, D. A.: The Jewish Teachers of Jesus, James, and Jude. What Earliest Christianity Learned from the Apocrypha and Pseudepigrapha, Oxford 2012. Dibelius, M.: Der erste christliche Historiker, in: ders., Aufsätze zur Apostelgeschichte, hg. von H. Greeven, FRLANT 60/NF 42, Göttingen 51968, 108–119.
624
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: Die Mahlgebete der Didache, in: ders., Botschaft und Geschichte. Gesammelte Aufsätze, Bd. 2: Zum Urchristentum und zur hellenistischen Religionsgeschichte, hg. von G. Bornkamm und H. Kraft, Tübingen 1956, 117–127. –: Die Reden in der Apostelgeschichte und die antike Geschichtsschreibung, in: ders., Aufsätze zur Apostelgeschichte, hg. von H. Greeven, FRLANT 60/NF 42, Göttingen 51968, 120–162. Dickson, J. P.: Mission-Commitment in Ancient Judaism and in the Pauline Communities. The Shape, Extent and Background of Early Christian Mission, WUNT II/159, Tübingen 2003. Dietzfelbinger, C.: Pseudo-Philo. Antiquitates Biblicae, JSHRZ II/2, Gütersloh 21979, 91–271. –: Die Berufung des Paulus als Ursprung seiner Theologie, WMANT 58, NeukirchenVluyn 21989. –: Der Sohn. Skizzen zur Christologie und Anthropologie des Paulus, BThSt 118, Neukirchen-Vluyn 2011. Dimant, D.: Not Exile in the Desert but Exile in Spirit. The Pesher of Isa 40:3 in the »Rule of the Community« and the History of the Scrolls Community, in: dies., History (s. u.), 455–464. –: History, Ideology and Bible Interpretation in the Dead Sea Scrolls. Collected Studies, FAT 90, Tübingen 2014. –: Sectarian and Nonsectarian Texts from Qumran. The Pertinence and Use of a Taxonomy, in: dies., History (s. o.), 101–112. –: The Vocabulary of the Qumran Sectarian Texts, in: J. Frey / C. Claußen / N. Kessler (Hgg.), Qumran und die Archäologie. Texte und Kontexte, WUNT 278, Tübingen 2011, 347–395 = überarb. Fassung in: dies., History (s. o.), 57–100. Dobbeler, A. v.: Der Evangelist Philippus in der Geschichte des Urchristentums. Eine prosopographische Skizze, TANZ 30, Tübingen / Basel 2000. Dochhorn, J.: Die Apokalypse des Mose. Text, Übersetzung, Kommentar, TSAJ 106, Tübingen 2005. –: Die Presbyter in der Johannesoffenbarung. Endzeitlicher Tempelkult im Himmel unter dem Vorzeichen der Gottesherrschaft, in: J. Frey / M. R. Jost (Hgg.), Gottesdienst und Engel im antiken Judentum und frühen Christentum, WUNT II/446, Tübingen 2017, 241–287. Doering, L.: Ancient Jewish Letters and the Beginnings of Christian Epistolography, WUNT 298, Tübingen 2012. –: Schabbat. Sabbathalacha und ‑praxis im antiken Judentum und Urchristentum, TSAJ 78, Tübingen 1999. Dschulnigg, P.: Petrus im Neuen Testament, Stuttgart 1996. Dunn, J. D. G.: Christianity in the Making, Vol. 2: Beginning from Jerusalem, Grand Rapids (Mich.) / Cambridge (U. K.) 2009. –: The Book of Acts as Salvation History, in: J. Frey / S. Krauter / H. Lichtenberger (Hgg.), Heil und Geschichte. Die Geschichtsbezogenheit des Heils und das Problem der Heilsgeschichte in der biblischen Tradition und in der theologischen Deutung, WUNT 248, Tübingen 2009, 385–401. –: Christianity in the Making, Vol. 1: Jesus Remembered, Grand Rapids (Mich.) / Cambridge (U. K.) 2003.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
625
– (Hg.): Jews and Christians. The Parting of the Ways A. D. 70 to 135, The Second Durham-Tübingen Research Symposium on Earliest Christianity and Judaism (Durham, September, 1989), WUNT 66, Tübingen 1992. –: Christianity in the Making, Vol. 3: Neither Jew nor Greek. A Contested Identity, Grand Rapids (Mich.) / Cambridge (U. K.) 2015. –: The Partings of the Ways between Christianity and Judaism and Their Significance for the Character of Christianity, London 1991. –: Paul’s Conversion – A Light to Twentieth Century Disputes, in: J. Ådna / S. J. Hafemann / O. Hofius (Hgg.), Evangelium – Schriftauslegung – Kirche. Festschrift für Peter Stuhlmacher (zum 65. Geburtstag), Göttingen 1997, 77–93. –: The Theology of Paul the Apostle, Grand Rapids (Mich.) 1998. du Toit, A.: A Tale of Two Cities. ›Tarsus or Jerusalem‹ Revisited, NTS 46 (2000), 375–402. Ebel, E.: Das Leben des Paulus, in: O. Wischmeyer (Hg.), Paulus. Leben – Umwelt – Werk – Briefe, UTB 2767, Tübingen / Basel 22012, 105–118. Eberhart, C. A.: Kultmetaphorik und Christologie. Opfer‑ und Sühneterminologie im Neuen Testament, WUNT 306, Tübingen 2013. Eck, W.: Caesarea Maritima – eine römische Stadt?, in: ders., Judäa – Syria Palästina. Die Auseinandersetzung einer Provinz mit römischer Politik und Kultur, TSAJ 157, Tübingen 2014, 150–162. –: Herrschaft, Widerstand, Kooperation. Rom und das Judentum in Judaea / Palaestina vor dem 4. Jh. n. Chr., in: E. Baltrusch / U. Puschner (Hgg.), Jüdische Lebenswelten. Von der Antike bis zur Gegenwart, Zivilisationen und Geschichte 40, Frankfurt a. M. 2016, 31–52. –: Kommunikation durch Herrschaftszeichen. Römische Amtsträger in den Provinzen, in: ders., Judäa – Syria Palästina. Die Auseinandersetzung einer Provinz mit römischer Politik und Kultur, TSAJ 157, Tübingen 2014, 47–65. –: Rom und Judaea. Fünf Vorträge zur römischen Herrschaft in Palästina, Tria Corda 2, Tübingen 2007. –: Die römische Herrschaft und ihre Zeichen, in: ders., Rom und Judaea (s. o.), 53–103. Eck, W. / Caballos, A. / Fernández, F.: Das senatus consultum de Cn. Pisone patre, Vestigia 48, München 1996. Ego, B.: Der Gottesdienst der Engel – Von den biblischen Psalmen zur jüdischen Mystik. Traditionskritische Überlegungen zu den Sabbatopferliedern von Qumran, ThLZ 140 (2015), 886–901. –: Tobit, JSHRZ II/6, Gütersloh 1999, 872–1005. Ehrlich, U.: The Nonverbal Language of Prayer. A New Approach to Jewish Liturgy, übers. von Dena Ordan, TSAJ 105, Tübingen 2004. Ehrlich, U. / Langer, R.: The Earliest Texts of the Birkat Haminim, HUCA 76 (2005), 63–112. Elbogen, I.: Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung, Frankfurt a. M. 31931 (Nachdruck der 3., verb. Aufl., Hildesheim 1967). Elgvin, T.: Jewish Christian Editing of the Old Testament Pseudepigrapha, in: O. Skarsaune / R. Hvalvik (Hgg.), Jewish Believers in Jesus. The Early Centuries, Peabody (Mass.) 22007, 278–304. Eliav, Y. Z.: The Tomb of James, Brother of Jesus, as »Locus Memoriae«, HThR 97 (2004), 33–59.
626
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
Ellis, N.: The Hermeneutics of Divine Testing. Cosmic Trials and Biblical Interpretation in the Epistle of James and Other Jewish Literature, WUNT II/396, Tübingen 2015. Elmer, I. J.: Paul, Jerusalem and the Judaisers. The Galatian Crisis in Its Broadest Historical Context, WUNT II/258, Tübingen 2009. Eskola, T.: Messiah and Throne. Jewish Merkabah Mysticism and Early Christian Exaltation Discourse, WUNT II/142, Tübingen 2001. Evans, C. A.: Jesus and James. Martyrs of the Temple, in: B. D. Chilton / C. A. Evans (Hgg.), James the Just and Christian Origins, NT.S 98, Leiden u. a. 1999, 233–249. Feldmeier, R.: Der Gekreuzigte im »Gnadenstuhl«. Exegetische Überlegungen zu Mk 15,37–39 und deren Bedeutung für die Vorstellung der göttlichen Gegenwart und Herrschaft, in: M. Philonenko (Hg.), Le Trône de Dieu, WUNT 69, Tübingen 1993, 213–232 = ders., Der Höchste. Studien zur hellenistischen Religionsgeschichte und zum biblischen Gottesglauben, WUNT 330, Tübingen 2014, 385–400. –: Die Syrophönizierin (Mk 7,24–30) – Jesu »verlorenes« Streitgespräch?, in: ders. / U. Heckel (Hgg.), Die Heiden. Juden, Christen und das Problem des Fremden, WUNT 70, Tübingen 1994, 211–227. –: Weise hinter »eisernen Mauern«. Tora und jüdisches Selbstverständnis zwischen Akkulturation und Absonderung im Aristeasbrief, in: M. Hengel / A. M. Schwemer (Hgg.), Die Septuaginta zwischen Judentum und Christentum, WUNT 72, Tübingen 1994, 20–37 = ders., Der Höchste. Studien zur hellenistischen Religionsgeschichte und zum biblischen Gottesglauben, WUNT 330, Tübingen 2014, 160–177. Feldmeier, R. / Heckel, U. (Hgg.): Die Heiden. Juden, Christen und das Problem des Fremden, WUNT 70, Tübingen 1994. Feldmeier, R. / Spieckermann, H.: Menschwerdung, TOBITH 2, Tübingen 2018. Feldtkeller, A.: Im Reich der Syrischen Göttin. Eine religiös plurale Kultur als Umwelt des frühen Christentums, Studien zum Verstehen fremder Religionen 8, Gütersloh 1994. Fidler, R.: Genesis XV. Sequence and Unity, VT 57 (2007), 162–180. Finegan, J.: Handbook of Biblical Chronology. Principles of Time Reckoning in the Ancient World and Problems of Chronology in the Bible, überarb. Aufl., Peabody (Mass.) 1998. Fischer, I.: Israels Landbesitz als Verwirklichung der primordialen Weltordnung. Die Bedeutung des Landes in den Erzeltern-Erzählungen, in: dies. / M. Ebner u. a. (Hgg.), Heiliges Land, JBTh 23 (2008), Neukirchen-Vluyn 2009, 3–24. Fisk, B. N.: Do You Not Remember? Scripture, Story and Exegesis in the Rewritten Bible of Pseudo-Philo, JSPE.S 37, Sheffield 2001. Fitzmyer, J. A.: The Acts of the Apostles. A New Translation with Introduction and Commentary, AncB 31, New Haven / London 1998. –: The Designations of Christians in Acts and Their Significance, in: Commission biblique pontificale (Hg.), Unité et diversité dans l’Église. Texte officielle de la Commission biblique pontificale, Vatikanstadt 1989, 223–236. –: New Testament Kyrios and Maranatha and Their Aramaic Background, in: ders., To Advance the Gospel. New Testament Studies, Grand Rapids (Mich.) / Cambridge (U. K.) 21998, 218–235. –: Tobit, CEJL, Berlin / New York 2003. Fletcher-Louis, C. H. T.: Luke-Acts. Angels, Christology and Soteriology, WUNT II/94, Tübingen 1997.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
627
Forbes, C. B.: Prophecy and Inspired Speech in Early Christianity and Its Hellenistic Environment, WUNT II/75, Tübingen 1995. Förster, N.: Die zelotische Ablehnung römischer Steuern und Münzen. Eine neue patristische Quelle, in: H. Lichtenberger (Hg.), Martin Hengels »Zeloten«. Ihre Bedeutung im Licht von fünfzig Jahren Forschungsgeschichte, mit einem Geleitwort von R. Deines, Tübingen 2013, 107–133. –: Jesus und die Steuerfrage. Die Zinsgroschenperikope auf dem religiösen und politischen Hintergrund ihrer Zeit. Mit einer Edition von Pseudo-Hieronymus, »De haeresibus Judaeorum«, WUNT 294, Tübingen 2012. Fossum, J.: The Name of God and the Angel of the Lord. Samaritan and Jewish Concepts of Intermediation and the Origin of Gnosticism, WUNT 36, Tübingen 1985. Foster, R. J.: The Significance of Exemplars for the Interpretation of the Letter of James, WUNT II/376, Tübingen 2014. Fredriksen, P.: Paul and Augustine. Conversion Narratives, Orthodox Traditions, and the Retrospective Self, JThS 37 (1986), 3–34. Frenschkowski, M.: Offenbarung und Epiphanie, Bd. 1: Grundlagen des spätantiken und frühchristlichen Offenbarungsglaubens, WUNT II/79, Tübingen 1995. Frey, J.: Apostelbegriff, Apostelamt und Apostolizität. Neutestamentliche Perspektiven zur Frage nach der »Apostolizität« der Kirche, in: T. Schneider / G. Wenz (Hgg.), Das kirchliche Amt in apostolischer Nachfolge, Bd. 1: Grundlagen und Grundfragen, DiKi 12, Freiburg / Göttingen 2004, 91–188. –: Die Ausbreitung des frühen Christentums. Perspektiven für die gegenwärtige Praxis der Kirche, in: M. Reppenhagen (Hg.), Kirche zwischen postmoderner Kultur und Evangelium, Beiträge zur Evangelisation und Gemeindeentwicklung 15, NeukirchenVluyn 2010, 86–112. –: Autorfiktion und Gegnerbild im Judasbrief und im Zweiten Petrusbrief, in: ders u. a. (Hgg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen. Pseudepigraphy and Author Fiction in Early Christian Letters, WUNT 246, Tübingen 2009, 683–732. –: Das Bild ›der Juden‹ im Johannesevangelium und die Geschichte der johanneischen Gemeinde, in: M. Labahn / K. Scholtissek / A. Strotmann (Hgg.), Israel und seine Heilstraditionen im Johannesevangelium. Festgabe für Johannes Beutler SJ zum 70. Geburtstag, Paderborn u. a. 2004, 33–53. –: Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus, ThHK 15/II, Leipzig 2015. –: Das Corpus Johanneum und die Apokalypse des Johannes. Die Johanneslegende, die Probleme der johanneischen Verfasserschaft und die Frage der Pseudonymität der Apokalypse, in: S. Alkier / T. Hieke / T. Nicklas (Hgg.), Poetik und Intertextualität der Johannesapokalypse, hg. in Zusammenarbeit mit M. Sommer, WUNT 346, Tübingen 2015, 71–133. –: ›Die Juden‹ im Johannesevangelium und die Frage nach der ›Trennung der Wege‹ zwischen der johanneischen Gemeinde und der Synagoge, in: ders., Herrlichkeit (s. u.), 339–377. –: Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften des Corpus Johanneum, in: M. Hengel, Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch. Mit einem Beitrag zur Apokalypse von J. Frey, WUNT 67, Tübingen 1993, 326–429. –: Die johanneische Eschatologie, Bd. I: Ihre Probleme im Spiegel der Forschung seit Reimarus, WUNT 96, Tübingen 1997; Bd. II: Das johanneische Zeitverständnis,
628
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
WUNT 110, Tübingen 1998; Bd. III: Die eschatologische Verkündigung in den johanneischen Texten, WUNT 117, Tübingen 2000. –: Fragen um Lukas als ›Historiker‹ und den historiographischen Charakter der Apostelgeschichte. Eine thematische Annäherung, in: ders. / C. K. Rothschild / J. Schröter (Hgg.), Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie, BZNW 162, Berlin / New York 2009, 1–26. –: Die Fragmente des Ebionäerevangeliums, in: AcA I/1, 607–622. –: Die Fragmente des Hebräerevangeliums, in: AcA I/1, 593–606. –: Die Fragmente judenchristlicher Evangelien, in: AcA I/1, 560–592. –: Friedrich Avemarie (1960–2012) und sein wissenschaftliches Vermächtnis, in: F. Avemarie, Neues Testament und frührabbinisches Judentum. Gesammelte Aufsätze, hg. von J. Frey und A. Standhartinger unter Mitarbeit von M. Schmied und S. Weigert, WUNT 316, Tübingen 2013, XI–XXXIII. –: Galaterbrief, in: O. Wischmeyer (Hg.), Paulus. Leben – Umwelt – Werk – Briefe, UTB 2767, Tübingen / Basel 22012, 232–256. –: Heiden – Griechen – Gotteskinder. Zur Gestalt und Funktion der Rede von den Heiden im vierten Evangelium, in: R. Feldmeier / U. Heckel (Hgg.), Die Heiden. Juden, Christen und das Problem des Fremden, WUNT 70, Tübingen 1994, 228–268 = ders., Herrlichkeit (s. u.), 297–338. –: Die Herrlichkeit des Gekreuzigten. Studien zu den johanneischen Schriften I, hg. von J. Schlegel, WUNT 307, Tübingen 2013. –: Zu Hintergrund und Funktion des johanneischen Dualismus, in: ders., Herrlichkeit (s. o.), 409–482. –: Between Holy Tradition and Christian Virtues? The Use of πίστις / πιστεύειν in Jude and 2 Peter, in: ders. / B. Schließer / N. Ueberschaer unter Mitarbeit von Kathrin Hager (Hgg.), Glaube. Das Verständnis des Glaubens im frühen Christentum und in seiner jüdischen und hellenistisch-römischen Umwelt, WUNT 373, Tübingen 2017, 609–640. –: Das vierte Evangelium auf dem Hintergrund der älteren Evangelientradition. Zum Problem: Johannes und die Synoptiker, in: ders., Herrlichkeit (s. o.), 239–294. –: Was erwartet die Johannesapokalypse? Zur Eschatologie des letzten Buchs der Bibel, in: ders. / J. A. Kelhoffer / F. Tóth (Hgg.), Die Johannesapokalypse. Kontexte – Konzepte – Rezeption, WUNT 287, Tübingen 2012, 473–551. –: Das Johannesevangelium und seine Gemeinden im Kontext der jüdischen Diaspora Kleinasiens, in: R. Deines / J. Herzer / K.-W. Niebuhr (Hgg.), Neues Testament und hellenistisch-jüdische Alltagskultur. Wechselseitige Wahrnehmungen. III. Internationales Symposium zum Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti (Leipzig, 21.–24. Mai 2009), WUNT 274, Tübingen 2011, 99–132. –: Das Judentum des Paulus, in: O. Wischmeyer (Hg.), Paulus. Leben – Umwelt – Werk – Briefe, UTB 2767, Tübingen / Basel 22012, 25–65. –: Martin Hengel als theologischer Lehrer. Persönliche Erinnerungen an einen väterlichen Wegbegleiter, in: M. Hengel, Theologische, historische und biographische Skizzen. Kleine Schriften VII, hg. von C.-J. Thornton, WUNT 253, Tübingen 2010, XI–XXIX. –: »Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat …«. Zur frühjüdischen Deutung der ›ehernen Schlange‹ und ihrer christologischen Rezeption in Johannes 3,14 f., in: M. Hengel / H. Löhr (Hgg.), Schriftauslegung im antiken Judentum und im Urchristentum, WUNT 73, Tübingen 1994, 153–205.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
629
–: Paulus und die Apostel. Zur Entwicklung des paulinischen Apostelbegriffs und zum Verhältnis des Heidenapostels zu seinen »Kollegen«, in: E.-M. Becker / P. Pilhofer (Hgg.), Biographie und Persönlichkeit des Paulus, WUNT 187, Tübingen 2005, 192–227. –: Eine neue religionsgeschichtliche Perspektive. Larry W. Hurtados »Lord Jesus Christ« und die Herausbildung der frühen Christologie, in: ders. / C. Breytenbach (Hgg.), Reflections on the Early Christian History of Religion. Erwägungen zur frühchristlichen Religionsgeschichte, AJEC 81, Leiden / Boston 2013, 117–169. –: Der Philipperbrief im Rahmen der Paulusforschung, in: ders. / B. Schließer (Hgg.), Der Philipperbrief des Paulus in der hellenistisch-römischen Welt, hg. unter Mitarbeit von V. Niederhofer, WUNT 353, Tübingen 2015, 1–31. –: Qumran Research and Biblical Scholarship in Germany, in: D. Dimant (Hg.), The Dead Sea Scrolls in Scholarly Perspective. A History of Research, StTDJ 99, Leiden / Boston 2012, 529–564. –: Qumran und die Archäologie. Eine thematische Einführung, in: ders. / C. Claußen / N. Kessler (Hgg.), Qumran und die Archäologie. Texte und Kontexte, WUNT 278, Tübingen 2011, 3–49. –: Temple and Identity in Early Christianity and in the Johannine Community. Reflections on the »Parting of the Ways«, in: D. R. Schwartz / Z. Weiss (Hgg.), Was 70 CE a Watershed in Jewish History? On Jews and Judaism before and after the Destruction of the Second Temple, ed. in collaboration with R. A. Clements, AJEC 78, Leiden / Boston 2012, 447–507. –: Temple and Rival Temple – The Cases of Elephantine, Mt. Gerizim, and Leontopolis, in: B. Ego / A. Lange / P. Pilhofer (Hgg.), Gemeinde ohne Tempel – Community without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, hg. in Zusammenarbeit mit K. Ehlers, WUNT 118, Tübingen 1999, 171–203. –: Zur Vielgestaltigkeit judenchristlicher Evangelienüberlieferungen, in: ders. / J. Schröter (Hgg.), Jesus in apokryphen Evangelienüberlieferungen. Beiträge zu außerkanonischen Jesusüberlieferungen aus verschiedenen Sprach‑ und Kulturtraditionen, hg. unter Mitarbeit von J. Spaeth, WUNT 254, Tübingen 2010, 93–137. –: Von Paulus zu Johannes. Die Diversität »christlicher Gemeindekreise« und die »Trennungsprozesse« zwischen der Synagoge und den Gemeinden der Jesusnachfolger in Ephesus im ersten Jahrhundert, in: C. K. Rothschild / J. Schröter (Hgg.), The Rise and Expansion of Christianity in the First Three Centuries of the Common Era, WUNT 301, Tübingen 2013, 235–278. –: Zum Weltbild im Jubiläenbuch, in: M. Albani / ders. / A. Lange (Hgg.), Studies in the Book of Jubilees, TSAJ 65, Tübingen 1997, 261–292. –: Vom Windbrausen zum Geist Christi und zur trinitarischen Person. Stationen einer Geschichte des Heiligen Geistes im Neuen Testament, in: ders. / D. Sattler u. a. (Hgg.), Heiliger Geist, JBTh 24 (2009), Neukirchen-Vluyn 2011, 121–154. Frey, J. / Claussen, C. / Kessler, N. (Hgg.): Qumran und die Archäologie. Texte und Kontexte, WUNT 278, Tübingen 2011. Frey, J. / Jost, M. R. (Hgg.): Gottesdienst und Engel im antiken Judentum und frühen Christentum, WUNT II/446, Tübingen 2017. –: Gottesdienst und Engel. Eine thematische und forschungsgeschichtliche Einleitung, in: dies. (Hgg.), Gottesdienst und Engel (s. o.), 1–21.
630
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
Frey, J. / Kelhoffer, J. A. / Tóth, F. (Hgg.), Die Johannesapokalypse. Kontexte – Konzepte – Rezeption, WUNT 287, Tübingen 2012. Frey, J. / Krauter, S. / Lichtenberger, H. (Hgg.): Heil und Geschichte. Die Geschichtsbezogenheit des Heils und das Problem der Heilsgeschichte in der biblischen Tradition und in der theologischen Deutung, WUNT 248, Tübingen 2009. Frey, J. / Rothschild, C. K. / Schröter, J. (Hgg.): Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie, BZNW 162, Berlin / New York 2009. Freyne, S.: Galilee. From Alexander the Great to Hadrian. 323 B. C. E. to 135 C. E. A Study of Second Temple Judaism, University of Notre Dame Center for the Study of Judaism and Christianity in Antiquity 5, Wilmington (Del.) 1980 (Nachdruck Edinburgh 1998). –: Galilee and Gospel. Collected Essays, WUNT 125, Tübingen 2000. –: Galilee, Jesus and the Gospels. Literary Approaches and Historical Investigations, Dublin 1988. –: The Geography of Restoration. Galilee-Jerusalem Relations in Early Jewish and Christian Experience, in: J. M. Scott (Hg.), Restoration. Old Testament, Jewish, and Christian Perspectives, JSJ.S 72, Leiden / Boston / Köln 2001, 405–433. –: Matthew and Mark. The Jewish Contexts, in: E.-M. Becker / A. Runesson (Hgg.), Mark and Matthew, Vol. I: Comparative Readings. Understanding the Earliest Gospels in Their First-Century Settings, WUNT 271, Tübingen 2011, 179–203. –: Behind the Names. Galileans, Samaritans, Ioudaioi, in: ders., Galilee and Gospel (s. o.), 114–131. –: Reflections on the Galilean Jesus in the Light of Martin Hengel’s ›Jesus und das Judentum‹ (Geschichte des frühen Christentums 1), in: J. Frey / C. Breytenbach (Hgg.), Reflections on the Early Christian History of Religion. Erwägungen zur frühchristlichen Religionsgeschichte, AJEC 81, Leiden / Boston 2013, 101–114. Friedrich, J.: Gott im Bruder? Eine methodenkritische Untersuchung von Redaktion, Überlieferung und Traditionen in Mt 25,31–46, CThM.BW 7, Stuttgart 1977. Funk, W.-P.: Die erste Apokalypse des Jakobus (NHC V,3/CT 2), in: AcA I/2, 1152–1180. –: Die zweite Apokalypse des Jakobus (NHC V,4), in: AcA I/2, 1181–1194. Gäbel, G.: Die Kulttheologie des Hebräerbriefes. Eine exegetisch-religionsgeschichtliche Studie, WUNT II/212, Tübingen 2006. Gäckle, V.: Allgemeines Priestertum. Zur Metaphorisierung des Priestertitels im Frühjudentum und Neuen Testament, WUNT 331, Tübingen 2014. –: Die Starken und die Schwachen in Korinth und Rom. Zu Herkunft und Funktion der Antithese in 1 Kor 8,1–11,1 und in Röm 14,1–15,13, WUNT II/200, Tübingen 2004. García Martínez, F. / Tigchelaar, E. J. C. (Hgg.): The Dead Sea Scrolls. Study edition, Vol. 1: 1Q1–4Q273, Leiden 1997; Vol. 2: 4Q274–11Q31, Leiden 1998. Garsky, Z.: Das Wirken Jesu in Galiläa bei Johannes. Eine strukturale Analyse der Intertextualität des vierten Evangeliums mit den Synoptikern, WUNT II/325, Tübingen 2012. Gauger, J.-D.: Sibyllinische Weissagungen. Griechisch-deutsch, auf der Grundlage der Ausgabe von Alfons Kurfeß neu übers. und hg., Sammlung Tusculum, Darmstadt 1998. –: Der »Tod des Verfolgers«. Überlegungen zur Historizität eines Topos, JSJ 33 (2002), 42–64.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
631
Gehring, R. W.: Hausgemeinde und Mission. Die Bedeutung antiker Häuser und Hausgemeinschaften – von Jesus bis Paulus, Bibelwissenschaftliche Monographien 9, Gießen 2000. Gemünden, P. v. / Konradt, M. / Theissen, G. (Hgg.), Der Jakobusbrief. Beiträge zur Rehabilitierung der »strohernen Epistel«, Beiträge zum Verstehen der Bibel 3, Münster 2003. Genz, R.: Jesaja 53 als theologische Mitte der Apostelgeschichte. Studien zu ihrer Christologie und Ekklesiologie im Anschluss an Apg 8,26–40, WUNT II/398, Tübingen 2015. Gerdmar, A.: Baur and the Creation of the Judaism-Hellenism Dichotomy, in: M. Bauspieß / C. Landmesser / D. Lincicum (Hgg.), Ferdinand Christian Baur und die Geschichte des frühen Christentums, WUNT 333, Tübingen 2014, 107–128. Gese, H.: Die Komposition der Abrahamserzählung, in: ders., Alttestamentliche Studien, Tübingen 1991, 29–51. –: Τὸ δὲ Ἁγὰρ Σινὰ ὄρος ἐστὶν ἐν τῇ Ἀραβίᾳ (Gal 4,25), in: ders., Vom Sinai zum Zion. Alttestamentliche Beiträge zur biblischen Theologie, BEvTh 64, München 31990, 49–62. –: Das Gesetz, in: ders., Zur biblischen Theologie. Alttestamentliche Vorträge, Tübingen 3 1989, 55–84. –: Ps 22 und das Neue Testament. Der älteste Bericht vom Tode Jesu und die Entstehung des Herrenmahls, in: ders., Vom Sinai zum Zion. Alttestamentliche Beiträge zur biblischen Theologie, BEvTh 64, München 31990, 180–201. –: Die Sühne, in: ders., Zur biblischen Theologie. Alttestamentliche Vorträge, Tübingen 31989, 85–106. Gesenius, W.: Wilhelm Gesenius’ hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, bearbeitet von F. Buhl, unveränderter Neudruck der 1915 erschienenen 17. Aufl., Berlin / Göttingen / Heidelberg 1962. Goodblatt, D.: The Monarchic Principle. Studies in Jewish Self-Government in Antiquity, TSAJ 38, Tübingen 1994. Goppelt, L.: Die apostolische und nachapostolische Zeit, KIG 1/A, Göttingen 21966. –: Christentum und Judentum im 1. und 2. Jahrhundert. Ein Aufriß der Urgeschichte der Kirche, BFChTh II/55, Gütersloh 1954. Grappe, C.: Images de Pierre aux deux premiers siècles, EHPhR 75, Paris 1995. –: Die Zeloten, der historische Jesus und der Jesus der Evangelien, in: H. Lichtenberger (Hg.), Martin Hengels »Zeloten«. Ihre Bedeutung im Licht von fünfzig Jahren Forschungsgeschichte, mit einem Geleitwort von R. Deines, Tübingen 2013, 81–106. Grässer, E.: Forschungen zur Apostelgeschichte, WUNT 137, Tübingen 2001. –: Das Problem der Parusieverzögerung in den synoptischen Evangelien und in der Apostelgeschichte, BZNW 22, Berlin / New York 31977. Gunkel, H.: Der Heilige Geist bei Lukas. Theologisches Profil, Grund und Intention der lukanischen Pneumatologie, WUNT II/389, Tübingen 2015. Gussmann, O.: Das Priesterverständnis des Flavius Josephus, TSAJ 124, Tübingen 2008. Haacker, K.: Der »Antinomismus« des Paulus im Kontext antiker Gesetzestheorie, in: H. Lichtenberger (Hg.), Geschichte – Tradition – Reflexion. Festschrift für Martin Hengel zum 70. Geburtstag, Bd. III: Frühes Christentum, Tübingen 1996, 387–404. –: Stephanus. Verleumdet, verehrt, verkannt, Biblische Gestalten 28, Leipzig 2014.
632
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: Zum Werdegang des Apostels Paulus. Biographische Daten und ihre theologische Relevanz, ANRW 2.26.2, Berlin / New York 1995, 815–938.1924–1933. Haar, S.: Simon Magus. The First Gnostic?, BZNW 119, Berlin / New York 2003. Habicht, C.: 2. Makkabäerbuch, JSHRZ I/3, Gütersloh 1979, 167–285. Hachlili, R.: The Goliath Family in Jericho. Funerary Inscriptions from a First-Century A. D. Jewish Monumental Tomb, BASOR 235 (1979), 31–66. –: Ancient Synagogues – Archaeology and Art. New Discoveries and Current Research, Handbook of Oriental Studies. Handbuch der Orientalistik, Sect. 1: Ancient Near East, 105, Leiden / Boston 2013. Haenchen, E.: Die Apostelgeschichte, 16. Aufl., 7., durchges. und verb. Aufl. dieser Neuauslegung, KEK 3, Göttingen 1977 (= Apg). –: Die Apostelgeschichte als Quelle für die christliche Frühgeschichte, in: ders., Die Bibel und wir. Gesammelte Aufsätze Bd. 2, Tübingen 1968, 312–337. Haeuser, P.: Des heiligen Philosophen und Martyrers Justinus Dialog mit dem Juden Tryphon, BKV 33, Kempten / München 1917. Hagner, D. A.: Another Look at »The Parting of the Ways«, in: M. F. Bird / J. Maston (Hgg.), Earliest Christian History. History, Literature, and Theology. Essays from the Tyndale Fellowship in Honor of Martin Hengel, WUNT II/320, Tübingen 2012, 381–427. Hahn, F.: Christologische Hoheitstitel. Ihre Geschichte im frühen Christentum, FRLANT 83, Göttingen 1963 (51995 mit Nachtrag). –: Der urchristliche Gottesdienst, SBS 41, Stuttgart 1970. –: Gibt es eine Entwicklung in den Aussagen über die Rechtfertigung bei Paulus?, in: ders., Studien zum Neuen Testament, Bd. II: Bekenntnisbildung und Theologie in urchristlicher Zeit, hg. von J. Frey und J. Schlegel, WUNT 192, Tübingen 2006, 271–297. –: Zum Problem der antiochenischen Quelle in der Apostelgeschichte, in: ders., Studien zum Neuen Testament, Bd. II: Bekenntnisbildung und Theologie in urchristlicher Zeit, hg. von J. Frey und J. Schlegel, WUNT 192, Tübingen 2006, 139–154. –: Theologie des Neuen Testaments, Bd. II: Die Einheit des Neuen Testaments, UTB 3500, Tübingen 32011. Hahn, F. / Klein, H.: Die frühchristliche Prophetie. Ihre Voraussetzungen, ihre Anfänge und ihre Entwicklung bis zum Montanismus. Eine Einführung, BThSt 116, Neukirchen-Vluyn 2011. Hahn, J.: Metropolis, Emperors, and Games. The Secularization of the Antiochene Olympics in Late Antiquity, in: S.-P. Bergjan / S. Elm (Hgg.), Antioch II. The Many Faces of Antioch: Intellectual Exchange and Religious Diversity, CE 350–450, Civitatum Orbis Mediterranei Studia 3, Tübingen 2018, 53–71. –: Neros Rom – Feuer und Fanal, in: E. Stein-Hölkeskamp / K.-J. Hölkeskamp (Hgg.), Erinnerungsorte der Antike. Die römische Welt, München 2006, 362–384. Hainz, J.: Ekklesia. Strukturen paulinischer Gemeinde-Theologie und GemeindeOrdnung, BU 9, Regensburg 1972. Halfmann, H.: Die Senatoren aus dem östlichen Teil des Imperium Romanum bis zum Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr., Hyp. 58, Göttingen 1979. Hallermayer, M.: Text und Überlieferung des Buches Tobit, DCLS 3, Berlin / New York 2008.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
633
Hannah, D. D.: Michael and Christ. Michael Traditions and Angel Christology in Early Christianity, WUNT II/109, Tübingen 1999. Harnack, A. v.: Geschichte der altchristlichen Litteratur bis Eusebius, Teil 2: Die Chronologie, Bd. 1: Die Chronologie der Litteratur bis Irenäus, nebst einleitenden Untersuchungen, Leipzig 1924 (Nachdruck Wiesbaden). –: Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, Leipzig 41924. –: Critical Notes. The Sect of the Nicolaitans and Nicolaus the Deacon in Jerusalem, JR 3 (1923), 413–422. – (Hg.): Porphyrius »Gegen die Christen«. 15 Bücher; Zeugnisse, Fragmente und Referate, APAW.PH Nr. 1, Berlin 1916. Hartin, P. J.: James of Jerusalem. Heir to Jesus of Nazareth, Collegeville (Minn.) 2004. Hartman, L.: Das Markusevangelium, »für die lectio sollemnis im Gottesdienst abgefaßt«?, in: H. Lichtenberger (Hg.), Geschichte – Tradition – Reflexion. Festschrift für Martin Hengel zum 70. Geburtstag, Bd. III: Frühes Christentum, Tübingen 1996, 147–171. Häuptli, B. W.: Jacobus de Voragine, Legenda aurea – Goldene Legende. Jacopo da Varazze, Legendae sanctorum – Legenden der Heiligen. Einleitung, Edition, Übersetzung und Kommentar, 2 Bde., FC Sonderband, Freiburg 2014. Heckel, U.: Hirtenamt und Herrscherkritik. Die urchristlichen Ämter aus johanneischer Sicht, BThSt 65, Neukirchen-Vluyn 2004. –: Der Segen im Neuen Testament. Begriff, Formeln, Gesten. Mit einem praktischtheologischen Ausblick, WUNT 150, Tübingen 2002. Heemstra, M.: The Fiscus Judaicus. Its Social and Legal Impact and a Possible Relation with Josephus’ Antiquities, in: P. J. Tomson / J. Schwartz (Hgg.), Jews and Christians in the First and Second Centuries. How to Write Their History, CRI 13, Leiden / Boston 2014, 327–347. –: The Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, WUNT II/277, Tübingen 2010. Heil, C. (in Zusammenarbeit mit T. Klampfl): Theophilos (Lk 1,3; Apg 1,1), in: C. G. Müller (Hg.), Licht zur Erleuchtung der Heiden und Herrlichkeit für dein Volk Israel. Studien zum lukanischen Doppelwerk. Festschrift für Josef Zmijewski, BBB 151, Hamburg 2005, 7–28. Heiligenthal, R.: Wer waren die Nikolaiten? Ein Beitrag zur Theologiegeschichte des frühen Christentums, ZNW 82 (1991), 133–137. Hemer, C. J.: The Book of Acts in the Setting of Hellenistic Historiography, hg. von C. H. Gempf, WUNT 49, Tübingen 1989. Hengel, M.: Abba, Maranatha, Hosanna und die Anfänge der Christologie, in: I. U. Dalferth / J. Fischer / H.-P. Großhans (Hgg.), Denkwürdiges Geheimnis. Beiträge zur Gotteslehre. Festschrift für Eberhard Jüngel zum 70. Geburtstag, Tübingen 2004, 145–183 = KS IV, 496–534. –: Die Arbeit im frühen Christentum, ThBeitr 17 (1986), 174–212 = KS VI, 424–466. –: The Atonement. A Study of the Origins of the Doctrine in the New Testament, London 1981 = ders., Cross (s. u.), 189–292. –: Die »auserwählte Herrin«, die »Braut«, die »Mutter« und die »Gottesstadt«, in: ders. / S. Mittmann / A. M. Schwemer (Hgg.), La Cité de Dieu – Die Stadt Gottes. 3. Symposium Strasbourg / Tübingen / Uppsala (Tübingen, 19.–23. September 1998), WUNT 129, Tübingen 2000, 245–285 = KS VI, 508–548.
634
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: Die Bar-Kokhbamünzen als politisch-religiöse Zeugnisse. Rezension zu Leo Mildenberg, The Coinage of the Bar Kokhba War, Aarau / Frankfurt a. M. / Salzburg 1984, Gnomon 58 (1986), 326–331 = KS I, 344–350. –: Das Begräbnis Jesu bei Paulus und die leibliche Auferstehung aus dem Grabe, in: F. Avemarie / H. Lichtenberger (Hgg.), Auferstehung – Resurrection. The Fourth Durham-Tübingen Research Symposium. Resurrection, Transfiguration and Exaltation in Old Testament, Ancient Judaism and Early Christianity (Tübingen, September, 1999), WUNT 135, Tübingen 2001, 119–183 = KS IV, 386–450. –: Bekennen und Bekenntnis, in: KS VII, 313–347. –: Zur matthäischen Bergpredigt und ihrem jüdischen Hintergrund, ThR 52 (1987), 327–400 = KS II, 219–292. –: Christologie und neutestamentliche Chronologie. Zu einer Aporie in der Geschichte des Urchristentums, in: H. Baltensweiler / B. Reicke (Hgg.), Neues Testament und Geschichte. Historisches Geschehen und Deutung im Neuen Testament. Festschrift für O. Cullmann zum 70. Geburtstag, Zürich / Tübingen 1972, 43–67 = KS IV, 27–51. –: Das Christuslied im frühesten Gottesdienst, in: W. Baier u. a. (Hgg.), Weisheit Gottes – Weisheit der Welt. Festschrift für Joseph Kardinal Ratzinger zum 60. Geburtstag, Bd. I, St. Ottilien 1987, 357–404 = KS IV, 205–258. –: The Cross of the Son of God. Containing: The Son of God, Crucifixion, The Atonement, transl. from the German by J. Bowden, London 1986. –: Crucifixion. In the Ancient World and the Folly of the Message of the Cross, transl. from the German by J. Bowdon, London 1977 = ders., Cross (s. o.), 93–185. –: Der »dionysische« Messias. Zur Auslegung des Weinwunders in Kana (Joh 2,1–11) = KS V, 568–600. –: Der Jude Paulus und sein Volk. Zu einem neuen Acta-Kommentar, ThR 66 (2001), 338–368 = KS VI, 212–241. –: Der vorchristliche Paulus, in: ders. / U. Heckel (Hgg.), Paulus und das antike Judentum. Tübingen-Durham-Symposium im Gedenken an den 50. Todestag Adolf Schlatters (19. Mai 1938), WUNT 58, Tübingen 1991, 177–293 = KS III, 68–192. –: Early Christianity as a Jewish-Messianic, Universalistic Movement, in: D. A. Hagner (Hg.), Conflicts and Challenges in Early Christianity, Harrisburg 1999, 1–41. –: Eigentum und Reichtum in der frühen Kirche. Aspekte einer frühchristlichen Sozialgeschichte, Calwer Paperback, Stuttgart 1973 = KS VI, 353–423. –: Einleitung, in: R. Feldmeier / U. Heckel (Hgg.), Die Heiden. Juden, Christen und das Problem des Fremden, WUNT 70, Tübingen 1994, IX–XVIII = KS VI, 497–507. –: Entstehungszeit und Situation des Markusevangeliums, in: H. Cancik (Hg.), MarkusPhilologie. Historische, literargeschichtliche und stilistische Untersuchungen zum zweiten Evangelium, WUNT 33, Tübingen 1984, 1–45 = KS V, 478–525. –: Die vier Evangelien und das eine Evangelium von Jesus Christus. Studien zu ihrer Sammlung und Entstehung, WUNT 224, Tübingen 2008. –: Die Evangelienüberschriften, SHAW.PH 1984/3, Heidelberg 1984 = KS V, 526–567. –: Der Finger und die Herrschaft Gottes in Lk 11,20, in: R. Kieffer / J. Bergman (Hgg.), La Main de Dieu. Die Hand Gottes, WUNT 94, Tübingen 1997, 87–106 = KS V, 644–663. –: Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, Calwer Paperback, Stuttgart 21984 = KS VI, 1–104.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
635
–: Die Ursprünge der Gnosis und das Urchristentum, in: J. Ådna / S. J. Hafemann / O. Hofius (Hgg.), Evangelium – Schriftauslegung – Kirche. Festschrift für Peter Stuhlmacher (zum 65. Geburtstag), Göttingen 1997, 190–223 = KS VI, 549–593. –: Hadrians Politik gegenüber Juden und Christen, JANES 16/17 (1984–1985) / Ancient Studies in Memory of Elias Bickerman, 153–182 = KS I, 358–391. –: Heilsgeschichte, in: J. Frey / S. Krauter / H. Lichtenberger (Hgg.), Heil und Geschichte. Die Geschichtsbezogenheit des Heils und das Problem der Heilsgeschichte in der biblischen Tradition und in der theologischen Deutung, WUNT 248, Tübingen 2009, 3–36 = KS VII, 1–33. –: Der Historiker Lukas und die Geographie Palästinas in der Apostelgeschichte, ZDPV 99 (1983), 147–183 = KS VI, 140–190. –: Hymnus und Christologie, in: W. Haubeck / M. Bachmann (Hgg.), Wort in der Zeit. Neutestamentliche Studien. Festgabe für Karl Heinrich Rengstorf zum 75. Geburtstag, Leiden / Köln 1980, 1–23 = KS IV, 185–204. –: Jakobus der Herrenbruder – der erste »Papst«?, in: E. Gräßer / O. Merk (Hgg.), Glaube und Eschatologie. Festschrift für Werner Georg Kümmel zum 80. Geburtstag, Tübingen 1985, 71–104 = KS III, 549–582. –: Der Jakobusbrief als antipaulinische Polemik, in: G. F. Hawthorne / O. Betz (Hgg.), Tradition und Interpretation in the New Testament. Essays in Honour of E. Earle Ellis for His 60th Birthday, Grand Rapids (Mich.) / Tübingen 1987, 248–265 = (wesentlich erweitert) KS III, 511–548. –: Jerusalem als jüdische und hellenistische Stadt, in: B. Funck (Hg.), Hellenismus. Beiträge zur Erforschung von Akkulturation und politischer Ordnung in den Staaten des hellenistischen Zeitalters. Akten des Internationalen Hellenismus-Kolloquiums 9.–14. März 1994 in Berlin, Tübingen 1996, 269–307 = KS II, 115–156. –: Jesus, der Messias Israels. Zum Streit über das »messianische Sendungsbewußtsein« Jesu, in: I. Gruenwald u. a. (Hgg.), Messiah and Christos. Studies in the Jewish Origins of Christianity. Presented to David Flusser on the Occasion of His Seventy-fifth Birthday, TSAJ 32, Tübingen 1992, 155–176 = KS IV, 259–280. –: Jesus und die Evangelien. Kleine Schriften V, hg. von C.-J. Thornton, WUNT 211, Tübingen 2007 (= KS V). –: Jesus und die Tora, ThBeitr 9 (1978), 152–172 = KS V, 352–374. –: Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch. Mit einem Beitrag zur Apokalypse von J. Frey, WUNT 67, Tübingen 1993. –: Das Johannesevangelium als Quelle für die Geschichte des antiken Judentums, in: KS II, 293–334. –: Judaica et Hellenistica. Kleine Schriften I, unter Mitarbeit von R. Deines, J. Frey, C. Markschies und A. M. Schwemer, mit einem Anhang von H. Bloedhorn, WUNT 90, Tübingen 1996 (= KS I). –: Judaica, Hellenistica et Christiana. Kleine Schriften II, unter Mitarbeit von J. Frey und D. Betz und mit Beiträgen von H. Bloedhorn und M. Küchler, WUNT 109, Tübingen 1999 (= KS II). –: Juden, Griechen und Barbaren. Aspekte der Hellenisierung des Judentums in vorchristlicher Zeit, SBS 76, Stuttgart 1976. –: Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jh.s v. Chr., WUNT 10, Tübingen 31988.
636
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: Die ersten nichtchristlichen Leser der Evangelien, in: M. Krug / R. Lödel / J. Rehm (Hgg.), Beim Wort nehmen. Die Schrift als Zentrum für kirchliches Reden und Gestalten. Friedrich Mildenberger zum 75. Geburtstag, Stuttgart 2004, 99–117 = KS V, 702–725. –: Ἰουδαία in der geographischen Liste Apg 2,9–11 und Syrien als »Großjudäa«, RHPhR 80 (2000), 51–68 = KS VI, 191–211. –: Der Lukasprolog und seine Augenzeugen. Die Apostel, Petrus und die Frauen, in: L. T. Stuckenbruck / S. C. Barton / B. G. Wold (Hgg.), Memory in the Bible and Antiquity. The Fifth Durham-Tübingen Research Symposium (Durham, September, 2004), WUNT 212, Tübingen 2007, 195–242 = KS VI, 242–297. –: Das Mahl in der Nacht, »in der Jesus ausgeliefert wurde« (1 Kor 11,23), in: C. Grappe (Hg.), Le Repas de Dieu – Das Mahl Gottes, 4. Symposium Strasbourg, Tübingen, Upsal; Strasbourg, 11–15 septembre 2002, WUNT 169, Tübingen 2004, 115–160 = KS IV, 451–495. –: Maria Magdalena und die Frauen als Zeugen, in: O. Betz / ders. / M. Schmidt (Hgg.), Abraham unser Vater. Juden und Christen im Gespräch über die Bibel. Festschrift für Otto Michel zum 60. Geburtstag, AGSU 5, Leiden / Köln 1963, 243–256 = KS V, 28–39. –: Messianische Hoffnung und politischer »Radikalismus« in der »jüdisch-hellenistischen Diaspora«. Zur Frage der Voraussetzungen des jüdischen Aufstandes unter Trajan 115–117 n. Chr., in: D. Hellholm (Hg.), Apocalypticism in the Mediterranean World and the Near East, Tübingen 1983, 655–686 = KS I, 314–343. –: Nachfolge und Charisma. Eine exegetisch-religionsgeschichtliche Studie zu Mt 8,21 f. und Jesu Ruf in die Nachfolge, BZNW 34, Berlin 1968 = KS V, 40–138. –: Paulus in Arabien, in: H.-P. Müller / F. Siegert (Hgg.), Antike Randgesellschaften und Randgruppen im östlichen Mittelmeerraum. Ringvorlesung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, MJSt 5, Münster 2000, 137–157 = KS III, 193–212. –: Paulus, Israel und die Kirche, in: KS III, 418–472. –: Paulus und die Frage einer vorchristlichen Gnosis, in: KS III, 473–510. –: Paulus und die frühchristliche Apokalyptik, in: KS III, 302–417. –: Paulus und Jakobus. Kleine Schriften III, WUNT 141, Tübingen 2002 (= KS III). –: Die Stellung des Apostels Paulus zum Gesetz in den unbekannten Jahren zwischen Damaskus und Antiochien, in: J. D. G. Dunn (Hg.), Paul and the Mosaic Law. The Third Durham-Tübingen Research Symposium on Earliest Christianity and Judaism (Durham, September, 1994), WUNT 89, Tübingen 1996, 25–51 = KS III, 213–239. –: Der unterschätzte Petrus. Zwei Studien, Tübingen 22007. –: Präexistenz bei Paulus?, in: C. Landmesser/ H.-J. Eckstein (Hgg.), Jesus Christus als die Mitte der Schrift. Studien zur Hermeneutik des Evangeliums, BZNW 86, Berlin / New York 1997, 479–518 = KS III, 262–301. – (unter Mitarbeit von C. Markschies): Zum Problem der »Hellenisierung« Judäas im 1. Jahrhundert nach Christus, in: KS I, 1–90. –: Probleme des Markusevangeliums, in: P. Stuhlmacher (Hg.), Das Evangelium und die Evangelien. Vorträge vom Tübinger Symposium 1982, WUNT 28, Tübingen 1983, 221–265 = KS V, 430–477. –: Proseuche und Synagoge. Jüdische Gemeinde, Gotteshaus und Gottesdienst in der Diaspora und in Palästina, in: G. Jeremias / H.-W. Kuhn / H. Stegemann (Hgg.), Tradi-
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
637
tion und Glaube. Festgabe für Karl Georg Kuhn zum 65. Geburtstag, Göttingen 1971, 157–184 = KS I, 171–195. –: Rabbinische Legende und frühpharisäische Geschichte. Schimeon b. Schetach und die achtzig Hexen von Askalon, AHAW.PH 1984/2, Heidelberg 1984. –: Reich Christi, Reich Gottes und Weltreich im Johannesevangelium, in: ders. / A. M. Schwemer (Hgg.), Königsherrschaft Gottes und himmlischer Kult im Judentum, Urchristentum und in der hellenistischen Welt, WUNT 55, Tübingen 1991, 163–184 = KS V, 408–429. –: Zur historischen Rückfrage nach Jesus von Nazareth. Überlegungen nach der Fertigstellung eines Jesusbuches, in: Gespräch über Jesus. Papst Benedikt XVI. im Dialog mit Martin Hengel, Peter Stuhlmacher und seinen Schülern in Castelgandolfo 2008. Im Auftrag der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung hg. von Peter Kuhn, Tübingen 2010, 1–29. –: Die Schriftauslegung des 4. Evangeliums auf dem Hintergrund der urchristlichen Exegese, in: O. Hofius / P. Stuhlmacher u. a. (Hgg.), »Gesetz« als Thema Biblischer Theologie, JBTh 4, Neukirchen-Vluyn 1989, 249–288 = KS V, 601–643. –: »Schriftauslegung« und »Schriftwerdung« in der Zeit des Zweiten Tempels, in: ders. / H. Löhr (Hgg.), Schriftauslegung im antiken Judentum und im Urchristentum, WUNT 73, Tübingen 1994, 1–71 = KS II, 1–71. –: Das urchristliche Schrifttum als jüdische Quelle und das Problem der Trennung zwischen Juden und Christen, in: KS VII, 217–241. –: Die Septuaginta als von den Christen beanspruchte Schriftensammlung bei Justin und den Vätern vor Origenes, in: J. D. G. Dunn (Hg.), Jews and Christians. The Parting of the Ways A. D. 70 to 135. The Second Durham-Tübingen Research Symposium on Earliest Christianity and Judaism (Durham, September, 1989), WUNT 66, Tübingen 1992, 38–84 = KS II, 335–380. – (unter Mitarbeit von R. Deines): Die Septuaginta als ›christliche Schriftensammlung‹, ihre Vorgeschichte und das Problem ihres Kanons, in: ders. / A. M. Schwemer (Hgg.), Die Septuaginta zwischen Judentum und Christentum, WUNT 72, Tübingen 1994, 182–284. –: »Setze dich zu meiner Rechten!« Die Inthronisation Christi zur Rechten Gottes und Psalm 110,1, in: M. Philonenko (Hg.), Le Trône de Dieu, WUNT 69, Tübingen 1993, 108–194 = KS IV, 281–367. –: Der Sohn Gottes. Die Entstehung der Christologie und die jüdisch-hellenistische Religionsgeschichte, Tübingen 21977 = KS IV, 74–145. –: Erwägungen zum Sprachgebrauch von Χριστός bei Paulus und in der »vorpaulinischen« Überlieferung, in: M. D. Hooker / S. G. Wilson (Hgg.), Paul and Paulinism. Essays in Honour of C. K. Barrett, London 1982, 135–158 = (erweitert) KS III, 240–261. –: Studien zum Urchristentum. Kleine Schriften VI, hg. von C.-J. Thornton, WUNT 234, Tübingen 2008 (= KS VI). –: Studien zur Christologie. Kleine Schriften IV, hg. von C.-J. Thornton, WUNT 201, Tübingen 2006 (= KS IV). –: Der stellvertretende Sühnetod Jesu. Ein Beitrag zur Entstehung des urchristlichen Kerygmas, IKaZ 9 (1980), 1–25.135–147 = KS IV, 146–184. –: Theologische, historische und biographische Skizzen. Kleine Schriften VII, hg. von C.-J. Thornton, WUNT 253, Tübingen 2010 (= KS VII).
638
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: Die Throngemeinschaft des Lammes mit Gott in der Johannesapokalypse, ThBeitr 27 (1996), 159–175 = (erweitert) KS IV, 368–385. –: Überlegungen zu einer Geschichte des frühesten Christentums im 1. und 2. Jahrhundert, in: C. Auffarth / J. Rüpke (Hgg.), Ἐπιτομή τῆς οἰκουμένης. Studien zur römischen Religion in Antike und Neuzeit für Hubert Cancik und Hildegard Cancik-Lindemaier, hg. unter Mitarbeit von F. Fabricius und D. Püschel, Potsdamer altertumswissenschaftliche Beiträge 6, Wiesbaden 2002, 139–171 = KS VI, 313–352. –: Die Ursprünge der christlichen Mission, NTS 18 (1971/1972), 15–38 = KS VI, 105–135. –: Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr., AGSU 1, Leiden / Köln 21976; 3., durchgesehene und ergänzte Aufl. hg. von R. Deines und C.-J. Thornton, WUNT 283, Tübingen 32011. –: Zwischen Jesus und Paulus. Die »Hellenisten«, die »Sieben« und Stephanus (Apg 6,1–15; 7,54–8,3), ZThK 72 (1975), 151–206 = KS III, 1–67. Hengel, M. / Deines, R.: E. P. Sanders’ »Common Judaism«, Jesus und die Pharisäer (deutsche Erstveröffentlichung), in: KS I, 392–479. Hengel, M. / Schwemer, A. M.: Der messianische Anspruch Jesu und die Anfänge der Christologie. Vier Studien, WUNT 138, Tübingen 2001. –: Jesus und das Judentum, Geschichte des frühen Christentums Band I, Tübingen 2007. – (Hgg.): Königsherrschaft Gottes und himmlischer Kult im Judentum, Urchristentum und in der hellenistischen Welt, WUNT 55, Tübingen 1991. –: Paulus zwischen Damaskus und Antiochien. Die unbekannten Jahre des Apostels, WUNT 108, Tübingen 1998. Henten, J. W. van: Ruler or God? The Demolition of Herod’s Eagle, in: J. Fotopoulos (Hg.), The New Testament and Early Christian Literature in Greco-Roman Context. Studies in Honor of David E. Aune, NT.S 122, Leiden / Boston 2006, 257–286. Hentschel, A.: Diakonia im Neuen Testament. Studien zur Semantik unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von Frauen, WUNT II/226, Tübingen 2007. Hermisson, H.-J.: Deuterojesaja, Bd. 2: 45,8–49,13, BK 11/2, Neukirchen-Vluyn 2003; Bd. 3: 49,14–55,13, BK 11/3, Neukirchen-Vluyn 2008. Herrmann, S.: Jeremia, BK 12/1, Neukirchen-Vluyn 1986. Hezser, C.: The Social Structure of the Rabbinic Movement in Roman Palestine, TSAJ 66, Tübingen 1997. –: Uncertain Symbol. The Representation of Yavne in the Talmud Yerushalmi, in: J. Schwartz / P. J. Tomson (Hgg.), Jews and Christians in the First and Second Centuries. The Interbellum 70–132 CE, CRI 15, Leiden 2017, 176–195. Higger, M.: Seven Minor Treatises. Sefer Torah, Mezuzah, Tefillin, Ẓiẓit, ʿAbadim, Kutim, Gerim and Treatise Soferim II, New York 1930. Hill, C. C.: Hellenists and Hebrews. Reappraising Division within the Earliest Church, Philadelphia 1992. Hirschberg, P.: Das eschatologische Israel. Untersuchungen zum Gottesvolkverständnis der Johannesoffenbarung, WMANT 84, Neukirchen-Vluyn 1999. –: Jewish Believers in Asia Minor according to the Book of Revelation and the Gospel of John, in: O. Skarsaune / R. Hvalvik (Hgg.), Jewish Believers in Jesus. The Early Centuries, Peabody (Mass.) 22007, 217–238.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
639
Hirschfeld, Y. (übers. aus dem Englischen von K. H. Nicolai, deutsche Bearbeitung von J. K. Zangenberg): Qumran – die ganze Wahrheit. Die Funde der Archäologie – neu bewertet, Gütersloh 2006. Hofius, O.: Der Christushymnus Philipper 2,6–11. Untersuchungen zu Gestalt und Aussage eines urchristlichen Psalms, WUNT 17, Tübingen 21991. –: »Die Wahrheit des Evangeliums«. Exegetische und theologische Erwägungen zum Wahrheitsanspruch der paulinischen Verkündigung, in: ders., Paulusstudien II, WUNT 143, Tübingen 2002, 17–37. –: Gal 1,18: ἱστορῆσαι Κηφᾶν, in: ders., Paulusstudien, WUNT 51, Tübingen 21994, 255–267. –: Gemeindeleitung und Kirchenleitung nach den Zeugnissen des Neuen Testaments. Eine Skizze, in: ders., Exegetische Studien, WUNT 223, Tübingen 2008, 218–242. –: Das vierte Gottesknechtslied in den Briefen des Neuen Testaments, in: P. Stuhlmacher / B. Janowski (Hgg.), Der leidende Gottesknecht. Jesaja 53 und seine Wirkungsgeschichte, FAT 14, Tübingen 1996, 107–127. –: Herrenmahl und Herrenmahlsparadosis. Erwägungen zu 1 Kor 11,23b–25, in: ders., Paulusstudien, WUNT 51, Tübingen 21994, 203–240. –: Paulus – Missionar und Theologe, in: ders., Paulusstudien II, WUNT 143, Tübingen 2002, 1–16. –: Sühne und Versöhnung. Zum paulinischen Verständnis des Kreuzestodes Jesu, in: ders., Paulusstudien, WUNT 51, Tübingen 21994, 33–49. –: »Werke des Gesetzes«. Untersuchungen zu der paulinischen Rede von den ἔργα νόμου, in: ders., Exegetische Studien, WUNT 223, Tübingen 2008, 49–88. –: »Werke des Gesetzes« – Zwei Nachträge, in: ders., Exegetische Studien, WUNT 223, Tübingen 2008, 89–94. –: Wort Gottes und Glaube bei Paulus, in: ders., Paulusstudien, WUNT 51, Tübingen 21994, 148–174. –: Das Zeugnis der Johannesoffenbarung von der Gottheit Jesu Christi, in: H. Lichtenberger (Hg.), Geschichte – Tradition – Reflexion. Festschrift für Martin Hengel zum 70. Geburtstag, Bd. III: Frühes Christentum, Tübingen 1996, 511–528. Hogeterp, A. L. A.: Judaism and Hellenism in the Pseudo-Clementine Homilies and the Canonical Acts of the Apostles, in: J. N. Bremmer (Hgg.), The Pseudo-Clementines, Studies in Early Christian Apocrypha 10, Leuven 2010, 59–71. –: Paul and God’s Temple. A Historical Interpretation of Cultic Imagery in the Corinthian Correspondence, Biblical Tools and Studies 2, Leuven / Paris / Dudley (Mass.) 2006. Holl, K.: Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, Bd. II: Der Osten, Tübingen 1928. –: Der Kirchenbegriff des Paulus in seinem Verhältnis zu dem der Urgemeinde (1921), in: ders., Gesammelte Aufsätze (s. o.), 44–67. Holladay, C. R.: Fragments from Hellenistic Jewish Authors, Vol. I: Historians, SBL. TT 20, SBL.PS 10, Chico (Calif.) 1983; Vol. II: Poets. The Epic Poets Theodotus and Philo and Ezekiel the Tragedian, SBL.TT 30, SBL.PS 12, Atlanta 1989. Holtz, G.: Von Alexandrien nach Jerusalem. Überlegungen zur Vermittlung philonischalexandrinischer Tradition an Paulus, ZNW 105 (2014), 228–263. –: Jungfrauengeburt und Greisinnengeburt. Zur Rezeptionsgeschichte von Gen 21,1f im antiken Judentum und im frühen Christentum, BThSt 172, Göttingen / Bristol 2017.
640
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: Die Nichtigkeit des Menschen und die Übermacht Gottes. Studien zur Gottes‑ und Selbsterkenntnis bei Paulus, Philo und in der Stoa, WUNT 377, Tübingen 2017. Holtz, T.: Der erste Brief an die Thessalonicher, EKK XIII, Neukirchen-Vluyn u. a. 2 1990 (= 1 Thess). Hommel, H.: Sebasmata. Studien zur antiken Religionsgeschichte und zum frühen Christentum, Bd. 2, WUNT 32, Tübingen 1984. Horbury, W.: Antichrist among Jews and Gentiles, in: ders., Messianism (s. u.), 329–349. –: Beginnings of Christianity in the Holy Land, in: O. Limor / G. G. Stroumsa (Hgg.), Christians and Christianity in the Holy Land. From the Origins to the Latin Kingdoms, Cultural Encounters in Late Antiquity and the Middle Ages 5, Turnhout 2006, 7–89. –: The Benediction of the »Minim« and Early Jewish-Christian Controversy, JThS 33 (1982), 19–61, zitiert nach der überarb. Version in: ders., Jews and Christians in Contact and Controversy, Edinburgh 1998, 67–110. –: Septuagintal and New Testament Conceptions of the Church, in: ders., Messianism among Jews and Christians in the Second Century, in: ders., Messianism Among Jews and Christians. Twelve Biblical and Historical Studies, London / New York 2003, 255–272. –: Extirpation and Excommunication, in: ders., Jews and Christians (s. u.), 43–66. –: I Thessalonians ii.3 as Rebutting the Charge of False Prophecy, in: ders., Jews and Christians (s. u.), 111–126. –: »Gospel« in Herodian Judaea, in: ders., Herodian Judaism and New Testament Study, WUNT 193, Tübingen 2006, 80–103. –: Herod’s Temple and »Herod’s Days« in: ders. (Hg.), Templum amicitiae. Essays on the Second Temple Presented to Ernst Bammel, JSNT.S 48, Sheffield 1991, 103–149. –: Jerusalem in Pre-Pauline and Pauline Hope, in: ders., Messianism among Jews and Christians in the Second Century, in: ders., Messianism Among Jews and Christians. Twelve Biblical and Historical Studies, London / New York 2003, 189–226. –: Jewish-Christian Relations in Barnabas and Justin Martyr, in: J. D. G. Dunn (Hg.), Jews and Christians. The Parting of the Ways A. D. 70 to 135, The Second Durham-Tübingen Research Symposium on Earliest Christianity and Judaism (Durham, September, 1989), WUNT 66, Tübingen 1992, 315–345, zitiert nach der überarb. Version in: ders., Jews and Christians (s. u.), 127–161. –: Jewish War under Trajan and Hadrian, New York 2014. –: Jews and Christians in Contact and Controversy, Edinburgh 1998. –: Land, Sanctuary and Worship, in: J. Barclay / J. Sweet (Hgg.), Early Christian Thought in Its Jewish Context, Cambridge 1996, 207–224. –: Messianism among Jews and Christians in the Second Century, in: ders., Messianism among Jews and Christians. Twelve Biblical and Historical Studies, London / New York 2003, 275–288. –: Pappus and Lulianus in Jewish Resistance to Rome, in: J. Targarona Borrás / A. SáenzBadillos (Hgg.), Jewish Studies at the Turn of the Twentieth Century. Proceedings of the 6th EAJS Congress (Toledo, July 1998), Vol. I: Biblical, Rabbinical, and Medieval Studies, Leiden / Boston / Köln 1999, 289–295. –: The Twelve and the Phylarchs, in: ders., Messianism among Jews and Christians in the Second Century, in: ders., Messianism Among Jews and Christians. Twelve Biblical and Historical Studies, London / New York 2003, 157–188. Horn, F. W.: Paulus und der herodianische Tempel, NTS 53 (2007), 184–203.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
641
– (Hg.): Paulus Handbuch, Tübingen 2013. –: Paulusforschung, in: ders. (Hg.), Bilanz und Perspektive gegenwärtiger Auslegung des Neuen Testaments. Symposium zum 65. Geburtstag von G. Strecker, BZNW 75, Berlin / New York 1995, 30–59. –: Der Verzicht auf die Beschneidung im frühen Christentum, NTS 42 (1996), 479–505. Horowitz, C.: Der Jerusalemer Talmud in deutscher Übersetzung, Bd. 1: Berakhot, Tübingen 1975. Horst, P. W. van der: The Birkat ha-minim in Recent Research, in: ders., Hellenism – Judaism – Christianity. Essays on Their Interaction, Kampen 1994, 99–111. –: Consolation from Prison. Mara bar Sarapion and Boethius, in: ders., Studies in Ancient Judaism and Early Christianity, AGJU 87, Leiden / Boston 2014, 209–219. –: Ancient Jewish Epitaphs. An Introductory Survey of a Millennium of Jewish Funerary Epigraphy (300 BCE–700 CE), CBET 2, Kampen 1991. –: Hellenistic Parallels to the Acts of the Apostles, JSNT 25 (1985), 49–60. –: Inscriptiones Judaicae Orientis. A Review Article, in: ders., Jews and Christians in Their Graeco-Roman Context. Selected Essays on Early Judaism, Samaritanism, Hellenism, and Christianity, WUNT 196, Tübingen 2006, 71–86. –: The Jews of Ancient Cyprus, in: ders., Jews and Christians in Their Graeco-Roman Context. Selected Essays on Early Judaism, Samaritanism, Hellenism, and Christianity, WUNT 196, Tübingen 2006, 28–36. –: The Samaritan Languages in the Pre-Islamic Period, JSJ 32 (2001), 178–192. –: The Samaritan Diaspora in Antiquity, in: ders., Essays on the Jewish World of Early Christianity, NTOA 14, Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1990, 136–147. Houghton, H. A. G.: Recent Developments in New Testament Textual Criticism, Early Christianity 2 (2011), 245–258. Huber, W.: Passa und Ostern. Untersuchungen zur Osterfeier der Alten Kirche, BZNW 35, Berlin 1969. Hulen, A. B.: The »Dialogues with the Jews« as Sources for the Early Jewish Argument against Christianity, JBL 51 (1932), 58–70. Hurtado, L. W.: How on Earth Did Jesus Become a God? Historical Questions about Earlist Devotion to Jesus, Grand Rapids (Mich.) / Cambridge (U. K.) 2005. –: Lord Jesus Christ. Devotion to Jesus in Earliest Christianity, Grand Rapids (Mich.) / Cambridge (U. K.) 2003. –: Martin Hengel’s Impact on English-speaking Scholarship, ET 120 (2008), 70–76. –: One God, One Lord. Early Christian Devotion and Ancient Jewish Monotheism, London 21998 (Nachdruck London 2003). Hvalvik, R.: Jewish Believers and Jewish Influence in the Roman Church until the Early Second Century, in: ders. / O. Skarsaune (Hgg.), Jewish Believers in Jesus. The Early Centuries, Peabody (Mass.) 22007, 179–216. –: The Struggle for Scripture and Covenant. The Purpose of the Epistle of Barnabas and Jewish-Christian Competition in the Second Century, WUNT II/82, Tübingen 1996. Ilan, T.: Lexicon of Jewish Names in Late Antiquity, Part I: Palestine 330 BCE–200 CE, TSAJ 91, Tübingen 2002. –: Integrating Women into Second Temple History, TSAJ 76, Tübingen 1999. Illert, M.: Doctrina Addai / De imagine Edessena / Die Abgarlegende / Das Christusbild von Edessa. Griechisch / Lateinisch / Deutsch, übers. und eingeleitet, FC 45, Turnhout 2007.
642
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
Instone-Brewer, D.: The Eighteen Benedictions and the »Minim« before 70 CE, JThS 54 (2003), 25–44. Jaffé, D.: ›Index Librorum Prohibitorum‹. The Tannaim and Jewish Christian Books. Philological and Historical Perspectives, Early Christianity 8 (2017), 447–457. Janowski, B.: Der eine Gott der beiden Testamente. Grundfragen einer Biblischen Theologie, in: ders., Beiträge zur Theologie des Alten Testaments, Bd. 2: Die rettende Gerechtigkeit, Neukirchen-Vluyn 1999, 249–284. –: »Ich will in eurer Mitte wohnen«. Struktur und Genese der exilischen SchekinaTheologie, in: ders., Gottes Gegenwart in Israel. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments Bd. 1, Neukirchen-Vluyn 22004, 119–147. –: Stellvertretung. Alttestamentliche Studien zu einem theologischen Grundbegriff, SBS 165, Stuttgart 1997. Jastrow, M.: A Dictionary of the Targumim, the Talmud Babli and Yerushalmi, and the Midrashic Literature. With an Index of Scriptural Quotations, compiled by M. Jastrow, Vols. I–II, New York 1903 (Nachdruck beider Bände in einem, Israel ohne Jahreszahl). Jay, J.: The Problem of the Theater in Early Judaism, JSJ 44 (2013), 218–253. Jeremias, J.: Abba. Studien zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte, Göttingen 1966. –: Die Abendmahlsworte Jesu, Göttingen 41967. Jervell, J.: Die Apostelgeschichte, KEK III17, 1. Aufl. dieser Auslegung, Göttingen 1998 (= Apg). Jeska, J.: Die Geschichte Israels in der Sicht des Lukas. Apg 7,2b–53 und 13,17–25 im Kontext antik-jüdischer Summarien der Geschichte Israels, FRLANT 195, Göttingen 2001. Jewett, R.: Paulus-Chronologie. Ein Versuch, übers. aus dem Engl. von G. Köster, München 1982. Jipp, J. W.: Divine Visitations and Hospitality to Strangers in Luke-Acts. An Interpretation of the Malta Episode in Acts 28:1–10, NT.S 153, Leiden 2013. Johnson, L. T.: Brother of Jesus, Friend of God. Studies in the Letter of James, Grand Rapids (Mich.) / Cambridge (U. K.) 2004. Jones, F. S.: An Ancient Jewish Christian Source on the History of Christianity. PseudoClementine Recognitions 1.27–71, SBL.TT 37, SBL.CA 2, Atlanta 1995. –: Hegesippus as a Source for the History of Jewish Christianity, in: S. C. Mimouni (Hg.), Le judéo-christianisme dans tous ses états. Actes du colloque de Jérusalem 6–10 Juillet 1998, hg. in Zusammenarbeit mit F. S. Jones, LeDiv Hors-série, Paris 2001, 201–212. –: The Syriac Pseudo-Clementines. An Early Version of the First Christian Novel, transl. into English, Apocryphes 14, Turnhout 2014. Jonge, H. J. de: The Chronology of the Ascension Stories in Luke and Acts, NTS 59 (2013), 151–171. Joosten, J.: The Samareitikon and the Samaritan Tradition, in: W. Kraus / S. Kreuzer in Verbindung mit M. Meiser / M. Sigismund (Hgg.), Die Septuaginta – Text, Wirkung, Rezeption. 4. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D) (Wuppertal, 19.–22. Juli 2012), WUNT 325, Tübingen 2014, 346–359. –: Septuagint and ›Samareitikon‹, in: C. Werman (Hg.), From Author to Copyist. Essays on the Composition, Redaction, and Transmission of the Hebrew Bible in Honor of Zipi Talshir, Winona Lake (Ind.) 2015, 1–15.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
643
Jossa, G. Jews or Christians? The Followers of Jesus in Search of Their Own Identity, transl. from the Italian by M. Rogers, WUNT 202, Tübingen 2006. Kallai, Z.: The Patriarchal Boundaries, Canaan and Land of Israel. Patterns and Application in Biblical Historiography, IEJ 47 (1997), 69–82. Kasser, R. / Luisier, P.: Le Papyrus Bodmer XLI en Édition princeps. L’épisode d’Éphèse des »Acta Pauli« en copte et en traduction, Muséon 117 (2004), 281–384. Kauppi, L. A.: Foreign but Familiar Gods. Greco-Romans Read Religion in Acts, LNTS 277, London / New York 2006. Kawerau, P. (Hg.): Die Chronik von Arbela, hg. und übers., CSCO.S 200 = 468, Leuven 1985. Keel, O. / Küchler, M.: Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und StudienReiseführer zum Heiligen Land, Bd. 2: Der Süden, Zürich u. a. 1982. Keener, C. S.: Acts. An Exegetical Commentary, Vol. I: Introduction and 1:1–2:47, Grand Rapids (Mich.) 2012; Vol. II: 3:1–14:28, Grand Rapids (Mich.) 2013; Vol. III: 15:1–23:35, Grand Rapids (Mich.) 2014. –: The Historical Jesus of the Gospels, Grand Rapids (Mich.) / Cambridge (U. K.) 2009. Kelhoffer, J. A.: Miracle and Mission. The Authentication of Missionaries and Their Message in the Longer Ending of Mark, WUNT II/112, Tübingen 2000. –: Persecution, Persuasion and Power. Readiness to Withstand Hardship as a Corroboration of Legitimacy in the New Testament, WUNT 270, Tübingen 2010. –: The Relevance of Revelation’s Date and the Imperial Cult for John’s Appraisal of the Value of Christians’ Suffering in Revelation 1–3, in: J. Frey / ders. / F. Tóth (Hgg.), Die Johannesapokalypse. Kontexte – Konzepte – Rezeption, WUNT 287, Tübingen 2012, 553–585. Kelley, N.: Knowledge and Religious Authority in the Pseudo-Clementines. Situating the »Recognitiones« in Fourth Century Syria, WUNT II/213, Tübingen 2006. Kemler, H.: Der Herrenbruder Jakobus bei Hegesipp und in der frühchristlichen Literatur, Teildruck einer überarbeiteten Dissertation, Göttingen 1966. Kierspel, L.: The Jews and the World in the Fourth Gospel. Parallelism, Function, and Context, WUNT II/220, Tübingen 2006. Kippenberg, H. G.: Garizim und Synagoge. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur samaritanischen Religion der aramäischen Periode, RVV 30, Berlin / New York 1971. –: Die Synagoge (1971), in: F. Dexinger / R. Pummer (Hgg.), Die Samaritaner, WdF 604, Darmstadt 1992, 331–360. Klaiber, W.: Der Galaterbrief, Die Botschaft des Neuen Testaments, Neukirchen-Vluyn 2013. Klauck, H.-J.: Apokryphe Apostelakten. Eine Einführung, Stuttgart 2005. –: Die apokryphe Bibel. Ein anderer Zugang zum frühen Christentum, Tria Corda 4, Tübingen 2008. –: Apokryphe Evangelien. Eine Einführung, Stuttgart 2002. –: Mit Engelszungen? Vom Charisma der verständlichen Rede in 1 Kor 14, ZThK 97 (2000), 276–299 = ders., Religion (s. u.), 145–167. –: Gütergemeinschaft in der klassischen Antike, in Qumran und im Neuen Testament, RdQ 11 (1982), 47–79 = ders., Gemeinde – Amt – Sakrament. Neutestamentliche Perspektiven, Würzburg 1989, 69–100. –: Hausgemeinde und Hauskirche im frühen Christentum, SBS 103, Stuttgart 1981.
644
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: Von Kassandra bis zur Gnosis. Im Umfeld der frühchristlichen Glossolalie, ThQ 179 (1999), 289–312 = ders., Religion (s. u.), 119–144. –: Magie und Heidentum in der Apostelgeschichte des Lukas, SBS 167, Stuttgart 1996. –: Religion und Gesellschaft im frühen Christentum. Neutestamentliche Studien, WUNT 152, Tübingen 2003. –: Simon Petrus und Simon Magus. Ihr Zweikampf in den Pseudoclementinen, in: ders., Apokryphe Bibel (s. o.), 229–266. –: Des Kaisers schöne Stimme. Herrscherkritik in Apg 12,20–23, in: ders., Religion (s. o.), 251–267. Klijn, A. F. J.: Die syrische Baruch-Apokalypse, JSHRZ V/2, Gütersloh 1976, 107–191. Kloppenborg, J. S.: The Tenants in the Vineyard. Ideology, Economics, and Agrarian Conflict in Jewish Palestine, WUNT 195, Tübingen 2006. –: Dating Theodotos (CIJ II 1404), JJS 51 (2000), 243–280. Knauf, E. A.: Die Arabienreise des Apostels Paulus, in: M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus zwischen Damaskus und Antiochien. Die unbekannten Jahre des Apostels, WUNT 108, Tübingen 1998, 465–471. Knopf, R.: Das nachapostolische Zeitalter. Geschichte der christlichen Gemeinden vom Beginn der Flavierdynastie bis zum Ende Hadrians, Tübingen 1905. Koch, D.-A.: Geschichte des Urchristentums. Ein Lehrbuch, Göttingen 22014. –: Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus, BHTh 69, Tübingen 1986. Koetschau, P.: Des Origenes acht Bücher gegen Celsus, Teil 1: Buch I–IV, BKV 52, München 1926; Teil 2: Buch V–VIII, BKV 53, München 1927. Kolb, F.: Antiochia in der frühen Kaiserzeit, in: H. Cancik (Hg.), Geschichte – Tradition – Reflexion. Festschrift für Martin Hengel zum 70. Geburtstag, Bd. II: Griechische und römische Religion, Tübingen 1996, 97–118. Konradt, M.: Die Ausrichtung der Mission im Matthäusevangelium und die Entwicklung zur universalen Kirche. Überlegungen zum Standort des Matthäusevangeliums in der Entwicklung des Christentums, in: C. K. Rothschild / J. Schröter (Hgg.), The Rise and Expansion of Christianity in the First Three Centuries of the Common Era, WUNT 301, Tübingen 2013, 143–164. –: Zur Datierung des sogenannten antiochenischen Zwischenfalls, ZNW 102 (2011), 19–39. –: Christliche Existenz nach dem Jakobusbrief. Eine Studie zu seiner soteriologischen und ethischen Konzeption, StUNT 22, Göttingen 1998. –: »Jakobus, der Gerechte«. Erwägungen zur Verfasserfiktion des Jakobusbriefes, in: J. Frey u. a. (Hgg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen. Pseudepigraphy and Author Fiction in Early Christian Letters, WUNT 246, Tübingen 2009, 575–597. –: Der Jakobusbrief als Brief des Jakobus. Erwägungen zum historischen Kontext des Jakobusbriefes im Lichte der traditionsgeschichtlichen Beziehungen zum 1. Petrusbrief und zum Hintergrund der Autorfiktion, in: P. v. Gemünden / ders. / G. Theißen (Hgg.), Der Jakobusbrief. Beiträge zur Rehabilitierung der »strohernen Epistel«, Beiträge zum Verstehen der Bibel 3, Münster 2003, 16–53. Kooten, G. H. van: Ἐκκλησία τοῦ θεοῦ. The »Church of God« and the Civic Assemblies (ἐκκλησίαι) of the Greek Cities in the Roman Empire. A Response to Paul Trebilco and Richard A. Horsley, NTS 58 (2012), 522–548.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
645
Körtner, U. H. J. / Leutzsch, M. (Hgg.): Papiasfragmente. Hirt des Hermas, SUC 3, Darmstadt 1998. Kraft, H.: Clavis patrum apostolicorum. Catalogum vocum in libris patrum qui dicuntur apostolici non raro occurrentium, unter Mitarbeit von U. Früchtel, Darmstadt 1963. Kraus, W.: Die hermeneutische Relevanz der Septuaginta für eine Biblische Theologie, in: ders. / S. Kreuzer in Verbindung mit M. Meiser / M. Sigismund (Hgg.), Die Septuaginta – Text, Wirkung, Rezeption. 4. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D) (Wuppertal, 19.–22. Juli 2012), WUNT 325, Tübingen 2014, 3–25. –: Der Tod Jesu als Heiligtumsweihe. Eine Untersuchung zum Umfeld der Sühnevorstellung in Römer 3,25–26a, WMANT 66, Neukirchen-Vluyn 1991. –: Das Volk Gottes. Zur Grundlegung der Ekklesiologie bei Paulus, WUNT 85, Tübingen 1996. –: Zwischen Jerusalem und Antiochia. Die »Hellenisten«, Paulus und die Aufnahme der Heiden in das endzeitliche Gottesvolk, SBS 179, Stuttgart 1999. Kraus, W. / Karrer, M. (Hgg.): Die Septuaginta – Texte, Theologien, Einflüsse. 2. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D) (Wuppertal, 23.–27. Juli 2008), hg. unter Mitarbeit von M. Meiser, WUNT 252, Tübingen 2010. – (Hgg.): Septuaginta deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung, Stuttgart 2009 (= LXX.D). Krauter, S.: The Martyrdom of Stephen, in: J. Engberg / U. H. Eriksen / A. K. Petersen (Hgg.), Contextualising Early Christian Martyrdom, Early Christianity in the Context of Antiquity 8, Frankfurt a. M. 2011, 46–74. –: Studien zu Röm 13,1–7. Paulus und der politische Diskurs der neronischen Zeit, WUNT 243, Tübingen 2009. Kremer, J.: Pfingstbericht und Pfingstgeschehen. Eine exegetische Untersuchung zu Apg 2,1–13, SBS 63/64, Stuttgart 1973. Küchler, M.: Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt, OLB 4/2, Göttingen 2007. Kuhn, H.-W.: The Qumran Meal and the Lord’s Supper in Paul in the Context of the Graeco-Roman World, in: A. Christophersen u. a. (Hgg.), Paul, Luke and the GraecoRoman World. Essays in Honour of A. J. M. Wedderburn, JSNT.S 217, London / New York 2002, 221–248. Kümmel, W. G.: Einleitung in das Neue Testament, Heidelberg 211983. Labbé, G.: L’affirmation de la puissance romaine en Judée (63 a. C.–136 p. C.), CEA 74, Paris 2012. Lake, K.: The Beginnings of Christianity, Part 1: The Acts of the Apostles, Vol. 5: Additional Notes to the Commentary, London 1933. Lampe, G. W. H. (Hg.): A Patristic Greek Lexicon, Oxford 91989. Lampe, P.: Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten. Untersuchungen zur Sozialgeschichte, WUNT II/18, Tübingen 21989. –: Early Christians in the City of Rome. Topographical and Social Historical Aspects of the First Three Centuries, in: J. Zangenberg / M. Labahn (Hgg.), Christians as a Religious Minority in a Multicultural City. Modes of Interaction and Identity Formation in Early Imperial Rome. Studies on the Basis of a Seminar at the Second Conference of the European Association for Biblical Studies (EABS) (July 8–12, 2001), JSNT.S 243, London 2004, 20–32.
646
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: Roman Christians under Nero (54–68 CE), in: A. Puig i Tàrrech / J. M. G. Barclay / J. Frey (Hgg.), The Last Years of Paul. Essays from the Tarragona Conference, June 2013, WUNT 352, Tübingen 2015, 111–129. Landmesser, C.: Jüngerberufung und Zuwendung zu Gott. Ein exegetischer Beitrag zum Konzept der matthäischen Soteriologie im Anschluß an Mt 9,9–13, WUNT 133, Tübingen 2001. Lang, F.: Abendmahl und Bundesgedanke im Neuen Testament, EvTh 35 (1975), 524–538. –: Die Briefe an die Korinther, 2. Aufl. der Neubearbeitung, NTD 7, Göttingen / Zürich 171994. Lange, A.: Weisheit und Prädestination. Weisheitliche Urordnung und Prädestination in den Textfunden von Qumran, StTDJ 18, Leiden / New York / Köln 1995. Langer, R.: Cursing the Christians? A History of the Birkat HaMinim, Oxford 2012. Lederman, Y.: Les évêques juifs de Jérusalem, RB 104 (1997), 211–222. Lefkowitz, M. R.: The Lives of the Greek Poets, London 1981. Légasse, S.: Paul’s Pre-Christian Career according to Acts, in: R. Bauckham (Hg.), The Book of Acts in Its First Century Setting, Vol. 4: The Book of Acts in Its Palestinian Setting, Grand Rapids (Mich.) 1995, 365–390. Lehnardt, A.: Taʿaniyot. Fasten, ÜTY II/9, Tübingen 2008. Leith, D. / Parker, D. C. / Pickering, S. R. u. a. (Hgg.): The Oxyrhynchus Papyri, Vol. LXXIV, ed. with Translations and Notes, PEES.GR 95, London 2009, 1–45. Leloir, L.: Éphrem de Nisibe. Commentaire de l’évangile concordant ou Diatessaron. Traduction du syriaque et de l’arménien. Introduction, traduction et notes, SC 121, Paris 1966. Leon, H. J.: The Jews of Ancient Rome, The Morris Loeb Series, Philadelphia 1960. Leonhardt, J.: Jewish Worship in Philo of Alexandria, TSAJ 84, Tübingen 2001. Levine, L. I.: The Ancient Synagogue. The First Thousand Years, New Haven / London 2000. –: The Historicity of Yavnean Traditions. The Case of Jewish Liturgy, in: J. Schwartz / P. J. Tomson (Hgg.), Jews and Christians in the First and Second Centuries. The Interbellum 70–132 CE, CRI 15, Leiden 2017, 265–275. Levinskaya, I.: Antioch, in: dies., The Book of Acts in Its First Century Setting, Vol. 5: The Book of Acts in Its Diaspora Setting, Grand Rapids (Mich.) / Carlisle 1996, 127–135. –: The Italian Cohort in Acts 10:1, in: P. J. Williams / A. D. Clarke / P. M. Head / D. InstoneBrewer (Hgg.), The New Testament in Its First Century Setting. Essays on Context and Background in Honour of B. W. Winter on His 65th Birthday, Grand Rapids (Mich.) / Cambridge (U. K.) 2004, 106–125. Lichtenberger, H.: Die Apokalypse, ThKNT 23, Stuttgart 2014. –: Das Ich Adams und das Ich der Menschheit. Studien zum Menschenbild in Römer 7, WUNT 164, Tübingen 2004. –: Josephus und Paulus in Rom. Juden und Christen in Rom zur Zeit Neros, in: ders. / D.-A. Koch (Hgg.), Begegnungen zwischen Christentum und Judentum in Antike und Mittelalter. Festschrift für Heinz Schreckenberg, unter Mitarbeit von K. und Th. Lehnardt, SIJD 1, Göttingen 1993, 245–261.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
647
Lietzmann, H.: Geschichte der Alten Kirche, mit einem Vorwort von C. Markschies, De-Gruyter-Studienbuch, 4./5. Aufl. in einem Band. Paperbackausgabe in einem Band, Berlin / New York 1999. –: Kleine Schriften, Bd. III: Studien zur Liturgie‑ und Symbolgeschichte, zur Wissenschaftsgeschichte, TU 74, Berlin 1962. –: Messe und Herrenmahl. Eine Studie zur Geschichte der Liturgie, AKG 8, Berlin 31955. Lindemann, A.: Der »äthiopische Eunuch« und die Anfänge der Mission unter den Völkern nach Apg 8–11, in: ders., Die Evangelien und die Apostelgeschichte. Studien zu ihrer Theologie und zu ihrer Geschichte, WUNT 241, Tübingen 2009, 231–251. Lindemann, A. / Paulsen, H. (Hgg.): Die apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe auf der Grundlage der Ausgaben von Franz Xaver Funk, Karl Bihlmeyer und Molly Whittaker, mit Übersetzungen von M. Dibelius und D.-A. Koch, Tübingen 1992 (= Lindemann / Paulsen). Linton, O.: Das Problem der Urkirche in der neueren Forschung. Eine kritische Darstellung, Uppsala 1932. Littman, R. L.: Tobit. The Book of Tobit in Codex Sinaiticus, Septuagint Commentary Series, Leiden / Boston 2008. Lohmeyer, E.: Das Abendmahl in der Urgemeinde, JBL 56 (1937), 217–252. –: Galiläa und Jerusalem, FRLANT 52/NF 34, Göttingen 1936. –: Vom urchristlichen Abendmahl, ThR NF 9 (1937), 168–227.237–312; 10 (1938), 81–99. Löhr, H.: What Can We Know about the Beginnings of Christian Hymnody?, in: C. Leonhard / ders. (Hgg.), Literature or Liturgy? Early Christian Hymns and Prayers in Their Literary and Liturgical Context in Antiquity, WUNT II/363, Tübingen 2014, 157–174. –: Studien zum frühchristlichen und frühjüdischen Gebet. Untersuchungen zu 1 Clem 59 bis 61 in seinem literarischen, historischen und theologischen Kontext, WUNT 160, Tübingen 2003. –: Speisenfrage und Tora im Judentum des Zweiten Tempels und im entstehenden Christentum, ZNW 94 (2003), 17–37. –: »Binitarian Worship«? Zur impliziten Theologie des frühchristlichen Gottesdienstes. Dargestellt an Justin, 1 Apol. 61–67, in: J. Frey / C. Breytenbach (Hgg.), Reflections on the Early Christian History of Religion. Erwägungen zur frühchristlichen Religionsgeschichte, AJEC 81, Leiden / Boston 2013, 211–229. Löhr, W. A.: Basilides und seine Schule. Eine Studie zur Theologie‑ und Kirchengeschichte des zweiten Jahrhunderts, WUNT 83, Tübingen 1996. –: Christliche ›Gnostiker‹ in Alexandria im zweiten Jahrhundert, in: T. Georges / F. Albrecht / R. Feldmeier (Hgg.), Alexandria, hg. unter Mitarbeit von M. Kaden und C. Martsch, Civitatum Orbis Mediterranei Studia 1, Tübingen 2013, 413–433. Lorenzen, S.: Das paulinische Eikon-Konzept. Semantische Analysen zur Sapientia Salomonis, zu Philo und den Paulusbriefen, WUNT II/250, Tübingen 2008. Lösch, S.: Deitas Jesu und antike Apotheose. Ein Beitrag zur Exegese und Religionsgeschichte, Rottenburg a. N. 1933. Lüdemann, G.: Untersuchungen zur simonianischen Gnosis, GTA 1, Göttingen 1975. –: Paulus, der Heidenapostel, Bd. 1: Studien zur Chronologie, FRLANT 123, Göttingen 1980. Luomanen, P.: Recovering Jewish-Christian Sects and Gospels, SVigChr 110, Leiden / Boston 2012.
648
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
Luomanen, P. / Pyysiäinen, I. / Uro, R. (Hgg.): Explaining Christian Origins and Early Judaism. Contributions from Cognitive and Social Science, BibIntS 89, Leiden / Boston 2007. Luz, U.: Das Evangelium nach Matthäus, EKK I/1–4, Neukirchen-Vluyn u. a. 52002, 1990, 1997, 2002 (= Mt). Macdonald, J.: Memar Marqah. The Teaching of Marqah, Vols. I–II, BZAW 84, Berlin 1963. Mach, R.: Der Zaddik in Talmud und Midrasch, Leiden 1957. Magda, K.: Paul’s Territoriality and Mission Strategy. Searching for the Geographical Awareness Paradigm behind Romans, WUNT II/266, Tübingen 2009. Magness, J.: Stone and Dung, Oil and Spit. Jewish Daily Life in the Time of Jesus, Grand Rapids (Mich.) / Cambridge (U. K.) 2011. Maier, J.: Jesus von Nazareth in der talmudischen Überlieferung, EdF 82, Darmstadt 1978. –: Jüdische Auseinandersetzung mit dem Christentum in der Antike, EdF 177, Darmstadt 1982. Maier, P. L.: Luke as Hellenistic Historian, in: S. E. Porter / A. W. Pitts (Hgg.), Christian Origins and Greco-Roman Culture. Social and Literary Contexts for the New Testament, Early Christianity in Its Hellenistic Context 1, Texts and Editions for New Testament Study 9, Leiden 2013, 413–434. Mallampati, H. B. / Demirer, Ü.: Architecture, Entertainment, and Civic Life. The Theater at Pisidian Antioch, in: E. K. Gazda / D. Y. Ng (Hgg.), Building a New Rome. The Imperial Colony of Pisidian Antioch (25 BC–AD 700), hg. in Zusammenarbeit mit Ü. Demirer, Kelsey Museum Publication 5, Ann Arbor (Mich.) 2011, 61–84. Manns, F.: La liste des premiers évêques de Jérusalem, in: F. Blanchetière / M. D. Herr (Hgg.), Aux origines juives du christianisme, Cahiers du Centre de recherche français de Jérusalem. Série Hommes et sociétés, Jerusalem 1993, 133–158. Marcovich, M.: Iustini Martyris Dialogus cum Tryphone, PTS 47, Berlin / New York 1997. Marcus, J.: »Birkat Ha-Minim« Revisited, NTS 55 (2009), 523–551. –: »The Twelve Tribes in the Diaspora« (James 1.1), NTS 60 (2014), 433–447. Marguerat, D.: La première histoire du christianisme (Les actes des apôtres), LeDiv 180, Paris 1999. –: Lukas, der erste christliche Historiker. Eine Studie zur Apostelgeschichte, übers. aus dem Französischen von E. Mainberger-Ruh, AThANT 92, Zürich 2011. –: Paul in Acts and Paul in His Letters, WUNT 310, Tübingen 2013. Markschies, C.: Stadt und Land. Beobachtungen zu Ausbreitung und Inkulturation des Christentums in Palästina, in: H. Cancik / J. Rüpke (Hgg.), Römische Reichsreligion und Provinzialreligion, Tübingen 1997, 265–298. –: Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolegomena zu einer Geschichte der antiken christlichen Theologie, Tübingen 2007. –: Valentinus Gnosticus? Untersuchungen zur valentinianischen Gnosis mit einem Kommentar zu den Fragmenten Valentins, WUNT 65, Tübingen 1992. –: Zwischen den Welten wandern. Strukturen des antiken Christentums, Europäische Geschichte, Frankfurt a. M. 1997. Markschies, C. / Schröter, J. (Hgg.): Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, hg. in Verbindung mit A. Heiser, 7. Aufl. der von E. Hennecke begrün-
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
649
deten und von W. Schneemelcher fortgeführten Sammlung der neutestamentlichen Apokryphen, I. Band: Evangelien und Verwandtes, 2 Teilbände, Tübingen 2012 (= AcA I/1–2). Martinet, H.: C. Suetonius Tranquillus. Die Kaiserviten. De Vita Caesarum. Berühmte Männer. De Viris Illustribus. Lateinisch-deutsch, hg. und übers., Sammlung Tusculum, Berlin / Boston 42014. Mason, S.: Flavius Josephus und das Neue Testament, übers. aus dem Amerikanischen von M. Vogel, UTB 2130, Tübingen / Basel 2000. –: Josephus. Translation and Commentary, Vol. 9: Life of Josephus, Leiden 2001. –: Understanding Josephus. Seven Perspectives, JSPE.S 32, Sheffield 1998. Matthews, C. R.: Philip. Apostle and Evangelist. Configurations of a Tradition, NT.S 105, Leiden u. a. 2002. Matthews, S.: Perfect Martyr. The Stoning of Stephen and the Construction of Christian Identity, Oxford 2010. Matusova, E.: The Meaning of the Letter of Aristeas. In Light of Biblical Interpretation and Grammatical Tradition, and with Reference to Its Historical Context, FRLANT 260, Göttingen 2015. McLaren, J. S.: Ananus, James, and Earliest Christianity. Josephus’ Account of the Death of James, JThS 52 (2001), 1–25. Meerson, M. / Schäfer, P.: Toledot Yeshu. The Life Story of Jesus. Two Volumes and Database, hg. und übers. unter Mitarbeit von Y. Deutsch, D. Grossberg, A. Manekin und A. Yoffie, Vol. I: Introduction and Translation; Vol. II: Critical Edition, TSAJ 159/1–2, Tübingen 2014. Meier, J. P.: A Marginal Jew. Rethinking the Historical Jesus, Vol. III: Companions and Competitors, ABRL, New York 2001. Meinhold, A.: Maleachi, BK 14/8, Neukirchen-Vluyn 2006. Meisner, N.: Aristeasbrief, JSHRZ II/2, Gütersloh 21977, 37–85. Merkel, H.: Das geheime Markusevangelium, in: AcA I/1, 390–399. –: Sibyllinen, JSHRZ V/8, Gütersloh 1998, 1043–1140. Merklein, H.: Der Erste Brief an die Korinther, Teil 2: Kap. 5,1–11,1, ÖTBK 7/2, Gütersloh 2000 (= Kor). Merz, A. / Tielemann, T. (Hgg.): The Letter of Mara bar Sarapion in Context. Proceedings of the Symposium Held at Utrecht University (10–12 December 2009), Culture and History of the Ancient Near East 58, Leiden 2012. Metzner, R.: Die Prominenten im Neuen Testament. Ein prosopographischer Kommentar, NTOA / StUNT 66, Göttingen 2008. Meyer, A.: Das Rätsel des Jacobusbriefes, BZNW 10, Gießen 1930. Meyer, E.: Ursprung und Anfänge des Christentums, Bd. 3: Die Apostelgeschichte und die Anfänge des Christentums, Stuttgart / Berlin 1923 (Nachdruck Darmstadt 1962). Meyer, M.: Die Stadtgöttin von Caesarea Maritima. ›Romanitas‹ im Bild, in: A. Lykke / F. T. Schipper (Hgg.), Kult und Macht. Religion und Herrschaft im syropalästinischen Raum. Studien zu ihrer Wechselbeziehung in hellenistisch-römischer Zeit, WUNT II/319, Tübingen 2011, 159–194. Michel, O. / Bauernfeind, O.: Flavius Josephus. De bello judaico, hg. und mit einer Einleitung sowie mit Anmerkungen versehen, Bd. I: Buch 1–3, München 31982; Bd. II/1: Buch 4–5, München 1963; Bd. II/2: Buch 6–7, München 1969; Bd. III: Ergänzungen und Register, München 1969.
650
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
Millar, F.: The Roman Near East. 31 BC–AD 337, Cambridge (Mass.) / London 1993. Miller, T. A.: Liturgy and Communal Identity. »Hellenistic Synagogal Prayer 5« and the Character of Early Syrian Christianity, in: D. B. Capes / A. D. DeConick / H. K. Bond / ders. (Hgg.), Israel’s God and Rebecca’s Children. Christology and Community in Early Judaism and Christianity. Essays in Honor of Larry W. Hurtado and Alan F. Segal, Waco (Tex.) 2007, 345–358. Mimouni, S. C.: Early Judaeo-Christianity. Historical Essays, übers. von R. Fréchet, Leuven / Walpole (Mass.) 2012. –: Le judéo-christianisme ancien. Essais historiques. Préface par A. Caquot, Patrimoines, Paris 1998. –: Le mouvement de Jésus dans le judaïsme (30–135), in: ders. / P. Maraval, Le christianisme des origines à Constantin, Nouvelle Clio, Paris 2006, 155–309. Mimouni, S. C. / Maraval, P.: Le christianisme des origines à Constantin, Nouvelle Clio, Paris 2006. Mineshige, K.: Besitzverzicht und Almosen bei Lukas. Wesen und Forderung des lukanischen Vermögensethos, WUNT II/163, Tübingen 2003. Mitchell, S.: Anatolia. Land, Men, and Gods in Asia Minor, Vol. I: The Celts in Anatolia and the Impact of Roman Rule; Vol. II: The Rise of the Church, Oxford 1993. Mitchell, S. / Waelkens, M.: Pisidian Antioch. The Site and Its Monuments, London 1998. Mittmann, S. / Schmitt, G. (Hgg.): Tübinger Bibelatlas. Auf der Grundlage des Tübinger Atlas des Vorderen Orients (TAVO), Stuttgart 2001. Mittmann-Richert, U.: Erinnerung und Heilserkenntnis im Lukasevangelium. Ein Beitrag zum neutestamentlichen Verständnis des Abendmahls, in: L. T. Stuckenbruck / S. C. Barton / B. G. Wold (Hgg.), Memory in the Bible and Antiquity. The Fifth Durham-Tübingen Research Symposium (Durham, September, 2004), WUNT 212, Tübingen 2007, 243–276. –: Magnifikat und Benediktus. Die ältesten Zeugnisse der judenchristlichen Tradition von der Geburt des Messias, WUNT II/90, Tübingen 1996. –: Der Sühnetod des Gottesknechtes. Jesaja 53 im Lukasevangelium, WUNT 220, Tübingen 2008. –: Thesen zur offenbarungsgeschichtlichen Grundlegung der Christologie, in: J. Frey / S. Krauter / H. Lichtenberger (Hgg.), Heil und Geschichte. Die Geschichtsbezogenheit des Heils und das Problem der Heilsgeschichte in der biblischen Tradition und in der theologischen Deutung, WUNT 248, Tübingen 2009, 307–331. Mizrahi, N.: Earthly Liturgy and Celestical Music. The Poetics of the Cycle of Praises of the Sixth Sabbath Song, in: J. Frey / M. R. Jost (Hgg.), Gottesdienst und Engel im antiken Judentum und frühen Christentum, WUNT II/446, Tübingen 2017, 119–139. Moffitt, D. M.: Atonement at the Right Hand. The Sacrifical Significance of Jesus’ Exaltation in Acts, NTS 62 (2016), 549–568. Morgenthaler, R.: Statistik des neutestamentlichen Wortschatzes, Zürich 41982. Moule, C. F. D.: Once More: Who Were the Hellenists?, ET 70 (1959), 100–102. Mras, K.: Die Hauptwerke des Lukian. Griechisch und Deutsch, hg. und übers., TuscBü, München 21980. Müller, C. D. G.: Die Epistula Apostolorum, in: AcA I/2, 1062–1092. Müller, C. G.: Frühchristliche Ehepaare und paulinische Mission, SBS 215, Stuttgart 2008.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
651
Müller, U. B.: Auferweckt und erhöht. Zur Genese des Osterglaubens, NTS 54 (2008), 201–220. Musurillo, H.: The Acts of the Christian Martyrs, OECT, Oxford 1979. Mutschler, B.: Die Verspottung des Königs der Juden. Jesu Verspottung in Jerusalem unter dem Blickwinkel einer parodierten Königsaudienz, BThSt 101, NeukirchenVluyn 2008. Neef, H.-D.: Aspekte alttestamentlicher Bundestheologie, in F. Avemarie / H. Lichtenberger (Hgg.), Bund und Tora. Zur theologischen Begriffsgeschichte in alttestamentlicher, frühjüdischer und urchristlicher Tradition, WUNT 92, Tübingen 1996, 1–23. Nestle, E.: Legenden vom Tod der Gottesverächter, ARW 33 (1936), 246–269. Nestle, E. / Aland, K.: Novum Testamentum Graece, post E. et E. Nestle editione vicesima septima revisa communiter ediderunt B. et K. Aland, J. Karavidopoulos, C. M. Martini, B. M. Metzger, Apparatum criticum novis curis elaboraverunt B. et K. Aland una cum Instituto Studiorum Textus Novi Testamenti Monasterii Westphaliae, Stuttgart 272001 (= Nestle / Aland). –: Novum Testamentum Graece, begründet von E. und E. Nestle, hg. von B. und K. Aland, J. Karavidopoulos, C. M. Martini, B. M. Metzger, 28. revidierte Aufl., hg. vom Institut für Neutestamentliche Textforschung Münster / Westfalen unter der Leitung von Holger Strutwolf, Stuttgart 282012 (= Nestle / Aland28). Neudorfer, H.-W.: Der Stephanuskreis in der Forschungsgeschichte seit F. C. Baur, TVGMS 309, Gießen / Basel 1983. Newsom, C.: »Sectually Explicit« Literature from Qumran, in: W. H. Propp / B. Halpern / D. N. Freedman (Hgg.), The Hebrew Bible and Its Interpreters, Biblical and Judaic Studies from the University of California, San Diego 1, Winona Lake 1990, 167–187. –: Shirot ʿOlat HaShabbat, in: E. Eshel u. a. (Hgg.), Qumran Cave 4, Vol. VI/1: Poetical and Liturgical Texts, DJD 11, Oxford 1998, 173–401. Nicklas, T.: Jews and Christians? Second Century ›Christian‹ Perspectives on the ›Parting of the Ways‹ (Annual Deichmann Lectures 2013), Tübingen 2014. –: Paulus – der Apostel als Prophet, in: J. Verheyden / K. Zamfir / ders. (Hgg.), Prophets and Prophecy in Jewish and Early Christian Literature. International Conference on »Prophets and Prophecy in the Old and the New Testament« Held in October 2006 and Organized by the Centre for Biblical Studies of the Babeş-Bolyai University Cluj, WUNT II/286, Tübingen 2010, 77–104. Niebuhr, K.-W.: Ethik und Anthropologie nach dem Jakobusbrief. Eine Skizze, in: F. W. Horn / R. Zimmermann (Hgg.), Jenseits von Indikativ und Imperativ. Kontexte und Normen neutestamentlicher Ethik / Contexts and Norms of New Testament Ethics, Bd. 1, WUNT 238, Tübingen 2009, 329–346. –: Gerechtigkeit und Rechtfertigung bei Matthäus und Jakobus. Eine Herausforderung für gegenwärtige lutherische Hermeneutik in globalen Kontexten, ThLZ 140 (2015), 1329–1348. –: Glaube im Stresstest. Πίστις im Jakobusbrief, in: J. Frey / B. Schließer / N. Ueberschaer (Hgg.), Glaube. Das Verständnis des Glaubens im frühen Christentum und in seiner jüdischen und hellenistisch-römischen Umwelt, hg. unter Mitarbeit von K. Hager, WUNT 373, Tübingen 2017, 473–501. –: Heidenapostel aus Israel. Die jüdische Identität des Paulus nach ihrer Darstellung in seinen Briefen, WUNT 62, Tübingen 1992.
652
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: Jakobus und Paulus über das Innere des Menschen und den Ursprung seiner ethischen Entscheidungen, NTS 62 (2016), 1–30. –: Der Jakobusbrief im Licht frühjüdischer Diasporabriefe, NTS 44 (1998), 420–443. –: A New Perspective on James? Neuere Forschungen zum Jakobusbrief, ThLZ 129 (2004), 1019–1044. –: Tora ohne Tempel. Paulus und der Jakobusbrief im Zusammenhang frühjüdischer Torarezeption für die Diaspora, in: B. Ego / A. Lange / P. Pilhofer (Hgg.), Gemeinde ohne Tempel / Community without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, hg. unter Mitarbeit von K. Ehlers, WUNT 118, Tübingen 1999, 427–460. Niederwimmer, K.: Die Didache, KAV 1, Göttingen 21993. Niehoff, M. R.: Jüdische Bibelinterpretation zwischen Homerforschung und Christentum, in: T. Georges / F. Albrecht / R. Feldmeier (Hgg.), Alexandria, hg. unter Mitarbeit von M. Kaden und C. Martsch, Civitatum Orbis Mediterranei Studia 1, Tübingen 2013, 341–360. Nienhuis, D. R:. Not By Paul Alone. The Formation of the Catholic Epistle Collection and the Christian Canon, Waco (Tex.) 2007. Nienhuis, D. R. / Wall, R. W.: Reading the Epistles of James, Peter, John and Jude as Scripture. The Shaping and Shape of a Canonical Collection, Grand Rapids (Mich.) / Cambridge (U. K.) 2013. Nissen, A.: Gott und der Nächste im antiken Judentum. Untersuchungen zum Doppelgebot der Liebe, WUNT 15, Tübingen 1974. Noack, B.: The Day of Pentecost in Jubilees, Qumran and Acts, ASTI 1 (1962), 73–95. Nock, A. D.: Conversion. The Old and the New in Religion from Alexander the Great to Augustine of Hippo, Oxford 1933. Noy, D.: Jewish Inscriptions of Western Europe, Vol. I: Italy (excluding the City of Rome), Spain and Gaul, Cambridge (U. K.) 1993; Vol. II: The City of Rome, Cambridge (U. K.) 1995. Ogereau, J. M.: The Jerusalem Collection as Κοινωνία. Paul’s Global Politics of SocioEconomic Equality and Solidarity, NTS 58 (2012), 360–378. –: Paul’s Koinonia with the Philippians. A Socio-Historical Investigation of a Pauline Economic Partnership, WUNT II/377, Tübingen 2014. Öhler, M. (Hg.): Aposteldekret und antikes Vereinswesen. Gemeinschaft und ihre Ordnung, WUNT 280, Tübingen 2011. –: Barnabas. Die historische Person und ihre Rezeption in der Apostelgeschichte, WUNT 156, Tübingen 2003. –: Essen, Ethnos, Identität. Der antiochenische Zwischenfall (Gal 2,11–14), in: W. Weiß (Hg.), Der eine Gott und das gemeinschaftliche Mahl. Inklusion und Exklusion biblischer Vorstellungen von Mahl und Gemeinschaft im Kontext antiker Festkultur, BThSt 113, Neukirchen-Vluyn 22012, 158–199. –: Die Jerusalemer Urgemeinde im Spiegel des antiken Vereinswesens, NTS 51 (2005), 393–415. Oliver, I. W.: Simon Peter Meets Simon the Tanner. The Ritual Insignificance of Tanning in Ancient Judaism, NTS 59 (2013), 50–60. –: Torah Praxis after 70 CE. Reading Matthew and Luke-Acts as Jewish Texts, WUNT II/355, Tübingen 2013.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
653
Omerzu, H.: Tarsisches und römisches Bürgerrecht, in: F. W. Horn (Hg.), Paulus Handbuch, Tübingen 2013, 55–58. –: Der Prozeß des Paulus. Eine exegetische und rechtshistorische Untersuchung der Apostelgeschichte, BZNW 115, Berlin / New York 2002. Oppenheimer, A.: Die jüdische Bewohnerschaft Galiläas zur Zeit von Jawne und während des Bar-Kochba-Aufstands, in: ders., Between Rome and Babylon. Studies in Jewish Leadership and Society, hg. von N. Oppenheimer, TSAJ 108, Tübingen 2005, 225–242. –: Jewish Conscripts in the Roman Army?, in: ders., Between Rome and Babylon. Studies in Jewish Leadership and Society, hg. von N. Oppenheimer, TSAJ 108, Tübingen 2005, 183–191. –: Jewish Lydda in the Roman Era, in: ders., Between Rome and Babylon. Studies in Jewish Leadership and Society, hg. von N. Oppenheimer, TSAJ 108, Tübingen 2005, 47–65. Ostmeyer, K.: Kommunikation mit Gott und Christus. Sprache und Theologie des Gebets im Neuen Testament, WUNT 197, Tübingen 2006. Ottenheijm, E.: Matthew and Yavne. Religious Authority in the Making?, in: J. Schwartz / P. J. Tomson (Hgg.), Jews and Christians in the First and Second Centuries. The Interbellum 70–132 CE, CRI 15, Leiden 2017, 378–400. Overman, J. A.: The Destruction of the Temple and the Conformation of Judaism and Christianity, in: P. J. Tomson / J. Schwartz (Hgg.), Jews and Christians in the First and Second Centuries. How to Write Their History, CRI 13, Leiden / Boston 2014, 253–277. Painter, J.: Just James. The Brother of Jesus in History and Tradition, Columbia (S. C.) 1997. –: James and Peter. Models of Leadership and Mission, in: B. D. Chilton / C. A. Evans (Hgg.), The Missions of James, Peter, and Paul. Tensions in Early Christianity, NT.S 115, Leiden / Boston 2005, 143–209. –: What James Was, His More Famous Brother Was Also, in: A. J. Avery-Peck / C. A. Evans / J. Neusner (Hgg.), Earliest Christianity within the Boundaries of Judaism. Essays in Honor of Bruce Chilton, BRLJ 49, Leiden / Boston 2016, 218–237. Paschen, W.: Rein und Unrein. Untersuchung zur biblischen Wortgeschichte, StANT 24, München 1970. Patrich, J.: Studies in the Archaeology and History of Caesarea Maritima. Caput Judaeae, Metropolis Palaestinae, AJEC 77, Leiden 2011. Pearson, B. A.: A Q Community in Galilee?, NTS 50 (2004), 476–494. Pellegrini, S.: Das Protevangelium des Jakobus, in: AcA I/2, 903–929. Perkins, P.: Peter. Apostle for the Whole Church, Studies on Personalities of the New Testament, Edinburgh 2000 (= Erstveröffentlichung Columbia [S. C.] 1994). Perlitt, L.: Deuteronomium, BK 5/1, Neukirchen-Vluyn 1990–2013. Pervo, R. I.: Acts. A Commentary, hg. von H. W. Attridge, Hermeneia, Minneapolis 2009. Pesch, R.: Die Apostelgeschichte, Bd. 1: Apg 1–12, EKK V/1, Düsseldorf u. a. 32005; Bd. 2: Apg 13–28, EKK V/2, Zürich u. a. 1986 (= Apg). –: Simon-Petrus. Geschichte und geschichtliche Bedeutung des ersten Jüngers Jesu Christi, PuP 15, Stuttgart 1980. Petersen, A. K.: At the End of the Road. Reflections on a Popular Scholarly Metaphor, in: J. Ådna (Hg.), The Formation of the Early Church, WUNT 183, Tübingen 2005, 45–72.
654
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
Pfaff, H. M.: Die Entwicklung des Restgedankens in Jes 1–39, EHS.T 561, Frankfurt a. M. 1996. Pietersma, A.: The Apocryphon of Jannes and Jambres the Magicians. P. Chester Beatty XVI (with New Editions of Papyrus Vindobonensis Greek inv. 29456+29828 verso and British Library Cotton Tiberius B. v f. 87), edited with Introduction, Translation and Commentary, with Full Facsimile of All Three Texts, RGRW 119, Leiden / New York / Köln 1994. Pilhofer, P.: Antiochien und Philippi. Zwei römische Kolonien auf dem Weg des Paulus nach Spanien, in: ders., Die frühen Christen und ihre Welt. Greifswalder Aufsätze 1996–2001, mit Beiträgen von J. Börstinghaus und E. Ebel, WUNT 145, Tübingen 2002, 154–165. –: Von Jakobus zu Justin. Lernen in den Spätschriften des Neuen Testaments und bei den Apologeten, in: B. Ego / H. Merkel (Hgg.), Religiöses Lernen in der biblischen, frühjüdischen und frühchristlichen Überlieferung, WUNT 180, Tübingen 2005, 253–269. –: Was wußte Lukas über das pisidische Antiochien?, in: ders., Die frühen Christen und ihre Welt. Greifswalder Aufsätze 1996–2001, mit Beiträgen von J. Börstinghaus und E. Ebel, WUNT 145, Tübingen 2002, 113–122. –: Philippi, Bd. I: Die erste christliche Gemeinde Europas, WUNT 87, Tübingen 1995. Plassart, A.: Fouilles de Delphes, Tom. III.4.3: Inscriptions de la terrasse du temple et de la région nord du sanctuaire. Les inscriptions du temple du IVe siècle, Paris 1970. Plisch, U.-K.: Das Thomas-Evangelium. Originaltext mit Kommentar, Stuttgart 2007. Plümacher, E.: Τερατεία. Fiktion und Wunder in der hellenistisch-römischen Geschichtsschreibung und in der Apostelgeschichte, in: ders., Geschichte (s. u.), 33–83. –: Geschichte und Geschichten. Aufsätze zur Apostelgeschichte und zu den Johannesakten, hg. von J. Schröter und R. Brucker, WUNT 170, Tübingen 2004. –: Lukas als hellenistischer Schriftsteller. Studien zur Apostelgeschichte, StUNT 9, Göttingen 1972. –: Rom in der Apostelgeschichte, in: ders., Geschichte (s. o.), 135–169. Poirier, J. C.: The Tongues of Angels. The Concept of Angelic Languages in Classical Jewish and Christian Texts, WUNT II/287, Tübingen 2010. Pokorný, P. / Heckel, U.: Einleitung in das Neue Testament. Seine Literatur und Theologie im Überblick, UTB 2798, Tübingen 2007. Popkes, E. E.: Das Menschenbild des Thomasevangeliums. Untersuchungen zu seiner religionsgeschichtlichen und chronologischen Einordnung, WUNT 206, Tübingen 2007. –: Die letzten Worte des lukanischen Paulus. Zur Bedeutung von Acta 28,25–28 für das Paulusbild der Apostelgeschichte, in: J. Frey / C. K. Rothschild / J. Schröter (Hgg.), Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie, BZNW 162, Berlin / New York 2009, 605–625. Popkes, W.: Der Brief des Jakobus, ThHK 14, Leipzig 2001. –: Leadership. James, Paul, and Their Contemporary Background, in: B. D. Chilton / C. A. Evans (Hgg.), The Missions of James, Peter, and Paul. Tensions in Early Christianity, NT.S 115, Leiden / Boston 2005, 323–354. Pratscher, W.: Der Herrenbruder Jakobus und die Jakobustradition, FRLANT 139, Göttingen 1987. –: Der Herrenbruder Jakobus bei Hegesipp, in: P. J. Tomson / D. Lambers-Petry (Hgg.), The Image of the Judaeo-Christians in Ancient Jewish and Christian Literature, WUNT 158, Tübingen 2003, 147–161.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
655
Preuschen, E.: Antilegomena. Die Reste der außerkanonischen Evangelien und urchristlichen Überlieferungen, hg. und übers., Gießen 21905. Prigent, P.: Commentary on the Apocalypse of St. John, transl. from the French by W. Pradels, Tübingen 2001 (= Apoc). Pucci Ben Zeev, M.: Jewish Rights in the Roman World. The Greek and Roman Documents Quoted by Josephus Flavius, TSAJ 74, Tübingen 1998. Pummer, R.: Einführung in den Stand der Samaritanerforschung, in: F. Dexinger / ders. (Hgg.), Die Samaritaner, WdF 604, Darmstadt 1992, 1–66. Qimron, E. / Strugnell, J.: Qumran Cave 4, Vol. V: Miqṣat maʿaśe ha-torah, DJD 10, Oxford 1994. Rabens, V.: The Holy Spirit and Ethics in Paul. Transformation and Empowering for Religious-ethical Life, WUNT II/283, Tübingen 2010. Rad, G. von: Genesis, ATD 2–4, Göttingen 121987. Rahmani, L. Y.: A Catalogue of Jewish Ossuaries in the Collections of the State of Israel, Jerusalem 1994. –: Stone Synagogue Chairs. Their Identification, Use and Significance, IEJ 40 (1990), 192–214. Ramelli, I. L. E.: The Addai-Abgar Narrative. Its Development through Literary Genres and Religious Agendas, in: dies. / J. Perkins (Hgg.), Early Christian and Jewish Narrative. The Role of Religion in Shaping Narrative Forms, WUNT 348, Tübingen 2015, 205–245. Rauschen, G.: Die beiden Apologien Justins des Märtyrers, in: ders. u. a., Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten, aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt, Bd. 1, BKV 12, München 1913, 55–155. Reed, A. Y.: »Jewish Christianity« after the »Parting of the Ways«. Approaches to Historiography and Self-Definition in the Pseudo-Clementines, in: A. H. Becker / dies. (Hgg.), The Ways that Never Parted. Jews and Christians in Late Antiquity and the Early Middle Ages, TSAJ 95, Tübingen 2003, 189–231. –: »Jewish Christianity« as Counter-history? The Apostolic Past in Eusebius’ »Ecclesistical History« and the Pseudo-Clementine »Homilies«, in: G. Gardner / K. L. Osterloh (Hgg.), Antiquity in Antiquity. Jewish and Christian Pasts in the Greco-Roman World, TSAJ 123, Tübingen 2008, 173–216. –: Rethinking (Jewish‑)Christian Evidence for Jewish Mysticism, in: R. Boustan / M. Himmelfarb / P. Schäfer (Hgg.), Hekhalot Literature in Context. Between Byzantium and Babylonia, TSAJ 153, Tübingen 2013, 349–377. Reed, A. Y. / Becker, A. H.: Introduction. Traditional Models and New Directions, in: A. H. Becker / A. Y. Reed (Hgg.), The Ways that Never Parted. Jews and Christians in Late Antiquity and the Early Middle Ages, TSAJ 95, Tübingen 2003, 1−33. Regev, E.: Temple Concerns and High-Priestly Prosecutions from Peter to James. Between Narrative and History, NTS 56 (2010), 64–89. Reinbold, W.: Propaganda und Mission im ältesten Christentum. Eine Untersuchung zu den Modalitäten der Ausbreitung der frühen Kirche, FRLANT 188, Göttingen 2000. Reinmuth, E.: Pseudo-Philo und Lukas. Studien zum Liber Antiquitatum Biblicarum und seiner Bedeutung für die Interpretation des lukanischen Doppelwerks, WUNT 74, Tübingen 1994. Rengstorf, K. H. (Hg.): A Complete Concordance to Flavius Josephus, hg. von K. H. Rengstorf, in Zusammenarbeit mit B. Justus u. a., 4 Bde., Leiden 1973–1983.
656
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
Repo, E.: Der »Weg« als Selbstbezeichnung des Urchristentums, STAT Ser. B 132/2, Helsinki 1964. Resch, A.: Agrapha. Außercanonische Schriftfragmente, TU 30,3/4, Leipzig 1889, 21906 (Nachdruck Darmstadt 1974). Rey, J.-S.: 4QInstruction and Its Relevance for Understanding Early Christian Writings, in: J. Frey / E. E. Popkes (Hgg.), Jesus, Paulus und die Texte von Qumran, WUNT II/390, Tübingen 2015, 359–382. Riesner, R.: Fixpunkte für eine Chronologie des Neuen Testaments, in: K. Erlemann / K. L. Noethlichs (Hgg.), Neues Testament und Antike Kultur, Bd. 1: Prolegomena – Quellen – Geschichte, Neukirchen-Vluyn 2004, 214–220. –: James, in: J. Barton / J. Muddiman (Hgg.), The Oxford Bible Commentary on the New Testament, Oxford 2001, 1255–1263. –: Jesus als Lehrer. Eine Untersuchung zum Ursprung der Evangelien-Überlieferung, WUNT II/7, Tübingen 31988. –: »Was kann aus Nazareth Gutes kommen?« (Johannes 1,46). Archäologie und Geschichte des Heimatortes Jesu, ThBeitr 48 (2017), 324–339. –: Die Frühzeit des Apostels Paulus. Studien zur Chronologie, Missionsstrategie und Theologie, WUNT 71, Tübingen 1994. –: Synagogues in Jerusalem, in: R. Bauckham (Hg.), The Book of Acts in Its First Century Setting, Vol. 4: The Book of Acts in Its Palestinian Setting, Grand Rapids (Mich.) 1995, 179–211. Rinaldi, G.: Biblia Gentium. Primo contributo per un indice delle citazioni, dei riferimenti e delle allusioni alla Bibbia negli autori pagani, greci e latini, di età imperiale, Rom 1989. Robinson, J. M. / Hoffmann, P. / Kloppenborg, J. S.: The Critical Edition of Q. Synopsis Including the Gospels of Matthew and Luke, Mark and Thomas with English, German, French Translations of Q and Thomas, Leuven / Minneapolis 2000. Robinson, T. A.: Ignatius of Antioch and the Parting of the Ways. Early Jewish-Christian Relations, Peabody (Mass.) 2009. Rocca, S.: Herod’s Judaea. A Mediterranean State in the Classical World, TSAJ 122, Tübingen 2008. Roloff, J.: Die Apostelgeschichte, NTD 5, 2. Aufl. dieser neuen Fassung, Göttingen 181988 (= Apg). Rothschild, C. K.: Ἐτυμολογία, Dramatis Personae, and the Lukan Invention of an Early Christian Prosopography, in: dies. / J. Schröter (Hgg.), The Rise and Expansion of Christianity in the First Three Centuries of the Common Era, WUNT 301, Tübingen 2013, 279–298. –: Luke-Acts and the Rhetoric of History. An Investigation of Early Christian Historiography, WUNT II/175, Tübingen 2004. Rubin, R.: Ruler Cult and Colonial Identity. The Imperial Sanctuary at Pisidian Antioch, in: E. K. Gazda / D. Y. Ng (Hgg.), Building a New Rome. The Imperial Colony of Pisidian Antioch (25 BC–AD 700), hg. in Zusammenarbeit mit Ü. Demirer, Kelsey Museum Publication 5, Ann Arbor (Mich.) 2011, 33–60. Rudolph, D. J.: A Jew to the Jews. Jewish Contours of Pauline Flexibility in 1 Corinthians 9:19–23, WUNT II/304, Tübingen 2011. Runesson, A.: Building Matthean Communities. The Politics of Textualization, in: E.-M. Becker / A. Runesson (Hgg.), Mark and Matthew, Vol. I: Comparative Readings.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
657
Understanding the Earliest Gospels in Their First-Century Settings, WUNT 271, Tübingen 2011, 379–408. Runesson, A. / Binder, D. D. / Olsson, B.: The Ancient Synagogue from Its Origins to 200 C. E. A Source Book, AJEC 72, Leiden 2008. Rusam, D.: Das Alte Testament bei Lukas, BZNW 112, Berlin / New York 2003. Saddington, D. B.: The Development of the Roman Auxiliary Forces from Caesar to Vespasian (49 B. C.–A. D. 79), Harare, University of Zimbabwe, 1982. Safrai, Z.: Liber Antiquitatum Biblicarum. A Para-Rabbinic Jewish Source Close to the Yavne Period, in: J. Schwartz / P. J. Tomson (Hgg.), Jews and Christians in the First and Second Centuries. The Interbellum 70–132 CE, CRI 15, Leiden 2017, 401–426. Salzmann, J. C.: Lehren und Ermahnen. Zur Geschichte des christlichen Wortgottesdienstes in den ersten drei Jahrhunderten, WUNT II/59, Tübingen 1994. Samkutty, V. J.: The Samaritan Mission in Acts, LNTS 328, London / New York 2006. Sandnes, K. O.: Paul – One of the Prophets? A Contribution to the Apostle’s Selfunderstanding, WUNT II/43, Tübingen 1991. Sandt, H. van de: »Do not give what is holy to the dogs« (Did 9:5d and Matt 7:6a). The Eucharistic Food of the Didache in Its Jewish Purity Setting, VigChr 56 (2002), 223–246. Schaefer, C.: Die Zukunft Israels bei Lukas. Biblisch-frühjüdische Zukunftsvorstellungen im lukanischen Doppelwerk im Vergleich zu Röm 9–11, BZNW 190, Berlin / Boston 2012. Schäfer, P.: Anziehung und Abstoßung. Juden und Christen in den ersten Jahrhunderten ihrer Begegnung, übers. von P. S. Peterson, hg. von J. Kampmann, Lucas-Preis 2014, Tübingen 2015. –: Geschichte der Juden in der Antike. Die Juden Palästinas von Alexander dem Großen bis zur arabischen Eroberung, Stuttgart / Neukirchen-Vluyn 1983; 2., durchgesehene Aufl., UTB 3366, Tübingen 22010. –: Jesus im Talmud, übers. aus dem Englischen von B. Schäfer, Tübingen 22010. –: Judenhaß und Judenfurcht. Die Entstehung des Antisemitismus in der Antike, aus dem Englischen von C.-J. Thornton, Berlin 2010. –: Judeophobia. Attitudes towards the Jews in the Ancient World, Cambridge (Mass.) / London 21998. –: Jüdische Polemik gegen Jesus und das Christentum. Die Entstehung eines jüdischen Gegenevangeliums, Carl Friedrich von Siemens Stiftung – Themen 103, München 2017. –: Die sogenannte Synode von Jabne. Zur Trennung von Juden und Christen im ersten / zweiten Jh. n. Chr., in: ders., Studien zur Geschichte und Theologie des rabbinischen Judentums, AGJU 15, Leiden 1978, 45–64. Schäfer, R.: Paulus bis zum Apostelkonzil. Ein Beitrag zur Einleitung in den Galaterbrief, zur Geschichte der Jesusbewegung und zur Pauluschronologie, WUNT II/179, Tübingen 2004. Schäfke, W.: Frühchristlicher Widerstand, ANRW 2.23.1, Berlin / New York 1979, 460–723. Schalit, A.: König Herodes. Der Mann und sein Werk, 2. Aufl. mit einem Vorwort von D. R. Schwartz, Berlin / New York 22001. Schaller, B.: Paralipomena Jeremiou, JSHRZ I/8, Gütersloh 1998, 661–777. Schaper, J.: Eschatology in the Greek Psalter, WUNT II/76, Tübingen 1995.
658
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
Schärtl, M.: Die sonstige Pilatusliteratur, in: AcA I/1, 262–279. –: Das Nikodemusevangelium, die Pilatusakten und die »Höllenfahrt Christi«, in: AcA I/1, 231–269. Schenke, H.-M. † / Kaiser, U. U. / Bethge, H.-G. (Hgg.): Nag Hammadi Deutsch. NHC I–XIII, Codex Berolinensis 1 und 4, Codex Tchacos 3 und 4, Studienausgabe, eingeleitet und übers. von Mitgliedern des Berliner Arbeitskreises für KoptischGnostische Schriften, hg. unter Mitarbeit von K. Stifel und C. Gärtner, De Gruyter Texte, Berlin / Boston 32013. Schenke, L.: Die Urgemeinde. Geschichtliche und theologische Entwicklung, Stuttgart 1990. Schermann, T.: Prophetarum vitae fabulosae. Indices apostolorum discipulorumque domini Dorotheo, Epiphanio, Hippolyto aliisque vindicata, BSGRT, Leipzig 1907. Scheuermann, C.: Auf Paulus Spuren. Der Paulusweg: Trekking in der Türkei, Bergzeit Magazin (URL: https://www.bergzeit.de/magazin/paulusweg-trekking-wandern-tuerk ei/, letzter Zugriff: 6. 3. 2 018). Schleritt, F.: Hegesipp. Übersetzt und eingeleitet, Kleine Bibliothek der antiken jüdischen und christlichen Literatur, Göttingen 2016. Schletterer, I. / Plisch, U.-K.: Die (erste) Apokalypse des Jakobus (NHC V,3), in: H.-M. Schenke † / H.-G. Bethge / U. U. Kaiser (Hgg.), Nag Hammadi Deutsch, Bd. 2: NHC V,2–XIII,1, BG 1 und 4, eingeleitet, übers. und hg., Koptisch-Gnostische Schriften III, GCS NF 12, Berlin / New York 2003, 407–418. Schliesser, B.: Abraham’s Faith in Romans 4. Paul’s Concept of Faith in Light of the History of Reception of Genesis 15:6, WUNT II/224, Tübingen 2007. Schmid, K.: Erzväter und Exodus. Untersuchungen zur doppelten Begründung der Ursprünge Israels innerhalb der Geschichtsbücher des Alten Testaments, WMANT 81, Neukirchen-Vluyn 1999. –: Literaturgeschichte des Alten Testaments. Eine Einführung, Darmstadt 2008. Schmidt, C. / Wajnberg, I.: Gespräche Jesu mit seinen Jüngern nach der Auferstehung. Ein katholisch-apostolisches Sendschreiben des 2. Jahrhunderts; nach einem koptischen Papyrus des Institut de la Mission Archéol. Française au Caire, TU 43, Leipzig 1919. Schmithals, W.: Paulus und Jakobus, FRLANT 85, Göttingen 1963. Schmitt, L.: Genesis XV, VT 56 (2006), 251–267. Schnabel, E. J.: Urchristliche Mission, Wuppertal 2002. Schnackenburg, R.: Das Johannesevangelium, II. Teil: Kommentar zu Kap. 5–12, HThKNT 4/2, Freiburg / Basel / Wien 41985; III. Teil: Kommentar zu Kap. 13–21, HThKNT 4/3, Freiburg / Basel / Wien 41982 (= Joh). Schneemelcher, W.: Das Urchristentum, UB 336, Stuttgart u. a. 1981. Schneider, G.: Die Apostelgeschichte, HThKNT 5, Bd. I–II, Freiburg / Basel / Wien 1980, 1982 (= Apg). Schnelle, U.: Einleitung in das Neue Testament, UTB 1830, Göttingen 42002. –: Die ersten 100 Jahre des Christentums. 30–130 n. Chr. Die Entstehungsgeschichte einer Weltreligion, UTB 4411, Göttingen 2015. –: Paulus. Leben und Denken, De Gruyter Studium, Berlin / Boston 22014. –: Paulus und das Gesetz. Biographisches und Konstruktives, in: E.-M. Becker / P. Pilhofer (Hgg.), Biographie und Persönlichkeit des Paulus, WUNT 187, Tübingen 2005, 245–270.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
659
Schoeps, H. J.: Das Judenchristentum. Untersuchungen über Gruppenbildung und Parteikämpfe in der frühen Christenheit, Bern u. a. 1964. –: Theologie und Geschichte des Judenchristentums, Tübingen 1949. Schöllgen, G.: Didache. Zwölf-Apostel-Lehre, übers. und eingeleitet, FC 1, Freiburg / Basel / Wien 1991. Schrage, W.: Ekklesia und Synagoge. Zum Ursprung des urchristlichen Kirchenbegriffs, ZThK 60 (1963), 178–202. –: Der erste Brief an die Korinther, Bd. 1–4, EKK VII/1–4, Zürich und Braunschweig / Neukirchen-Vluyn 1991, 1995, 1999, 2001 (= 1 Kor). Schreiner, J.: Das 4. Buch Esra, JSHRZ V/4, Gütersloh 1981, 291–412. Schremer, A.: Beyond Naming. Laws of Minim in Tannaic Literature and the Early Rabbinic Discourse of Minut, in: P. J. Tomson / J. Schwartz (Hgg.), Jews and Christians in the First and Second Centuries. How to Write Their History, CRI 13, Leiden / Boston 2014, 383–397. Schröter, J.: Actaforschung seit 1982. III: Die Apostelgeschichte als Geschichtswerk, ThR 72 (2007), 383–419. –: Die jüdische Diaspora in der Apostelgeschichte, in: R. Deines / J. Herzer / K.-W. Niebuhr (Hgg.), Neues Testament und hellenistisch-jüdische Alltagskultur. Wechselseitige Wahrnehmungen. III. Internationales Symposium zum Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti (Leipzig, 21.–24. Mai 2009), WUNT 274, Tübingen 2011, 359–379. –: Das Evangelium nach Thomas (Thomasevangelium [NHC II,2 p. 32,10–51,28]). Oxyrhynchus-Papyri I 1, IV 654 und IV 655 (P.Oxy. I 1, IV 654 und IV 655), in: AcA I, 483–526. –: Von Jesus zum Neuen Testament. Studien zur urchristlichen Theologiegeschichte und zur Entstehung des neutestamentlichen Kanons, WUNT 204, Tübingen 2007. –: Lukas als Historiograph. Das lukanische Doppelwerk und die Entdeckung der christlichen Heilsgeschichte, in: ders., Jesus (s. o.), 223–246. Schröter, J. / Zangenberg, J. K. (Hgg.): Texte zur Umwelt des Neuen Testaments (gänzlich neu bearbeitete Aufl. der von C. K. Barrett begründeten und von C.-J. Thornton fortgeführten Sammlung), UTB 3663, Tübingen 32013. Schunck, K.-D.: 1. Makkabäerbuch, JSHRZ I/4, Gütersloh 1980, 288–373. Schürer, E.: The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ (175 B. C.–A. D. 135). A New English Version rev. and ed. by G. Vermes, F. Millar and M. Goodman, Vols. I–III/2, Edinburgh 1973–1987 (= Schürer I–III). Schürmann, H.: Das Lukasevangelium, Teil 2, Folge 1: Kommentar zu Kapitel 9,51– 11,54, HThKNT 3, Freiburg / Basel / Wien 1994 (= Lk). Schwank, B.: Der sogenannte Brief an Gallio und die Datierung des 1 Thess, BZ 15 (1971), 265 f. Schwartz, D. R.: Agrippa I. The Last King of Judaea, TSAJ 23, Tübingen 1990. –: 2 Maccabees, CEJL, Berlin / New York 2008. Schwartz, J.: Yavne Revisited. Jewish ›Survival‹ in the Wake of the War of Destruction, in: ders. / P. J. Tomson (Hgg.), Jews and Christians in the First and Second Centuries. How to Write Their History, CRI 13, Leiden / Boston 2014, 238–252. Schwartz, J. / Tomson, P. J. (Hgg.): Jews and Christians in the First and Second Centuries. How to Write Their History, CRI 13, Leiden / Boston 2014. –: Jews and Christians in the First and Second Centuries. The Interbellum 70–132 CE, CRI 15, Leiden 2017.
660
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: When Rabbi Eliezer Was Arrested for Heresy, JSIJ 10 (2012), 145–181 (URL: https:// biu.ac.il/JS/JSIJ/10–2012/SchwartzandTomson.pdf, letzter Zugriff: 10. 2. 2 018). Schwemer, A. M.: Zum Abbruch des jüdischen Lebens in Alexandria – Der Aufstand in der Diaspora unter Trajan (115–117), in: T. Georges / F. Albrecht / R. Feldmeier (Hgg.), Alexandria, hg. unter Mitarbeit von M. Kaden und C. Martsch, Civitatum Orbis Mediterranei Studia 1, Tübingen 2013, 381–399. –: Agrippa I. – sein Tod als »Gottesfeind« bei Josephus und Lukas, in: M. Tilly / M. Morgenstern / V. H. Drecoll (Hgg.), L’adversaire de Dieu / Der Widersacher Gottes (6. Symposion Strasbourg, Tübingen, Uppsala, 27.–29. Juni 2013, Tübingen), hg. unter Mitarbeit von H. Stoppel, WUNT 364, Tübingen 2016, 147–173. –: Der Auferstandene und die Emmausjünger, in: F. Avemarie / H. Lichtenberger (Hgg.), Auferstehung – Resurrection. The Fourth Durham-Tübingen Research Symposium. Resurrection, Transfiguration and Exaltation in Old Testament, Ancient Judaism and Early Christianity (Tübingen, September, 1999), WUNT 135, Tübingen 2001, 95–117. –: Die ersten Christen in Syrien, in: D. Bumazhnov / H. R. Seeliger (Hgg.), Syrien im 1.–7. Jahrhundert nach Christus. Akten der 1. Tübinger Tagung zum Christlichen Orient (15.–17. Juni 2007), STAC 62, Tübingen 2011, 169–193. –: The First Christians in Syria, in: M. F. Bird / J. Maston (Hgg.), Earliest Christian History. History, Literature, and Theology. Essays from the Tyndale Fellowship in Honor of Martin Hengel, WUNT II/320, Tübingen 2012, 429–456. –: Zum Verhältnis von Diatheke und Nomos in den Schriften der jüdischen Diaspora Ägyptens in hellenistisch-römischer Zeit, in: F. Avemarie / H. Lichtenberger (Hgg.), Bund und Tora. Zur theologischen Begriffsgeschichte in alttestamentlicher, frühjüdischer und urchristlicher Tradition, WUNT 92, Tübingen 1996, 67–109. –: Die »Eiferer« Elia und Pinchas und ihre Identifikation, in: H. Lichtenberger (Hg.), Martin Hengels »Zeloten«. Ihre Bedeutung im Licht von fünfzig Jahren Forschungsgeschichte, mit einem Geleitwort von R. Deines, Tübingen 2013, 21–80. –: Zu Entstehungszeit und ‑ort des 4. Makkabäerbuches, in: F. Avemarie (†) / P. Bukovec u. a. (Hgg.), Die Makkabäer, hg. unter Mitarbeit von H. Stoppel, WUNT 382, Tübingen 2017, 245–274. –: Erinnerung und Legende. Die Berufung des Paulus und ihre Darstellung in der Apostelgeschichte, in: L. T. Stuckenbruck / S. C. Barton / B. G. Wold (Hgg.), Memory in the Bible and Antiquity. The Fifth Durham-Tübingen Research Symposium (Durham, September, 2004), WUNT 212, Tübingen 2007, 277–298. –: Gott als König und seine Königsherrschaft in den Sabbatliedern aus Qumran, in: M. Hengel / dies. (Hgg.), Königsherrschaft Gottes und himmlischer Kult im Judentum, Urchristentum und in der hellenistischen Welt, WUNT 55, Tübingen 1991, 45–118. –: Die Gottesherrschaft bei Josephus, in: J. Frey / S. Krauter / H. Lichtenberger (Hgg.), Heil und Geschichte. Die Geschichtsbezogenheit des Heils und das Problem der Heilsgeschichte in der biblischen Tradition und in der theologischen Deutung, WUNT 248, Tübingen 2009, 75–101. –: Zur griechischen und jüdischen Gründungslegende Alexandriens, in: T. Georges / F. Albrecht / R. Feldmeier (Hgg.), Alexandria, hg. unter Mitarbeit von M. Kaden und C. Martsch, Civitatum Orbis Mediterranei Studia 1, Tübingen 2013, 175–192. –: Himmlische Stadt und himmlisches Bürgerrecht bei Paulus (Gal 4,26 und Phil 3,20), in: M. Hengel / S. Mittmann / dies. (Hgg.), La Cité de Dieu – Die Stadt Gottes. 3.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
661
Symposium Strasbourg / Tübingen / Uppsala (Tübingen, 19.–23. September 1998), WUNT 129, Tübingen 2000, 195–243. –: Irdischer und himmlischer König. Beobachtungen zur sogenannten David-Apokalypse in Hekhalot Rabbati § 122–126, in: M. Hengel / dies. (Hgg.), Königsherrschaft Gottes und himmlischer Kult im Judentum, Urchristentum und in der hellenistischen Welt, WUNT 55, Tübingen 1991, 309–359. –: Jesus Christus als Prophet, König und Priester. Das munus triplex und die Anfänge der Christologie, in: M. Hengel / dies., Der messianische Anspruch Jesu und die Anfänge der Christologie. Vier Studien, WUNT 138, Tübingen 2001, 165–230. –: Das Kommen der Königsherrschaft Gottes in Lk 17,20 f., in: A. Hultgård / S. Norin (Hgg.), Le Jour de Dieu – Der Tag Gottes. 5. Colloque Strasbourg, Tübingen, Uppsala, 11.–13. September 2006, WUNT 245, Tübingen 2009, 107–138. –: Das Land Abrahams in der frühjüdischen eschatologischen Erwartung und die urchristliche Mission in Syrien, in: H.-J. Eckstein / C. Landmesser / H. Lichtenberger (Hgg.), Eschatologie – Eschatology. The Sixth Durham-Tübingen Research Symposium: Eschatology in Old Testament, Ancient Judaism and Early Christianity (Tübingen, September, 2009), WUNT 272, Tübingen 2011, 59–87. –: Lukas als Kenner der Septuaginta und die Rede des Stephanus (Apg 7,2–53), in: T. S. Caulley / H. Lichtenberger (Hgg.), Die Septuaginta und das frühe Christentum, WUNT 277, Tübingen 2011, 301–328. –: Das Problem der Mahlgemeinschaft mit dem Auferstandenen, in: C. Grappe (Hg.), Le Repas de Dieu – Das Mahl Gottes, 4. Symposium Strasbourg, Tübingen, Upsal; Strasbourg, 11–15 septembre 2002, WUNT 169, Tübingen 2004, 187–226. –: Die Passion des Messias nach Markus und der Vorwurf des Antijudaismus, in: M. Hengel / dies., Der messianische Anspruch Jesu und die Anfänge der Christologie. Vier Studien, WUNT 138, Tübingen 2001, 132–163. –: Paulus in Antiochien, BZ NF 42 (1998), 161–180. –: Prophet, Zeuge und Märtyrer. Zur Entstehung des Märtyrerbegriffs im frühesten Christentum, ZThK 96 (1999), 320–350. –: Studien zu den frühjüdischen Prophetenlegenden, Bd. I–II, TSAJ 49–50, Tübingen 1995, 1996. –: Verfolger und Verfolgte bei Paulus. Die Auswirkungen der Verfolgung durch Agrippa I. auf die paulinische Mission, in: E.-M. Becker / P. Pilhofer (Hgg.), Biographie und Persönlichkeit des Paulus, WUNT 187, Tübingen 2005, 169–191. –: Die Verwendung der Septuaginta in den Vitae Prophetarum, in: M. Hengel / dies. (Hgg.), Die Septuaginta zwischen Judentum und Christentum, WUNT 72, Tübingen 1994, 62–91. –: Vitae Prophetarum, JSHRZ I/7, Gütersloh 1997, 539–658. –: Vitae Prophetarum und Neues Testament, in: H. Lichtenberger / U. Mittmann-Richert (Hgg.), Biblical Figures in Deuterocanonical and Cognate Literature, DCLY 2008, Berlin / New York 2009, 199–230. –: Die Zersägung des Propheten Jesaja, in: S. Fuhrmann / R. Grundmann (Hgg.), Martyriumsvorstellungen in Antike und Mittelalter. Leben oder sterben für Gott?, AJEC 80, Leiden / Boston 2012, 45–67. Scott, J. M.: Acts 2:9–11 as an Anticipation of the Mission to the Nations, in: J. Ådna / H. Kvalbein (Hgg.), The Mission of the Early Church to Jews and Gentiles, WUNT 127, Tübingen 2000, 87–123.
662
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: Geography in Early Judaism and Christianity. The Book of Jubilees, MSSNTS 113, Cambridge (U. K.) 2002. –: Paul and the Nations. The Old Testament and Jewish Background of Paul’s Mission to the Nations with Special Reference to the Destination of Galatians, WUNT 84, Tübingen 1995. Siber, P.: Mit Christus leben. Eine Studie zur paulinischen Auferstehungshoffnung, AThANT 61, Zürich 1971. Siegert, F.: Das Passa der Johanneschristen, in: A. Bedenbender (Hg.), JudäoChristentum. Die gemeinsame Wurzel von rabbinischem Judentum und früher Kirche, Paderborn / Leipzig 2012, 85–104. –: Drei hellenistisch-jüdische Predigten. Ps.-Philon, »Über Jona«, »Über Jona« (Fragment) und »Über Simson«, Bd. II: Kommentar nebst Beobachtungen zur hellenistischen Vorgeschichte der Bibelhermeneutik, WUNT 61, Tübingen 1992. Simon, M.: St. Stephen and the Hellenists in the Primitive Church, London / New York 1958. Skarsaune, O.: Evidence for Jewish Believers in Greek and Latin Patristic Literature, in: ders. / R. Hvalvik (Hgg.), Jewish Believers in Jesus. The Early Centuries, Peabody (Mass.) 22007, 505–567. –: Fragments of Jewish Christian Literature Quoted in Some Greek and Latin Fathers, in: ders. / R. Hvalvik (Hgg.), Jewish Believers in Jesus. The Early Centuries, Peabody (Mass.) 22007, 325–378. –: In the Shadow of the Temple. Jewish Influences on Early Christianity, Downers Grove (Ill.) 2002. Skarsaune, O. / Hvalvik, R. (Hgg.): Jewish Believers in Jesus. The Early Centuries, Peabody (Mass.) 22007. Slee, M.: The Church in Antioch in the First Century CE. Communion and Conflict, JSNT.S 224, Sheffield 2003. Smallwood, E. M.: Atticus, Legate of Judaea under Trajan, in: JRS 52 (1962), 131–133. –: The Jews under Roman Rule. From Pompey to Diocletian. A Study in Political Relations, SJLA 20, Leiden 1976 (verbesserter Nachdruck 1981). Snyder, J. A.: Language and Identity in Ancient Narratives. The Relationship between Speech Patterns and Social Context in the ›Acts of the Apostles‹, ›Acts of John‹, and ›Acts of Philip‹, WUNT II/370, Tübingen 2014. Söding, T.: Apostel gegen Apostel. Ein Unfall im antiochenischen Großstadtverkehr (Gal 2,11–16), in: R. von Bendemann / M. Tiwald (Hgg.), Das frühe Christentum und die Stadt, BWANT 198, Stuttgart 2012, 92–113. Speyer, W.: Eine rituelle Hinrichtung des Gottesfeindes. Die Zweiteilung, in: ders., Frühes Christentum im antiken Strahlungsfeld. Ausgewählte Aufsätze, Bd. 1, WUNT 50, Tübingen 1989, 305–321. Spigel, C. S.: Ancient Synagogue Seating Capacities. Methodology, Analysis and Limits, TSAJ 149, Tübingen 2012. Spitta, F.: Zur Geschichte und Litteratur des Urchristentum, Bd. 2: Der Brief des Jakobus. Studien zum Hirten des Hermas, Göttingen 1896. Stanton, G. N.: ›God-Fearers‹. Neglected Evidence in Justin Martyr’s »Dialogue with Trypho«, in: T. W. Hillard / R. A. Kearsley / C. E. V. Nixon / A. M. Nobbs (Hgg.), Ancient History in a Modern University, Vol. 2: Early Christianity, Late Antiquity and Beyond, Grand Rapids 1998, 43–52 = ders., Studies (s. u.), 351–362.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
663
–: Justin Martyr’s »Dialogue with Trypho«. Group Boundaries, ›Proselytes‹ and ›Godfearers‹, in: ders. / G. G. Stroumsa (Hgg.), Tolerance and Intolerance in Early Judaism and Christianity, Cambridge (U. K.) 1998, 263–278 = ders., Studies (s. u.), 363–375. –: Matthew’s Christology and the Parting of the Ways, in: J. D. G. Dunn (Hg.), Jews and Christians. The Parting of the Ways A. D. 70 to 135, The Second Durham-Tübingen Research Symposium on Earliest Christianity and Judaism (Durham, September, 1989), WUNT 66, Tübingen 1992, 99–116. –: Studies in Matthew and Early Christianity, hg. von M. Bockmuehl und D. Lincicum, WUNT 309, Tübingen 2013. Steck, O. H.: Der Abschluß der Prophetie im Alten Testament. Ein Versuch zur Frage der Vorgeschichte des Kanons, BThSt 17, Neukirchen-Vluyn 1991. Stein, H. J.: Frühchristliche Mahlfeiern. Ihre Gestalt und Bedeutung nach der neutestamentlichen Briefliteratur und der Johannesoffenbarung, WUNT II/255, Tübingen 2008. Stemberger, G.: Die Bedeutung des »Landes Israel« in der rabbinischen Tradition, Kairos 25 (1983), 176–199. –: The Birkat ha-minim and the Separation of Christians and Jews, in: B. Isaac / Y. Shahar (Hgg.), Judaea-Palaestina, Babylon and Rome. Jews in Antiquity, TSAJ 147, Tübingen 2012, 75–87. –: Der Dekalog im frühen Judentum, in: O. Hofius / P. Stuhlmacher u. a. (Hgg.), »Gesetz« als Thema Biblischer Theologie, JBTh 4, Neukirchen-Vluyn 1989, 91–103. –: Einleitung in Talmud und Midrasch. Neunte, vollständig neubearbeitete Aufl., München 92011. –: Genesis 15 in Rabbinic and Patristic Interpretation, in: E. Grypeou / H. Spurling (Hgg.), The Exegetical Encounter between Jews and Christians in Late Antiquity, JCPS 18, Leiden / Boston 2009, 143–162. –: Die römische Herrschaft im Urteil der Juden, EdF 195, Darmstadt 1983. –: Judaica Minora, Teil II: Geschichte und Literatur des rabbinischen Judentums, TSAJ 138, Tübingen 2010. –: Die Juden in rabbinischer Zeit (1.–7. Jh.). Ein Überblick, in: ders., Judaica Minora, Teil II (s. o.), 1–52. –: Judenchristen, in: ders., Judaica Minora, Teil II (s. o.), 53–65. –: Das Judentum in frührabbinischer Zeit. Zu neuen Entwicklungen in der Forschung, HZ 300 (2015), 1–32. –: Pharisäer, Sadduzäer, Essener, SBS 144, Stuttgart 1991. –: Der Talmud. Einführung – Texte – Erläuterungen, München 31994. –: »Wenn du betest, mache dein Gebet nicht zu einer festen Sache« (mAv 2,13) – Zur Bedeutung des Gebets im frühen Rabbinat, in: ders., Judaica Minora, Teil II (s. o.), 398–410. Stern, M.: Greek and Latin Authors on Jews and Judaism, ed. with Introductions, Translations and Commentary, Vols. I–III, FRJS, Jerusalem 1974, 1980, 1984 (= GLAJJ). Stern, S.: Jewish Identity in Early Rabbinic Writings, AGJU 23, Leiden / New York / Köln 1994. Stettler, H.: Heiligung bei Paulus. Ein Beitrag aus biblisch-theologischer Sicht, WUNT II/368, Tübingen 2014. Stökl Ben Ezra, D.: The Impact of Yom Kippur on Early Christianity. The Day of Atonement from Second Temple Judaism to the Fifth Century, WUNT 163, Tübingen 2003.
664
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
Strycker, É. de: La forme la plus ancienne du Protévangile de Jacques. Recherches sur le Papyrus Bodmer 5 avec une édition critique du texte grec et une traduction annotée, SHG 33, Brüssel 1961. Stuckenbruck, L. T.: Angel Veneration and Christology. A Study in Early Judaism and in the Christology of the Apocalypse of John, WUNT II/70, Tübingen 1995. –: The »Cleansing« of the Gentiles. Background for the Rationale behind the Apostles’ Decree in Acts 15, in: M. Öhler (Hg.), Aposteldekret und antikes Vereinswesen. Gemeinschaft und ihre Ordnung, WUNT 280, Tübingen 2011, 65–90. Stuhlmacher, P.: Das paulinische Evangelium. Teil I: Vorgeschichte, FRLANT 95, Göttingen 1968. –: Jes 53 in den Evangelien und in der Apostelgeschichte, in: ders. / B. Janowski (Hgg.), Der leidende Gottesknecht. Jesaja 53 und seine Wirkungsgeschichte, FAT 14, Tübingen 1996, 93–105. –: Biblische Theologie des Neuen Testaments, Bd. 1: Grundlegung: Von Jesus zu Paulus, Göttingen 1992; Bd. 2: Von der Paulusschule bis zur Johannesoffenbarung. Der Kanon und seine Auslegung, Göttingen 1999. –: Die Tübinger Biblische Theologie des Neuen Testaments. Ein Rückblick, ThBeitr 48 (2017), 76–91. Stuhlmacher, P. / Janowski, B. (Hgg.): Der leidende Gottesknecht. Jesaja 53 und seine Wirkungsgeschichte, FAT 14, Tübingen 1996. Szlezák, T. A.: Was Europa den Griechen verdankt. Von den Grundlagen unserer Kultur in der griechischen Antike, UTB 3394, Tübingen 2010. Taylor, J. E.: The Essenes, the Scrolls, and the Dead Sea, Oxford 2012. Tcherikover, V. A. / Fuks, A. (Hgg.): Corpus Papyrorum Judaicarum, Vol. II, London / Cambridge (Mass.) 1960 (= CPJ). Tellbe, M.: The Temple Tax as a Pre-70 CE Identity Marker, in: J. Ådna (Hg.), The Formation of the Early Church, WUNT 183, Tübingen 2005, 19–44. Teppler, Y. Y.: Birkat haMinim. Jews and Christians in Conflict in the Ancient World, TSAJ 120, Tübingen 2007. Theis, C.: Magie und Raum. Der magische Schutz ausgewählter Räume im alten Ägypten nebst einem Vergleich zu angrenzenden Kulturbereichen, ORA 13, Tübingen 2014. Theissen, G.: Die Entstehung des Neuen Testaments als literaturgeschichtliches Problem. Vorgetragen am 27. 11. 2 004, SPHKHAW 40, Heidelberg 2007. –: Hellenisten und Hebräer (Apg 6,1–6). Gab es eine Spaltung der Urgemeinde?, in: H. Lichtenberger (Hg.), Geschichte – Tradition – Reflexion. Festschrift für Martin Hengel zum 70. Geburtstag, Bd. III: Frühes Christentum, Tübingen 1996, 323–343. –: Die pseudepigraphische Intention des Jakobusbriefes. Ein Beitrag zu seinen Einleitungsfragen, in: P. v. Gemünden / M. Konradt / ders. (Hgg.), Der Jakobusbrief. Beiträge zur Rehabilitierung der »strohernen Epistel«, Beiträge zum Verstehen der Bibel 3, Münster 2003, 54–82. –: Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 2000. –: Simon Magus – die Entwicklung seines Bildes vom Charismatiker zum gnostischen Erlöser. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Gnosis, in: A. v. Dobbeler / K. Erlemann / R. Heiligenthal (Hgg.), Religionsgeschichte des Neuen Testaments. Festschrift für Klaus Berger zum 60. Geburtstag, Tübingen / Basel 2000, 407–432. –: Studien zur Soziologie des Urchristentums, WUNT 19, Tübingen 31989.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
665
–: Die Verfolgung unter Agrippa I. und die Autoritätsstruktur der Jerusalemer Gemeinde. Eine Untersuchung zu Act 12,1–4 und Mk 10,35–45, in: U. Mell / U. B. Müller (Hgg.), Das Urchristentum in seiner literarischen Geschichte. Festschrift für Jürgen Becker zum 65. Geburtstag, BZNW 100, Berlin / New York 1999, 263–289. –: Wanderradikalismus. Literatursoziologische Aspekte der Überlieferung von Worten Jesu im Urchristentum, in: ders., Soziologie (s. o.), 79–105. Theissen, G. / Merz, A.: Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, 3., durchgesehene und um Literaturnachträge ergänzte Aufl., Göttingen 32001. Theobald, M.: Erkenntnis und Liebe. Kriterien glaubenskonformen Handelns nach Röm 14,13–23, in: ders., Studien zum Römerbrief, WUNT 136, Tübingen 2001, 481–510. –: Das Gottesbild des Paulus nach Röm 3,21–31, in: ders., Studien zum Römerbrief, WUNT 136, Tübingen 2001, 30–67. –: Der Kanon von der Rechtfertigung (Gal 2,16; Röm 3,28). Eigentum des Paulus oder Gemeingut der Kirche?, in: ders., Studien zum Römerbrief, WUNT 136, Tübingen 2001, 164–225. –: Das Johannesevangelium. Zeugnis eines synagogalen »Judenchristentums«?, in: ders., Studien zum Corpus Iohanneum, WUNT 267, Tübingen 2010, 204–255. Thompson, M. B.: The Holy Internet. Communication between Churches in the First Christian Generation, in: R. Bauckham (Hg.), The Gospels for All Christians. Rethinking the Gospel Audiences, Edinburgh 1998, 49–70. Thornton, C.-J.: Der Zeuge des Zeugen. Lukas als Historiker der Paulusreisen, WUNT 56, Tübingen 1991. Thurn, H. / Meier, M.: Johannes Malalas. Weltchronik, mit einer Einleitung von C. Drosihn, M. Meier und S. Priwitzer und Erläuterungen von C. Drosihn u. a., BGrL 69, Stuttgart 2009. Thyen, H.: Ich bin das Licht der Welt. Das Ich‑ und das Ich-Bin-Sagen Jesu im Johannesevangelium, JAC 35 (1992), 19–46. –: Das Johannesevangelium, HNT 6, Tübingen 22015 (= Joh). Timpe, D.: Domitian als Christenfeind und die Tradition der Verfolgerkaiser, in: J. Frey / S. Krauter / H. Lichtenberger (Hgg.), Heil und Geschichte. Die Geschichtsbezogenheit des Heils und das Problem der Heilsgeschichte in der biblischen Tradition und in der theologischen Deutung, WUNT 248, Tübingen 2009, 213–242. –: Römische Geschichte bei Flavius Josephus, in: ders., Studien zur Historiographie, hg. von U. Walter, Darmstadt 2007, 258–291. Tiwald, M.: Das Frühjudentum und die Anfänge des Christentums. Ein Studienbuch, BWANT 208, Stuttgart 2016. –: Hebräer von Hebräern. Paulus auf dem Hintergrund frühjüdischer Argumentation und biblischer Interpretation, HBS 52, Freiburg / Basel / Wien 2008. Toepel, A.: Das Protevangelium des Jakobus. Ein Beitrag zur neueren Diskussion um Herkunft, Auslegung und theologische Einordnung, FTS 71, Münster 2014. Tomson, P. J.: The Didache, Matthew, and Barnabas as Sources for Early Second Century Jewish and Christian History, in: ders. / J. Schwartz (Hgg.), Jews and Christians in the First and Second Centuries. How to Write Their History, CRI 13, Leiden / Boston 2014, 348–382. –: Josephus, Luke-Acts, and Politics in Rome and Judaea by 100 CE, in: J. Schwartz / ders. (Hgg.), Jews and Christians in the First and Second Centuries. The Interbellum 70–132 CE, CRI 15, Leiden 2017, 427–454.
666
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: Paul and the Jewish Law. Halakha in the Letters of the Apostle to the Gentiles, CRI Sect. 3/1, Assen / Maastricht / Minneapolis 1990. –: »Die Täter des Gesetzes werden gerechtfertigt werden« (Röm 2,13). Zu einer adäquaten Perspektive für den Römerbrief, in: M. Bachmann (Hg.), Lutherische und Neue Paulusperspektive. Beiträge zu einem Schlüsselproblem der gegenwärtigen exegetischen Diskussion, WUNT 182, Tübingen 2005, 183–221. –: Transformations of Post-70 Judaism. Scholarly Reconstructions and Their Implications for Our Perception of Matthew, Didache, and James, in: H. van de Sandt / J. K. Zangenberg (Hgg.), Matthew, James, and Didache. Three Related Documents in Their Jewish and Christian Settings, SBL.SymS 45, Leiden / Boston 2008, 91–121. –: The Wars against Rome, the Rise of Rabbinic Judaism and of Apostolic Gentile Christianity, and the Judaeo-Christians. Elements for a Synthesis, in: ders. / D. LambersPetry, The Image of the Judaeo-Christians in Ancient Jewish and Christian Literature, WUNT 158, Tübingen 2003, 1–31. Tov, E.: Die griechischen Bibelübersetzungen, ANRW 2.20.1, Berlin 1987, 121–189. –: Proto-Samaritan Texts and the Samaritan Pentateuch, in: A. D. Crown (Hg.), The Samaritans, Tübingen 1989, 397–407. –: Reflections on the Septuagint with Special Attention Paid to the Post-Pentateuchal Translations, in: W. Kraus / M. Karrer unter Mitarbeit von M. Meiser (Hgg.), Die Septuaginta – Texte, Theologien, Einflüsse. 2. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D) (Wuppertal, 23.–27. 7. 2 008), WUNT 252, Tübingen 2010, 3–22. Tov, E. / Kraft, R. A. (Hgg.): The Greek Minor Prophets Scroll from Naḥal Ḥever (8 ḤevXIIgr). (The Seiyâl collection 1), with a contribution by P. J. Parson, DJD 8, Oxford 1990 (korr. Nachdruck Oxford 1995). Trampedach, K.: Schwierigkeiten mit der Theokratie. Warum die römische Herrschaft in Judäa scheiterte, in: ders. / A. Pečar (Hgg.), Theokratie und theokratischer Diskurs. Die Rede von der Gottesherrschaft und ihre politisch-sozialen Auswirkungen im interkulturellen Vergleich, Colloquia historica et theologica 1, Tübingen 2013, 117–142. Trebilco, P.: Why Did the Early Christians Call Themselves ἡ ἐκκλησία?, NTS 57 (2011), 440–460. –: Self-designations and Group Identity in the New Testament, Cambridge (U. K.) 2012. Triebel, L.: Die angebliche Synagoge der makkabäischen Märtyrer in Antiochia am Orontes, ZAC 9 (2006), 464–495. Troeltsch, E.: Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen. Gesammelte Schriften 1, Tübingen 1922 (2. Nachdruck Aalen 1965). Tubach, J.: Die Anfänge des Christentums in Edessa, ZAC 19 (2015), 5–25. Uhlig, S.: Das äthiopische Henochbuch, JSHRZ V/6, Gütersloh 1984, 463–780. VanderKam, J. C.: Einführung in die Qumranforschung. Geschichte und Bedeutung der Schriften vom Toten Meer, UTB 1998, Göttingen 1998. van der Lans, B. / Bremmer, J. N.: Tacitus and the Persecution of the Christians. An Invention of Tradition?, Eirene 53 (2017), 299–331. Vegge, T.: Paulus und das antike Schulwesen. Schule und Bildung des Paulus, BZNW 134, Berlin / New York 2006. Verheyden, J.: Jewish Christianity, a State of Affairs. Affinities and Differences with Respect to Matthew, James, and the Didache, in: H. van de Sandt / J. K. Zangenberg
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
667
(Hgg.), Matthew, James, and Didache. Three Related Documents in Their Jewish and Christian Settings, SBL.SymS 45, Leiden / Boston 2008, 123–135. Vinzent, M. / Nicklas, T.: Das Petrusevangelium, in: AcA I/1, 683–695. Vögeli, A.: Lukas und Euripides, ThZ 9 (1953), 415–438. Vogt, E.: Tragiker Ezechiel, JSHRZ IV/3, Gütersloh 1983, 115–278. Vollenweider, S.: Der Geist Gottes als Selbst der Glaubenden. Überlegungen zu einem ontologischen Problem in der paulinischen Anthropologie, in: ders., Horizonte neutestamentlicher Christologie. Studien zu Paulus und zur frühchristlichen Theologie, WUNT 144, Tübingen 2002, 163–192. –: Göttliche Einwohnung. Die Schechina-Motivik in der paulinischen Theologie, in: B. Janowski / E. E. Popkes (Hgg.), Das Geheimnis der Gegenwart Gottes. Zur Schechina-Vorstellung in Judentum und Christentum, WUNT 318, Tübingen 2014, 203–217. Volz, P.: Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter. Nach den Quellen der rabbinischen, apokalyptischen und apokryphen Literatur, Tübingen 21934 (1. Aufl. unter dem Titel: Jüdische Eschatologie von Daniel bis Akiba). Vos, J. C. de: Die Bedeutung des Landes Israel in den jüdischen Schriften der hellenistisch-römischen Zeit, in: M. Ebner u. a. (Hgg.), Heiliges Land, JBTh 23 (2008), Neukirchen-Vluyn 2009, 75–99. Vouga, F.: Geschichte des frühen Christentums, UTB 1733, Tübingen 1994. Wahlen, C.: Jesus and the Impurity of Spirits in the Synoptic Gospels, WUNT II/185, Tübingen 2004. –: Peter’s Vision and Conflicting Definitions of Purity, NTS 51 (2005), 505–518. Walter, N.: Fragmente jüdisch-hellenistischer Historiker, JSHRZ I/2, Gütersloh 21980, 91–163. Walton, S.: How Mighty a Minority Were the Hellenists?, in: M. F. Bird / J. Maston (Hgg.), Earliest Christian History. History, Literature, and Theology. Essays from the Tyndale Fellowship in Honor of Martin Hengel, WUNT II/320, Tübingen 2012, 305–327. Wander, B.: Gottesfürchtige und Sympathisanten. Studien zum heidnischen Umfeld von Diasporasynagogen, WUNT 104, Tübingen 1998. –: Trennungsprozesse zwischen frühem Christentum und Judentum im 1. Jahrhundert n. Chr. Datierbare Abfolgen zwischen der Hinrichtung Jesu und der Zerstörung des Jerusalemer Tempels, TANZ 16, Tübingen / Basel 1994. Wardle, T.: The Jerusalem Temple and Early Christian Identity, WUNT II/291, Tübingen 2010. Wasmuth, J.: Die Abgarlegende, in: AcA I/1, 222–230. Wasserberg, G.: Aus Israels Mitte – Heil für die Welt. Eine narrativ-exegetische Studie zur Theologie des Lukas, BZNW 92, Berlin / New York 1998. Watson, F.: Paul, Judaism, and the Gentiles. A Sociological Approach, MSSNTS 56, Cambridge (U. K.) 1989. Webster, G.: The Roman Imperial Army of the First and Second Centuries A. D., London 21979 (korr. Nachdruck 1981). Wedderburn, A. J. M.: A History of the First Christians, London / New York 2004. Wehnert, J.: Apollos, in: T. Georges / F. Albrecht / R. Feldmeier (Hgg.), Alexandria, hg. unter Mitarbeit von M. Kaden und C. Martsch, Civitatum Orbis Mediterranei Studia 1, Tübingen 2013, 403–412.
668
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
–: Die Auswanderung der Jerusalemer Christen nach Pella. Historisches Faktum oder theologische Konstruktion? Kritische Bemerkungen zu einem neuen Buch, ZKG 102 (1991), 231–255. –: Der Klemensroman, übers. und eingeleitet, Göttingen 2015. –: Die Reinheit des »christlichen Gottesvolkes« aus Juden und Heiden. Studien zum historischen und theologischen Hintergrund des sogenannten Aposteldekrets, FRLANT 173, Göttingen 1997. Weidemann, H.-U.: Ekklesia, Polis und Synagoge. Überlegungen in Anschluss an Erik Peterson, in: ders. / B. Nichtweiß (Hgg.), Erik Peterson. Ekklesia. Studien zum altchristlichen Kirchenbegriff, Ausgewählte Schriften. Sonderband, Würzburg 2010, 152–195. –: Taufe und Mahlgemeinschaft. Studien zur Vorgeschichte der altkirchlichen Taufeucharistie, WUNT 338, Tübingen 2014. Weikert, C.: Von Jerusalem zu Aelia Capitolina. Die römische Politik gegenüber den Juden von Vespasian bis Hadrian, Hyp. 200, Göttingen 2016. Weiss, B.: Das Neue Testament. Handausgabe, Bd. 3: Apostelgeschichte – Katholische Briefe – Apokalypse, im berichtigten Text mit kurzer Erläuterung zum Handgebrauch bei der Schriftlektüre, Leipzig 21902. Weiss, H.-F.: Frühes Christentum und Gnosis. Eine rezeptionsgeschichtliche Studie, WUNT 225, Tübingen 2008. Wengst, K. (Hg.): Didache (Apostellehre), Barnabasbrief, Zweiter Clemensbrief, Schrift an Diognet, SUC 2, Darmstadt 1984. Wenham, D.: Paulus. Jünger Jesu oder Begründer des Christentums, übers. aus dem Englischen von I. Proß-Gill, Paderborn u. a. 1999. Wenning, R.: Die Dekapolis und die Nabatäer, ZDPV 110 (1994), 1–35. –: Die Nabatäer – Denkmäler und Geschichte. Eine Bestandsaufnahme des archäologischen Befundes, NTOA 3, Freiburg (Schweiz) 1987. Werner, M.: Die Entstehung des christlichen Dogmas. Problemgeschichtlich dargestellt, KTB 38, Stuttgart 1959. Westermann, C.: Genesis 12–36, BK 1/2, Neukirchen-Vluyn 1981. Wette, W. M. L. de: Kurzgefasstes exegetisches Handbuch zum Neuen Testament, Bd. 1/4: Kurze Erklärung der Apostelgeschichte, vierte Aufl. bearbeitet und stark erweitert von F. Overbeck, Leipzig 1870 (= Apg). Wewers, G. A.: Sanhedrin. Gerichtshof, ÜTY IV/4, Tübingen 1981. Wilckens, U.: Der Brief an die Römer, Bd. 1: Röm 1–5, EKK VI/1, Neukirchen Vluyn 1978 (= Röm I). –: Theologie des Neuen Testaments, Bd. I/2: Jesu Tod und Auferstehung und die Entstehung der Kirche aus Juden und Heiden, Neukirchen-Vluyn 2003; Bd. II/2: Die Theologie des Neuen Testaments als Grundlage kirchlicher Lehre. Der Aufbau, Neukirchen-Vluyn 2009. Wilk, F.: Die Bedeutung des Jesajabuches für Paulus, FRLANT 179, Göttingen 1998. –: Gottes Wort und Gottes Verheißungen. Zur Eigenart der Schriftverwendung in 2 Kor 6,14–7,1, in: M. Karrer / W. Kraus unter Mitarbeit von M. Meiser (Hgg.), Die Septuaginta – Texte, Kontexte, Lebenswelten. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D) (Wuppertal, 20.–23. Juli 2006), WUNT 219, Tübingen 2008, 673–696. –: Paulus als Interpret der prophetischen Schriften, KuD 45 (1999), 284–306.
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
669
–: Schriftbezüge im Werk des Paulus, in: F. W. Horn (Hg.), Paulus Handbuch, Tübingen 2013, 479–490. Wischmeyer, O.: Beobachtungen zu Kommunikation, Gliederung und Gattung des Jakobusbriefes, in: D. Sänger / M. Konradt (Hgg.), Das Gesetz im frühen Judentum und im Neuen Testament. Festschrift für Christoph Burchard zum 75. Geburtstag, NTOA / StUNT 57, Göttingen / Fribourg 2006, 319–327. –: Forming Identity through Literature. The Impact of Mark for the Building of ChristBelieving Communities in the Second Half of the First Century C. E., in: E.-M. Becker / A. Runesson (Hgg.), Mark and Matthew, Vol. I: Comparative Readings. Understanding the Earliest Gospels in Their First-Century Settings, WUNT 271, Tübingen 2011, 355–378. –: Reconstructing the Social and Religious Milieu of James. Methods, Sources, and Possible Results, in: H. van de Sandt / J. K. Zangenberg (Hgg.), Matthew, James, and Didache. Three Related Documents in Their Jewish and Christian Settings, SBL.SymS 45, Leiden / Boston 2008, 33–41. Wittke, A.-M. / Olshausen, E. / Szydlak, R.: Historischer Atlas der antiken Welt, unter Mitarbeit von V. Sauer und weiteren Fachwissenschaftlern, DNP Supplemente 3, Stuttgart / Weimar 2007. Wolter, M.: Das lukanische Doppelwerk als Epochengeschichte, in: C. Breytenbach / J. Schröter / D. S. du Toit (Hgg.), Die Apostelgeschichte und die hellenistische Geschichtsschreibung. Festschrift für Eckhard Plümacher zu seinem 65. Geburtstag, AGJU 57, Leiden u. a. 2004, 253–284. –: Das Lukasevangelium, HNT 5, Tübingen 2008 (= Lk). –: Paulus, der bekehrte Gottesfeind. Zum Verständnis von 1 Tim 1,13, NT 31 (1989), 48–66. Zahn, T.: Apostel und Apostelschüler in der Provinz Asien, FGNK 6, Leipzig 1900. –: Einleitung in das Neue Testament, Bd. 1, Leipzig 31906/1907 (Nachdruck Wuppertal 1994). Zangenberg, J. K.: From the Galilean Jesus to the Galilean Silence. Earliest Christianity in the Galilee until the Fourth Century CE, in: C. K. Rothschild / J. Schröter (Hgg.), The Rise and Expansion of Christianity in the First Three Centuries of the Common Era, WUNT 301, Tübingen 2013, 75–108. –: Between Jerusalem and the Galilee. Samaria in the Time of Jesus, in: J. H. Charlesworth (Hg.), Jesus and Archaeology, Grand Rapids (Mich.) / Cambridge (U. K.) 2006, 393–432. Zeigan, H.: Aposteltreffen in Jerusalem. Eine forschungsgeschichtliche Studie zu Galater 2,1–10 und den möglichen lukanischen Parallelen, ABG 18, Leipzig 2005. Zeller, D.: Die Entstehung des Christentums, in: ders. (Hg.), Christentum I. Von den Anfängen bis zur Konstantinischen Wende, RM 28, Stuttgart u. a. 2002, 15–123. –: Die Konsolidierung in der 2./3. Generation, in: ders. (Hg.), Christentum I. Von den Anfängen bis zur Konstantinischen Wende, RM 28, Stuttgart u. a. 2002, 124–222. Zeller, E.: Die Apostelgeschichte nach ihrem Inhalt und Ursprung kritisch untersucht, Stuttgart 1854 (= Apg). Zetterholm, M.: The Formation of Christianity in Antioch. A Social-Scientific Approach to the Separation between Judaism and Christianity, London / New York 2003. Ziegler, J. (Hg.): Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum. Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum, Bd. XVI/1: Ezechiel, Göttingen 42015.
670
Abgekürzt zitierte Literatur und Hilfsmittel
Zimmermann, A. F.: Die urchristlichen Lehrer. Studien zum Tradentenkreis der διδάσκαλοι im frühen Urchristentum, WUNT II/12, Tübingen 21988. Zimmermann, C.: Christinnen in Lykaonien, Early Christianity 6 (2015), 445–487. Zimmermann, J.: Messianische Texte aus Qumran. Königliche, priesterliche und prophetische Messiasvorstellungen in den Schriftfunden von Qumran, WUNT II/104, Tübingen 1998. Zugmann, M.: »Hellenisten« in der Apostelgeschichte. Historische und exegetische Untersuchungen zu Apg 6,1; 9,29; 11,20, WUNT II/264, Tübingen 2009. Zwiep, A. W.: Assumptus est in caelum. Rapture and Heavenly Exaltation in Early Judaism and Luke-Acts, in: F. Avemarie / H. Lichtenberger (Hgg.), Auferstehung – Resurrection. The Fourth Durham-Tübingen Research Symposium. Resurrection, Transfiguration and Exaltation in Old Testament, Ancient Judaism and Early Christianity (Tübingen, September, 1999), WUNT 135, Tübingen 2001, 323–349. –: Judas and the Choice of Matthias. A Study on Context and Concern of Acts 1:15–26, WUNT II/187, Tübingen 2004.
Stellenregister Die kursiv gedruckten Seitenzahlen beziehen sich auf die Anmerkungen.
I. Altes Testament Genesis 1 12, 240 1,2 17 1,2 f. LXX 216 2,7 17 2,7 LXX 18 2,13 318, 322 2,24 54 5,24 12, 95 7,7–23 115 9,4 414 9,22–25 302 10 56, 142 11 16 12 313, 314 12,1.6 f. 314 12,1–3 315 12,2 f. 321 12,3b 316 13 313 13,14–17 314 13,14–18 318 13,16 321 13,17 318 13,17 f. 314 13,18 318 14,13.24 318 14,15 598 15 313, 315, 322, 326 ff. 15,4 562 15,5 321 15,6 327, 328, 468 f. 15,6 f. 313 15,7 314 f. 15,16 316, 323 15,16.21 318
15,18
313 f., 316, 318, 321 f., 325 15,19 ff. 322 15,19–21 316 17 401 17,1 325 17,8 314 17,10–14 402 17,12 204 18,14 564 18,14a 563 18,18 321 18,23–33 509 19,13.24–29 115 21,1 562 f. 22 155, 469 22,2.9 468 22,12 350, 468 22,17 321, 325 22,18 321 25,13 240 26,4 321 28,9 240 28,13 f. 314 28,14 321 36,2 f. 240 38,17–20 12 41,52 544 Exodus 3 227 4 286 7,11 374 14 60 14,13 302 14,31 460 15,17 152
672 15,26 590 16,18 40 17,10 ff. 609 19,18 f. 229 20 187 20,8 549 20,18 229 22,21(20) LXX 403 22,27 496 22,30 414 23,10 f. 172 24 111 24,5–8 111 24,6–8 111 24,8 109 24,11 111 24,18 286 28,36 486 29,4 484 29,7 484 30,30 484 32,13 314 34,22 13 34,28 286 34,30–35 217 Leviticus 1 496 8,6 484 8,9 486 8,12 484 10,5 480 10,6 483 11 281 12,3 204 16,4.24 484 16,5–34 485 17 414 17,10–14 414 17,15 414 18 414 18,5 594 19,18 129 f., 254, 470 19,26 414 20,2.27 161 20,24–26 283 24,14.16.23 161 24,14 ff. 496 25 172 26,11 f. 126
Stellenregister Numeri 6,3 483 6,14–20 451 11,25.29 60 11,26 65 13,21 325 15,35 f. 498 16,34 210 21,4–9 609 28,26 ff. 13 34,5 314 Deuteronomium 1 302, 513 1,7b 314 1,7 f.35 314 1,8 321 1,8.35 313 5,6 315 6,4 f. 129 6,5 254 6,10 321 6,10.23 314 7,1 316 10,11 314 11,24 314 12,10 321 12,23 ff. 414 13 506 13,11 161 14,21 414 14,26 483 15,4 38 15,6 38 16 506, 550 16,16 13 17 550 17,7 497 17,10 f. 548 17,14 210 17,16 302 18 187 18,15 155 18,15.18 187 18,15.19 187 18,15–18 187 21,22 f. 96, 106, 211 f. 21,23 106, 110, 212, 222, 429 f. 23,2 195 f., 199, 577 23,2 LXX 196 23,3 593
673
Stellenregister 23,8 302 25,2 f. 75 25,3 48, 131, 164, 391 27,26 212, 429 28,68 302 29,5 483 30,20 321 31,2 196 32,5.20 513 32,8 142 34,4 321 Josua 1 1,3 f. 3,10 15,4 24,11 24,33
210 314 316 314 316 210
Richter 9,37 142 13,4.7.14 483 13,5 483 1. Samuel 1,11 483 2 320 9,1 f. 204 10,6.10 LXX 288 10,10–13 60 13,19 320 18,10 287, 288 2. Samuel 7 7,12 ff. 7,13 f. 14,2 18,19–32
68, 315 152 98 484 94
1. Könige 1 2 4,20 4,31(5,11) 5,1 5,1.4 5,5 6,2a 8,19 8,27
210 197, 263, 302 315 210 315 314 315 153 153 126
11,17.40 17,17–24 18,12 21,10
302 263 197 496
2. Könige 2,1.11 2,16 4 4,8–37 5,2.4 6,23 11 17,13 17,24.30 18,17 18,31 22,14 24,7 25,26
12, 95 197 12 263 320 320 320 460 186 508 315 64 314 302
1. Chronik 1,1–2,2 1,28 10,9 13,5 17,12 f.
142 240 210 316 98
2. Chronik 13,10 15,10 ff. 24,20 ff. 24,21 f. 34,22 35,4
368 15 498 557 64 368
Esra 2,45 f. 343 9,11 460 10,8 577 Nehemia 5,17 210 6,16 210 7,48 343 8,1–8 76 9,8 316 13,3 577 Ester 1,10 2,2
145 145
674 6,3.5 10,3
Stellenregister 145 144
Psalmen 1,1 551, 551 2 46, 68, 88, 107 2,1 f. 44, 98, 107 2,7 85, 98 8 46, 88, 105 8,5 ff. 105 8,7 105, 115 10,8 543 11 157 16 68 22 68, 88, 108, 609 23,34 102 31 108 31,1 LXX 110 31,6 102 33,6 17 36 460 41,6 542 42,3 542 42/43 108 45 88 45,7 114 45,8 98 50,22 544 62,13 120 68 (LXX 67),32 196 69 68, 88, 108 69,26 557 69,29 584 72 316 72,8 316, 321 72,8–11 316 72,17 316 80,16.18 106 87 (LXX 86),4 196 89 68, 88 89,27 88 89,27 f. 98 95,7 126 95–100 323 104,35 88 105,9 ff. 314 105,42 460 107(106),32 549 107,32 549 110 46, 68, 88, 178 110,1 96, 100 ff., 105, 115, 162
110,3 100 111,10 LXX 553 118 68, 88, 108 118,19 485 118,19 f. 488 118,22 46, 504 118,25 83, 88, 503 118,25–28 83 118,26 116 143(142),2 411 151 LXX 157 Proverbien 1 120 5,8 589 7,26 589 10,2 276 11,4 276 24,12 120 25,21 f. LXX 130 Kohelet 10,8 593 Jesaja 1 107 1,9 21 1,26 LXX 142, 342 2 324, 508 2,2–4 296 2,3 207 2,12–17 117 3,10 503, 506 3,18 145 4,2 f. 361 4,3 21 4,13 167 5,1 507 5,9 472 5,18 f. 583 f. 6 217, 230 f. 6,1 LXX 579 6,6–14 368 6,9 f. 162 6,9 ff. 382 6,10 574, 578 7,3 508 7,14 564 7,14 LXX 564, 566 7,17 145 8,7.25 145 8,9 464
Stellenregister 8,18 60 8,23 311 9,1.6.23 145 9,2 216 10,17 145 10,20 ff. 21 11,1 544 11,2 16, 477 11,6 ff. 324 11,32.40 145 14,11 362 18,7 296 19,22 296 19,24 f. 314 19,24 f. LXX 314 20,3 460 25,8 126 27,12 f. 321 28,7–13 15 28,11 f. 89 28,16 504 29,13 551 35,6 386 35,10 126 36,2 508 40,3 14, 25, 237 40,8 128 41,8 468 41,8 f. 317 41,9 107 42 239 42,1 107 42,1.4.6 111 42,1.6 312 42,1 ff. 16 42,1–4 107 42,5 17 42,6 383 42,6 f. 602 42,6 f.16 233 42,11 LXX 240 42,16 602 43,10 602 44,3 17, 60, 290 45,14 64 45,14 f. 296 45,18–25 317 45,21 407, 465 45,21 LXX 406 48,20 464 49 239 49,1.5) 258
675
312 219 317, 327, 383 218 221 221 464 111, 233 f., 327, 382, 383, 464, 602 49,6 LXX 382 49,8 317 49,11 f.22 317 50,4–9 107 50,8 f. 107 51,1 f. 326 51,1–3 317 51,11 126 52,7 219 52,13–53,12 107 52,15 312, 317 53 29, 68, 107, 108 f., 110, 159, 178, 197, 199, 199 53,1 94, 574, 578 53,6 107 53,7 f. 107, 199 53,7 f. LXX 197 53,11 99, 473 53,11 LXX 229 53,12 107, 111, 162 54,1 325 54,1 ff. 317 56,3 577 56,3 f. 200 56,3 ff. 200 56,3–7 188 56,3–8 196 56,7 22, 74, 76, 111, 158, 355, 485 59,21 17, 17 60,7 240 60,21 321, 590 61,1 16, 68, 68 61,1 f. 108 61,1 ff. 16 62,11 464 65,17 52 65,17.19 126 66,1 f. 153, 156 66,3 577 66,18 ff. 327 66,22 52 66,24 362 49,1.6 49,1 ff. 49,1–6 49,1–6 LXX 49,3.5 LXX 49,4 49,5 f. LXX 49,6
676 Jeremia 1,1–3.7 510 1,4 460 1,5 219, 258, 327, 368 1,8.17.19 LXX 233 1,18 510 2,18 315 6,17(19) 460 7,11 158 9,24 f. 402 12,3 472 12,15 407, 465 12,15 LXX 406 22,5 557 23,9–32 372 26,18 541 26,21 ff. 302 29) 465 31,31 111 31,31 ff. 160 31,33 160 34,15.18 ff. 315 34,15–20 (LXX 41,18 f.) 313 35,19 (LXX 42,19) 507 39,9 ff. 558 39,20 f. 60 41,17 302 42,7–22 302 43,7 302 50,8 167 50,31 f. 585 Ezechiel 1 f. 217 2,1 233 3,14 197 4,14 LXX 278 5,5 142 7,2–4 117 8,3 197 11,5 287 11,5 LXX 288 11,14–21 316 11,24 197 20,25 f. 158 33,24 316 34 188 34,16 188 34,23 f. 460 36,26 17 36,26 f. 17
Stellenregister 36,27 f. 290 37 263 37,5–14 17 37,14 290 37,27 126 38,12 142 39,29 60, 290 40,2 197 40,46 368 40–48 255, 317 44,15 ff. 485 44,16 368 45,4 368 47,1–12 316 47,13–48,29 316 47,14 316 47,15 ff.21 ff. 319 47,21 ff. 317 Daniel 1,3 f.6 f. 195 1,8–16 482 3 263 4,34(37 60 5,6 480 7,9 f.22 121 7,9–12 52 7,9–14 121 7,10 368 7,13 52, 98, 102, 116 7,13 f. 114 f. 7,14 114 7,22 121 7,25 516 8,13 LXX 516 9,3 368 9,27 513 9,27 LXX 516 12,7 516 12,11 513 Hosea 6,6 6,6 LXX
158 129
Joel 1,13 368 2,28 ff. 290 3,1 12, 113, 290 3,1 f. 60 3,1 ff. 17, 61 3,1–5 102
677
Stellenregister 3,1–5 LXX 3,2 LXX 3,4 3,5 4,14
343 64 117 f. 28, 30, 103, 103 117
Amos 1,11 f. 5,18 ff. 5,25 ff. LXX 5,25 LXX 8,8 9,5 9,11 9,11 f. 9,11 f. LXX
584 117 156 153 314 314 98 406 f., 465 406
Obadja 1,1
483
Jona 1,3
263
Micha 3,12 541 4,1–4 296
4,4 7,11 ff. 7,19 f.
315 315 316
Zephanja 1,7–2,3 117 3,10 196 3,10 LXX 196 Sacharja 2,9 2,14 ff. 3,10 6,12 f. 9,10 9,11 9,11 f. 10,10 12,3 12,10 14,10 f.
323 126 315 152 316, 321 111 109 302 516 116 425
Maleachi 3,15.19 4,4
585 460
II. Apokryphen und Pseudepigraphen zum Alten Testament Aristeasbrief 16 122 134–138 139 140 140 f. 142 180–184 315
285 285 284 284 284 f. 284 284 285 284
Ascensio Jesajae 3,18 4,2 f. 4,13 5,1 6,6–14 7,17 8,7.25 9,1.6.23 10,17
145 361 167 507 368 145 145 145 145
11,2 11,32.40
477 145
Baruch, Syrischer 1 327 2,1 510 4,5 326 9,2 368 12,5 368 14,19 479 15,7 479 21,1 368 21,24 479 29,5 327 73,6 324 76,1–5 286 1. Esdras 9,4 LXX
577
678 2. Esdras 23,3 LXX
Stellenregister
577
4. Esra 548 2 286 3,14 326 5,13.20 368 6,31.35 368 6,55.59 479 7,11 479 7,26 f. 326 7,29 327 7,33–44 327 9,23 368 10,1–12,34 534 12,51 368 14,23.36.42.44 286 14,47 12, 95 5. Esra 2,10
327
1. Henoch 2 10,19 10,20 ff. 10,21 12,1 14 26,1 46,1–6 48,2–49,4 48,4 48,5 51,2–52,9 55,4 70,1–4 85,3 89,42 f.49 90 90,4 90,26 90,33–38 93,9 f. 94,6–10(8 f.) 99,3 100,7
12 327 290 296, 320 12 217 142 114 114 320 296 114 114 12 320 255 320 255 142 320 513 472 279 120
2. Henoch 71 f.
286
Jubiläenbuch 1,21 ff. 290 1,23 291 6,17–21 13, 15 7,10.13 f. 302 7,11 f. 142 8,18 142 8,19 142 9,1 302 9,15 323 14 322 14,16 322 15,33 f. 403 16,10–14 562 17,3 323 22,14 323 22,16–22 323 22,22 323 29,11 322 32,18 f. 323 32,19 323 32,21 f. 323 Judith 1,9 314 4,14 368 16,21 (LXX 16,17) 362 1. Makkabäerbuch 1,11 1,11–15 1,14 f. 1,15 1,44–47 1,60 f. 1,62 2 2,46 2,52 2,52 f. 3,25 4,46 5,3 ff. 5,10.38.57 5,68 9,27 12,4 12,24 ff. 12,24–30 12,53 14,41
210 322 402 282 282 402 282 324 403 468 469 210 61 324 210 265 61 377 325 299 210 61
679
Stellenregister 15,23 15,33 f.
379 324
2. Makkabäerbuch 2,13 4,12–17 4,13 4,33–38 4,34 4,35 f. 6,1–7,42 6,10 6,18–31 6,19 f. 9 9,8 f. 10,17 12,32 15,12–16
144 402 322 331 485 331 402 355, 402 537 436 362 362 324 324 485
4. Makkabäerbuch 1,11 5,4–7.11.31.33 5,20 6,2–21 7,6 7,13 ff. 17,20 f.
335 537 335 537 282 537 335
3,702–740 323 3,706 323 3,707 323 3,710 f. 323 3,715–731 323 3,725–731 323 3,735 323 3,740 323 3,757 f. 324 3,767 324 3,772–784 324 3,780 324 3,787–794 324 5,36 509 8,251–255 609 Sirach 3,30 276 4,31 58 44,21 321 50,22 f. 484 Testament Hiobs 46–51
64
Testamente der XII Patriarchen Testament Simeon 6,4
302
Paralipomena Jeremiae 1,1–3.7 510 1,4 460 6,17(19) 460
Testament Levi 10,5
480
Testament Juda 18,1
480
Psalmen Salomonis 2,16.34 17,8 17,26–46 17,43
Testament Dan 5,6
480
120 120 323 159
Sapientia Salomonis 2,13 99 2,18 99 2–5 99 3,8 121 3,14 200 5,1 229 5,5 99 18,14 ff. 121 Sibyllinen 1,196.261 f.
389
Testament Naphthali 8,4 227 Testament Benjamin 9,1 480 Tobit 1 1,4 4,7–10 4,10 4,12 8,7 12,9 12,12 13,11
279 320 276 276 414 414 276 279 296, 320
680
Stellenregister
14 319 14,2–6 319 14,4 319 f. 14,4 f. 320 14,5–7 LXX 319 14,6 296, 320 14,7 319, 321 Vita Adae et Evae (Apocalypsis Mosis) 16,5 227 26,1 227 Vitae Prophetarum 1,1 508
2,2 3,2 3,11b 4,2 4,16 7,1 f. 8,1 9,1 10,1 10,4 12,1 13,1 23
219 350 263 195 368 436 340 340 201, 265 285 340 340 558
III. Qumranisches Schrifttum CD (Damaskusschrift) I 13; II 6 237 III 20 291 VIII 16; XIX 29 21 XI 21 474 1QpHab (1QPescher Habakuk) XII 3.6.10 24 1QapGen ar (Genesisapokryphon) XXI 8–22 318 1QS (Gemeinderegel) I 1–III 12 13 I 3 460 I 16–II 19 15 II 4–18 576 IV 20–21 290 IV 23 291 VIII 12–15 237 VIII 12–16 14 VIII 13 f. 14 VIII 21 f. 576 IX 1 576 IX 5 474 1QSa (Gemeinschaftsregel) 77 II 21 f. 77 1QM (Kriegsregel) I 6 585
IV 9; IV 10 XI 9.13; XIII 14
22 24
1QHa (Hodajot) XIV 35 XVII 15
585 291
4QpNah (4Q169) (Pescher Nahum) Frag. 3–4 I,7–8 211 4QpPsa 37,11 (4Q171) II 9 f. 24 4Q MidrEschat (4Q174) I 10–13 152 III 10 f. 98 4Q196 (4QpapToba ar) 19,1 319 4Q198 (4QpapToba ar) 1,11 319 4Q246 98 4Q 292 Frag. 2 4
460
4Q369 (= 4Q499 frag. 48) Frag. 1 II 5–10 98
681
Stellenregister 4QMMT (4Q394–399) 196 B 39–40 196 B 58–62 256 B 63 320 C 7–8 21 f. C 11 558 C 25–31 411
4Q471b Frag. 1
99
4Q491 Frag. 11 I,1 ff.
99
4QShirShabb 15, 89, 145 403 Frag. 1 I,1–7 145
11QPsa (11Q5) XXVIII 3 f.
157
4Q416 Frag. 2 II 21
414
4Q427 Frag. 7 I
99
11QT (Tempelrolle) 58,6 64,6 ff. 64,6–13 64,12a
320 211 211 106
4Q504 6 12 460
IV. Jüdisch-hellenistische Literatur Josephus Antiquitates 1 1,145 1,185 1,185.191 1,191 2,194 f. 3,90 3,181 3,303 3,318 f. 3,320 4,145–149 4,214 4,287 4,290 7,101.104 7,107 f. 8,102 8,106 8,114 8,160 ff. 8,359 8,407 9,206 f. 9,207 9,208
299 299 325 325 325 325 591 282 325 305 343 334 144 144 196 299 325 154 154 154 325 498 498 325 299 208
9,288–291 10,190 10,195–246 11,186–191 11,302 f. 11,302–324 11,306–312 11,321–324 11,340–347 11,346 12,9 f. 12,112 12,119 12,119–124 12,120 12,147–153 12,160 12,320 13,4 13,74–79 13,133 13,174 13,257 13,284 13,293–296 13,294 13,318 f. 14,21 14,22
186 482 373 195 186 186 186 186 186 282 186 284 329 330 331 379 319 282 282 186 464 325 403 370 354, 497 494 324 302 577
682 (Ant.) 14,22–25 161 14,204 270 14,227 f.231 f. 270 14,403 199 15,42–49 302 15,50–55 492 15,56 492 15,293.296 ff. 184 15,299–316 343 15,331–341 266 15,339 184 15,371 37 15,412 503 16,128 f. 371 17,23–27.29 332 17,41 494 17,44 f. 196, 200 17,169 362 17,295 106 18,1 f.29 294 18,4–10.23 ff. 48 18,20 37 18,29 f. 186 18,63 f. 26 18,64 25, 429 18,85–89 187, 421 18,88 185 18,109–119 242 18,116 f. 347 18,151–154 341 18,228 f. 94 19,24 ff. 359 19,238 ff. 270 19,269 ff. 350 19,278–291 336 19,293 f. 451 19,299.317–325 357 19,304.307.310 336 19,313–316 355 19,326 f. 363 19,338 363 19,338–342 363 19,343 ff. 171 19,343–348 358 19,344 217 19,344–348 359 19,346–349 363 19,352 355 19,354 270 19,356 ff. 271 20,14 273
Stellenregister 20,15 f.222 232 20,17–95 305 20,23.34–48 276 20,38–42 404 20,38–48 404 20,43 276 20,43–48 404 20,51 349 20,51 f.101 172 20,51 ff. 305, 343, 345 20,71 208, 276, 305 20,95 305 20,97 ff. 48 20,97 ff.168–172 60 20,101 172, 343 20,141 f. 374 20,173 266 20,173–178 267 f. 20,176 270 20,179 ff. 472, 493 20,180 f. 498 20,182–184 267 f. 20,197 f. 45 20,197–203 354 20,198 492 20,199–203 492, 494 20,200 26, 42, 113, 130, 160 f., 307, 440, 574 20,200.202 f. 132 20,200 ff. 50, 440 20,202 498 20,215 232 20,220 ff. 74 20,256 517 Contra Apionem 1,40 f. 1,41 2,39 2,165 2,194 2,281 f.
558 61 330 166 354 275
De bello Judaico 1,62 f. 1,110.648 1,408–416 1,422 1,437 1,656 2,117 2,118 2,122
186 494 266 236 492 362 495 48 37, 39
683
Stellenregister (Bell.) 2,145 494 2,166 494 2,218 363 2,261 ff. 60 2,266 266 2,266–270 268 2,266–270.284 267 2,279 517 2,284.287–290 268 2,284 ff. 268 2,457 269 2,457 f. 269 2,458 518 2,462 f.465 298 2,508 263 2,515 f. 262 2,560 f. 236, 275, 298 2,562–565 496 2,571 144 3,29 329 3,414–430 263 3,421–424 288 3,442 267 3–7 493 4,159 48 4,226.229 496 4,245.273 496 4,315–318 485, 496 4,316 ff. 510 4,318 496 4,321–325.347 496 4,359 f. 161 4,656 94 5,148 363 5,184 f. 74 5,424–438 513 5,512–519.566 513 6,42 ff.67–70 519 6,193–213.425–428 513 6,300–309 516 7,43 f. 331 7,43 ff. 298, 333 7,46 333 7,46–49 333 7,50–53 334 7,54–62 334 7,96 337 7,103 f.108–111 337 7,110 f. 330 7,218 526 7,359–363 269
7,368 7,410.423
236 302
Vita 8–11 11 13–16 14 27 113 190.309 191 359
208 527 144 282 236 403 48 494 208, 232
Philo De decalogo 160
15
De migratione Abrahami 89–93 404 92 403 92 ff. 404 De praemiis et poenis 85–90 324 158 325 164–168 325 164–172 464 De specialibus legibus 1,1–11 403 1,247–254 451 1,324 f. 23 1,324–345 196 2,176 15 De virtutibus 108
23
De vita contemplativa 1 38 65 15 De vita Mosis 2,41–44 2,216
276 143
Hypothetica 11,1–18
38
In Flaccum 36–39 46
271 342
Legatio ad Caium 99
387
684
Stellenregister
155 f. 203 245 281 294 305 334 346
149 342 207, 379 208, 342 342 342 342 347
Legum Allegoriae 1,31 f.
101
Quaestiones in Genesim 3,47 f. 403 Quis rerum divinarum heres sit 313 f. 325 Quod deus sit immutabilis 111 23 Quod omnis probus liber sit 1,1 233 75–91 38 86 39
Quaestiones in Exodum 2,2 403 f.
V. Neues Testament Matthäus 1 57, 125, 312 1,19 564 1,21 29, 254 1,23 564 2 373 2,13 ff. 302 2,20 f. 320 2,23 583 3,7 124, 555 3,11 66 3,15 254 4,5 501 5,3 470 5,5.9 131 5,6.10 254 5,10 556 5,10 ff. 438 5,11 f. 556 5,17 129 5,17 f. 253 5,20 125, 554 5,21–48 128, 157 5,23 f. 113, 130 5,24 f. 131 5,27 f. 68 5,29 f. 133 5,32 134, 134 5,38–42 131 5,42 58 5,44 130, 162, 438, 438, 607 5–7 91 6,1–18 554 6,2.16 547
6,2.5.16 553 6,9 18 6,9–13 585 6,11 40 6,12 18, 131 6,14 120 6,24 40 6,25 f. 40 6,33 38 7,1–5 131 7,5 553 7,6 85, 256, 311 7,12 129 7,13 119 7,13 f. 488 7,14 551 7,15.22 f. 70 7,15 f. 66, 73 7,18–23 119 7,21 125 7,21.24 128 7,22 f. 66 7,23 120, 254 7,28 f. 67 8,5–13 272 8,10 125 8,11 77, 297 8,11 f. 125 8,12par. 553 9,1–8 386 9,9–13 127 9,13 129, 158 9,35 557 10 35
Stellenregister (Mt) 10,1 10,2 10,3 10,5
71 21, 351 127 183, 188, 197, 201, 255, 311 10,5 f. 56, 56, 124, 188, 254, 255 10,10 54, 56 10,10b 57 10,11 56 10,11 ff. 35 10,11–15 56 10,14 57, 167 10,14 f. 385 10,15 57 10,16.2 433 10,17 75, 432, 557 10,17–22a 131 10,17–42 432 10,18–22.30 532 10,21 f. 433 10,23 434, 437 f. 10,28 164 10,32 f. 120 10,37 433 10,37 f. 432, 436 10,41 62 11,5 68 11,5par. 386 11,12b 253 11,13 254 11,25 f. 470 11,27a 114 12,1–8 129 12,7 129, 158 12,9 557 12,18–21 107 12,28 66 12,31 f. 41 12,34 555 13,22 132 13,36–43.47–50 119 13,41 254 13,42.50 553 13,52 62, 70 13,54 557 13,55 446 13,55 ff. 67 14,8–11 350 14,19 79 15,1.7 547
685
281 553 551 128 281 281 124, 255 255 124, 188, 255 79 551 479 127 220, 235 432 20, 24 131 120 116 257 113, 130 f., 256, 257, 427, 526, 548 17,26 f. 599 17,27 256, 355, 421, 607 18,1 33 18,3 125 18,8 f. 133 18,12 f. 192 18,15–18 576 18,17 20, 24 18,20 66, 91 18,21–35 131 18,23 114 18,23–35 120 18,34 124 19,3–9 134 19,5 f. 54 19,9 134 19,10 ff. 134 19,18 f. 130 19,19 129 19,27 133 19,28 52, 121, 358, 461 19,28a 122 19,29 54, 133 20,17 ff. 351 20,20 55 21,1–9parr. 574 21,9.15 83 21,9parr. 503 21,26 47 21,32 254 15,2 15,7 15,9 15,10–20 15,17 15,20 15,21–28 15,23 f. 15,24 15,36 16,12 16,16 ff. 16,16–19 16,17 16,17–19 16,18 16,24 f. 16,27 16,27 f. 17,20 17,24–27
686
Stellenregister
(Mt) 21,35 498 22,2–10 122 22,7 124 22,13 553 22,18 553 22,30 134 22,34–40 129 22,37 ff. 254 22,40 129 22,44 100 23 439, 515, 547 f., 552 f., 555, 557 23,1–3 554 23,2 549, 550, 552 23,2 f. 421, 547 23,2–29 547 23,2–3 551 23,6 549 23,8 68, 554 23,8–12 554 23,13 551, 553 23,13.15 555 23,14 547 23,23 158 23,25 128 23,25–28 280 23,28 254 23,29 ff. 554 23,33 555 23,34 62, 70, 436, 437, 438, 532, 555, 557 23,34 ff. 498 23,34–38 557 23,36–39 555 23,37 ff. 515 23,37par. 498 23,39 116 24,3.27.37.39 115 24,5.11 439 24,6 ff. 114 24,9 75, 164, 433 24,9–14 131, 439, 532 24,11.24 66 24,12 254 24,15 91 24,15par. 513 24,17 f.23–28.37–41 115 24,19 ff. 513 24,20 516, 591 24,30 116 24,30 f. 116
24,31 116 24,35 128 24,36 118 24,40 116 24,42 119 24,43 117 24,43 f. 117 24,44 119 24,45–51 118 24,48 118 24,50 f. 118 24,51 553 25 119 25,1–13 119 25,10 119, 122 25,10–12.41 120 25,13 119 25,14–30 119 25,26–30 120 25,30 553 25,31 52 25,31 ff. 120 25,31–46 119 25,34 125 25,40.45 120 26,25.49 554 26,26–28 82 26,28 254 26,29par. 476 26,38–41 119 26,39.42 18 26,52 131 26,64 100, 116 26,64parr. 503 26,69 30 26,71 583 27,8 32, 560 27,24 ff. 559 27,25 124, 437, 510 f., 513, 558 27,54 272 27,55 30 27,62–66 560 27,63 502, 506, 560, 603 27,63 f. 96, 194 28,4.11–15 560 28,9 f. 445 28,13 603 28,15 560 28,16–20 256 28,18 114, 365 28,18 f. 114
Stellenregister (Mt) 28,18 ff. 28,19 28,19 f. 28,19 ff. 28,20
312 27, 66, 124, 192, 512 56, 66, 255, 289 312 66, 254, 289, 548
Markus 1 79, 160 1,1.14 f. 94 1,4 109 1,8 28 1,11 99 1,15 57 1,19 351 1,21–29parr. 75 1,24 583 1,27 67, 160 1,29 ff.parr. 34, 133 1,30 f. 55 1,30parr. 54 2,1–12 386 2,5 ff.parr. 18, 109 2,12 386 2,16parr. 77 2,17parr. 109 2,19–22 160 2,21 f.parr. 160 2,23–28 129 3,8 420 3,14–19parr. 462 3,16–19 351 3,16–19parr. 175 3,17 351 3,18 307 3,21 444, 562 3,21.31–35parr. 446 3,22–30 375 3,28 ff. 41 4,17 580 4,19 132 5,22 ff.35–43par. 263 5,37 351 6 51 6,1–6parr. 446 6,3 443, 446 6,3 f. 67 6,7 57, 386 6,7.13 71, 73, 453 6,8 f. 57 6,10 56 6,11 57, 167, 385
6,12 f. 386 6,13 72 6,16.24–28 350 6,30 21 6,41parr. 77 7,1–15 281 7,1–23 279 7,1–23par. 280 7,2 285 7,6(1 553 7,14–23 128 7,15 152, 157, 280 7,19 281 7,19c 280, 281 7,24–30 124, 255 8,6.19 79 8,6.19par. 77 8,32 f. 435 8,34 435 8,34 f. 131 8,34 ff. 435 8,34parr. 435 8,35 94 8,38 116, 120 8,38b 120 9,1 14, 98 9,1par. 81 9,2 351 9,5 101 9,29 368 9,33–37parr. 479 9,34 33 9,38–41 193 9,43–48 133 9,47par. 125 10,7 ff. 54 10,9 133 10,17 125 10,17–23parr. 133 10,23–27parr. 125 10,28 133 10,28 ff.parr. 54 10,29 54, 94, 133 10,29 f. 432 10,35 351 10,35 ff.par. 33 10,35–45 351 10,35–45par. 479 10,38 f. 352 10,45 109 f. 10,51 101 11,1 57
687
688
Stellenregister
(Mk) 11,9 f. 83 11,17 76, 153, 157, 158, 355 11,17parr. 23, 74, 111, 485 11,21 101 11,25 120 11,32 47 12,10parr. 504 12,13–17parr. 131 12,25 134 12,28–34 129 12,33 129 12,36 100 12,37b 20 12,37–38 554 12,38 ff. 554 13 439 13,2 157 13,5–37 431 13,7 f. 114 13,8 173 13,9 75, 161, 356, 430 f., 435 13,9–12 515 13,9–13 131, 431, 432 13,10 94 13,11 431 13,11par. 357 13,12 432 f. 13,12 f.21 ff.par. 348 13,13 433, 532 13,14 91, 342, 347, 421, 515, 516 13,14–20 347 13,18 516, 592 13,19.24.32par. 118 13,21–32 115 13,22 66 13,22.27 24 13,26 101, 116 13,26 f.parr. 296 13,29 467 13,31 128 13,32 118 13,33 119 13,33–37 118 13,34 119 13,34–37 117 13,37 119 14,3.14parr. 34 14,9 94 14,13 57 14,22 79
14,22 ff. 82 14,22 ff.parr. 109 14,22–24 79 14,22–25 110 14,24 122, 160 14,24par. 160 14,24parr. 111 14,25 77 14,25par. 118 14,25parr. 122 14,27 f. 431 14,28 11, 52 14,33 351 14,34–38 117, 119 14,36 18, 88 14,45 101 14,46par. 350 14,58 111, 151 f., 157, 354 14,61 98 14,62 100, 116 14,62parr. 101 14,67 583 14,70 30 15,1 579 15,7 531 15,16–20parr. 271 15,21 149 15,27par. 531 15,38 158 15,39 98 15,39.44 f.parr. 272 15,40 175 15,41 30 15,42parr. 35 16,1parr. 175 16,6 583 16,7 11, 52, 431 16,14 286 16,15 312 16,16 27 16,19 100 Lukas 1,1 ff. 1,2 1,4 1,5–23 1,11 1,15 1,31 1,32 f. 1,32 f.68–79
233 215 7 130 196 483 29, 564 11 124
Stellenregister (Lk) 1,34 564 1,35 563 1,37 564 1,38 460 1,39 442 1,52 f. 472 1,59 204 1,77 29, 109 2 406 2,1 173 2,1 f. 11 2,9 196 2,10 f. 124 2,11 11, 104 2,21 29, 204 2,22–38 130 2,26 11 2,29 460 2,30 ff. 111 2,32 383, 563 2,34 162 2,34 f. 562 2,35 562 3 16, 347 3,1 176 3,1 f. 171 3,2 45 3,3 29, 109 3,7 124, 555 3,11 ff. 133 3,22 11 4 16, 51, 381 4,3 140 4,9 501 4,14.17–30 16 4,16–30 76, 162, 381, 382 4,18 68 4,20 549 4,22 51 4,22 ff.28 67 4,29 f. 498 4,34 583 4,41 11 5,17–26 386 5,20–24 29 5,30 570 6,1–5 129 6,13 21 6,14 351 6,20 470 6,20–49 91, 127
689
6,21 122 6,22 434, 438, 472, 539, 556, 576, 577 f., 592 6,22 f. 433, 557 6,24 ff. 472 6,26 66, 434 6,27 162 6,27b 130 6,29 f. 131 6,30 58 6,37 f.41 f. 131 6,43 119 6,43 f. 66 6,46 ff. 128 7,1–10 272 7,5 277 7,11–16 263 7,22 68 7,23 67 7,34par. 77 7,36 77 7,47 ff. 29 7,48 f. 18 8,3 35 8,14 132 8,19 ff. 51, 562 8,49 380 8,51 351 9 188 9,1 71, 73 9,1.10 21 9,4 56 9,5 57, 385 9,9 350 9,20 11 9,23 110 9,23 f. 131 9,26 116, 120 9,27 14 9,28 351 9,29 ff.parr. 217 9,46 33 9,49 f. 193 9,54 351 10 35 10,1 57 10,1–16 56 10,3 433 10,4 57 10,5 ff.38 ff. 34 10,5–12 56 10,5–9 35
690 (Lk) 10,7 54, 56 f. 10,7 f. 128 10,8 57, 281 10,10 f. 167 10,11par. 385 10,21 470 10,21 f. 18 10,22 6 10,22a 114 10,25 125 10,25–28 129 10,30–35 186 10,30–37 295 11,2 18 11,2 ff. 585 11,3 40 11,4 18, 131 11,20 113 11,27 f. 51 11,29 f. 12 11,29–32parr. 513 11,37 77 11,39 f. 128 11,39 ff. 280 11,39–52 554 11,47 f. 555 11,49 62, 70, 436 11,49 f. 515 11,49 ff. 498, 557 11,52 551 12,1(1 553 12,4 37 12,4 f. 164 12,8 f. 116, 120 12,8 ff.par. 101 12,10 41 12,11 f. 431 12,13 ff. 133 12,15.22 f. 472 12,16–21 133, 472 12,22 ff. 40 12,35 f. 119 12,35–48 117 12,37–40 119 12,39 117 12,39 f. 117 12,40 117, 119 12,42–46 118 12,45 118 12,46 118 12,47 f. 120
Stellenregister 12,58 131 13,1 f. 30 13,14 380 13,23 f. 119 13,25 ff. 120 13,28 119 13,28 f. 125 13,29 77, 125 13,29par. 297 13,34 f. 12, 515 13,34 f.par. 515 13,35 116 14,1 579 14,15 101, 122 14,21 124 14,26 54, 432 14,26 f. 435 14,27 110 15 109 15,1–7 188 15,4–7 192 15,11–32 286 16,9.11 40 16,16 68, 253, 253 f. 16,16 f. 253 16,17 253 16,19–31 472 17,16–19 295 17,20 f. 113, 118 17,22.24.26.30 f. 117 17,22–37 115 17,24 115 17,24.26.30.34 f.par. 101 17,26–30 115 17,30 115 17,34 f. 116 18,8 101 18,9–14 109, 286 18,24 f. 472 18,28 133 18,29b 54, 133 19,1–10 109, 286 19,5–9 34 19,9 f. 124 19,10 188 19,11 114 19,11–27 119 19,41–44 516 19,42 ff. 513 19,46 153 20,1 68 20,6 47
Stellenregister (Lk) 20,19 350 20,36 134 20,42 f. 100 20,45 f. 554, 554 21,9 114 21,11 173 21,12 75, 350, 356, 431 21,12–19 131, 532 21,12–24.34 ff. 515 21,22 515 21,23 515 21,23 f.20 513 21,24 515 21,27 116 21,27 f. 431 21,33 128 21,34 118 21,36 119 22,16 476 22,19 77, 86, 110 22,19 f. 29, 82 22,20 122, 160 22,24 33 22,25 ff. 351 22,28 122 22,29 f. 114, 462 22,30 52, 52, 121, 124, 358 22,31 f. 12 22,32 278 22,42 18 22,46 119 22,59 30 22,69 100, 116 23,5 30, 182 23,13.35 579 23,18 503 23,19.25 531 23,26 110 23,34 44, 130, 162, 506 23,42 114 23,42 f. 125 23,43 100 23,46 102 23,47 98, 229, 473 23,49.55 30 23,50 ff. 35 24 77, 95, 286 24,9.33 32 24,13 32 24,13–35 258 24,18 521
24,18–21.25 f. 531 24,20 579 24,21 124 24,26 95, 226 24,26 f. 44 24,26 f.32 106 24,30 f. 78 24,30 f.36–43 152 24,35 79 24,41 f. 28 24,44 155 24,46 ff. 312 24,47 29, 109, 111 24,48 f. 11 24,49 170 24,50 f. 484 Johannes 1 114, 119, 580 1,7 112 1,14 126 1,17 166 1,21 187 1,24 568 1,29.36 84, 112 1,42 8 2,1 19, 28 2,1.29 99 2,4 446 2,6.27 f. 119 2,19 152, 157, 532 2,19 ff. 111 2,28 116 2,28 f. 580 3 58 3,1 35, 568, 579 3,2 116 3,2–13 579 3,4 254 3,5 27, 125 3,6.24 119 3,14 f. 609 3,22 ff. 26 3,35 114 3,36 124 4 187 4,1 f. 26 4,5 185, 420 4,5.39–42 185 4,9–26.39–42 295 4,19–24 187 4,25 187
691
692
Stellenregister
(Joh) 4,39–42 185, 187 4,46 272 5 569 5,1–9 386 5,16 569 5,18 569 5,19–22 114 5,46 187 5–10 569 6 369 6,35.48.51.58 570 6,41.43 570 6,41.43.61 570 6,42 570 6,51–58 82 6,56 119 6,60 f.66 570 6,60–71 580 6,67–71 52 7,3.5 446 7,11 ff. 570 7,12 96, 194, 570 7,26.48 579, 579 7,30 570 7,32 570 7,32.44 570 7,32.45.47 f. 568 7,43 573 7,44 570 7,49 597 7,52 571 8,7 504 8,12f 571 8,13 568 8,20 570 f. 8,31 119 8,31–59 571 8,37.40 571 8,39–48 571 8,41 565, 571 8,44 575 8,48 194, 375 8,48.52 571 8,59 161, 496 9 434, 571 9,13.15 579 9,13.15 f.40 568 9,22 75, 434, 572, 576, 578, 586, 592 9,34 578 9,34 f. 577
9,39 572 10 573 10,7–10 551 10,19 573 10,19 ff. 573 10,22 ff. 573 10,23 34, 74 10,30 573 10,31 ff. 161, 498 10,33 569 10,33.36 569 10,33–39 573 10,37 573 10,39 496, 570 11 569 11,1 f. 55 11,8 161, 498 11,11 37 11,32–44 263 11,36 573 11,45 f. 573 11,46 f.56 568 11,47 569 11,47–53.57 574 11,49 45 11,56 573 11,57 570 12,9 ff. 573 12,12–19 574 12,13 83 12,19.42 568 12,20 ff. 143 12,29 229 12,37–43 574, 578 12,42 75, 434, 572, 576, 579, 592 12,42 f. 576 12,43 579 12,46 119 13,2–11 27 13,8 27 13,10 27, 109 13,13 68 13,33 579 13,34 159 13,36 ff. 361 14,12 71 14,16 19 14,26 19 14,27 131 15 37 15,3 27, 109
Stellenregister (Joh) 15,4–10 15,4–8 15,9–17 15,13 ff. 15,18 f. 15,18 ff. 15,20 15,20 f. 15,21 15,26 15,26 f. 16,1 16,1 f. 16,1 ff. 16,2
119 574 574 37 580 574 575, 580 131 575, 580 19 575, 580 580 579 574 75, 131, 164, 434, 572, 576, 581, 592 16,2.F. 576 16,2 f. 578 16,33 131 17 569 17,22 573 17,24 114 18 569 18,3 568 18,13 45 18,33–38 114 18,36 114, 131, 166 18,38–40 574 19,7 569 19,7.12.21 574 19,11 131 19,14 84 19,15 503 19,20 111 19,23b 484 19,25 55, 175, 521 19,25 ff. 446 19,37 116 20,1.11–19 445 20,16 101 20,19.21.26 131 20,19–23 52 20,21 f. 18 20,24 52 21 77, 286, 286 21,1 ff. 11 21,2 175 21,18 f. 361
Apostelgeschichte 1
693
42, 95, 100, 103, 119, 131, 286, 393, 497 1,2 215 1,3 f. 152 1,4 11, 28, 78, 170, 286 1,5 28 1,6 114, 124, 531 1,8 111, 196, 200 f., 251 1,11 30, 296 1,12 32 1,13 35, 175, 351 1,13 f. 27, 34 1,14 9, 31, 51, 55, 209, 364, 446 1,15 8, 19, 27 1,15–26 7, 32 1,19 32 1,23 32, 143, 148 1,26 32 1–11 10 1–12 3, 5, 8 1–15 478 1–5 4, 71 1–8 84, 183 2 13, 18, 57, 101, 107, 498 2,1 13 2,1–13 15 2,1–47 13 2,2 f. 288 2,4 87 2,5.11.14 16 2,5.14 342 2,5–11 464 2,7 30 2,9 299 2,9 ff. 15, 299, 305 2,10 300, 301, 379 2,14 32 2,14.32.44 209 2,17 61, 113, 343 2,17 f. 64 2,17 ff. 17 2,17–21 61 2,18 61 2,19 71 2,20 118 2,21 28, 30, 103 2,22.43 60, 71 2,23 44 2,23 f. 44
694 (Apg) 2,29 2,33 2,34 f. 2,36
Stellenregister
9, 15 11, 18 100 11, 16, 46, 48, 99 f., 100, 103 2,37 287 2,37.40 f. 19 2,37 ff. 27 2,38 26, 28, 29, 103, 109 2,41 8, 19, 409 2,42 9, 17, 68, 76, 79, 86, 87 2,42.46 81 2,42–45 37 2,42–47 9, 20 2,43 139, 189 2,44 8, 29, 36, 281 2,44.46 f. 339 2,44 f. 36 2,46 34, 35, 74, 78, 79, 80, 87 2,46 f. 77 2,47 15, 20, 87 2–12 4 2–4 9 2–5 5 2–6 20, 119 3 37, 107 3,1 74 3,1 ff.6 71 3,1–11 386 3,1–8 189 3,2 32 3,2 ff. 386, 390 3,9.11 f. 15 3,11 34, 74 3,13.26 84, 107 3,13 ff. 44 3,14 99, 229, 473, 480 3,15 104 3,16 30 3,17 44, 102, 579 3,18 44 3,18.20 48 3,19–23 124 3,21 52 3,22 187 3,24 209 4 45, 427, 499 4 f. 42, 351 4 ff. 9 4,1 45, 287
4,1 f. 15 4,1 ff. 45 4,1–17 386 4,2.18 68 4,3 350 4,4 8, 19, 29, 409 4,5.8.26 579 4,6 45, 354, 354 4,10 15 4,10.30 71 4,10 f. 44 4,11 45 4,12 28, 45 4,13 92, 357 4,13.29.31 9, 15 4,18.21 47 4,19 37 4,21 47, 209 4,23–31 18 4,24–30 44 4,25 107 4,26 107 4,27.30 84, 107 4,29 460 4,29.31 357 4,30 60 4,31 18, 288 4,32 29, 139, 281 4,32–35 8, 36 4,32–37 9 4,34 37 4,36 41, 62, 143, 148 4,36 f. 41, 340 4,37 340, 348 5 45, 258, 427, 499 5,1–10 41 5,1–11 72, 133, 139 5,2 348 5,3 41 5,3 f. 42 5,4 42 5,5.33 287 5,5.9 17 5,9 41 5,12 9, 34, 74 5,12 f.20 15 5,12–15 60 5,12–16 9, 71, 189 5,13.26 47 5,14 29 5,15 71 5,17 45, 354
Stellenregister (Apg) 5,17.37 5,17 f. 5,17–26 5,18 5,19 5,19–23 5,21.25.28 5,26 5,28 5,29 5,30 5,31
209 47 47 350 196 47 68 161, 498 44, 68 37, 47 44, 46, 107, 212 11, 29 f., 100, 104, 109, 124, 484 5,34 49 5,34 f. 48 5,34 ff. 11 5,34–39 494, 495 5,36 60 5,36 f. 421 5,39 48 5,40 48, 391 5,41 131 5,41 f. 9, 48 5,42 69 6 64, 141, 147 6,1 9, 140, 146, 259 6,1 f. 139 6,1 ff. 40, 96 6,1–4 147 6,1–6 139 6,1–7 9, 148 6,2 32, 53, 147 6,3 33 6,5 30, 33, 33, 72, 140 f., 144, 180, 183, 296, 298 6,6 368 6,7 8, 30, 168 6,8 60, 72, 189 6,8–12 151 6,9 23, 97, 149 f., 207, 236, 296, 302, 371 6,9 f. 75 6,10 33 6,11 496 6,11.13 153 6,11.13 f. 112 6,12 160, 160 6,13 f. 111, 151, 354 6,14 152 f., 157, 159 6,14) 281 6,15 33
695
6–8 4 7 107, 153, 161, 167, 230 7,1 160 7,6.19 353 7,8 401 7,15 167 7,36 60 7,37 187 7,38 154 7,42b 153 7,46 153 7,46 f. 111 7,47 153 7,48 153 7,48–53 130 7,49 f. 153 7,52 99, 229, 434, 473, 480 7,53 154 7,54 287 7,54.57 f. 496 7,54 f. 33 7,54–58 496 7,55 100 7,55.59 f. 105 7,55 f. 100, 162, 484 7,55 f.59 19 7,55–60 102 7,56 100, 476 7,58 96, 140, 161 f., 163, 206, 427, 505 7,58 f. 498 7,59 125, 506 7,59 f. 102 7,60 130, 162 8 155, 180, 255, 257, 273, 338 8,1 9, 42, 151, 163, 165, 437 8,1.10 209 8,1.3 96, 427 8,1 ff. 163, 167 8,1–4 89 8,3 35, 162 ff., 163, 213, 230, 505 8,4 163, 295 8,4.12.35.40 69 8,4–13.26–40 140 8,4–25 55, 375 8,4–40 295 8,5 48, 69, 183, 183 ff., 201 8,5.26 56 8,5–25 182
696
Stellenregister
(Apg) 8,5–8 420 8,6 20 8,6 f. 189 8,7 185 8,8 405 8,9 185 8,9 f. 522 8,10 189 8,11 189 8,13 189 8,14 151, 163 8,14–17 190, 262 8,14–25 4 8,16 26 8,17 ff. 368 8,21 ff. 190 8,25 420 8,26 196, 201 8,26–39 303 8,26–40 194, 258 8,27 195 8,27–35 107 8,29 197 8,30 197 8,30 f. 108 8,32 f. 197 8,32–35 107 8,36 198, 200 8,37 198 8,39 198, 198 8,39 f. 265 8,40 182, 197, 201 9 225–230, 140, 232, 237, 242, 258 9,1 162 f., 210 9,1.21 505 9,1 f. 42, 89, 96, 213, 235, 604 9,1–19 163 9,1–30 5, 224, 312 9,1–9 437 9,2 24, 237 9,2.10 ff. 420 9,2.20 75, 236, 371 9,3 96, 225, 227 9,3–9 226 9,4 205 9,4–9 226, 226 9,8 227 9,8–30 214 9,11 203, 237
9,12.17 368 9,13.32.41 24 9,14.21 30, 103 9,15 209, 215, 220, 227, 260 9,15 f. 226 9,16 9, 131 9,18–22 239 9,19 243, 420 9,19–25 242 9,20 69, 84, 178 9,20.22 107 9,21 164, 213 9,21.26.35 209 9,22 48 9,22 f. 239 9,23 390 9,23 ff. 306 9,23 ff.29 f. 437 9,23–25 243, 244 9,23–30 226 9,25 420 9,26–28 245 9,26–30 245, 246 9,27 340 9,29 246, 259, 448 9,29 f. 56, 210 9,31 5, 30, 163, 251, 262, 344, 419 9,31–43 55 9,32 262 9,32.35 32 9,32–11,18 4, 261 9,32–35 262, 420 9,32–43 5, 71, 201, 344 9,33 ff. 386 9,34 71, 73 9,35 55, 262 9,36–43 35, 420 9,43 264, 278 9–12 71 9–26 9 10 55, 152, 183, 195, 200, 261, 278, 286, 291, 296, 338, 406 10,1 272 10,1–11,18 257, 295, 344 10,1–8 258 10,2 161, 274, 276, 291 10,2.22 35 10,2.22.35 10 10,3 196 10,3.10 f. 196
Stellenregister (Apg) 10,5 35 10,6.32 264, 278 10,7 273 10,9–16 258 10,13 278 10,13 ff. 198 10,14 278 f. 10,14.28 285 10,14 f. 129 10,15 279 10,17–23 258 10,19.28.30.44 196 10,20 279 10,23–29 258 10,23–48 258 10,24 7, 35 10,28 279, 285 10,28.34 f. 279 10,30–33 258 10,33.43 209 10,34 285 10,34–43 258 10,35.43 285 10,36 6, 131, 287 10,36b 103 10,37 30 10,39 44, 107, 212 10,39 f. 46 10,41 78, 152, 286 10,41b 28 10,41 f. 277 10,42 120 10,43 29, 107, 109, 287, 289 10,44 198, 287 10,44 ff. 28, 87 10,44–48 258 10,45 f. 289 10,46 15 10,47 200, 289 10,48 26, 289 10 f. 246, 259 11 152, 175, 291, 296, 312, 338, 406 11,1 ff. 9, 407 11,1–18 175, 258 11,2 147 11,3 286 11,7.9 278 11,8 278, 285 11,9 279
697
11,14 35, 291 11,15 287 11,16 28 11,17 200, 289 11,18 30, 285, 292, 450 11,19 163, 259, 369 11,19 f. 259, 295, 296 11,19 ff. 4 11,19–25 202 11,19–26 295, 296 11,20 69, 141, 149, 302, 338 11,20–24 5 11,21 340 11,23 393, 405 11,24 33, 72, 340 11,25 f. 5, 245 f. 11,26 11, 25, 237, 340 11,27 349 11,27 f. 397 11,27–30 345 11,28 64, 172, 173, 348 11,28 f. 42 11,29 450 11,29 f. 345, 450 11,30 32, 34, 53, 175, 345, 348, 396, 397 ff., 398, 407, 450 11.20 142 12 5, 258, 348, 358 12,1 349, 350, 356 12,1 ff. 42, 163, 168, 171 12,1–17 4, 47, 261 12,1–4 84, 349 12,2 32, 172, 350 12,3 35, 84, 352, 355 12,3.11 42 12,5.12 357 12,7 362 12,7–12 196 12,11 352 12,12 35, 371 12,12–17 84 12,17 31, 51, 172, 364, 398, 407, 437, 444, 448 12,17b 5 12,19 274 12,19 f. 217 12,19 ff. 171 12,19–22 359 12,22 359, 360, 408, 516 12,23 362 12,24 444
698
Stellenregister
(Apg) 12,25 175, 175, 246, 345, 348, 367, 371, 396, 397 ff., 450 13 5, 225, 273, 381 13,1 59, 63, 67, 296, 344, 395, 466 13,1 f. 246, 346, 392 13,1–14,28 369 13,2 57, 63, 214, 343 13,2 f. 367 f. 13,2 ff. 197 13,4–12 173 13,5 236, 371 13,5.14.44 382 13,5.14 ff. 75 13,6–12 261, 372 13,7 367, 375 f. 13,7–12 195 13,9 205, 373 13,10 373, 381 13,12 7, 374 13,13 234, 376, 377 f. 13,14 371 13,14–14,26 379 13,15 161, 277, 380 f. 13,15.27 76 13,16 381 13,16.26 10, 382 13,17–23 107 13,18 234 13,23 100, 104, 234 13,26 381 13,27 579 13,27–30 44 13,29 107, 212 13,31 30 13,32 f. 381 13,33 85 13,38 29, 109 13,38 f. 381 13,42–49 380 13,43 10, 381, 384, 393 13,45 162 13,46 382 13,46 f. 234 13,46–49 260 13,47 111, 233 f., 312, 382 13,48 ff. 383 13,50 10, 275, 382 13,50 f. 167 13,51 57
13,52 405 13 f. 370, 429 14 230, 386 f. 14,1 75, 371, 382, 385 14,1–6 385 14,2 353 14,3 60, 385 14,4.14 58, 68, 230, 370 14,5 385 14,5.19 498 14,5.19 f. 161 14,6.21 392 14,8–18 71 14,8–20 386 14,11 387 14,14 376 14,15 ff. 389 14,19 161, 496 14,22 9, 125, 131, 393 14,23 33, 368, 392 14,26 405 14,27 378 14,28 395 15 5, 53, 147, 175 f., 225, 291, 362, 396, 398 f., 405, 406, 407, 413, 445 15,1 395 15,1–29 397 15,2 400 15,2.6 408 15,2 ff. 9 15,2–6.22 f. 34 15,3 251, 369, 405 15,3b 405 15,4 408 15,4.12 449 15,4–29 231 15,5 8, 168, 408, 495 15,5–11 175 15,7 94, 400, 405 15,7.8 406 15,7–11.14 293 15,7–12 5 15,7–21 8 15,8 f. 290 15,8–11 406 15,9 129 15,12 60, 406 15,12 f.17 ff. 464 15,13 31, 172, 364 15,13ff 406 15,13–17 407, 464
Stellenregister (Apg) 15,13–21 9, 51, 453 15,13–22 171 15,16 465 15,16 f. 453 15,19 ff.28 f. 407 15,20 413, 414 15,20.28 f. 168 15,21 76, 207 15,22 32, 64, 408, 451 15,22.37 148 15,22–33 399 15,23 408, 408 15,23–31 91 15,25 399 15,29 413 15,32 61, 64, 343, 393 15,32.41 393 15,35 69 15,36–40 9 15,39 9, 377, 410 15,39 f. 57 15,39–16,5 377 15,40 57, 64 15,40 f. 393 16 5, 386 16,1 392 16,1 ff. 386 16,1–4 415 16,1–6 393 16,3 168, 451 16,4 34, 399, 413 16,6–10 197 16,12 380 16,13 371 16,13 f. 384 16,14 10 16,15 35 16,16 ff. 71 16,16–24 375 16,17 460 16,19 579 16,22–34 47 16,30–34 35 16,33 209 16,40 393 17,1 f.10 382 17,1 f.10.17 371 17,1 ff. 75 17,2 f. 107 17,4.12 384 17,4.17 10
17,5–10.13 429 17,7.21 209 17,10.14 f. 57 17,16 9 17,24 156 17,28a 37 17,28b 37 17,31 103, 120, 123 17,34 374 18,2 174, 301, 348 18,3 57 18,4 75 18,4.19 382 18,4.19.26 371 18,5 57 18,6 57, 385 18,7 10 18,8 35 18,8.17 380 18,9 f. 197 18,10 353, 356 18,11 174 18,12–17 173 18,14 f. 497 18,17 209 18,18 451 18,22 231, 410 18,22 f. 168, 175 18,23 393 18,24 302, 303 18,24 ff. 28 19,1–7 28 19,5 26 19,6 15 19,7 209 19,8 75, 371, 382 19,9 24, 89, 123 19,9.23 237 19,11 f. 71 19,11–20 375 19,13 69 19,13–16 372 19,40 400 20 6 20,1 f. 393 20,4 392, 449 20,4 ff. 450 20,5 f. 83, 449 20,7 89, 123 20,7.11 78 f. 20,7–11 78 20,7–12 86
699
700 (Apg) 20,9–12 20,16 20,17 20,17–35 20,25 20,28 20,28b 20,31 20,34 f. 20,38 21 21,4.7 21,5 21,8
Stellenregister
71 13 33 17 69, 209 33, 112, 520 110 119 57 369 445, 449 420 134, 369 35, 60, 69, 146 f., 180, 181, 201 21,8f 134 21,8 f. 32 21,8 ff. 140 21,8–14 201, 260 21,9 64 21,10 343 21,10 f. 64, 343 21,11 64 21,15–18 28 21,16 148, 449 21,18 31, 34, 51, 53, 172, 364 21,18.20.24 209 21,18 f. 408 21,18 ff. 450, 464 21,18–25 453 21,19 152, 367, 408, 449 f. 21,20 8, 19, 128, 168, 408, 423, 450 21,20 f. 448, 556 21,20–27 168 21,21 404, 426 21,21–24 130 21,21–26 43 21,23–26 113 21,24.B.D 483 21,25 168, 399, 413, 415, 451 21,27 350 21,27–25,8 151 21,27–36 161, 439 21,28 165, 497 21,30 f. 161 21,37 ff. 203 21,38 60 21,39 203
21,40 204 22 225, 226, 228 ff., 232 22,2 204 22,3 48 f., 203, 209, 494 22,3–21 5 22,4 24, 164, 237, 505 22,4.19 505 22,4.19 f. 163 22,4 f. 213 22,5 227, 235, 604 22,6 96, 227 22,6.11 229 22,6–10 229, 312 22,6–11 226 22,7 205 22,7–11 226 22,7–9 226 22,11 227 22,12 230 22,14 99, 229, 473 22,14.C 480 22,15 220, 260 22,16 29 f., 103 22,17–21 197, 230, 259, 312 22,19 23, 391 22,20 162, 230, 232 22,21 112 22,21 f. 287 22,25–29 203 22,28 161 23,6 206 23,6 ff. 45, 50 23,6–9 495 23,7 287 23,7.10 400 23,16 f. 206 23,16–22 244 23,26 161 24,5 25, 400, 583 24,5 f. 165 24,6 497 24,12 23, 150, 236, 371 24,14.22 24, 237 24,17 152, 408, 449 f., 450 24,17 f. 43 24,24–27 231 25,23 ff. 7 25,24 209 25,25 f. 361 25,26 101 26 226, 234, 258 26,1–23 231, 312
Stellenregister (Apg) 26,3 26,4 f. 26,5 26,7 26,9 f. 26,9–20 26,10 26,10.12 26,10 f. 26,10 ff. 26,11
208, 232 209 494 463 f. 163 5 24, 164, 232, 505 235 356, 505 213 23, 164, 212, 227, 236, 371, 497 26,12–15 226 26,13 96 26,14 37, 141, 204 f., 216, 232, 232 26,14–18 226 26,15 233 26,15–18 220 26,16 229, 233 26,16–20 259 26,17 111 26,17 f. 233 26,17–20 112, 260 26,18 29, 109, 233 26,20 109 26,22 f. 106 26,23 113, 233 26,27 ff. 195 26,28 11, 26 26,32 361 27,3 37 27,35 79 27,36 209 28 224, 227 28,8 71 28,13 f. 301 28,14 170 28,17.23 371 28,17–28 562 28,19 162 28,22 162, 604 28,23–28 16, 162, 382 28,25–28 156 28,28 234, 383 28,31 9, 69, 382 Römerbrief 1
13, 24, 27, 34, 54, 104, 131, 214, 279, 393, 438
701
21, 54, 63, 214 f., 219, 368, 460 1,1.5 214 1,1–4 242 1,3 99 1,3 f. 11, 98, 100, 166, 178 1,5 30, 215, 220 1,9 607 1,10–13 197 1,11 393 1,16 391 1,18 124 1,25 88 2 29, 60, 131, 159, 374 2,1 ff. 131 2,2–11 120 2,5.16 118 2,5.8 124 2,5 f. 120 2,12.23 206 2,15 160 2,17 411 2,18 205 2,29 159 3,6 120 3,8 132 3,8b 223 3,21–26 159 3,25 110, 112, 356, 497 3,25 f. 158 4 110 4,1–25 469 4,7 110 4,13 323, 327 4,15 124 4,16–22 327 4,25 108, 110 5,1–11 131 5,6 ff. 29 5,8 f. 123 5,9 112, 124 5,16 110 6,3 26 6,3 f. 27 6,3–8 237 6,8 125 6,10 111 6,19 119 7 222 7,1 205 7,6 159 7,7–13 469 1,1
702
Stellenregister
112 61 18, 88, 104 19 19 110 105 11, 19, 28, 100, 102, 104, 162 8,34b 104 8,35 351 8,38 f. 99 9,5 88 9,11 227 9,18 156 9,22 124 9,22 f. 227 9–11 224, 227, 227, 382 10,4 254, 254 10,9 102 f. 10,12 6, 103, 287 10,13 103 10,13 ff. 28 10,15 219 11 224, 227 11,1 204 11,5.7.28 227 11,7–32 156 11,13 112, 220 11,25 f. 465 11,26 590 11,26 f. 296 11,36 88 12 135 12,1 393 12,5 81 12,13 59 12,14 438 12,14–21 130 12,19 131 13 135 13,1 ff. 130 13,1–7 131 13,8 ff. 130 13,12 39 14 279 14,4 131 14,5 f. 83 14,10 103 14,10–12 120 14,14 281, 285 14,14.20 281 8,3 8,9 8,15 8,26 8,26 f. 8,32 8,33 f. 8,34
14,17 13, 16, 39, 131, 412 15,8 548 15,18 f. 374 15,19 31, 59 f., 72, 231 15,19b 210 15,20 239 15,23 300 15,23f 304 15,24 369 15,25.31 449 15,25 f.31 24 15,26 24, 42 15,27 31 15,30 393, 409 15,30 f. 42, 439 15,31 450 15,33 131 16,1 33 16,3 f. 302 16,5 34 16,20 131 16,23 35 16,25 393 16,26 30 1. Korintherbrief 1 1,1 1,2 1,8 1,11 1,12 1,13 ff. 1,13–17 1,23 1,26 1,26–31 1,30 2 2,4 f. 2,4 f.11 f. 2,9 2,10–16 3,4 ff.22 3,5 3,10 ff. 3,13 3,16 f. 3,22 4,4 f. 4,6
13, 29, 112, 119 54, 214 103 117 384 8, 303 26 f. 28, 289 96, 212, 429 35 265 97, 114, 131 24, 42, 54, 104, 117, 214, 369, 576 16 61 126 106 303 460 145, 235 117 145 8 131 303
Stellenregister 4,12 438 4,12 f. 130 4,20 13, 16, 39 5 135 5,1–5 576 5,3 ff. 374 5,4 f. 72 5,5 117 5,6 ff. 83, 112, 170 5,7 112, 356 5,9–13 133 6,1–3 52 6,2 f. 121 6,4 132 6,9 f. 13, 125, 133 6,11 27 6,19 145 7 135, 181 7,10 135 7,10–16 68 7,12–16 134 7,17 ff. 412 7,26 132 7,26–34 132 7,29 39 7,29–32 39 7,32 132 7,40 65 8 279 8,6 104 9,1 55, 218 9,1 f. 21, 215 9,1 ff. 58, 370 9,1–18 57 9,1–18.14 54 9,1–7 223 9,3 ff. 54 9,4 ff. 133 9,5 8, 21, 31, 51, 54, 306, 308, 344, 436, 446 9,6 57, 369 9,14 56 f., 135 9,15–18 216, 233 9,19f 548 9,20 128, 168 10 279 10,3 f.16 ff. 81 10,16 79 10,16 ff. 81 11 339 11,4 ff. 181 11,5 64, 72
703
11,17–20.33 f. 74 11,17–34 80 11,20 79 11,23 79, 82 11,23 ff. 170 11,23–26 79, 82 11,24 79 11,24 f. 77 11,25 111, 160 11,26 79, 80, 83 11,27 81 11,27–31 81 11,29 ff. 72 11,30 42 12,3 102 f., 212, 356, 497 12,4–11.28–31 61 12,8 59 12,9 59, 72 12,9.28 72 12,10 72 12,10.28 ff. 15 12,13 26 f., 237, 412 12,28 59, 69 12,28 ff. 33 12,28–31 69 13 135 13,1 15, 89 13,1 f. 61 13,2 59, 72 13,5 9 13,9 f. 126 13,12 126 14 87, 339 14,1.39 65 14,1.5.24 65 14,1–40 15 14,20–25 90 14,21 89 14,23.26 74 14,23–40 61 14,24 f. 64 14,26 89 14,26–33 65 14,29 64 14,34 64 15 233 15,1 f. 93, 393 15,1–5 94 15,3 27, 29, 93, 106 f., 110 15,3 ff. 136 15,3–11 3, 4 15,3–8 170
704
Stellenregister
8, 32, 52, 445 21 96, 245, 445 49, 76 21, 31, 51, 55, 96, 442, 445 15,8 96, 177, 218, 233, 445 15,8–11 215 15,9 21, 24, 96, 210, 438, 505 15,9 f. 216 15,10 69 15,11 94, 136 15,11)– 218 15,18.51 42 15,20.23 12, 113 15,23 116 15,23–27 105 15,23–28 115, 327 15,24–28 114 15,25 100 15,47 100, 123 15,50 13, 125 15,50 ff. 134 16,1.15 24 16,1 ff. 42 16,6.11 369 16,8 13 16,9 377 16,12 303 16,13 119 16,16 33 16,19 34 16,22 18, 81, 101, 212, 374, 577 15,5 15,5.7 15,5 ff. 15,6 15,7
2. Korintherbrief 456 1 57, 106 1,1 54, 214 1,14 117 1,16 369 1,19 57 1,20 88 1,22 12 2 60 2,5–11 576 2,12 377 3,4–18 106 3,6 ff. 159 f. 3,14 156 3,17 18
4,4 217 4,5 102 4,6 96, 216, 218 4,8 ff. 384 4,9 438 5,5 12 5,10 52, 103, 120 5,15 29 5,17 52 5,18 97 5,19 110 5,21 112 6,16 126, 145 6,18 85 8,3–4 449 8,4 24, 449 8,9 104 8,20–21 449 8,23 58 8 f. 42 9,1.12 24 9,1.12.13 449 9,12 24 10,10 92 11,2 222 11,2.29 214 11,6 92 11,7 57 11,13 ff. 132 11,22 141, 204, 601 11,23 69 11,23–27 385 f., 391 11,24 48, 70, 75, 131, 164, 212, 581 11,25 161, 390 f., 498 11,26 384 11,30–33 242 ff. 11,32 170, 176, 243 11,32 f. 210, 214, 236, 239, 241, 306, 390 11,33 227 12,1–10 216 12,2 145 12,2 f. 368 12,2–6 339 12,4 89, 218 12,11 72 12,12 59 f., 72, 374 13,3 374 13,11 131
Stellenregister Galaterbrief 456 1 42, 107, 175, 210, 216, 222, 231, 234, 246, 374, 412, 505 1,1 21, 214 1,4 29, 110 1,6 393 1,8 f. 374, 577 1,11 f.15 f. 93 1,11–24 4 1,13 24, 164, 210, 213 1,13.23 214, 227, 427, 438, 505 1,13 f. 207 1,13–16 220 1,13–2,14 459 1,13–23 221 1,14 96, 206, 209, 229 1,15 63, 214, 218, 368, 368 1,15 f. 96, 178, 327, 338 1,15 ff. 218, 235, 257, 259 1,16 112, 197, 218, 239, 311 1,16 f.21 312 1,17 51, 237, 238, 242, 306 1,17.19 21 1,17.21 125 1,17b 242 1,17–23 214 1,18 8, 56, 97, 175, 176, 210, 244 f., 370 1,18 f. 8, 47, 54, 245, 442, 448 1,18–2,1 170 1,18–20 243 1,18–21 244, 246 1,19 31, 244, 364 1,21 203, 246, 368, 393 1,21 f. 345 1,21–2,15 294 1,22 31, 55, 244, 251, 419 1,22 ff. 213 1,23 164, 220, 221 2 24, 53, 218, 306, 397 2,1 175, 246, 261, 345, 397 2,1 f. 370 2,1–10 175 f., 175, 312, 345, 396, 397 ff., 404 2,2 175, 197, 221 2,2.6.9 46 2,3 400 2,3.6 408 2,4 400, 401 2,5 393, 399 f.
705
53 94 8 112 8, 51, 53, 171, 175, 259, 352, 365, 408, 443, 453 f., 464, 477 2,9.11–14 8 2,9.12 31 2,9 f. 405 2,10 24, 42, 173, 345, 398, 450 2,11 176, 409 2,11 f. 175 2,11 ff. 5, 128, 168, 540 2,11–13 410 2,11–14 447 2,11–21 343, 399, 407 2,12 299 2,13–16 94 2,14 338, 411 2,15 f. 205, 411 2,16 411 2,16 ff. 327 2,21 401 2.1–10 396 3,1 212 3,2.14 61 3,6–4,8 327 3,6–9 469 3,11 206 3,13 96, 106 f., 110, 211 f., 222, 429, 608 3,19 154 3,27 26 3,27 f. 412 4,4 104 4,5 f. 18 4,6 88, 104 4,10 83 4,21–31 240, 563 4,26 121 4,29 42 5 135 5,4 206 5,6 412 5,11 212, 429 5,12 132, 401 5,14 130 5,21 13, 125 5,22 16, 72, 198 6 135 2,6 2,7 2,7 f. 2,7 ff. 2,9
706 6,2 130 6,6 56 6,12 438 6,14 212 6,15 52, 412 6,15 f. 412 6,16 374 6,17 391, 426 Epheserbrief 1 105, 120 1,7 110, 112 1,14 12 1,20 11, 100 1,20 ff. 105 1,21 99 2,13 112 2,20 60, 69 2,20 ff. 145 3,5 60, 69 4,11 60, 69, 180 4,19 133 4,26 f. 131 4,28 43 4,30 41 5,2 112 5,5 114 5,19 89 5,31 54 6,9 120 10,1 607 11,2 342 12,2 70 14,2 342 20,2 477 Philipperbrief 456 1 131, 210, 520 1,1 33, 460, 520 1,6.10 117 1,23 93, 125 2 132, 601 2,6–11 104 2,7 388, 460 2,9–11 104 2,11 102 2,16 117 2,22 460 2,25 58 3 221 f., 229 3,2 132, 401
Stellenregister 3,2–11 3,5 3,5 f. 3,5 ff. 3,5–9 3,6 3,8 3,12 3,20 4,4 4,5 4,5 f. 4,9 4,6.
222 141, 162, 204, 205, 601 203, 206, 209 4 214, 222 96, 205, 210, 438, 505 205, 221 216, 232 121 198 169 39 131 132
Kolosserbrief 1 112 1,7 460 1,14 110 1,16 99 1,18 12, 113 1,20 112 2,16 83 3,1 11, 100 3,5 133 3,8 131 3,11 412 3,14 130 3,16 89 4,3 377 4,10 371 4,11 10, 156 4,12 460 4,14 10, 73, 156 4,15 34 4,16 91 1. Thessalonicherbrief 123 1 24, 42, 54 1,1 57 1,2 607 1,4 227 1,10 104, 123 2 43, 131 2,3 448 2,7 54 2,9 54 2,12 13 2,13 607 2,14 24, 31, 42, 55, 75, 251, 358, 419
707
Stellenregister 2,14 f. 50, 164, 166, 428 2,14 ff. 132, 167 2,15 102 2,15 f. 374, 390 2,16 389, 429 2,18 197 2,19 116 3,2 460 3,2.13 393 3,2 ff. 393 3,3 131 3,13 116 4 135 4,3 f.7 119 4,3–5 414 4,11 43 4,13–18 42 4,13–5,11 117, 123 4,15 116, 135 4,15 ff. 115 4,15–18 68 4,16 f. 116 4,17 93, 125 5 135 5,1–3 117 5,2 117 5,4 117 5,6.10 119 5,9 123 5,10 93, 125 5,12 33 5,15 130 5,17 607 5,19 f. 61, 65, 344 5,23 116, 131 5,27 91 2. Thessalonicherbrief 1,4 131 2,1.8 f. 116 2,2 117 2,4 363 2,7 510 2,9 60 2,13 119 3,10 ff. 43 1. Timotheusbrief 1,4 528 1,13 164, 232 2 528 2,12 64
3,1–7 520 3,2 59 4,3 135 4,13 90 5,1 f.17.19 392 5,10 59 6,20 523 2. Timotheusbrief 1,12.18 2,18 3,8 3,11 4,5 4,8 4,11 4,14
118 528 374 385 180 118 9, 371 120
Titusbrief 1,1 1,5 1,7 ff. 1,14 3 3,1 3,13
460 392 520 528 369 131 303, 369
Philemonbrief 1 2 24
371 34 371
Hebräerbrief 1 1,2 1,3 1,4 ff. 1,8 1,13 2,4 2,6–9 4,14–5,10 7,1–28 7,25 7,27 8,1 8,1–6 8,8–12 8,10 9,12 10,10 10,12
59, 532 61 100 99 114 100, 106 60, 374 106 484 484 102, 105 111 100 484 160 160 111 111 100
708 10,16 10,25 10,29 10,32 f. 10,32 ff. 10,37 11,37 12,14 13,2 13,12
Stellenregister 160 532 285 526 526 169 350, 436 130 59 111
Jakobusbrief 308, 423, 489, 500 1 116 1,1 457, 457, 459, 460, 464 1,2 469 1,4 469 1,5 469 1,5 f. 454 1,6.8 469 1,8 469 1,9 ff. 472 1,12–15 469 1,14 f. 469 1,18 470 1,19 ff. 131 1,22 470 1,25 130, 469, 471 2 61 2,1 458, 496, 501, 553 2,1 ff. 469, 554 2,1–7 466 2,2 466 2,2 f. 90 2,5 470 2,6 473 2,6 f. 434, 472 2,7 103, 556 2,8 471 2,8–11 130, 471 2,9 475 2,13 467 2,14–26 462, 467, 468 2,23 460, 471 2,25 469 3,1 466 3,1f 464 3,1 f. 459, 554 3,9 f. 434 4,6 469, 471 4,8 469 4,11 f. 131
5,1 ff. 467 5,1–6 472 5,3 61 5,5 f. 473 5,6 475 5,7.17 f. 454 5,7 f. 116, 467 5,8 169 5,9 467, 488 5,11 473 5,11c 473 5,13–18 454 5,14 466 5,14 f. 72 5,14 ff. 453 5,16 473, 475 5,16 ff. 486 5,19 f. 475, 502 1. Petrusbrief 1 59, 112, 120 1,1 457, 457 1,2 112 1,17 120 1,18 ff. 112 1,19 112 2 361 2,13–17 131 2,24 107, 212 3,9 130 3,13 353 3,18 29 3,22 100, 105 4,9 59 4,14 434, 557 4,16 26 4,17 94 5,1.13 361 5,7 132 5,8 119 2. Petrusbrief 1,1 1,13 ff. 3,2 3,3 3,10 3,10.12 3,15 f.
460 361 69 61 117 118 223
1. Johannesbrief 1,7
112
Stellenregister 2,1 2,1.29 2,6.27 f. 2,19 2,28 2,28 f. 3,2 3,4 3,6.24
19, 28 99 119 532 116 580 116 254 119
3. Johannesbrief 6
369
Judasbrief 1 17 f. 18,1
460 69 480
Apokalypse 1,3 63, 91 1,4–20 145 1,5 12, 108, 113 1,7 116 1,10 65, 79 1,12 ff. 217 2 117 2,1 145 2,3 117 2,6.15 146 2,9 571, 575 2,13 437 2,13) 535 2,20 64 2,23 120 3,1 145 3,2 f. 119 3,9 571, 575 3,14 88, 108 3,20 101 3,21 121 4,1 65 4,5 145 5,6.9 112 5,11 52 6,3–8 172 6,10 132 6,16 124 7,4–10 463
7,17 126 8,2–11,19 145 10,7 460 11,1–13 535 11,3–14 437 11,8 111, 167, 535 11,15 114 12,6 167 14,4 134 14,6 94 15,1–17,1 145 15,3 460 16,14 118 16,15 117, 119 17,3 197 17,6 535 18 535 18,4 167 18,8 172 19 121 19,1.3 f.6 88 19,7 122 19,9 52, 101, 122 19,13 121 19,19 ff. 132 20 121 20,4 121 20,4 f. 52, 327 20,9 535 20,12 f. 120 21 126 21,1.5 52 21,1–27 121 21,2.9 f. 122 21,3 f. 126 21,10 197 21,12.14.18–21 463 21,14 69 21,22 122 21,27 285 21 f. 535 22 126 22,1.3 122 22,3 52 22,3 f. 116 22,7.10.18 f. 63 22,18 91 22,20 81, 101
709
710
Stellenregister
VI. Neutestamentliche Apokryphen 1. Apokalypse des Jakobus (NHC V, 3) p. 32, 1 ff. 423 p. 36, 15–24; 37 308 CT 2: p. 22,27; 23–25 308 2. Apokalypse des Jakobus (NHC V,4) p. 44,13 423 p. 45,8 500, 502 p. 55 489 p. 60,4 423 p. 61 f. 504 Ebionäerevangelium bei Epiphanius, Panarion 30,16,5 486 Epistula Apostolorum 15(26) 84, 356 Hebräerevangelium bei Hieronymus, De viris illustribus: 2,12 f. Frag. 5 100, 423, 476 ff., 482 bei Origenes, Comm. in Joannem: 2,12 Frag. 2a 197 Petrusakten 37–41
361
Petrusevangelium 28 561 34–49 561 47 f. 561 Protevangelium des Jakobus 6,1 283 18,1 ff. 567 f. Pseudoklementinen Epistula Clementis ad Iacobum 1,1 452 15,4 286 Homiliae 1,9,1 f.
303
2,4,1 f. 303 2,17,3 261 2,22–26.35 193 3,18,2–3,19,1 551 3,29 f.38–43.58 193 3,56,4 486 3,70,1 552 3,70,2 552 7,8,1 f. 414 11,28,4–11,29,2 552 13,4,3 286 Recognitiones 1,27–71 504 1,37,2 515 1,37.39 486 1,39,3 515 1,43,1 505 1,43,3 423, 490, 499 1,44,2 505 1,64,1 f. 486 1,68,1 f. 505 1,70,1–8 499, 505 1,71,2 515 2,46,3–5 551 3,49,5 227 6,11,2 f. 552 Thomasakten 49
81
Thomasevangelium 1 479 12 423, 478 f., 482 13 479 21 117 31,1 446 39 551 61 117 68 539, 557 68,1 f. 539 93 256 102 551
711
Stellenregister
VII. Apostolische Väter Barnabasbrief 2,5 2,6 4,9 6,2 6,15 12,2 f. 12,5 ff. 12,10 16,6–10 18 ff.
83 159 47 107 47 609 609 100, 477 47 91, 488
1. Clemensbrief 2,1 5 5,1–7 6 13,1–4 23,3 36,5 42 42,1–4 42,1–5 42,4 f. 44 44,1–5 47,1 47,6 48,4 59,2 ff. 59–61
58 70 361 435 91 469 100 69 312 34 466 69 34 70 34 488 84, 107 85, 88
2. Clemensbrief 5,2 ff. 11,2 f. 12,1
433 469 118
Didache 1,1–6,1 488 1,3 368 1–6 91 4,12 553 5,1 553 7,1 27 7,1.3 192, 289 8,1 591 8,1 f. 553 8,2 40, 585 8,3 58, 553, 585, 591 9,1 ff. 80
9,2 84 9,2 f. 107 9,3 f. 85 9,4 81, 463 9,5 80, 256 10,1–4 80 10,2 f. 107 10,5 81, 463 10,6 81, 83, 85, 101 10,7 58 11 70 11,3 ff. 63 11,3–6 58 11,6 63 11,7–11 58 12,1 ff. 58 13 63 13,1 56 13,1–6 58 13,2 58 14,1 79, 84, 591 15,1 466 15,1 f. 58, 368 15,2 58 16,3 61 16,5 429 16,6 116 Hermas Mandata XI (43),1–21
63
Similitudines 8(72),6,3 f. 103 9,11,7 607 IX,25,2 466 Visiones 1,1,3 2,1,1 2,3(7),4
197 197 65
Ignatius Epheser 10,1 11,2 12,2 14,2 20,2
607 342 70 342 477
712
Stellenregister
Magnesier 4,1 8,1 9,1 9,1 f. 10,1.3 10,3
342 337 ff. 83 337 342 337 ff.
Philadephier 6,1 9,1
337 ff., 342 487
Polykarp 1,3 3,2 7,3 9,1
607 70 342 70
Römer 2,2 3,2 f.
342 342
3,3 4,3
342 70, 361
Smyrnäer 2,1–3,3 3,2 8,2
29 70 80
Trallianer 6,1
342
Martyrium Polycarpi 7,3 537 9,3 537 Polykarp von Smyrna Philipper 2,1 2,1 f.
100 105
VIII. Kirchenväter Apostolischen Konstitutionen 7,26,5 81, 83, 85 8,13,13 83, 85 Athanasius Expositiones in Psalmos 1,1 551 Augustin Briefe 102 102,8
174 301
Clemens Alexandrinus Hypotyposes Frag. 10 Frag. 13
423 423
Paedagogus 2,6,49,1
283
Stromateis 1,11,3 2,118,3–5 3,12,4 3,25,5–3,26,3
478 146 180 146
6,43,3 6,68,3
114 477
Cyrill von Jerusalem Catecheses ad illuminandos 12,23 551 Didymus der Blinde Comm. in Job 12,1–16,8
551
Ephrem von Nisibis Kommentar zum Diatessaron SC 121, S. 93 27 Epiphanius Panarion 25 29,3,9 29,4,2 ff. 29,7,4 29,7 f. 29,9,2 30,2,7 30,16,5
146 490 486 596 598 583 598 486
713
Stellenregister 30,16,7 78,7 78,13,2 78,13,5 78,14,1 78,14,6
486 423 54, 447 486 486 507
De mensuris 14 f. 15
441 515
Euseb Chronicon Hieronymi ed. Helm p. 179 303 p. 194 539 p. 196 539 p. 198 f. 539 p. 201,15 ff. 539 p. 210 182 ed. Schoene p. 152 303 Commentarius in Iesaiam prophetam 18,1 606 De martyribus Palaestinae 11,23 531 Demonstratio evangelica 3,5,108 541 3,5,109 541 f. Historia ecclesiastica 1,7,14 306, 344, 447, 598 1,13,11 309 1,13,11–14 310 1,13,1–22 309 1,13,2 309 1,13,6–10 309 2,1,13 195 2,1,14 223 2,1,2 491 2,1,2–5 423 2,1,3 482, 490 2,1,4 f. 477 2,1,5 481 2,6,2 347 2,9,2 f. 350 2,13,6 192 2,16,1 303 2,16,2–2,17,20 303 2,23,1 491 2,23,10 f. 475, 501
2,23,11 2,23,12 2,23,12 f. 2,23,12 ff. 2,23,13 2,23,15 f. 2,23,15–18 2,23,18 2,23,2 2,23,2.6.11–16 2,23,20 2,23,25 2,23,3–24 2,23,4 2,23,4.7 2,23,4 ff. 2,23,4–18 2,23,5 ff. 2,23,6 2,23,6.11 f.17 f. 2,23,8 2,23,8–10 2,23,9.14 2,24 2,25,8 3,5,1 3,5,2 3,5,2 f. 3,5,3 3,5,4 3,5,4–3,8,9 3,6,28 3,7 3,7,8 3,8,7 ff. 3,11 3,12,1 3,12.19 3,18,4 3,19 3,19,1–3,20,7 3,19–3,20,6 3,22 3,27 3,31,3 3,31,4 3,32,1 3,32,1–3 3,32,1–4 3,32,2 3,32,2.3 3,32,3
454 501 487 83, 502 100, 477 504 161 307, 507 f., 533 488 499 510 454 440 475, 482, 490 423 481 423 483 47, 485 47 487, 527 487 445 303 70, 361 512, 514 491 513 63, 167, 441, 517 513 513 511 513 509 517 437, 491, 520 524 344 525 524 344 524, 542 490 24 64, 486 64 490 45 529 533 530 530
714
Stellenregister
3,32,3.6 3,32,3 f. 3,32,5 f. 3,32,6 3,32,7 3,32,7 f. 3,33,1 ff. 3,35,1 3,37,1 3,39,16 3,39,9 3,39,9 f. 4,3,1–3 4,5,1 f. 4,5,3 4,6,3 4,6,3 f. 4,8,4 4,18,6 4,18,7 4,22,4 4,22,4 f. 4,22,4 ff. 4,22,5 4,22,6 4,22,7 4,22,8 5,1,15 5,10,2 5,11,3 ff. 5,14 5,17,2 f. 5,17,2 ff. 5,17,3 5,18,3 5,19,3 5,23 ff. 5,24,2 5,24,2 f. 5,28,5 7,19 7,32,29 8,8 13,20
437, 531 534 344, 446 504, 530, 533 521 523 533 540 63 126 64 181 63 540, 542 539, 541, 544 514, 539, 601 539 212, 356 601 604 490, 521 490, 530 522 527 528 489, 522, 527 480, 483, 601 581 180 478 64 63 64 182 64 64 84 64, 182 181 89 491 491 531 309
Onomastikon 598 750 807 945
597 184 598
Praeparatio evangelica 9,30,3 f. 298
Georgios Synkellos Chronographia 657
371
Hegesipp
→ Sachregister
Hieronymus Commentarii in Esaiam prophetam 2 583 f. Commentarii in Amos prophetam 1,11 f. 584 Commentarii in Zachariam prophetam zu Sach 14,10 f. 425 Epistulae 108,13
189
De viris illustribus 2,3 ff. 2,7 2,8 2,12 f. 2,14 8,1–3 21,3 22,1
481 100, 488, 499 481 423, 476 509 303 607 480
Hippolyt Refutatio omnium haeresium 6,37,6 89 7,35,1 24 9,26,2 403 Irenaeus Adversus haereses 1,23 1,23,2 1,26,2 2,22,3 3,1,1 3,3,2 3,12,8 4,11,3 4,23,2 4,33,4 5,1,3 5,33,3 f.
192 192 24, 43, 567 30 70 70 198 83 198 24 24 127, 327
Stellenregister Justin 1. Apologie 1,1 14,3 15,9 26 26,2–4 26,3 31,6 47,1–6 47,6 61,3.10–13 65–67 66,2 f. 66,3 67 67,2–5 67,3 67,3.8 67,3 f.
601 607 607 605 191 192 164, 212, 356, 420, 497, 602 f., 607 f. 602 539 103 87 79, 86 70 81, 90 79 70 74 76
2. Apologie 5(6),6
73
Dialogus 1,3 602 8,3 f. 593, 603 9,1 603, 608 9,3 602 f. 10,1 605 10,2 605 11,4 159 12,2 f. 159 14,3 159 16 588 16,2 539 16,4 606, 607 f. 17,1 534, 561, 604 18,3 159 20,3 283 30,3 73 32,1 212, 430, 608 35,8 73, 607 38,1 538, 608 38,2 608 39,6 603 40,4 296 43,3–7 566 43,8 566, 608 46,1 f. 598 47 598
47,1–4 403, 603 47,4 606 48,2 608 62,2.3 608 67,1 f. 566 68,7 608 69,6 f. 506, 560 71,1 608 71,3 566 76,6 73 80,4 142, 489, 527 f. 81,4 63 83,1 608 84,3 f. 566 85,1 f. 73 85,7 607 89,2 212, 430, 608 90,1 212, 430, 608 90,4 f. 609 91,3 609 91,4 609 93,4 212, 606 94,1 ff. 609 94,4 608 94,5 430, 608 95,1 430 95,1 f. 608 95,2 212 95,4 608 96 588 96,1 430, 608 96,2 606, 608 96,3 607 102,5 608 103,2.9 608 103,8 70 106,1–107,1 70 108,1 f. 506 108,1 ff. 561, 604 108,2 30, 534, 560, 605 108,3 606 110,1 608 110,5 608 111,1 609 111,2 212 112,2 608 f. 112,2 f. 609 112,4 538 114,3 608 117,3 604, 605, 608 117,3.4 608 120,5 608
715
716 121,4–122,4 131,4 133,6 134,1.2 134,3 137,2 137,3 140,2 142,2
Stellenregister 602 609 606, 607, 608 608 23 586, 606, 608 f. 503 608 608
Laktanz Divinae institutiones 5,3,4 565 Minucius Felix Octavius 9,2–7 10,3 f.
605 600
6,27 6,34
605 508
De principiis 4,3,8 4,3,8.10
425, 522 188
Orosius Adversus paganos 7,6,15 174 7,10,1 525 Papias von Hierapolis (Fragmentenzählung nach Lindemann / P aulsen) Frag. 1 127 Frag. 3 127 Frag. 11 352, 580 Frag. 12 352, 580
Origenes
Ps-Cyprian
Commentarii in Romanos 2,9,27 454 4,1,5 454
De rebaptismate 6
Commentarii in evangelium Ioannis 2,12 197 13,27 522 20,10(66) 454
27
Tertullian Adversus Iudaeos 10,10 13,3 f.
609 539
Commentarii in evangelium Matthaei 10,17 510 14,7 114
Adversus Marcionem 3,18,6 609 4,33,8 114
Contra Celsum 1,6 1,28 1,28.32 1,32 1,38 1,47 1,57 2,1 2,1.4 2,4 2,4 f. 2,12.45 2,13 2,55 3,55 4,52 5,61 6,11
Apologeticum 1,4 2,6 f. 2,6–9 3,6 5,4 7,1 8,2 18,9
26 533 26 26 524 605 605 600
De carne Christi 2,3 14,5 24,2
66 24 24
De monogamia 17,1
54
375 302, 375, 566 590 565 194 510 191, 522 425 f. 506 426, 559 534 286 510 445 265 601 24, 567 522
De praescriptione haereticorum 10,8 24
717
Stellenregister 33,5 41,5 44,5
24 73 73
De spectaculis 30,5 f. 30,6
565 506
Theodoret von Cyrus Commentarius in Iesaiam 56,2 283
IX. Rabbinisches Schrifttum und Verwandtes 1. Mischna , Tosefta, Talmudim und außerkanonische Traktate Mischna mAv 1,2 mAv 2,8 mAv 3,1 mAv 3,2 mBer 4,3 mBer 5,5 mChal 4,8 mJad 3,4 mJad 4,6 mKet 7,10 mMak 3,10–14 mOh 18,9 mSan 6,1–6 mSan 6,4 mSan 6,5 f. mSan 7,1.4–8 mSan 7,4 mSan 9,1 mSan 9,6 mSan 10,1 mSan 10,4 mSot 9,14 mTaan 1,4 ff. mTaan 1,6 mTaan 3,8 mTaan 4,6 mTam 5,1 mYoma 8,1
480 544 550 91 588 466 320 595 595 264 131 274 161 497, 504 508 161 590 350 477 532, 590, 594 350 535 484 484 577, 593 541 591 484
Tosefta tBer 3,25 tChal 2,11 tChul 2,20 f. tChul 2,20–23 tChul 2,21 tChul 2,22 f. tChul 2,24
588 320 592, 594 576, 580 f. 594 73, 538, 593 538, 589
tJad 2,13 tMeg 3,6 tOh 18,13 tSan 13,4 f. tShab 13,5 tTaan 3,25
595 149 274 591 596 587
Babylonischer Talmud bAZ 16b–17a 538 bAZ 27b 73 bBer 28b–c 587 bBer 56b 594 bGit 45b 596 bGit 56a–b 509 bMeg 17b 588 bMeg 26 149 bMeg 26a 144 bMeg 26b 550 bMen 99b 594 bSan 43a 559, 590, 606 bSan 43a–b 542 bSan 67a 590 bSan 82b–83a 477 bSan 107 506 bShab 54 544 bShab 104b 590 Jerusalemer Talmud jAZ 2,2/12 73 jAZ 2,2/7 73 jBer 1,3c 591 jBer 2,5a 588 jBer 4,8a 588 f. jMeg 3,74a,18 144 jSan 1,18a, 42 f. 495 jShab 14,4/13 73, 594 jShab 14,4/8 73 jTaan 2,2,65c 587 ff. jTaan 4,8 69a 558 jTaan 4,8,69b 541
718
Stellenregister
2. Targumim, Midraschim
3. Sammelwerke und Sonstiges
Profetentargum TgJes 53 TgJes 53,1
159 94
Midrash Rabba QohR 1,8(3) QohR 10,5
Achtzehnbittengebet 12. Bitte 75, 212, 434, 532, 547, 579, 581, 582–589, 601, 607, 609
73 73
Pesiqta de-Rav Kahana PesK 1,37 548 Pesiqta Rabbati PesR 21 PesR 131a
590 510
Fastenrolle MegTaan 6,15 MegTaan 22
495 186
4. Samaritanische Literatur Memar Marqah 1,1.2 6,6
189 193
X. Pagane Literatur Ammianus Marcellinus
Cassius Dio
Res Gestae 14,8,11
Historia Romana 60,6,6 f. 60,11,1 f. 66,7,2 67,14,1 f. 68,32,1–3 68,32,3 69,12,1 f.
267
Apuleius Apologia 25 f. 40,3 90,5
373 373 374
Cicero
Arat Phaenomena 5
37
Aristoteles Nikomachische Ethik 1159b31 37 1168b7 f. 37 Artemidor Onirocriticon 1,51,30
264
Athenaios Deipnosophistai 5,210
301 172 526 525 371 536 514, 541
332
Ad Atticum 5,21,14
392
Ad familiares 13,73,2
392
Pro Archia 2,4
331
Diodorus Siculus Bibliotheke 10,3,5
37
Epictetus Dissertationes 4,7,6
30
719
Stellenregister Euripides Bacchae 794 f. 795
Martial 37 232
Epigrammata 6,93 12,59
264 264
Eutropius
Ovid
Breviarium ab Urbe Condita 7,10,3 267
Metamorphoses 8,620–724
Herodot
Periplus Maris Erythraei 19 272
Historiae 5,92
164
Briefe 89a 454b8
30
Contra Galilaeos 206
262
Justin Epitome des Pompejus Trogus 36,2,1 299 Justinian Novellae 103
267, 269
Juvenal Saturae 14,96–106
275
Libanios Orationes 11,44–58
484
Platon Apologie des Sokrates 29d 37, 47 Phaidros 279c
37
Politeiea 424a 449c
37 37
Plinius d. Ä. Naturalis historia 5,70 5,73 6,186(25) 30,2,11
442 39 195 374
Plinius d. J. 329
Livius Ab urbe condita 1,54
Philostrat Vita Apollonii 1,8.16
Julianus Apostata
388
163 f.
Epistulae 10,96,2 f. 10,96,5.6 10,96,5 f. 10,96,7 10,96,9
Lukian
Plutarch
De morte Peregrini 11–14 389 13 43
Moralia 2,173d
533, 581 212 164, 356, 497 80 300, 532
58
720
Stellenregister
Seneca Epistulae morales 81,17 104,1
58 173
Sophokles Antigone 450–460
37
Strabon Geographika 7,3,9 12,2,6,537 12,6,3,569 14,2,29,663 16,2,28 16,2,4 f. 16,2,5
37 392 392 392 263 329 329
Sueton Augustus 98,4 f.
374
Caligula 19,3
374
Claudius 18,2 25,4
172 89, 174, 301
Domitian 12,1 f. 12,2
527 526
Nero 16,2 20 f. 21,1 33,2
434 360 360 360
38,2 49,1 49,4
360 360 360
Tiberius 14,4
374
Vespasian 4,4
360
Vitellius 4,1 11,2
360 360
Tacitus Annalen 2,69,3 375 2,85 149 12,43 172 13,54 359 15,44,2–5 360, 435 15,44,4 300, 435 16,22,1,1 360 16,30 f. 373 Dialogus de oratoribus 17,3 512 Historien 2,78,4 5,9,2
266 347
Thukydides Über den Peloponnesischen Krieg 2,97,4 58 Vergil Eclogae 4,18–25
324
XI. Inschriften, Papyri und Nachschlagewerke AE 1940, 201 1941, 00105 1947, 00039 1971, 88
383 271 271 211
Bodmer-Papyri 5
567
XLI (ed. R. Kasser / P. Luisier) 237, 238 L. Boffo, Iscrizioni greche e latine per lo studio della Bibbia, 1994 Nr. 23 329 Nr. 28 375
721
Stellenregister Nr. 29 (Gallio-Inschrift) 171 Nr. 31 150 Nr. 34–35 272
II Nr. 26, 43, 206 II Nr. 168 II Nr. 248–250 III Nr. Cyp6–Cyp8
161 380 208 371
CIIP 142 I / 1 Nr. 9 150 I / 1 Nr. 534 45 II, 59 ff. 277 II Nr. 1350 273 III Nr. 2302 265 III Nr. 2309 265 III Nr. 2300 265
ILS Nr. 5926
375
MAMA VI 263
383
CIJ 662 161 2.1404 34, 150, 156 CIL III Nr. 13483a VI 31545
272 375
CPJ I Nr. 2 II Nr. 153
267 302, 336
IGRR IV 656
383
IJO I Nr. 66, 67
184
D. Noy, Jewish Inscriptons of Western Europe I, 1993 Nr. 180 161 II, S. 539 148 L. Y. Rahmani, A Catalogue of Jewish Ossuaries in the Collections of the State of Israel, 1994 142 258 f., Nr. 871 45 Oxyrhynchus-Papyri LXXIV 198 SEG VIII (1937) Nr. 170 150 XX (1964) Nr. 302 367, 375 f. SGUÄ I Nr. 5224,20
40
Autorenregister Die kursiv gedruckten Seitenzahlen beziehen sich auf die Anmerkungen. Achenbach, R. 185 Adamietz, J. 275 Ådna, J. 152, 159, 354 f., 406, 465, 485 Aland, B. 191 f., 194 Aland, K. 32, 197, 478 Albertz, R. 314 ff., 402 Alexander, L. 141 Alexander, P. S. 75, 538, 546, 576, 580–584, 586, 588–590, 591 f., 595, 599 Alföldy, G. 266 Allen, O. W. 360 Allison, D. C. 65, 134, 434, 452–455, 457 ff., 460–461, 464, 466, 467, 468–470, 473 f., 488, 492, 501 Al-Suadi, S. 374 Ameling, W. 161, 208, 263, 267, 271, 277, 380 Amsler, F. 181 Armitage, D. C. 472 Attridge, H. W. 144 Aune, D. E. 17, 59, 145, 374 Avemarie, F. 4, 13, 15, 20, 26 ff., 35, 61, 103, 140, 152, 161, 180 f., 183, 188 f., 191, 194 ff., 198 f., 205, 214, 227, 228 f., 231, 237, 254, 257 ff., 262, 271, 280 f., 286 f., 289, 292, 324, 372, 374, 412 ff., 459, 467, 469, 527, 536, 554, 590, 594 Avni, G. 298 Bachmann, M. 151, 153, 155, 162, 411 Back, F. 162, 217 Backhaus, K. 3 Baldwin, M. C. 361 Bamberger, S. 585 Barag, D. 45 Barclay, J. M. G. 204, 331, 334 Bar-Nathan, R. 441 Barnes, T. D. 525, 530 ff., 533
Barrett, C. K. 3 f., 13 f., 17, 20, 36 f., 44, 78, 100, 112, 139, 141, 150, 154 f., 167, 173, 175, 180, 189, 195, 198, 223, 224, 227, 302, 355, 362, 371, 391 Barthold, A. C. 499, 607 Bauckham, R. 24, 36, 43, 47, 147, 243, 246, 251, 260, 283, 306, 308, 310, 344, 366, 406, 414, 440, 444–447, 453, 455, 482, 485, 489, 500, 507, 521 f., 525, 537, 542 Bauer, W. 27, 172, 365 Bauernfeind, O. 288, 333 f., 337 Baumgarten, A. I. 424 ff., 445, 565 Becker, A. H. 426, 546 Becker, H. J. 432, 437, 548, 550, 554, 555, 557, 558 Becker, J. 207, 209, 218, 230, 346, 572 Belke, K. 385 f. Ben-Ḥayyîm, Z. 189 Berger, K. 47, 290, 322 f., 346, 403, 457, 462 Bergmeier, R. 38 Bernett, M. 168, 184, 266 Bernheim, P.-A. 8, 245, 443 Bertram, B. 12, 385 Bethge, H.-G. 308, 478, 539 Betz, O. 12 f., 15, 16, 38, 93, 98, 113, 152, 206, 231, 251, 341 Beyer, K. 186, 495 Beyschlag, K. 189, 191 f., 193 Bickermann, E. 12, 281 Bienert, W. A. 344, 444, 446 Bietenhard, H. 28 Bilde, P. 144 Binder, D. D. 23 Bird, M. F. 56, 149, 188, 251, 255, 409 Blaschke, A. 403 f. Blinzler, J. 161 Bloch, R. 388 Bloedhorn, H. 184, 330
Autorenregister Blum, E. 315, 402 Bock, D. L. 494, 496 Bockmuehl, M. 12, 125, 167, 239, 278 f., 298, 299, 330, 338 f., 360 f., 411, 414 f., 466 Boffo, L. 150, 173, 272, 329, 375 Böhm, M. 183, 185 ff., 404 Bolton, D. L. 283 Botermann, H. 174, 301 Böttrich, C. 251, 355 Bourgel, J. 483, 509 f. Bovon, F. 156, 180, 258, 288, 300, 434 Braarvig, J. 373 Brands, G. 329 Braun, H. 139, 153 Bremmer, J. N. 342, 373, 526 Brenk, F. E. 229 Breytenbach, C. 108, 367, 369, 375–380, 384 ff., 388 f., 392 ff. Brink, L. 273, 277 Broadhead, E. K. 167, 301, 419, 546, 583 Broadie, A. 189, 480 Brock, S. P. 183, 309 f., 309 Brockhaus, U. 51 Broer, I. 139 Brooten, B, J. 330 Brox, N. 103, 146 Bruneau, P. 184 Bultmann, R. 108, 179, 207, 209 f., 346 Burchard, C. 162, 217, 230, 453, 455, 461 f., 467 Burkert, W. 37 Butticaz, S. 382 Byrskog, S. 233 Caballos, A. 341 Calhoun, R. M. 467 Calpino, T. J. 182, 263 f. Campbell, D. A. 379 Campbell, J. B. 272 Capper, B. J. 36, 39 Carleton Paget, J. 24, 26, 149, 153, 167, 251, 303 f., 396, 419, 425 f., 429, 488, 494 ff., 498 f., 512, 537, 546, 565, 567, 600, 610 Carlston, C. E. 550, 555, 565 Casson, L. 272 Chapman, D. W. 106, 211, 531 Chilton, B. D. 483 f. Clauss, M. 387 Claussen, C. 34, 38, 148, 150, 161, 330
723
Cohen, S. J. D. 276, 424, 527, 534, 583, 601, 604, 606 Collins, A. Y. 351 Collins, J. J. 38 Colpe, C. 3, 30, 192 Conzelmann, H. 3, 108, 113, 179, 231 Cook, J. G. 106, 144, 211, 262, 286, 361, 375, 435 f., 525, 531, 533 Correns, D. 264, 497, 588, 590, 595 Cotton, H. M. 271, 518 Crown, A. D. 183 Cullmann, O. 183, 185, 251 Dalman, G. 543 Dautzenberg, G. 59 Davids, P. H. 453, 462, 469 f., 472 Davies, G. A. 190 Davies, W. D. 134, 327 Decker, W. 383 Dehandschutter, B. 533 Deichgräber, R. 86, 88 Deines, R. 21 f., 43, 50, 66 f., 90, 127 ff., 144, 167 f., 175, 206, 210, 253 f., 264, 280, 323, 395 f., 398, 407, 412–415, 414 f., 422 f., 438, 440 ff., 444, 446 ff., 450, 452 f., 455, 459, 460, 462, 465, 466, 467, 469 f., 472–475, 483, 488, 491 f., 499 ff., 504, 505, 508 ff., 529, 534, 548, 555, 557, 568 Deissmann, A. 173 Delling, G. 77, 86, 117 f. Demirer, Ü. 380 Derrett, J. D. M. 283 deSilva, D. A. 444, 446, 452 f., 470 Dibelius, M. 48, 49, 85, 85, 155, 261 Dickson, J. P. 180, 218, 276, 383 Dietzfelbinger, C. 207, 212, 223, 326, 395 Dimant, D. 14 f., 145 Dobbeler, A. v. 146, 180 ff., 188, 194, 197, 199 Dochhorn, J. 227, 463 Doering, L. 251, 413, 461, 467, 592, 606 Dschulnigg, P. 251 Dunn, J. D. G. 3 f., 12 f., 15 f., 20, 22, 24 ff., 28, 30 f., 34, 36, 46, 51, 74, 93, 113, 139 ff., 144, 147, 152 f., 158, 161, 163, 165, 169 ff., 175, 180, 191, 203, 206, 220, 223, 241, 244, 257, 259, 273 ff., 278, 283, 294, 330, 348, 369, 371 ff., 391 ff., 395 f., 398, 401, 404, 440, 443 ff., 452, 455, 456, 460, 461, 474, 520, 542, 546, 558, 561, 599 du Toit, A. 206, 209
724
Autorenregister
Ebel, E. 207 Eberhart, C. A. 108, 112, 497 Eck, W. 146, 149, 151, 171, 173, 267, 269–273, 294, 341 f., 375 f., 441 f., 472, 486, 493, 518, 530 f., 541 Ego, B. 89, 319, 321 Ehrlich, U. 583 f. Elbogen, I. 582, 584 Elgvin, T. 304, 597 Eliav, Y. Z. 509 Ellis, N. 462 Elmer, I. J. 139, 141, 261, 395 Eskola, T. 216 f. Evans, C. A. 497, 550, 555, 565 Feldmeier, R. 158, 255, 284, 315 Feldtkeller, A. 339, 412 Fernández, F. 341 Fidler, R. 315 Finegan, J. 169 Fischer, I. 314 Fisk, B. N. 152 Fitzmyer, J. A. 3 f., 6, 11, 13 f., 20, 23, 30, 34, 36, 41, 44, 58, 81, 112, 139 ff., 147, 149 f., 154, 169, 173, 180, 189, 191, 195, 199 f., 203, 210, 214, 221, 223, 227, 232, 237, 238, 242, 257 ff., 261, 272 f., 276, 319, 321, 329, 365, 372, 385, 392, 395, 405 f. Fletcher-Louis, C. H. T. 100 Flusser, D. 45 Forbes, C. B. 15, 59 Förster, N. 341, 528 f. Fossum, J. 100 Foster, R. J. 257, 455, 469, 473 Fredriksen, P. 222 Frenschkowski, M. 216, 373, 375 Frey, J. 3–6, 16 f., 19, 21, 38, 51, 53 f., 58, 89, 93, 97, 113, 142, 158 f., 170, 186, 203 ff., 208 ff., 215, 221 ff., 230, 235, 245, 251, 255, 300, 304, 322, 346, 351, 370, 393, 396, 398, 412, 419, 422 f., 425, 456, 458, 459, 460, 467, 474, 476, 480, 486, 497, 516, 526, 534 f., 540, 546, 568 f., 572, 573–577, 579 f., 582, 609 Freyne, S. 183, 255, 267, 281, 310 f., 316 f., 319, 324, 431 Friedrich, G. 59 Friedrich, J. 119 Funk, W.-P. 294, 308, 423, 479, 489, 500, 502, 504
Gäbel, G. 484 Gäckle, V. 281 f., 355, 413 García Martínez, F. 98, 106, 145, 157, 318, 585 Garsky, Z. 286 Gathercole, S. 567 Gauger, J.-D. 324, 362 Gehring, R. W. 34 Gemeinhardt, P. 344, 444, 446 Gemünden, P. v. 456 Genz, R. 107, 112, 180 f., 188, 194, 199 f., 234, 473 Gerdmar, A. 147 Gese, H. 86, 111, 158, 240, 315, 555 Gesenius, W. 267 Goodblatt, D. 493 Goppelt, L. 3, 251 Gorce, D. 244 Grappe, C. 24, 60, 251, 364, 421 Grässer, E. 3, 118, 139 Greenhut, Z. 298 Gunkel, H. 18, 279 Gussmann, O. 208 Haacker, K. 139, 203, 222, 462 Haar, S. 191 Habicht, C. 485 Hachlili, R. 149, 277 Hadot, I. 332 Haenchen, E. 3, 48, 48 f., 169, 180, 184, 199, 207, 209, 261 Haeuser, P. 430, 587, 603 ff., 607 f. Hagner, D. A. 424, 546, 610, 611 Hahn, F. 5, 12, 59, 74, 77, 93, 95, 223 Hahn, J. 332, 361 Hainz, J. 20 Halfmann, H. 375 ff., 383 f. Hallermayer, M. 319 Hannah, D. D. 100 Hanslik, R. 530 Harnack, A. v. 6, 22, 58, 71, 146, 172, 174, 182, 210, 238, 300 f., 445, 455, 466, 512, 542, 606, 610 Hartin, P. J. 443 f., 452, 460 Hartman, L. 70 Häuptli, B. W. 475 Heckel, U. 4, 34, 54, 58, 68, 130, 221, 327, 343, 368, 393, 454 f. Heemstra, M. 257, 429, 432, 495, 499, 525 f., 526, 531 f., 536 ff. Heid, S. 601 ff., 608 Heil, C. 7
Autorenregister Heiligenthal, R. 146, 462 Hemer, C. J. 393 Hemer, C. J. 393, 489, 527 f. Henten, J. W. van 207 Hentschel, A. 34, 141, 147 f., 182, 408, 449 f. Hermisson, H.-J. 219, 317, 327 Herrmann, K. 582 f. Herrmann, S. 219 Hezser, C. 577, 589, 593 Higger, M. 186 Hill, C. C. 139, 147 Hiltbrunner, O. 59 Hirschberg, P. 526, 578 Hirschfeld, Y. 38 Hoffmann, P. 30 Hofius, O. 65, 77, 104, 108, 122, 211 f., 215 ff., 244, 401, 411 Hogeterp, A. L. A. 46, 414 Holl, K. 20, 51, 51 Holladay, C. R. 298, 550 Holtz, G. 143, 150, 206 f., 222, 243, 562, 563, 564, 568 Holtz, T. 429 Hommel, H. 37 Hopfner, W. 329 Horbury, W. 24, 75, 93, 196, 304, 308, 309, 323, 327, 341, 356, 360, 371, 387, 403, 420, 426, 429, 441, 448, 463 f., 478, 509, 514, 518, 520, 522 f., 527, 531, 534 f., 536, 538, 541 f., 546, 556, 576 f., 582 f., 585 f., 589, 593, 597, 602, 604, 606, 610 Horn, F. W. 47, 209, 251, 361 Horowitz, C. 588 f., 591 Horst, P. W. van der 13, 37, 184 f., 275, 288, 310, 371 f., 374, 582 Houghton, H. A. G. 198 Huber, W. 84 Hulen, A. B. 601 Hunzinger, C.-H. 576 Hurtado, L. W. 17, 93, 97, 139, 147 Hvalvik, R. 301, 407, 604, 606 Ilan, T. 41, 189, 204, 262, 273, 343, 346, 372, 521, 564 Illert, M. 309 Instone-Brewer, D. 586 Jaffé, D. 595 f. Janowski, B. 126, 316 Jastrow, M. 25, 483 Jay, J. 359 f.
725
Jeremias, J. 57, 77, 211 Jervell, J. 10, 139, 180, 193, 199, 257, 260 f., 359, 382, 385, 451 Jeska, J. 141, 155 Jewett, R. 169, 171 Jipp, J. W. 283 Johnson, L. T. 450, 452, 455, 462 Jones, F. S. 24, 484, 504, 515, 567 Jonge, H. J. de 78 Joosten, J. 183 Jossa, G. 139, 153, 165, 546 Jost, M. R. 89 Kaestli, J.-D. 478 Kallai, Z. 314 Kampling, R. 430 Kapelrud, A. S. 161 Karrer, M. 144 Kasser, R. 237 f. Kauppi, L. A. 389 Kawerau, P. 306 Keel, O. 265 Keener, C. S. 3 f., 7, 10, 14, 30, 41, 78, 100, 139 ff., 145, 147, 150, 160, 162, 167, 169, 171, 173, 180, 183 ff., 189, 191, 194 f., 200, 203 f., 243, 251, 257, 259, 261–264, 283, 287–290, 312, 345, 348, 351 f., 357, 365, 367 ff., 371–375, 378, 385, 388 f., 392 f., 395 f., 398, 399, 404, 407, 412, 414, 480, 495, 498, 576 Kelhoffer, J. A. 71, 75, 214, 226, 264, 286, 426, 433, 437, 439, 532, 535, 537, 554 f., 576, 578 Kelley, N. 499 Kemler, H. 500 Kessler, N. 38 Kierspel, L. 574, 582 Kinzig, W. 601 Kippenberg, H. G. 183 f., 189 Klaiber, W. 381, 393 Klauck, H. J. 15, 34 ff., 191, 193, 335, 360, 361, 372–375, 387, 390, 414, 474, 476, 478 f. Klein, H. 4, 59 Klijn, A. F. J. 510 Kloppenborg, J. S. 30, 34, 46, 150 Knauf, E. A. 55, 236, 240, 242, 243, 296, 324 Knopf, R. 86 Koch, D.-A. 3, 89, 139, 158, 173, 180, 185, 196, 203, 207, 213, 240, 242, 252, 259, 294 f., 348, 352, 362, 364, 367, 369, 372,
726
Autorenregister
376, 378, 386, 393, 395, 412, 419, 427, 440, 445, 514 f., 519, 535, 599 Koenig, J. 244 Koetschau, P. 565 f., 605 Kolb, F. 329–332, 342 Konradt, M. 256, 409, 422, 443, 452, 454 f., 456 f., 461 f., 463, 464, 471 Kooten, G. H. van 24 Körtner, U. H. J. 32, 127, 197, 352, 580 Kraft, H. 469 Kraft, R. A. 144 Kraus, W. 23, 108, 139, 144, 153, 159, 185, 320, 327, 404, 406 Krauter, S. 130, 151, 174 f., 301, 351 Kremer, J. 13 Kretschmar, G. 77 Küchler, M. 150, 265, 305, 491, 503 f., 508 f. Kuhn, H.-W. 77 Kümmel, W. G. 169 Kvalbein, H. 251 Labbé, G. 171, 294 Lake, K. 191 Lampe, P. 97, 182, 251, 300, 435, 607 f. Landmesser, C. 129 Lang, F. 111, 362, 385 Lange, A. 211, 291 Langer, R. 582 ff., 586 f., 589, 607, 609 Lans, B. van der 342, 526 Lederman, Y. 542, 543 f. Lefkowitz, M. R. 481 Légasse, S. 203 Lehnardt, A. 541, 558, 587, 589 Leisten, T. 201 Leith, D. 198 Leloir, L. 27 Leon, H. J. 74, 148, 430, 466 Leonhardt, J. 74 Leppin, V. 244 Leutzsch, M. 63, 65, 103, 197, 607 Levine, L. I. 150, 230, 550, 587, 598 Levinskaya, I. 272 f., 330 Lichtenberger, H. 79, 112, 145, 222, 301, 335, 463, 470, 535, 571 Lietzmann, H. 3, 77, 80 ff. Lindemann, A. 32, 108, 127, 194, 352, 580 Linton, O. 51 Littman, R. L. 321 Lohmeyer, E. 81 f. Löhr, H. 84 ff., 88, 203, 275, 280 f., 466
Löhr, W. A. 303, 490 Lorenzen, S. 216 f. Lösch, S. 360 Loth, H.-J. 255 Lüdemann, G. 140, 169, 191, 251, 302, 477, 514 Luomanen, P. 419 Luz, U. 40, 134, 188, 256, 438, 551, 560, 563 f., 576 Macdonald, J. 189, 193, 480 Mach, R. 479 Magda, K. 210 Magness, J. 441, 478, 508, 518 Maier, J. 538, 595 f. Maier, P. L. 11 Mallampati, H. B. 380 Manns, F. 539 Maraval, P. 3 Marcovich, M. 602 Marcus, J. 75, 461–464, 586 f. Marguerat, D. 3, 18, 36 f., 41, 78, 147, 152, 223 Markschies, C. 86, 89, 296, 303, 447, 522 f., 598 Martinet, H. 526 Martini, W. 378 Mason, S. 26, 208, 347, 494 Matthews, C. R. 180 f. Matthews, S. 151, 492 Matusova, E. 284 f. McLaren, J. S. 495 Meerson, M. 375, 566 Meier, J. P. 56 Meier, M. 268, 329 f., 332 f., 336 f. Meinhold, A. 585 Meisner, N. 284 f. Mel, K. 284 Merkel, H. 303, 323 Merklein, H. 134 Merz, A. 171, 310 Metzner, R. 173 Meyer, A. 457 Meyer, E. 3, 238 Meyer, M. 268 f. Meyer, R. 20, 44, 48 Michel, O. 288, 333 f., 337 Millar, F. 294 Miller, T. A. 338 Mimouni, S. C. 3, 139, 245, 251, 407, 419, 471 Mineshige, K. 36
Autorenregister Mitchell, S. 373, 375 ff., 379 f., 384, 386 ff., 392 Mittmann, S. 314, 380 Mittmann, U. 29, 77, 81, 88, 96, 98 f., 107, 110 f., 166, 199, 226, 259, 312, 381 f., 473 Mizrahi, N. 145 Moffitt, D. M. 162, 484 Morgenthaler, R. 8 Moule, C. F. D. 141, 147 Mras, K. 43 Müller, C. D. G. 84, 356 Müller, C. G. 54, 59 Müller, U. B. 12 Musurillo, H. 447, 565, 601 Mutschler, B. 271 Nägele, S. 13 Naʾaman, N. 186 Neef, H.-D. 21, 313, 315 Nestle, E. 359, 362 Neudorfer, H.-W. 139, 141 Newsom, C. 15, 145 Nicklas, T. 218 f., 361, 474, 484, 561 Niebuhr, K. W. 153, 203, 206 f., 211, 213, 254, 452, 457, 458, 460–464, 468 f., 471, 474 Niederwimmer, K. 79, 116, 344 Niehoff, M. R. 304 Nienhuis, D. R. 454, 457, 465, 473, 501 Nissen, A. 129 Noack, B. 13 Nock, A. D. 214 Noy, D. 148, 161, 184, 371 Ogereau, J. M. 369 Öhler, M. 36, 41, 175, 245, 345 f., 367, 375–378, 395 f., 409 Oliver, I. W. 10, 264, 281, 283 Olshausen, E. 379 Olsson, B. 23 Omerzu, H. 203, 205 Oppenheimer, A. 262, 270, 308, 536 Ostmeyer, K. 87 Ottenheijm, E. 550 f., 554 Overbeck, F. 149, 261, 264, 373 f., 390, 398 Overman, J. A. 75, 510 Painter, J. 8, 245, 440, 443, 445, 452, 477 ff., 489, 491, 495, 509 Pamir, H. 329 Parker, D. C. 198 Paschen, W. 282, 283, 285
727
Patrich, J. 266 f., 269, 274 Paulsen, H. 32, 127, 352, 580 Pearson, B. A. 31, 252 Pellegrini, S. 567 Perkins, P. 251 Perlitt, L. 313 Pervo, R. I. 151, 261 Pesch, R. 155, 180, 184, 199, 226, 251, 257 ff., 262, 287, 385, 406 f. Petersen, A. K. 546 Pfaff, H. M. 21 Pickering, S. R. 198 Pietersma, A. 374 Pilhofer, P. 156, 380, 383, 459, 466 Plassart, A. 173 Plisch, U.-K. 256, 308, 539 Plümacher, E. 4, 11, 224, 231, 381 Poirier, J. C. 15 Pokorný, P. 4, 221, 343, 393, 454 f. Popkes, E. E. 156, 478 f. Popkes, W. 456, 460 Pöthig, C. 270 Pratscher, W. 422 f., 440, 445, 452, 479 ff., 484, 487, 489, 492, 495, 497, 500, 539 Preuschen, E. 524 Prigent, P. 126 Pucci Ben Zeev, M. 270, 336 Pummer, R. 183, 189 Qimron, E. 21 f., 196, 256, 411 Rabens, V. 17 Rad, G. von 314 Radl, W. 10 Rahmani, L. Y. 45, 142, 149, 354, 550 Ramelli, I. L. E. 309 f. Rauschen, G. 601 Reed, A. Y. 167, 414, 426, 546, 553 Reeg, G. 130 Regev, E. 46, 494, 499 Reif, S. C. 583 Reinbold, W. 141, 251, 259, 300, 378 Reinmuth, E. 152 Rengstorf, K. H. 53, 496 Repo, E. 24 Resch, A. 117 Rey, J.-S. 414 Riedweg, C. 37 Riesner, R. 25, 42, 64, 67, 97, 114, 149, 162, 169–175, 203, 221, 238, 295, 343, 349, 353, 369, 375 f., 378, 380, 392 f., 397, 466 f., 598
728
Autorenregister
Rinaldi, G. 262, 300 Robinson, J. M. 30 Robinson, T. A. 329 Rocca, S. 23, 160 Roloff, J. 112, 155, 230, 234 Rothschild, C. K. 224, 261, 273, 357 Rowland, C. 42 Rubin, R. 380, 387 Rudolph, D. J. 283, 346 Rüger, H.-P. 81, 462 Runesson, A. 23 Rusam, D. 155 Saddington, D. B. 270 Sæbø, M. 117 Safrai, Z. 548 f., 562, 568 Salzmann, J. C. 74, 76, 86 Samkutty, V. J. 183, 185 Sandnes, K. O. 65, 217, 219, 383 Sandt, H. van de 256 Sänger, D. 3, 130 Schaeder, H. H. 25 Schaefer, C. 10, 124, 224, 257, 380 ff., 399, 406, 531 Schäfer, P. 25, 73, 154, 276, 298, 302, 375, 424, 428, 430, 506, 536, 538 f., 542, 543 f., 559, 565 f., 571, 582, 584, 585, 586, 587, 588, 590, 593 f., 605 Schäfer, R. 175, 210, 212 f., 231, 276, 345, 395 f., 398 Schäfke, W. 86 Schalit, A. 492 Schaller, B. 510 Schaper, J. 100 Schärtl, M. 559 Schenke, L. 184 Schermann, T. 362 Scheuermann, C. 379 Schiemann, G. 350 Schleritt, F. 480, 487, 524, 528, 533 Schletterer, I. 308 Schliesser, B. 469 Schmid, K. 314 f. Schmidt, C. 84, 114 Schmithals, W. 139 Schmitt, G. 314, 380 Schmitt, L. 313–316, 380 Schnabel, E. J. 106, 147, 211, 251, 259, 300, 302, 312, 375 f., 379, 397 f., 406, 531 Schnackenburg, R. 578, 581 Schneemelcher, W. 3, 169, 251 Schneider, G. 13, 139, 169
Schnelle, U. 3 f., 11, 77, 92 ff., 113, 139, 169, 180 f., 194, 203, 206 f., 213, 216, 218, 221 f., 230, 238, 311, 342 f., 346, 348 f., 353, 365, 366 f., 369 f., 376, 393, 395 ff., 404 f., 412, 419, 424 f., 427, 440, 443, 449 f., 452, 455, 467, 470, 514, 517 ff., 539, 568, 572, 574 f., 599 Schoeps, H. J. 419, 546 Schöllgen, G. 85, 463, 466, 488, 540, 591 Schrage, W. 20, 126, 132 Schreiner, J. 12 Schremer, A. 592 f. Schröter, J. 3, 10, 139, 272, 302, 336, 424, 479 Schunck, K.-D. 324 Schürer, E. 22, 44, 201, 204, 257, 267, 270, 305, 330, 355, 441, 494, 519, 524, 526, 539, 546, 576, 609 Schürmann, H. 433 Schwank, B. 173 Schwartz, D. R. 349, 353, 353, 360, 360, 362 f. Schwartz, E. 175 Schwartz, J. 519, 538, 600 Scott, J. M. 16, 299, 323, 393 Siber, P. 93, 125 Siegert, F. 381, 388, 576 Simon, M. 139 Skarsaune, O. 3, 160, 296, 302, 306, 425, 447, 482, 485, 487 f., 500, 502, 527, 565 Sklar-Parnes, D. A. 441 Slee, M. 165, 343, 409 Smallwood, E. M. 271, 441, 524, 530 Snyder, J. A. 278 Söding, T. 246, 409 Speyer, W. 313, 487 Spieckermann, H. 315 Spigel, C. S. 549 Spitta, F. 457 Stanton, G. N. 274, 560 Starcky, J. 238 Steck, O. H. 61 Stein, H. J. 77, 79 Stemberger, G. 75, 130, 209, 299, 313, 419, 509, 514, 532, 534, 536, 539 f., 546, 583, 588 f., 591, 594 f., 599 f., 607 Stern, M. 10, 263, 267, 275, 299, 301, 347, 371, 442, 514, 525, 527, 536, 541, 606 Stern, S. 414 Stettler, H. 23 f., 47 Stökl Ben Esra, D. 281 Strathmann, H. 368
Autorenregister Strobel, K. 12, 380 Strugnell, J. 21 f., 196, 256, 411 Strycker, É. de 283, 567 Stuckenbruck, L. T. 100, 290, 291, 406 Stuhlmacher, P. 3, 12 f., 46, 78 f., 93 f., 108, 112 f., 158, 205, 460, 468 ff. Szlezák, T. A. 37, 332 Szydlak, R. 379 Taylor, J. E. 302, 341, 447, 538 Tellbe, M. 257 Teppler, Y. Y. 75, 576, 583 f., 586, 588, 589 ff., 592, 594 ff. Theis, C. 373 Theißen, G. 34 f., 51, 53, 58, 139, 141, 144 f., 158, 171, 191, 310, 353, 456, 459, 467 Theobald, M. 159, 281, 412, 433, 441, 512 f., 517, 562, 569, 572, 579, 582 Thompson, M. B. 58 Thornton, C.-J. 6 f., 11, 150, 180, 276, 298, 302, 424, 430, 480 Thurn, H. 268, 329 f., 332 f., 336 f. Thyen, H. 572 f., 576, 577, 578 Tielemann, T. 310 Tigchelaar, E. J. C. 98, 106, 145, 157, 318, 585 Timpe, D. 171, 525, 526 Tiwald, M. 204, 206, 208 f., 430, 449, 512 Toepel, A. 567 f. Tomson, P. J. 75, 205, 279, 411, 425, 460, 524, 538, 541, 546, 556, 576, 586, 597, 600 Tóth, F. 535 Tov, E. 144, 183 Trampedach, K. 50 Trebilco, P. 23 ff., 47, 143, 237, 342 Triebel, L. 333 Troeltsch, E. 36, 40 Tubach, J. 309 f. Uhlig, S. 320, 472 VanderKam, J. C. 15 van der Lans, B. 342, 526 Vegge, T. 206 Verheyden, J. 425, 546 Vinzent, M. 561 Vögeli, A. 37 Vogt, E. 550 Völkl, A. 161 Vollenweider, S. 24, 61, 214, 222
729
Volz, P. 117 Vos, J. C. de 325 Vouga, F. 339 Wacht, M. 36 Wahlen, C. 279, 282 f. Wajnberg, I. 84 Walter, N. 141, 298 Walton, S. 139, 142, 147 Wander, B. 251, 274, 353, 356, 358, 424, 426, 451, 496, 512, 517 Wardle, T. 46 f., 145, 157 f. Wasmuth, J. 309 Wasserberg, G. 264 Wasserstein, J. 183 Watson, F. 261, 455 Webster, G. 272 f. Wedderburn, A. J. M. 3, 13, 139, 147, 153, 165, 224, 238 f., 244, 300, 396, 419 Wehnert, J. 10, 259, 261, 303, 441, 512, 514 f., 517 f., 519, 551 f. Weidemann, H.-U. 23 f., 76 f., 86, 150, 165, 256 f., 262, 283, 368, 409 Weikert, C. 441 f., 519, 524, 526, 539, 541 Weiss, A. 376 Weiss, B. 288, 461 Weiss, H.-F. 191 f., 194 Weiss, P. 377 Wengst, K. 91, 582 Wenham, D. 117, 120, 135 Wenning, R. 238 Werner, M. 100 Westermann, C. 314 Wette, W. M. L. de 149, 261, 264, 373 f., 390, 398 Wewers, G. A. 495 Wilckens, U. 3, 13, 77, 113, 139, 327, 460, 553 Wilk, F. 17, 216, 219, 338 Wischmeyer, O. 283, 453, 460 f., 464, 470 Wittke, A.-M. 379 Wolter, M. 6 f., 156 f., 162, 171, 181, 233, 261, 276 ff., 280, 361, 365, 383, 431, 433 f., 436, 483, 501, 516, 562 ff. Zahn, T. 146, 180, 398, 443, 462, 465, 542 Zangenberg, J. K. 38, 185 f., 191, 302, 336, 341, 447, 538 Zeigan, H. 395 Zeller, D. 3, 12, 251 Zeller, E. 261, 264, 390, 391, 395, 398 Zetterholm, M. 329, 333, 338, 342, 395, 409
730 Ziegler, J. 288, 606 Zimmermann, A. F. 67 Zimmermann, C. 376 f., 380, 384 f. Zimmermann, J. 98 f., 187
Autorenregister Zugmann, M. 139, 141, 147, 157 f., 184, 259, 329 ff. Zwiep, A. W. 7, 31 f., 78, 95, 226, 358
Namen‑ und Sachregister Die kursiv gedruckten Seitenzahlen beziehen sich auf die Anmerkungen. Verweise innerhalb des Sachregisters sind durch Pfeile kenntlich gemacht; Pfeile vor hebräischen / aramäischen Wörtern (in Umschrift) oder vor griechischen Begriffen verweisen auf das jeweilige Wörterverzeichnis. Bei Autoren und Schriften ist auch das Stellenverzeichnis ergänzend heranzuziehen. Aaron 374 Abba als Titel 554 Abba Schaʾul 590 Abba-Ruf / ʾabbāʾ-Ruf 19, 81, 88, 104, 135, 178 Abba / ʾabbāʾ 8, 19 Abel 62, 261, 255 Abendmahl 42, 79, 80 f., 86, 108 ff., 121 f., 160, 170, 476; siehe auch → Gottesdienst, → Mahlgemeinschaft, → Passamahl, letztes Aberglaube – Vorwurf gegen Christen 300, 389 – Vorwurf gegen Häretiker 528 – Vorwurf gegen Juden 149, 275 Abfall (siehe auch → Apostat / Apostasie) – ~ vom Beschneidungsbund 322, 402 – falscher Messias verführt das Volk zum ~ 488, 500, 506 – Gefahr des ~s bei der Assimilation 334 – Israels ~ zum Götzendienst 548 – ~ der Nordstämme 320 – ~ der Wüstengeneration 156, 290 – Sacharja ben Jojada prangert den ~ Israels an 498 – ~ vom Evangelium / Glauben 217, 522, 532, 570, 574, 580 f. – Vorwurf gegen Paulus, er verführe zum ~ 426, 439, 448, 556 – Vorwurf der Rabbinen gegen Judenchristen, sie verführten zum ~ 598 Abraham (Bischof von Seleukia) 447 Abraham 317, 460, 480, 487, 568 – Bund der Beschneidung 322, 401 f., 404 – ~s Glaube 313, 327, 468 f. – als König von Damaskus 299
– Landverheißung 155 f., 239, 299, 313– 328, 398 – Nachkommenverheißung 155 f., 313, 317, 321, 322 f., 325, 563 – als Profet 315 – als erster Proselyt 328 Abris (Bischof von Seleukia) 447 Achtzehnbittengebet 75, 212, 547, 579, 582–588 Adam 100, 291, 320, 406, 528, 551, 553 – neuer ~ 291 – ~ und Eva 41, 548 Addai / Thaddäus (Apostel, Gründer der Gemeinde von Edessa?) 294, 306–310 Adler, goldener am Jerusalemer Tempel 207, 362 – ~ als Symbol Roms in 4. Esra 534, 541 Aelia Capitolina, Colonia 441, 490, 514, 518, 521, 539, 541 f., 600, 606; siehe auch → Jerusalem Agabos (Profet) 64, 172, 343, 345, 348, 397 Agathe (Göttin, Verehrung in Caesarea Maritima) 267 Agrippa I., Marcus Julius, 271, 274, 341, 346, 419, 421, 451, 472, 478, 516; siehe auch → Agrippa-Verfolgung – König von Judäa 10, 171, 260, 350 – Krankheit, Tod 358–364 Agrippa II. 26, 50, 106, 113, 132, 195, 208, 209, 226, 231 f., 258, 260, 440, 493 ff. Agrippa-Verfolgung 5, 10, 20, 32, 42, 45, 48, 51, 84, 114, 128, 163, 164, 166, 168, 171 f., 173, 251, 258, 347–366, 371, 398, 400, 412, 423, 428, 443, 444, 478, 494, 517 Agrippina Augusta (Frau des Claudius) 149
732
Namen‑ und Sachregister
Ägypten 172, 173, 183, 186, 201, 207, 307, 314, 315, 316, 319, 325, 343, 371, 403, 464, 467, 590 – Aufenthalt Jesu in ~ 302, 375, 566 – Aufstand unter Trajan 304, 307, 337, 530, 535 – Entstehung des Christentums in ~ 302 ff., 305 – Judentum 304, 305 – Asyl für die in Palästina Verfolgten 204, 302, 304, 566 – Zauberei 302, 374, 375, 566 Ägypter 284, 402, 566 Ägypter, anonymer (messianischer Profet) 60, 364 Ahas (König) 564, 566 Akeldama-Gräber 298 Akiba → Aqiba Akklamation 88, 359, 360 Akko-Ptolemaïs 420, 536 Albinus (Prokurator) 50, 132, 354, 440, 493 f., 498, 516 Alexander (Alabarch) 325, 343 Alexander (Mitglied der hohepriesterlichen Familie) 45, 354 Alexander (Sohn des Simon) 149 Alexander der Große 184, 185 Alexandria 132, 143, 203, 271, 296, 329, 331, 337, 346, 493 – Entstehung des Christentums in ~ 302 ff. – Judenchristen 476 – Judentum 149, 183, 207, 304, 331, 336, 347, 371, 403 – Vespasian in ~ 387 Alexandria Troas 380 Allegorese, allegorisch 240, 304 Almosen 263, 276 f., 279, 449; siehe auch → Armenfürsorge Altes Testament 89, 124, 195, 197, 216, 227, 279, 304, 496; siehe auch → Schriftlesung) – christliche Auslegung 67, 68, 70, 90, 100, 104, 179, 199, 304, 596 – Lesung im Gottesdienst 87 Ältestenamt, siehe auch → Presbyter, → πρεσβύτεροι – jüdische Älteste (Presbyter) 144, 150, 151, 160, 161, 549, 561, 577, 606 – christliche Gemeindeleiter (Presbyter) 33, 53, 57, 63, 72, 91, 168, 344, 345, 348, 392, 407 f., 423, 448–451, 453, 466, 452, 540
– Ursprung des ~s im palästinischen Judentum 34 Amen 85, 88 Amen-Worte Jesu 434, 476 Amida 582, 583, 588, 589 Ammia (Profetin) 64 Ammia (Samaritanerin aus Athen) 184 Amos (Profet) 436 Amoszitat (LXX) 407 Amphitheater 358, 558 Amt / Amtsträger 33, 58, 66, 67, 69, 180, 190, 306, 445, 459, 466, 540; siehe auch → Älteste, → Apostel, → Bischofsamt, → Diakon, → Lehrer, → Profeten, → Zwölferkreis – Ämterhierarchie 445 – Amtsautorität und Charisma 33 f. – priesterliches ~ Christi 105 Anabathmoi des Jakobus 486 Ananias (Berater der Königin Helena von Adiabene) 276, 305, 404 Ananias (in Damaskus) 29, 225–230, 233 f., 237, 420 Ananias und Saphira 8, 41 f., 72, 133, 139 Ananos II. → Hannas II. Andreas (Aufstandsführer in Kyrene) 531 Andreas (Jünger) 27, 143 Andromeda 263 Aniket von Rom (Bischof) 482 Anna (Marienlegende: Mutter der Mutter Jesu) 567 f. Anrem / Aner (Amoriter) 318 Antichrist 121, 348, 515 Antievangelium, jüdisches 302, 506, 565 Antigonos (Hasmonäer) 199 Antijudaismus (siehe auch → Polemik) – paganer antiker ~ 276, 298, 428, 605 – christlicher antiker ~ 304, 502, 547, 560 f., 567, 568, 567, 597 – in der Forschung 424 Antiochia am Orontes 24, 31, 32, 69, 91, 97, 163, 202, 207, 237, 270, 299, 466, 536; siehe auch → Apostelkonzil, → Aposteldekret, → »Fünf« – Caligula-Krise 342 – Christenname 25, 341 f. – Einwohnerzahl 329 – Entstehung der christlichen Gemeinde 5, 97, 295 f., 329–341 – Gemeindeapostel 368, 369, 370 – Hauptstadt der Provinz Syrien 294 ff., 329, 340
Namen‑ und Sachregister – Juden 330–337, 341 – Kollekte aus ~ für Jerusalem 172, 342–345.348, 397, 398 – Konflikt in ~ über die Beschneidung der Heidenchristen 94, 125, 128, 168, 175 f., 395, 398–401, 405 ff., 412, 415 – Leitung der Gemeinde 59, 63, 345 f., 347, 395 – Mission in und von ~ aus 5, 197, 214, 246, 259, 304, 310, 312, 337 ff., 342, 367–393, 395, 405, 420 – Simon Magus in ~ 191, 193 – Synagogen 268, 332 f., 339, 342, 371 – Tyche der Stadt 268 – Zusammenstoß / Zwischenfall in Antiochia 9, 94, 128, 168, 175, 176, 223, 251, 409–412, 415, 423, 447 f. Antiochia in Pisidien 44, 234, 260, 275, 375, 376, 377 ff., 380–385, 387, 389, 390, 391, 392 Antiochos (jüdischer Apostat) 333 f. Antiochos III. 379 Antiochos IV. Epiphanes 281, 282, 331, 335, 362, 402 Antipas → Herodes Antipas Antipater (Sohn des Perilaos) 392 Antithesen (Bergpredigt) 90, 128, 157, 554 Antoninus Pius 191 Antonius der Große 221 Äon, dieser / kommender 131, 170, 325, 326 Apamea, Census von 329 Apamea, in Phrygien 379 Apokalypse (siehe auch → Johannesapokalypse) – jüdische Apokalypsen 123 – markinische 431 – paulinische 125 – synoptische 172 f., 348, 430, 431, 531 – syrische Baruchapokalypse (2Bar) 509 f. – Tierapokalypse des Henochbuches 255, 320 Apollon 266 Apollonia 379 Apollonius von Tyana 482, 484 Apollos (Apg 18) 28, 302, 303, 304 Apologet(en) 63, 73, 88, 510, 547, 566 Apologetik, moderne 11, 312, 398, 610 Apostat(en) / Apostasie 212, 333, 334, 343, 350, 576, 577, 581, 586, 591 – christliche ~ 571, 580, 599, 603 – Paulus als ~ 43, 56, 448, 451
733
Apostel (siehe auch → Antiochia – Gemeindeapostel) – ~ und Zwölferkreis 3, 7 f., 9, 14, 21, 31 ff., 36, 41, 44, 47, 48, 51–59, 65, 68 ff., 71, 87, 91, 96, 133, 134, 140, 141, 147, 148, 163, 168, 172, 201, 210, 215, 218, 244 f., 261, 286, 288, 292 f., 340, 348, 354, 398, 408, 436, 445, 446, 448, 453, 463, 477, 482, 488, 490, 491, 499, 509, 512 f., 517, 520, 523 – »~ in Jerusalem« 151, 165, 180, 218, 235, 244 – ~amt 53 f., 58, 67, 68, 69, 180, 189, 190, 404 – ~begriff 34, 58, 62, 67, 68, 72, 180 – ~schüler 67, 70 – ~titel 21, 32, 34, 58, 60, 63, 230, 243, 306, 309 – falsche ~ 522, 527 – jüdische ~ 606 – »Überapostel« 72, 384, 409 Apostelakten, apokryphe 11, 71, 312, 361, 486 Aposteldekret 168, 175, 251, 280, 395, 396, 398 f., 408, 409, 412–415, 422, 423, 424, 448, 451 Apostelerinnerungen 70, 95, 286 Apostelgeschichte (siehe auch → Lukanisches Doppelwerk, → Lukas, → Widmung) – Abfassungszeit 4, 71, 224, 294, 421 – Adressaten 7, 37, 40, 98, 110, 139, 172, 192, 195, 200, 213, 231, 273, 274, 361, 374, 389, 397 – Autor 4 ff., 11, 68 f., 140, 169 f., 188, 230, 241 f., 261 f., 289, 391, 421 – historischer Bericht 4, 5, 6, 9, 11, 25, 50, 68, 77, 107, 169 ff., 190, 194, 230, 259, 261, 272, 287, 292, 311 f., 338, 369, 376, 384, 396–399, 405, 407, 468, 505 – geographische Angaben 15, 32, 71, 188, 200 f., 242, 264, 274, 299 f., 305, 312, 420 – ~ und Josephus 232, 347, 358, 359, 481, 516 – Gliederung 5 – Prolog 233, 274 – Quellen 4, 261 f., 299, 305, 376, 405, 406, 465, 516 – Reden in der ~ 4, 5, 8, 17, 19, 26, 27, 28, 43, 44, 53, 61, 71, 78, 84, 97, 94, 99, 100, 102, 103, 107, 109, 111, 113, 123, 130, 131, 151, 152, 153–158, 160, 161, 162,
734
Namen‑ und Sachregister
167, 171, 187, 209, 225, 228, 229, 230, 231 f., 236, 260, 285 ff., 343, 346, 362, 381, 387, 388 f., 401, 407, 421, 473, 477 – Titel 5, 369 f. – Wir-Bericht 6, 140, 180, 234, 449 Apostelkonzil / Apostelkonvent 5, 9, 42, 47, 53, 128, 168, 170, 171, 173, 175, 176, 197, 210, 220, 231, 251, 259, 290, 291, 292, 300, 312, 338, 345, 351, 352, 365, 369, 370, 376 f., 378, 393 f., 395–409, 410, 412 f., 415, 421 f., 442, 448, 450, 459, 465 Apostelroman 11, 478 Apuleius von Madaura 373,374 Aqiba, R. 129, 537, 588 ff., 594 Ara Pacis 387 Arabien (identisch mit dem Nabatäerreich) 55, 125, 176, 204, 210, 218 ff., 224, 231, 235, 238–243, 245, 257, 259, 260, 295, 296, 305, 306, 312, 317 Arabienreise des Paulus 125, 176, 204, 210, 214, 218 ff., 224, 231, 235, 238–243, 245, 257, 295, 296, 306, 312, 317, 448 – Lukas übergeht die ~ 224, 239, 241 ff., 259, 260 Aramäisch / aramäisch 8,15, 18, 21, 23, 32, 40, 41, 81, 83, 88, 91, 126, 135, 140, 142, 144, 208, 232, 241, 263, 269, 319, 340, 351, 354, 372, 481, 483, 584 – aramäischsprachig 86, 101, 143, 148, 158, 165, 304, 309 f., 596 – Muttersprache der Juden Palästinas 204 Arat, Phaenomena 37 Arbeit / arbeiten 38, 43, 56 f., 174, 264, 265, 334, 344, 369, 447, 472, 508, 549; siehe auch → Berufstätigkeit – Arbeitsruhe am Sabbat 275, 516, 549 – Sozialarbeit 73 Archeolaos (Ethnarch, Sohn von Herodes I.) 270 Archiv (siehe auch → Bibliothek) – hochpriesterliches 494 – Gemeindearchiv in Edessa 309 – Jerusalemer Gemeindearchiv 91 – römisches Gemeindearchiv 157 Areopagrede 123, 156 Aretas IV. 170, 176, 239, 241 ff., 247, 347, 390 Aristarch aus Thessaloniki 449 Aristeasbrief 56, 284 f. Aristides (Apologet) 447 Aristobul (Bruder von Agrippa I.) 341
Aristobul (Hasmonäer, Schwager von Herodes I.) 492 Aristobul (Sohn von Herodes I.) 349 Ariston von Apamea (Proselyt) 298 Ariston von Pella 63, 427, 514, 539, 565, 601 Aristoteles 37 Arme 42, 172, 465, 470, 473, 493 – als christliche Selbstbezeichnung 24, 38, 42 f., 133, 345, 398, 472, 473 – als religiöser Ehrentitel in Qumran 24 Armenfürsorge 38, 42 f., 146, 345, 446, 466 Armutsideal – jüdisch-palästinisch 35 – bei den Essenern 35 Arphaxad 322 Artemion (Aufstandsführer) 531 Arzt 373 – Lukas als ~ 37, 72, 73 Asarja (einer der drei Männer im Feuerofen) 536 Ascensio Jesaiae 65, 100, 294, 339, 361, 477, 597 Asdod / Azotos 182, 197, 201, 265, 420 Asien 379, 409, 449, 457, 464 Askese / asketisch 54, 440, 483 f., 508 Asklepios (Gott) 266 Astarte (Verehrung in Sidon) 267 Asterius (Sophist aus Kappadokien) 75, 551 Asyl / Asylrecht 330, 331 Athanasius 75 Athen 175, 184, 266 Athenaios 332 Äthiopien 194, 196, 199 Atomos (jüdischer Magier) 374 Atticus (Statthalter) 437, 529 f., 537 Auferstehung der Toten, allgemeine 12, 113, 116, 325, 326 – Aqiba 590 – Paulus 134, 217 – Pharisäer 134, 489 – Sadduzäer 134, 489, 590 Auferstehung Jesu 8, 13, 14, 39, 46, 62, 68, 79, 86, 95, 97, 99, 101, 111, 113, 170, 286, 309, 312, 465, 476 f. – Bekenntnis(formel) 12, 52, 98, 110 f., 442 – Leugnung 487, 489, 528 – im Matthäusevangelium 560 – im Petrusevangelium 561 – bei Justin 603 – Schriftbeweis für ~ 107, 312 – Sonntag als Tag der ~ 82 f.
Namen‑ und Sachregister – Verkündigung der ~ 14, 93, 99, 107, 124, 233, 297, 411 – ~ und himmlische Inthronisation 14, 95, 101, 105, 114 f., 135, 166, 178, 297 Auferstehungserscheinungen 11, 12, 14, 49, 78, 96, 177, 180, 226; siehe auch → Christophanien – Geisterfahrung bei ~ 14, 50, 87, 95, 177 – ~ beim Mahl 28 f., 77 f., 152, 286 Auferstehungsleib 134, 217 Auferstehungszeugen 170, 245, 312 – »alle Apostel« 55, 96 – Frauen 96 – »fünfhundert Brüder« 445 – Jakobus (Herrenbruder) 245, 442, 445 f., 448, 475 ff. – Jünger (»die Zwölf« bez. Elf) 11, 52, 55, 56, 65, 286 – Maria Magdalena 245, 445 – Paulus 217, 225 – Petrus 52, 245, 260, 292, 370 – Spott des Kelsos über ~ 445 – Sympathisanten 11, 96 – Wächter am Grab 560, 561, 603 Augenzeugen 58, 78, 86, 233, 346, 349, 352, 454, 492, 513 Augustin 174, 221, 301, 454, 473 Augustus 201, 266, 332, 348, 350, 371, 374, 379, 380, 386 Augustustempel – in Caesarea Maritima 184, 266 – in Samaria 184 Auranitis 332 Aussendung / ~stradition 12, 21, 35, 55 ff., 65, 71, 73, 128, 188, 197, 214, 297, 367 ff., 386, 430, 433, 434, 453, 462 Aussendungsreden Jesu 56 f., 62, 254, 255, 281, 431 ff., 436, 438 f., 532 Autorität / Autoritäten – ~sanspruch 235, 460 – ~skonflikt 220, 225 – Apostel 9, 31, 33, 46, 52, 58, 65, 69, 70, 87 – Augenzeugen 58 – Barnabas 61, 376, 411 – Brüder Jesu 31 – Hohepriesterschaft und Laienadel 45, 107, 155, 434 – Jakobus (Herrenbruder) 31, 46, 365, 413, 440, 442, 454, 458, 460, 461, 464, 467, 479, 540 – Johannes (Zebedaide) 31, 46, 189, 191
735
– jüdische ~ 543, 547 – grundlegende ~ (der Worte) Jesu 65, 127 f., 135, 188, 470, 554 – Mose 128 – Paulus 70, 72, 215, 467 – Petrus 31, 32, 46, 70, 189, 191, 245, 292, 411 – rabbinische 554, 591 – Schriftgelehrte und Pharisäer 548 – im Urchristentum 445, 606 – in der Urgemeinde 52, 61 – »die Zwölf« 52 Azotos → Asdod Babylon / babylonisch 15, 41, 142, 156, 186, 219, 302, 320, 332, 373, 379, 402, 528, 558, 584, 587, 596 – Rom als ~ 534, 535 Babylonischer Talmud 506, 542–545, 550, 559, 565, 587, 589, 594 ff., 606 Bannus 208, 527 Bar Kochba 164, 212, 356, 420, 534, 539, 601 f., 603 Bar-Kochba-Aufstand 204, 304, 308, 310, 420, 481, 490, 514, 518, 521, 539, 540, 541, 548, 600, 601 f., 608 Barjesus / Elymas 372 f., 381 Barnabas, Joseph 33, 72, 140, 165, 245, 294, 349, 477; siehe auch → Autorität – in Alexandria (legendär) 303, 346 – in Antiochener Gemeinde 59, 63, 197, 214, 340 f., 342, 346, 367, 447 – beim Apostelkonzil 42, 53, 147, 259, 345, 352, 370, 399, 400, 404 ff., 408, 413, 421 – Aposteltitel 58, 68, 230 – ~ und Johannes Markus 345, 346, 367, 371, 377, 378, 410 – Gewinnung des Paulus 245, 246 f., 340 – Güterverkauf 41, 340 – Heidenmission 63, 202, 234, 259 f., 300, 304, 382 f., 393, 399, 405 f., 421 – Kollektenüberbringung 345, 346, 367, 407 – Missionsreise mit Paulus 41, 57, 61, 173–202, 214, 230, 300, 311, 367–394, 399 – Name 41, 59, 62, 340 – Unterhaltsverzicht wie Paulus 57, 369 – unverheiratet wie Paulus 54, 133 – Zerwürfnis mit Paulus 9, 64, 223, 377, 410 f., 422, 447 – Zweisprachigkeit 141, 143, 148
736
Namen‑ und Sachregister
– Zypriote 41, 143, 340 Barnabasbrief 91, 159, 304, 507, 571, 597, 609 Barnabaslegende 303 Baruch (Profet) 509 Baruchapokalypse, syrische 509 f., 534, 548, 597, 326, 327 Basilides 303, 522, 523 Basilidianer 522 f. Basilius von Caesarea 75 Batanea 332 Beamte, römische 203, 231, 374, 383 Beda Venerabilis 461, 473 Beelzebub-Anklage 375 Begierde 414, 469 Begräbnis146; siehe auch → Grab, → Ossuar – ~ Jesu 3, 446, 560, 604 – ~ von Hingerichteten 106 – Verweigerung des ~es 485 Beinamen 25, 41, 340, 346, 357, 423, 440, 475, 479, 487, 520 Bekehrung (siehe auch → Berufung) – ~ des äthiopischen Ministers 182, 185, 194–200, 303 f. – ~ des Cornelius 10, 195, 196, 225, 257, 259, 265, 273–280, 292, 311 f., 370, 405, 406, 420 – ~ und Berufung des Paulus 37, 55, 93, 111, 163, 167, 176, 210, 214–234, 235, 238, 257, 427, 428, 505 – ~ des Sergius Paulus 195 – »Bekehrung des Henkers« 537 Bekenntnis, bekenntnisartig 3, 11, 28, 32, 34, 44, 45 f., 52, 64, 73, 83, 93, 103 ff., 110 f., 135 f., 235, 415, 477, 487, 496, 499, 500, 503, 525, 569 – ~formel(n) 29, 87, 97, 102, 105–108, 135, 178, 412, 445 – ~ruf 102 ff. – ~ des Glaubens 131, 187, 198 – Schuld~ , Sünden~ 72 – Šemaʿ Jiśrāʾel als jüdisches Grund~ 190 Belial / Beliar 576, 403 Bema 551 Ben Stada (Spottname Jesu), siehe auch → Panthera, 25 Benediktus 88, 453 Benjamin (6. Jerusalemer Bischof?) 541, 544 Benjamin (Stamm) 162, 204, 508
Berechja (Großvater des Profeten Sacharja) 558 Berenike (Mutter Agrippas I.) 349 Berenike (Schwester Agrippas II.) 209, 229, 231, 258, 270 Bergpredigt 90, 91, 127, 128, 157, 187, 253, 438, 470, 547, 553, 554, 556 Berufstätigkeit 35, 43, 57, 174, 264 f., 344, 447, 466, 524, 593 Berufung (siehe auch → Paulus, Berufung / Bekehrung) – alttestamentliches ~sschema 227 – Apostel 218 – Jeremia 219, 233, 239, 327 – Mose 227 – ~svision (Jesaja) 578 f. – ~svision (Paulus) 93, 96, 215 f., 228 ff., 231 ff. – (pränatale) ~ des Gotteskechts 218 f., 233 f., 239, 327 Berytos / Beirut 358 Beschneidung 240, 241, 275, 412, 422, siehe auch → Abraham – ~sbund 322, 401 f. – ~ des Herzens 17, 290 f., 400 ff., 405 f. – ~ des Timotheus 451 – ~ beim Übertritt zum Judentum 196, 208, 276, 297, 305, 404 – ~sfreie Heidenmission 9, 128, 168, 175, 202, 221, 257 ff., 260, 291 ff., 312, 338 f., 366, 370, 382, 393 f., 395–400, 401, 404, 405, 406, 407, 410, 413, 422, 450, 465, 556 – – deren Anerkennung von Petrus in Jerusalem durchgesetzt 259, 260, 292 f., 338 – Heilsnotwendigkeit im Judentum 217, 401–404, 454 – Vorschrift der ~ 328, 404, 598 – »(aus der) ~« 10, 156, 259, 399, 404, 410, 527, 539, 548, 601 – Hadrians Verbot der ~ 403, 541 – Zwangs~ 400, 403 Besitz(ungen) 35, 39 ff., 43, 118, 133, 139, 173, 313 f., 340, 344, 377 ff., 421, 524, 597; siehe auch → Gütergemeinschaft – ~verzicht 35, 36, 40–43, 340 – ~ bei den Essenern 37 ff. Bestechung 231, 232, 268, 319, 560, 603 Beth Guvrin 441 Bethel 314, 318, 323 Bethesda 569
Namen‑ und Sachregister Bethlehem 157, 525, 567 Bethsaida 30 Bibliothek – Jerusalemer Gemeinde~ 91 – römische Gemeinde~ 91, 157 Bilderreden des äthiopischen Henoch 114 Bildwort 117, 188 Bileamorakel 325 Biographie 4, 567 Birkat ham-mînîm 75, 212, 434, 532, 547, 579, 581–589, 601, 607, 609 Bischof 45, 80, 475, 480, 482, 490 f., 500, 505, 520 ff., 529 ff., 537, 539–543, 552, 600; siehe auch → Episkopat Bischofsamt 63, 306, 490, 491 Bischofsliste 306, 490, 539 ff., 543 f. Bischofssitz, Bischofsthron 489, 491, 512, 520, 552; siehe auch → θρόνος Bischofswahl 520 ff. Bithynien 457, 532, 537 Bitterwasser 568 Blasphemie 212, 222, 354, 472, 496, 497, 498, 500, 569, 573, 580 Blut Christi 83, 112, 124, 158, 551 f., 570 Blutgenuß 407, 413, 415 Blutschuld 44, 437, 510, 535, 536, 554, 557 f., 559 Boanerges / »Donnersöhne« 351, 357 Bordell 192, 270 Brieflesung im Gottesdienst 91 Brotbrechen 9, 35, 76, 78 f., 81, 82, 86, 122, 178, 286; siehe auch → Gottesdienst, christlicher Brüder Jesu 31, 51, 161, 306, 310, 364, 443, 446, 520, 567; siehe auch → Familie Jesu, → Jakobus »Brüder« als christliche Anrede und Selbstbezeichnung 3, 24, 43, 68, 76, 120, 140, 167, 168, 172, 245, 289, 358, 364, 395, 398, 405, 408, 428, 432, 444, 445, 459, 448, 468, 469, 470, 491, 502, 505, 554 – falsche ~ 384 f., 400 Bruderliebe 485, 574 Buchstabe – ~ vs. Geist 159 – ~ und Gesetz 253 Buchtitel – apokryphe Evangelien 204 – Apostelgeschichte 5, 369 f. – Didache 58, 63, 70 – Evangelium nach den Hebräern 141, 204
737
Bund 13, 322, 326; siehe auch → Abraham, → Beschneidung, → Sinaibund Bundesbruch 313, 322 Bundeserneuerung, endzeitliche 109 – ~sfest 13, 15, 576 Bürgerrecht (siehe auch → Paulus) – antiochenisches 330 f. – himmlisches 121 – römisches 161, 203, 273, 380 – tarsisches 203 – Streit um ~ 267 Caesar, C. Julius 330 Caesarea Maritima 25, 35, 44, 55, 64, 91, 134, 142, 147, 156, 176, 180 ff., 184, 185, 193, 201, 231, 245, 246, 258 ff., 263, 265–274, 274, 295, 296, 332, 343, 359, 370, 374, 410, 420, 449; siehe auch → Cornelius, → Philippus – Augustus-Roma-Tempel 184, 266 – Bronzebecher, lateinische Inschriften 266 – Münzen 268 f. – Pilatusinschrift 266 – Synagogen 276 f. – Synagogeninschriften 277 – Tyche / Stadtgöttin 266, 268 f. – Unruhen zu Beginn des 1. Jüdischen Krieges 181, 269 Caligula 10, 97, 171, 174, 175, 301, 330, 336, 342, 346 f., 349, 350 f., 363, 375, 516 Caligula-Krise 168, 207, 260, 274, 291, 336, 341 f., 347, 350, 353, 363, 421 Cassius Dio Cocceianus 172, 301, 371, 514, 525, 526, 536, 541 Census unter Quirinius 11 – ~ von Apamea 329 Centurio(en) / Hauptmann 203, 269, 272, 561 – Cornelius 195, 201, 265, 271 ff., 291, 296, 338 – ~ in Kapernaum 125, 277, 297 – Grabwächter im Petrusevangelium 561 – M. Pulfennius 271 – Proculus Rabili filius 272 – Tiberius Claudius Italicus 273 Cestius Gallus 262, 263 Charax Spasinou 305 Charisma, charismatisch 15, 17, 30, 33 f., 51, 59–73, 74, 113, 134, 148, 162, 181, 264, 343, 374, 386, 433, 454, 473, 577, 593; siehe auch → Geist, → Lehre, → Profeten, → Wunder, → Zungenrede
738
Namen‑ und Sachregister
Chiasmus, chiastisch 256 Chiliasmus, chiliastisch 122, 127, 326, 328, 464; siehe auch → Tausenjähriges Reich Chorazin 30 Chrestos (Sklavenname bei Sueton für Christus) 174 Christenverfolgungen – Agrippa I. 5, 10, 20, 32, 42, 45, 48, 51, 84, 114, 128, 163, 164, 166, 168, 171 f., 173, 251, 258, 347–366, 371, 398, 400, 412, 423, 428, 443, 444, 478, 494, 517 – Nero 300, 360 f., 408, 431, 432, 435, 526, 529, 535 – Domitian (?) 344, 437, 438, 524 f., 526, 529 f., 532 f., 587 – Trajan 45, 300, 437, 438, 529, 530 f., 533, 538, 581 – Plinius der Jüngere 300, 533, 581 – in Lyon 581 – Decius 447, 597 Christologie 19, 46, 88, 93–113, 143, 166, 177 ff., 187, 193, 430 ; siehe auch → Erhöhungschristologie, → Hochchristologie, → HohepriesterChristologie – adoptianische ~ 99 – Apostelgeschichte 4 f., 84 f., 100–103, 107, 109 – Engel~ 99 f. – früheste ~ 4, 5, 12, 31, 46, 81, 84, 95, 97–100, 104 f., 109 f., 143, 177, 178 – Hebräerbrief 532 – Jakobusbrief 469, 471, 474 – Johannesevangelium 187, 193, 532, 569 – Lukasevangelium 556 f. – Matthäusevangelium 439 – im 2. Jahrhundert 567 Christophanien, Christusepiphanien 11, 12, 14, 18, 49, 78, 96, 226, 228, 231; siehe auch → Auferstehungserscheinungen, → Ostern, → Christusvision – Geisterfahrung bei ~ 87 Christus – als Titel 102, 106, 110, 487, 492, 498, 500, 527 – als Eigenname 102 und passim Christusverehrung 97, 447 Christusvision 93, 215, 228, 231 Cicero, Marcus Tullius 331, 392 Claudius (Kaiser) 42, 64, 149, 161, 171– 177, 271, 273, 301, 302, 303, 336, 343, 348, 350, 353, 363, 375, 392
– Edikte des ~ 336 Claudius Lysias 161, 203 Clemens Alexandrinus 27, 54, 114, 134, 146, 180, 283, 303, 350, 426, 477 f., 481, 482, 490, 537 Clemens Romanus 303, 312, 346 Clemensbrief, Erster 34, 66, 69, 70, 84, 88, 91, 107, 361, 455 f. Codex 799, 374 Codex Bezae (D), Zusätze 123, 198, 303 Codex Matritensis 80 Codex Tchacos 306, 308 Cohors II Italica civium Romanorum voluntariorum 271, 272 Cohors Italica 271 Cornelius 7, 9, 10, 28, 55, 78, 131, 152, 195, 200 ff., 246, 257–262, 265, 271–279, 282, 285, 287, 288, 296, 338, 370, 401, 405, 406, 407, 420; siehe auch → Bekehrung, → Centurio, → Petrus – Geistbegabung 288, 292 – Gottesfürchtiger 35, 103, 200, 202, 274–278, 282, 292 – Rede 44 – Taufe 196, 198, 200, 261, 291, 296, 311, 338, 370, 401, 420 Corneliusgeschichte 5, 7, 28, 225, 260, 262, 264, 269, 272, 281, 286, 287, 292, 405, 407 Cumanus, Ventidius (Prokurator) 271 Cuspius Fadus (Prokurator) 345 Damaskus 85, 164, 207, 210, 260, 296, 298 f., 316, 340, 370, 420, 427 f., 437, 442, 505; siehe auch → Abraham, → Ananias, → Judas (in der geraden Straße) – Aufenthalt des Paulus in ~ 235 ff., 238, 245, 295 – Berufung des Paulus vor ~ 93, 112, 163, 170, 177, 213–224, 224–234, 246, 260, 370, 427 f., 505 – Flucht des Paulus aus ~ 176, 210, 214, 224, 227, 235, 238 f., 242 ff., 306, 340, 391, 420, 437, 442 – Gemeinde in ~ 93, 210, 237, 295, 448 – »Jesusjünger« in Damaskus 228, 237, 420 – jüdische Bewohner 236, 243, 420 – Jünger des Paulus in ~ 242, 243, 420 – Pogrom 236, 275, 298 – Synagogen 178, 213, 228, 235, 236 f., 239, 241, 371
Namen‑ und Sachregister Damaskusbericht des Lukas 229, 230 Damaskuschrift 38, 237 Dämonen, unreine Geister 71, 113, 189, 386, 414; siehe auch → Exorzismen Daniel (Profet) 91, 195, 325, 373, 482, 516, 534 f. Danielbuch 61, 91 – ~rezeption bei Lukas 516 – Zusätze 197 Danielgeschichte bei Josephus 373, 482 Dankgebet 80, 85 Daphne bei Antiochia am Orontes 329, 333 – Heiligtum von Apollo und Artemis 331 – – Asyl für den Hohenpriester Onias III. 331 – Synagoge in ~ 268, 333 David (König) 12, 84, 85, 98, 107, 155, 157, 188, 298 ff., 315, 328, 381, 406, 460, 491, 557; siehe auch → Davidssohn, → Messias, → Messiasreich – Dynastieverheißung 315, 406 f. (?) – Erbauer des Tempels 155 f. – Haus ~s 85, 498, 557 – Königtum 188 – Reich ~s 155, 239, 298 ff., 315, 316, 324, 325, 328, – Thron ~s 407 (?), 471, 491 Davididen – Genealogie / Stammbaum 447 – Jakobus (Herrenbruder) 491 – Jesus Christus als Sohn Davids ~ 12, 98, 100, 178, 255, 445, 465, 502, 566 – Simon, Sohn des Klopas 437, 529, 531 f. – Verfolgung der ~ 344, 437, 523 ff., 529, 531 f., 534, 537, 581 Davidssohn (Titel) 465, 566 Davidüberlieferung, legendäre 157 Decische Christenverfolgung 163, 565 Dekalog 130, 187, 315, 396, 591; siehe auch → Gebote, → Liebesgebot – Erstes Gebot 166 – Sechstes Gebot 133 Dekapolis 236, 243, 311, 518, 519, 598 Delos 184, 549 – jüdische Synagoge von Delos 549 – samaritanische Synagogeninschriften 184 Demetrios II. 299 Denunziation 14, 50, 432, 437, 525, 529, 531, 537, 581, 585, 600 Diakon(enamt) 140, 147 f., 344 – Frauen als ~ 182
739
Diakonia 408, 449 f.; → Kollekte für Jerusalem Diasporabriefe 469 Diasporasynagogen, ~gemeinden 76, 112, 143, 153, 160, 240, 276, 277, 297 f., 311, 391, 404, 405, 415, 420, 466, 469, 526, 532, 575, 600; siehe auch → Synagogen, palästinische – ptolemäisches Ägypten 76 – Akmonia, phrygisches 384 – Antiochia am Orontes 268, 332 f., 336–339, 342, 371 – Antiochia, pisidisches 380–385, 391 – Damaskus 84 f., 178, 213, 225, 228, 235 ff., 239–242, 246, 260, 371 – Daphne bei Antiochia 268, 333 – Delos 184, 549 – Ikonium 385, 391 – Korinth 380 – Philadelphia 571 – Phönizien 328 – Rom 148, 301, 371, 456 – Salamis auf Zypern 236, 370 ff. – Smyrna 571 – Syrien 328 Diatessaron, Tatian 27, 135 Didache 58, 63, 67, 70, 79 ff., 116, 294, 343 f., 426, 429, 463, 488, 503, 553, 585, 597 – Mahlgebete der ~ 84 ff., 107 – Zwei-Wege-Lehre der ~ 91 Didrachmensteuer (Schekel) 256 f., 525; siehe auch → fiscus Iudaicus Diodorus Siculus 37 Dionysios Areopagita 374 Dionysios von Korinth 70, 361 Dionysos, dionysisch 232, 568 Doketen, doketisch 28, 29 Domitian (Kaiser) 63, 123, 325, 344, 361, 437 f., 499, 524–527, 529 f., 532 f., 535 – ›Christenverfolger‹ 438, 525, 532 f. – fiscus Iudaicus 499, 526 f., – und die Herrenverwandten 344, 524 f., 530, 587 Donnersöhne 351, 357; siehe auch → Boanerges Dora 336 – Synagoge 336 Dositheus (Samaritaner, Sektengründer) 522 – Dosithianer 522 Doxologien 84, 88, 585 Drei-Kaiser-Jahr (Galba, Otho, Vitellius) 512
740
Namen‑ und Sachregister
Drusilla (Schwester Agrippas II.) 231, 270, 374 Drusus-Turm 266 Ebionäer / ebionitisch 24, 43, 128, 188, 425, 478, 486, 567 Ebionäerevangelium 486 eclesia (sic) ex circumcisione und eclesia (sic) ex gentibus 300, 407 Eden 317; siehe auch → Paradies Edom, Edomiter 255, 324, 402, 406 Ehe 38, 54, 133, 135, 196, 199, 414, 443, 567 Ehebruch / Ehebrecherin 25, 565, 568, 571, 590; siehe auch → Maria (Mutter Jesu) Ehelosigkeit, ehelos 38, 39, 54, 133, 134, 181, 447 – als Charisma 134 – Barnabas 133 – Essener 38, 54 – Paulus 39, 54, 133 – im Urchristentum 39, 54, 181 Ehescheidung – Kritik Jesu 133 – ~sverbot 54 f., 68, 133 f., 157 Eid (siehe auch → Schwur) – Gottes ~ für Abraham und die Patriarchen 313 – Verpflichtung der Christen keine Verbrechen zu begehen 79 f. Eifer (für das Gesetz, für Gott) 49, 206, 210, 222, 229, 275, 351, 357, 364, 396, 400, 421, 430, 448 – ~ des Paulus 206, 210, 222, 229, 430, 448 – zelotischer ~ 365, 396, 400, 421 »Eiferer« 581 – judenchristliche ~ für das Gesetz 128, 168, 408 f., 429, 448 f. – jüdische ~ für das Gesetz 429 – Paulus als ~ 209, 220 ff. – zelotische ~ 49, 364 Eigentum 36; siehe auch → Besitz, → Gütergemeinschaft – ~ bei den Essenern 38 Einheit, kirchliche 6, 81, 143, 152, 422, 445, 449, 522, 527 – ~ der hellenistisch-römischen Kultur 143 – ~ des lukanischen Doppelwerks 152 – ~ zwischen Juden‑ und Heidenchristen 422, 449 Einsetzungsworte 79, 82, 86, 111 Einzugsgeschichte 503
Ekklesiologie, ekklesiologisch 6, 46, 460, 479 siehe auch → ἐκκλησία τοῦ θεοῦ Elamiter 305, 464 Eleazar (Eleasar) ben Dama, R. 73, 593, 594 Eleazar (Galiläer) 305, 376, 404 Eleazar (makkabäischer Märtyrer) 282, 335, 436, 537 Eleazar (Zelot) 236 Elia 64 – Entrückung 12, 95, – bei der Verklärung Jesu 217 – Wundertäter 263, 486 Eliezer ben Hyrkanos, R. 537 ff., 589 Elisa 189, 263 Emmaus (Nikopolis) 269 Emmausjünger 78, 106, 226, 258, 286, 521, 531 Endgericht 7, 39, 52, 66, 93, 95, 103, 109, 113, 115–124, 231, 323, 327, 354, 429, 459, 462, 467, 472, 473, 489, 535, 555, 558, 600; siehe auch → Gericht Gottes, → Jüngstes Gericht, → Weltgericht Endzeiterwartungen 37 f., 125 f., 283, 290 ff., 296, 298, 300, 311, 317, 320–323, 325, 328, 339, 342, 347 f., 364, 386, 401, 406, 421, 423, 429–432, 462 f., 464, 467, 471, 489, 532, 562, 570, 592; siehe auch → Erfüllung, → Eschatologie Engel 8, 29, 47, 49, 99, 101, 116, 120, 121, 134, 145, 154, 193, 196, 198, 255, 352, 359, 362 f., 428, 558, 564 – bringen Gebete zu Gott 279 – Gabriel 356 – Michael 217 – Sprache der ~ 15, 89 – Lehre über die ~ 50 Engelgleichheit 134 Enkratismus, Enkratiten 54, 135 Ennoia (»erster Gedanke« in der simonianischen Gnosis) 192 – Helena (Gefährtin des Simon Magus) 192 Enthauptung – Profet Ezechiel 350, 436 – Jakobus (Zebedaïde) 356, 358, 477, 512, 580 – Johannes der Täufer 350 – Justin (Apologet) 610 Entrückung 12, 95, 116, 145, 182, 197, 216, 218, 226, 265, 339, 368 – Elia 12, 95 – endzeitliche ~ der Auserwählten 116
Namen‑ und Sachregister – Esra 12, 95 – Henoch 12, 95 – Himmelfahrt Jesu als ~ 95 f., 226 – Jesaja 145, 368 – Paulus 145, 216, 218, 339, 368 – Philippus 182, 197, 198, 265 Entrückungschristologie 12, 95; siehe auch → Erhöhungschristologie, → Himmelfahrt Ephesus 28, 57, 89, 123, 181, 221, 238, 303, 372, 375, 410, 449(?), 517, 568, 572, 576, 601 Ephrem von Nisibis 27 Ephrem / Ephraim (Jünger Jesu im Babylonischen Talmud) 544 Ephres / Ephrem (13. Jerusalemer Bischof?) 541, 544 Epikureer 590 f. Epiphanie 177, 216, 226, 228, 229, 231, 233, 234; siehe auch → Auferstehungserscheinungen, → Christophanie Epiphanius von Salamis 75, 427, 441, 443, 454, 486, 481, 518, 582, 583, 596, 598, 603 Episkopat, monarchischer 34, 344, 466, 540, 554; siehe auch → Bischofsamt Epistula Apostolorum 84, 356 Erdbeben 47, 288, 330, 561 Eretz Israel 35, 75, 111, 125, 203; siehe auch → Israel Erfüllung alttestamentlicher Verheißungen in Christus und der Kirche 17, 37, 67, 90, 111, 129, 200, 253, 254, 312, 321, 322, 343, 406 f., 463, 564, 602; siehe auch → Profetenverheißungen – ~ lukanischer Verheißung (Apg 1,8) 201 Erfüllungszitat 564 Erhöhungschristologie 12, 95, 96, 81, 100– 106, 114, 116, 127, 135, 162, 166, 177, 178, 297, 473, 484, 491, 502; siehe auch → Auferstehung, → Throngemeinschaft Erinnerung an den Herrenbruder Jakobus 440, 454, 474, 483, 486, 500 Erinnerung an Jesus 13, 52, 70, 79, 82, 83, 86 f., 90, 108, 126, 135, 285, 471, 501; siehe auch → Apostelerinnerungen, → Lukaserinnerungen, → Pauluserinnerungen, → Petruserinnerungen 95 – als Lehrer und Wundertäter 135 – an die Einsetzungsworte 79, 82
741
– an die Verkündigung Jesu 135 – an die letzte Passanacht Jesu 82 – beim Mahl 82, 83, 86 – ~ der Apostel = Evangelien 70 Erinnerung an Johannes den Täufer 347 Erschaffung 261, 479, 562, 563 Erwählte / Auserwählte 24, 105, 115, 116 Erwählung / erwählt 21, 52, 142, 205, 215, 218, 220, 223, 226, 227, 233, 326, 405, 470 Esau / Edom 255 Eschatologie (siehe auch → Endzeiterwartungen, → Profeten, eschatologische) – Gemeinsamkeit jüdischer und christlicher ~ 21, 37 f., 55, 60, 67, 77, 142, 219, 290 f., 296–328, 377, 463, 464, 577 – jakobeische ~ 411, 464 f., 472, – jesuanische ~ wirkt weiter 40, 58, 77, 117, 358, 463, 476 – nachösterliche ~ 40, 42, 80, 87, 89 f., 106, 115–126, 132, 177, 463 – johanneische ~ 113, 569 – lukanische ~ 39 f., 61, 66, 113 f., 291, 464 f., 472 – matthäische ~ 66 – paulinische ~ 39, 83 93, 117, 123 ff., 212, 217 f., 222, 327, 429, 464 f. – rabbinische ~ 588 – synoptische ~ 117 – ~ in der Didache 85 – ~ in der Johannesapokalypse 463 – ~ in der Septuaginta, 100, 218, 219, 240, 313, 406 f. Eschkol (Amoriter) 318 Esra 12, 61, 95, 185, 480 Esra-Geniza in Kairo 585 Esra, Fünfter 327 Esra, Vierter 326, 534, 548, 597 Essener / Essäer 14, 15, 20, 21, 24, 35, 36, 37, 38 ff., 43, 46, 54, 62, 74, 77, 208, 341, 489, 508, 527, 528, 576, 586; siehe auch → Qumran Ethos / ethische Unterweisung 17, 37, 39, 55, 59, 63, 70, 76, 80, 127, 275, 280, 284, 403, 423, 456, 469, 470, 471, 568 – im lukanischen Doppelwerk 17 – Familienethik 55 Eucharistie 76, 78, 80–83, 84, 86, 89, 256, 286 – Eucharistiegebete 80
742
Namen‑ und Sachregister
Euphrat 125, 270, 294, 298, 305, 306, 309, 314, 315, 316, 318, 321 f., 464 Eupolemos (jüdischer Historiker) 298 Euripides 37, 232 Eusebius von Caesarea 6, 63, 64, 169 f., 212, 223, 303, 306, 309, 344, 361, 426, 444, 452, 475, 480 f., 488, 490 f., 511, 512–515, 517, 520–524, 525, 528–534, 537, 539–544, 598, 601, 606, 607 – Quellenbehandlung, ~benutzung 64, 481 f., 485, 488, 511, 517, 520–524, 528, 529, 530, 533, 534, 601, 606 Evangelien, apokryphe – judenchristliche 40, 141, 425 Evangelien, kanonische – Lesung im Gottesdienst 70, 87, 90, 43 Evangelist, Titel der »Sieben« 147, 180, 201; siehe auch → εὐαγγελιστής Evangelium (siehe auch → Johannes~, → Lukas~, → Markus~, → Mätthäus~, → Paulus, Berufung, → Mission, → Wahrheit des Evangeliums) – als Buch 605 – als Bezeichnung christlicher Lehre 605 – paulinisches ~ 93, 162, 167, 193, 215– 218, 220, 233, 235, 239, 240 ff., 244, 246, 260, 311, 338, 345, 374, 393, 397, 400, 401, 404, 405, 411, 454 Evangeliumsbegriff 93 f., 97, 135, 143, 401; siehe auch → Evangelium, paulinisches, → beśôrā ṭôbā, → εὐαγγέλιον, εὐαγγελίζεσθαι – bei den Hellenisten 94, 143 – bei Markus 94, 435 – Matthäus 532 – bei Petrus 94 Evangeliumsverkündigung 135, 235, 239 f., 244, 246, 260, 286, 300, 303, 338, 404, 411, 431, 454 Exodus (Befreiung aus Ägypten) 15, 60, 121, 315, 406, 421 – Feier des ~ beim Passafest 15 – endzeitliche Wiedererwartung 60, 406, 421 – Wunder des ~ 60, 406, 421 Exorzismen 17, 71 f., 73, 113, 189, 339, 415 Ezechiel (Profet) 263, 278, 316, 350 – ~legenden 263, 350 Ezechiel (Tragiker) 550
Familie Jesu 521, 562, 565, 566, 597; siehe auch → Davididen, → Emmausjünger, → Jakobus, Herrenbruder – Anschluß an die Urgemeinde 51, 55, 446 – Brüder 54, 133, 344, 444, 446 – Herrenverwandte 306, 344, 446 f., 524 – Konon (Märtyrer) 447, 565, 597 – Maria, Mutter Jesu 446, 562, 566 – Spannungen mit der Familie zu Lebzeiten Jesu 51, 54, 55, 562 – soziales Milieu und Bildung 453 Familie, Bruch mit der ~ 35, 38, 51, 54, 133, 432 – Essener 38 – Jesus 35, 51, 54, 432 – Jünger / Anhänger Jesu 133, 432 Familie / Familien – des Alabarchen Alexander 325 f. – des Cornelius 273 f., 287, 288 – herodianische ~ 325, 341, 362 – hohepriesterliche ~ 45, 48, 353, 354 f., 356, 492–495, 509 – ~ des Hannas 45, 354 f., 356 – jüdische ~ 156, 379, 402 f. – ~ des Paulus 156, 204 f. – ~ des Petrus 133 – ~ der Sergii 173, 375–378, 384, 388 – ~ der Tobiaden 319 Familien als Stützpunkte; siehe auch → Hausgemeinde – Jesu 34 – der Gemeinden 34, 35, 54 f., 134 Familienbindung – Apostel 133 f. – christliche Familien 54 f., 134 Fastenrolle 495 Feindesliebe 130 f., 438, 506, 607 Feldrede 91, 127, 128, 470 Felix (Prokurator) 25, 43, 152, 231, 258, 374, 408, 449 Festkalender, jüdischer 83, 84 Festus (Prokurator) 50, 106, 113, 209, 231, 254, 440, 493, 494 Finger Gottes 113 fiscus Iudaicus 130, 257, 499, 525 f., 536, 537, 538, 599, 600, 607 Flavia Domitilla 525 Flavia Neapolis 601 f. Flavius Clemens, Titus 525 Flavius Josephus → Josephus Florus, Gessius (Prokurator) 268, 269, 517 Fluch / Verfluchen
Namen‑ und Sachregister – gegen Christus und Christen in den Synagogen 75, 582–589, 599, 603, 604, 606–610 – der Gekreuzigte als Verfluchter 96, 106 f., 110, 211 f., 222, 429 f., 434, 496, 608 f. – gegen »Ham« (Ägypten) 302 – gegen alle Häretiker 75, 583 – gegen die Männer Belials 576 – gegen die Paradiesesschlange 227 – der Pharisäer gegen Gesetzesunkundige 597 – des Paulus gegen den Magier Barjesus 373 – Selbstverfluchung (Ritual) 313, 315 – bedingte Selbstverfluchung der Jerusalemer 510, 511, 513 – Zwang Christus zu verfluchen 164, 232, 356, 497 Flucht (siehe auch → Pella, Auswanderung nach) – nach Ägypten in der Geschichte Israels 302 – Familie Jesu nach Ägypten 566 – der Hellenisten aus Jerusalem 168, 213, 235 ff., 328, 437 – R. Jochanan ben Zakkais aus Jerusalem 509 – von Judenchristen nach Ägypten 204, 304 – des Paulus aus Damaskus 214, 224, 227, 228, 235, 238–243, 244 f., 340, 390, 391, 420, 437 – des Petrus aus Jerusalem 171, 172, 175, 261, 364, 347, 352–358, 364, 365, 398, 400, 437, 443, 444, 478, 517 – aus Rom 167 – aus Jerusalem 437, 465, 466, 516 f. – Steuerflucht 526 – vor dem Verfolger Paulus 505 – am Sabbat 516, 592 – »von Stadt zu Stadt« 437 – in die Wüste 167 Folter 532 f., 537, 607, 436, 504, 507 Frauen (Gottesfürchtige, Sympathisantinnen) 236, 275, 297, 305, 381–384; siehe auch → ἀρχισυναγωγίσα Frauen im Christentum; siehe auch → Witwe – in der Jesusgeschichte 34, 64, 116, 119, 133, 445, 446, 564 – im Urchristentum 27, 54, 64, 73, 96, 133, 146, 148, 181 f., 213, 237, 261, 344, 384, 436, 445, 446, 447 – im Doppelwerk des Lukas 27, 64, 146, 148, 182, 213, 230, 237, 263, 446
743
– in der Alten Kirche 54, 64, 73, 181, 182, 238 Frauenkataloge 175 Freiheit (siehe auch → Exodus, → Profeten, endzeitliche, → Steuerfreiheit) – endzeitliche 421 – in Christus 18, 40, 130, 223, 400, 469, 471 – politische 330 Freude (siehe auch → Gottesherrschaft, → Reich Gottes) – ~ bei den Mahlfeiern 80, 81, 83 – ~ Gabe des Geistes 16, 131, 198, 385 – ~ Gabe Gottes 389 – ~ »im heiligen Geist« 16 – ~ im Leid 131, 526 – ~ über die Bekehrung der Heiden 198, 385, 405 – ~ über Erfüllung der messianischen Verheißungen 562 – Festtags~ 433 – ~nfeste 271 – ~nmahl, eschatologisches 80, 122 Frieden (siehe auch → Gottesherrschaft, → Pax Romana, → Reich Gottes, → Tierfrieden) – ~ »im heiligen Geist« 16 – ~ für die Gemeinden in Palästina 30, 55, 113, 163, 262, 344, 419, 421, 530 – ~ Gottes 131 – ~ unter Salomo 315 – ~sgruß 56, 350, 468 – ~sliebe 130, 132, 257 – ~sreich, messianisches 316 – eschatologischer ~ 323 f., 328, – sozialer ~ 113, 257, 526, 548 – politischer ~ 117, 359, 363, 387 – Sterben in ~ 352, 593 Fronto, M. Cornelius 605 Fruchtbarkeit – eschatologische 316, 324, 325, 327 – Geschenk Gottes 387 Fürbitte 88, 190, 368, 439 – für Feinde 130, 162, 607 – für Kranke 466 Fußwaschung 27, 68 Gaius (Antimontanist) 64 Gaius (Paulusmitarbeiter) 392, 449 Galaterbrief 5, 47, 121, 175, 211, 224, 238, 244, 245, 393, 397, 401, 405, 409, 459, 465, 467
744
Namen‑ und Sachregister
Galilaea – Abgelegenheit 30 – Abfassung des Hebräerbriefs in ~? 455 – Anhänger Jesu in ~ 11, 20, 419, 571 – Auferstehungserscheinungen in ~ 11, 52, 76, 431 – Bedeutungsverlust für das Urchristentum 5, 30, 31, 344 – Beginn der Heidenmission in ~? 237 – Christengemeinden in ~ 5, 30, 34, 51, 55, 163, 251, 262, 343, 344, 419, 420 – Eleazar (Pharisäer?) aus ~ 305, 404 – Josephus in ~ 144 – Kolonisierung mit jüdischen Siedlern durch die Hasmonäer 324 – Herrenverwandte in ~ 306, 344, 446, 447, 524, 542, 597, 598 – Juden und Judenchristen in ~ 538, 597 – »Q-Gemeinde« und der Sammlung der Logientradition in ~? 30 f. – soziale Mißstände in ~ 472 – Synagogen 75, 551 – Wirkungsort Jesu 30, 51, 285, 294, 310 f., 420, 453 Galiläer (siehe auch → Sektenkataloge, → Zeloten) – Jesus als ~ 30, 44, 49, 604 – Jünger Jesu als ~ 30 – Bezeichnung für Christen 30 – Bezeichnung für Zeloten (?) 336, 489, 527, 528, 529 Gallio, L. Iunius ~Annaeanus 173 f., 376, 497 – Gallio-Inschrift 173, 177, 367 Gamaliel I. 48, 49, 209, 391, 427, 494, 495, 559 – Gamalielrede 421 Gamaliel II. / Rabban Gamliel, 48, 75, 582, 586 ff. Garizim 184–187, 324, 347, 421 Gastfreundschaft, christliche 59, 244 f., 265, 369, 412 – Ablehnung ~ 593 Gaulanitis 332 Gaza 56, 185, 195, 197, 201, 255, 303 Gebet (siehe auch → Achtzehnbittengebet, → Dankgebet, → Doxologie, → Fürbitte, → Gottesdienst, → Synagoge, → Vaterunser) – frühjüdische ~e 76, 85, 87, 88, 297, 339, 414, 466, 474, 485, 510, 607 – ~e der Samaritaner 190, 528
– im Neuen Testament 9, 18, 19, 34, 35, 44, 63, 72, 74, 76, 84, 87 ff., 132, 140, 148, 162, 187, 263, 279, 339, 357, 367 f., 439, 446, 454, 473, 474 – des Geistes 19, 187 – im 1. Clemensbrief 84, 107 – in der Didache 84 ff., 107 – ~ der Erzväter 325 – ~ des Gerechten 473 f., 486, 510 – – ~ wie ein Opfer 474 – hohepriesterliches ~ 485 – unaufhörliches, regelmäßiges ~ 484, 485, 607 – wunderwirkendes ~ 593 – ~ zu Jesus Christus 101 f. – ~ zu Götzen 323 – ~e als Schutzwall 510 Gebet und Fasten 63, 367 f. – in der Passanacht 83 Gebetbuch 584, 585 Gebetsanliegen (siehe auch → Fürbitte) – für die Feinde 162, 506, 607 – um Heilung 466 – um Regen 486, 510 – um Sündenvergebung 484 f., 510 Gebetserhörung 18, 279, 357, 454, 473 Gebetsformeln 88 Gebetsformular 85 Gebetshaltung – erhobene Hände 609, 485, 486 – Knien 440, 483, 506 – Stehen (priesterliches) 19, 162, 583 Gebetsheilungen 72, 263 f., 466, 593 Gebetsrufe 18, 80 f., 83, 102, 135, 178 Gebetsstätte (siehe auch → Tempelweihgebet, → προσευχή) – Hausgemeinden 74, 76, 91, 339, 357, 446 – Synagogen 22, 75, 76, 87, 88, 297, 339 – Tempel / Tempelvorhof 34, 74, 111, 153, 155–159, 230, 440, 483, 485 f., 510, 511 – – »Halle Salomos« 34, 74 Gebetszeiten 275, 583, 585, 591 Gebote – Gottes 128, 506 – Jesu 159, 254, 475, 548 – der Tora 128, 150, 151, 156, 157, 207, 252, 280, 334 f., 396, 403, 577, 594 Geburtsgeschichte 11, 157, 562, 566, 567 f. Geißelung 131, 271 Geist der Wahrheit und ~ des Frevels 290 f.; siehe auch → Zwei-Geister-Lehre
Namen‑ und Sachregister Geist Gottes – bei Jesus 16, 27, 28, 159 f. – beim Auferstandenen und Erhöhten 12, 19 – bei den eschatologischen Profeten 62 – bei den Essenern 62 – bei Josephus 154 – in der frühesten Urgemeinde (»Ostern« und »Pfingsten«) 8, 12–20, 24, 40 ff., 60 f., 62–67, 87, 95 f., 98, 106, 111, 177, 178 f., 288 – bei den Hellenisten 28, 33, 72, 140, 145, 148, 154, 159 f., 162, 167, 179, 190, 197, 198, 200, 368 – im lukanischen Doppelwerk 9, 17 f., 19, 29, 95, 113, 154, 194, 198, 200, 214, 237, 258, 262, 264, 279, 283, 285, 287, 288, 343, 344, 366– 369, 377, 385, 400 f., 406. 419, 421, 563 – – bei Ananias und Sapphira 41 f., 72 – – bei Apollos 28 – – bei Cornelius 7, 28, 196, 198, 258, 279, 287, 288, 291 – – bei Maria, Mutter Jesu 563, 567 – im Hebräerevangelium 197 – im Jakobusbrief 468 – im Johannesevangelium 19, 187, 575 – bei Paulus 17, 18, 19, 72, 87, 89, 98, 126, 131, 145, 159, 178, 221, 344, 355, 373 – bei Petrus 8, 279, 283, 285, 287, 343 – bei den Synoptikern 27 f., 357, 421, 433 – in der simonianischen Gnosis 192 f. – ~ und Profetie 62–67, 89, 167, 287, 343 f., 368, 441 – die Gabe des ~ reinigt die Herzen der Israeliten in der Endzeit 290 ff. – die Gabe des ~ reinigt die Herzen der Völker / Heiden in der Endzeit 290 ff., 328, 400 f., 406 – ~ und Freimut vor Gericht 357, 431 – ~ und Mission 366–369, 377, 385, 419, 421 – ~ und Schriftauslegung 17, 67, 90, 108, 297, 339 – ~ und Taufe 27 f., 29, 103, 198, 274, 287, 289, 291 – ~ und Tempel Gottes 47, 355 – – »Geist des Heiligtums« 154 – Lästerung des ~es Gottes 41 – Alte Kirche 441, 446, 488 siehe auch → Geistempfang, → Geisterfahrung, → Geistzeugung
745
Geist / Geistbegabung, profetische 60, 167, 288 Geistempfang 28, 95, 198, 200, 258, 274, 287, 289, 290, 291, 400 f., 406 – ~ und Taufe 274, 287–292 Geisterfahrung 13, 15, 19, 20, 28, 49, 52, 61, 87, 95 f., 111, 113 – beim (Herren)mahl 78, 79, 83, 85 – beim Gottesdienst 87, 89 – und Taufe 28 f., 274 Geistträger – Christus 16 – die Gläubigen als Profeten 61, 64, 66 – die alttestamenlichen Profeten 61 – Paulus als Apostel und Profet 65 – Stephanus 162 Geistverleihung und Taufe 66, 98, 274 Geistzeugung / Geistempfängnis 563, 567; siehe auch → Jungfrau Gekreuzigter 13, 19, 26, 29, 39, 43, 44, 50, 73, 93, 95, 96, 106, 119, 135, 158 f., 177, 211 f., 220. 222, 233, 242, 243, 429, 430, 450, 502, 534, 562, 598; siehe auch → Messias Geld 43, 58, 172, 194, 231, 331, 343, 345, 373, 449 ff., 528; siehe auch → Bestechung, → Kollekte(n) für Jerusalem, → Mammon, → Ölprivileg – Simonie 190 – zur Befreiung von Juden vom Militärdienst 270 Gemeinde, griechischsprachige in Jerusalem 96, 102, 104, 110, 142 f., 156, 158, 163, 178 f., 221, 296, 298, 427; siehe auch → Hellenisten, → Stephanus – wirtschaftliche Schwierigkeiten 146 Gemeinde, hellenistische (Begriff) 60, 86, 179 Gemeindeapostel 368, 369, 370 Gemeindearchiv, Gemeindebibliothek → Archiv, → Bibliothek Gemeindebildung, ‑entstehung, ‑gründung 3–10, 11–19, 20–29, 30–35, 36–43, 46, 51 f., 55–59, 68, 71, 74, 86 f., 88, 89, 93, 94, 95, 97, 102, 104, 111, 117, 121, 123, 174, 175, 214, 224, 262, 295, 301, 302, 309, 310, 343, 344, 346, 365, 377, 392, 393, 394, 405; siehe auch → Hausgemeinde Gemeindeboten 58 siehe auch → Gemeindeapostel Gemeindeleiter, ‑tung 32 f., 46, 59, 63
746
Namen‑ und Sachregister
Gemeinderegel 13, 576 Genesisapokryphon, aramäisches 318, 321 ff. Genisten 528 Gerechter – Beiname des Herrenbruders Jakobus 50, 423, 440, 473, 475–480, 482 f., 487, 490, 500–511 521, 533, 534, 540 – Gebet des ~n 474, 486, 510 f. – leidender ~ 99, 131, 199, 473 – messianischer Titel Jesu 98, 99, 154, 155, 434, 472, 473, 561, 606 Gericht Gottes 123 f. Gericht, endzeitliches → Endgericht Geschichte, jüdische 38, 333, 474, 540, 544, 546, 558 – ~ Israels 66, 155, 278, 381, 548 Geschichtsschreibung (siehe auch → Lukas, → Historiker) – alttestamentlich-jüdische 7, 169 f. – Weltgeschichte 144, 169 Gesetz → Mose, → Schrift, Heilige, → Tora, → Sinaioffenbarung Gesetz, Tun des ~es 254, 469, 548, 551; siehe auch → Liebesgebot, doppeltes, → Tora Gesetzeskritik, gesetzeskritisch 93, 153, 159, 188, 198, 254, 395, 421, 427; siehe auch → ›gesetzesfrei‹, → Heidenmission / Völkermission, → Torakritik – jüdische ~ → Simri Gesetzgeber – Jesus 43 – Jesus als neuer ~ 159 f., 187 – Mose 128, 151, 153, 166 Gewaltverzicht 50, 131, 132 Gitta 522 Gladiatorenkämpfe 330, 332, 558 Glaube 6, 43, 69, 237, 378, 489; siehe auch → Bekenntnis, → Heiden- / Völkermission, → Reinigung, endzeitliche (durch den Glauben), → Taufe, → Umkehr, → Unglaube – Gabe Gottes 85, 295, 405 f., 411, 458 – jüdischer ~ an den einen Gott 205, 275 – an Jesus, an die Botschaft Jesu 13, 30, 572, 579 – an Jesus Christus als den Gekreuzigten und Erhöhten 13, 14, 19, 28, 29, 30, 36, 39, 55, 97, 119, 124, 127, 128, 136, 177, 187, 198, 200, 233, 311, 385, 386, 392, 412, 500, 598, 603
– ~ und Werke 411, 458, 468 – ~ und Leidensbereitschaft 17, 131, 530, 581 – ~ und Rechtfertigung 313, 411 ff., 468 f. – ~ und Taufe 189, 198, 289 – bei Abraham 313, 326 ff., 468 f. – beim äthiopischen Minister 198, 199, 200, 303 – bei Cornelius 269, 405 f., – bei Paulus 55, 93, 97, 136, 158, 213, 215, 220, 221, 222, 311 – bei Stephanus 33, 140 – im Jakobusbrief 458, 459, 461, 466, 468, 470 – im Johannesevangelium 19, 71, 187, 570, 571, 572, 579 – Verkündigung des ~s 95, 119, 124, 189, 213, 233, 303 f., 445 – wunderwirkender ~ 59, 72, 256 – in Wundergeschichten 256, 386 – ~nsbotschaft 30 – ~nsgehorsam 200, 235 – Verleugnung des ~s 488 – »zum Glauben kommen« 35, 36, 128, 136, 187, 189, 215, 405, 445, 483, 487, 555, 571 Glaubensbekenntnis 198; siehe auch → Bekenntnis Glaubensformel(n) 97 f., 158 Glaubensgerechtigkeit 327 f., 381, 411 ff. Glaubenszeuge / Glaubenszeugnis 11, 17, 69, 445; siehe auch → Zeugnis (apostolisches) Glaukias (Lehrer des Basilides) 303 Gleichnis(se) 13, 46, 90, 117, 118, 119 f., 122, 124, 132 f., 186, 252, 553 Gleichnishandlung 77 Glossolalie 13, 16, 17, 61, 87, 89, 288, 339; siehe auch → Zungenrede Gnade Gottes 215 f., 218, 222, 227, 229, 230, 404, 411 – Gnadengabe des Geistes 198 – Gnadengabe(n) Gottes 113, 220, 404, 411 – Gnadenwahl 218, 229, 230 Gnosis, gnostisch 100, 135, 179, 191–194, 306, 308, 478, 479, 488, 523 Goldene Regel 129, 414 Gorthäus (Sektengründer) 522 – Gorathener und Masbothäer 522 f. »Gott der Väter« 240 Götter, wunderwirkende 387
Namen‑ und Sachregister Gottesdienst, frühchristlicher 8, 9, 20, 34, 46, 51, 60 ff., 64 f., 70, 74–92, 97, 143, 148, 339, 368, 432, 463, 591; siehe auch → »Brotbrechen«, → Eucharistie, → Glossolalie, → Hallel, → Predigt, → Versammlung, → Synagogen, → Synagogenstrafen, → λειτουργεῖν – ~ in aramäischer Sprache 148 – ~ in griechischer Sprache 143, 148 – am ersten Tag der Woche / Sonntag 339 – Abba-Ruf 104 – auf dem Tempelplatz / Halle Salomos 34, 74, 76 – in den Hausgemeinden 74, 76, 91, 339 – »Brotbrechen« 9, 35, 76 – ekstatische Elemente 339 – Gebete 76, 148, 368, 463, 609 – Herrenmahl 9, 74, 76, 77–86, 339 – Lesung der Evangelien 70, 90, 432 – Predigt / Lehre 74, 76, 78, 80, 86, 89, 90, 92, 95, 148 – Profetie, profetisch 339, 368 – Schriftlesung 76 – Wortgottesdienst 76, 78, 80, 81, 86–92 Gottesdienst, himmlischer 89; siehe auch → Sabbatopferlieder Gottesdienst, jüdischer; siehe auch → Birkat ham-mînîm, → Bundeserneuerungsfest, → Synagoge – Archisynagogoi 381 – anziehend für Christen 337 ff. – Gebet(e) 76, 275, 297, 339, 582–589, 609 – Liturgie (Änderung in der ~) 591 – Neujahrsliturgie 279 – Predigt / Lehre 76, 92, 275, 297, 339, 381 – am Sabbat 339 – Schriftlesung 76, 207, 275, 297, 339, 381, 550 – in den Synagogen 74, 75, 76, 86 f., 90, 91, 236, 275, 297, 337 ff. – im Tempel 74 – Teilnahme von Judenchristen 597 f., 609 – bei den Therapeuten 38 – Wortgottesdienst 76 Gottesfeind 118, 232, 233, 358–363 Gottesfürchtige, gottesfürchtig (siehe auch → Propaganda, jüdische, → Theophilos) – ~ aus der Oberschicht 200, 273, 305, 361, 383 f., 525 – ~ in den Diasporasynagogen 153, 381 ff., 578, 592, 602 – Lukas als ehemaliger ~ 10, 156, 277, 298
747
– Mission der Hellenisten unter ~n 104, 111 f., 153, 167, 195, 199, 202, 295 ff., 298, 311 f., 338 f. – Mission des Paulus unter ~n 123, 298, 312, 381 ff. – Mission des Petrus unter ~n 35, 103, 200, 257 ff., 269, 271, 273, 274–279, 282, 291 f., 298, 312, 338, 370 – Probleme bei der Aufnahme von ~n in die christliche Gemeinschaft 279, 292, 338 – rechtlicher Status der ~n im Judentum 195, 196, 183, 284 f., 432 – Übertritt zum Judentum 196, 199, 275, 276, 297 – zahlreiche ~ in der jüdischen Diaspora 275, 276, 298, 305, – zahlreiche ~ Frauen in Damaskus 275, 298 – zahlreiche ~ Frauen in Phrygien / Pisidien 275, 383 – zahlreiche ~ in Syrien und in der Umgebung des jüdischen Kernlandes 298, 420 – zentrale Bedeutung der ~n in der Apostelgeschichte 10, 16, 277 f., 298, 371 f. Gottesgemeinschaft 121 Gottesgericht / Gottesurteil 31, 42, 72, 289 Gottesherrschaft (siehe auch → Josephus, → θεοκρατία, → Königsherrschaft Gottes, → Reich Gottes) – in der Apokalyptik 80, 127, 324, 463 – in der Verkündigung Jesu 12, 13, 20, 39, 57, 72, 90, 95, 113, 118, 122, 127, 253, 254, 280, 463, 470 – in der Verkündigung der Jünger nach Ostern 13, 29, 39, 60, 62, 72, 90, 131, 189, 297 – Mahl in der ~ 52, 77, 80, 83, 122 f., 125, 127, 476 – bei Paulus 16, 133 – ~ und Herrschaft Christi 114 Gottesknecht, jesajanischer 107, 111, 218 f., 239, 258, 327, 338, 383; siehe auch → παῖς θεοῦ – als Bezeichnung für Jesus 84, 85 Gottesknechtslieder – 1. Lied 239 – 2. Lied 218 f., 239, 258, 312, 317, 383 – 4. Lied 98, 99, 107, 108, 112 Gotteslästerung 100, 151, 212, 496; siehe auch → Blasphemie
748
Namen‑ und Sachregister
Gottesname (Tetragramm) 102, 104, 117, 130, 590, 596 – rabbinisches Verbot des Aussprechens des ~ns 590, 596 Gottessohn-Titel – für Jesus 12, 95, 100, 101, 106, 177, 198, 212, 297, 303, 423, 488, 499, 586, 609 – – in der Apostelgeschichte 98, 178, 242 – – im Johannesevangelium 569 – – bei Justin 602, 604, – – bei Paulus 98, 104, 166, 178, 211, 215, 222, 242, 311 – im Nathanorakel 98 Gottesvolk – endzeitliches 7, 24, 38, 101, 196, 296, 407, 461, 463, 465 – Israel als ~ 20, 23, 111, 177, 196, 381, 461 – Kirche als ~ 463 Gotteswille 17, 254, 414, 471 Götzendienst 133, 282, 320, 321, 323, 350, 415, 486, 496, 498, 506, 548, 559, 590, 598 – Götzenbild 319 – Götzendiener 596 – Götzenopfer 593 – Götzenopferfleisch 407, 413, 414 – Götzentempel 596 Grab (siehe auch → Begräbnis Jesu) – bei den Essenern 508 – in der Heiligen Stadt 146, 149, 305 – der Erzväter in Hebron 167 – der Erzväter in Sichem 155, 167 – der Goliath-Familie in Jericho 149 – des Herrenbruders Jakobus 507 ff. – Johannes’ des Täufers 189 – der Königin Helena von Adiabene 305 – Gräber der Profeten 554 – – des Profeten Elisa 189 – – des Profeten Jona 324 – – des Profeten Obadja 189 – des Theodotos (Goliath-Familie) 149 Grabbauten, priesterliche im Kidrontal 508, 509 Grabinschriften (gottesfürchtige Frauen) 275 Grabinschriften, Ossuar~ 149, 263, 275, 354 Grabverweigerung 485, 496 Grabwächter 476, 560 f., 603 Graeco-Palästiner 148 Gregor von Nyssa 75
»Greuel der Verwüstung« 347, 513 »Großjudaea« 112, 239, 299, 314–328 Grundbesitz 36, 41, 340, 344, 377 Gütergemeinschaft – antike Staatsutopie 36 f. – Qumran 37, 38 f. – Urchristentum 8 f., 17, 36–43, 82, 132, 173, 281 Habakuk (Profet) 197 Habgier 37, 133, 517 Hadad-Tempel in Damaskus 236 Hadrian (Kaiser) 273, 304, 446, 544, 576 – Aufstände, jüdische 337, 521, 536, 541, 607 – Ausweisung der Juden aus Jerusalem, Colonia Aelia Capitolina 514, 521, 539 f. – Beschneidungsverbot 403, 541 – Belagerung und Eroberung Jerusalems (legendär) 509, 541 – Gründung von Colonia Aelia Capitolina 518, 541 – – Auslösung des Bar-Kochba-Aufstands 541 – Johannesapokalypse unter Hadrian verfaßt? 535, 576 Haggai (Profetenbuch) 61 Halbschekelsteuer 257, 525; siehe auch → fiscus Iudaicus, → Tempelsteuer »Halle Salomos« 34, 74, 503 Hallelpsalmen 46, 83, 503 Halleluja-Ruf 88 – Halleluja Davids 157 Ham (Ägypten) 302 Hamath 298, 299, 325 Hananja (einer der drei Männer im Feuerofen) 536 Handauflegung 140, 190, 237, 291, 306, 367, 368 Händewaschen, rituelles 280 f., 568 »Handlungseinheit« von Gott Vater und dem erhöhten Sohn 8, 102, 103, 114, 118 Handschlag 266, 352, 405 Handwerk → Berufstätigkeit Hannas (Hohepriester), legendär 568 Hannas I. (Hohepriester) 45, 50, 177, 354, 440, 492 Hannas II. (Hohepriester) 50, 113, 132, 163, 164, 354, 365, 440, 454, 485, 486, 492–497, 510, 534 Hannas-(Kaiphas‑)Clan 44, 163, 177, 353, 354 f., 356, 363, 365, 427, 428
Namen‑ und Sachregister Häresie (siehe auch → mînût, → Sekten, Sektenkataloge) – christliche ~n 146, 191, 192, 480, 482, 521 ff., 527 f. – jüdische ~n 142, 480, 523, 527 ff., 589, 591 Häretiker 73, 75, 130, 194, 426, 437, 525, 530, 531, 537, 582, 583–589, 591 f., 594 ff., 598, 603; siehe auch → mînîm, → Liste, → Sukzession – ihre Lehren 489, 522, 523, 527 ff., 603 Hasmonäer 61, 74, 106, 144, 204, 263, 324, 349, 403, 492, 518 Haß (siehe auch → »Menschenhaßvorwurf«) – auf die Anhänger Jesu, die Christen 26, 75, 432, 433, 532, 534, 574 f., 578, 580, 581 – auf die Juden 298, 333, 428, 581 – der Christen auf die Verfolger 131 f., 428 – gegenseitiger ~ von Juden und Samaritanern 186 – der Juden auf die römischen Besatzungstruppen in Palästina 184, 566 – der römischen Besatzungstruppen auf das herodianische Königshaus 270 – der römischen Besatzungstruppen auf die Juden 271 Haus David 85, 498, 557 Hausgemeinden 34 f., 55, 74, 79, 91, 213, 301, 302, 338, 339, 340, 364, 444 Haussynagoge 34 Hebräer (Bezeichnung für die Herkunft aus dem Judentum, bzw. als Jude) 204, 483, 601 Hebräer / Hebraioi (in der Urgemeinde) 9, 35, 140 f., 165, 188, 340 – Konflikt zwischen ~ und »Hellenisten« 140 f., 165 – Trennung des Gottesdiensts von ~n und »Hellenisten« 148 – zweisprachige ~ 141, 148 – Barnabas als Mittelsmann zwischen ~n und »Hellenisten« 148, 340 Hebräerbrief 99, 105, 110, 112, 532 Hebräerevangelium 77, 100, 141, 197, 204, 304 – Titel 141, 204 Hegesipp 427, 538 – Herkunft 480 – Zwei / Dreisprachigkeit 483, 601 – Hypomnemata (Erinnerungen) 444, 480, 487, 490, 520, 522, 529
749
– über Davididen 344, 437, 523 ff., 537 – über Häretiker 521 ff., 527 f. – über Herrenverwandte 344, 524 ff. – über Jakobus, Herrenbruder 47, 83, 100, 161, 307, 423, 440, 454, 455, 473, 475, 477, 478, 480–490, 491, 495, 496, 499, 500–511, 513 f., 521, 537, 540, 560 – über Jakobus, Sohn des Zebedäus 350 – über jüdische Sekten 525, 527 f., 534, 537 – Konon-Martyrium abhängig von Hegesipp? 447 – Pella-Notiz? 63 – über Simeon Sohn des Klopas 437, 520 f., 523, 529–533, 534, 540 Heidenmission 5, 16, 31, 104, 153, 165, 167, 182, 187, 188, 198, 199, 202, 220, 225 f., 231, 234, 238, 241, 246, 251 f., 254 ff., 259 f., 292 f., 297, 337, 353, 383, 406, 407, 412, 450, 465, 516; siehe auch → Hellenisten, → Missionsreise, → Paulus, → Petrus, → Völkermission – beschneidungsfreie ~ 259, 260, 292 f., 338, 366, 370, 382, 395, 396, 399, 400, 406, 407, 422, 450, 465 – Hellenisten und ~ 104, 153, 165, 167, 187, 188, 199, 201, 202, 212, 259, 295 f., 311, 337 ff., 395 – gesetzeskritische ~ 93, 153, 188, 198, 202, 395, 412, 421 – judenchristlicher Widerstand 147, 188, 254 ff., 400 – paulinische ~ 182, 220, 225 f., 231, 234, 238, 241, 246, 259 f., 283, 404, 429 – petrinische ~ 94, 201, 220, 246, 259 ff., 292 f., 406 – schrittweiser Übergang zur ~ 153, 188, 199, 202, 295, 311, 337 Heidenmissionar – Barnabas 41, 54, 57, 58, 61, 63, 147, 197, 202, 234, 246 f., 259, 304, 312, 346, 371, 382 f., 394, 399, 404 ff., 421 – Paulus 41, 54, 55, 57, 58, 61, 63, 75, 147, 197, 202, 220, 225 f., 234, 241, 246 f., 259, 304, 311 f., 370, 371, 382 f., 394, 399, 404 ff., 421, 429 – Petrus 94, 147, 201, 370, 405 f., 450 – – erster ~ nach lukanischer Darstellung 220, 225, 241, 246, 259 ff., 292 f., 296, 370 »die Heiligen« als christliche Selbstbezeichnung 24, 42, 52, 121, 215, 232, 233, 262, 450, 535
750
Namen‑ und Sachregister
Heilsbedeutung des Todes Jesu 29; siehe → Sühnetod Heilsgegenwart und ‑zukunft 113 Heilsgeschichte 170, 254, 339, 528 Heilsplan 312 Heilsprofetie 317 Heilung(en) 17, 30, 45, 71 ff., 133, 189, 199, 228, 259, 261–264, 285, 297, 309, 339, 368, 375, 386 f., 390, 409, 453, 569, 571, 572, 593 f. Heilungsgabe (Kontinuität zwischen Jesus und den Aposteln nach Ostern) 59, 71 ff. Heilungswunder / Wunderheilung 199, 262, 375, 387, 593 Helena (Königin von Adiabene) 172, 276, 305, 343, 349 Helena (simonianische Gnosis) 192 – »das verlorene Schaf« 192 Hellas (Verehrung in Caesarea Maritima) 267 Hellenisten (siehe auch → Philippus, → Stephanus, → Synagoge, → Übersetzung) – Definition 141 f., 146, 259 – – ~ bei Julian Apostata 141 – griechischsprachige Juden in Jerusalem 147, 149, 245, 246, 427 – griechischsprachige Judenchristen in Jerusalem 4, 9, 23, 31, 33, 49, 56, 60, 94, 96, 102, 104, 110, 139–143, 144–148, 156, 178 f., 298 – ~ und Hebräer 9, 35, 139. 140 f., 158, 165 – Christologie 94, 104, 110 f., 141, 159 f., 162, 166, 222 – eigenständige Gottesdienste 89, 143, 146 ff., 148 – – enthusiastische Elemente 181 – die »Sieben« Evangelisten / Hellenisten 33, 139 f., 144–148, 148–154, 180 – Gemeindegründungen 55, 148, 201, 295 – Mission, Beginn der gesetzeskritischen Heidenmission 5, 31, 56, 104, 111 f., 165, 179, 202, 259, 295 f., 304, 311 – – schon in Jerusalem? 151, 165 – – Übergang zur gezielten Heidenmission 337–340, 342 – Mission von Jerusalem aus Richtung Norden in Syrien 240, 251, 296, 328 – Mission in Samarien 56, 167, 183–190, 199, 201
– Mission in Syrien und in der Hauptstadt Antiochia 294 ff., 298, 302, 304, 310 f., 346, 369 – Tempel-, Kult‑ und Torakritik 145, 147(?), 152 ff., 159 f., 165 f., 177, 212, 222, 252, 254 f., 342, 427 – Übersetzung der Botschaft Jesu und der Urgemeinde ins Griechische 23, 94,102,143, 157, 158, 159, 178, 443 – Verfolgung und Vertreibung aus Jerusalem 89, 104, 139, 153, 156, 163–168, 177, 178, 179, 186, 213, 220 f., 230, 235, 236 f., 295, 297, 328, 419, 420, 427 f., 517 – Verhältnis zu Paulus 96, 110 f., 158, 162, 167, 212 ff., 220, 222, 235, 240 f., 311, 427 f. – Verhältnis zu Petrus 9 – Verkündigung in griechischer Sprache 91 f., 94, 96, 102, 143, 202 Hellenistische Reform in Jerusalem 210, 281 f., 322, 402 f. Helvidius 443 Hemerobaptisten 489, 527, 528 Henoch 12, 95, 98, 480 Henochbuch / Henochbücher, Erstes, äthiopisches 65, 290, 320, 469, 470, 473, 597 – Bilderreden 114 – Mahnreden 472 – Tierapokalypse 255 Hermas, Hirt des ~ 63, 65, 66, 100, 103, 197, 454, 456, 458, 466, 469 Hermes (Verehrung in Lykaonien) 387, 388, 389 Herodes Antipas (Tetrarch) 44, 170, 171, 349 – und Jesus 310 – und Johannes der Täufer 242, 347, 350 – und Manaen / Menachem 346 – Krieg mit Aretas IV. 176, 241, 242, 347 Herodes Atticus 530 Herodes der Große 76, 106, 341 – Bautätigkeit 142, 184, 201, 236, 263, 265 f., 330, 355, 402 – Familie 171, 349, 492 – Förderung der hellenistisch-römischen Kultur in Jerusalem 144 – goldener Adler am Tempel 207 – Grausamkeit 184, 492 – ~darstellung des Josephus 199, 267, 362, 363, 492 – Hofbeamte 199 f.
Namen‑ und Sachregister – in der Kindheitsgeschichte Jesu 525, 566 – Krankheit 362 f. – Militär 184, 270 – Politik 23, 332, 343 – Reichtum 371 – Städtegründungen 184, 201, 265 ff., 269 Herodianer (Klientel des Herrscherhauses) 341, 569 – ~ im Sektenkatalog des PseudoHieronymus (verehren König Herodes als Messias) 528 »Herr« als alttestamentliche und jüdische Gottesbezeichnung 277, 283, 314, 323, 326, 327, 406, 578, 584 »Herr« als Christustitel 18, 65, 101, 103, 105, 111, 114, 117, 122, 162, 229, 245, 287, 385, 476, 477, 491, 521, 533, 535; siehe auch → Kyriostitel – Anrede an Jesus (Christus) 66, 68, 101, 128, 225, 229, 572 – Anrufung als »(unser) Herr« 80 f., 101 f., 122, 178 – – im Bekenntnisruf 102, 103, 104 – Übertragung des JHWH-Kyrios-Namens auf Jesus 102 ff. – zur Verwendung bei Lukas 101 »Herr« als pagane Gottesbezeichnung 240 Herrenius Capito 271 Herrenmahl 9, 72, 74, 76, 77–82, 339, 356, 410, 605; siehe auch → Gottesdienst Herrenverwandte 306, 308, 344, 444, 446, 447, 480, 521, 523, 529, 540, 542 Herrscherkult, ~verehrung, 94, 361, 363, 380, 387, 550; siehe auch → Kaiserkult Hierapolis 64, 134, 161, 181, 182, 270, 277, 352, 517 Hieronymus 100, 182, 185, 425, 443, 475, 476 f., 480, 488, 499, 509, 541, 582, 583, 584, 597, 598, 607 Hillel 129, 134, 537 Himmel 17, 28, 40, 46, 71, 95, 96, 98, 101, 114, 115, 116, 120, 123, 134, 225, 226, 228, 278, 313, 433, 486, 502, 508, 532, 535, 570, 590, 596; siehe auch → Himmelfahrt – dritter ~ 216, 218, 339 – ~sgott 240, 275 – ~reich 134, 438, 557 – ~sreise 65, 339, 368 – ~sstimme 278, 279, 325 – ~stür 489 – neuer ~ 121, 254, 535
751
– sieben ~ 145 – ~ und Erde 128, 253 f., 261, 389, 478, 479 Himmelfahrt Christi 32, 95, 114, 226, 482, 490, 512, 603 Hiskia (König) 566 Historiker 261 f., 267 – Adolf von Harnack 6 – Eupolemos 298 – Euseb 6, 169 – Josephus 426, 510 – Lukas 6, 11, 25, 169, 287, 289, 311, 312, 397, 399, 421 – Orosius 174 – Theopomp 284 Hochchristologie 95, 439, 474, 532, 569 Hochzeit – zu Kana 568 – ~smahl des Lammes 122 – ~snacht 414 Hodajot 411 Hoheitstitel (messianische Titel) 84 f., 98, 100, 101, 103 f., 106, 178, 242, 473, 476; siehe auch → Christus, → Herr, → Kyrios, → Menschensohn, → Messias, → Sohn Gottes, → Titel Hohepriester-Christologie 100, 105, 162, 484, 487, 491 Hohepriester / Hohepriesterschaft (jüdische) 44, 46, 48, 49, 50, 96, 111, 132, 144, 145, 146, 151, 152, 154, 155, 158, 162, 163, 164, 170, 177, 186, 225, 229, 235, 322, 324, 331, 347, 351, 352, 353, 354, 356, 372, 375, 386, 391, 402, 411, 429, 440, 473, 476, 480, 485, 488, 492–499, 503, 505, 510, 534, 559, 560, 568, 569, 574, 598, 604, 605, 608 – Archiv 494 – Einkünfte 355 – Pharisäer und Hohepriester bei Johannes 570, 571, 573 – Recht den Hohenpriester ein‑ und abzusetzen 232, 494 – Rivalität zwischen den Familien 495 – Sadduzäer 45, 130, 160, 363, 365, 495, 499, 506 – Sklaven und Banden der ~ 493, 498 – Tempelhauptmann 45 Höllenstrafen 362, 591 Honi der Kreiszieher (Onias, Choni) 161, 486, 577, 593 Hulda (Profetin) 64
752
Namen‑ und Sachregister
Hunde 189, 255 f. Hungersnot 64, 172, 305, 343, 345, 348, 349, 397, 513 Hymenaios 528 Hymnen, urchristliche 87, 88, 89, 339 – Marien~ 488 – samaritanische ~ 189 Hypomnemata 444, 480, 487, 490, 520, 522, 529; siehe auch → Hegesipp Hyrkan (Tobiade) 319 Hyrkan I. (Johannes Hyrkan) 184, 186, 262, 354, 497 Ich-bin-Worte 573 Idumaea 238, 324, 420 – Idumäer 185, 199, 403, 485 Ignatius von Antiochia (Bischof) 11, 29, 66, 337 ff., 342, 344, 361, 537, 540 – Briefe (Datierung: zu Beginn des 2. Jahrhunderts) 294 – gegen doketische Gegner 29 – gegen zeitgenössische Profeten 66 – jüdische Gemeinde in Antiochia 337 – – für Christen attraktiv 338, 339 – der Christenname bei ~ 11, 342 – monarchischer Episkopat 344, 540 – Tod des Petrus 361 – Märtyrertod in Rom 532, 537 imitatio Christi 506, 533, 537 Inkarnation (siehe auch → Menschwerdung, → Präexsistenz) – bei Simon Magus (simonianische Gnosis) 189 – Jesus als ~ des wahren Profeten 551 Inschriften 271, 272, 274, 275, 565; siehe auch → Aberkios-~, → Akeldama-~, → Gallio, → Grab~, → Ossuar-~, → Pilatus-~, → Sergius Paulus, → Synagogen~ , → Theodotos-~ – Akmonia 380 f. – äthiopische ~ 195 – Azotos 265 – Caesarea Maritima 266 ff., 272 f., 277 – Delos, samaritanische 184 – Joppe 263 – Hegra, jüdische ~ 240 – Puteoli 211 – Tarsus, jüdische 208 Institutionen, institutionell 11, 33, 52, 53, 63, 540, 554; siehe auch → Ämter Io / Isis 157, 267, 329
Irenäus von Lyon 30, 83 – über den äthiopischen Hofbeamten 198 – über die Ebioniten / Ebionäer 24, 43, 567 – über die Johannesoffenbarung 535 – über Simon Magus, simonianische Gnosis 191–194 – über Papias 127, 327 – ~ und der Kanon 70 Israel 40, 98, 118, 153, 162, 205, 279, 282, 285, 302, 460, 467, 505 f., 527, 548, 596, 606; siehe auch → Abraham, → Gericht, endzeitliches, → Geschichte Israels, → Profeten, → Tempel, Jerusalemer – Anklage gegen ~ wegen der Hinrichtung Jesu 44, 99 – Anschluß der Völker an ~ in der Endzeit 142, 219, 233, 311, 317, 320 f., 325, 328, 406 f. – Ausstoßung aus ~ wegen Apostasie und schweren Verbrechen 576 f. – Beschneidung, heilsnotwendig für ~ 401–404 – Besitz des Landes ~ 313, 317 f., 321, 323 f., 325, 590 – Erfüllung der endzeitlichen Erwartungen ~s 22, 37 f., 101, 124, 142, 317, 328, 381, 464 f., 531 – Eretz ~ 35, 75, 111 f., 125, 203 – Fasten für ~ 83 – »ganz Israel« 16, 60, 99, 497, 590 – Gottesknecht ~ 218 – Grenzen ~s, halachische 300 – Grenzen ~s, eschatologische 310–328, 414 f. – Heiliger, profetischer Geist und ~ 61 – Jesus als König ~s / der Juden 107, 160, 220, 271, 310, 429, 586, 587, 609 – Jesus als der geoffenbarte Retter und Messias ~s 6, 13, 29, 99, 101, 124, 131, 233, 381, 429, 484 – – und für alle Völker 285, 287, 381, 563 – Jesus als Verführer ~s zum Abfall 428, 487, 488, 494, 501 f., 506, 534, 559, 570, 590, 598, 604 – Kreuzestod des Messias, Skandal für ~ 96, 212, 429 f. – Mission in ~ 226, 253, 317, 432, 434 – Mose und ~ 128, 155, 157, 381 – Nachbarvölker 254 ff., 296, 311, 317, 319 – Reinheit ~s 282 ff. – Reinigung ~s, endzeitliche 290 – – und für alle Menschen 291 f., 328
Namen‑ und Sachregister – »Rest ~s« 21, 22 – Tötung / Verwerfung der Profeten 108, 155, 428, 498 – Umkehr ~s 14, 21, 39, 49, 124, 319, 320, 325, 464 – Unglauben ~s 124, 381 f., 562 – Selbstbezeichnung der Samaritaner 183, 184, 190 – Sammlung des endzeitlichen ~ 21, 296 f., 319 – Verkündigung der Gottesherrschaft an ~ 13, 20, 128 – die »verlorenen Schafe ~s« 56, 188, 254 ff., 439, 464 – Verstockung ~s 21, 154, 155, 156, 161, 382 – das »wahre ~« der Endzeit 21, 22, 61, 128, 188, 461 – Wiederherstellung ~s 52, 114, 123, 124, 311, 463 f., 465, 531 – »Zwölfstämmevolk« 20, 52, 121, 358, 461, 463, 464, 465 Ituräer, ituräisch 324, 403 Izates (König von Adiabene) 172, 208, 276, 305, 306, 343, 404; siehe auch → Helena, Königin von Adiabene – Beisetzung in Jerusalem 305 – Söhne des Izates, ausgebildet in Jerusalem 208, 276 – Übertritt zum Judentum 208, 305, 404 Jabne 48, 509, 544, 554, 586, 589; siehe auch → Jamnia – Lehrhaus in Jabne 587 – ›Periode / Epoche von Jabne‹ 546, 594 Jahwe – Jahweglauben 185 – Texte mit dem Jahwe / Kyrios-Namen auf Jesus übertragen 102 ff. Jakob (Patriarch) 313, 314, 316, 317, 321, 323, 325 Jakob aus Kefar Sama 73, 593 Jakob aus Sichnin 538, 589 Jakobus (Großneffe Jesu) 344, 542 Jakobus, Herrenbruder 8, 31, 47, 51, 54, 56, 183, 299; siehe auch → Aposteldekret, → Apostelkonzil, → Brüder Jesu, → Familie Jesu, → Gebetserhörung, → Jakobusbrief, → Menschensohn, → Protevangelium des Jakobus, → Pseudoklementinen, → »Säulen« – Addai und ~ 294, 306 ff., 310
753
– beim Apostelkonzil 9, 53, 404, 406–412, 442 f., 448 – Auferstehungszeuge 3, 245, 442, 445 ff., 448 – Autor des Jakobusbriefs 474 – Bekenntnis zu Jesus als Menschensohn 83, 100, 497, 499 f., 502, 503 – Bildung 453 – erster Bischof von Jerusalem 451 f., 482, 489 ff., 500, 505, 509, 540, 542 – älterer Bruder Jesu? 567 – Empfänger der Protophanie 476 f. – Gerechter 50, 423, 440, 473, 475–480, 482 f., 487, 490, 500–511, 521, 533, 534, 540 – Gesetzeseifer? 408 f., 448 f. – Gesetzestreue, ‑strenge 161, 353, 364, 365 f., 440, 422, 448 f. – Grab 508 f. – Hohepriester 482, 484–487, 491, 500, 510 – ~ bei Josephus 26, 113, 130, 454, 481, 492–500 – ~ und der Tempel 47, 113, 428, 440, 477, 481, 483–486, 488, 496 f., 499 f., 501–511 – Kollektenübergabe des Paulus an ~ 19, 43, 53, 168, 408, 448–451 – Leitung der Urgemeinde 8, 46, 53, 168, 171 f., 175, 245, 252, 348, 352, 364 f., 398, 407–412, 412–415, 422 f., 428, 437, 440–452, 474, 489 ff. – Mann des Ausgleichs 422, 423, 449, 456 – Missionserfolg 423, 444 f., 489 f., 500 – Nasiräer 480, 482 ff. – als »Oblias«, ΩΒΛΙΑΣ 483, 487, 509, 510 – Offenbarungsmittler 307 f., 477–480, 488 f., 500 – Ossuar-Inschrift (moderne Fälschung) 508 – Paulus und ~ 43, 46, 51, 53, 56, 168, 244, 245, 259, 352, 365, 404, 408, 409, 423, 427 f., 442, 448–451, 454, 481 – Petrus und ~ 53, 171 f., 245, 259, 358, 364 f., 398, 404, 406, 443 f., 445, 448, 481 – Regenwunder 264, 454, 486 f. – Steinigung 26, 50, 113, 130, 132, 160, 161, 163, 166, 167, 251, 354, 365, 440, 443, 454, 492–500, 500–511, 580 – »Thron« des ~ 489 ff. – »Treppensturz« 428, 499, 501,504, 506 – »Tür Jesu« in der Jakobusüberlieferung 487 ff., 502 f.
754
Namen‑ und Sachregister
– Unterstützer von Zelotismus? 448 – unverheiratet? 54, 446 f. – Verhältnis zu Antiochien 299, 410 f., 414 f., 422, 423, 447, 540 – Verhältnis zu Jesus 443 f., 502, 506, 560 Jakobus, Zebedaïde 20, 32, 84, 99, 349, 350–358, 398, 400; → AgrippaVerfolgung – Enthauptung 20, 32, 84, 349, 428, 580 Jakobusapokryphon (Nag Hammadi) – 1. Jakobusapokalypse 306 ff., 310 – 2. Jakobusapokalypse 488 ff., 502, 504 Jakobusbrief 43, 72, 135, 426, 434, 452– 474, 475, 480, 501, 502, 553, 597 – Abfassungsort 455 f., 467 – Abfassungszeit 442, 453, 456 ff., 459 f. – Autor 453–458, 460, 461, 464, 465, 466, 467, 471, 473, 474 – Pseudepigraphon? 72, 457, 461, 463, 465, 467, 471, 474 – Wirkungsgeschichte 501, 502 Jakobusgrab 508 f. Jakobusklauseln 413 Jamnia 271, 587; siehe auch → Jabne Jannes und Jambres 373, 374 Jason (Hohepriester) 322, 402 Jason und Papiskos (Dialog) 514, 601 Jehoschua (ben Levi), R. 588 Jehuda (ben El‘ai), R. 587, 595 Jehuda haNasi 588 Jeremia (Profet) 156, 214, 218, 219, 233, 239, 258, 327, 338, 368, 465, 485, 498, 506, 510, 534, 558 Jeremialegende 157 Jericho 60, 149, 238, 505, 515, 519 Jerobeam II. 299, 324, 325 Jerusalem (siehe auch → Aelia Capitolina, Colonia) – Ausbildung in pharisäischer Schriftgelehrsamkeit 69, 164, 204, 206, 207–210, 276 – Baumaßnahmen von Herodes I. 142, 236, 402 – Belagerung durch Titus 515 – Belagerung und Zerstörung durch Hadrian (legendär) 509, 541 – Belagerung durch Vespasian (legendär) 509, 513 – »dritte Mauer« 363 – Einwohnerzahl 14 – Gericht über ~ 167, 186
– Gott wird wohnen im eschatologischen ~ 324 – Gymnasium in ~ 322, 402 – himmlisches, neues ~ 69, 121, 122, 326, 463, 535 – jüdisch-hellenistische(s) Kultur / Milieu 143, 150, 152, 206, 508 – jüdische Erziehung der Söhne des Izates 208, 305 – Massenkreuzigung von Varus 106 – Militärlager der legio X Fretensis 441 f., 516 – Neugründung als Colonia Aelia Capitolina durch Hadrian 518, 539 – – Ausschluß der Juden und Judenchristen aus der Stadt 514, 521, 539 f., 606 – Ossuarien (beschriftete) aus ~ 142, 298 – Parusie Christi in ~ 124 f., 296 – Pilger, Pilgerzentrum 13 f., 15, 142, 143, 150, 195, 199, 230, 300, 301, 303 f., 332, 355, 409, 445, 456, 504, 570, 574 – »Religionsnot« unter Antiochus IV. Epiphanes 281 f., 402 f. – soziale Mißstände 492 f. – Stadtbevölkerung 44, 49, 106, 355, 498, 513, 515, 516, 558 – – mit Griechisch als Muttersprache 142 – Synagogen von Diasporagemeinden 97, 149 f., 156, 160, 164 f., 178, 206, 213, 230, 235, 236, 246, 427 – – Theodotos-Synagoge 156 – Topographie 503, 504, 508 f., 569 – Verbindungen nach Rom 11 f. 89, 97, 101, 144, 149 f., 174 – Wallfahrtsfeste 10,13, 14, 15, 19, 31, 52, 53, 68, 74, 82, 84, 125, 166, 171, 180, 251, 349, 355, 464, 501, 519, 570, 574 – Wiederaufbau, eschatologischer 319 f. – Wiederbesiedlung zwischen 70 und 132 n. Chr. 441, 518 f., 521, 545 – Zentrum und Hauptort des frühesten Christentums bis 70 n. Chr. 4, 12, 14 f., 31 f., 34 f., 51 f., 55, 89, 169, 179, 231, 251 f., 278, 286, 287, 289, 342, 395–409, 412, 413 ff., 419–423, 427, 430, 440, 459, 465, 467, 474, 518, 600 – Zerstörung durch Antiochus IV. Epiphanes 333 – Zerstörung durch Titus 4, 5, 6, 40, 62, 91, 114, 156, 307, 310, 485, 496, 509, 510, 513, 514, 515 f., 520, 523, 555, 558 – Zweisprachigkeit 142 ff., 148, 298
Namen‑ und Sachregister Jerusalemer (Ur)Gemeinde 7, 10, 11, 29, 31, 40, 46, 51, 53, 59, 61, 68, 74, 78, 89, 102, 104, 106, 112 f., 123, 139, 151, 158, 165, 167, 168, 171, 210, 220, 228, 235, 244, 286, 289, 292, 340, 348, 358, 364 f., 367, 399, 401, 404, 405, 407 ff., 413, 422 f., 437, 448–451, 454, 459, 465, 466, 481, 482, 494, 505, 511, 518 f., 520, 521, 530, 534, 539, 540, 542, 559 Jerusalemer Tradition (siehe auch → Jesustradition, → Jakobus, Herrenbruder, → Logienüberlieferung, → Petruserzählungen) – christologische 28 f., 84, 159, 302, 356, 563 – bei Lukas 28 f., 47, 68, 140, 154 f., 182 f., 191, 225 f., 230, 245, 260 f., 278, 291 f., 338, 406, 556, 563 – bei Paulus 109, 145, 159, 245, 259, 302, 356, 442 – Petrus~ 82, 182, 220, 235, 260 f., 278, 292, 405, 406 – über Jakobus 481 Jesaja (Profet, Profetenbuch) 90, 111, 145, 167, 199, 218, 239, 258, 312, 324, 327, 338, 368, 464, 485, 503, 507, 508, 578, 579, 597, 604; siehe auch → Gottesknecht, → Gottesknechtslieder – Deuterojesaja 68, 94, 218, 219, 233, 317, 320, 460 Jesajagrab 508 Jesus Sirach / Ben Sira 62, 321, 469, 594, 595, 596 Jesus von Nazareth / Jesus Christus – Anhänger 16, 20 f., 30, 34 f., 40, 47, 49, 52, 143, 212, 346, 350, 356, 420, 531, 576, 578, 581 – Anrufung (seines Namens) 28, 29, 102, 103, 287, 289 – Bruch mit der Familie (Forderung in der Nachfolge) 54, 435 f. – Brüder ~ 443 f., 446, 475, 501, 542 – Christus Jesus als Eigenname 102 – Einsetzung der Zwölf (und Nachwahl) 11, 20, 31 ff., 51, 52 f., 55, 65, 462 – Einzug in Jerusalem 83, 503 – Erhöhung / Erhöhter 12, 26, 29, 33, 39, 44, 50, 55, 62, 78, 80 f., 90, 95, 96, 98, 99–106, 114 ff., 119, 12, 128, 135, 159, 162, 177 ff., 217, 220, 296, 297, 407 – Erscheinungen 16, 65, 95, 286 – Gegner 49, 50, 154, 194, 495, 555
755
– Gesetzeskritik (partielle) 157 f., 166, 253 f. – Glaube an ~ 13, 19, 28, 29, 40, 124, 127, 411 – Gleichnisse 13, 46, 77, 90, 117, 118, 119, 120, 122, 124, 132, 133, 186, 252, 553 – Gottessohn 11, 13, 95, 98, 166, 178, 198, 212, 220, 242 – Herkunft 12, 98 – Interzessor 19, 100, 102, 105 – historischer ~ 193 – bei Josephus 492, 493, 498 f. – Hohepriester, messianischer 100, 484 – Kindheitsgeschichten 561–568, 571 – Konflikt mit seiner Familie 51, 444, 446, 562 – Kreuzestod 13, 14, 15, 20, 26, 27, 43 f., 49, 68, 95, 99, 106, 107, 111, 135, 154, 156, 177, 211 f., 222, 428, 429, 473, 562 – Leidensankündigung 435 – Lehrer 67 f., 70, 554 – Magie, Vorwurf der 302, 374 f. – Messias, von Gott bestätigter 6 f., 11–14, 16, 21, 27, 28, 39, 44, 47, 48, 50, 55, 65 f., 93, 95 f., 98–102, 106 f., 118, 166, 169, 177, 211 f., 220, 222, 242 – messianischer Profet 62 – Mitteilung des Geistes 16 f. – Mittler 27, 102, 166 – Nazoräer 25 – Prozeß 151, 160, 166, 170, 203, 211 f., 354, 428, 429, 473, 494, 497, 531 – Richter, endzeitlicher kommender 29, 52, 95, 100, 103, 104, 107, 120, 123, 127, 128, 131, 162, 177, 287, 467, 488, 489, 598 – – mit Richterkollegium 121, 462 – Strafe für die Kreuzigung ~ 510 – Sühnetod 3, 24, 27, 108 f., 111, 112, 124, 177, 211 – Sündenvergebung 18, 27, 29, 106, 109, 112, 124, 177, 381 – im Talmud 542–547, 559, 590, 606 – Taufe 26 f. – Tempelreinigung 154, 157, 158, 353, 485 – Verhältnis zu Heiden 255 f., 311, 312 – Verhältnis zu Pharisäern 280 f. – Verhältnis zu Samaritanern 186 ff., 295, 571 – Verkündigung der Gottesherrschaft 12, 39, 95, 113, 118, 122, 125, 128, 135, 157, 177, 296, 463, 476
756
Namen‑ und Sachregister
– Verkündigung (ethische) 55, 396, 471 – Volksverführer 428, 487, 488, 494, 501, 506, 534, 598, 604 – wahrer Profet in den Pseudoklementinen 551 ff. – Wiederkunft 39 f., 43, 116–119, 123, 135, 177, 489 – Wunderheilungen 9, 17, 71 ff., 133, 194, 263, 309, 386, 420 Jesus, Sohn des Ananias (Unheilsprofet) 516 Jesus, Sohn des Damnaios (Hohepriester) 494 Jesus, Sohn des Gamaliel (Hohepriester) 496, 510 Jesus, Sohn des Pant(h)era (Spottname Jesu) 25, 565 f., 593; siehe auch → Ben Stada, → Panthera Jesusbewegung 20 f., 34, 49, 52, 60, 224, 294, 346, 421, 461 Jesustradition / ~überlieferung 23, 27, 31, 43, 60, 67, 68, 89, 90, 91, 117, 119, 120, 253, 452, 469 – Auslegung der ~ 70 – ~ bei Lukas 5, 7, 75, 135, 156, 470, 556 Jischmael, R. 73, 538, 593 f. Joachim (Marienlegende: Vater der Mutter Jesu) 567 f. Jochanan ben Zakkai 587 Johanna (Tochter des Priesters Jochanan) 45 Johannes (7. Jerusalemer Bischof?) 541 Johannes (Enkel von Hannas I.) 45, 354 Johannes (Presbyter) 127, 181, 517 – Autor des Corpus Johanneum 126, 181, 517 – Informant des Papias 126, 127 Johannes (Zebedaïde) 31, 45, 53, 54, 55, 63, 163, 172, 175, 189, 190 f., 349, 350, 351, 352, 357, 365, 386, 404, 443, 477, 478, 490, 512; siehe auch → »Dreierspitze«, → »Säulen« – Martyrium 352 Johannes Chrysostomus 75 Johannes der Täufer 21, 25, 29, 32, 44, 60, 62, 66, 109, 112, 115, 117, 119, 124, 133, 134, 171, 176, 242, 253, 254, 285, 302, 347, 350, 381, 463, 483, 555, 567, 574; siehe auch → Erinnerung an Johannes den Täufer – Grab 189 – Täuferbewegung 20, 27
– Täuferjünger 28, 193 Johannes Hyrkan 184, 186, 354, 497, → Hyrkan I. Johannes Malalas 268, 329, 330, 332, 333, 336, 337, 342 Johannes Markus (Neffe des Barnabas) 35, 84, 148, 171, 345, 348, 357, 364, 367, 371, 376, 377, 378, 410; siehe auch → Maria (Mutter des Johannes Markus), → Markusevangelium Johannesapokalypse / ~offenbarung 29, 63, 64, 85, 100, 112, 121 ff., 124, 132, 134, 145, 327, 426, 463, 534, 575, 576 – Abfassungszeit 123, 535 – Abfassungsort 535 Johannesbriefe 571, 575, 579, 580 Johannesevangelium 8, 20, 26, 30, 45, 68, 75 f., 78, 84, 112, 113, 361, 422, 438, 460, 495, 554, 609, 610; siehe auch → ἀποσυνάγωγος – Abfassungsort 568, 572 – Abfassungszeit 66, 193, 561 – Autor 126, 181, 517 – Hochchristologie 193, 532 – Jerusalemer Tempel 571, 573, 575, 578 – Juden im ~ 568–581 – Polemik, antijüdische 547, 568, 571, 575, 576 – Samaritaner im ~ 185, 187 Johanneslegende 352, 486 Johannestaufe 20, 21, 25, 27, 28, 29, 60 f., 109, 302 Jona (Profet) 201, 208, 263, 265, 285, 299, 324 Jonadab 506 Jonathan (Makkabäer) 299, 325 Joppe 5, 35, 55, 71, 201, 258, 259, 263, 264, 265, 278, 279, 288, 289, 420 Jose ha-Galili, R. 596 Joseph (14. Jerusalemer Bischof?) 541 Joseph (Patriarch) 155 Joseph (Vater Jesu) 29, 443, 491, 564, 567, 568 Joseph Barnabas → Barnabas Joseph Barsabbas (genannt Justus) 8, 32, 143, 148 Joseph und Aseneth 216, 217 Joseph von Arimathia 579 Josephus, Flavius (siehe auch → θεοκρατία, → Testimonium Flavianum) – Autobiographie 207, 208, 403, 527 – Herkunft 144, 154
Namen‑ und Sachregister – Historiker 7, 45, 186, 309, 319, 329–337, 349, 354, 370 f., 426, 431, 454, 472 510, 511, 513, 514, 517 ff. – Pharisäer 206, 207, 208 – Topograph 74, 503 – Tradierung seiner Werke durch Christen 597 – über Abraham 324 f. – über Agrippa I. 355, 357, 358, 359, 363, 364, 451 – über Agrippa II. 232, 440, 493 f. – über den Dekalog 591 – über Gamaliel I. 48 – über eschatologische Profeten 48, 60, 62, 364 – über die Essener 37 ff. – über Eunuchen 146, 196 – über den fiscus Iudaicus 526, 537 – über Hannas II. 485, 493 f., 495 f., 499, 510 – über Herodes den Großen 362, 363 – über Jakobus, den Herrenbruder 26, 50, 113, 130, 132, 160, 161, 307, 354, 440, 454, 477, 481, 489, 492–500, 506 – über Jesus (Testimonium Flavianum) 25 f., 429, 494 – über Johannes den Täufer 242 – über die jüdischen Religionsparteien 489, 494, 527 – über den »Kanon« 558 – über das Königshaus von Adiabene 199 f., 305 f., 343, 404 – über die Dauer der römischen Herrschaft 534 – über die Samaritaner 186 f., 421 – über die Zeloten 403, 489 – ~ und Lukas 7, 309, 347, 516 Jubiläenbuch 13, 290, 322 f., 327, 403, 597 Juda (Stamm und Stammesgebiet) 315, 489, 508, 527, 537 Judaea 5, 10, 24, 30, 31, 34, 42, 45, 50, 51, 55, 75, 128, 143, 163, 164, 167, 168, 213, 214, 221, 244, 251, 262–265, 344, 419 f., 428 ff., 434; siehe auch → AgrippaVerfolgung, → »Großjudaea«, → Israel, → Jerusalem, → Palästina, → Provinzen, → Synchronismus – Eingliederung in die Provinz Syrien (6 n. Chr.) 270, 294 – eschatologisch-apokalyptische Bewegungen 14, 49, 60, 62, 65, 131, 187, 421, 423, 516, 534 f.
757
– Gesetzesobservanz der judenchristlichen Gemeinden in ~ 128, 364, 168, 396, 398, 400, 421 – Grenzen 183, 202, 274, 299 f., 314 – Hungersnot unter Claudius 172, 343, 349 – Militär 270–273, 531 – Missionare aus ~ 18, 114, 200, 301, 395, 434, 556 – ~ bei Paulus 203, 213, 214, 221, 244, 409, 419, 428 f., 439, 450 – Petrus und ~ 262–265 – soziale Mißstände zwischen 44 und 66 n. Chr. 128, 132, 269, 472 – Unruhen nach dem Tod Herodes’ I. (4 v. Chr.) 106 – Unruhen während der Caligula-Krise (39–41 n. Chr.) 168, 260, 291, 341 f. – Unruhen nach dem Tod Agrippas I. 270 f., 472 – Unruhen in Caesarea Maritima 66 n. Chr. 181, 268 f. – Unruhen unter Trajan 530 f., 536 Judas (15. Jerusalemer Bischof?) 541, 544 Judas (Herrenbruder) 237, 344, 524, 530, 542, 587 Judas (in der Geraden Straße von Damaskus) 228 Judas (Jünger und Apostel) 309 Judas Barsabbas 32, 64, 399, 413 Judas Galilaeus 11, 22, 48, 423 Judas Ischariot 7, 32, 52, 127, 286, 358, 554 Judas Makkabäus 265, 485 Judasbrief 65, 80, 453, 456, 458, 459, 474 »Jude des Kelsos« siehe → Kelsos Judenchristen, Begriff und Definition 167, 425 Judenchristen, in der Diaspora 257, 304, 339, 345, 456, 600 Judenchristen, palästinische 63, 90, 97, 128, 140 f., 143, 158, 163, 364, 419–545, 546–609; siehe auch → Aposteldekret, → Ebionäer, → Hellenisten, → Jerusalem, → Matthäus, → Nazoräer, → Pella, → Simeon, Sohn des Klopas – übertriebene Zahlenangaben bei Lukas und Euseb 8, 19, 128, 541 f. – Beiname der Jerusalemer ~ die »Armen« 133 – Besuch der jüdischen Synagogen 74 f., 167, 532, 597, 600 – – Verdrängung und Ausschluß aus den Synagogen 75, 426, 434, 561, 568,
758
Namen‑ und Sachregister
569, 574–581, 582, 589, 590, 591, 592, 599, 600, 603, 606–609 – – Synagogenstrafen 70, 75, 164, 426, 431 f., 592 – – Birkat ha-mînîm 75, 532, 547, 582– 589, 601, 607, 609 – fiscus Iudaicus 257, 526, 537, 599 f., 607 – Flucht nach Ägypten 204 – Flucht nach Kleinasien 181 – Flucht nach Pella 514 – Gebet zu Jesus als Novum im Judentum 101 f. – gefährdete Lage 26, 50, 75 f., 113, 128, 161, 164, 166, 401, 423, 428, 430–439, 525 – – unter Bar Kochba 420 – Geschichte 474, 540, 546 f., 596–600, 603 – Gesetz und Ritualgesetz 128, 147, 166, 254, 256 f., 280, 281, 403, 410 ff., 415, 422, 423, 440, 474, 475, 598, 603 – – Eifer für das Gesetz 365, 409 – Haltung dem Tempel gegenüber 74, 75, 113, 256, 497, 500 – Hinrichtung einiger Judenchristen zusammen mit Jakobus 26, 251, 365, 440, 486, 492, 494, 517 – – als Gesetzesbrecher 161, 440, 496 f. – ~ und Jakobusbrief 456 f., 461, 474 – Jakobus, Bedeutung des Herrenbruders für die ~ 365, 413, 422, 475–491, 500–511 – Jerusalemer judenchristliche Bischöfe 540–545 – Kritik am Jerusalemer Opferkult 130, 486, 497, 500 – Menschensohn als Hoheitstitel 476 f., 497, 499, 500, 502 f. – national-eschatologische Hoffnungen 124 – Passafeier 83 – Rechtfertigungslehre 411 f. – römische Maßnahmen gegenüber ~ 45, 132, 537 – Schriftlesung im Gottesdienst 90 – spätere Ausgrenzung aus der Kirche als Häretiker 24, 403, 422, 426, 591, 598, 603 – Streit zwischen Juden und Christen um die ~ 426 – Verbindung nach Edessa 310 – Verbot Jerusalem zu betreten 539 f. – Verdrängung und Ausschluß aus dem Judentum 424 ff., 426, 433 f., 525, 532,
538 f., 546, 556–559, 562, 568–581, 582–589, 589–596, 596–611 – Verhältnis zu Samaritanern 190, 523 – Vorbehalt gegen Paulus 128, 396, 474, 556 – Widerstand gegen die (beschneidungsfreie) Heidenmission 188 f., 291 f., 400, 401, 409 Judentum (siehe auch → Beschneidung, → Dekalog, → Judenchristen, → Synagogen, → Trennung zwischen Juden und Christen, → Tora) – Diaspora 76, 284, 600 – – Interesse am ~ 241, 274 ff., 298, 371, 376, 525, 610 – – Interesse am ~ des Königshofs von Adiabene 142, 208, 305 f., 404 – palästinisches ~ 14, 34, 48, 62, 101 f., 124, 166 f., 188, 194, 205 f., 210, 218, 255, 257, 276, 279, 282, 290, 365 f., 368, 401, 424, 449, 462, 479 f., 481, 496, 498, 508, 520 f., 527, 576, 577, 590, 596, 599 – – Heilshoffnungen 83, 124, 152, 290, 292, 313, 464 – ~ bei Lukas 10, 124, 188, 194, 278 – ~ bei Matthäus 124 – – Ursprung des Ältestenamtes im palästinischen Judentum 34 – – Vielfalt vor dem 1. Jüdischen Krieg 21 f. – – Wiedererstarken nach 70. n. Chr. 124, 424 f., 538 f., 546 – Übertritt zum ~ 146, 196, 199 f., 208, 274, 292, 297, 404, 603 Jüdischer Krieg, Erster 40, 44, 48, 49, 63, 64, 124, 128, 167, 181, 189, 236, 257, 262, 263, 267, 268 f., 272, 275, 297, 298, 307, 333, 334, 337, 342, 421, 423, 440, 441, 472, 495, 511, 512, 513, 515, 516, 517 ff., 535, 558, 575, 606 Julia Severa (Stifterin einer Synagoge und Oberpriesterin des Kaiserkults) 383 f.; siehe auch → Severii Julian Apostata 30, 141, 261 f., 375 Julius Africanus 306, 344, 446 f., 598 Jünger (siehe auch → μαθητής, → μαθήτρια) – ~ in der Nachfolge Jesu 20, 35, 54, 95, 122, 131, 133, 253, 386, 432, 435 – ~ des Paulus in Damaskus 242, 243, 420 – »Jünger« als christliche Selbstbezeichnung 224, 228, 237, 245,
Namen‑ und Sachregister 262, 385, 390, 392, 395, 420, 437, 449, 512 – »Jüngerin« Tabitha 263 Jüngeraussendung 18, 19, 21, 29, 49, 54, 56 f., 66, 72, 96, 114, 126, 254, 286, 297, 312, 365, 386, 431–434, 436, 439, 462, 512, 532, 548; siehe auch → Apostel, → Aussendungsrede, → Jesus Jüngergemeinde in Jerusalem 4, 11–19, 22, 32, 44, 68, 71, 95 f., 99, 101, 109, 113, 119, 129, 135, 140, 143, 348, 356, 516, 572, 579, 580 Jüngerkreis (engerer der Zwölf) 11, 350, 351, 356; siehe auch → Zwölferkreis – (weiterer ~) 32, 476 Jüngerlisten, ‑kataloge 32, 140, 175, 351, 527 Jüngerunverständnis 162 Jungfrau / Jungfrauengeburt 24, 444, 563 f., 566 ff., 570 Jüngstes Gericht 231, 462, 558; siehe auch → Gericht, endzeitliches Jupiter / Iuppiter 240, 257, 388, 526; siehe auch → Tempel des ~ Capitolinus Justin (Apologet) 23, 426, 565, 572; siehe auch → Tryphon – Herkunft 601 – Martyrium 610 – Apologie 603 – Apostel Johannes Verfasser der Johannnesapokalypse 63 – Bar Kochba 164, 212, 356, 420, 497, 534, 603, 608 – Birkat ham-mînîm 607 – Christen als Wundertäter 73 – Dialog mit Trypho 529, 547, 601 ff. – »Erinnerungen der Apostel« 70 – Fluch gegen Christus und die Christen 582, 586, 587, 603, 606 ff. – Fluch des Gesetzes gegen den Gekreuzigten 212, 429 f., 608 – Gottesdienst 74, 76, 80 f., 86 f., 90 – Häresien 142, 489, 527, 528 – »Herrentag« 79 – Jes 7,14 LXX 566 f. – Judenchristen 403, 420, 598 f., 603, 609 f. – jüdische »Apostel« 606 – jüdische Lehrer 538, 586 f., 603, 608 f. – jüdische Polemik gegen Jesus 30, 506, 534, 560 f., 587, 603, 604, 605, 606, 609 – Kannibalismus 605 – Kreuzestypologie 507, 609
759
– »neues Gesetz«, »neuer Gesetzgeber« 159 – Parusie in Jerusalem 296 – Simon Magus 191 f., 194 – Septuaginta-Lesart 503 – Speisesitten 283 – Taufe 103 – Verbot für Juden Jerusalem zu betreten 539 – Zwang Christus zu verfluchen 164, 212, 356, 497, 603 Justinian 267, 269 Justus (11. Jerusalemer Bischof?) 541, 542 Justus (Herrenverwandter) 540 Juvenal 275 Kai(a)phas (Hohepriester) 45, 177, 354 Kain und Abel 261 Kaiserkult 94, 135, 184, 266, 334, 383, 387, 535; siehe auch → Caligula-Krise Kaisertempel im pisidischen Antiochia 387 Kana, Hochzeit zu ~ 568 Kandake 195, 224, 277, 295, 303, 338 Kannaan, Kanaaniter 299, 314, 315, 316, 321, 322, 325, 326 – Kanaanäerin 255 Kannibalismus 86, 604 f.; siehe auch → thyesteische Mahlzeiten Kanon, alttestamentlicher – jüdischer 61 f., 155, 558, 596 – samaritanischer ~ 186 – außerkanonisch 590 Kanon, neutestamentlicher – der Evangelien 57 – Schwierigkeiten des Jakobusbriefs in den ~ aufgenommen zu werden 454 Kapernaum 30, 75, 125, 277, 297, 386 Kapitalgerichtsbarkeit 151, 232, 493 ff., 498 Kapitalstrafe 496 Kappadokien 75, 299, 457, 464 Karabas 271 Karpokratianer 522 f. Kathedra Moses 548–553 Kelsos 182, 194, 265, 286, 424 f., 507 f., 566, 605 – der »Jude des Kelsos« 302, 304, 375, 425, 426, 445, 506, 534, 559, 564, 565 f., 610 Kephas 3, 8, 53, 54, 133, 171, 175, 210, 244, 351, 365, 410, 443, 445, 446, 448, 479; siehe auch → Petrus, → Petrus, Felsenwort – ekklesiologische Bedeutung des Namens 479
760
Namen‑ und Sachregister
»Ketzersegen« 212, 581, 582; siehe auch → Birkat ham-mînîm Kidrontal 34, 74, 149, 501, 503, 508, 509 Kilikien 125, 244, 246 Kindermord, bethlehemitischer 525 Kindheitsgeschichten 561–568 Kirche 4, 6, 34, 58, 65 ff., 69, 84, 90, 97, 165, 168, 182, 192, 215, 237, 262, 289, 291, 300, 309, 419, 421, 425, 426, 432, 438, 441, 445, 451, 463, 482, 488, 490, 491, 514, 518, 527, 530, 540, 560 f., 597 f., 602, 603; siehe auch → Kephas, → ἐκκλησία – Jungfrau ohne Häresien 521 ff. – endzeitliche Sammlung der ~ in den Mahlgebeten 81, 85 – Alte ~ 335, 443, 460, 468, 491, 551 – Reichs~ 430 Kirchenordnung 70 Kirchenrecht 190 Kleinasien 43, 64, 78, 83, 84, 146, 149, 173, 175, 181, 182, 197, 296, 304, 338, 363, 369, 370, 376, 377–380, 383, 393 f., 410, 439, 517, 526, 535, 540, 568, 600 Kleobius (Sektengründer) 522 – Kleobianer 522 Kleopas / Klopas 45, 436, 437, 490, 504, 507, 520–523, 529, 530, 533, 540, 581 Kohelet 61 Koile-Syrien 598 Kokaba 598 Kollekte für Jerusalem; siehe auch → διακονία – aus Antiochia am Orontes 172, 342– 345.348, 397, 398 – paulinische ~ 24, 42, 251, 345, 405, 408, 409, 413, 449 f. – ~nübergabe des Paulus an Jakobus 19, 43, 53, 168, 408, 448–451 Kolonie, römische 269, 376, 378, 380, 481, 539 Kommagene 298 »König der Juden« 107, 160, 220, 271, 310 Königshaus von Adiabene; siehe auch → Helena, → Izates – Übertritt zum Judentum 305 f. Königsherrschaft Gottes 98, 166, 297, 324, 326, 351, 382, 462, 470, 586, 598; siehe auch → Gottesherrschaft, → ReichGottes-Verkündigung Jesu Kontinuität – zwischen der Botschaft Jesu und der
nachösterlichen Verkündigung 67, 71, 117, 124, 135 f. Korinth 174 f. Korintherbriefe 5, 408 – Erster ~ 61, 289, 445 – Zweiter ~ 217, 384, 391, 581 Krankensalbung mit Öl 72, 453, 466 Kreuzesholz (ξύλον) 44, 106 f., 110, 211, 212, 429, 477, 507, 533, 609 Kreuzesnachfolge 435 f., 437, 533 Kreuzesstrafe – in der Antike 106 – in der Tempelrolle 211 – Hasmonäer 106 – Römer 44, 73, 96, 106, 107, 187, 211, 350, 361, 429, 435, 436, 510, 531 ff., 559 – schändlichste Strafe in der römischhellenistischen Welt 429 Kreuzestod Jesu (heilschaffend) 98, 158, 297, 356, 608; siehe auch → Kreuzigung Jesu, → Sühnetod Kreuzestypologie – Banabasbrief 507 – Justin 507, 609 – Martyrium des Herrenbruders Jakobus 507 f., 533 – Spott des Kelsos 507 Kreuzigung – von Juden 106, 211, 531 – von Christen 211, 436, 531, 532, 557 – peregrini 106 – von Sklaven 106, 211, 435 – von Aufständischen 106, 211 Kreuzigung Jesu 11, 13, 14, 27, 43, 44, 46, 49, 62, 73, 83, 84, 95, 96, 98, 99, 104, 106, 107, 110, 111, 112, 123, 132, 170, 176, 187, 211 ff., 285, 354, 423, 429 f., 434, 437, 446, 473, 477, 496, 510, 531, 534, 535, 559, 562, 565, 603 f., 605, 608 f.; siehe auch → Jesus von Nazareth, → Messias, gekreuzigter, → Sühnetod – Grund für seine Ablehnung im Judentum 96 f., 106 f., 211 f., 222, 242, 354, 423, 429 f., 500, 534, 562, 608 – Grund für die Ausstoßung der (Juden) christen aus dem Judentum 430, 434, 608 – im Petrusevangelium 561 Kreuzigung Petri 361, 435 Kreuzigung Simeons, Sohn des Klopas 436, 437, 504, 530–533 Kriegsrolle 23
Namen‑ und Sachregister Kyrenaika, Kyrene 149, 295, 296, 302, 305, 307, 339, 346, 464, 531 Kyriostitel 6, 58, 68, 100, 102, 103, 104, 116, 162, 178, 233, 240, 412; siehe auch → »Herr« als Hoheitstitel, → κύριος Laktanz 565 Lamm Gottes 112, 544 – Jes 53 auf Christus gedeutet 197, 608 – Lamm in der Johannesapokalypse 69, 112, 122, 124, 126, 463, 535 Landwirtschaft / landwirtschaftlich 38, 41; siehe auch → Besitz, → Weinbau Lebenswandel 220, 221, 282, 405, 460 Legende von den Grabeswächtern und dem Leichendiebstahl 560 legio VI Ferrata 271 legio X Fretensis 273, 441 Legionen 270, 271, 272, 441, 531 Legionslager in Jerusalem 516 Lehre, urchristliche 8 ff., 34, 43, 50, 59, 67–70, 74, 76, 78, 86, 90, 92, 93, 95, 97, 106, 120, 143, 148, 159, 174, 237, 346, 374, 548, 552, 553, 604 f., 606; siehe auch → Gottesdienst, → Jesus, als Lehrer, → Jesustradition, → Rechtfertigungslehre, → Synagogen – des Herrenbruders Jakobus 455, 456, 459–474 – des Paulus 222, 223, 381, 459 – ὀρθὸς λόγος gegen Häresien bei Hegesipp 482 – spätere judenchristliche 552, 553 Lehre(r), jüdische 21, 22, 61, 101, 124, 129, 207, 210, 253, 404, 537, 538, 540, 554, 586, 589, 592, 594, 603 ff., 608 f. Lehrer der Gerechtigkeit 21, 411, 480 Lehrer, urchristliche 59, 60, 62, 63, 66, 67–70, 148, 180, 246, 253, 303, 340 f., 344, 346, 368, 395, 459, 466, 474, 478, 502, 540, 554 Lehrhaus, jüdisches 548, 587 Leiden – ~sbereitschaft 17, 210, 537 – um des Christennamens willen 26, 434, 533, 557 – um des Namens Jesu willen 48, 131, 575, 580 Levi (12. Jerusalemer Bischof?) 541 Libanios 329, 330 Liber Antiquitatum Biblicarum 326, 548 f., 562, 597
761
Libyen 305, 464 Liebesgebot, doppeltes 129 f., 166, 252, 254, 396, 423, 469, 470 – ~ und Dekalog 130 »Liebeskommunismus«, urchristlicher 36, 40; siehe auch → Gütergemeinschaft Lieblingsjünger 181, 352, 446 Liste (siehe auch → Bischofslisten) – geographische 15, 299, 305, 316 – Grußliste (Röm 16) 302 – Häretiker~(n) 522 f., 528 f. – Leidens~ 351 – Namens~ der »Fünf« (Apg 13) 296, 346 – Namens~ der »Sieben« 140, 141, 150 – Namens~n der »Zwölf« 32 f., 351 – Völker~ 305, 299, 316 Logienquelle(n) / Logienüberlieferung, ‑tradition 30, 31, 56, 32, 70, 114, 115, 116, 119, 120, 130, 135, 253, 254, 281, 427, 433, 435, 452, 471; siehe auch → Hellenisten, → Jerusalem – direkte Rückschlüsse auf die judenchristlich-palästinische Gemeinde? 252 Logos – christliche Logos-Lehre 602 Lohn 54, 56, 62, 313, 472, 511 – himmlischer ~ 54, 99, 433, 438, 488, 489 – Reich Gottes als ~ 122 Lokalkolorit 386, 388, 390, 453, 568 Lot 115 Lukanisches Doppelwerk 4, 8, 10, 28, 41, 51, 110, 124, 135, 152, 156, 162, 195, 277, 286, 348, 361; siehe auch → Apostelgeschichte, → Lukasevangelium, → Theophilos – Abfassung in Rom 157 – Datierung 4 – Frauen im ~ 182 – Widmung 273, 274 Lukas (siehe auch → Apostelgeschichte, → Lukasevangelium, → Lukanisches Doppelwerk) – Arzt 37, 72, 73 – Reisebegleiter des Paulus 6, 7, 10, 28, 82, 84, 156, 181, 201, 234, 449, 450 – ehemaliger Gottesfürchtiger 10, 277 f. – Herkunft aus Antiochia? 156 – ~ als Historiker 3–7, 11, 169, 171, 176, 231, 261, 277, 397, 399, 421, 516 – Kenner des Judentums 10 – Kenner der Septuaginta 10, 516
762
Namen‑ und Sachregister
– ~ und Josephus 347 – Theologie 5 f., 29, 156, 161 f., 362 f., 531 – ~ und Theophilos 7, 37, 40, 98, 100, 110, 139, 172, 192, 195, 200, 213, 231, 273, 274, 361, 374, 389, 397 Lukaserinnerungen 228, 231, 234, 359, 516 Lukasevangelium 4–9, 10, 11, 17, 20, 28; siehe auch → Lukas – Abfassungsort Rom 157 – Abfassungszeit 4, 6, 66, 532, 556 – Autor 6, 7 – Jesusüberlieferung im ~ 5 f., 7, 135, 183, 556 – Episodenstil 9 – Kindheitsgeschichte 10, 11, 561–564, 567 – Logientradition 135, 433, 435 – Polemik, antijüdische 547, 555, 557, 568 – Prolog 233, 274 – Sondergut 281 – Widmung 7, 195, 273, 274, 374 – zeitliche Priorität gegenüber Matthäus 532 Lukian von Samosata 43, 389 Lukios von Kyrene (Apg 13) 346 Lukuas (Aufstandsführer) 531 Lusius Quietus (Statthalter) 535 f. Luwisch 387, 388 Lydda 55, 71, 73, 201, 259, 262, 265, 420, 536 Lykaon (Heros eponymus von Lykaonien) 388 Lykaonien, lykaonisch 220, 379, 380, 385, 386–390, 396 Lysias, Claudius 161, 203 Lystra 230, 377, 380, 385, 386–392, 399, 413, 449 Magier / Magie 184, 189–194, 198 f., 200, 276, 372–375, 506, 566 – Kelsos wirft Jesus und den Aposteln Magie vor 194, 375 Magydos in Pamphylien 447 Mahlgebete 9, 76, 80, 81, 84 ff., 101, 107 Mahlgemeinschaft 77 f., 82–86, 122, 178, 286 – ~ Jesu mit den Jüngern 77, 82, 122 – eschatologischer Charakter der ~ mit dem Irdischen 77 f. – österliche ~ der Jünger mit dem Auferstandenen 78, 286 – geistliche ~ beim Herrenmahl 78, 82–86, 122
– zukünftige ~ in der Gottesherrschaft 77, 83, 101, 122 – ~ der Hellenisten mit Heiden in Jerusalem? 212 – ~ von Petrus mit der Familie des Cornelius 257, 259, 286, 292, 338 – ~ zwischen Juden‑ und Heidenchristen 410, 412 – Mahlmetapher 125 Makkabäerbücher 596 Malalas siehe → Johannes Malalas Maleachi (Profetenbuch) 61 Mammon 132 – Warnung Jesu vor dem ~ 132 f. Mamre (Amoriter) 318 Mamre, Eiche(n) von ~ 314, 318 Manaen / Menachem (Vertrauter des Antipas, Gemeindeleiter in Antiochia) 346 Manna 40, 570 Mār Peqīdā (Bischof) 306 Mara bar Sarapion 310 Maranatha 8, 85, 88, 101, 178 Marbonäer 528 Marcion 10, 66, 114, 455; siehe auch → Markianisten – »Marcionism« 455 Maria (Mutter des Johannes Markus) 35, 84, 171, 357, 364, 371, 444, 460 Maria (Mutter Jesu) 27, 51, 283, 443, 444, 446, 447, 563–568; siehe auch → Familie Jesu, → Jungfrauengeburt, → Panthera – Ehebrecherin und Prostituierte in der antichristlichen Polemik 25, 564 ff., 590, 593, 594 Maria Magdalena 175, 245, 445, 446; siehe auch → Frauenkataloge Maria und Martha 34 Mariamne (Hasmonäerin, Frau Herodes’ I.) 184, 349 Mariamne (Tochter Agrippas I.) 270 Mark Aurel (Kaiser) 605 – Mark-Aurel-Säule 487 Markianisten 522 f. – markionitische Synagogeninschrift in Lebeda 466 Markus (Evangelist) 8, 9, 20, 25, 26, 28, 30, 32, 46, 51, 54, 66, 67, 68, 71, 90, 94, 113, 115, 117, 119, 120, 122, 127, 129, 133, 152, 158, 170, 252, 255, 256, 291, 303, 351, 352, 378, 430, 431, 432, 435, 436, 437, 438, 446, 476, 554, 560,
Namen‑ und Sachregister 579; siehe auch → Johannes Markus, → Markusevangelium – identisch mit Johannes Markus, dem Neffen des Barnabas 303, 371, 378 – Petrusschüler 94, 133, 303, 378 Markusevangelium 7, 8, 20, 25, 135; siehe auch → Johannes Markus, → Markus – Abfassungsort Rom 280, 303, 378, 431 – Abfassungszeit 90, 354, 371 – Abfassung für die gottesdienstliche Lesung 90 – Alter seiner Traditionen 351 f. – Autor 303, 371, 378 Markusevangelium, geheimes 303 Markuslegende 303 Märtyrer 121, 126, 131, 132, 164, 207; siehe auch → Enthauptung, → Kreuzigung, → Steinigung – Christusgemeinschaft, himmlische der ~125 – Gottesgemeinschaft, himmlische ~ 99, 125, 335 – Eleazar (Priester) 282, 335, 436, 537 – Flavia Domitilla und Titus Flavius Clemens (legendär) 525 – Frau des Petrus (legendär) 134 – Herrenverwandte 344 – Ignatius von Antiochia 532 – Jakobus (Herrenbruder) 47, 83, 307, 473, 477, 480, 481, 486, 488, 489, 492–511, 513, 515, 520, 521, 522, 537, 580 – Jakobus (Zebedaïde) 32, 99, 350, 351, 352, 356, 358, 477, 512, 537, 580 – Jesaja 597 – Johannes (Zebedaïde) 351, 352, 580 – Justin (Apologet) 191, 194, 547, 566, 601 – Konon 447, 565, 597 – Makkabäische ~ 108, 210, 335, 537 – ~ von Lyon 581 – Onias III. (Hohepriester) 485 – Pappus und Lulianus 531, 535 f. – Paulus 362 – – Sehnsucht nach dem ~ 221 – Petrus 361, 362, 378, 408 – Polykarp von Smyrna 537 – Simeon, Sohn des Klopas 45, 436, 529–538, 581 – Stephanus 9, 33, 99, 100, 102, 105, 148, 151, 160 ff., 163, 177, 183, 295, 381, 419, 495, 496, 497, 501, 580, 599 Masada 14, 22, 236
763
Masbotäer 489, 527 Mattathias (Makkabäer) 581 Matthäus (Bischof in Jerusalem?) 543 Matthäus (Evangelist) 62, 70, 127, 129 – christlicher Lehrer und Schriftgelehrter 62, 70, 127, 129, 134, 252 – Gegner 68, 124, 436 f., 438, 439, 489, 501, 515, 547–559, 579 – Jesusbild 70, 124 – Logientradition 135 – Theologie 253 ff., 255 f., 439, 544 Matthäus (Jünger) 126 f. Matthäusevangelium 8, 20 – Abfassungsort 252, 344, 437 – Abfassungszeit 20, 91, 127, 252, 257, 437, 438 – Adressaten 432 – Autor 70, 126 f., 252 – ~ und das Lukasevangelium 66, 70, 115, 117, 118, 122, 133, 252, 281, 515, 532, 561–566 – Abfassung für die Lesung im Gottesdienst 90, 432 – Kindheitsgeschichte 561–566, 567 – Logientradition 115, 252, 427, 433, 435 f. – Polemik, antijüdische 431 f., 547–559, 560 f. – Sondergut 91, 252, 256 f., 427 – Übersetzung ins Aramäische 91 Matthias (8. Jerusalemer Bischof?) 541 Matthias (Jünger Jesu) – Zuwahl des ~ zu den Elfen 7, 8, 12, 32, 53, 68 Matthias, Sohn des Hannas I. (Hohepriester) 355 Meder 305, 464 Memar Marqah 189, 193, 479 f. Menachem ben Hiskia (Aufstandsführer) 14, 22, 534 Menander (Schüler von Simon Magus, Sektengründer) 194, 523, 528, 592 – Menandristen 522 f. Menelaos (Hohepriester) 322 Menschenhaßvorwurf 428 Menschensohn – Bilderreden des 1. Henoch 114, 320 – Danielbuch 52, 102, 114, 115, 116, 121, 123 – Jesus als ~ 12, 13, 21, 39, 95, 100, 116, 135, 159, 217, 477, 497, 499 f., 572 – – Areopagrede 123 – – Entrückung? 12
764
Namen‑ und Sachregister
– – zu Gott erhöht 21, 39, 83, 105, 118, 127, 159, 162 – – himmlischer Hohepriester 162 – – Jakobusüberlieferung 83, 100, 476 f., 499, 500, 502, 503 – – Johannesevangelium 572 – – Menschensohnworte Jesu 52, 102, 115, 116, 117, 120, 129, 431, 433, 434, 556 – – Parusie 12, 21, 52 f., 95, 105 ff., 115, 116, 117 f., 119 f., 127, 135, 354, 431, 434 – – (endzeitlicher) Richter 52 f., 100, 107, 116, 119, 120, 121, 123, 127, 354 – – Stephanusrede 100, 102, 145, 162, 476, 477 – – ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου als einheitliche Übersetzung von bar ’änāšā’ 143 – – Verwendung von ~ für das Erdenleben Jesu ab dem 2. Jh. 477 Menschensohn-Titel 100 f., 106, 143, 433 f., 476 f. Menschwerdung des Gottessohns 104 Meristen 528 Merkaba-Tradition 217 Mesopotamien 299, 305, 307, 314, 332, 379, 464, 530, 535 messianische Vollmacht → Vollmacht, eschatologisch-messianische messianischer Anspruch Jesu 14, 62, 95, 96, 98, 99, 128, 354, 429, 463 Messias – leidender 226, 430, 531, 533, 608 Messias designatus und Messias exultatus ad dexteram Dei 11 Messiasbekenntnis 235, 487 Messiaserwartung, alttestamentlich-jüdische 98, 356 Messiasgeheimnis 13, 116 Messiasprätendent, politischer – Jesus von Nazareth als angeblicher ~ 95, 98, 107, 211, 473 Messiastitel 100, 110 Messiasverheißung 6, 98, 101, 187, 381, 566, 608 – Dositheus (Samaritaner) als der von Mose verheißene ~ 522 Messisasreich, davidisches 125, 229, 239, 241, 298, 300, 316, 320, 327, 411 Michael (Engel) 217, 233 Militär in Palästina (siehe auch → Cohors Italica, → Sebastener) – Auxiliartruppen in Askalon, Caesaerea,
Sebaste-Samaria rekrutiert 184, 270 f., 273 – römische Bürgertruppen 271 ff. Militärdienst (Juden davon befreit) 270 Minim 538, 546, 576, 580, 582, 584–589, 591, 592, 599; siehe auch → Birkat hammînîm, → mînîm, → mînût – Bücher der ~ 594–597 Minucius Felix, Octavius 600, 605 Miqṣat Maʻaśê Ha-Tôrâ 21, 22, 196, 256, 320, 411, 558 Mischael (einer der drei Männer im Feuerofen) 536 »Mission«, jüdische 276 Missionserfolg (siehe auch → Heidenmission, → Verkündigung) – in Antiochia am Orontes 340 f., 344 f., 395 – in Antiochia in Pisidien 382 f. – in Edessa (legendär) 309 – in Jerusalem 8, 19, 408 f., 444, 499, 542 – in Judaea / Palästina 21, 55 f., 263 f. – in Samarien 151, 190 – in Zypern 372 – während der beiden ersten Generationen 63 Missionspläne, Missionsziele 21, 197, 204, 239, 300, 327, 346, 372, 378, 379, 380, 383, 392 f. – keine gezielte Mission 300, 303 – Anweisungen zur Mission durch den (profetischen) Geist / Engel des Herrn 56, 62, 63, 196, 197, 258 Missionspredigt 21, 44, 95, 163, 193, 199; siehe auch → Gottesdienst, → Predigt Missionsreisen 239, 245, 367, 390, 428 – Chronologie der Reisen 397–400 – Barnabas und Paulus: Erste große Missionsreise 61, 175, 197, 205, 230, 260, 312, 345, 385–394, 395, 396, 399 – – mit Johannes Markus 345, 376 f., 378 – Barnabas mit Johannes Markus 410 – Hellenisten von Jerusalem bis Antiochia 295 – Paulus in Arabien 238–243 – Paulus mit Silas / Silvanus 61: Zweite große Missionsreise des Paulus 174 f., 392 – Paulus’ Plan nach Rom zu reisen 300 – Petrus’ »Visitationsreisen« in Judäa und Samarien 5, 55, 189 ff., 201, 252, 262–265
Namen‑ und Sachregister – – spätere Reisen mit Johannes Markus 378 – Philippus 265 – ~ und Unterhalt 344, 446 – ~ von Ehefrauen begleitet 54, 133, 344, 446 Mittlerfunktion – Christi 27, 102, 166 – des heiligen Geistes im Judentum 154 – der Herrenbruder Jakobus als Offenbarungs~ 308, 477–480, 489, 500 Mnason aus Zypern 148 Monotheismus, monotheistisch, monotheisierend 97, 240, 275, 553 Montanus, Montanismus, Montanisten 64, 66, 182 Mose 106, 156, 189, 275, 286, 460, 479, 537, 577, 609; siehe auch → Dositheus, → Kathedra Moses, → Simri, → Tora – Berufung 227 – am Schilfmeer 60 – als Gesetzgeber 38, 128, 151, 153, 154, 157, 166, 190, 254, 276, 280, 381, 395, 398, 402, 421, 471, 591, 598 – – Abfall vom Gesetz des ~ 334, 395, 448 – als Profet 60, 217, 551, 553 – im Jubiläenbuch 290 – Landverheißung 314, 321 – Messias legt die Tora ~s verbindlich aus 159 – am Sinai 217 – als Magier 374 – mit Jannes und Jambres 373, 374 – und profetische Geistbegabung 60 – bei den Samaritanern 193 – Tempelgeräte ~s im Garizim 187, 421 – Tora ~s als Schriftlesung 90 – Tora ~s bei den Samaritanern 183, 190 – Typos für Christus 153, 155 – Weisung Jesu über der Tora ~s 90, 128, 159, 166, 532 – Thronvision in der Exagoge des Tragikers Ezechiel 550 – Jesus als neuer ~ 187 – successio Mosaica 478, 553, 577 Mose redivivus (endzeitlicher Profet) 187, 193 Mündlichkeit, mündliche Tradition, ~ Jesusüberlieferung 71, 90, 127, 140, 181, 182, 231, 261, 385, 388, 455, 456, 565 Münzen 383 – Bar-Kochbamünzen 541
765
– Eber-Abbildung auf römischen Münzen 442 – Abbildung von Hadrians circumductio bei der Gründung Colonia Aelia Capitolina 541 – hasmonäische und herodianische ~ in Paphos auf Zypern 372 – Tyche-Abbildung von Antiochia am Orontes 268 – Tyche-Abbildung von Caesarea Maritima 268 f. Mysterien, ~feiern, ~religionen 77, 179 Nabatäer, Nabatäerreich 55, 204, 236, 238–243, 296, 298, 306, 370; siehe auch → Arabien, → Aretas IV. – Mission des Paulus im ~reich 55, 204, 238–243, 296, 306, 370 Nachahmung Christi 73, 506, 507, 533, siehe auch → imitatio Christi Nachfolge / Kreuzesnachfolge 52, 54, 253, 432, 435, 437, 506, 507, 533, 603 – Jesu Ruf in die Nachfolge 35, 54, 432, 435 Nächstenliebe und Gesetzeserfüllung 130; siehe auch → Liebesgebot Nag Hammadi 306, 478 Naherwartung 36, 39 f., 54, 65, 92, 113 f., 117 ff., 241; siehe auch → Parusieerwartung Nahum, R. 596 Namen (siehe auch → Gottesname, → Parteinamen 341) – aramäische 8, 41, 162, 340, 341, 351, 357, 372 – biblisch-palästinische 204 – griechische 141, 143, 146, 147, 358 – hebräische 205 f., 406 – lateinische 143, 162, 204, 205, 346, 370, 373 – römische 273, 342 – von Synagogen 148 – Doppelnamen 162, 205, 263, 373 – ~s Kataloge / Listen 32, 59, 63, 140, 316 Nasiräer 43, 440, 451, 480, 482 ff. 486 Nazareth 7, 16, 25, 26, 51, 135, 151, 152, 154, 156, 162, 177, 187, 222, 229, 306, 381, 382, 494, 506, 542, 544 – Herrenverwandte in ~ 344, 447, 597 – Judenchristen in ~ 598 – jüdisches Dorf im 2. Jh. n. Chr. 306, 446 – zum Namen ~ 25
766
Namen‑ und Sachregister
Nazoräer (Nazareth-Leute) 25, 353, 586, 596, 598 – zum Namen 25, 341, 583 Nazoräerevangelium 40 Neapolis, Flavia (in Samarien) 191, 601, 602 Nehemia 185 Nero (Kaiser) 101, 149, 268, 334, 348, 359, 360 f. 363, 384, 408, 512, 529, 535 – »göttliche Stimme« 360 f. 363, 408 – Grausamkeit 524, 525 – Name von Lukas nicht erwähnt 348 – ~ redivivus 348, 515, 516 – Suetons ~-Vita 360, 434 – neronische Zeit 268, 269 – Tod 512 Neronische Verfolgung 300, 361, 431, 432, 435, 524, 525, 526, 535 – Hinrichtung von Petrus und Paulus 361, 362, 408 Nerva 304, 526 f., 537, 597 – Datierung des Barnabasbriefs unter ~ 304, 597 Neujahrsliturgie (jüdische) 279 Neuschöpfung 22, 216; siehe → Schöpfung, neue Nichtsorgen 40, 132, 431 Nikanor (einer der »Sieben« Hellenisten) 140, 146 Nikanor (seleukidischer Feldherr) 485 – Nikanortag 536 Nikodemus 579 Nikolaos (Proselyt aus Antiochia, einer der »Sieben« Hellenisten) 140, 146, 296, 298 – Nikolaiten 146 Nikolaos von Damaskus 140, 144, 298 f. – als Quelle des Josephus 298 ff. Noah 115, 302, 322, 389, 480 Nob (Priesterstadt) – Herkunftsort des Barnabas? 41 Obadja 189, 483 – ~grab 189 Oberpriester (der Ägypter) 284 – Oberpriesterin des Kaiserkults 383 Oberschicht 310; siehe auch → Patrone – Frauen der heidnischen ~ 383 – jüdische ~ 142, 334, 441, 508 – jüdische Werbung um die pagane ~ 305, 383 – Cornelius Angehöriger der ~ 273
– Antiochener ~ 329, 334 – Jerusalemer ~ 20, 144 – sadduzäische ~ 472 – ~ Samariens 185 – Theophilos Angehöriger der ~ 200, 361 Obrigkeit 130, 586 Odeion in Caesarea Maritima 268 Offenbarung 167, 197, 231, 307, 397, 512, 519; siehe auch → Jakobus, Herrenbruder, → Johannesoffenbarung, → ἀποκάλυψις – ~seinheit von Gott und Menschensohn 118, 197, 242 – ~serfahrung / empfang 231, 235, 258, 297, 368, 564 – ~ Gottes 166, 169, 218, 223, 224, 258 – ~ des Menschensohns 118 – ~ des Heiligen Geistes 377 – Heiliger Geist Mittler der ~ Gottes 154 – ~ des Sohnes Gottes / Jesu Christi 178, 212, 218, 220, 223, 307 f. Ölberg 60, 508 »Ölprivileg« 331, 334 f. Ölsalbung 72, 453, 466 Olympische Spiele in Antiochia am Orontes 332 Onias III. (Oniade, Hohepriester) 331, 485 Opfer 129, 297, 305, 314; siehe auch → Sühnetod, → Tempel, Jerusalemer, → Judenchristen – Ablehnung des ~kults 486, 500 – Distanz zum ~kult 129 f., 153, 356, 500 – Eucharistie als ~ 84 – Gebet wie ein ~ 474 – Kreuzestod Jesu als wahres ~ 158, 356 – ~ »nach griechischer Sitte« 334 – ~ zur Auslösung der Nasiräer 451 – geplantes ~ des Priesters des Zeus 387 f. – Tamidopfer 74, 111, 112 Opferzwang 333 f., 402 Orakel 339, 535; siehe auch → Bileamorakel, → Nathanorakel – Heils~ 315, 566 – ~gott 41 – ~spruch 512, 516 – Einholung vor der Stadtgründung 266, 267 – des Simeon (Lk 2) 162 Origenes 75, 361, 565, 566 – Contra Celsum, siehe → Kelsos, weiter → Stellenregister – Hexapla 183
Namen‑ und Sachregister – über antichristliche Polemik 286, 302, 375, 426, 445, 506, 534, 559, 564 f., 605 – über Ariston von Pella 601 – über Dositheus 522 – über die Ebioniten 24, 188, 425 – über das Hebräerevangelium 197, 476 – über den Jakobusbrief 454 – über Josephus 510 – über die Jungfrauengeburt 564, 567 – über Simon Magus 191, 194 – zur αὐτοβασιλεία 114 Orine, Destrikt 442 – jüdische Siedlung zwischen 70 und 132 n. Chr. in ~ anstelle Jerusalems 441, 518 Ossuar(ien) 45, 142, 146, 149, 298, 354, 508 – Inschrift(en) 45, 142, 146, 149, 204, 298, 354 Osterereignisse 39, 95, 101, 226, 446, 604 Ostererscheinungen 215, 226; siehe auch → Erscheinungen Ostergeschichten 226 – bei Matthäus 559 f. – apokryphe Weiterbildung im Hebräerevangelium 476 – apokryphe Weiterbildung im Petrusevangelium 561 f. – apokryphe Weiterbildung im Thomasevangelium 479 Ostern (nach Ostern), (nach)österlich 4, 8, 10, 12, 13, 14, 18, 21, 22, 27, 32, 34, 54 f., 57, 68, 71, 82 f., 83, 97, 106, 109, 113, 115, 116, 119, 124, 127, 133, 135, 158, 224, 256, 286, 346, 351, 356, 383, 433, 436, 470, 579, 580 – vor Ostern, vorösterlich 95, 115, 124, 135, 476 Osternacht 80 Osterpassa 83 Ostersonntag 84 Osterstreit 83 f. Ostervision 215, 216, 446 Osterzeugen 170, 215, 445; siehe auch → Auferstehungszeugen Pamphylien 376, 377, 379, 380, 396, 447, 464 Paneas 332 Pantheon in Antiochia am Orontes 330 Panthera (Pandera) 25, 565, 593, 594; siehe auch → Ben Stada – römischer Soldatenname 25, 565
767
– Vater von Jesus von Nazareth in der antichristlichen Polemik 25, 565, 593 – Jesus ben ~ Spottname für Jesus von Nazareth 25, 565 f., 593, 594 Paphos 173, 372, 376, 377, 378 Papias von Hierapolis (Bischof) 201 – über die Evangelien 127 – über die Fruchtbarkeit im 1000 jährigen Reich 327 – über den Jünger Matthäus 126 – über den Märtyrertod des Zebedaïden Johannes 352, 580 – über Philippus 146, 181 – über die Philippus Töchter 32, 64, 181 Paradies, paradiesisch 218, 324, 326, 339, 591; siehe auch → Eden Paraklet 19, 105 – ~-verheißung 19, 575, 580 Parallelismus membrorum 256 Paränese 54, 119, 120, 122, 130, 131, 135, 164, 336, 469, 470 Parmenas (einer der »Sieben« Hellenisten) 140, 146 Parther 15, 305, 464 – Partherkrieg Trajans 330, 530, 535 – Partherreich 142, 276, 294, 305, 330 »Parting(s) of the Ways« 424, 426, 430, 546, 561 Parusie 7, 12, 42, 43, 68, 79, 82, 83, 95, 98, 101, 105, 115, 119, 122–125, 132, 134, 165, 254, 296, 327, 356, 407, 488, 489, 516, 535, 600, 603; siehe auch → Naherwartung, → Menschensohn – ~gleichnisse 119 f. – ~schilderung 121 – ~verzögerung 118 – Jerusalem als Ort der ~ 124 f., 296 Passalamm 83, 84, 112, 356 Passamahl, letztes 77, 83, 109 Passariten 83 Passionsgeschichte / Passionsüberlieferung 44, 82, 108, 110, 503, 559, 561, 574, 579 Pastoralbriefe 33, 54, 135, 392, 466, 528 – Verfasser kennt die Apostelgeschichte 233 patibulum 435 Paulus (siehe auch → Apostel, → Aposteldekret, → Apostelkonzil, → Ehelosigkeit, → Herrenmahl, → Lukas, Paulusbegleiter, → Missionsreisen, → Synagogenstrafe, → Verfolgungen)
768
Namen‑ und Sachregister
– Abraham bei ~ 327, 328 – Apostolat / Aposteltitel 21, 57, 58, 215, 223, 368, 370, 404 – Arabienaufenthalt 55, 125, 224, 231, 235, 238–241, 242, 245 – Auferstehungszeuge 3, 4, 55, 96, 215, 216, 225 f., 229 f., 233 – Berufstätigkeit 57, 174, 241 – Berufung 4, 5, 9, 37, 55, 93, 96, 140, 164, 167, 170, 177, 214–234, 235, 246 – Briefschreiber 69 – Bürgerrecht, römisches, tarsisches 203, 380 – Christologie 11, 27, 88, 93 f., 96–100, 102, 103–112, 123 f., 127, 135, 158, 178, 179, 211 f., 217 f., 222, 226, 302, 356, 411, 430, 429, 608 – Ehelosigkeit 39, 54, 132 – Eschatologie 93, 100 f., 105, 114–118, 119, 120, 121, 123–126, 222 – Gegner 170, 176, 215, 221, 243, 366, 401, 409, 428 – gemeindegründende Predigt 93 f., 117, 121, 123 – Gesetz 55, 128, 130, 154, 159, 168, 204, 205 f., 207, 209, 210 f., 221 ff., 254, 396, 398, 400, 401, 411, 429 f. – Gesetzeskritik 159, 408 – Herkunft und Name 97, 141, 149, 162 f., 164, 203 ff. – historische Angaben 31, 75, 176 – Jesusüberlieferung bei ~ 56, 57, 88, 117, 120, 123 f., 127, 130, 132–136, 396 – Kollekte für Jerusalem 24, 42, 251, 345, 405, 408, 409, 413, 449 f. – Lehrvortrag 89, 123 – Martyrium 221, 362 – Missionar 75, 123, 215, 218–221, 225 f., 230 f., 233 f., 246 – Mission, ›gesetzesfreie‹, ›gesetzeskritische‹ 41, 54, 55, 57, 58, 61, 63, 75, 147, 197, 202, 220, 225 f., 234, 241, 246 f., 259, 304, 311 f., 370, 371, 382 f., 394, 399, 404 ff., 421, 429 – Naherwartung 39, 92, 117 ff. – ~ und Barnabas 9, 41, 53, 54, 57, 61, 63, 64, 68, 147, 173, 197, 202, 223, 234, 245 ff. – ~ und Beschneidung 217, 221, 240, 241, 259, 366, 393 f., 397–400, 400 f., 404, 412 – ~ und Petrus 10, 46, 53, 56, 70, 94, 97, 168, 170, 175 f., 181, 210, 214, 223, 235, 243–247. 260, 273
– Pharisäer 69, 164, 206 f., 207–210, 213, 220, 222, 400, 495, 559 – Rechtfertigungslehre 72, 105, 108 f., 110, 124, 218, 221 ff., 411 f., 452, 454, 462, 468, 469 – Schriftauslegung 17, 68, 89, 105–108, 205 f., 207, 212f, 217 – Spanienmission 221 – Steinigung 161, 390, 498 – Verfolger der Hellenisten in Jerusalem 23, 25, 96, 112, 123, 162 ff., 207, 210– 216, 220, 222–230, 232, 237, 427, 428, 430, 438, 556, 559 – Verhaftung und Prozeß 25, 26, 43, 106, 113, 151, 152, 161 f., 165, 195, 203, 228, 209, 226, 231 f., 260, 408, 439, 451, 465, 556, 604 – Verwerfung bei Judenchristen in späterer Zeit 128, 168, 227, 598 – Visionen 93, 96, 197, 215–218, 225, 228–231, 234, 312, 339, 445 f. – vorchristliche Zeit 4, 51, 69, 162 ff., 167, 206–214, 220, 221 Paulusakten / Acta Pauli 237, 238 Paulusbriefe 8, 10, 31, 32, 33, 39, 42, 51, 59, 61, 69, 92 – als älteste historische, christliche Zeugen 4, 51, 174 – Briefanfänge 88, 214 f., 467 – Formelhafte Aussagen gehen auf früheste Christologie zurück 89, 97, 102–112, 115–120, 123 f., 158 f., 178 – Zusammenfassung größerer Lehrvorträge 89, 123 Pauluschronologie 169, 170, 173–176 Pauluserinnerungen 214, 220, 221, 222, 227, 228, 229, 231 Pauluslegende 231, 234 Pax Romana 142, 387 Pella (Dekapolis) 518 – Auswanderung / Flucht nach 63, 167, 437, 441, 512–519, 521, 557 – Rückkehr aus Pella 481, 521 – Nazoräer in der Gegend von Pella 598 Pentheus 232 Peregrinus Proteus 43 Perge 376, 377, 378 ff., 392, 410 Peristasenkatalog 391 Perseus 263 Petronius 207, 336, 341 Petrus (siehe auch → Agrippa-Verfolgung, → Apostelkonzil, → Aposteldekret,
Namen‑ und Sachregister → Jerusalem, → Kephas, → Markus [Petrusschüler], → Pseudoklementinen, → Säulen) – Autorität 31, 32, 33, 46, 52, 70, 245, 292, 365, 181, 235, – Bedeutung 7 f., 31 ff., 53, 127, 175, 235, 260, 292, 311, 351 f., 370, 477 f., 490 – Christusverkündigung 94 – Ehefrau / Familie 34, 54, 133 f. – erstberufener Jünger 260, 292 – »Felsenwort« 20, 220, 235, 479 – Flucht aus Jerusalem 5, 35, 171 f., 175, 347, 349, 352, 354, 357 f., 364 f., 398, 400, 428, 443, 444, 478, 517 – Gesetzesverständnis 129, 147, 338, 411 – Grab 508 – ›Inspektionsreise‹ 55, 163, 189 f., 262 – Leitung der Urgemeinde 7 f. 12 f., 31, 52, 168, 190, 244, 348, 351 f., 407, 443, 478 – Martyrium 361 f., 378, 435 – Mission 94, 190 f., 251, 257–293, 304, 310, 464 – – Abgesandte der Petrusmission? 72, 409 – – Juden~ 399, 404 f. – – Begründer der beschneidungsfreien Heiden~? 200, 201 f., 220, 225, 241, 246, 257–262, 292 f., 296, 311 f., 338, 370 – ~ und Korinth 72 – ~ und Cornelius 5, 7, 28, 44, 55, 78, 103, 131, 195, 198, 200, 201, 246, 257–262, 265, 273, 278 f., 285–292, 296, 338, 370, 405, 407 – ~ und Jakobus 8, 51, 168, 364 f., 407 f., 422, 444, 445, 490 – – Unterordnung des ~ unter Jakobus 8, 51, 53, 171, 175, 364, 365, 443, 453, 454, 477 f. – ~ und (Johannes) Markus 371, 378 – ~ und Paulus 5, 8, 9,10, 56, 70, 97, 168, 176, 214, 223, 235, 243–246, 273, 345, 397, 399, 404, 409–412, 442, 446, 447, 448 – ~ und Simon Magus 190 f., 193 f., 373 – ~ und die »Zwölf« 52 f., 172 – Petrusreden – ~ in der Apostelgeschichte 5, 8, 17, 19, 26 ff., 44, 61, 71, 78, 84, 97, 98, 99 f., 102 f., 107, 109, 113, 131, 187, 198, 285 ff., 301, 343, 405 f. – ~ im Lukasevangelium 8, 122, 127, 133
769
– ~ im Markusevangelium 8, 127, 133, 435 – ~ im Matthäusevangelium 122, 127, 133, 252, 256 f. – Protophanie 11, 52, 245, 260, 292, 445 – Verhältnis zur römischen Gemeinde 97, 172, 365 – Vermittler von Jesustradition 57, 82 – Verrat Jesu 109 – Vision 258, 278 ff., 281, 283, 284, 292 – Wunder 9, 71, 73, 262 ff., 386, 390 – Zusammenstoß mit Simon Magus 190, 191, 193 – Zwischenfall in Antiochia 175, 223, 409–412, 442, 446, 447 Petrus-Glaukias-Überlieferung 303 Petrus-Markus-Überlieferung 303 Petrusakten 191, 193, 361 Petrusapokalypse 361 Petrusbrief, Erster 69, 110, 457 f. – Zweiter 458 Petruserzählungen, ~traditionen als Quelle(n) der Apostelgeschichte 4, 41, 71, 72, 252, 260, 261, 278, 344, 357, 406 Petrusevangelium 561 Petruslegenden 84, 134, 252, 256 f., 303 Pfingsten 13, 16, 18, 143 – »Pfingsten der Heiden« 288 – Pfingstrede des Petrus 99, 102, 113, 300, 343, 409, 443 – Pfingstgeschichte 299, 464 – Pfingstwunder 288, 305 Pharao 195, 375 Pharisäer, pharisäisch (siehe auch → Gamaliel I., → Josephus, → Paulus, → Sektenkataloge) – christliche ~ 8, 168, 408, 495 – Engel‑ und Geistlehre 50 – Entstehung und Frühzeit unter Johannes Hyrkan 354, 497 – Erneuerung nach 70 / Entwicklung zum Rabbinat 597, 608, 609 – Eschatologie 50 – Ethik 206 – Gesetzeseifer 168, 206, 396 – jüdische Erneuerungsbewegung 21 f. – ~ Schriftgelehrte vor 70 n. Chr. 48, 49 – ~ Schulbildung und Schriftstudium in Jerusalem und Palästina 164, 206, 207 ff. – Polemik gegen »Schriftgelehrte und ~« bei Matthäus 437 ff., 501, 515, 547–559 – ‑antipharisäische Polemik in der Grabes‑ und Auferstehungsgeschichte 560
770
Namen‑ und Sachregister
– Polemik gegen die ~ im Johannesevangelium 568, 569, 570–575, 576, 577, 579, 597 – spätere christliche Warnungen vor den ~ 444, 487, 500 ff., 586 f. – Reich-Gottes-Erwartung 50, 118 – Reinheitsbestimmungen 280 f., 494 f. – Verhältnis Jesu zu ~n in den Evangelien 77, 118, 134, 280 f. – Verhältnis zu Essenern 21 – Verhältnis zu Izates, König von Adiabene 208, 276, 305, 404 – Verhältnis zu Hannas II. 494 f. – Verhältnis zu Herodes I. 199 f. – Verhältnis zu Jesusanhängern vor 70 n. Chr. 50, 357, 364, 421, 427, 440, 449, 494, 495, 506, 559 Philadelphia (Dekapolis) 518, 272 Philadelphia (Kleinasien) 64 Philemon und Baukis 388 ff., 390 Philetos 528 Philipperbrief, des Paulus 121, 221, 401 Philipperhymnus 104, 388 Philippus (9. Jerusalemer Bischof) 541 Philippus (Jünger Jesu) 143, 146 Philippus (εὐαγγελιστής) 146 – der zweite der »Sieben« Hellenisten 33, 134, 140, 147, 180 f., 183 – Bekehrung des äthiopischen Finanzministers 107, 108, 182, 194–201, 255, 257, 295, 303, 311 f., 338 – Emigration nach Hierapolis (Phrygien) 64, 134, 181 f., 517 – Entrückung 182, 197, 265 – Haus / Familie des ~ in Caesarea 35, 64, 134, 147, 180, 260, 265, 269 f. – Magier Simon und ~ 184, 189 – Mission 28, 33, 55, 69, 148, 151, 163, 180–202, 420 – – in Samarien 28, 55, 56, 182, 183–191, 193, 255, 295, 311, 420 – ~erzählungen 4, 9, 182, 197, 202, 224, 255 – ~ und Lukas 140, 181 – Töchter des ~ 32, 64, 134, 181 f. – zuverlässige Personaltradition bei ~ und seinen Töchtern 181 f. Philippus, Tetrarch 171, 180, 242, 349 Philo von Alexandrien – als philosophischer Exeget 207 – eschatologische Hoffnungen 276, 324, 325 f., 464
– Schriftauslegung 196 – über die Beschneidung 403 f. – über die Caligula-Krise 347 – über die Essener 38, 39 – über den himmlischen Menschen 101 – über den jüdischen Gottesdienst 74 – über die jüdischen Freigelassenen in Rom 149 – über Petronius 207 – über von Juden bewohnte Gebiete 208, 379 – über Pontius Pilatus 187 – über die Sinaioffenbarung 15 – über die Synagogen 143 – über die Therapeuten 15, 38 – über die Verspottung Agrippas I. 271 – Widmungen 233 Philosophen, Philosophie, philosophisch 36, 38, 143, 173, 192, 204, 207, 208, 275, 284, 297, 304, 325, 332, 335, 464, 528, 547, 593, 602 f. – Philosophenmantel 601 Philostratos 482, 484 Phinees (jüdischer Hoherpriester bei Malalas) 336 Phönizien, phönizisch 163, 201, 226, 267, 295, 317, 328, 371 – phönizisch-hellenistisch 296 – syrophönizisch 255 Phrygien 66, 134, 181, 182, 270, 277, 379, 380, 388, 464, 581 Pilatus-Inschrift in Caesarea 266 Pilatus, Pontius (siehe auch → Testimonium Flavianum) – Absetzung als Präfekt durch Vitellius 187, 347 – Anklage vor ~ gegen Jesus als »König der Juden« 160, 211, 429 – Anspielung auf die von ~ bestätigte Unschuld Jesu im Talmud 544 – Auslieferung Jesu an ~ 14, 44, 49, 96, 107, 211, 354, 429, 473, 494, 497, 510 – Dialog Jesu mit ~ bei Johannes 114, 166 – keine Verfolgung von Jesu Anhängern 44, 45, 49, 132 – Kreuzigung Jesu aus politischen Gründen 14, 73, 531 – Spannungen (religiöse und politische) unter der Herrschaft des ~ in Judaea 187 – Prozeß Jesu 203 – – Präzedenzfall für spätere Verhandlungen 354
Namen‑ und Sachregister – Verhör Jesu bei Markus 170 – Verhör Jesu bei Matthäus 559 – Vorgehen gegen die Samaritaner 187, 347 – Legende von den Grabwächtern 560 f. Pilatuslegenden 559, 567 Pilger in / nach Jerusalem 303, 304 f. – Fest~ zum Wochenfest 13 ff. – ~ aus Rom 300, 301 – Fest~ bei Johannes 143, 570, 574 – Fest~ bei den Synoptikern 574 – Finanzminister der Königin Kandake 195, 197 – ›~hotel‹ in der Theodotos-Inschrift 150, 230 – ~weg zwischen Babylonien und Jerusalem 332 – Jerusalem als ~zentrum für Palästina und die Diaspora 142, 355, 409, 456 – spätere Pilgerberichte über Jerusalem 504 Pinchas 334, 581 Pisidien 220, 379, 380, 388, 396 Piso, Cn. Calpurnius 341, 375 Pisoniani 341 Platon, platonisierend 37, 47, 528 Plinius d. Ä. 39, 195, 374, 442 Plinius d. J. 26, 79 f., 164, 212, 300, 356, 497, 532, 533, 537, 581 Pogrom – in Antiochia am Orontes 333, 336, 342 – in Damaskus 236, 275, 298 – ~e im 1. Jüdischen Krieg 124 – ~ im Zusammenhang mit der Stephanusverfolgung? 163 f. Polemik (siehe auch → Antijudaismus) – antichristliche ~ von Juden 302, 304, 374 f., 445, 506, 565 f. – antijüdische ~ in den Evangelien 547, 560 f., 567, 576, 597, 602 – antijüdische ~ im Barnabasbrief 304, 597 – antijüdische ~ bei Justin 602 – antisamaritanische ~ bei Josephus 186 – gegen die Priesteraristokratie in der Apostelgeschichte 44, 158, 167 – gegen die Reichen 122, 471 f. – pagane antichristliche ~ 86, 604 f. – pagane antijüdische ~ 276, 298, 428, 605 Polykarp von Smyrna (Bischof) 66, 70, 357 Polykrates von Ephesus (Bischof) 84, 181, 182 Pompeius 149, 174, 294, 330 Pompeius Trogus 299 Pontus 271, 300, 457, 464
771
Poppaea (Frau Neros) 144 Poseidonios (Stoiker) 37, 332 Praetorium 272 Präexistenz, präexistent 104, 166, 219, 579 Präfekt (Titel) 44, 50, 201, 258, 266, 270, 272, 274, 354, 363, 429, 495 Predigt (siehe auch → Bergpredigt, → Feldrede, → Gottesdienst, → Apostelgeschichte, Reden) – Predigt Jesu 119, 123, 125, 126, 127, 128, 132,162, 381, 382, 386, 549, 574, 578 – urchristliche 21, 44, 47, 77, 86, 95, 124, 300, 339, 381, 409 – – Anknüpfung an die Predigt Jesu 124, 126 – – paränetische Umsetzung der Predigt Jesu 132 – – Weiterverkündigung bringt Veränderung 127 – Petrus 19, 47, 198, 258, 285 ff., 300, 386 – Paulus 59, 84 f., 117, 121, 123, 125, 381, 382, 385, 386 – Philippus 163, 189, 193, 199 – Täuferpredigt 115, 117, 119 – im Synagogengottesdienst 275, 297, 339, 388, 587, 609 Presbyter (siehe auch → Ältestenamt, → πρεσβύτεροι) – Amt in christlichen Gemeinden 392, 540 – – Jerusalem 453 – Titel auf jüdischen Inschriften 161 – institutionelles Presbyterkollegium 63 – synagogales Presbyterium 151 Priester / Priesterschaft (siehe auch → Christus als Hohepriester, → Jakobus als Hohepriester) – ägyptische 284 – christliche »neue Hohepriester« in der Didache 63 – himmlische 145, 162 – jüdische 8, 22, 31, 45, 76, 129, 130, 144, 146, 149 f., 154, 168, 186, 187, 282, 319, 335, 355, 368, 402, 477, 483, 506 f., 548 f., 558, 561, 591, 606 – – Einkünfte 355 – – Grabbauten 508 f. – – Losentscheid 31 – – soziale Mißstände 493, 498 – – Priestersegen 576 – des Kaiserkults 383 f. – persische 373 – samaritanische 184, 186, 528
772
Namen‑ und Sachregister
– römisch-lykaonischer ~ des Zeus 387, 389 Priesterschrift 315 Priscilla und Maximilla (montanistische Profetinnen ) 64 Priska / Priskilla und Aquila 174, 238, 301, 348 Privileg 219, 244, 331, 334 f.; siehe auch → »Ölprivileg« Prochorus (einer der »Sieben« Hellenisten) 146 Profeten, profetisch (siehe auch → Profetie, → Pseudoprofeten) – alttestamentliche ~ 16, 46, 60, 61, 64, 111, 116, 117, 124, 155, 156, 197, 217, 218, 219, 221, 234, 253, 317, 319, 324, 438, 460, 472, 483, 487, 566 – christliche ~ 58, 59–67, 69, 70, 87, 115, 126, 129, 174, 180, 181, 187, 198, 214, 246, 327, 342–345, 346, 368, 395, 436, 436, 466, 535 – – Profetinnen 64, 181 f. – falsche Profeten 63, 66, 348, 372, 421, 434, 439, 506, 522, 527, 532 – frühjüdische, eschatologische 60, 62, 119, 364, 421 – Johannes der Täufer als eschatologischer Profet 62 – Jesus als messianischer Profet 62, 187, 570 – Jesus als falscher Profet 494, 534 – Jesus als Inkarnation des wahren Profeten 551 f. – profetisch-ekstatische Elemente des christlichen Gottesdienstes 339, 368 – samaritanischer Profet 187, 347, 421 – Wanderprofeten 58, 63, 65, 343, 345 – zelotische ~ 60, 364 Profetenlesung 91, 381 Profetenschriften – alttestamentliche 90 f., 95, 101, 104, 106, 108, 111, 121, 127, 129, 156, 186, 188, 199, 596, 609 – pseudepigraphe 65 Profetenverfolgung und Profetenmordmotiv 62, 108, 154, 156, 167, 390, 428, 433, 434, 436 f., 438, 498, 554 f., 557 f., 606 Profetie 303, 397 (siehe auch → Profeten) – alttestamentliche 317, 327, 343, 464, 485, 578 f. – endzeitliche Gabe des Geistes 17, 33, 59, 61–65, 67, 113, 343
– im Gottesdienst 59, 62, 64, 65 – Johannesoffenbarung 535 – urchristliches Charisma 33 f., 59, 60–67, 143, 343 – Gefahren der ~ 66 – Falschprofetie 66, 448 – ~ und Lehre 67 f. Prokonsul 173 f., 273, 367, 372, 374, 375, 377, 384, 529 f. Propaganda – antichristliche 605, 606 – christliche 182, 439 – jüdische 149, 153 – ~ der Flavier 94, 387 Proselyten 140, 142, 146, 149, 195, 196, 199, 274, 296, 297, 325, 464, 602, 610 – Abraham als erster Proselyt 328 – Beschneidung 403 f. – in Inschriften 275, 298 Prostituierte / Prostitution 414, 538, 590 Protevangelium des Jakobus 443, 475, 567 f. Protophanie Christi (siehe auch → Auferstehungszeugen) – vor Jakobus 475 ff. – vor Maria Magdalena 245 – vor Petrus 11, 52, 245, 260, 292, 445 Provinz(en) 15, 48, 203, 271, 272, 308, 517 – Achaia 173 – Asia 182, 457 – Bithynien 457 – Galatia / Galatien 173, 176, 369, 377, 379, 380, 392, 393, 395, 396, 398, 457 – Iudaea 272, 441, 442 – Kappadokien 457 – Kilikien 208 – Pontus 300, 457 – Syrien 236, 271, 274, 295, 309, 329, 330, 340, 494 – Syrien / Kilikien 207, 214, 246, 274, 393 – Zypern 375 Psalmen 86, 87, 88, 90, 94, 99, 105, 108, 131, 156, 313; siehe auch → Hallelpsalmen, → Benediktus, → Magnifikat – Christuspsalmen im 2. Jh. 89 – Leidenspsalmen 108, 131 – messianisch gedeutete ~ 45, 46, 80, 88, 105, 108, 155 – Septuaginta 80, 94, 156 – Valentin 89 Psalmen Salomos 470, 597 Psalmendichtung 86, 88
Namen‑ und Sachregister Pseudo-Hieronymus 528 f. Pseudoklementinen 427, 465 – Abfassungsort 414 – Abfassungszeit 478 – Ablehnung der Opfer 486 – Barnabas 303, 346 – ebionitische Traditionen 478 – Eucharistie 286 – Flucht nach Pella 515 – Jakobus 451 f., 478, 490, 499, 501, 504 ff. – Jesus, Inkarnation des wahren Profeten 551 ff. – Kathedra Moses und Christi Kathedra 551 ff. – Paulus 427 f., 504 f. (inimicus homo) – – antipaulinische Polemik 474 – Petrus 193, 261, 303, 373, 414, 478 – Simon Magus = Paulus 191, 193, 227, 261, 373 – Zitate aus Mt 23 Pseudoprofeten / ~messiasse 66, 193, 364, 421, 532 Ptolemäer, ptolemäisch 183, 263, 267, 319, 371, 183 Ptolemaios (im Aristeasbrief) 285 Ptolemaios IV. 263 Ptolemaios IX. Soter 370 f. Puteoli 301 – (Kreuzigungsinschrift) 211 Pythagoreer 37 Q → Logienquelle / Logientradition Quadratus (Profet) 63 Qumran, qumranisch 14, 21, 22, 25, 36, 38, 46, 77, 187, 508, 577, 586; siehe auch → Essener – Bundesfest 13 – »Lehrer der Gerechtigkeit« 22, 480 – Texte aus Qumran 15, 21, 183, 237, 431, 471, 527, 597 Rab (Abba Arikha) 587 Rab Jehuda 587 Rabban Gamliel 75, 586, 587, 588; → Gamaliel II. Rabbi (Anrede / Titel) 67, 68, 101, 554 Rabbuni (Anrede) 67, 68, 101 Räuber 332, 384, 517 – Kreuzesstrafe für ~ 531 Räuberhöhle 158 Rechabiten 506 f., 511 Rechtfertigungslehre
773
– paulinische 71, 105, 108 ff., 124, 218, 221 ff. 254, 327, 328, 381, 411 ff., 468 f. – im Jakobusbrief 468 f. – urchristliche 109 f., 112, 124, 135 f., 158 Regenwunder 264, 454, 486, 487, 577 Reich Gottes 16, 50, 90, 131, 432, 586; siehe auch → Gottesherrschaft, → Königsherrschaft Gottes – »Reich-Gottes-Boten« 20 – Reich-Gottes-Verkündigung Jesu 126, 127, 135, 177, 432, 470 Reichtum 43, 122, 132 f., 325, 371, 373, 434, 465, 466, 471 ff. Reinheit und Unreinheit 279, 280–285, 291 – Unreinheit 133, 246, 281, 283, 284, 290, 477 Reinheitsgebote 280, 284, 414 Reinigung der Menschheit, eschatologische 230, 290 ff., 406 Reisen, siehe → Missionsreisen Religionsparteien, jüdische 38, 165, 209, 480, 489, 527, 534, 537, 548; siehe auch → Essener, → Pharisäer, → Sadduzäer, → Zeloten Religionspolitik gegenüber Jesus und der Jesusbewegung in Palästina; siehe auch → Agrippa-Verfolgung, → Atticus, → Davididen, → Felix, → Festus – Agrippa I. 20, 32, 45, 51, 84, 114, 163, 164, 168, 171, 347–366, 400, 419, 428, 443, 494 – Agrippa II. 26, 50, 106, 113, 132, 195, 226, 232, 258, 440, 494 f. – Hannas-Kaiphas-Clan, Hohepriesterschaft 14, 44, 49, 96, 107, 132, 160, 163, 177, 211, 354 f., 365, 427, 428, 429, 473, 494, 495 – – Hannas II. 50, 113, 132, 163, 164, 354, 365, 454, 485, 486, 492–500, 534 – Pilatus 14, 44 f., 49, 96, 107, 132, 160, 166, 203, 211, 354, 429, 473, 494, 497, 510, 531, 544, 559, – Präfekten, Prokuratoren in Judaea 25, 44, 45, 50, 132, 231, 258, 354, 364 f., 408, 429, 440, 495 – römische Behörden 163 – Statthalter von Judaea 530–533, 537 Rettung, endzeitliche 471 Ringkomposition, lukanische 224, 242, 258 f., 349, 358 Ritualgebote / Ritualgesetz 9, 128, 158, 168, 202, 246, 258, 403, 427, 469; siehe auch
774
Namen‑ und Sachregister
→ Beschneidung, → Reinheitsgebote, → Speisegebote – rituelle Reinigung 150, 568 Rom (Reich) 421, 600; → fiscus Iudaicus – das 4. Reich Daniels 325, 534 f. – »Hure Babylon« 535 – jüdische Aufstände gegen ~ 50, 204, 304, 307, 308, 371, 381, 421, 521, 531, 535, 537, 539, 541, 546, 548, 599, 600, 602 – politischer jüdischer Widerstand ~ 421, 423, 534 – jüdischer und christlicher geistiger Widerstand gegen ~ 421, 534 f. Rom (Stadt) 8, 15, 59, 187, 191, 257, 296, 305, 464, 482, 487, 495, 498, 499, 508, 512, 524, 526, 532, 534, 536, 546, 601, 609; siehe auch → Agrippa I, → Familie der Sergii, → Neronische Verfolgung, → Theodotos-Inschrift, → Synagoge der Libertiner – christliches Zentrum nach 70 n. Chr. 4, 169 f., 600 – Claudius-Edikt 174, 177, 301, 348 – Gründung der christlichen Gemeinde in ~ 18, 89, 97, 100, 102, 174, 300 ff., 365 – Hirte des Hermas in ~ 63, 454, 456 – Hegesipp in ~ 482 – Ignatius von Antiochia in ~ 532 – Jakobusbrief in ~? 456 – Juden in ~ 143, 149, 174 f., 331, 349 – Judenfeindschaft in ~ 276 – jüdische Bildung in ~ 208 – jüdisches Viertel in ~ 264 – Josephus in ~ 94, 144, 282 – – kennt die christliche Bevölkerung in ~ 25 f., 495, 498 f. – – schreibt in ~ 325 – Justin in ~ 73, 87, 601, 609 – Lukas in ~ 381 – lukanisches Doppelwerk in ~ geschrieben 157 – lukanische Kindheitsgeschichte von augusteischer Literatur abhängig? 157, 563 – Markusevangelium in ~ geschrieben 280, 303 – monarchischer Episkopat in ~ 34 – Paulus in ~ 10, 162, 221, 381, 426, 562 – – Tod des Paulus in ~ 362 – Paulus und die Christen in ~ 88, 97, 105, 178, 223, 300, 409
– Petrus in ~ 172, 191, 193, 365 – – Tod des Petrus in ~ 361 – S. Sabina 407 – Simon Magus in ~ 191, 193 f. – Stadtbrand in ~ 334 – Synagogen in ~ 148, 371 – Verbindungen zwischen Christen in Jerusalem und ~ 97, 102 – Verbindungen zwischen Juden in Jerusalem und ~ 149 Roma (Göttin) 266, 269 Roman 193, 319 Römerbrief, des Paulus 5, 89, 97, 103, 105, 107, 110, 124, 159, 214, 223, 224, 302, 381, 401, 459, 467 Sabbat 78, 79, 83, 268, 371, 380, 381, 382, 595, 600 – Gottesdienst am ~ in der Synagoge 275, 339 – Mißachtung des ~s 282, 569, 605 – Verlesung des Gesetzes in der Synagoge am ~ 143, 275, 600 – ~grenze 592 – ~ruhe als Ausdruck von Müßiggang 275 – ~schändung 496 – Zwang zur Arbeit am ~ 334 Sabbatgebot 157, 200, 422, 549, 569, 528, 549, 595 – Jesu und seiner Jünger Souveränität gegenüber dem ~ 129, 157, 166, 280, 569 – Einhaltung des Sabbats in der Jüngergemeinde 516, 592 – Einhaltung des Sabbats bei Judenchristen 591, 592, 598 – Dositheus (Samaritaner) strikter Verfechter des ~s 522 Sabbatjahr 38, 172 Sabbatopferlieder 15, 89, 145 Sacharja (ben Jojada ben Berechja, Profet) 498, 557, 558 – Sacharjalegende 557, 558, 567 Sacharja (Profetenbuch) 61 Sadduzäer (siehe auch → Hannas II., → Sektenkataloge) – Hasmonäerzeit 354, 497 – neutestamentliche Zeit 45, 160, 163, 208, 353, 489, 527, 555, 569, 586 – – beherrschen das Synhedrium 45, 178 – – Partei der hohepriesterlichen Familien 48, 49, 178, 493, 494 f., 497
Namen‑ und Sachregister – die ~ und die Auferstehungserwartung 134, 489, 528 – Ausschluß aus dem Judentum 590 Salamis auf Zypern 236, 370 ff. Salome (im Protevangelium des Jakobus) 567 Salomo, salomonisch 471 – »Halle Salomos« im Tempel 34, 74 – Kohelet ihm zugeschrieben 61 – Reich ~s 314, 315 – Tempelbau 153, 155, 156 – Tempelweihgebet 154 – Thron ~s 550 Samaria / Samarien (Gebiet) 28, 55, 134, 163, 182, 183–194, 200, 270, 419, 420, 528, 529 Samaria / Sebaste (Stadt) 184 f., 189, 270, 420 Samaritaner, samaritanisch 20, 55, 56, 151, 167, 183–194, 199, 201, 202, 254 f. 295, 324, 421, 522 f., 528, 590; siehe auch → Dositheus, → Menander, → Simon Magus – Ausschluß vom Tempelkult in Jerusalem 185 – ~ Diaspora 184 – Erwartung des Mose redivivus als endzeitlichem Erlöser 187 – Jesus als besessener ~ 375, 571 – jüdische ›Sekte‹ 489 – eschatologischer Profet führt Volksscharen zum Garizim 421 Samaritanermission 155, 183–194, 199, 201, 254 f., 295 Sanballat III. 186 Sanhedrin –»Sanhedrin« von Jabne 48 – Babylonischer Talmud ~ 606 – Mischna ~ 590 Sapientia Salomonis 597 Saronebene 55, 135, 262 ff. Satan 41, 227, 233, 435, 535, 571 – Synagoge ~s 571, 575 f. Satornil 528, 592 – Satornilianer 522 f. Saul (König) 162, 204 »Säulen« 46, 53, 171, 175, 365, 409, 442, 454, 455; siehe auch → Jakobus, Herrenbruder, → Jakobus, Zebedaïde, → Johannes, Zebedaïde, → Kephas / Petrus – »Dreierspitze« 350, 351, 398, 407, 453
775
– »Säulen«-Metaphorik 47, 510 Schafe 255 f., 433, 573 – »die verlorenen Schafe Israels« 56, 188, 254 f., 439 – Helena, das »verlorene Schaf« (simonianische Gnosis) 192 Schechina 91, 126, 153 Schimeon ben Schetach 577, 593 Schlange 555 – ~nbiß 73, 538, 593 f. – Erhöhung der ~ in der Wüste 609 – ~ngift 32 – Satan 227, 603 Schmuel der Kleine 586, 587 Schöpfung 326, 415, 479; siehe auch → Erschaffung – alte ~ 121 – neue ~ 52, 108, – erster ~stag 216 – ~sbericht 528 – ~shymnus 89 – schöpfungstheologisch 227 Schöpfungsmittler (siehe auch → Mittlerfunktion) – Christus 166 – Weisheit 166 Schriftauslegung 106, 538 – frühjüdische 152, 205, 211, 212 f., 217, 284, 299–328, 468 f., 481, 510, 608 – des Josephus 206 – paulinische 205, 206, 213, 468 f. – pharisäische 206, 207, 208, 265, 280, 494 – urchristliche 177, 187, 199, 212 f., 280, 297, 381, 464 f., 468, 481, 540 Schriftlesung, gottesdienstliche – im frühen Christentum 76, 87, 90, 339 – in der Synagoge 76, 90, 143, 150, 156, 206, 207, 275, 297, 339, 381, 549, 550, 600 Schriftzitate – in der Apostelgeschichte 46, 61, 85, 100, 101, 103, 107, 113, 155, 156, 199, 234, 382, 407 – 1. Clemensbrief 107 – in der Didache 107 – in der Gemeinderegel 14 – bei Hegesipp 506 – im Jakobusbrief 471 – in der Leidensgeschichte 108 – bei Markus 355 – bei Matthäus 68, 107, 129, 551, 564
776
Namen‑ und Sachregister
– im Neuen Testament und den apostolischen Vätern 100 – bei Paulus 64, 85, 103, 105, 106, 107, 108, 110, 130, 219 Schweigegebot – für Frauen im Gottesdienst 64 Schwein – Emblem der legio X Fretensis 441 – Enthaltung von Schweinefleisch 275, 280 – Schweineopfer 334 – – am Jerusalemer Tempel 281 f. – Wildschwein 255, 256 Schwur 321 – ~formel 244 – ~ritus 313, 314, 325, 326 Sebaste 184 f., 189, 270, 271, 420, 522; siehe auch → Samaria Sebastener 184, 270, 271, 273 Sektenkataloge – Hegesipp (bei Euseb) 489, 522 f., 527 – Josephus 527 – Justin 527 – Pseudo-Hieronymus 528 f. Sekundus aus Thessaloniki 449 Selbstbewußtsein – der Christen 463 – national, jüdisches 363, 559 Selbstbezeichnungen – bei Essenern 24, 43 – im Jakobusbrief 460 – Jesu 102 – als »Griechen« und »Syrer« 329 – des Magiers Elymas 373 – in der Urgemeinde 22–25, 43, 237, 463 Selene 337 Seleukiden – seleukidische Religionspolitik 402 Seleukidenreich 330 Seligpreisungen 433, 438 Semitismen 453 Seneca (10. Jerusalemer Bischof?) 541 Seneca (Philosoph) 173 Septuaginta – eschatologisch-messianische Deutung des Alten Testaments in der ~ 100, 218, 219, 313 – Exegese der ~ bei Johannes 579 – Exegese der ~ bei Matthäus 548, 564 – jüdische ~-Revisionen in Jerusalem 144 – Kenntnis der ~ und Imitation des ~stils bei Lukas 6, 29, 155, 156, 278, 350, 363 – Lesung im Gottesdienst 207
– ~sprachgebrauch im Neuen Testament 20, 22, 29, 36, 60, 80, 85, 89, 287 f. – ~sprachgebrauch in der Didache 85 – ~sprachgebrauch in der Alten Kirche 89 – bei den Samaritanern 183 – Übersetzung der Tora ins Griechische 207 – Übersetzung der Profeten‑ und Weisheitsschriften 207 – Übersetzung einzelner Begriffe 142, 145, 196, 276 f., 285, 317, 368, 483, 484, 549, 553 – Übersetzungslegende 56 – ~»Kanon« 596 f. – Wiedergabe des Gottesnamens 102, 117 – Zitat (und Auslegung) nach der ~ 61, 197, 406 f., 453, 564 – – von der ~ abweichende Zitate 217, 503 Sergii (Familie der ~) 173, 375, 376, 377, 378, 384, 388 Sergius Paulus (Prokonsul) 7, 173, 195, 261, 273, 372–377, 379, 384 – Quintus Sergius Paullus 173, 367, 375, 376 – Lucius Sergius Paullus 173, 375, 376 Servenii (Familie ~) 384 Servenius Capito, Lucius 383 Servenius Cornutus, Lucius 384 Shema‘ 582, 583, 585, 591 Shemone Esre 582, 588 Sichem 155, 167, 184, 186, 314, 324 Sichemiten 282 Sidon 255, 264, 267, 311, 325, 359, 420 Siebenerkreis, Stephanuskreis 33, 64, 139– 148, 150, 158, 180 f., 183, 189, 295, 296, 298, 346, 368; siehe auch → Hellenisten Sikarier 14, 22, 50, 337 Silas / Silvanus 47, 63, 64 Simeon (Lk 2) 162, 383, 406, 460, 562 Simeon (Stamm) 324 Simeon 406; siehe → Petrus, → Kephas Simeon, Sohn des Klopas 436, 437, 490, 491, 504, 507, 520–523, 529–545, 581 Simon (Gerber) 35, 264 f., 278 Simon (Makkabäer) 324 Simon (Sohn des Gamaliel) 48 Simon der Gerechte (Oniade, Hohepriester) 319, 480 Simon Magus (Samaritaner) 184, 185, 189–194, 198, 200, 261, 373, 414, 522 f.; siehe auch → Pseudoklementinen – Herkunft 191 – göttliche Verehrung 189, 191, 193
Namen‑ und Sachregister – Erzhäretiker 194, 522 f. – simonianische Gnosis 193 f. – in den Pseudoklementinen – – Übertragung der Gestalt des Paulus auf Simon Magus 227 – – Zusammenstoß mit Petrus 193, 414 – – Zweikämpfe mit Petrus 373 – Simonianer 193, 522 Simon Petrus 127, 175, 351, 479; siehe → Petrus, → Kephas Simon von Kyrene 149 Simonides (Theodotos-Inschrift) 150 Simri 334 Sinai / Sinaioffenbarung 15, 16, 128, 130, 157, 166, 240, 315, 591 – Sinaibund 13 Sinaiticus 319 Sirach / Ben Sira 470, 596 Sklaven / Sklaverei 35, 118, 261, 273, 313, 315, 323, 341, 493, 498, 558 – δοῦλος als Ehrentitel 459 ff., 471, 474 – Kreuzigung als Sklavenstrafe 106, 211 Sodom 57, 111, 115 Sohneschristologie 11, 12, 84 f., 95, 97 f., 100, 104, 106 f., 101, 166, 177, 178, 198, 211, 212, 215, 220, 222, 242, 297, 311, 388, 423, 429, 510, 569 Sohnesverheißung 564, 566 Sokrates 37, 47 Söldner 183, 565, 566, 593 »Sondersynagoge« (Organisationsform der Urgemeinde) 143, 156 Sopater, Sohn des Pyrrus 449 Sorge 39, 132, 431; siehe auch → Nichtsorgen Soteriologie 109, 112, 158, 166, 194, 218, 222, 311, 400, 411, 469, 474, 572; siehe auch → Christologie, → Sühnetod Jesu Sozialarbeit 73; siehe auch → Armenfürsorge Speisegebote 128 f., 275, 279, 284, 334 f., 454 Stada, Jesus ben 25; siehe auch → Panthera (Pandera) »Stadt der Samaritaner« 56, 183, 188, 201, 254, 311 Steinigung (Definition) 161, 211, 497 f. – Herrenbruder Jakobus und andere Christen 26, 50, 113, 130, 161, 166, 307, 423, 440, 444, 454, 477, 493, 496–500, 503 f., 505, 506, 509, 512, 515, 516, 580 – Honi der Kreiszieher 161
777
– Jesus im Talmud nach rabbinischem Recht 559 – Naboth 498 – Paulus 384, 390 f. – Profet Jeremia 436, 498 – Profet Sacharja ben Jojada 436, 498 – Stephanus 100, 145, 161, 162, 163, 206, 213, 390, 420, 433, 497, 505, 506, 512, 580, 581 Stephanus 30, 33, 72, 75, 102, 140, 146, 148, 150–154, 159, 180, 183, 189, 246, 296, 342, 354, 401, 420 – Grab 508 – Martyrium 9, 99, 100, 105, 151, 160–165, 167, 168, 176, 177, 186, 206, 213, 232, 295, 381, 390, 419, 433, 495, 496, 501, 505, 506, 512, 580, 581, 599 – ~rede 111, 130, 151, 153–157, 158, 167, 187, 230, 346, 434, 473, 477 – Tempel‑ und Gesetzeskritik 112, 145, 153, 157, 167, 497, 499, 580, 581 – ~vision 19, 100, 105, 162, 225, 484 Stephanusverfolgung 139, 177, 213, 251, 255, 295, 427, 517 Sterbeformel, Dahingabeformel 110 Sterbegebet 102, 481, 504, 506 Steuer (siehe auch → fiscus Iudaicus) – Christen bezahlen ~ an den Kaiser 50, 524 – Tempelsteuer 113, 130, 256 f., 355, 421, 427, 525 f., 548 – Steuerverweigerung 182, 525, 526 »Stigmata Christi« 391, 426 Stratons Turm 201, 265 ff.; siehe auch → Caesarea Maritima Sueton 26, 360, 526 – Sueton-Notiz 89, 174, 177, 301, 365 Sühnetod – bei Hellenisten / Urgemeinde 24, 27, 29, 108, 109 ff., 124, 135, 158 f., 177 f., 187, 211, 356, 497 – Jesu eigene Deutung 108 – im Johannesevangelium 110 – der jüdischen Märtyrer 108, 335, 558 – bei Lukas 29, 98, 99, 110 – im Markusevangelium 110 – im Matthäusevangelium 110 – bei Paulus 27, 108–112, 123 f., 158 f., 178, 211, 356, 497 – Sterbeformel 3, 110 f. 500 Sukzession, successio – apostolische 69, 482, 490, 491
778
Namen‑ und Sachregister
– Bischöfe 482, 521, 542 – Häretiker 522 f. – Herrenverwandte 520, 542 – Jakobus, Herrrenbruder 477 f., 482, 490 f. – montanistische Profetie 182 – Mose 61, 478, 553 Summarien 281 Sündenbekenntnis 72, 84 Sündenvergebung (siehe auch → Sühnetod) – Gebet des Herrenbruders Jakobus um ~ 47, 484, 485, 496, 510 – im Jakobusbrief 502 – durch Jesus 3, 29, 104, 124, 135 – – durch den Sühnetod Jesu 3, 27, 29, 106 f., 109–112, 124, 131, 135, 158, 159, 177, 212, 297 – im Johannesevangelium 572 – durch die Jünger 18 – durch Liebeswerke 276 – bei Lukas 29, 102, 103, 109, 233, 285, 287, 289, 381, 484 – durch den Märtyrertod 335 – bei Paulus 108 f., 110, 124, 158 f. – bei der Taufe 19, 26, 28, 29, 103 – durch den Tempelkult 111 Sychar 185, 186, 187, 420 Symeon Niger (Apg 13) 346 Sympathisanten, siehe → Gottesfürchtige Synagogen als Ort der Verkündigung 202, 212, 240, 328, 337, 340, 371, 391, 404 – bei Jesus 75, 382 – in der Apostelgeschichte 75, 84, 178, 213, 228, 241 f., 246, 260, 277 f., 298, 371 f., 380 ff., 385, 391 Synagogen, ~gemeinden in Palästina 22, 74 f., 202 420, 432, 434, 466, 553, 557– 561, 591, 592, 597, 599, 600; siehe auch → Gottesdienst, jüdischer, → TheodotosInschrift, → Theodotos-Synagoge – Einführung in hasmonäischer Zeit 22, 76 – griechischsprachige ~ in Jerusalem 23, 149 ff., 156, 160, 161, 164, 178, 206, 213, 230, 232, 235, 371, 391, 427, 433 – – der Alexandriner 149 – – der Juden aus Kilikien 149, 207 – – der Juden aus Kleinasien 149 – – der Kyrenäer 149 – – der Libertiner 97, 149, 150 – – der Tarsier 149 – Caesarea Maritima 265, 267, 268, 269, 271, 274, 276 f.
– Dora 336 – Horvat Kur 551 – Kapernaum 75, 277, – Magdala / Tarichaea 75 – Tiberias 23 Synagogen, christliche 466 Synagogen, samaritanische 184 Synagogenausschluß 426, 434, 439; siehe auch → ἀποσυνάγωγος – im Johannesevangelium 75, 568, 569, 572, 574 ff., 578–581 – im Lukasevangelium 433 f., 556 – im Matthäusevangelium 436 – bei Justin 606–610 Synagogeninschriften (siehe auch → Theodotos-Inschrift) – Caesarea Maritima 277 – Diaspora 277 – ~ samaritanische 184, 190, 265 – Delos, samaritanische 184 – Lebeda, makionitische 466 Synagogenstrafen 48, 70, 75, 164, 212, 391, 426, 430, 431, 432, 436, 592 Synchronismus – bei Lukas 171 – bei Euseb 512 f. Synhedrium 44, 45–48, 116, 131, 151, 154, 160, 161, 164, 165, 229, 232, 235, 427, 428, 493, 495, 498, 569, 573, 574, 575 Synkretismus 98 Syrien 125, 244, 246; siehe auch → Provinz – als Teil von »Großjudaea«112, 125, 239, 299 – Doppelprovinz ~-Kilikien 207, 246 Tacitus – über die Christen 26, 300, 360, 361, 435 – über die Juden 149, 347 »Tag des Herrn«, »Tag JHWHs« 103, 116 ff. Tagelöhner / Erntearbeiter 35, 472, 566 Tamidopfer 111, 112 Tarfon, R. 596 Tarsus 5, 164, 178, 203–209, 224, 245, 246, 340, 378, 392, 393, 437 Tatian, Diatessaron 135 Taufe Jesu 27, 238, 285; siehe auch → Johannestaufe Taufe, christliche (siehe auch → Geistempfang, → Geistverleihung) – Neues Testament 16, 19, 20, 25, 26–29, 34, 60, 99, 103, 109, 189, 196, 197–200, 224, 228, 237, 242, 257, 258, 259, 261,
Namen‑ und Sachregister 274, 287, 289, 291, 292, 296, 311 f., 338, 370, 374, 401, 404, 420, 421 – Alte Kirche 73, 103, 238, 414, 505 Taufsekten, jüdische 489, 522, 523, 527, 528 Tausendjähriges Reich 52, 121, 327, 535 siehe auch → Chiliasmus Tefilla 582, 583, 586 Tempel – christliche Gemeinde als ~ 24, 46 f., 145 f., 355, 406, 485 Tempel des Iuppiter Capitolinus in Rom 257, 526 Tempel, eschatologischer 152, 157, 316 f., 320, 323 f., 406 – Heiligkeit 316 Tempel, himmlischer 145 Tempel, Jerusalemer (siehe auch → Agrippa I., → Paulus, → Pilger, → Tempelkritik, → Sühnetod Jesu, → Tempelberg, → Zinne des Tempels) – Erster Tempel 156, 534, 535 – – Steinigung im Tempel 498, 557 f. – – Zerstörung 557 – Zweiter Tempel – – Bau des Zweiten Tempels 320, 535 – – Bibliothek 319 – – Caligula-Krise 260, 341, 347, 516 – – Erneuerung durch Herodes I. 142, 236 – – Eroberung durch Pompeius 149 – – Gebets‑ und Verkündigungsstätte für die Urgemeinde 34, 47 ff., 71, 74, 111, 113, 157 ff., 355, 500 – – – in der Jakobuslegende 440, 447, 481, 483–486, 488, 496, 499 f., 501–511 – – – in der Marienlegende 567 – – »Halle Salomos« 34, 74 – – hellenistische Reform 281 f., 402 – – (Opfer)Kult 111, 129 f., 157 ff., 297, 305, 355 – – kultische Heiligkeit / Reinheit 495, 499 – – Passaopfer im ~ 83, 84, 356 – – Plünderung durch Antiochus IV. Epiphanes 333 – – Plünderung durch Titus 337 – – priesterlicher Dienst im ~ 31, 129, 477, 591 – – »schönes Tor« 71 – – Sühnefunktion für die Urgemeinde obsolet 111, 159, 186 f., 257, 356, 497, 500
779
– – Vermessung des Tempels in Apk 11 – – Vorhöfe 34, 45, 47, 49, 74, 355 – – Wiederaufbau, Erwartung des 536 – – wirtschaftliche Bedeutung 355 – – Zerstörung 129, 130, 297, 362, 486, 495, 501, 503, 507, 509 f., 516, 525, 534, 540 f., 548, 555, 557 f., 592 Tempel, auf dem Garizim 324, 421 Tempelberg, Jerusalemer 155, 540 f. Tempelhauptmann 45 Tempelkritik – Jesu 113, 129, 154, 158, 353 f. – bei Jakobus, dem Herrenbruder 113, 130 – bei Stephanus / den Hellenisten 112, 151 ff., 157–161, 165, 166, 186 f., 342, 427, 497 – in der Urgemeinde 158 f., 355, 364, 496 f. – bei Judenchristen 486 Tempelmetaphorik 112 f. Tempelreinigung Jesu 154, 157, 158, 353, 485 Tempelrolle 211, 320 Tempelsteuer 130, 256 f., 355, 421, 427, 525 f., 548; siehe auch → fiscus Iudaicus Tempelvorhang, Spaltung des 158, 497 Tempelweihgebet Salomos 154 Tempelwort Jesu 151 ff., 354, 485 – in der Stephanusgeschichte 151 f., 281, 354 Tertullian – Anziehungskraft der Synagogen 600 – über den Christennamen 26 – über Domitian 524 f. – über den Sektengründer Ebion 24 – Ehelosigkeit des Zebedaïden Johannes 54 – über Frauen bei Häretikern 73 – jüdisches Antievangelium 506, 565 – Korrespondenz von Plinius d. J. und Trajan 533 – Kreuzestypologie (Ex 17,10 ff.) 609 – Montanismus 66 – thyesteische Mahlzeiten 605 – Verbot für Juden, Jerusalem zu betreten 539 Testament Hiob 470 Testamente der Zwölf Patriarchen 397, 469, 470 Testimoniensammlung 503 Testimonium Flavianum 25 f., 492, 494, 498 Tetragramm 591, 596
780
Namen‑ und Sachregister
Teufel 227, 373, 403, 571; siehe auch → Belial, → Satan – Teufelskindschaft 575 Thaddäus – eddesinische ~überlieferung 309 Theater 236, 268, 298, 330, 332, 333, 337, 358, 359, 380, 602 Thebutis 522, 527 Theodotos (Freigelassener der Kaiserin Agrippina) – Ossuarinschrift 149 Theodotos-Inschrift (CIJ II, 1404) 23, 34, 97, 143, 149 f., 156, 160, 206 f. Theodotos-Synagoge 149 f., 230 Theophilos (Hohepriester) 45 Theophilos – (primärer) Adressat des Doppelwerkes 7, 139, 195, 231, 273, 274, 361, 374, 389, 397 – gottesfürchtiger Heide 110, 195, 374 – Oberschicht 110, 195, 200, 273, 274, 361, 374 – Rücksichtnahme des Lukas auf ~ 37, 40, 98, 100, 110, 139, 172, 192, 213, 231, 273, 397 – Taufe des ~? 110, 374 Therapeuten 15, 38, 303 Thessalonich 65, 167, 174, 175, 344 Thessalonicherbriefe – Erster ~ 43, 116, 123, 125, 404, 428 f. – Zweiter ~ 43, 114 Theudas 11, 48, 60, 364, 421 Thomas – eddesinische ~überlieferung 309 Thomasevangelium 135, 478 f., 482, 539 Thrasyllus (Astrologe des Tiberius) 374 Thron – Christi / Menschensohn 120, 121, 552 – Davids 407, 491 – Gottes 126, 134, 159, 217 – des Herrenbruders Jakobus 490 f. – Salomos 550 Throngemeinschaft (siehe auch → Erhöhungschristologie, → Handlungseinheit, → Menschensohn, → Zwölferkreis) – Christus und die Märtyrer 121 – Menschensohn und die »Zwölf« 52, 121, 351, 358, 462 – Gott und Gottessohn / Menschensohn 83, 98, 101, 102, 166, 177, 217 – Pantokrator und das Lamm 122, 126, 463
Thronvision 217, 550 Thukydides 58 Thyesteische Mahlzeiten 605; siehe auch → Kannibalismus Tiberias 23, 336, 363 Tiberieum 266 Tiberius (Kaiser) 94, 171, 176, 177, 266, 310, 330, 348, 374, 376, 387 Tiberius Claudius Italicus (Centurio) 273 Tiberius Julius Alexander 172, 343, 349 Tierfrieden 324 Timon (einer der »Sieben« Hellenisten) 140, 146 Timotheus 9, 449, 460 – Beschneidung 386, 451 Timotheusbrief, Erster 523 Timotheusbrief, Zweiter 9, 385 Tineius Rufus, Quintus (Statthalter von Judaea zur Zeit des Bar-KochbaAufstandes) 541 Titel (siehe auch → Apostel, → Buch~, → Davidsohn, → Gottessohn~, → Herr, κύριος, → Hoheits~, → Jesus von Nazareth, → Kyrios~, → Menschensohn, → Messias, → Sohn Gottes) – Abba 554 – Kandake 195 – Pharao 195 – Rabbi 554 Titelvielfalt 103 f. Titus (Heidenchrist) 370, 400 – Beschneidungsfrage 400 Titus (Kaiser) 512 – Belagerung und Zerstörung Jerusalems 509, 513, 514, 516 – Strafmaßnahmen nach dem Ende des 1. Jüdischen Krieges 333, 337 Titus Claudius Atticus 530 Tobiaden 319 Tobias (5. Jerusalemer Bischof?) 541 Tobitbuch 276, 319 ff., 414, 469, 470, 596 Todespassa 15, 44, 79, 96, 168, 171, 177, 309 Toledot Jeshu 302, 375, 559, 565, 566 Toparchien Palästinas 332, 442 Tora 91; siehe auch → Gesetz, → Judenchristen, → Sinai, → Torakritik – Eifer für die ~ 205 f., 222 – Gabe der ~ am Sinai 15, 128, 478 – Gebote der Rabbinen über denen der ~ 594 – Gültigkeit der ~, uneingeschränkte 166, 253 f., 364, 584, 590
Namen‑ und Sachregister – Kultgesetz 111, 157 – Liebesgebot 252, 254 – soteriologische Funktion 311, 532, 584, 589, 590, 594 – ~ bei den Samaritanern 183, 185 – ~ durch Engel gegeben 154 – ~einhaltung bei palästinischen Judenchristen 167, 364, 408, 548–551 – – besaßen die ~ in hebräischer Sprache 596 – ~gebote 128, 157, 166, 285, 335, 411, 594 – – ethische ~ 280 – – rein und unrein 281, 283, 285 – ~lesung im Synagogengottesdienst 76, 90 – ~paränese im Jakobusbrief 469 – ~rolle 550 f., 596 – ~studium in Jerusalem 14, 206, 208, 209, 237 – ~unterricht in Jabne 509 – Übersetzung, griechische 183, 184, 207, 284 – Weisung Jesu über der ~ des Mose 90, 159, 252 f., 532, 590 Torakritik – christliche 129, 133, 157 ff., 166, 222, 252 f., 411, 424, 532, 590 – jüdische 158, 334 Trachonitis 332 Tradition, synoptische 471 Trennung zwischen Juden und Christen 118, 257, 278, 424–427, 430, 526, 546, 559, 561, 562, 571, 572, 575, 581, 582, 583, 594, 599 f., 601, 610; siehe auch → Parting(s) of the Ways – Spannungen 166, 425 Triptolemos 329, 330 Troas 89 Trophimus aus Asien 449 Tryphon (jüdischer Gesprächspartner in Justins Dialog) – Herkunft aus Palästina 601 – Gefährten des ~ 602 f., 608 – jüdische Lehrer 538, 608 – Kenner des hebräischen Jesajatextes 566 – Kenner der Septuaginta 503 – über Christus 429, 608 – über Christen 593, 602, 603, 605 – über heidnische Philosophie 593, 602 – vor dem Bar-Kochba-Krieg geflohen 602 – Zweisprachigkeit 601 Tyche (siehe auch → Münzen)
781
– Stadtgöttin von Antiochia am Orontes 268 – Stadtgöttin von Caesarea Maritima 266, 268 f. Tychikus aus Asien 449 Tyrannus, Schule des 123 Tyrus / Tyros 134, 192, 255, 311, 359 – christliche Gemeinde 420 Übersetzung (siehe auch → Hellenisten, → Septuaginta) – ~ der Tora und Profeten ins Griechische 207 – ~ der Botschaft Jesu und der Urgemeinde ins Griechische 23, 31, 94,102,143, 157, 158, 159, 178, 443 – ~ christlicher Terminologie ins Griechische 23, 31, 143 – ~ des Matthäusevangeliums ins Aramäische 91 Unglaube 555, 558, 562, 574, 578 Unreinheit 133 – eschatologische Beseitigung 290 – heidnische 246, 281, 284 – von Tieren 281 – Reinheit und ~ 283 – ~ im Priesterdienst 477 Unsterblichkeit 85 Unterhalt der Apostel und Sendboten 57 f., 133 f., 265, 344, 369 Unzucht 134, 407, 413, 414, 571, 590, 605 Ur (in Chaldäa) 315 »Urgeschichte« des Christentums 4, 10, 49 Valentinianer 522 f. Varus, Quintilius 106 Vaterunser 85, 87, 88, 584 – Brotbitte 40, 58 – 3. Bitte bei Matthäus 128 – dreimal täglich 585, 591 – Vergebungsbereitschaft 130 f. Verheißungen / Weissagungen, profetische 17, 22, 38, 60, 65, 101, 104, 111, 126, 127, 142, 155, 179, 196, 240, 290, 296, 299, 312, 317, 324, 326, 327, 383, 464, 385, 513, 516, 562, 578, 602, 604, 609; siehe auch → Erfüllung – Auslegung der profetischen Verheißungen 199 Verkündigung der Apostel / Boten Jesu 9, 13, 15, 17, 19, 29, 44, 50, 68, 92, 93–96, 106, 108, 135 f., 162, 211, 244, 246, 289,
782
Namen‑ und Sachregister
309, 369, 575; siehe auch → εὐαγγέλιον, → παρρησία – Anknüpfend an die ~ Jesu 90, 95, 122, 124, 132, 135, 157 ff., 161, 177, 297, 381, 396, 470, 471 – Bedeutung der Frauen in der ~ 182 – charismatisch-profetische Form 17, 59, 62, 64, 179 – christologische ~ 13, 19, 29, 44, 47, 50, 93, 94, 95, 106, 108, 124, 136, 157, 179, 211 f., 215 f., 222, 228, 239, 242, 243, 297, 311, 411, 434, 572 – eschatologische Ausrichtung der ~ 40, 69, 117, 119, 122, 132 – Ethos der ~ 17, 135 – Freimut und Öffentlichkeit der ~ 9, 13, 15, 19, 49, 107 – Verbot der ~ zu Anfang in Jerusalem 47, 49 – ~ im Gottesdienst 92 – ~ in griechischer Sprache 91, 96, 213 – ~ in den Synagogen 75, 228, 581 – ~ mit Schriftbeweis, ‑auslegung 107, 179, 199 – ~ unter den Juden 19, 21, 55, 162, 199, 405, 572 – ~ unter den Völkern 93 f., 199, 234, 239, 241, 246, 311, 405, 429 – ~ in den Vorhöfen des Tempels 355 Verkündigung Jesu 13, 35, 40, 75, 90, 95, 122, 124, 132, 135, 157, 158, 177, 179, 252, 297, 381, 396, 470, 471 Versammlung zum Gebet 34, 35, 63, 74, 84, 339, 357, 367 f., 446 Versöhnung – bei Matthäus 130 – bei Paulus 109, 131 Versöhnungstag, großer (Jom Kippur) 111, 112, 484, 485 Verstockung(stheorie) 19, 21, 154, 155, 156, 161, 200, 382, 470 – ~sauftrag an Jesaja 162, 230, 578 Versuchung(en) 335, 469 f., 501, 585 – ~ Jesu 291, 488, 501, 503 Vespasian (Kaiser) 94, 376, 512 – fiscus Iudaicus 257, 525 – Josephus, Freigelassener ~s 144 – im 1. jüdischen Krieg 263, 333 – – Kriegsbeute 337 – Neugründung von Caesarea Maritima 267, 268 f.
– – verwandelt eine Synagoge in ein Odeion 268 – Belagerung Jerusalems (legendär) 307, 507, 509, 511, 513 f. – Verfolgung der Davididen? 344, 523 f. – ~ und Nero 360 – Tempelzerstörung? 362 – Wunderheilungen in Alexandria 387 via Sebaste 378, 379, 380, 385, 388, 392 Viktor von Rom (Bischof) 83 f., 181 Vitae Prophetarum 157, 197, 304, 324, 470, 498, 507, 508, 554, 558, 597 Vitellius (Kaiser) 360, 512 Vitellius (Statthalter) 187, 347 Völkerliste 299, 305 Völkermission 188, 225, 246, 247, 251, 256, 281, 304, 312, 327, 338, 339, 366, 382, 400, 406, 448, 450, 465; siehe auch → Heidenmission Völkerwallfahrt zum Zion 125, 165, 296, 303, 323 Vollkommenheit, vollkommen 469, 471 – »das vollkommene Gesetz der Freiheit« 130 – neue Tora des Messias 254 – Urzeit der Menschheit 36 Vollmacht – eschatologisch-messianische ~ Jesu 13, 18, 60, 67, 71, 73, 96, 103 f., 114, 157, 263, 386 – apostolische ~ / Bevollmächtigung der Jünger, Apostel und Presbyter 12, 18, 19, 33, 57, 59, 60, 64, 71, 133, 351, 357, 386, 453 – ~ der jüdischen Schriftgelehrten zur Auslegung der Tora 548, 551 »vorpaulinische« Formen der urchristlichen Theologie 109. 159, 178 f., 311 Vorsehung 308 Wahrheit Gottes 290 f. – die die ~ lieben 319 Wahrheit, historische 165, 244, 284 Wahrheit(sanspruch) des Evangeliums 11, 187, 313, 374, 393, 400 f., 411, 470, 502, 603, 609 – johanneischer Jesus 571, 575 – Paulus 244 – der Christen 313 – wahrheitsgemäße Profezeiung 513 – Abfall der Gnostiker 523 Walker 264, 265, 477, 481, 507 f., 508, 533
Namen‑ und Sachregister Wallfahrten nach Jerusalem 13, 14, 323, 355; siehe auch → Pilger, → Völkerwallfahrt Wandermissionare, ‑lehrer, ‑profeten 55, 58, 63, 65, 144, 183, 240, 295, 343 ff., 433 – Jesus 70, 446 – »Wanderradikale«? 144 Weherufe 433, 472, 547, 554 f., 557 Weihinschriften für Zeus und Hermes 388 Weinbau 506 Weisheit – Gebet um ~ 469, 471 – »Weisheit und Geist« bei den Hellenisten 33, 140, 145 – profetische ~ 362 – Gottes ~ 436, 515, 557 – personifizierte ~ 62, 70, 166, 192, 436, 523, 557 – »Weisheitswort« 515 Weisheitslehre, jüdische 104, 166, 452, 453 – »griechische Weisheit« 594 – ~literatur 207, 469 – ‑tradition 91, 131 Weisheitsschrift aus der Kairoer Geniza 462 Weissagungen, profetische (siehe auch → Verheißungen) – des AltenTestaments 199 Weltgericht 119, 121, 600; siehe auch → Endgericht Weltgeschichte 169 – des Nikolaos von Damaskus 144 Weltschöpfung (simonianische Gnosis) 192 Weltseele 192 Werke 548; siehe auch → Liebeswerke – gute ~ 193, 263, 458, 468 f., 510, 573 – ~ des Gesetzes 223, 401, 411 – Vergeltung nach den ~n 120, 487 Widmungen – ~ bei Josephus 233 – ~ im lukanischen Doppelwerk 195, 273, 274, 374 – ~ bei Philo 233 Witwe(r) 73, 140, 146, 264, 285, 567 Wochenfest 13, 14 f., 15, 19, 31, 52, 53, 68, 82, 180, 251, 464 Wortgottesdienst (siehe auch → Gottesdienst, → Synagoge) – christlicher 76, 78, 80, 81, 86–92, 148 – jüdischer 76 Wunder, ~geschichten 90, 181, 194, 262, 393, 536; siehe auch → Elia, → Exodus,
783
→ Gebet, → Glaube, → Jesus von Nazareth, → Petrus – Befreiungswunder 47, 84, 261, 352, 357, 364 – Exorzismen 199 – Heilungswunder 9, 33, 59, 60, 71, 72, 189, 199, 262, 263, 264, 309, 375, 385, 386, 387, 406, 572, 593 – »Kraftaten« 33, 59, 66, 71, 72, 180, 189 – Pfingstwunder 288, 305 – Regenwunder 264, 454, 486 f., 577 – Speisungswunder 77, 570 – Strafwunder 284, 373, 567 – Vespasians Wunder 387 – Wunder der Endzeit 326, 364, 386 – Wundertäter 69, 135, 148, 193, 264, 374, 387, 389, 446, 454, 594 – Zeichen 71, 72, 180, 189, 385, 406 Wüste 314, 318, 385; siehe auch → Exodus – Erhöhung der Schlange in der ~ 609 – Flucht in die ~ 167 – Jesu Aufenthalt in der ~ 238 – Johannes der Täufer (Jes 40,3) 25 – Manna 40 – metaphorisches Verständnis in Qumran 14 – in der eschatologischen Erwartung 60, 316, 325, 421 – 40-jährige Wüstenzeit 153 – Wüstengeneration 156, 570 – Wüstenwanderung 364 Za(k)chäus (4. Jerusalemer Bischof?) 541, 543 Zacharias, Vater des Täufers 567 Zauberer, Zauberei 73, 93, 297, 302, 373, 374, 375, 389, 505, 559, 566, 594; siehe auch → Magie, → Magier – Namenszauber 565 Zeichen und Wunder des Exodus – in der Endzeit 406, 421 Zeichenhandlung 343, 385 Zeloten, zelotisch 22, 45, 49, 60, 168, 236, 253, 333, 353, 357, 364, 365, 396, 400, 403, 421, 423, 448, 489, 496, 510, 524, 529; siehe auch → Galiläer Zenon (Briefwechsel mit Tobias) 319 Zenon-Papyri 263, 267, 319 Zeuge (siehe auch → Augenzeugen, → Osterzeugen) – »Zeuge« als Terminus in der Apostelgeschichte 229 f.
784
Namen‑ und Sachregister
– Apostel als Ueugen des Auferstandenen 200 – jüdisches Zeugenrecht 245 – falsche Zeugen gegen Stephanus 151 f. – Zeugen steinigen Stephanus 162 Zeus 240 – Caligulas Statue als »neuer Zeus« 260, 341, 347 – Verehrung in Lykaonien 387, 388, 389 – Tempel in Lystra 387 »Zinne« des Jerusalemer Tempels 477, 481, 488, 501–504, 506, 508 Zion – eschatologischer ~ 317, 321, 327 – Konkurrenz mit dem Garizim 186 – Mittelpunkt der Welt 142 – Parusie Christi auf dem ~ 296 – Tempel auf dem ~ 186 f., 322 – Tora und ~ 207 – Völkerwallfahrt zum ~ 125, 165, 296, 303, 323 – Zerstörung 541 Zitat, apokryphes – im 1. Clemensbrief 469 – im 2. Clemensbrief 469 – bei Paulus 125 f. Zoker (Großneffe Jesu) 344, 524, 542
Zukunftserwartung (siehe auch → Naherwartung) – apokalyptische 135 Zungenrede 15, 59, 61, 69, 87, 288; siehe auch → Glossolalie Zwei-Geister-Lehre 290 f. Zwei-Wege-Lehre 414, 488 Zwölferkreis (siehe auch → Apostel, → Jünger, → Throngemeinschaft) – Leitungsgremium der Jerusalemer Gemeinde 7, 12, 14 f., 31 f., 51 ff., 407 – Verheißung der zwölf Throne 52, 121, 358, 462 Zwölfprofetenrolle 144 Zwölfstämmevolk, siehe → Israel Zypern 172, 343, 371, 410 – Aufstand unter Trajan 307, 371, 530, 531 – Barnabas stammt aus ~ 41, 143, 340 – Hellenisten kommen aus und nach ~ 163, 295, 296, 339 – Juden 370 f. – Missionsreise von Barnabas und Paulus 175, 220, 300, 304, 312, 345, 369–377, 378, 393, 395, 396, 398 – Synagogen in Salamis auf ~ 236, 370 f. – Statthalter Sergius Paulus 7, 173, 195, 367, 372, 375 ff.
Aramäische und hebräische Wörter ʾābbāʾ 18, 81 ʾābûlāʾ 483 ʾānnāʾ JHWH hôšîʿāh-nāʾ 83 ʿam(mê) hā-ʾāräṣ 597 bar nābā 41 bar nabûʾā 41, 340 bar ʾänāšāʾ 135 beśôrā ṭôbā 135 giljônîm 595, 596 gillajôn 595 ḥaqel demaʾ 32 ḥela rabbā 189 ḥerem 576 ḥkmîm 548 hôšaʿnnā 83, 88
ješûaʿ han-nôṣrî 25 kenäsät 22 kenîšāʾ 22 kittim 371, 585 kûtîm 186, 590 māḥār 40 makhniaʿ zedim 587 malka mshiḥa 310 malkût zādôn 585 māranāʾ tāʾ 80, 81, 101 mînîm 538, 576, 580, 582, 584–589, 596, 591, 594–597, 599 mînût 537, 338, 584, 589, 594 Miqṣat maʻaśê hat-tôrâ 21, 22, 196, 256, 320, 411, 558 mmšlt 585 môṣrîm 585
Namen‑ und Sachregister naṣärät 25 nôṣrîm 341, 583, 584, 585, 586, 590, 599 nṣrt 25 perîšajja 21 qehal ʾel 22 qehillā dî ʾälāhā 22
785
šālûaḥ 21 śāśôn 86 Šāʿûl 204 sfrîm 548 sifrê mînîm 596 sifrê qôsmîn 594 wnḥšbh lk lṣdkh 411 zādôn 585 zedîm 584, 585, 588
rinnāh 86
Griechische Wörter ἀγαλλίασις 77, 80, 87 ἀγαπᾶν 277 ἀγάπη 80, 198 ἄγγελος 89 ἄγγελος κυρίου 196, 362 ἅγια, τὰ 483 ἁγιασμός 119 ἅγιον πνεῦμα 18, 24, 33, 41, 72, 287, 290, 369 ἅγιος, ‑οι 18 f., 24, 33, 41, 72, 282 f., 287, 290, 369, 483 ἁγιωσύνη 98 ἀγράμματος 92 ἀγρός 41, 340 ἀδελφός / ἀδελφή 24, 37, 381, 393, 407 f., 443, 475, 490 ἀδιαλείπτως 607 ἄθεος / ἀθεότης 523, 525, 560, 604 αἷμα 413 αἰνεῖν 87 αἵρεσις 25, 192, 489, 523, 527, 530, 560, 583, 604, 606 αἱρετικοί 530 αἰώνιος 125 ἀκάθαρτος / ἀ καθαρσία 278 f., 283, 285 ἀκούειν 29, 94, 139, 219, 381 ἀκρίβεια / ἀκριβής 61, 208, 209, 493 f. ἀλείφω 484 ἀλλάττειν 157 ἀλλογενής 196 ἀλλόφυλος 517 ἁμάρτημα 110 ἁμαρτία 29, 107, 112, 475 ἁμαρτωλός 131, 475, 552 ἀμέριμνος 132 ἀμὴν λέγω ὑμῖν 57
ἀνάγκη 132, 233 ἀνάστασις 98, 113, 143 ἀνέψιος 520 ἄνθρωπος 92, 98, 101, 260, 279, 280, 284, 359, 387, 388, 468, 538, 560, 604 ἀνομία 254 ἀντίλημψις 59 ἀντίψυχον 335 ἀπαρχή 12, 113, 195 ἀπάτη 523 ἀποθνῄσκειν 110, 159, 498 ἀποκαλύπτειν 115 ἀποκάλυψις 167, 197, 218, 397 ἀποκατάστασις πάντων 52 ἀπολωλός 188 ἀπόστολος 21, 23, 48, 51, 54, 55, 58, 68, 86, 96, 143, 163, 180, 215, 220, 368, 407, 408, 460, 490 ἀποσυνάγωγος 75, 575 ff., 579 f. ἀρραβών 12 ἄρρητα ῥήματα 89 ἄρτος 77 ff. ἀρχηγός 100, 104, 192 ἀρχιέρεια καὶ ἀγωνοθέτις 383 ἀρχιερεύς 496 ἀρχισυναγωγίσα 381 ἀρχισυνάγωγος 380, 381, 609 ἄρχω 270, 579 ἀσεβής / δ υσσεβής 30, 131, 513 ἀσφάλεια 7 ἄφεσις 29, 485 ἀφορίζω 63, 214, 219, 368, 433, 434, 556 βαπτίζειν 200 βασιλεία 105, 114, 470, 524, 551 βασιλεία τοῦ θεοῦ 114, 462 f., 470
786
Namen‑ und Sachregister
βασιλεία τῶν οὐρανῶν 70 βδέλυγμα τῆς ἐρημώσεωϛ 513, 515, 516 βῆμα 52, 103 βιάζειν 253 βίος 37, 282 βλασφημία 573 βλάσφημος / βλασφημεῖν 153, 164, 232, 538 Βοανηργές 351 βραχύβιος 540 βρῶμα 280, 281 γεννήματα ἐχιδνῶν 555 γῆ / γαῖα 71, 219, 320 f., 324, 507, 515, 604 γινώσκειν 59, 126, 197 γλῶσσα / γλῶττα 59, 89, 208 γνῶσις 59, 477 f. γογγύζω / γογγυσμός 140, 570 γράμμα 159 γραμματεύς 70, 160 f., 547 γραφή 155, 471 γρηγορεῖν 117 γυνή 133 f., 181 δαιμόνιον 194 δείρειν 356, 391 δεξιᾷ τοῦ θεοῦ 11, 105 δεσπόσυνοι 306 δηλοῦν 117 δῆμος 359, 529, 531 διαδοχή / διαδέχεσθαι 61, 490, 541 διαθήκη 122, 282 διακονεῖν 147, 449 διακονία 40, 146, 147, 152, 367, 408, 449 f. διάκονος 33 f., 145, 147, 148, 460, 466, 554 διασπορά 464 διδασκαλεῖον 143 διδασκαλία 551 διδάσκαλος 69, 523, 538, 560, 609 διδαχή 68, 86, 207, 551 δίκαιος 98 f., 229, 440, 473, 475, 503, 607 δικαιοσύνη 142, 210, 381, 468 δικαιοῦν 468 δικαίωσις 108 δίψυχος 469 διωγμός 163, 529 διώκτης 164, 232 διώκω 164, 206, 210, 213, 233, 438, 556, 569 δόκιμοι 167, 517, 519 δοκοῦντες στῦλοι 46, 53, 352, 408, 442
δόξα 95, 120, 216 f., 226, 229, 240, 351, 490, 578 f. δοξάζειν 219, 221 δοῦλος 219, 233, 460, 464, 471 δυνάμεις 59, 66, 69, 72, 194 δύναμις 16, 33, 72, 90, 98, 189, 194 δύναμις τοῦ θεοῦ 189 δυνατός 35 δώδεκα 21, 147 δωδεκάφυλον 464 Ἐβιωναῖοι / Ἐβιωνῖται 24, 598 Ἑβραῖοι 140, 141, 158, 165, 204, 598, 601 Ἑβραῖος 141, 204 ἐγείρειν 108, 362 ἔθνη 94, 195, 197, 210, 219 f., 282, 384, 413, 483, 501, 516, 608 ἔθνος 185, 277, 516, 608 ἔθος 157 εἰδωλόθυτον 413 εἰκών τοῦ θεοῦ 217 εἰρήνη 131, 324 εἰς τὸ ὄνομα, ἐπὶ / ἐν τῷ ὀνόματι 26, 29, 68 ἐκ σπέρματος Δαυίδ 98 ἑκατοντάρχης 272 ἐκβάλλειν 433, 556, 572, 577 f. ἔκδοτον 44 ἐκκλησία 20, 22, 23, 55, 77, 85, 139, 143, 206, 210, 237, 252, 344, 408, 419, 427, 466, 490, 505, 542, 549 ἐκκλησία [τοῦ] θεοῦ 22, 51, 55, 74, 143, 164 f., 210, 213, 216, 419Α, 463 ἐκλέγειν 94, 604 ἐκλεκτοί 24, 604 ἐκλεκτοὶ κυρίου 196 ἐκλογή 215, 220, 227 ἐκπέμπειν 369 ἔλαιον 484 ἐλεημοσύνη 276 f. ἐλευθερία 330, 400 ἐπίσκοπος 33 f., 342, 451, 466, 490, 520, 529, 540, 541, 542 Ἕλληνες 141, 143, 259, 296, 333, 338 Ἑλληνισταί 140 ff., 158, 165, 259, 296, 338 ἐλπίς / ἐλπίζω 593, 607 ἐμμένειν (μένειν) τῇ πίστει 392, 393 ἔμψυχος 482, 484 ἐν ἐκστάσει 197 ἐν ταῖς ἐσχάταις ἡμέραις 61, 113 ἐνδεής 37 f. ἔνδειξις 429 ἐνέργημα 59, 72
Namen‑ und Sachregister ἔννοια 192 ἐντολή 207 ἐντυγχάνειν 19, 105 ἐξαιρεῖν 233 ἐξαλείφω 290 ἐξουσία 42, 551, 607 ἐπανάστασις 529, 531 ἐπιβάλλειν τὰς χεῖρας 350 ἐπιεικής 493 f. ἐπικαλέω 30, 103 ἐπιούσιος 40 ἐπισκέπτομαι 562 ἐπισκοπή 512 ἐπίσκοπος 33 f., 342, 451, 466, 490, 520, 529, 540 ff. ἐπιστρέφω 29, 65, 464, 475 ἔργα νόμου 411, 469 ἔργον 109, 120, 180, 214, 468 ἔρημος / ἐρήμωσις 184, 516 ἔρχου κύριε Ἰησοῦ 81 ἐσθίω / ἔφαγον 57, 278, 281 f., 286 εὐαγγελίζω 23, 68, 69, 93, 94, 131, 201, 218 f., 381, 420 εὐαγγέλιον 93 f., 143, 215, 368, 393, 595 εὐαγγέλιον θεοῦ 215, 368 εὐαγγελιστής 69, 146, 147, 180, 180 εὐάγγελος 383 εὐγενής 35 εὐνοῦχος 195, 196, 199 εὐσεβής 274 εὐχαριστία 80, 86 εὐχή / εὔχομαι 80, 86, 607 ἐφάπαξ 111 ἐχθρός / ἔχθρα 131, 381, 493 ζῆλος 206, 210, 222 ζηλοῦν 69, 222 ζηλωτής 128, 206, 209, 229, 408 ζῆν 105, 125 ζωή 104, 125, 309 ἡγεῖσθαι 542 ἡγεμών 496 ἡμέρα 40, 61, 103, 113, 115, 117, 349, 583, 591 θάνατος 107, 475 θεοῦ … δοῦλος 460, 464 θεοῦ φωνή 359, 361 θλῖψις 393, 532 θρησκεία 282, 333 θρόνος 452, 475, 491, 512, 520
787
θύρα τοῦ Ἰησοῦ 467, 487 θυσία 84, 112, 196, 486 θύω 278, 282, 486 ἴαμα 59, 72 ἰᾶσθαι 73 ἰδιώτηϛ 92 ἱερόν 34, 333, 501 Ἱεροσόλυμα 170 Ἰερουσαλήμ 121, 210, 604 Ἰησοῦς 68, 81, 99, 102, 111, 233, 309, 487, 500, 560 Ἰησοῦς Χριστός / Χριστὸς Ἰησοῦς (auch: χριστός) 21, 26, 49, 54, 55, 69, 73, 102, 400, 419, 458, 460, 464, 500 ἱλαστήριον 158 Ἰουδαϊσμός 205 f. ἰσότης φιλότης 37 καθ’ ἡμέραν 34, 40, 78 καθαρίζω / καθαρισμός 279, 280, 281 f., 290 καθέδρα 548 f., 550, 551 καιρός / -οί 39, 319, 349, 516 καλεῖν 121, 189, 214, 218, 219, 272, 564, 598 καλύπτειν 475 καρδία 36, 290 καρδιογνώστης 290, 405 κατ’ οἶκον 35, 77 κατάρα 608 καταρᾶν (ἐπι‑) 583, 607 f. κατέχων 510 κατηγορία / κατήγορος / κατηγορέω 113, 529 f. κεραῖαι 253 κηρύσσειν 69, 96, 183 κηρύττειν 29 κλᾶν / κλάσις 77 ff. κληρονομεῖν 125 κλητός 215, 368 κοινός (gemeinsam) 36, 36 f., 37, 43 κοινός (unrein) 278 f., 280–285 κοινοῦν 279, 280, 282 κοινοφαγία / μιαροφαφία 282 κοινωνία / κοινωνεῖν 17, 37, 41, 82 f., 143, 538 κοπιᾶν 33, 69 κόσμος 327, 569 κυβέρνησις 59 κυριακή ἡμέρα 79, 83, 84, 591 κυριακὸν δεῖπνον 78
788
Namen‑ und Sachregister
κύριος 6, 11, 39, 41, 65, 68, 81, 84 f., 93, 99, 101–104, 106, 107, 117, 118, 125, 135, 178, 196, 219, 240, 278 f., 287, 288, 362, 368, 460, 464, 473, 490, 577, 578 f., 591, 607 κύριος Σαβαώθ 473 κωλύω 200, 289 λαός 20, 126, 160 f., 276 f., 355, 483, 485, 500 λειτουργεῖν 368 λεύω (κατα‑) 113, 493, 498 Λιβερτῖνοι 149 f. λιμός 172, 343 λόγος 233, 303, 540 λόγος γνώσεως 59 λόγος κυρίου 68 λόγος σοφίας 59 λόγος τῆς ζωῆς 309 λόγος τῆς προφητείας 63 λόγος τοῦ θεοῦ 18,121 λοιδορεῖν 609 λύτρον 110 μαγεία / μάγος 189, 194, 372, 373 μαθητεύειν 70 μαθητής 140, 230, 237, 243, 395, 435, 560 μαθήτρια 263 μανθάνω 208 μαράνα θά 81, 86 μαρτυρέω 290, 503, 506 f. μαρτυρία 502 f. μάρτυς 230, 260, 503, 507 μάχαιρα 351 μέγιστος 15, 388, 541 μείζων 33, 69 μεριμνᾶν 39, 132 μετανοεῖν 29 μετάνοια 29, 109, 292 μητρόπολις 142, 329, 342 μιαίνω / μιαρός 278, 282 μοῖρα 333, 593 μυριάδες 8, 19, 408, 409 Ναζωραῖοι 25, 341, 583 ναός 152, 508 νεᾶνις 566 νόμος 128, 206, 206 f., 210, 230, 253, 408, 411, 469, 475, 493 f. ξύλον 477, 507, 533 ὁδός 24 f., 197, 237, 475, 502 οἱ / αἱ ἐν Χριστῷ 55, 341, 400, 419
οἶκος 35, 153, 274, 291 οἶκος Ἰακώβ 153 οἶκος προσευχῆς 111 οἰκουμένη 172 f., 195, 196 οἶνος 483 ὁμοθυμαδόν 34, 51 ὁμοιοῦν / ὁμοίωμα 387, 388 ὀνειδίζειν 433, 556 ὄνομα 21, 28, 30, 68, 103, 121, 289, 541, 578 ὀρθὸς λόγος 482 ὁρίζειν 98 ὄχλος 20, 435, 498, 570 παιδεία 208 f. παῖς θεοῦ 84, 107, 178 παῖς κυρίου 99 παλιγγενεσία 52 πανοικεί 35 παντοκράτωρ 85, 607 παραδιδόναι 72, 107, 108, 110, 113, 157, 493, 532 παράδοσις 206, 350 παρακαλεῖν 392, 393 παράκλησις 41, 62, 340, 419 παράκλητος 19 παραλαμβάνειν 93 παρανομέω 113, 440, 493, 496 παρθένος 54, 447, 564 ff. παροικία 520 παροιμία 37 παροξυσμός 9, 376, 410 παρουσία 116 παρρησία 9, 15, 17 f., 357 παρρησιάζεσθαι 9 πᾶς ὁ λαός 15, 124, 501 πάσχειν 95, 106, 111 πατέω 516 πατήρ 555, 573 πάτριος / πατρικός 206, 517 πατρίς 303 πείθειν 26 πείθεσθαι 47, 538, 609 πειρᾶν 41 πειρασμός 122, 468 πεντηκοστή 13, 15 περιοχὴ τοῦ λαοῦ 483 πιστεύειν 29, 30, 94, 287, 408, 413, 598, 607 πίστις 30, 33, 72, 143, 290, 392, 393, 468 πιστός 142, 195, 468 πλανᾶν 475, 488, 500–503, 506, 560, 570 f.
Namen‑ und Sachregister πλάνη 475, 502, 523 πλάνος 486, 487, 488, 502, 506, 534, 560, 604 πλουτοῦν 103 πνεῦμα 33, 65, 159, 197, 288 πνεῦμα ἁγιωσύνης 98 πνεῦμα κυρίου 41, 288 πνευματικά 31 πνικτός 413 f. πόλεμος / πολεμέω 167, 325, 602 πορθεῖν 164, 213, 227, 518 πορνεία 134, 413, 414, 571 πράξεις ἀποστόλων 5 πρεσβύτερος / -οι 33, 160 f., 368, 407 f., 579 προπέμπειν 134, 369 προσευχή (Gebet) 86, 87, 609 προσευχή (Synagoge) 22, 76 προσήλυτος 317, 381, 403 προσκαρτερεῖν 34, 51, 68, 87 προσφορά 112, 277 προσωπολημπτεῖν / προσωπολήμπτης 285, 475, 501 προφητεία 63, 604 προφητεύω 61, 64, 65 f., 126, 181 προφήτης 70, 387, 506, 607 προχειρίζεσθαι 229, 233 πρωτοκαθεδρία 549 πρωτοστάτης 25 πρωτότοκος 12, 113 πτερύγιον 501, 509 πτωχεία 425 πτωχοί 24 σάρξ 72, 98 Σατανᾶς 72 σέβεσθαι 10, 275, 297, 381 σημεῖα καὶ τέρατα 59, 60, 71, 385, 406 σημεῖον 71, 116, 190 σημεῖον ἐκπετάσεως 116 σκανδαλίζειν 256, 580 σκάνδαλον 96, 434 σκεῦος 215, 220, 227, 414 σκηνή 126, 406 σκήνωμα 153 σοφία 33, 59 σοφός 70 στάσις 400, 493, 531 σταυρός 110, 560 σταυροῦν 96, 99, 110 f., 437, 560 στηρίζειν (ἐπι‑) 392, 39
789
συκοφαντεῖν 530 σὺν τοῖς ἕνδεκα 32 συνάγεσθαι 18, 78 συναγωγή 22, 23, 74, 76, 277, 333, 549, 607 f. συναλίζομαι 78, 286 συνέλευσις 74 συνέδριον 160 f., 493 συνεργός 393, 460 συνεργὸς τοῦ θεοῦ 393Α σώζειν 28 f., 29, 103, 475 σωτήρ 100, 104, 185, 187, 487, 520 σωτὴρ τοῦ κόσμου 185, 187 σωτηρία 28, 45, 219, 496 τὰ ἅγια 483 ταλαίπωρος 469 τέλειος 126, 303 τέλος 105, 114, 473 τελώνης 127 τηρεῖν 580 τιμωρία / τιμωρεῖν 212, 227, 356 τόπος 18, 111, 152, 155, 515 ὑβριστής 164, 232 υἱὸς [τοῦ] θεοῦ 98, 178, 242, 477, 560, 609 υἱὸς παρακλήσεως 41, 62, 340 υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου 23, 100, 115, 143, 178 ὑπακούω 30 ὑπέρ 110, 159 ὑπὲρ ἁγίων 19 ὑπὲρ αὐτῶν 105 ὑπὲρ ἡμῶν 19, 105 ὑπὲρ ὑμῶν 29, 110, 607 ὑποκρίτης 553 ὑπομνήματα 565 ὑψοῦν / ὑπερυψοῦν 11, 104 φεύγω 602 φίλος, φίλοι 37, 460 φόβος 139 φοβούμενος / -οι [τὸν θεόν] 10, 274, 297, 381 φυγή 516 φυλάττειν / φυλάσσειν 154, 413Α φυλή 501 φῦλον 25, 498 φῶς 219, 229, 233 χάρις 20, 23, 33, 72, 216, 216 χάρισμα 59, 69, 72, 113, 143
790
Namen‑ und Sachregister
χήρα 146 χρήματα 37 χρησμός 167, 517 χριστιανισμός 342, 342 Χριστιανος / -οί 11, 25, 26, 341 f., 604, 608 Χριστὸς ἀπέθανεν ὑπέρ 159 Χριστὸς κύριος 11 χώρα 175, 383
ψαλμός 89 ψευδάδελφος 400 ψεύδεσθαι 41 ψευδοπροφήτης 372, 373 ψυχή 36, 37, 107, 278, 469, 475 ΩΒΛΙΑΣ 483 ὡσαννά 83, 85, 88 ὤφθη 218, 233