Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz. Großkomentar. Band 3 §§ 449 bis 474: EGStPO, GVG, EGGVG, Anhang (DRiG, GVGVO, Amtshilfegesetz), Sachregister [22., neubearb. Aufl. Reprint 2019] 9783111625256, 9783110047646


174 89 95MB

German Pages 1142 [1240] Year 1974

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
SIEBENTES BUCH Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens
Erster Abschnitt. Strafvollstreckung
Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens
Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung
Gerichtsverfassungsgesetz
Erster Titel. Gerichtsbarkeit
Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung Vorbemerkung
Dritter Titel. Amtsgerichte
Vierter Titel. Schöffengerichte
Fünfter Titel. Landgerichte
Sechster Titel. Schwurgerichte
Siebenter Titel. Kammern für Handelssachen
Achter Titel. Oberlandesgerichte
Neunter Titel. Bundesgerichtshof
Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft
Elfter Titel. Geschäftsstelle
Zwölfter Titel. Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte
Dreizehnter Titel. Rechtshilfe
Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei
Fünfzehnter Titel. Gerichtssprache
Sechzehnter Titel. Beratung und Abstimmung
Siebzehnter Titel. Gerichtsferien
Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz
Anhang
A. Deutsches Richtergesetz
B. Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung GVG VO
C. Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen
Sachregister
Recommend Papers

Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz. Großkomentar. Band 3 §§ 449 bis 474: EGStPO, GVG, EGGVG, Anhang (DRiG, GVGVO, Amtshilfegesetz), Sachregister [22., neubearb. Aufl. Reprint 2019]
 9783111625256, 9783110047646

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Großkommentare der Praxis

w DE

G

Löwe-Rosenberg

Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz Großkommentar 22., neubearbeitete Auflage von Dr. Hanns Dünnebier Generalstaatsanwalt a.D. in Bremen Dr. Walter Gollwitzer Ministerialrat in München Dr. Max Kohlhaas Bundesanwalt in Karlsruhe Dr. Karl Heinz Kunert Ministerialrat in Düsseldorf Karlheinz Meyer Vors. Richter am Kammergericht in Berlin Professor Dr. Werner Sarstedt Vors. Richter am Bundesgerichtshof in Berlin Dr. Karl Schäfer Senatspräsident i. R. in Frankfurt a. M.

Dritter Band §§ 449 bis 474 EGStPO, GVG, EGGVG, Anhang (DRiG, GVGVO, Amtshilfegesetz) Sachregister Bearbeiter: Schäfer Sachregister: Richter am Landgericht Joachim Rößler in Berlin

w

1974

G

W a l t e r de G r u y t e r • Berlin • N e w Y o r k

DE

Erscheinungsdaten der Lieferungen Lieferung 1 (§§ 449-474) EGStPO Lieferung 2 GVG, EGGVG, Anhang (DRiG, GVGVO, Amtshilfegesetz) Lieferung 3 Sachregister

November 1972 Juli 1973 Dezember 1973

ISBN 3 1100 4764 0

© Copyright 1 9 7 1 - 1 9 7 4 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung. J. Guttentag. Verlagsbuchhandlung. Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie. Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages re produziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz und Druck: H. Heenemann K G , Berlin 42

Inhaltsverzeichnis

SIEBENTES BUCH Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens Seite

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung Vorbemerkungen §§ 449—463b

2315 2325

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens Vorbemerkungen §§ 4 6 4 - 4 7 4

2437 -2443

Einfuhrungsgesetz zur Strafprozeßordnung

2585

Gerichtsverfassungsgesetz Vorbemerkung

2593

Erster Titel. Gerichtsbarkeit Vorbemerkung §§ 1 - 2 1

2594 2597

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung Vorbemerkung 2651 §§ 21 a—22 2654 Dritter Titel. Amtsgerichte §§ 2 2 - 2 7

2706

Vierter Titel. Schöffengerichte §§ 2 8 - 5 8

2729

Fünfter Titel. Landgerichte §§ 5 9 - 7 8

2775

Sechster Titel. Schwurgerichte §§ 7 9 - 9 2

2801

Siebenter Titel. Kammern für Handelssachen §§ 9 3 - 1 1 4

2818

Achter Titel. Oberlandesgerichte Vorbemerkung §§ 115-122

2818 2819 V

Neunter Titel. Bundesgerichtshof Vorbemerkung §§ 123-140

Seite 2850 2851

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft Vorbemerkung §§ 141-152

2866 2870

Elfter Titel. Geschäftsstelle § 153

2900

Zwölfter Titel. Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte §§ 154-155

2901

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe Vorbemerkung §§ 156-168

2902 2910

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei Vorbemerkung §§ 169-183

2931 2932

Fünfzehnter Titel. Gerichtssprache Vorbemerkung §§ 184-191 . ,

2976 2977

Sechzehnter Titel. Beratung und Abstimmung §§ 192-198

2985

Siebzehnter Titel. Gerichtsferien Vorbemerkung §§ 199-202

3002 3003

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz

3005

Anhang A. Deutsches Richtergesetz vom 8. 9. 1961

3057

B. Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 . .

3141

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2.5.1953 3148

Sachregister

VI

3187

SIEBENTES BUCH Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens ERSTER ABSCHNITT Strafvollstreckung Vorbemerkungen Übersicht I. Begriff der Strafvollstreckung im allgemeinen II. Strafvollstreckung und Strafvollzug 1. Aufgabenbereich der Strafvollstrekkungsbehörden 2. Vollzug von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßnahmen. Verhältnis der Vollstreckungs- zur Vollzugsbehörde 3. Systematische Stellung des Vollstrekkungs- und Vollzugsrechts. III. Vollstreckung und Vollzug als Angelegenheiten der Justizverwaltung. Rechtsgrundlage 1. StVollstrO und RiJGG 2. DVollzO IV. Der Rechtsschutz des Verurteilten gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde ( § § 4 5 8 , 4 6 1 , 4 6 3 a S t P O , § 2 1 StVollstrO, § § 2 3 ff. EG GVG) V. Die rechtliche Stellung des Gefangenen und sein Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Vollzugsbehörden

1. Stand der Reformarbeiten 2. Der geltende Rechtszustand a) Dienstaufsichtsbeschwerden nach der DVollzO b) JugendarrestvollzugsO; JugendstrafvollzugsO 3. Anfechtbarkeit nach §§ 23ff. EG GVG. Die Grenzen des Rechtsschutzes durch die Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis. Die Abkehr von dieser Lehre durch die Rechtsprechung des BVerfG. Übergangsrecht VI. Geltungsbereich der §§ 449 ff. VII. Vollstreckung von Bußgeldentscheidungen nach dem OWiG VIII. Nebengeschäfte der Vollstreckung IX. Rechtshilfe bei der Vollstreckung X. Strafvollstreckung und Strafvollzug bei Soldaten der Bundeswehr. XI. Bestellung von Pflichtverteidigern im Vollstreckungsstadium

I. Begriff der Strafvollstreckung. 1. Unter der zusammenfassenden Bezeichnung „Strafvollstreckung" regelt der 1. Abschnitt des 7. Buches eine Reihe von Obliegenheiten des Gerichts und der Staatsanwaltschaft, die nach Rechtskraft eines Urteils bei der Ausführung des Urteilsspruchs erforderlich werden. Dabei war die Bezeichnung „Sira/'Vollstreckung von vornherein ungenau, denn Maßnahmen wie die Unbrauchbarmachung gesetzwidriger und die Vernichtung gefahrlicher Gegenstände sind keine Strafen, sondern Sicherungsmaßnahmen; ihre Durchführung im Wege des Zwangs vollzieht sich aber nach dem die Vollstreckung von „Vermögensstrafen" regelnden § 463 (vgl. dort Anm. 1 a). Zu eng wurde die Überschrift des Abschnitts in dem Augenblick, als das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. 11. 1933 die Einführung eines Systems von Maßregeln der Sicherung und Besserung in das Strafgesetzbuch brachte und der neu eingefügte § 463 a bestimmte, daß für die Vollstreckung von Maßregeln der Sicherung und Besserung die Vorschriften über die Strafvollstreckung sinngemäß gelten. Vollends unrichtig wurde die Überschrift, als die gerichtliche. Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 23 ff. StGB) eingeführt und die im Zusammenhang damit nach Rechtskraft des Urteils erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen in den §§ 453, 453 a, 453 b geregelt wurden. Denn es handelt sich bei der Belehrung (§ 453 a), der Überwachung der Lebensführung (§ 453 b) und den nachträglichen Entscheidungen ( § 2 4 d StGB, §453) wohl um Maßnahmen, die der Durchführung (der Vollstreckung) des auf Strafaussetzung lautenden Urteils dienen, aber, wie immer man auch den materiellen (nicht: den rechtstechnischen) Gehalt einer mit Strafaussetzung ver-

2315

Vor § 4 4 9 Anm. I 2; II 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

bundenen Verhängung einer Strafe wertet (vgl. dazu z.B. Bruns GA 1956 198fF.), eben nicht um Maßnahmen, die der Strafvollstreckung — die Vollstreckung ist ja gerade ausgesetzt — oder auch nur der Sicherung einer künftigen Vollstreckung dienen, denn die in §§453, 453 a, 453b bezeichneten Maßnahmen sollen die Bewährung fordern und damit eine Strafvollstreckung nach Möglichkeit entbehrlich machen. Es handelt sich also bei der umfassenden Bezeichnung „Strafvollstreckung" in Wahrheit um eine pars pro toto = Bezeichnung für die Summe der Maßnahmen, die auf Verwirklichung einer von einem Strafgericht erlassenen Entscheidung gerichtet sind, auch wenn die in dem Spruch festgesetzte Unrechtsfolge nicht in einer Strafe besteht. Richtiger wäre es, statt von „Strafvollstreckung", „Strafvollstreckungsbehörde" usw. von „Vollstreckung der Entscheidung der Strafgerichte", „Vollstreckungsbehörde" usw. zu sprechen (so z. B. der Entw. des Strafvollzugsges. 1927, unten Anm. V I ) . 2. Vollstreckung bei Verlust von Rechten und Fähigkeiten. Einer Vollstreckung bedarf es nicht, wenn die Wirkung von Nebenstrafen und Nebenfolgen sich unmittelbar an die Rechtskraft des Urteils knüpft, wie z. B. der Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts nach § 31 StGB, das Fahrverbot (§37 Abs. 3 StGB), der Übergang des Eigentums an einer Sache oder eines Rechts auf den Staat als Folge der Einziehung der Sache oder des Rechts (§ 41 a StGB) usw. Doch fallen auch in diesen Fällen der Vollstreckungsbehörde solche Aufgaben an, die darauf abzielen, die kraft Gesetzes geschaffene Rechtslage zu effektuieren, z. B. den eingezogenen Gegenstand in die Verfügungsgewalt des Staates zu bringen, wenn er sich nicht im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft im staatlichen Gewahrsam befindet, den Führerschein während der Dauer eines Fahrverbots in amtliche Verwahrung zu bringen (§37 Abs. 3 StGB). Ausnahmsweise gibt es aber auch nach Rechtskraft Aufgaben der Vollstreckungsbehörde, die die durch das rechtskräftige Urteil geschaffene Rechtslage unmittelbar betreffen, so wenn nach § 456 c Abs. 2 die Vollstreckungsbehörde die Untersagung der Berufsausübung (§ 421 StGB) aussetzen kann. In diesem Sinn ist es auch zu verstehen, wenn § 360 Abs. 2 von „Aufschub oder Unterbrechung der Vollstreckung" spricht; damit wird dem Gericht die Befugnis zugesprochen, nach Stellung des Wiederaufnahmeantrags auch die Untersagung der Berufsausübung oder ein Fahrverbot auszusetzen (vgl. dazu OLG Hamm GA 1970 309). II. Strafvollstreckung und Strafvollzug. Nach der Grundregel des § 451 erfolgt die Strafvollstreckung grundsätzlich durch die Staatsanwaltschaft; sie ist „Strafvollstreckungsbehörde". Aus dem Wortsinn von „Strafvollstreckung" müßte gefolgert werden, daß der Begriff alle Maßnahmen umfaßt, die zur Verwirklichung der im Urteil festgesetzten Unrechtsfolgen erforderlich sind; die Aufgabe der Strafvollstreckungsbehörde besteht, so gesehen, nicht nur darin, die Vollstreckung herbeizuführen, sondern auch darin, sie durchzuführen. In der Tat ist die der Vollstreckungsbehörde obliegende Aufgabe so zu verstehen; eine wichtige Ausnahme gilt jedoch für die Verwirklichung von Freiheitsstrafen und von mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung sowie von Jugendarrest. 1. Soweit es sich nicht um Freiheitsstrafen und freiheitsentziehende Maßregeln der Sicherung und Besserung handelt, trifft die Vollstreckungsbehörde alle Maßnahmen, die zur Durchführung der Entscheidung erforderlich sind (§ 3 Abs. 1 StVollstrO). Ist die Durchführung nach gesetzlicher Vorschrift einer anderen Stelle übertragen, so beschränkt sich die Aufgabe der Vollstreckungsbehörde darauf, die in ihrem Bereich möglichen und erforderlichen Schritte zu unternehmen, um der anderen Stelle die Übernahme und Ausübung ihrer Obliegenheiten zu ermöglichen. Lautet z. B. das Urteil auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht, so ist nach § 38 Abs. 2 StGB die Stellung des Verurteilten unter Polizeiaufsicht Sache der höheren Landespolizeibehörde und die Aufgabe der Vollstreckungsbehörde erschöpft sich darin, durch Mitteilung des Urteils dieser Stelle eine Prüfung zu ermöglichen, ob sie die Stellung unter Polizeiaufsicht anordnen will (§ 58 StVollstrO). Soweit aber eine solche Zuständigkeitsübertragung nicht erfolgt ist, hat die Vollstreckungsbehörde selbst für die Durchführung der Entscheidung zu sorgen. Sie kann sich dabei der ihr von der Justizverwaltung gestellten Hilfskräfte und der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) bedienen, auch im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften die Amtshilfe anderer

2316

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

Vor § 4 4 9

Anm. 112 Stellen innerhalb und außerhalb der Justiz — hier insbes. der Polizei — in Anspruch nehmen (vgl. §§ 160, 161 GVG, Art. 35 GG); die Vollstreckungsbehörde trägt aber in solchen Fällen die Verantwortung für die Maßnahmen der von ihr beauftragten oder ersuchten Stellen und Behörden in vollem Umfang und hat für Abhilfe zu sorgen, wenn diese nicht ordnungsgemäß verfahren. Ist z. B. auf Geldstrafe erkannt, so ist deren Einforderung und Beitreibung Sache der Vollstreckungsbehörde (§ 463; § f Abs. 4 der Anordnung über die Einforderung und Beitreibung von Vermögensstrafen und Verfahrenskosten vom 15. 2. 1956, vgl. unten Anm. III 1); mit der Beitreibung kann sie einen Vollstreckungsbeamten beauftragen (§ 48 StVollstrO, §§ 8,10 der Anordnung vom 15.2.1956), dessen Maßnahmen sie zu überwachen hat. Ist auf Einziehung erkannt, so nimmt die Vollstreckungsbehörde den Gegenstand in Besitz und beauftragt, wenn der Verurteilte ihn in Besitz hat und trotz Aufforderung nicht herausgibt, den Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung (§463 StPO, § 61 StVollstrO), der ihren Weisungen in gleicher Weise nachzukommen hat wie denen des Gläubigers bei der Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen der Zivilgerichte. Zur Vernichtung eingegangener gemeingefährlicher Gegenstände nimmt die Vollstreckungsbehörde, soweit erforderlich, die Amtshilfe der Polizei oder der zuständigen Verwaltungsbehörde in Anspruch (§ 63 Abs. 5 StVollstrO). 2. Anders liegt es bei der Durchführung von Urteilen, die auf Freiheitsstrafe oder auf eine mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregel der Sicherung und Besserung lauten (entsprechendes gilt für Urteile, die auf Jugendarrest erkennen). Hier hat die Entwicklung dazu geführt, zwischen Strafvollstreckung und Strafvollzug zu unterscheiden. a) Die Freiheitsentziehung, verbunden mit der den Zielen der Freiheitsentziehung dienenden Einwirkung auf den Gefangenen, erfolgt in besonderen Vollzugsanstalten der Justizverwaltung (Strafanstalten, Jugendstrafanstalten und Gerichtsgefangnissen für den Vollzug von Freiheitsstrafen, besondere Anstalten oder besondere Abteilungen von Strafanstalten für den Vollzug von Maßregeln der Sicherung und Besserung). Strafanstalten und besondere Anstalten für den Vollzug von Maßregeln der Sicherung und Besserung haben einen hauptamtlichen Leiter, während Gerichtsgefängnisse von einem Richter oder Staatsanwalt im Nebenamt oder einem Vollzugsbeamten geleitet werden (Nr. 1 ff. der DVollzO; vgl. unten Anm. III 2). Die Aufsicht über die Vollzugsanstalten des Landes übt die oberste Behörde der Landesjustizverwaltung aus (Nr. 9 DVollzO). Der Vollzugsapparat besteht organisatorisch selbständig neben der Staatsanwaltschaft, was nicht ausschließt, daß in Personalunion der Leiter der örtlichen Staatsanwaltschaft Leiter des Gerichtsgefängnisses ist. In der Spitze der Landesjustizverwaltung (außer in Hamburg) vereinigen sich die Stellung als Chef der Staatsanwaltschaft (§ 147 GVG) mit derjenigen als oberster Leiter der Vollzugsbehörden. Obwohl der Vollzug begrifflich nur einen Ausschnitt aus dem Gebiet der Vollstreckung (i. S. der Urteilsdurchführung) bildet, sind also die Aufgaben der Vollstreckung im weiteren Sinne aufgeteilt zwischen zwei organisatorisch selbständigen Behördenbereichen. b) Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Wesen des modernen Vollzugs nicht nur in der den gesetzlichen Vorschriften (§§ 21 StGB) entsprechenden Freiheitsentziehung, sondern auch und bei längerer Freiheitsentziehung sogar mit besonderem Nachdruck in den erzieherischen und resozialisierenden Einwirkungen besteht, die einen dafür geschulten Stab von Mitarbeitern erfordern, über den wohl die Vollzugsanstalten und Aufsichtsbehörden, nicht aber die Vollstreckungsbehörde verfügt. Damit entfallt die Möglichkeit, in der Vollzugsanstalt nur ein mehr oder weniger selbständig handelndes Hilfsorgan für die Durchführung von Aufgaben zu sehen, die „eigentlich" nach § 451 der Vollstreckungsbehörde oblieben, die sich nur zur Erfüllung dieser Obliegenheiten der Vollzugsbehörden bedient (so auch P o h l m a n n 2 zu § 3 StVollstrO; M ü l l e r - S a x 4 b vor §449). Die Vollzugsanstalt leitet zwar ihre Legitimation, an dem Verurteilten den Vollzug der ihm auferlegten Freiheitsstrafe durchzuführen, davon ab, daß der Verurteilte ihr von der Vollstreckungsbehörde zur Verfügung gestellt, nämlich durch Aufnahmeersuchen (§ 29 StVollstrO) in ihren Tätigkeitsbereich eingewiesen wird. Aber daraus folgt nicht, daß die Vollzugsanstalt bloßes Vollzugsorgan der Vollstreckungsbehörde wäre; sie wird vielmehr, sobald ihre Zuständigkeit begründet ist, für die nunmehr zu entfaltende spezifische Tätigkeit aus eigenem Recht tätig und erfüllt Aufgaben, die Eigenwert besitzen und selbständig neben der auf Durchführung des

2317

Vor § 4 4 9 Anm. II 2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Urteilsspruchs gerichteten Tätigkeit der Vollstreckungsbehörde stehen (so auch P e t e r s 602). §451 steht dieser Betrachtungsweise nicht entgegen; keine Vorschrift des 7. Buches deutet darauf hin, daß zu der in § 451 der Staatsanwaltschaft übertragenen „Strafvollstreckung" auch der Vollzug der Freiheitsstrafe in dem Sinn gehöre, daß die Vollstreckungsbehörde Herrin des Vollzugs sei; vielmehr handelt es sich bei den in §§ 455 — 456b, 457, 461 der Vollstreckungsbehörde im Zusammenhang mit der Durchführung von Freiheitsstrafen zugewiesenen Obliegenheiten um solche, die dem Bereich der Strafvollstreckung im engeren Sinn angehören. Dagegen ist die Unterscheidung zwischen der Strafvollstreckung im engeren Sinn und dem Strafvollzug der neueren Gesetzessprache geläufig. Art. 74 Nr. 1 GG nennt neben Strafredit und gerichtlichem Verfahren den Strafvollzug als besonderen Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes und das JGG unterscheidet deutlich zwischen Vollstreckung und Vollzug (vgl. Überschrift des 3. Hauptstücks) und weist die Aufgaben der Vollstreckung dem Vollstreckungsleiter (§ 82 JGG), die des Vollzugs aber dem Vollzugsleiter (bei Jugendarrest dem Jugendrichter am Vollzugsort, § 9 0 Abs. 2, bei Jugendstrafe dem Leiter der Jugendstrafanstalt, vgl. D a l l i n g e r L a c k n e r Rz. 5 zu § 92) zu. Es ist demnach nichts weiter als eine Verdeutlichung des geltenden Rechts, wenn schon der Entw. des Strafvollzugsges. 1927 (RT-Drucks. Nr. 3628) in § 2 die Aufgabe der Vollstreckungsbehörde mit den Worten umschreiben wollte: „Die Vollstreckung der Entscheidungen (der Strafgerichte) wird von der Vollstreckungsbehörde veranlaßt und, soweit nicht anderes bestimmt ist, von ihr durchgeführt", während § 4 die Aufgabe der Vollzugsbehörde dahin kennzeichnen sollte: „Der Vollzug der Freiheitsstrafen und der mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Besserung und Sicherung liegt den Vollzugsbehörden ob." c) Diese Betrachtungsweise liegt schließlich auch der StVollstrO (über deren Bedeutung vgl. unten Anm. III 1) zugrunde. § 3 Abs. 1 besagt über die allgemeine Aufgabe der Vollstreckungsbehörde: „Die Vollstreckungsbehörde prüft, ob die Voraussetzungen der Vollstreckung gegeben sind. Sie trifft die Maßnahmen, die zur Durchführung der Entscheidung erforderlich sind." Soweit es sich um Freiheitsstrafen handelt, umschreibt § 36 Abs. 1 die im Vollzugsstadium der Vollstreckungsbehörde generell obliegenden Aufgaben: „Die Vollstrekkungsbehörde wacht darüber, daß Art und Dauer der Strafhaft der zu vollstreckenden Entscheidung entsprechen. Sie ist an erster Stelle für die richtige Berechnung der Strafzeit verantwortlich..." Das entspricht den in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen (RGSt. 5 32; 30 137). In § 3 Abs. 2 aber gibt die StVollstrO zu erkennen, daß sie einen selbständigen, der Überwachung durch die Vollstreckungsbehörde entzogenen Aufgabenkreis der Vollzugsbehörde als gegeben ansieht. Wie weit dieser Aufgabenkreis der Vollzugsbehörde reicht, ist freilich nicht ausdrücklich gesagt; § 3 Abs. 2 besagt lediglich: „Die Verantwortlichkeit der Vollstreckungsbehörde erstreckt sich nicht auf den besonderen Pflichtenkreis der Vollzugsbehörde." Indem aber § 36 Abs. 1 bestimmt, daß im Vollzugsstadium die Aufgabe der Vollstreckungsbehörde sich darauf beschränkt, darüber zu wachen, daß Art und Dauer der Strafhaft der zu vollstreckenden Entscheidung entsprechen, besagt er, daß Gegenstand der vollstreckungsbehördlichen Überwachung nur die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften ist, die die Art der Freiheitsstrafe kennzeichnen. Die Vollstrekkungsbehörde überwacht also, daß die Freiheitsstrafe, dem Urteil entsprechend, als Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Strafarrest vollzogen wird und dabei die gesetzlichen Vorschriften beachtet werden, die im Vollzug die Art der Strafe kennzeichnen. Sie überwacht nicht — und hier beginnt der „besondere Pflichtenkreis der Vollzugsbehörde" — die Einhaltung der (im Erwachsenenstrafrecht z. Z. nur im Verwaltungswege getroffenen) Vorschriften, die in Ergänzung der lückenhaften gesetzlichen Regelung die Durchführung des Vollzugs im einzelnen regeln (vgl. dazu unten Anm. III 2). d) Zusammenfassend ist also zu sagen, daß bei Freiheitsstrafen und den mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung die nach § 451 der Vollstreckungsbehörde obliegende „Vollstreckung" in der Herbeiführung des Vollzugs, in der Überwachung der Vollzugsdauer, im übrigen aber in der Überwachung des Vollzugs nur nach der Richtung besteht, ob die Freiheitsentziehung ihrer Art nach dem Urteil entspricht, während die von der Vollzugsbehörde in eigener Veranwortung wahrzunehmende und der Überwachung der Vollstreckungsbehörde entzogene Tätigkeit darin besteht, die den gesetz-

2318

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

Vor § 4 4 9 Anm. II 3; III 1,2

liehen Rahmen ausfüllenden Vollzugsvorschriften zur Anwendung zu bringen. Zu der der Vollstreckungsbehörde obliegenden Überwachung der Vollzugsdauer gehört auch ihre Mitwirkung bei der Herbeiführung der gerichtlichen Entscheidung, ob die Voraussetzungen einer Aussetzung der Reststrafe (§ 26 StGB) gegeben sind (§ 36 Abs. 2 StVollstrO). 3. Über die systematische Stellung des Vollstreckungs- und Vollzugsrechts im Rahmen des Strafverfahrensrechts s. K e r n NJW 1951 186; P e t e r s 602; H e n k e l 16, 19; EbS c h m i d t Vorbem. II. III. Vollstreckung und Vollzug als Angelegenheiten der Justizverwaltung. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich (Ausnahme: §§ 453 — 454) in die Hand weisungsgebundener Organe gelegt und damit als Geschäfte der Justizverwaltung (= Gerichtsverwaltung i. S. des § 4 Abs. 2 Nr. 1 DRiG) gekennzeichnet; das gilt auch, soweit Richter zu Vollstreckungsbehörden bestellt sind (vgl. Anm. IV 1 zu §451). Die Rechtsetzungsbefugnis auf diesem Gebiet steht also, soweit nicht bundesrechtliche Vorschriften entgegenstehen, den Ländern zu (Art. 72, 74 Nr. 1 GG). In diesem Rahmen haben die Justizverwaltungen zur Ergänzung der lückenhaften Vollstreckungsvorschriften der StPO, der summarischen Vorschriften des StGB über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der fehlenden gesetzlichen Vorschriften über den Vollzug der mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung in weitem Umfang Justizverwaltungsanordnungen erlassen. 1. Die die Strafvollstreckung betreffenden Justizverwaltungsvorschriften wurden erstmals einheitlich in der Strafvollstreckungsordnung 1935 (AV d. RJM vom 7. 12. 1935, DJ 1800) zusammengefaßt. Nach dem Kriege vereinbarten die Justizverwaltungen des Bundes und der Länder eine neue Strafvollstreckungsordnung (StVollstrO v. 15. 2. 1956, Bundesanzeiger Nr. 42/1956), die seitdem vielfach geändert und ergänzt worden ist (Text nach dem Stand v. 20. 10. 1970 wiedergegeben bei P o h l m a n n , Komm, zur StVollstrO 1971). Sie wird ergänzt durch die gleichfalls einheitlich vereinbarte „Anordnung über die Einforderung und Beitreibung von Vermögensstrafen und Verfahrenskosten" v. 15.2. 1956, die an die Stelle einer entsprechenden AV des RJM v. 28. 5. 1937 (DJ 840, mehrfach geändert) trat; auch diese Anordnung ist seitdem mehrfach geändert worden (nach dem Stand v. 1. 7. 1970 und unter Angabe der Inkraftsetzungsanordnungen der Länder abgedr. bei P i l l e r - H e r m a n n JustizverwaltungsVorschriften, Anl. I zu Nr. 10). Um die Einheit des Strafvollstreckungsrechts auch für die Zukunft zu erhalten, wurde vereinbart, daß Änderungen der StVollstrO nur im allseitigen Einvernehmen der Justizverwaltungen von Bund und Ländern vorgenommen werden, soweit es sich nicht lediglich um ergänzende Vorschriften handelt (vgl. P o h l m a n n , S. 16f.). Soweit die StVollstrO die Auslegung gesetzlicher Vorschriften betrifft, bindet sie die Vollstreckungsbehörden nur bis zum Ergeben einer gerichtlichen Entscheidung im Einzelfall; die Gerichte sind bei der Gesetzesauslegung nicht an die StVollstrO als eine Verwaltungsvorschrift gebunden (vgl. RGSt. 74 388; OLG Bremen NJW 1951 84; D ü n n e b i e r GA 1969 218; BVerfG Rpfleger 1971 61). Bei der Vollstreckung von Entscheidungen gegen Jugendliche und Heranwachsende gilt die StVollstrO nur insoweit, als nicht die Vorschriften des JGG, des OWiG und die von den Landesjustizverwaltungen vereinbarten „Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz" (RiJGG) v. 15. 2. 1955 — mehrfach geändert und ergänzt; nach dem Stand v. 1. 7. 1970 abgedr. bei P i l l e r H e r m a n n unter 2e — etwas anderes bestimmen (§ 1 Abs. 3 StVollstrO; II 6 der Richtlinien zu §§ 82 bis 85 JGG). 2. Auf dem Gebiet des Strafvollzuges wurde eine einheitliche Gestaltung der landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften durch die Vereinbarung von Vollzugsgrundsätzen (v. 28. 10. 1897, Zentralbl. 308 und v. 7. 6. 1923, RGBl. II 263) angestrebt. Die VO v. 14. 5. 1934 (RGBl. I 383) erhob diese Grundsätze in veränderter und ergänzter Form zur reichs rechtlichen Grundlage des Vollzuges. Demnächst wurde in der Zeit der Reichsjustizverwaltung eine einheitlich geltende Strafvollzugsordnung (AV d. RJM v. 22. 7. 1940, Sonderveröffentl. der DJ Nr. 21) erlassen, die in überarbeiteter Fassung z. T. in den Ländern auch in der Zeit nach 1945 weitergalt (vgl. die Nachweise in der 20. Aufl. Bd. I S . 1103), bis durch Ländervereinbarung eine bundeseinheitlich geltende „Dienst- und Vollzugsordnung" (DVollzO) geschaffen wurde, die am 1. 7. 1962 in Kraft trat; sie ist seitdem mehrfach 2319

Vor § 449 Anm. IV; V 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

geändert (in der ab 1. 5. 1971 geltenden Fassung abgedr. z. B. im HessJMBl. 1971 282). Sie regelt auch die Organisation der Strafvollzugsbehörden (vgl. oben Anm. II 2). Über die Rechtsnatur der Dienst- und VollzugsO s. unten V 3 b. Die DVollzO wird ergänzt durch die von den Landesjustizverwaltungen in bundeseinheitlicher Fassung vereinbarte „Vollzugsgeschäftsordnung" (GVO) v. 1. 7. 1965 — in Kraft ab 1. 1. 1966 — (in der jetzt geltenden Fassung abgedr. z. B. im HessJMBl. 1971 17), die den Umfang und Inhalt der Dienstgeschäfte der Vollzugsgeschäftsstellen bei Justizvollzugsanstalten (vgl. Nr. 2 VGO) regelt. — Wegen des Vollzugs von Jugendstrafen und Jugendarrest s. nachstehend unter V 2 b. IV. Der Rechtsschutz des Verurteilten gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden ist zunächst dadurch gewahrt, daß in dem in §§ 458, 461 Abs. 1, 3 bezeichneten Umfang das Gericht zur Entscheidung über Maßnahmen und Entscheidungen der Vollstreckungsbehörden berufen ist. Im übrigen sieht § 21 StVollstrO vor, daß über Einwendungen gegen Entscheidungen oder Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden, soweit das Gericht nicht zuständig ist, auf Beschwerde des Betroffenen hin der Generalstäatsanwalt entscheidet, wenn der Amtsrichter oder Oberstaatsanwalt beim LG Vollstreckungsbehörde ist, und daß gegen Entscheidungen oder Maßnahmen des Generalstaatsanwalts der Landesjustiz minister angerufen werden kann. Außerdem sind Maßnahmen und Entscheidungen der Vollstrekkungsbehörden, soweit nicht das Vollstreckungsgericht nach §§458, 461, 463 a zur Entscheidung zuständig ist, nach Maßgabe der §§23 ff. EGVGG, anfechtbar und können der Entscheidung des OLG unterbreitet werden (vgl. unten V 3). Eine solche Anfechtung setzt nach § 24 Abs. 2 EGGVG voraus, daß, wenn die Maßnahme der Beschwerde oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren unterliegt, zunächst das Beschwerdeverfahren (sog. Vorschaltverfahren) durchgeführt ist. Es ist anerkannt, daß das Beschwerdeverfahren nach § 21 StVollstrO ein solches Vorschaltverfahren darstellt (OLG Hamm JVB1. 1963 42; Oldenburg MDR 1968 782 m. w. Nachw.). V. Die rechtliche Stellung und der Rechtsschutz des Gefangenen gegenüber Maßnahmen der Vollzugsbehörden 1. Stand der Reformarbeiten. Es ist ein wesentlicher Mangel des geltenden Rechts, daß die Rechtsstellung des Gefangenen beim Vollzug von Freiheitsstrafen und des Untergebrachten beim Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln der Sicherung und Besserung in weitestem Umfang nur durch Verwaltungsordnungen (jetzt die DVollzO) geregelt ist (vgl. dazu D e p e n b r o c k „Erwachsenen-Strafvollzug. Die rechtlichen Grundlagen des Erwachsenenstrafvollzugs und ihre Auswirkungen auf die Arbeit, das Wahlrecht und den Rechtsschutz des Strafgefangenen", 1961; T i e d e m a n n , Die Rechtsstellung der Strafgefangenen, 1963). Die Forderung, die Rechte und Pflichten des Staates gegenüber dem Verurteilten, dem er die Freiheit entzieht, und die Rechte und Pflichten des Staates gegenüber der Staatsgewalt im Vollzugsstadium durch gesetzliche Vorschriften genau zu umschreiben, ist alt (vgl. dazu F r e u d e n t h a l ZStW 32 230 u. J a c o b i ZStW 50 376). Wiederholte Versuche des Reichsgesetzgebers, dieser Forderung zu entsprechen — z. B. durch den im Jahre 1927 von der Reichsregierung dem Reichstag vorgelegten Entw. eines Strafvollzugsgesetzes (RTDrucks. Nr. 3628) —, blieben erfolglos. Die 1954 mit der Einberufung der „Großen Strafrechtskommission" begonnenen und durch das 2. StrRG v. 4. 7. 1969 (BGBL I 717) z. T. schon durchgeführten Arbeiten an der Reform des Strafrechts bildeten den Anlaß, auf der Grundlage der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet des Strafvollzugs (Art. 74 Nr. 1 GG) die Bemühungen um eine gesetzliche Regelung des Vollzugs wieder aufzunehmen und voranzutreiben. Ein Referentenentw. des BJustMin. wurde einer 1967 gebildeten Strafvollzugskommission zugeleitet; sie hat ihre Arbeiten im Januar 1971 mit der Aufstellung eines Entwurfs beendet, der im Februar 1971 veröffentlicht und vom BJM am 15. 3. 1971 mit fast gleichem Wortlaut als „Vorläufiger Referentenentwurf" übernommen wurde (vgl. dazu kritisch B ö n i n g , Gedanken zur Reform des Strafvollzugs, SchlHA 1972 17 und „Die Strafvollzugsreform. Eine kritische Bestandsaufnahme". Herausgegeben von A. K a u f m a n n , Karlsruhe 1971). Die strafrechtliche Abteilung des 48. Deutschen Juristentags (Sept. 1970 in Mainz) behandelte das Thema „Mit welchem Hauptinhalt empfiehlt es sich, ein Strafvollzugsgesetz zu erlassen?" (vgl. dazu das Gutachten von M ü l l e r - D i e t z und die Referate von E i n s e l e und G r o o t h o f f in Band I 2320

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

Vor § 449 Anm. V 2, 3

der Verhandlungen; Übersicht über den Inhalt von Gutachten und Referaten, über die Diskussion und die gefaßten Beschlüsse in N J W 1970 2006, 2008 und von B l a u JR 1970 457 ff.)*. Wegen der Notwendigkeit, die Reformarbeiten im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG N J W 1972 811 zum baldigen Abschluß zu bringen, vgl. unten Anm. V 3 d. Die Bundesreg. verabschiedete am 5. 7. 1972 den Entw. eines Strafvollzugsges. Vgl. die Inhaltsübersicht N J W 1972 Nr. 33 Umschl. S. II, XII, X X I . 2. Der zur Zeit geltende Rechtszustand a) Nach Nr. 194 DVollzO kann sich der Gefangene in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, mit Bitten, Beschwerden und Vorstellungen an den Anstaltsleiter wenden. Gegen die Entscheidung des Anstaltsleiters kann sich der Gefangene im Dienstaufsichtsweg beschweren (Nr. 194 Abs. 2); darüber entscheidet, wenn der Anstaltsleiter nicht abhilft, die Aufsichtsbehörde (Nr. 195 DVollzO). Ferner unterliegen die Maßnahmen der Vollzugsbehörden auch der gerichtlichen Nachprüfung, wenn der Gefangene sie nach Maßgabe der §§ 23 ff. E G G V G anficht (unten Anm. 3). Zu der Frage des Verhältnisses der Dienstaufsichtsbeschwerde zu dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 E G G V G vgl. die Anm. zu § 24 E G GVG. b) Für den Vollzug von Jugendarrest und Jugendstrafe sind in § § 9 0 bis 92 J G G gesetzlich einige allgemeine Richtlinien aufgestellt. Ferner ist in § 115 J G G der Bundesregierung die Ermächtigung erteilt, durch Rechtsverordnung eine Reihe wichtiger Vollzugsfragen zu regeln (wegen einer entsprechenden Regelung für den Vollzug von Strafarrest an Soldaten der Bundeswehr vgl. unten Anm. IX). Auf dieser Grundlage wurde die JugendarrestvollzugsO v. 12. 8. 1966 (BGBl. I 505) erlassen (dazu bundeseinheitlich von den Landesjustizverwaltungen vereinbarte „Richtlinien zur JugendarrestvollzugsO" v. 1.9.1966). Eine Jugends/ra/vollzugsO steht noch aus; der Vollzug der Jugendstrafe erfolgt auf der Grundlage der die § § 9 1 , 92 ergänzenden Jugendstrafvollzugsordnung (JVollzO; AV d. RJM v. 1. 9. 1944, Sonderveröffentl. der DJ Nr. 32), soweit sie nicht durch die spätere Rechtsentwicklung überholt oder durch Sondervorschriften der Länder ersetzt ist (vgl. D a l l i n g e r L a c k n e r 2 zu § 91 JGG). 3. Anfechtbarkeit nach §§ 23ff. E G G V G . Art. 19 Abs. 4 Satz 1, 2 G G bestimmt: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben." Der Konkretisierung dieses Verfassungsgrundsatzes, soweit es sich um Maßnahmen im Zuge der Strafvollstreckung und des Strafvollzugs handelt, dienen die § § 2 3 ff. E G G V G . Danach entscheidet über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstiger Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet der Strafrechtspflege und von den Vollzugsbehörden im Vollzug der Freiheitsstrafen, der Maßregeln der Sicherung und Besserung, des Jugendarrests und der Untersuchungshaft getroffen worden sind, auf fristgebundenen Antrag des Betroffenen ein Strafsenat des OLG. Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Soweit die Maßnahmen der Beschwerde oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren unterliegen, kann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst nach vorausgegangenem Beschwerdeverfahren gestellt werden (s. oben IV). Der Antrag ist ausgeschlossen, soweit die ordentlichen Gerichte bereits auf Grund anderer Vorschriften angerufen werden können, insbesondere sind also die § § 2 3 ff. E G G V G subsidiär gegenüber § 458 Abs. 1, 2. Bei Ermessensentscheidungen beschränkt sich, wenn die Ermessensausübung angegriffen wird, die gerichtliche Nachprüfung darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder Ermessenswillkür oder -mißbrauch vorliegt (§ 28 Abs. 3 EGGVG). * Aus dem umfangreichen Schrifttum vgl. im übrigen u. a. M ü l l e r - D i e t z , Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet des Strafvollzugs, GA 1967 65, 70; derselbe: Konturen eines neuen Strafvollzugsgesetzes, GA 1970 257; S c h n e i d e r JR 1970 281; JZ 1970 312; W ü r t e n b e r g e r JZ 1970 452. 2321

Vor § 449 Anm. V 3

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Wegen der Einzelheiten dieser Regelung und ihre Auswirkungen wird auf die Erläuterungen des EGGVG in diesem Werk verwiesen (vgl. auch Anm. I 2 zu § 455, 1 b zu § 456, Anm. 5 a zu § 456b). Hier ist nur das Grundsätzliche zu erörtern. a) Zu den Anordnungen usw., „die von Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet der Strafrechtspflege" getroffen werden, gehören die Maßnahmen der Strafvollstreckungsbehörden im Zuge der Strafvollstreckung. Wichtig ist hier die Abgrenzung der „Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung" i. S. des § 458 Abs. 1, über die das Vollstreckungsgericht entscheidet, gegenüber dem Anwendungsbereich der §§ 23 ff. EGGVG. Die Subsidiarität der letztgenannten Vorschriften gegenüber § 458 Abs. 2 ist bedeutsam, da die Entscheidungszuständigkeit (hier: das Vollstreckungsgericht und — § 462 Abs. 1 , 4 — das Beschwerdegericht, dort erst- und letztinstanzlich der Strafsenat des OLG) verschieden ist (vgl. dazu Anm. 1 zu § 458). § 458 ist anwendbar, wenn der Verurteilte die Zulässigkeit der gegen ihn angewendeten Vollzugsart im allgemeinen bestreitet (vgl. Anm. 5 zu § 458), wenn also z. B. der Sicherungsverwahrte geltend macht, der Vollzug der Sicherungsverwahrung in weitgehender Anlehnung an den Vollzug einer Freiheitsstrafe (vgl. dazu BVerfG NJW 1953 577) sei unzulässig (ebenso OLG Hamm NJW 1959 1889 = MDR 1959 946 = JZ 1959 714 mit zust. Anm. von P o h l m a n n ) . Hier handelt es sich um mehr als um die „Regelung einer einzelnen Angelegenheit" i. S. des § 23 Abs. 1 EGGVG. Dagegen liegt eine nur nach den letzteren Vorschriften nachprüfbare Vollzugsmaßnahme vor, wenn der Gefangene die Angemessenheit der ihm zugewiesenen Arbeit (vgl. § 21 Abs. 1 StGB) bestreitet (OLG Saarbrücken NJW 1961 230; s. dazu auch OLG Düsseldorf NJW 1960 1071 und T i e d e m a n n JR 1962 6). b) Soweit es sich um Vollzugsmaßnahmen handelt, fragt sich, welche Anforderungen an die Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags, daß der Antragsteller „in seinen Rechten verletzt" sei (§ 24 Abs. 1 EGGVG) zu stellen sind. Die Vorschriften der DVollzO stellen Verwaltungsvorschriften dar, durch die in Ermangelung entsprechender Rechtsvorschriften eine gleichmäßige Anwendung des Strafübels auf alle Strafgefangenen gewährleistet werden soll; sie haben aber nach überwiegend vertretener Auffassung keinen Rechtscharakter (Nachweise bei T i e d e m a n n JR 1962 6, 7). Rechte werden von diesem Standpunkt aus nur verletzt, wenn die Vollzugsmaßnahme gegen die gesetzlichen Vorschriften über das Strafübel verstößt (etwa bei einer Beschäftigung des Gefangenen außerhalb der Anstalt ohne seine Zustimmung, § 21 Abs. 2 StGB), oder, indem sie gegen die im Verwaltungsweg gesetzten Vollzugsvorschriften verstößt, den allgemein die Verwaltung bindenden Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG), den ja die Verwaltungsvorschriften gerade gewährleisten sollen, verletzt (OLG Bremen Rpfleger 1960 341; D e p e n b r o c k NJW 1963 89) oder mit sonstigen nicht beschränkbaren Grundrechtssätzen des GG, insbesondere der Menschenwürde, nicht vereinbar ist (vgl. z.B. OLGe. Saarbrücken JB1. Saar 1961 219; Celle NJW 1961 692 betr. Recht auf Eingehen einer Ehe — s. dazu auch Nr. 166 DVollzO —; H a n s , Rpfleger 1962 435 betr. Ausübung des Petitionsrechts - Art. 17 G G - ; OLGe. Hamburg NJW 1962 1633; 1963 1789; Celle MDR 1963 432 betr. Beschränkungen der Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 2 GG, und v. M ü n c h , Die Grundrechte des Strafgefangenen in JZ 1958 73) und daher auch die Verfassungsbeschwerde rechtfertigt. c) Die Lehre vom „besonderen Gewaltverhältnis." Diese Beschränkung der gerichtlichen Anfechtbarkeit der Vollzugsmaßnahmen wurde bisher damit gerechtfertigt, daß der Strafgefangene zum Staat in einem sog. besonderen Gewaltverhältnis stehe (vgl. OLG Nürnberg GA 1961 247, 249; T i e d e m a n n JR 1962 6). Dessen Auswirkungen wurden gesehen einerseits in einer Fürsorgepflicht des Staates zum Ausgleich dafür, daß der Gefangene als Folge des Freiheitsentzuges seine Angelegenheiten nicht selbst zu besorgen vermag (vgl. T i e d e m a n n NJW 1962 1760 mit Nachweisen), andererseits aber darin, daß Anordnungen innerhalb des besonderen Gewaltsverhältnisses zwar nicht schlechthin (vgl. BGH NJW 1954 32), aber doch insoweit einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen seien, als sie sich im üblichen Rahmen der Unterwerfung unter die Gewaltausübung halten. Diese Unterwerfung beruhe beim Strafgefangenen darauf, daß ihm durch das rechtskräftige Urteil die Erduldung der Freiheitsentziehung als fühlbares Übel auferlegt ist. Das Wesen der Frei2322

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

Vor § 4 4 9

Anm. V 3 heitsstrafe bestehe danach über den Entzug der körperlichen Bewegungsfreiheit hinaus auch in Beschränkungen seiner Handlungsfreiheit, z. B. in der Beschränkung der Benutzung eigner Kleidungsstücke usw. (OLG Hamburg NJW 1963 1789), insbes. hinsichtl. des Verkehrs mit der Außenwelt, zu denen schon die Ordnung in der Anstalt zwingen würde. Von diesem Standpunkt aus sind die Rechte des Gefangenen jedenfalls insoweit eingeschränkt, als sich dies aus allgemein geltenden Vollzugsordnungen ergibt, die sich — innerhalb des Gesetzes — im Rahmen des in Strafanstalten Üblichen halten, und deren Bestimmungen nicht härter sind, als es durch den Zweck des Strafvollzugs gerechtfertigt ist (OLG Bremen NJW 1959 2176), wie etwa Beschränkung und Überwachung des briefl. Verkehrs mit der Außenwelt (OLGe., Saarbrücken JB1. Saar 1961 47; Bremen NJW 1963 1465 mit abl. Anm. T i e d e m a n n NJW 1963 1840; BayVerfGH NJW 1963 1774; Rpfleger 1966 142). Eine Verletzung des Gefangenen in seinen Rechten liegt nach dieser Auffassung nicht vor, wenn die Vollzugsmaßnahme durch die allgemeinen Vollzugsanweisungen gerechtfertigt ist und diese dem gesetzten Recht nicht widersprechen (OLG Schleswig SchlHA 1961 249). In dem hiernach für eine gerichtliche Nachprüfbarkeit von Vollzugsmaßnahmen verbleibenden Bereich ergibt sich eine weitere Beschränkung daraus, daß die Ausübung des Ermessens nach § 28 Abs. 3 EGGVG nur unter dem Gesichtspunkt der Ermessensüberschreitung, des Ermessensmißbrauch und der Ermessenswillkür nachprüfbar ist. Im übrigen wurde für die Ermessensnachprüfung der Weg der Dienstaufsichtsbeschwerde (Nr. 194 DVollzO) als genügend angesehen. Auch die Verhängung von Disziplinar(Haus)strafen (Nr. 181 ff. DVollzO) gegen Strafgefangene unterliegt danach, soweit ihre Voraussetzungen und ihr Umfang nicht gesetzlich bestimmt sind, einer gerichtlichen Nachprüfung nach §§23 ff. EGGVG nur nach der Richtung, ob sie (unter Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes) von den Vollzugsvorschriften abweicht und eine rechtswidrige Ermessensausübung enthält (vgl. OLG Nürnberg GA 1961 247). d) Die Aufgabe der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis. Diese Lehre wird indessen seit geraumer Zeit angefochten. Es wird geltend gemacht, diese Figur könne weder Gesetz noch Rechtsnorm vertreten, Befugnisse des Staates weder erschließen noch definieren, die allgemeine Rechtsstellung des Gefangenen weder begründen noch beschneiden (vgl. B l a u in „Die Strafvollzugsreform" 69). Neuestens hat BVerfG NJW 1972 811 (betr. Anhalten von Briefen eines Strafgefangenen an die Außenwelt mit beleidigendem Inhalt durch die Vollzugsbehörde) = JZ 1972 357 mit Anm. S t a r c k * ausgesprochen, daß die Grundrechte von Strafgefangenen nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden dürfen. Die umfassende Bindung der staatlichen Gewalt an die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 G G lasse es nicht zu, daß im Strafvollzug die Grundrechte beliebig oder nach Ermessen der Vollzugsbehörde unter Berufung auf ein besonderes Gewaltverhältnis eingeschränkt werden können. Nur für eine gewisse Übergangszeit, spätestens bis zum Herbst 1973 könnten Grundrechtsbeschränkungen ohne gesetzliche Grundlage noch hingenommen werden, weil das G G nicht vom sofortigen Erlaß eines Strafvollzugsges. ausgegangen sei und die Bundesregierung mit der Erfüllung der dem Gesetzgeber gestellten Aufgabe ohne schuldhaftes Zögern begonnen habe. Während dieser Übergangszeit seien Einschränkungen der Grundrechte jedoch nur zulässig, soweit sie zur Aufrechterhaltung eines geordneten Strafvollzuges unerläßlich sind. Eine Briefkontrolle sei in dieser Zeit unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, daß die Möglichkeit zur ungehinderten Erörterung von Fluchtplänen und künftiger krimineller Aktionen den Zweck der Freiheitsstrafe in Frage stellen würde. Ohne gesetzliche Grundlage dürfe aber die Vollzugsanstalt Briefe von Strafgefangenen nicht wegen ihres beleidigenden Inhalts anhalten, wenn dies nicht im konkreten Fall zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Vollzugsanstalt unerläßlich sei. Ohne diese Voraussetzung verletze das Anhalten die Meinungsäußerungsfreiheit des Strafgefangenen. Das „Recht der persönlichen Ehre bilde nur insoweit eine Schranke der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 2 GG, als es durch Gesetz normiert ist. Der Gesichtspunkt der Notwehr und Nothilfe (§53 StGB) rechtfertige das Anhalten von Briefen beleidigenden Inhalts nicht, da die Befugnis der Anstaltsleitung zur Briefkontrolle nicht ohne weiteres mit dem Recht verbunden sei, zum Schutz der Ehre Dritter tätig zu werden. * s. auch Müller-Dietz, Verfassung und Strafvollzugsgesetz, NJW 1972 1161; R u p p r e c h t , GrundrechtseingrifTe im Strafvollzug, NJW 1972 1345; Quedenfeld, Bundesverfassungsgericht und Strafvollzugsgesetzgebung, JZ 1972 431.

2323

Vor § 449 Anm. VI; V I I 1 , 2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

VI. Geltungsbereich des 1. Abschnitts des 7. Buches. Die §§449fT. behandeln nur die Vollstreckung der von Strafgerichten festgesetzten Strafen, Nebenstrafen, Nebenfolgen oder Maßregeln der Sicherung und Besserung. Die §§ 449 ff. gelten auch für die Vollstreckung von Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe nach dem J G G (§ 2 aaO.), soweit nicht das J G G (vgl. §§ 82 ff.) abweichende Vorschriften trifft. Sie gelten ferner für die Vollstreckung von Strafurteilen der Sondergerichte, sofern diese durch Übertragung oder kraft Gesetzes auf die Vollstreckungsbehörde der ordentlichen Strafgerichtsbarkeit übergehen, vorbehaltlich abweichender Vorschriften der einschlägigen Gesetze. — Ferner regelt der Abschnitt nur die Vollstreckung der in einem Urteil oder in einer dem Urteil verwandten Entscheidung (vgl. §§ 410, 413, 441 Abs. 2, 459, 460, 462) verhängten kriminellen Strafen, während für die Vollstreckung von Ordnungs- und Erzwingungsstrafen* (§§ 51, 70, 95 usw.) die hierfür geltenden Bestimmungen der StPO (vgl. § 36) oder des G V G (vgl. § 179) maßgebend sind (vgl. P o h l m a n n Rpfleger 1958 12). Jedoch sind einzelne Bestimmungen des Abschnittes (z. B. §§ 4 5 2 , 4 5 5 , 4 6 3 ) auch auf derartige Strafen entsprechend anwendbar; auch sind, wenn die Staatsanwaltschaft solche Freiheitsstrafen vollstreckt, die für die Vollstreckung krimineller Strafen geltenden Vorschriften der StVollstr. sinngemäß anwendbar. Wenn aber der Vorsitzende des Gerichts oder der Untersuchungsrichter unmittelbar die Vollstreckung veranlaßt (§ 179 GVG, § 36 Abs. 2 StPO), so ist ihm die Entscheidung überlassen, ob und welche Vorschriften der StVollstrO anzuwenden sind (§ 88 Abs. 2 StVollstrO). Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß der Richter in richterlicher Unabhängigkeit handelt - anders als im Fall des § 451 Abs. 3 - ( W e s s e l s 5 9 6 f f ) . Betreibt die Staatsanwaltschaft die Vollstreckung einer Ordnungsstrafe in Geld, so ist sie allein auch zur Bewilligung von Ratenzahlungen zuständig (OLG Hamm G A 1960 318; JMB1. N R W 1971 274). Wegendes Vollzugs der Ordnungs- und Erzwingungsstrafen (sog. Zivilhaft) vgl. Nr. 258 ff. DVollzO. VII. Vollstreckung von Bußgeldentscheidungen nach dem OWiG 1. Ist durch rechtskräftigen Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde auf Geldbuße und Nebenfolgen erkannt, so ist Vollstreckungsbehörde die Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat (§ 92 OWiG). Dies gilt auch, wenn der Betroffene gegen einen Bußgeldbescheid verspätet oder nicht formgerecht Einspruch eingelegt oder einen formund fristgerecht eingelegten Einspruch zulässigerweise (§ 77 OWiG) zurückgenommen hat (vgl. B a l d a u f NJW 1970 460; P o h l m a n n Rpfleger 1970 200; a. M. G ü n t h e r N J W 1969 2273; D A R 1970 41). Die Vollstreckung erfolgt gemäß § 90, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsges. v. 27. 4. 1953 (BGBl. I 157), wenn eine Verwaltungsbehörde des Bundes den Bußgeldbescheid erlassen hat, sonst nach den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften (Übersicht über diese bei G ö h l er 3 B zu § 90). Über Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung, gegen Anordnungen der Vollstreckungsbehörde über Zahlungserleichterungen und gegen die sonst bei der Vollstreckung von Bußgeldentscheidungen der Verwaltungsbehörde getroffenen Maßnahmen entscheidet nach § 103 das Gericht (vgl. dazu § 104 OWiG). Das Gericht entscheidet auch auf Antrag der Vollstreckungsbehörde über die Anordnung der Erzwingungshaft gegen den zahlungsunwilligen Betroffenen (§ 96); wird sie angeordnet, so gilt für ihre Vollstreckung § 451 StPO, im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende gelten auch §§ 82 Abs. 1, 84, 85 Abs. 3 J G G sinngemäß (§ 97 OWiG). Die Vorschriften der StVollstrO über die Vollstreckung von Freiheitsstrafen sind sinngemäß anzuwenden (§ 87 StVollstrO); sinngemäß anwendbar sind weiterhin die §§ 455, 456 Abs. 1 und 457 StPO. D a die Stellung des Antrags auf Anordnung der Erzwingungshaft in das Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellt ist, ist sie auch als befugt anzusehen, den Antrag vor Anordnung der Haft zurückzunehmen (ebenso G ö h l e r 4 B zu § 9 6 OWiG), und nach der Anordnung den Beginn oder die Fortsetzung des Vollzugs durch eine der Antragsrücknahme entsprechende Erklärung auszuschließen; eine weitergehende Einflußnahme auf die Vollstreckung steht ihr nicht zu. 2. Für die Vollstreckung gerichtlicher Bußgeldentscheidungen, d. h. der im gerichtlichen Bußgeldverfahren und im Strafverfahren ergangenen Entscheidungen, in denen eine Geld* Lit.: Wessels, Zur Vollstreckung von Ordnungsstrafen und Erzwingungshaftbeschlüssen in Strafsachen, Festschrift für H. Mayer 1966 587 ff. 2324

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

V o r § 4 4 9 Anm. V I I I - X I

§449 büße oder eine Nebenfolge einer Ordnungswidrigkeit festgesetzt ist, gelten nach § 91 OWiG die §§ 451, 463 StPO, im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende auch §§82 Abs. 1, 84, 85 Abs. 3 J G G sinngemäß; ergänzende Verwaltungsvorschriften enthält § 87 StVollstrO (vgl. dazu die Erläuterungen bei P o h l m a n n zu § 87 und P o h l m a n n Rpfleger 1968 264). In § 87 Abs. 3 StVollstrO ist dem Amtsrichter die Vollstreckung der Erzwingungshaft übertragen, die er auf Grund eines Bußgeldbescheids angeordnet hat; als Gericht, dem „selbst die Vollstreckung obliegt" i. S. des § 96 Abs. 1 OWiG, entscheidet er von Amts wegen über die Anordnung der Erzwingungshaft. Vollstreckungsbehörde i. S. des § 96 Abs. 1, die von Amts wegen entscheidet, ist auch der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter (§ 82 JGG). Über Einwendungen gegen Anordnungen des Amtsrichters als Vollstreckungsbehörde in den Fällen des § 103 Abs. 1 Nr. 1, 2 entscheidet nach § 104 Abs. 2 OWiG die Strafkammer des LG. VIII. Nebengeschäfte der Vollstreckung. Nach Rechtskraft des Urteils obliegen der Vollstreckungsbehörde teils auf Grund gesetzlicher Vorschriften, teils auf Grund von Justizverwaltungsanordnungen eine Reihe von Mitteilungspflichten, wie die Ausfüllung und Absendung der Zählkarte, die der Aufstellung der Bundeskriminalstatistik dient (vgl. AV d. Pr. JM vom 21. 12. 1881, JMB1. 329), die in der auf Ländervereinbarung beruhenden Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra.) v. 15. 1. 1958 (Bundes-Anz. Nr. 12) angeordneten Mitteilungen vom Ausgang des Strafverfahrens an interessierte Behörden und Stellen und die Mitteilungen zum Bundeszentralregister. Mit der Strafvollstreckung i. S. der § § 449 ff. haben diese Nebengeschäfte nichts zu tun. IX. Wegen der Rechtshilfe bei der Strafvollstreckung s. §§ 162—163 GVG und Anm. VII zu § 451, ferner das Ges. über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen v. 2.5. 1953 (BGBl. I 161). X. Nach Art. 5 Abs. 1 des EinfGes. z. Wehrstrafgesetz vom 30. 3. 1957 (BGBl. I 306) werden Freiheitsstrafen bis zu einem Monat und Strafarrest an Soldaten der Bundeswehr von den Behörden der Bundeswehr vollzogen, wobei Freiheitsstrafen wie Strafarrest zu vollziehen sind. Auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörde können nach Abs. 2 auch andere Freiheitsstrafen von nicht mehr als 6 Monaten an Soldaten von Bundeswehrbehörden vollzogen werden. Nach § 112 c Abs. 4 J G G obliegt ferner der Vollzug von Jugendarrest an Soldaten den Behörden der Bundeswehr. Die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde und des Gerichts im Vollstreckungsstadium bleiben danach unberührt; die Abweichung gegenüber dem für Zivilpersonen geltenden Recht besteht lediglich darin, daß an die Stelle der Vollzugsbehörden der Justizverwaltung die der Bundeswehr treten oder (Abs. 2) treten können. Nach Art. 6 EG WStG gilt diese Regelung nur, soweit die erforderlichen Vollzugseinrichtungen in der Bundeswehr vorhanden sind, was jeweils amtlich bekanntzumachen ist (vgl. Bekanntmachung des Bundesverteidigungsministers v. 2. 12. 1958, Bundesanz. Nr. 234 = MinBl. d. BVertMin. S. 718, in der jetzt geltenden Fassung auch abgedr. bei P o h l m a n n S. 575). Den Vollzug des Strafarrests regelt § 9 WStG nur im allgemeinen; entsprechend der Regelung in § 115 JGG (vgl. oben Anm. V 2 b) erteilt Art. 7 EGWStG der Bundesregierung die Ermächtigung, durch Rechtsverordnung bestimmte wesentliche Punkte für den Vollzug des Strafarrests durch Behörden der Bundeswehr oder durch die allgemeinen Vollzugsbehörden zu regeln. Dies ist geschehen durch die VO v. 25. 8. 1958 (BGBl. I 647), deren § 11 auch in gewissem Umfang gegen Strafvollzugsmaßnahmen des Vollzugsleiters die Anrufung des Truppendienstgerichts zuläßt. Ergänzende Anordnungen enthält die vorgenannte Bekanntm. v. 2. 12. 1958, in der die §§ 1 bis 52 StVollstrO auch für die Behörden der Bundeswehr verbindlich erklärt worden sind. XI. Wegen der Zulässigkeit der Bestellung von Pflichtverteidigern im Vollstreckungsstadium vgl. OLG Karlsruhe MDR 1972 166; LG Lüneburg Nds Rpfl. 1971 261 = AnwBl. 1971 362; M a e t z e l NJW 1971 874.

§449 Strafurteile sind nicht vollstreckbar, bevor sie rechtskräftig geworden sind. Hierzu aus dem JGG v. 4. 8. 1953 2325

§449 Anm. 11—3

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch „§ 56. Teilvollstreckung einer

Einheitsstrafe

(1) Ist ein Angeklagter wegen mehrerer Straftaten zu einer Einheitsstrafe verurteilt worden, so kann das Rechtsmittelgericht vor der Hauptverhandlung das Urteil für einen Teil der Strafe als vollstreckbar erklären, wenn die Schuldfeststellungen bei einer oder bei mehreren Straftaten nicht beanstandet worden sind. Die Anordnung ist nur zulässig, wenn sie dem wohlverstandenen Interesse des Angeklagten entspricht. Der Teil der Strafe darf jedoch nicht über die Strafe hinausgehen, die einer Verurteilung wegen der Straftaten entspricht, bei denen die Schuldfeststellungen nicht beanstandet worden sind. (2) Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig." I. Vollstreckung erst nach Rechtskraft 1. Grundsatz — Nach dem vor dem 1. 10. 1879 in mehreren Bundesstaaten geltenden Recht war es im Interesse des Verurteilten unter gewissen Voraussetzungen gestattet, mit der Vollstreckung der Strafe schon vor dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils zu beginnen. Dies ist nach der StPO nicht statthaft. Der Begriff des Strafurteils ist hier nicht im formellen Sinn des § 260 zu verstehen, sondern umfaßt auch Urteilssurrogate (Strafbefehl und Strafverfügung, Entscheidungen nach §§ 459, 460, 462). Wird ein auf Freiheitsstrafe lautendes Urteil in der irrtümlichen Annahme vollstreckt, es sei bereits rechtskräftig, so rechnet die tatsächliche Verbüßung bei der Strafzeitberechnung in vollem Umfang wie eine ordnungsgemäß verbüßte Strafe (KG JR 1964 310). 2. Eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 449 bildet der oben abgedr. § 56 JGG. Nach § 31 J G G wird bei mehreren Straftaten eines Jugendlichen nur einheitlich die Reaktion festgesetzt. Das gleiche gilt bei mehreren Straftaten eines Heranwachsenden, wenn Jugendstrafrecht angewendet wird (§ 105). Es wird also — abweichend von §§ 74, 76 StGB — nicht fiir jede der Taten eine besondere Strafe ausgeworfen, die dann zu einer Gesamtstrafe vereinigt werden, sondern die Mehrheit der festgestellten Straftaten wird für den Strafausspruch als Gesamtkomplex einheitlich bewertet, so, als ob sie zusammen nur eine Straftat darstellten. Nach dem Grundsatz des § 449 käme eine Vollstreckung aus dem Urteil erst in Betracht, wenn die Einheitsstrafe rechtskräftig festgesetzt ist. Hier greift § 56 J G G ein. Er räumt bei Anfechtung eines Urteils, wenn die Schuldfeststellungen bei allen oder einem Teil der Taten nicht beanstandet worden sind, dem Rechtsmittelgericht die Befugnis ein, vor der Hauptverhandlung (durch Beschluß) das Urteil für einen Teil der Einheitsstrafe für vollstreckbar zu erklären, wenn es dem wohlverstandenen Interesse des Angeklagten entspricht. — § 56 war im Entstehungsstadium sehr umstritten: insbesondere hatte der Bundesrat die Streichung der Vorschrift vorgeschlagen, weil die Teilvollstreckung dem Grundsatz des § 449 widerspreche „und sie deshalb aus rechtsstaatlichen Gründen nicht förderungswürdig erscheint" (vgl. die.Darstellung der Entstehungsgeschichte bei D a l l i n g e r - L a c k n e r [1] 1). Im Bundestag (vgl. Ausschußbericht S. 9) drang indessen die Auffassung durch, es sei „wenig sinnvoll, eine Untersuchungshaft bestehen zu lassen, wenn dem Strafvollzug kein sachlich berechtigter Hinderungsgrund mehr im Wege stehe", weil „die vom Beschwerdeführer als zutreffend anerkannten Verurteilungen (soll heißen: Schuldfeststellungen) offensichtlich ausreichen, um eine Jugendstrafe — gegebenenfalls von kürzerer Dauer — aufrechtzuerhalten". Die Teilvollstreckung bedeute zwar einen Bruch mit dem Grundsatz des § 449, sie ergebe sich aber aus der rechtlichen Konstruktion der Einheitsstrafe. Die Richtlinien zu § 56 empfehlen Zurückhaltung bei der Teilvollstreckungsanordnung; es sei vor allem zu bedenken, daß sich bei einem Wegfall einzelner Schuldfeststellungen ein anderes Bild von der Persönlichkeit des Jugendlichen (oder Heranwachsenden bei Anwendung des Jugendstrafrechts) ergeben und damit die Verhängung von Jugendstrafe überhaupt entbehrlich werden könne. 3. Während § 449 für alle im Strafurteil (vgl. Vorbem. IV vor § 449) festgesetzten Unrechtsfolgen gilt, ergibt sich eine Ausnahme für die Entscheidung im Adhäsionsverfahren (§§ 406 Abs. 2, 406 d), weil das Strafurteil hier die Funktion eines Urteils des Zivilprozeßrichters übernimmt.

2326

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 449 Anm. 14; II 1 - 3

4. Für Bußgeldentscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten enthält § 89 OWiG eine dem § 449 entsprechende Vorschrift. II. Vollstreckungspflicht 1. Grundsatz. § 449 verbietet seinem Wortlaut nach lediglich, die Vollstreckung aus einem Strafurteil vor seiner Rechtskraft zu betreiben. Eine Pflicht zur Vollstreckung des rechtskräftigen Urteils spricht er nicht ausdrücklich aus, auch nicht §451, der lediglich bestimmt, welche Behörde Vollstreckungsbehörde ist und welcher formalen Voraussetzungen es zur Vollstreckung bedarf. Gleichwohl kann an der Vollstreckungspflicht kein Zweifel bestehen ( P e t e r s 602). Diese Pflicht erschien im Zeichen des Legalitätsprinzips (§ 152) dem Gesetzgeber so selbstverständlich, daß er einen besonderen Ausspruch für überflüssig hielt; sie ergibt sich auch ohne weiteres aus § 346 StGB. § 1 des E StVollzugsges. 1927 wollte in Anlehnung an § 152 Abs. 2 StPO förmlich die Vollstreckungspflicht aussprechen („Entscheidungen der Strafgerichte, durch die Strafen verhängt oder Maßregeln der Besserung und Sicherung für zulässig erklärt oder angeordnet werden, sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, zu vollstrecken, sobald sie rechtskräftig geworden sind"). Auch § 84 JGG bringt die Vollstreckungspflicht zum Ausdruck („Der Jugendrichter leitet die Vollstreckung in allen Verfahren ein . . . " ) . Es ist nach alledem nur eine Klarstellung der Rechtslage, wenn §§ 2, 3 StVollstrO die Vollstreckungsbehörden anweisen, zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Vollstreckung gegeben sind und die zur Durchführung der Entscheidung erforderlichen Maßnahmen mit Nachdruck und Beschleunigung zu treffen. 2. Ausnahmen. An die Stelle der Vollstreckungspflicht kann nach gesetzlicher Vorschrift Ermessensfreiheit treten (vgl. §§ 455 Abs. 3, 456, 456a, 456c Abs. 2, § 96 OWiG betr. die Erzwingungshaft). Die Vollstreckungspflicht ist gehemmt bei nicht endgültigen Vollstrekkungshindernissen, z. B. in den Fällen des § 455 Abs. 1 und 2, sowie bei Strafaufschub und Strafunterbrechung im Wege der Gnade und wenn das Gericht eine Aussetzung oder Unterbrechung der Strafvollstreckung beschließt (z. B. nach §§ 360 Abs. 2, 458 Abs. 2); die Vollstreckungspflicht entfällt, wenn der staatliche Vollstreckungsanspruch erlischt (durch Amnestie, Einzelgnadenerweis, Verjährung). 3. Vollstreckungshindernisse a) Immunität. Zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Sicherung oder Besserung gegen einen Bundestagsabgeordneten bedarf es nach Art. 46 Abs. 3 G G der Genehmigung des Bundestags; über das bei der Einholung der Genehmigung zu beobachtende Verfahren vgl. Nr. 199, 200 RiStBV. Eine früher erteilte Genehmigung zur Strafverfolgung (Art. 46 Abs. 2 GG) umfaßt die Genehmigung zur Strafvollstreckung nicht. Einer Vollstreckungsgenehmigung bedarf es auch dann, wenn, der h. M. zufolge (OLG Celle Nds. Rpfl. 1953 72; Oldenburg Nds. Rpfl. 1954 53; B o c k e l m a n n , Unverfolgbarkeit der Abgeordneten nach deutschem Immunitätsrecht [1951] 44; E b S c h m i d t Lehrkomm. Nr. 153; a. M. M e y e r , Bundestag und Immunität [1953] 10ff.), eine Strafverfolgungsgenehmigung nicht erforderlich war, weil das Verfahren bereits vor Erlangung der Abgeordneteneigenschaft eingeleitet war. Streitig ist, ob das Erfordernis einer besonderen Vollstreckungsgenehmigung auch dann besteht, wenn der Bundestag bei der Genehmigung der Strafverfolgung die Untersuchungshaft zugelassen hatte (verneinend B o c k e l m a n n 53f., S c h n e i d e r DVB1. 1955 350; P o h l m a n n II 1 a zu § 2 StVollstrO; bejahend M e y e r 14); für die Vollstreckungsbehörde ist die Streitfrage bedeutungslos, da Nr. 200 Abs. 5 RiStBV sie anweist, in jedem Fall die Genehmigung einzuholen. War die Genehmigung erteilt, so bedarf es zur Fortsetzung des Strafvollzugs keiner Genehmigung des neuen Bundestags, wenn der Verurteilte auch in den neuen Bundestag gewählt worden und das Mandat angenommen hat; der neue Bundestag kann aber nach Art. 46 Abs. 4 G G die Unterbrechung des Vollzugs verlangen. War aber der Vollzug im Zeitpunkt der Wiedererlangung eines Mandats im neuen Bundestag noch nicht begonnen, so kann er auf Grund einer vom alten Bundestag erteilten Vollstreckungsgenehmigung nicht betrieben werden; es bedarf einer Vollstreckungsgenehmigung des neuen Bundestags ( P o h l m a n n II 1 a zu § 2 StVollstrO). Zur Vollstreckung von Geldstrafe usw. und eines Kostenanspruchs ist eine Genehmigung nicht erforderlich. 2327

§449 Anm. III 1,2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

b) Wegen der Abgeordneten der Länderparlamente vgl. § 152 a StPO. Diese Vorschrift betrifft nicht die Vollstreckung rechtskräftig erkannter Strafen. Daher sind Vorschriften des Landesrechts, die dem Abgeordneten auch Vollstreckungsschutz gewähren, nur für die Vollstreckungsbehörden des eigenen Landes verbindlich, sofern das Landesrecht den Vollstreckungsschutz nicht auch auf landesfremde Abgeordnete erstreckt. Wegen Einzelheiten s. P o h l m a n n Anm. II 2 zu § 2 StVollstrO. c) Wegen des Grundsatzes der Spezialität als Vollstreckungshindernis vgl. die Vorbem. vor § 156 GVG. III. Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft 1. Die Vollstreckbarkeit des Urteils setzt formelle Rechtskraft, also Unanfechtbarkeit mit Rechtsmitteln voraus. Entscheidungen, gegen die ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, werden mit ihrem Erlaß rechtskräftig. Die Vollstreckbarkeit eines Urteils, das nicht anfechtbar und deshalb sofort rechtskräftig ist, beginnt mit der Verkündung des Urteils und ist von der Bekanntmachung (Zustellung) an den bei der Verkündung nicht anwesenden Angeklagten usw. nicht abhängig. Das gilt sowohl von den in der Sache selbst entscheidenden Urteilen der Revisionsgerichte (§ 354 Abs. 1) wie von den Urteilen eines Oberlandesgerichts als Gericht erster Instanz (§ 120 GVG) wie auch von den Urteilen der Amts- und Landgerichte, bei denen wegen Beschränkung des Rechtsmittelzuges eine Anfechtung nicht möglich ist. Desgleichen wird bei Verwerfung der Revision ohne weiteres die Vollstreckbarkeit des angefochtenen vorinstanzlichen Urteils begründet (vgl. dazu § 450 Abs. 2). Wird eine Entscheidung, gegen die ein Rechtsmittel an sich zulässig ist, verspätet angefochten, so tritt die Rechtskraft mit dem ungenutzten Ablauf der Rechtsmittelfrist ein, da nur durch rechtzeitige Einlegung der Berufung (§ 316) und Revision (§ 343) die Rechtskraft gehemmt wird (RGSt. 53 235). Wird ein Urteil durch Rechtsmittelverzicht aller Rechtsmittelberechtigten rechtskräftig und legt der Angeklagte gleichwohl das ohne den Verzicht zulässige Rechtsmittel ein, so wird der Beginn der Vollstreckbarkeit des rechtskräftigen Urteils nicht etwa bis zu dem Zeitpunkt der Verwerfung des unzulässigen Rechtsmittels hinausgeschoben (OLG München NJW 1968 1001 = Rpfleger 1968 156 m. zust. Anm. P o h l m a n n ) . Eine rechtzeitig angefochtene Entscheidung wird in dem Zeitpunkt rechtskräftig, in dem das Rechtsmittel zulässigerweise zurückgenommen wird. 2. Streitig ist dagegen, wann die Rechtskraft eintritt, wenn Revision zwar rechtzeitig, aber nicht formgerecht eingelegt oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist (§ 345) begründet wird. Hier werden 3 Auffassungen vertreten: a) das Urteil wird mit dem Ablauf der Einlegungs-, bzw. Begründungsfrist rechtskräftig; der die Revision verwerfende Beschluß des iudex a quo (§ 346 Abs. 1) und der Beschluß des zur Entscheidung angerufenen Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 haben nur deklaratorische Bedeutung; sie stellen nur den Eintritt der Rechtskraft ex tunc fest (so KG H R R 1928 Nr. 580; B e l i n g JW 1927 3060). Das wird daraus gefolgert, daß § 346 Abs. 2 Satz 2 die Vollstreckung des Urteüs für zulässig erklärt, obwohl die Entscheidung des Revisionsgerichts noch aussteht; da aber § 449 nur eine Vollstreckung aus rechtskräftigen Entscheidungen zulasse, müsse die Rechtskraft des Urteils schon früher eingetreten sein, und zwar, da ein anderer Zeitpunkt nicht in Betracht komme, mit Ablauf der Begründungsfrist. Diese Auffassung läuft darauf hinaus, daß materiell die Hemmungswirkung (§§ 316, 343) nur einem Rechtsmittel zukommt, das nicht nur rechtzeitig eingelegt ist, sondern auch den weitergehenden Anforderungen über Form und Frist genügt, b) Das Urteil wird mit dem Erlaß des Verwerfungsbeschlusses des iudex a quo rechtskräftig; der Beschluß des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 führt die Rechtskraft des Verwerfungsbeschlusses herbei, ändert aber nichts daran, daß die Rechtskraft des Urteils bereits mit dem Verwerfungsbeschluß des iudex a quo eingetreten ist (so z. B. OLGe. Düsseldorf JMB1. NJW 1955 251; Hamburg NJW 1963 265; K l e i n k n e c h t Rpfleger 1952 210f. [offengelassen in Kl 4 zu §449]; S c h w a r z NJW 1954 1228; P o h l m a n n I 2 b z u § 13 StVollstrO). Das wird damit begründet, daß nach § 343 die rechtzeitige Einlegung der Revision die Rechtskraft des Urteils gehemmt habe; da aber § 346 Abs. 2 nach Erlaß des Verwerfungsbeschlusses die Vollstreckung zulasse, müsse im Hinblick auf § 449 die Rechtskraft mit dem Erlaß des Verwerfungsbeschlusses eingetreten sein.

2328

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§449 Anm. IV

c) Das Urteil wird erst mit dem Erlaß des Beschlusses rechtskräftig, der abschließend die Unzulässigkeit der Revision feststellt, also mit dem Beschluß nach § 346 Abs. 2 und mit dem Beschluß nach § 349 Abs. 1 (sofern die Unzulässigkeit nicht auf verspäteter Einlegung beruht), mit dem Beschluß des iudex a quo nach § 346 Abs. 1 dagegen nur, wenn die Frist für den Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts ungenutzt abgelaufen ist (so die h. M.; vgl. RGSt. 53 235; 56 358; OLG Neustadt GA 1955 185; BayObLG MDR 1971 238 = Rpfleger 1971 72 = GA 1971 338; N i e s e JZ 1951 757 m. w. Nachw.; E b S c h m i d t 12 zu § 449; M ü l l e r - S a x 7 zu § 346; K ü p e r GA 1969 364, 371; MDR 1971 806; s. auch BGHSt. 22 213, 218). Begründet wird diese Auffassung damit, daß die Hemmungswirkung des rechtzeitig eingelegten Rechtsmittels erst ihr Ende fände, wenn rechtskräftig über dessen Unzulässigkeit entschieden sei. Von diesem Standpunkt aus stellt sich dann § 346 Abs. 2 Satz 2, der die Vollstreckung aus dem Urteil vor der Entscheidung des Revisionsgerichts über den Antrag nach § 346 Abs. 2 zuläßt, als eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 449 dar. Der zu c) dargestellten Auffassung über das Verhältnis des § 346 Abs. 2 Satz 2 zu § 449 ist zuzustimmen; daß § 449 keinen unabdingbaren Grundsatz enthält, der die Auslegung des § 346 Abs. 2 zwangsläufig bestimmt, ergibt sich daraus, daß auch § 56 JGG in engen Grenzen ausdrücklich die vorläufige Vollstreckbarkeit eines Strafurteils vorsieht. Dagegen können die aus § 449 hergeleiteten Bedenken nicht dadurch ausgeräumt werden, daß man dem noch gar nicht rechtskräftigen Verwerfungsbeschluß nach § 346 Abs. 1 die Wirkung beimißt, die Rechtskraft herbeizuführen; mit Recht bezeichnen dies B e l i n g aaO. und N i e s e JZ 1957 78 Anm. 42 als eine „unerklärliche Halbheit". Auch kann NieSe JZ 1957 77 nicht darin zugestimmt werden, durch § 450 Abs. 2 habe der Gesetzgeber anerkannt, daß Beschlüsse nach § 346 Abs. 2 konstitutiv (ex nunc) die Rechtskraft des angefochtenen Urteils herbeiführen. Denn es ist ja gerade die — vom Gesetz durchaus offengelassene Frage —, ob auch der Beschluß nach § 346 Abs. 2 zu den Beschlüssen gehört, die unmittelbar die Rechtskraft herbeiführen (so auch D a l l i n g e r JZ 1953 441; BayObLG M D R 1971 238). Die praktische Bedeutung der Streitfrage (vgl. dazu Einleitung S. 82 f.) zeigt sich in erster Linie, wenn in der Zeit nach dem Urteil und vor der endgültigen Entscheidung über das unzulässige Rechtsmittel ein Verfahrenshindernis, etwa Verjährung oder Niederschlagung durch Straffreiheitsgesetz, eintritt. Vom Standpunkt der Vollstreckbarkeit aus gesehen, hat die Frage dagegen mehr dogmatische als praktische Bedeutung. Denn vor dem Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels kann der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vollstreckbarkeit nicht bescheinigen (§451); er kann der gerichtlichen Entscheidung nicht vorgreifen. Von der Entscheidung ab aber ist die Vollstreckbarkeit nach gesetzlicher Vorschrift gegeben (§ 346 Abs. 2); es versteht sich dabei von selbst, daß, wenn Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts über den Verwerfungsbeschluß gestellt ist, die Vollstreckungsbehörde vor Ergehen der Entscheidung von der „vorläufigen" Vollstreckbarkeit nur Gebrauch machen und sich zur Vollstreckung entschließen wird, wenn ihr der Antrag als offensichtlich unbegründet erscheint (vgl. auch A r n d t DRiZ 1965 369). Von der Frage, welcher der Beschlüsse, die ein rechtzeitig eingelegtes Rechtsmittel als unzulässig verwerfen, die Rechtskraft des angefochtenen Urteils herbeiführt, ist die Frage zu unterscheiden, wann ein mit solcher Wirkung ausgestatteter Beschluß selbst wirksam wird; diese Frage erhebt sich auch, wenn durch Beschluß gemäß § 349 Abs. 2 eine Revision als offensichtlich unbegründet verworfen wird. Das Nähere darüber s. Anm. II zu § 450. IV. Vollstreckbarkeit bei Mehrheit von Angeklagten Sind durch dasselbe Urteil mehrere Angeklagte verurteilt, so ist die Strafvollstreckung gegen den einzelnen zulässig, sobald ihm gegenüber die Rechtskraft des Urteils eingetreten ist. Dies gilt auch, wenn die Möglichkeit besteht, daß nach § 357 infolge des von dem einen Angeklagten eingelegten Rechtsmittels das Urteil auch zugunsten eines anderen Angeklagten, der es nicht angefochten hat, aufgehoben wird ( § 1 9 StVollstrO). Denn nach § 449 beginnt die Vollstreckbarkeit des Urteils mit dem Eintritt der Rechtskraft; nach § 343 aber hemmt die von dem einen Angeklagten eingelegte Revision nur für ihn, nicht auch für die Mitangeklagten die Rechtskraft des Urteils; erfolgt demnächst die Aufhebung des Urteils 2329

§ 449 Anm. V; VI 1 - 3

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

auch zugunsten dessen, der nicht Revision eingelegt hat, so wird auch die bereits eingetretene Rechtskraft wieder aufgehoben. Hinzu kommt, daß sich erst aus der Begründung der Revision, nicht aber schon bei deren Einlegung erkennen läßt, ob die Anwendung des § 357 überhaupt in Frage kommen kann; ist dies nicht der Fall, so fehlt auch jeder innere Grund für die NichtVollstreckung des Urteils gegen die Nichtanfechtenden. Die Revisionsbegründung gelangt aber oft erst nach mehreren Wochen an das Gericht; es würde also, vom Standpunkt der früher im Schrifttum ( V o i t u s Kontr. 2 42ff.; B e n - B e l i n g 617; M e v e s in HH 2 477) vertretenen entgegengesetzten Ansicht aus, oft die Vollstreckbarkeit des Urteils gegen die Nichtanfechtenden längere Zeit ungewiß bleiben. Die Vollstreckbarkeit gegen die nicht anfechtenden Mitangeklagten wird heute nicht mehr in Zweifel gezogen. Ist aber zu erwarten, daß das Revisionsgericht das Urteil auch gegenüber dem Verurteilten, gegen den vollstreckt werden soll, als angefochten behandelt, so kann die Vollstreckung aufgeschoben oder unterbrochen werden (§19 StVollstrO). — Erfolgt zugunsten eines Mitangeklagten die Aufhebung des Urteils, so muß der etwa schon begonnene Vollzug sogleich eingestellt werden, da ein Urteil, das rechtlich nicht mehr besteht, nicht mehr Gegenstand einer Vollstreckung sein kann; der Verurteilte ist also zu entlassen oder in Untersuchungshaft zu nehmen. V. Absolute Rechtskraft. Das Urteil muß, um vollstreckbar zu sein, nicht bloß gegenüber dem Angeklagten, sondern auch gegenüber den sonstigen Rechtsmittelberechtigten (Staatsanwaltschaft, Nebenkläger, Privatkläger) Rechtskraft erlangt haben; vgl. § 301, § 390 Abs. 1. Es muß also absolut rechtskräftig sein. Ein gegenteiliger Antrag wurde in der RTK abgelehnt (Prot. S. 1070). Danach begründet der Verzicht des Angeklagten auf das zulässige Rechtsmittel allein noch nicht die Vollstreckbarkeit des Urteils; vielmehr bedarf es noch des gleichen Verzichts durch die Staatsanwaltschaft usw. Vgl. aber § 450 Abs. 1 wegen der Anrechnung der Untersuchungshaft bei bloß relativer Rechtskraft. VI. Rechtskraft eines Teiles der Urteilsformel. Bei der Frage, ob ein Urteil, das gegenüber einem Angeklagten teilweise rechtskräftig ist (vgl. §§ 316, 318, 327, 343), auch teilweise vollstreckbar ist, sind folgende Fälle zu unterscheiden: 1. Der Angeklagte ist wegen einer Tat verurteilt und das Urteil in zulässiger Weise (vgl. die Anm. zu § 344) nur wegen einer der in der Urteilsformel enthaltenen Festsetzungen angefochten, z. B. nur wegen der Anordnung der Einziehung. Hier steht der teilweisen Vollstreckung (in dem Beispielsfall der Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe) nichts entgegen. Soweit in der Urteilsformel verschiedene, voneinander trennbare Festsetzungen enthalten sind, kann für den in Rechtskraft übergegangenen Teil die Bescheinigung der Vollstreckbarkeit (§451) erteilt werden. P o h l m a n n III 2 b zu § 13 StVollstrO empfiehlt dem Urkundsbeamten, vor Erteilung der Rechtskraftbescheinigung in der Regel eine unverbindliche Stellungnahme des Gerichts darüber herbeizuführen, ob die Teilanfechtung sich auf abtrennbare Festsetzungen beschränkt. 2. Der Angeklagte ist wegen mehrerer selbständiger Taten zu mehreren gesonderten Strafen (StGB § 74 Abs. 2 Satz 2) verurteilt und das Urteil nur hinsichtlich der einen Tat angefochten. Hier gilt das gleiche wie zu 1). 3. Der Angeklagte ist wegen mehrerer Taten zu einer Gesamtstrafe (§ 74 StGB) verurteilt und hat das Urteil nur bezüglich einer oder mehrerer der Taten angefochten. Die Behandlung dieses Falles ist seit jeher streitig und auch in verschiedenen Auflagen dieses Kommentars ist die Frage, ob wegen des nicht angefochtenen Teils eine Vollstreckung möglich ist, verschieden beantwortet worden. Die Frage wird verneint von RGSt. 74 388; OLGe. Frankfurt NJW 1956 1290; Oldenburg NdsRpfl. 1948 202; NJW 1960 62 = JR 1960 73 = Rpfleger 1960 89; BayObLGSt. 7 210; 10 71; OLG Schleswig SchlHA 1957 314; EbS c h m i d t Rdn. 7 und 8 und NachtrBd. I Rdn. 11; weitere Nachw. über ältere Rechtspr. und Schrifttum in Anm. 6 c der Voraufl.) Zur Begründung wird einmal das formelle Bedenken geltend gemacht, die Vollstreckbarkeitsbescheinigung (§ 451) könne nur unter Rückgriff auf die Urteilsgründe erteilt werden, denn in der Urteilsformel erscheine nur die Gesamtstrafe, während die Höhe der Einzelstrafen sich erst aus den Urteilsgründen ergebe. In materieller Hinsicht wird aufgeführt, das Rechtsmittel könne auch die Aufhebung der nicht ange-

2330

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§449

Anm. VI 3 fochtenen Einzelstrafen zur Folge haben (vgl. RGSt. 25 298), z. B. wenn das Rechtsmittelgericht im Gegensatz zur Vorinstanz nicht Tatmehrheit, sondern Tateinheit oder Fortsetzungszusammenhang annehme. Auch verliere der Angeklagte die Vorteile der Gesamtstrafenbildung, wenn er die nicht angefochtene Einzelstrafe bis zur erneuten Aburteilung der angefochtenen Einzelstrafe voll verbüßt habe. Diese Bedenken erscheinen indessen nicht begründet (ebenso BGH vom 20. 4. 1956 - 1. StR 95/56 - , mitgeteilt von D a l i i n g e r MDR 1956 528 [beiläufig]; OLGe. Bremen NJW 1955 1243 = Rpfleger 1955 319; Hamm JMB1. NRW 1956 68; Celle NJW 1958 153 = JZ 1958 508 m. zust. Anm. P o h l m a n n ; Hamburg Rpfleger 1963 194; Düsseldorf Rpfleger 1965 48; Darmstadt GA 60 60; K G GA 56 339; BayObLGSt. 15 180; 1952 70; HRR 1935 Nr. 915, 1198; LG Frankfurt NJW 1955 1000; M ü l l e r - S a x 4; D a l c k e = F. = Sch. 4; P o h l m a n n Rpfleger 1958 105 und II 1 zu § 19 StVollstrO; G r ü n w a l d , Die Teilrechtskraft im Strafverfahren 1964 338ff.; 350ff.; K l 5; U n g e r Rpfleger 1957 222, 227; D ü n n e b i e r JR 1960 74; K o h l h a a s NJW 1957 295; M e i s t e r DRiZ 1954 46; E r b s Anm. V; D a l l i n g e r - L a c k n e r Anm. 2 zu § 56 J G G ; K r i l l e DR 1941 495; weitere Nachw. aus dem älteren Schrifttum in Anm. 6 c der Vorauf!.). Zunächst ist davon auszugehen, daß, wie allgemein anerkannt, die Einzelstrafen — mag auch nur die Gesamtstrafe in der Urteilsformel erscheinen —, doch nicht bloße Rechnungsfaktoren für die Bemessung der Gesamtstrafe bilden, sondern rechtliche Selbständigkeit besitzen, so daß z. B. eine nicht angefochtene Einzelstrafe rechtskräftig bestehen bleibt, wenn die Verurteilung wegen der anderen mitabgeurteilten Taten aufgehoben wird und die Gesamtstrafe wegfällt (vgl. RGSt. 25 297; 26 169; 39 276; 52 146; BGH NJW 1951 610; BGHSt. 1 252; LK = M ö s l Rdn. 2 zu § 75). Kann aber die Einzelstrafe selbständig rechtskräftig werden, so muß sie auch vollstreckt werden können. Dazu aus § 451 hergeleitete formale Bedenken ist überwindlich. Dort ist freilich vorgeschrieben, daß Vollstreckungsgrundlage die mit der Vollstreckbarkeitsbescheinigung versehene Abschrift der Urteilsformel bildet. Indessen hat diese Vorschrift nur den Regelfall im Auge, daß die ganze Strafe vollstreckt werden soll; ebenso wie in den Fällen der Teilvollstreckung oben zu a) und b) die Bescheinigung der Vollstreckbarkeit den Umständen angepaßt werden muß, ist dies in den Fällen der hier in Frage stehenden Art möglich und zulässig. Im übrigen wäre es auch nicht unzulässig, die Einzelstrafen in die Urteilsformel aufzunehmen ( M ü l l e r S a x 6 B c; E b S c h m i d t Anm. 16; Anm. 6d dieses Werkes, je zu § 260), wie dies vielfach (vgl. z. B. B e l i n g ZStW 38 630) empfohlen wird; denn aus § 260 Abs. 1, 4 kann ein entgegenstehendes Verbot nicht hergeleitet werden (a. M. LK = M ö s l Rdn. 3 zu § 75). Dann wäre das formelle Bedenken ohne weiteres erledigt. Aber gerade daran zeigt sich, daß es nicht unzulässig sein kann, in Anpassung an die Umstände bei Ausstellung der Vollstreckbarkeitsbescheinigung auf die Straffestsetzung in den Urteilsgründen zurückgreifen, die insoweit materiell einen Bestandteil der Urteilsformel darstellen. Behebbar sind auch die Bedenken, der Angeklagte könne mit der Verbüßung der nicht angefochtenen Einzelstrafe bis zur erneuten Aburteilung der angefochtenen Einzelstrafe die Vorteile der Gesamtstrafenbildung einbüßen, wenn man der Lösung von OLG Bremen aaO. folgt, daß von jeder der nicht angefochtenen Einzelstrafen der zur Vollstreckung freigegebene Teil gesondert bestimmt wird (wegen anderer Möglichkeiten, etwa drohende Beeinträchtigung des Angekl. zu vermeiden vgl. OLGe. Celle NJW 1958 153; Düsseldorf Rpfleger 1965 48). Aber auch das weitere materielle Bedenken, das Rechtsmittel könne zur Aufhebung des Urteils auch in seinen nicht angefochtenen Teilen führen, stellt kein durchgreifendes Hindernis gegen eine Teilvollstreckung dar. Das gleiche Bedenken erhebt sich im Hinblick auf § 357, wenn bei mehreren Mitangeklagten nur einer Revision einlegt, diese aber kraft der Fiktion des § 357 auch zugunsten der Nichtanfechtenden wirken kann. Wenn dort (vgl. oben Anm. IV) die Zulässigkeit der Vollstreckung gegen den Nichtanfechtenden heute nicht mehr in Zweifel gezogen wird, so kann das Bedenken, daß bei Teilanfechtung das Rechtsmittel möglicherweise eine über den Umfang der Anfechtung hinausgehende Wirkung haben könne, nicht schwerer wiegen; es kann nur, wenn im Einzelfall die Möglichkeit einer Erstreckung der Aufhebung auch auf den nicht angefochtenen Teil naheliegt, der Vollstreckungsbehörde Veranlassung geben, mit der Vollstreckung innezuhalten. Ein solches Innehalten ist auch geboten, wenn die Möglichkeit besteht, daß die Gesamtstrafe nach §§ 23, 77 StGB zur Bewährung ausgesetzt wird ( P o h l m a n n JZ 1958 510). Dagegen spricht das praktische Bedürfnis entscheidend dafür, die Teilvollstreckung zuzulassen. Es kann sein, daß das auf 2331

§449 Anm. VI 4 , 5 ; VII

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Gesamtstrafe lautende Urteil wegen einer Einzelverurteilung angegriffen wird, die im Verhältnis zu den nicht angefochtenen Verurteilungen nur wenig bedeutend ist; es ist nicht einzusehen, warum dadurch die Vollstreckung des Urteils, auch soweit der Verurteilte es durch Nichtanfechtung als richtig anerkennt, gehindert werden soll; mit dem Grundsatz, daß im Interesse einer wirksamen Strafrechtspflege die Vollstreckung mit Nachdruck und Beschleunigung betrieben werden müsse (§ 2 StVollstrO), wäre das schwerlich in Einklang zu bringen. Geht man gar davon aus, daß bei Teilanfechtung die Anrechnung der Untersuchungshaft nach § 450 Abs. 1 ausgeschlossen ist (vgl. Anm. I 4 zu § 450), so würde ein Verbot der Teilvollstreckung auch die Lage des in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten verschlechtern. Die Teilvollstreckung bildet das Korrelat der Teilanfechtung, und letztere wiederum beruht auf dem Grundsatz des geltenden Rechts, bei Tatmehrheit eine Gesamtstrafe zu bilden. Die StGB-Entw. von 1927 und 1939 wollten an die Stelle der Gesamtstrafe eine Einheitsstrafe treten lassen, ein Gedanke, der in § 31 JGG verwirklicht ist. Die Entw. für die entsprechenden Strafverfahrensvorschriften vertraten die Auffassung, daß mit dem Prinzip der Einheitsstrafe die Teilanfechtung unverträglich sei (vgl. EGStGB-Entw. 1930 Art. 70 Nr. 172 - § 318 - und StPO-Entw. 1939 § 317); damit wäre eine Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil, soweit sich der Angeklagte mit den Schuldfeststellungen abfindet, ausgeschlossen gewesen. Gerade darin aber weicht § 56 J G G entscheidend ab; er läßt unter den dort bezeichneten Voraussetzungen eine Teilvollstreckung zu, obwohl nur die nichtangefochtene Schuldfeststellung rechtskräftig ist, während es an jeder urteilsmäßigen Bemessung des auf diese Taten entfallenden Strafanteils fehlt. Diese Regelung, bei der die Bedenken nicht verkannt, dem praktischen Bedürfnis aber der Vorrang zuerkannt wurde (vgl. oben Anm. I 2), ist auch für die Beantwortung der vorliegenden Streitfrage maßgeblich; das Bedürfnis für eine Teilvollstreckung besteht im Erwachsenenstrafrecht in nicht geringerem Umfang als im Jugendstrafrecht, und es kann daher nicht gut dort unzulässig sein, was hier der Gesetzgeber ausdrücklich für zulässig erklärt hat. § 10 Abs. 2 StVollstrO 1935 besagte, daß die Anfechtung des auf Gesamtstrafe lautenden Urteils wegen einzelner Straftaten der Vollstreckung des Urteils im übrigen grundsätzlich nicht entgegenstehe; darin lag die Weisung des Justizministers als des Chefs der Staatsanwaltschaft an die Vollstreckungsbehörden, dieser Rechtsauffassung Rechnung zu tragen. In die StVollstrO 1956 ist, nachdem RGSt. 74 388 einen gegenteiligen Standpunkt eingenommen hat, eine entsprechende Weisung nicht aufgenommen worden; aber nicht, weil das praktische Bedürfnis für die Vollstreckung rechtskräftiger Einzelstrafen verneint worden wäre, sondern um in den Meinungsstreit der Gerichte nicht mit einer (letztere nicht bindenden) Verwaltungsanordnung einzugreifen. 4. Die Ausstellung der Vollstreckbarkeitsbescheiniguiig (§451) bereitet in den Fällen zu 3 keine Schwierigkeiten, wenn die Gesamtstrafe aus zwei Einzelfallen gebildet ist und das Rechtsmittel sich auf eine der beiden Taten beschränkt. Die Bescheinigung lautet dann etwa: „Das Urteil ist hinsichtlich der Verurteilung wegen (betrifft den nicht angefochtenen Teil) in Höhe von (es wird die aus den Gründen entnommene Einzelstrafe eingesetzt) rechtskräftig"; zur Erläuterung wird vermerkt, daß das Rechtsmittel auf die Verurteilung wegen . . . beschränkt worden sei. Bei einer aus mehr als zwei Einzelstrafen gebildeten Gesamtstrafe wird die Bescheinigung nicht in der Weise auszustellen sein, daß die Höhe der Gesamtstrafe um die angefochtenen Einzelstrafen gekürzt wird, oder daß die nicht angefochtene Einsatzstrafe als rechtskräftig bezeichnet wird, vielmehr beschränkt sich, da dem Urkundsbeamten eine Entscheidung darüber nicht zusteht, in welchem Umfang eine Vollstreckung zulässig ist, die Bescheinigung etwa auf die Feststellung: Das Urteil ist rechtskräftig, soweit wegen . . . auf Einzelstrafen von . . . und von . . . erkannt ist" ( P o h l m a n n III 3 b zu § 13). 5. Die zu 3 erörterte Zweifelsfrage taucht nicht auf, wenn eine rechtskräftige (Einzeloder Gesamt) Strafe gemäß § 76 StGB in eine Gesamtstrafe einbezogen wird. Hier bleibt die rechtskräftige Einzelstrafe vollstreckbar bis zu dem Augenblick bestehen, in dem das Gesamtstrafenurteil Rechtskraft erlangt (OLGe. Köln NJW 1955 1935; Frankfurt NJW 1956 1932; s. auch BGH NJW 1956 110). VII. Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen. 1. Über die Reihenfolge, in der mehrere selbständige gegen denselben Verurteilten rechtskräftig verhängte Freiheitsstrafen zu vollstrecken

2332

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 4 4 9 Anm. VIII

§450 sind, trifft die StPO keine Vorschrift, sondern überläßt sie dem Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Den Vollstreckungsbehörden sind jedoch durch § 43 StVollstrO für sie verbindliche Richtlinien erteilt. § 43 lautet: 1. Mehrere gegen denselben Verurteilten erkannte Freiheitsstrafen, aus denen keine Gesamtstrafe gebildet werden kann, werden grundsätzlich unmittelbar nacheinander vollstreckt. Die zuständigen Vollstreckungsbehörden treten daher, soweit erforderlich, miteinander in Verbindung und sorgen rechtzeitig dafür, daß bei der Vollzugsanstalt Überhaft für die weiteren Strafen vermerkt wird. 2. Freiheitsstrafen sollen in der Reihenfolge ihrer Dauer vollstreckt werden, und zwar die kürzeren vor den längeren, gleichlange in der Reihenfolge, in der die Rechtskraft eingetreten ist. Dies gilt nicht, wenn die bereits begonnene Vollstreckung einer Strafe unterbrochen und der Verurteilte in eine andere Vollzugsanstalt verlegt werden müßte, oder wenn der Verurteilte schon 2 / 3 dieser Strafe verbüßt hat. Die Vollstreckungsbehörde kann aus wichtigen Gründen eine andere Reihenfolge bestimmen. 3. Sind mehrere Freiheitsstrafen zu vollstrecken, die ihrer Art nach in derselben Vollzugsanstalt vollstreckt werden können, so richtet sich die sachliche Vollzugszuständigkeit nach der Gesamtvollzugsdauer. Tritt nachträglich eine Anschlußstrafe hinzu, so ist für die sachliche Zuständigkeit zum Vollzug dieser Strafe allein ihre Vollzugsdauer maßgebend; der Anstaltsleiter darf jedoch den Verurteilten in diejenige Vollzugsanstalt verlegen, deren sachliche Zuständigkeit dem Rest der Gesamtvollzugsdauer entspricht. 4. Sind bei der Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen verschiedene Vollstreckungsbehörden beteiligt und können sie sich über die Reihenfolge der Vollstreckung nicht einigen, so entscheidet der Generalstaatsanwalt, welcher der Vollstreckungsbehörde übergeordnet ist, die für die längste Strafe oder bei gleicher Dauer für die zuerst rechtskräftig gewordene Strafe zuständig ist. Ist ein Generalstaatsanwalt als Vollstreckungsbehörde beteiligt, so entscheidet er. Sind mehrere Generalstaatsanwälte als Vollstreckungsbehörden beteiligt, so gilt Satz 1 entsprechend. Ist der Generalbundesanwalt als Vollstreckungsbehörde beteiligt, so ist seine Entscheidung maßgebend. 2. Zur Erläuterung ist zu bemerken: Nach § 2 7 Abs. 2 StVollstrO 1935 sollten Freiheitsstrafen in der Reihenfolge, in der sie erkannt sind, vollstreckt werden. Demgegenüber richtet sich nach § 43 Abs. 2 StVollstrO 1956 die Reihenfolge grundsätzlich nach der Dauer, wobei die kürzeren den längeren vorgehen. Diese Regelung ist im Hinblick auf § 26 StGB getroffen worden. Man ging davon aus, daß nach überwiegend vertretener Meinung (vgl. D r e h e r 2 D zu § 26), wenn mehrere Strafen ohne Gesamtstrafenzusammenhang im unmittelbaren Anschluß nacheinander zu verbüßen sind, die Voraussetzungen des § 26 für jede gesondert, aber bei der Prognose unter Berücksichtigung der anderen zu prüfen sind. Von diesem Standpunkt aus würde sich bei Verbüßung der längeren vor einer kürzeren Strafe die Aussicht des Verurteilten auf bedingte Entlassung verschlechtern, da er damit rechnen müßte, daß ihm nach Verbüßung von 2 / 3 der längeren Strafe die bedingte Entlassung wegen der noch zu verbüßenden weiteren Strafe versagt wird (vgl. Näheres zu P o h l m a n n II 2b zu §43). VIII. Beschlüsse und Verfügungen, die eine (nichtkriminelle) Ordnungs- oder Erzwingungsstrafe, auch wenn sie in Haft besteht, verhängen (vgl. z. B. §§ 51, 70, 77), sind sogleich vollstreckbar, da sie nur mit der Beschwerde anfechtbar sind und diese keine aufschiebende Wirkung hat (§§ 304, 307; § 181 Abs. 2 GVG mit der dort bestimmten Ausnahme); sie fallen im übrigen nicht unter die §§ 449 ff. (vgl. Vorbem. VI). Wegen der Beschlüsse, durch die eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine bedingte Entlassung (§§ 23 ff. StGB) widerrufen wird, vgl. Anm. IX 5 c zu § 451. — Wegen der Gesamtstrafenbeschlüsse vgl. § 41 Abs. 2 StVollstrO, abgedr. Anm. X 2 zu § 451.

§450 (1) Auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe ist unverkürzt die Untersuchungshaft anzurechnen, die der Angeklagte erlitten hat, seit er auf Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet oder das eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen hat, oder seitdem die Einlegungsfrist abgelaufen ist, ohne daß er eine Erklärung abgegeben hat.

2333

§ 450 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. 11 (2) Führt nach rechtzeitiger Einlegung eines Rechtsmittels ein Beschluß unmittelbar die Rechtskraft des Urteils herbei, so gilt für die Berechnung der Strafzeit die Rechtskraft als zu Beginn des Tages der Beschlußfassung eingetreten. (3) Hat nach dem Urteil eine Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins auf Grund des § 111 a Abs. 5 Satz 2 fortgedauert, so ist diese Zeit unverkürzt auf das Fahrverbot (§37 des Strafgesetzbuches) anzurechnen. Entstehungsgeschichte. Durch Art. 4 Ziff. 48 des 3. Strafrechtsänderungsges. v.4.8.1953 (BGBl. I 735) wurden Abs. 2 und durch das 2. Straßenverkehrssicherungsges. v. 26. 11. 1964 (BGBl. I 921) Abs. 3 eingefügt. Hierzu § 87 Abs. 2 J G G : „Für die Anrechnung von Untersuchungshaft auf Jugendarrest gilt § 450 der Strafprozeßordnung sinngemäß." Vgl. auch § 61 JGG. icht I. Anrechnung der Untersuchungshaft 1. Wechsel der Bedeutung des § 450 Abs. 1 durch § 60 n. F. StGB. Verbliebener Anwendungsbereich 2. Wirkung der Anrechnung nach Abs. 1 3. Bedeutung des Eintritts der absoluten Rechtskraft fiir die Untersuchungshaft 4. Bedeutung der Teilanfechtung 5. Wirkung des Wegfalls der Rechtskraft durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 6. Anrechnung einer anderen dem Strafvollzug vorangehenden Freiheitsentziehung a) Ergreifung auf Grund eines Haftoder Vorführungsbefehls (§ 457) b) Festnahme oder Selbstgestellung nach Entweichen aus dem Strafvollzug c) Anrechnung der Einlieferungshaft bei Festnahme im Ausland

7. Begriff der nach Abs. 1 anzurechnenden Untersuchungshaft 8. Wegfall der Anrechnung a) Aufhebung oder Änderung des Urteils durch das Rechtsmittelgericht b) bei Übernahme des vom gesetzlichen Vertreter eingelegten Rechtsmittels durch den volljährig gewordenen Angeklagten II. Zu § 450 Abs. 2 1. Bedeutung der Vorschrift 2. Verspätet eingelegte Rechtsmittel 3. Weitergeltung des Abs. 2 III. Anrechnung der U-Haft im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende IV. Zu § 450 Abs. 3

I. Anrechnung der Untersuchungshaft (zu Abs. 1) 1. Die Bedeutung des § 450 Abs. 1 hat gewechselt a) Nach § 60 a. F. StGB („Eine erlittene Untersuchungshaft oder einstweilige Unterbringung kann bei Fällung des Urteils auf die erkannte Strafe ganz oder teilweise angerechnet werden") stand die Anrechnung einer erlittenen Untersuchungshaft in pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts („kann") und die Gerichte der einzelnen Instanzen trafen die Bestimmung jeweils „bei Fällung des Urteils" über die bis zu diesem Zeitpunkt erlittene Untersuchungshaft. Ihnen stand keine Entscheidung über die Anrechnung der künftigen Untersuchungshaft zu, die der Angeklagte erlitt, wenn er nach Fällung des Urteils in Untersuchungshaft blieb. Bei dieser Rechtslage hatte § 450 Abs. 1 die Bedeutung, daß, sobald die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlagen, eine Anrechnung der Untersuchungshaft nach Ermessen bei Fällung eines späteren Urteils entfiel; die Anrechnung erfolgt zwingend kraft Gesetzes. Damit wurden die Unbilligkeiten vermieden, die sich aus § 449 ergeben hätten, wonach ein Urteil erst vollstreckbar ist, wenn es für alle Beteiligten („absolut") rechtskräftig ist: wenn der Angeklagte sich bei der Entscheidung beruhigt, aber ein anderer selbständig Rechtsmittelberechtigter durch Anfechtung der Entscheidung den Eintritt der absoluten Rechtskraft und damit der Vollstreckbarkeit hinausschiebt, so sollte § 450 Abs. 1 verhindern, daß dem Angeklagten die ohne sein Zutun erfolgte Verlängerung der U-Haft zum Nachteil gereicht; die zwingend angeordnete Anrechnung der U-Haft, die der Angeklagte erleidet, nachdem das Urteil für ihn („relativ") unanfechtbar geworden ist, hatte zur Folge, daß, wenn das Urteil demnächst „absolut" rechtskräftig wird, der Beginn der Strafzeitbe2334

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 450 Anm. I 1 rechnung grundsätzlich auf den Eintritt der relativen Rechtskraft vorverlegt wird (§39 Abs. 3 , 4 Satz-2 a. F. StVollstrO). b) Der jetzt geltende § 60 Abs. 1 StGB i. d. F. des 1. StrRG v. 25. 6. 1969 („Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe oder Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist") hat den Sinn, daß grundsätzlich — vorbehaltlich einer ausdrücklichen abweichenden gerichtlichen Anordnung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 — die gesamte erlittene U-Haft in vollem Umfang von Rechts wegen auf die Strafe angerechnet wird; es soll dem Angeklagten kein Nachteil daraus erwachsen, daß er von seiner Befugnis, Rechtsmittel einzulegen, Gebrauch macht (vgl. den 2. Bericht des Strafrechtssonderausschusses BTDrucks. V/4095 S. 24). Dabei spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob die Anrechnung der U-Haft kraft Gesetzes, also ohne besonderen Ausspruch bei Fällung des Urteils, erfolgt, soweit das Gericht nicht — ausnahmsweise — eine Nichtanrechnung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 anordnet oder Zweifel über die Art der Anrechnung •zu beheben sind (so die h. M; vgl. BGHSt. 24 29 = NJW 1971 290) oder ob es zwar eines Ausspruchs über die Anrechnung im Urteil bedarf, das Schweigen aber als Anrechnung aufzufassen ist (so D r e h e r 5). c) Über die Auswirkung der Neufassung des § 60 Abs. 1 StGB auf § 450 Abs. 1, den der Gesetzgeber des 1. StrRG unverändert gelassen hat, sind unterschiedliche Auffassungen hervorgetreten. aa) Nach B a u m g ä r t n e r MDR 1970 190; D e n c k e r MDR 1971 627, 630 und S c h ö n k e - S c h r ö d e r [15] Rz. 19 zu § 60 StGB - jetzt aber S c h ö n k e - S c h r ö d e r [16] Rz. 2 — ist § 450 Abs. 1 gegenstandslos geworden, denn eine Nichtanrechnungsanordnung könne nur den Zeitraum bis zur Verkündung des Urteils betreffen; das Schicksal der weiteren U-Haft richte sich nach § 60 Abs. 1 Satz 1 StGB. Indessen wird mit gutem Grund die Auffassung vertreten, daß eine Nichtanrechnungsanordnung nicht nur die Zeit bis zur Verkündung, sondern bis zur Rechtskraft des Urteils umfaßt (vgl. LK — T r ö n d l e Rdn. 41 zu § 60). Dann besteht die Bedeutung des § 450 Abs. 1 weiterhin darin, daß die Nichtanrechnungsanordnung ihre Wirkung für die Zukunft verliert, sobald die Voraussetzungen des § 450 Abs. 1 vorliegen. Im übrigen läßt die hier abgelehnte Auffassung unberücksichtigt, daß auch das Rechtsmittelgericht auf ein zuungunsten des Angeklagten hin eingelegtes Rechtsmittel in der Lage ist, eine Nichtanrechnung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 auszusprechen. Die fortdauernde Bedeutung des § 450 Abs. 1 besteht dann darin, daß dem Rechtsmittelgericht die Verfügung über die nach dem ersten Urteil erlittene U-Haft entzogen ist, soweit gemäß § 450 Abs. 1 zugunsten des Verurteilten relative Rechtskraft eingetreten ist (so auch die durchaus h. M; vgl. z. B. OLG Celle Rpfleger 1970 137; LG Nürnberg-Fürth Rpfleger 1970 67, S c h ö n k e - S c h r ö d e r Rdn. 2; L a c k n e r - M a a s s e n 2e; LK = T r ö n d l e Rdn. 21; D r e h e r MDR 1970 965; K r ü g e r und D i e t h e r Rpfleger 1970 58; W u l f f JZ 1970 160, 161). Eine konstruktive Frage, an die sich keine praktischen Folgerungen anschließen, ist es, ob im übrigen das Verhältnis des § 60 Abs. 1 StGB zu § 450 Abs. 1 so zu sehen ist, daß die positive Funktion des § 450 Abs. 1, die Anrechnung der U-Haft auf die Strafe nach Eintritt der relativen Rechtskraft, jetzt durch § 60 Abs. 1 Satz 1 übernommen ist (so OLG Stuttgart Rpfleger 1970 138) oder so, daß der Anwendungsbereich des § 60 StGB nur so weit reicht, als nicht § 450 Abs. 1 eingreift, § 450 Abs. 1 also die lex specialis gegenüber § 60 Abs. 1 StGB darstellt (so OLG Celle Rpfleger 1970 137, D r e h e r 2 C zu § 60 m. w. Nachw.). bb) Eine andere, anfanglich vertretene Auffassung ging dahin, aus der Aufrechterhaltung des § 450 Abs. 1 sei zu folgern, daß durch § 60 Abs. 1 n. F. die Anrechnung der U-Haft kraft Gesetzes nur insoweit angeordnet sei, als es nach bisherigem Recht zur Anrechnung eines ausdrücklichen richterlichen Ausspruchs bedurfte, denn andernfalls hätte der Gesetzgeber den § 4 5 0 Abs. 1 als gegenstandslos aufheben oder abändern müssen (vgl. P o h l m a n n Rpfleger 1969 379; 1970 68, 138). Danach wäre also die U-Haft, die der Angeklagte in der Zeit seit Erlaß des Urteils bis zum Eintritt der relativen Rechtskraft erlitten

2335

§ 450 Anm. I 2, 3

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

hat, falls es nicht zu einer Entscheidung des Rechtsmittelgerichts kommt, von der automatischen Anrechnung nach § 60 Abs. 1 ausgenommen. Die h. M. hat sich aber diesem Umkehrschluß aus § 450 Abs. 1 mit Recht versagt, weil er im Widerspruch zu den mit der Änderung des § 60 Abs. 1 verfolgten gesetzgeberischen Absichten steht, den Verurteilten bei der Anrechnung der U-Haft in weitestem Maß zu begünstigen, und aus der Nichtstreichung (Nichtänderung) des § 450 Abs. 1 nichts Gegenteiliges hergeleitet werden kann, da er eine, wenn auch beschränkte Bedeutung behalten hat (vgl. z. B. OLGe. Celle MDR 1970 345; NJW 1970 768 = Rpfleger 1970 137; Stuttgart MDR 1970 522; Frankfurt und München NJW 1970 1140; H o r s t k o t t e NJW 1969 1605; G r o s s NJW 1970 127; K r ü g e r und D i e t h e r Rpfleger 1970 58; D r e h e r 2 C). Dem haben sich auch nach anfänglichem Schwanken die Landesjustizverwaltungen bei der jetzt geltenden Neufassung des § 39 Abs. 2 StVollstrO (v. 22. 6. 1970) angeschlossen, wonach die Anrechnung des § 60 StGB sich-vorbehaltlich einer abweichenden gerichtlichen Entscheidung auf die U-Haft erstreckt, die der Verurteilte bis zu dem Tag erlitten hat, an dem die Entscheidung rechtskräftig geworden ist (vgl. dazu P o h l m a n n Rpfleger 1970 265, 269 und I zu § 39). 2. Wirkung der Anrechnung nach Abs. 1. Nachdem sich die Bedeutung des § 450 Abs. 1 praktisch darauf beschränkt, daß für die Zeit nach Eintritt der relativen Rechtskraft zugunsten des Angeklagten einer vorangegangenen Nichtanrechnungsanordnung die Wirkung entzogen und dem Rechtsmittelgericht die Befugnis genommen ist, gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 StGB die Nichtanrechnung der U-Haft anzuordnen, gelten für diesen Teil der U-Haft die gleichen Grundsätze, die allgemein für die Anrechnung von U-Haft nach Eintritt der absoluten Rechtskraft gelten, d. h. die U-Haft wird vom errechneten Ende der Strafzeit nach vollen Tagen rückwärts abgerechnet (§ 39 Abs. 4 StVollstrO, der die Ergebnisse der Rechtsprechung - RGSt. 29 75; OLGe. Hamburg LZ 1916 1509; Stuttgart DStRZ 4 378; KG JW 1927 408 — wiedergibt). Anzurechnen ist nur die Zeit vom tatsächlich wirksam erfolgten Rechtsmittelverzicht ab, auch wenn es dem verzichtsbereiten Angeklagten wegen Nichterreichbarkeit eines Urkundsbeamten (§ 299) nicht möglich war, die Erklärung früher abzugeben (OLG Düsseldorf Rpfleger 1966 254). Bei der Frage, in welcher Weise der Tag, an dem die relative Rechtskraft durch Rechtsmittelverzicht oder Rechtsmittelzurücknahme eintritt, zu behandeln ist, unterscheidet § 37 Abs. 2 StVollstrO: Hat der Verurteilte noch mehr als eine Woche im Vollzug zuzubringen, so gilt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 Verzicht und Zurücknahme als zu Beginn des Tages erfolgt; dieser Tag rechnet also als Strafzeit. Bei kürzerer noch ausstehender Vollzugsdauer gelten Verzicht und Zurücknahme als zu Beginn der Stunde eingetreten, in deren Verlauf sie erfolgten. Ist dem Verurteüten die vor dem Urteil liegende Untersuchungshaft gemäß § 60 StGB anzurechnen und verzichtet er im Anschluß an die Verkündung auf Rechtsmittel, so wird dieser Tag nur als Strafhaft gerechnet, wenn die noch ausstehende Vollzugsdauer mehr als eine Woche beträgt; dieser Tag wird also nicht auch noch als Untersuchungshaft gerechnet (§ 39 Abs. 2 Satz 2), da sonst eine doppelte Anrechnung erfolgen würde. Beträgt die Vollzugsdauer in einem Fall dieser Art nicht mehr als eine Woche, so wird der Tag der Entscheidung voll als anzurechnende Untersuchungshaft gerechnet; es erübrigt sich daher eine Teilung des Tages in der Weise, daß er bis zum Beginn der Stunde, in der das Urteil verkündet wird, als Untersuchungshaft, von da ab als Strafhaft rechnet. 3. Bedeutung des Eintritts der absoluten Rechtskraft für die Untersuchungshaft. Befindet sich der Angeklagte in dem Zeitpunkt, in dem das Urteil rechtskräftig wird, weil für jeden Rechtsmittelberechtigten die Rechtsmittel erschöpft sind (absolute Rechtskraft), in Untersuchungshaft, so ist streitig, ob sich diese kraft Gesetzes in Strafhaft verwandelt. Die bejahende Auffassung macht geltend, die Untersuchungshaft diene dazu, die Durchführung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Aburteilung zu sichern; für Untersuchungshaft sei daher begrifflich kein Raum mehr, wenn das Urteil die Rechtskraft erlangt hat. Von diesem Standpunkt aus entfallt mit dem Eintritt der Rechtskraft die Zuständigkeit des Gerichts nach § 119 Abs. 6 für die dort bezeichneten Maßnahmen, zur Aufhebung der Untersuchungshaft und zur Entscheidung über Haftbeschwerden (so OLGe. Nürnberg SJZ 1950 141 [mit zustimmender Anm. von K l e i n k n e c h t ] ; Celle NJW 1963 2240; München Rpfleger 1964 370; Bremen MDR 1966 349; D ü n n e b i e r in diesem Kommentar 2 zu § 123; M ü l l e r - S a x 1 a; D a l c k e - F u h r m a n n - S c h ä f e r 4). Allerdings wird diese Auf-

2336

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§450 Anm. 14

fassung z. T. dahin eingeschränkt, daß die Einleitung einer formellen Strafvollstreckung nach § 451 nicht überflüssig werde (so K l e i n k n e c h t aaO.) und in dem Zeitraum bis dahin der Haftbefehl als Grundlage der fortdauernden Freiheitsentziehung fortwirke; diese Freiheitsentziehung sei aber weder Untersuchungshaft im technischen Sinn noch Strafhaft im engeren Sinn, sondern „Vollstreckungshaft" (so OLG Celle aaO.). Nach anderer Auffassung (OLGe. Köln LZ 1916 1510; Braunschweig MDR 1950 755; Frankfurt HESt. 1 163; Hamm JZ 1967 186; W e i c h e n und M e l z e r SächsArch. 1 553; 2 71; L i n d n e r MDR 1948 453; P o h l m a n n I 3c zu § 38 StVollstrO; s. auch Rpfleger 1964 147, 371; U n g e r Rpfleger 195 7 224; S c h m i d t NJW 1959 1717; BGHSt. 20 64 hat die Frage offengelassen) dauert di.e Untersuchungshaft bis zur förmlichen Einleitung der Strafvollstreckung an. Dies wird — wohl mit Recht — damit begründet, daß von echter Strafhaft erst die Rede sein könne, wenn die Vollstreckungsbehörde auf Grund einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung (§451) die Vollstreckung betreibt. Daß eine solche „Untersuchungshaft" auf die Strafzeit anzurechnen ist, ergibt sich dann ohne weiteres sowohl aus § 60 Abs. 1 StGB wie auch aus der Erwägung, daß, wenn schon die relative Rechtskraft nach § 450 Abs. 1 kraft Gesetzes zur Anrechnung der Untersuchungshaft führt, dies erst recht bei der absoluten Rechtskraft der Fall sein muß; § 38c StVollstrO bestimmt denn auch, daß bei einem Verurteilten, der sich im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft in Untersuchungshaft befindet, dieser Zeitpunkt als Beginn der Strafzeit anzusetzen ist („fiktive Strafverbüßung"; vgl. BGHSt. 20 64, 67). Nach Nr. 91 Abs. I Nr. 1 UVollzO ist der Untersuchungsgefangene vom Eintritt der Rechtskraft des Urteils ab „als Strafgefangener zu behandeln". Von dem Standpunkt aus, daß die Untersuchungshaft erst mit der förmlichen Einleitung der Strafvollstreckung in „echte" Strafhaft übergeht, entbehrt die Vorschrift der gesetzlichen Grundlage ( P o h l m a n n I 3c zu § 3 8 StVollstrO m. w. Nachw.; dort auch über Versuche der Praxis, der Streitfrage auszuweichen). 4. Bedeutung der Teilanfechtung. Es fragt sich, ob § 450 Abs. 1 mit der Wirkung, eine Nichtanrechnung der U-Haft durch das Rechtsmittelgericht nach § 60 Abs. 1 Satz 2 auszuschließen, auch dann anwendbar ist, wenn der zu einer Gesamtstrafe verurteilte Angeklagte sich nicht in vollem Umfang bei dem Urteil beruhigt, sondern es nur zum Teil anficht oder ein in vollem Umfang eingelegtes Rechtsmittel nur zum Teil zurücknimmt. Die Frage, die früher vereinzelt verneint wurde (vgl. RMilG 19 10, 17; OLG Schleswig SchlHA 1949 137), ist zu bejahen. Hat der Angeklagte das beschränkte Rechtsmittel eingelegt, so taucht das in § 450 Abs. 1 geregelte Problem der relativen Rechtskraft dann nicht auf, wenn man mit der in Anm. VI 3 zu § 449 vertretenen Auffassung annimmt, daß die nicht angefochtenen Einzelstrafen rechtskräftig und vollstreckbar sind. Vielmehr geht insoweit die Untersuchungshaft in Strafhaft über oder wird bei der Strafzeitberechnung wie Strafhaft behandelt (oben zu 3), und es ist für den Verurteilten gleichgültig, ob die Vollstreckungsbehörde von der Möglichkeit formlicher Teilvollstreckung Gebrauch macht oder nicht. Ist aber eine Teilvollstreckung unzulässig, so liegt eine der relativen Rechtskraft, wie sie bei Anfechtung durch einen anderen selbständig Rechtsmittelberechtigten eintritt, entsprechende Lage vor: dann ist für den Angeklagten, soweit er kein Rechtsmittel eingelegt oder es zurückgenommen hat, das Urteil unanfechtbar beworden, und es liegt nicht an ihm, daß es hinsichtlich des unangefochtenen Teils nicht vollstreckt werden kann. Dieser Fall unterscheidet sich also in nichts von dem, daß bei einem auf eine Gesamtstrafe lautenden Urteil der Angeklagte sich in vollem Umfang dabei beruhigt, aber die Staatsanwaltschaft das Urteil nur hinsichtlich einer Einzelstrafe anficht. So gut in diesem Fall § 450 Abs. 1 Anwendung findet, weil der Angeklagte nichts dazu kann, daß das Urteil nicht alsbald in vollem Umfang rechtskräftig wird und vollstreckt werden kann, ebensogut muß § 450 Abs. 1 anwendbar sein, wenn der Angeklagte selbst nur beschränkt Rechtsmittel einlegt (oder das umfassend eingelegte Rechtsmittel nachträglich beschränkt) und sich im übrigen der Vollstreckung unterwirft (ebenso BGH MDR 1954 152; NJW 1955 1488; BayObLG HRR 1935 Nr. 1198; Rpfleger 195 2 491; OLGe. Bremen NJW 1951 615; Celle NdsRpfl. 1952 75; Oldenburg NdsRpfl. 1955 237; Braunschweig NJW 1963 2239; M ü l l e r - S a x 3d; E b S c h m i d t Anm. 5; P o h l m a n n II 2c zu § 39 StVollstrO). Folgerichtig ist der Grundsatz des § 450 Abs. 1 aber auch dann anzuwenden, wenn aus einer Gesamtstrafe eine oder mehrere Einzelstrafen nicht durch Rechtsmittelverzicht, sondern dadurch rechtskräftig werden, daß,

2337

§ 450 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. I 5, 6 nachdem der Angeklagte die Verurteilung zu einer Gesamtstrafe in vollem Umfang angefochten hat, das Revisions gericht nur wegen eines Falles und im Gesamtstrafenausspruch das Urteil aufhebt und zurückverweist, im übrigen aber die Revision verwirft. Dann sind die anderen Einzelstrafen rechtskräftig, und es liegt nicht an dem Angeklagten, wenn das Urteil insoweit nicht vollstreckt wird; die an ein solches Urteil anschließende weitere Untersuchungshaft bis zur Rechtskraft des Gesamtstrafenausspruchs ist daher anzurechnen (ebenso OLG Oldenburg NdsRpfl. 1955 237 = NJW 1956 74 (nur Leitsatz) unter Berufung auf RGSt. 39 275; OLG Braunschw. NJW 1963 2239). Die Anrechnung der Untersuchungshaft in den vorgenannten Fällen muß, da nicht mehr Untersuchungshaft angerechnet werden kann als die Strafe beträgt, ihre Grenze in dem Teil der Gesamtstrafe finden, der auf die rechtskräftig gewordenen Einzelstrafen entfallt (BayObLG Rpfleger 1952 491; OLG Oldenburg aaO.; a. M. BGH MDR 1956 529; M ü l l e r - S a x 3d; P o h l m a n n II 2c zu § 3 9 und Rpfleger 1965 49 — mit weiteren Nachweisen —, wonach die volle Untersuchungshaft auf die Einzelstrafe anzurechnen ist. 5. Wegfall der Rechtskraft durch Wiedereinsetzung. Ist durch ungenutzten Ablauf der Rechtsmittelfrist das Urteil rechtskräftig geworden, so wird durch verspätete Rechtsmitteleinlegung die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit auch dann nicht in Frage gestellt, wenn der Verurteilte das Rechtsmittel mit dem Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbindet, denn dieser Antrag hat nach § 47 keine aufschiebende Wirkung. Wird die Wiedereinsetzung gewährt, so entfallt zwar mit rückwirkender Kraft die Rechtskraft des Urteils. An der Tatsache, daß bis dahin eine vollstreckbare Entscheidung vorlag und demgemäß, auch wenn eine förmliche Vollstreckung nicht eingeleitet wurde, die Untersuchungshaft als Vollstreckungshaft zu rechnen ist (oben zu 3), ändert sich dadurch aber nichts, sofern und solange das Gericht nicht eine Anordnung nach § 47 Abs. 2 getroffen hat. Wird demnächst das Rechtsmittel als unbegründet verworfen, so muß nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen die während des Bestehens der Rechtskraft erlittene Haft auf die Strafe angerechnet werden. Das gleiche gilt, wenn die rechtzeitig eingelegte Revision als unzulässig verworfen (§ 346), demnächst aber die Wiedereinsetzung gewährt wird und es ist demgemäß die volle Zeit anzurechnen, wenn das Revisionsgericht mit der Gewährung der Wiedereinsetzung gleichzeitig die Revision nach § 349 Abs. 2 durch Beschluß verwirft (ebenso OLG Hamm NJW 1956 274; BGHSt. 18 34 = Rpfleger 1963 49 mit Anm. von P o h l m a n n ; OLG Celle NdsRpfl. 1965 186). 6. Anrechnung einer anderen dem Strafvollzug vorangehenden Freiheitsentziehung a) Wie in Anm. 3 ausgeführt, wird dem bei Eintritt der Rechtskraft in Untersuchungshaft befindlichen Verurteilten kraft Gesetzes die Zeit der Freiheitsentziehung angerechnet, die zwischen dem Tag des Eintritts der Vollstreckbarkeit des Urteils und dem Tag liegt, an dem der Strafvollzug unter Überführung des Angeklagten aus dem Untersuchungsgefängnis in die Vollzugsanstalt stattfindet. Hat dagegen der Angeklagte sich nicht in Untersuchungshaft befunden, sondern ist er auf Grund eines gemäß §457 erlassenen Haft- oder Vorführungsbefehls der Vollstreckungsbehörde ergriffen worden, so nahm die früher herrschende Meinung an, daß die Strafzeit erst vom Eintritt in die zur Strafverbüßung bestimmte Strafanstalt ab berechnet werde (vgl. z. B. BayObLG JW 1953 465; weitere Nachweise in Anm. 2 a der Voraufl.), doch sollte in Ausnahmefällen, namentlich bei kleineren Strafen und ohne Verschulden des Verurteilten erfolgter Verzögerung des Eintritts in die zuständige Vollzugsanstalt § 450 Abs. 1 entsprechend anzuwenden sein (BayObLG G A Bd. 77 228). Noch weitergehend wurde im Schrifttum (vgl. die Nachw. in der Vorauflage aaO.) die Auffassung vertreten, daß die ganze Zeit von der Ergreifung bis zur Ablieferung in die zuständige Anstalt anzurechnen sei. Nach einer vermittelnden Auffassung, der sich § 22 a StVollstrO 1935 anschloß, war maßgebend der Zeitpunkt der Ablieferung in eine Strafanstalt, auch wenn sie nicht die zuständige war. Nr. 38 b StVollstrO - abgedr. Anm. X 2 zu §451 - hat der Streitfrage praktisch dadurch ein Ende bereitet, daß er die Strafvollstreckungsbehörden anweist — über § 22 a StVollstrO 1935 hinausgehend — als Beginn der Strafzeit bei einem auf Grund Haft- oder Vorführungsbefehls nach § 457 (oder Sicherungshaftbefehls nach § 6 1 JGG) Festgenommenen und sodann Eingelieferten den Zeitpunkt der Festnahme anzusetzen. Diese Regelung

2338

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 450 Anm. I 6

wird durch die Erwägung gerechtfertigt, daß auch die Ergreifung auf Grund Haft- oder Vorführungsbefehls der Vollstreckungsbehörde letztlich auf der Grundlage und in Vollziehung der die Freiheitsentziehung zulassenden richterlichen Entscheidung erfolgt (vgl. auch BGHSt. 13 97, 100 und P o h l m a n n 12 zu § 38 StVollstrO). Im übrigen greift auch hier die Erwägung durch, daß kein einleuchtender Grund besteht, eine nach Rechtskraft des Urteils zwecks Vollstreckung der Strafe erlittene Freiheitsentziehung von der Anrechnung auf die Strafzeit auszuschließen, wenn nach § 60 Abs. 1 StGB grundsätzlich jede vor Urteilskraft aus Anlaß der Tat erlittene Freiheitsentziehung auf die erkannte Strafe angerechnet wird (vgl. unten zu c) und P o h l m a n n I 2 a z u § 3 8 StVollstrO). b) In gleicher Weise behandelt § 40 StVollstrO die Anrechnungsfrage, wenn ein Verurteilter aus dem Strafvollzug -entwichen ist und zwecks weiteren Strafvollzugs polizeilich festgenommen wird oder sich in einer anderen Anstalt als der zuständigen Vollzugsanstalt zur weiteren Verbüßung stellt; dann gilt im ersteren Fall der Zeitpunkt der Festnahme (vorausgesetzt, daß der Verurteilte demnächst einer Vollzugsanstalt übergeben wird, vgl. P o h l m a n n III zu § 4 0 StVollstrO), im letzteren der Zeitpunkt der Selbstgestellung als Fortsetzung des Strafvollzugs. § 24 Abs. 2 StVollstrO 1935 wollte die Zeit bis zur Wiederaufnahme in die zuständige Vollzugsanstalt nicht auf die Strafzeit anrechnen (im Gegensatz zu der überwiegend vertretenen Auffassung, wonach nur die Zeit des Polizeigewahrsams nach Ergreifung nicht anrechenbar war; vgl. OLG Köln NJW 1955 234 mit Nachweisen.) Nachdem OLG Celle NdsRpfl. 1952 193 sich auf den Standpunkt gestellt hatte, als Vollzugsfortsetzung müsse der Beginn der erneuten Inverwahrnahme gerechnet werden, die abweichende Weisung in § 24 Abs. 2 verstoße gegen Art. 2 Abs. 2,104 Abs. 1 GG, änderten die Länder (vgl. D a l c k e - F u h r m a n n - S c h ä f e r Anm. 1 zu § 2 4 StVollstrO 1935) den § 24 Abs. 2 dahin ab, daß als Zeitpunkt der Fortsetzung des Vollzugs die Aufnahme in eine Justizvollzugsanstalt anzusehen sei, auch wenn sie nicht die zum weiteren Strafvollzug zuständige ist. § 40 Abs. 2 StVollstrO 1956 geht darüber hinaus, indem er bereits den Zeitpunkt der Festnahme als Vollzugsfortsetzungsbeginn ansetzt. c) Bei einem im Ausland Festgenommenen und zur Strafvollstreckung den deutschen Behörden übergebenen Verurteilten rechnet nach § 38b StVollstrO 1956 die Strafe von der Übernahme durch deutsche Beamte; die Anrechnung der ausländischen Einlieferungshaft wurde - mit OLGe. Celle GA 1955 184; Schleswig SchlHA 1959 271; Oldenburg GA 1961 189; Hamburg MDR 1963 689 — nicht als geboten angesehen, da nur eine in deutschem Gewahrsam verbrachte Zeit als Strafzeit gewertet werden könne. Auch bei' ungewöhnlich langer Dauer der Einlieferungshaft, die der Verurteilte nicht zu vertreten hat, war nach überwiegender Auffassung eine Anrechnung nur im Gnadenwege auf die Strafzeit möglich (näheres bei P o h l m a n n I 2c zu § 3 8 StVollstrO). Da aber nach § 60 Abs. 3 Satz 2 n. F. StGB im Erkenntnisverfahren eine im Ausland erlittene Freiheitsentziehung in der Frage der Anrechnung auf die Strafe einer im Inland erlittenen Untersuchungshaft oder anderen Freiheitsentziehung gleichgestellt worden ist, also grundsätzlich angerechnet wird, falls nicht ausnahmsweise das Gericht die Nichtanrechnung ausspricht, hat sich BVerfG NJW 1970 2287 = Rpfleger 1971 61 m. zust. Anm. P o h l m a n n mit Recht auf den Standpunkt gestellt, es sei kein einleuchtender Grund erkennbar, bei einem Verurteilten, der sich der Strafvollstreckung durch Flucht ins Ausland entzog, die Anrechnung einer erst nach Rechtskraft des Urteils im Ausland erlittenen Auslieferungshaft (Einlieferungshaft) schlechthin und selbst dann zu versagen, wenn dies zu einem Ubermaß an Freiheitsentzug führen würde, das in keinem Verhältnis zu der erkannten Strafe stünde; die Anrechnung schlechthin zu versagen, sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar. Bei dieser verfassungsrechtlichen Lage erscheint es sinnvoll, die Anrechnung der ausländischen Auslieferungszeit auf die Strafzeit — wie dies bereits BVerfG aaO. andeutet — in entsprechender Anwendung des § 6 0 Abs. 3 Satz 2 StGB vorzunehmen (ebenso P o h l m a n n Rpfleger 1971 61 und Kommentar I l c zu § 38 StVollstrO). Die Entscheidung über die Anrechnung obliegt den Strafvollstreckungsbehörden. Eine gerichtliche Entscheidung gemäß § 458 kommt erst in Betracht, wenn der Verurteilte Einwendungen gegen die Strafzeitberechnung erhebt, zu denen ihn aber die Vollstreckungsbehörde anregen kann (vgl. Anm. 3 zu § 458; a. M. OLG Karlsruhe Die Justiz 1971 251).

2339

§ 450 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. I 7, 8; II 1 7. Der Begriff der nach § 450 Abs. 1 anzurechnenden „Untersuchungshaft" umfaßt neben der Untersuchungshaft im technischen Sinn auch jede „andere Freiheitsentziehung", die nach § 60 Abs. 1 Satz 1 StGB angerechnet wird (vgl. dazu erläuternd § 39 Abs. 3 StVollstrO), und die demgemäß vom Rechtsmittelgericht gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 StGB von der Anrechnung ausgeschlossen werden könnte, falls der Angeklagte nicht i. S. des § 450 Abs. 1 die relative Rechtskraft herbeiführt. Anrechnung von Untersuchungshaft, deren Nichtanrechnung das Gericht gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 StGB angeordnet hatte, im Wege der Gnade (durch die Gnadenbehörde nach Rechtskraft des Urteils) ist lediglich ein Straferlaß in Höhe des Zeitraums, der auf die Untersuchungshaft entfällt (OLG Hamm NJW 1957 920). 8. Wegfall der „Anrechnung" a) Wird auf die Revision eines anderen (selbständig) Rechtsmittelberechtigten das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, so entfallt mit dem Urteil auch dessen zugunsten des Angeklagten eingetretene relative Rechtskraft; bei der erneuten Aburteilung kann das Gericht eine Nichtanrechnungsanordnung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 StGB treffen; andernfalls gilt § 60 Abs. 1 Satz 1. Der Angeklagte kann aber nach Erlaß des neuen Urteils erneut die relative Rechtskraft herbeiführen und damit die Wirkung des § 450 Abs. 1 gegenüber dem Rechtsmittelgericht auslösen. Wird auf Berufung eines anderen Rechtsmittelberechtigten das Urteil lediglich zugunsten des Angeklagten abgeändert (durch Herabsetzung der im 1. Rechtszug erkannten Freiheitsstrafe), so geschieht dies zwar nach § 328 Abs. 1 technisch in der Form der Aufhebung des Urteils, materiell handelt es sich aber lediglich um eine Änderung, so daß insoweit, als das erste Urteil materiell bei Bestand bleibt, es auch bei der gesetzlichen Anrechnung der Untersuchungshaft verbleibt, sofern der Angeklagte auch das 2. Urteil unangefochten läßt und dadurch gleichzeitig für die nach dem Berufungsurteil liegende Untersuchungshaft die Anrechnung nach § 450 Abs. 1 herbeiführt. Hebt das Berufungsurteil aber gemäß § 328 Abs. 2, 3 das erste Urteil auf oder erhöht es (in diesem Fall unter materieller Aufhebung) die Freiheitsstrafe des angefochtenen Urteils, so gilt das gleiche wie bei Aufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht. b) Ein volljährig gewordener Angeklagter kann auch dann das von seinem bisherigen gesetzlichen Vertreter eingelegte Rechtsmittel übernehmen, wenn er selbst vorher auf Rechtsmittel verzichtet hatte und damit die Voraussetzungen des § 450 Abs. 1 für ihn eingetreten waren (BGHSt. 10 174). Die Anrechnung der Untersuchungshaft entfällt dann von dem Augenblick an, zu dem der Angeklagte erklärt, daß er das_ eingelegte Rechtsmittel übernehme (so mit Recht P e n t z GA 1958 303); eine solche Übernahmeerklärung hat aber keine rückwirkende Kraft für die vorangehende Zeit (LG Bamberg NJW 1967 68 m. zust. Anm. K a i s e r = Rpfl. 1967 118 m. abl. Anm. P o h l m a n n ) . II. Zu § 450 Abs. 2 1. Bedeutung der Vorschrift. Der durch das 3. Strafrechtsänderungsges. v. 4. 8. 1953 eingefügte Abs. 2 besagt nichts darüber, zu welchem Zeitpunkt ein angefochtenes Urteil i. S. des § 449 rechtskräftig und vollstreckbar wird, wenn das Rechtsmittelverfahren mit einem Beschluß endet, der unmittelbar die Rechtskraft herbeiführt. Er klärt vielmehr die bis dahin sehr streitige Frage, von welchem Zeitpunkt ab die Strafzeit zu berechnen ist (vgl. § 38 c StVollstrO), wenn nach rechtzeitiger Einlegung eines Rechtsmittels das Rechtsmittelverfahren durch einen über das Rechtsmittel entscheidenden Beschluß beendet wird. Gedacht ist hier in erster Linie an den Beschluß nach § 349 Abs. 2, durch den eine Revision als offensichtlich, unbegründet verworfen wird. Ohne den § 450 Abs. 2 wäre die Strafzeit vom Tag der Rechtskraft des angefochtenen Urteils, also von dem Tag ab zu berechnen, an dem ein solcher Beschluß „erlassen" ist. Der Streit geht aber gerade darum, in welchem Zeitpunkt ein Beschluß als erlassen anzusehen ist (mit der Vorlage an die Staatsanwaltschaft oder einer vorherigen Kundgabe an andere Beteiligte — mit der formlichen Anordnung des Gerichts zur Herausgabe des Beschlusses aus dem inneren Geschäftsvorgang — mit dem Tag der Beschlußfassung durch Unterzeichnung?). § 450 Abs. 2 läßt die Frage, wann ein

2340

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 450 Anm. II 2, 3; III solcher Beschluß im allgemeinen wirksam und damit das angefochtene Urteil rechtskräftig wird, offen (Dallinger JZ 1953 440). Er besagt — in Form einer gesetzlichen Fiktion — lediglich, daß, wenn ein Beschluß wirksam geworden ist, für die Strafzeitberechnung die Rechtskraft des Urteils rückwirkend als zu Beginn des Tages der Beschlußfassung eingetreten gilt. Diese Regelung ist getroffen, weil es eine unbillige Härte wäre, „den Verurteilten unter den Zufälligkeiten des bürokratischen Geschäftsbetriebs leiden zu lassen und ihn die Zeit bis zur kanzleimäßigen Erledigung und zum Eingang des Beschlusses bei der Staatsanwaltschaft zusätzlich in Haft zu behalten" (Dallinger JZ 1953 441). Dabei ist unter dem Tag der Beschlußfassung der Tag zu verstehen, der in dem Beschluß angegeben ist (OLG Frankfurt NJW 1965 1725); es kommt also nicht darauf an, daß die Verwerfung der Revision schon früher in mündlicher Beratung beschlossen wurde, wenn der Beschluß erst später, weil mit kurzer Begründung versehen, abgesetzt und unter dem Tag der Unterzeichnung zu den Akten gebracht wird, denn es ist ja gerade der Sinn des § 450 Abs. 2, Zweifel jeder Art durch eindeutige Festlegung des für den Beginn der Strafzeitberechnung maßgebenden Zeitpunkts auszuschließen. Das Gericht ist auch befugt, den schriftlich gefaßten Beschluß bei nachträglich hervorgehenden Bedenken zurückzunehmen, solange er nicht nach außen dadurch in Wirksamkeit getreten ist, daß er den internen Bereich des Gerichts verlassen hat. Das ist grundsätzlich erst mit der Vorlegung bei der Staatsanwaltschaft, ausnahmsweise mit der vorherigen Bekanntgabe an einen anderen Beteiligten auf Grund besonderer Anordnung des Vorsitzenden der Fall (OLGe. Celle NJW 1955 724; Bremen NJW 1965 435; Hamm JZ 1967 185; s. Anm. 3 zu § 33). Erst mit diesem Augenblick beginnt auch die Vollstreckbarkeit des Urteils (ebenso M ü l l e r - S a x 5c zu §33). Auffassungen, die den Zeitpunkt des Wirksamwerdens noch weiter (auf den Zeitpunkt der Anordnung des Gerichts zur Bekanntgabe oder auf den der Beschlußfassung) vorverlegen wollen, sind mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit nicht vereinbar; auch fehlt hierfür ein praktisches Bedürfnis, nachdem die wichtigste in diesem Zusammenhang auftauchende Frage, die der Strafzeitberechnung, durch § 450 Abs. 2 erledigt ist. 2. § 450 Abs. 2 gilt nicht für Beschlüsse, die ein Rechtsmittel wegen verspäteter Einlegung als unzulässig verwerfen („nach rechtzeitiger Einlegung"), also nicht für die Beschlüsse nach §§ 319 Abs. 1, 2, ferner nicht für die nach §§ 322 Abs. 1, 2; 346 Abs. 1, 2 und § 349 Abs. 1, soweit die verspätete Einlegung der Grund der Verwerfung ist (vgl. Anm. III zu § 449). Zu den Beschlüssen, die, sobald sie selbst Wirksamkeit erlangt haben, die Rechtskraft i. S. des § 450 Abs. 2 „unmittelbar herbeiführen", gehören vielmehr die Beschlüsse nach §§ 322 Abs. 2, 346 Abs. 2 und 349 Abs. 1, 2, soweit sie das Rechtsmittel aus anderen Gründen als wegen verspäteter Einlegung verwerfen; sie führen die Rechtskraft „unmittelbar" herbei, weil sie unanfechtbar sind. Dagegen fallen Verwerfungsbeschlüsse dieser Art nach § 322 Abs. 1, 346 Abs. 1 nur unter § 450 Abs. 2, wenn sie selbst durch ungenutzten Ablauf der Beschwerde- oder Antragsfrist rechtskräftig geworden sind (vgl. Anm. III zu § 449). 3. Weitergeltung des Abs. 2. Im Schrifttum ist die Auffassung vertreten worden, Abs. 2 sei durch das 1. StrRG v. 25. 6. 1969 obsolet geworden (so — ohne weitere Begründung — Wulf JZ 1970 160, 161). Dies trifft nicht zu. Nach richtiger Auffassung (s. oben Anm. I 1) wirkt die Anordnung des Tatrichters, daß die Anrechnung der U-Haft unterbleibt (§ 60 Abs. 1 Satz 2 StGB) für die Untersuchungshaft bis zur Rechtskraft des Urteils, sofern sie nicht vom Rechtsmittelgericht geändert wird oder § 450 Abs. 1 eingreift. Die Frage, wann für die Berechnung der Strafzeit die Rechtskraft als eingetreten anzusehen ist, erhebt sich demgemäß, wenn der Angeklagte, dem der Tatrichter die Anrechnung der U-Haft versagt hat, Revision einlegt, die vom Revisionsgericht gemäß § 349 Abs. 2 verworfen wird, und diese Frage wird weiterhin durch § 450 Abs. 2 geregelt (ebenso D r e h e r MDR 1970 965, 966). III. Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende, gegen die Jugendstrafrecht angewendet wird, richtet sich die Anrechnung der seit Eintritt der relativen Rechtskraft erlittenen Untersuchungshaft ohne weiteres (vgl. § 2 JGG) nach §450 StPO,'wenn auf Jugendstrafe erkannt wird (OLG München NJW 1971 2275, 2276; h. M). Die Sondervorschrift des § 52 Abs. 2, 3 JGG, die von der Neufassung des § 60 StGB unberührt geblieben 2341

§ 4 5 0 Anm. IV §451

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

ist, bezieht sich nur auf die bis zur Urteilsverkündung des Tatrichters erlittene Untersuchungshaft; die Anrechnung der nach diesem Zeitpunkt erlittenen Untersuchungshaft richtet sich, soweit nicht § 450 Abs. 1 eingreift, gemäß § 2 JGG nach § 60 n. F. StGB (BGH NJW 1972 730 = MDR 1972 432 = Rpfleger 1972 251 m. Anm. P o h l m a n n ; OLG München aaO.; LG Osnabrück Rpfleger 1971 184 m. abl. Anm. P o h l m a n n betr. Anrechnung der während des Revisionsverfahrens erlittenen U-Haft). Wird nur Jugendarrest festgesetzt, so ist § 450 nicht unmittelbar anzuwenden, da der Jugendarrest keine Freiheitsstrafe, sondern ein Zuchtmittel ist (§ 13 JGG); deshalb bedurfte es der besonderen Vorschrift des § 87 Abs. 2 JGG, die § 450 für sinngemäß anwendbar erklärt. § 450 findet auch sinngemäß Anwendung, wenn gemäß § § 7 1 Abs. 2, 72 Abs. 3 J G G die einstweilige Unterbringung in einem Erziehungsheim angeordnet war (ebenso P o h l m a n n III 1 b zu § 39). IV. Zu Abs. 3. Ist in einem nicht rechtskräftigen Urteil ein Fahrverbot nach § 38 StGB ausgesprochen, so gibt es im allgemeinen keinen Rechtsgrund mehr, um eine bis zum Urteil bestehende amtliche Verwahrung des Führerscheins vor dem Eintritt der Rechtskraft aufrechtzuerhalten. § 111 a Abs. 5 Satz 2 gestattet jedoch, die Rückgabe des Führerscheins aufzuschieben, wenn der Beschuldigte nicht widerspricht. § 450 Abs. 3 sieht vor, daß diese Zeit freiwilliger Aufrechterhaltung der Führerscheinverwahrung, die sich für den Beschuldigten praktisch wie ein Fahrverbot auswirkt, nach Rechtskraft des Urteils unverkürzt auf die Dauer des Fahrverbots ( § 3 7 Abs. 5, 6 StGB) angerechnet wird. S. auch § 463 b sowie §§ 59a, 87 Abs. 2b StVollstrO).

§451 (1) Die Strafvollstreckung erfolgt durch die Staatsanwaltschaft auf Grund einer von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erteilenden, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen, beglaubigten Abschrift der Urteilsformel. (2) Den Amtsanwälten steht die Strafvollstreckung nur insoweit zu, als die Landesjustizverwaltung sie ihnen übertragen hat. (3) Für die zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehörenden Sachen kann durch Anordnung der Landesjustizverwaltung die Strafvollstreckung den Amtsrichtern übertragen werden. Schrittum: (betr. Vollstreckbarkeitsbescheinigung) K l e i n k n e c h t Rpfleger 1952 209; S c h m i d t - M e n d e , Die Rechtskraftbescheinigung im Strafverfahren, Diss. Münster 1965. Übersicht I. Begriff der Strafvollstreckung II. Die Strafvollstreckungsbehörden 1. Grundsatz und Ausnahmen 2. Vollstreckungsbehörde nach dem J G G 3. Amtsanwälte III. Sachliche Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde IV. Der Amtsrichter als Strafvollstreckungsbehörde (zu Abs. 3) 1. Grundgesetzmäßigkeit der Regelung 2. Sachliche Zuständigkeit 3. Weisungsgebundenheit als Organ der Justizverwaltung 4. Beschwerde gegen amtsrichterliche Vollstreckungsmaßnahmen. Die Beschwerdeinstanzen 5. Abgrenzung der Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden zwischen Land (Amts)gerichtspräsident und Generalstaatsanwalt

2342

6. Keine Ablehnung wegen Befangenheit. Ausschluß des Amtsrichters von Entscheidungen nach § 458 über die von ihm als Vollstreckungsbehörde getroffenen Entscheidungen 7. Begrenzung der Vollstreckungszuständigkeit im einzelnen 8. Zuständigkeit zur Vollstreckung der Erzwingungshaft nach § 96 OWiG 9. Inanspruchnahme von Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft 10. Reformbestrebungen V. Notzuständigkeit der Vollstreckungsbehörden VI. Örtliche Zuständigkeit der Vollstrekkungsbehörde VII. Vollstreckungshilfe 1. Rechtsgrundlage 2. Verhältnis der §§ 162, 163 G V G zu Vorschriften der StVollstrO

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§451 Anm. I; II 1

a) zu §§ 9,24, 27, 33 StVollstrO.; Ländervereinbarung v. 13. 1. 1965 b) freiheitsentziehende Maßregeln der Sicherung und Besserung und Vermögensstrafen c) Sachliche Zuständigkeit der rechtshilfepflichtigen Vollstreckungsbehörde d) Vollstreckungshilfe nach dem Gesetz über innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe v. 2. 5. 1953 e) Vollstreckung durch den Generalbundesanwalt f) Jugendstrafverfahren VIII. Rechtspfleger 1. Geschichtliche Entwicklung 2. Grundlagen des geltenden Rechts 3. Einzelheiten a) Umfang der Übertragung von gerichtlichen Entscheidungen gemäß § 22 Rechtspflegergesetzes auf den Rechtspfleger des Gerichts b) Aufgabenbereich und Rechtsstellung des Vollstreckungsrechtspflegers. Unwirksamkeit der in Überschreitung seiner Zuständigkeit getroffenen Maßnahmen. Entscheidung bei Einwendungen gegen seine Maßnahmen IX. Vollstreckbarkeitsbescheinigung 1. Pflicht des Urkundsbeamten zu selbständiger Entscheidung. Gerichtliche Nachprüfung

2. Wesen der Vollstreckbarkeitsbescheinigung. Folgerungen 3. §§ 13, 14 StVollstrO 4. Erläuterungen zu §§ 13, 14 StVollstrO a) Verhältnis des § 451 Abs. 1 zu § 13 Abs. 2 StVollstrO b) Zuständigkeit zur Erteilung der Rechtskraftbescheinigung 5. Vollstreckbarkeitsbescheinigung bei anderen Entscheidungen als Urteilen a) Strafbefehl und Strafverfügung b) Gesamtstrafenbeschluß c) Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung und von Straferlaß X. Herbeiführung des Vollzugs. Strafzeitberechnung 1. Sonderformen des Vollzugs a) Junge Verurteilte ( § 1 1 4 JGG) b) Wochenendvollzug 2. Strafzeitberechnung. Rechtsgrundlagen. §§ 3 7 ff. StVollstrO 3. Einzelheiten der Strafzeitberechnung a) zu § 37 Abs. 2 StVollstrO. Verhältnis der Vorschrift zur „natürlichen Betrachtungsweise" b) Strafzeitberechnung bei Unterbrechung des Laufs der Strafzeit c) Strafzeitberechnung bei Selbstgestellung zum Strafvollzug d) Weitere Einzelheiten XI. Vollstreckbarkeitsbescheinigung bei Aktenverlust

I. Über den Begriff der Strafvollstreckung und, soweit es sich um Freiheitsentziehung (Strafe, Jugendstrafe, mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregeln der Sicherung und Besserung) handelt, über die Abgrenzung der Strafvollstreckung vom Strafvollzug s. Vorbem. II, III vor § 449. Über Einzelheiten, insbes. über die der Vollstreckungsbehörde bei der Vollstreckung von Freiheitsstrafen obliegende Strafzeitberechnung s. unten Anm. I. II. Die Strafvollstreckungsbehörden 1. Grundsatz und Ausnahmen. Der Gedanke, die Tätigkeit der Gerichte grundsätzlich auf Rechtsprechungsaufgaben zu beschränken (vgl. § 4 Abs. 1 DRiG), hat — in Verfolg des in § 36 Abs. 1 Satz 1 ausgesprochenen Grundsatzes — dazu geführt, die Vollstreckung der Staatsanwaltschaft — und zwar, wie sich aus § 451 Abs. 2 ergibt, der Staatsanwaltschaft bei den Kollegialgerichten — zu übertragen und die Gerichte im Stadium der Strafvollstreckung nur insoweit zur Mitwirkung heranzuziehen, als Zweifelsfragen auftauchen, bei denen eine Klärung durch Entscheidung des unabhängigen Gerichts wünschenswert erscheint. Jedoch ist dieser Grundsatz nach 3 Richtungen durchbrochen: a) während die Entscheidung über Strafaufschub aus persönlichen Gründen nach § 456 zunächst der Vollstreckungsbehörde zusteht und eine gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 2 erst erfolgt, wenn die Vollstreckungsbehörde ein entsprechendes Gesuch abgelehnt hat und der Verurteilte dagegen Einwendungen erhebt, kann nach § 456c schon bei Erlaß des Urteils das Gericht das Inkrafttreten eines Berufsverbots aufschieben; ebenso kann über Zahlungsfristen und Ratenzahlung bei Geldstrafen schon im Urteil entschieden (§ 28 StGB) und bei unverschuldeter Uneinbringlichkeit die NichtVollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nachträglich vom Gericht angeordnet werden (§ 29 Abs. 6 StGB); b) nach Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 23, 26 StGB) obliegt die Vollstreckung, soweit sie in der Überwachung der Lebensführung des Verurteilten besteht, dem Gericht (§§ 453 b, 454 Abs. 3); c) ganz 2343

§ 451 Anm. II 2 , 3 ; III; IV 1,2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

allgemein sieht § 451 Abs. 3 die Möglichkeit vor, den Amtsrichtern die Strafvollstreckung, also Justizverwaltungsaufgaben (genauer: Aufgaben der Rechtspflege nichtrichterlicher Art) zu übertragen. Da die Strafvollstreckung nicht zur „Gerichtsverwaltung" i. S. des § 4 Abs. 2 Nr. 1 D R i G gehört, denn es handelt sich um Verwaltungstätigkeit, die nicht die Gerichte selbst betrifft ( S c h m i d t - R ä n t s c h Anm. 18 zu § 4 DRiG), ist sie zu den „anderen Aufgaben, die auf Grund eines Gesetzes Gerichten oder Richtern zugewiesen sind" (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 DRiG) zu zählen. § 451 Abs. 3 ist damit von dem Grundsatz des § 4 Abs. 1 DRiG, daß der Richter nicht zugleich Aufgaben der rechtsprechenden und solche der vollziehenden Gewalt zugleich wahrnehmen darf, ausgenommen worden. 2. VoUstreckungsbehörde nach dem JGG (vgl. §§ 8 2 - 8 5 , 90, 91). Das J G G hat - im Zeichen der Erziehungsstrafe — dem Jugendrichter auch die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde zugewiesen und ihm in dieser Eigenschaft die Bezeichnung „Vollstreckungsleiter" beigelegt; er vollstreckt in dieser Eigenschaft auch die Entscheidungen, die gegen den Jugendlichen von einem Erwachsenengericht erlassen worden sind (OLG München M D R 1957 437). Für den Jugendarrest ist der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter auch Vollzugsleiter (§§ 85 Abs. 1, 90 Abs. 2 Satz 2 J G G ) ; bei dem Vollzug von Jugendstrafe ist zwar Vollzugsleiter der Leiter der Jugendstrafanstalt; der Vollstreckungsleiter — der Jugendrichter eines in deren Nähe gelegenen Amtsgerichts, § 85 Abs. 2, dessen Zuständigkeit sich aber nicht auf die Vollstreckung einer an die Vollstreckung der Jugendstrafe anschließenden Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt erstreckt (BGHSt. 16 78) — hat sich aber nach VI Nr. 7 der Richtlinien zu §§ 82—85 mit der Wesensart der einzelnen Jugendlichen vertraut zu machen und deren Entwicklung im Vollzug zu verfolgen; er hat mit dem Vollzugsleiter und den Beamten der Jugendstrafanstalt Fühlung zu halten und an Vollzugsangelegenheiten von größerer Bedeutung beratend teilzunehmen. 3. D a ß nach Abs. 2 den Amtsanwälten die Strafvollstreckung nur kraft besonderer Übertragung durch die Landesjustizverwaltung zusteht, wird in den Mot. (S. 231) damit begründet, daß das Personal der Amtsanwaltschaft „vielleicht nicht überall die ausreichende Gewähr für eine angemessene Strafvollstreckung geben wird". Eine Übertragung auf Amtsanwälte ist bisher nur in Bayern erfolgt (Bay JMB1. 1968 103). Sie ist im Hinblick auf § 145 Abs. 2 G V G nur in dem gleichen Umfang wie bei den Amtsrichtern nach § 451 Abs. 3 möglich. III. Welche Staatsanwaltschaft sachlich als Vollstreckungsbehörde zuständig sein soll, ist — von der negativen Vorschrift in Abs. 2 abgesehen — in der StPO nicht bestimmt, so daß insoweit die oberste Justiz Verwaltungsbehörde Bestimmung treffen kann. Das ist in § 4 StVollstrO geschehen. Danach ist Vollstreckungsbehörde 1. der Oberstaatsanwalt beim Landgericht, soweit nichts anderes bestimmt; 2. der Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht, wenn dieses im ersten Rechtszug erkannt hat und nicht ein Fall zu 3 vorliegt; 3. der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Sachen, in denen im ersten Rechtszug in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes entschieden worden ist (Art. 95 Abs. 5 G G , §§ 120, 142a GVG). Vgl. dazu Anm. 1 zu § 452. IV. Der Amtsrichter als Strafvollstreckungsbehörde (zu Abs. 3) 1. Nach § 451 Abs. 3 kann in bestimmtem Umfang den Amtsrichtern die Strafvollstrekkung, also Aufgaben der Justizverwaltung, übertragen werden. Gegen diese Vorschrift bestehen keine verfassungsmäßigen Bedenken, denn der Grundsatz der Gewaltentrennung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) erfordert keine selbständige Trennung der rechtsprechenden und der vollziehenden Gewalt, sondern läßt in gewissem Umfang Überschneidungen und Verschränkungen zu (vgl. .§ 4 Abs. 2 DRiG), die sich im herkömmlichen Rahmen halten (s. unten 3). 2. Der Amtsrichter kann nach § 451 Abs. 3 zur Vollstreckungsbehörde bestellt werden „für die zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehörenden Sachen". D a die Zuständigkeit des Amtsgerichts z. T. nicht von vornherein feststeht, sondern erst durch die Erhebung der Anklage und Eröffnung des Haupt Verfahrens vor dem Amtsgericht (§§ 24,-25 GVG) oder 2344

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 451 Anm. IV 3 , 4

durch antragsgemäßen Erlaß des Strafbefehls (§ 407) bestimmt wird, ergibt sich aus der Natur der Sache, daß die Bestellung des Amtsrichters zur Vollstreckungsbehörde nur dann in Betracht kommt, wenn der Amtsrichter oder das Schöffengericht im ersten Rechtszug erkannt haben. In diesem Sinn wollte schon § 2 Abs. 3 Entw. Strafvollzugsges. 1927 das geltende Recht klarstellen und davon geht auch der nachstehend abgedr. § 5 StVollstrO aus. Die Landesjustizverwaltungen haben aber den Übertragungsrahmen des § 451 Abs. 3 nicht ausgeschöpft, sondern in § 5 StVollstrO den Amtsrichter nur für die Sachen zur Vollstreckungsbehörde bestellt, in denen der Amtsrichter als Einzelrichter im ersten Rechtszug entschieden hat; die Vollstreckung steht mithin, wenn im ersten Rechtszug das Schöffengericht geurteilt hat, nach § 4 a StVollstrO der Staatsanwaltschaft beim Landgericht zu. „§ 5. Der Amtsrichter als

Vollstreckungsbehörde

(1) Auf Grund des § 451 Abs. 3 StPO wird dem Amtsrichter die Vollstreckung in den Sachen übertragen, in denen er im ersten Rechtszug als Einzelrichter entschieden hat. Seine Tätigkeit als Vollstreckungsbehörde ist kein Teil der Rechtsprechung; der Amtsrichter ist daher insoweit weisungsgebunden. (2) Ausgenommen von der Übertragung sind die Sachen, in denen a) der Verurteilte oder ein Mitverurteilter Soldat der Bundeswehr ist; b) der Verurteilte oder ein Mitverurteilter Mitglied einer Truppe, eines zivilen Gefolges oder Angehöriger eines Mitglieds einer Truppe oder eines zivilen Gefolges im Sinne von Art. I Abs. 1 Buchst, a, b und c des Nato-Truppenstatuts und Art. II Abs. 2 des Zusatzabkommens (BGBl. 1961 II S. 1218) ist. c) gegen den Verurteilten oder einen Mitverurteilten Freiheitsstrafen oder Ersatzfreiheitsstrafen verhängt worden sind, die einzel oder insgesamt drei Monate übersteigen; d) eine mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregel der Sicherung und Besserung angeordnet worden ist." 3. Daß der Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde nicht mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestattet, sondern, gleich den Staatsanwälten, Organ der Justizverwaltung und daher weisungsgebunden ist, ist von jeher anerkannt (vgl. RGSt. 20 102; 21 424; 63 167; BVerfGE 20 309 mit Schrifttumsnachw.). § 5 Abs. 1 Satz 2 StVollstrO gibt also nur die geltende Rechtslage wieder. Auch der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter nimmt, soweit nicht § 83 Satz 1 JGG seine Entscheidungen als richterliche kennzeichnet, Justizverwaltungsaufgaben wahr und ist weisungsgebunden; II Nr. 5 der Richtlinien zu §§ 82—85 JGG weist darauf ausdrücklich hin. Es handelt sich dabei aber um eine rein positivrechtliche Regelung; sie folgt nicht etwa mit praktischer oder gar logischer Notwendigkeit aus dem Wesen der Vollstreckung. Vielmehr ist sowohl die Frage, in welchem Umfang Gerichte im Vollstrekkungsstadium mitwirken als auch die Frage, inwieweit sie dabei richterliche Tätigkeit ausüben oder kraft Übertragung als Organ der Justizverwaltung mitwirken, vom jeweils geltenden Recht zu beantworten und ist im Lauf der Zeit verschieden beantwortet worden; so hatte, was den Jugendrichter als Vollstreckungsbehörde anlangt, das JGG 1923 ihm richterliche Unabhängigkeit zuerkannt, das RJGG 1943 sich für die entgegengesetzte Lösung entschieden, während das JGG 1953 einen Mittelweg einschlägt, indem es den in § 83 bezeichneten Entscheidungen die Eigenschaft richterlicher Entscheidungen zuerkannt. 4. Aus der Weisungsgebundenheit folgt, daß über Beschwerden gegen Maßnahmen des Amtsrichters als Vollstreckungsbehörde im Dienstaufsichtsweg entschieden wird; auch das ist nie in Zweifel gezogen worden (vgl. RGSt. 31 76; KG GA 56 343; OLG Breslau ZStW 47 Beil. S. 35, ferner die Anm. zu § 159 GVG). Eine andere Frage ist, welche Stelle zur Aufsichts- und Beschwerdeinstanz bestellt werden kann. Dabei ist wiederum außer Zweifel, daß der Landgerichtspräsident (Amtsgerichtspräsident), dem die allgemeine Dienstaufsicht zusteht (§ 14 der VO vom 20. 3. 1935 RGBl. I 403; vgl. zu § 4 EGGVG) auch über Beschwerden in Strafvollstrecküngsangelegenheiten entscheidet (§17 aaO.). Streitig ist aber, ob eine Aufsichts- und Beschwerdezuständigkeit einer staatsanwaltschaftlichen Behörde als höherer Strafvollstreckungsbehörde begründet werden kann. Diese Frage war schon in der RTKomm. (Prot. z. GVG S. 665) streitig geblieben; sie wurde früher z. T. verneint „mit Rücksicht auf den ganz allgemeinen, alle reichs(bundes)gesetzlich vorgesehenen Funktionen des Richters umfassenden Wortlaut des § 151 GVG" (so die 19. Aufl. Anm. 5, m. w. Nachw.). Indessen ist § 151 Satz 2 nur eine Folgerung aus dem in § 151 Satz 1 ausgesprochenen Verbot der Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Staatsanwälte und § 151

2345

§ 451 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. IV 5, 6 Satz 2 will lediglich besagen, daß, sowenig Staatsanwälte richterliche Geschäfte wahrnehmen dürfen, ebensowenig („auch") ihnen eine Dienstaufsicht über die Richter bei Wahrnehmung richterlicher Geschäfte übertragen werden darf. Daher steht § 151 Satz 2 einer Übertragung der Dienstaufsicht auf Staatsanwälte über Richter bei Wahrnehmung von Justizverwaltungsaufgaben, wie sie die Strafvollstreckung darstellt, nicht entgegen (ebenso Kl 5; M ü l l e r - S a x Vorbem. 2b vor §449; P o h l m a n n I 3 zu § 21 StVollstrO; wohl auch E b S c h m i d t Anm. 4), und die Justizverwaltung hat dieses Recht seit langem für sich in Anspruch genommen (vgl. § 71 StVollstrO 1935; § 21 StVollstrO 1956). Allerdings ist dabei aus „optischen Gründen" Zurückhaltung geboten, damit nicht in den Augen der Öffentlichkeit, die über die rechtlichen Feinheiten nicht im Bilde ist, falsche Schlüsse auf die Beschränkung der richterlichen Unabhängigkeit im allgemeinen gezogen werden und es würde der Bedeutung des Amtsrichters als erstinstanzlicher Vollstreckungsbehörde nicht entsprechen, wenn ihm — wie nach § 71 StVollstrO 1935 — der Oberstaatsanwalt beim Landgericht, owohl ebenfalls nur erstinstanzliche Vollstreckungsbehörde, als Aufsichtsund Beschwerdeinstanz bestimmt würde. Es ist deshalb eine angemessene Regelung, wenn § 21 StVollstrO 1956 - in Anlehnung an den Entw. eines StrafvollstrGes. 1927 - die Entscheidung „über Einwendungen gegen eine Entscheidung oder eine andere Maßnahme der Vollstreckungsbehörde, soweit nicht das Gericht dafür zuständig ist (§§458, 462, 463 a StPO)" dem Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht überträgt, sofern der Amtsrichter oder der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Vollstreckungsbehörde ist. Das Verfahren nach § 21 StVollstrO ist dabei Vorschaltverfahren i. S. des § 24 Abs. 2 EGGVG, wenn der Betroffene gegen eine Entscheidung der Vollstreckungsbehörde wegen Verletzung seiner Rechte die Entscheidung des OLG nach §§ 23 ff. EGGVG (vgl. Vorbem. IV vor § 449) anruft. 5. Der Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde hat danach zwei Aufsichts- und Beschwerdeinstanzen über sich, den Land(Amts-)gerichtspräsidenten und den Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht. Über die Abgrenzung der beiderseitigen Befugnisse gilt folgendes: die Befugnis, die ordnungswidrige Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu seiner sachgemäßen Erledigung zu ermahnen (§ 26 Abs. 2 DRiG) — also die Befugnis zu disziplinaren Maßnahmen — steht nach § 16 Abs. 2 der VO vom 20. 3. 1935 nur dem Land (Amts-)gerichtspräsidenten als dem allgemeinen Dienstvorgesetzten zu, während sich die Befugnis des Generalstaatsanwalts auf sachliche Weisungen beschränkt, die sowohl im Einzelfall ergehen wie auch allgemeiner Art sein können (z. B. über Einzelheiten der Führung des Vollstreckungsregisters, vgl. Weiss JZ 1957 520). Soweit es sich um die Bescheidung von Aufsichtsbeschwerden handelt, überschneiden sich die Befugnisse des Land(Amts-) gerichtspräsidenten aus § 17 Abs. 1 der VO vom 20. 3. 1935 mit denen des Generalstaatsanwalts aus § 21 StVollstrO. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß der Landgerichtspräsident, der ja nicht in den Aufbau der Vollstreckungsbehörden einbezogen ist, sich grundsätzlich der Entscheidung enthalten und sie dem Generalstaatsanwalt überlassen wird, wenn nur die sachliche Richtigkeit der von der Vollstreckungsbehörde getroffenen Entscheidung oder Maßnahmen in Frage steht und daß er, wenn ausdrücklich seine Entscheidung angerufen wird, zunächst dem Generalstaatsanwalt die Vorhand lassen wird. Wenn aber im Einzelfall hinsichtlich der sachlichen Weisungen die Auffassungen von Land(Amts-)gerichtspräsident und Generalstaatsanwalt auseinandergehen sollten, so gebührt nach der natürlichen Ordnung der Dinge und dem Sinn des § 21 StVollstrO der Auffassung des Generalstaatsanwalts als der höheren Vollstreckungsbehörde der Vorrang (ebenso M ü l l e r - S a x Vorbem. 2 b ; P o h l m a n n 3b zu §21); notfalls muß der Justizminister entscheiden. 6. Daraus, daß der Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde Justiz Verwaltungsorgan ist, ergibt sich, daß er nicht wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 24) abgelehnt werden kann (BayObLG JMB1. 1954 169); es gelten hier die gleichen Grundsätze wie bei der Ausschließung eines Beamten der Staatsanwaltschaft (vgl. Vorbem. 4 vor § 22). Eine besondere Verfahrenslage ergibt sich, wenn gegen eine Entscheidung des Amtsrichters als Vollstreckungsbehörde gerichtliche Entscheidung nach § 458 beantragt wird. Der Amtsrichter würde dann nach der Zuständigkeitsregel des § 462 als Gericht über seine eigenen Anordnungen als Vollstreckungsbehörde entscheiden. Das ist nicht sinnvoll. § 6 Abs. 4 Entw. Strafvollzugsges. 1927 sah für diesen Fall vor, daß an die Stelle des Amtsrichters das Landgericht als Voll2346

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§451

Anm. IV 7 streckungsgericht trete. Für das geltende Recht wurde früher überwiegend die Auffassung vertreten, daß der nach § 458 angerufene Amtsrichter nicht von der Entscheidung über seine eigene Vorabentscheidung ausgeschlossen sei (vgl. LGe. Bremen MDR 1956 184; Lübeck SchlHA 1958 235; Hof MDR 1958 941; Köln MDR 1960 245 und Anm. 4 a der Voraufl.). Ihm wurde lediglich, wenn er sich in prononcierter Weise festgelegt hatte, empfohlen, sich selbst abzulehnen (§ 30). Die neuere Rechtsentwicklung zeigt aber deutlich das Bestreben, den Richter über das bisherige Recht hinaus von einer erneuten Entscheidung fernzuhalten, wenn er wegen seiner Mitwirkung bei einer vorangegangenen Entscheidung in den Augen des Beschuldigten als befangen erscheint (vgl. § 23 Abs. 2 [Ausschluß der höheren Richter von der Mitwirkung im Wiederaufnahmeverfahren]; § 354 Abs. 2 [Ausschluß des früheren Gerichts von der erneuten Entscheidung nach Zurückverweisung durch die Revisionsinstanz]). Dieser Rechtsgedanke beansprucht auch hier Geltung. Das läßt sich erreichen durch entsprechende Anwendung des § 22 Nr. 4, weil die Tätigkeit des Amtsrichters als weisungsgebundenes Vollstreckungsorgan einer Tätigkeit als Beamter der Staatsanwaltschaft vergleichbar ist (so auch LGe. Lüneburg MDR 1959 1030; Hamburg MDR 1963 237; Kiel SchlHA 1964 72; Mönchengladbach NJW 1964 2366; L o r e n z NJW 1963 701; M ü l l e r - S a x 4 zu § 458 und P o h l m a n n I 2 zu § 5 StVollstrO). Der Amtsrichter, der dann anstelle des ausgeschlossenen Amtsrichters über die Ablehnung eines Aufschubantrags nach § 456 entscheidet, trifft eine neue selbständige Ermessensentscheidung; er ist nicht auf eine Nachprüfung beschränkt, ob eine rechtswidrige Ermessensentscheidung vorliegt (a. M. L e m b e r g DRiZ 1965 265). 7. Weitere Beschränkungen der Vollstreckungszuständigkeit des Amtsrichters. § 5 StVollstrO hat nicht nur die Übertragung der Vollstreckungszuständigkeit an den Amtsrichter auf die vom Einzelrichter abgeurteilten Sachen beschränkt, sondern Abs. 2 bringt innerhalb dieses Rahmens eine weitere Einengung, die hauptsächlich auf dem Bestreben beruht, den Amtsrichter nach Möglichkeit von weisungsgebundener Tätigkeit freizuhalten ( P o h l m a n n Anm. II zu § 5). Die Vollstreckungszuständigkeit des Amtsrichters entfallt u. a., wenn gegen einen Verurteilten eine oder mehrere Freiheitsstrafen oder eine oder mehrere Ersatzfreiheitsstrafen verhängt sind und die Summe der Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafen 3 Monate übersteigt. Nicht der Amtsrichter, sondern die landgerichtliche Staatsanwaltschaft ist also schon dann zuständig, wenn auf Geldstrafe erkannt ist und die dafür festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe drei Monate übersteigt, auch wenn es sich nur um die Vollstreckung der Geldstrafe handelt und die Frage einer Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe noch gar nicht praktisch ist. Ebenso entfällt die Zuständigkeit des Amtsrichters, wenn eine mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregel der Sicherung und Besserung (Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheil- oder Entziehungsanstalt §§ 42 b Abs. 2, c StGB) angeordnet worden ist. Aber auch dann ist nicht der Amtsrichter, sondern die Staatsanwaltschaft beim Landgericht zuständig, wenn von mehreren, wenn auch nicht in demselben Urteil, so doch in dem gleichen Verfahren Mitverurteilten auch nur einer zu Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafen in der bezeichneten Höhe verurteilt worden ist. Der Grund dafür liegt darin, daß in einem solchen Fall aus praktischen Gründen die Vollstreckung nicht von verschiedenen Behörden betrieben und daß gewährleistet werden soll, daß die Frage eines Gnadenerweises für die Mitverurteilten nach einheitlichen Gesichtspunkten beurteilt wird, wenn nach den Vorschriften der Gnadenordnungen (vgl. die Vorbem. vor § 12 GVG) die Vollstreckungsbehörde in der Gnadenfrage zu entscheiden oder zu ihr Stellung zu nehmen hat. Die Verhängung einer 3 Monate übersteigenden Strafe gegen einen Mitverurteilten nimmt dem Amtsrichter auch schon dann die Vollstreckungszuständigkeit gegenüber den übrigen, zu Strafen von nicht mehr als 3 Monaten Verurteilten, wenn die erstere Strafe nur ausgesprochen, aber noch nicht rechtskräftig ist. § 5 Abs. 2 ist unanwendbar, wenn der Amtsrichter als Erwachsenengericht gemäß § 103 JGG gegen einen Erwachsenen eine Ersatzfreiheitsstrafe von nicht mehr als 3 Monate und gegen den Jugendlichen Jugendstrafe (Mindestmaß 6 Monate, § 18 JGG) verhängt; dann ist für die Vollstreckung der Jugendstrafe der Jugendrichter zuständig (§ 84 Abs. 2 JGG), diese Strafe also aus dem Urteil des Amtsrichters ausgeschieden, und es entfällt der dem § 5 Abs. 2 zugrunde liegende Gesichtspunkt, daß die Vollstreckung gegen Mitverurteilte in der Hand einer Vollstreckungsbehörde liegen soll. Wegen der Einzelheiten sei auf die Erläuterung von P o h l m a n n zu § 5 StVollstrO verwiesen.

2347

§ 451 Anm. IV 8 - 1 0 ; V; VI

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

8. Wegen der Zuständigkeit zur Vollstreckung der nach § 96 OWiG festgesetzten Erzwingungshaft vgl. Vorbem. VII vor § 449. 9. Auch der Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde kann sich der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) bedienen (vgl. RGSt. 21 424). 10. Reformbestrebungen. Art. 19 Nr. 110 des RegEntw. eines EG StGB (BT-Drucks. Nr. VI/3250 v. 4. 4. 1972) sieht vor, die Übertragung der Strafvollstreckung auf den Amtsrichter zu beseitigen, weil das Bedürfnis dafür durch die allgemein verbesserten Verkehrsverhältnisse, die Einrichtung großer Vollzugsanstalten und die damit verbundene Schließung kleiner Gerichtsgefangnisse, sowie die vorgesehene Vollstreckung der Geldstrafen durch die Gerichtskassen erheblich verringert und es auch richtiger sei, den Richter nach Möglichkeit von nichtrichterlichen Aufgaben freizustellen (Begr. S. 295). V. Notzuständigkeit. Eine Durchbrechung der in §§4, 5 bestimmten sachlichen Vollstreckungszuständigkeit läßt bei der Dringlichkeit von Vollstreckungsmaßnahmen § 6 StVollstrO zu: „Ist die sachlich zuständige Vollstreckungsbehörde nicht alsbald erreichbar, so kann an Stelle des Generalstaatsanwalts beim Oberlandesgericht oder des Amtsrichters der Oberstaatsanwalt beim Landgericht und an Stelle des Oberstaatsanwalts beim Landgericht der Amtsrichter, sofern das Amtsgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, dringliche Vollstreckungsmaßnahmen treffen." Hier ist also der Rahmen des § 451 Abs. 3 voll ausgeschöpft, indem bei Dringlichkeit von Vollstreckungsmaßnahmen — d. h. wenn der Strafzweck durch eine Verzögerung der Vollstreckung gefährdet würde — nicht nur die Einschränkung in § 5 Abs. 2 StVollstrO entfällt, sondern der Amtsrichter auch in allen Fällen vollstreckungszuständig ist, in denen das Schöffengericht im 1. Rechtszug erkannt hat. Dem Amtsrichter eine noch weitergehende Notzuständigkeit beizulegen war durch § 451 Abs. 3 unmöglich gemacht; doch würden, da es sich um die Wahrnehmung von Justizverwaltungsaufgaben handelt, bei denen eine Überschreitung der sachlichen Zuständigkeit nicht ohne weiteres die Folgen hat wie die Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften bei der rechtsprechenden Tätigkeit, Vollstreckungsmaßnahmen des Amtsrichters über den Bereich des § 6 StVollstrO hinaus nicht ohne weiteres unwirksam sein, vielmehr bei Bestand bleiben, wenn die sachlich zuständige Vollstreckungsbehörde sie sich zu eigen macht und im übrigen ihre Wirksamkeit behalten, bis sie vom Amtsrichter selbst oder der zuständigen Vollstreckungsbehörde aufgehoben werden ( P o h l m a n n I 2 zu § 6). Im übrigen enthält § 6 StVollstrO keine abschließende Regelung, sondern behandelt nur die praktisch wichtigsten Fälle ( P o h l m a n n II zu § 6); so kann z. B. nach dem Grundsatz des § 143 Abs. 2 GVG der Generalstaatsanwalt innerhalb seines Bezirks bei Dringlichkeit die Vollstreckungsaufgaben des Generalbundesanwalts, des Oberstaatsanwalts und des Amtsrichters, der Oberstaatsanwalt (innerhalb seines Bezirks) solche des Generalbundesanwalts wahrnehmen, während dem Generalbundesanwalt eine Notzuständigkeit für Aufgaben der Landesvollstrekkungsbehörden nicht zukommt, da er insoweit nicht „innerhalb seines Bezirkes" i. S. des § 143 Abs. 2 GVG handeln kann. VI. Örtliche Zuständigkeit. Hierüber besagt § 7 StVollstrO: „ ( l ) D i e örtliche Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde bestimmt sich nach dem Gericht des 1. Rechtszuges (vgl. § 143 Abs. 1 GVG). (2) Hat das Revisionsgericht in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 354 a StPO eine Sache unter Aufhebung des Urteils zur Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Gericht zurückverwiesen, so bestimmt sich die Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde nach dem Gericht, das zuerst mit der Sache befaßt war. Dies gilt nicht, wenn das Gericht des vorangehenden Rechtszuges sich mit Unrecht für zuständig erachtet hatte (§ 355 StPO). (3) Ist die örtlich zuständige Vollstreckungsbehörde nicht alsbald erreichbar, so kann dringliche Vollstreckungsmaßnahmen auch eine örtlich unzuständige Vollstreckungsbehörde treffen (vgl. § 143 Abs. 2 GVG)." § 143 GVG regelt die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft für alle Aufgaben, die ihr die StPO zuweist, also auch für die Strafvollstreckung. Diese Vorschrift muß sinngemäß gelten, wenn dem Amtsrichter Aufgaben der Staatsanwaltschaft übertragen werden; das besagt § 7 Abs. 1 StVollstrO. In gleicher Weise erweitert § 7 Abs. 3 den Grundsatz des 2348

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 451

Anm. VII 1,2 § 143 Abs. 2 GVG auf den Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde. Unanwendbar ist dagegen § 143 Abs. 3 GVG, der nur den Streit über die örtliche Zuständigkeit bei der Verfolgung betrifft und dem Generalbundesanwalt die Entscheidung zuweist, wenn ein gemeinsamer Vorgesetzter der sich streitenden Staatsanwaltschaften verschiedener Länder nicht vorhanden ist; ein entsprechender Streit um die Vollstreckungszuständigkeit kann nur dadurch beigelegt werden, daß die betreffenden Landesjustizverwaltungen sich untereinander einigen. Die Notzuständigkeit aus § 7 Abs. 3 StVollstrO, § 143 Abs. 2 GVG kann (innerhalb der sachlichen Zuständigkeit — §§ 4—6 StVollstrO — und innerhalb des Bezirkes der eingreifenden Vollstreckungsbehörde, § 143 Abs. 2 GVG) auch zugunsten der örtlich zuständigen Vollstreckungsbehörde eines anderen Landes ausgeübt werden, ohne daß es eines Ersuchens um Vollstreckungshilfe (s. sogleich zu VII) bedarf. Wegen der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der Strafvollstreckungsbehörde bei der Vollstreckung aus Urteilen deutscher Gerichte, an deren Sitz deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird, vgl. § 1 7 Abs. 2 des Zuständigkeitsergänzungsges. vom 7. 8. 1952 (BGBl. I 407). Die Regelung des Abs. 2 entspricht den in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen (vgl. OLGe. Celle NdsRpfl. 1955 39; 1958 219; Hamm Rpfleger 1956 339; München MDR 1957 53). VII. Vollstreckungshilfe 1. Rechtsgrundlage ist § 9 StVollstrO. „(1) Soll eine Vollstreckungsmaßnahme außerhalb des Landes, in dem die Vollstreckungsbehörde ihren Sitz hat, durch eine Landesbehörde durchgeführt werden, so ist die hierfür örtlich zuständige Staatsanwaltschaft des anderen Landes um Vollstreckungshilfe zu ersuchen. Die Zuständigkeit bestimmt sich bei Ersuchen um Vollstreckung von Freiheitsstrafen nach den §§ 162, 163 GVG; in den übrigen Fällen sind diese Bestimmungen sinngemäß anzuwenden. Unberührt bleiben § 48 (Einforderung und Beitreibung von Geldstrafen) und § 57 (Vollstreckung von Nebenfolgen einer Straftat, die zu einer Geldzahlung verpflichten). (2) Der Generalbundesanwalt kann in den Fällen, in denen er Vollstreckungsbehörde ist, unmittelbar vollstrecken." 2. In Ergänzung der Anm. zu den §§ 162, 163 GVG auf die verwiesen wird, ist hierzu folgendes zu bemerken: a) § 9 Abs. 1, der durch die Ländervereinbarung zur Vereinfachung und Beschleunigung der Strafvollstreckung v. 13. 1. 1965 (s. unten) erheblich an praktischer Bedeutung verloren hat, befaßt sich nur mit dem Fall, daß Vollstreckungsmaßnahmen außerhalb des Landes, in dem die Vollstreckungsbehörde ihren Sitz hat, durchgeführt werden sollen, und es hierzu der Mitwirkung einer anderen Vollstreckungsbehörde bedarf. Nach §§ 162, 163 GVG hat, wenn es sich um die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe handelt und der Verurteilte sich außerhalb des Bezirks der Vollstreckungsbehörde aufhält — gleichviel ob in dem Land, dem die Vollstreckungsbehörde angehört oder in einem anderen Land — die Vollstreckungsbehörde die Wahl, ob der Vollzug in der für den Bezirk des Aufenthaltsorts oder in der für den Bezirk der Vollstreckungsbehörde nach dem Vollstreckungsplan zuständigen Vollzugsanstalt durchgeführt werden soll. Im ersteren Fall ersucht sie nach § 162 GVG die landgerichtliche Staatsanwaltschaft des Bezirks, in dem sich der Verurteilte bei Einleitung der Vollstreckung befindet, um die Vollstreckung der Strafe, im letzteren Fall ersucht sie diese nach § 163 GVG um Ergreifung und Überführung des Verurteilten in die für den Bezirk der Vpllstreckungsbehörde zuständige Vollzugsanstalt. In diesen Rechtszustand greift die StVollstrO ein. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 richtet sich, wenn sich ein Verurteilter bei Einleitung der Strafvollstreckung auf freiem Fuß befindet, die örtliche Zuständigkeit der Vollzugsanstalt nach dem Gerichtsbezirk, in dem der Verurteilte wohnt oder sich aufhält. Damit ist die aus §§ 162, 163 GVG sich ergebende Möglichkeit der Wahl zwischen einer Vollstreckung in der für den Bezirk des Aufenthaltsorts oder in der für den Bezirk der Vollstrekkungsbehörde zuständigen Vollzugsanstalt beseitigt; das ist unbedenklich zulässig, denn die höhere Vollstreckungsbehörde (die Landesjustizverwaltung) kann die Strafvollstreckungsbehörde allgemein anweisen, die Wahlmöglichkeit in einem bestimmten Sinn auszuüben (ebenso P o h l m a n n Rpfleger 1958 215). Im übrigen geht § 24 Abs. 1 StVollstrO auch insofern über § 162 GVG hinaus, als letzterer nur auf den Aufenthaltsort abstellt, während nach § 24 Abs. 1 der Aufenthaltsort gleichrangig neben dem Wohnort steht; die Vollstrek2349

§ 451 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. V I I 2 kungsbehörde kann sich also mit dem Ersuchen um Vollstreckungshilfe je nach Zweckmäßigkeit an die Staatsanwaltschaft des Aufenthalts- oder des Wohnorts wenden. Jedoch ist nach Abs. 2 der Wohnort maßgebend, wenn durch den Vollzug in der Nähe der Heimat die Sorge für die Zeit nach der Entlassung und die Wiedereingliederung wesentlich erleichtert werden. Auch diese Abweichung von § 162 GVG begegnet keinen Bedenken; sie entspricht dem Zweck des § 162, nicht nur überflüssige Transporte zu vermeiden, sondern auch dem Verurteilten zu ersparen, daß er die Strafe weitab von dem bisherigen Bereich seiner Lebensbeziehungen verbüßen muß (vgl. die Anm. zu § 162 GVG). Ist ein Verurteilter bei Einleitung der Vollstreckung behördlich verwahrt (z. B. in Untersuchungshaft oder in anderer Sache in Strafhaft), so ist nach § 24 Abs. 1 Satz 2 für die örtliche Zuständigkeit der Vollzugsanstalt der Verwahrungsort maßgebend, wenn es sich um eine Strafe mit einer Vollzugsdauer bis zu 6 Monaten handelt; andernfalls richtet sich die Zuständigkeit nach dem Gerichtsbezirk des Wohnorts oder des letzten Aufenthaltsorts mit dem vorerwähnten Vorrang des Wohnorts bei wesentlicher Erleichterung der Resozialisierung. Befindet sich der Verurteilte auf freiem Fuß und liegt die nach § 24 Abs. 1 örtlich zuständige Vollzugsanstalt innerhalb des Landes, dem die Vollstreckungsbehörde angehört, so lädt ihn nach § 27 Abs. 1 StVollstrO die Vollstreckungsbehörde unmittelbar zum Strafantritt in diese Vollzugsanstalt; es bedarf also der in §§ 162, 163 GVG vorgesehenen Inanspruchnahme der Vollstreckungshilfe der Staatsanwaltschaft des Aufenthalts oder Wohnorts nicht, wenn dieser Ort zwar außerhalb des Bezirks der Strafvollstreckungsbehörde, aber im eignen Land liegt. Darüber, daß ein solcher Verzicht auf Vollstreckungshilfe trotz des „ist" in § 163 GVG zulässig ist, vgl. die Anm. zu dieser Vorschrift. Nach § 27 Abs. 1 wird auch verfahren, wenn der Verurteilte sich zwar außerhalb des Landes aufhält, sein Wohnort aber im Land der Vollstreckungsbehörde liegt und diese ihn gemäß § 24 Abs. 1 in die für den Wohnort örtlich zuständige Vollzugsanstalt lädt. Befindet sich der Aufenthalts- oder Wohnort dagegen außerhalb des eigenen Landes, und soll die Strafe in einer Vollzugsanstalt des anderen Landes vollzogen werden, so würde nach § 9 Abs. 1 die Vollstreckung nur durch Ersuchen um Vollstreckungshilfe betrieben werden können. Hier greift aber die Ländervereinbarung zur Vereinfachung und Beschleunigung der Strafvollstreckung v. 13. 1. 1965 (abgedr. bei P o h l m a n n S. 542) ein. Danach sind die Strafvollstreckungsbehörden befugt, Verurteilte, die sich innerhalb eines anderen Landes auf freiem Fuß befinden, unmittelbar (also ohne die Amtshilfe einer anderen Vollstreckungsbehörde in Anspruch zu nehmen) zum Strafantritt in die nach dem Vollstreckungsplan des anderen Landes zuständige Vollzugsanstalt zu laden und durch ein Aufnahmeersuchen in diese einzuweisen. Stellt sich der Verurteilte auf die unmittelbare Ladung nicht und muß ein Haft- oder Vorführungsbefehl (§ 457) erlassen werden, so würde nach § 33 Abs. 5 StVollstrO die Vollstreckungsbehörde die Polizeidienststellen eines anderen Landes nicht unmittelbar um dessen Ausführung ersuchen können, sondern die Vollstreckungshilfe der Staatsanwaltschaft des Aufenthaltsorts in dem anderen Land in Anspruch nehmen müssen. Die Ländervereinbarung v. 13. 1. 1965 ermächtigt aber alle Strafvollstreckungsbehörden im Bundesgebiet, die Polizeidienststellen eines anderen Landes unmittelbar um die Ausführung von Vorführungs- und Haftbefehlen zwecks Strafvollstreckung zu ersuchen. Die abweichenden Vorschriften der §§ 9, 33 Abs. 5 StVollstrO finden danach erst wieder Anwendung, wenn ein Land, wie dies IV Abs. 2 der Vereinbarung v. 13. 1. 1965 vorsieht, diese kündigt; eine solche Kündigung berührt aber nicht die Weitergeltung der Vereinbarung zwischen den anderen Ländern, die an ihr festhalten. Die Vereinbarung gilt nicht für die Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Sicherung und Besserung. Ist der Vollzug unterbrochen worden, so wird er nach § 24 Abs. 4 StVollstrO in derselben Vollzugsanstalt fortgesetzt (vgl. dazu eingehend P o h l m a n n Rpfleger 1963 1). Urteile gegen Soldaten der Bundeswehr kann die Vollstreckungsbehörde im Rahmen des Art. 5 EGWStG (vgl. Vorbem. X vor § 449) ohne Rücksicht auf Landesgrenzen unmittelbar in einer Anstalt der Bundeswehr vollziehen lassen (vgl. § 9 Abs. 1 StVollstrO: „ . . . durch eine Landesbehörde durchgeführt werden..."; P o h l m a n n Anm. I 4 zu § 9). b) Die §§ 162, 163 GVG betreffen nur die Vollstreckungshilfe bei der Vollstreckung von Freiheitsstrafen (vgl. dazu die Anm. zu § 162). § 9 gilt dagegen sinngemäß auch für die Vollstreckung der mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besse2350

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 45 1 Anm. VIII

rung. Unanwendbar ist § 9 bei der Vollstreckung von Geldforderungen und Nebenfolgen einer Tat, die zu einer Geldzahlung verpflichten (vgl. die Anm. zu § 163 GVG) und ebenso bei der Einziehung, Unbrauchbarmachung oder Vernichtung, soweit diese einer Vollstrekkung durch Wegnahme des Gegenstandes aus dem Besitz des Verurteilten bedarf, da hier die Vollstreckung durch unmittelbare Beauftragung des Gerichtsvollziehers erfolgt (§ 160 GVG, § 463 StPO, § 61 StVollstrO). c) Das Vollstreckungshilfeersuchen ist stets an die Staatsanwaltschaft beim Landgericht zu richten (vgl. die Anm. zu § 163 GVG). d) Wegen der Vollstreckungshilfe gegenüber den Vollstreckungsbehörden der DDR vgl. das Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. 5. 1953 (BGBl. I 161). e) Der Generalbundesanwalt als Vollstreckungsbehörde ( § 4 c StVollstrO) kann nach § 9 Abs. 2 die in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes getroffenen Entscheidungen unmittelbar vollstrecken. Die §§ 162, 163 GVG gelten für ihn nicht, da sein Bezirk als Strafvollstreckungsbehörde das ganze Bundesgebiet umfaßt. Solange der Bund aber keine eignen Vollzugsanstalten hat, stehen dem Generalbundesanwalt die Vollzugsanstalten der Länder zur Verfügung, und zwar weist er einen Verurteilten in die zuständige Vollzugsanstalt des Landes ein, in dem dieser zuletzt gewohnt oder sich aufgehalten hat (§ 24 Abs. 5 StVollstrO). In diese Anstalt kann der Generalbundesanwalt den auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten unmittelbar zum Strafantritt laden; um die Vollziehung eines Haft- oder Vorführungsbefehls kann er die Polizeibehörden unmittelbar ersuchen. Der Generalbundesanwalt kann sich aber auch der Vollstreckungshilfe der Staatsanwaltschaft eines Landes bedienen. Dies ergibt sich aus dem den Art. 35 GG ergänzenden § 9 Abs. 2 StVollstrO, der eine dahingehende Vereinbarung der Bundesjustizverwaltung mit den Landesjustizverwaltungen darstellt ( P o h l m a n n Anm. III zu § 9). Wegen der abweichenden Behandlung der Vollstrekkung im Falle einer besonderen Vereinbarung mit einer Landesjustizverwaltung vgl. P o h l m a n n V zu § 24 StVollstrO. f) Bei Jugendstrafe kann, wie aus § 85 Abs. 2 JGG zu folgern ist, der Vollstreckungsleiter den Verurteilten unmittelbar in die zuständige Jugendstrafanstalt eines anderen Landes einweisen (vgl. dazu ausführlich P o h l m a n n I l c z u § 9 StVollstrO). VIII. Rechtspfleger. 1. Geschichtliche Entwicklung. Wenn § 4 5 1 Abs. 1 die Vollstrekkung der Staatsanwaltschaft zuweist, so würde sich aus § 142 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GVG ergeben, daß Strafvollstreckungsaufgaben nur von Staatsanwälten wahrgenommen werden können; ebenso bedeutet die Bestellung der Amtsrichter zur Strafvollstreckungsbehörde an sich, daß — unbeschadet der Möglichkeit, sich zur Anfertigung von Entwürfen usw. unselbständiger Hilfskräfte zu bedienen — nur der Amtsrichter selbst die im Zuge der Vollstreckung erforderlichen Anordnungen und Entscheidungen treffen kann. Hier griff zunächst Art. VI § 1 Nr. III des Ges. vom 11.3. 1921 ändernd ein, indem er zur Entlastung des Staatsanwalts und des Amtsrichters die Landesjustizverwaltungen ermächtigte, zu bestimmen, daß an Stelle des Staatsanwalts Amtsanwälte oder andere Beamte bei der Staatsanwaltschaft, die nicht Staatsanwälte sind, an Stelle des Amtsrichters Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (mit gewissen Ausnahmen) selbständig die Befugnisse der Vollstreckungsbehörde wahrnehmen. Von der Übertragungsmöglichkeit machten in der Folgezeit die Landesjustizverwaltungen mehr oder weniger weitgehend Gebrauch. Eine reichseinheitliche Regelung brachte § 6 der StVollstrO 1935 (neugefaßt durch AV d. RJM vom 13. 9. 1944, DJ 241), indem er den Kreis der übertragbaren Geschäfte festlegte und die Stellen bezeichnete, die die Übertragung und ihren Umfang anordneten. Für die Beamten, denen die selbständige Wahrnehmung von Aufgaben auf Grund des Entlastungsges. vom 11. 3. 1921 übertragen war, bildete sich, soweit sie in Wahrnehmung dieser Befugnisse handelten, die Funktionsbezeichnung „Rechtspfleger" heraus. Das Rechtspflegerges. vom 8.2. 1957 (BGBl. I 18) regelte nur die Wahrnehmung richterlicher Aufgaben durch Rechtspfleger, befaßte sich aber nicht mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Vollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft und Amtsrichter) durch Rechtspfleger. Insoweit bildeten dir Vorschriften in Art. VI § 1 Nr. III und § 3 Abs. 1 des Entlastungsges. v. 11.3. 1921, die im Rechtspflegerges. 1957 (§ 35

2351

§ 451 Anm. VIII 1,2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Abs. 1 Nr. 1) aufrechterhalten wurden, weiterhin die gesetzliche Grundlage für die Ubertragung von Geschäften der Strafvollstreckung zur selbständigen Wahrnehmung auf Rechtspfleger. Einen weiteren Schritt der Entwicklung vollzog § 10 StVollstrO 1956, indem — abweichend von § 6 StVollstrO 1935 — die Übertragung nicht mehr von einer besonderen Anordnung in den einzelnen Oberlandesgerichtsbezirken abhängig war, vielmehr die Justizverwaltungen in § 10 aaO. die Übertragung unmittelbar aussprachen. Soweit es sich um die Vollstreckung auf Grund des J G G handelt, waren die Rechtspfleger zunächst von Geschäften der Vollstreckung ausgeschlossen. Dagegen bestimmte II 6 der „Richtlinien" zu §§ 82—85 JGG in der seit dem 1. 1. 1963 geltenden Fassung: „Dem Rechtspfleger werden die Geschäfte der Vollstreckung übertragen, durch die eine richterliche Vollstreckungsanordnung oder eine die Leitung der Vollstreckung nicht betreffende allgemeine Verwaltungsvorschrift ausgeführt wird. Das Nähere wird durch die Anordnung der Landesjustizverwaltung bestimmt." Diese Anordnung wurde in bundeseinheitlichem Wortlaut von den Landesjustizverwaltungen mit Wirkung v. 1. 1. 1963 gesondert erlassen. 2. Geltendes Recht. Den Abschluß der Entwicklung bildet das Rechtspflegergesetz v. 5. 11. 1969 (BGBl. I 2065). Dessen § 22 regelt, welche gerichtlichen Entscheidungen bei der Strafvollstreckung Rechtspflegern übertragen sind. § 31 Abs. 1 überträgt grundsätzlich in Straf- und Bußgeldsachen die dem Staatsanwalt als Vollstreckungsbehörde obliegenden Geschäfte und die dem Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde obliegenden nichtrichterlichen Geschäfte dem Rechtspfleger, soweit nicht durch RechtsVO des BJM einzelne Geschäfte von der Übertragung ausgenommen oder ihre Vorlage an den Staatsanwalt (Amtsrichter) angeordnet ist. Die in Ausführung dieser Vorschrift vom BJM erlassene „VO über die Begrenzung der Geschäfte des Rechtspflegers bei der Vollstreckung in Straf- und Bußgeldsachen" v. 26. 6. 1970 (BGBl. I 992) bestimmt:

,,§ 1 Ausnahmen von der Übertragung. (1)Von den Geschäften, die dem Rechtspfleger bei der Vollstreckung in Strafsachen nach § 31 Abs. 1 Satz 1, 2 des Rechtspflegergesetzes übertragen sind, werden ausgenommen: 1. die Entscheidungen nach den §§ 455, 456a, 456b, 456c Abs. 2 bis 4 und § 461 Abs. 1 StPO sowie die Anträge und Stellungnahmen in dei) in §§ 458 bis 460, 461 Abs. 2 StPO genannten Fällen, 2. die Entscheidungen nach § 456 StPO, soweit sie sich auf die Vollstreckung von Freiheitsstrafe beziehen, 3. die nach § 114 J G G erforderlichen Entscheidungen, 4. die Entscheidung über die Anwendbarkeit eines Straffreiheitsgesetzes, 5. die Entscheidungen über die Vollstreckung kurzer Freiheitsstrafen über das Wochenende, 6. die Entscheidungen über die Reihenfolge der Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen oder mehrerer mit Freiheitsentziehung verbundener Maßregeln der Sicherung und Besserung, soweit der Rechtspfleger von der Reihenfolge, die in allgemeinen Richtlinien für den Regelfall vorgesehen ist, abweichen will, 7. die Entscheidungen über die Reihenfolge der Vollstreckung von Freiheitsstrafen und mit Freiheitsentziehung verbundener Maßregeln der Sicherung und Besserung, wenn auf sie in verschiedenen Verfahren erkannt ist, 8. die Entscheidungen darüber, ob bei der Vollstreckung gegen Soldaten eine Behörde der Bundeswehr nach Art. 5 Abs. 2 EGWStG v. 30.5. 1957 (BGBl. I 306) um Vollziehung ersucht werden soll. (2) Von den Geschäften, die dem Rechtspfleger bei der Vollstreckung in Bußgeldsachen nach § 31 Abs. 1 Satz 1, 2 des Rechtspflegergesetzes übertragen sind, werden ausgenommen: 1. die Entscheidung nach § 93 Abs. 5 OWiG, 2. die Anträge auf gerichtliche Entscheidung in den in § 104 OWiG genannten Fällen sowie die Stellungnahmen in solchen Verfahren. Im übrigen gilt Abs. 1 Nr. 4 entsprechend. 2352

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§451 Anm. VIII 3

§ 2 Vorlagesachen. (1) Der Rechtspfleger legt die ihm bei der Vollstreckung in Strafsachen übertragenen Sachen dem Staatsanwalt oder Amtsrichter vor, wenn 1. er von einer ihm bekannten Stellungnahme des Staatsanwalts oder Amtsrichters abweichen will, 2. sich bei der Bearbeitung der Sache rechtliche Schwierigkeiten oder Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung ergeben, 3. Zweifel darüber bestehen, ob besondere Vollzugsformen (z. B. Erstvollzug oder Regelvollzug) angewandt oder nicht angewandt werden sollen, 4. ein Urteil vollstreckt werden soll, das von einem Mitangeklagten mit der Revision angefochten ist, 5. zwischen dem übertragenen Geschäft und einem vom Staatsanwalt oder Amtsrichter wahrzunehmenden Geschäft ein so enger Zusammenhang besteht, daß eine getrennte Bearbeitung nicht sachdienlich ist; 6. eine Ordnungs- oder Erzwingungsstrafe von der Staatsanwaltschaft zu vollstrecken ist. (2) Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Staatsanwalt (Amtsrichter), solange er es für erforderlich hält. Er kann die Sachen dem Rechtspfleger zurückgeben. An eine dabei mitgeteilte Rechtsauffassung oder erteilte Weisung ist der Rechtspfleger gebunden. (3) Bei der Vollstreckung in Bußgeldsachen gelten Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 bis 6, sowie Abs. 2 entsprechend." 3. Ergänzend ist zu bemerken: a) Die in § 22 Rechtspflegerges. dem Rechtspfleger des Gerichts übertragene Entscheidung über Maßnahmen gemäß § 28 StGB bezieht sich nur auf die Geldstrafe, nicht auch auf die Kosten des Verfahrens (LGe. Hagen NJW 1956 154; Hannover Rpfleger 1972 29 m. Anm. R e i ß ; vgl. dazu Anm. 4 a vor § 464 wegen der Verbindung der Beitreibung von Geldstrafe und Verfahrens kosten); bewilligt der Rechtspfleger des Gerichts in Überschreitung seiner Zuständigkeit und unter Eingriff in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft auch Vergünstigungen für die Kosten, so umfassen die durch § 31 Abs. 1 Rechtspflegerges. dem Vollstreckungsrechtspfleger der Staatsanwaltschaft übertragenen Geschäfte auch die Befugnis, gemäß § 11 Rechtspflegerges., § 462 StPO dagegen Erinnerung einzulegen, die als sofortige Beschwerde zu behandeln ist, wenn ihr der Erinnerungsrichter nicht abhilft (LG Hannover aaO.). b) Die in § 31 Rechtspflegerges. ausgesprochene Übertragung auf den Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft (des Amtsgerichts, wenn der Amtsrichter Vollstreckungsbehörde ist) bedeutet, daß die Strafvollstreckung (mit Ausnahme der in der VO v. 26. 6. 1970 bezeichneten Geschäfte) ohne weiteres von dem Rechtspfleger zu besorgen ist. Da der Staatsanwalt und der Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde weisungsgebunden sind, kann für den Rechtspfleger nichts anderes gelten; er unterliegt den Weisungen der Aufsichtsbehörde (oben Anm. IV 3 a); der Staatsanwalt oder Amtsrichter, an dessen Stelle er tätig wird, kann ihm Weisungen nach Maßgabe des § 31 Abs. 5 Rechtspflegerges. und des § 2 der VO v. 26. 6. 1970 erteilen. Werden gegen Maßnahmen und Entscheidungen des Rechtspflegers Einwendungen erhoben, so unterliegen sie, soweit der Rechtspfleger nicht selbst abhilft, der Aufhebung oder Abänderung durch den Staatsanwalt oder Amtsrichter ( § 3 1 Abs. 5). Nimmt der Staatsanwalt (Amtsrichter) selbst ein übertragenes Geschäft wahr, so ist dieses wirksam. Dagegen ist eine von der Übertragung ausgenommene Maßnahme des Rechtspflegers unwirksam (so auch P o h l m a n n I 2 a zu § 10 StVollstrO) und muß auf Einwendung oder von Amts wegen aufgehoben werden, was naturgemäß nicht ausschließt, daß der Staatsanwalt (Amtsrichter) eine inhaltlich gleiche Maßnahme anstelle der aufgehobenen trifft. Die Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung finden — anders als beim Rechtspfleger des Gerichts nach § 10 Rechtspflegerges. — auf den Rechtspfleger bei Wahrnehmung von Strafvollstreckungsgeschäften so wenig Anwendung wie auf den Staatsanwalt oder Amtsrichter (vgl. oben Anm. IV 6). Wegen der persönlichen Voraussetzungen für die Bestellung zum Rechtspfleger (Ausbildung, Ablegung von Prüfungen) s. § 2 Rechtspflegerges. Die Heranziehung des Rechtspflegers zu vorbereitender Tätigkeit bei den von

2353

§ 451 Anm. IX 1, 2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

der Übertragung ausgenommenen Geschäften (Anfertigung des Entwurfs der Verfügung usw. ist nicht ausgeschlossen (vgl. auch § 25 Rechtspflegerges.); ebenso ist es zulässig, daß der Rechtspfleger beim Amtsgericht gleichzeitig die Aufgaben des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wahrnimmt (§ 27 des Rechtspflegerges.). — Zur Mitwirkung im Gnadenverfahren ist der Rechtspfleger nicht berufen, da es sich hierbei nicht um Geschäfte der Strafvollstreckung handelt und die StVollstrO auf diesen Bereich keine Anwendung findet. Die Nebengeschäfte der Strafvollstreckung (VIII vor § 449) gehören nicht zu den dem Rechtspfleger durch § 31 Rechtspflegerges. übertragenen Geschäften der Strafvollstreckung ( P o h l m a n n II 1 zu § 10 StVollstrO). IX. Vollstreckbarkeitsbescheinigung 1. Pflicht des Urkundsbeamten zu selbständiger Entscheidung. Gerichtliche Nachprüfung. Nach § 451 Abs. 1 setzt die förmliche Vollstreckung eine unrkundliche Grundlage voraus, nämlich eine mit der Vollstreckbarkeitsbescheinigung versehene beglaubigte Abschrift der Urteilsformel, die der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle erteilt. Über das Wesen der Vollstreckbarkeitsbescheinigung s. unten 2. Die Erteilung dieser Bescheinigung ist zwar eine Voraussetzung, aber noch kein Bestandteil des Vollstreckungsverfahrens, vielmehr der letzte Akt des gerichtlichen Verfahrens (vgl. K l e i n k n e c h t Rpfleger 1952 210). Der Urkundsbeamte handelt als Organ des Gerichts. Daraus folgt, daß, wenn er die Erteilung ablehnt, die Vollstreckungsbehörde, und, wenn er sie erteilt, der Verurteilte bei Gericht die Änderung der Entscheidung des Urkundsbeamten beantragen kann ( P o h l m a n n II 2e zu § 13 StVollstrO). Die Entscheidung des Gerichts ist mit der einfachen Beschwerde anfechtbar (LG Göttingen Rpfleger 1956 337). Dem Verurteilten bleibt die Möglichkeit, wenn die Vollstreckungsbehörde auf Grund der erteilten Bescheinigung die Vollstreckung betreibt, Einwendungen dagegen nach § 458 Abs. 1 zu erheben. Gegen eine gerichtliche Entscheidung, die den Urkundsbeamten zur Erteilung der Bescheinigung anweist oder die ihn unter Aufhebung einer erteilten Bescheinigung anweist, sie künftig nur unter bestimmten Voraussetzungen zu erteilen, steht dem Urkundsbeamten die Beschwerde nicht zu (vgl. M e i k e l , BayZ 1905 57). Ein Recht,-bei Zweifeln, ob die Voraussetzungen der Erteilung vorliegen, die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen, hat der Urkundsbeamte nicht; er kann sich nicht damit der ihm übertragenen Entscheidung entziehen (ebenso im Ergebnis P o h l m a n n II 2e zu § 13 StVollstrO; a. M. die 19. Aufl. Anm. 6; M ü l l e r - S a x 3b; K l e i n k n e c h t , Rpfleger 1952 213). Der Urkundsbeamte kann und muß die von ihm erteilte Bescheinigung widerrufen, wenn er nachträglich zu der Überzeugung gelangt, daß er sie zu Unrecht erteilt hat (ebenso P o h l m a n n II zu § 13). 2. Wesen der VollstreckbarkeitsbescHeinigung. Folgerungen. Der Urkundsbeamte hat die Vollstreckbarkeitsbescheinigung zu erteilen, wenn die absolute Rechtskraft des Urteils eingetreten ist (§ 449) oder wenn ausnahmsweise vor Eintritt der absoluten Rechtskraft das Urteil vollstreckbar geworden ist (§ 346 Abs. 2 Satz 2 und dazu Anm. III zu § 449). In aller Regel ist also die Vollstreckbarkeitsbescheinigung identisch mit der Rechtskraftbescheinigung (s. dazu den unten abgedr. Abs. 2 des § 13 StVollstrO). Das Vorliegen von Vollstreckungshindernissen (vgl. Anm. II 2 zu § 449) hat der Urkundsbeamte nicht zu prüfen (LG Hildesheim Rpfleger 1960 215). Ist die Vollstreckung der Strafe im Urteil zur Bewährung ausgesetzt, so darf er naturgemäß nur die Rechtskraft des Urteils bescheinigen, nicht etwa zugleich bescheinigen, daß das Urteil „vollstreckbar" sei (LG Köln Rpfleger 1971 227 m. Anm. P o h l m a n n ) . Wenn (andere) Vollstreckungshindernisse aus den Akten ersichtlich sind, so steht es ihm frei, die Vollstreckungsbehörde auf diese und die für die Strafzeitberechnung wichtigen Umstände (vgl. insbes. § 4 5 0 Abs. .1) hinzuweisen, und er muß dies tun, wenn bei Erteilung der Vollstreckbarkeitsbescheinigung die Akten, aus denen allein die Hindernisse ersichtlich sind, der Vollstreckungsbehörde nicht übersandt werden (LG Hildesheim aaO. mit zust. Anm. von P o h l m a n n ) . Die Vollstreckungsbehörde ist nicht verpflichtet, die Rechtskraftbescheinigung des Urkundsbeamten auf ihre sachliche Richtigkeit nachzuprüfen; die Prüfung, ob die Entscheidung rechtskräftig ist, soll ihr ja gerade durch die Rechtskraftbescheinigung abgenommen werden. Anders liegt es, wenn sie aus besonderen Gründen Veranlassung hat, an der Richtigkeit der Rechtskraftbescheinigung zu zweifeln; dann muß sie eine Überprüfung der Rechtskraftbescheinigung durch den 2354

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 451 Anm. IX 3 , 4

Urkundsbeamten herbeiführen (vgl. P o h l m a n n Rpfleger 1960 280). Die Entscheidung darüber, ob Vollstreckungshindernisse bestehen, obliegt aber nur der Prüfung der Vollstrekkungsbehörde (OLG Jena G A 39 365) und gegen deren Entscheidung steht der Weg des § 458 Abs. 1 offen. 3. Ergänzende Vorschriften. Über die Ausstellung der Vollstreckbarkeitsbescheinigung enthalten die §§ 13, 14 StVollstrO ergänzende Vorschriften. ,,§ 13. Urkundliche Grundlage der

Vollstreckung

(1) Die Vollstreckung setzt die Rechtskraft der Entscheidung voraus (vgl. § 449 StPO). (2) Urkundliche Grundlage der Vollstreckung ist die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung oder ihres erkennenden Teils; auf ihr muß die Rechtskraft bescheinigt und angegeben sein, wann sie eingetreten ist. Die Rechtskraft kann bereits bescheinigt werden, bevor die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen. Ist der Verurteilte in der Sache in Haft, auf die sich die Rechtskraftbescheinigung bezieht, so soll der Urkundsbeamte die urkundliche Grundlage der Vollstreckung binnen drei Tagen nach Eintritt der Rechtskraft der Vollstreckungsbehörde übersenden. (3) Die Rechtskraft bescheinigt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Gericht des ersten Rechtszuges. Wird gegen ein Berüfungsurteil keine Revision eingelegt, so bescheinigt sie der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Berufungsgericht. (4) Wird gegen ein Urteil Revision eingelegt, so behält die Vollstreckungsbehörde eine beglaubigte Abschrift des erkennenden Teils der für die Vollstreckung erforderlichen Urteile zurück. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht übersendet der Vollstreckungsbehörde unverzüglich eine beglaubigte Abschrift des erkennenden Teils des Revisionsurteils, wenn dieses die Rechtskraft des angefochtenen Urteils herbeigeführt hat oder selbst vollstreckungsfähig ist. Dasselbe gilt, wenn die Revision durch Beschluß verworfen wird und die Akten nicht sofort zurückgegeben werden können. § 14. Urkundliche Grundlage der Vollstreckung bei Widerrufsbeschlüssen und bei nachträglicher Anordnung der Vollstreckung der Unterbringung. Wird die Aussetzung der Strafe oder einer Reststrafe zur Bewährung (§ 25 Abs. 1, § 26 Abs. 3 StGB) oder der Straferlaß (§ 25 a Abs. 2 StGB) widerrufen oder wird die Vollstrekkung der Unterbringung (§ 42 g Abs. 2 Satz 1, § 42 h Abs. 3 StGB) angeordnet, so ist weitere urkundliche Grundlage der Vollstreckung die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift des erkennenden Teils der genannten Beschlüsse." 4. Erläuternd ist zu bemerken: a) Verhältnis des § 4 5 1 Abs. 1 zu § 13 Abs. 2 StVollstrO. Nach § 4 5 1 Abs. 1 erfolgt die Vollstreckung auf Grund einer von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erteilenden, mit Vollstreckbarkeitsbescheinigung versehenen beglaubigten Abschrift der Urteilsformel. Demgegenüber bezeichnet § 13 Abs. 2 StVollstrO folgende mit Rechtskraftbescheinigung versehenen Urkunden als Vollstreckungsgrundlage: a) die Urschrift der vollständigen Entscheidung, b) die Urschrift der Entscheidungsformel, c) die beglaubigte Abschrift der vollständigen Entscheidung, d) die beglaubigte Abschrift der Entscheidungsformel. Über das Verhältnis des § 13 Abs. 2 StVollstrO zu § 451 Abs. 1 sind unterschiedliche Auffassungen hervorgetreten. Zunächst sollte sicher sein, daß § 13 Abs. 2 als Verwaltungsanweisung sich nicht mit der gesetzlichen Vorschrift des § 451 Abs. 1 in Widerspruch setzt, wenn er die mit Rechtskraftbescheinigung versehene beglaubigte Abschrift des vollständigen Urteils als Vollstreckungsgrundlage bezeichnet. Denn der deutliche Sinn des § 451 Abs. 1 ist, daß schon das Vorliegen einer beglaubigten Abschrift der Entscheidungs/orme/ genügt, um mit der Vollstreckung beginnen zu können, daß also nicht abgewartet zu werden braucht, bis das vollständige (mit Gründen versehene) Urteil vorliegt. So kann z. B. bei Rechtsmittelverzicht aller Beteiligten unmittelbar nach Verkündung des Urteils die beglaubigte Abschrift der Entscheidungsformel auf der Grundlage des Sitzungsprotokolls hergestellt werden. Wenn also die Abschrift der Formel genügt, so ist eine beglaubigte Abschrift des vollständigen Urteils (das ja stets auch eine Entscheidungsformel enthält) erst recht eine dem § 451 2355

§ 451 Anm. 1X5

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Abs. 1 entsprechende urkundliche Grundlage der Vollstreckung (so auch P o h l m a n n Rpfleger 1957 123). §451 Abs. 1 will aber auch nicht besagen, daß die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung nur betreiben dürfe, wenn ihr eine beglaubigte Abschrift der Entscheidungsformel (oder der vollständigen Entscheidung) vorliegt (a. M. LG Oldenburg Rpfleger 1956 337; dagegen mit Recht OLG Hamm Rpfleger 1957 213). Die Gesetzmäßigkeit der Vollstreckung hängt an sich lediglich davon ab, daß eine entsprechende rechtskräftige Entscheidung überhaupt vorhanden ist; ist das der Fall, so könnte z. B. der Verurteilte keine Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung (§ 458) mit der Begründung erheben, es liege zwar ein rechtskräftiges Urteil vor, der Urkundsbeamte habe aber der Vollstreckungsbehörde bisher noch keine mit Vollstreckbarkeitsbescheinigung versehene beglaubigte Abschrift erteilt. Der Sinn des § 451 Abs. 1 ist vielmehr folgender: um die Vollstreckung betreiben zu können und zu dürfen, bedarf die Vollstreckungsbehörde der zuverlässigen Kenntnis, daß ein rechtskräftiges Urteil vorliegt und welchen Inhalt es hat. Um ihr diese Kenntnis zu verschaffen, verpflichtet § 451 Abs. 1 den Urkundsbeamten („zu erteilenden"), der Vollstreckungsbehörde von Amts wegen eine beglaubigte Abschrift zu erteilen. Es wäre aber ein unverständlicher Formalismus, wenn die Vollstreckungsbehörde mit der Vollstreckung erst beginnen dürfte, wenn ihr eine solche beglaubigte Abschrift übersandt ist, obwohl sie bereits vorher auf anderem Wege, nämlich durch Einsicht in die gemäß § 7 der AktenO mit Rechtskraftbescheinigung versehene Urschrift der Entscheidung (oder der Entscheidungsformel) zuverlässige Kenntnis von Inhalt und Rechtskraft der Entscheidung erlangt hat. Denn die Rechtskraftbescheinigung auf der beglaubigten Abschrift bietet ja keine größere Gewähr für die Richtigkeit als die Rechtskraftbescheinigung auf der Urschrift; auch auf die gemäß § 451 Abs. 1 erteilte Bescheinigung hin darf die Vollstreckungsbehörde nicht unbesehen die Vollstreckung betreiben, sondern muß auftauchenden Bedenken nachgehen (oben Anm. IX 2). Die Bedeutung des § 13 Abs. 2 besteht also darin, daß er in Form einer Weisung an die Vollstreckungsbehörde das urkundliche Minimum kennzeichnet, mit dem sich die Vollstreckungsbehörde zur Erlangung von zuverlässiger Kenntnis über Inhalt und Rechtskraft der Entscheidung bei Einleitung der Vollstreckung begnügen darf. Unberührt bleibt aber stets das Recht der Vollstreckungsbehörde, eine genau dem § 451 Abs. 1 entsprechende Vollstreckungsurkunde von dem Urkundsbeamten zu verlangen — eine solche ist aber auch, wie oben ausgeführt, die mit Rechtskraftbescheinigung versehene beglaubigte Abschrift der vollständigen Entscheidung — und dessen Pflicht, dem Verlangen zu entsprechen; der Urkundsbeamte kann also keinesfalls die Vollstreckungsbehörde auf die mit Rechtskraftbescheinigung versehene Urschrift der Entscheidung oder der Formel verweisen (ebenso OLG Hamm Rpfleger 1957 123); auch ein Recht des Urkundsbeamten, die Erteilung im Einzelfall abzulehnen, weil das Verlangen der Vollstreckungsbehörde mißbräuchlich sei (so P o h l m a n n Rpfleger 1957 123; 1960 218; P o h l m a n n II 2b zu § 13; LG Göttingen Rpfleger 1956 337; 1960 217), muß verneint werden. b) Die Zuständigkeit zur Erteilung der Rechtskraftbescheinigung regelt § 13 Abs. 3 StVollstrO. Danach ist grundsätzlich der Urkundsbeamte des Gerichts des 1. Rechtszuges zuständig, der Urkundsbeamte des Berufungsgerichts nur, wenn gegen das Urteil keine Revision eingelegt ist. Die in § 13 Abs. 4 vorgeschriebene Übersendung der Unterlagen durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Revisionsgerichts soll dazu dienen, dem Urkundsbeamten des Gerichts 1. Instanz die beschleunigte Ausstellung der Vollstreck barkeitsbescheinigung zu ermöglichen. Die in § 13 aus Zweckmäßigkeitsgründen getroffene Zulässigkeitsregelung begründet aber keine ausschließliche Zuständigkeit. Daher ist auch der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Revisionsgerichts befugt, die Rechtskraftbescheinigung selbst zu erteilen, insbes. wenn die rasche Erteilung durch den Urkundsbeamten des Gerichts 1. Instanz auf Schwierigkeiten stößt ( P o h l m a n n III l c zu § 13). LG Göttingen, NdsRpfl. 1960 92 = Rpfleger 1960 217 mit zust. Anm. von P o h l m a n n sieht darüber hinaus, wenn in mehreren Instanzen Urteile ergehen, mit Recht den Urkundsbeamten eines jeden befaßten Gerichts, bei dem sich gerade die Akten befinden, als zuständig an, wenn es sich darum handelt, Zeitverluste zu vermeiden. 5. Vollstreckbarkeitsbescheinigung bei anderen Entscheidungen als Urteilen a) § 451 güt, obwohl er nur von Urteilen („Urteilsformel") spricht, auch für den rechtskräftigen Strafbefehl, die rechtskräftige Strafverfügung (§413) und urteilsvertretende Be-

2356

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 451 Anm. X 1

schlüsse, die Nebenfolgen zum Gegenstand haben (vgl. §§ 437 Abs. 4, 438 Abs. 2, 441 Abs. 2,442,444 Abs. 2, 3). b) Dagegen bedarf es nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung ( M ü l l e r - S a x I I b ; D a l c k e - F u h r m a n n Anm. 4 zu §460) keiner Vollstreckbarkeitsbescheinigung bei Gesamtstrafenbeschlüssen nach § 460, weil die urkundliche Unterlage für die Vollstrekkung bereits in Gestalt der Vollstreckbarkeitsbescheinigung für die Einzelstrafen vorliege. Dagegen bestehen aber Bedenken, denn der Gesamtstrafenbeschluß bildet einen selbständigen neuen, einem Urteil entsprechenden Vollstreckungstitel, für den nichts anderes gelten kann als für ein Urteil gleichen Inhalts (ebenso LG Bochum NJW 1957 194 — dessen Ausführungen in Einzelheiten aber angreifbar sind —; K n e t s c h und P o h l m a n n Rpfleger 1957 74f.; P o h l m a n n II 2f. zu § 13 StVollstrO m. w. Nachw.). § 13 StVollstrO hat die Frage offengelassen, entsprechend dem von der StVollstrO verfolgten Grundsatz, zu streitigen Fragen nach Möglichkeit nicht Stellung zu nehmen. Vom Zeitpunkt der Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses an bildet dieser die Grundlage für die Strafvollstreckung. Bis dahin wird aus den Einzelstrafurteilen vollstreckt (OLG Frankfurt NJW 1956 1932). § 41 Abs. 2 StVollstrO weist jedoch die Vollstreckungsbehörde an, schon vor seiner Rechtskraft den Gesamtstrafenbeschluß der Strafzeitberechnung vorläufig zugrunde zu legen, wenn die Entscheidung dem Antrag der Staatsanwaltschaft entspricht oder diese von einer sofortigen Beschwerde absieht, oder wenn das Strafende vor der Rechtskraft des Beschlusses eintritt. c) Wird die Aussetzung der Strafe oder einer Rechtsstrafe zur Bewährung (§§ 25 Abs. 1, 26 Abs. 3 StGB) oder der Straferlaß (§ 25 a Abs. 2) widerrufen, oder wird die Vollstreckung der Unterbringung (§ 42 g Abs. 2 Satz 1, § 42h Abs. 3 StGB) angeordnet, so bilden diese Anordnungen eine Voraussetzung für Beginn oder Fortsetzung der Vollstreckung und demgemäß die entsprechenden Beschlüsse eine zusätzliche erforderliche Grundlage der Vollstreckungsmaßnahmen ( § 1 4 StVollstrO). Wenn auch die Rechtskraft des mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Widerrufsbeschlusses eine Voraussetzung für die Vollstreckung der Strafe oder Reststrafe bildet (vgl. Anm. IV 3 zu § 453), so bedarf er doch selbst keiner Rechtskraftbescheinigung, da er keinen eignen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, sondern nur die Hindernisse beseitigt, die der Vollstreckung des verurteilenden Erkenntnisses entgegenstehen (vgl. OLG Karlsruhe Rpfleger 1964 145; T h e u e r k a u f MDR 1965 179; H a n a c k JZ 1966 50; P o h l m a n n II l d zu § 14 StVollstrO m. Nachw.). Die Vollstrekkungsbehörde hat vielmehr in eigener Verantwortung zu prüfen, ob die Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses eingetreten ist. Andererseits ist es aber auch dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht untersagt, eine Rechtskraftbescheinigung zu erteilen. Geschieht dies, so braucht die Vollstreckungsbehörde ihre sachliche Richtigkeit nicht zu prüfen; sie hat aber keinen Anspruch auf eine solche Bescheinigung ( P o h l m a n n aaO.). § 14 StVollstrO nimmt, entsprechend der Tendenz der StVollstrO, sich bei streitigen oder zweifelhaften Fragen einer Stellungnahme und einer Weisung an die Vollstreckungsbehörden zu enthalten, zu diesen Punkten keine Stellung. X. Herbeiführung des Vollzugs. Strafzeitberechnung. Wie in Vorbem. II vor § 449 ausgeführt, gehört, soweit es sich um die Vollstreckung von Freiheitsstrafen handelt, zu den Aufgaben der Vollstreckungsbehörde die Herbeiführung des Vollzugs — vgl. insoweit die Anm. zu § 457 und oben Anm. VII —, eine Überwachung des Vollzugs jedoch nur nach der Richtung, ob Art und Dauer der Strafhaft der zu vollstreckenden Entscheidung entsprechen. 1. Sonderformen des Vollzugs. Bei der Herbeiführung des Vollzugs entscheidet die Vollstreckungsbehörde darüber, ob der normale Strafvollzug auf der Grundlage der Vollzugsbestimmungen der Länder (vgl. Vorbem. III 2 vor § 449) oder ob Sondervollzugsformen stattfinden sollen. Solche Sonderformen sind der Vollzug an jungen Verurteilten (§ 25 StVollstrO) und der Wochenendvollzug (§ 32 StVollstrO; dazu bundeseinheitlich vereinbarte Richtlinien für die Bewilligung und Durchführung des Wochenendvollzugsges. v. 1.6. 1965, abgedr. z. B. bei P o h l m a n n S. 652). a) Junge Verurteilte. Nach § 114 J G G darf in der Jugendstrafanstalt an Verurteilten, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sich für den Jugendstrafvollzug 2357

§ 451 Anm. X 2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

eignen, auch Freiheitsstrafe vollzogen werden, die nach allgemeinem Strafrecht verhängt worden ist. Diese Vorschrift bezieht sich nicht nur auf Heranwachsende, die unter Anwendung des allgemeinen Strafrechts zu Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, sondern auch auf Erwachsene, die vom Erwachsenengericht abgeurteilt wurden. Nach den Richtlinien zu § 114, auf die § 25 StVollstrO verweist, weist die Vollstreckungsbehörde zu Freiheitsstrafe Verurteilte unter 21 Jahren grundsätzlich in die Jugendstrafanstalt, solche im Alter von 21 bis 23 Jahren in der Regel in die Strafanstalt für Erwachsene ein; die letzteren überweist der Strafanstaltsleiter, wenn er sie als geeignet für den Jugendstrafvollzug ansieht, in die Jugendstrafanstalt. Ausnahmsweise kann die Vollstreckungsbehörde einen solchen Verurteilten sogleich in die Jugendstrafanstalt einweisen, wenn seine Eignung für den Jugendstrafvollzug offenkundig ist. Der Rechtspfleger kann nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 der VO über die Begrenzung der Geschäfte des Rechtspflegers bei der Vollstreckung in Straf- und Bußgeldsachen v. 26. 6. 1970 (BGBl. I 992) die Entscheidung, ob ein zu Freiheitsstrafe Verurteilter unter 24 Jahren in die Erwachsenen- oder in die Jugendvollzugsanstalt einzuweisen ist, nicht treffen; sobald diese Entscheidung vom Staatsanwalt (Amtsrichter) getroffen ist, ist er für die weitere Vollstreckung zuständig. b) Wochenendvollzug. Freiheitsstrafen von nicht mehr als 2 Wochen kann die Vollstreckungsbehörde, wenn es zur Vermeidung besonderer außerhalb des Strafzwecks liegender Nachteile für den Verurteilten notwendig ist, auf Antrag oder von Amts wegen in der Weise vollstrecken, daß der Verurteilte sich jeweils über das Wochenende (von Sonnabend 8 Uhr oder, wenn der Verurteilte am Sonnabendvormittag arbeitet, von 15 Uhr bis Montagmorgen um 7 Uhr, aus wichtigen Gründen nur bis Sonntagabend) im Strafvollzug befindet; ein solches Wochenende rechnet für 2 verbüßte Tage Strafhaft; die darin liegende Fiktion, daß die Strafdauer 48 Stunden betragen habe, obwohl sie ggbf. nur 40, evtl. 28 Stunden betrug, läßt sich rechtlich nur mit der Erwägung rechtfertigen, daß die Zubilligung des Wochenendvollzugs nach durchgeführtem Vollzug den Erlaß des tatsächlich nicht verbüßten Strafrestes im Wege der Gnade enthält, der — was nicht unzulässig wäre — unmittelbar in § 32 ausgesprochen ist (ebenso P o h l m a n n I 2 zu § 32; Altenhain NJW 1963 121). Auf weitere Einzelheiten ist hier nicht einzugehen. Der Rechtspfleger ist zu den nach § 32 zu treffenden Entscheidungen nicht befugt (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 der VO v. 26. 6. 1970 - BGBl. I 992 —). Wegen der Anfechtbarkeit einer die Gewährung von Wochenendvollzug ablehnenden Verfügung vgl. Anm. 1 b zu § 456. Seit der Umwandlung der früheren Verkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten und der Einschränkung der kurzen Freiheitsstrafen durch das 1. StrRG v. 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) hat der Wochenendvollzug kaum noch praktische Bedeutung. 2. Strafzeitberechnung, Rechtsgrundlagen. Die der Vollstreckungsbehörde obliegende Überwachung, daß Art und Dauer des Vollzugs der zu vollstreckenden Entscheidung entsprechen, geschieht im allgemeinen an Hand der Strafzeitberechnung und der Mitteilungen der Vollzugsbehörde über Aufnahme und Beendigung des Vollzuges. Die besonders wichtige Frage der Strafzeitberechnung, ist im Gesetz (vgl. §§ 19, 20, 60 StGB, § 450 StPO) nur unvollkommen geregelt; zur Ergänzung gibt die StVollstrO in §§37—41 zahlreiche ergänzende Weisungen, die allerdings nur gelten, solange und soweit nicht im Einzelfall das Gericht gemäß § 458 über die Berechnung der Strafe entschieden hat (vgl. Vorbem. III 1 vor § 449). „§ 37. Allgemeine Regeln für die Strafzeitberechnung (1)Die Strafzeit ist für jede selbständige Strafe getrennt zu berechnen, auch wenn in derselben Sache auf mehrere Freiheitsstrafen erkannt worden ist. (2) Hat der Verurteilte nicht mehr als eine Woche im Strafvollzug zuzubringen, so wird die Strafe dem Tage und der Stunde nach berechnet; die für die Berechnung maßgebenden Umstände, die im Laufe einer Stunde eintreten, gelten als zu Beginn der Stunde eingetreten. Bei längerer Vollzugsdauer wird die Strafe nur nach Tagen berechnet; Umstände, die im Laufe eines Tages eintreten, gelten als zu Beginn des Tages eingetreten. Die im Laufe einer Stunde (Satz 1) oder eines Tages (Satz 2) eingetretenen Umstände gelten jedoch als am Ende der Stunde oder des Tages eingetreten, wenn dies für den Verurteilten günstiger ist. Ist die genaue Feststellung des Tages oder der Stunde nicht möglich, so wird der Tag oder die Stunde zugrunde gelegt, die der Wirklichkeit mutmaßlich am nächsten kommen. Ist der 2358

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 451 Anm. X 2

Lauf der Strafzeit aus irgendeinem Grunde unterbrochen worden, so ist für die Anwendung von Satz 1 oder 2 nicht die Reststrafe, sondern die Zeit maßgebend, die der Verurteilte insgesamt im Strafvollzug zuzubringen hat. (3) Der Tag ist zu 24 Stunden, die Woche zu 7 Tagen, der Monat und das Jahr nach der Kalenderzeit zu berechnen (§ 20 StGB). Demgemäß ist bei der Berechnung nach Monaten oder Jahren bis zu dem Tage zu rechnen, der durch seine Zahl dem Anfangstage entspricht. Fehlt dieser Tag in dem maßgebenden Monat, so tritt an seine Stelle dessen letzter Tag. (4) Treffen mehrere Zeiteinheiten zusammen, so geht bei Vorwärtsrechnung die größere Zeiteinheit der kleineren, bei Rückwärtsrechnung die kleinere der größeren vor. § 38. Straftieginn Als Beginn der Strafzeit ist anzusetzen: a) bei einem Verurteilen, der sich selbst stellt, der Zeitpunkt, in dem er in einer Anstalt in amtliche Verwahrung genommen wird; b) bei einem Verurteilten, der auf Grund eines nach § 457 StPO erlassenen Vorführungsoder Haftbefehls oder eines nach § 61 JGG ergangenen Sicherungshaftbefehls festgenommen und sodann eingeliefert worden ist, der Zeitpunkt der Festnahme; ist der Verurteilte im Ausland festgenommen worden, so beginnt die Strafzeit mit seiner Übernahme durch deutsche Beamte;* c) bei einem Verurteilten, der sich im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft in Untersuchungshaft befindet, dieser Zeitpunkt; ist das Rechtsmittel, das ein in Untersuchungshaft befindlicher Angeklagter verspätet eingelegt hat, als unzulässig verworfen worden, so beginnt die Strafzeit mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist; d) bei einem Verurteilten, der eine Strafe in Unterbrechung einer in anderer Sache verhängten Untersuchungshaft verbüßt, der Zeitpunkt, in dem das Aufnahme- oder Überführungsersuchen bei der Untersuchungshaftanstalt eingegangen ist; wird der Verurteilte zur Verbüßung der Strafe von der Untersuchungshaftanstalt in eine andere Anstalt verbracht, so teilt die Untersuchungshaftanstalt den Zeitpunkt des Eingangs des Überführungsersuchens der Vollzugsanstalt mit. § 39 (betr. Anrechnung der § 40. Berechnung einer

Untersuchungshaft) Reststrafzeit

(1) Ist der Strafvollzug unterbrochen worden, so wird der Strafrest nach Tagen und bèi einer Vollzugsdauer von insgesamt nicht mehr als einer Woche auch nach Stunden berechnet. (2) Als Zeitpunkt, von dem an der Strafvollzug fortgesetzt wird, gilt bei einem Verurteilten, der aus dem Strafvollzug entwichen ist, der Zeitpunkt, in dem er zwecks weiteren Strafvollzuges polizeilich festgenommen worden ist oder sich in einer Anstalt zur weiteren Straverbüßung gestellt hat. Bei Soldaten steht die Festnahme durch einen Feldjäger der polizeilichen Festnahme gleich. § 4L Berechnung der Strafzeit bei Gesamtstrafen und anderweitiger

Verurteilung

(1) Ist eine nach § 76 StGB oder § 460 StPO gebildete Gesamtstrafe zu vollstrecken, nachdem der Vollzug einer in sie einbezogenen Strafe bereits begonnen hat oder beendet ist, so ist die Strafzeit so zu berechnen, als ob von vornherein die Gesamtstrafe zu vollstrekken gewesen wäre. Dies gilt entsprechend für eine rechtskräftig erkannte Strafe, die in einem späteren Verfahren, insbesondere in einem Wiederaufnahmeverfahren, durch eine andere Strafe ersetzt worden ist, sowie — vorbehaltlich einer abweichenden gerichtlichen Entscheidung — für eine wegen derselben Tat im Ausland verhängte Strafe, soweit diese Strafen vollstreckt worden sind (§ 60 Abs. 2, 3 StGB). (2) Eine nachträgliche Entscheidung über eine Gesamtstrafe (§ 460 StPO) wird schon vor ihrer Rechtskraft der Strafzeitberechnung vorläufig zugrunde gelegt, wenn sie dem An* vgl. hierzu Anm. I 6 c zu § 450.

2359

§ 451 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. X 3 trag der Staatsanwaltschaft entspricht oder diese von einer sofortigen Beschwerde absieht. Dies gilt auch dann, wenn das Strafende vor der Rechtskraft dieses Beschlusses eintritt." 3. Einzelheiten der Strafzeitberechnung. Die vorgenannten Vorschriften sind bereits z. T. jeweils im Zusammenhang an anderen Stellen erörtert. Ergänzend ist zur Erläuterung folgendes zu bemerken: a) Eine dem § 37 Abs. 2 Satz 1 und 2 entsprechende Regelung enthielt bereits § 21 Abs. 2 StVollstrO 1935 i. d. F. der AV vom 21. 1. 1942 (DJ 86). Sie konnte sich je nach den Umständen des Einzelfalles günstig oder ungünstig für den Verurteilten auswirken. Erhielt z. B. bei einer Vollzugsdauer von mehr als einer Woche der Verurteilte Strafurlaub vom 5. 8. vorm. 8 Uhr bis 8. 8. nachmittags 18 Uhr, so galt für die Strafzeitberechnung die Strafe als vom 5. 8. null Uhr bis zum 8. 8. null Uhr unterbrochen; dies war für den Verurteilten günstig, da nur 3 Tage Unterbrechung gerechnet wurden, obwohl die Unterbrechung länger gedauert hatte. Begann dagegen der Strafurlaub am 5. 8. um 18 Uhr und endete er am 8. 8. um 8 Uhr, so rechnete er ebenfalls vom 5. 8. null Uhr bis zum 8. 8. null Uhr, also 3 Tage, obwohl die Dauer der Unterbrechung, nach Stunden gerechnet, keine 3 Tage gedauert hatte. OLG Bremen NJW 1951 84 erklärte die Berechnungsweise des § 21 Abs. 2 StVollstrO für unvereinbar mit § 19 Abs. 1 a. F. (= § 20 n. F) StGB, der von der sogenannten „natürlichen Berechnungsweise" ausgehe, wonach Unterbrechungen nach Tagen und Stunden genau der zu verbüßenden Strafe hinzuzuzählen seien; ob im Einzelfall die Berechnung nach der VollstrO sich günstig oder ungünstig auswirke, sei für die Gesetzwidrigkeit der genannten Verwaltungsanweisung ohne Bedeutung. Demgegenüber hält § 37 Abs. 2 StVollstrO an der Regelung des § 21 Abs. 2 StVollstrO 1935 fest, jedoch mit der Maßgabe, daß statt Vorverlegung auf den Beginn des Tages, in dessen Lauf der für die Strafzeitberechnung maßgebende Umstand eintritt, eine Verlegung auf das Ende des Tages eintritt, wenn dies für den Verurteilten günstiger ist. In dem zweiten der oben angeführten Beispielsfalle wäre danach die Unterbrechung erst vom 5. 8. 24 Uhr bis zum 8. 8. null Uhr zu rechnen, so daß die Dauer der anzurechnenden Unterbrechung nur 2 Tage beträgt. Die Rechtfertigung dieser Regelung wird darin gesehen (vgl. Pohl m a n n II zu § 37), daß eine Kürzung der nach „natürlicher Berechnungsweise" zu verbüßenden Strafe durch eine dem Verurteilten günstige Strafzeitberechnungsmethode als Erlaß des noch zu verbüßenden Strafrestes im Wege der Gnade aufzufassen sei. Der im voraus ausgesprochene Erlaß wäre dann darin zu sehen, daß die Landesjustizverwaltungen als die in der Regel zur Ausübung des Gnadenrechts ermächtigten Stellen die StVollstrO vereinbart und jeweils für ihr Land erlassen haben. Eine solche Konstruktion erscheint vertretbar. Eine andere Frage ist, ob es wirklich dieser etwas mühsamen Konstruktion bedarf, ob wirklich § 20 StGB eine derartige Rechnung „auf Heller und Pfennig" erfordert (verneinend OLG Köln JMB1NJW 1959 33 = Rpfleger 1959 156), oder ob er sich nicht vielmehr — im Zeitalter der Rationalisierung und der dazu erforderlichen Fiktionen — mit einer vereinfachten Berechnungsmethode zufrieden gibt, die aus beachtlichen praktischen Gründen geboten ist, die den Sinn des Strafausspruchs nicht verfälscht und den Verurteilten nicht in seinen Rechten verkürzt. OLG Köln aaO. spricht bei üblichen Abweichungen von der „natürlichen Berechnungsweise" von einem durch die StVollstrO bestätigten, die Regel abändernden Gewohnheitsrecht; dagegen aber P o h l m a n n Rpfleger 1959 146. b) § 37 Abs. 2 Satz 5 stellt im Hinblick auf § 40 Abs. 1 StVollstrO klar, daß bei einer Unterbrechung des Laufs der Strafzeit es für die Anwendbarkeit von Satz 1 oder Satz 2 nicht auf die Dauer des noch zu vollziehenden Restes, sondern auf die Gesamtvollzugsdauer ankommt; eine Berechnung nach Stunden findet also nur statt, wenn die Gesamtvollzugsdauer nicht mehr als eine Woche beträgt, während eine Berechnung nach Tagen auch dann stattfindet, wenn bei längerer Gesamtvollzugsdauer die Unterbrechung erst in der letzten Vollzugswoche erfolgt. c) Bei Selbstgestellung eines Verurteilten wird nach § 38 a StVollstrO als Strafzeitbeginn der Zeitpunkt gerechnet, in dem er in einer Anstalt „in amtliche Verwahrung" genommen wird, während § 22 a StVollstrO 1935 nur den Zeitpunkt der Aufnahme in eine — wenn auch nicht die zuständige — Justizvollzugsanstalt gelten lassen wollte. Es genügt also z. B. auch 2360

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 4 5 1 Anm. XI § 4 5 2 Anm. 1

die Aufnahme in ein Polizeigefängnis, wenn die Anstalt bereit ist, den Verurteilten zu überführen oder ihn bis zur Abholung in die zuständige Justizvollzugsanstalt zu behalten. Die Vorschrift geht weiter als § 27 Abs. 5 StVollstrO, wonach Verurteilte, die offenbar nicht die Mittel haben, um von ihrem Wohn- oder Aufenthaltsort aus der Strafantrittsladung in die nach dem Vollstreckungsplan zuständige Vollzugsanstalt nachzukommen, in eine näher gelegene Anstalt geladen werden können. § 38 a ermöglicht es einem Verurteilten, der auch die Mittel zur Reise in die nächstgelegene Vollzugsanstalt nicht besitzt, sich in der nächstgelegenen zur amtlichen Verwahrung geeigneten Anstalt zu stellen. Eine Verpflichtung, ihn aufzunehmen, ist aber für die Anstalt in § 38 a nicht ausgesprochen; es kommt also, wenn der Verurteilte sich in einer nicht der Justizverwaltung angehörigen Anstalt meldet, darauf an, ob sie die amtliche Verwahrung zu übernehmen bereit ist. d) In entsprechender Anwendung des § 3 8 d wird auch die Strafzeit berechnet, wenn eine Strafvollstreckung oder Unterbringung nach § 42 b StGB zur Vollstreckung einer in anderer Sache verhängten Strafe unterbrochen wird (OLG Hamm Rpfleger 1961 354 mit Anm. von P o h l m a n n ) . Wegen weiterer Einzelheiten der Strafzeitberechnung sei auf die einschlägige Spezialliteratur wie P o hl m a n n und R ö s c h e l - B l a e s e verwiesen. XI. Im Fall des Aktenverlustes kann nach dem in Anm. IX 1 Ausgeführten das Gericht den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle anweisen, eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen, falls die Feststellung ihres Inhalts möglich ist (OLGe. Hamm GA 62 210, A l s b e r g Entsch. 2 96, Hamburg A l s b e r g 209, S t u h l m a n n DStRZ 6 229).

§452 In Sachen, in denen im ersten Rechtszug in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes entschieden worden ist, steht das Begnadigungsrecht dem Bund zu. In allen anderen Sachen steht es den Ländern zu. Entstehungsgeschichte: § 452 lautete bisher: „In Sachen, in denen der Bundesgerichtshof im ersten Rechtszug entschieden hat, steht das Begnadigungsrecht dem Bund, sonst den Ländern zu." Die jetzige Fassung beruht auf Art. 2 Nr. 16 des Ges. z. allg. Einführung eines 2. Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen v. 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582). 1. Gerichtsbarkeit des Bundes. Art. 96 Abs. 5 G G bestimmt: „Für Strafverfahren auf den Gebieten des Art. 26 Abs. 1 und des Staatsschutzes kann ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates vorsehen, daß die Länder Gerichtsbarkeit des Bundes ausüben." Durch das oben genannte Ges. v. 8. 9. 1969 wurde die frühere erstinstanzliche Zuständigkeit des BGH in Staatsschutzstrafsachen auf die OLGe. übertragen (§ 120 GVG); der BGH ist insoweit Revisionsgericht (§ 135 GVG). Die OLGe., die Gerichte der Länder sind, üben im Wege der sog. Organleihe nach § 120 Abs. 6 GVG insoweit Gerichtsbarkeit des Bundes i. S. des Art. 96 Abs. 5 G G aus, als für die Verfolgung die Zuständigkeit des Bundes nach § 142 a GVG begründet ist, d. h. der Generalbundesanwalt die Anklage erhoben hat. Wegen Einzelheiten vgl. die Anm. zu § 120 GVG. Soweit danach, weil „in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes entschieden worden ist", das Gnadenrecht dem Bund zusteht, übt es nach Art. 60 G G der Bundespräsident aus (vgl. dazu Anordnung über die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes v. 19. 10. 1965, BGBl. I 1573). Über die Ausübung des Gnadenrechts bei Gesamtstrafen, in die „Einzelstrafen verschiedener Gerichtsbarkeiten" einbezogen sind (d. h. Einzelstrafen, bei denen das Begnadigungsrecht nach § 452 teils dem Bund, teils einem Land, oder bei denen es mehreren Ländern zusteht) ist eine Vereinbarung der Gnadeninhaber v. 27. 10. 1971 (abgedr. z.B. SchlHA 1972 22) dahin getroffen, daß das Gnadenrecht allein dem Staat zusteht, dessen Gerichtsbarkeit das Gericht bei der Entscheidung über die Gesamtstrafe ausgeübt hat; damit ist die frühere Vereinbarung der beteiligten Justizverwaltungen über die Herbeiführung einer einheitlichen Gnadenentscheidung v. 8./9. 12. 1954 (abgedr. z. B. SchlHA 1955 86) überholt. 2. Für die Vollstreckungsbehörde bildet ein Gnadenerweis ein Voüstreckungshindernis; es besteht bei Umwandlung der erkannten Strafe in eine andere Strafart (z. B. von Freiheits2361

§452

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

strafe in Geldstrafe) darin, daß die im Urteil festgesetzte Strafe unvollziehbar geworden ist und an ihre Stelle die im Gnadenerweis festgesetzte Strafe getreten ist. W e g e n des Wesens des Gnadenakts, des Inhalts und U m f a n g s der Gnade, des Gnadenverfahrens, der Anfechtbarkeit von ablehnenden Gnadenentscheidungen usw. wird auf die Vorbemerkungen vor § 12 G V G verwiesen. W e g e n des Falles, daß eine von einem Gnadenerweis erfaßte Einzelstrafe in eine Gesamtstrafe einzubeziehen ist, vgl. A n m . I I 1 b zu § 460.

§453 ( 1 ) D i e nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung beziehen ( § § 24 bis 25 a des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. D i e Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. D e r Beschluß ist zu begründen. ( 2 ) Zuständig ist das Gericht, das in der Strafsache im ersten Rechtszug erkannt oder nach § 460 die Gesamtstrafe gebildet hat. D a s Gericht kann die nachträglichen Entscheidungen über die Strafaussetzung zur Bewährung ganz oder teilweise dem Amtsgericht übertragen, in dessen Bezirk der Angeklagte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines W o h n sitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. H a t das Gericht, dem die nachträglichen Entscheidungen übertragen worden sind, gegen die Übernahme Bedenken, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht. ( 3 ) G e g e n die Entscheidungen nach A b s a t z 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. D e r Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe und der Widerruf des Erlasses ( § § 25, 25 a des Strafgesetzbuches) können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. Entstehungsgeschichte: § 453 a. F. enthielt das Verbot, die Todesstrafe vor der Entschließung des Inhabers des Gnadenrechts über die Erteilung eines Gnadenerweises und das weitere Verbot, sie an schwangeren oder geisteskranken Personen zu vollstrecken. M i t der Aufhebung der Todesstrafe durch Art. 102 G G wurde § 453 a. F . gegenstandslos. Seinen neuen Inhalt erhielt § 453 durch das 3. Strafrechtsänderungsges. v. 4. 8. 1953 ( B G B l . I 735). Das 1. Strafrechtsreformges. v. 2 5 . 6 . 1969 ( B G B l . I 645) paßte § 453 den Änderungen der materiellrechtlichen Vorschriften über die Aussetzung der Strafe zur Bewährung an: in A b s . 1 Ersetzung von „ ( § § 24 und 25 S t G B ) " durch „ ( § § 24 bis 25 a ) " , in A b s . 3 Satz 2 Streichung der bisher nach „gesetzwidrig ist" stehenden W o r t e „oder einen einschneidenden, unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung des Beschwerdeführers darstellt"; Ersetzung des bisherigen Abs. 3 Satz 3: „ D e r Widerruf der Aussetzung (§ 25 A b s . 2 S t G B ) kann mit sofortiger Beschwerde angefochten w e r d e n " durch den jetzigen Satz 3 und Streichung des bisherigen A b s . 3 Satz 4 ( „ D e r Erlaß der Strafe ( § 25 A b s . 1 S t G B ) ist nicht anfechtbar"). Ergänzende Vorschriften: §§ 5 7 ff. 109 A b s . 2 J G G betr. Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung. Übersicht I. Nachträgliche Entscheidungen (zu Abs. 1) 1. Anwendungsbereich 2. Vollstreckungsgericht 3. Verfahren a) Beschlußverfahren b) Anhörung der Beteiligten c) Begründung der Entscheidung II. Zuständigkeit und Zuständigkeitsübertragung (zu Abs. 2) 1. Zuständigkeit 2. Zuständigkeitsübertragung a) Voraussetzungen 2362

b) Ablehnung der Übernahme. Ände rung der Übertragung c) Umfang der Übertragung d) Wirkung der Übertragung e) Unanfechtbarkeit der Vornahme oder Ablehnung der Übertragung III. Voraussetzungen der nachträglichen Entscheidungen nach Abs. 1 bei 1. Verlängerung der Bewährungszeit 2. Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§453 Anm. 1 1 , 2

IV. Rechtsmittel (zu Abs. 3) 1. Übersicht 2. Erlaß der Strafe 3. Widerruf der Aussetzung zur Bewährung a) Anfechtungsgründe. Vorläufige Sicherungsmaßnahmen. Nachprüfung nach Rechtskraft b) Vollstreckung der Strafe erst nach Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses c) Öffentliche Zustellung des Widerrufsbeschlusses. Haftbefehl vor Rechtskraft des Beschlusses. Nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs

d) Reformbestrebungen 4. Verlängerung oder Abkürzung der Bewährungszeit und nachträgliche Maßnahmen nach § 24 d StGB 5. Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft 6. Ablehnung von Anträgen auf Erlaß einer Nachtragsentscheidung V. Bescheidung von Anträgen Nichtverfahrensbeteiligter auf Erlaß einer Nachtragsentscheidung VI. Entsprechende Anwendung des § 453

I. Nachträgliche Entscheidungen (zu Abs. 1) 1. Anwendungsbereich. Nach § 260 Abs. 4 Satz 2 erfolgt die Strafaussetzung zur Bewährung (§23 StGB) im Urteil. Die Dauer der Bewährungszeit (§ 24), Bewährungsauflagen (§ 24 a), Bewährungsweisungen (§ 24 b) und Anordnung von Bewährungshilfe (§ 24 c) werden durch Beschluß festgesetzt, der gleichzeitig mit dem Urteil zu verkünden ist (§ 268 a); gegen diesen Beschluß ist Beschwerde nach § 305 a zulässig, über die gegebenenfalls auch das Revisionsgericht als Tatsacheninstanz entscheidet (§ 305 a). Der Anwendungsbereich des § 453 beginnt erst, wenn es sich darum handelt, die zunächst durch den Beschluß nach § 268 a getroffenen Festsetzungen wegen nachträglich hervorgetretener Umstände (vgl. OLG Stuttgart NJW 1969 1220) zu ändern (§§ 24 Abs. 2 Satz 2, 24 d StGB) und über den Widerruf der Strafaussetzung (§ 25 Abs. 1), den Straferlaß oder dessen Widerruf (§ 25 a) zu entscheiden. Grundsätzlich kommen die Entscheidungen nach § 453 erst nach Rechtskraft des Urteils in Betracht, denn die Überwachungsaufgabe des Vollstreckungsgerichts nach § 4 5 3 b hat die Lebensführung des Verurteilten während der Bewährungszeit zum Gegenstand, die erst mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung (§ 24 Abs. 2 Satz 1), also des Urteils (§ 260 Abs. 4 Satz 2) beginnt. Über das Verhältnis der Beschwerde nach § 453 Abs. 3 zur Beschwerde nach § 305 a, wenn das Urteil rechtskräftig ist, vgl. Anm. 5 zu § 305 a. Die in Anm. 1 der Voraufl. erörterte Frage, ob es rechtlich zulässig wäre, daß das Gericht des ersten Rechtszuges schon vor Rechtskraft des Urteils nachträgliche Entscheidungen i. S. des § 24d StGB, § 453 trifft, weil eine Änderung im Rechtsmittelzug nicht in Betracht kommt, z. B. eine Wiedergutmachungsauflage (§ 24 a Abs. 1 Nr. 1) erteilt, weil sich hinterher herausstellt, daß durch die Tat ein Schaden verursacht war, ist hier, weil praktisch kaum bedeutungsvoll, nicht weiter zu erörtern. Jedenfalls entfallt die Möglichkeit eines Widerrufs der Aussetzung vor Rechtskraft des Urteils wegen Begehens einer neuen Straftat, weil nur eine in der Bewährungszeit, also nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils begangene Straftat zum Widerruf führen kann (§ 25 Abs. 1 Nr. 1); entsprechendes gilt für den Verstoß gegen Bewährungsauflagen oder Weisungen (LK = K o f f k a R d n . 8 zu § 25). 2. Vollstreckungsgericht. Begrifflich steht nichts im Wege, das Stadium des Laufs der Bewährungszeit als das der Vollstreckung der „Aussetzungsstrafe" anzusehen und in diesem Sinn das Gericht als Vollstreckungsbehörde im weiteren Sinn anzusprechen, und zwar nicht nur, soweit es belehrt (§ 453 a) oder die Lebensführung des Verurteilten überwacht (§ 453 b), sondern auch, soweit es die „nachträglichen Entscheidungen" i. S. des § 453 erläßt; das Gericht wird als „Vollstreckungsgericht" tätig (ebenso Kl 1; OLG Karlsruhe NJW 1964 1085 = Rpfleger 1964 145 m. Anm. P o h l m a n n ; a. M. H a n a c k JZ 1966 43, 50). Diese Vollstreckungstätigkeit unterscheidet sich aber von der die „Vollstreckungsstrafe" betreffenden, der Vollstreckungsbehörde nach § 451 obliegenden Vollstreckung im engeren Sinn entscheidend dadurch, da sie in vollem Umfang nicht weisungsgebunden ist, sondern unter richterlicher Unabhängigkeit ausgeübt wird, also Rechtsprechungstätigkeit (,justizförmige Verwaltungsakte") darstellt (vgl. Einleitung S. 64f.; dazu kritisch B a u m a n n GA 2363

§ 45 3 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. 13; II 1,2 1958 203). Das ist besonders dort wesentlich, wo der Amtsrichter zugleich Vollstreckungsbehörde ist. 3. Verfahren, a) Die nachträglichen Entscheidungen ergehen durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung. Die entsprechende Vorschrift in § 309, wonach das Beschwerdegericht über eine Beschwerde ohne mündliche Verhandlung entscheidet, wird z. T. dahin verstanden, daß eine mündliche Verhandlung nicht stattfinden dürfe (Kl 1;, s. auch Anm. 1 in diesem Kommentar, je zu § 309). Ob diese Auslegung zutrifft, kann dahingestellt bleiben; jedenfalls kann sie für § 453 nicht gelten. § 453 besagt vielmehr nur, daß es einer mündlichen Verhandlung nicht bedarf, denn es kann dem Gericht nicht verwehrt sein, insbesondere bei einer so einschneidenden Maßnahme wie dem Widerruf, durch mündliche Erörterung mit den Beteiligten ein klares Bild über die zu treffende Entscheidung zu erstreben, wenn ihm der Akteninhalt nicht ausreichend zu sein scheint (ebenso D a l l i n g e r JZ 1953 435; D a l l i n g e r - L a c k n e r Rz. 4 zu § 58 JGG; E b S c h m i d t NachtrBd. I Rz. 4). b) Die Anhörung des Verurteilten und der Staatsanwaltschaft ist zwingend vorgeschrieben (vgl. dazu Einleitung S. 159ff.). Ist die Anhörung versehentlich unterblieben und eine (einfache) Beschwerde im Hinblick auf § 453 Abs. 3 Satz 2 nicht zulässig, so kommt Nachholung des Gehörs nach § 3 3 a in Betracht; bei Anfechtbarkeit der Entscheidung mit sofortiger Beschwerde (Abs. 3 Satz 3) gilt § 311 Abs. 3 Satz 2. Zur Anhörung gehört, daß der Verurteilte zu ihm nachteiligen Tatsachen, die von dritter Seite mitgeteilt wurden, Gelegenheit zur Stellungnahme erhält (OLG Oldenburg NdsRpfl. 1961 138 = NJW 1961 1368). Kommt ein Widerruf in Betracht, so muß die Aufforderung sich zu äußern, deutlich mit dem Hinweis auf die Möglichkeit des Widerrufs verbunden werden (LG Köln JMB1NRW 1959 105). Ausnahmsweise kann beim Widerruf der Aussetzung zur Bewährung eine vorherige Anhörung unterbleiben, wenn der Verurteilte sie selbst vereitelt, indem er sich durch Flucht der drohenden Strafvollstreckung entzieht (OLG Celle NJW 1956 652) oder weisungswidrig einen Wohnungswechsel nicht anzeigt, so daß sein Aufenthalt nicht zu ermitteln ist (OLG Köln NJW 1963 875). Das gleiche gilt, wenn Eile geboten ist, weil der Verurteilte sich zu entziehen droht. In solchen Fällen muß die Anhörung nachträglich erfolgen, sobald sie möglich ist (vgl. BVerfG NJW 1959 427). c) Der Beschluß ist stets zu begründen, auch wenn die Voraussetzungen des § 34 nicht vorliegen (z. B. bei erstinstanzlichen Entscheidungen des OLG, soweit sie nach § 304 Abs. 4 Nr. 5 keinem Rechtsmittel unterliegen). II. Zuständigkeit und Zuständigkeitsübertragung (zu Abs. 2) 1. Zuständigkeit. Für die Nachtragsentscheidungen ist als Vollstreckungsgericht grundsätzlich das erkennende Gericht des 1. Rechtszuges zuständig; insoweit gilt auch hier, was in Anm. II 1 zu § 462 ausgeführt ist. Es ist also auch hier, wenn die Sache nach § 354 Abs. 2 an ein anderes Gericht zurückverwiesen wurde, das Gericht zuständig, das zum erstenmal erstinstanzlich entschieden hat (ebenso OLG Köln NJW 1972 1291; a. M. - mit Rücksicht auf die ratio legis bei Änderung des § 354 Abs. 2 durch das StPÄG v. 19. 12. 1964 - OLG Frankfurt NJW 1972 1065; R a a c k e NJW 1966 1697). 2. Zuständigkeitsübertragung, a) Voraussetzungen. Das zuständige Vollstreckungsgericht kann nach Abs. 2 Satz 2 seine Zuständigkeit ganz oder teilweise auf das Amtsgericht des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verurteilten übertragen. Nicht übertragbar ist die Entscheidung über die Strafaussetzung selbst für die ganze Strafe nach § 25 StGB oder die Reststrafe nach § 26 StGB, § 454 Abs. 3 (OLG Hamm MDR 1972 439). Zuständig für die Übertragung ist nur das Gericht des ersten Rechtszuges, also das Gericht, das in der Strafsache im 1. Rechtszug erkannt hat, oder das Gericht, das nach § 460 die Gesamtstrafe gebildet hat. Das Berufungsgericht ist dazu auch dann nicht zuständig, wenn das erste Gericht die Strafaussetzung versagt und erst das Berufungsgericht sie gewährt hat (BGH GA 1967 22 = DRiZ 1966 381 = NJW 1966 2022); auch das mit einer nach § 453 Abs. 3 zulässigen Beschwerde befaßte Beschwerdegericht kann eine Übertragung nach

2364

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 453 Anm. II 2

§ 453 Abs. 2 Satz 2 nicht anordnen (OLG Hamm MDR 1972 439). Die Übertragung ist nur zulässig auf das Amtsgericht, d. h. den Amtsrichter als Einzelrichter, nicht auf das Schöffengericht (BGHSt. 10 290 = NJW 1957 1243; NJW 1966 2022 = GA 1967 22). Die Übertragung ist ohne Rücksicht darauf zulässig, ob der Verurteilte schon bei dem Wirksamwerden der bedingten Aussetzung seinen Wohnsitz dort hatte oder ihn erst später verlegt hat. Damit soll, ebenso wie mit der entsprechenden Vorschrift in § 58 Abs. 2 J G G ermöglicht werden, daß ein „entscheidungsnäherer" Richter die erforderlichen Entscheidungen trifft ( D a l l i n g e r - L a c k n e r Rz. 10 zu §58). Ein Bedürfnis für die Zuständigkeitsübertragung fehlt in der Regel, wenn das erkennende Gericht von besonderen Auflagen und Weisungen abgesehen hat oder der Verurteilte die Auflagen bereits erfüllt hat oder den Weisungen nachgekommen ist, so daß die Entscheidung über den Erlaß der Strafe nur noch davon abhängt, ob der Verurteilte sich während der Bewährungszeit vorwurfsfrei führt (BGH NJW 1958 560 = MDR 1958 360). Das übertragende Gericht muß das Amtsgericht, dem die Zuständigkeit übertragen werden soll, genau, d. h. regelmäßig namentlich bezeichnen; also nicht: „dem für den Wohnsitz des Verurteilten zuständigen Amtsgericht", wenn der Wohnsitz des Verurteilten im Zeitpunkt der Beschlußfassung noch gar nicht ermittelt ist (OLG München MDR 1958 118). Wegen der systematischen Bedeutung der ZuständigkeitsÜbertragung vgl. die Vorbem. vor § 156 GVG). b) Ablehnung der Übernahme. Änderung der Übertragung. Das Amtsgericht, dem die Zuständigkeit übertragen wird, kann die Übernahme nicht ablehnen. Hat es gegen die Übernahme Bedenken, insbesondere solche der Zweckmäßigkeit, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht, also, wenn die beiden Gerichte in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken liegen, der Bundesgerichtshof (dies gilt auch, wenn die beiden Gerichte in verschiedenen OLG-Bezirken des Landes Bayern liegen; das BayObLG ist dann nicht zur Entscheidung zuständig. BGHSt. 11 80; BayObLG MDR 1957 696). Mit der Übernahme entfallt zwar im Umfang der Übertragung und für deren Dauer die Zuständigkeit des bisher zuständigen Gerichts. Jedoch scheidet die Sache nicht endgültig aus dem Veranwortungsbereich des übertragenden Gerichts aus. Die Übertragung ist vielmehr abänderbar. Das übertragende Gericht hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, bei Änderung der Verhältnisse seine Entscheidung nachzuprüfen und ggf. zu ändern (BGHSt. 24 26, 28 = NJW 1971 291 = MDR 1971 231; NJW 1972 1289). Das übernehmende Gericht kann, wenn nachträglich Bedenken gegen die Aufrechterhaltung der Übertragung hervortreten, bei dem übertragenden Gericht die Rücknahme der Übertragung anregen, insbesondere, wenn bei einem Wechsel des Aufenthaltsortes durch den Verurteilten der Gesichtspunkt der Entscheidungsnähe entfallt. Eine Entscheidung des gemeinsamen oberen Gerichts ist dann erst erforderlich, wenn das übertragende Gericht sich mit der Aufhebung der Übertragung nicht einverstanden erklärt (BGHSt. 11 80 = NJW 1958 191). Eine Zurücknahme der Übertragung kommt insbesondere zu dem Zweck in Betracht, bei einem erneuten Wohnsitzwechsel des Verurteilten die nachträglichen Entscheidungen dem für diesen Wohnsitz zuständigen Amtsgericht zu übertragen, denn das Amtsgericht, dem zuerst übertragen wurde, ist seinerseits nicht in der Lage, bei erneutem Wechsel des Wohnsitzes seine Entscheidungsbefugnis einem dritten Gericht zu übertragen (BGHSt. 11 332 = NJW 1958 1006 = MDR 1958 620; BGHSt. 24 28 = MDR 1971 231). c) Umfang der Übertragung. Die Übertragung kann ganz oder teilweise erfolgen. Es kann sich also z. B. das übertragende Gericht die Entscheidung über Widerruf oder Straferlaß vorbehalten. Aus der Möglichkeit einer Teilübertragung ergibt sich ohne weiteres, daß die Übertragung auch noch möglich ist, nachdem das übertragende Gericht selbst schon Nachtragsentscheidungen erlassen hatte. d) Wirkung der Übertragung. Die Übertragung bewirkt, daß das Amtsgericht im Umfang der Übertragung nicht nur für die förmlichen Nachtragsentscheidungen, sondern für alle Aufgaben zuständig wird, die dem Vollstreckungsgericht im Aussetzungsstadium obliegen, also auch zur Überwachung gemäß § 453 b, zur Bestellung eines neuen Bewährungshelfers, für die Erteilung von Weisungen an diesen. e) Unanfechtbarkeit. Gegen die Übertragungsanordnung oder gegen eine die Übertragung ablehnende Entscheidung steht weder dem Verurteilten noch der Staatsanwaltschaft 2365

§ 453 Anm. III 1, 2; IV 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

ein Beschwerderecht zu, da § 453 Abs. 3 Rechtsmittel nur gegen die Entscheidungen nach Abs. 1 vorsieht (OLG Hamm MDR 1972 439). III. Voraussetzungen der nachträglichen Entscheidungen nach Abs. 1. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen sind hier wegen des Zusammenhangs nur zu 2 Fragen summarisch zu erörtern; wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungswerke zum StGB verwiesen. 1. Die Bewährungszeit kann grundsätzlich nur vor ihrem Ablauf verlängert werden (§ 24 Abs. 2 Satz 2). Nur dann kommt die „Verlängerung" einer bereits abgelaufenen Bewährungszeit (in Wirklichkeit handelt es sich um die neue zusätzliche Festsetzung einer Bewährungszeit, bei der die bisherige und die neue Bewährungszeit zusammen die Dauer von 5 Jahren — § 24 Abs. 1 StGB — nicht überschreiten darf) in Betracht, wenn das Gericht gemäß § 25 Abs. 2 StGB von einem Widerruf absieht und die Bewährungszeit verlängert (OLG Hamm MDR 1971 318 = NJW 1971 719); mit einer solchen Verlängerung können denn auch weitere als die bisherigen Auflagen und Weisungen verbunden werden (vgl. OLG Frankfurt NJW 1971 720). 2. Der Widerruf der Strafaussetzung kann während der Bewährungszeit und nach ihrem Ablauf erfolgen. Streitig ist dabei angesichts des Fehlens einer gesetzlichen Vorschrift, innerhalb welchen Zeitraums nach Ablauf der Bewährungszeit (vor Eintritt der Verjährung und vor Straferlaß) ein Widerruf zulässig ist (vgl. über den Stand der Streitfrage O s k e MDR 1966 290; L K - K o f f k a Rdn. 17; D r e h e r 2, je zu § 25 StGB; OLG Hamm NJW 1972 500). Grundsätzlich gilt, daß das Gericht aus rechtsstaatlichen Gründen darauf bedacht sein muß, die Entscheidung über Widerruf, Maßnahmen nach § 25 Abs. 2 StGB oder Straferlaß sobald als möglich und ohne vermeidbare Verzögerungen zu treffen (vgl. etwa OLGe. Schleswig SchlHA 1959 270; Hamm MDR 1966 165; NJW 1972 500; KG JR 1967 307). Dieser Gesichtspunkt kann jedoch nicht dazu führen, praeter legem starre Höchstfristen oder gar solche von verhältnismäßig kurzer Dauer (etwa von 6 Monaten: so K G JR 1958 189; OLG Schleswig SchlHA 1959 270; LG Dortmund NJW 1968 1149) aufzustellen, nach deren Ablauf der Widerruf ausgeschlossen und der Straferlaß geboten wäre, denn auch mit dem erforderlichen Nachdruck betriebene Ermittlungen können sehr zeitraubend sein. Das Gesetz hat deshalb — anders als beim Widerruf des Straferlasses (vgl. § 25 a Abs. 2 Satz 2) — mit gutem Grund von der Festsetzung starrer Höchstzeitgrenzen abgesehen (vgl. dazu OLGe. Düsseldorf MDR 1969 683; Hamburg NJW 1970 65; Hamm NJW 1972 500; LG Weiden MDR 1970 940; D r e h e r 2; L a c k n e r - M a a s s e n 2a, je zu § 25 StGB). Spätestens ist die Entscheidung zu treffen, wenn keine begründete Aussicht besteht, über das Vorliegen von Widerrufsgründen (§ 25 Abs. 1) Feststellungen treffen zu können (KG JR 1967 301). Verbleibende Zweifel an den Voraussetzungen eines Widerrufs schlagen zugunsten des Verurteilten aus ( L a c k n e r - M a a s s e n 2a zu § 2 5 a StGB), denn nach § 2 5 a Abs. 1 Satz 1 hat das Gericht die Strafe zu erlassen, wenn es die Strafaussetzung nicht widerruft, d. h. (so deutlicher § 78 Abs. 2 StGB-Entw. 1962), wenn es nicht feststellen kann, daß die Voraussetzungen des Widerrufs (oder einer milderen Maßnahme nach § 25 Abs. 2) vorliegen; es bleibt dann aber unter den Voraussetzungen des § 25 a Abs. 2 die Möglichkeit eines Widerrufs des Straferlasses. IV. Rechtsmittel (zu Absatz 3) 1. Übersicht, a) Gegen die in Abs. 1 bezeichneten Nachtragsentscheidungen ist nach Abs. 3 Satz 1 grundsätzlich einfache Beschwerde zulässig. Abs. 3 Satz 3 sieht davon Ausnahmen vor: der Widerruf der Aussetzung (§ 25 StGB), der Erlaß der Strafe (§ 25 a Abs. 1) und der Widerruf des Erlasses (§ 25 a Abs. 2) ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die Bedeutung des Abs. 3 Satz 2, der die in Abs. 3 Satz 1 vorgesehene einfache Beschwerde einschränkt, ergibt sich aus folgender Überlegung: Abs. 3 Satz 2 stimmt — bis auf die Worte „oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist" — wörtlich mit § 305 a Abs. 1 Satz 2 überein, der die Anfechtbarkeit des Beschlusses regelt, in dem erstmals die auf die Aussetzung zur Bewährung sich beziehenden Anordnungen getroffen worden sind (§ 268 a StPO, §§ 2 4 - 2 4 c StGB). Der Sinn des § 453 Abs. 3 Satz 2 geht also dahin, die nachträglichen Änderungen des Auflagenbeschlusses hinsichtlich der Anfechtbarkeit in 2366

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 453 Anm. IV 2 , 3

gleicher Weise zu behandeln wie die ursprünglich im Auflagenbeschluß getroffenen Einzelanordnungen; die Anfechtbarkeit ist in gleicher Weise beschränkt, als seien die nachträglichen Änderungen bereits im Beschluß nach § 268 a enthalten gewesen. b) Danach ergibt sich folgendes Bild: Abs. 3 Satz 2 gilt, soweit er die Beschwerde auf die Rüge der Gesetzwidrigkeit der Anordnung beschränkt, für die nachträgliche Verkürzung der Bewährungszeit bis auf das Mindestmaß (§ 24 Abs. 2 Satz 2) und für die Nachtragsentscheidungen nach § 24 d StGB, die den ursprünglichen mit dem Urteil verkündeten Beschluß des § 268 a nachträglich ändern oder aufheben. Der Widerruf der Strafaussetzung kann mit der Begründung angefochten werden, daß die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 nicht vorgelegen hätten oder eine mildere Maßnahme i. S. des § 25 Abs. 2 ausreichend sei. Die sofortige Beschwerde gegen den Straferlaß kann ebenfalls darauf gestützt werden, daß Widerruf der Strafaussetzung oder eine mildere Maßnahme nach § 25 Abs. 2 geboten gewesen sei. Wird dagegen die nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit angefochten, so kann nicht nur Gesetzwidrigkeit gerügt, sondern jede andere Form der Beschwer geltend gemacht werden. Ebenso kann die Beschwerde gegen die Ermessensentscheidung („kann") nach § 25 a Abs. 2 auf unrichtige Ermessensausübung gegründet werden. Entscheidungen, durch die Anträge auf Anordnungen nach §§24 Abs. 2 Satz 2, 24 d, 25, 25 a Abs. 2 abgelehnt werden, unterliegen ohne die Beschränkungen des § 453 Abs. 3 Satz 2, 3 stets der einfachen Beschwerde (vgl. OLGe. Braunschweig NJW 1954 364; Hamm NJW 1963 1165; Hamburg NJW 1963 231 = JR 1963 231; s. unten IV 5). 2. Erlaß der Strafe Der Erlaß der Strafe war vor der Änderung des Abs. 3 durch das 1. StrRG v. 25. 6. 1969 (oben vor I) hinsichtlich des sachlichen Inhalts der Entscheidung (vgl. dazu Anm. 7 a der Vorauflage) nicht anfechtbar. Da das vorgenannte Gesetz aber in § 25 a Abs. 2 — entsprechend dem Vorschlag in § 78 Abs. 2 StGB-Entw. 1962 — den Widerruf des Erlasses zugelassen hat, war es zwangsläufig, der Staatsanwaltschaft das Recht der sofortigen Beschwerde zu geben; andernfalls hätte sie, wenn ihr alsbald nach dem Ergehen des Straferlasses ein Widerrufsgrund bekannt wurde, das (als Ausnahmeregelung gedachte) Widerrufsverfahren betreiben müssen. Das Recht zur sofortigen Beschwerde ist aber nicht auf den Fall des Hervortretens eines Widerrufsgrundes i. S. des § 25 a Abs. 2 StGB beschränkt, die sofortige Beschwerde kann auch darauf gestützt werden, daß das Gericht zu Unrecht die Strafe erlassen habe, statt die Aussetzung nach § 25 zu widerrufen. Auch schwerwiegende Verfahrensverstöße — Straferlaß vor Ablauf der Bewährungszeit, Straferlaß durch das Amtsgericht, dem die Zuständigkeit nach Abs. 2 Satz 2 nur teilweise übertragen wurde, indem sich das übertragende Gericht den Straferlaß vorbehielt, Entscheidung ohne Anhörung der Staatsanwaltschaft — können nur mit sofortiger Beschwerde geltend gemacht werden. Nur die einfache Beschwerde des § 453 Abs. 3 Satz 1 ist dagegen gegeben, wenn das Gericht einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf ablehnt oder statt des Widerrufs Maßnahmen gemäß § 25 Abs. 2 StGB beschließt. Daraus, daß nach § 453 Abs. 1 Satz 2 außer dem Angeklagten nur die Staatsanwaltschaft zu hören ist, ist zu folgern, daß das Recht der sofortigen Beschwerde gegen den Erlaß der Strafe nur der Staatsanwaltschaft, nicht etwa auch dem Privat- oder Nebenkläger zusteht. Der rechtskräftig gewordene Straferlaßbeschluß bezieht sich nur auf die ausgesetzte Freiheitsstrafe, nicht auf Nebenkosten und Nebenfolgen. 3. Widerruf der Aussetzung a) Anfechtungsgründe. Vorläufige Sicherungsmaßnahmen. Nachprüfung nach Rechtskraft. Er ist nach Abs. 3 Satz 3 mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Sie kann, da hier die Beschränkung der Beschwerdegründe in Abs. 3 Satz 2 nicht gilt, von dem Verurteilten wie von der Staatsanwaltschaft (zugunsten des Verurteilten) darauf gestützt werden, daß die in § 25 Abs. 2 StGB bezeichneten Voraussetzungen des Widerrufs nicht vorlägen oder eine mildere Maßnahme nach § 25 Abs. 3 StGB ausreiche. Vorläufige Maßnahmen zur Sicherung der Vollstreckung, wenn Widerruf der Aussetzung in Betracht kommt, kennt die 2367

§453 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. IV 3 StPO — im Gegensatz zu § 61 JGG — nicht (vgl. dazu unter d). Die Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses steht einer erneuten Nachprüfung im Verfahren nach § 458 Abs. 1 nicht entgegen, wenn Tatsachen geltend gemacht werden, die die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zulassen würden (OLG Oldenburg NJW 1962 1169 = MDR 1962 670 = NdsRpfl. 1962 88). b) Vollstreckung der Strafe erst nach Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses. Streitig ist, welche Rechtsfolgen die Anfechtbarkeit in der Zeit vom Erlaß des Widerrufsbeschlusses und vor Eintritt seiner Rechtskraft zeitigt. Die früher herrschende Meinung (vgl. die Nachweise bei H a n a c k JZ 1966 43 Fußn. 3), die auch in der Vorauflage (IX 5 zu § 451) vertreten. wurde, wertete den Widerruf als die Beseitigung eines der Vollstreckung entgegenstehenden Hindernisses, die mit dem Erlaß des Widerrufbeschlusses wirksam werde und es trotz Anfechtung bleibe, soweit nicht das Beschwerdegericht die Vollziehung aussetzt (§ 307); zur Erzwingung des Strafantritts kann danach die Vollstreckungsbehörde die in § 457 bezeichneten Maßnahmen ergreifen. Diese Betrachtungsweise ist inzwischen mit Recht von der heute h. M. aufgegeben. Nach ihr enthält das auf Strafaussetzung zur Bewährung lautende rechtskräftige Urteil zunächst noch keinen der Vollstreckung fähigen Strafausspruch. Die Vollstreckbarkeit des Strafausspruchs wird dem Urteil vielmehr erst durch den gestaltenden Akt des Widerrufs der Strafaussetzung beigelegt, der seinerseits nach dem Grundgedanken des § 449 den Strafausspruch erst vollstreckungsfähig macht, wenn der Widerrufsbeschluß rechtskräftig geworden ist (so — von Nuancen der Begründung abgesehen - LG Mannheim NJW 1963 673; 1964 415; OLGe. Karlsruhe NJW 1964 1085 und (im Ergebnis) Braunschweig NJW 1971 1710; im Schrifttum mit ausführlicher Begründung H a n a c k JZ 1966 45, 50 m. w. Nachw.). Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Für sie spricht, daß sinnvollerweise ein rechtskräftiger Urteilsausspruch, eine rechtskräftig festgesetzte Strafe sei bis auf weiteres nicht zu vollziehen, erst hinfällig wird, wenn eine spätere Entscheidung, die das rechtskräftig festgesetzte Vollstreckungshindernis beseitigt, ihrerseits rechtskräftig geworden ist. Das entspricht sowohl dem Grundrecht des Schutzes der persönlichen Freiheit (Art. 2, 104 GG) wie dem Grundgedanken des § 449, der — richtig verstanden — wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit die Vollstreckung der Freiheitsstrafe grundsätzlich erst zuläßt, wenn nicht nur der Strafausspruch, sondern auch dessen Vollziehbarkeit rechtskräftig festgestellt ist, sofern es ausnahmsweise zusätzlich zum rechtskräftigen Strafausspruch einer besonderen Entscheidung bedarf, die die Vollstreckung erst zuläßt. Andernfalls verlöre die in § 453 Abs. 3 Satz 3 statuierte Anfechtbarkeit des Widerrufsbeschlusses mit sofortiger Beschwerde ihre Bedeutung. Aus § 307 Abs. 1 kann nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. Denn diese Vorschrift enthält die immanente Einschränkung, daß sie unanwendbar ist, wenn nach Sinn und Zweck der die Anfechtbarkeit regelnden Vorschrift eine beschwerdefähige Entscheidung Rechtswirkung erst entfalten soll, falls sie ihrerseits die Rechtskraft erlangt hat (ebenso K l 1 zu § 307). So liegt es aber bei dem Widerrufsbeschluß: indem er das rechtskräftige Urteil, soweit es in Form der Strafaussetzung die Nichtvollstreckbarkeit anordnet, aufhebt, stellt er sich als urteilsähnliche Entscheidung dar, die die Vollstreckbarkeit des Strafausspruchs erst schafft; erst jetzt liegt ein der Vollstreckung fähiges Strafurteil i. S. des § 449 vor. Nach § 14 StVollstrO ist die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift des erkennenden Teils des Widerrufsbeschlusses weitere urkundliche Grundlage der Vollstreckung i. S. des § 451. c) Öffentliche Zustellung des Widerrufsbeschlusses. Sicherungsmaßnahmen. Nachträgliches rechtliches Gehör. Eine andere Frage ist, welche Maßnahmen, wenn der Verurteilte flüchtig ist oder sich verborgen hält, zulässig sind, um die Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses herbeizuführen und dann mit Maßnahmen nach § 457 beginnen zu können, und welche Maßnahmen zur Sicherung der Strafvollstreckung bereits im Stadium zwischen dem Erlaß des Widerrufsbeschlusses und dem Eintritt seiner Rechtskraft in Betracht kommen. Die Antworten lauten verschieden. aa) Nach LG Mannheim NJW 1964 415 ist die Herbeiführung der Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses durch dessen öffentliche Zustellung (§ 40 Abs. 2) nicht angängig, weil sonst durch den Eintritt der Rechtskraft dem unauffindbaren Verurteilten der Anspruch auf rechtliches Gehör entzogen würde; dagegen bleibe die Möglichkeit, einen Untersuchungs2368

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§453 Anm. IV 3

haftbefehl nach §§ 21 ff. zu erlassen, da der allgemeine Grundsatz, daß es nach Rechtskraft des Urteils keine Untersuchungshaft gebe, bei der besonderen Lage des Falles nicht gelten könne. Die h. M. sieht dagegen mit Recht kein rechtliches Hindernis, den Widerrufsbeschluß öffentlich zuzustellen (aber erst, wenn sich das Gericht aller ihm zu Gebote stehenden zumutbaren Mittel zur Erforschung des Aufenthalts des Zustellungsadressaten bedient hat und diese Bemühungen erfolglos waren; OLG Hamm MDR 1972 259), weil derjenige, der durch sein Verhalten seine vorherige Anhörung unmöglich macht, das Recht auf vorgängiges Gehör verwirkt; der Verurteilte hätte es sonst in der Hand, durch Vereitelung der vorgängigen Anhörung den Erlaß des Widerrufsbeschlusses unmöglich zu machen (vgl. OLGe. Celle NJW 1956 642; Köln NJW 1963 875). Sein Ansrpch auf rechtliches Gehör bleibt aber insofern gewahrt, als er nach § 33 a nach seiner Ergreifung trotz Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses nachträglich Einwendungen gegen diesen vorbringen kann (vgl. OLGe. Karlsruhe NJW 1964 1085; Braunschweig NJW 1971 1710 = GA 1971 250; H a n a c k JZ 1966 51; T h e u e r k a u f MDR 1965 179; W e i ß JZ 1967 584; P o h l m a n n II l a zu § 1 4 StVollstrO). Darüber wird der Ergriffene spätestens bei seiner Aufnahme in die Strafanstalt belehrt (vgl. § 29 Abs. 3 StVollstrO). bb) Im übrigen differieren die Vertreter der vorgeschilderten h. M. in zwei Punkten: a) Untersuchungshaftbefehl. Nach OLG Karlsruhe aaO. ist im Stadium zwischen Erlaß und Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses der Erlaß eines Untersuchungshaftbefehls nicht möglich; erst der Eintritt der Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses ermöglicht Maßnahmen zur Ergreifung des Verurteilten. Demgegenüber wird mit Recht die Auffassung vertreten (vgl. insbes. H a n a c k aaO. 51 f.), daß begriffliche Bedenken gegen den Erlaß eines Untersuchungshaftbefehls nicht bestehen, weil dem Strafurteil vor Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses die Vollstreckbarkeit fehlt und insofern die Rechtslage nicht entscheidend anders ist, als wenn ein Strafurteil nur im Strafausspruch oder nur wegen Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung angefochten ist, was nach h. M. die Anordnung oder Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft nicht ausschließt. Das praktische Bedürfnis entscheidet demgemäß, ob sich das Gericht mit dem Erlaß eines Haftbefehls oder der öffentlichen Zustellung des Widerrufsbeschlusses begnügt oder beide Maßnahmen kombiniert; nach H a n a c k aaO. S. 52 verdient im allgemeinen der Erlaß des Untersuchungshaftbefehls als das einfachere und „mildere" Mittel den Vorzug gegenüber der öffentlichen Zustellung; letztere komme in Betracht, wenn Untersuchungshaft wegen Fehlens der Voraussetzungen der §§ 112 fT. nicht angeordnet werden dürfe, oder wenn sie sich nach der Gesamtsituation als das im Einzelfall geeignetere Mittel darstelle. Doch wird auch von H a n a c k die Zulässigkeit der gleichzeitigen Ergreifung beider Maßnahmen nicht in Zweifel gezogen. ß ) Weitere Zweifel betreffen die Art der Durchführung des „Nachverfahrens", wenn der Verurteilte ergriffen wird, die mit der öffentlichen Zustellung in Lauf gesetzte Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde bereits abgelaufen ist und — dem Regelfall entsprechend — die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist nicht vorliegen (vgl. dazu OLGe. Köln NJW 1963 875; Braunschweig NJW 1971 1710 = GA 1971 250; Frankfurt NJW 1972 1095). Während es im allgemeinen für ausreichend gehalten wird, daß das Gericht erster Instanz die Gegenvorstellung des Verurteilten daraufhin prüft, ob sie ihm Veranlassung geben, den rechtskräftigen Widerrufsbeschluß zu ändern (vgl. § 33 a), gehört nach OLG Braunschweig aaO. (unter Auseinandersetzung mit H a n a c k aaO. 46, 48) zu einer aureichenden nachträglichen Gewährung des rechtlichen Gehörs die Eröffnung des Rechtsmittelwegs in der Weise, daß der Verurteilte binnen einer Woche nach seiner Ergreifung noch sofortige Beschwerde gegen den rechtskräftigen Widerrufsbeschluß einlegen kann; die mit einer solchen nachträglichen Überprüfung des Widerrufsbeschlusses verbundene Einschränkung der Rechtskraft rechtfertige sich aus dem höher zu bewertenden Interesse an der materiellen Richtigkeit der Entscheidung und entspreche dem Grundgedanken der §§ 33 a, 311 a Abs. 1. Gegen eine so weit gehende Rücksichtnahme auf den Verurteilten, der seine vorherige Anhörung selbst vereitelt hat, mit Recht OLG Hamburg NJW 1972 219 m. abl. Anm. K a l l m a n n NJW 1972 1478. d) Reformbestrebungen. Der von der Bundesregierung unter dem 7. 6. 1972 eingebrachte Entwurf eines ersten Ges. z. Reform des Strafverfahrensrechts (1. StVRG) — BT-Drucks. 2369

§453 Anm. IV 4 - 6

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

VI/3478 — schlägt in Art. 1 Nr. 99 im Anschluß an einen ähnlichen Vorschlag in dem vom Bundesrat vorgelegten Entwurf eines Ges. z. Änderung der StPO und des G V G — BTDrucks. VI/1954 — die Einfügung eines dem § 61 J G G nachgebildeten § 453 c vor: „(1) Sind hinreichende Gründe für die Annahme vorhanden, daß die Aussetzung widerrufen wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses, um sich der Person des Verurteilten zu versichern, vorläufige Maßnahmen treffen, notfalls, unter den Voraussetzungen des § 112 Abs. 2 Nr. 1 oder 2, einen Haftbefehl erlassen. (2) Die auf Grund eines Haftbefehls nach Abs. 1 erlittene Haft wird auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe angerechnet. § 33 Abs. 4 Satz 1, §§ 114 bis 115 a, § 119 gelten entsprechend." In § 454 Abs. 3 Satz 1 soll auch auf diesen § 453 c verwiesen werden. 4. Die Verlängerung oder Abkürzung der Bewährungszeit und die nachträglichen Maßnahmen nach § 24 d sind mit der einfachen Beschwerde anfechtbar. Die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit sind aber verschieden. Beschwerde gegen Verlängerung der Bewährungszeit kann sowohl auf Gesetzesverstöße (Verlängerung unter Überschreitung des gesetzlichen Höchstmaßes) wie auch darauf gestützt werden, daß ein die Verlängerung rechtfertigender Grund überhaupt nicht vorliege. Dagegen fallen Angriffe gegen die sonstigen Anordnungen unter Abs. 3 Satz 2, wonach die Beschwerde nur darauf gestützt werden kann, daß eine Anordnung gesetzwidrig sei (vgl. dazu Anm. 2 zu § 305 a). Die Beschwerde gegen eine Verkürzung der Bewährungsfrist kann daher nur auf Gesetzwidrigkeit (z. B. Verkürzung der Bewährungsfrist unter die gesetzliche Mindestzeit) gestützt werden. Die Aufhebung oder Einschränkung von Auflagen, Weisungen und Bewährungshilfe ist, von Verfahrensverstößen abgesehen, praktisch unanfechtbar; die Erteilung von Weisungen und Unterstellung unter einen Bewährungshelfer ist zwar nach dem Gesetzeswortlaut („erteilt Weisungen", § 2 4 b ; „unterstellt der Aufsicht...", 24c) obligatorisch; tatsächlich handelt es sich aber nach der Umschreibung der Voraussetzungen („wenn er dieser Hilfe bedarf...", 24b; „wenn dies angezeigt ist, um...", 24 c) um Ermessensausübung, die nur unter dem Gesichtspunkt der Ermessensüberschreitung (Willkür, Mißbrauch) gesetzwidrig sein könnte. Praktisch beschränkt sich die Zulässigkeit der einfachen Beschwerde wegen materieller Gesetzwidrigkeit auf die nachträgliche Erstanordnung oder die Erweiterung (Verschärfung) bereits angeordneter Bewährungsmaßnahmen. Hier kann z. B. gerügt (die Beschwerde darauf „gestützt") werden, daß die allgemeine Voraussetzung einer nachträglichen Entscheidung — eine gegenüber der Ausgangslage eingetretene oder hervorgetretene Veränderung der Umstände — fehle, daß (entsprechend im Schrifttum vertretener Auffassungen; vgl. dazu L K - K o f f k a Rdn. 6; D r e h e r 1, je zu § 24d) eine Verschärfung der zunächst getroffenen Maßnahmen zuungunsten des Verurteilten nicht oder nur mit Einschränkungen zulässig sei, daß die Auflage oder Weisung unzumutbar sei (§§ 24 a Abs. 1 Satz 2, 24 b Abs. 1 Satz 2), daß der Begriff des Schadens, dessen Wiedergutmachung dem Verurteilten obliegt, verkannt sei (§ 24 a Abs. 2 Nr. 1), daß die nach § 24 b Abs. 3 zur Erteilung der Weisung erforderliche Einwilligung des Verurteilten fehle, daß die getroffene Entscheidung grundgesetzwidrig sei, z. B. eine die Berufungsausübung beschränkende Weisung (§ 24 b Abs. 2 Nr. 1) mit Art. 12 G G nicht vereinbar sei (vgl. dazu etwa neuestens OLG Hamburg N J W 1972 168). Unberührt bleibt stets die Möglichkeit, wegen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften (fehlende Zuständigkeit bei Teilzuständigkeitsübertragung usw.) Beschwerde einzulegen, denn auch sie machen die Anordnung gesetzwidrig. 5. Beschwerdeberechtigter. Soweit der Verurteilte gegen Nachtragsentscheidungen Beschwerde einlegen kann, kann sie auch die Staatsanwaltschaft, und zwar wegen Gesetzwidrigkeit zu seinen Gunsten wie zu seinen Ungunsten, im übrigen zu seinen Gunsten einlegen (§ 296 Abs. 2; vgl. dazu Anm. 4 zu § 305 a). 6. Ablehnung von Aufträgen. Die Sätze 2, 3 des Abs. 3 betreffen den Fall, daß das Gericht „Anordnungen" i. S. der §§ 2 4 - 2 4 d, 25 Abs. 2 StGB trifft, den Widerruf der Aussetzung ausspricht, die Strafe erläßt oder den Erlaß widerruft. Dagegen gilt Abs. 3 Satz 1 (einfache Beschwerde) auch für die Fälle, in denen das Gericht den Antrag eines Verfahrensbeteiligten, eine Anordnung nach § § 2 4 Abs. 2, 24 d StGB zu treffen, den Widerruf der Aussetzung, den Straferlaß oder dessen Widerruf auszusprechen, ablehnt (ebenso L G Mainz NJW 1956 1249 und OLGe. Hamm und Hamburg N J W 1963 1965 f. = JR 1963 231;

2370

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung. (Schäfer)

§ 4 5 3 Anm. V; VI § 453 a Anm. 1

M ü l l e r - S a x 9; a. M. OLGe. Nürnberg MDR 1961 707; Stuttgart MDR 1962 497, die zu Unrecht in der Ablehnung eine „getroffene Anordnung" i. S. des § 453 Abs. 3 Satz 2 erblicken und die Zulässigkeit der Beschwerde verneinen, weil die Ablehnung nicht gesetzwidrig sei; s. auch P u s i n e l l i NJW 1962 902). Einfache Beschwerde findet gemäß Abs. 3 Satz 1 auch statt, wenn das Gericht den Antrag auf Rückerstattung von Bewährungsleistungen entsprechend § 25 Abs. 3 Satz 2 zurückweist (LG Mainz aaO.). V. Bescheidung von Anträgen. Anträge Verfahrensbeteiligter auf nachträgliche Anordnungen, z. B. der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Strafaussetzung oder des Verurteilten auf sofortigen Straferlaß nach Ablauf der Bewährungsfrist, während nach Auffassung des Gerichts die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, muß das Vollstreckungsgericht bescheiden, während es der formlichen Entscheidung durch Beschluß nicht bedarf, wenn ein Nichtverfahrensbeteiligter (etwa ein Angehöriger eines volljährigen Verurteilten) einen Antrag (z. B. auf Abkürzung der Bewährungsfrist) stellt; ein solcher „Antrag" ist lediglich eine Anregung, bei der formlose Bescheidung genügt, und bei der dem Antragsteller auch dann die Beschwerde nach § 453 Abs. 3 Satz 1 nicht zusteht, wenn das Gericht statt formloser Bescheidung die Form des Gerichtsbeschlusses gewählt hat (KG JR 1954 272; OLGe. München MDR 1955 248; Schleswig SchlHA 1958 288). VI. Entsprechende Anwendung des § 453 Nach überwiegend vertretener Auffassung wird, wenn gegen ein Urteil Berufung eingelegt wird, in dem die erkannte Strafe zur Bewährung ausgesetzt war, der erstinstanzliche Auflagenbeschluß mit der die Strafaussetzung zur Bewährung anordnenden Entscheidung des Berufungsgerichts hinfällig; das Berufungsgericht muß über etwaige Auflagen neu entscheiden (vgl. Anm. 5 zu § 305 a). Hat es dies versäumt, so muß es die Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 453 nachholen (vgl. OLG Celle MDR 1970 68 = GA 1970 88 m. w. Nachw.). In entsprechender Anwendung des § 453 Abs. 2 ist auch der Haftrichter, der gemäß § 119 gegen einen Untersuchungsgefangenen eine Hausstrafe verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung aussetzt, auch während einer der Untersuchungshaft nachfolgenden Strafhaft für die weiteren Entscheidungen betr. die ausgesetzte Entscheidung zuständig (OLG Hamburg GA 1970 219).

§ 453 a (1) Ist der Angeklagte nicht nach § 268 a Abs. 2 belehrt worden, so wird die Belehrung durch das nach § 453 Abs. 2 zuständige Gericht erteilt. Der Vorsitzende kann mit der Belehrung ein Mitglied des Gerichts beauftragen oder einen Amtsrichter darum ersuchen. (2) Die Belehrung soll außer in Fällen von geringer Bedeutung mündlich erteilt werden. (3) Der Angeklagte soll auch über die nachträglichen Entscheidungen belehrt werden. Abs. 1 gilt entsprechend. Entstehungsgeschichte: § 453 a ist durch das 3. Strafrechtsänderungsges. vom 4. 8. 1953 (BGBl. I 735) eingefügt. 1. Nachträgliche Aussetzungsbelehrung. Nach § 268 a erfolgt in der Regel im Anschluß an die Verkündung des Beschlusses, der die auf die Strafaussetzung zur Bewährung sich beziehenden Anordnungen enthält, durch den Vorsitzenden die Belehrung des Angeklagten, deren Inhalt § 268 a Abs. 2 im einzelnen bezeichnet. Ist diese Belehrung versehentlich oder aus Zweckmäßigkeitsgründen (z. B. wegen mangelnder Aufnahmefähigkeit des Angeklagten) unterblieben, so ist sie durch das Vollstreckungsgericht nachzuholen. Die Belehrung erfolgt (grundsätzlich mündlich, Abs. 2) durch den Vorsitzenden, einen beauftragten Richter oder im Wege der Rechtshüfe (§157 GVG) durch den ersuchten Amtsrichter, also immer durch einen Richter. Wird Strafaussetzung durch Strafbefehl oder Strafverfügung gewährt, so wird es sich im aligameinen um einen Fall von geringer Bedeutung i. S. des § 453 a Abs. 2 handeln; daher kann mit dem Strafbefehl oder der Strafverfugung eine schriftliche Belehrung verbunden werden ( P e n t z NJW 1954 142; M ü l l e r - S a x 1); ist dies unterblieben, so ist ebenfalls nach § 453 a zu verfahren. Die Unterlassung der Belehrung zieht keine Rechtsfolgen nach sich; steht aber ein Widerruf nach § 25 StGB in Frage, so kann für die zu treffende 2371

§ 4 5 3 a Anm. 2, 3 § 453 b Anm. 1,2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Entscheidung von Bedeutung sein, ob bei dem Verurteilten die Erkenntnis der Bedeutung seines Verhaltens nicht durch fehlende Belehrung beeinträchtigt war. Die Anordnung der Vorführung des Verurteilten zwecks Belehrung über die Bedeutung der Strafaussetzung ist unzulässig (OLG Celle MDR 1963 523). 2. Abs. 3 schreibt eine Belehrung auch bei den nachträglichen Entscheidungen nach § 24 d StGB vor. Abs. 3 ist aber nur eine Sollvorschrift; das bedeutet, daß eine weitere Belehrung, nachdem die allgemeine Belehrung über die Bedeutung der Strafaussetzung bereits erfolgt ist, nur insoweit geboten ist, als ein Bedürfnis besteht, dem Verurteilten die Tragweite der neuen Anordnungen vor Augen zu fuhren. Bei Aufhebung von Auflagen und Verkürzung der Bewährungsfrist bedarf es demgemäß keiner Belehrung. Dagegen ist bei Verlängerung der Bewährungsfrist besonderer Anlaß, den Verurteilten mit Ernst darauf hinzuweisen, daß ihm damit eine Möglichkeit gegeben werde, den Widerruf der Strafaussetzung abzuwenden. Durch die Begründung, die der Nachtragsbeschluß enthalten muß (§§ 34, 453 Abs. 3 Satz 1), kann die Belehrung ersetzt werden, wenn in den Gründen nicht nur ausgesprochen wird, warum eine Verschärfung von Auflagen erfolgen mußte und welche Tragweite die neuen Anordnungen haben, sondern auch auf die Folgen ihrer Nichtbefolgung hingewiesen wird. Die Belehrung geschieht gemäß Abs. 3 Satz 2 auch hier stets durch den Richter; sie kann aber — Abs. 2 ist nicht für entsprechend erklärt — nach freiem Ermessen schriftlich oder mündlich erfolgen. Bei Widerruf der Aussetzung, Erlaß der Strafe und Widerruf des Erlasses kommt eine Belehrung nicht in Betracht, da diese ja nur das Verhalten des Verurteilten während einer Bewährungsfrist zum Gegenstand hat. 3. Wird die Zuständigkeit nach § 453 Abs. 2 Satz 2 auf das Amtsgericht des Wohnsitzes oder Aufenthaltortes übertragen, so obliegt diesem nicht nur die Belehrung über die nachträglich von ihm getroffenen Anordnungen ( § 4 5 3 a Abs. 3), sondern auch die bisher noch nicht erfolgte Belehrung nach § 4 5 3 a Abs. 1; das ergibt sich ohne weiteres daraus, daß § 453 a Abs. 1 Satz 1 wegen der Zuständigkeit der Belehrung auf § 453 Abs. 2, also auf dessen Satz 2 verweist.

§ 453 b (1)Das Gericht überwacht während der Bewährungszeit die Lebensführung des Verurteilten, namentlich die Erfüllung von Auflagen und Weisungen sowie von Anerbieten und Zusagen. (2) § 453 Abs. 2 gilt entsprechend. Entstehungsgeschichte: § 453b wurde eingefügt durch Art. 10 Nr. 10 des StPÄG v. 19. 12. 1964 (BGBl. I 1067). Durch das 1. Strafreformges. v. 25.6. 1969 (BGBl. I 645) wurde der Wortlaut des Abs. 1 („namentlich die Erfüllung... Zusagen") den Änderungen der materiellrechtlichen Vorschriften über die Aussetzung zur Bewährung angepaßt. 1. Bedeutung der Vorschrift. § 453 regelt die Zuständigkeit des Gerichts ausdrücklich nur für Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung beziehen. Der enge Wortlaut führte zu der Zweifelsfrage, wem — dem Gericht oder der Strafvollstreckungsbehörde? — die Überwachung der Lebensführung des Verurteilten während der Bewährungsfrist obliege. Sie wurde ganz überwiegend, insbes. vom BGHSt. 10 288 = NJW 1957 1243 dahin beantwortet, daß die Überwachung Sache des Gerichts sei, doch fehlte es nicht an vereinzelten Gegenstimmen in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. dazu in der Voraufl. Anm. 2a zu § 453). Mit der Einstellung des § 453b brachte das StPÄG v. 20. 12. 1964 eine Bereinigung der Streitfrage im Sinn der h. M. Durch die Zuordnung der Überwachung an das Gericht sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, „daß Gegenstand der Überwachung eine dem Erziehungszweck der Strafe entsprechende Eigenleistung des Verurteilten ist, welche die Vollstreckung des eigentlichen Strafurteilts entbehrlich machet» soll". 2. Umfang der Überwachung. Die Überwachung hat die Lebensführung des Verurteilten während der Bewährungszeit zum Gegenstand. Die Überwachungspflicht beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung (§ 24 Abs. 2 Satz 1 StGB) und endet 2372

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 4 5 3 b Anm. 3 , 4 § 4 5 4 Anm. I; II 1

mit dem Ablauf der — ggf. nach § 25 Abs. 2 verlängerten — Bewährungszeit; sie lebt wieder auf, wenn eine Verlängerung erst nach Ablauf der Bewährungszeit erfolgt (Vgl. OLG Hamm NJW 1971 719 im Anschluß an OLG Oldenburg NJW 1964 2434). Die Überwachung, ob nach Straferlaß die Voraussetzungen eines Widerrufs (§ 25 a Abs. 2) gegeben sind, ist nicht mehr Sache des Gerichts nach § 453 b. 3. Mitwirkung anderer Stellen bei der Überwachung. Daß die Vollstreckungsbehörde, wenn sie von Umständen Kenntnis erhält, die den Widerruf der Aussetzung zur Bewährung (§ 25) oder nachträgliche Entscheidungen nach § 24 d StGB begründen können, sie dem Vollstreckungsgericht bekannt zu geben hat, ergibt sich aus ihrer Amtspflicht, soweit sie im Fall des Widerrufs selbst die Strafe zu vollstrecken hätte; vgl. dazu Nr. 4, 13 der „Mistra". Über Mitwirkung des Bewährungshelfers vgl. § 24 c Abs. 3 Satz 2 bis 4, Abs. 4 Satz 2 StGB. Vgl. ferner AV des J M NJW v. 17. 2. 1970 (JMB1. 61) über Mitwirkung des Rechtspflegers bei der Überwachung der Lebensführung, RdErl. des Hess. J M v. 30. 3. 1971 (JMB1. 272) über Mitwirkung der Gerichtskasse bei der Überwachung der Erfüllung einer Auflage, einen Geldbetrag an die Staatskasse zu zahlen (§ 24 a Abs. 2 Nr. 2 StGB). 4. § 453 b gilt nicht bei einer Strafaussetzung im Wege der Gnade. Hier obliegt die Überwachung nicht der Vollstreckungsbehörde, sondern der Gnadenbehörde (§ 31 der GnadenO v. 6. 2. 1935, D J 203). Der Umstand, daß nach der GnadenO die Vollstreckungsbehörde grundsätzlich Gnadenbehörde war (§ 4) — und es da noch ist, wo die neuen landesrechtlichen GnadenOen diese Regelung beibehalten haben — mag der Grund sein, daß (nach L e i s s - W e i n g a r t n e r Bd. III des Handb. der amtsgerichtlichen Praxis S. 931 und U n g e r Rpfleger 1955 304; 1956 190) in der Praxis meist die Vollstreckungsbehörde die Überwachung ausübt, außer wenn ein Bewährungshelfer bestellt ist.

§454 (1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§ 26 des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und die Strafvollzugsbehörde sind zu hören. Der Beschluß ist zu begründen. (2) Gegen die Entscheidung nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung. (3) Im übrigen gelten die Vorschriften der §§ 453, 453 a Abs. 1 und 3, §§ 453 b, 2 6 8 a Abs. 2 entsprechend. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; sie kann auch dem Leiter der Vollzugsbehörde übertragen werden. Entstehungsgeschichte: § 454 a. F. regelte die Vollstreckung der Todesstrafe. Seinen neuen Inhalt erhielt § 454 durch das 3. Strafrechtsänderungsges. v. 4. 8. 1953 (BGBl. I 735). Durch Art. 10 Nr. 11 StPÄG v. 19. 12. 1964 (BGBl. I 1067) wurde in Abs. 3 auch § 4 5 3 b für entsprechend anwendbar erklärt. Durch Art. 9 Nr. 22 des 1. StrRG v. 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) wurde § 454 der Neufassung des § 26 StGB angepaßt (Ersetzung des bisher verwendeten Ausdrucks „bedingte Entlassung" durch „Aussetzung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung"). I. Die materiellen Voraussetzungen einer Aussetzung des Strafrestes (bisher „bedingte Entlassung") nach § 26 StGB sind hier nicht zu erörtern; insoweit wird auf die Erläuterungswerke zu § 26 StGB verwiesen; vgl. auch OLG Hamm GA 1972 86; MDR 1972 161; Anm. VII zu § 449 wegen des Zusammentreffens mehrerer zeitiger Freiheitsstrafen ohne Gesamtstrafenbildung. Hier sollen nur die verfahrensrechtlichen Fragen behandelt werden. II. Verfahren bei der Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes (zu Absatz 1) 1. Pflicht zur Entscheidung von Amts wegen oder Entscheidung nur auf Antrag? Nach § 26 a. F. StGB stand die bedingte Entlassung im Ermessen des Gerichts („kann"); zur Anordnung der bedingten Entlassung bedurfte es der Zustimmung des Verurteilten. Bei 2373

§ 454 Anm. II 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

dieser Sachlage wurde allgemein angenommen, daß das Gericht, wenn es den Verurteilten bedingt entlasten wollte, von Amts wegen — also ohne einen Antrag abzuwarten — tätig werden konnte. Es war aber nicht verpflichtet, bei jedem Verurteilten, bei dem die formellen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung (Verbüßung von 2 / 3 der Strafe) vorlagen, auch die materiellen Voraussetzungen (günstige Prognose für die Zukunft) von Amts wegen zu überprüfen, sondern es konnte abwarten, ob der Verurteilte oder ein anderer Verfahrensbeteiligter einen Antrag auf bedingte Entlassung stellte (vgl. Anm. 2 der Vorauflage; E b S c h m i d t 4 a ; M ü l l e r - S a x 4 a ; OLG Bamberg MDR 1971 943). Durch Art. 1 Nr. 9 des 1. StrRG ist § 26 für den Normalfall (Verbüßung von 2 / 3 , Abs. 1) die Kann-Vorschrift in eine Muß-Vorschrift umgewandelt worden („setzt die Vollstreckung... aus"); nur für den Ausnahmefall (Aussetzung des Restes schon nach Verbüßung der Hälfte der Strafe) ist es bei der Kann-Vorschrift geblieben (§ 26 Abs. 2). Durch die Umgestaltung des § 26 Abs. 1 in eine Muß-Vorschrift ist zweifelhaft geworden, ob — wie bisher — eine Pflicht des Gerichts zur Entscheidung nur besteht, wenn der Verurteilte oder ein sonstiger Verfahrensbeteiligter einen Aussetzungsantrag stellt (so OLG Bamberg MDR 1971 943; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 2), oder ob das Gericht nach Verbüßung von 2 / 3 der Strafe von Amts wegen zu einer Entscheidung verpflichtet ist (so überwiegend das Schrifttum; vgl. K u n e r t MDR 1969 711; N ö l d e c k e MDR 1972 479; P o h l m a n n III l a zu § 3 6 StVollstrO; L K - K o f f k a Rdn. 29; D r e h e r 6, je zu § 26 StGB). In gewisser Weise haben die Justizverwaltungen durch den neu eingefügten Abs. 2 des § 36 StVollstrO zu der Streitfrage Stellung genommen. Danach hat die Vollstreckungsbehörde darüber zu wachen, daß die Vollzugsanstalt rechtzeitig vor Verbüßung von 2 / 3 der Strafe sich gegenüber der Vollstreckungsbehörde zur Aussetzung des Strafrestes äußert; die Vollstreckungsbehörde hat diese Äußerung mitsamt den Akten und einem Vermerk, wann 2 / 3 verbüßt sind, an die Strafverfolgungsbehörde (§ 454 Abs. 1 Satz 2) weiterzuleiten. Daß die Staatsanwaltschaft die Vorgänge mit eigener Stellungnahme an das Gericht weiterleitet, konnte zwar in der lediglich an die Vollstrekkungsbehörden gerichteten StVollstrO nicht bestimmt werden, wurde aber offenbar als selbstverständlich vorausgesetzt, denn § 36 Abs. 2 StVollstrO wurde zu dem Zweck geschaffen, „sicherzustellen, daß das Gericht die nach § 26 Abs. 1 StGB gebotene Entscheidung über die Aussetzung eines Strafrestes rechtzeitig treffen kann" ( P o h l m a n n III 1 a zu § 36). Die Bedeutung der Streitfrage ist nicht so groß, wie es zunächst den Anschein hat. Im Fall des OLG Bamberg hatte die Staatsanwaltschaft vor Ablauf von 2 / 3 -Verbüßungszeit beantragt, eine Restaussetzung abzulehnen; der Verurteilte hatte keinen Aussetzungsantrag gestellt, sondern lediglich seine Einwilligung zu einer Restaussetzung erklärt. OLG Bamberg meint, sich die Gründe des LG Hof (MDR 1971 943) zu eigen machend, nach der Entstehungsgeschichte der Neufassung des § 26 sei eine Änderung des bisherigen Verfahrens der Strafaussetzung nicht beabsichtigt worden. Eine Verpflichtung des Gerichts, von Amts wegen die Initiative zu ergreifen, würde bedeuten, daß der Verurteilte nach seiner Einwilligung gefragt werden müßte und dadurch oft vergebliche Hoffnungen erweckt würden; die ablehnende Entscheidung, die mit Gründen zu versehen sei, belaste den Verurteilten, wenn er später selbst ein Gesuch stelle; es müsse auch nach einer Ablehnung das Gericht dann immer wieder von neuem von Amts wegen Entscheidungen über die Restaussetzung treffen, und schließlich sei ein Bedürfnis für ein Vorgehen von Amts wegen zu verneinen, weil jeder Verurteilte, der den Wunsch und auch nur die geringste Hoffnung habe, entlassen zu werden, in aller Regel selbst einen Antrag stellen oder seine Stellung veranlassen werde. Diese Bedenken verlieren indessen an Bedeutung, wenn man mit den Vertretern der Gegenmeinung annimmt, daß bei Ablehnung der Restaussetzung ein förmlicher, vorherige Anhörung des Verurteilten voraussetzender und einer Begründung bedürftiger Beschluß, der zugestellt werden muß, nur erforderlich ist, falls die vorzeitige Entlassung von einem dazu Berechtigten beantragt worden ist, während es bei Fehlen eines solchen Antrags genüge, daß das Gericht seine Entscheidung formlos in einem Aktenvermerk niederlegt (vgl. dazu L K - K o f f k a Rdn. 29 zu § 26; N ö l d e k e MDR 1972 479). Ein solches Prozedieren, das der Überprüfung der Entlassungsreife nach § 42 f. StGB beim Maßregelvollzug nahekommt, erscheint beim Schweigen einer ausdrücklichen Regelung zulässig, auch zweckmäßig, weil es doch in der Praxis Fälle gibt, in denen Restaussetzung ohne vorherigen Antrag des Verurteilten gewährt wird ( N ö l d e k e aaO.), und dem Sinn der Umwandlung des § 26 a. F. in eine Muß-Vorschrift angemessen Rechnung trägt. Eine Befragung des Verurteüten nach seiner Einwilligung in 2374

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 454 Anm. II 2—4

eine Aussetzung in allen Fällen, in denen demnächst die formellen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 erfüllt sind, ohne daß der Verurteilte einen Antrag stellt, wie sie in Nordrh.-W. in II 1 der AV v. 12. 5. 1970 (JMB1. NJW 140) gefordert wird („Dabei ist darauf zu achten, daß die Befragung nicht als Zusicherung einer Aussetzung mißverstanden wird"), schießt gewiß über das Ziel hinaus, wenn es sich um von vornherein zu diesem Zeitpunkt offensichtlich aussichtslose Fälle handelt, in denen der Verurteilte selbst mit gutem Grund von eigener Antragstellung absieht, aber selbstverständlich mit einer Aussetzung einverstanden ist. 2. Der Antrag eines Nichtverfahrensbeteiligten — dazu gehören auch der Privat- und Nebenkläger (vgl. O s k e MDR 1964 726) — hat nur die Bedeutung einer Anregung, von Amts wegen zu entscheiden; das in Anm. V zu § 453 Gesagte gilt auch hier. 3. Einwilligung des Verurteilten. Zeitpunkt der Entscheidung a) Nach § 26 StGB bedarf es zu einer Anordnung der Restaussetzung der Einwilligung des Verurteilten, die noch im Zeitpunkt der Rechtskraft des Entlassungsbeschlusses vorliegen muß, also, wenn erteilt, bis zu diesem Zeitpunkt widerruflich ist (OLG Celle NJW 1956 1608). Die Entscheidung kann schon ergehen, bevor 2 / 3 (§ 26 Abs. 1 StGB) oder '/ 2 (§ 26 Abs. 2) der Strafe verbüßt sind (OLG Braunschweig Nds. Rpfl. 1954 110); auch ist nicht erforderlich, daß sich der Verurteilte im Zeitpunkt der Entscheidung im Strafvollzug befindet, so daß eine Entscheidung auch ergehen kann, wenn er auf freiem Fuß ist (OLGe. Düsseldorf NJW 1954 485; Hamm JMB1. NRW 1954 180; München NJW 1956 2110). Die Entscheidung erfolgt durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung; eine mündliche Verhandlung ist aber nicht unzulässig (vgl. Anm. I 3 a zu § 453). 4. Anhörung Beteiligter a) Außer der verfahrensbeteiligten Staatsanwaltschaft ist die StrafVollzugsbehörde zu hören. Vollzugsbehörde ist grundsätzlich der Leiter der Strafanstalt, in der der Verurteilte einsitzt, oder — falls er sich infolge Strafunterbrechung auf freiem Fuß befindet — zuletzt eingesessen hat. Hat bei Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe die Strafanstalt gewechselt und sitzt in dem Zeitpunkt, in dem die Vollzugsbehörde zu hören ist, der Verurteilte erst kurze Zeit in einer Anstalt ein, so muß die Äußerung von der Anstalt eingeholt werden, in der er den wesentlichen oder wenigstens einen längeren Teil der Strafe verbüßt hat, da nur sie auf Grund der im Vollzug gewonnenen Eindrücke in der Lage ist, eine fundierte Stellungnahme über die Bewährungsaussichten abzugeben (OLG Hamburg MDR 1957 311). b) Der Verurteilte ist zwar in § 454 Abs. 1 Satz 2 nicht genannt; aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ergibt sich aber, daß auf Grund einer ungünstigen Stellungnahme der Vollzugsbehörde die bedingte Entlassung nicht abgelehnt werden darf, ohne daß zuvor dem Verurteilten Gelegenheit gegeben worden ist, dazu Stellung zu nehmen (BVerfGE 19 198) Die Unterlassung der vorherigen Mitteilung ist nach OLG Karlsruhe Die Justiz 1968 146 ausnahmsweise unschädlich, wenn der Verurteilte die Gründe der ungünstigen Stellungnahme der Vollzugsanstalt in vollem Umfang aus der die Restaussetzung ablehnenden Entscheidung entnehmen kann und dadurch in der Lage ist, sich durch Einlegung der sofortigen Beschwerde dazu zu äußern. Die Anhörung kann ausnahmsweise unterbleiben, soweit sie den Strafzweck vereiteln oder ernstlich gefährden würde (OLG Hamm JMB1. NRW 1962 294; vgl. dazu BVerfGE 19 202). Der Beschluß ist zu begründen (vgl. Anm. I 3 c zu § 453); formelhafte Wendungen ohne Eingehen auf den konkreten Sachverhalt genügen nicht; die Verwendung von Vordrucken erfordert Vorsicht (vgl. OLG Hamm GA 1970 220). c) § 454 Abs. 1 Satz 2 betr. Pflicht zur Anhörung der Strafvollzugsbehörde ist entsprechend anzuwenden, wenn bei Vollzug einer Freiheitsstrafe vor einer zugleich angeordneten Unterbringung das Gericht gemäß § 42 g Abs. 1 StGB vor dem Ende des Strafvollzugs zu prüfen hat, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert, da es auch bei dieser Entscheidung — in gleicher Weise wie bei der Entscheidung über die Aussetzung 2375

§ 454 Anm. II S ; III

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

einer Reststrafe — von wesentlicher Bedeutung sein kann, wie sich der Verurteilte im Strafvollzug geführt und entwickelt hat (OLG Hamm NJW 1971 1280). d) Anhörung bei bedingter Aussetzung vor Rechtskraft des Urteils. Über die bedingte Aussetzung der Reststrafe kann ausnahmsweise schon vor Rechtskraft des die Freiheitsstrafe festsetzenden Urteils entschieden werden, nämlich dann, wenn infolge Anrechnung von Untersuchungshaft schon 2 / 3 der festgesetzten Strafe als verbüßt anzusehen sind; in diesem Fall kann das erkennende Gericht gleichzeitig mit dem Urteil durch Beschluß die bedingte Entlassung anordnen (BGH MDR 1959 1022 = JZ 1960 29; OLG Köln NJW 1954 205). Es ist dann, wenn der Angeklagte in der Verhandlung die bedingte Entlassung bezgl. des Restes beantragt, die Anhörung der Staatsanwaltschaft dadurch erfolgt, daß dem Sitzungsvertreter Gelegenheit gegeben war, zu dem Antrag Stellung zu nehmen, und einer Anhörung der Untersuchungshaftanstalt bedarf es nicht (OLG Köln JMB1. NRW 1960 107). 5. Beginn der Wirksamkeit des Aussetzungsbeschlusses. Der Beschluß, der die Restaussetzung anordnet, tritt mit seinem Erlaß oder, wenn ein bestimmter Entlassungstag festgesetzt ist, mit dessen Erreichung, nicht erst mit seiner Rechtskraft in Wirksamkeit. Der Verurteilte ist also ggf. alsbald zu entlassen (ebenso G ö k e NJW 1958 1671; P o h l m a n n IV 3 zu § 37 StVollstrO; a. M. OLG Saarbrücken JB1. Saar 1961 147; E b S c h m i d t Anm. 21 und NachtrBd. I Rdn. 8; K r a u s e SchlHA 1961 43: Entlassung mit Rechtskraft des Beschlusses, außer wenn die Staatsanwaltschaft eindeutig zu erkennen gegeben hat, daß sie keine sofortige Beschwerde einlegen werde). Abweichend von § 307 legt aber § 454 Abs. 2 Satz 2 der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft aufschiebende Wirkung bei. Es soll dadurch vermieden werden, daß der Verurteilte auf Grund des angefochtenen Beschlusses in Freiheit gesetzt, auf Grund einer die Restaussetzung versagenden Beschwerdeentscheidung aber wieder eingezogen wird. Ist er aber vor Einlegung der Beschwerde der Staatsanwaltschaft bereits entlassen worden, so bewirkt der Suspensiveffekt, daß bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts die Vollstreckungsbehörde den auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten wieder in Haft nehmen kann (OLG Köln NJW 1954 206; a. M. G ö k e aaO.). Legt ausnahmsweise der Verurteilte gegen den Aussetzungsbeschluß sofortige Beschwerde ein (etwa mit der Begründung, daß seine Aussichten auf Unterkunft und Arbeitsplatz für die Zeit nach seiner Entlassung sich zerschlagen hätten), so wird trotz der Beschränkung des Suspensiveffekts auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft auch seiner Beschwerde diese Wirkung beizulegen sein. Denn sie enthält einen (bis zur Rechtskraft des Entlassungsbeschlusses möglichen, OLG Celle NJW 1956 1608) Widerruf seines Einverständnisses mit der bedingten Entlassung, die zum Erfolg seiner Beschwerde führen muß; dann liegt die Fortsetzung des Vollzugs aber in seinem Interesse (ebenso P o h l m a n n II 2 zu § 14 StVollstrO). III. Rechtsmittel. Gegen den Beschluß, der förmlich auf Versagung (oben II 1) oder auf Anordnung der Restaussetzung lautet, findet nach Abs. 2 Satz 1 sofortige Beschwerde statt. Sie unterliegt naturgemäß nicht den Beschränkungen nach § 453 Abs. 3 Satz 2. Die Verweisung in § 454 Abs. 3 auf § 453 betrifft, soweit sie sich auf § 453 Abs. 3 Satz 2 bezieht, nur die Anfechtung der bei Anordnung der bedingten Entlassung gemachten Bewährungsauflagen usw. und die Dauer der Bewährungsfrist (§ 26 Abs. 3 StGB). Die Entscheidung über die Gewährung oder Versagung der Restaussetzung aber ist in gleicher Weise ohne inhaltliche Beschränkung anfechtbar wie die über die Strafaussetzung nach § 23 StGB (OLG Braunschweig NJW 1954 364). Ficht die Staatsanwaltschaft eine ohne Bewährungsauflagen (§ 26 Abs. 3 StGB) angeordnete Restaussetzung an, weil sie nur eine solche unter Bewährungsauflagen für vertretbar hält, so liegt eine sofortige Beschwerde i. S. des Abs. 2 vor, die ohne Beschränkung zulässig ist; § 453 Abs. 3 Satz 2 spielt hier schon deshalb keine Rolle, weil er sich nur auf „getroffene Anordnungen", nicht auf den Fall bezieht, daß das Gericht Anordnungen gemäß § 24 a bis c StGB zu treffen unterläßt (vgl. Anm. IV 5 zu § 453; so auch im Ergebnis OLG Braunschweig NJW 1963 2182). Vgl. noch Anm. V zu § 453 (kein Beschwerderecht antragstellender Dritter). Wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses ist die sofortige Beschwerde gegen den die Restaussetzung ablehnenden Beschluß unzulässig, wenn der Beschwerdeführer sich nicht gegen die Ablehnung, sondern

2376

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 454 Anm. IV; V 1,2 lediglich gegen die von ihm als diskriminierend empfundenen Gründe der Ablehnung wendet (OLG Stuttgart Die Justiz 1971 146). Wird die Ablehnung der Restaussetzung mit einer Frist nach § 26 Abs. 5 StGB (unten zu IV) verbunden und will der Verurteilte nur die Fristsetzung anfechten, so ist ebenfalls nur sofortige Beschwerde zulässig. Dies ergibt sich, abgesehen davon, daß die Fristsetzung einen Bestandteil der Ablehnung bildet, auch aus der Erwägung, daß mit der Fristaussetzung gewissermaßen bereits die während der Frist gestellten Entlassungsanträge im voraus abgelehnt sind. Der unter dem 4. 4. 1972 von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines EG StGB (BT-Drucks. VI/3250) schlägt in Art. 19 Nr. 114 eine Neufassung des § 454 vor, die schon im Wortlaut deutlich zum Ausdruck bringt, daß die Fristsetzung nach dem dem § 26 Abs. 5 StGB entsprechenden § 57 Abs. 5 StGB i. d. F. des 2. StrRG v. 4. 7. 1969 mit sofortiger Beschwerde anfechtbar ist. IV. Wirkung der Rechtskraft ablehnender Entscheidungen. Nach prozessualen Grundsätzen besagt ein Beschluß, der die Restaussetzung aus tatsächlichen Ermessensgründen versagt und infolge Nichtanfechtung oder Verwerfung der sofortigen Beschwerde rechtskräftig wird, nur, daß im Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen einer bedingten Entlassung nicht gegeben seien. Dies würde auch gelten, wenn in den Gründen ausgeführt wird, daß eine baldige Entlassung erst erheblich später in Betracht komme oder überhaupt nicht gerechtfertigt und volle Verbüßung der Strafe erforderlich sei. Denn diese Gründe nehmen an der Rechtskraft nicht teil. Daraus wurde früher ganz überwiegend (vgl. die Nachw. in Anm. 4 der Vorauflage) die Folgerung gezogen, die rechtskräftige Ablehnung der Restaussetzung hindere die alsbaldige Erneuerung des Antrags auf Restaussetzung nicht, und zwar gleichviel, ob der Beschluß die Restaussetzung nur allgemein als verfrüht bezeichnet, oder ob er einen bestimmten frühesten Entlassungszeitpunkt bezeichnet, und ob der Verurteilte zur Begründung seines Antrags neue Umstände geltend macht. Um aber eine zwecklose Befassung des Gerichts mit alsbald wiederholten aussichtslosen Aussetzungsanträgen auszuschließen, sieht der durch das 1. StrRG v. 25. 6. 1969 eingefügte Abs. 5 des § 26 StGB vor, daß das Gericht im Versagungsbeschluß Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen kann, vor deren Ablauf ein erneuter Aussetzungsantrag des Verurteilten unzulässig ist. Die Frist beginnt mit dem Erlaß des Beschlusses, nicht erst mit seiner Rechtskraft (OLG Hamm NJW 1971 949 mit ausführlicher Begründung; a. M. D r e h e r 6; L K - K o f f k a Rdn. 28). Bei wesentlich veränderten Umständen kann das Gericht die Frist abkürzen oder die Fristbestimmung aufheben. Einer förmlichen Verwerfung des während des Fristlaufs gestellten unzulässigen Antrags bedarf es nicht. Sinngemäß bedarf es auch keiner Nachprüfung der von nichtantragsberechtigten Dritten während der Frist gestellten Anträge. Ein aus besonderem Anlaß gestellter früherer Antrag der Staatsanwaltschaft wird durch die Fristbestimmung nicht ausgeschlossen. Richtet der Verurteilte nach gerichtlicher Ablehnung seines Entlassungsantrags eine ausdrücklich als Gnadengesuch bezeichnete Eingabe an die Staatsanwaltschaft, so darf das Gericht sie nicht als erneuten Antrag auf bedingte Entlassung behandeln (OLG Koblenz NJW 1957 113). V. Entsprechende Anwendbarkeit der §§ 453, 453a, Abs. 1, 3, 453b und § 268a Abs. 2 (zu Absatz 3) 1. Die Festsetzung der Bewährungszeit, die nach § 26 Abs. 3 StGB die Dauer des Strafrestes keinesfalls unterschreiten darf, und die Anordnung von Auflagen usw. können durch besonderen Beschluß, aber auch schon in dem die bedingte Entlassung anordnenden Beschluß getroffen werden. Er ist insoweit nur unter den Voraussetzungen des § 453 Abs. 3 Satz 2 (mit einfacher Beschwerde) anfechtbar (vgl. dazu Anm. III). Der Widerruf der Restaussetzung, der Erlaß der Reststrafe und der Widerruf des Erlasses sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar, die auch hier ohne die Beschränkungen des § 453 Abs. 3 Satz 2 zulässig ist (vgl. OLG Braunschweig NJW 1963 2182). 2. Zuständig für die Entscheidung über die Restaussetzung und über nachträgliche Maßnahmen (§ 453 Abs. 2) ist das Gericht, das im 1. Rechtszug erkannt oder nach § 460 die Gesamtstrafe gebildet hat. Eine Übertragung nach § 453 Abs. 2 Satz 2 kann daher nur dieses Gericht, nicht das Beschwerdegericht aussprechen, das erst auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die ablehnende Entscheidung des 1. Gerichts die Aussetzung des 2377

§ 455 Anm. V 3 , 4 ; VI-VIII

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Strafrestes zur Bewährung angeordnet hat (BGH GA 1967 22 = DRiZ 1966 381 = NJW 1966 2022). Ist eine Gesamtstrafe im Erkenntnisverfahren (§ 76 StGB) gebildet, so ist das Gericht, das im ersten Rechtszug erkannt hat, auch dann für die Entscheidung nach § 454 Abs. 1 zuständig, wenn erst das Berufungsgericht die Gesamtstrafe gemäß § 76 StGB gebildet hat (OLGe. Celle NJW 1961 791; Hamburg GA 1965 215 = NJW 1964 1913; LG Göttingen NJW 1961 475). Das nach § 453 Abs. 2 Satz 1 zuständige Gericht kann wohl die nachträglichen Entscheidungen nach Abs. 2 Satz 2 übertragen, aber nicht die über die bedingte Entlassung selbst; bei Gesamtstrafenbildung nach § 460 muß deshalb das Gericht, das die Gesamtstrafe gebildet hat, auch über die bedingte Entlassung entscheiden (OLG Braunschweig NJW 1954 1131). 3. Die Belehrung über die Bedeutung der Restaussetzung kann — abweichend von § 453 a Abs. 2 — stets nur mündlich erfolgen; der Vorsitzende kann aber nicht nur ein Mitglied des Kollegiums damit beauftragen oder einen Amtsrichter nach § 157 GVG darum ersuchen, sondern die Belehrung auch dem Leiter der Vollzugsanstalt übertragen. Nach dem Zweck der Vorschrift, den Richter mit Rücksicht auf die besonderen Umstände durch ein Organ ersetzen zu können, von dem eine gleichwertige Belehrung wie durch einen Richter erwartet werden kann, muß angenommen werden, daß der Leiter der Vollzugsbehörde — bei Verhinderung sein ständiger Vertreter — sich dieser Aufgabe persönlich zu unterziehen hat und sie nicht auf einen anderen Beamten der Vollzugsanstalt abwälzen kann (ebenso OLG Celle NJW 1958 1009). Ist aber die Belehrung gesetzwidrig durch einen anderen Beamten erfolgt oder gar unterblieben, so steht dies dem Widerruf auf den in § 25 Abs. 1 StGB bezeichneten Gründen nicht entgegen; die fehlerhafte oder unterbliebene Belehrung kann höchstens die Wirkung haben, daß der Entlassene sein Verhalten nicht als gröbliche Verletzung der Bewährungsauflagen (§ 25 Abs. 1 Nr. 2, 3) erkennen konnte (OLG Celle aaO.). 4. Ist die bedingte Entlassung widerrufen worden (§§ 25 Abs. 1, 26 Abs. 3 StGB), so kann sie gleichwohl erneut angeordnet werden; die Rechtskraft des Wiederrufsbeschlusses steht dem nicht entgegen (OLGe. Bremen MDR 1958 262; München MDR 1959 324). VI. Die Ablehnung der bedingten Entlassung durch das Gericht schließt an sich nicht aus, daß die Gnadenbehörde die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung aussetzt. Die Gnadenbefugnisse der Gnadenrechtsinhaber auszuschließen lag nicht in der Macht des Bundesgesetzgebers. Es mag sein, daß es ganz ausnahmsweise Fälle geben kann, die ein Eingreifen der Gnade aus Gründen rechtfertigen, deren Berücksichtigung im Rahmen des § 26 StGB dem Richter nicht möglich ist. Grundsätzlich wäre es aber eine unerträgliche Mißachtung der richterlichen Gewalt und ein Mißbrauch der Gnade, die mit rechtsstaatlichen Erfordernissen nicht zu vereinbaren wäre, wenn die Gnadenbehörde, weil ihr richterliche Entscheidungen nicht gefallen (zu hart erscheinen), sie im Wege der Gnade „korrigieren" wollte. Der Sinn der Schaffung der bedingten Entlassung war, sie aus dem Bereich der Gnade herauszunehmen und zu einem justizförmig gehandhabten Bestandteil des Strafvollzugs umzugestalten; damit ist, von Ausnahmefällen abgesehen, eine Betätigung der Gnade auf diesem Gebiet nicht zu rechtfertigen, und schon gar nicht, wenn sie mehr oder weniger ausgesprochen im Sinne einer Korrektur die Außerkraftsetzung der richterlichen Entscheidung bezweckt (s. auch D a l l i n g e r - L a c k n e r Rdn. 52 zu § 88 JGG). VII. Festsetzung des Beginns der Aussetzung. Bei der Bewilligung der bedingten Entlassung kann das Gericht so verfahren, daß es die Entlassung „nach Verbüßung von 2 / 3 der Strafe" (oder eines größeren Bruchteils) anordnet. Empfehlenswert ist das jedoch nicht, da die Berechnung des Entlassungstages Schwierigkeiten bereiten kann (über die zweckmäßigste Berechnungsmethode in einem solchen Fall s. P o h l m a n n IV zu § 37 StVollstrO). Vielmehr kommt entweder die Festsetzung eines kalendermäßig bestimmten Entlassungstages oder — zur Vermeidung der oben in Anm. II 5 erörterten Schwierigkeiten — die Anordnung in Betracht, daß der Verurteilte mit Rechtskraft des Beschlusses zu entlassen sei ( G ö k e N J W 1958 1672). VIII. Ist ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender vom Erwachsenengericht (§§ 102, 103, 112 JGG) zu Jugendstrafe verurteilt, so entscheidet über die Entlassung zur Bewäh2378

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 455

Anm. 1 1 , 2 rung (§§ 88, 110) der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter, nicht das Erwachsenengericht nach § 26 StGB, § 454 StPO (OLG München MDR 1957 437). §455 (1)Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ist aufzuschieben, wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt. (2) Dasselbe gilt bei anderen Krankheiten, wenn von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist. (3) Die Strafvollstreckung kann auch dann aufgeschoben werden, wenn sich der Verurteilte in einem körperlichen Zustand befindet, bei dem eine sofortige Vollstreckung mit der Einrichtung der Strafanstalt unverträglich ist. Literatur: Pietsch ZStW 36 399; Rixen Monatsschr. f. Krim Psych. 11 550. I. Strafausstand, Strafaufschub, Strafunterbrechung. Begriff und Rechtsnatur 1. Terminologisch ist zu unterscheiden zwischen Strafausstand, Strafaufschub und Strafunterbrechung. Der Oberbegriff des Strafausstands umfaßt jede vorübergehende Aussetzung der Strafvollstreckung. Strafaufschub ist die vor Beginn des Vollzuges, Strafunterbrechung die nach Vollzugsbeginn angeordnete Strafaussetzung. 2. Anwendungsbereich der §§ 455,456. Behandlung der Strafunterbrechung. Die §§ 455, 456 behandeln nur den Strafaufschub, also die Frage, in welchen Fällen der Beginn der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe aufzuschieben ist. Über die Unterbrechung einer schon begonnenen Strafvollstreckung gibt die StPO keine allgemeinen Vorschriften; § 456a läßt aber zu, daß die Vollstreckungsbehörde unter den dort bezeichneten Voraussetzungen sich auch mit der Vollstreckung eines Teils der Strafe begnügen und zu diesem Zweck die Strafvollstreckung unterbrechen kann. Ferner ist in § 458 Abs. 3 neben dem Aufschub auch die Unterbrechung erwähnt; jedoch ist dort, abgesehen von den besonderen Fällen des § 458 Abs. 1, der Fall vorausgesetzt, daß ein Aufschub des Beginns der Vollstreckung beantragt war und vor der endgültigen Erledigung dieses Antrages der Strafvollzug angefangen hatte. Der andere Fall, daß erst im Lauf der Vollstreckung Umstände der in §§ 455, 456 bezeichneten Art eintreten, ist der StPO nicht vorgesehen. Der Grund für diese bewußte Unterscheidung zwischen Aufschub und Unterbrechung mag darin zu finden sein, daß man es nach Beginn des Vollzugs dem pflichtmäßigen Ermessen der Vollstreckungs- und Vollzugsbehörden — unter Ausschluß einer gerichtlichen Nachprüfung nach § 458 Abs. 2 — überlassen wollte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, nachdem sie die Obhut über den Verurteilten mit der sich daraus ergebenden Verantwortlichkeit erlangt haben (vgl. BGHSt. 19 148 = NJW 1964 166). Jedenfalls verbietet es sich angesichts der scharfen Trennung und Unterbrechung, die §§ 455, 456 auf die Unterbrechung entsprechend anzuwenden oder die Unterbrechung als Aufschub des noch nicht vollstreckten Restes zu behandeln (BGH aaO.). Früher wurde z. T. angenommen, daß die Regelung der Unterbrechung der Landesgesetzgebung überlassen sei. Indessen hat sich die der geschichtlichen Entwicklung in Preußen (vgl. S p i t z n e r GA 64 90ff.) entsprechende Auffassung durchgesetzt, daß eine Unterbrechung der Strafvollstreckung aus vollzugstechnischen Gründen oder aus Bedürfnissen der Strafrechtspflege oder des öffentlichen Interesses zum Inhalt der Strafvollstreckung und damit zu den aus § 451 sich ergebenden Befugnissen der Vollstreckungsbehörde gehört (vgl. Anm. 4 zu § 461), während ein über § 456 hinausgehender Strafaufschub mit Rücksicht auf persönliche Belange des Verurteilten und eine Unterbrechung der Vollstreckung aus den in § 456 genannten Gründen in den Bereich der Gnade fallt (vgl. dazu OLGe. Celle GA 43 419; Kolmar GA 39 189; Hamburg GA 50 188, 336; A l s b e r g Entsch. 3 254f.; Breslau A l s b e r g 3 254 a; Köln NJW 1955 234; Bremen Rpfleger 1961 162; Hamm NJW 1964 176; Oldenburg NdsRpfl. 1965 23; München NJW 1968 609; Hamburg NJW 1969. 671; JZ 1969 739; R i x e n Monatsschr. f. KrimPsych. 11 548; O l b r i c h t GA 48 406; M ü l l e r - S a x 1 zu §455; P o h l m a n n I 1 a zu § 45 StVollstrO und Rpfleger 1962 442; JZ 1964 661; A l t e n h a i n JVB1. 1964 158; 1965 265; JZ 1965 760; DRiZ 1970 108). § 458 Abs. 2 ist also insoweit unanwendbar. Auf dem vorgetragenen Standpunkt steht auch 2379

§455 Anm. I 3

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

insbesondere die Justizverwaltungspraxis. § 3 4 der GnadenO vom 6.2. 1935 (DJ 203) besagt: „(1) Gesetzliche Bestimmungen über Aufschub und Unterbrechung der Strafvollstreckung sind namentlich im § 28 des StGB und in den § 47 Abs. 2, 360 Abs. 2, 455, 456, 456 a, 458 Abs. 3 der StPO getroffen. (2) Eine nicht durch besondere gesetzliche Vorschrift zugelassene vorübergehende Aussetzung der Vollstreckung (Strafausstand) ist Ausübung des Begnadigungsrechts, gleichviel, ob sie vor dem Vollzug (Strafaufschub) oder während des Vollzugs (Strafunterbrechung) eintritt." Inhaltlich oder auch wörtlich entsprechende Vorschriften enthalten auch die an die Stelle der ReichsgnadenO getretenen landesrechtlichen Gnadenordnungen (s. die Vorbem. vor § 12 GVG), z. B. § 27 der Hess.GnadenO v. 27. 11. 1968 (JMB1. 595); § 26 der Bay.GnadenO v. 16. 12. 1954 (GVB1. 1955 1 = SaBl. 1955 76). 3. Die hier noch offengelassene Frage, wieweit die aus § 451 ableitbaren Unterbrechungsbefugnisse der Vollstreckungsbehörde reichen, beantworten in Form der Weisung an die Vollstreckungsbehörden die §§ 45, 46 StVollstrO, soweit es sich um die Unterbrechung aus vollzugstechnischen Gründen handelt (vgl. dazu die Anm. zu § 461). Über die Anfechtbarkeit der Ablehnung eines Gesuchs um Unterbrechung wegen Vollzugsuntauglichkeit s. Anm. 6 zu § 461. § 45. Unterbrechung der Strafvollstreckung bei Voraussetzungen

Vollzugsuntauglichkeit.

(1)Die Vollstreckungsbehörde darf die Vollstreckung einer zeitigen Freiheitsstrafe nach Maßgabe der Abs. 2 bis 4 von Amts wegen unterbrechen, wenn der Verurteilte wegen körperlicher oder geistiger Erkrankung nach den Vollzugsbestimmungen vollzugsuntauglich ist. (2) Ist gegen den geistig erkrankten Verurteilten auch auf Unterbringung in einer Heiloder Pflegeanstalt erkannt, so wird die Vollstreckung der Freiheitsstrafe unterbrochen und zunächst die Unterbringung vollzogen (§ 456b Satz 2 StPO). (3) Im übrigen setzt die Unterbrechung voraus, daß auf Grund eines Gutachtens des zuständigen Arztes anzunehmen ist, der Verurteilte werde überhaupt oder doch auf absehbare Zeit nicht wieder vollzugstauglich werden. Ist der Rest der Freiheitsstrafe für sich allein genommen und im Verhältnis zum verbüßten Teil unerheblich, so soll die Unterbrechung nur angeordnet werden, wenn für den Rest ein Gnadenerweis in Aussicht genommen ist. (4) Ist der Zeitpunkt abzusehen, zu dem der Verurteilte voraussichtlich wieder vollzugstauglich wird, so ist eine Unterbrechung zulässig, wenn der Verurteilte sonst einen unverhältnismäßig großen Teil der Strafzeit außerhalb der Vollzugsanstalt zubringen würde (vgl. §461 StPO). (5) Die Vollstreckung darf in den Fällen der Abs. 3 und 4 nicht unterbrochen werden, wenn überwiegende Gründe entgegenstehen.

㤠46. Unterbrechung der Strafvollstreckung Verfahren

bei

Vollzugsuntauglichkeit.

(1)Die Anordnung der Unterbrechung wird der Vollzugsbehörde mitgeteilt; sie wird auch dem Verurteilten unverzüglich bekanntgegeben, sofern er zur Entgegennahme in der Lage ist. (2) Soll die Vollstreckung nach § 45 Abs. 3 oder 4 unterbrochen werden, so teilt die Vollstreckungsbehörde, wenn der Verurteilte a) gemeingefährlich geisteskrank ist, einer Behörde, die für den Antrag auf eine Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt zuständig ist, oder b) mit der Unterbrechung hilfsbedürftig, insbesondere anstaltspflegebedürftig wird, der Fürsorgebehörde, bei Soldaten dem nächsten Disziplinarvorgesetzten, möglichst frühzeitig den Zeitpunkt der bevorstehenden Unterbrechung mit und erklärt dabei, daß der Justizfiskus nach der Unterbrechung entstehende Kosten der Unterbringung und Behandlung des Verurteilten nicht trägt. Die Unterbrechung der Vollstreckung soll in diesen Fällen nicht

2380

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 455 Anm. 1 4 , 5 ; II 1

vor Ablauf von drei Tagen, vom Zeitpunkt dieser Benachrichtigung an gerechnet, angeordnet werden. (3) Hat die Vollzugsbehörde den Verurteilten bereits vor der Unterbrechung in eine Krankenanstalt oder eine Heil- oder Pflegeanstalt verbracht, die nicht dem Vollzug dient, so verständigte die Vollstreckungsbehörde diese Anstalt von der Strafunterbrechung. Diese Mitteilung soll zugestellt werden; mit ihrem Zugang bei der Anstalt wird die Unterbrechung wirksam. In der Mitteilung weist die Vollstreckungsbehörde darauf hin, daß der Justizfiskus von ihrem Zugang an für die Kosten der Unterbringung und Behandlung nicht mehr aufkommt; dieser Hinweis entfällt, wenn die Strafe von einer Behörde der Bundeswehr vollzogen wird. Bei Soldaten verständigt die Vollstreckungsbehörde außerdem den nächsten Disziplinarvorgesetzten von der Strafunterbrechung. (4) Ist ein Soldat bereits vor der Unterbrechung in eine Krankenanstalt außerhalb des Bereichs der Justizverwaltung zu verbringen, so wird er nach Möglichkeit in eine Krankenanstalt der Bundeswehr verbracht. (5) Ist die Strafvollstreckung unterbrochen worden, so müssen die Vollstreckungsbehörde und die Vollzugsbehörde alle Maßnahmen vermeiden, die im Widerspruch zu der angeordneten Unterbrechung darauf hinauslaufen, daß die Verfügung über den Verurteilten aufrechterhalten wird. Die Pflicht der Vollstreckungsbehörde, dafür zu sorgen, daß nach Wiedereintritt der Vollzugstauglichkeit des Verurteilten der Strafvollzug fortgesetzt wird, bleibt unberührt." 4. Unterbrechung der Vollstreckung durch die Vollstreckungsbehörde kraft der aus § 451 sich ergebenden Befugnisse im Hinblick auf Bedürfnisse der Strafrechtspflege sieht die StVollstrO z. B. vor in § 19, wenn von mehreren Mitangeklagten nur ein Teil Revision eingelegt hat, während das Urteil gegen die übrigen rechtskräftig geworden ist und wenn zu erwarten ist, daß das Revisionsgericht nach § 357 die Aufhebung gegen einen der letzteren, der sich schon im Vollzug befindet, erstrecken wird (vgl. Anm. IV zu § 449). 5. Durch gerichtliche Entscheidung kann die Unterbrechung des Vollzugs einer Freiheitsstrafe nur angeordnet werden, wenn dies in gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. die in dem oben zu I 2 angeführten § 34 Abs. 1 GnadenO erwähnten Beispiele); hier ist, von den Fällen des § 458 Abs. 2 abgesehen, auch nicht das Vollstrekkungsgericht zuständig (vgl. §§ 47 Abs. 2,307 Abs. 2, 360 Abs. 2). II. Gerichtliche Nachprüfung 1. Ausschluß bei Strafunterbrechung als Gnadenakt. Ist eine Unterbrechung der Strafvollstreckung aus (den in § 456 Abs. 1 bezeichneten) persönlichen Gründen ein Gnadenakt (s. oben I 2), so folgt aus der jetzt für die Praxis feststehenden grundsätzlichen Injustitiabilität der Gnadenausübung (vgl. BVerfGE 25 352 = NJW 1969 1895; NJW 1971 795; Einleitung S. 67 und die Vorbem. vor § 12 GVG; die Justitiabilität des Widerrufs eines Gnadenerweises — BVerfG NJW 1971 795 — kann in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben), daß bei Ablehnung eines Unterbrechungsgesuches nicht nur § 458 Abs. 2 unanwendbar, sondern eine gerichtliche Nachprüfung überhaupt — also auch nach § 23 EGGVG — ausgeschlossen ist. Diese unterschiedliche Behandlung des Unterbrechungs- gegenüber dem Aufschubgesuch entspricht zwar der formalen Rechtslogik, sachlich entbehrt sie aber einer inneren Berechtigung. Der Entw. Strafvollzugsges. 1927 (§§ 226ff.) wollte — insoweit die derzeitige Rechtshandhabung legalisierend — der Vollstreckungsbehörde die Befugnis einräumen, die Strafvollstreckung zu unterbrechen, wenn der Gefangene geisteskrank wird oder lebensgefährlich erkrankt oder dringende Gründe der Verwaltung es gebieten (z. B. bei teilweiser Zerstörung einer Vollzugsanstalt durch Brand); daneben wollte er aber auch — insoweit über das geltende Recht hinausgehend — unter dem Gesichtspunkt einer Vollstreckungsmaßnahme die Unterbrechung aus den in § 456 StPO genannten Gründen mit Zustimmung des Verurteilten zulassen. Eine solche Behandlung ist auch de lege ferenda allein sachgemäß. Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob es zwingend geboten sei, im geltenden Recht die Behelfskonstruktion der Unterbrechung als Gnadenakt bis zur letzten Konsequenz durchzuführen, ob es sich nicht vielmehr vertreten lasse, daraus, daß die Entscheidung über Unterbrechungsgesuche aus persönlichen Gründen dem sachlichen Gehalt nach in gleicher Weise

2381

§455 Anm. II 2; III—V; VI 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

wie die Entscheidung über Aufschubgesuche aus persönlichen Gründen eine Entscheidung der Vollstreckungsbehörde im Zuge der Vollstreckung darstellt, die Folgerung zu ziehen, daß gegen den ablehnenden Bescheid die Entscheidung des OLG nach §§ 23 ff. GVG herbeigeführt werden könne. Dies ist von OLGe. Bremen JVB1. 1961 292 = Rpfleger 1961 162; Oldenburg NdsRpfl. 1964 280 = MDR 1965 67 und in Anm. 1 d zu § 455 der Vorauflage bejaht worden, ist aber im Hinblick auf eine jahrzehntelange gefestigte Rechtsauffassung nicht durchgedrungen (vgl. OLGe. Hamm NJW 1964 1761; Oldenburg NdsRpfl. 1965 23; Hamburg NJW 1969 672 = Rpfleger 1969 59; München NJW 1968 609; P o h l m a n n I l a zu § 4 5 StVollstrO und Rpfleger 1962 442; A l t e n h a i n JZ 1965 760 und DRiZ 1970 108). Vgl. dazu auch Anm. 1 b zu § 456; Anm. 5 a zu § 456b. 2. Soweit die Vollzugsvorschriften die Vollzugsbehörden zu kurzfristigen Beurlaubungen aus dem Vollzug ermächtigen, z. B. bei Tod oder lebensgefahrlicher Erkrankung von Angehörigen (s. JMB1. NRW 1970 102), handelt es sich ebenfalls um die Ermächtigung zur Ausübung von Gnadenbefugnissen durch die Träger des Gnadenrechts. III. Gründe des Aufschubs. Die in § 455 Abs. 1, 2 bezeichneten Umstände machen einen Aufschub der Vollstreckung notwendig und begründen für den Verurteilten ein Recht darauf. Der Aufschub aus den Gründen des § 455 Abs. 3 und des § 456 ist in das Ermessen der Vollstreckungsbehörde gestellt, doch unterliegt auch hier eine den Aufschub ablehnende Entscheidung der gerichtlichen Nachprüfung nach § 458 Abs. 2. Die §§ 455, 456 enthalten aber keine erschöpfende Regelung des Strafaufschubs. Sie bestimmen nur, wann aus Gründen, die in der Person des Verurteilten liegen, ein Strafaufschub notwendig oder zulässig ist. Gründe, aus denen im öffentlichen Interesse Strafaufschub gewährt werden kann, und zwar teils vom Gericht, teils von der Vollstreckungsbehörde, ergeben sich aus §§ 47 Abs. 2, 307 Abs. 2, 360 Abs. 2, 456 a und 456 b. Darüber hinaus kann die Vollstreckungsbehörde auf Grund der aus dem Vollstreckungsauftrag (§ 451) sich ergebenden Befugnisse aus Gründen des öffentlichen Interesses den Beginn der Strafvollstreckung hinausschieben, z. B., wenn bei Soldaten der Bundeswehr zwingende dienstliche Gründe (Teilnahme an einer größeren Truppenübung usw.) der alsbaldigen Vollstreckung entgegenstehen oder wenn nach ihrer Auffassung mit dem Erfolg eines eingereichten Gnadengesuchs mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist (doch ist die Entscheidung über die Einstellung der Vollstreckung aus Anlaß eines Gnadengesuches in erster Linie Sache der Gnadenbehörde, § 6 Abs. 4 GnadenO), wenn die Verkündung einer vom Parlament beschlossenen Amnestie in Bälde bevorsteht, wenn die Erstreckung der Aufhebung des Urteils auf Revision hin auf den bereits rechtskräftig abgeurteilten Mitangeklagten zu erwarten ist (vgl. oben I 4); das entspricht dem Grundgedanken, auf dem die Aufschubsbefugnis des Gerichts nach §§47 Abs. 2, 307 Abs. 2, 360 Abs. 2 beruht. Hier handelt es sich aber um Ermessensentscheidungen, die nicht der gerichtlichen Nachprüfung nach § 458 unterliegen. IV. Aufschub von Amts wegen. In den Fällen des § 455 ist der Aufschub der Vollstrekkung von Amts wegen zu verfügen; ein Antrag des Verurteilten ist also nicht erforderlich. Vgl. dagegen § 456 Abs. 1. V. Anordnung des Aufschubs. Ob eine der Voraussetzungen des § 455 vorliegt, entscheidet zunächst die Strafvollstreckungsbehörde. Werden gegen eine Ablehnung Einwendungen erhoben, so hat die Vollstreckungsbehörde die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen (§ 458 Abs. 2). Der Antragsteller kann aber auch den Weg der Dienstaufsichtsbeschwerde beschreiten (vgl. Anm. IV 4 zu § 451 und Anm. 1 zu § 458); eine gerichtliche Entscheidung geht der im Dienstaufsichtsweg getroffenen Entscheidung vor. Er kann schließlich, wenn Gericht oder Dienstaufsichtsbehörde das Vorliegen eines gesetzlichen Aufschubsgrundes verneinen, die Gnadenbehörde anrufen, die Strafausstand gewähren kann, wenn die gesetzlichen Aufschubsgründe nicht vorliegen (vgl. oben Anm. I 2 u. Anm. 7 zu § 456). VI. Die Aufschubsgründe des § 455 im einzelnen 1. Verfall in Geisteskrankheit. Darunter ist ein solcher Grad von Geisteskrankheit zu verstehen, daß der Verurteilte „für die Zwecke der Strafvollstreckung nicht mehr ansprechbar ist" ( M ü l l e r - S a x 2a). Bei geringeren Graden von Geisteskrankheit kann die Einwei-

2382

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer) § 455 Anm. VI 2,3; VII; VIII sung in eine Vollzugsanstalt mit psychiatrischer Abteilung in Betracht kommen. Bei Geisteskrankheit, die in Schüben auftritt, kommt ein Aufschub nur für die Dauer eines Schubs in Betracht ( P o h l m a n n III 2 b zu § 10 StVollstrO). 2. Nahe Lebensgefahr aus einer anderen als unter 1) fallenden Krankheit. Selbstmordgefahr kommt nicht in Betracht; sie ist auch keinesfalls „nah", da sie durch geeignete Maßnahmen im Vollzug ausgeräumt werden kann. 3. Körperlicher Zustand, bei dem die Vollstreckung mit der Einrichtung der Strafanstalt unverträglich ist. Diese Vorschrift bezweckt in erster Linie, den Vollzugsanstalten Schwierigkeiten zu ersparen, die eine geordnete Durchführung des Vollzugs unmöglich machen; sie ist aber auch im Interesse des Verurteilten geschaffen, der im Vollzug nicht die notwendige Rücksichtnahme auf seinen Zustand erwarten kann, weil der Anstalt die nötigen Mittel nicht zur Verfugung stehen; der Verurteilte kann deshalb auch in seinem Interesse den Aufschub beantragen und bei Versagung die Entscheidung nach § 458 herbeiführen oder die in Anm. V bezeichneten Schritte ergreifen. Schwangere Frauen, Wöchnerinnen und stillende Mütter fallen als solche in der Regel nicht unter § 455 Abs. 3; die in solchen Fällen nach den Vollzugsplänen zuständigen Vollzugsanstalten verfügen über die Möglichkeit, den besonderen Anforderungen, die sich aus diesem Zustand ergeben, ausreichend Rechnung zu tragen. Die RTK (Prot. S. 1072 ff.) hatte einen Antrag, den Aufschub der Strafvollstreckung bis zur Entwöhnung des Kindes für notwendig zu erklären, abgelehnt und hierbei namentlich den Fall der Fluchtgefahr in Betracht gezogen. Die Begr. zu § 52 Strafvollzugsges-Entw. 1927 weist auch darauf hin, daß u. U. der Frau eine bessere Pflege in der Anstalt gesichert sein kann als in ihren häuslichen Verhältnissen. Doch soll nach den bestehenden Vollzugsvorschriften die Vollzugsanstalt sich selbst stellende Frauen, deren Schwangerschaft bereits bis zum sechsten Monat fortgeschritten ist, sowie Wöchnerinnen bis zum Ablauf von sechs Wochen nach der Entbindung und stillende Mütter nur aufnehmen, wenn die Vollstreckungsbehörde in Kenntnis des Zustandes der Frau um Aufnahme ersucht (Nr. 49 Abs. 3 DVollzO). Übrigens könnte in diesen Fällen ein Vollstreckungsschutzantrag u. U. auch auf § 456 gestützt werden. Bei Krankheiten, die nicht unter Abs. 2 fallen, kann Vollzugsuntauglichkeit auch in Betracht kommen, wenn die notwendige ärztliche Behandlung in der Vollzugsanstalt nicht möglich ist (BGHSt. 19 148 = NJW 1964 166), gegebenenfalls kann dieses Bedenken durch die Aufnahme in eine geeignete Vollzugsanstalt unter Abweichung vom Vollstrekkungsplan (§ 26 StVollstrO) behoben werden. Mit Recht weisen M ü l l e r - S a x 3 daraufhin, daß bei der Frage der Vollzugstauglichkeit auch die Zumutbarkeit des Vollzugs unter den gegebenen Umständen und das öffentliche Interesse an beschleunigter Vollstreckung zu berücksichtigen sind. — Als einen Anwendungsfall des § 455 Abs. 3 wollte die 19. Aufl. den Fall ansehen, daß gegen einen von zwei zusammengewachsenen Zwillingen eine Freiheitsstrafe vollstreckt werden soll (vgl. K r ü g e r DJZ 1910 1024); hier ergibt sich aber die Unmöglichkeit der Vollstreckung einfach daraus, daß die Vollstreckung gegen den einen zugleich die Freiheitsentziehung für den anderen bedeuten würde, gegen den kein Vollstrekkungstitel vorliegt; die Anwendbarkeit des § 455 Abs. 3 stünde erst in Frage, wenn der andere mit der Freiheitsentziehung einverstanden wäre. VII. Dauer des Aufschubs. Auf einen bestimmten Zeitraum (vgl. § 456 Abs. 2) ist hier, der Natur der Sache nach, der Aufschub nicht eingeschränkt; seine Dauer hängt von dem Aufhören oder Fortbestehen des der Strafvollstreckung entgegenstehenden Hindernisses ab. Es ist daher geeignetenfalls auch ein neuer und mehrmaliger Aufschub statthaft; gegen die Ablehnung eines solchen ist wiederum die Anrufung des Gerichts zulässig. Dauert das betreffende Hindernis ununterbrochen fort und ist eine Beseitigung unmöglich, so kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe tatsächlich unmöglich werden. — Durch die Gewährung des Strafaufschubs unter Bestimmung einer zeitlichen Begrenzung wird die Verjährung unterbrochen (§ 72 StGB). Die Verjährungsfrist läuft aber während des Aufschubs (vgl. dazu OLG Bremen NJW 1965 310). Wegen der der Vollstreckungsbehörde obliegenden Pflicht, die Verjährung zu unterbrechen und davon nur abzusehen, wenn die Unterbrechung im öffentlichen Interesse nicht geboten ist, vgl. § 20 StVollstrO. VIII. Freiheitsentziehende Maßregeln der Sicherung und Besserung. § 455 Abs. 1 ist unanwendbar bei der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt (§ 42 b StGB); im übri2383

§ 4 5 5 Anm. IX § 4 5 6 Anm. 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

gen gilt § 455 entsprechend für die Vollstreckung der mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung (§ 463 a). Bei der Unterbringung in einer Heiloder Pflegeanstalt kommt aus den gleichen Gründen, die dem Aufschub entgegenstehen, auch eine Unterbrechung des Vollzugs wegen Vollzugsuntauglichkeit aus dem geistigen Zustand des Untergebrachten nicht in Frage. Aber auch eine Unterbrechung aus anderen Gründen als denen des Abs. 2, 3 ist auch im Weg der Gnade nicht möglich, denn ein Gnadenakt kommt bei Maßregeln der Sicherung und Besserung nach § 3 Abs. 2 GnadenO nur in seltenen Ausnahmefallen und jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Gefahr, die durch die Maßregel abgewendet werden soll, noch besteht; entfallt sie aber, so wird der Untergebrachte nach § 42 f. StGB entlassen. Danach kann einem nach § 42 b StGB Untergebrachten grundsätzlich ein „Strafurlaub" nicht erteilt werden (OLGe. Frankfurt NJW 1957 391, 1684; Braunschweig NJW 1963 403). Das schließt nicht aus, daß im Rahmen des Vollzugs kurzfristige Lockerungen der Freiheitsentziehung aus therapeutischen oder anderen Gründen eintreten (OLGe. Frankfurt NJW 1957 1684; Hamm JZ 1960 543; s. auch B l a u GA 1959 147; B r u n s JZ 1958 649; L a n g NJW 1965 1071; S c h m i d t - F u t t e r e r MDR 1967 359; einschränkend P o h l m a n n V zu § 53 StVollstrO). Darüber entscheidet aber nicht das Gericht, sondern die Vollstreckungsbehörde oder der Leiter der Vollzugsanstalt (OLG Hamm JMB1. NRW 1960 118), deren Entscheidungen nur nach Maßgabe der §§ 23 ff. EG GVG gerichtlich nachprüfbar sind, soweit sie nicht als Gnadenakt auch einer solchen Nachprüfung entzogen sind. IX. Der Vollstreckung einer Vermögensstrafe (Geldstrafe, Einziehung usw.) steht die Geisteskrankheit des Verurteilten nicht entgegen. Wegen der Erzwingungshaft vgl. Anm. 9 zu § 456.

§456 (1) Auf Antrag des Verurteilten kann die Vollstreckung aufgeschoben werden, sofern durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen. (2) Der Strafaufschub darf den Zeitraum von vier Monaten nicht übersteigen. (3) Die Bewilligung kann an eine Sicherheitsleistung oder andere Bedingungen geknüpft werden. 1. a) Anwendungsbereich. § 456 gilt — anders als § 455 — nicht nur für Freiheitsstrafen, sondern auch für Geldstrafen und für die einer besonderen Vollstreckung bedürftigen Nebenstrafen und Nebenfolgen. Er gilt nach § 463 a entsprechend auch für Maßregeln der Sicherung und Besserung mit Ausnahme der Sicherungsverwahrung; für die Untersagung der Berufsausübung ist jedoch § 456 c Abs. 2, 3 lex specialis. Bei Geldstrafen wird — wie dies für Geldstrafen betreffende Gnadengesuche in § 15 GnadenO vorgeschrieben ist — die Vollstreckungsbehörde prüfen, inwieweit Veranlassung besteht, das Ausstandsgesuch dem nach § 28 Abs. 2 StGB zur Bewilligung von Zahlungsfristen und Ratenzahlung zuständigen Gericht vorzulegen. Unanwendbar ist § 456 bei Nebenstrafen und Nebenfolgen, die kraft Gesetzes mit der Rechtskraft wirksam werden, wie bei der Nebenstrafe des Fahrverbots gemäß § 3 7 StGB (AG Mainz MDR 1967 683; a. M. S c h ö n k e - S c h r ö d e r Rdn. 20 zu § 3 7 StGB), beim Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts (§§ 31, 32, 33 StGB) und bei der Einziehung im Hinblick auf § 41 a Abs. 1, 2 StGB. b) Wochenendvollzug. Als Strafaufschub i. S. des § 456 wurde es vereinzelt auch angesehen, wenn beim Wochenendvollzug (vgl. Anm. X l b zu § 451) auf Antrag des Verurteilten und zur Vermeidung besonderer außerhalb des Strafzwecks liegender Nachteile die Vollstreckung von vornherein nur in bestimmten Teilabschnitten durchgeführt und mithin nach Vollzug eines Teils der Freiheitsstrafe jeweils die Vollstreckung des Rests aufgeschoben wird. Diese Betrachtungsweise führt dazu, daß gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Wochenendvollzug gemäß § 458 Abs. 2 das Gericht angerufen werden kann und dessen Entscheidung gemäß § 462 Abs. 4 mit sofortiger Beschwerde anfechtbar ist (vgl. LG Lübeck SchlHA 1962 224 = Rpfleger 1962 442; L o r e n z NJW 1963 753 und Anm. 1 b der Vorauflage). Nach anderer Auffassung ist der Ablehnungsbescheid der Voll2384

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 456 Anm. 2—5

streckungsbehörde nach § 23 EGGVG rechtlich nachprüfbar, weil es sich bei dem Wochenendvollzug um eine durch allgemeine Vorschriften (§32 StVollstrO, Ländervereinbarung v. 1.6. 1965) geregelte Strafvollstreckungsmaßnahme handele (vgl. OLG Frankfurt NJW 1963 121; 1964 2074; 1967 1384; s. auch G o t t h o l d NJW 1968 1223). Demgegenüber ist der Auffassung zuzustimmen, daß der Wochenendvollzug nicht nur bzgl. der Anrechnung angefangener Tage als ganzer Tage auf die Strafzeit, sondern auch (vgl. Anm. II 1 zu § 455) insoweit eine Gnadenmaßnahme darstellt, als jeweils die Strafvollstreckung unterbrochen wird; demgemäß ist der ablehnende Bescheid weder nach § 458 Abs. 2 noch nach § 23 EGGVG gerichtlich nachprüfbar (vgl. OLGe. Celle MDR 1964 697; Hamm NJW 1967 1870; Oldenburg MDR 1968 782; A l t e n h a i n NJW 1963 121; P o h l m a n n IX zu § 32 StVollstrO). Wegen der Regelung in der StVollstrO wird der Wochenendvollzug aber, ohne den Charakter als Gnadenmaßnahme zu verlieren, formellrechtlich wie eine Vollstreckungsmaßnahme behandelt, d. h. es findet gegen einen Ablehnungsbescheid Dienstaufsichtsbeschwerde statt (P o h 1 m a n n aaO.). 2. Voraussetzungen des Aufschubs. Aufschub kommt nur in Betracht zur Vermeidung von außerhalb des Strafzwecks liegenden erheblichen Nachteilen, die durch sofortige Vollstreckung erwachsen. Es muß sich also um Nachteile handeln, die vermeidbar sind, wenn der Vollzug nicht sofort, sondern erst später stattfindet. Nachteile, die auch bei Ablauf der in Abs. 2 bestimmten Höchstdauer unvermindert erwachsen würden, berechtigen nicht zur Aufschubsgewährung. Die erheblichen Nachteile brauchen nicht notwendig wirtschaftlicher Natur zu sein; sie können vielmehr auch auf ideellem Gebiet liegen, z. B. wenn die Ehefrau des Verurteilten erkrankt ist und es sich darum handelt, daß ihr der Mann nicht gerade in diesem kritischen Augenblick genommen wird; § 48 Entw. Strafvollzugsges. 1927 wollte, um dies deutlich zum Ausdruck zu bringen, das Wort „Nachteil" durch „Härte" ersetzen. Im übrigen muß auch hier der Grundsatz gelten, den § 31 GnadenO als allgemeine Richtlinie für die Gewährung von Strafausstand im Wege der Gnade aufstellt: „Die Vollstreckung jeder Strafe bedeutet einen empfindlichen Eingriff in die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten. Der Strafausstand ist weder dazu bestimmt noch geeignet, hieran etwas zu ändern. Strafausstand darf vielmehr nur ausnahmsweise gewährt werden, wenn er zur Vermeidung besonderer Nachteile notwendig ist und keine überwiegenden Gründe für die sofortige Durchführung der Strafvollstreckung sprechen." 3. § 456 setzt einen Antrag des Verurteilten voraus, der selbstverständlich auch kraft ausdrücklicher oder stillschweigender Ermächtigung von einem Dritten gestellt werden kann. Ein ohne solche Ermächtigung gestellter Antrag genügt nur, wenn ihn sich der Verurteilte durch Zustimmung zu eigen macht; denn die Hinausschiebung der Vollstreckung kann sich auch zum Nachteil des Verurteilten auswirken, so daß es wenigstens seiner Einwilligung bedarf. Ein Strafausstand im technischen Sinn liegt nicht vor, wenn die Vollstrekkungsbehörde ihr bekannte Härtegründe von Amts wegen in der Weise berücksichtigt, daß sie im Rahmen des Ermessensspielraums den Beginn der Vollstreckung etwas verlegt. 4. Über den Antrag entscheidet die Vollstreckungsbehörde nach pflichtmäßigem Ermessen („kann"); es besteht kein Rechtsanspruch auf Aufschub bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 ( L e m b e r g DRiZ 1965 265). Die Pflichtmäßigkeit gebietet aber, den erbetenen Strafaufschub zu gewähren, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 bejaht werden; nur in diesem Sinn ist, wie auch jede andere „Kann"-Vorschrift, § 456 zwingender Natur ( M ü l l e r - S a x la). 5. Berechnung der Aufschubsdauer (zu Abs. 2). Streitig ist, von welchem Zeitpunkt ab die in Abs. 2 bestimmte Höchstdauer des Aufschubs zu rechnen ist. Z. T. wird angenommen, sie rechne von dem Eintritt der formellen Rechtskraft ab (so M ü l l e r - S a x 2; S c h w e i c h e l DRiZ 1964 367; H e r b s t MDR 1969 277); diese Auffassung wollte § 4 8 Abs. 2 Entw. Strafvollzugsges. 1927 — unter Erhöhung der Aufschubdauer auf 6 Monate — legalisieren. („Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Entscheidung rechtskräftig geworden ist.") Nach anderer Auffassung (so die 19. Aufl. Anm. 5 a ; S c h m i d t NJW 1958 210) soll der Ausspruch des Aufschubs durch die Vollstreckungsbehörde maßgebend sein; auch diese Ansicht hat in früheren Entwürfen Anerkennung gefunden (Entw. 1908 und 1909 §473; Entw. 1920 § 457: „Die Aussetzung soll in der Regel nicht über sechs Monate dauern"). 2385

§456 Anm. 6 - 9

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Richtiger erscheint es, den in der Strafantrittsladung vorgesehenen Tag des Strafantritts als Ausgangspunkt anzusehen (ebenso OLG Frankfurt NJW 1954 1580; P o h l m a n n III 2c zu § 10 StVollstrO; D a l c k e - F u h r m a n n - S c h ä f e r 2; E b S c h m i d t 5 und NachtrBd. I Rz. 1; Kl 1; nach OLG Düsseldorf NJW 1966 1767 = JMB1. NRW 1967 42; OLG Köln JMB1. NRW 1971 11 soll schon der Zugang der Ladung zum Strafantritt, nicht erst der darin bezeichnete Tag des Strafantritts maßgebend sein). Denn der Strafaufschub soll dazu dienen, die besonderen Nachteile aus dem Weg zu räumen, die die sofortige Vollstreckung im Gefolge hätte (oben Anm. 2) und Vorsorge für die durch die Strafvollstreckung entstehende Lage zu treffen; das kann der Verurteilte aber in aller Regel erst, wenn er weiß, wann die Strafvollstreckung beginnen soll. Auch kann begrifflich von einem Strafaufschub erst gesprochen werden, wenn die Vollstreckung eingeleitet worden ist. Die StVollstrO hat sich — offenbar wegen des Auslegungsstreits — einer Stellungnahme enthalten. — Auch bei mehrfacher Gewährung von Strafaufschub darf die Grenze von 4 Monaten nicht überschritten werden. 6. Auf die in Abs. 3 erwähnte Sicherheitsleistung finden die §§ 116 Abs. 1 Nr. 4, 116 a, 123, 124 entsprechende Anwendung; insbesondere ist für die den Verfall aussprechende Entscheidung das Gericht (§ 124) zuständig (OLG Kolmar GA 38 370, A l s b e r g Entsch. 3 229, OLG München St. 10 152, Dresden SächsOLG 20 481, A l s b e r g Entsch. 1 298, Hamburg DRZ 1927 Nr. 1003, ZStW 48 Beü. 252; Kl 3). 7. Aufschub im Wege der Gnade. Ein Strafaufschub, der den Zeitraum von 4 Monaten übersteigt, kann — ebenso wie ein Aufschub, der nicht im Interesse des Verurteilten oder seiner Famüie, sondern im Interesse eines Dritten erbeten wird (etwa eines Arbeitgebers, der den Verurteilten als Facharbeiter für eine wichtige Arbeit nicht entbehren kann) — nur im Weg der Gnade bewilligt werden; das gleiche gilt für eine Strafunterbrechung (vgl. Anm. I 2 zu § 455) aus den Gründen des § 456 Abs. 1. Nach § 35 der GnadenO entscheidet über Strafausstand (Aufschub und Unterbrechung) im Wege der Gnade die Vollstreckungsbehörde auf Grund übertragener Gnadenzuständigkeit; die Entscheidung über die Gewährung von Strafausstand, der ein Jahr übersteigt (auch infolge mehrfacher Strafausstandsbewilligung) ist Sache des Generalstaatsanwalts. Unterbrechung des Vollzugs aus Gründen des öffentlichen Interesses (z. B. bei einem Soldaten aus zwingenden dienstlichen Gründen; vgl. dazu III der Bekanntm. d. Bundesverteidigungsmin. v. 2. 12. 1958, BAnz. Nr. 234) ist keine Gnadenmaßnahme, sondern gehört zu den aus dem Vollstreckungsauftrag (§ 451) sich ergebenden Befugnissen der Vollstreckungsbehörde (vgl. Anm. I 2 zu § 455). 8. Wegen der Behelfe bei Ablehnung des Aufschubantrags vgl. § 458 Abs. 2. Gegen die Ablehnung von Strafausstand im Weg der Gnade (Anm. 7) findet nur Beschwerde im Verwaltungsweg statt, über die nach § 37 Abs. 2 GnadenO bei ablehnenden Bescheiden des Amtsrichters als Vollstreckungsbehörde der Oberstaatsanwalt, bei ablehnenden Bescheiden des Oberstaatsanwalts der Generalstaatsanwalt entscheidet; eine Entscheidung des Gerichts ist ausgeschlossen. 9. Bei den nichtkriminellen Erzwingungshaftstrafen (vgl. Vorbem. VI vor § 449) ist — der Natur der Sache entsprechend — § 455 entsprechend anwendbar. Dagegen sind der entsprechenden Anwendung des § 456 durch den Zweck der Maßnahme, den Ungehorsam des Pflichtigen zu brechen, Grenzen gesetzt; es bedarf hier um so weniger eines längeren Strafaufschubs, als der Ungehorsame es in der Hand hat, durch Erfüllung seiner Pflicht den Nachteilen eines sofortigen Vollzugs zu entgehen. Immerhin ist es auch hier zulässig und durch die Amtspflicht geboten, in vertretbaren Grenzen auf die Vermeidung wesentlicher Nachteile Bedacht zu nehmen. Wegen der Erzwingungshaft nach dem OWiG vgl. Vorbem. VII 1 vor § 449.

2386

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 456 a

§ 456 a Anm. 1

(1) Die Vollstreckungsbehörde kann von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer Maßregel der Sicherung und Besserung absehen, wenn der Verurteilte wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert oder wenn er aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgewiesen wird. (2) Kehrt der Ausgelieferte oder der Ausgewiesene zurück, so kann die Vollstreckung nachgeholt werden. Für die Nachholung einer Maßregel der Sicherung und Besserung gilt § 42 g des Strafgesetzbuches entsprechend. Dazu „§ 17 St VollstrO. Absehen von der Vollstreckung bei Auslieferung und Ausweisung. (1) Soll ein Verurteilter wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert oder aus dem Geltungsbereich der Strafprozeßordnung ausgewiesen werden, so prüft die Vollstreckungsbehörde, ob und inwieweit es angezeigt ist, von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer Maßregel der Sicherung und Besserung vorläufig abzusehen (§ 456 a StPO). (2) Von der Vollstreckung wird nicht abgesehen, wenn die Persönlichkeit des Verurteilten oder die Art und die Umstände seiner Straftaten dies angebracht erscheinen lassen, insbesondere wenn die Vollstreckung im Interesse der gemeinsamen Bekämpfung des Verbrechertums unter Beachtung der internationalen Abkommen erforderlich ist. Auf die Vollstreckung wird in der Regel nicht verzichtet werden können, wenn es sich um eine der in § 4 Abs. 3 StGB genannten Taten handelt, gleichviel, ob sie im Inland oder im Ausland begangen worden sind." Entstehungsgeschichte: § 456 a wurde eingefügt durch § 50 des deutschen Auslieferungsgesetzes vom 23. 12. 1929 (RGBl. I 239). Durch Art. II Ziff. 38 des Ges. vom 24. 11. 1933 (RGBl. I 1000) in Verb, mit § 8 des Ges. über Reichsverweisungen vom 23. 3. 1934 (RGBl. I 213) wurde § 456 a dahin erweitert, daß nicht nur von der Vollstreckung von Freiheitsstrafe, sondern auch von der von Maßregeln der Sicherung und Besserung abgesehen wer den kann und daß das Absehen von Vollstreckung nicht nur bei Auslieferung, sondern auch bei einer Reichsverweisung zulässig wurde. Ferner wurde Abs. 2 eingefügt. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat die Schlußworte des Abs. 1 („aus dem Reichtsgebiet verwiesen") den veränderten staatsrechtlichen Verhältnissen angepaßt. 1. Voraussetzung des Absehens von Vollstreckung (zu Absatz 1) a) § 456 a Abs. 1 stellt das Gegenstück zu § 154 b Abs. 2, 3 dar; auf die Anm. zu dieser Vorschrift wird verwiesen. Das Absehen von Vollstreckung ist einmal zulässig, wenn der Verurteilte wegen einer anderen Tat ausgeliefert wird; wegen der abgeurteilten Tat gibt es keine Auslieferung und daher auch kein Absehen von Vollstreckung. Daß die wegen der anderen Tat im Ausland verhängte oder zu erwartende Strafe oder Maßregel so schwer ist, daß daneben die inländische Verurteilung nicht ins Gewicht fallt, fordert — im Gegensatz zu § 154 b Abs. 2 — § 456 a nicht. Das Absehen von Vollstreckung ist ferner zulässig, wenn der verurteilte Ausländer aus dem Geltungsbereich „dieses Bundesgesetzes" — also auch in Richtung auf die DDR — ausgewiesen wird; dabei ist unter Ausweisung die Anordnung zum Verlassen des Geltungsbereichs der StPO (§ 10 Ausländerges. v. 28.4. 1965, BGBl. I 353), die Abschiebung eines zum Verlassen des Geltungsbereichs verpflichteten Ausländers (§13 des Ges.) und die Zurückschiebung des Ausländers, der nach Ausweisung oder Abschiebung unerlaubt eingereist ist ( § 1 8 Abs. 2), zu verstehen. Hier spielt es keine Rolle, ob der Ausländer außerhalb des Bundesgebiets eine strafrechtliche Verfolgung wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, denn die Ausweisung darf im Gegensatz zur Auslieferung nicht zu dem Zweck erfolgen, einer anderen Macht eine strafrechtliche Verfolgung des Ausgewiesenen oder die Vollstreckung einer Strafe zu ermöglichen (Nr. 26, 32 Abs. 1 RiVASt.). Voraussetzung des Absehens ist, daß die Auslieferung oder Ausweisung tatsächlich durchgeführt wird (vgl. Anm. 2 zu § 154 b); es genügt also nicht, daß die Voraussetzungen einer Auslieferung oder Ausweisung lediglich vorliegen, sondern es müssen mindestens diese Maßnah-

2387

§ 456 a

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Anm. 2—4 men von der zuständigen Behörde angeordnet sein (und demnächst auch durchgeführt werden). Erfährt die Vollstreckungsbehörde von einem anhängigen Auslieferungsverfahren oder von der Ausweisungsabsicht der Ausländerpolizei oder hat sie selbst die Ausweisung angeregt, so tritt sie, ohne daß dadurch schon die Vollstreckung gehemmt wird, in die in § 17 Abs. 1 StVollstrO vorgeschriebene Prüfung ein; erst nach endgültiger Anordnung der Auslieferung oder Ausweisung verfährt sie entsprechend dem Ergebnis dieser Prüfung. Richtlinien für die Ausübung des Ermessens gibt § 17 Abs. 2 StVollstrO. b) Der Vollstreckungsbehörde steht es frei, ob sie in vollem Umfang oder nur zum Teil von der Vollstreckung absehen will; das soll § 17 Abs. 1 StVollstrO, der insoweit der Erläuterung des § 4 5 6 a dient, durch die Worte „ob und inwieweit" zum Ausdruck bringen ( P o h l m a n n I 3 zu § 17). Bei Teilvollstreckung hat demgemäß die Vollstreckungsbehörde das Recht, die Vollstreckung zu unterbrechen (vgl. Anm. 12 zu § 455). c) Zwischenmaßnahmen. Beabsichtigt die Vollstreckungsbehörde nach Beginn des Strafoder Maßreg elungsVollzugs von der weiteren Vollstreckung abzusehen, so bedarf es zur Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung für die Zeit von der Übergabe des Verurteilten an die abschiebende Polizeibehörde eines Abschiebungsbefehls des Amtsgerichts (§§ 16, 50 AuslGes.). Um deren Dauer möglichst kurz zu halten, empfiehlt es sich, daß die Vollstrekkungsbehörde als Zeitpunkt, zu dem das Absehen von der Vollstreckung der Strafe (Maßregel) wirksam werden soll, die Übergabe an die Abschiebungsbehörde — ohne Angabe eines kalendermäßig bestimmten Zeitpunktes — festsetzt (Po hl m a n n II 1; dort auch wegen des Vollzugs der Abschiebungshaft in Justizvollzugsanstalten). 2. Nachholung der Vollstreckung (zu Abs. 2) a) Das Absehen von Vollstreckung ist eine vorläufige Maßnahme, wie sich aus Abs. 2 ergibt; es bedeutet keinen Verzicht auf den Vollstreckungsanspruch. Kehrt der Ausgelieferte oder der Ausgewiesene — bei letzterem ohne Unterschied, ob nach den ausländerrechtlichen Vorschriften erlaubt oder unerlaubt — zurück, so kann die Vollstreckung nachgeholt werden, sofern sie noch nicht verjährt ist. Das „kann" bedeutet aber nicht, daß die Vollstreckung in das Ermessen der Vollstreckungsbehörde gestellt ist, sondern besagt lediglich, daß das frühere Absehen der Aufnahme der Vollstreckung nicht entgegensteht. Das Vollstreckungsrecht aber bedeutet für die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckungspflicht (vgl. Anm. II zu § 449). Bei der Nachholung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung und Besserung ist jedoch § 42 g Abs. 2 StGB zu beachten. Nach dieser Vorschrift darf, wenn seit der Rechtskraft des Urteils 3 Jahre verstrichen sind, ohne daß mit dem Vollzug der Unterbringung begonnen worden ist, diese nur noch vollzogen werden, wenn das Gericht es anordnet. Diese Vorschrift gilt unmittelbar, wenn in vollem Umfang von der Vollstreckung der Maßregel abgesehen worden war; war die Vollstreckung jedoch nach Teüvollzug unterbrochen worden, so ist nach § 456 a Abs. 2 Satz 2 der § 42 g Abs. 2 auf die Vollstreckung wegen des Restes entsprechend anzuwenden. In die Dreijahresfrist ist auch die Zeit nicht einzurechnen, in der der Ausgelieferte im Ausland Freiheitsstrafe verbüßte oder auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wurde. b) Rechtsbehelfe. Gegen die Nachholungsanordnung kann der Verurteilte nach § 458 Abs. 2 Einwendungen erheben, die zur gerichtlichen Entscheidung führen; handelt es sich um die Vollstreckung einer Maßregel der Sicherung und Besserung, so hat diese Vorschrift nur Bedeutung, wenn noch keine 3 Jahre seit Rechtskraft des Urteils verstrichen sind, da andernfalls von Amts wegen über die Vollziehbarkeit zu entscheiden ist. 3. Anwendungsbereich. § 4 5 6 a gestattet ein Absehen von Vollstreckung nur bei Freiheitsstrafen und mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung, nicht bei anderen Strafen, Nebenstrafen und Nebenfolgen. Er gibt auch dem Gericht kein Recht, von der sonst gebotenen Anordnung einer Unterbringung mit Rücksicht auf eine in Aussicht stehende Auslieferung oder Ausweisung abzusehen (RG H R R 1940 Nr. 178, 179, vgl. Anm. la). 4. Entscheidungen nach § 4 5 6 a sind dem Rechtspfleger nicht übertragen (§ 1 Abs. 1

2388

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 456b Anm. 1,2

Nr. 1 der VO v. 22. 6. 1970; vgl. Anm. VIII 2 zu § 451). Dazu gehört auch die Entscheidung nach § 456a Abs. 2 über die Nachholung der Vollstreckung (a. M. P o h l m a n n II 2).

§ 456 b Eine mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregel der Sicherung und Besserung, die neben einer Freiheitsstrafe angeordnet ist, wird erst vollzogen, wenn die Freiheitsstrafe verbüßt, bedingt ausgesetzt oder erlassen ist. Jedoch kann die Unterbringung in einer Hefloder Pflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt ganz oder teilweise vor der Freiheitsstrafe vollzogen werden. Entstehungsgeschichte: § 456b ist eingefügt durch Art. 2 Ziff. 39 des Ges. vom 24. 11. 1933 (RGBl. 11000). 1. Grundsatz (zu Satz 1). Sind gegen denselben Verurteilten mehrere Freiheitsstrafen zu vollstrecken, ohne daß die Voraussetzungen für die Bildung einer Gesamtstrafe vorliegen, so überläßt es die StPO dem Ermessen der Vollstreckungsbehörde, in welcher Reihenfolge sie die Strafen vollstrecken will (Anm. VII zu § 449). Dagegen enthält § 456 b eine Regelung für die Reihenfolge der Vollstreckung, wenn in einem Urteil neben einer Freiheitsstrafe eine mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregel der Sicherung und Besserung angeordnet ist. In diesem Fall wird grundsätzlich die Maßregel erst vollzogen, wenn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe erledigt ist. Diese Regelung folgt aus der bei Schaffung des § 456 b maßgeblichen gesetzgeberischen Grundeinstellung über das Verhältnis von Strafe und sichernder und bessernder Regel. Der Grundsatz der Zweispurigkeit bedeutet, daß auf Festsetzung von Freiheitsstrafe, wo und soweit sie nach allgemeinen Grundsätzen verwirkt ist, nicht deshalb verzichtet werden darf, weil eine freiheitsentziehende Sicherungs-(Besserung-)maßnahme angeordnet wird. Die Strafe bezweckt — neben anderen Aufgaben — gerechte Vergeltung für begangenes Unrecht; das Urteil enthält in der Straffestsetzung ein ethisches Unwerturteil. Diese Aufgabe kann die Sicherungs- oder Besserungsmaßregel, die die Verhütung künftiger Gesetzesverstöße bezweckt, nicht übernehmen. In der mit ihr verbundenen Freiheitsentziehung liegt zwar auch für den Untergebrachten ein Übel, aber nicht ein bewußt zur Vergeltung zugefügtes;_ sondern ein zur Erreichung des Sicherungs- und Besserungszweckes unvermeidbares Übel (vgl. BGHSt. 3 268). Aus dieser Grundeinstellung ergibt sich der Grundsatz, daß die Vollstreckung der Freiheitsstrafe der Vollstreckung der Maßregel voranzugehen hat. 2. Ausnahmefälle (zu Satz 2). Aus Zweckmäßigkeitsgriinden gestattet aber § 456b Satz 2 ein Abweichen von dem Grundsatz des Satzes 1, nämlich dann (und nur dann), wenn es sich um den Vollzug der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt (§ 42 b StGB) oder in einer Trinkerheil- oder Entziehungsanstalt (§ 42 c) handelt; dagegen gilt für Sicherungsverwahrung uneingeschränkt der Grundsatz des § 456 b Satz 1. Die Ausnahmeregel des Satz 2 bezweckt in erster Linie, eine im Interesse des Verurteilten ärztlich gebotene alsbaldige Einwirkung in einer Heil- oder Pflegeanstalt oder in einer Trinkerheil- oder Entziehungsanstalt nicht daran scheitern zu lassen, daß zunächst ein Sfra/vollzug erfolgt, in dem diese Einwirkungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Sie kann aber gegebenenfalls auch bezwecken, den Verurteilten durch die vorangehende Unterbringung für einen sinnvollen Strafvollzug geeignet und ansprechbar zu machen. Macht aber die Vollstrekkungsbehörde von § 456 b Satz 2 keinen Gebrauch, so prüft nach § 42 g Abs. 1 StGB das Gericht (§§462, 463 a Abs. 3) rechtzeitig vor dem Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist dies nicht der Fall, kann also das Risiko der Entlassung in die Freiheit verantwortet werden, so ordnet das Gericht an, daß die Unterbringung nicht vollstreckt wird (§ 42 g Abs. 1 Satz 2 StGB); diese Anordnung gilt nach § 4 2 h Abs. 1 Satz 2 StGB als bedingte Aussetzung der Unterbringung. Satz 2 hat übrigens nichts zu tun mit dem sog. Vikariieren, bei dem die Vollziehung der Maßregel an die Stelle des Vollzugs der Strafe treten kann und die im Maßregelvollzug verbrachte Zeit auf die Strafzeit angerechnet wird; vielmehr entbindet nach § 456b Satz 2 die Vorwegnahme des Vollzugs der Maßregel nicht von der Verpflichtung, nach Beendigung des Maßregelvollzugs die Strafe zu vollstrecken.

2389

§ 456 b Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. 3,4 3. Künftiges Recht. Das künftige Recht (§§ 67 ff. i. d. F. des 2. StRG v. 4.7. 1969, BGBl. I 717) stimmt mit dem z. Z. geltenden Recht darin überein, daß die Strafe vor der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen wird. Dagegen wird nach § 67 Abs. 1 die Unterbringung in einer psychiatrischen Krankenanstalt (§ 63), einer Entziehungsanstalt (§ 64) oder einer sozialtherapeutischen Anstalt (§ 65), soweit sie neben einer Freiheitsstrafe angeordnet wird, grundsätzlich vor der Strafe vollzogen. Nach § 67 Abs. 2 bestimmt das Gericht (also nicht mehr, wie nach dem z. Z. noch geltenden Recht, die Vollstreckungsbehörde) jedoch, daß die Strafe vor der Maßregel vollzogen wird, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird; nach Abs. 3 aaO. kann es eine solche Anordnung nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen, so wird nach § 67 Abs. 4 die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet; wegen der Behandlung des Strafrestes vgl. § 67 Abs. 5. Wird die Freiheitsstrafe vor der Unterbringung vollzogen, so enthält § 67 c eine dem jetzigen § 42 g StGB entsprechende Vorschrift. Mit dem Inkrafttreten der §§ 67ff. StGB wird § 456b gegenstandslos; Art. 19 Nr. 116 des von der Bundesregierung unter dem 4.4. 1972 eingebrachten Entwurfs eines EGStGB (BT-Drucks. Nr. VI/3250) sieht demgemäß die Aufhebung des § 456 b vor. 4. Einzelheiten zu Satz 1. Der Vollzug der Maßregel darf nach Satz 1 erst beginnen, wenn die daneben erkannte Freiheitsstrafe durch Verbüßung oder Erlaß vollständig erledigt oder wenn die ganze Strafe oder ein nach Teilverbüßung verbliebener Rest „bedingt ausgesetzt" ist, d. h. wenn die Vollstreckung nach § 23 StGB oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt oder bedingte Entlassung nach § 26 StGB erfolgt ist (vgl. dazu OLG Düsseldorf NJW 1969 1585). Wird die Aussetzung zur Bewährung oder die bedingte Entlassung widerrufen, so muß der Vollzug der Maßregel zwecks Vollstreckung der Strafe oder des Strafrestes unterbrochen werden. Der Fall, daß die Maßregel „neben einer Freiheitsstrafe" angeordnet ist, liegt auch vor, wenn die Hauptstrafe eine Geldstrafe ist und es wegen Nichtbeitreibbarkeit der Geldstrafe zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe kommt, denn die ratio des § 456 b trifft auch in diesem Fall zu (ebenso P o h l m a n n I l a z u § 4 4 StVollstrO). Der unten Anm. 6 abgedr. § 44 Abs. 1 Satz 1 StVollstrO (i. d. F. v. 23. 7. 1970) macht den Beginn des Maßregelvojlzugs — über den Wortlaut des § 456 b Satz 1 hinaus — in Form einer Weisung an die Strafvollstreckungsbehörden davon abhängig, daß das Gericht die Vollstreckung der Maßregel für erforderlich hält, und verweist auf § 42 g Abs. 1 StGB. Man ging (vgl. dazu P o h l m a n n I l b zu §44 und Rpfleger 1970 265) bei dieser Textierung davon aus, durch das Erfordernis der vorgängigen gerichtlichen Entscheidung solle ein Vollstreckungshindernis geschaffen werden dergestalt, daß die Vollstreckungsbehörde den Beginn des Maßregelvollzugs bis zur Rechtskraft einer Entscheidung nach § 42 g Abs. 1 StGB zurückstellen und den Verurteilten nach Erledigung der Strafvollstreckung entlassen müßte, wenn bei Strafende nicht eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung des Inhalts vorliegt, daß der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Mit Po hl m a n n aaO. ist davon auszugehen, daß § 42 g Abs. 1 StGB nicht zu einer solchen Auslegung zwingt. Allerdings verpflichtet er das Gericht, rechtzeitig vor dem Ende des Strafvollzugs eine Entscheidung zu treffen, ob es der Unterbringung noch bedarf, und § 53 Abs. 3 StVollstrO weist die Vollstreckungsbehörde an, darauf hinzuwirken, daß die Strafvollstreckungsbehörde rechtzeitig vor dem Ende des Strafvollzugs gegenüber dem Gericht dazu Stellung nimmt, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Es kann aber weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn des § 42g Abs. 1 (vgl. dazu D r e h e r 1 zu § 42g) die praktisch mißliche Folgerung abgeleitet werden, daß die Entlassung des Verurteilten die zwangsläufige Folge sei, wenn bei Strafende eine rechtskräftige Entscheidung noch nicht vorliegt, die die Maßregelvollstreckung für noch erforderlich erklärt. Eine andere Frage ist allerdings, ob mit solchen gegen die Auslegung des Gesetzes gerichteten Zweifeln die Verbindlichkeit der in der StVollstrO den weisungsgebundenen Vollstreckungsbehörden erteilten Weisung in Frage gestellt werden kann. P o h l m a n n aaO. empfiehlt den Vollstreckungsbehörden, bevor sie eine Unterbringung vor Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung nach § 42 g Abs. 1 vollstrecken, eine Entscheidung gemäß § 458 in der Weise herbeizuführen, daß sie dem betroffenen Verurteilten nahelegen, Einwendungen gegen den Beginn des Maßregelvollzugs zu erheben.

2390

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 456 b Anm. 5 , 6

5. Einzelheiten zu Satz 2 a) Rechtsbehelfe bei Nichtanwendung des Satzes 2. Ob von Satz 2 Gebrauch gemacht werden soll, entscheidet die Vollstreckungsbehörde (dem Rechtspfleger ist diese Entscheidung nicht übertragen; vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 der VO v. 26. 6. 1970, abgedr. Anm. VIII 2 zu § 451). Eine Anrufung des Gerichts gegen ihre Entscheidung sieht § 458 Abs. 2 nicht vor; schon das spricht gegen die Auffassung, daß Entscheidungen nach § 456 b unter dem Gesichtspunkt von Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung (§§ 458 Abs. 1 462, 463a Abs. 1) der gerichtlichen Entscheidung unterbreitet werden könnten (a. M. P e t e r s § 78 V; K l 3). Vielmehr ist neben der Dienstaufsichtsbeschwerde (vgl. IV 4 zü § 451) Anfechtbarkeit nach § 23 EGGVG gegeben (h. M.; vgl. OLGe. Celle NJW 1963 676; Hamm MDR 1972 538; A l t e n h a i n NJW 1963 121; S c h m i d t SchlHA 1962 73; P o h l m a n n IV zu § 44 StVollstrO). b) Richtlinien für die Ausübung des Ermessens der Vollstreckungsbehörde gibt in Form von Beispielen („insbesondere") Abs. 1 Satz 2 des unten (Anm. 6) abgedr. § 44 StVollstrO. Jedoch hat das bisherige Verhältnis des § 456 b Satz 2 als der Ausnahme von der Regel des Satz 1 nicht mehr das Gewicht, daß es im allgemeinen besonderer Gründe bedarf, um von der Regel des Satz 1 abzuweichen, nachdem für das künftige Recht durch § 67 Abs. 1 StGB i. d. F. des 2. StrRG die kriminalpolitische Entscheidung dahin getroffen ist, daß grundsätzlich die Maßregel vor der Strafe zu vollstrecken ist und der Natur der Sache nach diese Grundsatzentscheidung, auch wenn sie — wegen der Umgestaltung der in Betracht kommenden Maßregeln — noch nicht in Kraft gesetzt ist, doch bei vergleichbarer Lage die Ermessensausübung nach geltendem Recht beeinflussen muß. Nach wie vor kann aber die Schuld des Täters, insbesondere bei hohen Strafen, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe vor der Maßregel rechtfertigen (vgl. OLG Celle NJW 1963 676). 6. Entsprechende Anwendung des § 456b. § 456b regelt nur den Fall, daß in der gleichen Entscheidung (auch in einem Gesamtstrafenbeschluß nach § 460) neben einer Freiheitsstrafe die Unterbringung angeordnet ist. Eine entsprechende Situation kann eintreten, wenn eine freiheitsentziehende Maßregel mit einer in einem anderen Verfahren erkannten Freiheitsstrafe zusammentrifft, also z. B. wenn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe, neben der die Maßregel angeordnet wurde, durch Verbüßung usw. erledigt ist, während die Vollstreckung der in dem anderen Verfahren verhängten Freiheitsstrafe noch aussteht. Die Erwägungen, die zur Aufstellung der Regel des § 456 b Satz 1 geführt haben, greifen auch hier durch, so daß § 456 b entsprechend anzuwenden ist. Das bestimmt denn auch § 44 Abs. 2 StVollstrO. Diese Vorschrift läßt aber — wozu sie die nur entsprechende Anwendbarkeit des § 456b berechtigt — auch beim Zusammentreffen von Freiheitsstrafe mit Sicherungsverwahrung die Vorwegnahme des Vollzugs der Maßregel zu, wenn im Einzelfall überwiegende Gründe der Vorwegnahme des Strafvollzuges entgegenstehen; Abs. 2 Satz 2 gibt eine Anweisung, wann solche überwiegenden Gründe angenommen werden können, falls Sicherungsverwahrung mit kurzen Freiheitsstrafen zusammentrifft (vgl. dazu P o h l m a n n II 1 zu § 44). § 44 StVollstrO lautet: „Zusammentreffen von Freiheitsstrafen mit Maßregeln der Sicherung und Besserung (l)Eine mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregel der Sicherung und Besserung, die neben einer Freiheitsstrafe angeordnet ist, wird erst vollzogen, wenn die Freiheitsstrafe verbüßt, ganz oder teilweise zur Bewährung ausgesetzt oder erlassen worden ist und das Gericht die Vollstreckung der mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Sicherung und Besserung für erforderlich hält (§ 42 g Abs. 1 StGB); jedoch kann die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt ganz oder teilweise vor der Freiheitsstrafe vollzogen werden (§ 456 b StPO). Dies wird insbesondere in Frage kommen, wenn der Zustand des Verurteilten dem sofortigen Vollzug der Freiheitsstrafe, nicht aber dem der Unterbringung entgegensteht, oder wenn es aus dringenden ärztlichen Gründen angezeigt erscheint, mit dem Vollzug der Unterbringung vor dem Strafvollzug zu beginnen. 2391

§ 4 5 6 b Anm. 7, 8

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

§ 456 c (2) Sofern nicht im Einzelfall überwiegende Gründe entgegenstehen, gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn eine in einem anderen Verfahren erkannte Freiheitsstrafe mit einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Sicherung und Besserung zusammentrifft. Befindet sich der Verurteilte in anderer Sache in Sicherungsverwahrung, so kann die Vollstreckung von kurzzeitigen Freiheitsstrafen zurückgestellt werden, sofern sich ein solcher Aufschub mit den Interessen der Strafrechtspflege verträgt und die Unterbrechung der Sicherungsverwahrung deren Erfolg gefährden würde. (3) Eine Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die ein Verurteilter im Anschluß an eine Sicherungsverwahrung zu verbüßen hat, kann nach den für sie geltenden Vollzugsbestimmungen in der Anstalt vollstreckt werden, in der die Sicherungsverwahrung vollzogen wird. (4) Sind bei der Vollstreckung von Freiheitsstrafen und mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung mehrere Vollstreckungsbehörden beteiligt, so gilt § 43 Abs. 4 entsprechend. Ist nur eine Strafe zu vollstrecken, so richtet sich die Zuständigkeit des Generalstaatsanwalts nach der für diese zuständigen Vollstreckungsbehörde." 7. Wegen des Zusammentreffens verschiedener freiheitsentziehender Maßregeln vgl. § 54 StVollstrO, abgedr. Anm. 2 zu § 463 a. 8. Im Jugendstrafverfahren kommt an freiheitsentziehenden Maßregeln nur die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt in Frage (§ 7 JGG). Nach § 5 Abs. 3 JGG wird von Zuchtsmitteln und Jugendstrafe abgesehen, wenn die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht. Wird aber neben Jugendstrafe ausnahmsweise auf Unterbringung nach § 42 b Abs. 2 StGB erkannt, so ist § 456 b anwendbar (vgl. § 2 JGG). Die Verbindung von Unterbringung mit Jugendarrest ist zwar rechtlich möglich (vgl. D a l l i n g e r - L a c k n e r Anm. 20 zu § 8 JGG), scheidet aber praktisch aus, weil bei Festsetzung von Jugendarrest keine so schwerwiegende Straftat vorliegen kann, daß die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt geboten ist; jedenfalls findet § 456 b in solchen Fällen keine Anwendung, da er nur das Zusammentreffen von Freiheitsstrafe mit freiheitsentziehender Maßregel regelt. Die Anordnung von Fürsorgeerziehung neben der Festsetzung von Jugendarrest und Jugendstrafe ist durch § 8 JGG ausgeschlossen. Dagegen schließt eine im Vollzug begriffene Fürsorgeerziehung die Festsetzung von Jugendarrest und Jugendstrafe und deren alsbaldige Vollstreckung nicht aus (vgl. D a l l i n g e r L a c k n e r Anm. 9 zu § 8); auch hier ist § 456b auch nicht sinngemäß anwendbar, da die Fürsorgeerziehung keine freiheitsentziehende Maßregel i. S. der Vorschrift ist (vgl. dazu P o h l m a n n I 3 zu § 44 StVollstrO).

§ 456 c (1)Das Gericht kann bei Erlaß des Urteils auf Antrag oder mit Einwilligung des Verurteilten das Inkrafttreten der Untersagung der Berufsausübung durch Beschluß aufschieben, wenn das sofortige Inkrafttreten des Verbots für den Verurteilten oder seine Angehörigen eine erhebliche, außerhalb seines Zwecks liegende, durch späteres Inkrafttreten vermeidbare Härte bedeuten würde. Hat der Verurteilte einen gesetzlichen Vertreter, so ist dessen Einwilligung erforderlich. § 462 Abs. 4 gilt entsprechend. (2) Die Vollstreckungsbehörde kann unter denselben Voraussetzungen die Untersagung der Berufsausübung aussetzen. (3) Der Aufschub und die Aussetzung können an die Leistung einer Sicherheit oder an andere Bedingungen geknüpft werden. Aufschub und Aussetzung dürfen den Zeitraum von sechs Monaten nicht übersteigen. (4) Die Zeit des Aufschubs und der Aussetzung wird auf die für das Berufsverbot festgesetzte Frist nicht angerechnet. Entstehungsgeschichte: §456c ist als §456d durch Art. 2 Nr. 39 des Ges. vom 24. 11. 1933 (RGBl. I 1000) eingefügt worden. Infolge Fortfalls des früheren, den Vollzug der Entmannung betreffenden §456c erhielt die Vorschrift bei der Neufassung der StPO durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 die heutige Paragraphenzahl. 2392

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 456 C Anm. 1,2

Hierzu § 55 StVollstrO. „Untersagung der Berufsausübung (1) Die Vollstreckungsbehörde kann auf Antrag des Verurteilten oder mit seiner Einwilligung die Untersagung der Berufsausübung aussetzen, wenn hierdurch für den Verurteilten oder seine Angehörigen eine erhebliche, außerhalb des Zwecks des Verbots liegende Härte vermieden oder einem öffentlichen Interesse an der vorübergehenden weiteren Berufsausübung Rechnung getragen werden kann (vgl. § 456 c Abs. 2 StPO). Die Aussetzung kann an die Leistung einer Sicherheit oder an andere Bedingungen geknüpft werden und darf zusammen mit einem etwa bereits gerichtlich angeordneten Aufschub sechs Monate nicht übersteigen. (2) Vor einer Aussetzung nach Abs. 1 soll die Vollstreckungsbehörde die zuständigen Verwaltungsbehörden und berufsständischen Organisationen hören." 1. Bedeutung der Vorschrift. Die Untersagung der Berufsausübung wird nach § 421 Abs. 3 Satz 1 StGB mit der Rechtskraft des Urteils wirksam; es bedarf also keiner besonderen Vollstreckungshandlungen und es obliegt der Vollstreckungsbehörde auch nicht die Pflicht, die Beachtung des Berufsverbots zu überwachen (vgl. aber die in Nr. 13 Abs. 3, Nr. 40 Abs. 1 MiStra. vorgesehenen Mitteilungspflichten). Mit dem Eintritt der Wirksamkeit wird § 145 c StGB anwendbar, der Zuwiderhandlungen gegen das Berufsverbot mit Strafe bedroht. § 456 c Abs. 1 gibt aber dem Gericht die Befugnis, von vornherein den Beginn der Wirksamkeit auf die Dauer von höchstens sechs Monaten (beginnend mit der Rechtskraft des Urteils) hinauszuschieben. Nach Eintritt der Wirksamkeit des Berufsverbots, also nach Eintritt der Rechtskraft oder, wenn das Gericht das Wirksamwerden nach Abs. 1 hinausgeschoben hat, nach Ablauf der im Beschluß bestimmten Frist, kann auch die Vollstreckungsbehörde die Wirksamkeit der Untersagung aussetzen. Schließlich kann nach § 421 Abs. 4 das Gericht die Untersagung vor Ablauf der im Urteil festgesetzten Dauer wieder aufheben, wenn der Zweck der Maßregel ihre Fortdauer nicht mehr erforderlich erscheinen läßt; eine solche Aufhebung gilt aber nur als bedingte Aussetzung der Untersagung auf Bewährung und kann widerrufen werden; dann tritt die Untersagung bis zum Ablauf der im Urteil festgesetzten Dauer wieder in Wirksamkeit. 2. Gerichtliche Entscheidung, a) Die Aufschiebung durch gerichtlichen Beschluß nach Abs. 1 setzt, da die Zeit des Aufschubs nach Abs. 4 nicht auf die Dauer des Berufsverbots angerechnet wird und insofern dem Angeklagten nachteilig ist, einen Antrag des Verurteilten (vgl. dazu Anm. 3 zu § 456) oder, wenn das Gericht von Amts wegen, gegebenenfalls auf Anregung der Staatsanwaltschaft oder eines Nichtverfahrensbeteiligten die Aussetzung in Erwägung zieht, dessen Einwilligung voraus. Hat der Angeklagte einen gesetzlichen Vertreter, so ist dessen Einwilligung erforderlich; der Angeklagte kann also zwar den Antrag stellen; er ist aber rechtlich bedeutungslos, wenn der gesetzliche Vertreter nicht einwilligt. Voraussetzung des Aufschubs ist — entsprechend § 456 — weiter, daß das sofortige Inkrafttreten der Wirksamkeit mit Rechtskraft des Urteils für den Verurteilten oder seine Angehörigen eine erhebliche, außerhalb des Zwecks der Maßregel liegende Härte bedeutet, die durch späteres Inkrafttreten vermeidbar ist. Dabei können Gefahren, die bei weiterer Ausübung des Berufs während des Aufschubs drohen könnten, durch geeignete Auflagen (§ 456c Abs. 3) ausgeschaltet werden. Nach LK [8] Anm. V zu § 421 können auch Härten, die für Dritte durch das sofortige Inkrafttreten der Untersagung entstehen würden, z. B. für die Arbeitnehmer, die bei einer Berufsuntersagung gegen den Unternehmer durch Stillegung eines Betriebs arbeitslos würden oder für die Allgemeinheit, wenn diese an der Aufrechterhaltung des Betriebes ein Interesse hat, das Gericht zum Aufschub berechtigen. Das widerspricht aber dem Wortlaut des § 456 c Abs. 1, und es besteht auch kein praktisches Bedürfnis, sich über den Gesetzeswortlaut hinwegzusetzen, da die Vollstreckungsbehörde mit ihren weiterreichenden Aussetzungsbefugnissen (s. Anm. 3) auf solche Belange Rücksicht nehmen kann. b) Der Aufschub erfolgt durch Beschluß bei Erlaß des Urteils. Daß er — wie der Beschluß über die Bewährungsanordnungen nach § 268 a Abs. 1 — mit dem Urteil verkündet werden müßte, ist in § 4 5 6 c Abs. 1 nicht vorgeschrieben; es erscheint deshalb zulässig, die Vorschrift dahin zu verstehen, daß das Gericht den Beschluß auch noch nach Beendigung der Hauptverhandlung treffen kann, solange es noch — durch Absetzung der Urteils2393

§ 456 C

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Anm. 3 , 4 gründe — mit dem Urteil befaßt ist (ähnlich S c h ä f e r - W a g n e r - S c h a f h e u t l e , Komm, z. Gewohnheitsverbrecherges. S. 304; a. M. M ü l l e r - S a x 3; E b S c h m i d t Anm. 5). Gibt das Gericht einem wirksam gestellten Aufschubantrag des Verurteilten nicht statt, so muß es ihn nach allgemeinen Grundsätzen ablehnend bescheiden (vgl. § 34); die Nichtbescheidung steht einer Ablehnung gleich (ebenso M ü l l e r - S a x 4). Gegen den den Aufschub aussprechenden oder ablehnenden Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig ( § 4 5 6 c Abs. 1 Satz 2); bei Nichtbescheidung eines Antrags ist, wenn sich das Gericht nicht die Beschlußfassung durch verkündeten Beschluß ausdrücklich vorbehalten hat, für die Beschwerdefrist die Beendigung der Hauptverhandlung maßgebend. — Das Berufungsgericht kann bei Aufrechterhaltung einer erstinstanzlich ausgesprochenen Berufsuntersagung ohne weiteres Aufschub gewähren; ein ablehnender Beschluß des ersten Richters wird dadurch gegenstandslos, auch wenn er nicht mit der Beschwerde angefochten wurde. Da das Gericht nur bei Erlaß des Urteils über den Aufschub entscheiden kann, kann es einen gewährten Aufschub nicht nachträglich verlängern; insoweit ist die Vollstreckungsbehörde nach § 456c Abs. 2 zuständig. 3. Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, a) Nach Abs. 2 kann die Vollstreckungsbehörde eine wirksam gewordene Untersagung aussetzen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist dies „unter denselben Voraussetzungen" — nämlich denen des Abs. 1 — zulässig. Danach setzt die Aussetzung einen Antrag des Verurteilten oder wenigstens seine Einwilligung (bzw. die seines gesetzlichen Vertreters) voraus. Im übrigen kann die Verweisung auf Abs. 1 nur die Bedeutung haben, daß er sinngemäß anwendbar ist. Wäre die Vollstreckungsbehörde nur befugt, die Härten abzuwenden, die durch sofortiges Inkrafttreten entstehen, dann würde sich die Aussetzungsbefugnis nur auf den Zeitpunkt beschränken, in dem das Urteil rechtskräftig wird oder ein gerichtlich angeordneter Aufschub abläuft. Aber schon der Wechsel im Ausdruck („aussetzen" statt „aufschieben") zeigt, daß unter „Aussetzen" ein Mehr zu verstehen und die Vollstreckungsbehörde auch befugt ist, die Wirksamkeit der Untersagung zu einem späteren Zeitpunkt auszusetzen — also die Wirksamkeit der Untersagung zu unterbrechen —, wenn die Nichtgestattung der Berufsausübung während eines bestimmten Zeitraumes eine erhebliche Härte bedeuten würde, die durch vorübergehende Aussetzung abgewendet werden kann, etwa wenn der Arzt, der die Praxis des mit Berufsverbot Belegten für die Dauer der Untersagung übernommen hat, erkrankt und ein anderer Vertreter als der Verurteilte nicht zu finden ist, so daß die Praxis sich aufzulösen droht, wenn das Berufsverbot nicht zeitweise ausgesetzt wird. Von der Zulässigkeit einer solchen Vollzugsunterbrechung geht auch ersichtlich § 55 StVollstrO aus. Wenn dort weiterhin als Voraussetzung einer Unterbrechung neben der Vermeidung von Härten für den Verurteilten oder seine Angehörigen die Berücksichtigung eines öffentlichen Interesses an der vorübergehenden weiteren Berufsausübung genannt wird, so geht das zwar über den Wortlaut des § 456 c Abs. 2 hinaus, doch ergibt sich die Befugnis der Vollstreckungsbehörde hierzu aus dem allgemeinen Vollstreckungsauftrag (vgl. Anm. 7 zu § 456). Die Vollstreckungsbehörde kann Aussetzung auch gewähren, wenn das Gericht einen Aufschubsantrag abgelehnt hat, sei es, daß neue Gesichtspunkte vorgebracht werden, sei es, daß der Aufschub aus Gründen des öffentlichen Interesses beantragt war, die das Gericht nicht berücksichtigen kann. b) Gegen eine ablehnende Entscheidung der Vollstreckungsbehörde können — neben der Dienstaufsichtsbeschwerde (vgl. Anm. IV 4 zu §451) — Einwendungen nach §458 Abs. 2 erhoben werden. 4. Aufschub und Aussetzung können nach Abs. 3 an die Leistung einer Sicherheit (vgl. Anm. 6 zu § 456) oder an andere Bedingungen geknüpft werden. In Betracht kommen nur solche Bedingungen, die bezwecken und geeignet sind, eine von der Berufsausübung drohende Gefahr abzuwenden, nicht etwa die Auferlegung einer Geldbuße (LG Frankfurt NJW 1954 287), denn von einer entsprechenden Anwendung des § 24 a Abs. 2 Nr. 2 kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil es sich nicht um die, wenn auch nur bedingte Verschonung mit der Maßregel, sondern nur um deren vorübergehende Hinausschiebung (§ 456c Abs. 4) handelt. Dagegen sind Bedingungen möglich, die bewirken, daß die Untersagung nur teilweise aufgehoben wird, indem dem Verurteilten nur bestimmte der von der Unter2394

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 4 5 6 C Anm. 5—7

§457

sagung erfaßten Berufsausübungshandlungen erlaubt werden; die Nichtbeachtung dieser Bedingungen führt zur Anwendung des § 145 c StGB. 5. Es kann dem Verurteilten nach einem Aufschub Aussetzung und es kann ihm mehrmals Aussetzung gewährt werden. Die Gesamtdauer darf aber nach Abs. 3 Satz 2 den Zeitraum von 6 Monaten nicht übersteigen; eine weitergehende Aussetzung wäre nur im Weg der Gnade denkbar, der aber nur in seltensten Ausnahmefällen in Betracht kommen kann (vgl. Anm. 3). 6. Nach P o h l m a n n I 1 zu § 55 (zustimmend Kl 2) soll § 456c für alle Fälle der gerichtlichen Untersagung der Berufsausübung gelten, ganz gleich, ob sie nach § 42 1 StGB ausgesprochen wird oder auf Grund von Vorschriften des Nebenstrafrechts, die dies zulassen, wie § 14 des Lebensmittelgesetzes. Dagegen erheben sich mindestens insoweit Bedenken, als es sich um die Anwendbarkeit des § 456c Abs. 2 (und damit des § 55 StVollstrO) handelt. § 456 c enthält zwar keine Verweisung auf § 42 1 StGB. Daß der Gesetzgeber aber den § 42 1 im Auge hatte, ergibt sich einmal daraus, daß § 456 c gleichzeitig mit § 421 geschaffen wurde, und daß er sich wörtlich an die Ausdrucksweise des § 42 1 anlehnt („Untersagung der Berufsausübung"). Auch sind in den Nebengesetzen die Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit durch gerichtliche Entscheidung aus Anlaß einer Straftat nach Voraussetzungen und Umfang abweichend von § 421 geregelt, so daß schon deshalb das, was nach § 456 c für die Untersagung nach § 421 gilt, nicht ohne weiteres für ein Berufsverbot nach anderen Vorschriften paßt. So beträgt z. B. nach § 421 Abs. 1, 4 StGB die Mindestdauer des Berufsverbots 1 Jahr, nach § 14 Abs. 2 Lebensmitteiges, aber nur 3 Monate. Ferner kennt § 421 nur die Untersagung der Berufsausübung, während § 14 Lebensmitteiges, auch das minus der Auferlegung von Bedingungen bei weiterer Ausübung der Tätigkeit zuläßt. Es kann daher schon fraglich sein, ob im Fall des § 14 Lebensmitteiges, überhaupt ein Bedürfnis für Milderungen, wie sie § 456 c vorsieht, besteht. Es läßt sich aber immerhin die Auffassung vertreten, daß § 456 c Abs. 1 einen Grundsatz von allgemeiner Bedeutung enthalte, der in geeigneten Fällen auch außerhalb des Bereichs des § 42 1 StGB Geltung beanspruche. Anders liegt es aber bzgl. des § 456 c Abs. 2. Durch § 14 Abs. 2 Lebensmitteiges., wonach die Verwaltungsbehörde über die Aufhebung des gerichtlich ausgesprochenen Berufsverbots — das hier auf die Führung eines Betriebes beschränkt ist — entscheidet, ist klargestellt, daß weder das Gericht nach § 421 Abs. 4 StGB zur Aufhebung zuständig noch die Strafvollstreckungsbehörde zur Aussetzung befugt ist; „Vollstreckungsbehörde" ist hier vielmehr die Verwaltungsbehörde, deren Aufhebungsrecht das Aussetzungsrecht als das minus in sich schließt. Art. 53 Nr. 4 des RegEntw. eines EGStGB (BT-Drucks. Nr. VI/ 3250 v. 4. 4. 1972) sieht die Aufhebung des § 14 Lebensmittelges. vor, da sich die strafrichterliche Anordnung von Berufsverboten künftig nur nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 70-70b StGB i. d. F. des 2. StrRG v. 4. 7. 1969 richte; damit erledigt sich die vorstehend erörterte Streitfrage. 7- Eine entsprechende Anwendung des § 456c auf das Fahrverbot des § 37 StGB ist nicht möglich (vgl. LK-Schäfer Rdn. 31

§457 (1)Die Staatsanwaltschaft ist befugt, zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe einen Vorführungs- oder Haftbefehl zu erlassen, wenn der Verurteilte auf die an ihn ergangene Ladung zum Antritt der Strafe sich nicht gestellt hat oder der Flucht verdächtig ist. (2) Auch kann von der Staatsanwaltschaft zu demselben Zweck ein Steckbrief erlassen werden, wenn der Verurteilte flüchtig ist oder sich verborgen hält. (3) Diese Befugnisse stehen im Falle des § 451 Abs. 3 auch dem Amtsrichter zu. Dazu § 61 JGG: „(1) Kommt ein Widerruf der Aussetzung in Betracht, so kann der Richter, um sich der Person des Jugendlichen zu versichern, vorläufige Maßnahmen treffen, notfalls einen Haftbefehl erlassen. (2) Die auf Grund eines Haftbefehls nach Absatz 1 erlittene Haft wird auf die zu vollstreckende Jugendstrafe angerechnet. Die §§ 114—115 a der Strafprozeßordnung gelten sinngemäß." 2395

§457 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. I 1,2; II 1 I. Verfahren bei der Herbeiführung des Vollzuges von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln (§ 463a). Hierüber enthält § 457 nur wenige Vorschriften und läßt innerhalb dieses Rahmens Raum für Anordnungen der Justizverwaltung. 1. Ladung zum Strafantritt. Aus Abs. 1 ergibt sich lediglich, daß der auf freiem Fuß befindliche Verurteilte, wenn er nicht fluchtverdächtig ist, durch Ladung zum Antritt der Strafe aufgefordert werden muß und Zwangsmaßnahmen erst in Betracht kommen, wenn er sich auf die Ladung nicht gestellt hat. Befindet sich der Verurteilte bei Eintritt der Rechtskraft des Urteils in Untersuchungshaft (vgl. Anm. I 3 zu § 450), so entfallt die Ladung zum Strafantritt, und es kommt nur die Einweisung und Überführung in die zuständige Vollzugsanstalt in Betracht (§ 28 StVollstrO). In der StVollstrO ist das Verfahren zur Herbeiführung des Vollzugs folgendermaßen geregelt: Wie in Anm. VII zu § 451 ausgeführt, bestimmt der Vollstreckungsplan für jeden Gerichtsbezirk, welche Vollzugsanstalt für den Vollzug einer Strafe oder Maßregel oder von Jugendarrest örtlich und sachlich zuständig ist. In die danach zuständige Vollzugsanstalt lädt die Vollstreckungsbehörde unmittelbar den Verurteilten zum Strafantritt, und zwar (trotz der Einschränkungen in § 27 Abs. 1 StVollstrO, die durch die Ländervereinbarung v. 13. 1. 1965 überholt sind, Anm. VII zu § 451) ohne Rücksicht darauf, ob die Vollzugsanstalt im Land der Vollstreckungsbehörde oder in einem anderen Land gelegen ist. Die Ladung geschieht grundsätzlich unter Setzung einer Frist (in der Regel eine Woche), binnen deren er sich in der Vollzugsanstalt einzufinden hat (§ 27 StVollstrO). Gleichzeitig weist sie ihn durch ein Aufnahmeersuchen in die zuständige Vollzugsanstalt ein (29 aaO.). Für die Vollstreckung von freiheitsentziehenden Maßregeln gelten entsprechende Vorschriften (§ 53 StVollstrO); jedoch bedarf es, da die Ländervereinbarung v. 13. 1. 1965 nach ihrem Abs. II nicht für die Vollstreckung der freiheitsentziehenden Maßregeln der Sicherung und Besserung gilt, nach § 162 GVG, §§ 9, 27 StVollstrO der Inanspruchnahme der für den Aufenthaltsort zuständigen landgerichtlichen Staatsanwaltschaft, wenn die zuständige Vollzugsanstalt außerhalb des Landes der Vollstrekkungsbehörde liegt. 2. Mittellose Verurteilte, die nicht in der Lage sind, die Kosten einer Reise zu der entfernten Vollzugsanstalt zu bestreiten, können in eine näher gelegene Anstalt geladen werden und sind dort der zuständigen Anstalt zuzuführen (§§ 27 Abs. 5, 28 Abs. 2 StVollstrO). II. Zwangsmaßnahmen. Hat sich der Verurteilte auf Ladung nicht gestellt, so kann die Vollstreckungsbehörde (auch der Rechtspfleger) — unter Wahrung des überall geltenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. Einleitung S. 48) — einen Vorführungs- oder Haftbefehl erlassen. Diese Vorschrift widerspricht nicht dem Art. 104 Abs. 2 GG, denn es handelt sich hier lediglich um die Durchführung einer bereits gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung (BGHSt. 13 97, 100; 23 380, 386). 1. Der VoUstreckungshaftbefehl der Vollstreckungsbehörde hat mit dem richterlichen Haftbefehl (§ 114) nichts zu tun; die Ergreifung nach rechtskräftiger Verurteilung zur Sicherung der Vollstreckung ist, auch wenn der Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde den Haftbefehl erlassen hat, keine „Verhaftung" i. S. des § 310 (OLG Hamburg NJW 1964 605 = GA 1964 283). Aus der Natur der Sache ergibt sich aber, daß gewisse Vorschriften (Schriftlichkeit, genaue Bezeichnung des Verurteilten, Angabe des Grundes der Verhaftung, Bekanntmachung an den Verhafteten, § 114) auch für ihn gelten müssen. Nach § 457 Abs. 1 kann der Haftbefehl erlassen werden, wenn der Verurteilte sich auf die „an ihn ergangene" Ladung nicht gestellt hat. Danach genügt zum Erlaß des Haftbefehls, daß dem Verurteilten eine Ladung zugegangen ist. Über die Form der Ladung und die Art ihrer Bekanntgabe enthält die StPO keine Vorschriften, insbesondere ist formliche Zustellung der Ladung nicht vorgeschrieben; es genügt zum Erlaß des Haftbefehls, wenn die Vollstreckungsbehörde Kenntnis hat, daß der Zugang der Ladung erfolgt ist (ebenso M ü l l e r - S a x 1 a; P o h l m a n n II 2 a zu § 33 StVollstrO). Hier greifen jedoch ergänzend und z. T. einschränkend die Justizverwaltungsanweisungen ein. Nach § 27 Abs. 3 StVollstrO kann die Strafantrittsladung erfolgen a) durch einfachen Brief, b) durch förmliche Zustellung, c) durch mündliche Eröffnung gegenüber dem an Amtsstelle anwesenden Verurteilten, wenn er zum sofortigen Strafantritt geladen wird. § 33 StVollstrO (abgedr. unten VII) weist die Vollstreckungsbehörden an, einen Haftbefehl nur zu erlassen, wenn der Verurteilte sich trotz förmlicher Zu2396

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 457 Anm. II 2 - 5 ; III 1

Stellung der Ladung nicht binnen der gesetzten Frist, bei Aufforderung zum sofortigen Antritt nicht spätestens am Tag nach der Zustellung gestellt hat; bei Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der Postanstalt usw. — § 182 Z P O — wird im allgemeinen zunächst durch Rückfrage bei der Postanstalt festzustellen sein, ob die Ladung abgeholt worden ist ( P o h l m a n n II 2 b zu § 33). Bei Nichtgestellung auf formlose Ladung (Brief) muß also grundsätzlich nochmals mit förmlicher Zustellung geladen werden. Der Erlaß eines Haftbefehls entfallt, wenn der Verurteilte die Nichtgestellung ausreichend entschuldigt hat; es muß dann erneut geladen werden. Dem Fall des Ausbleibens auf formlich zugestellte Ladung stellt § 33 Abs. 2 StVollstrO den Fall gleich, daß der mündlich zum sofortigen Strafantritt Geladene nicht dazu bereit ist. Das begegnet keinen Bedenken ( e b e n s o D a l l i n g e r DJ 1942 145; P o h l m a n n Anm. III 2; M ü l l e r - S a x Anm. l b ) ; es kann der Vollstreckungsbehörde nicht gut zugemutet werden, zu warten, ob der Verurteilte sich nicht vielleicht anders besinnt und die Strafe doch antritt; wie lange sollte sie auch warten? Dem ergriffenen Verurteilten ist der Haftbefehl alsbald, möglichst bei der Ergreifung, bekanntzugeben ( § 3 3 Abs. 6 StVollstrO). Die Bekanntgabe erfolgt in der Regel durch Übergabe einer Ausfertigung des Haftbefehls, nur ausnahmsweise durch mündliche Bekanntgabe ( P o hl m a n n IV 2). 2. Statt eines Vollstreckungshaftbefehls kann — wie beim richterlichen Haftbefehl, § 134 — ein Vorfiihrungsbefehl erlassen werden. Das kommt in Betracht, wenn der Verurteilte an dem Ort wohnt, an dem sich die Vollzugsanstalt befindet und zu erwarten ist, daß der Verurteilte von dem Vorführungsbeamten auch in der Wohnung angetroffen wird. 3. Nicht möglich wäre es, den auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten auf Grund eines während des Strafverfahrens erlassenen, aber nicht vollzogenen richterlichen Haftbefehls zwecks Strafvollstreckung zu ergreifen, da dieser Haftbefehl mit dem rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens seine Bedeutung verloren hat. 4. Außer bei Nichtgestellung kann ein Vorführungs- oder Haftbefehl bei Fluchtverdacht erlassen werden. Fluchtverdacht ist — von dem Fall, daß der Verurteilte flüchtig ist oder sich verborgen hält, abgesehen — wie im Fall des § 112 Abs. 2 Nr. 2 auch gegeben, wenn die Befürchtung begründet ist, daß der Verurteilte sich auf irgendeine Art (außer Selbstmord) der Vollstreckung entziehen werde; das spricht in Erläuterung des § 457 Abs. 1 der § 33 Abs. 2 StVollstrO mit Recht aus, und die von E b S c h m i d t Anm. 4 geäußerten Zweifel sind angesichts des in § 112 Abs. 2 verwendeten Begriffs der Fluchtgefahr, wo fraglos „Flucht" im Sinn von Entziehung zu verstehen ist, unbegründet (so jetzt auch P o h l m a n n III 1 zu § 33 StVollstrO). 5. Im Interesse der Beschleunigung der Vollstreckung sieht § 33 Abs. 3 schon bei der Ladung den Erlaß eines bedingten Haft- oder Vorführungsbefehls vor, d. h. eines Befehls für den Fall, daß der Verurteilte sich auf die Ladung hin nicht fristgemäß (bei Setzung einer Frist) oder nicht rechtzeitig (bei Ladung zum sofortigen Strafantritt) stellt. Dieser Haft- oder Vorführungsbefehl wird gleichzeitig mit der Ladung herausgegeben (s. unten Anm. III); er darf aber erst vollzogen werden, wenn die Vollstreckungsbehörde — nicht die mit dem Vollzug des Haft- oder Vorführungsbefehls betraute Polizeibehörde — festgestellt hat, daß die in § 33 Abs. 3 unter a) oder b) bezeichneten Voraussetzungen vorliegen und sie den Befehl dadurch vollziehbar gemacht hat, daß sie die Polizeibehörde — gegebenenfalls fernmündlich — benachrichtigt, der in ihren Händen befindliche Befehl könne nunmehr vollstreckt werden. III. Mitwirkung der Polizeidienststellen 1. Um die Vollziehung des Vorfiihrungs- oder Haftbefehls können nach § 33 Abs. 5 StVollstrO die gemäß Art. 35 G G amtshilfepflichtigen Polizeidienststellen ersucht werden. Nach der Ländervereinbarung v. 13. 1. 1965 (vgl. Anm. VII 2 a zu § 4 5 1 ) sind die Vollstreckungsbehörden ermächtigt, unmittelbar auch die Polizeidienststellen eines anderen Landes zu ersuchen; damit ist während der Geltung dieser Vereinbarung § 33 Abs. 5 StVollstrO überholt, soweit dort bestimmt ist, daß die Vollstreckungsbehörde unmittelbar nur die Polizeidienststellen des eignen Landes ersuchen kann und daß, wenn der Verur2397

§457 Anm. III 2; I V - V I I

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

teilte sich außerhalb des Landes der Vollstreckungsbehörde aufhält, nach § 9 StVollstrO, § 163 GVG die landgerichtliche Staatsanwaltschaft des Aufenthaltsorts um Vollstreckungshilfe ersuchen muß, die ihrerseits die Polizeidienststellen ihres Landes beauftragt. Die Vollstreckungsbehörde ist aber — durch § 33 Abs. 5 StVollstrO im eignen Land, durch die Ländervereinbarung v. 13. 1. 1965 auch in anderen Ländern — nur ermächtigt, nicht verpflichtet, die Polizeidienststellen unmittelbar zu ersuchen; sie kann vielmehr auch den Weg der §§ 162, 163 GVG beschreiten, wird dies freilich nur tun, wenn aus besonderen Gründen die Veranlassung dazu besteht ( P o h l m a n n VI l a z u § 3 3 StVollstrO). Die Vollstreckungsbehörde kann sich auch der ihr unterstellten Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) bedienen (RGSt. 21 426); das Recht hat auch der Amtsrichter (und der beim Amtsgericht tätige Rechtspfleger) als Vollstreckungsbehörde, denn er nimmt Aufgaben wahr, die an sich der Staatsanwaltschaft obliegen (ebenso P o h l m a n n VI 3 zu § 33). 2. Umfang der Zwangsbefugnisse. Streitig ist, ob es, wenn die Polizeidienststellen zum Vollzug eines Vorführungs- oder Haftbefehls die Wohnung des Verurteilten oder dritter Personen durchsuchen müssen, einer besonderen Durchsuchungsanordnung bedarf. Nach herrschender Auffassung sind die §§ 102 bis 105 auch anwendbar bei der Durchsuchung von Räumen zwecks Ergreifung eines rechtskräftig Verurteilten zur Strafvollstreckung (OLG Frankfurt NJW 1964 785 m. Nachw.; Anm. 2 b zu § 102). Die nach § 105 Abs. 1 grundsätzlich erforderliche Durchsuchungsanordnung ist aber nach überwiegend vertretener Auffassung bereits als formlos (stillschweigend) durch das rechtskräftige, auf Freiheitsstrafe lautende Urteil erteilt anzusehen: die gerichtliche Anordnung der Freiheitsentziehung im rechtskräftigen Strafurteil umfaßt alle Maßnahmen gegen den Verurteilten, die zur Verwirklichung des Strafausspruchs notwendig werden (OLG Frankfurt aaO.; K a i s e r NJW 1964 759; E b S c h m i d t NachtrBd. I Rdn. 7; Kl 3; P o h l m a n n VI 2 zu § 33 StVollstrO; vgl. auch aus der älteren Rechtsprechung OLG München Alsberg Entsch. 3 232; BayObLGSt. 8 239). Diese Auffassung, die sich auch auf BVerfGE 16 239 berufen kann, verdient den Vorzug vor der Auffassung (vgl. K o h l h a a s NPA 1962 508; D ü n n e b i e r in Anm. 1 zu § 105), daß es stets einer besonderen Durchsuchungsanordnung bedürfe; die Zuständigkeit hierfür soll aber nach D ü n n e b i e r aaO. niemals beim Gericht (wegen des abschließenden Zuständigkeitskatalogs des § 462; vgl. aber dort Anm. I), sondern bei der Vollstrekkungsbehörde liegen, die, wenn sie schon die Verhaftung nach § 457 anordnen könne, auch dazu berufen sei, die dazu erforderliche Durchsuchung zu verfügen. IV. Weitere Zwangsmaßnahmen. Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Postbeschlagnahme zur Ermittlung des Aufenthalts eines Verurteilten zur Strafvollstreckung s. K a i s e r NJW 1964 759, 760. Beim Entweichen eines Festgenommenen kann die Polizei einen Steckbrief erlassen (§131 Abs. 2 Satz 2). V. Die Strafzeit rechnet, wenn der Verurteilte auf Grund eines Vorführungs- oder Haftbefehls festgenommen ist, nach § 3 8 bv StVollstrO (vgl. Anm. X 2 zu § 451) vom Zeitpunkt der Ergreifung, vorausgesetzt, daß er in Durchführung des Befehls — gleichviel wieviel Zeit bis dahin vergeht — auch eingeliefert wird; entweicht er in der Zwischenzeit, so wird die Zeit der Festhaltung nicht angerechnet. Wegen der Strafzeitberechnung bei Wiederergreifung eines aus dem Vollzug entwichenen Gefangenen s. Anm. 16 zu § 450. VI. Anfechtbarkeit. Ob die Voraussetzungen für den Erlaß eines Vorführungs- oder Haftbefehls vorliegen, entscheidet die Vollstreckungsbehörde. Eine Anrufung des Gerichts dagegen ist in § 458 nicht vorgesehen (KG GA 43 137; OLGe. Rostock A l s b e r g Entsch. 2 145; Kassel DRZ 1931 Nr. 794); dagegen ist - außer der Beschwerde nach § 2 1 StVollstrO — Antrag auf gerichtliche Nachprüfung nach §§ 23 ff. EGGVG zulässig (OLG Hamm NJW 1969 169). VII. Auch der Vollstreckungssteckbrief nach Abs. 2 hat mit dem Steckbrief nach § 131 begrifflich nichts gemein; er setzt einen Vollstreckungshaftbefehl nicht voraus, sondern stellt selbst einen zur Veröffentlichung in den Fahndungsblättern (Deutsches Fahndungsbuch und Bundeskriminalblatt, beide vom Bundeskriminalamt herausgegeben, sowie die von den Ländern herausgegebenen Landeskriminalblätter) bestimmten Haftbefehl dar. Über seinen Inhalt enthält das Gesetz keine Vorschriften; die Einzelheiten sind deshalb im Justizverwal2398

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 4 5 7 Anm. VIII §458

tungsweg geregelt (s. § 34 StVollstrO). Ein Steckbrief kommt nur in Betracht, wenn der Verurteilte flüchtig ist oder sich verborgen hält. Von der Ausschreibung in den Fahndungsblättern wird in der Regel abgesehen bei Freiheitsstrafen, Ersatzfreiheitsstrafen und Reststrafen bis zu zwei Wochen (§ 34 Abs. 4). Den Steckbrief kann nur die Vollstreckungsbehörde des § 4 5 1 , nicht eine um eine Vollstreckung ersuchte Staatsanwaltschaft (§ 162 GVG) erlassen; sie ist regelmäßig nicht mehr zuständig, weil nicht feststeht, ob der Verurteilte sich noch in ihrem Bezirk aufhält (ebenso M ü l l e r - S a x 5 c , cc). Mit dem Erlaß des Steckbriefs kann eine Steckbriefnachricht im Zentralregister niedergelegt werden (§ 25 Bundeszentralregisterges. - B Z R G - v. 18. 3. 1971, BGBl. I 243). Ist der Aufenthalt des Verurteilten lediglich unbekannt, ohne daß Anhaltspunkte dafür gegeben sind, er sei flüchtig oder halte sich verborgen, so kann ein Suchvermerk im Zentralregister niedergelegt und die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung in den Fahndungsblättern veranlaßt werden. VIII. § 33 StVollstrO bestimmt: „(1) Die Vollstreckungsbehörde erläßt einen Vorführungs- oder Haftbefehl (vgl. § 457 Abs. 1 StPO), wenn der Verurteilte sich trotz förmlicher Zustellung der Ladung (§ 27 Abs. 3 Satz 2) ohne ausreichende Entschuldigung nicht a) binnen einer ihm gesetzten Frist (§ 27 Abs. 2 Satz 1) oder b) im Falle einer Ladung zum sofortigen Strafantritt (§ 27 Abs. 2 Satz 2) spätestens am Tage nach deren Zustellung zum Strafantritt gestellt hat. (2) Dasselbe gilt, wenn der Verdacht begründet ist, der Verurteilte werde sich der Vollstreckung zu entziehen suchen, oder wenn er sich nach mündlicher Eröffnung der Ladung (§ 27 Abs. 3 Satz 3) nicht zum sofortigen Strafantritt bereit zeigt. (3) Zur Beschleunigung der Strafvollstreckung kann ein Vorführungs- oder Haftbefehl bereits bei der Ladung für den Fall ergehen, daß der Verurteilte sich nicht fristgemäß oder nicht rechtzeitig stellt. Er darf erst vollzogen werden, wenn a) der Zugang der Ladung nachgewiesen ist und die Vollstreckungsbehörde durch Anfrage bei der Vollzugsanstalt festgestellt hat, daß der Verurteilte sich nicht bis zu dem in der Ladung bezeichneten Zeitpunkt gestellt hat, oder b) die Ladung nicht ausführbar und der Verdacht begründet ist, der Verurteilte werde sich der Vollstreckung zu entziehen suchen. (4) Der Vorführungs- oder Haftbefehl muß enthalten: a) die genaue Bezeichnung des Verurteilten; b) die Angabe der zu vollstreckenden Entscheidung; c) Art und Dauer der zu vollstreckenden Strafe; d) den Grund der Verhaftung oder Vorführung; e) das Ersuchen um Vorführung oder Verhaftung; f) die Angabe der Vollzugsanstalt, in die der Verurteilte eingeliefert werden soll; g)bei Ersatzfreiheitsstrafen die Angabe des Geldbetrages, bei dessen nachgewiesener Zahlung die Vorführung oder Verhaftung unterbleibt. (5) Um die Vollziehung von Vorführungs- oder Haftbefehlen können die Polizeidienststellen des Landes ersucht werden, bei Soldaten auch die Feldjägereinheiten. Soll die Polizeidienststelle eines anderen Landes ersucht werden, so ist nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 zu verfahren. (6) Der Vorführungs- oder Haftbefehl ist dem Verurteilten, wenn möglich bei der Ergreifung, bekanntzugeben."

§458 (1) Wenn über die Auslegung eines Strafurteils oder über die Berechnung der erkannten Strafe Zweifel entstehen, oder wenn Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung erhoben werden, so ist die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. (2) Das Gericht entscheidet ferner, wenn in den Fällen der §§ 4 5 5 , 4 5 6 und 456 c Abs. 2 Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde erhoben werden, oder wenn die Vollstreckungsbehörde anordnet, daß an einem Ausgelieferten oder Ausgewiesenen die Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Sicherung und Besserung nachgeholt werden soll, und Einwendungen gegen diese Anordnung erhoben werden. 2399

§458 Anm. 1,2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

(3) Der Fortgang der Vollstreckung wird hierdurch nicht gehemmt; das Gericht kann jedoch einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. In den Fällen des § 456 c Abs. 2 kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen. Entstehungsgeschichte: Der ursprüngliche Abs. 2 („Dasselbe gilt, wenn nach Maßgabe des § 455 Einwendungen gegen die Ablehnung eines Antrags auf Aufschub der Strafvollstreckung erhoben werden") erhielt durch Art. 2 Nr. 40 des Ges. vom 24. 11. 1933 (RGBl. 11000) die heutige Fassung; gleichzeitig wurde dem Abs. 3 der Satz 2 hinzugefügt. 1. Anwendungsgebiet der Vorschrift. a) § 458, der bei der Vollstreckung von Maßregeln der Sicherheit und Besserung sinngemäß anwendbar ist (§463a Abs. 1), sieht eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts (§ 462) vor: a) bei Zweifeln über die Auslegung des Strafurteils; b) bei Zweifeln über die Berechnung der erkannten Strafe; c)bei Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung; d) bei Einwendungen gegen die ablehnende Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, wenn es sich um Strafaufschub (§§ 455, 456) oder die Aussetzung der Untersagung der Berufsausübung (§ 456c Abs. 2) hantelt; e)bei Einwendungen gegen die Anordnung der Vollstreckungsbehörde, daß im Fall des § 456 a Abs. 2 die Vollstreckung nachgeholt wird. In allen diesen Fällen kann der Betroffene zunächst formlose Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen und die Entscheidung des Vollstreckungsgerichtes erst herbeiführen, wenn er im Verwaltungsweg keine Abhilfe erreicht hat. Er kann aber auch auf diese Möglichkeit verzichten und alsbald die gerichtliche Entscheidung herbeiführen. b) Verhältnis des §458 zu §§23 ff. EGGVG. Die Anwendbarkeit des § 458 schließt die der §§ 23ff. EGGVG aus und umgekehrt die Anwendbarkeit der §§ 23ff. EGGVG die des § 458. Der Rechtsweg nach § 458 ist nur offen, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift unmittelbar gegeben sind (BGHSt. 19 240); ist dies aber der Fall, so schließt § 23 Abs. 3 EGGVG den Rechtsweg der Anrufung des Oberlandesgerichts nach den §§ 23 ff. EGGVG aus. c) Folgerungen. Unanwendbar ist § 458, wenn die Vollstreckungsbehörde es ablehnt, StrafUnterbrechung in den Fällen der §§ 455, 456 zu gewähren (vgl. Anm. I 2 zu § 455; 8 zu § 456; 6 a zu § 461), wenn sie im Fall des § 456a Abs. 1 es ablehnt, von der Vollstrekkung abzusehen, wenn sie eine Anordnung nach § 456 b Satz 2 trifft oder ablehnt, und wenn sie von den in § 457 bezeichneten Maßnahmen Gebrauch macht. In allen diesen Fällen handelt es sich nicht um Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung i. S. des § 458 Abs. 1. Zulässig ist dagegen, soweit es sich um Vollstreckungsmaßnahmen handelt, die förmliche Beschwerde nach § 21 StVollstrO und, soweit es sich um Gnadenmaßnahmen handelt, die Anrufung der höheren Gnadenbehörde nach Maßgabe der landesrechtlichen Gnadenordnungen. Zulässig ist ferner bei Vollstreckungsmaßnahmen die Anfechtung nach § 23 ff. EGGVG (vgl. Anm. 3 b zu § 456 c); dabei ist das Beschwerdeverfahren das Vorschaltverfahren, das nach § 24 Abs. 2 EGGVG der Anrufung des Oberlandesgerichts vorausgehen muß (vgl. Vorbem. IV vor § 449). Soweit es sich um Gnadenmaßnahmen handelt, ist deren Versagung einer gerichtlichen Nachprüfung nach §§ 23 ff. EGGVG entzogen (vgl. Anm. II 1 zu § 455). 2. Zweifel über die Auslegung eines Strafurteils oder über die Berechnung der erkannten Strafe. Bei solchen Zweifeln hat die Vollstreckungsbehörde von Amts wegen die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. Die Zweifel können sich auf jeden Teil des Strafausspruchs, also nicht nur auf die Hauptstrafe, sondern auch auf Nebenstrafen und Nebenfolgen beziehen (BGHZ 42 360, 363; BGHSt. 8 66). Zweifel über die Auslegung eines Urteils können sich insbesondere bei einem Widerspruch zwischen Urteilsformel und Urteilsgründen ergeben. Zweifel über die Auslegung bestehen auch, wenn bei Verlust der Akten über den Inhalt des Urteils Zweifel bestehen (vgl. Anm. XI zu § 451). Bei Zweifeln über die zunächst von der Vollstreckungsbehörde aufzustellende Straf Zeitberechnung darf sich das Gericht nicht damit begnügen, die Grundsätze darzulegen, nach denen die Strafzeitberechnung zu erfolgen hat, die Berechnung auf dieser Grundlage aber der Vollstreckungsbehörde zu überlassen, sondern es muß selbst die Strafzeitberechnung aufstellen (OLG Stettin GA 41 70; 2400

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 458 Anm. 3 , 4

LG Coburg VRS 29 269). Zweifel über die Berechnung der Strafe bestehen auch, wenn in Ermangelung einer Entscheidung des erkennenden Gerichts Zweifel über Auswirkung und Umfang der in § 60 StGB vorgeschriebenen Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung entstehen (BGHSt. 24 29; s. dazu § 39 StVollstrO), oder wenn das Gericht bei Anrechnung von Untersuchungshaft auf Jugendstrafe von unbestimmter Dauer es entgegen § 52 Abs. 3 JGG unterlassen hat, über die Auswirkung der Anrechnung auf das Mindest- und Höchstmaß der Strafe zu bestimmen (BayObLG J R 1955 115 = NJW 1955 601); die Bestimmung ist dann nachzuholen. Als einen dem Zweifel über die Berechnung der erkannten Strafe rechtsähnlichen Fall hat es die Rechtsprechung, § 458 Abs. 1 entsprechend anwendend, angesehen, wenn nach Auffassung der Vollstreckungsbehörde die ununterbrochene Vollstreckung mehrerer zeitiger Freiheitsstrafen, bei denen die Voraussetzungen der Gesamtstrafenbildung nicht gegeben sind, unzulässig ist, weil die Summe der Strafen 15 Jahre überschreitet (vgl. OLGe. Oldenburg GA 1971 342; Hamm NJW 1971 1373). 3. Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung sind Einwendungen desjenigen oder zugunsten desjenigen, gegen den vollstreckt wird oder vollstreckt werden soll; sie können das „Ob" der Vollstreckung, ausnahmsweise auch das „Wie" des Vollzuges betreffen (unten Anm. 5). Der Einwendende muß die Einwendungen gegenüber der Vollstreckungsbehörde erheben; diese hat dann die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. Die Vollstreckungsbehörde selbst kann keine Einwendungen erheben, d. h. sie kann ihre eignen Zweifel über die Zulässigkeit der Vollstreckung, soweit sie sich nicht auf die Auslegung des Urteils und die Strafzeitberechnung beziehen, nicht von vornherein dem Gericht zur Entscheidung unterbreiten. Sie muß vielmehr selbst eine Entscheidung treffen, und zur gerichtlichen Entscheidung kommt es nur, wenn von Beteiligten Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde erhoben werden und die Vollstreckungsbehörde — von neuem entscheidend — ihnen nicht abhilft (KG DJZ 1933 1043; OLGe. Hamburg JR 1955 69; Hamm NJW 1956 1936; JMB1NRW 1971 91; BVerwG NJW 1970 72, 74; P o h l m a n n Rpfleger 1962 146; 1971 62; M ü l l e r - S a x 26; K l 2; a . M . E b S c h m i d t Anm. 7; LG Saarbrücken JB1. 1967 130). Dies gilt auch, wenn aus Anlaß gesetzlicher Neuregelungen ein Interesse an einer alsbaldigen Klärung von Zweifelsfragen besteht (OLG Hamm JMB1NRW 1971 91); auch für die Frage, ob die Strafe durch ein Straffreiheitsgesetz erlassen ist, gilt insoweit nichts anderes (a. M. LG Berlin JR 1935 394), soweit nicht das Straffreiheitsgesetz selbst eine abweichende Bestimmung trifft. LG Bremen MDR 1956 184 meint, die Vollstreckungsbehörde könne zwar nicht wegen eigner Zweifel Einwendungen erheben, wohl aber könne die Staatsanwaltschaft in entsprechender Anwendung des § 296 Abs. 2 an Stelle des Verurteilten Einwendungen zu dessen Gunsten erheben; damit wäre aber der vorgenannte Grundsatz praktisch wieder aufgehoben, denn ein solches Recht der Staatsanwaltschaft könnte ja nicht gut, wie es dem LG Bremen vorschwebt, auf den Fall beschränkt werden, daß der Amtsrichter Vollstreckungsbehörde ist. Aus der prozessualen Fürsorgepflicht (Einleitung S. 51) kann sich aber die Pflicht der Vollstrekkungsbehörde ergeben, den Betroffenen auf die Möglichkeit von Einwendungen hinzuweisen (Kl 2; P o h l m a n n I 3 zu § 42 StVollstrO). 4. Einwendungen, die die Vollstreckungsbehörde verpflichten, die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen, können erheben: a) der Verurteilte selbst und von ihm ermächtigte Personen (Verteidiger, Angehörige usw.). Dem Verurteilten steht gleich, wer als Nebenbeteiligter (§§431 Abs. 1 Satz 1, 442, 444 Abs. 1 Satz 1) eine Vollstreckung zu dulden rechtlich verpflichtet ist. Dagegen ist ein Einziehungswieresseni (§ 432), dessen Beteiligung am Verfahren nicht angeordnet worden ist, auf die Geltendmachung seiner Einwendungen im Nachverfahren nach § 439 angewiesen; b) andere Personen, wenn sie berechtigt sind, selbständig Rechtsmittel einzulegen (§ 298 StPO, § 67 Abs. 3 JGG); c) Personen, die nach ihrem Verhältnis zu dem Verurteilten als stillschweigend ermächtigt anzusehen sind, in Einzelfallen dessen Interessen wahrzunehmen, wenn dieser selbst 2401

§458 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. 5 außerstande ist (z. B. nahe Angehörige des auf Reisen abwesenden Verurteilten machen geltend, die diesem auferlegte Geldstrafe sei bezahlt, die bevorstehende Versteigerung der im Zuge der Beitreibung gepfändeten Gegenstände sei unberechtigt); d) Dritte, die ohne am Verfahren beteiligt gewesen zu sein (abgesehen von dem zu a) Satz 2 erwähnten Fall) unmittelbar durch die Vollstreckung rechtlich beeinträchtigt werden, so unzweifelhaft der Erbe, wenn die Geldstrafe zu Lebzeiten des verurteilten Erblassers rechtskräftig geworden ist, falls er nicht schon unter a) fällt, aber auch der Eigentümer einer Sache, der bestreitet, daß sie mit der im Urteil eingezogenen identisch sei. e)Hat die ersuchte Vollstreckungsbehörde gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung Bedenken, so kann sie das Ersuchen ablehnen (§§ 158, 159 GVG sind unanwendbar); die ersuchende Behörde muß sich dann, wenn sie die Bedenken nicht teilt, an die der ersuchten Behörde vorgesetzte Dienstaufsichtsbehörde wenden (a. M. BayObLGSt. 13 107). 5. Beispiele für Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung: der Verurteilte macht Verjährung der Strafvollstreckung geltend, er bezeichnet die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe als unzulässig, weil die zugrundeliegende Geldstrafe bezahlt sei, er bestreitet seine Identität mit dem Verurteilten (vgl. v. Baiig a n d GerS 72 211), er macht geltend, die Strafe sei durch Strafffreiheitsgesetz erlassen (vgl. BGHSt. 7 98); er bezeichnet die Nichtanrechnung der vollen oder eines Teils der im Ausland erlittenen Auslieferungshaft auf die Strafzeit als grundgesetzwidrig, weil dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechend (vgl. Anm. I 6c zu § 450), er wendet sich gegen einen rechtskräftigen, die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufenden Beschluß unter Geltendmachung von Tatsachen, die die Wiederaufnahme gegen ein rechtskräftiges Urteil zulassen würden (OLG Oldenburg NJW 1962 1169). Ausnahmsweise kann auch die Art des Strafvollzuges gemäß § 458 bemängelt werden, nämlich wenn der Verurteüte die Zulässigkeit der gegen ihn angewendeten Vollzugsart im allgemeinen bestreitet (vgl. Vorbem. V 3 a vor § 449). Unzulässig sind dagegen grundsätzlich Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Entscheidung (RGSt. 73 333; BayVerfG GA 1964 50), z. B. daß das Gericht bei seiner Entscheidung die Anwendbarkeit einer Amnestie übersehen habe (KG DStR 1937 165; OLGe. München SJZ 1950 623; Bremen NJW 1951 123), daß ein zur Tatzeit Erwachsener in der irrtümlichen Annahme, er sei Jugendlicher gewesen, zu Jugendarrest verurteilt wurde (vgl. LG Kiel SchlHA 1950 304) oder daß umgekehrt infolge Irrtums des Gerichts über das Alter ein Jugendlicher mit einer nur nach Erwachsenenrecht zulässigen Strafe belegt wurde (vgl. Einleitung S. 190f.; D a l l i n g e r - L a c k n e r Rdn. 20 zu § 1 JGG, ferner Anm. 14a zu § 407), daß der Grundsatz der Spezialität der Auslieferung verletzt sei (OLG Hamm NJW 1956 1936). Daß ein Gesetz, auf dem eine Verurteilung beruht, vom BVerfG für nichtig erklärt worden ist, begründet keine Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung, denn §§ 79 Abs. 1, 95 Abs. 3 BVerfGG gewähren für diesen Fall die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens (vgl. dazu Einleitung S. 196), lassen aber im übrigen — anders als § 79 Abs. 2 BVerfGG, der nur für andere als Strafurteile gilt — bis zu einer die Vollstreckung ausschließenden Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren die Zulässigkeit der Vollstreckung unberührt (vgl. u. a. BVerfG NJW 1963 756; OLG Bremen NJW 1962 2169; Zeis NJW 1963 550; a. M. OLG Schleswig SchlHA 1963 60; Uibel NJW 1963 868). In den seltenen Ausnahmefallen, in denen wegen gröbster Verstöße gegen fundamentale Vorschriften die Aufrechterhaltung des Urteils schlechthin unerträglich wäre, ohne daß Abhilfemöglichkeiten anderer Art bestehen (vgl. Einleitung S. 184 ff., insbes. S. 201), würde allerdings dessen Unbeachtlichkeit gemäß § 458 ausgesprochen werden können (BGHZ 42 360, 363). Streitig ist, ob die in der Praxis nicht seltenen Fälle der Doppelbestrafung (meist durch Strafbefehl) unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeit der späteren Entscheidung zu würdigen sind; das ist zu verneinen, da zur Abhüfe der Weg der Verfassungsbeschwerde und der Wiederaufnahme des Verfahrens zur Verfügung stehen (vgl. Einleitung S. 86, 108, 188; s. dazu auch AG Krefeld NJW 1969 1728 m. krit. Anm. Pauli). Grenzfälle sind: der Erlaß eines formell rechtskräftig gewordenen Urteils zu einem Zeitpunkt, in dem ein Amnestiegesetz bereits ergangen und in Kraft war, das Gericht bei seiner Entscheidung ohne sein Verschulden davon aber noch keine Kenntnis hatte (vgl. RG JW 1936 2713; OLG Darmstadt DStR 1937 64; K. S c h ä f e r JW 1936 2991 u. DStR 1937 2402

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 458 Anm. 6 - 1 2

66; B r a n d s t e t t e r Komm. z. Straffreiheitsges. 1954 S. 185), ferner der Fall, daß das Gericht (unzulässigerweise) die Prüfung der Anwendbarkeit eines Straffreiheitsges. dem Strafvollstreckungsverfahren vorbehielt (vgl. BayObLG NJW 1952 154). Wegen der gerichtlichen Nachprüfbarkeit von Vollzugsmaßnahmen vgl. Anm. V 2 vor § 449. 6. Die Anrufung des Gerichts wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die angefochtene Vollstreckungsmaßregel nicht von einer Justizbehörde, sondern von einer Verwaltungsbehörde auszuführen ist. Wird aber der Verwaltungsbehörde durch gesetzliche Vorschrift selbständige Entscheidungsbefugnis eingeräumt, so ist § 458 unanwendbar, wenn solche Entscheidungen angegriffen werden. Ist z. B. auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt (§ 38 StGB) und werden gegen die Entscheidung der höheren Landespolizeibehörde über Beginn, Art und Dauer der Polizeiaufsicht Einwendungen erhoben (vgl. z. B. den von O l b r i c h t NJW 1962 1608 mitgeteilten Fall), so entscheidet darüber nicht der Strafrichter nach § 458, sondern gegebenenfalls das Verwaltungsgericht nach dem für die Anfechtung von Verwaltungsakten geltenden Vorschriften (vgl. LK Rdn. 22 zu § 38; teüweise a. M. P o h l m a n n 2 zu § 58 StVollstrO und frühere Auflagen). Das gleiche gilt, wenn gemäß § 14 des Lebensmitteiges. dem Täter durch Urteil die Führung eines Betriebs untersagt ist und gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde über die Aufhebung der Anordnung (vgl. § 14 Abs. 2 aaO. und dazu Anm. 6 zu § 456c) Einwendungen erhoben werden. Dagegen ist § 458 Abs. 1 anwendbar, wenn in Frage steht, ob das Strafurteil, das auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt oder das Verbot der Führung eines Betriebs ausgesprochen hat, noch vollziehbar ist, oder wenn Zweifel über die Auslegung des Strafurteils bestehen. 7. Gegen die Entscheidung des Gerichts steht sowohl dem Verurteilten und dem sonstigen Einwendungsberechtigten (oben 4) wie auch der Staatsanwaltschaft (vgl. Anm. V 1 zu § 462) die sofortige Beschwerde zu (§ 462 Abs. 1, 4). Weitere Beschwerde, z. B. wegen Berechnung des Beginns der Strafzeit ist gemäß § 310 unzulässig (OLG Breslau DRZ 1932 Nr. 153). Über die Voraussetzungen, unter denen gegen die Entscheidung nach § 458 Verfassungsbeschwerde (§ 90 BVerfGG) erhoben werden kann, vgl. BVerfG NJW 1963 756. 8. Auch nach rechtskräftiger Verwerfung der Einwendungen des Verurteilten auf Grund tatsächlicher Erwägungen kann er erneut Einwendungen erheben, wenn sie auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden (ebenso OLG Hamm JMB1. NRW 1955 227). Das gilt wohl auch, wenn über die Anwendbarkeit eines Straffreiheitsgesetzes verneinend entschieden ist (a. M. OLG Braunschweig NdsRpfl. 1951 191 und B r a n d s t e t t e r , Straffreiheitsgesetz 1954 S. 187; vgl. auch Anm. IV zu § 454). Die Entschließung über die erneuten Einwendungen steht zunächst wiederum der Vollstreckungsbehörde zu. 9. Nach Beendigung der Vollstreckung können Einwendungen im Sinne des § 458 nicht mehr erhoben werden (BayObLG BayZ 15 328; OLG Dresden HRR 1939 Nr. 605). 10. Zu der Frage, ob der Amtsrichter als Vollstreckungsgericht ausgeschlossen ist, wenn gegen seine Entscheidungen als Vollstreckungsbehörde (§ 451 Abs. 3) Einwendungen erhoben werden, vgl. Anm. IV 6 zu § 451. 11. Über Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung von Entscheidungen der Gerichte der D D R im Wege der Vollstreckungshilfe wird nach den Vorschriften das Ges. über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. 5. 1953 (BGBl. 1161) entschieden. 12. Entscheidungen des Rechtspflegers. Über Einwendungen gegen Maßnahmen des Rechtspflegers entscheidet nach § 31 Abs. 5 Rechtspflegerges. v. 5. 11. 1969 zunächst der Richter oder Staatsanwalt, an dessen Stelle der Rechtspfleger tätig geworden ist. Erst wenn dieser nicht abhilft und die Einwendungen aufrecht erhalten werden, entscheidet das Gericht nach § 458. Ferner sind im Fall des § 458 Anträge und Stellungnahmen von der Übertragung der Vollstreckungsgeschäfte auf den Rechtspfleger ausgenommen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 der VO v. 26. 6. 1970, BGBl. I 992; abgedr. Anm. VIII 2 zu § 451).

2403

§ 459 Anm. 1,2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

§459 Kann eine Geldstrafe nicht beigetrieben werden und ist die Festsetzung der für diesen Fall eintretenden Freiheitsstrafe unterlassen worden, so ist die Geldstrafe nachträglich von dem Gericht in diese Freiheitsstrafe umzuwandeln. 1. Nach § 29 StGB „tritt an die Stelle" einer uneinbringlichen Geldstrafe Ersatzfreiheitsstrafe. § 459 macht durch seine Fassung („unterlassen worden") deutlich, daß die Ersatzfreiheitsstrafe in der die Geldstrafe verhängenden Entscheidung festzusetzen ist und ihre Festsetzung nicht dem Verfahren nach § 459 überlassen werden darf (BGH St. 13 400, 403); die festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe bildet zugleich den festen Umrechnungsmaßstab für die Anrechnung von Untersuchungshaft auf Geldstrafe (BGHSt. 24 29 = NJW 1971 290). § 459 betrifft also den Fall, daß dies versehentlich oder zu Unrecht unterblieben ist und die Entscheidung rechtskräftig und damit eine Nachholung im Rechtsmittelweg ausgeschlossen ist. Über einen Ausnahmefall vgl. OLG Schleswig SchlHA 1958 289. Die Nachholung ist dann aber erst möglich, wenn die Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann, wenn also ein Beitreibungsversuch erfolglos geblieben ist oder von einem solchen Versuch wegen Aussichtslosigkeit nach § 28 a Abs. 2 StGB abgesehen werden kann. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, entscheidet die Vollstreckungsbehörde, nicht das Vollstreckungsgericht (ebenso M ü l l e r - S a x 3). Die Nachholung der Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch das Vollstreckungsgericht (§ 462) ist danach erst zulässig, wenn die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe notwendig wird; § 256 Entw. Strafvollzugsges. 1927 wollte dies durch eine entsprechende Fassung verdeutlichen („Ist die Ersatzfreiheitsstrafe für eine Geldstrafe nicht festgesetzt, so hat sie das Vollstreckungsgericht nachträglich festzusetzen, sobald ihre Vollstreckung an Stelle der Geldstrafe notwendig wird"). Die Nachholung ist also ausgeschlossen, wenn das Vollstreckungsgericht gemäß § 29 Abs. 4 StGB angeordnet hat, daß die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleibt. Sie wird aber zulässig, wenn die Anordnung aus § 29 Abs. 4 widerrufen wird, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten sich gebessert haben und die Geldstrafe jetzt nur infolge Verschuldens des Verurteilten nicht beitreibbar ist, denn die Anordnung nach § 29 Abs. 4 stellt nur einen widerruflichen Aufschub der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe dar (OLG Dresden JW 1932 1764; BGH v. 23. 2. 1966, 2 StR 39/66 bei D r e h e r 3; I m l a u DJ 1938 1759; LK Rdn. 26). Von dieser Auffassung geht auch § 49 Abs. 2 Satz 2 StVollstrO aus, wenn er Beitreibungsversuche hinsichtlich der Geldstrafe für zulässig erklärt, „ohne daß es des Widerrufs der nach § 29 Abs. 4 StGB ergangenen Anordnung bedarf. Ausgeschlossen ist die nachträgliche Umwandlung auch, wenn im Gnadenweg die Ersatzfreiheitsstrafe unter Bestehenlassen der Geldstrafe erlassen oder mit Bewährungsfrist ausgesetzt ist. Anträge und Stellungnahmen der Vollstreckungsbehörde sind dem Rechtspfleger nicht übertragen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 der VO v. 26. 6. 1970, BGBl. I 992, abgedr. Anm. VIII 2 zu §451). 2. Ist die Geldstrafe teilweise gezahlt oder vollstreckt oder infolge Anrechnung von Untersuchungshaft als vollstreckt anzusehen, so ist eine Ersatzfreiheitsstrafe nachträglich nur für den noch nicht erledigten Teil der Geldstrafe festzusetzen. Bleibt der Rest der Geldstrafe unter dem gesetzlichen Mindestbetrag — 5 DM bei Verbrechen, Vergehen und Ubertretungen (§ 27 StGB) — zurück, so kann nachträglich eine Ersatzfreiheitsstrafe nur festgesetzt werden, wenn bei einer Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe zugleich mit der Geldstrafe im Urteil ein solcher Strafrest zur Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe führen kann. Diese Frage ist aber sehr streitig; folgende Auffassungen werden vertreten: a) ein Tag Strafe wird ohne Rücksicht auf die geleistete Teilzahlung vollstreckt. So wurde früher vielfach verfahren (OLG Kolmar ElsLothZ 41 418, T i s c h BayZ 10 121); b) ein Tag Strafe wird vollstreckt, gleichzeitig aber die geleistete Teilzahlung zurückerstattet (OLGe. Breslau GA 50 295, 296; Düsseldorf GA 58 259; A l s b e r g Entsch. 3 264; BayObLGSt. 13 104; DJZ 1914 106; K r a c k h a r d BayZ 9 272); c) ein dem geschuldeten Restbetrage entsprechender Teil der Strafe wird vollstreckt, auch wenn er weniger als 24 Stunden beträgt (RGSt. 41 320; H o n e m a n n ZStW 33 184; 2404

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 459 Anm. 3—5

G ö b e l BayZ 9 353; Z e i l e r ZStW 37 873; B e r g m a n n DRZ 1932 71). § 38 StVollstrO 1935 wies die Vollstreckungsbehörden an, so zu verfahren, vorbehaltlich einer abweichenden gerichtlichen Entscheidung im Einzelfall; vgl. dazu S c h ä f e r DJ 1933 704; d) die Vollstreckung ist ausgeschlossen (RG GA 46 46, Recht 18 Nr. 2781; LZ 11 142/143; JW 1938 41 Nr. 15; OLGe. Celle GA 37 446; Düsseldorf A l s b e r g 3 263b; K G G A 60 476; A l s b e r g 3 263a; SächsArch. 14 60; L i n d e m a n n Recht 8 442; LKT r ö n d l e Rdn. 8; S c h ö n k e - S c h r ö d e r Rdn. 15; D r e h e r 2, je zu § 29 StGB; M ü l l e r S a x 4 zu § 459; s. auch BGHSt. 16 300, 303). Die Ansichten zu a) und b) sind nicht haltbar, denn der durch Zahlung erloschene Strafanspruch kann auch nicht durch Rückzahlung wieder aufleben. Für die Ansicht d) fehlt es an einer rechtlichen Grundlage*; § 29 Abs. 2 Satz 3 StGB gilt nur für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe im Urteil, nicht für die Vollstreckung. Die Ansicht zu c) hat keine rechtlichen Bedenken gegen sich; die Vollstreckung von Tagesbruchteilen bedeutet aber vermehrte Verwaltungsarbeit bei nur geringem praktischem Nutzen. § 50 Abs. 2 StVollstrO bestimmt deshalb — ohne zu der Streitfrage Stellung zu nehmen (vgl. P o hl m a n n II 2 zu § 50) — im Interesse der Vereinfachung: „Ergeben sich bei der Berechnung einer... zu vollstreckenden Ersatzfreiheitsstrafe Bruchteile von Tagen, so bleiben sie außer Betracht. Für den entsprechenden Rest der Geldstrafe bleibt der Verurteilte vermögensrechtlich haftbar". Die Vollstreckungsbehörde sieht demgemäß von einem Antrag auf Erlaß eines Ergänzungsbeschlusses ab, wenn der Strafrest das gesetzliche Mindestmaß der Geldstrafe nicht erreicht. Rechtlich läßt sich dieser Verzicht auf die gebotene Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe, wenn praktisch keine Aussicht auf einen Erfolg weiterer Beitreibungsversuche mehr besteht, unter dem Gesichtspunkt eines im Wege der Gnade ausgesprochenen Erlasses der restlichen Ersatzfreiheitsstrafe oder doch wenigstens des gnadenweisen Aufschubs ihrer Vollstreckung bis zur Verjährung vertreten (vgl. dazu Anm. X 3 a zu § 451). — Auch wenn der Strafrest die gesetzliche Mindestgeldstrafe erreicht, kann das Vollstreckungsgericht die Umwandlung mit der Begründung ablehnen, daß der zur Festsetzung eines ganzen Tages Ersatzstrafe erforderliche angemessene Betrag höher liege, die Umwandlung also zwecklos sei, weil die Vollstreckungsbehörde Tagesbruchteile nach den für sie geltenden Anweisungen nicht vollstrecken dürfe (ebenso M ü l l e r - S a x 4). 3. § 459 ist unanwendbar bei der Anordnung der Einziehung des Wertersatzes gemäß § 4 0 c StGB (vgl. L K . - S c h ä f e r Rdn. 25 zu § 4 0 c ) und der Anordnung der Mehrerlösabführung nach § 8 WiStG (vgl. BGH NJW 1954 1734), da es hier keine Ersatzfreiheitsstrafe bei Uneinbringlichkeit gibt. 4. § 459 hat zwar — wie die §§ 449 ff. überhaupt — nur kriminelle, d. h. die aus Anlaß der Verwirklichung eines Straftatbestandes auferlegten Geldstrafen zum Gegenstand. Da aber eine entsprechende Anwendung einzelner Vorschriften des 7. Buches, soweit dafür ein Bedürfnis besteht, nicht ausgeschlossen ist (vgl. Vorbem. VI vor § 449), steht nichts entgegen, von den Strafgerichten verhängte Ordnungsstrafen in Geld, bei denen für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit Ersatzhaft ausgesprochen werden kann (wie z. B. im Fall des § 51 StPO), in entsprechender Anwendung des § 459 in eine Ersatzfreiheitsstrafe umzuwandeln, wenn die Festsetzung der Ersatzhaft im Strafbeschluß unterblieben war (OLG Hamm GA 1958 118). Gericht des ersten Rechtszuges i. S. des § 462 Abs. 1 ist dann das Gericht, das die Ordnungsstrafe festgesetzt hat, also z. B. das Berufungsgericht, wenn die Ordnungsstrafe in der Berufungsinstanz verhängt war, denn das Ordnungsstrafverfahren ist ein besonderes Verfahren, das neben dem eigentlichen Strafverfahren herläuft, aber mit ihm nicht identisch ist (OLG Hamm aaO.). 5. Künftiges Recht. Mit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Teils des StGB in der Fassung des 2. StrRG v. 4. 7. 1969 (BGBl. I 717) wird § 459 StPO gegenstandslos, da sich bei der Verhängung der Geldstrafe in Tagessätzen (§ 40) die Höhe der an die Stelle einer * Durch den in Art. 19 Nr. 120 des von der Bundesreg. unter dem 4 . 4 . 1972 (BT-Drucks. VI/3250) eingebrachten Entwurf eines EGStGB vorgeschlagenen § 459 e Abs. 3 StPO soll diese Rechtsgrundlage geschaffen werden („Wegen eines Teilbetrages, der keinem vollen Tage Freiheitsstrafe entspricht, darf die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht angeordnet werden").

2405

§ 460 Anm. 11

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

uneinbringlichen Geldstrafe tretenden Ersatzfreiheitsstrafe unmittelbar aus dem Gesetz (§ 43) ergibt. Die in Art. 19 Nr. 120 des Entw. des EGStGB vorgesehenen §§ 459 bis 459f. und 459 h. sollen den derzeitigen § 463 ersetzen und die Geldstrafenvollstreckung entsprechend der Bedeutung der Geldstrafe im System des neuen Strafrechts regeln.

§460 Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden, und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 76 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen. Literatur: K u h n t , Gnadenerweis und Gesamtstrafenbildung, MDR 1955 194; S c h w e ling, Die Bemessung der Gesamtstrafe GA 1955 289. Übersicht I. Verhältnis des § 76 StGB zu § 460 StPO 1. Voraussetzungen der Gesamtstrafenbildung durch Urteil 2. Gesamtstrafenbildung durch Beschluß 3. „Urteile" i. S. des § 460 II. Die einzubeziehenden Einzelstrafen 1. Vollstreckte, verjährte oder erlassene Strafen a) Auszuscheidende Strafen b) Einzubeziehende Strafen. Wirkung des Gnadenerweises für eine Einzelstrafe auf die gebildete Gesamtstrafe 2. Einzelstrafen, die in dem nach § 76 StGB maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig waren 3. Nachträglich vollstreckbar gewordene Strafen. Einzelstrafen bei Auslieferung ohne StrafVollstreckungsbewilligung III. Auflösung einer früheren/jesamtstrafe IV. Bemessung der Gesamtstrafe V. Berücksichtigung von Rechtsfehlern in den früheren Urteilen

VII. Wegfall der für eine Einzelstrafe bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung. Grundsätze für die Bewährungsaussetzung der Gesamtstrafe VIII. Verfahrensfragen 1. Zuständigkeit 2. Verfahren von Amts wegen. Anhörung 3. Begründung des Beschlusses 4. Rechtsmittel. Wirkung der Rechtskraft. Vollstreckbarkeitsbescheinigung IX. Strafzeitberechnung 1. Beginn der Vollstreckung der Gesamtstrafe 2. Anrechnung von Untersuchungshaft X. Jugendgerichtliches Verfahren 1. Die nachträgliche Entscheidung nach § 66 J G G 2. Behandlung von Einzelstrafen für Straftaten in verschiedenen Altersund Reifestufen XI. Kosten

VI. Behandlung der Nebenfolgen im Gesamtstrafenbeschluß 1. Bisheriges Recht 2. Geltendes Recht

I. Verhältnis des § 76 StGB zu § 460. 1. Gesamtstrafenbildung durch Urteil. Nach § 74 StGB ist unter den in §§ 74, 75 bezeichneten Voraussetzungen eine Gesamtstrafe durch Urteil zu bilden, wenn mehrere sachlich zusammentreffende Straftaten gleichzeitig abgeurteilt werden. Nach § 76 StGB finden die §§ 74, 75 auch dann Anwendung, wenn, bevor eine erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, die Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung erfolgt, die vor der früheren Verurteilung begangen war. „Um dieser Vorschrift volle Wirksamkeit zu sichern, bedarf es noch einer prozessualen Regelung des Falles, wenn jemand durch verschiedene Urteile zu Strafen verurteüt worden ist, bei dem späteren Urteil aber die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe außer Betracht geblieben sind (Mot. S. 321)." Aus § 76 folgt, daß bei Aburteilung der Taten in verschiedenen Verfahren grundsätzlich schon in dem Urteil des später erkennenden Richters die Gesamtstrafe zu bilden und daß dieser durch § 76 StGB ermächtigt und verpflichtet ist, an Stelle der verschiedenen Einzelstrafen eine Gesamtstrafe festzusetzen, insoweit also auch das frühere Urteü, gleichviel ob es von ihm selbst oder von einem anderen Richter 2406

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 460 Anm. 12,3; II 1 erlassen ist, abzuändern; er darf die Bildung der Gesamtstrafe nicht willkürlich dem Beschlußverfahren nach § 460 überlassen (BGHSt. 20 293). Das gilt auch dann, wenn vor dem Urteil des zuletzt erkennenden Richters bereits mehrere unter § 76 fallende Strafen in verschiedenen Urteilen verhängt worden sind und die Bildung einer Gesamtstrafe, die in dem letzten dieser Urteile hätte erfolgen müssen, unterblieben ist. Diese Grundsätze sind in der Rechtsprechung des RG (z. B. RGSt. 2 198; 8 62; 15 29; 34 267) und - nach anfänglichem Schwanken — auch der des BGH (BGHSt. 12 1 - Gr. Sen. —) anerkannt. Von der Einbeziehung in die Gesamtstrafe darf danach, wenn der letzte Richter von den mehreren Verurteilungen Kenntnis hat, nur abgesehen und die Gesamtstrafenbildung dem Verfahren nach § 460 überlassen werden, a)wenn ein früher ergangenes Urteil noch nicht rechtskräftig ist (RGSt. 5 1; 15 31; 37 169; HRR 1938 Nr. 1317; BGHSt. 20 292, 294), oder wenn es zwar formell rechtskräftig, sein Bestand aber nicht gesichert ist, z. B. der Angeklagte mit Aussicht auf Erfolg um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist nachgesucht hat und daher zu erwarten ist, daß die Rechtskraft des früheren Urteils wieder beseitigt wird (BGHSt. 23 98 = NJW 1969 2210); b) wenn das Gericht, ohne daß dies auf mangelnder Terminvorbereitung beruht, keine sichere tatsächliche Grundlage für die Anwendung des § 76 hat, weil die Vorstrafakten fehlen und ohne Vertagung nicht zu beschaffen sind (RGSt. 34 267; 64 413; BGHSt. 12 1, 10; 23 98); c) wenn im einzelnen Fall auch anderen Gesichtspunkten der Vorrang vor dem Gebot des § 76 StGB zukommt; so darf zur Vermeidung einer Doppelbestrafung eine Einzelstrafe nicht mehr in eine Gesamtstrafe einbezogen werden, wenn sie bereits zur Bildung einer noch nicht rechtskärftigen Gesamtstrafe gedient hat (BGHSt. 20 292 = NJW 1966 114; BayObLG NJW 1971 1193). Die Unterlassung der möglichen Gesamtstrafenbildung begründet die Revision (RGSt. 64 413; BGHSt. 3 281; 12 1; anders früher BGHSt. 2 388). 2. Gesamtstrafenbildung nach § 460. Das Verfahren nach § 460 ist danach gegeben, wenn der später erkennende Richter die frühere Verurteilung nicht gekannt hat, aber auch dann, wenn der Richter die ihm bekannte Verurteilung zulässigerweise (vgl. 1) oder versehentlich außer acht gelassen hat. Dagegen ist die Anwendung des § 460 ausgeschlossen, wenn der Richter die Anwendbarkeit des § 76 StGB ausdrücklich geprüft und aus Rechtsirrtum verneint hat (RGSt. 64 413; OLG Düsseldorf JMB1. NRW 1958 140). So schon die Mot. S. 232: „Ist die Zuerkennung einer Gesamtstrafe vermöge einer unrichtigen Auffassung der strafrechtlichen Vorschriften unterblieben, so kann § 460 nicht Anwendung finden. Denn alsdann beruht das spätere Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes, welcher durch Einlegung des Rechtsmittels der Revision abzuhelfen gewesen wäre..., und die Sache liegt alsdann hier nicht anders wie bei sonstigen, einem Urteil zugrunde liegenden Rechtsirrtümern des Richters. Die letzteren können die Anfechtung oder Abänderung, eines rechtskräftig gewordenen Urteils nicht begründen". Jedoch ist diese Folgerung nicht unstreitig (vgl. Stenglein Anm. 1; v. K r i e s 764; Ben-Beling 621 Anm. 43; May GA 57 353; Zeiler ZStW 33 670). 3. Urteile i. S. des § 460 sind auch Strafbefehle (vgl. BGH GA 1956 50) und Strafverfügungen. Wie in § 17 Abs. 1 Nr. 1 StGB kommen nur inländische Urteile in Frage (vgl. BGH MDR 1955 246). II. Die einzubeziehenden Einzelstrafen Im Verfahren nach § 460 ist die Gesamtstrafe so zu bilden, wie dies der letzte Tatrichter nach § 79 StGB hätte tun müssen, wenn ihm die vorangegangenen Verurteilungen bekannt gewesen wären. Das Vollstreckungsgericht prüft also zunächst, ob die erste Voraussetzung des § 76 StGB gegeben ist, daß die spätere Verurteilung wegen einer Tat erfolgte, die vor der früheren Verurteilung (vgl. dazu § 76 Abs. 1 Satz 2 StGB) begangen ist. 1. Vollstreckte, verjährte oder erlassene Strafen a) Auszuscheidende Strafen. Alsdann prüft das Vollstreckungsgericht, ob nicht die früher erkannte Strafe für die Bildung einer Gesamtstrafe deshalb ausscheidet, weil sie bis 2407

§ 460 Anm. II 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

zum Zeitpunkt der späteren Verurteilung vollstreckt, verjährt oder erlassen ist. War die Strafe bis dahin nur teilweise erlassen oder vollstreckt, so hindert dies die Einbeziehung der ganzen Strafe nicht; der verbüßte oder erlassene Teil wird im Wege der der Vollstreckungsbehörde obliegenden Strafzeitberechnung (BGHSt. 21 186) auf die Gesamtstrafe „angerechnet" (RGSt. 8 62; 46 179; s. K ö h l e r GerS 65 33; K u h n t MDR 1955 194; § 4 1 Abs. 1 Satz 1 StVollstrO). Ob ein bedingter Erlaß der Einzelstrafe (nicht nur eine bedingte Aussetzung der Vollstreckung) einen Straferlaß i. S. des § 76 darstellt, hängt davon ab, ob die Bedingung eine aufschiebende oder eine auflösende ist. Bei auflösender Bedingung ist die Strafe i. S. des § 76 erlassen, nicht aber bei aufschiebender Bedingung (vgl. RGSt. 53 116; 63 178; BGHSt. 7 186; 17 227; OLG Hamm JMB1. NRW 1952 35; M ü l l e r - S a x 4 b 2; D a l c k e l - S c h ä f e r ] Anm. 1 zu § 79; K u h n t MDR 1955 196); streitig kann aber, wenn die Fassung des Amnestiegesetzes oder des Einzelgnadenerweises es an der erforderlichen Klarstellung fehlen läßt, sein, ob ein Erlaß unter der Bedingung, daß der Verurteilte während eines bestimmten Zeitraumes nicht erneut verurteilt wird, eine aufschiebende (so RGSt. 63 178) oder eine auflösende Bedingung (so RGSt. 53 116; BGH 7 186; 17 227) enthält. Ist die Bewährungszeit einer ausgesetzten Strafe abgelaufen und sind die Voraussetzungen des Straferlasses gegeben (§ 25 a Abs. 1 StGB), während gleichzeitig die Voraussetzungen für die Gesamtstrafenbildung nach § 460 vorliegen, so unterbleibt die Gesamtstrafenbildung, wenn dies für den Verurteilten günstiger ist (LG Saarbrücken JB1. Saar 1965 30). b) Ist eine Einzelstrafe erst nach dem für die Bildung einer Gesamtstrafe nach § 76 maßgebenden Zeitpunkt vollstreckt, verjährt oder erlassen, so ist dies für die Bildung der Gesamtstrafe nach § 460 ohne Bedeutung. Das Vollstreckungsgericht muß also auch eine Strafe in die Gesamtstrafe einbeziehen, die nach dem späteren Urteil, in dem die Gesamtstrafe nach § 76 hätte gebildet werden können (wenn die frühere Verurteilung bekannt gewesen wäre usw.) vollstreckt wurde, denn der Zweck des § 460 geht ja dahin, nachträglich dem Verurteilten die Rechtsvergünstigung zu verschaffen, auf die er nach § 76 StGB Anspruch hatte (ebenso OLG München St. 10 67; BayObLGSt. 9 307; A l s b e r g Entsch. 3 247a; NJW 1957 1810; OLG Bremen Rpfl. 1953 531; Z e i l e r ZStW 33 670; M ü l l e r S a x 4 c (3); P o h l m a n n II 5 zu § 43 StVollstrO; vgl. auch BGHSt. 4 366). Das muß folgerichtig aber auch dann gelten, wenn eine Strafe nach dem gemäß § 76 maßgeblichen Zeitpunkt durch einen Einzelgnadenerweis oder ein StrafFreiheitsgesetz, das nicht, wie § 11 Abs. 3 Straffreiheitsges. 1954, eine abweichende Regelung enthält, ganz oder teilweise erlassen (oder gar nur bedingt erlassen) wurde; ein innerer Grund, Vollstreckung und Erlaß verschieden zu behandeln, ist nicht erkennbar, und § 460 ordnet schlechthin die Zurückführung der „erkannten Strafen" auf eine Gesamtstrafe an (ebenso OLG Hamburg HRR 1935 Nr. 827; G r a u - S c h ä f e r , Preuß. Gnadenrecht 127; P o h l m a n n ; a. M. BayObLG DJZ 1919 107; M ü l l e r - S a x 4c). Folgerichtig muß dann auch, wenn eine Strafe im Gnadenweg in eine mildere Strafart umgewandelt ist (z. B. eine Freiheits- in eine Geldstrafe), die Gesamtstrafe aus der erkannten Strafe gebildet werden, nicht etwa in der Weise, als sei von vornherein auf die in dem Gnadenerweis festgesetzte Strafe erkannt worden (ebenso G r a u - S c h ä f e r aaO.; K. S c h ä f e r JR 1933 22; L i c h t i JZ 1951 524; zweifelnd BayObLG JZ 1951 522). Eine andere Frage ist, welche Wirkung dem Gnadenerweis gegenüber der so gebildeten Gesamtstrafe zukommt. Bei strenger Durchführung des Grundsatzes, daß eine in einer Gesamtstrafe aufgehende Einzelstrafe ihre rechtliche Bedeutung verliert, müßte gefolgert werden, daß der Gnadenerweis gegenstandslos geworden ist und es dem Inhaber des Gnadenrechts überlassen bleibt, durch Erneuerung des Gnadenerweises gegenüber der Gesamtstrafe diese Folge abzuwenden (so G r a u - S c h ä f e r aaO.). Indessen entspricht eine solche Betrachtungsweise nicht dem Sinn und der rechtlichen Bedeutung des Gnadenerweises (vgl. dazu die Vorbem. vor § 12 GVG). Vielmehr ist davon auszugehen, daß zwar zunächst die Gesamtstrafe ohne Berücksichtigung des Gnadenerweises zu bilden, dem Gnadenerweis aber eine sich sogleich auf die Gesamtstrafe erstreckende Wirkung beizumessen ist (ebenso K. S c h ä f e r und L i c h t i aaO., im Ergebnis auch K u h n t MDR 1955 196). Das erfordert auch der allgemein gültige Gedanke des Verbots der reformatio in peius (s. unten Anm. III), denn die Gesamtstrafenbildung soll dem Verurteilten einen Vorteil (durch Verkürzung der Strafdauer oder Herabsetzung der Gesamtgeldstrafe gegenüber einer Summierung der Einzelstrafen) bringen, und es darf dieser Vorteil sich nicht in 2408

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 460

Anm. II 2 , 3 ; III einen schweren Nachteil verkehren. Das Gericht hätte also z. B., wenn eine in eine Geldstrafe umgewandelte Freiheitsstrafe mit einer anderen Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe vereinigt wurde, auszusprechen, daß ein dem Anteil der umgewandelten Freiheitsstrafe entsprechender Teil der Gesamtstrafe durch die Umwandlung in eine Geldstrafe weggefallen sei, und bei Bildung einer Gesamtstrafe mit einer im Gnadenweg erlassenen Strafe, daß die Gesamtstrafe um die anteilsmäßige Höhe der erlassenen Strafe gemindert sei (wegen des Zusammentreffens von Umwandlung in eine andere Strafart und gleichzeitiger Herabsetzung der Höhe der Strafe vgl. L i c h t i aaO.). Erst recht wird die Einbeziehung einer Einzelstrafe in die nach § 460 zu bildende Gesamtstrafe nicht ausgeschlossen, wenn nur die Vollstreckung der Einzelstrafe durch Einzelgnadenerweis oder Amnestie bedingt ausgesetzt worden war (BGH NJW 1955 1485; 1957 32). Die im Weg der Gnade für die Einzelstrafe angeordnete bedingte Aussetzung verliert dann — in gleicher Weise wie die gerichtliche Strafaussetzung zur Bewährung (s. u. VII) — mit der Einbeziehung der Einzelstrafe in die Gesamtstrafe ihre Bedeutung (ebenso BGH aaO.; G r a u - S c h ä f e r 270, 350 und die dort mitgeteilte ständige preuß. Gnadenpraxis); es bedarf also eines erneuten Gnadenaktes, wenn die Gnadenbehörde der früher angeordneten bedingten Aussetzung Wirksamkeit auch gegenüber der neugebildeten Gesamtstrafe beilegen will. Schließlich muß auch eine Strafe, deren Vollstreckung nach dem gemäß § 76 maßgebenden Zeitpunkt und vor Bildung der Gesamtstrafe verjährt ist, in die Gesamtstrafe einbezogen werden; sie wird dann ebenso wie eine erlassene Strafe anteilsmäßig von der Gesamtstrafe abgesetzt (LG Kiel Rpfleger 1960 305; a. M. M ü l l e r - S a x 4 c (3)). 2. In den Beschluß nach § 460 kann eine Einzelstrafe auch einbezogen werden, die nach § 76 StGB nicht hätte berücksichtigt werden können, weil sie bei der letzten tatrichterlichen Aburteilung in dem späteren Verfahren noch nicht rechtskräftig war (OLGe. Frankfurt NJW 1956 1609; Stuttgart NJW 1957 1813; Düsseldorf JMB1. NRW 1958 139). Daß das noch nicht rechtskräftige Urteil im Fall des § 76 StGB nicht einbezogen wird, rechtfertigt sich aus der Erwägung, daß es nicht sinnvoll ist, eine Strafe einzubeziehen, die auf Rechtsmittel hin wieder beseitigt oder geändert werden kann. Solche Bedenken stehen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung durch Beschluß nicht entgegen; es liegt auf einer Ebene, ob der Richter nach § 76 StGB von der Einbeziehung absah, weil er aus tatsächlichen Gründen über die Einziehungsvoraussetzungen keine sichere Kenntnis hatte oder "ob ihn die Ungewißheit über das rechtliche Schicksal der noch nicht rechtskräftigen Strafe dazu veranlaßte. Die Anwendung des § 460 stünde außer Zweifel, wenn das Urteil nach § 76 StGB in der von R G Rspr. 4 102 gebilligten Weise verfahren wäre, auch die nicht rechtskräftige Strafe einzubeziehen, gleichzeitig aber in der Urteilsformel für den Fall ihres Wegfalls oder ihrer Änderung Bestimmung zu treffen. Daß ein Urteil nur hinsichtlich der Strafaussetzung zur Bewährung noch nicht rechtskräftig ist, hindert seine Einbeziehung in die Gesamtstrafe nicht (BGH JZ 1956 696). 3. Ist eine bedingt erlassene Strafe nicht zur Bildung einer Gesamtstrafe verwendet worden (s. oben II 1), so ist sie nach § 460 zu berücksichtigen, wenn sie infolge Eintritts der auflösenden oder Nichteintritts der aufschiebenden Bedingung wieder vollstreckbar geworden ist (vgl. auch BGH NJW 1956 555). — Wegen der Behandlung von Einzelstrafen bei Ausgelieferten, für die vom Auslieferungsstaat Strafvollstreckung nicht bewilligt ist, bei der Bildung von Gesamtstrafe vgl. G r e t h l e i n NJW 1963 945. III. Auflösung einer früheren Gesamtstrafe Bei der Bildung der Gesamtstrafe wird grundsätzlich eine bereits für einzelne Strafen rechtskräftig gebildete Gesamtstrafe aufgelöst und aus den ihr zugrunde liegenden Einzelstrafen die Gesamtstrafe gebildet. Fehlerhaft ist der Anspruch, daß die Einzelstrafen der aufgelösten Gesamtstrafe in Wegfall kommen (BGHSt. 12 99). Ist die Auflösung im Gesamtstrafenbeschluß nicht ausdrücklich zum Ausdruck gekommen, so kann die tatsächlich erfolgte Auflösung u. U. aus der Höhe der neugebildeten Gesamtstrafe entnommen werden (OLG Saarbrücken JB1. Saar 1962 149). Die Auflösung ist auch dann geboten, wenn nicht alle Einzelstrafen der früher gebildeten in die neue Gesamtstrafe einbezogen werden können 2409

§ 460 Anm. IV; V

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

(ebenso BGHSt. 9 5 = NJW 1956 555; BayObLG NJW 1955 1488; a. M. OLG Breslau DRiZ 1935 Nr. 683); gegebenenfalls sind zwei Gesamtstrafen zu bilden (BGH GA 1955 244; 1963 374; LG Hamburg MDR 1965 760; vgl. dazu Anm. IV 3 zu § 462). Der sinngemäß anwendbare allgemeine Grundsatz des Verbots der reformatio in peius bewirkt aber, daß die früher gebildete Gesamtstrafe, auch wenn sie ihre rechtliche Bedeutung verloren hat, doch insofern weiter wirkt, als die neue Gesamtstrafe keinesfalls die Summe der bisherigen Gesamtstrafe und der einzubeziehenden Einzelstrafe überschreiten darf (RGSt. 46 183; 48 277; RG DR 1940 1417; BGHSt. 9 370; 15 164; OLG Hamm JMB1. NRW 1955 60; BayObLG NJW 1971 1193; LK.= M ö s l Rdn. 11 zu § 76; a. M. z.T. das Schrifttum, z. B. D r e h e r 1 D m . Nachw.; die gleichfalls abweichende Entscheidung OLG Dresden HRR 1937 Nr. 606, wonach lediglich die Summe der Einzelstrafen nicht erreicht werden darf, erging in der Zeit, als das Verbot der reformatio in peius nicht galt und führt gerade dies als maßgebenden Gesichtspunkt an, hat also mit der Wiedereinführung dieses Verbots ihre Grundlage verloren). Die unterste Grenze für die neue Gesamtstrafe bildet die frühere Gesamtstrafe; eine andere Handhabung würde eine dem Vollstreckungsgericht nicht zustehende Korrektur der früheren Entscheidung bedeuten (RGSt. 6 283; 44 302; BGHSt. 7 183; offen gelassen in OLG Köln JMB1. NRW 1964 107, 108; a. M. BGHSt. 15 164). IV. Für die Bemessung der Gesamtstrafe gelten im übrigen die Grundsätze, die bei Anwendung der §§ 75, 76 StGB zu beachten sind, mit den Einschränkungen, die sich ohne weiteres daraus ergeben, daß das Vollstreckungsgericht die Gesamtstrafe lediglich aus Strafen zu bilden hat, die bereits rechtskräftig festgesetzt sind, und daß es nicht auf Grund einer Hauptverhandlung, sondern auf Grund der Akten im schriftlichen Verfahren entscheidet; demgemäß kommen etwa die von D r e h e r JZ 1957 156 angestellten Erwägungen, die für den nach § § 7 4 bis 76 StGB erkennenden Richter beachtlich sind, hier nur in beschränktem Umfang in Betracht. Die allgemeinen Grundsätze für die Bemessung der Gesamtstrafe ausführlicher darzustellen, ist hier nicht der Raum; es wird auf die einschlägige Literatur,insbesondere die Erläuterungsbücher zu §§ 75, 76 StGB, ferner BGHSt. 12 1, 7f.; NJW 1972 454 und S c h w e l i n g GA 1955 289ff., verwiesen (s. auch unten Anm. VIII 3). Nur folgendes sei hervorgehoben: Die Rechtmäßigkeit der früheren Verurteilungen, die Gesetzmäßigkeit und Angemessenheit der erkannten Strafen hat das Vollstreckungsgericht grundsätzlich (s. aber unter V) nicht zu prüfen; es wäre eine unzulässige Korrektur der rechtskräftigen Urteile, wenn das Vollstreckungsgericht seine Bedenken gegen diese bei der Bemessung der Gesamtstrafe in Anschlag bringen würde. Das gilt auch für eine früher gebildete Teilgesamtstrafe. Wesentliche Strafzumessungsgesichtspunkte, die in den rechtskräftigen Urteüen unberücksichtigt geblieben sind, kann auch das Vollstreckungsgericht nicht berücksichtigen, soweit sie über die aus einer Gesamtschau der Straftaten (unten VIII 3) sich ergebenden neuen Gesichtspunkte hinausgehen ( S c h w e l i n g GA 1955 302). Dem Grundgedanken des § 75 Abs. 2 StGB entspricht es dabei, daß in der Regel die neue Gesamtstrafe der Summe von aufgelöster Gesamtstrafe und Einzelstrafe „nicht zu nahe kommt", also nicht nur unwesentlich hinter ihr zurückbleibt, es sei denn, daß besondere (dann aber darzulegende, s. unten Anm. VIII 3) Gründe es rechtfertigen, den Raum bis zur Erreichung der Summe voll auszuschöpfen (OLG Hamm JMB1. NRW 1955 60; Köln NJW 1953 1684). Eine nur geringfügige Erhöhung der Einsatzstrafe (der aufgelösten Gesamtstrafe) trotz weiterer erheblicher Strafen kann einen Ermessensmißbrauch darstellen, sofern dies nicht durch wohl erwogene, der Darlegung bedürftige Gründe gerechtfertigt ist (BGHSt. 5 57). V. Berücksichtigung von Rechtsfehlern in den früheren Urteilen Die Rechtsprechung neigt in dem Bestreben, offensichtliche Fehler nicht zu verewigen, dazu, Ausnahmen von dem Grundsatz zuzulassen, daß dem Gericht des § 460 die Nachprüfung der rechtskräftigen Einzelurteile auf ihre Gesetzmäßigkeit verwehrt ist. So wird es als zulässig angesehen, offensichtliche Versehen in dem Umfang, wie es auch dem Rechtsmittelgericht unter Beachtung des Verbots der reformatio in peius zusteht, im Gesamtstrafenbeschluß zu berücksichtigen und z. B. dann, wenn in eine nach § 76 gebildete Teilgesamtstrafe zu Unrecht eine bereits verbüßte Strafe einbezogen war, diesen Fehler durch Heraus2410

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 460

Anm. VI 1,2 lassung der Einzelstrafe aus dem neuen Beschluß, im übrigen aber ohne Schlechterstellung des Verurteilten zu berichtigen (AG Göttingen NJW 1953 1404). Nach R G H R R 1940 Nr. 178; RGSt. 75 213 ist eine unzulässige Nebenstrafe oder offensichtlich zu Unrecht angeordnete Sicherungsmaßregel nicht in den Gesamtstrafenbeschluß zu übernehmen (s. dazu unten Anm. VI). Nach J e s c h e c k JZ 1956 418 und M ü l l e r - S a x 4f. darf sogar eine Einzelstrafe, die wegen Verjährung oder eines anderen Verfahrenshindernisses nicht hätte ausgesprochen werden dürfen, nicht in die Gesamtstrafe einbezogen werden, weil darin eine Fortsetzung des (wegen des Verfahrenshindernisses) unzulässigen Verfahrens läge. Aber ein Verfahrenshindernis, das übersehen wurde, wird mit der Rechtskraft des Urteils bedeutungslos (vgl. Einleitung S. 91, 186). Dem nach § 4 6 0 tätig werdenden Gericht die Befugnis zuzusprechen, übersehene Verfahrenshindernisse auch nach rechtskräftigem Abschluß des früheren Verfahrens Bedeutung beizumessen und die fehlerhafte Entscheidung bei Bildung der Gesamtstrafe unberücksichtigt zu lassen, liefe auf eine unverhüllte und unzulässige Nachprüfung der früheren Entscheidungen hinaus (ebenso BGH JZ 1956 417). VI. Nebenfolgen 1. Bisheriges Recht. Daraus, daß die Einzelstrafen in der Gesamtstrafe aufgehen und damit ihre rechtliche Selbständigkeit verlieren, wurde unter der Herrschaft des § 79 a. F. gefolgert, daß auch die neben ihnen verhängten Nebenstrafen und Nebenfolgen und die daneben angeordneten Maßregeln der Sicherung und Besserung nur dadurch bei Bestand blieben, daß sie als Nebenstrafen usw. der neuen Gesamtstrafe im Gesamtstrafenbeschluß neu festgesetzt oder angeordnet wurden (RGSt. 75 212); unterblieb dies, wenn auch nur versehentlich, und war der Beschluß rechtskräftig, so ließ er sich nicht nachträglich ergänzen oder berichtigen (BGHSt. 14 381; OLGe. Koblenz JZ 1962 448 m. zust. Anm. E b S c h m i d t ; Celle JR 1965 188). Dabei war das Vollstreckungsgericht an die früheren Urteile nicht gebunden (RGSt. 74 5; JW 1937 2380). Es konnte zwar bei sinngemäßer Anwendung des Verbots der reformatio in peius Nebenstrafen und Nebenfolgen, die bisher neben keiner Einzelstrafe festgesetzt waren, nicht neu verhängen ( O s k e MDR 1965 13). Wohl aber konnte es z. B. die Dauer des Ehrverlustes, dessen Höchstmaß sich nach der Gesamtstrafe bemaß, abweichend von dem einbezogenen Urteil (höher oder niedriger) festsetzen, es konnte bei nicht zwingend angeordneten Rechtsfolgen darüber entscheiden, inwieweit sie noch erforderlich seien (RGSt. 75 213), und bereits vollzogene oder durch weitergehende Maßnahmen überflüssig gewordene Nebenstrafen und Nebenfolgen im Gesamtstrafenbeschluß weglassen, z. B. eine durch den Übergang des Eigentums an den Staat vollzogene Einziehung (OLG Köln NJW 1953 1564) oder die Amtsunfähigkeit neben dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte (vgl. BGHSt. 12- 85). Der Gedanke des Verbots der reformatio in peius hätte der Anordnung von Maßregeln der Sicherung und Besserung, die bisher neben keiner Einzelstrafe bestanden, nicht entgegengestanden; da diese aber nur durch Urteil angeordnet werden können, war für eine erstmalige Anordnung im Gesamtstrafenbeschluß kein Raum (RGSt. 73 366). Dagegen konnte z. B. die Dauer der Untersagung der Berufsausübung, die neben einer Einzelstrafe ausgesprochen war, neben der Gesamtstrafe länger oder kürzer als bisher bemessen werden, und es konnte eine Maßregel weggelassen werden, wenn ihre Aufrechterhaltung neben einer anderen Maßregel zwecklos ist, wie z. B. Zulässigkeit von Polizeiaufsicht neben Sicherungsverwahrung (RGSt. 75 212). 2. Geltendes Recht. Nach § 76 Abs. 2 n. F. sind Rechtsfolgen der in § 73 Abs. 4 bezeichneten Art, auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden. Damit weicht das neue Recht konstruktiv von der bisherigen Rechtshandhabung ab: durch die „Aufrechterhaltung" erscheinen die früher festgesetzten Nebenfolgen als fortgeltende Bestandteile der Einzelstrafen, nicht, wie bei einer „Neufestsetzung" als Bestandteil der einheitlichen Gesamtstrafe. Es hat auch an sich die Einschränkung in § 76 Abs. 2 („soweit sie nicht... gegenstandslos werden") keine Bedeutung für den Beschlußrichter des § 460, da er, anders als der erkennende Richter im Fall des § 76 StGB, keine weitere Tat aburteilt, sondern nur aus den bereits vorliegenden Entscheidungen die Gesamtstrafe bildet. Da indessen die Gesamtstrafenbildung nach § 460 einen „behelfsmäßigen Ersatz" dafür bietet, den Verurteilten so zu stellen, wie er sich gestanden hätte, wenn die Gesamtstrafenbildung nach § 76 StGB hätte 2411

§ 460 Anm. VII

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

durchgeführt werden können, und die Folgerungen aus der in § 75 Abs. 1 Satz 2 angeordneten Gesamtschau zu ziehen, haben die unter der Herrschaft des § 79 a. F. entwickelten Grundsätze weitgehend ihre Bedeutung behalten. Insbesondere gilt auch jetzt, daß Rechtsfolgen i. S. des § 73 Abs. 4, die nicht ausdrücklich in der Beschlußformel aufrechterhalten werden, mit der Rechtskraft des Beschlusses ihre Bedeutung verlieren. Wegen der Einzelheiten ist auf die Erläuterungswerke zu § 76 StGB zu verweisen. Wegen der Behandlung anzurechnender Untersuchungshaft vgl. unten Anm. IX 2. VII. Strafaussetzung zur Bewährung. Wie sich jetzt eindeutig aus § 77 n. F. StGB ergibt, findet — entsprechend der bisherigen Betrachtungsweise — die in § 460 vorgeschriebene Gesamtstrafenbildung auch dann statt, wenn eine oder mehrere oder auch alle der in Gesamtstrafenzusammenhang stehenden Einzelstrafen gemäß § 23 StGB zur Bewährung ausgesetzt worden sind. Mit der Bildung der Gesamtstrafe verlieren die in die Gesamtstrafe einbezogenen Einzelstrafen ihre selbständige Bedeutung; damit wird die Strafaussetzung zur Bewährung gegenstandslos. Eines formlichen Widerrufs bedarf es nicht; erfolgt er — was zur Verdeutlichung der Rechtslage empfehlenswert sein kann —, so hat er lediglich deklaratorische Bedeutung. Über die Aussetzung der Gesamtstrafe nach § 23 StGB entscheidet nunmehr neu und ohne Bindung an die bezüglich der Einzelstrafen getroffene Entscheidung das die Gesamtstrafe bildende Gericht im Gesamtstrafenbeschluß (vgl. BGHSt. 7 180; 8 260; NJW 1955 1485; 1957 33; GA 1966 208; BayObLG NJW 1956 1210; JZ 1956 663; OLG Stuttgart NJW 1968 1731; über die unter dem früheren Recht anfanglich sehr auseinandergehende Stellungnahme des Schrifttums vgl. die Nachweise bei B r u n s GA 1956 232ff.; ferner N ü s e JR 1957 77). Waren sämtliche Einzelstrafen zur Bewährung ausgesetzt, so wird auch das die Gesamtstrafe bildende Gericht zu einer Aussetzung der Gesamtstrafe kommen; es kann aber von Aussetzung absehen, wenn ihm aus seiner Gesamtschau neue, den Richtern der Einzelstrafen unbekannte Gesichtspunkte erwachsen. War für alle Einzelstrafen die Aussetzung abgelehnt, so kommt sie auch für die Gesamtstrafe nicht in Betracht; eine andere Handhabung würde eine über die Aufgaben und Befugnisse des Gesamtstrafenrichters hinausgehende Korrektur der früheren Urteile bedeuten. War die Strafaussetzung bei einem Teil der Einzelstrafen gewährt, bei den anderen abgelehnt, so prüft der Gesamtstrafenrichter aus der Gesamtschau, welche Entscheidung für die Gesamtstrafe geboten ist (BayObLG JZ 1956 663). Er wird, wenn Einzelstrafen, die den weitaus größten Teil der Gesamtstrafe bilden, ausgesetzt waren, sich von ähnlichen Erwägungen leiten lassen wie bei einer Gesamtstrafe, deren sämtliche zugrunde liegenden Einzelstrafen ausgesetzt waren, und nicht lediglich deshalb, weil bei einer Einzelstrafe mit kleinem Anteil an der Gesamtstrafe die Aussetzung versagt war, die Aussetzung der Gesamtstrafe unterlassen, wie er auch im umgekehrten Fall eine korrekturmäßig wirkende Aussetzung der Gesamtstrafe vermeiden muß. Für Fälle, die in der Mitte liegen, gibt es kein Schema; jedenfalls kann nicht der quantitative Anteil von Aussetzungs- und Vollstrekkungsstrafe an der Gesamtstrafe schematisch den Ausschlag geben. Bei Versagung der Aussetzung für die Gesamtstrafe wird dann — über § 77 Abs. 2 Satz 2 StGB hinaus — bei entsprechenden Vollzugserfolgen eine weitherzige Gewährung der bedingten Entlassung nahe liegen. Der Widerruf (§ 25 StGB) einer für die Einzelstrafe gewährten Strafaussetzung zur Bewährung hindert an sich die Aussetzung der Gesamtstrafe, in die die Einzelstrafe einbezogen wird, nicht (vgl. D r e h e r 3*LK-Mösl Rdn. 10, je zu § 77 m. w. Nachw.); doch wird es dann regelmäßig an den Voraussetzungen des § 23 StGB für die Aussetzung der Gesamtstrafe fehlen. Wird die Gesamtstrafe zur Bewährung ausgesetzt, so muß auch die Bewährungsfrist neu festgesetzt werden; sie beginnt mit der Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses. Diese Bewährungsfrist beträgt wiederum mindestens zwei Jahre (24 Abs. 2 StGB); wegen der „Anrechnung" der für eine Einzelstrafe erteilten und in Lauf gesetzt gewesenen Bewährungszeit vgl. § 77 Abs. 2 Satz 1. Die Anfechtung des Gesamtstrafenbeschlusses (§ 462 Abs. 4) kann auf die Entscheidung über die Aussetzung beschränkt werden. Für die nachträglichen Entscheidungen gilt § 453. War mit dem Vollzug einer Einzelstrafe begonnen, so steht nicht mehr Strafaussetzung, sondern nur bedingte Entlassung nach § 454 in Frage (BayObLG NJW 1957 1810).

2412

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 460 Anm. V I I I 1 - 3

Vni. Verfahrensfragen 1. Wegen der Zuständigkeit vgl. §§ 462,462 a. 2. Das Verfahren nach § 460 ist unabhängig von etwaigen Anträgen der Verurteilten von Amts wegen einzuleiten (RGSt. 5 1; RGRspr. 3 468). Die Anhörung der Verurteilten (§ 462 Abs. 2) muß dem Verurteilten die Möglichkeit geben, zu erkennen, daß er seine eignen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zur Höhe der Gesamtstrafe geltend machen kann (OLG Köln NJW 1953 275); vgl. Anm. III zu § 462. 3. Begründung der Gesamtstrafe. Der Gesamtstrafenbeschluß muß, da er nach § 462 Abs. 4 mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist, nach § 34 mit Gründen versehen sein. Für die Begründung einer Strafzumessung durch Urteil bestimmt § 267 Abs. 3, daß die Urteilsgründe die Umstände anführen müssen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Dies gilt grundsätzlich auch für die Bemessung der Gesamtstrafe durch Urteil. Hier ist indessen zu berücksichtigen, daß die Bemessung der Gesamtstrafe ihren Ausgang von den ausgeworfenen Einzelstrafen nimmt und daß deren Höhe bereits im Urteil begründet ist, ferner daß die Ermessensausübung bei der Erhöhung der Einsatzstrafe sich regelmäßig der rationalen Begründung entzieht. Mit Rücksicht darauf hatte für die Gesamtstrafenbildung nach § 79 a. F. BGHSt. 8 210 unter Auseinandersetzung mit OLGe. Bremen NJW 1952 1069; Köln NJW 1953 275 ausgesprochen, daß ein besonderer Anlaß zur Begründung gerade der Gesamtstrafenbemessung im allgemeinen nur bestehe, wenn die Gesamtstrafe, ohne daß Gründe dafür aus der Urteilsbegründung im übrigen zu entnehmen sind, in auffalliger Weise der oberen oder unteren Grenze des zur Verfügung stehenden Rahmens sehr nahe kommt (vgl. oben Anm. IV). Eine Änderung der Rechtslage ist insofern eingetreten, als § 75 Abs. 1 Satz n. F. StGB vorschreibt, daß bei der Bildung der Gesamtstrafe die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen seien. Das bedeutet, daß die Bestimmung der Gesamtstrafe ein gesonderter Strafzumessungsvorgang aus der Gesamtschau aller Einzeltaten ist (BGH NJW 1972 454 m. Anm. J a g u s c h = MDR 1972 157). Dadurch ist - in thesi — der Begründungszwang für die Gesamtstrafe verschärft worden (LK-Mösl Rdn. 12 zu § 75), und bei einer gebotenen eingehenderen Begründung ist es unvermeidlich, daß sich eine völlige Trennung der für die Einzel- und die Gesamtstraffestsetzung maßgeblichen Gesichtspunkte nicht durchfuhren läßt, so daß sie einmal isoliert für die Einzeltat, zum anderen in ihrer Auswirkung auf die Gesamtheit der Taten, zusammenfassend berücksichtigt werden können (BGH aaO.). Doch brauchen im Urteil bei der Begründung der Gesamtstrafe nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil dargelegt zu werden. „In einfach gelagerten Fällen wird es nur weniger Hinweise bedürfen, wobei auch die gesamten Ausführungen des Urteils von Bedeutung sein können. Soweit Gesichtspunkte wie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten schon bei der Bildung der Einzelstrafen erörtert worden sind, ist eine Bezugnahme hierauf zulässig. Eine erneute Darlegung würde sich in einer unnötigen Wiederholung erschöpfen. Eingehender hingegen wird die Höhe der Gesamtstrafe in der Regel dann begründet werden müssen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten oder die Summe der Einzelstrafen nahezu erreicht wird; so schon die frühere Rechtspr.; vgl. BGHSt. 8 205..." (BGH aaO.). Diese Grundsätze gelten auch für die Begründung der beschlußmäßigen Bildung der Gesamtstrafe, für die § 267 Abs. 3 Satz 1 nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend anwendbar ist (Schorn JR 1964 45). Hier kommt hinzu: Der Gesamtstrafenrichter schöpft hier die Gründe für seine Bemessung der Gesamtstrafe aus den Einzelurteilen und deren Strafzumessungsgründen; diese Erwägungen im Gesamtstrafenbeschluß zu wiederholen wäre wenig sinnvoll. Nur wo sich aus der Gesamtschau der Taten noch weitere wesentliche, auf die Bemessung der Gesamtstrafe einwirkende Gesichtspunkte ergeben, müssen diese Erwägungen in der Begründung des Beschlusses Ausdruck finden (so auch OLG Braunschweig NJW 1954 569; Hamm MDR 1968 168 = JMB1. NRW 1968 100). Wo solche Erwägungen in dem Beschluß fehlen, obwohl sie nach Lage der Sache zu erwarten wären, insbesondere also bei einem „zu nahe herankommen" an die obere oder untere Grenze des Zulässigen, ist nicht erkennbar, ob die Zumessung auf wohlerwogenen Gründen oder auf einem Ubersehen der maßgeblichen Zumessungsgesichtspunkte beruht und das Unterlassen 2413

§ 460 Anm. V I I I 4 ; IX 1,2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

einer näheren Begründung stellt dann einen Verfahrensverstoß dar (OLG Hamm JMB1. NRW 1955 60). 4. Rechtsmittel. Wirkung der Rechtskraft. Vollstreckbarkeitsbescheinigung. Gegen den Beschluß kann die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte sofortige Beschwerde einlegen (§ 462 Abs. 4). Legt der Verurteilte (oder die Staatsanwaltschaft zu seinen Gunsten) sie ein, so gilt für die Beschwerdeinstanz das Verbot der reformatio in peius, nicht anders, als wenn die Gesamtstrafe gemäß § 76 StGB durch Urteil gebildet wäre und der Angeklagte dagegen Berufung eingelegt hätte (LG Zweibrücken NJW 1954 934). Der rechtskräftige Beschluß setzt die Gesamtstrafe in gleicher Weise unabänderlich fest wie ein Urteil nach §§ 74, 76 StGB (BayObLG HRR 1935 1206; JZ 1951 523; OLG Hamm GA 1961 155). Zu Unrecht meint LG Bochum Rpfleger 1962 441 (mit abl. Anm. von P o h l m a n n ) , wenn sich die tatsächlichen Grundlagen eines rechtskräftigen Gesamtstrafenbeschlusses nach § 460 als unrichtig erwiesen, könne das Gericht, das ihn erlassen hat, ihn wieder aufheben. Die Rechtskraft schließt aber nicht aus, daß erneut das Verfahren nach § 460 zu betreiben und unter Auflösung der so gebildeten Gesamtstrafe eine neue Gesamtstrafe festzusetzen ist, wenn sich ergibt, daß noch eine weitere der Einbeziehung fähige und bedürftige Einzelstrafe vorhanden ist. Nach Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses bildet dieser allein die Vollstreckungsgrundlage und es bedarf auch für den Gesamtstrafenbeschluß einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung (vgl. Anm. IX 5 b zu § 451). Bis zur Rechtskraft sind die Einzelurteile weiterhin die Vollstreckungsgrundlage, doch sind in § 41 Abs. 3 StVollstrO die Vollstreckungsbehörden angewiesen, unter den dort bezeichneten Voraussetzungen den noch nicht rechtskräftigen Beschluß der Strafzeitberechnung vorläufig zugrunde zu legen. IX. Strafzeitberechnung. Über die Berechnung der Strafzeit bei Gesamtstrafen vgl. § 41 StVollstrO, abgedr. Anm. X 2 zu § 451. Ergänzend ist zu bemerken: 1. Daß der Beginn der Vollstreckung der Gesamtstrafe, wenn zur Zeit ihrer rechtskräftigen Festsetzung eine der in sie einbezogenen Einzelstrafen bereits teilweise verbüßt war, vom Beginn der Vollstreckung dieser Einzelstrafe zu berechnen ist, ist in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem anerkannt (vgl. RG BAyZ 1905 304; BGHSt. 21 186, 187; BayObLGSt. 19 272; NJW 1957 1810 - unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung [BayObLGSt. 2 186, 9 267, 273] die den verbüßten Teil der Einzelstrafe vom Ende der Gesamtstrafe abrechnen wollte —; K l i m m e r BayZ 1906 80; K ö h l e r GerS 65 32; K ü s t e r Rpfleger 1953 221). Maßgebend für den Beginn der Gesamtstrafe ist stets der Vollzugsbeginn bei der einbezogenen Einzelstrafe, mit deren Vollzug zuerst begonnen worden ist, ohne Rücksicht darauf, ob diese Einzelstrafe nur teilweise verbüßt ist und weitere einbezogene Freiheitsstrafen voll verbüßt oder im Vollzug begriffen sind ( P o h l m a n n II 1 zu § 41). Der Vollzugsbeginn bei der ersten Einzelstrafe bleibt auch maßgebend, wenn sie bei Rechtskraft der Gesamtstrafenfestsetzung bereits voll verbüßt war („oder beendet ist"); ist der Verurteilte nach Beendigung des Vollzugs dieser Einzelstrafe entlassen worden oder verbüßte er anschließend eine nicht in die Gesamtstrafe einbezogene Freiheitsstrafe, so rechnet die Zeit bis zu weiterer Verbüßung von in die Gesamtstrafe einbezogenen Strafen für die Gesamtstrafe als Strafunterbrechung. 2. Eines Ausspruchs im Gesamtstrafenbeschluß über die Anrechnung der Untersuchungshaft, die bei den Einzelstrafen angerechnet wurde, auf die Gesamtstrafe bedarf es nicht (BGHSt. 9 9; OLG Celle NdsRpfl. 1966 46 = MDR 1966 346), wie ja auch bei der Bildung der Gesamtstrafe nach § 76 StGB ein Ausspruch über die U-Haftanrechnung entfallt, die Anrechnung der U-Haft als Teil der Strafzeitberechnung vielmehr Aufgabe der Vollstreckungsbehörde ist und aufkommende Zweifel auf dem Weg der §§ 458, 462 gerichtlich zu klären sind (BGHSt. 21 186). Es liegt hier anders als bei Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßregeln der Sicherung und Besserung, die, damit sie bestehen bleiben, in dem Gesamtstrafenbeschluß aufrecht zu erhalten sind (vgl. oben VI 2). Wenn allerdings in dem Gesamtstrafenbeschluß über die Anrechnung von U-Haft entschieden wurde und diese Entscheidung rechtskräftig geworden ist, so ist sie auch verbindlich (OLG Hamm GA 1961 155; offengelassen von BGHSt. 21 186, 188). Die gesetzliche Anrechnung der U-Haft nach § 60 StGB erfolgt auf die Gesamtstrafe und reicht, falls U-Haft nicht in allen vorangegangenen Verfahren vollzogen worden war, nur bis zur Höhe derjenigen Einzelstrafen, auf die in den Verfahren erkannt worden ist, in denen die U-Haft vollstreckt worden war (vgl. L K - T r ö n d l e Rdn. 27 zu § 60 StGB). 2414

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 460 Anm. X 1, 2 X. Jugendgerichtliches Verfahren. Im Verfahren gegen einen Jugendlichen (oder einen Heranwachsenden bei Anwendung von Jugendstrafrecht), der mehrere Straftaten begangen hat, setzt nach § 31 Abs. 1 JGG der Jugendrichter bei gleichzeitiger Aburteilung nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder Jugendstrafe fest. 1. Die nachträgliche Entscheidung nach § 66 JGG. Auch bei Aburteilung in verschiedenen Verfahren erkennt — eine Parallele zu § 76 StGB — der später erkennende Richter nach § 31 Abs. 2 unter Einbeziehung des früheren Urteils nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe, und zwar ist die Unrechtsfolge festzusetzen, die der Richter für alle Straftaten als angemessen ansieht (BGHSt. 16 335 = NJW 1962 452). Ist bei Aburteilung der mehreren Taten in verschiedenen Verfahren die einheitliche Festsetzung nach § 31 Abs. 2 unterblieben, so wird — eine Parallele zu § 460 — gemäß § 66 JGG die einheitliche Festsetzung nachträglich vorgenommen; die Entscheidung kann auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil oder ohne Hauptverhandlung durch Beschluß ergehen. Die Zuständigkeit des Gerichts und die Durchführung des Beschlußverfahrens richten sich gemäß § 66 Abs. 2 Satz 3 nach § 462 StPO. Soweit § 462 Abs. 3 die Zuständigkeit von der schwersten Strafart abhängig macht, muß diese Vorschrift sinngemäß in der Weise angewendet werden, daß die Schwere des jugendgerichtlichen Reaktionsmittels (etwa in der Reihenfolge: Jugendstrafe, Fürsorgeerziehung, Dauerarrest usw.) den Ausschlag gibt (vgl. D a l l i n g e r - L a c k n e r Rdn. 27 zu § 66). Ferner sind auch im Beschlußverfahren die nach Lage des Falles anwendbaren Sondervorschriften des JGG über das Jugendstrafverfahren (insbes. über Heranziehung der Jugendgerichtshilfe und Rechtsmittelbeschränkung nach § 55 Abs. 1) zu beachten ( D a l l i n g e r - L a c k n e r Rdn. 19 zu § 66). Ist eine Jugendstrafe teilweise verbüßt, so ist nach § 66 Abs. 2 Satz 4 für die Nachtragsentscheidung der Richter zuständig, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen. 2. Für den Fall, daß ein Täter mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen begangen hat, bestimmt § 32 JGG: „Für mehrere Straftaten, die gleichzeitig abgeurteilt werden und auf die teils Jugendstrafrecht und teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, gilt einheitlich das Jugendstrafrecht, wenn das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären. Ist dies nicht der Fall, so ist einheitlich das allgemeine Strafrecht anzuwenden." Da die Regelung des § 32 nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift bewußt auf den Fall beschränkt ist, daß die mehreren Straftaten gleichzeitig abgeurteilt werden, erheben sich Zweifel war rechtens ist, wenn z. B. gegen einen Heranwachsenden in Anwendung von Erwachsenenstrafrecht auf eine Freiheitsstrafe erkannt ist und vor deren Verbüßung eine früher begangene Tat zur Aburteilung gelangt, die das jetzt erkennende Gericht auf Grund eingehenderer Persönlichkeitsforschung nur mit Jugendstrafe ahnden will. Die gleiche Frage taucht auf, wenn gegen den heranwachsenden Täter nach Eintritt der Volljährigkeit eine (noch nicht verbüßte) Jugendstrafe erkannt ist und danach eine Tat abzuurteilen ist, die er vor der Verurteilung, aber schon als Erwachsener begangen hatte. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGHSt. 10 100, 103; 14 287; LM JGG § 32 Nr. 4) ist die Bildung einer Gesamtstrafe des allgemeinen Strafrechts ausgeschlossen, weil diese Strafen ihrem Wesen nach völlig verschiedene Strafübel sind und das Gesetz keine Umwandlung für den Fall ihres Zusammentreffens zugelassen hat. Um die Benachteiligung für den Verurteilten zu vermeiden, die sich aus dem unverkürzten Vollzug der Einzelstrafen ergibt, wird aber im Schrifttum die sinngemäße Anwendung des § 76 StGB (Bildung einer Jugendgesamtstrafe, so G r e t h l e i n NJW 1954 1397) oder des § 32 JGG (: entweder eine einheitliche Reaktion nach §31 Abs. 2, wenn das Schwergewicht bei der Jugendstraftat liegt, oder die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe nach §§ 74, 76 StGB, wenn das Schwergewicht bei der nach Erwachsenenstrafrecht beurteilten Tat liegt, so D a l l i n g e r - L a c k n e r [1] Rdn. 12 zu § 31, 4 zu § 32; s. auch [2] Rdn. 5 zu § 32 und Grethlein-Brunner 2a zu §32) für zulässig gehalten. Demgegenüber erklärt BGHSt. 14 287 auch eine sinngemäße Anwendung des § 32 JGG für ausgeschlossen, wenn der Angeklagte nach Eintritt der Volljährigkeit wieder staffallig geworden ist; bei der Strafzumessung für die Erwachsenenstraftat sei aber strafmindernd die Härte zu berücksichtigen, die sich aus dem unverkürzten Vollzug der beiden Strafen ergibt. Dieser Weg versagt aber, wenn das später erkennende Gericht von der vorangegangenen Bestrafung keine Kenntnis hatte. In sinngemäßer Anwendung des § 32 JGG, § 460 StPO wird das Gericht dann für befugt 2415

§ 4 6 0 Anm. XI § 461 Anm. 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

anzusehen sein, die zuletzt erkannte Strafe in dem Umfang herabzusetzen, wie der Richter in der Hauptverhandlung in Anwendung der Grundsätze von BGHSt. 14 287 die Härte des unverkürzten Vollzugs strafmindernd hätte berücksichtigen müssen. Eine nach Erwachsenenstrafrecht rechtskräftig erkannte Geldstrafe kann dagegen nicht in eine nach §§31 Abs. 2, 66 J G G vorzunehmende Einheitsreaktion einbezogen werden, es sei denn, daß die Festsetzung einer Erwachsenengeldstrafe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig war ( D a l i i n g e r - L a c k n e r Rdn. 11 zu § 31). XI. Eine Gebühr wird für das Verfahren nicht erhoben; s. § 68 Abs. 2 GKG. Die für die früheren Verfahren angesetzten einzelnen Gebühren bleiben aber bestehen (RGSt. 37 169); das ist in der auf dem Ges. vom 26. 7. 1957 (BGBl. I 861) beruhenden Fassung des § 68 Abs. 2 ausdrücklich ausgesprochen.

§461 (1) Ist der Verurteilte nach Beginn der Strafvollstreckung wegen Krankheit in eine von der Strafanstalt getrennte Krankenanstalt gebracht worden, so ist die Dauer des Aufenthalts in der Krankenanstalt in die Strafzeit einzurechnen, wenn nicht der Verurteilte mit der Absicht, die Strafvollstreckung zu unterbrechen, die Krankheit herbeigeführt hat. (2) Die Staatsanwaltschaft hat im letzteren Falle eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. 1. Grundsatz. a ) § 4 6 1 regelt die Berechnung der Strafzeit, wenn der Strafvollzug tatsächlich dadurch unterbrochen wird, daß der Verurteilte wegen Krankheit in eine von der Strafanstalt getrennte Krankenanstalt gebracht wird. „Gebracht" ist der Verurteilte, wenn er unabhängig von seinem Willen in Ausübung öffentlicher Gewalt in die Anstalt überführt ist (vgl. OLG Düsseldorf GA Bd. 56 112). Bei der „von der Strafanstalt getrennten Krankenanstalt" handelt es sich um eine Krankenanstalt, die nicht dem Vollzug (von Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Sicherung und Besserung) dient, also um eine Krankenanstalt außerhalb des Bereichs der Justizverwaltung. Denn daß bei Verbringung in eine Krankenanstalt der Justizverwaltung, mag es sich um eine der Vollzugsanstalt räumlich unmittelbar angegliederte Krankenanstalt oder um die zu einer anderen Vollzugsanstalt gehörige Krankenanstalt handeln, in die der Gefangene verlegt wird, die in der Krankenanstalt verbrachte Zeit auf die Strafzeit anzurechnen ist, ist selbstverständlich und bedurfte keiner Regelung: hier bleibt ja der Verurteilte in der Gewalt der Vollzugsverwaltung, und es wird — durch Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung — der Vollzug fortgesetzt, nur eben in einer den Umständen angepaßten Form. Wird der Verurteilte aber in eine nicht dem Vollzug dienende Krankenanstalt gebracht, so endet in der Regel faktisch die den Kern des Vollzugs bildende Freiheitsentziehung kraft öffentlicher Gewalt; denn diese könnte ja nur in der Form fortgesetzt werden, daß die Krankenanstalt es übernimmt, ein Entweichen des Gefangenen gewaltsam zu verhindern — dazu ist sie aber weder verpflichtet noch wird sie ohne weiteres dazu bereit sein — oder daß Beamte der Vollzugsanstalt oder in ihrem Auftrag Polizeibeamte überwachen, daß der Gefangene nicht entweicht, und das wird in der Regel aus tatsächlichen Gründen, insbesondere wegen Personalmangels nicht möglich sein. b) Die Bedeutung des § 461 besteht also in der Klarstellung, daß trotz faktischer Beendigung oder mindestens weitgehender Lockerung der Freiheitsentziehung die in der Krankenanstalt verbrachte Zeit als Strafzeit anzurechnen ist. An sich ist auch diese Bestimmung, wenn man zunächst von dem Fall der Verbringung eines Geisteskranken in eine Heil- oder Pflegeanstalt (s. unten c) absieht, im Grunde zwangsläufig und insofern selbstverständlich (a. M. OLG Köln NJW 1955 234: grundsätzlich könne nur die in einer Strafvollzugsanstalt verbrachte Zeit auf die Strafzeit angerechnet werden; ohne § 461 bestünde keine Möglichkeit zur Anrechnung des Krankenhausaufenthalts). Denn es bleibt ja rechtlich die Befugnis der Vollzugsanstalt, die Fortdauer der Freiheitsentziehung durch geeignete Maßnahmen sichtbar zu machen, bestehen; sie wird dies z. B. durch Abordnung von Vollzugsbeamten oder durch Inanspruchnahme der Amtshilfe der Polizei (Art. 35 GG) tun, wenn ein als 2416

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 461 Anm. 2 Ausbrecher bekannter Verbrecher in eine öffentliche Krankenanstalt verbracht werden müßte — etwa zur Vornahme einer bestimmten Operation, für die die technischen Möglichkeiten in einer Vollzugskrankenanstalt nicht gegeben sind —, und in anderen Fällen kann sie etwa die Krankenanstalt bitten, den Kranken in einem Raum unterzubringen, der ein Entweichen möglichst ausschließt, oder alsbald die Polizei zu verständigen, wenn der Kranke Anstalten zur Flucht zu treffen scheint usw. Daß die Möglichkeiten, die rechtlich fortdauernde Freiheitsentziehung nach außen erkennbar zu machen, meist aus tatsächlichen Gründen beschränkt oder ausgeschlossen sind, steht auf einem anderen Blatt und kann dem Verurteilten nicht zum Nachteil gereichen. c) § 461 gilt auch, da er zwischen körperlichen und geistigen Erkrankungen nicht unterscheidet, bei Verbringung eines Geisteskranken in eine nicht der Vollzugsverwaltung unterstehende Heil- oder Pflegeanstalt (allg. M. vgl. z. B. H a s s e GA 64 540). Die Unterbringung eines für den Strafvollzug untauglichen Geisteskranken in einer (geschlossenen Abteilung einer) Heil- oder Pflegeanstalt erfolgt, wenn es sich um einen gemeingefährlichen (d. h. anderen oder sich selbst gefährlichen) Geisteskranken handelt, durch gerichtliche Entscheidung auf der Grundlage der in den Ländern bestehenden Unterbringungsgesetze (vgl. Anm. 4 b zu §429a) oder durch den Vormund mit vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung (§ 1800 Abs. 2 BGB; BVerfG NJW 1960 811). Ist ein Geisteskranker nicht gemeingefährlich, sondern wegen seines Zustandes nur pflegebedürftig, so erfolgt die Unterbringung durch die Fürsorgebehörde. Diese Fälle trifft § 461 nicht. Er setzt vielmehr voraus, daß der Kranke in die Krankenanstalt „gebracht", also kraft öffentlicher Gewalt — und zwar der der Vollstreckungsbehörde in Vollstreckung des Strafurteils zustehenden Gewalt — in die Anstalt gebracht und diese Vollzugsgewalt während des Aufenthalts in der Anstalt rechtlich aufrechterhalten wird. Soweit diese Anstalt bereit — und gegebenenfalls durch die Amtshilfepflicht nach Art. 35 GG gehalten — ist, bei der Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung mitzuwirken, leitet sie ihre Legitimation dazu aus dem Auftrag der Vollstrekkungsbehörde ab, andernfalls kommen Maßnahmen der Vollzugsbehörde, die der Effektuierung der rechtlich aufrecht erhaltenen Freiheitsentziehung dienen, nur in dem beschränkten Maß in Betracht wie bei der Verbringung in eine Krankenanstalt wegen körperlicher Krankheit. Auch hier wird aber nach § 461 die Dauer des Aufenthalts in der Heil- oder Pflegeanstalt ohne Rücksicht darauf auf die Strafzeit angerechnet, ob und inwieweit tatsächlich eine Freiheitsentziehung oder -beschränkung kraft Strafvollzugsgewalt stattfand. Der innere Grund für die Anrechnungspflicht ist also kein anderer als bei der Verbringung in eine Krankenanstalt wegen körperlicher Krankheit. Für eine gesetzliche Klarstellung bestand aber hier bei Schaffung der StPO ein besonderes Bedürfnis, weil in den einzelnen Bundesstaaten sehr verschiedene Grundsätze über die Anrechnung des Anstaltsaufenthalts auf die Strafzeit galten; es sollte einheitliches Recht geschaffen und die Anrechnung, die bis dahin nur einem Teil der geisteskranken Sträflinge zugebilligt wurde, allen zuteil werden, auch bei dauernder Unterbringung in einer Pflegeanstalt wegen unheübarer Geisteskrankheit (vgl. H a h n Mat. z. StPO 1 1139-1141; R o s e n b e r g DStRZ 3 10ff.). 2. Ausnahme. Selbst wenn die Vollzugsgewalt während des Krankenanstaltsaufenthalts in deutlich sichtbarer und als Freiheitsentziehung für den Verurteilten fühlbarer Form aufrechterhalten wird, entfallt die Anrechnung auf die Strafzeit, wenn der Verurteilte die Krankheit in der Absicht, „die Strafvollstreckung zu unterbrechen", herbeigeßihrt hat. Von einer Unterbrechung der Strafvollstreckung im technischen Sinn (s. unten Anm. 4) ist hier keine Rede; nicht einmal der Vollzug wird völlig aufgehoben, sondern gegebenenfalls, wie zu 1 a) und c) dargelegt, in modifizierter Form fortgesetzt. Gemeint ist mit „Unterbrechung der Strafvollstreckung" lediglich die Unterbrechung des normalen Vollzugs in der Vollzugsanstalt. Die absichtliche Herbeiführung der Krankheit allein rechtfertigt die Nichteinrechnung nicht; die Krankheit muß vielmehr zu dem Zweck herbeigeführt sein, in die Krankenanstalt verbracht zu werden, wobei der Zweck (Schaffung einer Fluchtmöglichkeit, Vermeidung des Arbeitszwangs, bessere Verköstigung usw.) gleichgültig ist. Bei dieser Ausnahme von der Anrechnungspflicht war nur an die Herbeiführung einer körperlichen Krankheit gedacht (Hahn Mat. z. StPO 1 1141), weil die Herbeiführung einer Geisteskrankheit nicht denkbar erschien; soweit sie aber möglich ist, gilt die Ausnahme auch hier. Nach dem Zweck der Vorschrift genügt aber auch die Simulierung einer Geisteskrankheit, die Ver2417

§461 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. 3 , 4 anlassung gibt, den Gefangenen in eine Heil- oder Pflegeanstalt zu überweisen (Sächs. OLG 26 485), und das gleiche muß gelten, wenn durch Simulierung einer körperlichen Krankheit der Gefangene sein Ziel erreicht, daß der getäuschte Anstaltsarzt seine Überführung in eine vollzugsfremde Krankenanstalt für erforderlich erklärt (ebenso M ü l l e r - S a x 16; D a l c k e F - S c h Anm. 3). Die Nichteinrechnung erfolgt nur auf Grund gerichtlicher Entscheidung (Abs. 2); die Staatsanwaltschaft hat diese Entscheidung herbeizuführen, wenn sie die Voraussetzungen der Nichteinrechnung als nachgewiesen ansieht. 3. Entweichen eines Gefangenen. Eine — in der StPO nicht geregelte — tatsächliche Unterbrechung des Vollzugs liegt vor, wenn der Verurteilte entweicht. Daß die Zeit der selbstverschafften Freiheit nicht auf die Strafzeit angerechnet wird, ist selbstverständlich; als Beginn der Fortsetzung des Vollzugs rechnet hier nach § 40 Abs. 2 StVollstrO (abgedr. Anm. X 2 zu § 451) der Zeitpunkt, in dem sich der Verurteilte in irgendeiner Anstalt freiwillig gestellt hat, oder in dem er zwecks weiteren Strafvollzugs polizeilich festgenommen worden ist (vgl. Anm. 6 b zu § 450). 4. Unterbrechung der Strafvollstreckung a) Nicht geregelt in § 461 ist die Frage, ob und inwieweit die Vollstreckungsbehörde die Strafvollstreckung wegen einer körperlichen oder geistigen Erkrankung, die den Verurteilten zum Strafvollzug in der Vollzugsanstalt untauglich macht, mit der Wirkung förmlich unterbrechen kann, daß die nach der Unterbrechung liegende Zeit auf die Strafzeit nicht angerechnet wird. Diese Frage war früher streitig, soweit es sich um Geisteskranke handelt, die in eine vollzugsfremde Heil- oder Pflegeanstalt verbracht wurden. Aus der Entstehungsgeschichte des §461 (vgl. Anm. l c ) wurde gefolgert, daß hier eine Nichtanrechnung der Zeit des Anstaltsaufenthalts unzulässig sei (vgl. K l e e ZStW 28 786). Indessen hat sich auf dem Boden des geltenden Rechts seit langem die Auffassung durchgesetzt, daß die Vollstreckungsbehörde aus den Gründen, die sie nach § 455 zum Aufschub der Vollstrekkung verpflichten, von Amts wegen auch die Vollstreckung unterbrechen kann, wenn diese Umstände nach begonnenem Vollzug hervortreten, weil es sich dann nicht um eine Maßnahme mit Rücksicht auf persönliche Belange des Verurteilten, sondern um eine solche aus vollzugstechnischen Gründen handelt, die sich auf § 451 stützt (vgl. Anm. I 2, 3 zu § 455 und P o h l m a n n I l a z u § 4 5 StVollstrO). Zu berücksichtigen ist allerdings, daß die Unterbrechung des Vollzugs auch Nachteile für den Verurteilten mit sich bringen kann, indem sie das Ende der Gesamtvollstreckung hinausschiebt. Daraus ergibt sich die Folgerung, daß für die Unterbrechung wichtige Gründe vorliegen, und daß lediglich fiskalische Erwägungen (Abwälzung der Vollzugskosten) außer Betracht bleiben müssen. Dem tragen aber die §§ 45, 46 StVollstrO — abgedr. Anm. I 3 zu § 455 — in vollem Umfang Rechnung; von ihrer Wirksamkeit geht die h. M. (vgl. z. B. OLGe. Köln NJW 1955 234; Schleswig SchlHA 1957 81; Celle MDR 1968 782; Frankfurt NJW 1970 1431) mit Recht aus. Sie lassen die Unterbrechung der Vollstreckung wegen Vollzugsuntauglichkeit aus körperlicher oder geistiger Erkrankung nur zu, wenn entweder auf Grund ärztlichen Gutachtens anzunehmen ist, der Verurteilte werde überhaupt nicht oder doch auf absehbare Zeit nicht wieder vollzugstauglich werden, oder wenn zwar der Zeitpunkt der voraussichtlichen Wiedererlangung der Vollzugstauglichkeit abzusehen ist, ohne die Unterbrechung aber der Verurteilte wegen der Anrechnungspflicht nach § 461 einen unverhältnismäßig großen Teil der Strafzeit außerhalb der Vollzugsanstalt zubringen müßte. Ist ein Strafrest für sich allein genommen und im Verhältnis zum verbüßten Teil der Strafe unerheblich, so soll, auch wenn in absehbarer Zeit mit Wiederherstellung nicht zu rechnen ist, eine Unterbrechung nur angeordnet werden, wenn für den Strafrest ein Gnadenerweis in Aussicht genommen wird. Eine Unterbrechung ist auch zulässig, um eine durch den Weitervollzug drohende nahe Lebensgefahr für den Verurteilten auszuschließen; daraus folgt nicht, daß bei naher Lebensgefahr stets zu unterbrechen wäre, denn dadurch würde die Lebensgefahr nicht gebannt, sondern unter Umständen (bei Transportunfähigkeit, unzulänglicher ärztlicher Versorgung außerhalb des Vollzugs) erhöht ( P o h l m a n n IV zu § 45). Nach § 45 Abs. 1 StVollstrO ist die Unterbrechung nur zulässig bei zeitigen Freiheitsstrafen, denn bei lebenslangen Strafen ist die Unterbrechung für eine Strafzeitberechnung — die ja hier ausscheidet — ohne Interesse; eine Unterbrechung aus fiskalischen Gründen soll aber nicht zulässig sein. 2418

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 461 Anm. 5

b) Nicht anzurechnen ist auch die Zeit einer von der Gnadenbehörde bewilligten Strafunterbrechung, die erfolgt, um dem Verurteilten Gelegenheit zur Behandlung in einer Krankenanstalt zu geben; in einem solchen Fall spielt es keine Rolle, ob Vollzugsuntauglichkeit vorgelegen hat (OLG Celle MDR 1968 782). 5. Durchführung der Unterbrechung a) Sie geschieht bei gemeingefährlich Geisteskranken in der Weise, daß die Vollstrekkungsbehörde der Verwaltungsbehörde, die nach den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen zuständig ist, den Antrag auf gerichtliche Anordnung der Unterbringung zu stellen (vgl. oben Anm. 1 c), den Zeitpunkt der bevorstehenden Unterbringung mitteilt und es ihr überläßt, die zur Abwendung der Gemeingefahrlichkeit erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Ist der Verurteilte körperlich krank oder geistig krank, aber nicht gemeingefährlich, so wird, falls er mit der Unterbrechung hilfsbedürftig wird, die Fürsorgebehörde verständigt und ihr die Übernahme der Obhut überlassen. Hat die Vollzugsbehörde aber bereits den Verurteilten vor der Unterbrechung in eine vollzugsfremde Kranken- oder Heil- oder Pflegeanstalt verbracht und sind dadurch zunächst die Voraussetzungen des §461 gegeben, so wird die Unterbrechung gegenüber dem Verurteilten wirksam, sobald er aus der Verfügungsgewalt der Vollzugsanstalt tatsächlich entlassen und ihm die Unterbrechungsanordnung der Vollstreckungsbehörde nach § 46 Abs. 1 bekanntgegeben ist (außer wenn er zu deren Entgegennahme nicht in der Lage ist). Denn solange ihm die Unterbrechungsanordnung nicht bekanntgegeben ist, weiß er nicht sicher, daß er sich wieder in Freiheit befindet und hat deshalb ein Recht auf Anrechnung aus § 461 (ebenso OLGe. Köln MDR 1955 123; Schleswig SchlHA 1957 82; P o h l m a n n II 1 zu § 46). Der Krankenanstalt gegenüber kann die Mitteilung von der Unterbrechung (§ 46 Abs. 3), die die Befreiung des Justizfiskus von den Kosten der Unterbringung bewirken soll, nicht früher wirksam werden als die Anordnung der Unterbrechung gegenüber dem Verurteilten, denn solange die Vollstreckung nicht ihm gegenüber unterbrochen ist, ist er Gefangener und trägt — vorbehaltlich des Rückgriffs auf den Verurteilten — die Justizverwaltung die Kosten der Unterbringung; erfolgt die Mitteilung von der Unterbrechung an die Krankenanstalt erst, nachdem die Unterbrechung gegenüber dem Verurteilten wirksam geworden ist, so wird erst mit dem Zugang dieser Mitteilung die Justizverwaltung von der Pflicht zur Tragung der Unterbringungs- und Behandlungskosten frei (§ 46 Abs. 3 Satz 2). Eine Unterbrechung der Strafvollstreckung mit rückwirkender Kraft kann demnach nicht angeordnet werden (OLG Schleswig SchlHA 1957 81). b ) D a mit der Unterbrechung die Verfügungsgewalt der Vollstreckungsbehörde endet, darf sie und die Vollzugsbehörde — darauf weist § 46 Abs. 5 hin — auch keinerlei Maßnahmen treffen, die auf eine Aufrechterhaltung der Verfügungsgewalt hinauslaufen; ein solches Verhalten würde die Wirksamkeit der Unterbrechung in Frage stellen (OLG Köln NJW 1955 234). Eine wirksame Unterbrechung liegt daher nicht vor, wenn der Gefangene mit Billigung der Vollzugsbehörde im „Festen Haus" einer Krankenanstalt verbleibt (OLG Schleswig SchlHA 1957 81). Ebenso verneint OLG Celle NJW 1961 981 = NdsRpfl. 1961 353 mit abl. Anm. von P o h l m a n n eine wirksame Unterbrechung, wenn ein auf Freiheitsstrafe und Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt lautendes Urteil nur hinsichtlich der Freiheitsstrafe rechtskräftig ist und der Verurteilte aus dem Strafvollzug in die geschlossene Abteilung eine Heil- und Pflegeanstalt verbracht wird, um dort wegen des noch anhängigen Verfahrens betr. die Unterbringung gemäß § 81 StPO auf seinen Geisteszustand untersucht zu werden. Unzulässig wäre ferner nicht nur eine Bitte an die Krankenanstalt, die Entfernung des Verurteilten mit Gewalt zu verhindern — da er in Freiheit ist, hat er ein Recht, sich zu entfernen —, sondern auch schon eine Bitte, von der Absicht einer Entfernung vor Abschluß der Behandlung Mitteilung zu machen, während andrerseits einer Bitte, den voraussichtlichen Zeitpunkt einer Entlassung aus der Krankenanstalt oder eine stattgehabte Entfernung vor Behandlungsabschluß mitzuteilen, nichts entgegensteht und noch weniger einer bloßen Anfrage der Vollstreckungsbehörde bei der Krankenanstalt nach dem Verbleib des Verurteilten (OLG Köln MDR 1955 123). Die Wirksamkeit einer Unterbrechung der Strafvollstreckung endet, sobald und solange Maßnahmen ergriffen werden, die auf eine Wiederherstellung der zunächst aufgegebenen Verfügungsgewalt hinauslaufen. Läßt die Vollstreckungsbehörde, weil sie mit einem Entweichen des Verurteilten aus der Kran2419

§ 4 6 1 Anm. 6—9 §462

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

kenanstalt rechnet, von einem bestimmten Zeitpunkt an Polizeibeamte vor seinem Aufenthaltsraum postieren, die ihn an einem etwaigen Verlassen hindern sollen, so ist die Zeit der Bewachung als Strafzeit zu rechnen (OLG Celle MDR 1968 782). Entweicht der Verurteilte aus der Krankenanstalt und wird er auf Grund eines Vollstreckungsbefehls von der Polizei ergriffen und der Krankenanstalt wieder zugeführt, so ist die Zeit von der Ergreifung bis zur Ablieferung in die Krankenanstalt als Strafzeit anzurechnen (OLG Frankfurt NJW 1970 1431). 6. Rechtsbehelfe a) Lehnt die Vollstreckungsbehörde eine wegen Vollzugsuntauglichkeit begehrte Unterbrechung nach §§45, 46 StVollstrO ab, so steht dem Verurteilten, da hier nicht eine der gerichtlichen Nachprüfung entzogene Gnadenentscheidung in Betracht kommt (oben 4 a), zur gerichtlichen Nachprüfung nur der Weg des § 23 EGGVG zur Verfügung; eine Nachprüfung nach § 458 Abs. 2 ist ausgeschlossen (BGHSt. 19 148 = NJW 1964 164 = JZ 1964 660; P o h l m a n n I 4 b m. w. Nachw.; a. M. Mayer NJW 1962 1429). Unberührt bleibt die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde. b) Auch die Unterbrechungsanordnung muß, da sie eine Hinausschiebung des Endes der Strafdauer bedeutet und damit jedenfalls im Fall des § 45 Abs. 4 StVollstrO den Verurteilten beschwert, gerichtlich nachprüfbar sein, wenn der Verurteilte geltend macht, Vollzugsuntauglichkeit sei nicht gegeben oder die Dauer des Krankenhausaufenthalts stelle keinen unverhältnismäßig großen Teil der Strafzeit dar. Auch für solche Einwendungen steht der Weg des § 23 EGGVG zur Verfügung ( P o h l m a n n II 4c zu § 45 StVollstrO). § 458 Abs. 1 ist anwendbar, wenn der Verurteilte gegen die Nichteinrechnung in die Strafzeit geltend macht, die in § 45 StVollstrO bezeichneten Voraussetzungen einer Unterbrechung hätten nicht vorgelegen ( M a y e r NJW 1962 1429). 7. Rechtspfleger. Die Entscheidung über die Unterbrechung der Strafvollstreckung nach §§ 45, 46 StVollstrO gehört zu den Aufgaben des Rechtspflegers, da sie nicht zu den „Entscheidungen nach ... § 461 Abs. 1" gehört, die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 der VO v. 26. 6. 1970 (BGBl. I 992) von der Übertragung ausgenommen sind (vgl. P o h l m a n n I 5 zu § 4 5 StVollstrO). 8. § 461 güt nach § 463 a entsprechend bei freiheitsentziehenden Maßregeln der Sicherung und Besserung. Da aber § 461 nur Bedeutung hat, wenn die Berechnung der zulässigen Vollzugsdauer einer zeitlich beschränkten Freiheitsentziehung in Frage steht, ist § 461 für die zeitlich unbeschränkte Sicherungsverwahrung und die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt ohne Bedeutung. Bei letzterer kommt auch weder ein Strafaufschub noch eine Strafunterbrechung im Hinblick auf den Geisteszustand in Betracht (§ 463 a Abs. 2). Im übrigen gelten die §§ 45, 46 StVollstrO über die Unterbrechung des Vollzugs wegen Vollzugsuntauglichkeit bei den freiheitsentziehenden Maßregeln sinngemäß (§53 Abs. 2 StVollstrO); es kann also auch die Sicherungsverwahrung wegen Vollzugsuntauglichkeit unterbrochen werden, wenn und solange der Verwahrte wegen dieses Zustandes für die Allgemeinheit nicht gefährlich ist (OLG Celle NdsRpfl. 1966 201). 9. Zu Abs. 2. Zur Entscheidung über die Einrechnungsfrage ist nach § 461 Abs. 2 in Verb, mit § 462 Abs. 1 das Gericht des 1. Rechtszuges zuständig. Handelt es sich darum, ob die Dauer des Aufenthaltes in eine zu vollstreckende Gesamtstrafe einzurechnen ist, so ist als Gericht des 1. Rechtszuges dasjenige anzusehen, das nach § 462 Abs. 3 für die Festsetzung der Gesamtstrafe zuständig ist (OLG Bremen Rpfleger 1960 63).

§462 ( l ) D i e bei der Strafvollstreckung notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen (§§458 bis 461) werden von dem Gericht des ersten Rechtszuges ohne mündliche Verhandlung erlassen. Dies gilt auch für die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Vollstreckung einer Geldstrafe beziehen (§ 28 Abs. 2, § 29 Abs. 4 des Strafgesetzbuches), 2420

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 462 Anm. I ; II 1 für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 33 des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes oder des Wertersatzes (§ 40b Abs. 2 Satz 3, § 40c Abs. 4 des Strafgesetzbuches). (2) Vor der Entscheidung ist der Staatsanwaltschaft und dem Verurteilten Gelegenheit zu geben, Anträge zu stellen und zu begründen. (3) Kommt es auf die Festsetzung einer Gesamtstrafe an (§ 460), und waren die verschiedenen hierdurch abzuändernden Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, falls hiernach aber mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Strafiirteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszug erlassen, so setzt dieses die Gesamtstrafe fest. (4) Gegen diese Entscheidungen ist, sofern sie nicht von einem Oberlandesgericht erlassen sind, sofortige Beschwerde zulässig. Entstehungsgeschichte: Durch Art. 2 Nr. 19 EGOWiG v. 24. 5. 1968 (BGBl. I 503), Art. 9 Nr. 24 des 1. StrRG v. 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) und Art. 2 Nr. 17 des Ges. z. allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen v. 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582) wurde Satz 2 des Abs. 1 eingefügt und wurde in Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2, sowie in Abs. 4 die Anführung des BGH als erstinstanzliches Gericht gestrichen. I. Anwendungsbereich der Vorschrift. Abs. 1 spricht zwar allgemein von den „bei der Strafvollstreckung notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen", grenzt aber den Umfang dieser Entscheidungen durch den Klammerzusatz „(§§ 458 bis 461)" in Satz 1 und die Einzelaufzählung in Satz 2 ab. Diese Aufzählung ist indessen nicht abschließend; es steht nichts entgegen, § 462 auf rechtsähnliche Entscheidungen entsprechend anzuwenden (a. M. D ü n n e b i e r in Anm. 1 zu § 105), z. B. wenn streitig ist, ob es zur Vollziehung eines Vorführungs- oder Haftbefehls nach § 457 zulässig ist, ohne besondere richterliche Anordnung die Wohnung des Verurteilten oder dritter Personen zu durchsuchen (vgl. OLG Frankfurt NJW 1964 785 und Anm. III 2 zu § 457), oder wenn es sich darum handelt, ob einem Verurteilten in schwierigen strafrechtlichen Vollstreckungsangelegenheiten ein Verteidiger bestellt werden kann (vgl. M a e t z e l NJW 1971 874). Die entsprechende Anwendung des § 462 findet aber ihre Grenze in der Zuständigkeitsregelung der §§ 23 ff. EGGVG (vgl. 1 b zu § 458). II. Zuständigkeit und Verfahren (zu Abs. 1) 1. Das Gericht des 1. Rechtszuges entscheidet in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung, also der Amtsrichter an Stelle des Schöffengerichts (§ 30 Abs. 2 GVG), die Strafkammer an Stelle des Schwurgerichts (§ 82 Abs. 2 GVG). Das Gericht, das zum erstenmal erstinstanzlich entschieden hat, bleibt auch zuständig, wenn die Sache gemäß § 354 Abs. 2 zur erneuten erstinstanzlichen Entscheidung an ein anderes Gericht zurückverwiesen worden ist (OLGe. Celle Nds. Rpfl. 1955 39; München MDR 1957 53; Düsseldorf MDR 1958 941; s. aber auch Anm. II 1 zu § 453); bei Zurückverweisung wegen Unzuständigkeit (§ 355) ist das zuständige Gericht erstinstanzliches Gericht i. S. des § 462. Tritt nach rechtskräftiger Aburteilung einer Sache für Sachen dieser Art ein Wechsel der erstinstanzlichen sachlichen Zuständigkeit ein — z. B. wenn statt des früher zuständigen Schöffengerichts nunmehr die Strafkammer zuständig ist oder umgekehrt —, so ist streitig, ob sich, wenn besondere Überleitungsvorschriften fehlen, die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts danach richtet, welches Gericht nach dem jetzt geltenden Rechtszustand zur erstinstanzlichen Aburteilung berufen wäre, oder ob die frühere Zuständigkeit maßgebend bleibt. Für die erstere Auffassung, die dem Sinn der Zuständigkeitsverschiebung am meisten gerecht wird, haben sich RG DRZ 1928 Nr. 855; OLGe. Breslau HRR 1928 2336; Bremen JZ 1951 88 ausgesprochen; a. M. KG GA 70 244, OLG Königsberg ZStW 46 Beü. 347; A l s b e r g Entsch. 3 259). 2421

§462 Anm. II 2 - 4 ; III; IV 1, 2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

2. Das Gericht erster Instanz ist auch dann für die Entscheidung zuständig, wenn es sich im Fall des § 458 Abs. 1 um die Auslegung eines in höherer Instanz ergangenen Urteils handelt (OLG München St. 6 351). Wegen des Falles, daß der Amtsrichter als Vollstrekkungsgericht über Einwendungen (§ 458) gegen seine als Vollstreckungsbehörde erlassenen Verfügungen entscheiden müßte, vgl. Anm. IV 6 zu § 451. 3. Rechtspfleger. Von den in Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Entscheidungen sind die nachträglichen Entscheidungen gemäß § 28 Abs. 2 StGB durch § 22 Rpflegergesetz dem Rechtspfleger übertragen, sofern nicht die Vergünstigung im Urteil gewährt oder ausdrücklich versagt worden ist. Wegen der Anfechtung der Entscheidungen des Rechtspflegerges. vgl. unten Anm. V 2. 4. Das Gericht kann vor seiner Entscheidung auch Beweiserhebungen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vornehmen; auch eidliche Vernehmungen sind nicht ausgeschlossen. Solche Beweiserhebungen können insbesondere erforderlich sein, wenn es sich um die Feststellung der Identität des Verurteilten handelt (vgl. Anm. 5 § 458). III. Rechtliches Gehör (zu Abs. 2). Über den Begriff des Verurteilten vgl. unten Anm. V 1. Der Nebenkläger wird aus den in Anm. V dargelegten Gründen nicht gehört. Die Gelegenheit zur Antragstellung usw. wird dem Verurteilten regelmäßig in der Art zu geben sein, daß er unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert wird. Diese kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der nicht auf freiem Fuße befindliche Verurteilte wird durch den Urkundsbeamten zu vernehmen sein. Bei seiner Anhörung auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, eine Gesamtstrafe zu bilden, muß diese so gestaltet werden, daß der Verurteilte, wenn er sich darum bemüht, mit seiner Äußerung einen ernsthaften Beitrag für eine gerechte Bemessung der Strafe leisten kann, die Anhörung darf nicht als praktisch bedeutungslose Formalie gehandhabt werden (OLG Köln NJW 1952 275). Unter diesem Gesichtspunkt bedenklich KG HRR 1935 Nr. 637: dem Erfordernis des Abs. 2 sei genügt, wenn der Verurteilte sich beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts bei dessen Anwesenheit in der Strafanstalt gemeldet und von sich aus beantragt habe, die gegen ihn erkannten Strafen nachträglich auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen; denn er habe dann vor dem Erlaß des Gesamtstrafenbeschlusses Gelegenheit gehabt, Anträge zu stellen und zu begründen. — Die Staatsanwaltschaft hat einen schriftlichen Antrag zu stellen (vgl. III 2 zu § 33). Über die Folgen unterbliebener Anhörung s. Anm. II 2 zu § 453. IV. Zuständigkeit zur Gesamtstrafenbildung (zu Abs. 3) — vgl. dazu die Anm. zu § 460 1. Die Zuständigkeit des Gerichts zur Bildung der Gesamtstrafe bestimmt sich in erster Linie nach der Schwere der Strafart, in zweiter Linie nach der Höhe der Strafe und in dritter Linie nach der Zeit der Urteilsfallung. War jedoch eins der Strafurteile von einem Oberlandesgericht in erster Instanz (§ 120 GVG) erlassen, so kommt es auf alle diese Merkmale nicht an: die Entscheidung steht alsdann nur dem Oberlandesgericht zu. — Hat ein unzuständiges Gericht die Gesamtstrafe festgesetzt, so ist sein Beschluß wirksam, wenn er nicht rechtzeitig mit sofortiger Beschwerde angefochten wird (RG Recht 24 Nr. 2736). — Über eine Ausnahme von der Regel des Abs. 3, wenn die Vollstreckung eines an sich in die Gesamtstrafe einzubeziehenden DDR-Urteils ganz oder teilweise für unzulässig erklärt ist, s. § 12 des Ges. über die innerdeutsche Rechts- uncl Amtshilfe vom 2. 5. 1953 und die Erläuterungen daselbst. 2. Wegen der Art und der Höhe der Strafen kommt es nicht darauf an, ob sie so, wie sie rechtskräftig wurden, in der ersten oder in einer höheren Instanz verhängt sind; die Entscheidung erfolgt in allen Fällen durch das Gericht erster Instanz. Waren von verschiedenen Gerichten Gesamtstrafen verhängt, so ist nicht die Höhe der Gesamtstrafen, sondern der sog. Einsatzstrafen (§ 75 StGB) für die Zuständigkeit entscheidend (RGSt. 33 23; BGHSt. 11 293, 295). Sind die erkannten Freiheitsstrafen gleich hoch, so ist das Gericht zuständig, dessen Urteil zuletzt ergangen ist, auch wenn in einem früher ergangenen Urteil neben der Freiheitsstrafe auf eine zusätzliche Hauptstrafe in Geld oder auf Nebenstrafen und Neben2422

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 462 Anm. IV 3; V 1,2 folgen erkannt oder Maßregeln der Sicherung und Besserung angeordnet sind, denn für die zu bildende Gesamtstrafe werden nur die Freiheitsstrafen herangezogen (BGHSt. 11 293 = NJW 1958 876; a. M. RG Recht 1926 292 Nr. 947). Wegen der Gesichtspunkte, die insoweit für die Zuständigkeit zum Erlaß der Ergänzungsentscheidung nach § 66 Abs. 2 Satz 3 J G G in Betracht kommen, vgl. Anm. X zu § 460. — Was die Zeit der Urteilsfällung betrifft („zuletzt ergangen ist"), so ist, wenn das Berufungsgericht in der Sache selbst entschieden hat, der Zeitpunkt des Urteils zweiter Instanz maßgebend, auch wenn die Berufung verworfen worden, also die in erster Instanz erkannte Strafe bestehen geblieben ist (vgl. Anm. 1 zu § 323); a. M. K e l l e r 625, P u c h e l t 832. Der Zeitpunkt eines Revisionsurteils kommt nur dann in Betracht, wenn es selbst gemäß § 354 Abs. 1 die betreffende Freiheitsstrafe festgesetzt hat. 3. Bei Bildung einer Gesamtstrafe unter Auflösung einer früheren Gesamtstrafe ist das die neue Gesamtstrafe bildende Gericht auch zuständig, aus den Einzelstrafen, die nicht einbezogen werden können, die weitere Gesamtstrafe (vgl. Anm. III zu § 460) zu bilden, denn es wäre ein unnützer Aufwand, noch ein zweites Gericht mit der Gesamtstrafenbildung zu befassen, wenn bei isolierter Betrachtung für die Bildung der weiteren Gesamtstrafe nach der Regel des § 462 Abs. 3 die Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist (so mit Recht BayObLGSt. 1955 152). V. Anfechtung (zu Abs. 4) 1. Über die sofortige Beschwerde vgl. §311. Beschwerdeberechtigt sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte, dem die unmittelbar von der Vollstreckung in ihren Rechten Betroffenen (vgl. Anm. 4 zu § 458) gleichstehen, nicht aber, da die Vollstreckung Justizverwaltungsangelegenheit ist, der Nebenkläger (OLG Hamm JMB1. NRW 1952 125). Die Vollstreckungsbehörde als solche ist, wie sich aus Abs. 2 ergibt, nicht beschwerdeberechtigt, also nicht der Amtsrichter (§ 451 Abs. 3), der Jugendrichter oder Vollstreckungsleiter (§§ 82ff. JGG), soweit sie statt der Staatsanwaltschaft Vollstreckungsbehörde sind. Daß diese als Vollstreckungsbehörden im Fall des §§ 458 Abs. 1 die gerichtliche Entscheidung herbeizuführen haben und daß im Fall des § 458 Abs. 2 über ihre Anordnungen entschieden wird, begründet noch kein Beschwerderecht der Vollstreckungsbehörde als solcher, vielmehr werden, sobald die Anfechtung der gerichtlichen Entscheidung in Frage steht, die öffentlichen Belange in der gleichen Weise wie im Erkenntnisverfahren, so auch im nachfolgenden gerichtlichen Stadium des Vollstreckungsverfahrens wieder von der Staatsanwaltschaft wahgenommen (a. M. K r a u ß NJW 1958 49). Die sof. Beschwerde ist nur gegen Entscheidungen gegeben, die über die beantragte Gesamtstrafenbildung materiell entscheiden, nicht aber, wenn die Festsetzung wegen Unzuständigkeit abgelehnt wird. Hier ist die einfache Beschwerde zulässig und daher auch § 19 nicht anwendbar (RGSt. 32 234; JW 1900 122). — Beschränkung der Beschwerde auf einen Beschwerdepunkt hindert nicht eine anderweitige Richtigstellung zugunsten des Beschwerdeführers (BayObLG DRZ 1933 418). Wegen des Verfahrens bei Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Beschwerdeinstanz vgl. § 311 a. Wegen der materiellen Rechtskraftwirkung des rechtskräftigen Gesamtstrafbeschlusses vgl. Anm. VIII 4 zu § 460; s. ferner Anm. 5 zu § 458. Wird irrigerweise eine in Beschlußform ohne mündliche Verhandlung zu treffende Entscheidung durch Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung getroffen, so ist auch gegen das Urteil nur die sofortige Beschwerde gegeben (RG HRR 1935 1199). 2. Gegen Entscheidungen der Rechtspfleger (oben Anm. II 3) findet binnen der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist Erinnerung statt ( § 1 1 Abs. 1 Rechtspflegerges.). Da er ihr nicht abhelfen kann, legt er sie dem Richter vor (§ 11 Abs. 2 Satz 1, 2). Dieser entscheidet über die Erinnerung, wenn er sie für zulässig und begründet erachtet; erst gegen diese Entscheidung findet gemäß § 11 Abs. 3 die sofortige Beschwerde des § 462 Abs. 4 statt ( S c h m i d t NJW 1972 1 6 ; M e y e r - S t o l t e Rpfleger 1972 195). Erachtet der Richter die Erinnerung nicht für zulässig und begründet, so legt er sie dem Rechtsmittelgericht vor; die Erinnerung gilt dann als sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Rechtspflegers (§ 11 Abs. 2 Satz 4, 5). 2423

§ 4 6 2 Anm. VI

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

§ 462a Anm. 1,2 Der Vollstreckungsrechtspfleger hat nicht das Recht zu Anträgen und Stellungnahmen in den Fällen der §§ 458 bis 460, 461 Abs. 2 (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 der VO v. 26. 6. 1970, BGBl. 1992). VI. Reformbestrebungen. Der von der Bundesregierung unter dem 4. 4. 1972 eingebrachte Entwurf eines EGStGB (BT-Drucks. Nr. VI/3250) schlägt in Art. 20 Nr. 5 vor, durch Einfügung eines § 78 a GVG Strafvollstreckungskammern zu schaffen. Sie sollen bei den Landgerichten gebildet werden, in deren Bezirk Vollzugsanstalten errichtet sind, in denen gegen Erwachsene Freiheitsstrafen von mindestens 6 Monaten oder freiheitsentziehende Maßregeln der Sicherung und Besserung vollzogen werden. Sie sollen für bestimmte notwendig werdende gerichtliche Entscheidungen (insbes. die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Aussetzung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung beziehen) zuständig sein, wenn gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Sicherung und Besserung vollzogen wird. Die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges soll sich künftig auf diejenigen bei der Strafvollstreckung notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen beschränken, die nicht zur Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer gehören. Die Abgrenzung der Zuständigkeit des ersten Rechtszuges gegenüber derjenigen der Strafvollstreckungskammer im einzelnen sehen die vorgeschlagenen neuen §§462, 462 a (Art. 19 Nr. 122 des Entw.) vor. Die im Verfahren vor den Vollstreckungskammern der Staatsanwaltschaft obliegenden Aufgaben soll aber nicht die Staatsanwaltschaft des Landgerichts wahrnehmen, bei dem die Vollstreckungskammer errichtet ist, sondern die funktional einem anderen Landgericht zugeordnete Staatsanwaltschaft, die nach § 451 Vollstreckungsbehörde ist (§ 451 Abs. 3 i. d. F. von Art. 19 Nr. 110 des Entw.).

§ 462 a Das Amtsgericht darf seine Strafgewalt auch bei der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe (§ 460) nicht überschreiten. Ist nach § 462 Abs. 3 das Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts. Entstehungsgeschichte: §462a wurde durch die DurchfVO vom 13.3. 1940 (RGBl. I 489) zur VO über die Zuständigkeit der Strafgerichte usw. vom 21. 2. 1940 (RGBl. I 405) eingefügt. 1. Im Erkenntnisverfahren ist nach § 24 Abs. 2 GVG die Strafgewalt der Amtsgerichte auf Freiheitsstrafe von drei Jahren beschränkt (vgl. dazu die Anm. zu § 24 GVG) und umfaßt nicht die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Diese Beschränkung güt auch, wenn das Amtsgericht nach §§ 74, 76 StGB eine Gesamtstrafe zu büden hat. In entsprechender Weise begrenzt § 462 a folgerichtig die Strafgewalt des Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht, wenn es nach der Regel des § 462 Abs. 3 zur Bildung einer Gesamtstrafe zuständig ist. Die in den Anm. zu § 25 GVG erörterte Streitfrage, ob die Strafgewalt des Einzelrichters als erkennenden Richters in den Fällen des § 25 Nr. 2 c GVG auf Freiheitsstrafen von nicht mehr als einem Jahr beschränkt ist, spielt bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 460 keine Rolle. Denn bei dieser Streitfrage geht es darum, ob in der Hauptverhandlung Freiheitsstrafen über ein Jahr der Amtsrichter allein verhängen kann oder ob hierfür nur ein Kollegium mit zwei Schöffen zuständig ist. Da aber außerhalb der Hauptverhandlung stets nur der Amtsrichter allein entscheidet (§ 30 Abs. 2 GVG), hat er auch die volle Strafgewalt des Kollegiums, das er außerhalb der Hauptverhandlung vertritt (allg. M., vgl. BayObLGSt. 1950/51 580; a. M. S c h w i t z k e NJW 1953 931, wonach auch im Beschlußverfahren die Strafgewalt des allein entscheidenden Amtsrichters auf ein Jahr beschränkt ist). 2. Hatte bereits das Schöffengericht auf drei Jahre Freiheitsstrafe erkannt, so entfällt von vornherein die Zuständigkeit des Amtsgerichts zur Bildung der Gesamtstrafe, da sie zwangsläufig mehr als drei Jahre beträgt; das gleiche gilt, wenn neben einer Einzelstrafe Sicherungsverwahrung angeordnet ist. In einem solchen Fall reicht der Amtsrichter die 2424

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 4 6 2 a Anm. 3 § 4 6 3 Anm. 1 Vorgänge lediglich an das Landgericht weiter .'Dagegen bedarf es in entsprechender Anwendung des § 270 einer förmlichen Verweisung an das Landgericht, wenn es Gegenstand einer Ermessensentscheidung ist, ob die amtsrichterliche Strafgewalt ausreicht und der Amtsrichter die Frage verneint, wenn er also z. B. bei Einzelstrafen von zwei Jahren sechs Mon. und einem Jahr eine Gesamtstrafe von drei Jahren nicht für ausreichend hält. Diese Verweisung muß, sofern sie nicht auf einem Rechtsirrtum beruht, der Natur der Sache nach bindend sein, denn das Landgericht kann, wenn es selbst eine in die Strafgewalt des Amtsrichters fallende Gesamtstrafe für ausreichend hält, diesen nicht zwingen, gegen seine Überzeugung eine Strafe festzusetzen, die er nicht für ausreichend hält (ebenso M ü l l e r - S a x Anm. 2). Gegen die Verweisung gibt es kein Rechtsmittel. 3. Wegen der Rechtsfolgen der Überschreitung der Strafgewalt vgl. die Anm. zu § 24 GVG. §463 Die Vollstreckung der über eine Vermögensstrafe ergangenen Entscheidung richtet sich nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Urteilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten. Entstehungsgeschichte: §463 lautete ursprünglich: „Die Vollstreckung der über eine Vermögensstrafe oder eine Buße ergangenen Entscheidung..." Die Worte „oder eine Buße" wurden bei der Einführung des Adhäsionsverfahrens (§§ 403-406 d) durch Art. V der VerVereinfachungsVO vom 29. 5. 1943 (RGBl. I 342) gestrichen; vgl. jetzt §§ 406b, 406d. Im übrigen wurde der Wortlaut durch das Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950 stilistisch (ohne sachliche Änderung) geändert. Übersicht 1. Begriff der Vermögensstrafen 2. Verfahren vor der Vollstreckung (Einforderung). Strafaufschub und Strafunterbrechung. Bewilligung von Zahlungsfristen 3. Teilzahlung und Aufrechnung 4. Zur Anwendung der „Vorschriften, die für die Vollstreckung von Urteilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten" a) Frühere Auffassungen b) und c) Heutige Betrachtungsweise und ihre Begründung d) Unterschiedliche Behandlung der Einwendungen gegen die Vollstreckung e) Reformbestrebungen 5. Einziehung und Verfallserklärung

6. Unbrauchbarmachung und Vernichtung 7. Vollstreckungsmaßnahmen außerhalb des Bezirks der Vollstreckungsbehörde 8. Maßnahmen zur Sicherung einer künftigen Vermögensstrafe 9. Vollstreckung nichtvermögensrechtlicher Nebenfolgen a) Zulässigkeit von Polizeiaufsicht b) Urteilsbekanntmachung aa) Öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung bb) Erteilung der Befugnis zur öffentlichen Bekanntmachung der Entscheidung cc) Reformbestrebungen c) Fahrverbot

1. Begriff der Vermögensstrafen, a) § 463 regelt die Vollstreckung von Vermögensstrafen. Unter diesen Begriff fallen aber nicht nur Geldstrafen (einschl. der Ordnungs- und Erzwingungsgeldstrafen, z.B. nach §§ 51, 70, 95 StPO), vielmehr ist der Begriff, da es andernfalls an Vorschriften über die Vollstreckung fehlen würde, im weitesten Sinn zu verstehen. Es fällt darunter jede durch strafgerichtliche Entscheidung auferlegte vermögensrechtliche Buße, zu deren Verwirklichung es besonderer Vollstreckungsmaßnahmen bedarf (ebenso P o h l m a n n I 3 a z u §61 StVollstrO). Vermögensstrafe i. S. des § 463 ist also die Einziehung (RGZ 108 261, OLG Celle GA 46 222, A l s b e r g Entsch. 3 268), und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie im Einzelfall als Nebenstrafe oder als Sicherungsmaßregel anzusehen ist, die Unbrauchbarmachung oder Vernichtung, die nur den Charakter einer Sicherungsmaßrgel haben (ebenso § 61 StVollstrO; P o h l m a n n aaO.); ferner die Verfallerklärung eines bestimmten Gegenstandes oder seines Wertes (vgl. z. B. § 335 StGB), die Wertersatzeinziehung (§ 40 c StGB) und die Mehrerlösabführung nach § 8 WiStG 1954, 2425

§ 463 Anm. 2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

die nicht den Charakter einer Nebenstrafe hat, sondern eine öffentlich-rechtliche Wegnahme der gesetzwidrig bewirkten Bereicherung darstellt; mit Recht ordnet § 57 StVollstrO an, daß die aus solchen Urteilsanordnungen entstandenen Geldansprüche vollstreckungsrechtlich wie Geldstrafen behandelt werden und stellt § 61 die Verfallerklärung eines bestimmten Gegenstandes, dessen Besitz dem Verurteilten in Ausführung des Urteils entzogen werden soll, der Einziehung, Unbrauchbarmachung oder Vernichtung eines Gegenstandes gleich. Kraft ausdrücklicher Erstreckung in § 91 OWiG ist § 463 auch anwendbar auf die Vollstreckung von Geldbußen und vermögensrechtliche Nebenfolgen einer Ordnungswidrigkeit, die in einer gerichtlichen Bußgeldentscheidung festgesetzt sind (vgl. Vorbem. VII 2 vor § 449). b) Keine Vermögensstrafe i. S. des § 463 ist die Buße (z. B. nach §§ 188, 231 StGB), deren Vollstreckung in §§ 406b und 406 d geregelt ist (s. oben vor Anm. 1), ferner nicht die Geldauflage bei Strafaussetzung zur Bewährung oder bedingter Entlassung (§§ 24 a Abs. 2 Nr. 2, 26 Abs. 3 StGB), denn sie ist nicht beitreibbar, und schuldhafte Nichterfüllung führt gegebenenfalls zum Widerruf der Aussetzung oder Entlassung. Auch die Geldauflage als Zuchtmittel nach § 15 Abs. 2 J G G oder bei Aussetzung einer Jugendstrafe oder Entlassung zur Bewährung (§§ 23, 88 Abs. 5, 89 Abs. 2 JGG) ist nicht vollstreckbar; schuldhafte Nichterfüllung führt, wenn es sich um ein Zuchtmittel handelt, zur Verhängung von Jugendarrest (§§15 Abs. 3, 75 Abs. 3) oder zum Widerruf der Aussetzung und Entlassung, wenn sie als Bewährungsauflage angeordnet ist (§§ 26 Abs. 1 Nr. 2, 88 Abs. 5, 89 Abs. 2). Keine Vermögensstrafe sind schließlich die Verfahrenskosten; ihre Beitreibung richtet sich nach anderen Vorschriften (vgl. wegen der Gerichtskosten die Vorbem. vor § 464, wegen der Auslagen anderer Verfahrensbeteiligter als der Staatskasse § 464 b). 2. Verfahren vor der Vollstreckung. § 463 regelt nur das Verfahren, wenn es zur Beitreibung kommt, weil der Verurteilte nicht freiwillig zahlt (§ 28 a Abs. 1 StGB). Sobald die Entscheidung vollstreckbar geworden ist (§ 449), ordnet die Vollstreckungsbehörde die Einforderung der Strafe an, wobei sie eine Zahlungsfrist bestimmt, die im allgemeinen zwei Wochen beträgt (§§ 48, 57 StVollstrO, § 4 in der ab 1. 7. 1970 geltenden Fassung der Anordnung über die Einforderung und Beitreibung von Vermögensstrafen und Verfahrenskosten). Die Einforderung geschieht durch Übersendung einer Zahlungsaufforderung, außer bei Strafbefehlen und Strafverfügungen, die bereits die Zahlungsaufforderung enthalten (§ 6 der Anordnung); geht eine Woche nach Ablauf der Zahlungsfrist keine Zahlungsanzeige an, so trifft die Vollstreckungsbehörde die Entscheidung über die zu ergreifenden Vollstreckungsmaßregeln (§ 8 der Anordnung). Einforderung und Beitreibung unterbleiben, wenn und solange Strafaufschub in Form gänzlicher oder teilweiser Stundung gewährt ist. Bei Geldstrafen kann einen Aufschub der Vollstreckung durch Bewilligung einer Zahlungsfrist oder Gestattung von Ratenzahlung der Richter schon im Urteil anordnen und diese Vergünstigungen sowie eine Unterbrechung der Vollstreckung kann er oder der Rechtspfleger (Anm. II 3 zu § 462) auch nachträglich durch Beschluß gewähren (§ 28 Abs. 1, 2 StGB). Daneben kann auch die Vollstreckungsbehörde Aufschub bei allen Vermögensstrafen, soweit sie einer Vollstreckung bedürfen, nach § 456, ferner bei Geldstrafe auch Aufschub, Unterbrechung und Ratenzahlung im Gnadenweg kraft übertragener Gnadenbefugnis gewähren (§35 der GnadenO 1935 und die entsprechenden Vorschriften der an ihre Stelle getretenen LandesgnadenOen., — vgl. Anm. 7 zu § 456 —). Der Amtsrichter und der Oberstaatsanwalt als Vollstreckungsbehörden können aber nur Strafausstand (Aufschub und Unterbrechung) bis zu einem Jahr bewilligen; über einen längeren Ausstand entscheidet der Generalstaatsanwalt. Strafunterbrechung als Vollstreckungsmaßnahme kennt die StPO — anders als bei Freiheitsstrafen (vgl. Anm. I 2 zu §§ 455) — bei Geldstrafen nicht. Ist die Vollstreckung der Geldstrafe fruchtlos geblieben oder wegen Aussichtslosigkeit unterblieben (§ 28 a Abs. 2 StGB), so wird, soweit dies nicht durch eine Anordnung nach § 29 Abs. 4 StGB ausgeschlossen ist, die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt; insoweit finden dann in vollem Umfang die für die Vollstreckung primärer Freiheitsstrafen geltenden Vorschriften (§§ 455 ff.) Anwendung. Ist für die Bezahlung einer Geldstrafe nachträglich Ratenzahlung bewilligt (§ 28 Abs. 2 StGB) und unterbleibt die Ratenzahlung, so wird die Bewilligung nicht von selbst gegenstandslos; erst nach rechtskräftigem Widerruf der Bewilligung darf die Geldstrafe vollstreckt werden (LG Krefeld Rpfleger 1971 225 m. Anm. P o h l m a n n ) . 2426

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 463 Anm. 3, 4

3. Teilzahlung und Aufrechnung. Schuldet der Verurteilte neben einer Vermögensstrafe, bei der im Fall der Nichtbeitreibbarkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden kann, andere Vermögensstrafen, bei denen die Umwandlung in eine Ersatzfreiheitsstrafe ausscheidet, sowie Verfahrenskosten und deckt der gezahlte oder beigetriebene Betrag nicht die ganze Schuld, so wird die Zahlung zunächst auf die Geldstrafe als die lästigere Schuld angerechnet (§ 7 der Anordnung, der auf § 35 der JustizkassenO und § 94 OWiG verweist; OLG Hamburg MDR 1950 757). Das Gericht kann bei der Entscheidung nach § 28 StGB nicht anordnen, daß Teilzahlungen zunächst auf die Kosten anzurechnen sind, denn es würde auf diese Weise praktisch die Zahlung der Kostenschuld unter den Druck der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe stellen (LG H a g e n NJW 1956 154). Wegen der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe, wenn infolge Teilzahlung ein Bruchteil eines Tages zu vollstrecken wäre, vgl. Anm. 2 zu § 459. Hat der Verurteilte gegen den Justizfiskus eine Geldforderung (z. B. auf Rückgabe beschlagnahmten, aber nicht eingezogenen Geldes), so kann die Vollstreckungsbehörde nach §§ 387ff. BGB dagegen mit dem Anspruch auf die Geldstrafe aufrechnen; die einseitige, gegen den Willen des Verurteilten erfolgende Aufrechnung gegen einen diesem zustehenden Anspruch auf Rückzahlung einer frei gewordenen Sicherheit wird allerdings zu verneinen sein (vgl. P o hl m a n n 5 III zu § 4 8 StVollstrO). Dagegen kann der Verurteüte eine solche Aufrechnung (ohne Einverständnis der Vollstreckungsbehörde) nicht erklären, weil dies dem Zweck und Wesen der Geldstrafe widerspricht (vgl. OLG Braunschweig NJW 1951 246; LG Münster NJW 1971 2002; M ü l l e r - S a x l d ; P o h l m a n n aaO.). §251 Entw. Strafvollzugsges. 1927 wollte die Verrechnungsbefugnis der Vollstreckungsbehörde ausdrücklich aussprechen. Wegen der Aufrechnung gegen Gerichtskosten vgl. § 8 JustBeitreibungsO i. d. F. von Art. V des Ges. v. 26. 7. 1957 (BGBl. 1861). 4. Zur Anwendung der „Vorschriften, die für die Vollstreckung von Urteilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten" a) Eine in der Anfangszeit vertretene Auffassung ging dahin, daß nach § 463 bei der Vollstreckung von Vermögensstrafen sämtliche Vorschriften der ZPO über die Zwangsvollstreckung Anwendung fanden. Danach sollten also namentlich die formellen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten auch bei der Vollstreckung von Geldstrafen Platz greifen; es sollte eine mit der Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung des Strafurteils erforderlich sein und die Vollstreckung erst beginnen dürfen, wenn das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird (§§ 724, 750 ZPO). Ferner sollte für die Entscheidung über Einwendungen, die gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung erhoben werden, nicht das Strafgericht (§ 458 StPO), sondern das Vollstreckungsgericht in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (§ 764—766 ZPO) zuständig sein; demzufolge sollte auch der Beschwerdeweg sich nicht nach den Vorschriften der StPO, sondern nach denen der ZPO regeln. Diese Ansicht hatte der I ZS des R G in einem Beschl. vom 20. 3. 1880 (RGZ 1 233) aufgestellt, weil es ein mangelhafter Schutz gegen mögliche Versehen und Ausschreitungen des Gerichtsvollziehers wäre, wenn der Verurteilte darauf angewiesen wäre, Abhilfe dagegen bei der vielleicht sehr entfernten Staatsanwaltschaft, anstatt bei dem nahen Vollstreckungsgericht zu suchen. b) Nach der heute völlig herrschenden Meinung (AV d. RJM vom 6. 11. 1937, DJ 1760; OLGe. Hamburg A l s b e r g Entsch. 3 269; Celle GA 46 222; NdsRpfl. 1955 89; LGe. Berlin JW 1938 1886; Rpfleger 1960 218 m. zust. Anm. von P o h l m a n n ; Mönchengladbach Rpfleger 1963 126; Bremen Rpfleger 1950 233; Braunschweig NdsRpfl. 1954 53; M ü l l e r - S a x 2b, e; K l 2, 3; E b S c h m i d t Anm. 4; über weitere Nachweise des älteren Schrifttums s. Anm. 4 a der 20. Aufl.). hat dagegen § 463 nur die Vorschriften der ZPO im Auge, die die Art und Weise der Ausführung der Vollstreckung betreffen. Auf dieser Auffassung beruht z. B. die Regelung in § 48 StVollstrO in Verb, mit § 10 der Anordnung v. 15. 2. 1956. Danach erteilt, wenn in bewegliche Sachen vollstreckt werden soll, die Vollstreckungsbehörde dem Vollstreckungsbeamten (Gerichtsvollzieher, Vollziehungsbeamten) einen Vollstreckungsauftrag mit folgendem Wortlaut: „Wegen der nachstehend bezeichneten Vermögensstrafen... wird gegen den nachstehend bezeichneten Vollstreckungsschuldner die Zwangsvollstreckung in bewegliche körperliche Sachen nach den Vorschriften über die

2427

§463 Anm. 4

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Vollstreckung der Urteile der Zivilgerichte angeordnet und der zuständige Vollstreckungsbeamte mit der Ausführung des Auftrags beauftragt". Hiernach bedarf es nicht der in § 750 Abs. 1 ZPO vorgesehenen vorgängigen oder gleichzeitigen Zustellung des Urteils; ebensowenig bedarf es, wenn in den Nachlaß eines verstorbenen Verurteilten vollstreckt wird (§ 30 StGB), der Zustellung einer auf den Erben umgeschriebenen Vollstreckbarkeitsbescheinigung und einer Abschrift des Erbscheines, wie dies bei der Vollstreckung aus einem Zivilprozeßurteil gegen den Erben des verurteilten Beklagten nach § 750 Abs. 2 ZPO erforderlich ist. c) Begründung der h. M. Der zu a) dargestellten Auffassung war aus folgenden Gründen die Anerkennung zu versagen: a) Wie die Mot. S. 232 bemerken, beruht § 463 ausschließlich auf Zweckmäßigkeitsgründen. Hiermit aber steht die zu a) vertretene Ansicht im Widerspruch; das Vollstrekkungsverfahren, wie es sich bei Zugrundelegung dieser Ansicht gestalten würde, wäre nicht nur äußerst unzweckmäßig, sondern es müßte auch zu einer unerträglichen Vermehrung des Schreibwerks fuhren, wenn bei der Beitreibung aller noch so kleinen Geldstrafen, wie sie von den Amtsgerichten in großer Zahl verhängt werden, dem Gerichtsvollzieher zu seiner Legitimation eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils übergeben und ferner noch eine Ausfertigung dem Verurteilten zugestellt werden müßte, ß ) § 463 ist im Verhältnis zu den vorausgehenden Bestimmungen über die Strafvollstreckung nicht eine Ausnahmevorschrift, sondern eine Ergänzung; er gilt nicht an Stelle jener Bestimmungen, sondern neben ihnen, und sie bleiben auf die Geldstrafe usw. anwendbar, soweit nicht aus Wortlaut und Sinn der einzelnen Vorschrift die Unanwendbarkeit sich von selbst ergibt. Wenn nun nach § 451 StPO die Vollstreckung einer jeden, selbst der schwersten Freiheitsstrafe lediglich auf Grund einer mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen, beglaubigten Abschrift der Urteilsformel erfolgt und ihr eine Zustellung des Urteils an den Verurteilten nicht vorherzugehen braucht, so ist nicht einzusehen, weshalb es gerade bei der mildesten Strafe, der Geldstrafe, der für die Vollstreckung in Zivilsachen vorgeschriebenen Maßnahmen bedürfen sollte. § 451 enthält in seinem Wortlaut keine Beschränkung auf Freiheitsstrafen, wie denn auch die Anwendbarkeit seines Abs. 3 auf Geldstrafen niemals bezweifelt worden ist. y) Was Einwendungen gegen die Vollstreckung (unten d), also den Schutz des Verurteilten gegen mögliche Versehen und Ausschreitungen der Vollstreckungsbeamten anlangt, so besteht der wesentliche Unterschied gegenüber den Zivilsachen, wo der Gerichtsvollzieher im Auftrag der Partei handelt, darin, daß der Vollstreckungsbeamte in Strafsachen im Auftrag der Vollstreckungsbehörde tätig wird, die dafür verantwortlich ist, daß die Voraussetzungen der Vollstreckung erfüllt sind. Daraus ergibt sich, daß der Rechtsschutz des Verurteilten gegen fehlerhaftes Verhalten des Vollstreckungsorgans bei der Beitreibung von Vermögensstrafen kein anderer und kein weitergehenderer sein kann als etwa bei der Vollziehung einer dem Gerichtsvollzieher aufgetragenen Verhaftung. d) Bei den Einwendungen gegen die Vollstreckung muß unterschieden werden zwischen solchen, die sich gegen die Verwirklichung des staatlichen Strafvollstreckungsanspruchs richten und solchen, die gegen die Durchsetzung eines dem Fiskus zustehenden vermögensrechtlichen Anspruchs erhoben werden. Bei Einwendungen, die gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung überhaupt erhoben werden, fehlt es an einem inneren Grund, die Vollstrekkung von Geldstrafen anders als die anderer Strafen zu behandeln, und zwar um so mehr, als, wenn es zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe kommt, die dagegen erhobenen Einwendungen unzweifelhaft der Entscheidung des Strafgerichts nach § 458 Abs. 1 und nicht des Vollstreckungsgerichts unterliegen. Einwendungen, die die vermögensrechtliche (fiskalische) Seite des zu vollstreckenden Anspruchs betreffen, dagegen sind gegen die Art und Weise der Ausführung der Vollstreckung gerichtet und daher nach den Vorschriften der ZPO zu behandeln. Nach § 458 StPO, nicht nach § 767 ZPO, wird danach entschieden, wenn der Verurteilte das Erlöschen des Vollstreckungsanspruchs geltend macht, gleichviel, ob er z. B. einwendet, die Geldstrafe sei durch eine Amnestie erlassen oder er habe die Strafe bereits bezahlt. Er kann auch nicht Vollstreckungsschutz nach den Vorschriften der ZPO (etwa § 765 a) oder, wenn die Beitreibung im Wege der Immobiliarzwangsvollstreckung (Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung) erfolgen sollte — was nach § 8 Abs. 6 der An2428

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 463 Anm. 5

Ordnung vom 15.2. 1956 nur unter einschränkenden Voraussetzungen geschehen soll — nach denen des ZVG ( § 3 0 a ) begehren, denn die Entscheidung über Strafaufschub und Strafunterbrechung mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten steht dem Strafvollstreckungsgericht und der Strafvollstreckungs- oder Gnadenbehörde zu. Handelt es sich dagegen darum, ob bei einer Vollstreckung in das bewegliche Vermögen unpfändbare Gegenstände ( § 8 1 1 ZPO) gepfändet sind, so steht die Art und Weise der Ausführung der Vollstreckung — die vermögensrechtliche Seite des Anspruchs — in Frage, und über die Erinnerung entscheidet das Zivilvollstreckungsgericht nach § 766 Z P O (OLG Celle NdsRpfl. 1955 89). Wenn ein Dritter behauptet, daß der bei dem Verurteilten gepfändete Gegenstand ihm gehöre, so muß ein solcher Streit im Wege der Widerspruchsklage nach § 771 Z P O gegen den vollstreckenden Fiskus geltend gemacht werden (vgl. R G Z 108 261). Ebenso muß die Pfändung einer Forderung oder eines sonstigen Rechts des Verurteilten in der Weise betrieben werden, daß die Vollstreckungsbehörde bei dem nach § 828 Z P O zuständigen Gericht die entsprechenden Anträge stellt (§ 8 Abs. 5 der Anordnung vom 15.2. 1956; L G Bremen Rpfleger 1950 233). Wer geltend macht, daß ein Gegenstand, der in der Annahme eingezogen wurde, daß er im Zeitpunkt der Entscheidung dem Verurteilten gehörte, in Wahrheit ihm in dem maßgeblichen Zeitpunkt nicht gehört habe, muß die Wiederherstellung seines Eigentums im Nachverfahren nach § 439 betreiben. Wird in den Nachlaß eines verstorbenen Verurteilten vollstreckt, so entscheidet die Vollstreckungsbehörde, bei Einwendungen das Strafgericht nach § 458, wer als Erbe in Betracht kommt (ebenso LG Braunschweig NdsRpfl. 1954 53); es liegt hier nicht anders, als wenn jemand behauptet, er sei mit dem Verurteilten nicht personengleich (vgl. Anm. 5 zu § 458). Haftet aber der Erbe nur mit dem Nachlaß für die Geldstrafe und bestreitet er die Zugehörigkeit des gepfändeten Gegenstandes zum Nachlaß, so muß nach den Regeln der Z P O (§ 780) entschieden werden, nicht anders, als wenn ein Dritter Eigentumsrechte an dem beim Verurteilten gepfändeten Gegenstande geltend macht (insoweit a. M. L G Braunschweig aaO.). e) Reformbestrebungen. Schon § 255 Entw. Strafvollzugsges. 1927 wollte die Verweisung auf die Vorschriften der Z P O aufgeben, weil diese Vorschriften zu sehr auf den Parteibetrieb zugeschnitten seien, als daß sie sich für die Beitreibung solcher öffentlich-rechtlicher Geldforderungen des Staates besonders eigneten. Statt dessen sollte sich die Art und Weise der Vollstreckung, insbesondere die Zuständigkeit zur Entscheidung über die dagegen erhobenen Einwendungen nach den Vorschriften über die Beitreibung der Gerichtskosten richten. Nach den Vorschlägen in Art. 19 Nr. 120 des Entw. eines EGStGB (BT-Drucks. Nr. VI/3250 v. 4 . 4 . 1972) sollen künftig für die Vollstreckung von Geldstrafen und von Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten, grundsätzlich die auf die Vollstreckung öffentlichrechtlicher Ansprüche zugeschnittenen Vorschriften der Justizbeitreibungsordnung v. 11. 3. 1937 (RGBl. I 298), zuletzt geändert durch Gesetz v. 20.4. 1972 (BGBl. I 6/7) gelten (§§ 459, 459g Abs. 2); dies soll zu einer Beschleunigung und Vereinheitlichung der Geldstrafenvollstreckung beitragen, da die zivilprozessualen Vollstreckungsvorschriften, auf die § 463 verweist, weniger geeignet seien, die nachdrückliche Vollstreckung sicherzustellen, die erforderlich sei, um der — bei Zurückdrängung der kurzen Freiheitsstrafen erhöhten — Bedeutung der Geldstrafe gerecht zu werden (Begr. S. 296). Die Anordnung des Verfalls oder der Einziehung von Sachen (unten Anm. 5) soll nach § 459 g Abs. 1 des Entwurfs dadurch vollstreckt werden, daß die Sache dem Verurteilten oder dem Verfallsoder Einziehungsbeteiligten weggenommen wird. 5. Bei Einziehung und Verfallerklärung von Sachen erwirbt der Justizfiskus mit der Rechtskraft des Urteils Eigentum an den eingezogenen Gegenständen (vgl. Vorbem. 8 vor § 430). Einer Vollstreckung bedarf es hier nur, wenn der Gegenstand sich zur Zeit der Rechtskraft nicht in amtlicher Verwahrung (infolge Beschlagnahme oder freiwilliger Herausgabe) befindet. Ist er in den Händen des Verurteilten oder des Einziehungsbeteiligten, der nach der Entscheidung zur Herausgabe verpflichtet ist, und gibt dieser ihn trotz Aufforderung nicht freiwillig heraus (oder läßt eine Aufforderung den Vollstreckungserfolg gefährdet erscheinen), so erfolgt die Vollstreckung nach § 463 StPO, § 883 ZPO, indem der Gerichtsvollzieher auf Grund eines schriftlichen Vollstreckungsauftrags ( § 6 1 Abs. 2 StVollstrO) dem Herausgabepflichtigen den Gegenstand wegnimmt. Wird dieser nicht vorgefunden, so kann der Verurteilte (herausgabepflichtige Einziehungsbeteiligte) zur Abgabe einer eidesstatt2429

§ 463 Anm. 6—8

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

liehen Versicherung über den Verbleib (§ 883 Abs. 2 ZPO) angehalten werden; die zur Vertretung des Justizfiskus zuständige Behörde soll aber nach § 62 StVollstrO einen Antrag auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung vor dem nach § 899 ZPO zuständigen Gericht in der Regel nicht stellen, wenn die Versicherung wesentlichen Feststellungen des Urteils widersprechen würde. Befindet sich der Gegenstand in den Händen eines Dritten, so besteht keine Möglichkeit, aus dem die Einziehung oder Verfallserklärung aussprechenden Urteil unmittelbar gegen ihn mit Vollstreckungsmaßnahmen vorzugehen, denn eine Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen bildet das Urteil nur gegen denjenigen, den das Strafurteil als Verurteilten oder herausgabepflichtigen Einziehungsbeteiligten nennt. Wohl aber kann der Fiskus auf Grund des durch das Urteü erworbenen Eigentums gegen den Dritten mit einer Klage auf Herausgabe (§ 985 BGB) vorgehen. Das soll aber wegen der in solchen Fällen oft bestehenden rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten nur auf Weisung oder mit Zustimmung des Justizministers geschehen (§61 Abs. 5 StVollstrO). Zur Frage der vollstreckungsrechtlichen Behandlung des Kraftfahrzeugbriefs, wenn auf Einziehung eines Kraftfahrzeugs erkannt ist, vgl. P o h l m a n n I 3 b z u § 6 1 StVollstrO. Zur Sicherung der „Einziehung" des Wertersatzes (§ 40c StGB) ist die Beschlagnahme einzelner Vermögensstücke nach § 94 StPO nicht zulässig; hier handelt es sich nicht um einen bestimmten Gegenstand, sondern um eine Geldsumme, die der Täter aus seinem Vermögen aufzubringen hat (BGHSt. 21 323). 6. Die Anordnung der Unbrauchbarmachung (vgl. §§41, 40b Abs. 2 StGB und dazu L K - S c h ä f e r Rdn. 13 zu § 40b) und der Vernichtung (vgl. Anm. 5c zu § 407) verschafft — anders als die Einziehung (§ 41 a Abs. 1 StGB) oder Verfallerklärung — dem Fiskus kein Eigentum, sondern läßt die Eigentumsverhältnisse unberührt. Ein Gegenstand, dessen Unbrauchbarmachung angeordnet ist, wird daher nach Möglichkeit dem Berechtigten zurückgegeben, wenn er nach Maßgabe der Entscheidung seiner gefährdenden Form entkleidet oder unschädlich gemacht worden ist (§ 63 Abs. 3 StVollstrO). Befindet sich der Gegenstand, dessen Unbrauchbarmachung oder Vernichtung angeordnet ist, in den Händen des Verurteilten oder eines Nebenbeteiligten (§§431, 440 Abs. 3, 442), so bedeutet diese Anordnung, daß der Verurteilte (Nebenbeteiligte) verurteilt ist, sie zu dulden; er muß demgemäß auch die Wegnahme des Gegenstandes zur Durchführung der Anordnung dulden, und diese Wegnahme wird in gleicher Weise wie bei eingezogenen Gegenständen vollzogen (s. zu 5). Befindet sich der Gegenstand aber in den Händen eines Dritten, so kann aus der die Unbrauchbarmachung (Vernichtung) anordnenden Entscheidung gegen ihn nicht vollstreckt werden. Materiellrechtlich begründet zwar die Anordnung der Unbrauchbarmachung (Vernichtung) auch für ihn die Pflicht, dem Staat den Besitz an dem Gegenstand zur Durchführung der Anordnung zu überlassen ( P o h l m a n n IV 3 zu § 6 1 StVollstrO); ist er aber nicht freiwillig zur Herausgabe und Duldung bereit, so besteht mangels eines Vollstrekkungstitels nur die Möglichkeit, daß der Staat im Wege des Zivilprozesses gegen ihn sein Recht auf Erlangung des Besitzes zwecks Durchführung der angeordneten Maßnahme verfolgt, oder daß mit polizeilichen Maßnahmen gegen ihn vorgegangen wird, um durch Entziehung des Gegenstandes die Allgemeinheit vor Gefahren zu schützen, die von dem Gegenstand oder seiner mißbräuchlichen Verwendung drohen (vgl. § 41 c Abs. 2 Nr. 3 StGB und dazu L K - S c h ä f e r Rdn. 7 zu §41c). Wegen der Ausführung der Unbrauchbarmachung und Vernichtung, sobald der Staat den Besitz des Gegenstandes erlangt hat, vgl. § 63 Abs. 3 bis 6 StVollstrO. 7. Wegen der Vollstreckung von Vermögensstrafen, wenn der herauszugebende Gegenstand oder die beweglichen Sachen, in die vollstreckt werden soll, sich außerhalb des Bezirkes (auch in einem anderen Bundesland) befinden, in dem die Vollstreckungsbehörde ihren Sitz hat, vgl. VII 2 b zu § 451 und Anm. 8 zu § 163 GVG. 8. Maßnahmen zur Sicherung einer künftigen Vermögensstrafe. Im Verfahren gegen Abwesende lassen §§ 283, 284 zur Deckung der den Angeschuldigten möglicherweise treffenden höchsten Geldstrafe und der Verfahrenskosten die Beschlagnahme einzelner Vermögensgegenstände oder, wenn dies nicht ausführbar ist, seines gesamten Vermögens zu; die Beschlagnahme dient hier als Mittel zur Erzwingung der Gestellung. Ferner sieht § 443 bei schwersten Verbrechen gegen den Staat die Möglichkeit einer Vermögensbeschlagnahme 2430

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 463 Anm. 9 vor, um dem Beschuldigten die Mittel zu weiterer gefahrlicher Tätigkeit zu entziehen. Dagegen besteht im übrigen keine Möglichkeit, einen etwaigen künftigen Anspruch des Fiskus auf eine Geldstrafe, z. B. wenn auf Geldstrafe erkannt, das Urteil aber noch nicht rechtskräftig ist, durch Beschlagnahme oder einen Arrest zu sichern (ebenso LG Kiel NJW 1951 247). Mit entsprechender Anwendung des § 283 könnte eine Vermögensbeschlagnahme nicht begründet werden, da die ratio der Vorschrift — Erzwingung der Gestellung — einer Anwendung der Vorschrift zu anderen Zwecken — Sicherung einer fiskalischen Forderung — entgegensteht. Einem Arrest auf der Grundlage des § 916 ZPO, auch wenn man die Voraussetzungen dieser Vorschrift als gegeben ansehen wollte, stünde entgegen, daß dies auf eine vorläufige Vollstreckung hinausliefe, die § 449 gerade verbietet. Dagegen kann nach § 10 JustizbeitreibungsO i. d. F. von Art. V Nr. 8 des Ges. vom 26. 7. 1957 (BGBl. I 861, 898) das Amtsgericht den dinglichen Arrest zur Sicherung der Vollstreckung der künftigen Kostenforderung aus einem Strafverfahren (ausschließlich der Vollstreckungskosten) anordnen. Zulässig ist dies aber nur, wenn zu besorgen ist, daß sich der Schuldner der Zahlung der Kosten entziehen wird und entweder ein Haft- oder Unterbringungsbefehl (§ 126 a) ergangen oder er wegen eines Vergehens oder Verbrechens (noch nicht rechtskräftig) zu Strafe verurteilt ist. 9. Vollstreckung nichtvermögensrechtlicher Nebenfolgen. Die §§449 ff. enthalten Einzelregelungen für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen (§§450, 453—455, 456a, 457, 459, 460, 461, 462), von Vermögensstrafen (§ 463) und von Maßregeln der Sicherung und Besserung (§§456a, 456b, 456c, 463a, 463b) und die Nebenstrafe des Fahrverbots (§ 463 b). Für sonstige Nebenstrafen und Nebenfolgen fehlt es — von den allgemeinen, auch für sie geltenden Vorschriften §§ 449, 451, 456, 458, 462 abgesehen —, an besonderen Vollstreckungsvorschriften. Insoweit gilt folgendes: a) bei Ausspruch der Zulässigkeit von Polizeiaufsicht (§ 38 StGB) beschränkt sich die Tätigkeit der Vollstreckungsbehörde darauf, nach Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 449) der höheren Landespolizeibehörde das Urteil mitzuteilen (§58 StVollstrO). Vgl. im übrigen Anm. 6 zu § 458; b) bei Urteilsbekanntmachung

ist zu unterscheiden

aa) Lautet das Urteil auf öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung (nach § 200 Abs. 2 StGB), so ist es Sache der Vollstreckungsbehörde, die Bekanntmachung in der im Urteil vorgesehenen Weise herbeizuführen (§ 59 Abs. 2 StVollstrO). Im allgemeinen kann aber die Vollstreckungsbehörde die Veröffentlichung des verfügenden Teils des Urteils in einer Zeitung oder Zeitschrift nicht erzwingen, wenn der Verleger oder Redakteur die Veröffentlichung ablehnt, da weder die StPO noch die landesrechtlichen Pressegesetze — mit Ausnahme des § 22 Abs. 1 Nr. 5 Nds. Presseges. v. 22. 5. 1965 (GVB1. S. 9) - für einen solchen Fall Sanktionen vorsehen (anders früher §§ 10, 19 des Reichspresseges. und dazu KG JW 1933 482). Es bleiben praktisch dann nur mittelbare Einwirkungsmöglichkeiten der Vollstreckungsbehörde in Form der Anrufung des Deutschen Presserats, zu dessen Aufgaben auch die Beseitigung von Mißständen im Pressewesen gehört ( P o h l m a n n II l a zu § 59 StVollstrO). bb) Wird im Urteil nur dem Verletzten die Befugnis zugesprochen, die Entscheidung öffentlich bekanntzumachen (z. B. gemäß §§ 165, 200 Abs. 1 StGB, § 23 Abs. 1 UWG, § 30 Abs. 2 WZG, § 49 Abs. 3 Patentges.), so beschränkt sich die Aufgabe der Vollstrekkungsbehörde darauf, den im Urteil bezeichneten Berechtigten eine Ausfertigung der rechtskräftigen Entscheidung auf Kosten des Verurteilten zuzustellen (§ 59 Abs. 1 StVollstrO; Nr. 255 RiStBV). Namen von Mitverurteilten, auf die sich die Veröffentlichungsbefugnis nicht bezieht, werden in der Ausfertigung weggelassen. Die Herbeiführung der Bekanntmachung bleibt dem Berechtigten überlassen. Weigert sich aber die Presse, der Bitte des Berechtigten um Veröffentlichung des Urteils (selbstverständlich gegen Erstellung der üblichen Einrückungsgebühren, die unter § 464 a Abs. 2 fallen) zu entsprechen, so wird es Sache der Vollstreckungsbehörde sein, den Verletzten zu unterstützen, indem sie die Zeitung usw. um Veröffentlichung ersucht. Verbleibt aber die Presse bei ihrer Ablehnung, so kann auch hier — wie im Fall zu aa) — die Vollstreckungsbehörde in der Regel nichts ande-

2431

§ 463 a

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

res tun, als den Deutschen Presserat anzurufen. Inwieweit der Verletzte, um seinem Rehabilitierungsbedürfnis Genüge zu tun, sich des presserechtlichen Instituts der Gegendarstellung bedienen kann, ist hier nicht zu erörtern. Eine wirksamere Wahrung der Belange des Verletzten erscheint in geeigneten Fällen in gewisser Weise dadurch möglich, daß das Gericht als Art der öffentlichen Bekanntmachung der Aushang der Entscheidung an der Gemeindetafel anordnet, weil dann die Gemeinde, die den Aushang auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörde ablehnt, im Wege der Kommunalaufsicht gezwungen werden kann, dem Amtshilfeersuchen der Vollstreckungsbehörde nachzukommen (OVG Lüneburg Rpfleger 1966 257; P o h l m a n n II l c z u § 59 StVollstrO). cc) Reformbestrebungen. Um gegenüber der zu aa) und bb) dargestellten unbefriedigenden Rechtslage Abhilfe zu schaffen, schlägt der Reg.Entwurf eines EGStGB (BT-Drucks. Nr. VI/3250 v. 4. 4. 1972) vor: 1. im materiellen Recht die Figur der bloßen Zusprechung der Befugnis an den Verletzten, die Verurteilung öffentlich bekannt zu machen, aufzugeben und statt dessen allgemein zu bestimmen, daß die öffentliche Bekanntgabe der Verurteilung unmittelbar durch das Gericht angeordnet wird mit der Folge, daß diese Entscheidung (auf Antrag des Verletzten) wie jede andere gerichtliche Maßnahme durch die Vollstreckungsbehörde vollstreckt wird (vgl. Begr. Einleitung Nr. 8, S. 183), und 2. verfahrensrechtlich die Schaffung eines § 463 c (vgl. Art. 19 Nr. 125 des Entw.), nach dessen Abs. 3 das Gericht, wenn der Verleger oder verantwortliche Redakteur einer periodischen Druckschrift seiner (im künftigen Bundespresserechtsrahmengesetz auszusprechenden) Verpflichtung zur Aufnahme der Bekanntmachung in das Druckwerk nicht nachkommt, ihn auf Antrag der Vollstreckungsbehörde durch Festsetzung eines Zwangsgeldes dazu anzuhalten hat (vgl. dazu Begr. S. 301). c) Wegen der Vollstreckungsmaßnahmen bei der Nebenstrafe des Fahrverbots vgl. § 463 b.

§ 463 a (1)Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Sicherung und Besserung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Bei der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt ist der Aufschub der Vollstreckung auf Grund des § 455 Abs. 1, bei der Sicherungsverwahrung der Aufschub auf Grund des § 456 nicht zulässig. (3) § 462 gilt auch für die nach den §§ 42f bis 42h, § 42 1 Abs. 4 und 42n Abs. 7 des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. Entstehungsgeschichte: § 4 6 3 a wurde durch Ges. vom 24. 11. 1933 (RGBl. I 1000) eingefügt. Abs. 3 des § 463 a beschränkte sich ursprünglich auf die nach den §§ 42f bis h StGB zu treffenden Entscheidungen. Druch Art. 12 des Ges. vom 28. 6. 1935 (RGBl. I 839) erhielt § 42 1 StGB einen neuen Abs. 4, wonach das Gericht die Untersagung der Berufsausübung vor Ablauf der angeordneten Dauer wieder aufheben kann; gleichzeitig wurde Abs. 3 des § 463 a durch Einfügung von „§ 42 1 Abs. 4" erweitert. Durch § 8 des Ges. vom 4. 9. 1941 (RGBl. I 549) wurden die nach § 42 f und § 42 h StGB zu treffenden Entscheidungen dem Gericht entzogen und der höheren Vollzugsbehörde übertragen; demgemäß erhielt Abs. 3 des § 463a durch VO vom 24.9. 1941 (RGBl. I 581) folgende Fassung: „...auf die nach § 42 g, § 42 1 Abs. 4... zu treffenden Entscheidungen...". Durch Art. I des Kontrollratsges. Nr. 55 vom 20. 6. 1947 wurde § 8 des Ges. vom 4. 9. 1941 aufgehoben, die frühere Fassung des §§ 42 f und g StGB und des § 463 a Abs. 3 aber nicht wieder hergestellt. Teils durch landes- oder zonenrechtliche Anordnungen, teils durch die Rechtsprechung (OLGe. Kiel NJW 1948 390; Hamm NJW 1948 432) wurde ausgesprochen, daß die genannten Vorschriften in der vor dem Ges. vom 4. 9. 1941 geltenden Fassung wieder anzuwenden seien. Das Vereinheitlichungsges. stellte die Fassung des § 463 a Abs. 3 in der Form, die er durch das Ges. vom 28. 6. 1935 erhalten hatte, wieder her. Durch Ges. vom 19. 12. 1952 (BGBl. I 832) wurde in Abs. 3 „und § 42 m Abs. 4" eingefügt; diese Verweisung wurde durch Art. 2 Nr. 10 des 2. Straßenverkehrssicherungsges. v. 26.11.1964 durch „§42n Abs. 7" ersetzt. 2432

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 463 a Anm. 1—3

1. Die in Abs. 1 angeordnete sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Vollstreckung bedeutet, daß eine strafgerichtliche Entscheidung, die Maßregeln der Sicherung und Besserung i. S. des § 42 a StGB anordnet, nicht vor Eintritt der Rechtskraft vollstreckbar ist (§ 449), daß bei den mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln, wenn die Dauer der Freiheitsentziehung der Zeit nach feststeht — Unterbringung in einer Trinkerheil- oder Entziehungsanstalt, § 42 f Abs. 1 —, die Untersuchungshaft nach § 450 auf die Zeit der Freiheitsentziehung angerechnet wird, wenn eine Anrechnung auf eine Freiheitsstrafe nicht in Betracht kommt, daß die Vollstreckung der nach §§ 4, 5 StVollstrO zuständigen Vollstreckungsbehörde obliegt und daß eine urkundliche Grundlage der Vollstreckung nach § 451 vorhanden sein muß, daß bei den freiheitsentziehenden Maßregeln Aufschub und Unterbrechung nach § 455 stattfinden — jedoch ist § 455 Abs. 1 unanwendbar bei der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt (§ 463 a Abs. 2; vgl. auch Anm. VIII zu § 455) —, daß vor der Entscheidung nach § 42 g Abs. 1 StGB die Strafvollzugsbehörde — in entsprechender Anwendung des § 454 Abs. 1 Satz 2 - zu hören ist (OLG Hamm NJW 1971 1280), daß bei allen Maßregeln Aufschub nach § 456 gewährt werden kann außer bei Sicherungsverwahrung (§ 463 a Abs. 2) und Berufsuntersagung, für die die Sonderregelung in § 456c Abs. 2 gilt, daß der Antritt einer freiheitsentziehenden Maßregel nach § 457 erzwungen werden kann, daß bei Zweifeln und Einwendungen nach § 458 entschieden wird, daß bei zeitlich begrenzten freiheitsentziehenden Maßregeln die Anrechnung eines Krankenanstaltsaufenthalts nach § 461 erfolgt (vgl. Anm. 8 zu § 461), daß Unterbrechung wegen Vollzugsuntauglichkeit in entsprechender Weise wie beim Vollzug einer Strafe möglich ist (vgl. dazu Anm. 8 zu §461) und daß Zuständigkeit und Verfahren des Vollstreckungsgerichts sich nach §§462 Abs. 1, 2, 4 bemißt. Zu den sinngemäß anwendbaren Vorschriften über die Strafvollstreckung gehören auch bei freiheitsentziehenden Maßregeln die §§ 162, 163 GVG (vgl. Anm. VII zu § 451). Parallel mit der gesetzlichen Vorschrift bestimmt § 53 StVollstrO, daß die für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen geltenden Verwaltungsanweisungen auf die freiheitsentziehenden Maßregeln entsprechend anwendbar sind und bezeichnet im einzelnen die anwendbaren Vorschriften. Die Reihenfolge beim Vollzug von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln richtet sich nach § 456b (vgl. die Anm. dazu). 2. Die Reihenfolge des Vollzugs mehrerer gegen denselben Verurteilten angeordneter freiheitsentziehender Maßregeln, auf die im gleichen Urteil (vgl. § 42 StGB) oder in verschiedenen Verfahren erkannt ist, ist gesetzlich nicht bestimmt, so daß Raum für Verwaltungsanweisungen bleibt. § 54 StVollstrO bestimmt: „(l)Sind an demselben Verurteilten mehrere mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregeln der Sicherung und Besserung zu vollziehen, so gilt § 43 Abs. 1 [hier abgedr. Anm. VII zu § 449], bei Maßregeln gleicher Art auch § 43 Abs. 2 entsprechend; jedoch darf bei mehrfach angeordneter Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt nur die zuletzt rechtskräftig gewordene Anordnung der gleichen Maßregel vollstreckt werden (§ 42 f. Abs. 6 StGB). (2) Bei Maßregeln ungleicher Art bestimmt die Vollstreckungsbehörde die Reihenfolge nach pflichtgemäßem Ermessen. Maßgebend ist, wie bei der Persönlichkeit des Verurteilten unter Berücksichtigung der Urteilsgründe der Zweck aller Maßnahmen am besten erreicht werden kann. Wenn nicht überwiegende Gründe entgegenstehen, wird in diesen Fällen mit der Vollstreckung der Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder Entziehungsanstalt oder der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt begonnen. Die Vollstreckungsbehörde kann auch die Vollstreckung einer Maßregel zwecks Vollstreckung einer anderen Maßregel unterbrechen, wenn sie dies nach pflichtgemäßem Ermessen für angebracht hält. (3) Treffen Maßregeln, die mit Freiheitsentziehung verbunden sind, mit Freiheitsstrafen zusammen, so ist § 53 Abs. 3 zu beachten; im übrigen gilt § 44 [hier abgedr. zu § 456b] (4) Sind in den Fällen der Absätze 1 bis 3 verschiedene Vollstreckungsbehörden beteiligt und können sie sich über die Reihenfolge der Vollstreckung nicht einigen, so gilt § 43 Abs. 4 entsprechend. Dabei gilt die Sicherungsverwahrung als die schwerste Maßregel; es folgen der Reihe nach die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt und in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt." 3. Zu Abs. 3: Bei den nachträglichen Entscheidungen ist die Mitwirkung eines Verteidigers nicht notwendig; § 140 gilt nur für das Verfahren bis zur Rechtskraft des die Siche2433

§ 4 6 3 a Anm. 4

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

§ 463 b rungsmaßregel anordnenden Urteils und für den Wiederaufnahmeantrag, kann aber nicht ausdehnend auf die nachträglichen Entscheidungen erstreckt werden (OLGe. Neustadt M D R 1955 503; Hamm JMB1. N R W 1963 109; N J W 1971 1418; a. M. O L G München M D R 1957 696). Das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 462 Abs. 1) kann die ihm obliegenden Entscheidungen nicht einem anderen Gericht übertragen; eine analoge Anwendung des § 453 Abs. 2 Satz 2 ist nicht möglich (vgl. BGHSt. 13 293 = N J W 1960 394 = M D R 1960 152; BGHSt. 16 78, 82; N J W 1961 2071). Die vorherige Anhörung (§ 462 Abs. 2) erfordert, um dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 G G ) zu genügen, daß dem Untergebrachten eine ungünstige Stellungnahme der Vollzugsanstalt bekanntgegeben und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Die Pflicht zur Bekanntgabe umfaßt die in der Stellungnahme enthaltene Würdigung der Persönlichkeit des Untergebrachten (Verwahrten) und die Prognose über sein künftiges Verhalten, die auf tatsächlichen Feststellungen über das äußere Verhalten und die innere Einstellung des Beurteilten beruhen; Tatsachen und Werturteile sind dabei in der Regel so eng miteinander verknüpft, daß sie nicht getrennt werden können (BVerfGE 17 143; 18 419, 422 = NJW 1964 293 = M D R 1964 293 m. Anm. B e r t r a m ; BVerfGE 19 201; s. auch D a h m a n n JB1. Saar 1965 165; S c h m i d t NJW 1965 1318). Jedoch kann bei der Sicherungsverwahrung von einer Bekanntgabe der Stellungnahme abgesehen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß durch die Bekanntgabe des vollen Wortlauts einer ungünstigen Stellungnahme oder ihres wesentlichen Inhalts der Zweck der Sicherungsverwahrung vereitelt oder eine Gefahr für Leib und Leben des Anstaltspersonals hervorgerufen würde (vgl. II 4 b zu § 4 5 4 ; offen gelassen in BVerfGE 17 139, 145); auch kann im Fall einer Unterbringung nach § 4 2 b StGB im gesundheitlichen Interesse des Untergebrachten, nicht jedoch, wenn wegen seines geistigen Zustandes oder aus anderen Gründen eine vernünftige und sachliche Stellungnahme nicht zu erwarten ist, eine Bekanntgabe der Stellungnahme der Heil- und Pflegeanstalt unterbleiben (OLG H a m m JMB1. N R W 1962 199 unter Auseinandersetzung mit S c h ü t z N J W 1961 582). Der sofortigen Beschwerde (§ 463 a Abs. 2, § 462 Abs. 4) unterliegt nicht nur die Entscheidung über die Entlassung (§ 42 f Abs. 2 StGB), sondern auch die Auferlegung besonderer Pflichten gemäß § 42 h Abs. 2 (OLG Düsseldorf N J W 1963 2183). Wegen der Bescheidung von Anträgen, die dritte Personen (z. B. Angehörige) im eigenen Namen für den Verurteilten stellen, und wegen ihres Rechts zur Beschwerde gegen ablehnende Bescheide gilt das in Anm. V zu § 453 Ausgeführte; es hat also z. B. die Mutter eines Volljährigen, der in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht ist, kein eigenes Beschwerderecht gegen den die Entlassung ablehnenden Beschluß ( O L G Schleswig SchlHA 1961 201). 4. Der Vollzug der gemäß § 42 b StGB angeordneten Unterbringung eines Geisteskranken in einer Heil- oder Pflegeanstalt erfolgt in Ermangelung justizeigner Vollzugsanstalten in Anstalten der Sozialhilfeträger (vgl. Blau G A 1959 141, 145). An den gesetzlichen Zuständigkeiten der Vollstreckungsbehörde und des Vollstreckungsgerichts ändert sich durch diese Vollzugsübernahme nichts.

§ 463 b* (1) Ist ein Führerschein nach § 37 Abs. 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches amtlich zu verwahren und wird er nicht freiwillig herausgegeben, so ist er zu beschlagnahmen. (2) Ausländische Fahrausweise können zur Eintragung eines Vermerks über das Fahrverbot oder über die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Sperre (§ 37 Abs. 3 Satz 3, § 42 o Abs. 2 des Strafgesetzbuches) beschlagnahmt werden. Entstehungsgeschichte: § 463 b wurde eingefügt durch Art. 2 Nr. 11 des 2. Straßenverkehrssicherungsgesetzes v. 26. 11. 1964 (BGBl. I 921). * Der Bundesrat hat am 18. 12. 1970 (BR-Drucks. Nr. 346/70; vgl. JZ Nr. 7/1971 Umschl. S. 68) die Einbringung eines Gesetzes zur Änderung von StPO und GVG beschlossen, der u. a. die Ergänzung des § 160 Abs. 3 und die Einstellung eines neuen § 463 c StPO vorschlägt; danach soll die Gerichtshilfe auch bei der Vorbereitung der dem Urteil nachfolgenden Entscheidungen herangezogen werden. 2434

Erster Abschnitt. Strafvollstreckung (Schäfer)

§ 463 b Anm. 1,2

1. Inländische Führerscheine. a) Bei Fahrverbot (zu Abs. 1). Ist rechtskräftig ein Fahrverbot ausgesprochen, so wird für die Dauer des Verbots ein von einer deutschen Behörde erteilter Führerschein amtlich verwahrt (§ 37 Abs. 3 Satz 2 StGB). Wegen der Art der Verwahrung vgl. § 5 9 a Abs. 1 StVollstrO. Befindet er sich noch nicht in behördlichem Gewahrsam, so ist der Verurteilte zunächst zur freiwilligen Herausgabe zu veranlassen (vgl.: „und wird er nicht freiwillig herausgegeben..."). Dies geschieht in der Weise, daß die Vollstreckungsbehörde ihn zur Herausgabe auffordert; mit dieser Aufforderung wird die Belehrung über den Beginn des Fahrverbots verbunden, wenn sich aus den Akten ergibt, daß die vorgeschriebene Belehrung (§§ 268c, 409 Abs. 1, 413 Abs. 4) unterblieben ist (§ 59a Abs. 4 Satz 1 StVollstrO). Unterbleibt die freiwillige Herausgabe, so hat die Vollstreckungsbehörde (§451) den Führerschein zu beschlagnahmen; sie kann sich zur Ausführung der Amtshilfe der Polizei bedienen. Die Beschlagnahmeanordnung umfaßt zugleich die Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Führerscheininhabers, soweit sie zur Ausfuhrung der Beschlagnahme erforderlich ist; es gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie bei der Vollstreckung eines Vollstrekkungshaft- oder Vorführungsbefehls nach § 457 (vgl. dort Anm. III 2). Wird der Führerschein nicht vorgefunden, so kann der Verurteilte nach § 883 ZPO zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über den Verbleib angehalten werden (§ 59 a Abs. 4 Satz 3 StVollstrO). Die Rückgabe des Führerscheins bei Beendigung der Verwahrung regelt § 59 a Abs. 2 StVollstrO. b) Bei Entziehung der Fahrerlaubnis. Bei Entziehung der Fahrerlaubnis wird nach § 42 m Abs. 3 Satz 2 StGB ein von einer deutschen Behörde erteüter Führerschein eingezogen. Die Vollstreckung richtet sich nach § 463. Wegen der Behandlung des eingezogenen Scheins vgl. § 56 Abs. 1 StVollstrO. 2. Ausländische Fahrausweise (zu Abs. 2). Ist gegen den Inhaber eines ausländischen Fahrausweises auf Fahrverbot erkannt (§37 Abs. 1, 2 StGB), so wird in dem Ausweis lediglich nach § 37 Abs. 3 Satz 3 das Fahrverbot vermerkt. Ist gegen ihn auf Entziehung der Fahrerlaubnis erkannt (§ 42 b Abs. 1 Satz 1 StGB), so hat die Entziehung nur die Wirkung eines Fahrverbots (§ 42 b Abs. 1 Satz 2), und die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Sperre werden im Fahrausweis nur vermerkt (§ 42 b Abs. 2). In beiden Fällen kann der Fahrausweis, wenn der Verurteilte die Vorlage zwecks Eintragung verweigert, vorübergehend beschlagnahmt werden; für die Durchführung der Beschlagnahme gilt das in Anm. l a Ausgeführt (vgl. dazu §§56 Abs. 2, 59 a Abs. 4 StVollstrO). Wegen der Beschlagnahme zwecks Vermerks der vorläufigen Faherlaubnis vgl. § 111 a Abs. 6.

2435

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

Vor § 4 6 4 Anm. 1—4

ZWEITER ABSCHNITT Kosten des Verfahrens Vorbemerkungen Schrifttum: F r i e d e n r e i c h , Die Lehre von den Kosten im Strafprozeß, Strafrechtl. Abhandl. Heft 35 (1901); T i e d e m a n n , Aufopferungsansprüche im Strafverfahren, MDR 1964 971; R e i n i s c h , Die Rechtsnatur des Auslagenerstattungsanspruchs im Strafprozeß, MDR 1966 105; W a n g e m a n n , Das Risiko der Staatskasse im Strafverfahren, 1971. 1. Der vorliegende Abschnitt behandelt hauptsächlich einmal die Frage, wer die Gerichtskosten, die aus Anlaß eines Strafverfahrens entstehen, d. h. die Gebühren und die Auslagen der Gerichte (vgl. G K G i. d. F. vom 26. 7. 1957, BGBl. I 941 mit späteren Änderungen) zu tragen hat. Ferner trifft das Gesetz darüber Bestimmung, wem die notwendigen Auslagen zur Last fallen, die aus Anlaß der Verteidigung oder der Beteiligung an einem Strafverfahren dem Beschuldigten (§§ 467, 467 a, 469, 470, 471, 473), dem Privatkläger und dem Nebenkläger (§471), dem Verletzten im Adhäsionsprozeß (§ 472a) und einem Nebenbeteiligten (§§ 467a, 469, 470, 472b) erwachsen sind. 2. Es ist hier überall nur von solchen Kosten und Auslagen die Rede, die in einer einzelnen Strafsache erwachsen. Zu diesen Kosten gehören nicht die Generalunkosten, die dem Staat durch die Unterhaltung des Strafrechtspflegeapparates im allgemeinen entstehen, also z. B. nicht die Entschädigung, die den Schöffen gezahlt wird (§§ 55, 84 GVG). Der Sinn der Gebühren, die einem anderen als der Staatskasse auferlegt werden, ist es, in pauschalierter Form zu den Generalunkosten des Verfahrens beizutragen, das er durch sein Verhalten veranlaßt hat (vgl. unten 7 a). Erhebung von Gerichtskosten und Erstattung von Auslagen kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn es zu einem gerichtlichen Verfahren gekommen ist; davon gibt es jedoch Ausnahmen (vgl. §§ 467 a. 469, 470). 3. Die §§ 464, 464 b haben die formelle Behandlung des Kosten- und Auslagenpunktes zum Gegenstand. § 464 a umschreibt den Begriff der Kosten des Verfahrens (§ 464 a Abs. 1 Satz 1) und klärt im übrigen („gehören auch") einige Zweifelsfragen über den Umfang der Gerichtskosten und der notwendigen Auslagen eines Beteiligten. Dagegen enthalten die §§ 465 ff. materielles Recht, indem sie die Pflicht zur Tragung und Erstattung der durch ein Strafverfahren verursachten Kosten regeln (RGSt. 24 384; 59 126; RG JW 1933 1600, 1957; 1937 761; BayObLG MDR 1955 123). Diese Vorschriften gehören daher nicht zu den „Rechtsnormen über das Verfahren" i. S. der §§ 344 Abs. 2, 352. Sie enthalten aber, was kaum der Hervorhebung bedarf, nicht etwa sachliches Strafrecht; bei einer Änderung dieser Vorschriften ist, wenn es an einer Vorschrift über die Rückwirkung fehlt, nicht § 2 StGB anwendbar, sondern die Wirksamkeit der neuen Vorschriften erstreckt sich auf das weitere, auf ihr Inkrafttreten folgende Verfahren (BayObLG aaO.). Auch findet das Verschlechterungsverbot (§§ 331,358) auf die Kostenentscheidung keine Anwendung. Die Verpflichteten, um die es sich in diesem Abschnitt handelt, sind außer der Staatskasse der Beschuldigte (§§ 465 ff.), der, der durch Anzeige oder einen Antrag die Einleitung eines Verfahrens veranlaßt hat (§§ 469, 470, 472, 472a), der Privatkläger (§471), der Nebenkläger (vgl. Anm. B zu § 471), der Nebenbeteiligte (§ 472 b), endlich alle, die ein Rechtsmittel eingelegt haben (§ 473). Wann die Kosten einzelner Teile des Verfahrens dritten Personen zur Last fallen können, ist nicht in dem vorliegenden Abschnitt geregelt; hierüber s. z. B. §§51, 70, 81c Abs. 4, 145. 4. a) Die Bestimmungen über die Höhe und den Ansatz der Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen), die ein Beteiligter der Staatskasse gegenüber zu tragen hat, finden sich im GKG. Die §§ 67—87 bestimmen, wann und in welcher Höhe Gerichtsgebühren erhoben werden; den Maßstab für die Höhe der Gerichtsgebühren aller Instanzen gegenüber dem Verurteilten bildet grundsätzlich die rechtskräftige erkannte Strafe (§ 67 Abs. 1). Bei Geldstrafen werden 10% der erkannten Strafe, mindestens aber 5 DM und höchstens 20 000 DM erhoben (§ 70).

2437

Vor § 464 Anm. 5

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Bei Freiheitsstrafen sind die Gebühren nach deren Dauer gestaffelt. Vermögensstrafen, wie Einziehung, yerfallerklärung, Unbrauchbarmachung usw. werden wie Geldstrafen behandelt; maßgebend für die Bemessung der Gebühr ist der Wert des eingezogenen usw. Gegenstandes (§ 83). Bei Anordnung von Maßregeln der Sicherung und Besserung wird eine feste Gebühr von 100 DM, bei der Entziehung der Fahrerlaubnis eine solche von 30 DM erhoben. Welche gerichtlichen Auslagen und in welcher Höhe sie zum Ansatz kommen, bestimmen die § § 9 1 ff. GKG. Der Ansatz der Gebühren und Auslagen zu Lasten des in die Kosten Verurteilten erfolgt durch den Kostenbeamten der Vollstreckungsbehörde(§ 5 der Anordnung über die Einforderung und Beitreibung von Vermögensstrafen und Verfahrenskosten vom 15. 2. 1956; vgl. Vorbem. III 1 vor § 449; §§ 1, 5 der bundeseinheitlich vereinbarten Kostenverfügung vom 28. 2. 1969). Über Erinnerungen des Verurteilten oder des Vertreters der Staatskasse gegen den Kostensatz entscheidet nach § 4 G K G das Gericht, gegen dessen Entscheidung Beschwerde nach §§ 304 ff. StPO eingelegt werden kann (§ 4 Abs. 2), sofern der Wert des Beschwerdegegenstandes 50 DM übersteigt (§ 304 Abs. 3); s. dazu (betr. Erstattung der Auslagen des mit der Beschwerde durchdringenden Verurteilten) OLG Frankfurt NJW 1966 1424. Solange eine gerichtliche Entscheidung _nicht ergangen ist, kann der Verurteilte auch im Weg der Dienstaufsichtsbeschwerde eine Änderung des Kostenansatzes beantragen, und es können bis zu diesem Zeitpunkt auch im Justizverwaltungsweg dem Kostenbeamten Weisungen wegen Berichtigung des Kostenansatzes erteilt werden (§ 43 der Kostenverfügung). b) Die Beitreibung der Gerichtskosten erfolgt nach den Vorschriften der Anordnung über die Einforderung und Beitreibung von Vermögensstrafen und Verfahrenskosten vom 15.2. 1956 in Verbindung mit den Bestimmungen der Justizbeitreibungsordnung vom 11.3. 1937 (RGBl. I 298) i. d. F. vom 26.7. 1957 (BGBl. I 861) und vom 23.3. 1961 (BGBl. I 274). Danach gilt der Grundsatz der Verbindung von Strafe und Kosten, d. h. Strafe und Kosten werden gleichzeitig von der Strafvollstreckungsbehörde eingefordert und beigetrieben, wobei die Vorschriften über die Beitreibung der Strafe (§ 463 StPO) auch für die Beitreibung der Kosten gelten (§ 1 Abs. 3, 4 der Anordnung vom 15. 2. 1956, § 1 Abs. 4 der JustBeitreibungsO). Die Verbindung von Strafe und Kosten entfallt, wenn wegen der Kosten ein Arrest erwirkt ist (vgl. Anm. 7 zu § 463) oder wenn die Verbindung gelöst wird, weil (vgl. § 16 der Anordnung vom 15. 2. 1956) die Beitreibung der Strafe, nicht aber die der Kosten erledigt ist oder wenn die Vollstreckungsbehörde die getrennte Verfolgung aus Zweckmäßigkeitsgründen anordnet, etwa weil nur für die Strafe Stundung oder Ratenzahlung bewilligt ist. Wird die Verbindung von Strafe und Kosten gelöst, so übernimmt die Gerichtskasse die Einforderung und Einziehung der Kosten nach den Vorschriften der JustizkassenO (§ 1 Abs. 5 der Anordnung vom 15. 2. 1956). Die Gerichtskasse ist auch Vollstreckungsbehörde, wenn die Gerichtskosten nicht in Verbindung mit einer Vermögensstrafe auferlegt sind (§ 2 Abs. 1 der JustizbeitreibungsO); bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe (nicht auch bei Verurteilung zu Vermögensstrafen) unterbleibt aber der Kostenansatz nach den geltenden Justizverwaltungsanordnungen, wenn der Verurteilte dauernd unvermögend ist (§ 10 der Kostenverfg. und dazu KG Rpfleger 1969 101 betr. Nachprüfbarkeit im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren). Bei Einwendungen gegen Vollstreckungsmaßnahmen der Gerichtskasse wegen der Verfahrenskosten und bei Erinnerungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung gilt nach § 6 JustBeitrO § 766 ZPO sinngemäß; die Entscheidung erfolgt also durch das Vollstreckungsgericht, und auch ein Kostenarrest (§916 ZPO) kann nur durch das Amtsgericht angeordnet werden. c) Die Festsetzung der notwendigen Auslagen, die ein Beteiligter einem anderen Beteiligten auf Grund einer die Erstattungspflicht feststellenden gerichtlichen Entscheidung zu erstatten hat, erfolgt im Verfahren nach § 464 b. 5. Sonderregelungen. a) Die §§ 464 ff. und die Vorschriften des G K G gelten gemäß § 2 J G G auch im jugendgerichtlichen Verfahren, jedoch mit der wichtigen Einschränkung, daß — abweichend von § 465 — gemäß §§ 74, 109 Abs. 2 JGG im Verfahren gegen einen Jugendlichen oder gegen 2438

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

Vor § 4 6 4 Anm. 5

einen Heranwachsenden bei Anwendung von Jugendstrafrecht das Gericht davon absehen kann, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen, weil die Kostenbelastung vielfach ein „erziehungsfremdes, nicht jugendgemäßes Element" in das Jugendstrafverfahren hineintragen und im Ergebnis oft wie eine — im Jugendstrafrecht unzulässige — Geldstrafe wirken würde (vgl. D a l l i n g e r - L a c k n e r Anm. 11 zu §74). Die Befugnis des Gerichts erstreckt sich darauf, von der Auferlegung sowohl der Kosten wie auch der Auslagen abzusehen oder sich auf die Befreiung nur von den Kosten oder nur von den Auslagen zu beschränken oder auch nur bestimmte Auslagen oder von den Kosten oder den Auslagen nur einen bruchteilsmäßig oder prozentual bestimmten Teil aufzuerlegen (OLG Hamm NJW 1963 1168 = MDR 1963 433). Nach den Empfehlungen der „Richtlinien" zu § 74 (Nr. 1) sollen Kosten und Auslagen dem Jugendlichen nur auferlegt werden, wenn anzunehmen ist, daß er sie aus Mitteln bezahlt, über die er selbständig verfügen kann, und wenn ihre Auferlegung aus erzieherischen Gründen angebracht erscheint. Wird die Belastung des jugendlichen Verurteilten mit den Verfahrenskosten lediglich mit dem Hinweis auf §§ 465, 467 StPO begründet, ohne daß die Möglichkeit des § 74 J G G erwähnt wird, so kann dies darauf hindeuten, daß das Gericht den § 74 JGG übersehen hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn mehrere Jugendliche verurteilt und unterschiedslos mit den Kosten belastet werden, deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse erheblich voneinander abweichen (BGHSt. 16 261). Andererseits ist es rechtsfehlerhaft, wenn das Gericht den Angeklagten von Kosten und Auslagen freistellt, ohne erwogen zu haben, ob die Auslagen des Nebenklägers von ihm selbst oder vom Angeklagten getragen werden sollen (OLG Hamm aaO.). Zu beachten ist, daß eine „Verurteilung" i. S. des § 465 Abs. 1 Satz 1, der keine Verurteilung „zu Strafe" fordert (vgl. Anm. 11 a zu § 465), auch vorliegt, wenn mit dem Schuldspruch eine Erziehungsmaßregel (§§ 9fF.) angeordnet oder ein Zuchtmittel (§§ 13ff.) verhängt wird (KG JR 1962 271). Eine „Verurteilung" liegt ferner auch schon vor, wenn gemäß § 27 JGG die Schuld festgestellt, die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe aber ausgesetzt wird (ebenso D a l l i n g e r - L a c k n e r 2; G r e t h l e i n - B r u n n e r 2b zu §74). Gerichtsgebühren fallen nicht an, wenn nur Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet werden, da §§ 67, 70 G K G für diese Fälle keine Gebühr vorsehen. Dagegen können auch in diesen Fällen dem Angeklagten die der Staatskasse erwachsenen Auslagen auferlegt werden; zu diesen Auslagen gehören zwar nicht die Kosten einer Untersuchungshaft (§ 12 Abs. 2 Kostenverfg.), wohl aber auch die Kosten, die durch die Ausführung einer Anordnung des Richters über die einstweilige Unterbringung in einem Erziehungsheim (§§71 Abs. 2, 72 Abs. 3) oder durch eine Anstaltsunterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Entwicklungszustand des Beschuldigten (§ 73) entstanden sind (§ 92 Nr. 12 GKG), während die Kosten des Vollzugs von Jugendstrafe nur bei Arbeitsverweigerung in Betracht kommen (§ 92 Nr. 11 G K G ; § 10 JustVerwKostO i. d. F. von Art. IV des Ges. vom 26. 7. 1957, BGBl. I 861). Haftkosten in Jugendarrestanstalten werden nicht in Rechnung gestellt. Die Kosten, die einem Jugendlichen dadurch entstehen, daß er einer ihm auferlegten Weisung oder besonderen Pflicht (§§ 10, 15, 23) nachkommt, sind, da die Befolgung der Weisung oder Auflage nicht erzwingbar (vollstreckbar) ist, keine Kosten der Vollstreckung i. S. des § 464 a Abs. 1 Satz 2 und gehören daher nicht zu den Kosten und Auslagen i. S. des § 74 (Nr. 5 der „Richtlinien" zu § 74; D a l l i n g e r - L a c k n e r Anm. 48 zu § 10).— Wegen der Kosten einer nachträglichen Entscheidung nach § § 3 1 Abs. 2, 66 J G G vgl. § 68 GKG. Zu den Auslagen i. S. des § 74 gehören auch die Auslagen, die der Beschuldigte nicht der Staatskasse — sie fallen schon unter den Begriff der Kosten —, sondern einem anderen Verfahrensbeteiligten zu erstatten hat (OLG Hamm NJW 1963 1168; D a l l i n g e r - L a c k n e r 5; G r e t h l e i n - B r u n n e r 2c). Zu der streitigen Frage, ob, wenn davon abgesehen wird, dem verurteilten Angekl. Auslagen aufzuerlegen, der Nebenkläger Erstattung seiner Auslagen aus der Staatskasse verlangen kann, vgl. die Übersicht über den Stand der Meinungen bei LG Darmstadt NJW 1972 1209. b) Im Steuerstrafverfahren finden die §§ 464 ff. StPO Anwendung. Nr. 317 RiStBV stellt klar, daß die Auslagen, die einer Finanzbehörde bei der Untersuchung und bei der Teilnahme an einem gerichtlichen Verfahren entstanden sind (§§ 421, 433 ff. 440 ff. RAbgO), zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens gehören und ebenso wie die Gerichtskosten festgesetzt, eingefordert und beigetrieben werden; sie werden also nicht nach § 4 6 4 b als

2439

Vor § 4 6 4

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Anm. 6, 7 zu erstattende Auslagen festgesetzt. Auslagen, die bei Bundesfinanzbehörden entstanden sind, werden an diese abgeführt; die auf Landesfinanzbehörden entfallenden Auslagen verbleiben dem Justizfiskus (Nr. 317 Satz 3 RiStBV). c) Für das Bußgeldverfahren nach dem O W i G gelten grundsätzlich die Kostenvorschriften der StPO sinngemäß (§ 46 Abs. 1; vgl. dazu ergänzend §§ 105 ff. OWiG). 6. Gebühren und Auslagen können niedergeschlagen, erlassen oder ermäßigt werden a) nach § 7 G K G ( a b g e d r . Anm. I 7 zu § 465), wenn sie durch unrichtige Sachbehandlung und ähnliche Umstände entstanden sind, b)im Wege der Gnade nach § § 3 Abs. 2, 16 Abs. 1 der GnadenO 1935 und den entsprechenden Bestimmungen der an ihre Stelle getretenen LandesgnadenOen., c) aus Billigkeitsgründen nach Maßgabe kassenrechtlicher Vorschriften (vgl. § 16 Abs. 2 der GnadenO und AV d. R J M vom 28. 3. 1935, DJ 480 bzw. die an die Stelle dieser reichsrechtlichen Bestimmungen getretenen landesrechtlichen Vorschriften — z. B. in Hessen der RdErl. über Erlaß von Gerichtskosten und anderen Justizverwaltungsabgaben vom 9. 2. 1961, JMB1. S. 31 - ; § 40 Kostenverfg.). Die Niederschlagung nach b) und c) erstreckt sich aber nur auf Gerichtsgebühren und solche Auslagen, die der Staatskasse geschuldet werden, also nicht auf die Auslagen, die der Verurteilte nach gesetzlicher Vorschrift einem anderen Beteiligten zu erstatten hat (AV d. RJM vom 10. 5. 1935 - DJ 731 - ) . 7. a) Es sind Bemühungen entfaltet worden, das Prinzip zu kennzeichnen, nach dem nach den gesetzlichen Bestimmungen die Belastung eines Beteiligten (d. h. eines anderen Beteiligten als der Staatskasse) mit den Gerichtskosten des Verfahrens erfolgt. Sicher ist nur, daß das Gesetz nicht dem Verschuldensprinzip folgt, d. h., daß es die Kostentragungspflicht nicht an die festgestellte schuldhafte rechtswidrige Verwirklichung eines Straftatbestandes knüpft. Denn nach § 465 trägt auch der zur Tatzeit Zurechnungsunfähige die Kosten des Straf- oder Sicherungsverfahrens, in dem gemäß § 42 b StGB auf Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt erkannt wird. Andererseits bleibt auch derjenige, der zweifellos einer strafbaren Handlung schuldig ist, frei von den Kosten eines Verfahrens, aus dem er ohne förmlichen Schuldausspruch entlassen wird, z. B. wenn das Verfahren gemäß § 153 Abs. 3 wegen Geringfügigkeit oder nach Verurteilung im ersten Rechtszug wegen der im Lauf des Rechtsmittelverfahrens eingetretenen Verjährung eingestellt wird. Manche Vor Schriften beruhen auf dem Veranlassungsprinzip. So liegt dem § 465 Abs. 1 der Gedanke zugrunde, daß der Verurteilte durch sein Verhalten Anlaß gegeben hat, daß das Kosten verursachende Gerichtsverfahren gegen ihn durchgeführt werden mußte (BVerfGE 18 302). Auch § 473 Abs. 1 geht, soweit es sich um die Kosten der Rechtsmittelinstanz handelt, vom Veranlassungsprinzip aus: wer durch unbegründete oder unzulässige Einlegung von Rechtsmitteln Kosten verursacht, trägt die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels. Jedoch ist der Gedanke eines allgemeinen, vom Verschulden unabhängigen Veranlassungsprinzips in dem Sinn, daß die Kosten des Verfahrens zu tragen habe, wer durch eine (festgestellter maßen) rechtswidrige Tatbestandsverwirklichung Veranlassung zur Durchführung eines Verfahrens gegeben habe, dem Gesetz fremd, denn die §§ 465, 467 knüpfen die Kostentragungspflicht an den Ausgang des Verfahrens, und trotz rechtswidriger Tatbestandsverwirklichung bleibt der Angeklagte frei von Kosten, wenn er (bei einer nur bei Vorsatz strafbaren Handlung) wegen — wenn auch verschuldeten — vorsatzausschließenden Irrtums freigesprochen wird. Wieder andere Grundsätze gelten für das Privatklageverfahren (§ 471 Abs. 2, 3) und (in gewissem Umfang) auch für das Amtsverfahren, an dem sich ein Nebenkläger beteiligt. Hier ist die Kostentragungspflicht zivilprozessualen Grundsätzen angenähert, wonach das „Obsiegen" oder „Unterliegen" die Kostentragungspflicht bestimmt. Bezgl. der Belastung der Staatskasse ist als Grundsatz nur erkennbar, daß die Staatskasse die durch die Tätigkeit der staatlichen Strafjustizorgane dem Fiskus entstandenen Auslagen trägt, wenn sie einem anderen Beteiligten nicht auferlegt werden können. Mitunter ist aber auch bestimmt, daß Kosten (und notwendige Auslagen der Beteiligten) der Staatskasse auferlegt werden können, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten oder andere Beteiligte damit zu belasten

2440

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

Vor § 4 6 4 Anm. 7

(vgl. §§ 465 Abs. 2, 472a Abs. 2, 473 Abs. 4); doch gibt es wiederum keine Vorschrift, die allgemein das Gericht dazu ermächtigte, über Kosten (und Auslagen der Beteiligten) nach Billigkeit zu entscheiden, wenn es zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich erscheint. Jedenfalls ist die Suche nach einem einheitlichen Prinzip vergeblich (vgl. E b S c h m i d t NachtrBd. II Vorbem. 9). Zur rechtlichen Wertung der Kostenpflicht vgl. noch BGHSt. 14 391, 394 = NJW 1960 1867; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1961 136. b) Gleiche Schwierigkeiten ergeben sich bei dem Versuch, das Wesen der Auslagenerstattung begrifflich zu erfassen. Soweit es sich um den Anspruch des unverurteilt aus dem Verfahren hervorgehenden Angeschuldigten (§ 467 Abs. 1) handelt, liegt es nahe, ihn als Aufopferungsanspruch zu kennzeichnen, als Ausgleich für das Sonderopfer eines Schadens, den der Beschuldigte durch die Verteidigung gegen den im öffentlichen Interesse (im Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung von Sachverhalten, die den Verdacht einer strafbaren Handlung begründen) erfolgten, aber objektiv ungerechtfertigten oder — was dem gleichgeachtet wird — ergebnislosen Angriff des Staates erlitten hat (vgl. OLG Stuttgart NJW 1969 1447; R e i n i s c h MDR 1966 105). Die Auslagenerstattung läge dann auf einer Linie mit der Entschädigung, die einem unverurteilt Gebliebenen nach dem Entschädigungsgesetz vom 8. 3. 1971 (BGBl. I 157) gewährt wird als Ausgleich des Schadens, der durch bestimmte, in § 2 aaO. bezeichnete Verfolgungsmaßnahmen entstanden ist. Die Charakterisierung des Auslagenerstattungsanspruchs als Aufopferungsanspruch wäre dann als Folgerung aus der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK anzusehen: wenn diese nicht durch eine Verurteilung widerlegt ist, stellt es ein Sonderopfer dar, wenn er Aufwendungen erbringen mußte, um sich gegen den Schuldvorwurf zu wehren. Dagegen liegt dem Erstattungsanspruch des Beschuldigten im Fall des § 469 der Gedanke eines Schadensersatzanspruchs zugrunde, und im Fall des § 470 greift der Veranlassungsgedanke durch. Aber auch davon abgesehen läßt sich die Wertung des Anspruchs aus § 467 Abs. 1 als Aufopferungsanspruch nur mit Brechungen durchführen, denn das Gesetz kennt auch eine Versagung der Auslagenerstattung nach gerichtlichem Ermessen — § 467 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4, § 473 Abs. 4 —, obwohl auch hier der Beschuldigte sich mit Erfolg gegen den ergebnislos gebliebenen Angriff des Staates (durch Erhebung der Anklage oder Einlegung eines Rechtsmittels) gewehrt hat. Überdies ist der Anspruch auf Auslagenerstattung nach zwei Richtungen eingeschränkt: einmal durch die Ausschließungsgründe des § 467 Abs. 3 Satz 1 und im übrigen dadurch, daß bei einer Einstellung des Vorverfahrens keine Auslagenerstattung, sondern nur eine Entschädigung für den Schaden durch bestimmte Strafverfolgungsmaßnahmen nach dem Entschädigungsgesetz vom 8. 3. 1971 (BGBl. I 157) stattfindet. Im letzteren Fall beruht der Ausschluß der Auslagenerstattung auf der Erwägung, daß die Verstrickung in ein Ermittlungsverfahren ein entschädigungslos hinzunehmendes allgemeines Risiko des sozialen Lebens ist (vgl. T i e d e m a n n MDR 1964 971) und eine Auslagenerstattungspflicht zu einer untragbaren Belastung der Staatskasse, aber auch zu einer Lähmung der Initiative der Strafverfolgungsorgane führen müßte (vgl. dazu Anm. II 2 b zu § 467 a). Die Auslagenerstattung im Privatklageverfahren und (in gewissem Umfang) im Amtsverfahren bei Beteiligung eines Nebenklägers im Verhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Nebenkläger richtet sich in noch stärkerem Maß wie die Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten nach Grundsätzen, die dem zivilprozessualen Auslagenerstattungsregeln angenähert sind. c) Rechtspolitisch werden im Schrifttum (vgl. v. H i p p e l 688ff.; E b S c h m i d t NachtrBd. II Vorbem. 10, s. auch S a r s t e d t JR 1961 266) grundsätzliche Bedenken gegen die Kostenregelung des geltenden Rechts erhoben; sie gipfeln in dem Vorschlag, auf die Erhebung von Gerichtskosten überhaupt zu verzichten (sog. Einführung des Nulltarifs; vgl. dazu auch etwa K i s s e l DRiZ 1971 285; D e m u t h DRiZ 1972 27). U. a. wird geltend gemacht, der Aufwand bei der Berechnung und Beitreibung der Kosten stehe in keinem Verhältnis zu den erzielten Einnahmen und zu den Gesamtaufwendungen des Staates für die Rechtspflege; die Belastung des Verurteilten mit den Verfahrenskosten treffe ihn wie eine unverdiente zusätzliche Nebenstrafe, da kein Richter bei der Strafzumessung auf die den Ange2441

Vor § 464 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. 7 klagten obendrein treffenden Kosten Rücksicht nehme; die Beitreibungsversuche gegenüber dem mittellosen Verurteilten widersprächen dem Resozialisierungsgedanken u. a. m. In dieser Allgemeinheit ist die Kritik unbegründet (so auch P e t e r s Strafpr. 615; Tiedemann GA 1964 374). Eine erhebliche Belastung mit Verfahrenskosten berücksichtigt die Praxis zumeist bei der Strafzumessung, auch wenn dies in den Urteilsgründen nicht zum Ausdruck kommt (vgl. van Eis MDR 1972 577). Die Einnahmen an Gerichtskosten sind keinesfalls so geringfügig für den Justizhaushalt, wie die Kritiker annehmen; die Strafjustiz hat es auch nicht ganz überwiegend mit mittellosen Angeklagten zu tun, wie ein Blick auf die zahlreichen Verkehrsdelikte zeigt, an denen Kraftfahrzeugbesitzer beteiligt sind. Sieht man von den Privatklagedelikten ganz ab, so ist es auch nicht ungerecht, den rechtskräftig Verurteilten zur Tragung der Kosten des durch ihn veranlaßten Strafverfahrens heranzuziehen, insbesondere der Auslagen, die er durch Ausübung des Beweisantragsrechts verursacht hat. Das frühere — kostenfreie — militärgerichtliche Verfahren, auf das die Kritiker verweisen, hatte es in der Hauptsache mit jungen Soldaten ohne Einkommen zu tun und kann schon deshalb nicht das Vorbild für eine allgemeine Regelung bilden; für das Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende aber gelten auch heute Sondervorschriften (oben 5 a). Rechtlich unhaltbar ist der Einwand, die Kostentragungspflicht des Verurteilten widerspreche dem gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip (so F r a n z MDR 1962 949), weil die Amtshandlung (die Verurteilung), für die der Verurteilte die Gebühr erbringe, ihm keine Vorteile bringe, und für ihn nicht nur wertlos (!), sondern sogar nachteilig sei (vgl. dazu BVerfG MDR 1965 359 = BVerfGE 18 302). d) An den Grundgedanken des geltenden Kostenrechts wollten auch die letzten Entwürfe (Art. 70 Ziff. 2 4 4 - 2 5 1 Entw. EGStGB 1930 und § § 4 5 3 - 4 6 9 StPO-Entw. 1939) festhalten, aber Starrheiten beseitigen und durch Freierstellung des Richters bei der Kostenentscheidung über das damals geltende Recht hinaus eine angemessene Kostenverteilung ermöglichen. § 464 StPO-Entw. 1939 wollte sogar über die bereits bei Einzelvorschriften vorgeschlagenen Härtemilderungen hinaus allgemein bestimmen: „Das Gericht kann bei der Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen der Beteiligten von den vorstehenden Vorschriften (den materiellrechtlichen Vorschriften über die Kostentragungspflicht) abweichen, wenn ihre Beachtung wegen außergewöhnlicher Umstände des Verfahrens zu einer unbilligen Härte gegenüber den Beteiligten oder zu einer ungerechtfertigten Belastung der Reichskasse führen würde". Inzwischen sind im Laufe der Zeit, insbes. durch Art. 2 EG OWiG 1968 Unbilligkeiten und Starrheiten des vergangenen Kostenrechts in beträchtlichem Umfang beseitigt worden. Gleichwohl enthalten die jetzt bestehenden Vorschriften keine in sich abgeschlossene Regelung aus einem Guß; die Kostenregelung weist Lücken und Unklarheiten auf. Insbesondere hat die nicht ohne Grund als „Flickwerk" bezeichnete Novellierung durch das EGOWiG 1968 (vgl. KG NJW 1970 2129), deren Hauptanliegen die Beseitigung des sog. „Freispruchs 2. Klasse" in kostenrechtlicher Hinsicht war, neben positiv zu bewertenden Neuerungen infolge der Eile, mit der das Gesetz zustande kam (vgl. G ö h l e r NJW 1970 454, 456), auch zu mancherlei Unklarheiten und offenen Fragen selbst in grundsätzlicher Hinsicht geführt. War es bislang schon anerkannt, daß kostenrechtliche Vorschriften, insbes. Reformvorschriften auf rechtsähnliche Fälle entsprechend angewandt werden könnten und müßten, um eine im Einzelfall der Billigkeit entsprechende Kosten- und Auslagenentscheidung zu ermöglichen (vgl. BGHSt. 16 168 = NJW 1961 1878 = MDR 1961 1034; BGHSt. 17 376, 381 = NJW 1962 1926 = MDR 1963 69), so ist es auch jetzt noch die Aufgabe der Gerichte, Lücken des Gesetzes im Wege der Analogie zu schließen und die Tragweite unklarer oder im Wortlaut scheinbar deutlicher, aber über das erstrebte Ziel erkennbar hinausschießender Vorschriften unter Beachtung der Grundkonzeption des Gesetzgebers so zu klären, daß gerechte und billige Ergebnisse erzielt werden (vgl. OLG Hamburg NJW 1970 1467 = MDR 1970 609 = VRS 39 279; KG NJW 1970 2129; OLG Hamm NJW 1971 1471). Leider gingen nach dem Inkrafttreten des EGOWiG und gehen z. T. auch jetzt noch in manchen Fragen die Auffassungen darüber, welche Lösungen streitiger Fragen sich noch im Rahmen der Grundkonzeption des Gesetzes halten, beträchtlich auseinander. Die Rechtsprechung wird sich hüten müssen, gewissen Lockrufen folgend, selbst die bewußt gesetzten Grenzen eben erst geschaffener Gesetze durch extensive Interpretation und „rechtsanaloge" Anwendung zu überspringen, um „die Entwicklung voranzutreiben" (vgl. Anm. I 5 zu § 467, Anm. II 2 zu § 467 a). 2442

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer) V o r § 4 6 4 Anm. 8

§464 8. Die strafprozessualen Vorschriften über die Kostentragungspflicht sind zwar nicht erschöpfend und bedürfen in weitem Umfang lückenausfüllender Ergänzungen im Wege der Auslegung (vgl. z.B. B zu §471 und C zu §473) und der Harmonisierung unvermittelt nebeneinander tretender alter und neuer Grundgedanken (s. z. B. Anm. III zu § 465). Sie sind aber insofern abschließend, als der nach strafprozessualen Regeln Kostentragungspflichtige keine Entbindung davon im Wege des Zivilprozesses finden kann. So kann der wegen Beteiligung an einem Verkehrsunfall Angeklagte und Freigesprochene, der selbst bei dem Unfall verletzt wurde, nicht unter Berufung auf § 823 BGB Ersatz für die im Strafverfahren aufgewendeten Auslagen der Verteidigung von dem verlangen, der den Unfall schuldhaft verursacht hat, und es kann der Nebenkläger, der dem freigesprochenen Angeklagten die notwendigen Auslagen zu erstatten hat, von letzterem nicht im Zivilprozeß Rückerstattung verlangen, weil der Freigesprochene in Wahrheit den Unfall schuldhaft verursacht und ihn verletzt habe (vgl. BGHZ 24 263 = NJW 1957 1593; BGHZ 27 137 = NJW 1958 1401 = JZ 1958 742 mit zust. Anm. von B o e h m e r , ferner BGH VersR 1960 105; W i l d JZ 1958 534 und W u s s o w NJW 1961 1697f. mit Nachw.). Dagegen ist der Nebenkläger nicht gehindert, Erstattung seiner Nebenklägerauslagen im Wege des Zivilprozesses zu verlangen, wenn das Verfahren gegen den Beschuldigten gemäß § 153 Abs. 3 wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist (vgl. LGe. Duisburg und Saarbrücken AnwBl. 1964 57; AG Düren DAR 1969 132; s. auch LG Karlsruhe AnwBl. 1970 274).

§464 (1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl, jede Strafverfügung und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind. (2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. (3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig. Entstehungsgeschichte: Der bisherige Abs. 2 wurde durch Art. 2 Nr. 20 EGOWiG mit unverändertem Wortlaut als § 464 b übernommen; durch das gleiche Gesetz wurden die jetzigen Abs. 2, 3 eingefügt. Schrifttum: G ö h l e r , Zur Auslegung der neuen Kostenvorschriften der StPO, NJW 1970 454; derselbe: Zur Anfechtung der Kostenentscheidung nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO, MDR 1971 621; L e m k e , Kosten- und Auslegenentscheidung im Strafurteil auch bei nach § 154 a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen unwesentlichen Gesetzesverletzungen?, NJW 1971 1248; M e t t e n , Die Kostenentscheidung bei der vorläufigen Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO, NJW 1969 687; K r ä m e r , Die notwendigen Auslagen des freigesprochenen Angeklagten, SchlHA 1971 29; M e y e r , Zur Anfechtung der Kosten- und Auslagenentscheidung nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO, JR 1971 96. Übersicht I. Entscheidung über die gerichtlichen Kosten (zu Abs. 1) 1. Bedeutung des Kostentragungsausspruchs 2. Kostenausspruch in Urteilen 3. Strafbefehl und Strafverfügung 4. Die eine „Untersuchung einstellende Entscheidung'

a) und b) Fälle einer Einstellungsentscheidung c) und d) Fälle, in denen eine Einstellungsentscheidung nicht vorliegt 5. Kein Äbhängigmachen der Einstellung von Kostenübernahme 6. Bedeutung der Zahlungsunfähigkeit für den Kostentragungsausspruch

2443

§464

S t r a f p r o z e ß o r d n u n g . Siebentes Buch

Anm. I 1 7. Keine Nachholung einer fehlenden Kostenentscheidung II. Entscheidung über die notwendigen Auslagen (zu Abs. 2) 1. Bedeutung des Abs. 2 2. Die Auslagenentscheidung als Bestandteil der Sachentscheidung 3. Folgen der Unterlassung eines Auslagenerstattungsausspruchs a) bis c) Auch zur Verwirklichung einer an die Kostentragungspflicht anknüpfenden Auslagenerstattungspflicht bedarf es grundsätzlich einer förmlichen Auslagenerstattungsentscheidung d) Umdeutbarkeit einer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens in eine die Auslagen umfassende Entscheidung e) Nachholung der in einem verfahrensbeendigenden Beschluß fehlenden Auslagenentscheidung durch Nachtragsbeschluß III. Selbständige (isolierte) Kosten- und Auslagenentscheidung 1. Voraussetzung 2. Rechtsmittel IV. Zur Anfechtung der Kosten- und Auslagenentscheidung (§ 464 Abs. 3 Satz 1) im allgemeinen 1. Geschichtliche Entwicklung. Grundsätzliche Bedeutung des Abs. 3 Satz 1 2. Fälle der Bedeutungslosigkeit des Abs. 3 Satz 1 3. Beschränkungen der sofortigen Beschwerde 4. Rechtsmittelverzicht 5. Keine weitere Beschwerde 6. Der Beschwerdeberechtigte

1. Die Streitgegenstände 2. Verhältnis der Anfechtung der Sachentscheidung zur Anfechtung der Kosten (Auslagen-)entscheidung. Erstreckt sich ein in vollem Umfang gegen die Sachentscheidung eingelegtes Rechtsmittel stets auch auf die Kostenund Auslagenentscheidung, oder bedarf es für den Fall der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels zur Hauptsache einer besonderen Anfechtung der Kostenund Auslagenentscheidung und in welcher Form und Frist? 3. Zur Anfechtbarkeit der Kosten- und Auslagenentscheidung, wenn die Hauptentscheidung, insbes. die Einstellung nach § 153 Abs. 3, unanfechtbar ist a) Die Problematik b) Bisheriges Recht c) Die neue Rechtslage d) Die für die Bejahung der Anfechtbarkeit angeführten Gründe e) Eigene Stellungnahme f) Anfechtbarkeit mit einfacher Beschwerde VI. Bindung des Beschwerdegerichts an die tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts (zu Abs. 3 Satz 2) 1. Zweck der Vorschrift 2. Zur Bindung an die der Hauptent Scheidung zugrundeliegende Rechtsauffassung 3. Wirkung der Bindung 4. Verfahren, wenn die Hauptentscheidung keine tatsächlichen Feststellungen enthält VII. Das Rechtsmittelgericht als Beschwerdegericht (zu Abs. 3 Satz 3)

V. Streit- und Zweifelsfragen zu Abs. 3 Satz 1 I. Entscheidung über die gerichtlichen Kosten (zu Absatz 1). 1. Bedeutung des Kostentragungsausspruchs. N a c h § 4 6 4 A b s . 1 m u ß j e d e Entscheidung, die ein gerichtlich anhängiges V e r f a h r e n abschließt, gleichzeitig darüber Bestimmung treffen, wer die gerichtlichen Kosten des Verfahrens i. S. des § 464a Abs. 1 zu tragen hat. Hierbei handelt es sich, wie in §§ 3 0 8 , 91 ff. Z P O , u m eine E n t s c h e i d u n g über die K o s t e n t r a g u n g s pflicht dem Grunde n a c h ; o h n e d a ß ihm die K o s t e n auferlegt sind, k a n n n i e m a n d zur K o s t e n t r a g u n g herangezogen werden, soweit nicht § 99 N r . 2, 3 G K G Platz greift. In welcher Höhe der d a n a c h Kostenpflichtige K o s t e n zu t r a g e n hat, wird nicht im Urteil ( B a y O b L G H R R 1928 Nr. 584), s o n d e r n im K o s t e n a n s a t z v e r f a h r e n (vgl. § 4 G K G und V o r b e m . 4 a vor § 4 6 4 ) entschieden. D a b e i geht § 4 6 4 A b s . 1 d a v o n aus, d a ß i m m e r ein Kostentragungspflichtiger v o r h a n d e n ist u n d in der das V e r f a h r e n abschließenden Entscheidung g e n a n n t werden m u ß . Ist kein anderer vorhanden, dem nach den §§ 4 6 5 ff. die Pflicht zur Kostentragung auferlegt werden kann, so fallen sie o h n e R ü c k s i c h t d a r a u f , wer die E n t s t e h u n g der K o s t e n v e r a n l a ß t hat, u n d o b dies d e m Veranlasser z u m V e r s c h u l d e n gereicht oder nicht, der Staatskasse zur Last ( R G S t . 12 2 0 0 ; B G H S t . 14 3 9 1 , 3 9 3 ; B a y O b L G S t . 1951 2 6 8 ; O L G H a m m JMB1. N R W 1955 81), u n d dies ist in der Entscheidung a u s z u s p r e c h e n . D i e U n t e r l a s s u n g eines solchen A u s s p r u c h s h a t a b e r keine praktische

2444

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 Anm. 12—4

Auswirkung, denn er bedeutet nur, daß die Staatskasse für die betreffenden Verfahrenskosten keinen Ersatz erhält (BayObLG NJW 1959 1236; 1963 601) und, wenn niemand da ist, der zur Kostentragung herangezogen werden kann, so bleibt es ohnedies dabei, daß die Kosten an der Staatskasse hängen bleiben, die diese aufgewendet hat. 2. Nach § 464 Abs. 1 muß zunächst jedes Urteil bestimmen, wer die Kosten zu tragen hat. Gemeint ist dabei aber nur ein Urteil, das, falls es rechtskräftig wird, das Verfahren abschließt. Ein Berufungs- oder Revisionsurteil, das das angefochtene Urteil aufhebt und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweist (§§ 328 Abs. 2, 3, 354 Abs. 2), kann über die Kostentragungspflicht nicht entscheiden, auch nicht, soweit es sich um die Kosten des Rechtsmittelverfahrens handelt, sondern muß es dem neuen Urteil überlassen, über die Kostentragung zu entscheiden; danach bemißt sich, wer die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen hat. 3. Auch bei Strafbefehl und Strafverfugung gehört zum Inhalt der Entscheidung nur die Bestimmung über die Kostentragungspflicht dem Grunde nach. Soweit hier schon im Strafbefehl oder der Strafverfügung die Höhe der Gebühren und Auslagen festgesetzt ist, handelt es sich um einen nur äußerlich mit der Grundentscheidung verbundenen Kostenansatz; läßt also der Beschuldigte den Strafbefehl rechtskräftig werden, so hindert dies ihn nicht, gegen den Kostenansatz nach § 4 G K G Erinnerung einzulegen. 4. Dem Urteil, dem Strafbefehl und der Strafverfügung steht „jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung" gleich. Gemeint sind Entscheidungen, die ein gerichtlich anhängig gewordenes Verfahren abschließen. Daß „einstellen" hier nichts anderes als „abschließen" bedeutet, ergibt sich aus Abs. 2. Doch bedeutet dies nicht, daß es sich um eine abschließende Entscheidung in dem Sinn handeln müsse, daß der Beschuldigte endgültig dem staatlichen Strafanspruch entzogen wird. Eine Einstellung i. S. des § 464 Abs. 1 liegt vielmehr auch vor, wenn das Verfahren durch Beschluß gemäß § 206 a wegen örtlicher Unzuständigkeit eingestellt und damit der Weg für eine weitere Verfolgung vor dem örtlich zuständigen Gericht freigemacht wird (vgl. OLG Hamm JMB1. NRW 1962 166; a. M. LG Nürnberg-Fürth NJW 1971 1281 m. Anm. S c h m i d t ) . a) Unter § 464 Abs. 1 fallen zunächst die Beschlüsse, die an die Stelle eines Urteils treten, wie der Beschluß im selbständigen Einziehungsverfahren nach § 441 Abs. 2 oder der die Revision als unbegründet verwerfende Beschluß nach § 349 Abs. 2. Ferner gehören hierher alle Beschlüsse, die über einen Rechtsbehelf (z. B. bei Verwerfung des Wiederaufnahmeantrags, OLG Celle MDR 1963 700) oder ein Rechtsmittel entscheiden und das Verfahren im ganzen abschließen (vgl. z.B. §§ 319,322,346,349 Abs. 1), oder einen Verfahrensabschnitt beenden, wie bei der Entscheidung des Beschwerdegerichts nach § 309 (OLG Celle MDR 1970 349 betr. Haftbeschwerdeverfahren). Soweit aber hiernach den Beschuldigten als Beschwerdeführer die Kosten eines Beschwerdeverfahrens nach § 473 treffen, wird nach § 85 Abs. 2 G K G eine Gebühr von ihm nur erhoben, wenn er rechtskräftig verurteilt wird. Ein eine Untersuchung einstellender Beschluß liegt auch vor, wenn das Gericht den von der Staatsanwaltschaft beantragten Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung ablehnt (LG Saarbrücken NJW 1969 1974). Schließlich kommen hier alle in Beschlußform ergehenden Entscheidungen in Betracht, die auf Einstellung des Verfahrens lauten, so die Beschlüsse nach § 153 Abs. 3 (KG GA Bd. 75 338; OLG Bremen Rpfleger 1955 14; K e r n DRiZ 1953 169), oder nach §§ 153a Abs. 2, 206a (OLG Nürnberg MDR 1959 945). Eine eine Untersuchung einstellende Entscheidung liegt auch vor, wenn ein Straffreiheitsgesetz die Einstellung anhängiger Verfahren anordnet und die Einstellung durch gerichtliche Entscheidung ausgesprochen wird, sei es nach durchführter Hauptverhandlung durch Urteil (§ 260 Abs. 3), sei es außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß, nämlich unter Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder gemäß § 206 a nach Eröffnung des Hauptverfahrens oder indem nach den neueren Amnestiegesetzen (vgl. zuletzt § 7 Abs. 1 Satz 2 Straffreiheitsges. 1970) ein Vorbereitungsverfahren zwecks Entscheidung über die Einstellungsvoraussetzungen gerichtlich anhängig gemacht wird. In diesen Fällen nahm die ältere Rechtsprechung an, daß keine echte Einstellung durch gerichtliche Entscheidung i. S. der §§ 464 Abs. 1, 471 Abs. 2, sondern lediglich eine in Beschlußform ergehende aktenmäßige 2445

§ 464 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. 1 5 , 6 Konstatierung der kraft Gesetzes eingetretenen Verfahrensbeendigung vorliege (so z. B. RG vom 26. 11.1919 1 587/18; KG DJZ 1919 185; Dresden Sächs. OLG 40 11). Durch die neuere Amnestiegesetzgebung ist aber dieser Auffassung der Boden entzogen (vgl. die Vorbem. vor § 12 GVG); der mit beschränkter materieller Rechtskraft ausgestattete Einstellungsbeschluß ist eine die Untersuchung einstellende Entscheidung i. S. des § 464 Abs. 1 (OLG Bremen Rpfleger 1955 14), während die Anwendbarkeit des §471 Abs. 2 durch Sonderregelungen der Amnestiegesetze ausgeschlossen wird (vgl. Anm. IV 4 zu § 471). ' b) Daß ein die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnender Beschluß eine einstellende Entscheidung i. S. des § 464 Abs. 1 ist, ist klar, wenn eine gerichtliche Voruntersuchung vorausgegangen ist, die Entscheidung also nach § 204 Abs. 2 auf Außerverfolgungsetzung lautet. Aber auch bei Ablehnung der Eröffnung auf unmittelbare Anklage hin (§ 204 Abs. 1) von einer die Untersuchung einstellenden Entscheidung zu sprechen, begegnet keinen begrifflichen Bedenken (a. M. früher OLG Köln NJW 1952 39), denn schon mit der Erhebung der Anklage beginnt das Stadium einer, wenn auch inhaltlich begrenzten gerichtlichen Prüfung von Täterschaft und Schuld, die sich nicht nur auf die aktenmäßigen Ergebnisse des Vorverfahrens beschränkt, sondern auch die Einwendungen des Angeschuldigten (§ 201 Abs. 1) und das Ergebnis vom Gericht selbst angeordneter Beweiserhebungen (§ 202) würdigt. So läßt es sich ohne weiteres rechtfertigen, auch bei Ablehnung der Eröffnung eine Entscheidung nach § 467 Abs. 1 zu treffen (vgl. dort Anm. I 3); unterbleibt aber eine Kostentragungsbestimmung, so versteht es sich von selbst, daß die Staatskasse die Kosten trägt (s. oben Anm. 1). c) Keine eine Untersuchung einstellende Entscheidung liegt vor bei vorläufiger Einstellung nach §§ 154 Abs. 2, 205 (OLG Dresden A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 270; BayObLG NJW 1969 1448; OLGe. Hamm JMB1. NRW 1970 213; Oldenburg Nds.Rpfl. 1971 142; M ü l l e r - S a x 1 a; Kl 2 A; a. M. M e t t e n NJW 1969 687). Eine nur vorläufige Einstellung liegt auch wegen der Möglichkeit jederzeitiger Einbeziehung in das Verfahren vor bei der Ausscheidung einzelner abtrennbarer Tatteile und einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen bei Tateinheit nach § 154a Abs. 2 (vgl. dazu aber L e m k e NJW 1971 1248). d) An dem Erfordernis einer gerichtlichen Entscheidung fehlt es, wenn die Staatsanwaltschaft, wenn auch mit Zustimmung des Gerichts, das Verfahren einstellt (§§ 153 Abs. 2, 153 a Abs. 1). Keine Entscheidung liegt schließlich vor, wenn die Beendigung einer gerichtlichen Untersuchung durch den Tod des Beschuldigten lediglich aktenmäßig zum Ausdruck gebracht wird (zu der Frage, ob beim Tod des Angeschuldigten eine Überbürdung der ihm zu Lebzeiten entstandenen notwendigen Auslagen durch isolierten Beschluß möglich ist, vgl. Anm. I 5 zu § 467). 5. Abhängigmachen der Einstellung von Kostenübernahme. Da bei einer gerichtlichen Einstellung des Verfahrens nach §§ 153 Abs. 3, 153 a Abs. 2 keine Verurteilung (§ 465) vorliegt, können dem Angeschuldigten oder Angeklagten Verfahrens kosten nicht auferlegt werden. Es geht aber auch nicht an, dieser Folgerung dadurch zu entgehen, daß ihm angesonnen wird, durch eine Erklärung nach § 99 Nr. 2 G K G die Auslagen des Verfahrens zu übernehmen und die Einstellung von einer solchen Erklärung abhängig zu machen (vgl. K. S c h ä f e r Rpfleger 1951 297; K e r n DRiZ 1953 169; a. M. U n g e r Rpfleger 1951 111); Nr. 83 Abs. 4 RiStBV verbietet der Staatsanwaltschaft, so zu verfahren, wenn die Entscheidung über die Einstellung wegen Geringfügigkeit ihr zusteht. Im übrigen ist nach OLG Hamm NJW 1971 2320 = JVB1. 1972 17 eine solche Übernahmeerklärung auch nicht geeignet, eine Kostenhaftung nach § 99 Nr. 2 G K G zu begründen, da nur eine bereits bestehende Kostenschuld übernommen werden könne (ebenso OLG Celle NdsRpfl. 1972 61). 6. Eine materielle Vorschrift über die Kostentragungspflicht enthält § 464 Abs. 1 nicht. Vielmehr bestimmt sich materiell die Kostentragungspflicht nur nach § § 465 ff. Bei der Entscheidung über die Pflicht zur Kostentragung kommt es auf die Zahlungsfähigkeit des Kostenpflichtigen nicht an: die Verurteilung des Verpflichteten in die Kosten wird durch seine Zahlungsunfähigkeit nicht entbehrlich. Die Frage der Zahlungsfähigkeit spielt erst beim Kostenansatz eine Rolle (vgl. Vorbem. 4 b vor § 464). 2446

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§464 Anm. I 7; II 1 7. Fehlende Kostenentscheidung. Enthält ein Urteil entgegen der Vorschrift des § 464 Abs. 1 versehentlich keine Kostenentscheidung, so ist eine Nachholung — auch durch „Berichtigung" — nicht mehr zulässig, sobald die Verkündung beendet und die Verhandlung geschlossen ist (BayObLGSt. 1960 141; OLG Frankfurt NJW 1970 1432); Abhilfe ist nur durch Einlegung des zulässigen Rechtsmittels (Abs. 3 Satz 1; unten Anm. IV 6) möglich; nach Rechtskraft des Urteils entfällt jede Ergänzungsmöglichkeit (OLG Celle GA 1960 217). Ebenso können Strafbefehl und Strafverfügung, sobald sie erlassen sind (vgl. Anm. 9 zu § 409) nicht mehr nachträglich durch Nachholung der unterbliebenen Kostenentscheidung ergänzt werden. Das gilt auch bei verfahrensbeendigenden Beschlüssen (s. unten II 3 e). II. Entscheidung über die notwendigen Auslagen (zu Absatz 2). 1. Bedeutung des Absatzes 2. In einer Reihe gesetzlicher Vorschriften ist bestimmt, daß die Staatskasse einem Verfahrensbeteiligten oder ein Verfahrensbeteiligter einem anderen Verfahrensbeteiligten seine notwendigen Auslagen (vgl. § 464 a Abs. 2) zu erstatten habe, oder daß diese Auslagen einem Erstattungspflichtigen „auferlegt" werden müssen oder können (vgl. §§ 465 Abs. 2 Satz 3,467 Abs. 1,3,4, 467a, 469,470,471,472,472a, 472b, 473 Abs. 2 bis 5 und dazu unten Anm. 3 a). Abs. 2, der im Reg. Entw. des EG OWiG noch nicht enthalten war und erst vom BT-Rechtsausschuß eingefügt wurde, bestimmt, daß die Entscheidung, wer nach diesen „materiellrechtlichen" Vorschriften die notwendigen Auslagen trage, vom Gericht im Urteil oder dem das Verfahren abschließenden Beschluß getroffen werde. Die Gründe, die zur Einfügung des Abs. 2 führten, ergeben sich aus der Änderung des § 467 a. F. Während ursprünglich die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen, die dem Freigesprochenen oder außer Verfolgung Gesetzten entstanden waren, einen Bestandteil des freisprechenden Urteils bildete (vgl. Anm. 12 zu § 467 der Voraufl.), war seit der Änderung des § 467 durch das StPÄG 1964 bestimmt, daß über die Auslagenerstattung nicht mehr im Urteil, sondern durch besonderen, nur durch Zustellung bekannt zu machenden und erst nach Rechtskraft der Sachentscheidung zuzustellenden Beschluß entschieden werde, um nicht im Urteil durch die Auslagenentscheidung hervortreten zu lassen, ob es sich um Freispruch „1. Klasse" oder nur um einen solchen „2. Klasse" handele (vgl. bei § 467 die Darstellung der Entstehungsgeschichte). Da das EG OWiG den auslagenrechtlichen Unterschied zwischen dem Freispruch 1. und 2. Klasse beseitigte und grundsätzlich jeder Freispruch usw. zur Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen des unverurteilt aus dem Verfahren hervorgehenden Angeschuldigten führt (§ 467 Abs. 1), entfiel der Grund dafür, die Entscheidung über die Auslagen von der Sachentscheidung zu trennen. „Der neu eingefügte Abs. 2 bestimmt deshalb in Ergänzung des Abs. 1, daß das Gericht die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, in dem Urteil oder in dem Beschluß trifft, der das Verfahren abschließt. Diese Regelung gilt nicht nur für die Kostenentscheidung im Falle des Freispruchs nach § 467, sondern auch für die nach dem neuen § 465 Abs. 2, sowie die Kostenentscheidung für das Rechts mittel verfahren nach § 473" (Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. zu V/2600, 2601 S. 20). Die Einfügung des Abs. 2 beruhte danach in erster Linie auf dem Bestreben, die Rückkehr zu dem vor dem StPÄG 1964 bestehenden Rechtszustand durch die förmliche Bestimmung deutlich zu machen, daß die Entscheidung über die notwendigen Auslagen einen Bestandteil des Urteils oder der das Verfahren abschließenden Entscheidung bildet. Daraus erklärt sich auch, weshalb der Wortlaut des Abs. 2 von dem des Abs. 1 abweicht. Abs. 2 bestimmt nicht, daß jedes Urteil und jeder das Verfahren abschließende Beschluß darüber Bestimmung treffen müsse, von wem die einem Beteiligten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen sind. Wenn Abs. 2 so lautete, so müßte z. B. ein verurteilendes Erkenntnis i. S. des § 465 Abs. 1 neben dem Ausspruch über die gerichtlichen Kosten des Verfahrens auch aussprechen, daß der Verurteilte die ihm entstandenen notwendigen Auslagen selbst zu tragen habe; ebenso müßte ausgesprochen werden, daß bei Freispruch des Angeklagten der Nebenkläger seine notwendigen Auslagen selbst trägt (vgl. Anm. B II zu § 471). Das ist aber nicht nur unüblich, sondern überflüssig, denn wenn es sich z. B. um die notwendigen Auslagen des Verurteilten handelt, ergibt sich schon aus der Regel des §465 Abs. 1, daß der Angeklagte als Folge seiner Verurteilung seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat und es eines Ausspruchs nur bedarf, wenn ausnahmsweise gemäß § 465 Abs. 2 Satz 3 bestimmte notwendige Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen sind. Während also nach

2447

§464 Anm. II 2, 3

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Abs. 1 eine Entscheidung über die Gerichtskosten stets getroffen werden muß, muß Abs. 2 dahin verstanden werden, daß sich die Formel der Sachentscheidung über die Erstattung notwendiger Auslagen nur ausspricht, wenn eine solche Erstattung in Frage steht, sei es, daß eine Überbürdung zwingend vorgeschrieben ist oder von einer Ermessensentscheidung des Gerichts abhängt, oder sei es, daß eine im Regelfall vorgeschriebene Überbürdung im Einzelfall entfällt, weil eine Überbürdung versagt werden muß oder kann. 2. Die Entscheidung ist im Urteil oder in dem das Verfahren abschließenden Beschluß zu treffen. Wegen des letzteren Begriffs vgl. oben Anm. 14 . Auch hier genügt ein Beschluß, der nicht das Verfahren im ganzen, sondern nur einen umgrenzten Verfahrensabschnitt beendet, wie z. B. der auf Haftbeschwerde den Haftbefehl aufhebende Beschluß des Beschwerdegerichts, der das die Untersuchungshaft betreffende Verfahren auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungen endgültig beendet, auch wenn dies die Möglichkeit eines erneuten Haftbefehls auf Grund neuer Umstände offen läßt (OLG Celle MDR 1970 349). 3. Folgen der Unterlassung eines Auslagenerstattungsausspruchs. a) Die materiellrechtlichen Vorschriften über die Auslagenerstattung (oben II 1) treten in verschiedener Gestalt auf. In einer Reihe gesetzlicher Vorschriften ist grundsätzlich an eine Sachentscheidung bestimmten Inhalts die Pflicht der Staatskasse oder eines Verfahrensbeteiligten zur Erstattung der einem anderen erwachsenen notwendigen Auslagen geknüpft. Das Gesetz bringt dies in wechselnder Form zum Ausdruck. So „fallen" nach § 467 Abs. 1 die Auslagen des unverurteilt aus dem Verfahren hervorgehenden Angeschuldigten „der Staatskasse zur Last", wenn nicht ausnahmsweise einzelne (§ 467 Abs. 2 Satz 2) oder alle Auslagen (§ 467 Abs. 3 Satz 1) der „Staatskasse nicht auferlegt werden" oder das Gericht nach Ermessen („kann") davon „absieht", die Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Der Verurteilte hat nach § 471 Abs. 1 im Privatklageverfahren dem Privatkläger und nach § 397 Abs. 1 i. V. m. § 471 Abs. 1 im Offizialverfahren dem Nebenkläger dessen notwendige Auslagen „zu erstatten", während nach § 471 Abs. 2 dem Privatkläger und — unter bestimmten Voraussetzungen (Anm. CI 1 zu § 473) — dem Nebenkläger die Auslagen des unverurteilt aus dem Verfahren hervorgehenden Beschuldigten „zur Last fallen"; auch hier gelten aber Ausnahmen (§471 Abs. 3). Im Adhäsionsverfahren hat der Angeklagte, soweit dem Antrag auf Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs stattgegeben wird, die dem Verletzten entstandenen notwendigen Auslagen „zu tragen". In anderen Fällen bezeichnet das Gesetz die Überbürdung meist als „Auferlegung an die Staatskasse" (vgl. §§ 465 Abs. 2 Satz 3, 467 a, 469, 470 Satz 2, 472b, 473 Abs. 2 bis 4), spricht aber auch davon, daß jemand die Auslagen eines Beteiligten „zu tragen" habe (vgl. §470 Satz 1). b) Vor Schaffung des § 464 Abs. 2 wurde angenommen, daß es bei einer Reihe von Fällen eines Überbürdungsausspruchs in der Entscheidungsformel nicht bedürfe, weil sich die Überbürdung ohne weiteres (automatisch) aus dem Gesetz ergebe, so z. B. bezgl. der Auslagen des Privat- oder Nebenklägers, wenn der Angeklagte verurteilt wird (vgl. in der Voraufl. Anm. 3, 7 a zu § 471), und der Auslagen des Verletzten, wenn im Adhäsionsverfahren seinem Antrag auf Zuerkennung eines aus der Straftat entstandenen Anspruchs stattgegeben wird (vgl. in der Voraufl. Anm. 1 zu § 472 a). Es konnte daher z. B. der Nebenkläger gegen den Verurteilten im Verfahren nach (jetzt) § 464 b die Festsetzung seiner Auslagen betreiben, auch wenn die Urteilsformel keinen Überbürdungsausspruch enthielt. c) Mit dieser Begründung läßt sich aber die bisherige Praxis gegenüber dem neuen Abs. 2 nicht aufrecht erhalten. Sachlich besteht kein Unterschied, ob die Uberbürdung im materiellrechtlichen Wendungen („fallen zur Last", „hat zu erstatten", „hat zu tragen") oder in der verfahrensrechtlichen Form eines Gebots an den Richter („hat aufzuerlegen") angeordnet wird. Um die gebotene oder zulässige Abwälzung der einem Beteiligten entstandenen Auslagen zu effektuieren (§ 464 b), bedarf es nach § 464 Abs. 2 des Ausspruchs in der Sachentscheidung, wer die Auslagen zu tragen hat; fehlt es an einer solchen, so bleiben sie an dem hängen, dem sie entstanden sind; die Entscheidung bedeutet praktisch die Ablehnung einer Überbürdung. Daher kann der auch heute noch — trotz veränderter Rechtslage — ver2448

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 Anm. II 3

tretenen Auffassung, bei Obsiegen des Privat- und Nebenklägers und des Verletzten im Adhäsionsprozeß bedürfe es keine Überbürdungsanordnung (vgl. O L G Stuttgart Justiz 1970 4 2 4 = Rpfleger 1970 439; K l 3 zu § 464, 3 zu § 4 7 1 ; E b S c h m i d t Nachtr. Bd. II Rdn. 6 zu § 465; 8 zu § 471; 2 zu § 472a; K r ä m e r SchlHA 1971 29) nicht zugestimmt werden. d) Umdeutung der Kostenentscheidung in eine Kosten- und Auslagenentscheidung. Eine ganz andere Frage ist, ob stets, wenn ein ausdrücklicher (förmlicher) Ausspruch unterblieben ist, eine Auslagenfestsetzung nach § 4 6 4 b ausgeschlossen ist, oder ob nicht — in gewissem Umfang — eine Entscheidung, die wenigstens einen Ausspruch über die Tragung der „Kosten des Verfahrens " enthält, im Wege der Auslegung dahin verstanden werden kann und muß, daß sie „stillschweigend" die notwendigen Auslagen mitumfaßt. Diese Frage ist streitig; sie ist im Sinne der zweiten Alternative zu bejahen. aa) Lautet z. B. ein freisprechendes Urteil (wegen Verfahrens beendigender Beschlüsse vgl. unten e) nur dahin: „Der Angeklagte wird auf Kosten der Staatskasse freigesprochen", so wäre eine nachträgliche Ergänzung des Urteils dahin, daß auch die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last fallen, durch das erkennende Gericht unzulässig (h. M.; vgl. Anm. 8 a und b, insbes. Fußnote 35 zu § 268; OLGe. Stuttgart Justiz 1970 424 = Rpfleger 1970 439; Hamm NJW 1971 1471, 2000). Allerdings könnte der Angeklagte (und zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft) gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 sofortige Beschwerde mit dem Ziel einer Ergänzung des Kostenanspruchs einlegen; denn eine „Entscheidung über die notwendigen Auslagen" i. S. des § 464 Abs. 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn eine nach § 464 Abs. 2 gebotene ausdrückliche Entscheidung darüber unterblieben ist (so auch O L G Hamm N J W 1971 1471, 2000; LG Köln AnwBl. 1970 323; K l 2 B; a. M. K r ä m e r SchlHA 1971 29). Unterbleibt aber eine fristgemäße Anfechtung, und wird das Urteil rechtskräftig, so wäre von dem Standpunkt aus, daß ohne einen ausdrücklichen Uberbürdungsausspruch stets eine Festsetzung nach § 4 6 4 b ausgeschlossen sei, der Angeklagte seines Erstattungsanspruchs verlustig (so in der Tat LGe. Dortmund JMB1. N R W 1970 57 = Rpfleger 1969 213; Mönchengladbach M D R 1971 1031 m. abl. Anm. S c h m i d t ; Freiburg Justiz 1972 188). Entsprechendes müßte dann auch gelten, wenn das Gericht von einer ausdrücklichen Überbürdung der Auslagen des Privat- oder Nebenklägers auf den Verurteilten abgesehen hat. Das Ergebnis wäre ausgesprochen unbillig. Um die Unbilligkeit zu vermeiden, ist es, jedenfalls in einer Übergangszeit, in der noch keine Ubereinstimmung über die Bedeutung des Abs. 2 besteht und noch die Auslegung des bisherigen Rechts fortwirkt, zulässig und geboten, in den Fällen, in denen das Gesetz die Überbürdung grundsätzlich vorsieht, eine Entscheidung, die nur von der Tragung der „Kosten" spricht, dahin zu verstehen, daß zu den „Kosten" auch die notwendigen Auslagen gehören. Ein Freispruch „auf Kosten der Staatskasse" bedeutet also, daß der Richter, die Regel des § 467 Abs. 1 befolgend, mit einer solchen Entscheidung „stillschweigend" die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse auferlegt hat (ebenso G ö h l e r N J W 1970 454, 456; K r ä m e r SchlHA 1971 29; OLGe. Stuttgart Justiz 1970 424; Zweibrücken M D R 1971 68 betr. Teilfreispruch unter Auferlegung der „ausscheidbaren Kosten" auf die Staatskasse; LG Kiel SchlHA 1969 202; K l 5 zu § 467). bb) Wenn aber die Regel die Auslegung eines unvollständigen Kostenausspruchs bestimmt, so muß dies folgerichtig auch gelten, wenn das Gesetz Ausnahmen von der grundsätzlich geltenden Überbürdungsregelung vorschreibt (vgl. § 467 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1) oder zuläßt (vgl. § 467 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4). Lautet z. B. das Urteil auf Freispruch „auf Kosten der Staatskasse", ohne über die notwendigen Auslagen ausdrücklich zu entscheiden, so bedeutet dies, daß die notwendigen Auslagen des Angeklagten ohne Einschränkung der Staatskasse zur Last fallen. Hält die Staatsanwaltschaft die Voraussetzungen einer Ausnahme von § 467 Abs. 1 für gegeben, so muß sie sofortige Beschwerde einlegen, um eine die Überbürdung ausschließende oder einschränkende Entscheidung zu erreichen. Bleibt der Kostenausspruch in dieser Form aber unangefochten, so muß er nach Rechtskraft so behandelt werden, als habe das erkennende Gericht keine Veranlassung zu einer Abweichung von dem für die Auslagenerstattung geltenden Grundsatz gesehen (a. M. wohl O L G Zweibrücken M D R 1971 68, wonach die Auslegung, die Entscheidung über die „Ko2449

§ 464

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Anm. II 3 sten" umfasse die notwendigen Auslagen, nicht in Betracht kommt, falls besondere Umstände vorliegen, die nach § 467 Abs. 3 eine Ablehnung der Auslagenerstattung vorschreiben oder in das Ermessen des Gerichts stellen). Es wäre auch nicht angängig, Fehler und Versäumnisse des erkennenden Gerichts im Festsetzungsverfahren nach § 464 b zu korrigieren, etwa die Erstattung notwendiger Auslagen abzulehnen, weil das erkennende Gericht den Versagungsgrund des § 467 Abs. 3 Satz 1 nicht beachtet, oder weil es übersehen habe, daß Umstände vorlagen, die es nach § 467 Abs. 3 Satz 2 berechtigt hätten, von der Auslagenüberbürdung auf die Staatskasse abzusehen. Eine solche Korrektur wäre ebenso unzulässig, wie es ausgeschlossen ist, im Verfahren nach § 464 b einer rechtskräftigen Kostenentscheidung, die förmlich die notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt, die Anerkennung zu versagen, weil offensichtlich das erkennende Gericht den § 467 Abs. 3 Satz 1 unbeachtet gelassen hat oder sich nicht bewußt war, daß ihm die Ermessensfreiheit nach § 467 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 zustand. Die Rechtskraft heilt solche Mängel. Umgekehrt gilt, daß ein rechtskräftiges Erkenntnis, der Angeklagte werde verurteilt und trage die Kosten des Verfahrens, ohne daß eine Ausnahme für die gerichtlichen und die notwendigen Auslagen des Angeklagten gemäß § 465 Abs. 2 angeordnet ist, als ein der Regel des § 465 Abs. 1 entsprechender Kostenausspruch anzusehen ist, der „stillschweigend" die Voraussetzungen des § 465 Abs. 2 verneint. cc) Die gleichen Grundsätze über die Auslegbarkeit einer nur die „Kosten" betreffenden Entscheidung auf der Grundlage des Regel/Ausnahmeverhältnisses müssen auch bei Kostenentscheidungen des Rechtsmittelgerichts gelten. So ist die Verwerfung des zuungunsten des Beschuldigten eingelegten Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft „auf Kosten der Staatskasse", dem Grundsatz des § 473 Abs. 2 Satz 1 entsprechend dahin auszulegen, daß die „Kosten" die notwendigen Auslagen des Beschuldigten umfassen (vgl. BGH DAR 1969 105, 106; OLG Stuttgart Justiz 1970 424 = Rpfleger 1970 439). Hat der Angeklagte mit seiner unbeschränkt eingelegten Berufung nur teilweise Erfolg (§ 473 Abs. 4), erreicht er z. B. nur eine Herabsetzung der Strafe, während die Berufung im übrigen „auf seine Kosten" verworfen wird, so muß dieser Kostenausspruch dahin verstanden werden, daß der Angeklagte die gerichtlichen Auslagen und seine eigenen Auslagen selbst trägt, da die Verteilung nach § 473 Abs. 4 die Ausnahme ist („soweit es unbillig wäre...."). Wird der Kostenausspruch in dieser Form rechtskräftig, so ist er also dahin auszulegen, daß das erkennende Gericht die Voraussetzungen einer Ausnahme von der Regel verneint habe (so auch im Ergebnis OLG Stuttgart Justiz 1970 424 = Rpfleger 1970 439). e) Enthält ein verfahrensbeendigender Beschluß, z. B. ein Einstellungsbeschluß gemäß § 153 Abs. 3 oder der Beschluß über die Einstellung des Privatklageverfahrens wegen Todes des Privatklägers (§§ 393 Abs. 1, 471 Abs. 2) keine Entscheidung über die notwendigen Auslagen eines Beteiligten, so wird z. T. — jedenfalls dann, wenn die Entscheidung offenbar versehentlich unterblieben ist — angenommen, daß die Nachholung durch Nachtragsbeschluß möglich sei, der hinsichtlich der Anfechtbarkeit so zu behandeln sei, als wäre er in dem verfahrensbeendigenden Beschluß enthalten (vgl. BayObLG St. 1960 141; GA 1971 247; OLG Düsseldorf NJW 1969 2059). Gegen diese Auffassung bestehen aber Bedenken. Denn auch ein Beschluß, der — wenn auch versehentlich — eine nach Abs. 1, 2 erforderliche Kosten- und Auslagenentscheidung nicht enthält, stellt in negativer Form eine „Entscheidung über Kosten und Auslagen" i. S. des Abs. 3 Satz 1 dar. Da er mit sofortiger Beschwerde anfechtbar ist (oben Anm. II 3 d, aa), ist eine „Ergänzung", die in Wirklichkeit eine Abänderung darstellt, nach § 311 Abs. 3 Satz 1 nicht zulässig (so auch OLG Hamm NJW 1971 1471). Jedoch gelten die Grundsätze über die Umdeutung eines unanfechtbar gewordenen Ausspruchs im Urteil nur über die „Kosten" in eine die Auslagenerstattung nach dem Regel/Ausnahmegrundsatz umfassende Entscheidung auch (sinngemäß) für Beschlüsse des Rechtsmittelgerichts, die neben der Sachentscheidung nur einen Ausspruch über die „Kosten" enthalten. Ergeht aber ein unzulässiger Nachtragsbeschluß, so ist er ggbf. nach § 464 Abs. 3 Satz 1 selbst anfechtbar; ist er unanfechtbar, oder wird er rechtskräftig, so ist der Mangel seiner Zulässigkeit geheilt (vgl. LG Flensburg SchlHA 1962 78). 2450

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 Anm. III 1,2; IV 1

III. Selbständige (isolierte) Kosten- und Auslagenentscheidung. 1. Neben den mit einer Sachentscheidung verbundenen Kosten- und Auslagenentscheidungen, auf die sich die Abs. 1, 2 nach ihrem Wortlaut allein beziehen, gibt es auch selbständige Kosten- und Auslagenentscheidungen (vgl. §§ 467a, 469, 470, 472, 473 Abs. 1). Außer den im Gesetz vorgesehenen Fällen sind selbständige Kosten- und Auslagenentscheidungen in Form eines Beschlusses zulässig und geboten, wenn sich ein Verfahren ohne Sachentscheidung erledigt, und zwar selbständige Auslagenbeschlüsse, wenn ohne eine gerichtliche Auslagenerstattungsentscheidung dem Grunde nach das Betreiben der Auslagenfestsetzung nach § 464 b nicht möglich ist, so insbesondere nach Zurücknahme eines Rechtsmittels (vgl. Anm. A I 4 zu § 473). 2. Rechtsmittel. Z. T. ist gegen isolierte Beschlüsse ausdrücklich als Rechtsmittel die sofortige Beschwerde vorgesehen (vgl. §§ 467a Abs. 4, 469 Abs. 3); aber auch wo es an einer solchen Vorschrift fehlt, unterliegt die selbständige Kosten- und Auslagenentscheidung gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 der sofortigen Beschwerde. Und zwar ist die letztere Vorschrift unmittelbar anwendbar, denn es ist kein innerer Grund ersichtlich, ihre Anwendbarkeit auf den in Abs. 1, 2 bezeichneten Fall der Verbindung der Kosten- mit der Sachentscheidung zu beschränken. Aber selbst, wenn man dies bezweifeln wollte, weil das Gesetz — von dem hier vertretenen Standpunkt aus: überflüssigerweise — für bestimmte Fälle die Anfechtbarkeit ausdrücklich regelt, würde sich aus §§464 Abs. 3 Satz 1, 467 a Abs. 4, 469 Abs. 3 der allgemeine Grundsatz ergeben, daß selbständige Kosten- und Auslagenbeschlüsse aus Gründen der Rechtsgewißheit einem fristgebundenen Rechtsmittel unterliegen (wegen der nach früherem Recht insoweit bestehenden Zweifelsfragen vgl. Anm. 5 c der Vorauflage). Enthält ein isolierter Beschluß nur eine Entscheidung über die „Kosten", ohne ausdrücklich über die Erstattung der notwendigen Auslagen eines Beteiligten Bestimmung zu treffen, so muß auch hier — wie bei den mit einer Sachentscheidung verbundenen Beschlüssen (oben Anm. II 3e) — gelten, daß eine Nachholung der förmlichen Auslagenentscheidung nur durch Anfechtung der Entscheidung, soweit zulässig, nach § 464 Abs. 3 Satz 1 möglich ist. Entfällt diese Möglichkeit, so bleibt ggbf. der Weg einer Umdeutung der „Kosten"-Entscheidung in eine Kosten- und Auslagenentscheidung nach dem Verhältnis der Regel zur Ausnahme (s. dazu oben II 3 d; a. M. LG Mainz Rpfleger 1972 30). IV. Zur Anfechtung der Kosten- und Auslagenentscheidung im allgemeinen (Absatz 3 Satz 1). 1. Wie oben (Anm. II 1) ausgeführt, bildete nach früherem Recht der Ausspruch, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen habe, und der Ausspruch über die Uberbürdung der notwendigen Auslagen, die dem unverurteilt aus dem Verfahren hervorgehenden Angeschuldigten erwachsen waren, auf die Staatskasse, einen Bestandteil der Entscheidung zur Hauptsache mit der Folge, daß die Anfechtung der Entscheidung zur Hauptsache sich auch auf die Kosten- und Auslagenentscheidung erstreckte, und daß, wenn die Anfechtung zulässigerweise auf den Kostenpunkt beschränkt wurde, die Anfechtung mit dem gleichen Rechtsmittel erfolgte, das gegen die Entscheidung zur Hauptsache gegeben war, also z. B. mit der Berufung, wenn die Kosten- und Auslagenentscheidung des amtsgerichtlichen Urteils angegriffen wurde, und mit der Revision in den Fällen der §§ 334, 335 und bei Strafkammerurteilen (vgl. Anm. 5 b zu § 464, Anm. 12 zu § 467 der Vorauflage). Von dieser Regelung ging § 467 Abs. 4, 5 i. d. F. des StPÄGes. vom 19. 12. 1964 insofern ab, als der Ausspruch über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeschuldigten aus der Staatskasse nicht mehr einen Bestandteil der Sachentscheidung bildete, sondern zwar zeitlich zusammen mit der Sachentscheidung, aber durch einen besonderen Beschluß erfolgte, der nach Rechtskraft der Sachentscheidung zugestellt wurde und mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar war. Demgegenüber bestimmt jetzt § 464 Abs. 2, daß die Entscheidung, wer die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten trägt, wieder in der das Verfahren abschließenden Entscheidung getroffen wird, also in gleicher Weise wie die Entscheidung über die gerichtlichen Kosten (Abs. 1) einen Bestandteil der zur Hauptsache ergangenen Entscheidung bildet. 2451

§464

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Anm. IV 2 - 6 Nach § 464 Abs. 3 Satz 1 ist aber gegen die Entscheidung über die gerichtlichen Kosten und die notwendigen Auslagen — „aus Gründen der Vereinfachung des Verfahrens" (Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. zu V/2600, 2601 S. 20) — nicht mehr das gegen die Sachentscheidung zulässige Rechtsmittel, sondern die sofortige Beschwerde gegeben. Die Anfechtbarkeit der Kosten- und Auslagenentscheidung mit der sofortigen Beschwerde gilt aber nicht nur, wenn diese Entscheidung in einem Urteil enthalten ist, sondern für alle Kosten- und Auslagenentscheidungen, und zwar bei Beschlüssen ohne Rücksicht darauf, ob es sich um verfahrensbeendigende Beschlüsse oder um isolierte Kostenbeschlüsse (oben Anm. II 3 e, III 2) handelt. 2. Abs. 3 Satz 1 ist ohne Bedeutung, wenn der Beschluß, der die Kosten- und Auslagenentscheidung enthält, ohnehin mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist, wie z. B. der die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnende Beschluß (§ 210 Abs. 2) oder der Einstellungsbeschluß nach § 206 a; in solchen Fällen umfaßt die Entscheidung gegen die Entscheidung zur Hauptsache ohne weiteres auch den Kostenpunkt (BayObLG GA 1971 247, 249). Bei Anfechtung einer durch Urteil getroffenen Kosten- und Auslagenentscheidung gilt, wenn gleichzeitig die Sachentscheidung angefochten wird, die besondere Vorschrift des Abs. 3 Satz 3 (dazu unten Anm. VI). Wegen der Anfechtbarkeit selbständiger Kosten- und Auslagenbeschlüsse vgl. oben Anm. III. 3. Beschränkungen der sofortigen Beschwerde ergeben sich aus § 304 Abs. 3 (Wertgrenze) und Abs. 4 (betr. Beschlüsse des BGH und der Oberlandesgerichte). Unanfechtbar ist die bereits rechtskräftig gewordene Teilkostenentscheidung des ersten Urteils, die ohne sachliche Änderung aus Gründen der Übersichtlichkeit vom Berufungsgericht in eine Neufassung des gesamten Kostenausspruchs einbezogen wurde (OLG Celle Nds. Rpfl. 1972 48). 4. Ein Rechtsmittelverzicht kann auf die Hauptentscheidung beschränkt werden, sodaß die Kosten- und Auslagenentscheidung anfechtbar bleibt. Jedoch erstreckt sich ein ohne Einschränkungen vom Angeklagten und seinem Verteidiger nach der Urteilsverkündung ausgesprochener Rechtsmittelverzicht auch auf die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung; ein nicht zum Ausdruck gebrachter entgegenstehender Wille ist im Hinblick auf die Eindeutigkeit der Erklärung unbeachtlich (OLG Hamm MDR 1971 776; LG Mönchengladbach MDR 1971 1031). Die Zustimmung der Staatsanwaltschaft und die Einverständniserklärung des Beschuldigten zur Einstellung des Verfahrens nach § 153 Abs. 3 stellen allein noch keinen Verzicht auf die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung dar; dagegen liegt ein Verzicht des Beschuldigten auf die sofortige Beschwerde in der nach Verkündung eines Einstellungsbeschlusses ohne Auslagenüberbürdung abgegebenen Erklärung, er verzichte „auf die Uberbürdung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse" (OLG Köln Rpfleger 1971 27). 5. Eine weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist nach §310 Abs. 2 ausgeschlossen. Danach unterliegt die Kosten- und Auslagenentscheidung einer auf Beschwerde gegen die Sachentscheidung ergangenen Beschwerdeentscheidung keiner (weiteren) Beschwerde (vgl. OLG Hamm NJW 1970 2127; BayObLG GA 1971 247, 248; OLG Celle NdsRpfl. 1972 48; M e y e r JR 1971 96, 98). 6. Beschwerdeberechtigt ist, wer durch den Inhalt einer Kosten- oder Auslagenentscheidung oder dadurch beschwert ist, daß eine Kosten- oder Auslagenentscheidung nicht getroffen worden ist (oben Anm. II 3 d, aa). Ist die Staatskasse beschwert, so ist beschwerdeberechtigt die Staatsanwaltschaft, nicht der Bezirksrevisor (OLG Köln MDR 1970 348). Unanwendbar ist Abs. 3 Satz 1, wenn das Ziel, eine Auslagenerstattung in vollem Umfang unter Ausschaltung einer Ermessensentscheidung zu erreichen, nur auf dem Weg einer Änderung der Hauptentscheidung zu erreichen ist. Lautet z. B. das Urteil auf Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses unter Versagung einer Auslagenüberbürdung (§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2), so kann der Angeklagte sein Ziel einer Auslagenüberbürdung in vollem Umfang dadurch erreichen, daß er das Urteil zur Hauptsache anficht und Freispruch statt Einstellung begehrt (OLG Celle MDR 1970 164). 2452

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 Anm. V 1, 2

V. Streit- und Zweifelsfragen zu Absatz 3 Satz 1. 1. Die Bedeutung des Abs. 3 Satz 1 ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Der Streit geht hauptsächlich um zwei Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, nämlich um das Verhältnis der Anfechtung der Sachentscheidung zu der der Kostenentscheidung (unten Anm. 2) und um die Frage der Anfechtbarkeit der Kosten- und Auslagenentscheidung, wenn die Sachentscheidung einer Anfechtung nicht unterliegt (unten Anm. 3). 2. Verhältnis der Anfechtung der Sachentscheidung zur Anfechtung der Kosten(Auslagen)entscheidung. a) Nach seinem Wortlaut enthält Abs. 3 Satz 1 (s. auch Abs. 3 Satz 3) eine Rechtsmittelbeschränkung bezgl. der Kostenentscheidung in dem Sinn, daß ein zur Hauptsache gegen ein Urteil eingelegtes Rechtsmittel (Berufung oder Revision) sich nicht auf den Kostenund Auslagenanspruch erstreckt, dieser vielmehr vom Rechtsmittelgericht nur nachgeprüft wird, wenn er selbständig mit der sofortigen Beschwerde angegriffen wird. Auf die Spitze getrieben würde das dazu führen, daß, wenn auf das Rechtsmittel hin die Entscheidung zur Hauptsache geändert wird, die Kosten- und Auslagenentscheidung bestehen bleibt, wenn sie nicht selbständig mit der sofortigen Beschwerde angefochten ist; es würde also, wenn die Staatsanwaltschaft gegen das freisprechende Urteil Berufung einlegt und in der Berufungsinstanz der Angeklagte verurteilt wird, die für den ersten Rechtszug ausgesprochene Belastung der Staatskasse mit den Kosten des Verfahrens und den notwendigen Auslagen des Angeklagten trotz der Verurteilung in 2. Instanz bestehen bleiben, wenn es die Staatsanwaltschaft versäumt hat, auch gegen den Kosten- und Auslagenausspruch des 1. Urteils sofortige Beschwerde einzulegen. Diese — absurde — Folgerung aus dem Wortlaut des Abs. 3 Satz 1 wird freilich nicht gezogen, wie unten darzustellen ist, es ist allgemein anerkannt, daß insoweit eine Ausnahme von dem Grundsatz des Abs. 3 Satz 1 zu machen ist (vgl. unten d am Ende). Der Streit geht darum, ob noch in weiterem Umfang Ausnahmen anzuerkennen sind. b) KG NJW 1969 1683 vertritt den Standpunkt, eine in vollem Umfang eingelegte Berufung oder Revision erstrecke sich ohne weiteres auch auf die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils, und § 464 Abs. 3 Satz 1 habe für diesen Fall keine Bedeutung. Denn Abs. 3 Satz 1 sei aus Gründen der Verfahrensvereinfachung eingefügt worden. Eine solche Verfahrensvereinfachung trete insofern ein, als es zu einer auf die Kosten- und Auslagenentscheidung beschränkten Anfechtung nicht der Berufung oder Revision bedürfe, sondern auf sofortige Beschwerde im einfachen Beschlußverfahren entschieden werde. Werde aber gegen die Sachentscheidung Berufung oder Revision eingelegt, so gestalte sich bei wörtlicher Anwendung des Abs. 3 Satz 1 das Verfahren nicht einfacher, sondern umständlicher, weil es dann zweier Rechtsmittel und zweier Entscheidungen bedürfe. Die Frage, ob und in welchem Umfang der Angeklagte die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen habe, hänge unlösbar mit der Sachentscheidung zusammen und könne erst beurteilt werden, wenn entschieden ist, ob der Angeklagte verurteilt oder freigesprochen wird; es wäre denkgesetzlich unmöglich, wenn der Gesetzgeber bei Anfechtung des Urteils in vollem Umfang mit Berufung oder Revision eine Beschränkung dieses Rechtsmittels auf die Sachentscheidung unter Ausklammerung der Kosten- und Auslagenentscheidung hätte anordnen wollen, obwohl die Beurteilung der Kosten- und Auslagenfrage von der Sachentscheidung abhänge. c) Die Auffassung des KG wird auch von OLG Hamburg NJW 1970 1142 geteilt, das bei Anfechtung des Urteils in vollem Umfang mit der Revision eine daneben wegen des Kostenausspruchs eingelegte sofortige Beschwerde für gegenstandslos erklärte, allerdings sich gleichzeitig auch als befugt und verpflichtet ansah, die nach § 473 Abs. 4 getroffene Ermessensentscheidung des Berufungsgerichts unter Ausübung eigenen Ermessens zu prüfen, da eine bei Anfechtung der Kostenentscheidung mit sofortiger Beschwerde aus § 464 Abs. 3 Satz 3 gegebene Entscheidungsgrundlage nicht dadurch entfalle, daß der Angeklagte über sein Beschwerderecht hinaus von der Revision Gebrauch mache, die zur Nachprüfung des gesamten angefochtenen Urteils einschließlich der Kostenentscheidung führe. OLG Koblenz NJW 1972 504 (Vorlegungsbeschluß gem. § 121 Abs. 2 GVG) möchte dem 2453

§ 464 Anm. V 2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

KG folgen. Dem K G folgte grundsätzlich zunächst auch BayObLG NJW 1970 1142 = MDR 1970 946, aber mit der Einschränkung, daß neben einem in vollem Umfang eingelegten Rechtsmittel die sofortige Beschwerde gegen den Kostenausspruch „nicht gegenstandslos sei", wenn der Beschwerdeführer eine Änderung des Kosten- und Auslagenausspruchs auch für den Fall erstrebt, daß die Berufung oder Revision erfolglos ist, die Hauptentscheidung also bestehen bleibt; dann sei (in der Revisionsinstanz) die sofortige Beschwerde das weitergehende Rechtsmittel, weil sie die Überprüfung des angefochtenen Kostenausspruchs auch unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit (§ 473 Abs. 4) ermögliche, während mit der Revision nur Rechts verstoße gerügt werden könnten (§ 337). Diese Auffassung hat das BayObLG indessen später aufgegeben und sich BGH NJW 1970 288 (s. unten zu d) angeschlossen (vgl. MDR 1971 597 = GA 1971 274). Die Auffassung des K G fand im Schrifttum grundsätzlich auch die Zustimmung von G ö h l er, der in NJW 1970 456 die Brauchbarkeit des vom K G entwickelten Grundsatzes an Hand der in der Praxis häufigsten Fallgestaltungen erörterte und seine Stellungnahme in MDR 1971 621 verdeutlichte. Auch nach G ö h l er erfaßt das in vollem Umfang eingelegte Rechtsmittel zugleich die Kosten- und Auslagenentscheidung, soweit eine Änderung der Sachentscheidung notwendigerweise zur Änderung der Hauptsachenentscheidung führen muß, weil mit der Änderung der Hauptsachenentscheidung die Voraussetzungen der Kostenentscheidung entfallen, so namentlich wenn auf Rechtsmittel hin der zunächst Verurteilte freigesprochen, der zunächst Freigesprochene verurteilt wird, oder wenn der Angeklagte wegen einzelner Tatteile oder Gesetzesverletzungen (§ 465 Abs. 2 Satz 2, 3) zunächst nicht, sondern erst auf Rechtsmittel hin verurteilt wird. Dagegen ist Abs. 3 Satz 1 anwendbar, wenn es an der zwangsläufigen Verknüpfung der Sach- mit der Kostenentscheidung fehlt; die Staatsanwaltschaft muß daher z. B. neben der Berufung gegen ein freisprechendes Urteil sofortige Beschwerde wegen des Kostenpunktes einlegen, wenn sie erreichen will, daß auch bei Bestehenbleiben der Freisprechung der Kostenanspruch des 1. Urteils durch Belastung des Angeklagten mit Säumniskosten (§ 467 Abs. 2) eingeschränkt wird. d) Die Stellungnahme des BGH. Der BGH befaßte sich mit der Frage der Bedeutung des § 464 Abs. 3 Satz 1 erstmals in der Entscheidung des 4. Strafsen. NJW 1970 288 = JR 1970 226 = MDR 1970 253. In dem dort entschiedenen Fall hatte der Angeklagte, der z. T. freigesprochen, z. T. verurteilt war, Revision nur gegen den verurteilenden Teil der Entscheidung eingelegt, ohne den Kosten- und Auslegenausspruch des angefochtenen Urteils zu beanstanden; die Revision wurde durch Beschluß gemäß § 349 Abs. 2 als offensichtlich unbegründet verworfen. In einem solchen Fall wird auch bei Zugrundelegung der Auffassung von KG NJW 1969 1683 nicht in Zweifel gezogen, daß die Revision nicht zu einer Überprüfung der Kosten- und Auslagenentscheidung führt, die sich auf den freisprechenden Teil des Urteils bezieht, wenn die Kostenentscheidung nicht mit sofortiger Beschwerde angegriffen wird, weil es hier an der unlösbaren Verknüpfung der Sach- mit der Kostenentscheidung fehlt (vgl. KG JR 1971 122; M e y e r JR 1971 98; G ö h l e r NJW 1970 457; MDR 1971 622; Kl 7 A). Der BGH verneinte die Nachprüfbarkeit aber nicht mit dieser Begründung, sondern mit der generellen Begründung, nach § 464 Abs. 3 Satz 1 sei gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen selbständig die sofortige Beschwerde gegeben; eine Revision gegen das Urteil des Tatrichters könne sich daher nicht auf die Kosten- und Auslagenentscheidung erstrecken. Zur Begründung beruft sich der BGH, ohne KG NJW 1969 1683 zu erwähnen und sich damit auseinanderzusetzen, auf eine Bemerkung von K l e i n k n e c h t in der 28. Aufl. (Anm. 7). Diese Auffassung hat K l e i n k n e c h t aber in der 29. und 30. Auflage (Anm. 7) aufgegeben, um sich K G NJW 1969 1683 anzuschließen. Allerdings milderte der BGH die Strenge dieser Auffassung insofern ab — und gelangte dadurch zu einer gewissen Annäherung an den Standpunkt des K G —, als er es im Hinblick auf § 300 zur Annahme einer gleichzeitig eingelegten sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung genügen läßt, wenn die Erklärungen, die der Angeklagte oder sein Verteidiger innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 abgibt, erkennen lassen, daß die Entscheidung über die Kosten und Auslagen angefochten werden soll, auch wenn solche Erklärungen (innerhalb der Frist der sofortigen Beschwerde) in einem Schriftsatz enthalten sind, der sich sonst nur mit der Revisionseinlegung oder/und der Revisionsbegründung befaßt. Nach Ablauf der Frist des § 311 Abs. 2 aber können solche Erklärungen 2454

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 Anm. V 2 nicht nachgeholt, auch kann nicht begehrt werden, Berufung oder Revision „hilfsweise" als sofortige Beschwerde zu behandeln (OLGe Celle MDR 1970 255; Hamm GA 1970 189; MDR 1971 682)*. Danach legte OLG Oldenburg NJW 1970 112 = NdsRpfl. 1969 286, weil es von KG NJW 1969 1683 abweichen wollte, die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem BGH vor, der aber in NJW 1970 1152 (5. Strafsen.) die Vorlegungsvoraussetzungen verneinte, weil die Rechtsfrage inzwischen durch BGH NJW 1970 288 im Sinne des vorlegenden OLG entschieden sei und der Senat dem nichts hinzuzufügen habe. Auch OLG Hamm wollte von KG abweichen und legte die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG vor. Dieser Vorlegungsbeschluß hatte das gleiche Schicksal wie der des OLG Oldenburg: Der BGH (4. Strafsen.) gab (vgl. die Darstellung bei OLG Hamm MDR 1971 681; G ö h l e r MDR 1971 622 und M e y e r JR 1971 100) mit Beschluß vom 27. 8. 1970 - 4 StR 375/70 - dem OLG die Sache zur Entscheidung in eigner Zuständigkeit zurück, weil der BGH die Rechtsfrage bereits in NJW 1970 288 entschieden habe. Zwar habe diese Entscheidung den Fall betroffen, in dem ein teilweise freigesprochener Angeklagter sich mit der Revision gegen die Kostenentscheidung wandte, der BGH habe aber ganz allgemein ausgesprochen, daß gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung ausschließlich die sofortige Beschwerde gegeben sei. „Zur Klarstellung" wurde aber darauf hingewiesen, die Vorlegungsfrage betreffe nicht den Fall, daß die Revision in irgendeinem Punkte zu einer Änderung der angefochtenen tatrichterlichen Entscheidung führe; es stehe außer Zweifel, daß in einem solchen Fall auch die Änderung der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils geboten sein könne. e) Nachdem (vom Standpunkt einheitlicher Rechtsauslegung aus gesehen: bedauerlicherweise; vgl. M e y e r JR 1971 100) die Bemühungen, auf dem Wege des § 121 Abs. 2 GVG den BGH zu einer ausführlichen Auseinandersetzung mit K G NJW 1969 1683 zu veranlassen, gescheitert waren, vertraten auch OLG Hamm NJW 1971 444 = MDR 1971 681; Stuttgart Justiz 1971 270; BayObLG GA 1971 274 im Anschluß an BGH NJW 1970 288 die Auffassung, daß bei Erfolglosigkeit der in vollem Umfang eingelegten Revision eine Nachprüfung der Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils nur dann möglich sei, wenn insoweit sofortige Beschwerde eingelegt sei oder wenigstens die Revision durch entsprechende, in der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 abgegebene Erklärungen gemäß § 300 in eine sofortige Beschwerde umgedeutet werden könne. Dagegen hielt K G JR 1971 122 an der in NJW 1969 1683 vertretenen Auffassung fest, daß bei Anfechtung einer Verurteilung in vollem Umfang mit der Sachrüge die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils, soweit sie sich auf die Verurteilung bezieht, vom Revisionsgericht zu prüfen sei, ohne daß es einer besonderen sofortigen Beschwerde oder in der Frist des § 311 Abs. 2 abgegebener, den Anfechtungswillen zum Ausdruck bringender Erklärungen in der Revisions- oder Revisionsgründungsschrift bedarf. An BGH NJW 1970 288 sah sich das K G nicht gebunden. Denn die generellen Ausführungen über die Bedeutung des Abs. 3 Satz 1 seien zur Entscheidung des konkreten und nicht streitigen Falles nicht entscheidungserheblich (also ein bloßes obiter dictum) gewesen, und die Auffassung von BGH NJW 1970 1152, die Vorlegungsvoraussetzungen seien nicht gegeben, weil BGH NJW 1970 288 die vorgelegte Frage bereits entschieden habe, löse eine Vorlegungspflicht nach § 121 Abs. 2 GVG nicht aus (vgl. dazu auch M e y e r JR 1971 100). Inzwischen hat OLG Koblenz NJW 1972 504 durch erneute Vorlegung gemäß § 121 Abs. 2 GVG den Versuch unternommen, eine klarstellende Entscheidung des BGH zu erreichen. f) Nach der hier vertretenen Auffassung erscheint eine Lösung angebracht, die zwischen den divergierenden Auffassungen vermittelt. Nachdem jetzt kein Zweifel mehr besteht, daß bei Anfechtung des Freispruchs oder der Verurteilung in vollem Umfang jede Änderung der angefochtenen Entscheidung zur Hauptsache dem Rechtsmittelgericht auch die entsprechende Änderung des Kosten- und Auslagenausspruchs ohne Rücksicht darauf ermöglicht, ob dieser Ausspruch mit der sofortigen Beschwerde angegriffen wird oder nicht * Wohl aber kommt gemäß § 44 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, wenn bei der Rechtsmittelbelehrung zum Urteil eine Belehrung über die Besonderheiten der Anfechtung der Kostenentscheidung unterblieben ist (OLG Hamm M D R 1970 439; G A 1970 189). S. dazu auch OLG Celle NdsRpfl. 1972 70.

2455

§464

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Anm. V 2 (vgl. BGH vom 27.8. 1970 - 4 StR 375/70 - ; OLG Düsseldorf NJW 1971 1281), konzentriert sich der Streit um die Auslegung des § 464 Abs. 3 Satz 1 in grundsätzlicher Hinsicht auf die Frage, ob die Anfechtung der Hauptentscheidung auch ohne sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung zu einer Uberprüfung dieser Annexentscheidung führt, wenn das Rechtsmittel zur Hauptsache erfolglos ist, die Hauptentscheidung also bestehen bleibt (so zutreffend G ö h l er MDR 1971 622). In diesem Fall entfallt der von K G NJW 1969 1863 in den Vordergrund gestellte Gesichtspunkt, die Frage, ob und in welchem Umfang der Angeklagte die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen habe, hänge unlösbar mit der Sachentscheidung zusammen und könne erst beurteilt werden, wenn entschieden ist, ob der Angeklagte verurteilt oder freigesprochen wird. Wenn der Angeklagte sich für den Fall der Erfolglosigkeit seines Rechtsmittels zur Hauptsache mit der Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils zufrieden gibt, so fehlt es an einem zwingenden Anlaß, die Annexentscheidung von Amts wegen in die Nachprüfung des Rechtsmittelgerichts einzubeziehen; es liegt dann in der Tat im Sinne der mit der Einfügung des Abs. 3 Satz 1 erstrebten Verfahrensvereinfachung, wenn das Rechtsmittelgericht von der Verpflichtung entbunden ist, auch die ungerügt gebliebene Annexentscheidung nachzuprüfen. Diese Überlegung führt dazu, daß der Angeklagte, wenn er auch bei Erfolglosigkeit seines Rechtsmittels zur Hauptentscheidung eine Überprüfung der Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils begehrt, diese „hilfsweise" mit der sofortigen Beschwerde angreifen muß (so auch BayObLG GA 1971 275; G ö h l e r MDR 1971 622). Daß es danach also in diesem Fall für den Angeklagten zweier Rechtsmittel und für das Gericht zweier Entscheidungen bedarf, ist zwar keine Vereinfachung des Verfahrens, aber die zwangsläufige Auswirkung einer Verfahrensvereinfachung, die erzielt wird, wenn der Angeklagte für den Fall der Erfolglosigkeit seines Rechtsmittels zur Hauptentscheidung die Annexentscheidung ungerügt läßt. Der Nachteil dieser Lösung für den Angeklagten oder seinen Verteidiger besteht indessen darin, daß bei strenger Auslegung des Abs. 3 Satz 1 die sofortige Beschwerde wirksam nur in der kurzen Frist des § 311 Abs. 2 eingelegt werden kann und auch eine Umdeutung (§ 300) von Erklärungen in der Revisions- und/oder Revisionsbegründungsschrift, die einen Anfechtungswillen erkennen lassen, nur möglich ist, wenn solche Erklärungen in der Frist des § 311 Abs. 2 abgegeben sind. Eine Nachprüfung und ggf. Änderung der Annexentscheidung ist also ausgeschlossen, wenn der Angeklagte (Verteidiger) erst nach Ablauf der kurzen Frist bei der Revisionsbegründung auf den Gedanken kommt, wenigstens eine Abänderung der Kosten(Auslagen)entscheidung zu erstreben, falls sein Rechtsmittel gegen die Hauptentscheidung erfolglos bleibt. Dieser Nachteil läßt sich aber vermeiden. Nachdem erkannt ist, daß Abs. 3 Satz 1 keinen ausnahmslos geltenden Grundsatz darstellt, erscheint es auch zulässig, Folgerungen, die sich aus dieser Vorschrift ergeben, im Wege der Auslegung abzumildern, wenn sich zeigt, daß die erstrebte Verfahrensvereinfachung mit Nachteilen für den Angeklagten verbunden ist, die der Gesetzgeber schwerlich gewollt hat. Hatte doch die drangvolle Eile, in der die Kostenneuregelung zustande kam, zur Folge, daß sie „selbstverständlich nicht in allen letzten Verästelungen durchdacht und überprüft werden konnte" ( G ö h l e r MDR 1970 284). Zulässig erscheint deshalb — in Übereinstimmung mit G ö h l er MDR 1971 622f.; BayObLG MDR 1972 534 - eine Auslegung, daß die in der Revisions- und Revisionsbegründungsschrift abgegebenen Erklärungen, die den Willen zur Anfechtung der Kostenentscheidung erkennen lassen, auch dann noch zur Umdeutung in eine hilfsweise eingelegte „sofortige" Beschwerde ausreichen, wenn sie nach Ablauf der Frist des § 311 Abs. 2 abgegeben sind. Eine solche geschmeidige Handhabung der Umdeutung bei der Einlegung fristgebundener Rechtsmittel wäre im übrigen auch nicht ohne Vorbild; eine gewisse Parallele bietet die von der Rechtsprechung zugelassene „unbestimmte Anfechtung" (§§ 312, 335), bei der der Anfechtungsberechtigte von der eingelegten Berufung zur Revision und von der eingelegten Revision zur Berufung übergehen und der Wechsel noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist vollzogen werden kann (vgl. Einleitung S. 74). Konstruktiv ließe sich der Vorgang bei verlängerter Umdeutungsfrist so denken: mit jeder Einlegung des Rechtsmittels gegen die Hauptentscheidung ist zugleich stillschweigend die Einlegung der sofortigen Beschwerde „unbestimmt" in der Weise verbunden, daß die Revision die Bedeutung einer „bestimmten" zugleich mit der Revision eingelegten sofortigen Beschwerde erst gewinnt, wenn der Angeklagte bis zum Ablauf der Revisionsbegrün2456

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 Anm. V 3

dungsfrist zu erkennen gibt, daß er auch eine Nachprüfung der Kostenentscheidung begehrt. Eine solche Auslegung würde einerseits — im Sinne der Vereinfachungstendenz des Abs. 3 Satz 1 — erreichen, daß dem Rechtsmittelgericht bei Erfolglosigkeit des Rechtsmittels zur Hauptsache die Prüfung der Annexentscheidung erspart wird, wenn der Rechtsmittelführer daran nicht interessiert ist, und würde andererseits eine aus der kurzen Frist des § 311 Abs. 2 drohende Benachteiligung des Angeklagten ausschließen. Die Rechtsmittelbelehrung würde bei einer solchen Handhabung keine Schwierigkeiten bereiten (vgl. G ö h l e r MR 1971 623). 3. Zur Anfechtbarkeit der Kosten- und Auslagenentscheidung, wenn die Hauptentscheidung unanfechtbar ist. a) Das Problem. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist allgemein durch § 304 Abs. 3, 4, § 310 Abs. 2 eingeschränkt. Im übrigen enthält der Gesetzeswortlaut keine weiteren Beschränkungen, so daß, wenn nur der Wortlaut des § 464 Abs. 3 Satz 1 entscheidend ist, die sofortige Beschwerde auch dann zulässig ist, wenn die Hauptentscheidung einer Anfechtung entzogen ist, wie z. B. der gerichtliche Beschluß über die Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit nach § 153 Abs. 3, der Beschluß des Berufungsgerichts über die Einstellung des Privatklageverfahrens nach § 390 Abs. 5 oder das freisprechende Urteil bei Feld- und Forstzuwiderhandlungen, wenn die Berufung durch §313 StPO, die Revision aber nach den landesrechtlichen Verfahrensvorschriften ausgeschlossen ist (vgl. BGHSt. 4 138; NJW 1960 55). Es fragt sich aber, ob es wirklich der mit der Vorschrift des § 464 Abs. 3 Satz 1 verfolgten gesetzgeberischen Absicht, „aus Gründen der Vereinfachung des Verfahrens" (nur) die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung zuzulassen (oben Anm. IV 1), entspricht, den den Nebenpunkt der Kosten und Auslagen betreffenden Teil der Entscheidung in weiterem Umfang einer Nachprüfung durch Rechtsmittel zu unterstellen als die Hauptentscheidung selbst. b) Bisheriges Recht. Die gleiche Frage erhob sich und war bereits streitig, als § 467 Abs. 4, 5 i. d. F. des StPÄG vom 19. 12. 1964 vorschrieb, daß über die Auslagenerstattung gleichzeitig mit der Hauptentscheidung durch besonderen Beschluß zu entscheiden sei, und dessen Anfechtung mit sofortiger Beschwerde vorsah, bei der das Beschwerdegericht an die tatsächlichen Feststellungen in der Hauptentscheidung gebunden war (vgl. dazu im Nachtrag zur 21. Auflage Anm. 9 c zu § 467). Damals bejahten OLGe. Hamm NJW 1965 1820, 1966 2326, 1967 1481; München NJW 1966 1979, Schleswig VRS 32 137, LG Hamburg MDR 1966 350; D a h s NJW 1966 66; S c h m i d t DAR 1966 208; H e n r i c h s NJW 1966 1980 die Anfechtbarkeit, während OLGe. Stuttgart NJW 1966 66, 1979; 1968 856; Celle NJW 1966 792; Schleswig MDR 1966 1020; Karlsruhe Justiz 1966 15; 1967 319; Nürnberg OLGSt. zu § 153 StPO S. 1; Braunschweig NJW 1968 416 = NdsRpfl. 1968 46; K G vom 28.6. 1 9 6 8 - 1 Ws. 239/68 - ; M ü l l e r - S a x 10 zu §471; M a y e r NJW 1968 487 sie verneinten (weitere Nachw. bei K G NJW 1970 106). Die Begründung für die Bejahung der Anfechtbarkeit war verschieden: OLG Hamm NJW 1965 1820 bezeichnete zwar das Ergebnis, daß der Nebenpunkt der Auslagenerstattung in weiterem Umfang als die Hauptentscheidung anfechtbar ist, als „ungereimt", glaubte aber, es nach dem Wortlaut des § 467 Abs. 5 a. F. hinnehmen zu müssen. OLG München NJW 1966 1979 sah in der Gewährung der Anfechtungsmöglichkeit die Verwirklichung der Grundtendenz des StPÄG, die Rechte des Angeklagten im gerichtlichen Verfahren zu erweitern. Nach D a h s NJW 1966 66 war entscheidend, daß § 467 Abs. 5 Satz 3 a. F. nach seinem „klaren Wortlaut" keine Beschränkung der sofortigen Beschwerde enthalte, und daß die Unanfechtbarkeit der Hauptentscheidung, die den Beschuldigten nicht beschwere, nicht die Folgerung rechtfertige, daß auch eine ihn beschwerende Nebenentscheidung der Anfechtung entzogen sein solle. Nach H e n r i c h s NJW 1966 1981 sollte die Anfechtbarkeit einem bei der Auslagenentscheidung „angesichts der Fülle der dabei zu berücksichtigenden Umstände" bestehenden Bedürfnis für eine Nachprüfung Rechnung tragen. Dagegen verneinte OLG Stuttgart NJW 1966 66 unter Würdigung der Entstehungsgeschichte eine Absicht des Gesetzgebers, die Anfechtbarkeit der Erstattungsentscheidung in weiterem Umfang als die der Hauptentscheidung zuzulassen und vermißte, da der Einstellungsbeschluß als Ermessensentscheidung keiner Begründung bedarf, tatsächliche Feststellungen, an die das Beschwerdegericht bei der 2457

§ 464 Anm. V 3

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Nachprüfung der Erstattungsentscheidung anknüpfen könne (ebenso OLG Celle NJW 1966 792). Die Vertreter der die Anfechtbarkeit bejahenden Auffassung (vgl. z. B. OLG Schleswig VRS 32 137) hielten dem entgegen, daß in solchen Fällen die Auflagenentscheidung gemäß § 34 eine, wenn auch summarische Begründung enthalten müsse, die die tatsächlichen Grundlagen der Einstellung erkennen lasse. c) Die neue Rechtslage. Inzwischen hat sich die Rechtslage gegenüber dem Rechtszustand nach § 467 Abs. 4, 5 a. F. dadurch geändert, daß auch die Auslagenentscheidung nach § 464 Abs. 2 wieder — entsprechend dem vor dem StPÄG bestehenden Rechtszustand — einen Bestandteil der Hauptentscheidung bildet und lediglich ihre Anfechtung „aus Gründen der Vereinfachung des Verfahrens" mit einem anderen Rechtsmittel erfolgt als die der Hauptentscheidung. Vor Änderung des § 467 durch das StPÄG bestand kein Zweifel, daß die Unanfechtbarkeit der Hauptentscheidung, wenn ein Rechtsmittel gesetzlich versagt war, die Unanfechtbarkeit auch der Kostennebenentscheidung zur Folge hatte (vgl. dazu OLG Hamburg NJW 1956 1891), und es entspricht, so sollte man meinen, heute erst recht der Rechtslogik, daß die Unanfechtbarkeit der Hauptentscheidung die der Nebenentscheidung nach sich zieht und sich daran nicht deshalb etwas ändert, weil das Gesetz heute „aus Gründen der Vereinfachung des Verfahrens" zur Anfechtung der Nebenentscheidung nicht das gegen die Hauptentscheidung zulässige, sondern ein einfacheres Rechtsmittel zur Verfügung stellt. Die Bedenken, die schon unter der Herrschaft des § 467 Abs. 4, 5 a. F. gegen die Anfechtbarkeit der Nebenentscheidung trotz unanfechtbarer Hauptentscheidung unter dem Gesichtspunkt erhoben wurden, daß sie mit der erstrebten Verfahrensvereinfachung nicht vereinbar sei, gewinnen, wie es scheint, dadurch verstärktes Gewicht. Gleichwohl besteht die Streitfrage auch für § 464 Abs. 3 Satz 1 n. F. weiter, ja es hat sich sogar eine, wenn auch nicht herrschende, so doch wenigstens überwiegend vertretene Auffassung zugunsten der Anfechtbarkeit der Kosten- und Auslagenentscheidung trotz Unanfechtbarkeit der Hauptentscheidung gebildet. Die Anfechtbarkeit bejahen OLGe. Stuttgart NJW 1969 1446; 1970 2128 (unter Aufgabe der Rechtspr. zu § 467 Abs. 4, 5 a. F.); Düsseldorf NJW 1969 2059; MDR 1970 439; Schleswig SchlHA 1969 83; Oldenburg OLGSt. § 153 S. 23; Frankfurt NJW 1970 1694; Celle NJW 1970 107; MDR 1970 164, 525; 1972 625; Hamm NJW 1969 1448; 1970 2128; 1971 1471; Hamburg NJW 1969 1450; 1970 2127; 1971 292; MDR 1970 255, 695; Zweibrücken NJW 1970 2307; Köln JMB1. NRW 1971 223; Kl 5 zu § 464; M a t z e n AnwBl. 1972 193. Die Anfechtbarkeit wird verneint von OLGe. Celle GA 1969 153; 1970 344; Nds. Rpfl. 1972 61; Hamm NJW 1972 1290; Koblenz MDR 1971 319; K G NJW 1970 106 = VRS 40 122; Schleswig SchlHA 1971 95; BayObLG GA 1971 247; Nürnberg NJW 1972 172=AnwBl. 1972 193 - unter Aufgabe von MDR 1970 67 - ; Stuttgart MDR 1972 438; LG Berlin KostRspr. Nr. 21 zu § 464; M e y e r JR 1971 96. d) Die Gründe für die Bejahung der Anfechtbarkeit. OLG Stuttgart 1969 1446 begründet die Abkehr von seinem früheren Standpunkt damit, daß während der gesetzgeberischen Erörterungen (im BT-Rechtsausschuß wie im Unterausschuß des Rechtsausschusses des Bundesrates) das Problem einer über die der Hauptentscheidung hinausgehenden Anfechtbarkeit der Kosten- und Auslagenentscheidung gesehen worden sei, dagegen Bedenken geäußert und sogar in einer „Formulierungshilfe" des BJM Möglichkeiten zur Vermeidung erwogen, jedoch keine Folgerungen daraus gezogen-worden seien. Daher gebe die Entstehungsgeschichte keinen Anlaß zu einer einschränkenden Auslegung des § 464 Abs. 3 Satz 1, der nach seinem Wortlaut die sofortige Beschwerde uneingeschränkt zulasse. Dem hat sich OLG Frankfurt NJW 1970 1694 angeschlossen. OLG Celle NJW 1970 107 = MDR 1970 164 = NdsRpfl. 1970 45 beruft sich darauf, daß § 467 a Abs. 4 die Anfechtbarkeit der nach Klagezurücknahme und anschließender Verfahrenseinstellung gemäß § 153 Abs. 2 durch die Staatsanwaltschaft ergehenden gerichtlichen Entscheidung über die Auslagen vorsehe und nicht angenommen werden könne, daß bei einer Einstellung durch das Gericht nach § 153 Abs. 3 die Anfechtbarkeit anders geregelt sein sollte; in MDR 1972 625 wird geltend gemacht, daß ohne die Einstellung ein Urteil gefällt worden wäre, das dem Angekl. i. d. R. eine weitere Anfechtungsmöglichkeit gäbe. Die Mehrzahl der übrigen die uneingeschränkte Anfechtbarkeit bejahenden OLG-Entscheidungen verzichten meist auf eine weitere Begründung, indem 2458

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 Anm. V 3

sie den Wortlaut des § 464 Abs. 3 Satz 1 für maßgeblich erklären (vgl. etwa OLGe. Hamburg NJW 1969 1450; Düsseldorf NJW 1969 2089; Zweibrücken NJW 1970 2307) oder sich auf die „h. M." berufen. Zu der Frage, wie sich die Rechtsprechung mit der Frage der Bindung der Beschwerdeinstanz an die tatsächlichen Feststellungen der Hauptentscheidung (§ 464 Abs. 3 Satz 2), wenn diese als Ermessensentscheidung keine Begründung enthält, abgefunden hat, vgl. unten Anm. VI 4. e) Die eigene Stellungnahme. Gegenüber der überwiegend vertretenen Auffassung hält der vorliegende Kommentar — wie schon unter Herrschaft des § 467 Abs. 4, 5 a. F. (vgl. Anm. 9 c zu § 467 im Nachtrag zur 21. Aufl.) daran fest, daß es aus Gründen der Rechtslogik und der Prozeßökonomie nicht angängig ist, den Nebenpunkt der Kosten- und Auslagenentscheidung in weiterem Umfang einer Nachprüfung im Rechtsmittelweg zu unterwerfen als die der Anfechtung entzogene Hauptentscheidung, sofern nicht der Gesetzgeber klar erkennbar Gegenteiliges bestimmt hat. Das ist aber hier nicht der Fall. aa) Zunächst versagt die Berufung auf § 467 a Abs. 4, denn dort handelt es sich um den nicht vergleichbaren Fall einer isolierten Auslagenentscheidung (so mit Recht OLGe. Celle GA 1970 344; Stuttgart MDR 1972 438). Die Erwägung von OLG Celle MDR 1972 625, daß ohne die Einstellung ein Urteil mit Anfechtungsmöglichkeit ergangen wäre, ist unbehelflich. Weiterhin reichen die Vorgänge aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes, auf die sich die OLGe. Stuttgart und Frankfurt berufen, nicht aus, um von einer für die Auslegung richtungweisenden und klar erkennbaren gesetzgeberischen Absicht zu sprechen. Daß dort Vorschläge zur förmlichen Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit oder Bedenken gegen eine zu weit gehende Anfechtbarkeit nicht zu ausdrücklichen Regelungen geführt haben, kann verschiedene Gründe haben und rechtfertigt jedenfalls bei der Lückenhaftigkeit der vorhandenen schriftlichen Unterlagen über die parlamentarische Entstehungsgeschichte nicht den Schluß auf einen erkennbaren Willen des Gesetzgebers, sich über die aus der Rechtslogik ergebenden Grenzen der Anfechtbarkeit ausnahmsweise hinwegzusetzen (so mit Recht BayObLG, OLG Nürnberg und M e y e r aaO.). Hätte der Gesetzgeber etwas derartiges beabsichtigt, so hätte es nur zu nahe gelegen, der schon unter der Herrschaft des § 467 Abs. 4, 5 a. F. bestehenden Zweifelsfrage durch eine ausdrückliche Klarstellung ein Ende zu bereiten. Das ist nicht nur nicht geschehen, sondern in dem schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses ist gerade die „Vereinfachung des Verfahrens" als Grund der Regelung bezeichnet worden; die Zulassung eines Rechtsmittels gegen eine Nebenentscheidung trotz Unanfechtbarkeit der Hauptentscheidung ist aber das Gegenteil einer Vereinfachung. bb) Das gilt auch von der Mehrarbeit, die sich nach der h. M. daraus ergibt, daß die Bindung des Beschwerdegerichts an die tatsächlichen Feststellungen der Hauptentscheidung bei der Einstellung wegen Geringfügigkeit dazu führt, für die Auslagenentscheidung eine Begründung zu fordern (§ 34), die das Gesetz bei dem Ermessenshauptentscheid dem Richter erspart hat (vgl. unten Anm. VI 4). Es versagt ferner auch das übliche Argument der Berufung auf den „klaren" Wortlaut des Gesetzes. Der Wortlaut des § 464 Abs. 3 Satz 1 ist zwar klar, der Sinn der Vorschrift aber durchaus nicht, wie sich schon aus den Erörterungen über die Entbehrlichkeit der sofortigen Beschwerde ergibt, wenn das gegen die Hauptentscheidung eingelegte Rechtsmittel zum Erfolg führt (oben V 2 d am Ende). Würde mit dem Argument des „klaren Wortlauts" ernst gemacht, so müßte folgerichtig die sofortige Beschwerde auch gegeben sein gegen die Kosten- und Auslagenentscheidungen der Urteile der Jugendgerichte, die nach § 55 JGG unanfechtbar sind, der Beschlüsse der Beschwerdegerichte, die nach § 310 Abs. 2 einer weiteren Beschwerde unzugänglich sind, und der Urteile und Beschlüsse im Bußgeldverfahren, die nach § 79 Abs. 1 OWiG unanfechtbar sind (so mit Recht BayObLG G A 1971 247, 248; M e y e r JR 1971 96, 98). Tatsächlich werden aber solche „ungereimten" Folgerungen (BayObLG aaO.) nicht gezogen (vgl. OLG Stuttgart Justiz 1970 190; 1972 43 betr. Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eines nach § 55 J G G unanfechtbaren Urteils — s. dazu aber auch OLG Stuttgart Justiz 1971 222 betr. Zulässigkeit der Kostenbeschwerde im Jugendgerichtsverfahren bei Einstellung im Berufungsverfahren —; OLG Hamm NJW 1970 2127 betr. Ausschluß der sofortigen Beschwerde durch § 310 Abs. 2). 2459

§ 464 Anm. VI 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

cc) Schließlich kann auch für die Auslegung des § 464 Abs. 3 Satz 1 nicht unbeachtet bleiben, daß ganz allgemein die Rechtsentwicklung dahin gegangen ist, eine Anfechtbarkeit der Nebenentscheidung in weiterem Umfang als die der Hauptentscheidung auszuschließen. Charakteristisch ist dafür, wie sich auf dem Gebiet des Zivilprozesses die Bestrebungen zur Vereinfachung der Anfechtung von Kostenentscheidungen vollzogen. Vor Jahrzehnten bestand Streit, ob § 98 Abs. 3 ZPO a. F. (jetzt ersetzt durch § 91 a Abs. 2 Satz ZPO) die dort vorgesehene Anfechtung der Kostenentscheidung mit der sofortigen Beschwerde auch dann zulasse, wenn gegen die Hauptentscheidung ein Rechtsmittel nicht statthaft ist. RGZ 57 310 (Beschl. der Vereinigten Zivilsenate) machte dem Streit in verneinendem Sinn ein Ende mit der Begründung, aus der Rechtslogik folge die Unanfechtbarkeit des Kostenpunkts bei Unanfechtbarkeit der Hauptentscheidung, sofern der Gesetzgeber nicht ausdrücklich Abweichendes bestimme; eine solche ausdrückliche Bestimmung ergebe sich aber weder daraus, daß das Gesetz schlechthin die sofortige Beschwerde zulasse, noch seien Erörterungen während des Gesetzgebungsverfahrens geeignet, eine Einschränkung zu begründen. Demgemäß ist nicht zweifelhaft, daß in den Fällen der §§ 91a, 99 ZPO (Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache) der isolierte Kostenbeschluß nur mit sofortiger Beschwerde anfechtbar ist, wenn gegen die Entscheidung zur Hauptsache ein Rechtsmittel zulässig wäre, obwohl die Abs. 2 Satz 1 der §§ 91 a, 99 eine entsprechende Einschränkung nicht enthalten. Später bestand Streit, ob bezgl. der Festsetzung des Streitwerts der Beschwerderechtszug länger sein könne als der Rechtsmittelzug in der Hauptsache selbst. Er endete durch die Neufassung des § 23 Abs. 2 G K G (Ges. vom 26. 7. 1957, BGBl. I 941), indem dort die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des LG als Berufungsgericht ausdrücklich ausgeschlossen wurde aus der Erwägung, daß es nicht angängig sei, wegen einer Nebenentscheidung einen längeren Rechtszug zu eröffnen als wegen der Entscheidung in der Hauptsache selbst (vgl. dazu OLG Frankfurt Rpfleger 1971 446). Entsprechende Regelungen sehen die Verfahrensordnungen der übrigen Gerichtszweige vor (vgl. OLG Nürnberg NJW 1972 172). Diese Entwicklung hat aber auch Bedeutung für die Auslegung des § 464 Abs. 3 Satz 1, „da die Rechtslogik im Strafverfahren ein ebenso großes Gewicht hat wie im Zivilprozeß" (BayObLG GA 1971 247, 249). Auch § 464 Abs. 3 Satz 1 muß daher dahin verstanden werden, daß er den Instanzenzug nicht erweitert, wenn er aus Vereinfachungsgründen ein anderes Rechtsmittel (die sofortige Beschwerde) an Stelle des Rechtsmittels (Berufung oder Revision) zur Verfügung stellt, das nach den allgemeinen Rechtsmittelvorschriften zur Anfechtung der Kosten- und Auslagenentscheidung als eines Bestandteils der die Instanz abschließenden Hauptentscheidung gegeben wäre. f) Einfache Beschwerde. Bei Zugrundelegung der Auffassung, daß die sofortige Beschwerde des § 464 Abs. 3 Satz 1 ausgeschlossen ist, ist nach OLG Celle NdsRpfl. 1972 61 ausnahmsweise die einfache Beschwerde (§ 304) zulässig, wenn nicht die Ermessensentscheidung (§ 467 Abs. 4) als solche angegriffen, sondern geltend gemacht wird, daß eine nach dem Gesetz offenbar unzulässige Rechtsfolge, z. B. die Belastung des Angeklagten mit den Gerichtskosten ausgesprochen ist. VI. Bindung des Beschwerdegerichts an die tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts (zu Absatz 3 Satz 2). 1. Zweck der Vorschrift. Wenn eine Entscheidung mit der Beschwerde anfechtbar ist, so ist das Beschwerdegericht grundsätzlich zu einer die rechtliche und tatsächliche Seite umfassenden Prüfung der Vorentscheidung verpflichtet. Von diesem Grundsatz enthält § 464 Abs. 3 Satz 2 eine Ausnahme, indem er das Beschwerdegericht an die tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zur Hauptsache, auf denen diese beruht, für gebunden erklärt. Eine entsprechende Vorschrift enthielt auch schon § 467 Abs. 5 Satz 2 a. F. Dort war bereits durch den Gesetzeswortlaut („Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung nach Abs. 1 . . . " ) deutlich gemacht, daß das Beschwerdegericht an die tatsächlichen Feststellungen in der Hauptentscheidung (Freispruch usw.) gebunden sei. Eine entsprechende Verdeutlichung fehlt zwar jetzt; es kann aber nicht zweifelhaft sein, daß mit der „Entscheidung", deren tatsächliche Feststellung für bindend erklärt werden, nicht die Kosten- und Auslagenentscheidung des § 464 Abs. 3 Satz 1, sondern die Hauptentscheidung gemeint ist. Denn nur eine solche Bindung erfordert der Zweck des § 464 2460

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 Anm. VI 2 - 4

Abs. 3 Satz 2, Widersprüche zwischen den die Sachentscheidung tragenden tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts und den tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts zum Nebenpunkt der Kosten- und Auslagenentscheidung zu vermeiden. Die tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts zur Kosten- und Auslagenentscheidung sind also, soweit es sich nicht zugleich um tragende Feststellungen der Entscheidung zur Hauptsache handelt, für das Beschwerdegericht nicht bindend. 2. Eine Bindung an die der Hauptentscheidung zugrundeliegende Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts ist zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen. Sie ergibt sich aber ohne weiteres daraus, daß widersprüchliche Beurteilungen, die die Richtigkeit der Hauptentscheidung in Frage stellen, ausgeschlossen sein sollen. Daher muß das Beschwerdegericht, das im Anhangsverfahren nur mit der Nachprüfung der Kosten- und Auslagenentscheidung befaßt ist, die Hauptentscheidung ungeprüft hinnehmen; die nach früherem Recht für den Fall einer auf die Kosten- und Auslagenentscheidung beschränkten Berufung entwickelten Grundsätze (vgl. Anm. 12 a — S. 390 — der Voraufl.) haben angesichts der geänderten Rechtslage keine Bedeutung mehr. Wenn also z. B. das erkennende Gericht den Angeklagten freigesprochen hat, so kann das Beschwerdegericht eine Auslagenerstattung nicht mit der Begründung verneinen, bei richtiger rechtlicher Würdigung hätte nicht Freispruch, sondern Verurteilung erfolgen müssen. Ist das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt worden, so steht dem Beschwerdegericht nur eine Nachprüfung der auf dieser Grundlage getroffenen Ermessensentscheidung zu (§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2); es kann aber nicht eine Erstattung mit der Begründung ablehnen, daß bei richtiger rechtlicher Würdigung ein Verfahrenshindernis überhaupt nicht vorgelegen habe und die vom erkennenden Gericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu einer Verurteilung hätten führen müssen. Dagegen ist im übrigen das Beschwerdegericht frei in der rechtlichen Würdigung der Umstände, auf die das erkennende Gericht seine Kosten- und Auslagenentscheidung gestützt hat. Sind z. B. in der Sachentscheidung gemäß § 467 Abs. 2 dem Freigesprochenen bestimmte Verfahrens kosten auferlegt und bestimmte notwendige Auslagen von der Überbürdung auf die Staatskasse wegen Verursachung durch schuldhafte Versäumnis ausgenommen worden, so ist das Beschwerdegericht weder an die in der Sachentscheidung insoweit getroffenen tatsächlichen Feststellungen, noch an die Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts, es liege eine schuldhafte Versäumnis vor, gebunden. 3. Wirkung der Bindung. Die Bindung des Beschwerdegerichts an die die Hauptentscheidung tragenden tatsächlichen Feststellungen hat zur Folge, daß das Beschwerdegericht auch zu Beweiserhebungen nicht berechtigt ist, wenn die getroffenen Feststellungen nach seiner Auffassung die Hauptentscheidung nicht tragen, weil es ja die Hauptentscheidung so hinnehmen muß, wie sie getroffen ist. Dagegen sind weitere Beweiserhebungen zulässig, wenn die tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts zur Kosten- und Auslagenentscheidung unvollkommen, in ihrer Richtigkeit vom Beschwerdeführer angezweifelt sind oder die Kostenentscheidung nicht tragen, weil das erkennende Gericht von einer — nach Auffassung des Beschwerdegerichts — fehlsamen rechtlichen Würdigung, z. B. über den Begriff der Verursachung durch schuldhafte Versäumnis (§ 467 Abs. 2) ausgegangen ist. Enthält z. B. das Urteil keine Feststellungen über Auslagenversagungsgründe nach § 467 Abs. 3, so muß das Beschwerdegericht die fehlenden Feststellungen im Freibeweisverfahren treffen (OLG Oldenburg MDR 1972 348 = Nds. Rpfl. 1972 65). 4. Zweifel sind entstanden, wie das Beschwerdegericht zu verfahren hat oder verfahren kann, wenn die Entscheidung des erkennenden Gerichts zur Hauptsache keine tatsächlichen Feststellungen (oder nur formelhafte Wendungen) enthält. Hier kommt namentlich die Einstellung nach § 153 Abs. 3 in Betracht (sofern sie einer Anfechtung unterliegt; s. dazu oben Anm. V 3). Da sie (von hier nicht zu erörternden Ausnahmefallen abgesehen) unanfechtbar ist, bedarf sie keiner Begründung. Die Ermessensentscheidung zur Auslagenerstattung (§ 467 Abs. 4) bedarf zwar nach §§ 464 Abs. 3 Satz 1, 34 der Begründung, erging aber — jedenfalls in der Übergangszeit — häufig ohne weitere Begründung, weil im allgemeinen Ermessensentscheidungen keiner weiteren Begründung bedürfen, als daß aus ihnen ersichtlich ist, welchen Fall, für den das Gesetz eine auf das richterliche Ermessen gegrün2461

§ 464 Anm. VII

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

dete Entscheidung zuläßt, das Gericht für gegeben erachtet hat, und daß das Ermessen auch die Grundlage der Entscheidung ist (BGHSt. 1 177). Der Auffassung von Kl 6; „Ist die Einstellung nach § 153 Abs. 3 nicht oder ungenügend begründet, so darf und muß das Beschwerdegericht im Freibeweisverfahren, z. B. auf Grund des Akteninhalts und dienstlicher Erklärungen die erforderlichen Feststellungen selbst treffen", ist die Rechtsprechung mit Recht nicht gefolgt. Im Fall OLG Stuttgart NJW 1969 1446, auf den sich K l e i n k n e c h t aaO. beruft, enthielt der Einstellungsbeschluß zumindest die — wenn auch nicht ausführlich dargelegte — Beweiswürdigung des Richters, der Angeklagte könne voraussichtlich nicht aus tatsächlichen Gründen freigesprochen werden. „Das kann als tatsächliche Grundlage für die Entscheidung des Beschwerdegerichts genügen" (aaO. S. 1447). Im übrigen hat sich die Rechtsprechung — ausdrücklich oder der Sache nach — auf den Standpunkt gestellt, daß der sonst geltende Grundsatz, wonach das Beschwerdegericht, wenn es zu eigener Ermessensentscheidung berufen ist, die tatsächlichen Grundlagen seiner Entscheidung im wesentlichen unbeschränkt aus den Sachakten oder durch Freibeweis zusammenzutragen hat, angesichts des § 464 Abs. 3 Satz 2 ebensowenig gilt wie der sonst maßgebliche Grundsatz, daß Ermessensentscheidungen nur der in BGHSt. 1 177 bezeichneten Begründung bedürfen (vgl. OLG Schleswig SchlHA 1969 83; Celle NJW 1970 107; Hamburg NJW 1970 2127; 1971 292; MDR 1970 255, 695; Hamm NJW 1970 2128; Köln JMB1. NRW 1971 223; GA 1971 188; Frankfurt NJW 1972 457, 458). Daher ist die Entscheidung über die Auslagenerstattung aufzuheben, wenn der Einstellungs- oder der Kostenbeschluß nicht mit einer, wenn auch nur knappen, auf das Wesentliche beschränkten Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen und einer gedrängten Darstellung der für die Ermessensausübung des Vorderrichters maßgebend gewesenen Erwägungen versehen ist. Formelhafte Wendungen, wie etwa bei einer Versagung der Erstattung, daß die „Auslagenüberbürdung wegen der bisherigen Verfahrensergebnisse und wegen der Art der von dem Angeklagten begangenen Taten nicht billig wäre", genügen nicht (OLG Hamburg NJW 1970 2027). Erfolgt die Einstellung erst in der Berufungsinstanz, so genügt es nicht, daß der Sachverhalt aus dem 1. Urteil, die für eine Einstellung maßgeblichen Erwägungen möglicherweise aus der Berufungsbegründung entnommen werden können, denn das reicht, nachdem das 1. Urteil durch die Einstellung gegenstandslos geworden ist, nicht aus, um zu beurteilen, von welchem Sachverhalt das Berufungsgericht bei der Einstellung gemäß § 153 Abs. 3 ausgegangen ist (OLG Hamburg GA 1970 116). Ausnahmsweisé kann sich die Aufhebungs- und Zurückweisung erübrigen, wenn sich die einfach liegenden Sachumstände eindeutig aus dem übrigen Akteninhalt ergeben (OLGe. Hamburg NJW 1971 292; Celle MDR 1972 625). VII. Das Rechtsmittelgericht als Beschwerdegericht (zu § 464 Absatz 3 Satz 3). Diese Vorschrift trifft eine Sonderregelung über die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerde für den Fall, daß gleichzeitig die Kosten- und Auslagenentscheidung eines Urteils mit der sofortigen Beschwerde und die Entscheidung zur Hauptsache mit der Berufung oder Revision angefochten wird. Aus Gründen der Prozeßökonomie ist dann das Rechtsmittelgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig. Aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich ohne weiteres, daß mit „Berufungs- oder Revisionsgericht" die Kammer oder der Senat gemeint ist, die mit dem Rechtsmittel befaßt sind. Die besondere Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts besteht aber nur, solange es mit dem Rechtsmittel zur Hauptsache befaßt ist. Endet die Befassung z. B. durch Zurücknahme des Rechtsmittels, so endet auch die Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts, und zur Entscheidung ist das Gericht (und diejenige Kammer oder derjenige Senat) zuständig, dessen Zuständigkeit bei alleiniger Anfechtung der Kosten- und Auslagenentscheidung begründet wäre. Jedoch wird man das Berufungs- oder Revisionsgericht als „mit der Berufung oder Revision befaßt" bei Rechtsmittelzurücknahme so lange ansehen können, als die im Zusammenhang damit zu treffenden Nebenentscheidungen noch nicht erledigt sind, z.B. die in § 473 Abs. 1, 2 bezeichneten Kosten- und Auslagenentscheidungen noch nicht erlassen sind.

2462

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 a

§ 464 a (1) Kosten des Verfahrens sind die Gebühren und Auslagen der Staatskasse. Zu den Kosten gehören auch die durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage entstandenen sowie die Kosten der Vollstreckung einer Strafe, Nebenstrafe oder Nebenfolge oder einer vom Gericht angeordneten Maßregel der Sicherung und Besserung. (2) Zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten gehören auch 1. die Entschädigung für eine notwendige Zeitversäumnis nach den Vorschriften, die für die Entschädigung von Zeugen gelten, und 2. die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung zu erstatten sind Schrifttum: H. S c h m i d t , Die Berechnungsmethode für die Rahmengebühren der § § 83 ff. BRAGebO, NJW 1969 1377; derselbe: Die unglückliche Bestimmung des § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, NJW 1969 916; M ü m m l e r , Zum Begriff der „gesetzlichen" Gebühr i. S. des § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, Rpfleger 1971 169; H o l l y , Zur Erstattbarkeit der vereinbarten Verteidigervergütung, AnwBl. 1972 72; M a t z e n , Erstattung von Reisekosten auswärtiger Verteidiger, AnwBl. 1972 74; Schmidt, Die Vergütung des Strafverteidigers und die Erstattung der Kosten im Strafverfahren, Essen, 1972. Entstehungsgeschichte: § 464 a ist durch Art. 2 Nr. 21 EGO WiG eingefügt. Er enthält „aus systematischen Gründen und der besseren Übersicht wegen" (Bericht des Rechtsausschusses zu BT-Drucks. V/2600, 2601 S. 20) Begriffsbestimmungen der (gerichtlichen) Kosten des Verfahrens i. S. des § 464 Abs. 1 und den (außergerichtlichen) notwendigen Auslagen eines Beteiligten i. S. des § 464 Abs. 2. § 464 a Abs. 1 bringt keine Neuerungen; die dem jetzigen Satz 2 entsprechende Vorschrift fand sich bisher in § 465 Abs. 1 Satz 2 a. F. Eine dem § 464 a Abs. 2 entsprechende allgemeine Begriffsbestimmung fehlte bisher. Nur für das Privatklageverfahren enthielt § 4 7 1 Abs. 5 a. F. eine Vorschrift, die inhaltlich dem § 464 a Abs. 2 entsprach, und die nunmehr als entbehrlich gestrichen wurde. Übersicht I. Gerichtliche Kosten des Verfahrens (zu Abs. 1) 1. Bedeutung der Begriffsbestimmung 2. Vergütung des Pflichtverteidigers a) Gebühren b) Auslagen c) Zu Verteidigern bestellte Referendare 3. Kosten der Vorbereitung der öffentlichen Anklage a) Im allgemeinen b) Auslagen von Behörden außerhalb der Justiz c) Entschädigung und Belohnung Dritter 4. Kosten der Vollstreckung 5. Die Festsetzung der gerichtlichen Kosten II. Notwendige Auslagen Beteiligter (zu Abs. 2) im allgemeinen 1. Bedeutung der Aufzählung des Abs. 2 2. Begriff des „Beteiligten" 3. Begriff der notwendigen Auslagen 4. Auslagen Dritter 5. Rechtsschutzversicherung

III. Entschädigung für Zeitversäumnis (zu Abs. 2 Nr. 1) 1. und 2. Bedeutung der Verweisung auf das ZuSEG 3. Zeitversäumnis des gesetzlichen Vertreters des Angeklagten IV. Rechtsanwaltsgebühren (zu Abs. 2 Nr. 2) 1. Grundsatz 2. Gesetzliche Gebühren 3. Bestimmung der gesetzlichen Gebühr 4. Der Mittelwert 5. Anwendbarkeit des § 12 Abs. 2 BRAGebO 6. Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Erstattungsberechtigten 7. Andere Verteidiger als Rechtsanwälte 8. Auswärtiger Rechtsanwalt 9. Verteidigung von Mitangeklagten durch den gleichen Verteidiger 10. Mehrere Verteidiger 11. Der Rechtsanwalt als Verteidiger oder Vertreter in eigner Sache 12. Auslagen des Verteidigers V. Sonstige notwendige Auslagen

2463

§464 a Anm. 11—3

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

I. Gerichtliche Kosten des Verfahrens (zu Absatz 1) 1. Abs. 1 Satz 1 entspricht inhaltlich dem § 1 KGK, wonach unter Kosten des Verfahrens die Gebühren (§§ 67ff.) und Auslagen (§§ 91 ff.) nach Maßgabe des G K G zu verstehen sind. Teils klarstellend, teils erweiternd bestimmt § 464 a Abs. 1 Satz 2, daß zu den Verfahrenskosten auch die Kosten des Ermittlungsverfahrens und die Vollstreckungskosten gehören. 2. Vergütung des Pflichtverteidigers. Zu den Auslagen der Staatskasse gehören insbesondere die Gebühren und Auslagen des von Amtswegen zum Verteidiger bestellten Rechtsanwalts (§ 92 Nr. 7 GKG). a) Gebühren. Nach § 97 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) vom 26. 7. 1957 (BGBl. I. 907) erhält der gerichtlich bestellte Verteidiger die Mindestsätze des Gebührenrahmens, innerhalb dessen ein gewählter Verteidiger seine Gebühren bemessen kann, sowie Ersatz der zur sachgemäßen Wahrnehmung der Verteidigung des Beschuldigten erforderlichen Auslagen unmittelbar aus der Staatskasse. Daneben hat er gemäß § 100 (der auch im Jugendgerichtsverfahren gilt, OLG Hamm NJW 1961 1640) gegen den Beschuldigten den Anspruch auf Zahlung der Gebühren eines gewählten Verteidigers (also unter Bemessung innerhalb des gesetzlichen Gebührenrahmens), der jedoch insoweit entfallt, als der Rechtsanwalt Gebühren aus der Staatskasse erhalten hat, und der ferner nur insoweit geltend gemacht werden kann, als das Gericht des ersten Rechtszuges auf Antrag des Rechtsanwalts nach Anhörung des Beschuldigten feststellt, daß dieser ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts zur Zahlung in der Lage ist, wobei ein Anspruch des Beschuldigten gegen die Staatskasse auf Erstattung seiner notwendigen Auslagen (aus §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 2 bis 5) unberücksichtigt bleibt. Der Erstattungsberechtigte kann daher im Verfahren nach § 464 b den Gebührenanspruch seines gerichtlich bestellten Verteidigers nach § 100 erst geltend machen, nachdem die vorbezeichnete Feststellung über seine Zahlungsfähigkeit getroffen ist (OLG Düsseldorf NJW 1961 1640). Wegen dieser Wirkung der Feststellung nach § 100 BRAGebO kann auch die Staatskasse dagegen Beschwerde einlegen (OLG Köln NJW 1961 1639). In außergewöhnlich umfangreichen oder schwierigen Strafsachen kann dem bestellten Verteidiger auf seinen Antrag eine über den Mindestsatz der Rahmengebühr hinausgehende Gebühr durch das Oberlandesgericht bewilligt werden (§ 99; vgl. dazu BGH Rpfleger 1971 307; S c h m i d t AnwBl. 1972 69). Die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung (der Gebühr nur, soweit es sich um den gesetzlichen Mindestsatz handelt) erfolgt gemäß § 98 auf Antrag durch den Urkundsbeamten des erstinstanzlichen Gerichts; auf Erinnerung des Rechtsanwalts oder der Staatskasse dagegen entscheidet — abweichend von den allgemeinen Vorschriften — nicht das erstinstanzliche Gericht, sondern dessen Vorsitzender durch Beschluß und gegen dessen Beschluß ist einfache Beschwerde nach §§ 304—310 StPO zulässig. b) Auslagen. Der Pflichtverteidiger kann nicht nur seine tatsächlich entstandenen Postgebühren i. S. des § 26 BRAGebO erstattet verlangen, sondern er kann auch die Pauschale nach § 26 Satz 2 beanspruchen (BGH NJW 1966 1411; KG Rpfleger 1971 327; LG Dortmund AnwBl. 1972 201 m. w. Nachw. über die streitige Frage). Abschriften und Ablichtungen, die ein Pflichtverteidiger aus den Akten herstellen läßt, sind — bei Unanwendbarkeit des § 27 BRAGebO — gemäß § 25 Abs. 1 nicht gesondert erstattungsfahig (OLG Bremen Rpfleger 1971 231; a. M. OLG Celle AnwBl. 1971 57 = Rpfleger 1971 115 m. w. Nachw. über die Streitfrage). c) Zu Verteidigern bestellten Referendaren (§142 Abs. 2 StPO) sind die für die Erledigung des Auftrags aufgewendeten notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu ersetzen (Nr. 92 Abs. 2 RiStBV); die die Einzelheiten regelnde RV d. RJM vom 4. 8. 1936 (2111 VIc 1073) ist durch bundeseinheitlich vereinbarte Verwaltungsanweisungen (z. B. RdErl. d. Hess. JustMin. vom 5. 5. 1958, JMB1. S. 47) ersetzt. 3. Kosten der Vorbereitung der öffentlichen Klage. a) Im allgemeinen. Hierher gehören alle Kosten, die vor Erhebung der öffentlichen Klage zur Aufklärung einer Straftat und zur Ermittlung und Ergreifung des Täters aufgewendet 2464

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 a Anm. I 3

worden sind. Zu den Vorbereitungskosten, die der verurteilte Angeklagte nach § 465 Abs. 1 zu tragen hat, gehören auch solche, die entstanden sind, während das Verfahren noch nicht gegen diesen Angeklagten, sondern gegen eine andere verdächtig gewesene Person gerichtet war, oder soweit der zunächst angenommene schwerere rechtliche Gesichtspunkt fallen gelassen ist ( A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 281a und b; LG Mannheim Rpfleger 1963 196), denn diese Kosten dienten der Ermittlung des wirklichen (und demnächst verurteilten) Täters und seiner Schuld (vgl. aber § 465 Abs. 2). Anders liegt es, wenn sich das Ermittlungsverfahren zunächst gegen mehrere Mitbeschuldigte richtet und die übrigen bis auf den demnächst angeklagten und verurteilten Beschuldigten durch Einstellung aus dem Ermittlungsverfahren entlassen wurden. Dann trägt der Verurteilte solche Auslagen nicht, die ausscheidbar nur durch das Verfahren gegen die Mitbeschuldigten veranlaßt wurden (z. B. die Kosten der Alkoholblutuntersuchung eines anderen Unfallbeteiligten, AG T e t t n a n g Rpfleger 1958 384 mit Anm. Vogel), denn eine Haftung auch für solche Auslagen tritt nach § 466 Abs. 2 nicht einmal ein, wenn die an der Tat Beteiligten verurteilt worden sind. Waren Gegenstand des Ermittlungsverfahrens mehrere selbständige Taten, und ist Anklage nur wegen einer Tat erhoben, so gehören die durch die Aufklärung der anderen Taten entstandenen Kosten auch dann nicht zu den von dem verurteilten Angeklagten nach § 465 Abs. 1 zu tragenden Kosten, wenn das Ergebnis dieser Ermittlungen in der Hauptverhandlung verwertet wird (LG Braunschweig DAR 1971 51 betr. Verwertung einer Blutentnahme und -Untersuchung, die wegen des Verdachts eines nicht angeklagten Delikts erfolgte, bei der Strafzumessung wegen des angeklagten Delikts). Nach § 18 des Lebensmitteiges, i. d. F. vom 21. 12. 1958 (BGBl. I 950) fallen, wenn es im Verfolg der behördlichen Untersuchung von Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen zu einer strafrechtlichen Verurteilung — gleichviel aus welchem Gesetz (OLG Dresden JW 1933 1543) — kommt, dem Verurteilten die der Behörde durch die Beschaffung und Untersuchung der Proben, durch Betriebsbesichtigungen und durch die Tätigkeit von Sachverständigen erwachsenen Kosten zur Last. Sie rechnen also kraft Gesetzes zu den dem Angeklagten auferlegten Verfahrenskosten, so daß es eines besonderen Ausspruchs auch über diese Kosten im Urteil nicht bedarf (OLG Königsberg HRR 1938 Nr. 1011). Entsprechende Vorschriften enthält § 50 des Milchges. vom 31. 7. 1930 (RGBl. 1421). b) Auslagen von Behörden außerhalb der Justiz. Allgemein gehören zu den Kosten des Vorbereitungsverfahrens, außer den Aufwendungen der Strafverfolgungsbehörde, auch gem. § 92 Nr. 6 G K G die anderer Behörden, die auf Ersuchen der Strafverfolgungsbehörde oder aus eigner Inititative mitgewirkt haben, insbesondere die der Polizei, auch wenn diese Behörden aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung usw. auf Erstattung ihrer Aufwendungen verzichten (wegen Einzelheiten vgl. § 5 KostVerfg.; M ü l l e r - S a x Bd. II S. 403; Vereinbarung über die Kosten in Einlieferungssachen vom 4. 10. 1958, Bundesanz. Nr. 3/ 1959). Ebenso gehören hierher in Steuerstrafsachen die Auslagen, die einer Finanzbehörde bei der Untersuchung (und bei der Teilnahme an gerichtlichen Verfahren) entstanden sind (Nr. 317 RiStBV). c) Entschädigung und Belohnung Dritter. Aufwendungen, die der V e r l e t z t e zur Aufklärung der Straftat gemacht hat, gehören nicht zu den Kosten des Vorbereitungsverfahrens. Nach BayObLGSt. 26 147 = A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 283 kann die Strafverfolgungsbehörde ihm, wenn sie sich das Ergebnis seiner Bemühungen zu eigen macht, eine Entschädigung gewähren, die dann zu den Kosten des Vorbereitungsverfahrens rechnet. Indessen ist dieser Weg nicht gangbar. Denn nach richtiger Auffassung können Auslagen des Vorbereitungsverfahrens nur in dem Umfang, als die §§ 91 ff. G K G dies vorsehen, in Ansatz gebracht werden (vgl. M ü l l e r - S a x aaO. 388); dann aber ist kein Raum für die Uberbürdung der an Privatpersonen für die Mitwirkung bei der Aufklärung von Straftaten gewährten Entschädigungen und Belohnungen auf den Verurteilten, soweit es sich nicht um Gebühren für Zeugen oder Sachverständige handelt (§ 92 Nr. 4 GKG). So verfährt auch die Justizverwaltung: nach der AV d. RJM vom 25. 11. 1939 (DJ 1801) über die Aussetzung von Belohnungen für die Mitwirkung der Bevölkerung bei der Aufklärung von Straftaten (an deren Stelle z. T. neue Vorschriften der Länder getreten sind) sind zwar die Kosten der Bekanntmachung einer Auslobung als Auslagen in Rechtssachen zu buchen — das entspricht § 92 Nr. 3 G K G —, nicht aber die gewährten Belohnungen, die als gemischte Ausgaben, also als allgemeine 2465

§ 464 a Anm. I 4, 5; II 1 - 4

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Ausgaben für den Rechtspflegeapparat behandelt werden. Kosten der Untersuchungshaft werden nach § 92 Nr. 12 GKG, § 12 Kostenverfg. nicht erhoben. 4. Kosten der Vollstreckung. Auf die Kosten (Auslagen) der Vollstreckung finden die Vorschriften des G K G keine Anwendung, da die Vollstreckung Justizverwaltungsangelegenheit ist (vgl. § 1 GKG). In Ermangelung bundesgesetzlicher Vorschriften befinden daher die Justizverwaltungsvorschriften über den Umfang der Vollstreckungskosten, die der in die Kosten des Verfahrens Verurteilte zu tragen hat, insbesondere über die Höhe der Verpflegungskosten bei Freiheitsentziehung. Zu den Vollstreckungskosten gehören an sich z. B. auch die der ärztlichen Untersuchung eines Strafgefangenen, welche die Feststellung seiner Haftfähigkeit betreffen (OLG Kassel GA 52 267 = A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 285). Nach § 10 JustVerwKO i. d. F. von Art. IV des Ges. vom 26. 10. 1957 (BGBl. I 861) werden Kosten für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Sicherung und Besserung nur bei schuldhafter Arbeitsverweigerung des Gefangenen oder Verwahrten erhoben. Wo dagegen dem Verletzten die Befugnis zugesprochen ist, die Verurteilung auf Kosten des Verurteilten bekanntzumachen, sind die von dem Verletzten aufgewandten oder aufzuwendenden Veröffentlichungskosten Auslagen eines Beteiligten i. S. des § 4 6 4 a Abs. 2, die nach § 4 6 4 b festgesetzt werden (vgl. dazu OLGe Darmstadt und Celle A l s b e r g Entsch. 3 276a und b; s. auch BGHSt. 10 312). 5. Die Festsetzung der gerichtlichen Kosten und Auslagen erfolgt nicht im Festsetzungsverfahren nach §464b, sondern im Kostenansatzverfahren nach § 4 GKG. Gegen den Ansatz des Kostenbeamten steht dem Kostenschuldner und der Staatskasse die nicht fristgebundene Erinnerung zu, über die das Gericht der Instanz entscheidet. Auch soweit es sich um Auslagenforderungen justizfremder am Ermittlungsverfahren beteiligter Behörden handelt (oben Anm. 3 b), hat sie das Gericht umfassend und ohne Bindung an die Auffassung des Kostenbeamten und der beteiligten Behörde nachzuprüfen (BVerfG NJW 1970 = MDR 1970 485). Gegen die Entscheidung des Gerichts steht dem Kostenschuldner und der Staatskasse die einfache Beschwerde nach den §§ 304 bis 310 zu (§ 4 Abs. 2 GKG). II. Notwendige Auslagen eines Beteiligten (zu Absatz 2) im allgemeinen. 1. Abs. 2 enthält keine erschöpfende Aufzählung der notwendigen Auslagen, sondern beschränkt sich auf die Bestimmung, daß bestimmte Aufwendungen auch zu den notwendigen Auslagen gehören, schließt also die Erstattungsfähigkeit anderer notwendiger Auslagen nicht aus. 2. Auslagen eines „Beteiligten". Abs. 2 bezieht sich nicht auf Auslagen, die Verfahrensbeteiligte der Staatskasse schulden; hier handelt es sich um Verfahrenskosten i. S. des Abs. 1, die nicht im Verfahren nach § 464 b, sondern im Kostenansatzverfahren nach § 4 G K G der Höhe nach festgesetzt werden. Vielmehr bezieht sich Abs. 2 auf die Fälle, in denen a) die Staatskasse Schuldnerin gegenüber einem Beteiligten ist, z. B. gegenüber dem Beschuldigten gemäß §§ 467 Abs. 1, 467a, 470 Satz 2, 473 Abs. 2 bis 5 oder b) andere Beteiligte als die Staatskasse einander erstattungspflichtig sind, z. B. der Verurteilte gegenüber dem Privat- oder Nebenkläger nach § 471 Abs. 1, der Privatkläger gegenüber dem Beschuldigten nach § 471 Abs. 2, der Anzeigeerstatter und der Antragsteller gegenüber dem Beschuldigten nach §§ 469 Abs. 1, 470, der Angeklagte gegenüber dem Verletzten nach § 472 a. 3. Begriff der notwendigen Auslagen. Unter notwendigen Auslagen sind die einem Beteiligten erwachsenen, in Geld meßbaren Aufwendungen zu verstehen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Das entspricht der Begriffsbestimmung in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; eine entsprechende ausdrückliche Begriffsbestimmung in § 464 a Abs. 2 ist (wie schon in § 471 Abs. 5 a. F.) offenbar deshalb unterblieben, weil sie der Gesetzgeber für selbstverständlich und aus dem Begriff der notwendigen Auslagen ohne weiteres herleitbar hielt. 4. Auslagen Dritter. Notwendige Auslagen sind nur solche, die dem Erstattungsberechtichten selbst entstanden sind. Daher sind Auslagen eines Dritten nicht erstattungsfähig. 2466

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 a Anm. II 5; III 1

auch wenn der Erstattungsberechtigte eigene Auslagen erspart hat, die erstattungsfähig wären, wenn er sie selbst erbracht hätte (OLG Hamm NJW 1953 1445). Die Aufwendungen des Dritten sind aber eigne Auslagen des Erstattungsberechtigten, wenn er dem Dritten rechtlich erstattungspflichtig ist (LG Flensburg SchlHA 1962 203), z. B. aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Aufwendungen eines gesetzlichen Vertreters, z. B. die Kosten des von den Eltern für den minderjährigen Beschuldigten bestellten Verteidigers, stehen eigenen Aufwendungen des Erstattungsberechtigten gleich (LG Bückeburg NJW 1960 1629); vgl. Anm. I 8 zu § 467. 5. Rechts schütz Versicherung. Streitig ist, ob erstattungsfähige notwendige Auslagen gegeben sind, wenn eine Versicherungsgesellschaft auf Grund des mit dem (an sich) Erstattungsberechtigten abgeschlossenen Vertrages verpflichtet ist, ihm Rechtsschutz" zu gewähren, insbesondere die Kosten eines Verteidigers zu tragen. Die Frage ist — wie im Zivilprozeß (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1962 813; W i l l e n b ü c h e r S. 181 Ziff. 16) - zu bejahen. Bei dem im Vordergrund stehenden Erstattungsanspruch des freigesprochenen Angeschuldigten (§ 467 Abs. 1) kann es — unabhängig davon, ob die Versicherungsgesellschaft nach den Versicherungsbedingungen* auch dann zur Tragung der Verteidigerkosten verpflichtet ist, wenn dem Versicherungsnehmer ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht — dem Erstattungspflichtigen nicht zugute kommen, daß der Angeschuldigte durch eigene Aufwendungen vorgesorgt hat; auch erscheint es mit dem Charakter dieses Erstattungsanspruchs als eines öffentlich-rechtlichen, gegen den Staat gerichteten Entschädigungsanspruchs für die ihm durch den objektiv ungerechtfertigten Zugriff des Staates entstandenen Aufwendungen (vgl. Vorbem. 7 b vor § 464) nicht vereinbar, ihn im Hinblick auf seine private Vorsorge zu verkürzen. So auch im Ergebnis OLGe. Frankfurt NJW 1970 1695; Hamm JMB1. NRW 1971 237; Celle NJW 1968 1735; LGe. Bremerhaven MDR 1961 786; Bremen NJW 1962 1784; Düsseldorf NJW 1962 551; Göttingen MDR 1962 758; Mainz NJW 1961 1220; Tübingen und Karlsruhe Justiz 1963 354 f.; Regensburg DAR 1964 169 = VRS 1964 374; Hüdesheim NdsRpfl. 1964 119; Ellwangen AnwBl. 1965 58; Frankfurt AnwBl. 1968 60; Hamburg NJW 1968 1392; Hannover NdsRpfl. 1970 262 = AnwBl. 1971 22; W u s s o w NJW 1961 1697; E b S c h m i d t NachtrBd. II 20; M ü l l e r S a x 4 a zu § 467 a. F.; Kl 2 G; G ö h l e r 3c vor § 105 OWiG; S c h m i d t DAR 1967 242; a. M. LGe. Flensburg SchlHA 1962 203; Hamburg MDR 1962 757; Heidelberg Justiz 1963 145; Berlin VRS 37 209; M a y e r JZ 1962 339, 343; S c h m i d t SchlHA 1964 6). In gleicher Weise wird der Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse nicht dadurch berührt, daß der freigesprochene Angeklagte Mitglied eines Verbandes (Berufsverbandes, Gewerkschaft) ist, der seinen Mitgliedern „Rechtsschutz" gewährt (OLGe. Frankfurt MDR 1966 258; Celle NJW 1968 1735). Die für die Rechtsschutzversicherung laufend gezahlten Beiträge sind aber keine erstattungsfähigen Auslagen. III. Entschädigung für Zeitversäumnis (zu Absatz 2 Nr. 1). 1. Für das Privatklageverfahren bestimmte früher §471 Abs. 5 a. F., daß zu den zu erstattenden Auslagen auch die Entschädigung für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis gehöre. Ob dies auch außerhalb des Privatklageverfahrens gelte, war streitig; die Frage wurde früher überwiegend verneint (vgl. die Nachw. in Anm. 5 a zu § 467 der Voraufl.), in jüngerer Zeit aber zunehmend bejaht (vgl. u. a. OLG Koblenz NJW 1965 1289 betr. Verdienstausfall durch Teilnahme an der Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht; LGe. Itzehoe NJW 1968 118; Landshut NJW 1968 1536; Göttingen NJW 1968 2258). Nunmehr trifft § 464a Abs. 2 Nr. 1 eine für alle Strafverfahren geltende Regelung über die Entschädigung für notwendige Zeitversäumnis, d. h. für den Verdienstausfall. Durch die Kürzung der Fassung (früher in § 471 Abs. 5: „Die zu erstattenden Auslagen umfassen auch die Entschädigung für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden") sind aber Zweifel über die Tragweite der Vorschrift entstanden. * Vgl. S p e r l i n g , Neue Rechtsschutzversicherungsbedingungen, AnwBl. 1970 34.

2467

§ 464 a Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. III 2, 3 Die Verweisung auf die „Vorschriften, die für die Entschädigung von Zeugen gelten" wird z. T. dahin verstanden, daß damit auch auf § 1 des Ges. über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) i. d. F. vom 1. 10. 1969 (BGBl. I 1757) verwiesen werden, dem zufolge Zeugen nach dem ZuESG nur entschädigt werden, wenn sie von dem Gericht oder dem Staatsanwalt zu Beweiszwecken herangezogen werden. Von diesem Standpunkt aus erhält der freigesprochene Angeklagte eine Entschädigung für Zeitversäumnisse nur, wenn er von dem Gericht oder dem Staatsanwalt zu Beweiszwecken herangezogen wurde; es entfällt eine Entschädigung für Zeitversäumnis (Verdienstausfall), die dem freigesprochenen Angeklagten durch Besprechung mit seinem Verteidiger und durch Reisen zu ihm (vgl. dazu unten Anm. IV 8) entstanden ist (so z. B. OLG Stuttgart Justiz 1971 271; LGe. Aachen Rpfleger 1970 436 m. abl. Anm. S c h m i d t ; Mainz JVB1. 1972 22; E b S c h m i d t Nachtr. Bd. II Rdn. 7; Kl 2 D; G ö h l e r 3 A vor § 105 OWiG). 2. Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Verweisung auf das ZuSEG bezieht sich vielmehr nur auf diejenigen Vorschriften, die den Umfang und die Höhe der Entschädigung regeln; insoweit kommen insbesondere § 2 Abs. 2, 4 § 4 in Betracht. Es handelt sich also nicht um eine Rechtsgrund-, sondern um eine Rechtsfolgenverweisung (so auch LGe. Lüneburg NJW 1971 1575 = NdsRpfl. 1972 45; Weiden MDR 1971 598; Krefeld Rpfleger 1972 145; S c h m i d t zu AG Fürth KostRspr. § 4 6 4 a Nr. 18 und MDR 1971 598; L a p p e in Anm. zu LG Lübeck KostRspr. Nr. 24 zu § 464 a betr. Verjährung des Anspruchs). Für die Annahme, daß es sich bei der von § 471 Abs. 5 a. F. abweichenden Fassung um eine sachliche Einschränkung und nicht nur um eine stilistische Verkürzung des Wortlauts handele (so G ö h l e r aaO.), ergeben sich weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus dem Wortlaut oder aus dem Sinn der Vorschrift Anhaltspunkte. Wenn in dem Bericht des BT-Rechtsausschusses zu V/2600, 2601 S. 20 ausgeführt wird: „Die durch eine Zeitversäumnis entstandenen Auslagen sollen nach der Nr. 1 dem Angeklagten in gleicher Weise erstattet werden wie einem Zeugen. Eine unterschiedliche Regelung erscheint nicht angemessen", so ist hieraus nichts gegen die hier vertretene Auffassung zu entnehmen, denn diese Ausführungen lassen sich ohne Schwierigkeiten dahin verstehen, der Angeklagte solle für seinen Verdienstausfall durch notwendigen Zeitaufwand für seine Verteidigung in gleicher Höhe entschädigt werden wie ein Zeuge bei seiner Heranziehung zu Beweiszwecken. Eine einschränkende Auslegung widerspricht jedenfalls der die Neuregelung der Auslagenerstattung beherrschenden Tendenz des Gesetzgebers, den unverurteilt aus dem Verfahren hervorgehenden Angeschuldigten von den Aufwendungen freizustellen, die er für seine Rechtsverteidigung erbracht hat. Es erscheint auch geradezu ungereimt (so mit Recht LG Lüneburg aaO.), wenn sich der Beschuldigte eines Verteidigers bedienen darf, dessen Kosten stets erstattungsfähig sind, und ihm gleichzeitig — durch die Befürchtung einer Versagung der Auslagenerstattung für Verdienstausfall — verwehrt oder erschwert wird, diesen aufzusuchen und zu unterrichten. Die erforderliche Einschränkung der Auslagenerstattung ergibt sich daraus, daß die Informationsreisen notwendig sein müssen. Wenn auch dann noch erhebliche Mehrbelastungen der Staatskasse zu erwarten sind, so ist dies eine Folge der weitgehenden Auslagenerstattungsregelung durch den Gesetzgeber, und es ist nicht Sache des Richters, durch einschränkende Auslegung die fiskalischen Belange wahrzunehmen. Übrigens würde, wenn sich die Verweisung auf das ZuSEG auch auf dessen § 1 Abs. 1 bezöge, unklar bleiben, was unter einer „Heranziehung zu Beweiszwecken" zu verstehen ist. So wird bei der kommissarischen Vernehmung eines Zeugen (§ 223) nach § 224 der Angeklagte vom Termin nur benachrichtigt; seiner Anwesenheit bei der Vernehmung bedarf es nicht. Der Angeklagte wird also nicht vom Gericht „herangezogen". Es würde ihm daher bei einer auswärtigen kommissarischen Zeugenvernehmung, wenn er den Verdienstausfall bei eigner Wahrnehmung des Termins nicht riskieren will, zu empfehlen sein, sich durch einen auswärtigen Anwalt vertreten zu lassen, dessen Kosten erstattungsfähig sind (vgl. LG München I NJW 1971 2083 m. Anm. S c h m i d t ) . 3. Von dem hier vertretenen Standpunkt aus ist bei einem jugendlichen Angeschuldigten auch die Zeitversäumnis erstattungsfähig, die seinem gesetzlichen Vertreter durch die Information des Verteidigers entstanden ist (LG W e i d e n MDR 1971 598; vgl. oben Anm. II 4). 2468

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 a Anm. IV 1, 2

IV. Rechtsanwaltgebühren (zu Absatz 2 Nr. 2). 1. Grundsatz. Zu den stets erstattungsfähigen notwendigen Auslagen gehören die Gebühren und Auslagen eines mit der Verteidigung oder (beim Privat- und Nebenkläger und beim Nebenbeteiligten, §§ 434, 444) mit der Vertretung beauftragten Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. § 91 Abs. 2 lautet: „Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obliegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht bei dem Prozeßgericht zugelassen ist und am Ort des Prozeßgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Der obliegenden Partei sind die Mehrkosten nicht zu erstatten, die dadurch entstehen, daß der bei dem Prozeßgericht zugelassene Rechtsanwalt seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht an dem Ort hat, an dem sich das Prozeßgericht oder eine auswärtige Abteilung dieses Gerichts befindet. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen, oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten mußte. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte". Dazu ergänzend § 444 RAbgO: „Notwendige Auslagen eines Beteiligten i. S. des § 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO sind im Strafverfahren wegen Steuervergehen auch die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Steuerberaters, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers. Sind Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht geregelt, so können sie bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattet werden." Nach dem Grundsatz des § 91 Abs. 2 ZPO, § 467 StPO sind die Kosten des Anwalts als Wahlverteidiger zu erstatten, gleichviel, welches Gericht sachlich zuständig ist, und in welchem Stadium des Verfahrens der Anwalt tätig wurde; erstattungsfähig sind also auch die Kosten des im Vorverfahren und des in der Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht tätig gewordenen Anwalts. Eine Prüfung, ob die Zuziehung notwendig war, oder ob der Beschuldigte sich selbst hätte verteidigen können, ist ausgeschlossen. Die frühere Rechtssprechung, die das Honorar des Verteidigers für die Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht nicht oder nur mit Einschränkungen als erstattungsfähig ansah (vgl. die Nachw. in Anm. 5 b zu § 467 der Voraufl.), hat keine Bedeutung mehr; der Angeklagte hat grundsätzlich Anspruch darauf, vor dem Revisionsgericht zu Wort zu kommen (vgl. auch § 350 Abs. 3 i. d. F. des StPÄG 1964). So im Ergebnis auch E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 18 Kl 2 A; LGe. Düsseldorf AnwBl. 1970 109; Hildesheim AnwBl. 1970 60 = MDR 1970 439; Wuppertal KostRspr. Nr. 47 zu § 467. Die frühere Streitfrage, ob auch die Kosten der gleichzeitigen Zuziehung mehrerer Verteidiger erstattungsfähig seien (bejahend OLG Hamburg NJW 1957 1569; K G vom 13. 10. 1961, KostRspr. Nr. 9; verneinend OLG Oldenburg NdsRpfl. 1957 Nr. 18) ist durch die Verweisung auf § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO gegenstandslos geworden. Bei Anwendung des § 464a Abs. 2 Nr. 2 sind zahlreiche Streit- und Zweifelsfragen hervorgetreten, auf die hier nicht im einzelnen eingegangen werden kann; insoweit muß auf die Erläuterungswerke zur BRAGebO verwiesen werden. Als wesentlich ist hier hervorzuheben: 2. Gesetzliche Gebühren. Erstattungsfähig sind nach § 91 Abs. 2 ZPO nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts. Gesetzliche Gebühren sind die Rahmengebühren nach §§83 ff. BRAGebO, die im Einzelfall nach den Richtlinien des §12 BRAGebO bestimmt sind. Vereinbarte Honorare (§ 3 BRAGebO) sind nur insoweit erstattungsfähig, als sie diese gesetzliche Gebühr — nicht nur den Gebührenrahmen der §§ 83 ff. ( M ü m m l e r Rpfleger 1971) — nicht übersteigen (so auch, trotz z.T. unterschiedlicher Ausgangspunkte im praktischen Ergebnis übereinstimmend, die allg. M.; vgl. z. B. OLGe. Celle Rpfleger 1969 305; Hamm NJW 1969 1450; Schleswig SchlHA 1971 95; Frankfurt NJW 1971 1327; Düsseldorf MDR 1971 778; Celle Rpfleger 1971 28; Köln MDR 1970 696; LGe. Detmold NJW 1969 1394; Tübingen MDR 1970 946; Krefeld NJW 1970 71; D a h s Handb. Rdn. 1071; Kl 2 F; weitere Nachw. bei M ü m m l e r Rpfleger 1971 169; a. M. — für Ausnahmefalle — G e l l h ö r n AnwBl. 1968 304). Übersteigt ein vereinbartes Honorar die gesetzliche Gebühr, so hat der Rechtspfleger die gesetzliche Gebühr nach den 2469

§ 464 a Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. IV 3 Grundsätzen des § 12 BRAGebO selbst festzusetzen (LGe. Detmold NJW 1969 1394; Tübingen MDR 1970 946). Jedoch ist die Honorarvereinbarung insoweit dabei mitzuberücksichtigen, als sie gewisse Rückschlüsse zuläßt, welche Bedeutung der Auftraggeber der Angelegenheit beigemessen hat (OLGe. Schleswig SchlHA 1971 95; Celle Rpfleger 1971 28), und geringe Unterschiede in der Bewertung haben angesichts der Unsicherheit bei der Bewertung der einzelnen Faktoren des § 12 BRAGebO außer Betracht zu bleiben (OLG Celle aaO.). 3. Bestimmung der gesetzlichen Gebühr. Die §§ 83 ff. BRAGebO setzen für die Gebühren des Wahlverteidigers nur einen Rahmen (Mindest- und Höchstgebühr) fest. Im Einzelfall ist innerhalb dieses Rahmens die Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen, wobei insbesondere die Bedeutung, der Umfang und die Schwierigkeit der Strafsache sowie die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen sind (§ 12 BRAGebO). Eine Festsetzung der Rahmengebühr des Rechtsanwalts gegenüber seinem Auftraggeber im Verfahren nach § 4 6 4 b ist in der BRAGebO (vgl. § 19 Abs. 7) nicht vorgesehen. Der Rechtsanwalt muß vielmehr, wenn sein Auftraggeber die Angemessenheit der verlangten Gebühr bestreitet, im Wege des Zivilprozesses eine Klärung herbeiführen; § 12 Abs. 2 BRAGebO bestimmt für diesen Fall, daß das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer herbeizuführen habe. Eine andere Frage ist, inwieweit im Verfahren nach § 464 b, in dem § 12 Abs. 2 unanwendbar ist, Rechtspfleger und Erinnerungs- oder Beschwerdegericht befugt sind, die Angemessenheit einer vom Rechtsanwalt innerhalb des gesetzlichen Rahmens geforderten Gebühr nach den Grundsätzen des § 12 BRAGebO nachzuprüfen. Diese Frage ist seit jeher streitig. Während die früher herrschende Meinung dahin ging, daß den gerichtlichen Organen uneingeschränkt ein Nachprüfungsrecht zustehe und sie befugt seien, eine geringere Gebühr festzusetzen, wenn die verlangte (oder gezahlte) Gebühr unangemessen hoch erscheine (vgl. die Nachw. in der Voraufl. Anm. 7 b zu §464), kann heute von einer „herrschenden Meinung" nicht mehr gesprochen werden. Grundsätzlich — unter Verzicht auf die Darstellung von Varianten — stehen sich etwa folgende Auffassungen gegenüber: a) Grundsätzlich bestimmt der Rechtsanwalt seine Gebühr, denn die zu erstattende Gebühr des Verteidigers in ihrer nach § 12 BRAGebO zu bestimmenden Höhe entsteht nicht unmittelbar kraft Gesetzes, sondern beruht auf einer Bestimmungshandlung des Anwalts. Das Gericht prüft nicht die Angemessenheit der Gebührenbestimmung und die Billigkeit der Ermessensausübung des Rechtsanwalts, sondern lediglich, ob er den Gebührenrahmen beachtet, und ob nicht ein Ermessensmißbrauch, eine offensichtliche Übersetzung der Gebühr vorliegt (LGe. München AnwBl. 1970 361; Osnabrück AnwBl. 1970 138; Bochum AnwBl. 1971 91). b) Auch nach der „vermittelnden" Meinung bestimmt grundsätzlich zunächst der Anwalt seine Gebühr, dem Gericht steht aber ein erweitertes Prüfungsrecht zu. Es nimmt zwar im allgemeinen, soweit nicht eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensfehler (LG Hannover AnwBl. 1971 22) erkennbar ist, zunächst die anwaltliche Bestimmung hin. Erforderlichenfalls, so bei Einwendungen, prüft es aber, ob die Bestimmung durch den Anwalt angemessen und billig ist, und zwar nach der Richtung, ob sie vertretbar ist. Das Gericht setzt also nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des Anwalts. Eine andere Gebühr setzt es als „gesetzliche Gebühr" nur fest, wenn die Bestimmung durch den Anwalt nach dem gesamten Umständen unangemessen ist und nicht mehr der Billigkeit entspricht, weil sie die obere Grenze eines zulässigen Spielraums nach § 12 überschreitet (OLGe. Schleswig SchlHA 1971 95; Nürnberg AnwBl. 1970 323; JVB1. 1972 92; Düsseldorf MDR 1971 778; Celle MDR 1971 682; LGe. Detmold NJW 1969 1394 m. Anm. S c h m i d t ; Saarbrücken AnwBl. 1970 139; Tübingen MDR 1970 946; Osnabrück AnwBl. 1970 138; Krefeld NJW 1971 207; AnwBl. 1970 362; Rechtspfleger 1971 28; Frankenthal und Aschaffenburg AnwBl. 1971 239). c) Der Rechtspfleger sowie das Erinnerungs- und Beschwerdegericht haben grundsätzlich, da die „gesetzliche Gebühr" kraft Gesetzes entsteht, die Beurteilung der objektiven Kriterien des § 12 BRAGebO voll nachzuprüfen, das billige Ermessen auszuüben und die Angemessenheit der Gebühr festzustellen. Der Anwalt hat nur ein Vorschlags- oder

2470

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 a Anm. IV 4

Antragsrecht und m.uß in der Regel einen Antrag möglichst erschöpfend konkret begründen; an die Stelle seiner unrichtigen Beurteilung tritt die der gerichtlichen Organe (so z. B. K G JR 1971 78; OLGe. Celle Rpfleger 1971 28; Hamm MDR 1971 321; Rpfleger 1972 71; Frankfurt NJW 1971 2086; LGe. Schweinfurt NJW 1971 1052; MDR 1971 779; Mainz MDR 1971 418; Bamberg Rpfleger 1971 185; 1972 111; Wuppertal KostRspr. Nr. 25 zu § 4 6 4 a m. Anm. L u e t g e b r u n e ; M ü m m l e r Rpfleger 1971 169; R i e d e l - C o r v e s S u ß b a u e r 4; L a u t e r b a c h , Kostengesetze 2, je zu § 12 BRAGebO). Über weitere Entscheidungen, die hierher gerechnet werden können, vgl. M ü m m l e r Rpfleger 1971 170 Fußnote 17. d) Stellungnahme zu a — c. In diesem — vereinfachend skizzierten — Streit der Meinungen verdient die zu c dargestellte den Vorzug. Die Auffassungen unter a und b gehen davon aus, daß grundsätzlich aus §§ 315, 316 BGB sich das Recht des Anwalts ergebe, im Einzelfall die Höhe der Gebühr „nach billigem Ermessen" (vgl. § 12 Abs. 1 BRAGebO) zu bestimmen. Dann ergibt sich aber bereits aus § 315 Abs. 3, daß die Ermessensausübung der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Auch handelt es sich bei der Honorarbemessung gar nicht um einen (reinen) Anwendungsfall des § 315 BGB, denn die Ermessensausübung hat unter Berücksichtigung der objektiven Kriterien des § 12 BRAGebO zu erfolgen. Auch enthält § 12 BRAGebO in der Fassung vom 26. 7. 1957 abweichend vom früheren Recht- nicht mehr eine Vorschrift, daß die Bestimmung des Honorars innerhalb des Gebührenrahmens „von dem Rechtsanwalt" vorgenommen werde (vgl. dazu M ü m m l e r Rpfleger 1971 169, 170; LG Bamberg Rpfleger 1972 112). Schließlich fragt sich, ob § 315 BGB überhaupt innerhalb des durch die Erstattungspflicht der Staatskasse begründeten gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen dem Beschuldigten und der Staatskasse Anwendung findet (verneinend z. B. LG Bamberg Rpfleger 1972 111). Jedenfalls würde das Festsetzungsverfahren nach § 464 b weitgehend seinen Sinn verlieren, wenn Rechtspfleger, Erinnerungs- und Beschwerdegericht, deren Aufgabe es ist, über die Höhe der erstattungsfahigen Kosten zu entscheiden, auf die Prüfung beschränkt wären, ob die Bemessung durch den Rechtsanwalt bereits einen Ermessensbrauch darstellt, oder ob die oberste Grenze einer gerade noch vertretbaren anwaltlichen Ermessensausübung gewahrt ist; damit würden die berechtigten Belange des Erstattungspflichtigen auf Feststellung der nach gesetzlicher Vorschrift geschuldeten, nicht der vom Anwalt geforderten Gebühren, verkürzt, die zu wahren eine Aufgabe des Verfahrens nach § 4 6 4 b ist. Daß auch bei dieser Betrachtung dem Anwalt noch ein gewisser und nicht unbeträchtlicher Ermessensspielraum verbleibt, der sich in seinem Vorschlag niederschlägt, ergibt sich schon daraus, daß die einzelnen Bemessensfaktoren des § 12 BRAGebO ihrer Natur nach verhältnismäßig unbestimmt sind und sich einer exakten Aufteilung in Summanden der beantragten Gebühr entziehen. Daß ferner bei dieser Sachlage von kleinlichen (geringfügigen) Abstrichen abzusehen ist, versteht sich von selbst und wird auch von den Vertretern der oben zu c dargestellten Auffassung immer wieder betont (vgl. z. B. LG Bamberg Rpfleger 1972 111, 113). 4. Der „Mittelwert". Bei der Ausfüllung des Gebührenrahmens in Anwendung des § 12 BRAGebO wird in „Normalfallen", d.h. bei Sachen, in denen sämtliche, insbes. die nach § 1 2 BRAGebO zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlichen Maßstäben entsprechen — bei Sachen mittleren Umfangs und ohne besonderen Schwierigkeiten und bei wirtschaftlichen Verhältnissen, die denen des Durchschnitts der Bevölkerung entsprechen —, eine in der Mitte des Rahmens sich haltende Gebühr („Mittelwert", d. h. das arithmetische Mittel zwischen Mindest- und Höchstgebühr) im allgemeinen als angemessen angesehen (vgl. BayObLG NJW 1953 194; OLGe. Hamm JMB1. NRW 1953 189; Köln NJW 1962 830; Schleswig SchlHA 1971 96; LGe. Ulm, Hamburg, Hechingen AnwBl. 1960 99ff.; Regensburg JVB1. 1963 42; Frankfurt NJW 1962 2317; Mainz NJW 1963 1025; Rpfleger 1971 406; G e r o l d - S c h m i d t Rdn. 9 zu § 12 BRA GebO; S c h m i d t NJW 1969 1377; F o n t e s GA 1955 22; W i l l e n b ü c h e r - H o f m a n n - S c h ä f e r S. 383). Über eine differenzierende Betrachtung („abgestufte Mittelwerte") je nach der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts, der Dreiteilung der Straftaten und der Höhe der angedrohten Strafe vgl. LG Würzburg Rpfleger 1972 69. 2471

§ 464 a

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

A n m . IV 5 - 8 5. Unanwendbarkeit des § 12 Absatz 2 BRAGebO. § 12 Abs. 2 B R A G e b O , w o n a c h bei einem Rechtstreit zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber über die Angemessenheit der R a h m e n g e b ü h r ein G u t a c h t e n des Vorstands der R e c h t s a n w a l t k a m m e r einzuholen ist, ist — entgegen einer früher vereinzelt vertretenen A u f f a s s u n g (vgl. N a c h w . bei S c h n e i d e r N J W 1961 2198) — nicht in dem Sinn entsprechend a n w e n d b a r , d a ß eine Herabsetzung der vom Anwalt des Erstattungsberechtigten bemessenen R a h m e n g e b ü h r im Verfahren nach § 464 b erst nach A n h ö r u n g der R e c h t s a n w a l t s k a m m e r zulässig sei (vgl. M ü m m l e r Rpfleger 1971 173). Eine im Rechtsstreit zwischen dem Anwalt u n d seinem Auftraggeber getroffene Entscheidung ist im Verfahren n a c h § 4 6 4 b nicht bindend, denn der Erstattungspflichtige war an jenem Verfahren nicht beteiligt. 6. Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse. In Privatklagesachen und bei Erstattungspflicht des Nebenklägers gegenüber dem Beschuldigten und umgekehrt k o m m t es, soweit nach § 12 B R A G e b O die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Frage steht, stets auf die des Auftraggebers des Rechtsanwalts, nicht auf die des erstattungspflichtigen Gegners an ( O L G F r a n k f u r t N J W 1956 1120; L G e . D o r t m u n d N J W 1952 198; Zweibrücken Rpfleger 1952 4 4 3 ; F o n t e s G A 1955 51; a. M. L G Essen Rpfleger 1951 384). 7. Andere Verteidiger als Rechtsanwälte. D e n in § 464 a Abs. 2 N r . 2 genannten Rechtsanwälten stehen als Wahlverteidiger und Vertreter (§ 434) Rechtslehrer an deutschen Hochschulen (§ 138 Abs. 1) und mit Genehmigung des Gerichts bestellte andere Personen (§ 138 Abs. 2) hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit ihrer Vergütung grundsätzlich gleich (vgl. LGe. Braunschweig Rpfleger 1959 28; Mönchengladbach Rpfleger 1963 91). D e n n § 4 6 4 a Abs. 2 Nr. 2 besagt nur, d a ß stets auch die Kosten eines Rechtsanwalts erstattungsfähig sind, aber nicht, d a ß nur die Kosten eines Rechtsanwalts zu erstatten seien (ebenso O L G H a m m N J W 1970 1059; K l 2 E; O r t JVB1. 1972 101; a. M. S c h m i d t N J W 1969 917). In solchen Fällen gilt hinsichtlich der erstattungsfahigen Vergütung § 444 Satz 2 R A b g O (oben IV 1) entsprechend. 8. Auswärtiger Rechtsanwalt. a) N a c h § 91 Abs. 2 Satz 1 Z P O sind Reisekosten (i. S. des § 28 B R A G e b O , also einschließlich Tage- und Abwesenheitsgeld und Übernachtungskosten) eines Rechtsanwalts, der nicht bei dem Prozeßgericht zugelassen ist und am Ort des Prozeßgerichts auch nicht wohnt, nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechts Verteidigung notwendig war. D a für den Rechtsanwalt als Verteidiger die Frage, bei welchem Gericht er zugelassen ist, keine Rolle spielt (jeder deutsche Anwalt ist in dieser Eigenschaft bei jedem Strafgericht der B R D „zugelassen"), bedeutet die Verweisung in § 4 6 4 a Abs. 2 Nr. 2 auf § 91 Abs. 2 Satz 1 Z P O , d a ß , wenn der unverurteilt aus dem Verfahren hervorgehende Angeschuldigte sich eines nicht a m Sitz des Gerichts, bei dem das Strafverfahren anhängig ist (des erkennenden Gerichts) w o h n h a f t e n Anwalts bedient, dessen Reisekosten z u m Gericht nur insoweit erstattet werden, als seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war. b) W a n n diese Voraussetzung gegeben ist, war schon unter der H e r r s c h a f t des § 4 6 7 a. F. streitig (vgl. die Nachweise in A n m . 5 b zu § 467 der Voraufl.; dazu L G e L a n d s h u t D A R 1967 308; D o r t m u n d N J W 1967 897) und ist auch jetzt noch streitig. Einigkeit besteht insoweit, als bei schwierigen oder abgelegenen Rechtsmaterien die Zuziehung eines auswärtigen Anwalts mit besonderen Fachkenntnissen auf dem Spezialgebiet als zur Verteidigung notwendig angesehen wird, wenn ein solcher a m Gerichtssitz nicht vorhanden ist (vgl. z . B . O L G Düsseldorf N J W 1971 1146; L G Freiburg M D R 1970 1033). Im übrigen wird z. T. die Auffassung vertreten, aus der F a s s u n g des § 91 Abs. 2 ( J e d o c h nur insoweit, als . . . " ) ergebe sich, d a ß die Erstattung der Reisekosten des auswärtigen Anwalts die Ausn a h m e darstelle, und d a ß d e m g e m ä ß an die Notwendigkeit seiner Zuziehung strenge Anforderungen zu stellen seien. Eine Erstattung der Reisekosten des auswärtigen Anwalts k o m m t danach nur dann in Betracht, wenn die Rechts Verteidigung so entscheidende Schwierigkeiten in sich birgt, d a ß die Rechte des Angeklagten nur dann als hinreichend gewahrt angesehen werden können, falls er durch einen mit der Materie besonders vertrauten Rechtsanwalt 2472

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 a Anm. IV 9, 10

verteidigt wird. Dagegen reicht es nicht aus, daß der auswärtige Anwalt für den Angeklagten der Anwalt „seines Vertrauens" ist, oder daß er den Ruf genießt, allgemein über besonders gute Rechtskenntnisse zu verfügen (so OLG Düsseldorf NJW 1971 1146 = JVB1. 1971 136 = Rpfleger 1971 111 = KostRspr. Nr. 55 zu § 28 BRAGebO m. abl. Anm. S c h m i d t ; AnwBl. 1972 200; LG Bamberg Büro 1969 149; Kl 2 C). Jedoch ist nach OLG Düsseldorf AnwBl. 1971 325 dem Angeklagten, der einen am Tatort ansässigen Anwalt mit seiner Verteidigung beauftragt und mit ihm wegen dieser Sache bereits Rücksprachen gehabt hat, ein Verteidigerwechsel nicht zumutbar, wenn er später erfährt, daß das Verfahren an einem anderen Ort als dem Tatort durchgeführt wird. Nach LG Ulm AnwBl. 1970 324 genügt es, wenn der Angeklagte sich an den auswärtigen Anwalt wendet, weil er in der Bevölkerung den Ruf eines Spezialisten auf dem in Betracht kommen Rechtsgebiet genießt. Nach anderer Auffassung ist die Inanspruchnahme eines auswärtigen Anwalts i. S. des § 91 Abs. 2 ZPO in der Regel schon zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich, wenn der Angeklagte dies aus seiner Sicht für notwendig hält. Denn wegen des besonderen Schutzbedürfnisses eines jeden Angeklagten könne dieser, wenn er nicht am Gerichtsort wohnt, nicht schlechthin auf einen ihm unbekannten Anwalt am Gerichtssitz verwiesen werden, sondern müsse ohne Hemmungen durch finanzielle Überlegungen im Hinblick auf eine spätere Auslagenerstattung in der Lage sein, sich an einen Verteidiger „seines Vertrauens" (oder „seines besonderen Vertrauens") an seinem Wohnort oder in dessen Nähe zu wenden (vgl. OLGe. Nürnberg AnwBl. 1970 323; Koblenz NJW 1971 1147; LGe. Mainz AnwBl. 1969 77; Saarbrücken KostRspr. Nr. 53 zu § 467; AGe. Bonn AnwBl. 1969 66; Erlangen AnwBl. 1970 28; G e r o l d - S c h m i d t Rdn. 39 zu § 2 8 BRAGebO). Ob dem in dieser Allgemeinheit — also auch in Bagatellsachen — zuzustimmen ist, mag zweifelhaft erscheinen; jedenfalls aber muß die Staatskasse die Bestellung eines auswärtigen Anwalts „seines Vertrauens" dann gegen sich gelten lassen, wenn es sich um Strafsachen von einigem Gewicht handelt, wie namentlich bei Schwurgerichtssachen (OLGe. Zweibrücken Rpfleger 1972 71; Frankfurt OLGSt. zu § 467 StPO S. 45 f.). Zu der Auffassung, daß unter diesen Voraussetzungen der fernab vom Gerichtssitz wohnhafte Angeklagte in erstattungsfähiger Weise einen am Wohnort oder in dessen Nähe wohnhaften Anwalt in Anspruch nehmen darf, zwingt auch die Überlegung, daß dem Angeklagten grundsätzlich ein regelmäßiger mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger möglich sein muß ( E b S c h m i d t Nachtr. Bd. II Rdn. 13). 9. Verteidigung von Mitangeklagten durch den gleichen Verteidiger (vgl. § 146). Haben zwei Mitangeklagte den gleichen Verteidiger beauftragt, und wird der eine verurteilt, der andere freigesprochen, so steht dem Freigesprochenen der Anspruch auf Erstattung der vollen Anwaltsgebühren zu (vgl. § 6 Abs. 2 BRAGebO); er kann nicht auf einen internen Ausgleichsanspruch gegen den verurteilten Mitangeklagten verwiesen werden (LG Hamburg 1970 348 m. Nachw. über die streitige Frage). Der Anwalt, der in derselben Strafsache Wahlverteidiger des einen und Pflichtverteidiger des anderen Mitangeklagten ist, hat Anspruch auf die ungekürzten Gebühren, die ihm für beide Tätigkeiten zustehen; § 6 BRAGebO ist in diesem Fall unanwendbar (KG NJW 1971 2000 m. Anm. S c h m i d t = AnwBl. 1971 291). 10. Mehrere Verteidiger. Kraft der Verweisung auf § 9 1 Abs. 2 ZPO ist auch dessen Satz 3 anwendbar, wonach die Kosten mehrerer Anwälte nur insoweit zu erstatten sind, als sie die Kosten eines Anwalts nicht übersteigen, oder als in der Person des Anwalts ein Wechsel eintreten mußte. Daraus ergibt sich aber nicht, daß die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Wahlverteidigers ausgeschlossen wäre, den der Beschuldigte erst beauftragt, nachdem ihm schon ein Pflichtverteidiger bestellt ist, da der Beschuldigte nach §§ 137, 143 grundsätzlich sich eines gewählten Verteidigers bedienen kann (BayObLG NJW 1953 194; in dem entschiedenen Fall war gemäß § 142 Abs. 2 ein Referendar bestellt). Auch kann im Fall notwendiger Verteidigung dem Beschultigten nicht zugemutet werden, zu warten bis ihm ein Pflichtverteidiger zugeordnet wird, sodaß auch die Kosten des gewählten Verteidigers notwendige Auslagen darstellen, wenn dieser später aus Anlaß der Bestellung des Pflichtverteidigers seine Verteidigung niedergelegt hat (OLG Hamm MDR 1959 327). — Die Kosten eines weiteren Anwalts, der den Termin zur kommissarischen Vernehmung aus2473

§ 4 6 4 a Anm. IV; V

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

§ 464b wärtiger Zeugen wahrnimmt, sind bis zur Höhe der Reisekosten des Verteidigers erstattungsfähig (LG Mainz Rpfleger 1972 31). 11. Der Rechtsanwalt als Verteidiger oder Vertreter in eigener Sache. Die Verweisung in § 464 a Abs. 2 Nr. 2 erstreckt sich auch auf § 91 Abs. 2 Satz 4, wonach in eigner Sache dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten sind, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte. Daraus ergibt sich, daß ein Rechtsanwalt als Privatkläger von dem Verurteilten die Gebühren nach §§ 83, 94 BRAGebO und, wenn er sich als Angeklagter in einem Offizialverfahren selbst verteidigt, im Fall seines Freispruchs Gebühren nach §§ 83 ff. BRAGebO von der Staatskasse erstattet verlangen kann (LG Frankfurt MDR 1970 785). 12. Auslagen des Verteidigers sind nach §§ 25 ff. erstattungsfähig. Schreibgebühren des Verteidigers für Ablichtungen aus Strafakten (Fotokopien) sind erstattbar, soweit sie vom Standpunkt des Verteidigers aus für die sachgemäße Verteidigung notwendig sind oder notwendig werden können (OLGe. Stuttgart AnwBl. 1971 150: Celle NJW 1971 1050; LG Duisburg AnwBl. 1970 112). V. Sonstige notwendige Auslagen. 1. Als notwendige Auslagen kommen im übrigen u. a. in Betracht: die vom Beschuldigten aufgewandten Reisekosten zur Information des Verteidigers oder zu einem Termin auf Vorladung (LG Mannheim NJW 1969 1684; wegen der Zeitversäumnis durch Reisen vgl. oben III); die von ihm erbrachte Entschädigung der unmittelbar (§ 220) geladenen Zeugen (RG Rspr. 6 57; BayObLG A l s b e r g Entsch. 2 79) und zwar auch dann, wenn die Entlastungszeugen nicht vernommen worden sind (RGSt. 16 212; OLG Kolmar A l s b e r g Entsch. 2 337); die Kosten der Abschrift des freisprechenden Urteils (OLG Hamburg Entsch. 1 108; 3 298); die Kosten der Bescheinigung, daß ein freisprechendes Urteil rechtskräftig ist (OLGe. Celle und Hamburg A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 299a und 299b). Die Kosten einer Sicherheitsleistung zwecks Haftentlassung rechnen nicht zu den notwendigen Auslagen, weil sie nicht einen Akt der Verteidigung gegen den berechtigten Erlaß des Haftbefehls darstellen (OLGe. Darmstadt A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 300; Karlsruhe Rpfleger 1971 72). Die Kosten der Einholung eines privaten Gutachtens sind im allgemeinen nicht als notwendig anzusehen; anders kann z. B. liegen, wenn es sich um komplizierte technische Fragen oder um ein sehr abgelegenes Rechtsgebiet handelt (vgl. auch BayObLG LZ 1920 1207). Wegen der Kosten der Inanspruchnahme eines Detektivs zur Beschaffung von Entlastungsmaterial vgl. OLG Hamm NJW 1968 1537. 2. Verteidigt sich der Angeschuldigte selbst, so sollen nach LG Aachen Rpfleger 1970 436 m. Anm. S c h m i d t die Kosten für die Beschaffung eines Gesetzestextes auch dann keine notwendigen Auslagen darstellen, wenn sie weit unter den Kosten liegen, die bei der Verteidigung durch einen Rechtsanwalt entstanden wären. Das läßt sich in dieser Allgemeinheit bezweifeln; es kommt wohl auf die Umstände des Einzelfalles an. Keine notwendigen Auslagen des Strafverfahrens sind Auslagen durch eine Verfassungsbeschwerde, die während des Strafverfahrens im Zusammenhang mit ihm eingelegt wurde (vgl. OLG Hamm NJW 1966 2073).

§ 464 b Die Höhe der Kosten und Auslagen, die ein Beteiligter einem anderen Beteiligten zu erstatten hat, wird auf Antrag eines Beteiligten durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzt. Auf das Verfahren und auf die Vollstreckung der Entscheidung sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Ergänzende Verwaltungsvorschriften für die Behandlung der Fälle, die denen es sich um die der Staatskasse nach § 465 Abs. 2 Satz 3, § 467 Abs. 1, § 467 a Abs. 1 bis 3, § 470 Satz 2, § 472 b Abs. 2 oder § 473 Abs. 1 bis 5 auferlegten notwendigen Auslagen des Beschuldigten handelt, enthält Nr. 144 RiStBV.

2474

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464b Anm. I; II

Entstehungsgeschichte: Durch Art. 2 Nr. 22 EGOWiG ist wörtlich als § 464 b die Bestimmung verselbständigt worden, die bis dahin den Abs. 2 des § 464 a. F. bildete. Übersicht I. Gegenstand des Verfahrens nach § 464 b II. Zweck des Verfahrens III. Die Grundlage des Festsetzungsverfahrens IV. Antragserfordernis 1. Der Antragsberechtigte 2. Antrag auf Verzinsungsausspruch

V. Das Verfahren 1. Zuständigkeit, rechtliches Gehör, Begründungspflicht 2. Rechtsbehelfe und Rechtsmittel a) Erinnerung und DurchgrifTserinnerung b) Sofortige Beschwerde VI. Geltendmachung von notwendigen Auslagen des Beschuldigten durch den Rechtsanwalt

I. Gegenstand des in § 464 b geregelten Auslagenfestsetzungsverfahrens sind in erster Linie die notwendigen Auslagen eines Beteiligten i. S. des § 464 a Abs. 2. Hierher gehören aber auch die Fälle, daß Zeugen, Sachverständige, Verteidiger, Schöffen und Geschworene nach §§ 51, 70, 77, 81c, 145 Abs. 4 StPO, §§ 56, 84 GVG durch Beschluß in die Kosten verurteilt sind, die ihre Säumnis, Weigerung oder ihr Verschulden verursacht haben. Denn außer den Kosten der Staatskasse, z. B. an Auslagen für Zeugengebühren, die nach § 4 G K G festgesetzt werden, kommen auch Auslagen des Angeklagten (LG Kassel JW 1931 2394 Nr. 7), des Privat- oder Nebenklägers in Betracht (z. B. Auslagen für Zeugen nach § 220 Abs. 2 StPO, Reisekosten des Privatklägers); auch diese hat der in die Kosten Verurteilte den genannten Beteiligten zu erstatten, und über ihre Höhe wird nach § 464 b entschieden. II. Zweck des Verfahrens nach § 464 b ist die ziffernmäßige Festsetzung der Höhe der Auslagen, die der Beteiligte einem anderen zu ersetzen hat. Einer solchen Festsetzung bedarf es, wenn über die Höhe des zu erstattenden Betrages Streit besteht oder der Erstattungsberechtigte einen Vollstreckungstitel benötigt, um gegen den Erstattungspflichtigen die Vollstreckung betreiben zu können, da die Auslagenerstattungsentscheidung nach § 464 Abs. 2 keinen Vollstreckungstitel bildet, weil sie die Höhe des geschuldeten Betrages offenläßt. Diese Festsetzung setzt das Vorliegen einer Entscheidung nach § 464 Abs. 2 voraus, die dem Grunde nach eine Erstattungspflicht rechtskräftig ausspricht. Und zwar ist im allgemeinen eine ausdrückliche Entscheidung über die Auslagenerstattungspflicht erforderlich; die Umdeutung einer Entscheidung, die nur die Pflicht zur Tragung der „Kosten des Verfahrens" zum Gegenstand hat, in eine zugleich die Auslagenerstattungspflicht regelnde Entscheidung (vgl. dazu Anm. II 3 zu § 464) ist ein Notbehelf. Nur als Notbehelf kann es auch angesehen werden, wenn bei nicht eindeutig ausscheidbaren Auslagen im Falle des Teilfreispruchs und der Teilnichtverurteilung eine Quotelung erst im Auslagenfestsetzungsverfahren durchgeführt wird (vgl. Anm. III 6 a zu § 465), denn die quotenmäßige Verteilung von Auslagen betrifft den Grund der Erstattungspflicht. Fragen, die den Grund betreffen, werden aber grundsätzlich nicht im Festsetzungsverfahren entschieden, das nur dazu dient, die Auslagenentscheidung des erkennenden Gerichts ziffernmäßig zu vervollständigen und damit den Vollstreckungstitel zu schaffen. Als den Grund betreffend und daher nicht den Gegenstand des Verfahrens nach § 464 b bildend ist z. B. die Frage anzusehen, ob das erkennende Gericht mit Recht die Nebenklage zugelassen hat (LGe. Bochum MDR 1956 438; Traunstein MDR 1963 73; a. M. LG Essen NJW 1956 74), oder die Frage, ob es mit Recht einen Rechtsbeistand statt eines Rechtsanwalts als Vertreter des Nebenklägers zugelassen hat (LG Traunstein MDR 1963 73). Wird im Verfahren nach § 464 b rechtskräftig eine Auslagenfestsetzung abgelehnt, weil es an einer rechtskräftigen Auslagenerstattungsentscheidung dem Grunde nach fehle, so hindert dies den Erstattungsberechtigten nicht, das Festsetzungsverfahren von neuem unter Beibringung der bisher fehlenden Entscheidung dem Grunde nach zu betreiben (OLGHamburg NJW 1971 2185).

2475

§ 464 b Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. III; IV 1,2 III. Der Kostenausspruch als Grundlage des Festsetzungsverfahrens. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist der rechtskräftige Kostenausspruch des Sachurteils oder die isolierte Kostenentscheidung verbindlich (OLG Celle NJW 1971 1905). Lautet etwa bei Teilerfolg eines Rechtsmittels die Kostenentscheidung dahin: „Die Kosten des Verfahrens fallen zu 2 / 3 dem Angeklagten und zu '/ 3 der Staatskasse zur Last", so ist damit nur über die Auslagen der Staatskasse (§ 464 a Abs. 1) entschieden. Das Rechtsmittelgericht hat dann zwar entgegen § 473 Abs. 4 Satz 2 versäumt, über die notwendigen Auslagen des Angeklagten eine Entscheidung zu treffen; dieser Fehler kann aber im Festsetzungsverfahren nicht behoben werden (vgl. OLG Stuttgart Rpfleger 1970 439 und dazu Anm. II 3 d, cc zu § 464). Sind dem Verurteilten die Auslagen des Nebenklägers auferlegt, so kann er nicht mehr geltend machen, daß die Verurteilung nicht wegen eines die Erstattungspflicht begründenden Delikts erfolgt sei (OLG Hamm JMB1. NRW 1966 119). Die Bindung an den Kostenausspruch ist von besonderer Bedeutung in den Fällen des § 465 Abs. 2 und des Teilfreispruchs, wenn sich das Gericht vor die Entscheidung gestellt sah, ob es der Trennungs- oder der Quotentheorie folgen solle (vgl. Anm. II 4 c, d zu § 465). Würde z. B. bei Teilfreispruch das Urteil dahin lauten, soweit Freisprechung erfolgt sei fielen die Kosten des Verfahrens und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last, so könnte im Verfahren nach § 464 b nur geprüft werden, inwieweit ausscheidbare Auslagen — beim Verteidigerhonorar unter Anwendung der Differenztheorie (Anm. III 3 zu § 465) — festzustellen sind. Eine Quotelung der Auslagen, wenn eindeutig ausscheidbare Auslagen nicht festzustellen sind, wäre im Festsetzungsverfahren nicht mehr möglich (vgl. LG Mainz Rpfleger 1971 406; s. Anm. III 6 zu § 465); der Angeklagte hätte, wenn er aus einer solchen Kostenentscheidung Nachteile im Festsetzungsverfahren befürchtete, Beschwerde gegen den Kostenausspruch (§ 464 Abs. 3 Satz 1) einlegen müssen. IV. Antragserfordernis. 1. Allgemeines. Das Festsetzungsverfahren findet auf Antrag eines Beteiligten statt. Regelmäßig wird der Erstattungsberechtigte Antragsteller sein, doch wird auch dem Erstattungspflichtigen, der an der Klärung der Höhe seiner Erstattungspflicht ein Interesse hat, das Antragsrecht nicht abzusprechen sein. Der Antragsteller muß prozeßfähig sein. Er muß den Antrag grundsätzlich möglichst konkret begründen (LG Bamberg Rpfleger 1972 111, 112; s. auch Anm. IV 3c zu § 464a). 2. Antrag auf Verzinsungsausspruch. Streitig ist, ob im Verfahren nach § 464b der § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO anwendbar ist, wonach auf Antrag auch auszusprechen ist, daß die festgesetzten Auslagen von der Anbringung des Gesuchs an mit 4% zu verzinsen sind (vgl. die eingehenden Nachw. über den Stand der Streitfrage bei LG Krefeld (NJW 1971 2085 = JVB1. 1972 20). Die Frage wird u. a. (mit gewissen Unterschieden hinsichtlich des Beginns der Verzinsung) bejaht von OLGe. Saarbrücken JVB1. 1965 256; Bamberg KostRspr. Nr. 3 zu § 464 a. F.; Frankfurt KostRspr. Nr. 9 zu § 464b; Hamm JMB1. NRW 1966 132; Düsseldorf MDR 1971 684; Nürnberg JVB1. 1972 92; Karlsruhe AnwBl. 1972 239; LGe. Aachen und München NJW 1963 1794f.;GöttingenNJW 1964 680; Krefeld NJW 1971 2085; Düsseldorf AnwBl. 1971 90; Mönchengladbach AnwBl. 1971 117; Osnabrück AnwBl. 1970 138; Hannover AnwBl. 1971 92; Stuttgart AnwBl. 1970 240; Flensburg und Krefeld AnwBl. 1972 102; M ü l l e r - S a x 4d zu §464 a. F.; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 7; Kl 1 C. Sie wird verneint u. a. von OLGe. Düsseldorf Rpfleger 1964 58; Celle Rpfleger 1969 305; Stuttgart Rpfleger 1970 348 = Justiz 1970 385; Schleswig SchlHA 1971 95; LGe. Hildes heim NdsRpfl. 1964 95; Mannheim NJW 1965 1822, 1824; Braunschweig NdsRpfl. 1965 19; München I NJW 1971 2083 m. Anm. S c h m i d t ; Tübingen M D R 1970 946; Weiden MDR 1971 683. Die verneinende Auffassung macht geltend, § 464b Satz 2 verweise nur auf die Vorschriften der ZPO über das Verfahren bei Festsetzung und Vollstreckung, § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO sei aber keine Verfahrensvorschrift. Dieses formale Argument ist wenig überzeugend, denn die Verzinsungspflicht läßt sich aus §§ 288, 291 BGB herleiten und auch eine Vorschrift, die die Verpflichtung des Rechtspflegers ausspricht, auf Antrag die Verzinsungspflicht in den Kostenfestsetzungsbeschluß aufzunehmen, läßt 2476

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 464 b Anm. V 1,2

sich als Verfahrensvorschrift ansehen. Sachlich ist jedenfalls nicht einzusehen, warum § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht auch gelten sollte, wenn es sich um den Anspruch des freigesprochenen Angeklagten gegen die Staatskasse oder des Nebenklägers gegen den Verurteilten auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen handelt. Wenn ein Beteiligter für die Aufbringung seiner notwendigen Auslagen einem Dritten Zinsen bezahlt hat, gehören auch diese zu seinen notwendigen Auslagen (OLG Celle NdsRpfl. 1969 239). V. Das Verfahren. 1. Zuständig ist der Rechtspfleger des Gerichts des ersten Rechtszuges (§ 103 ZPO, § 21 Nr. 1 Rechtspflegerges.), und zwar nach Zurückverweisung einer Sache an ein anderes Gericht (§ 354 Abs. 2 Satz 1) der Rechtspfleger des Gerichts, das zuerst entschieden hatte (OLG Hamm Rpfleger 1956 339). Das Verfahren richtet sich nach §§ 103, 104 ZPO. Grundsätzlich hat der Rechtspfleger, der hier richterliche Funktionen ausübt (§ 9 Rpflegerges.), dem Gegner des Antragstellers ausreichendes rechtliches Gehör zu gewähren (OLGe München Rpfleger 1971 64; Stuttgart Rpfleger 1971 308). Ist die Staatskasse Antragsgegner, so erfolgt die Gewährung des rechtlichen Gehörs dadurch, daß dem Bezirksrevisor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird (Nr. 144 RiStBV); diese Form der Anhörung darf nicht in der Weise erfolgen, daß der Rechtspfleger die von ihm beabsichtigte Festsetzung mit der Anfrage mitteilt, ob der Bezirksrevisor einverstanden sei (LG Bamberg Rpfleger 1972 111). Der Rechtspfleger entscheidet durch Beschluß; dieser bedarf der Begründung (§ 34) und zwar einer eingehenden sachlichen Begründung, wenn es sich um zweifelhafte Posten oder schwierige Fragen handelt (OLGe. München Rpfleger 1971 64; Düsseldorf Rpfleger 1971 175; Stuttgart Rpfleger 1971 308; LG Krefeld NJW 1970 2035). Eine entsprechende Anwendung des § 105 Abs. 2 ist in Privatklagesachen möglich. Sind die Auslagen nach Bruchteilen geteilt, so ist § 106 ZPO entsprechend anzuwenden. Der Festsetzungsbeschluß ist dem Gegner des Antagsstellers zuzustellen, dem Antragsteller nur, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird. 2. Rechtsbehelfe und Rechtsmittel. a) Gegen den Beschluß des Rechtspflegers kann binnen einer Notfrist, die auch in Strafsachen 2 Wochen beträgt (LG Würzburg Rpfleger 1972 222; Meyer-Stolte Rpfleger 1972 195) und mit der Zustellung des Beschlusses beginnt, Erinnerung eingelegt werden. Der Rechtspfleger kann ihr abhelfen. Tut er es nicht, so entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges (das „Erinnerungsgericht"), und zwar a) bedingt, nämlich wenn es die Erinnerung für zulässig und begründet erachtet, und b) unbedingt, nämlich wenn gegen die Entscheidung, falls sie (von vornherein) das Erinnerungsgericht erlassen hätte, ein Rechtsmittel nicht gegeben wäre. Verneint das Erinnerungsgericht die Voraussetzungen seiner Entscheidungszuständigkeit, so legt es die Erinnerung dem für Beschwerden gegen Entscheidungen des Erinnerungsgerichts zuständigen Rechtsmittelgericht vor; die Erinnerung — sog. Durchgriffs erinnerung — gilt dann als sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Rechtspflegers (§ 21 Abs. 2 des Rechtspflegerges.). Das Erinnerungsgericht muß, wenn es eine Erinnerung teilweise für begründet hält, hinsichtlich des begründeten Teils selbst entscheiden und darf die Erinnerung nur hinsichtlich des nach seiner Auffassung nicht begründeten Teils dem Rechtsmittelgericht vorlegen (OLG Hamm Rpfleger 1971 14). Das eigenartige Institut der Durchgriffserinnerung bezweckt eine Beschleunigung des Rechtsmittelweges (Ersparung einer Instanz), wenn sonst stets erst das Erinnerungsgericht und erst auf sofortige Beschwerde gegen seine Entscheidung das Rechtsmittelgericht entscheiden müßte. Die Praktikabilität dieser Lösung wird aber bezweifelt (Überflutung der Oberlandesgerichte mit wenig bedeutungsvollen Kostensachen; vgl. G ö p p i n g e r JR 1971 448; L a p p e JR 1972 103; K u n t z e JR 1972 132) und die Fassung des § 21 Abs. 2 Rechtspflegerges. ist wenig gelungen. So ist streitig, ob über die Erreichung des Beschwerdewerts (§ 304 Abs. 3) das Erinnerungs- oder das Rechtsmittelgericht zu entscheiden hat (vgl. die Nachweise bei OLGe. Frankfurt und Hamm Rpfleger 1971 396); nach überwiegend vertretener Auffassung ist die Frage im Sinn der Entscheidungszuständigkeit des Erinnerungsgerichts zu beantworten. 2477

§ 464 b Anm. VI

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Wird gegen den Festsetzungsbeschluß des Rechtspflegers verspätet Erinnerung eingelegt und zugleich ein Wiedereinsetzungsgesuch angebracht, so entscheidet über das Wiedereinsetzungsgesuch der Erinnerungsrichter, wenn er es für gerechtfertigt und die Erinnerung sachlich für begründet erachtet, andernfalls das Rechtsmittelgericht (OLG Hamburg Rpfleger 1971 215; a. M. B e r g e r f u r t h Rpfleger 1971 395, wonach der Rechtspfleger entscheidet, wenn er das Wiedereinsetzungsgesuch für gerechtfertigt und die Erinnerung für begründet hält). b) Gegen die Entscheidung des Erinnerungsrichters findet sofortige Beschwerde statt (§ 104 Abs. 3 Satz 5 ZPO, § 21 Abs. 2 Satz 4 Rechtspflegerges.). Die sofortige Beschwerde kann stets ohne Mitwirkung eines Anwalts eingelegt werden. Das ist für den Zivilprozeß streitig (vgl. KG Rpfleger 1971 63; OLG Bremen NJW 1972 1241), ergibt sich aber für das Strafverfahren daraus, daß die Verweisung in § 464b Satz 2 auf die ZPO nur die Besonderheiten des Festsetzungsverfahrens (Entscheidung durch den Rechtspfleger, Erinnerung, sofortige Beschwerde) umfaßt; im übrigen finden die Vorschriften der ZPO nur entsprechende Anwendung, gelten also nur, soweit es sich mit den Grundgedanken der StPO verträgt; diese aber kennt keinen Anwaltszwang (so auch OLG Hamm JMB1NRW 1954 33; BayObLG NJW 1954 569). Daraus folgt weiter, daß die Frist für die sofortige Beschwerde nicht die Zweiwochenfrist des § 577 ZPO, sondern die einwöchige Frist des § 311 StPO ist; daß die strafprozessualen Beschwerdevorschriften anwendbar sind, ergibt sich daraus, daß für den entsprechenden Fall der Beschwerde gegen die im Kostensatzverfahren erfolgte Entscheidung des Strafgerichts § 4 Abs. 2 G K G auf die §§ 304 ff. StPO verweist (wie hier OLG Celle H R R 1928 Nr. 99; Hamburg JZ 1951 792; Oldenburg NJW 1955 1202; BayObLG JZ 1954 56; OLGe. München MDR 1957 375; Saarbrücken JB1. Saar 1960 136 = Rpfleger 1960 342; KG JR 1954 472 = NJW 1955 35 (unter Aufgabe von Recht 1929 43); LG Trier AnwBl. 1954 219; Aachen Rpfleger 1970 436 Kl 1 D; F o n t e s GA 1955 45; a. M. OLG Stuttgart JZ 1949 574; LG Düsseldorf MDR 1954 58; R ü t h NJW 1954 568; E b S c h m i d t NschtrBd. II Rdn. 10 m. Nachw.) Dem Beschwerdeführer können im Hinblick auf die Rechtsmittelbelehrung (§ 35 a) in dem auf Erinnerung gehenden Beschluß aus dem Meinungsstreit keine Nachteile entstehen ( M o l s b e r g e r NJW 1956 1347; OLG Saarbrücken Rpfleger 1960 342). Eine nach Ablauf der Beschwerdefrist eingelegte unselbständige „sofortige Anschlußbeschwerde", z. B. des Bezirksrevisors namens der Staatskasse, wenn der Angeklagte sofortige Beschwerde eingelegt hat, ist jedenfalls im Strafverfahren nicht zulässig (OLG Düsseldorf JMB1. NJW 1971 59). Wird gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung beantragt, so kommt es für den Beginn der Wiedereinsetzungsfrist — abweichend von den allgemeinen strafprozessualen Grundsätzen — auf die Kenntnis des Verteidigers von der Fristversäumung an (OLG Hamm NJW 1961 1319). Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist nach § 304 Abs. 3 von der Erreichung eines 50 DM übersteigenden Beschwerdewertes abhängig. Mit Erinnerung und sofortiger Beschwerde kann nur die Nachprüfung der Festsetzung begehrt, nicht eine weitere Erstattungsforderung geltend gemacht werden, über die eine Entscheidung des Rechtspflegers noch nicht vorliegt (OLG Hamm NJW 1966 2074); jedoch erscheint § 321 ZPO entsprechend anwendbar, wenn ein geltend gemachter Auslagenansatz übergangen ist (vgl. LG Zweibrücken NJW 1965 165 m. Anm. T s c h i s c h g a l e ) . Weitere Beschwerde ist nach § 310 ausgeschlossen (KG DJZ 1926 177; OLG Hamm Rpfleger 1952 287; Köln JR 1958 391). Der Kostenfestsetzungsbeschluß ist Vollstreckungstitel nach § 464 b Satz 2 StPO in Verb, mit § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Auch im Kostenfestsetzungsverfahren gilt das Verbot der reformatio in peius (OLG Hamm Rpfleger 1972 266). VI. Geltendmachung von notwendigen Auslagen des Beschuldigten durch den Rechtsanwalt. Soweit dem Beschuldigten ein Anspruch auf Erstattung seiner notwendigen Auslagen gegen die Staatskasse zusteht, ist er als Erstattungsberechtigter stets selbst der Antragsteller, nicht etwa der gewählte Verteidiger, dem er die Gebühren und Auslagen schuldet, und der ihn im Verfahren nach § 464 b vertritt (OLG Köln JMB1. NRW 1970 23 am Ende). Nach Nr. 128 Abs. l c RiStV 1953 konnte der Verteidiger seinen Anspruch auf Gebühren unmittelbar gegen die Staatskasse geltend machen (offenbar unter dem Gesichtspunkt einer jedenfalls stillschweigend erfolgten Abtretung des Erstattungsanspruchs oder einer Ermächtigung zur Geltendmachung). Diese Vorschrift ist zwar ab 1. 1. 1958 gestrichen und in 2478

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§465

Nr. 144 RiStBV nicht mehr enthalten. Nach L G Hildesheim NdsRpfleger 1961 40 und (Beschluß vom 6. 5. 1970) KostRspr. Nr. 16 zu § 4 6 4 b kann der Verteidiger den Erstattungsanspruch nur geltend machen, wenn der Angeklagte ihm seine Ansprüche abgetreten hat und das freisprechende Urteil auf ihn gemäß § 727 Z P O umgeschrieben ist, oder wenn der Verteidiger eine besondere Vollmacht vorlegt, die ihn zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs im Namen des Angeklagten ermächtigt. Dagegen sehen OLGe. Köln N J W 1962 830; München Rpfleger 1968 32 keine Bedenken darin, daß der Verteidiger Erstattung „zu seinen Händen" beantragt und gegen den Festsetzungsbeschluß (im eigenen Namen) Erinnerung und Beschwerde einlegt. S. dazu auch L G Bochum AnwBl. 1970 271. Eine besondere Gebühr für den Kostenfestsetzungsantrag steht dem Rechtsanwalt nicht zu (vgl. § 96 BRAGebO).

§465 (1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen deren er verurteilt oder eine Maßregel der Sicherung und Besserung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn das Gericht von Strafe absieht. (2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden, und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer T a t oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. (3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten. Schrifttum: G ö h l e r , Zur Auslegung der neuen Kostenvorschriften der StPO, N J W 1970 454; M e y e r , Die Entscheidung über die Kosten (§ 464 a I StPO) und die notwendigen Auslagen (§ 4 6 4 a II StPO) - Gedanken zur Auslegung des § 465 StPO, M D R 1971 357; derselbe: Kostenquotelung bei Teilfreispruch auch noch durch den Kostenfestsetzungsbeamten?, N J W 1972 12; K r e l l , Die Kostenfolge beim Teilfreispruch N J W 1971 1298; W a n g e m a n n , Die Kostenentscheidung beim Teilfreispruch, N J W 1969 1466; K r ä m e r , Die notwendigen Auslagen des freigesprochenen Angeklagten SchlHA 1971 29; G e l l h o r n , AnwBl. 1968 303; R e i n i s c h , Der Teilfreispruch unter dem Gesichtspunkt des Kostenrechts, JR 1967 329; S c h m i d t , Umfang der Verfahrenskosten bei Tateinheit, SchlHA 1965 101; W a n g e m a n n , Das Risiko der Staatskasse im Strafverfahren, München 1971. Übersicht Entstehungsgeschichte 1. Die Änderungen der Vorschrift 2. Zu Abs. 2 im besonderen a) Wortlaut der amtlichen Begründung des Entwurfs b) Änderung des RegEntwurfs im Bundestag Anmerkungen I. Zu Abs. 1 1. Voraussetzungen der Kostentragungspflicht des Angeklagten a) Verurteilung b) Absehen von Strafe c) Anordnung einer Maßregel der Sicherung und Besserung d) Folgerungen

2. Kostenbelastung des unverurteilt gebliebenen Angeklagten 3. Umfang der Kostentragungspflicht bei Verfahren in mehreren Rechtszügen 4. Bedeutung des Kostentragungsausspruchs 5. Bedeutung der Menschenrechtskonvention für die Kostentragungspflicht des Angeklagten 6. Bedeutung der Kostenpflicht eines Dritten für die Kostentragungspflicht des Angeklagten 7. Minderung der Kostentragungspflicht (§ 7 G K G , Niederschlagung von Gebühren und Auslagen) 8. Verjährung der Kostentragungsschuld

2479

§465 Anm. 1, 2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

II. Teilnichtverurteilung (zu Abs. 2) 1. Die Rechtslage vor Einfügung des Abs. 2. Reformbestrebungen und Ausweichversuche gegenüber unbilligen Ergebnissen 2. Voraussetzungen der Entlastung nach Abs. 2 3. Mußvorschrift 4. Der Streit um den Begriff der besonderen Auslagen und die Zulassung der teilweisen Überbürdung von Auslagen auf die Staatskasse durch Verteilung nach Bruchteilen (Quotelung) a) Teilnichtverurteilung („fiktiver" Freispruch) und („echter") Teilfreispruch b) Behandlung des Teilfreispruchs nach früherem Recht. Der Grundsatz der Ausscheidbarkeit (Trennbarkeit)

c) bis e) Rückschlüsse aus dem Grundsatz der Ausscheidbarkeit auf den Begriff der „besonderen Auslagen" des Abs. 2? III. Teilfreispruch 1. Auswirkungen des Abs. 2 auf den Teilfreispruch. Problemstellung 2. Stand der Streitfrage 3. Die Differenztheorie bei den Verteidigergebühren 4. Die Wandlung der Rechtsprechung. Erstreckung des Abs. 2 auf den Teilfreispruch 5. Vermittelnde Auffassungen: Bemessung des „fiktiven" Verteidigerhonorars nach BUligkeitsgrundsätzen 6. Zuständigkeit zur Quotelung. Verteilungsmaßstab bei Ermessensausübung IV. Zu Abs. 3 V. Nebenklage

Entstehungsgeschichte: 1. Abs. 1 lautete ursprünglich: „Die Kosten mit Einschluß der durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage und die Strafvollstreckung entstandenen hat der Angeklagte zu tragen, wenn er zu Strafe verurteilt wird." Nach Ergänzungen durch Art. 2 Ziff. 42 des Ges. vom 24. 11. 1933 (RGBl. I 1000), der die bisher in § 466 Abs. 1 a. F. enthaltene Regelung in § 465 Abs. 1 einarbeitete, § 8 Ziff. 5 des Ges. über Reichsverweisungen vom 23. 3. 1934 (RGBl. 1213) und Art. 15 des Kostenmaßnahmeges. vom 7. 8. 1952 (BGBl. 1401) entstand der Wortlaut, der den jetzigen Sätzen 1 und 2 des Abs. 1 entspricht. Satz 3 des Abs. 1 betraf die durch die Vollstreckung entstandenen Kosten. Durch Art. 2 Nr. 23 a E G OWiG vom 24. 5. 1968 (BGBl. I 503) wurde dieser Satz 3 wörtlich nach § 464 a als Satz 2 des Abs. 1 übernommen, durch Nr. 23 b, c der neue Abs. 2 eingefügt, und der bisherige Abs. 2 wurde Abs. 3. 2. Zur Entstehung des neuen Absatz 2. a) Art. 2 Nr. 13 des RegEntw. des EGOWiG (BT-Drucks. V/1319 vom 20. 1. 1967) sah die dem jetzigen Abs. 2 Satz 1, 2 entsprechende Regelung als Kann-Vorschrift vor. Die amtliche Begr. (S. 84) führt dazu aus: „Nach § 465 Abs. 1 StPO hat der Angeklagte die Kosten insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen deren er verurteilt oder eine Maßregel der Sicherung und Besserung gegen ihn angeordnet wird. Zu den Kosten des Verfahrens gehören auch sämtliche Auslagen, die durch die Untersuchung der Tat veranlaßt worden sind, selbst wenn das Ergebnis der Untersuchungshandlungen nicht zum Nachteil des Angeklagten, sondern zu seinen Gunsten ausschlägt. Wird der Angeklagte, dem ein Verbrechen (z. B. ein Mord) zur Last gelegt wird, nur wegen eines Vergehens (z. B. verbotenen Waffenbesitzes) verurteilt, so hat er auch die — unter Umständen recht beträchtlichen — Auslagen zu tragen, die durch die Untersuchung der Tat im Hinblick auf das angebliche Verbrechen entstanden sind, selbst wenn er das Vergehen von Anfang an eingestanden hat und insoweit keine Auslagen entstanden sind. Dies gilt sogar dann, wenn die Untersuchung ergeben hat, daß der Angeklagte das Verbrechen nicht begangen hat oder daß insoweit zumindest kein begründeter Tatverdacht vorliegt. Diese starre Kostenregelung wird schon seit langem als unbillig, ja als ungerecht empfunden. Bei dem im OWiG-Entwurf vorgesehenen neuen Verfahrensrecht würde diese Unbilligkeit in noch krasserer Weise zu Tage treten: Nach § 71 Abs. 1 des OWiG-Entwurfs (= § 82 Abs. 1 OWiG 1968) beurteilt das Gericht im Strafverfahren die Tat auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit. Es ist danach zulässig, im Strafverfahren gegen den Angeklagten nur eine Geldbuße festzusetzen, wenn die Untersuchung ergibt, daß er lediglich eine Ordnungswidrigkeit begangen hat. Nach § 37 Abs. 1 des OWiG-Entwurfs 2480

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 465 Anm. 2

(= § 46 Abs. 1 OWiG) i. V. m. § 465 StPO müßte er in einem solchen Falle auch die Auslagen tragen, die wegen der Untersuchung der Straftat entstanden sind. Der Entwurf nimmt dies zum Anlaß, die starre Kostenregelung des § 465 StPO aufzulockern. Die Regelung (des § 465 Abs. 2 Satz 1) soll dem Gericht die Möglichkeit geben, die Auslagen des Verfahrens aus Billigkeitsgründen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen sind. Zur näheren Abgrenzung, wann diese Voraussetzungen vorliegen, nennt der weiter angefügte Satz [2] zwei Hauptfalle. Der eine Fall ist der, daß der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat nicht verurteilt wird, also z. B. nicht wegen einzelner Teilakte einer fortgesetzten Handlung. Der andere Fall ist der, daß der Angeklagte wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird, also z. B. nicht wegen der ihm unter anderem zur Last gelegten Trunkenheit am Steuer (§ 315 c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB), sondern nur wegen fahrlässiger Körperverletzung. In diesen Fällen ist es besonders augenscheinlich, daß bestimmte, abgrenzbare Untersuchungen (z. B. die Entnahme der Blutprobe und deren Untersuchung) zugunsten des Angeklagten ausgegangen sind und daß es deshalb unbillig sein kann, den Angeklagten mit den insoweit entstandenen besonderen Auslagen zu belasten. Das kann aber auch in weiteren Fällen zutreffen, etwa bei Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter mildernder Umstände. Es kann z. B. ebenso unangemessen oder sogar ungerecht sein, den Angeklagten, der wegen fahrlässiger Tötung mit Rücksicht auf ein erhebliches Mitverschulden des Getöteten nur zu einer geringen Strafe verurteilt wird, mit solchen Auslagen zu belasten, die gerade durch die Aufklärung der Mitschuld des Getöteten entstanden sind. Der Entwurf wählt deshalb in § 465 Abs. (2 Satz 1) eine allgemeine Vorschrift, die dem Richter einen größeren Ermessungsspielraum einräumt und es weitgehend ermöglicht, kostenmäßig unbillige Ergebnisse zu vermeiden. Es würde allerdings zu weit führen, wenn das Gericht bei der Kostenentscheidung rückwirkend jede einzelne Untersuchungshandlung daraufhin prüfen müßte, ob sie zum Nachteil oder zugunsten des Angeklagten ausgegangen ist. In einer umfangreichen Strafsache, die mehrere Wochen oder Monate gedauert hat, wäre das Gericht hierzu kaum in der Lage. Eine kostenmäßige Aufgliederung nach einzelnen Untersuchungshandlungen wäre auch nicht berechtigt, weil für die Kostenentscheidung nicht der Ausgang einzelner Beweiserhebungen, sondern nur das Gesamtergebnis maßgebend sein kann. Der (§ 465 Abs. 2 Satz 1) stellt deshalb nicht auf das Ergebnis einzelner Untersuchungshandlungen, sondern auf das Ergebnis der Untersuchungen insgesamt ab, die zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände durchgeführt worden sind. Die Vorschrift wird danach nicht anzuwenden sein, wenn einzelne Untersuchungshandlungen (z. B. die Aussagen einiger Zeugen) Zweifel daran aufkommen lassen könnten, ob ein belastender Umstand (z. B. ein erschwerender rechtlicher Gesichtspunkt) festgestellt werden kann, also zugunsten des Angeklagten ausgehen, das Gericht aber nach dem Gesantergebnis der Beweisaufnahme diesen Umstand gleichwohl für festgestellt erachtet. In diesem Fall besteht kein Grund, den Angeklagten von den Kosten für die einzelnen Untersuchungshandlungen, die — für sich betrachtet — zu seinen Gunsten ausgegangen sind, freizustellen. Umgekehrt kann der Angeklagte aber auch von sämtlichen Kosten, die durch die Untersuchung eines bestimmten Umstandes entstanden sind, freigestellt werden, wenn die Untersuchung insgesamt zu seinen Gunsten ausgegangen ist, aber einzelne Untersuchungshandlungen belastende Anhaltspunkte ergeben haben. Vorausgesetzt wird allgemein, daß durch die Untersuchung besondere Auslagen entstanden sind. Das ist z. B. nicht der Fall, wenn das Gutachten eines Verkehrssachverständigen ergibt, daß der Angeklagte einen Unfall mit tödlichem Ausgang zwar verschuldet hat, aber ein Mitverschulden des Getöteten wahrscheinlich ist, und durch die Prüfung dieses Umstandes keine besonderen Auslagen entstanden sind. Unter den Voraussetzungen des neuen § 465 Abs. [2 Satz 1] können die Auslagen des Verfahrens teilweise oder auch ganz der Staatskasse auferlegt werden. Das Gericht kann danach die durch bestimmte Untersuchungen entstandenen Auslagen, sofern sie ausscheidbar sind, der Staatskasse auferlegen. Es kann aber auch die Auslagen nach Bruchteilen verteilen. Eine solche Kostenentscheidung wird namentlich zu wählen sein, wenn die Auslagen für bestimmte Untersuchungen nicht ausgeschieden werden können. Das Gericht kann ausnahmsweise die Auslagen auch insgesamt der Staatskasse auferlegen. Das wird

2481

§ 465 Anm. I 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

in Betracht kommen, wenn die Auslagen wegen der übrigen Untersuchungen, deren Ergebnisse zum Nachteil des Angeklagten verwendet werden, so geringfügig sind, daß sich eine Aufteilung nicht lohnt. Die neue Kostenregelung könnte dahin mißverstanden werden, daß unter den beschriebenen Voraussetzungen die Auslagen grundsätzlich der Staatskasse auferlegt werden sollen. Das könnte die praktische Handhabung der Vorschrift, die eine große Bedeutung erlangen kann, in Grenzfallen erschweren und dazu beitragen, in größerem Umfange Rechtsmittel einzulegen. Der Entwurf will dem vorbeugen. Er hebt deshalb ausdrücklich hervor, daß die Auslagen ausnahmsweise dann der Staatskasse auferlegt werden können, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Die entsprechende Ermessensentscheidung des Richters soll daher im Rechtsmittelverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob ein Mißbrauch des Ermessens gegeben ist." b) Der BT-Rechtsausschuß änderte den vorgeschlagenen Abs. 2 durch Umgestaltung der Kann- in eine Mußvorschrift. „Wenn es unbillig wäre, den Angekl. mit den Kosten zu belasten, so darf das Gericht nicht nur die Möglichkeit haben, den Angekl. von diesen Kosten zu befreien. Es muß vielmehr eine solche Entscheidung treffen, um die Unbilligkeit nicht eintreten zu lassen" (vgl. BT-Drucks. zu V/2600 u. 2601 S. 20). Ferner ergänzte er den Abs. 2 durch den jetzigen Satz 3. „Diese Ergänzung ergibt sich zwangsläufig aus (der grundlegenden Vorschrift des § 467 Abs. 1), wonach die notwendigen Auslagen des Angekl. der Staatskasse aufzuerlegen sind, soweit die gegen ihn gerichtete Untersuchung zu seinen Gunsten ausfällt" (Bt-Drucks. aaO.). Wegen einer weiteren Änderung des Entw. in Abs. 2 Satz 1 (jetzt: „so hat das Gericht die entstandenen Auslagen" statt „die Auslagen des Verfahrens") s. unten II 4 b am Ende. I. Zu § 465 Absatz 1. Diese Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen der Angeklagte die Kosten des Verfahrens ( § 4 6 4 a Abs. 1) zu tragen hat. Diese auf dem Veranlassungsprinzip beruhende Vorschrift ist grundgesetzmäßig (BVerfGE 18 302 = NJW 1965 387; vgl. dazu Vorb. 7a vor § 464). Daß der Kostentragungspflichtige auch die durch das Verfahren ihm erwachsenen Auslagen selbst trägt, bedurfte keines besonderen Ausspruchs, denn wenn, wie hier, ein Erstattungspflichtiger nicht in Betracht kommt, so bleiben die Auslagen an dem hängen, dem sie entstanden sind (vgl. aber die Ausnahmevorschrift in § 465 Abs. 2 Satz 3). 1. Die Kostentragungspflicht des Angeklagten ist danach an eine von drei Voraussetzungen geknüpft: a) Er muß wegen einer Tat verurteilt werden. In seiner ursprünglichen Fassung forderte § 465 eine Verurteilung zur Strafe. Dagegen genügt seit der Änderung der Fassung durch das Ges. vom 24. 11.1933 auch eine Verurteilung anderer Art. Eine Verurteilung liegt vor, wenn das Urteil eine Schuldfeststellung trifft und deswegen irgendwelche Unrechtsfolgen festsetzt (BGHSt. 14 391, 393). Eine Verurteilung liegt daher auch vor, wenn im Verfahren gegen Jugendliche oder Heranwachsende bei Anwendung von Jugendstrafrecht nur auf Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel erkannt wird (KG JR 1962 271) oder wenn der Richter im Fall des § 27 JGG die Schuld feststellt und die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe für eine Bewährungsfrist aussetzt; die Verurteilung besteht dann darin, daß die Schuld festgestellt und als Unrechtsfolge dem Angeklagten die mit Stellung unter Bewährungsaufsicht (§ 29 JGG) verbundene Bewährungszeit auferlegt wird (vgl. Vorbem. 5 a vor § 464). b) Nach der Legaldefinition des Abs. 1 Satz 2 liegt eine Verurteilung auch vor, wenn unter Schuldfeststellung („Schuldigsprechung", § 260 Abs. 2 Satz 2) von Strafe abgesehen wird. Das Gesetz sieht also schon in dem Ausspruch, daß von Strafe abgesehen werde, einen Akt der Strafzumessung (vgl. BGHSt. 16 399,401), ein Erkennen auf die leichteste Form einer Reaktion („Grenzfall der Zumessung", v. W e b e r MDR 1956 705; s. auch M a i w a l d ZStrW 83 663, 683; W a g n e r GA 1972 33, 36). Ein „Absehen von Strafe" kommt nur da in Betracht, wo das materielle Recht es vorsieht (vgl. Anm. 4 zu § 260). Ein Absehen von Strafe ist auch die Straffreierklärung nach §§ 199, 233 StGB, die in § 468 besonders geregelt ist (vgl. Anm. 1 zu § 468).

2482

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§465 Anm. I 2, 3

c) Einer Verurteilung steht die Anordnung einer Maßregel der Sicherung und Besserung gleich. In Betracht kommen nur Maßregeln i. S. des § 4 2 a StGB (BGHSt. 14 391, 393 = NJW 1960 1867 = MDR 1960 938). Die Anordnung begründet die Kostentragungspflicht ohne Rücksicht darauf, ob die Anordnung im subjektiven Strafverfahren neben einer Verurteilung oder neben einer Freisprechung (vgl. § § 4 2 b und 42 m StGB und dazu OLG Hamm JMB1. NRW 1964 224) erfolgt, oder ob die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt selbständig im Sicherungsverfahren angeordnet wird (vgl. § 429 Abs. 1 und RG HRR 1939 Nr. 604). Andere als die in § 42 a genannten Sicherungsmaßregeln, wie etwa die Einziehung, wenn sie nicht Nebenstrafe, sondern Sicherungsmaßnahme ist, gehören nicht hierher; wird eine solche Maßregel im subjektiven Strafverfahren in einem auf Freispruch oder Einstellung des Verfahrens (wegen Verjährung) lautenden Urteil angeordnet, so trifft den Angeklagten keine Kostentragungspflicht (vgl. BGHSt. 14 391; 21 367, 370). Wegen der Kostentragungspflicht des Nebenbeteiligten, wenn die Anordnung im selbständigen Verfahren erfolgt, vgl. § 472b. d) Folgerungen. Wird der Angeklagte verurteilt, so mindert sich seine Kostenpflicht nicht dadurch, daß das Gericht dem Antrag auf Anordnung einer Maßregel der Sicherung und Besserung nicht entspricht (RG HRR 1940 Nr. 50). In gleicher Weise besteht die Kostenpflicht unvermindert, wenn das Gericht zwar wegen Zurechnungsunfähigkeit freispricht, aber gemäß § 42 b StGB die Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt anordnet. An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn über Strafe und Maßregel getrennt in zwei Hauptverhandlungen entschieden wird. Wird z. B. der Angeklagte zur Strafe verurteilt, die Anordnung der Unterbringung des erheblich vermindert Zurechnungsfähigen in einer Heilund Pflegeanstalt aber abgelehnt und legt die Staatsanwaltschaft nur wegen der unterbliebenen Unterbringung Revision mit dem Erfolg der Aufhebung und Zurückverweisung ein, so trägt der Angeklagte, da das erste und das zweite erstinstanzliche Verfahren kostenrechtlich eine Einheit bilden, kraft seiner schon rechtskräftig gewordenen Bestrafung auch die weiteren Kosten der zweiten Hauptverhandlung, wenn in dieser wiederum die Anordnung der Unterbringung abgelehnt wird (BGH St. 18 231 = NJW 1963 724). Das Urteil hat dann gleichzeitig über die Kosten der (im Ergebnis) unbegründeten Revision der Staatsanwaltschaft zu entscheiden, wobei die Gerichtskosten der Revisionsinstanz und die dem Angeklagten in dieser erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last fallen (§ 473 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1). 2. Dem freigesprochenen oder sonst i. S. des § 467 unverurteilt gebliebenen Angeklagten können, sofern nicht neben dem Freispruch eine Maßregel der Sicherung und Besserung angeordnet wird, nur die Kosten einzelner Verfahrensmaßnahmen auferlegt werden, die er durch schuldhafte Versäumnis verursacht hat (§ 467 Abs. 2). Der Außerverfolgungsetzung steht es gleich, wenn die Eröffnung des selbständigen Sicherungshauptverfahrens abgelehnt wird (vgl. Anm. 3 zu § 429 b und § 429 b Abs. 1). 3. In welcher Instanz der Angeklagte verurteilt, von Strafe abgesehen oder eine Maßregel angeordnet wird, ist gleichgültig; mehrere Instanzen bilden kostenrechtlich eine Einheit; dem in einer höheren Instanz Verurteilten fallen die Kosten auch der Vorinstanz zu Last, in der auf Freisprechung erkannt war (BGH NJW 1960 109). — Dementsprechend hat der Angeklagte die gesamten Kosten des Verfahrens auch dann zu tragen, wenn er in der Vorinstanz zur Strafe verurteilt wird, nachdem ein freisprechendes Urteil dieser Instanz aufgehoben und die Sache zur anderweiten Entscheidung zurückverwiesen war. Denn maßgebend ist die das Verfahren abschließende Sachentscheidung; die Aufhebung eines Urteils und Zurückverweisung der Sache in die Vorinstanz stellen noch keinen Erfolg des Rechtsmittels dar (vgl. Anm. III 5 zu § 473). Das gleiche güt, wenn ein Gericht in unrichtiger Beurteilung der Rechtslage sich für unzuständig erklärt und dadurch eine neue Hauptverhandlung vor einem höheren Gericht herbeigeführt hat (RG Recht 22 Nr. 458; OLG Stuttgart JW 1928 2294). Mit diesen Grundsätzen steht es nicht in Einklang, wenn BGHSt. 13 157, 162 im Fall der Aufhebung des angefochtenen Urteils von Amtswegen wegen des Verfahrenshindernisses der sachlichen Unzuständigkeit der Vorinstanz (ohne sachliche Prüfung) den demnächst Verurteilten von den ausscheidbaren Mehrkosten, die durch das Verfahren vor dem unzuständigen Gericht entstanden sind, entbinden will. In solchen Fällen kommt vielmehr gegebe-

2483

§ 465 Anm. 14—6

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

nenfalls nur der Weg des § 7 GKG (vgl. Anm. I 7) in Betracht (vgl. auch BGHSt. 13 306, 311). S. auch Anm. II 4 zu § 467. 4. Die Verpflichtung des Verurteilten zur Kostentragung erstreckt sich kraft Gesetzes auf die in § 464 a Abs. 1 bezeichneten Kosten; eines ausdrücklichen Ausspruches über diesen Umfang der Kostenpflicht bedarf es nicht (OLG Stuttgart JW 1928 2294). - Die Verletzung von Vorschriften über die Kosten des Verfahrens enthält die Verletzung materiellrechtlicher Rechtsnormen (RGSt. 24 384; 59 126; RG JW 1933 1600,1957; HRR 1939 Nr. 604; OLG Darmstadt A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 326). Daher kann — bei Zugrundelegung der Auffassung, daß eine in vollem Umfang eingelegte Revision sich ohne weiteres auch auf die Kostenund Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils erstrecke (vgl. Anm. V 2 b zu § 464) — das Revisionsgericht bei nur sachlicher Revision des Angeklagten, dem die Auslagen des Nebenklägers auferlegt sind (vgl. Anm. B I 1 zu § 471), nicht die verfahrensrechtliche Frage nachprüfen, ob der Nebenkläger mit Recht zugelassen war (RGSt. 59 126). 5. Nach Art. 6 Abs. 3 e der Menschenrechtskonvention hat der der Gerichtssprache nicht mächtige (also im allgemeinen der ausländische) Angeklagte das Recht, die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers (§ 185 GVG) zu verlangen. Daraus folgen AGe. Bremerhaven NJW 1963 827; Geilenkirchen NJW 1971 2320 und das in der letzteren Entscheidung angeführte Urteil des LG Aachen vom 21. 1. 1969, daß ihm im Fall der Verurteilung die durch die Zuziehung eines Dolmetschers entstandenen Auslagen (§ 92 Nr. 4> GKG, § 17 ZuSEG) — abweichend von § 465 — nicht zur Last fallen. Wäre das richtig, so fielen dem mittellosen Angeklagten auch die Kosten des Pflichtverteidigers nicht zur Last, auf dessen unentgeltlichen Beistand er nach Art. 6 Abs. 3 c MRK unter gewissen Voraussetzungen ein Recht hat. Die „Unentgeltlichkeit" soll offenbar nicht mehr bedeuten, als daß die Hinzuziehung des Dolmetschers und die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht von irgendwelchen Vorleistungen des Angeklagten abhängig gemacht werden darf, schließt aber nicht aus, daß die dadurch entstandenen Auslagen (wegen des Pflichtverteidigers vgl. § 92 Nr. 7 GKG, §§ 100, 101 BRAGebO) ihm im Fall der Verurteilung zur Last fallen, unbeschadet dessen, daß gegenüber einem mittellosen Angeklagten von der Beitreibung nach den kassenrechtlichen Vorschriften abgesehen werden kann (ebenso LG Mannheim Rpfleger 1965 52; Kl 10 zu Art. 6 MRK). 6. Kostenpflicht eines Dritten. Sind auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift (vgl. z. B. §§ 51, 70, 77, 81 c Abs. 4, 145 Abs. 4 StPO, §§ 56, 84 GVG) die Kosten einzelner Akte oder Teile des Verfahrens einem Dritten wegen eines diesen treffenden Verschuldens auferlegt, so hat der verurteilte Angeklagte diese auch dann nicht zu tragen, wenn der verpflichtete Dritte zahlungsunfähig ist; das Gesetz enthält keine Bestimmung, aus der eine subsidiäre Haftbarkeit des Angeklagten hergeleitet werden könnte. Die Einschränkung der Kostentragungspflicht des verurteilten Angeklagten, die dadurch eintritt, daß ein solcher Dritter eine Teil der Kosten zu tragen hat, muß in der Urteilsformel (BGHSt. 10 127; s. dazu LG Göttingen NJW 1967 2171), mindestens aber in den Urteilsgründen zum Ausdruck kommen (RG DJZ 1909 148); unterbleibt dies, so haftet der Verurteilte gleichwohl nur in dem eingeschränkten Umfang (vgl. RG JW 1895 97). Trotz der Rechtskraft des uneingeschränkt dem Angeklagten die Kosten auferlegenden Urteils kann die Einschränkung nachträglich durch Beschluß ausgesprochen werden, wenn dem Dritten erst jetzt die Kosten der Säumnis usw. auferlegt werden (a. M. BGH aaO.: eine nachträgliche Einschränkung der Kostenentscheidung des Urteils sei unzulässig; die nachträgliche Belastung des Dritten schließe auch nicht „mit Sicherheit" die Inanspruchnahme des Verurteilten aus der ihn uneingeschränkt belastenden Kostenentscheidung aus). Umgekehrt verliert eine im rechtskräftigen Urteil ausgesprochene Einschränkung der gedachten Art ihre Bedeutung, wenn nachträglich die Teilkostentragungspflicht des Dritten wegfallt, z. B. der in die Kosten verurteilte Zeuge sich nachträglich genügend entschuldigt oder auf Beschwerde die Belastung mit den Säumniskosten aufgehoben wird (OLG Hamm NJW 1956 1935, a. M. anscheinend BGH aaO.). S. dazu auch Anm. 14 zu § 467. 2484

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 465 Anm. 17, 8; II 1 7. Eine Minderung des Umfangs der Kostentragungspflicht, die dem Verurteilten auferlegt ist, kann, abgesehen von den in Anm. 6 erörterten Fällen, auch dadurch eintreten, daß Gebühren und Auslagen nach § 7 GKG nicht erhoben werden. Diese Vorschrift bestimmt: „(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amtswegen veranlaßte Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Bescheide sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung der Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht. (2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Abs. 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden." Eine „unrichtige Behandlung" i. S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 ist nur anzunehmen, wenn das Gericht gegen eindeutige gesetzliche Normen verstoßen hat und dieser Verstoß offen zutage tritt, oder wenn ein offensichtliches Versehen vorliegt; nicht etwa rechtfertigt jede irrtümliche Behandlung die Anwendung des § 7 (BGH MDR 1963 45; JVerwBl. 1961 36 mit Nachw.; s. auch Anm. II 3 zu § 467). Unter diesen Voraussetzungen kommt eine Niederschlagung von Kosten nach § 7, die auch das Revisionsgericht bzgl. der Kosten der Vorinstanzen aussprechen kann, z. B. in Betracht, wenn ein Urteil wegen wesentlicher Verfahrensfehler, etwa unrichtiger Besetzung des Gerichts oder Versagung des rechtlichen Gehörs, aufgehoben werden muß (BGHZ 27 163 = NJW 1958 1187). Niederschlagungsfähig sind auch die Kosten, die durch unrichtige Sachbehandlung seitens der Staatsanwaltschaft entstanden sind (LG Hildesheim Rpfleger 1962 454 mit Anm. von Lappe). Die Gerichtskosten eines unzulässigen Rechtsmittels sind nach KG JR 1957 430 in entsprechender Anwendung des § 7 GKG niederschlagungsfähig, wenn sich das Rechtsmittel gegen eine offensichtlich unrichtige Entscheidung wendete. Wegen der Niederschlagung von Gebühren und Auslagen im Wege der Gnade und aus Billigkeitsgründen nach den kassenrechtlichen Vorschriften s. Vorbem. 6 vor § 464. In anderen als den in Anm. 6 und § 7 GKG bezeichneten Fällen ist das Gericht nicht befugt, bei der Verurteilung des Angeklagten in die Kosten solche Beträge auszunehmen, die durch Verschulden einer dritten Person oder durch unrichtige Behandlung der Sache erwachsen sind (RGSt. 1 334; RGRspr. 7 710; Recht 1913 Nr. 790; BGHSt. 13 306, 311; BayObLGSt. 17 76; OLG Stuttgart JW 1928 2294; a. M. OLG Darmstadt GA Bd. 40 190). Wegen eines Ausnahmefalles, in dem eine Revision ohne Verschulden des Angeklagten zur Korrektur einer unrichtigen Kostenentscheidung notwendig geworden war, vgl. RG HRR 1930 Nr. 300. Es bleibt dem Angeklagten überlassen, im Wege des Zivilprozesses gegebenenfalls Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung (Art. 34 GG, § 839 BGB) geltend zu machen, wenn ein Beamter durch unrichtige Behandlung der Sache Mehrkosten verschuldet hat (RGSt. 1 338 a. E.) 8. Die Verjährung der Kostentragungsschuld des rechtskräftig Verurteilten richtet sich nach den Verjährungsvorschriften für die Verfolgung der zugrundeliegenden Straftat (OLG Hamm JMB1. NRW 1967 214 = VRS 33 191). II. Teilnichtverurteilung (zu Absatz 2). 1. Die Rechtslage vor Einfügung des Absatzes 2. a) Die Kostentragungspflicht umfaßt nach Abs. 1 die Kosten, soweit sie durch das Verfahren wegen der Tat (= des einheitlichen natürlichen Handlungsvorgangs i. S. des § 264; OLG Hamm JMB1. NRW 1964 45) entstanden sind, wegen deren die Verurteilung, die Schuldigsprechung unter Absehen von Strafe oder die Maßregelanordnung erfolgte. Wird bei Anklage wegen Tatmehrheit nur wegen einer oder mehrerer Taten verurteilt, im übrigen aber auf Freisprechung, Außerverfolgungsetzung oder Einstellung des Verfahrens erkannt, so fallen die wegen der letzteren Taten entstandenen gerichtlichen Kosten und notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last (§ 467 Abs. 1). Aus dem Grundsatz des Abs. 1 folgt dagegen, daß der Verurteilte die gesamten gerichtlichen Auslagen trägt, wenn im Eröffnungsbeschluß (§ 207) Tateinheit (§ 73 StGB) angenommen war, er aber nur 2485

§465 Anm. II 2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

unter einem oder nur einem Teil der angeführten Gesichtspunkte verurteilt wird, denn neben der Verurteilung ist dann eine teilweise Freisprechung wegen der übrigen Gesetzesverletzungen, die nicht als verwirklicht angesehen wurden, grundsätzlich unzulässig (vgl. Anm. 5 zu § 260). Diese Folgerung aus Abs. 1 entspricht der h. M. (vgl. z. B. RGSt. 12 87; 15 105; 52 190; BayObLGSt. 31 30). Das gleiche gilt, wenn von mehreren im Eröffnungsbeschluß als fortgesetzte Handlung aufgefaßten Einzeltaten ein Teil als nicht bewiesen ausgeschieden wird, im übrigen aber Verurteilung wegen einer fortgesetzten Handlung erfolgt (RGSt. 51 82; 57 304). Es gilt ferner, wenn das Urteil die Tat minder schwer wertet als der Eröffnungsbeschluß, z. B. statt Körperverletzung mit Todesfolge (§ 226; Verbrechen) nur fahrlässige Tötung, statt eines Vergehens nach § 315 c StGB nur eine Verkehrsordnungswidrigkeit annimmt und geringere Auslagen entstanden sein würden, wenn schon bei Beginn des Verfahrens von der dem Urteil zugrundeliegenden Auffassung ausgegangen worden wäre. Es hätte dann z. B., wenn der Angeklagte gegen die Annahme einer fahrlässigen Tötung nichts einwendete, sondern nur die Vorsätzlichkeit der Körperverletzung bestritt, im ersten Beispielsfall keines notwendigen Verteidigers (§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 2) bedurft, es wären die Gebühren der zur Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht (§ 80 GVG) zur Frage der Vorsätzlichkeit geladenen Zeugen erspart worden usw. Nach früherem Recht sah die Rechtsprechung die Belastung des Verurteilten mit den gesamten so entstandenen gerichtlichen Auslagen als die zwangsläufige und unausweichliche Folgerung aus dem Grundsatz des § 465 Abs. 1 an (vgl. RG Rspr. 10 609; GA Bd. 41 284; JW 1926 822; BGH VRS 31 265; OLG Hamm JMB1. NRW 1964 45; Hamburg DAR 1965 22; S c h m i d t SchlHA 1965 101). Wegen der Kosten des Ermittlungsverfahrens, wenn die Staatsanwaltschaft teils einstellt, teils Anklage erhebt und es zur Verurteilung kommt, vgl. BGH Rpfleger 1967 172. b) Reformbestrebungen und Ausweichversuche. Die Unbilligkeit, die für den Verurteilten in den Folgerungen aus Abs. 1 liegen kann, wollten bereits frühere StPO-Entwürfe ausschließen. So wollten § 485 der Entw. von 1908 und 1909 und § 470 des Entw. 1920 dem Gericht die Befugnis zusprechen, der Staatskasse einen Teil der gerichtlichen Auslagen aufzuerlegen, wenn es zur Vermeidung besonderer Härten angemessen erscheine; nach § 454 StPO-Entw. 1939 sollten Auslagen, die durch Amtshandlungen entstanden, die für die Verurteilung nicht in Betracht kommen, der Staatskasse auferlegt werden können. Auch schon auf dem Boden des damals geltenden Rechts wurden Bemühungen entfaltet, Unbilligkeiten zu vermeiden. So wollte (damals freilich unrichtigerweise; vgl. Anm. II 2 der Voraufl.) LG Nürnberg-Fürth NJW 1956 154 aus den Worten „insoweit zu tragen hat, als . . . . " herleiten, daß die Reformvorschläge bereits allgemein durch das Gesetz vom 24. 11. 1933, auf dem diese Fassung beruht, verwirklicht seien, und zwar nicht nur in Form einer Kann-, sondern einer Mußvorschrift. Auch ging die Rechtsprechung der OLGe. dazu über, daß ein Teilfreispruch geboten sei, wenn die Annahme von Tateinheit im Eröffnungsbeschluß bereits rechtlich fehlerhaft war und sich klar ergab, daß in Wahrheit bezgl. des nicht zur Verurteilung führenden Vorwurfs Tatmehrheit vorgelegen hatte, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt, eine unbillige Kostenbelastung des Verurteilten zu vermeiden (vgl. die Nachw. in Anm. 5 b Fußnote 15 zu § 260). Die Bemühungen, unbillige Härten zu vermeiden, die sich als Folgerungen aus Abs. 1 ergeben, haben jetzt zur Einfügung des Abs. 2 geführt. 2. Das geltende Recht. Abs. 2 durchbricht den Grundsatz des Abs. 1, daß der Verurteilte die gesamten Kosten zu tragen hat, die durch die Untersuchung der Tat (i. S. des § 264) entstanden sind, wegen deren er i. S. des Abs. 1 verurteilt ist; Abs. 2 stellt sich also als eine Ausnahme von dem Grundsatz des Abs. 1 dar. Voraussetzungen für die Anwendung des Abs. 2 sind a) es müssen durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden sein. Untersuchungen sind alle Aufklärungsmaßnahmen, z. B. Blutprobenentnahmen, Einholung von Sachverständigengutachten, Zeugenvernehmungen usw. Bestimmte belastende oder entlastende Umstände (vgl. auch den entsprechenden Begriff in § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1) sind z. B. gesetzliche Qualifizierungs- und Privilegierungsmerkmale oder bestimmte Tatsachen, auf die sich der Verdacht der Täterschaft gründet, wie etwa Anwesenheit am Tatort; entlastende Umstände sind 2486

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 465 Anm. II 3, 4

aber auch sonstige das Strafmaß bestimmende Umstände, und zwar nicht nur, soweit nach gesetzlicher Vorschrift mildernde Umstände vorgesehen sind, sondern ganz allgemein, z. B. ob bei einer fahrlässigen Tötung die Schwere der Schuld durch mitwirkendes Verschulden des Getöteten gemindert wird. Hauptanwendungsfalle des Abs. 2 Satz 1 sind die in Abs. 2 Satz 2 bezeichneten Fälle, daß das Gericht bei dem Anklagevorwurf einer fortgesetzten Handlung wegen einzelner Teilhandlungen oder beim Vorwurf tateinheitlicher Verwirklichung mehrerer Gesetzesverletzungen wegen einzelner Gesetzesverletzungen nicht verurteilt. Besondere Auslagen (s. dazu unten 4) sind solche Auslagen der Staatskasse (§ 464a Abs. 1) — die Gerichtsgebühren spielen hier keine Rolle, da sie sich gemäß §§ 67 ff. G K G nach Art und Höhe allein nach der rechtskräftigen Verurteilung richten —, die durch diese Untersuchungen verursacht sind und sonst nicht entstanden wären. Besondere Auslagen liegen z. B. nicht vor, wenn das Gutachten eines Verkehrssachverständigen ergibt, daß der Angeklagte einen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang zwar verschuldet hat, aber ein Mitverschulden des Getöteten vorliegt und durch die Prüfung dieses Umstandes keine besonderen Auslagen entstanden sind (vgl. das Beispiel der amtl. Begr. oben vor Anm. I). b) Die Untersuchungen müssen zugunsten des Angeklagten ausgegangen sein. Es kommt also (vgl. die Ausführungen der amtl. Begr. oben vor Anm. I) nicht auf das Ergebnis einzelner Untersuchungshandlungen, sondern auf das Gesamtergebnis der zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände durchgeführten Maßnahmen an. Z. B. ist die Untersuchung, ob ein Mitverschulden des fahrlässig Getöteten vorliegt, nicht zugunsten des Angeklagten ausgegangen, wenn von den zu diesem Punkt vernommenen Zeugen zwar ein Teil zugunsten des Angeklagten aussagt, das Gericht aber nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme eine Mitschuld verneint; umgekehrt ist die Untersuchung zugunsten des Angeklagten ausgegangen, wenn das Gericht trotz belastender Ausssagen eines Teils der Zeugen die Mitschuld des Getöteten feststellt. Bei den in Abs. 2 Satz 2 bezeichneten Fällen ist die Untersuchung zugunsten des Angeklagten ausgegangen, wenn die Verurteilung hinter dem von der Anklage erhobenen, dem Eröffnungsbeschluß zugrundeliegenden Vorwurf zurückbleibt. c) Es muß unbillig sein, den Angeklagten mit den Auslagen der zu seinen Gunsten ausgegangenen Untersuchung zu belasten. So kann es etwa unbillig sein, den Angeklagten, der wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wird, mit Auslagen zu belasten, die durch die Aufklärung der Mitschuld des Getöteten entstanden sind, wenn das Gericht ein erhebliches Mitverschulden feststellt und mit Rücksicht darauf nur eine geringe Strafe verhängt. Umgekehrt kann Unbilligkeit zu verneinen sein, wenn zwar die Untersuchung zur Aufklärung eines entlastenden Umstandes zugunsten des Angeklagten ausgeht, die besonderen hierdurch entstandenen Auslagen absolut und im Verhältnis zu den übrigen dem Angeklagten als Folge seiner Verurteilung zur Last fallenden Auslagen gering sind, oder wenn der entlastende Umstand nur geringe Bedeutung für die Höhe der erkannten Strafe hat. „Unbilligkeit" ist ein sog. unbestimmter Rechtsbegriff, der dem Gericht einen Beurteilungsspielraum läßt. Wegen des Beurteilungsmaßstabs bei überschießendem Auflagevorwurf gilt sinngemäß das unten III 6 b Ausgeführte; s. dazu auch O L G Celle NdsRpfl. 1972 67. 3. Mußvorschrift. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 vor, so hat das Gericht die entstandenen besonderen Auslagen teilweise (s. Anm. 4) oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, je nachdem es zur Vermeidung von Unbilligkeiten für den Angeklagten erforderlich ist. Das gleiche gilt nach Abs. 2 Satz 3 bezgl. des Teils der notwendigen Auslagen des Angeklagten ( § 4 6 4 a Abs. 2), die die zu seinen Gunsten ausgegangenen Untersuchungen betreffen. 4. Der Meinungsstreit um den Begriff der besonderen Auslagen. Über den Begriff der „besonderen Auslagen" besteht keine Einigkeit. Der Meinungsstreit knüpft an die bisherige kostenrechtliche Behandlung des Teilfreispruchs an. Praktisch läuft der Streit darauf hinaus, ob eine teilweise erfolgende Uberbürdung von Auslagen auf die Staatskasse auch durch Verteilung nach Bruchteilen (Quotelung) zulässig ist. a) Abs. 2 regelt unmittelbar nur den Fall, daß die Verurteilung wegen einer Tat i. S. des § 264 hinter der Beurteilung durch den Eröffnungsbeschluß zurückbleibt, also den Fall einer 2487

§ 465 Anm. II 4

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Teilnichtverurteilung (sog. fiktiver Teilfreispruch). Abs. 2 betrifft dagegen nicht den Fall des (wirklichen) Teilfreispruchs, also den Fall, daß dem Angeklagten mehrere selbständige Taten zur Last gelegt werden und er nur wegen einer oder mehrerer dieser Taten i. S. des Abs. 1 verurteilt wird, wegen der übrigen aber Freispruch, Außerverfolgungsetzung oder Verfahrenseinstellung erfolgt - § 467 Abs. 1 - (so auch K G N J W 1970 1806; O L G Nürnberg N J W 1972 67 = M D R 1972 70, 71; G ö h l e r NJW 1970 454; K l 5 A). D a ß Abs. 2 nicht unmittelbar auch den Fall des Teilfreispruchs erfaßt, ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Denn die Beispiele, die Abs. 2 Satz 2 als Hauptanwendungsfalle („namentlich") der Regel des Abs. 2 Satz 1 anführt, betreffen Fälle einer Teilnichtverurteilung, also gerade nicht den Fall des förmlichen Teilfreispruchs. Für diesen bedurfte es auch keiner Vorschrift, um den Angeschuldigten von einer unbilligen Belastung mit „besonderen Auslagen" freizustellen, die durch Untersuchungen zur Aufklärung vorgeworfener Taten entstanden sind, bei denen schließlich Freispruch usw. erfolgte, da die Ausscheidung dieser Auslagen aus der Kostentragungspflicht des Verurteilten sich bereits aus § 465 Abs. 1 („insoweit zu tragen, als . . . . " ) ergibt. Wenn Abs. 2 Satz 1 eine allgemeine Fassung erhalten hat, die das Mißverständnis aufkommen lassen könnte, als erstrecke sich Abs. 2 Satz 1 unter Umständen unmittelbar auch auf bestimmte Situationen des Teilfreispruchs, so ergibt sich die beschränkte Bedeutung des Satzes 1 aus der von G ö h l er N J W 1970 454 mitgeteilten Entstehungsgeschichte im Bereich des BJM. Danach war zunächst erwogen worden, den Anwendungsbereich einer Regel über die Entbindung des Angeklagten von Verfahrensauslagen nach Billigkeit auf die NichtVerurteilung wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen oder einzelner abtrennbarer Teile einer Tat zu begrenzen (jetziger Satz 2 des Abs. 2). Damit wären aber andere Fallgestaltungen einer möglicherweise unbilligen Belastung des verurteilten Angeklagten mit den gesamten durch die Aufklärung der Tat entstandenen Auslagen nicht erfaßt worden, wie z. B. der Fall, daß der wegen Körperverletzung mit Todesfolge Angeklagte nur wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wird (oben II 1), oder der Fall, daß der fahrlässigen Tötung Angeklagte zwar wegen dieses Vergehens verurteilt wird, die Strafe aber gering ausfallt, weil ein erhebliches Mitverschulden des Getöteten festgestellt wird und die Aufklärung dieses entlastenden Umstandes mit besonderen Auslagen verbunden war. Deshalb wurde dem Abs. 2 Satz 2 eine Generalklausel vorausgestellt. b) Im Falle des Teilfreispruchs war vor der Neuregelung des Kostenrechts durch das E G O W i G nicht zweifelhaft, daß eine Kostenentscheidung etwa des Inhalts „Soweit der Angeklagte freigesprochen wird, fallen die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last; im übrigen trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens", dahin zu verstehen war: die Staatskasse trug die gerichtlichen Auslagen des Angeklagten nur, soweit sie ausscheidbar waren, also nicht entstanden wären, wenn Anklage wegen der Tat, derentwegen der Angeklagte freigesprochen wurde, nicht erhoben worden wäre (Grundsatz der Trennbarkeit). Konnten ausscheidbare (trennbare) Auslagen in diesem Sinn nicht festgestellt werden, so trug der Angeklagte die entstandenen Auslagen; eine Verteilung nach Bruchteilen fand nicht statt, weil die StPO, von Ausnahmen (§§ 468, 471 Abs. 3) abgesehen, einen Verteilungsgrundsatz nicht kannte (vgl. z . B . RGSt. 33 83; JW 1937 761; BGHSt. 14 136 = N J W 1960 878 = M D R 1960 519; K G NJW 1970 1806; OLGe. Oldenburg N J W 1959 1648; Düsseldorf N J W 1961 618; Nürnberg M D R 1972 70; Anm. II 1 und 3 der Voraufl.; vgl. ergänzend über die Auswirkungen des Trennbarkeitsgrundsatzes unten Anm. III 2). Die Ausscheidung erfolgte bei den gerichtlichen Auslagen im Kostenansatzverfahren nach § 4 G K G , bei den notwendigen Auslagen des Angeklagten im Verfahren nach § 464 Abs. 2 a. F. (= § 464 b n. F.). c) Gleichsetzung der „besonderen Auslagen" und ausscheidbaren Auslagen?. Nach einer in der Rechtsprechung (vgl. insbes. K G NJW 1970 1806 = VRS 39 55; OLG Braunschweig N J W 1970 1809) und im Schrifttum ( E b S c h m i d t NachtrBd. II Rz. 13, 15) vertretenen Auffassung deckt sich der Begriff der „besonderen Auslagen" i. S. des § 465 Abs. 2 Satz 1 bei Teilnichtverurteilung mit dem der ausscheidbaren Auslagen beim Teilfreispruch. Nach dieser Auffassung hat der Gesetzgeber in § 465 Abs. 2 für die Teilnichtverurteilung den Grundsatz der Trennbarkeit nicht etwa zugunsten einer Kostenverteilung nach Bruchteilen („Quotelung") aufgegeben, sondern lediglich den Trennungsgrundsatz aus Billigkeitsgründen über den Anwendungsbereich des § 465 Abs. 1 (Teilfreispruch) hinaus erweitert. Dies soll 2488

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 465 Anm. II 4

auch für die in § 465 Abs. 2 Satz 2 bezeichneten Fälle gelten. Denn die Worte: ,JDies gilt namentlich dann" bezögen sich — so wird geltend gemacht — nicht nur auf den 2. Teil des Satzes 1 („so hat das Gericht "), sondern auch auf dessen 1. Teil, d. h. auch Satz 2 soll nur anwendbar sein, wenn „besondere", also ausscheidbare Auslagen entstanden sind. Allerdings werde (so K G aaO.), in der Begr. des Entw. EGOWiG (oben vor Anm. I) ausgeführt, das Gericht könne auch die Auslagen nach Bruchteilen verteilen, und eine Quotelung werde namentlich zu wählen sein, wenn die Auslagen für bestimmte Untersuchungen nicht ausgeschieden werden könnten. Diese Ausführungen seien indessen unverständlich. Denn wenn Abs. 2 Satz 1 nach seinem „klaren Wortlaut" nur anwendbar sei, wenn „besondere", also ausscheidbare Auslagen entstanden seien, könne der Fall, daß besondere Auslagen entstanden, aber nicht ausscheidbar seien, denkgesetzlich gar nicht eintreten. Die Gesetz gewordene Fassung könne auch nicht zu einer solchen Ungereimtheit führen, denn wenn Abs. 2 Satz 1 die Überbürdung der „entstandenen Auslagen" (im RegEntw. hieß es statt dessen „Auslagen des Verfahrens") auf die Staatskasse vorsehe, so seien damit offensichtlich nur entstandene besondere Auslagen gemeint. d) Stellungnahme zu c. Dieser Auffassung kann aber nicht zugestimmt werden. Vielmehr ist mit der überwiegend vertretenen Gegenmeinung (vgl. insbes. OLG Nürnberg NJW 1972 6 7 = MDR 1972 70 = JVB1. 1972 65; LGe. Kleve NJW 1970 1808; Wuppertal AnwBl. 1971 326; Darmstadt AnwBl. 1970 326; München II NJW 1970 1335; G ö h l e r NJW 1970 454; W a n g e m a n n NJW 1969 1466; AnwBl. 1972 198; K r e l l NJW 1971 1298) davon auszugehen, daß es verfehlt ist, die „besonderen" Auslagen mit ausscheidbaren Auslagen gleichzusetzen. Entscheidend ist, daß nach den aus der Begr. zum Entw. EGOWiG entnehmbaren gesetzgeberischen Absichten § 465 Abs. 2 nicht das Bestehen ausscheidbarer Auslagen der Staatskasse oder des Angeklagten voraussetzt, sondern gerade umgekehrt den Sinn hat, dann, wenn deutlich ausscheidbare Auslagen nicht vorhanden sind, auszuscheidende Auslagen in der Form der Quotenentscheidung für das Kostenfestsetzungsverfahren zu schaffen. Nur dann, wenn deutlich ausscheidbare Auslagen vorhanden sind, sind diese — im Fall der Unbilligkeit einer Belastung des Angeklagten — im Spruch der Staatskasse aufzuerlegen. Die Entscheidung kann dann also etwa lauten: „Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens; jedoch fallen die gerichtlichen Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten, die ausscheidbar durch . . . entstanden sind, der Staatskasse zur Last." Die nähere Prüfung ist dann dem Kostenansatzverfahren (§ 4 GKG) und dem Verfahren nach § 464 b zu überlassen. Ist aber Ausscheidbarkeit zu verneinen, oder ist zweifelhaft (nicht übersehbar), ob ausscheidbare Auslagen (der Staatskasse oder des Angeklagten) gegeben sind, so hat das Gericht im Erkenntnisverfahren eine Entscheidung nach Bruchteilen zu treffen. Das Risiko, daß eine Ausscheidbarkeit nicht festzustellen ist, soll nach dem Sinn des Abs. 2 nicht mehr der Angeklagte tragen, sondern das Gericht muß die Ungewißheit beseitigen, indem es eine Entscheidung nach Bruchteilen trifft, die sich nach dem Gesamtergebnis der Untersuchung und nicht nach einzelnen Untersuchungshandlungen zu richten hat. e) Für die Fälle des Abs. 2 Satz 2 kommt es schon nach dem Gesetzeswortlaut nicht auf das Bestehen ausscheidbarer Auslagen an. Hier wird vielmehr fingiert, daß regelmäßig besondere Auslagen entstanden seien. Denn die Worte „Dies gilt namentlich " beziehen sich sprachlich auf die in Abs. 2 angeordnete Rechtsfolge, nämlich die Pflicht des Gerichts („so hat das Gericht"), im Fall der Unbilligkeit einer Belastung des Angeklagten die Auslagen ganz oder teilweise der Staatskasse aufzuerlegen (so auch G ö h l e r aaO. 455; OLG Nürnberg NJW 1972 70). Unbegründet ist demgegenüber die Annahme des KG aaO., der Gesetzgeber habe durch eine vom Entw. EGOWiG abweichende Fassung („entstandenen Auslagen" statt „Auslagen des Verfahrens") den Ausführungen der Begr. z. Entw. EGOWiG über die Verteilbarkeit nichtausscheidbarer Auslagen den Boden entzogen, denn es ist nicht erkennbar, daß dieser Änderung des Wortlauts mehr als eine redaktionelle Bedeutung zukommt (OLG Nürnberg aaO.). Im übrigen widerlegt sich das K G auch selbst. Denn wenn es von der selbst geschaffenen Grundlage einer Gleichsetzung der „besonderen" Auslagen mit „ausscheidbaren" Auslagen aus die Ausführungen der Begr. für unverständlich und denkgesetzlich nicht möglich bezeichnet, so läßt das eben nur die Folgerung zu, daß diese Gleichsetzung nicht dem Gesetz entspricht ( M e y e r NJW 1970 2309). Für die Auslegung

2489

§ 465 Anm. III 1 - 3

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

des Abs. 2 muß jedenfalls, auch wenn man seinem Wortlaut die zwingende Deutlichkeit absprechen wollte, die in der amtl. Begr. unmißverständlich zum Ausdruck gebrachte Absicht des Gesetzgebers maßgeblich sein, „die starre Kostenregelung des § 465 aufzulockern", um unbillige Ergebnisse zu vermeiden. Zu diesen Unbilligkeiten gehört aber auch und gerade die Belastung des teilnichtverurteilten Angeklagten mit den gesamten Auslagen, soweit sie nicht deutlich ausscheidbar sind. III. Teilfreispruch. 1. Auswirkungen des § 465 Absatz 2 auf den Teilfreispruch. Von dem vorstehend dargegelegten Standpunkt aus aber hat § 465 Abs. 2 auch Auswirkungen auf die auslp genrechtliche Behandlung des Teilfreispruchs. Denn Teilnichtverurteilung und Teilfreispruch gleichen sich darin, daß der zunächst erhobene Vorwurf hinter dem Straferkenntnis zurückbleibt, und in beiden Fällen taucht gleichmäßig die Frage auf, wie die Auslagen zu behandeln sind, die für die Staatskasse durch die Untersuchung des weitergehenden Schuldvorwurfs und für den Angeklagten durch die Verteidigung gegen diesen entstanden sind. Soweit es sich hier nicht um deutlich ausscheidbare Auslagen handelt, kann die Behandlung der nicht oder nur schwer zu trennenden oder zu übersehenden Auslagenmassen nicht gut verschieden sein, je nachdem (nur) eine Teilnichtverurteilung oder ein wirklicher Freispruch vorliegt; eine verschiedene Behandlung der beiden Fallgruppen würde, so sollte man annehmen, einer inneren Berechtigung ermangeln. 2. Stand der Streitfrage. Wie bereits (oben II 4 b) ausgeführt, ging vor dem Inkrafttreten des E G O W i G die Rechtsprechung bei gerichtlichen Auslagen und den notwendigen Auslagen des Angeklagten einhellig von dem Trennungsprinzip aus, ließ eine Erstattung nur der ausscheidbaren Auslagen zu, die sich allein auf den freisprechenden Teil beziehen, und lehnte bei nicht klar ausscheidbaren Auslagen eine bruchteilmäßige Verteilung nach Gewicht und Bedeutung der erhobenen Vorwürfe, gemessen am Gesamtergebnis des Strafverfahrens, als unzulässig ab. Diese Rechtsprechung ist — unter Ablehnung einer im Vordringen begriffenen Gegenmeinung (unten 4) — z. T. auch nach dem Inkrafttreten des E G O W i G beibehalten worden (vgl. — außer den bereits zitierten K G N J W 1970 1806; O L G Braunschweig N J W 1970 1809 - z. B. OLGe. Celle AnwBl. 1970 344 = N J W 1971 1905 = M D R 1971 682; Hamm JMB1. N R W 1972 75; Köln JVB1. 1970 184; Düsseldorf N J W 1971 394, 1281; JMB1. N R W 1971 142; Stuttgart Justiz 1970 385; LGe. Heidelberg AnwBl. 1970 24; Kiel SchlHA 1969 142; Mönchengladbach N J W 1970 344; Frankfurt NJW 1970 960; München I N J W 1971 2083; wegen weiterer Nachw. vgl. etwa die Anm. der Schriftleitung NJW 1970 1808)*. Der Trennungsgrundsatz führt, was etwa die durch die Vernehmung von Zeugen entstandenen Auslagen anlangt, dazu, daß zu den ausscheidbaren, der Staatskasse zur Last fallenden Auslagen nur die Gebühren solcher Zeugen gehören, die lediglich zu den durch Freispruch usw. erledigten Fällen vernommen wurden. Wurden sie auch zu den übrigen Fällen vernommen, so fallen die Gebühren dem teil verurteilten Angeklagten in vollem Umfang zur Last; das gleiche gilt für die Verfahrensauslagen für andere Beweismittel, die sich auf alle Tatkomplexe des Verfahrens bezogen, z. B. Auslagen für Sachverständigengutachten zum Persönlichkeitsbild des Angeklagten, zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit oder zur Sozialprognose. Nach dem Trennungsgrundsatz wird selbst der Angeklagte, der ganz überwiegend freigesprochen und nur in geringem Umfang verurteilt wird, mit den gesamten hieraus entstandenen Auslagen belastet, wenn eine Ausscheidung nicht möglich ist (vgl. O L G Nürnberg N J W 1972 67 = M D R 1972 70). 3. Die Differenztheorie. In seiner ganzen Schärfe ist allerdings der Trennungsgrundsatz nicht durchgeführt worden. Denn folgerichtig müßte er auch für die Gebühren des Vertei* Hierher werden auch Kostenentscheidungen in Urteilen des BGH vom 18.11.1969— 1 StR 338/69 - (AnwBl. 1970 295 m. Anm. M a t z e n = KostenRspr. § 467 A Nr. 57) u. vom 17. 2. 1970 — 5 StR 18/70— gerechnet, deren Bedeutung aber zweifelhaft ist, da sie nicht weiter begründet sind, insbes. sich nicht mit den insoweit in Rechtsprechung und Schrifttum zu der Streitfrage entstandenen Meinungsäußerungen befassen (vgl. dazu M e y e r NJW 1970 2309). Diese Entscheidungen können daher hier unberücksichtigt bleiben (vgl. auch OLG Nürnberg NJW 1972 67, 69). Das gilt auch für BGHSt. 24 81, 90 (betr. § 465 Abs. 2 bei Teilnichtverurteilung), wo allgemein von der Tragung der „ausscheidbaren" Kosten und Auslagen gesprochen wird.

2490

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 465 Anm. III 4

digers gelten, die beim Pflichtverteidiger Auslagen der Staatskasse (§ 92 Nr. 7 GKG), beim Wahlverteidiger notwendige Auslagen des Angeklagten darstellen. Die Verteidigergebühren haben Pauschalcharakter; sie gelten regelmäßig die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts ab, die sich auf alle gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe bezieht. Streng genommen wäre also ein ausscheidbarer Teil der Verteidigergebühren für die Tätigkeit, die sich auf die Tat bezieht, bezgl. deren Freispruch usw. erfolgte, meist nicht feststellbar; bei konsequenter Durchführung des Trennungsgrundsatzes müßte der teilweise Freigesprochene als Folge seiner Teilverurteilung in der Regel das gesamte Verteidigerhonorar tragen. Diese Folgerungen aus dem Trennungsgrundsatz hat indessen die neuere Rechtsprechung nicht gezogen. Sie sieht bei dem Honorar des gewählten Verteidigers als ausscheidbar und damit erstattungsfahig den rechnerischen Teil der einheitlichen Verteidigergebühr ( § 1 2 BRAGebO) an, der das , fiktive" Honorar übersteigt, das der Angeklagte an seinen Verteidiger zu zahlen hätte, wenn er nur wegen der Straftat angeklagt worden wäre, derentwegen er verurteilt worden ist (vgl. z. B. OLGe. Köln JVB1. 1970 184 m. w. Nachw.; Düsseldorf NJW 1971 394; LGe. Mannheim AnwBl. 1971 24; Weiden MDR 1971 418). Über die Handhabung der sog. „Differenztheorie" mit ihren Spielarten der sog. gemäßigten Differenztheorie und der „umgekehrten Differenztheorie" (Überbürdung von Auslagen auf den Angeklagten nur, wenn und soweit die Untersuchung der Tat, wegen derer er verurteilt wurde, zusätzliche ausscheidbare Auslagen verursacht hat; LG Köln AnwBl. 1970 177), vgl. im einzelnen die Übersicht bei K r e l l NJW 1971 1298. Bei Anwendung der Differenztheorie wird über die Höhe des fiktiven Honorars, soweit es sich um die notwendigen Auslagen i. S. des § 467 handelt, im Verfahren nach § 464b entschieden (vgl. z. B. OLG Celle JVB1. 1965 188; KG NJW 1970 1808; OLGe. Braunschweig NJW 1970 1809; Köln JVB1. 1970 184). S. auch OLG Hamm JMB1. NRW 1972 75, 76 betr. Bedeutung des fiktiven Verteidigerhonorars bei Pflichtverteidigung. 4. Die Wandlung der Rechtsprechung. Nach dem Inkrafttreten des § 465 Abs. 2 hat die Rechtsprechung mit Zustimmung des Schrifttums weitgehend die bisherige Rechtsprechung als überholt angesehen und läßt bei fehlender Ausscheidbarkeit zur Vermeidung von Unbilligkeiten in entsprechender Anwendung des § 465 Abs. 2 eine Verteilung der Auslagen nach Bruchteilen zu (vgl. insbes. OLG Nürnberg NJW 1972 67 = MDR 1972 70 m. w. Nachw. = Rpfleger 1971 437; LGe. Traunstein NJW 1971 1281; Wuppertal AnwBl. 1971 149; Hamburg MDR 1970 696; AnwBl. 1971 148; Darmstadt AnwBl. 1970 326; Köln und München NJW 1970 1335; Kleve NJW 1970 1808; Stuttgart AnwBl. 1970 240; Krefeld NJW 1970 2308; Heidelberg AnwBl. 1970 363; Duisburg AnwBl. 1970 297; W a n g e m a n n NJW 1969 1466; G ö h l e r NJW 1970 454; K ö n i g NJW 1969 1043; N a u c k e NJW 1970 84; S c h m i d t MDR 1971 419; Kl 5 B; K r e l l NJW 1971 1298; einschränkend LG Tübingen AnwBl. 1972 196 m. abl. Anm. W a n g e m a n n ) . Dieser Auffassung ist beizutreten. a) § 465 Abs. 2 bezieht sich, wie schon ausgeführt, unmittelbar nur auf die Teilnichtverurteilung, nicht auf den Teilfreispruch (oben II 4 a). Hätte der Gesetzgeber bewußt das Problem der kosten- und auslagenrechtlichen Auswirkung des Teilfreispruchs ungeregelt gelassen, so wäre dies nach üblichen Auslegungsgrundsätzen dahin zu werten, daß er — in Kenntnis der bisherigen ständigen Rechtsprechung — den vorgefundenen Rechtszustand insoweit habe hinnehmen wollen. Dann ließe es sich rechtfertigen, beim Teilfreispruch weiterhin nach der bisherigen Auslegung des § 465 Abs. 1 zu verfahren (mit den sich daraus ergebenden Folgerungen hinsichtlich der notwendigen Auslagen des Teilfreigesprochenen), ja es wäre sogar zulässig, um eine innerlich nicht zu rechtfertigende wesentlich verschiedene Behandlung des Teilfreispruchs gegenüber der Teilnichtverurteilung in auslagenrechtlicher Hinsicht zu vermeiden, die für den Teilfreispruch geltenden Regeln der Auslegung des § 465 Abs. 2 zugrunde zu legen, entsprechend der oben dargestellten Auffassung, die den Begriff der „besonderen Auslagen" i. S. des § 465 Abs. 2 Satz 1 als „ausscheidbare" Auslagen versteht. b) Tatsächlich trifft aber schon die Prämisse nicht zu, der Gesetzgeber habe bewußt den Teilfreispruch ausklammern und bewußt die bisherige auslagenrechtliche Behandlung des Teilfreispruchs durch die Rechtsprechung hinnehmen wollen. In Wirklichkeit hat der „Gesetzgeber", worunter Ausschüsse und Plenum des Bundestags zu verstehen sind, das 2491

§ 465 Anm. III 5

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Problem des Teilfreispruchs überhaupt nicht in seine Erwägungen einbezogen. Das federführende Bundesjustizministerium war es vielmehr, das bei der Vorbereitung der Arbeit des „Gesetzgebers" zur Eile gedrängt, die Problematik der Kostenentscheidung „ausklammern" mußte (so G ö h l e r NJW 1970 456), die so überhaupt nicht in den Erwägungsbereich des „Gesetzgebers" getreten ist. So ist „Flickwerk" entstanden. Bei einer solchen Sachlage kann dann aber nicht die bisherige, von der Rechtsprechung entwickelte kostenrechtliche Behandlung des Teilfreispruchs für die Auslegung des § 465 Abs. 2 maßgebend sein, sondern es ist gerade umgekehrt geboten, an den erkennbar dem § 465 Abs. 2 zugrundeliegenden Intentionen des Gesetzgebers die auslagenrechtliche Behandlung des Teilfreispruchs zu orientieren. Denn da die Teilnichtverurteilung, auslagenrechtlich betrachtet, nicht ein aluid gegenüber dem Teilfreispruch, sondern nur ein Aspekt des Gesamtkomplexes ist, daß der zunächst erhobene Schuldvorwurf hinter dem verurteilenden Erkenntnis zurückbleibt, muß zwangsläufig eine Teilregelung (für die Teilnichtverurteilung) die Behandlung auch der nicht unmittelbar geregelten Teile des Gesamtkomplexes (des Teilfreispruchs) bestimmen, wenn das materielle Problem bei beiden Fallgruppen das gleiche ist und für eine unterschiedliche Behandlung keine Gründe erkennbar sind. Der Gedanke läßt sich auch so wenden: wenn schon der Ausfall einzelner Teilakte oder einzelner Gesetzesverletzungen bei Verurteilung wegen der Tat im übrigen eine Aufteilung nicht sicher ausscheidbarer Auslagen nach Bruchteilen ermöglicht, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden, so muß dies erst recht gelten, wenn der Angeklagte sogar wegen einzelner Taten freigesprochen wird - Schluß a maiore ad minus - (so mit Recht G ö h l e r NJW 1970 455; M e y e r NJW 1970 2309; OLG Nürnberg NJW 1972 70). Dabei ist es gleichgültig, ob rechtstechnisch für eine solche Ersetzung des „Flickwerks" durch Harmonisierung der für beide Fallgruppen geltenden Grundsätze der Weg der Rechtsanalogie aus der Gesamtheit der eine Quotelung vorsehenden oder zulassenden Vorschriften der StPO (so OLG Nürnberg NJW 1972 68) oder der einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 2 (so R e i n i s c h JR 1967 329; W a n g e m a n n NJW 1969 1466) oder des § 473 Abs. 4 (so K ö n i g NJW 1969 1043) auf den Fall des Teilfreispruchs gewählt wird oder — richtiger — eine durch den Gesetzeswortlaut nicht zwingend gebotene Auslegung des § 465 Abs. 1 zugunsten einer Auslegung aufgegeben wird, die mit den Grundsätzen des Abs. 2 in Einklang steht. 5. Bemessung des „fiktiven" Verteidigerhonorars nach Billigkeitsgrundsätzen. Bei der Behandlung des Verteidigerhonorars, wo schon früher der strenge Trennungsgrundsatz aufgelockert war, hat sich inzwischen die Rechtsprechung, auch soweit sie grundsätzlich an dem Trennungsgrundsatz festhält, doch z. T. zu einer weiteren Konzession an die Gegenmeinung veranlaßt gesehen, indem sie das „fiktive" Verteidigerhonorar (oben 3) unter Anwendung von Billigkeitsgesichtspunkten bemißt, sei es, daß bei der Bemessung des fiktiven Verteidigerhonorars § 465 Abs. 2 entsprechend angewendet wird (so OLG Braunschweig NJW 1970 1810; LG Kiel SchlHA 1969 142), sei es in der Weise, daß alle Umstände des Falles, insbesondere die Art der Taten und die Schwere des einzelnen Schuldvorwurfs Berücksichtigung finden (so OLG Düsseldorf NJW 1971 394). „Hierbei darf man nicht engherzig sein" (OLG Braunschweig aaO.). Danach kann z. B. der weitaus überwiegende Teil des Verteidigerhonorars erstattungsfähig sein, wenn der Freispruch einen schweren Schuldvorwurf betrifft und hier der Schwerpunkt der Verteidigung lag, während die Verurteilung nur einen relativ geringen Schuldvorwurf abgilt und der Angeklagte insoweit geständig war, so daß die Bemühungen des Verteidigers sich insoweit auf das Strafmaß beschränkten (vgl. OLG Düsseldorf aaO,; s. dazu auch O r t NJW 1970 960). Diese Art der Auflockerung des Trennungsgrundsatzes, bei der einerseits am Erfordernis der Ausscheidbarkeit grundsätzlich festgehalten, andererseits aber die Berücksichtigung von Gesichtspunkten der Billigkeit i. S. des § 465 Abs. 2 für zulässig erklärt wird, ist aber innerlich widersprüchlich (vgl. M e y e r NJW 1970 2309). Es mag zwar sein, daß bei einer solchen Handhabung der teilfreigesprochene Angeklagte nicht schlechter wegkommt als bei einer Quotelung (so OLG Düsseldorf aaO.; dazu aber kritisch OLG Nürnberg NJW 1972 68 und K r e l l NJW 1971 1298). Es ist aber nicht einzusehen, warum sich die Auflockerung des Trennungsgrundsatzes nur auf die Gebühren des Verteidigers, nicht auch auf seine nicht ausscheidbaren Auslagen beziehen soll (so OLG Braunschweig aaO.) und nicht auch auf die nicht ausscheidbaren Auslagen des Gerichts und die sonstigen nicht ausscheidbaren Auslagen des Angeklagten. Davon abgesehen besteht der entscheidende Unterschied

2492

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 465 Anm. III 6 aber immer noch darin, daß nach der Trennungstheorie die Bestimmung des fiktiven Honorars im Verfahren nach § 464 b erfolgt, nach der Quotelungstheorie aber das Gericht unmittelbar mit der Sachentscheidung über die Verteilung bestimmt. Die erstere Auffassung führt zu einem der Prozeßökonomie widerstreitenden Ergebnis: der Kostenbeamte, der nach § 464 b Abs. 1 nur die Höhe der Auslagen festzusetzen hat, die nach dem Spruch des Gerichts zu erstatten sind, muß bei der Bemessung des fiktiven Honorars praktisch die richterliche Entscheidung, statt sie lediglich zu vollziehen, auf Grund der Akten „unter weitgehender Aufgabe des Begriffs der Ausscheidbarkeit schöpferisch erst mit Gehalt erfüllen" (OLG Nürnberg MDR 1972 71), während das erkennende Gericht auf Grund seiner Kenntnis des gesamten ProzeßstofTs ohne weiteres und am besten in der Lage ist, eine nach Gewicht und Bedeutung der Einzelvorwürfe ausgewogene und klare Auslagenentscheidung durch Quotelung zu treffen (vgl. dazu auch die treffende Schilderung der Schwierigkeiten, vor die sich der Rechtspfleger im Verfahren nach § 464 b gestellt sieht, in LG Krefeld NJW 1970 1808). Die Schwierigkeit der Ausscheidung nach dem fiktiven Honoraranspruch, die dem Kostenbeamten zugemutet wird, wird auch dadurch illustriert, daß eine ganze Anzahl von Beschwerdegerichten noch im Auslagenfestsetzungsverfahren, z. T. unter Aufgabe ihrer früheren abweichenden Auffassung, zur Quotelung übergegangen sind (vgl. z. B. die LGe. Hamburg AnwBl. 1971 148; Wuppertal AnwBl. 1971 149; Mönchengladbach NJW 1970 344; Kleve NJW 1970 1808). 6. Zuständigkeit zur Quotelung. Ermessensausübung. a) Eine Auslagenquotelung kann nur das erkennende Gericht in der Sachentscheidung oder einer selbständigen Kostenentscheidung aussprechen (OLG Nürnberg NJW 1972 268, 706; LG Darmstadt AnwBl. 1970 326). Ist dies nicht geschehen, so kommt eine Anfechtung der Kostenentscheidung mit der sofortigen Beschwerde nach § 464 Abs. 3 Satz 1 in Betracht. Im Kostenansatzverfahren nach § 4 G K G (vgl. OLG Celle NJW 1971 1905 = NdsRpfl. 1972 62) und im Auslagenfestsetzungsverfahren nach § 464 b ist eine Nachholung der Quotelung nicht mehr zulässig. Die abweichende Auffassung (vgl. z. B. LGe. Krefeld AnwBl. 1970 365; Frankfurt NJW 1970 960; Traunstein NJW 1971 1281; weitere Nachweise bei M e y e r NJW 1972 12) kann nur während einer Übergangszeit als durch die bestehende Unsicherheit der Rechtslage gerechtfertigt angesehen werden. b) Der Verteilungsmaßstab ist unter Würdigung aller Umstände des Falles danach zu bestimmen, inwieweit sich grundsätzlich der Vorwurf des Eröffnungsbeschlusses nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens als berechtigt erwiesen hat. Dabei sind Zahl, Art und Schwere der Einzelvorwürfe, auch in ihrer Bedeutung für den Angeklagten, gegeneinander abzuwägen; nicht angängig wäre es, schematisch allein von den abstrakten Strafdrohungen oder — in der Rechtsmittelinstanz — von den vom Vorderrichter ausgesprochenen Einzelstrafen auszugehen (OLGe. Celle AnwBl. 1970 58; Nürnberg NJW 1972 67, 70). Weitergehende allgemeine Grundsätze über die Art der Quotelung werden sich, soweit das bisher vorliegende Erfahrungsmaterial ein Urteil erlaubt, kaum aufstellen lassen, da bei einer Ermessensentscheidung, was zur Vermeidung einer Unbilligkeit erforderlich ist, eben die besonderen Umstände des Einzelfalls maßgebend sind (vgl. dazu aber auch die Bemühungen von M e y e r MDR 1971 357, 360 um die Herausarbeitung von Maßstäben). So läßt sich z. B., wenn wegen Unfallflucht (§ 142 StGB) in Tatmehrheit mit einer Verkehrsordnungswidrigkeit eröffnet wurde, wegen des Vergehens aber Freispruch erfolgt, nicht ohne weiteres sagen, der Angeklagte hätte, wäre ihm nur eine Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt worden, sich bei einem Bußgeldbescheid beruhigt und von der Inanspruchnahme eines Verteidigers abgesehen; er kann vielmehr auch an seiner Verteidigung gegen den Vorwurf der Ordnungswidrigkeit ein, wenn auch an Gewicht zurücktretendes, Interesse gehabt haben, das es rechtfertigt, den Angeklagten (Betroffenen) mit einem Bruchteil des Verteidigerhonorars zu belasten (vgl. OLG Nürnberg NJW 1972 70; s. auch OLG Celle NdsRpfl. 1972 67). Eine Überbürdung der gesamten Verteidigerkosten kann in Betracht kommen, wenn der Angekl. bezgl. der Verurteilung geständig war und die Aufgabe des Verteidigers sich von vornherein auf die den Schwerpunkt des Verfahrens bildende Freispruchstat beschränkt (LG Fulda AnwBl. 1972 196).

2493

§ 4 6 5 Anm. IV; V §466

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

IV. Zu Absatz 3. Das Strafurteil kann auch, soweit es die Kostentragungspflicht betrifft, nur mit Eintritt der Rechtskraft Wirksamkeit erlangen (OLG Karlsruhe A l s b e r g E 3 Nr. 279); erst mit der Rechtskraft werden nach § 109 Abs. 2 G K G die dem Beschuldigten durch Urteil auferlegten Gebühren und Auslagen fallig. Wird der Eintritt der Rechtskraft durch den Tod des Verurteilten ausgeschlossen, so wird das Urteil auch bezüglich der Kosten hinfällig. § 465 Abs. 3 entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch in § 30 StGB und noch weitergehend in § 101 OWiG seinen Niederschlag gefunden hat. Auch Ansprüche Dritter auf Erstattung ihrer Auslagen (z. B. des Nebenklägers) können nicht auf das Urteil gestützt werden, wenn es infolge des Todes des Beschuldigten nicht rechtskräftig wird. Voraussetzung einer Haftung des Nachlasses ist, daß das Urteil in vollem Umfang rechtskräftig ist. Daher ist § 465 Abs. 3 auch anwendbar, wenn z. Z. des Todes zwar der Schuldspruch, aber wegen Anfechtung eines Nebenpunktes, z. B. hinsichtlich einer ausgesprochenen Einziehung, der Strafausspruch noch nicht in vollem Umfang rechtskräftig war (BayObLG NJW 1957 1448), oder wenn zwar der Ausspruch über Art und Höhe der Strafe rechtskräftig, die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung aber noch in der Schwebe war (OLG Köln JMB1. NRW 1960 248). Wegen der Bedeutung des Todes des Beschuldigten im Privatklageverfahren für die Kostentragungspflicht s. Anm.AI 1 zu §471. V. Nebenklage. Das geltende Recht enthält keine Vorschrift über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Nebenklägers durch den Verurteilten. Nach § 397 hat der Nebenkläger nach erfolgtem Anschluß die Rechte des Privatklägers; ihm sind daher auch gemäß § 471 Abs. 1 seine notwendigen Auslagen durch den Verurteilten zu erstatten (vgl. im einzelnen Anm. B zu § 471, Anm. C zu § 473). Art. 70 Nr. 245 Entw. EGStGB 1930 wollte in § 465 einen neuen Abs. einstellen; „Die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen können dem Angeklagten, sofern er verurteilt wird, auferlegt werden". Danach sollte also — abweichend von der Auslegung des geltenden Rechts — die Pflicht zur Erstattung der notwendigen Auslagen des Nebenklägers nicht zwangsläufig als Folge der Verurteilung in die Kosten des Verfahrens eintreten, sondern das Gericht nach Ermessen über die Überbürdung entscheiden; für die Ausübung des Ermessens sollte nach der amtl. Begr. (S. 116) in der Regel entscheidend sein, ob nach Lage der Sache der Beitritt als Nebenkläger notwendig oder doch angemessen war. Dem geltenden Recht ist eine solche Unterscheidung fremd.

§466 (1) Mitangeklagte, gegen die in bezug auf dieselbe Tat auf Strafe erkannt oder eine Maßregel der Sicherung und Besserung angeordnet wird, haften für die Auslagen als Gesamtschuldner. Dies gilt nicht für die durch die Vollstreckung, die Untersuchungshaft oder die einstweilige Unterbringung entstandenen Kosten. (2) Sind Auslagen durch Untersuchungshandlungen entstanden, die ausschließlich gegen einen Mitangeklagten gerichtet waren, so hat das Gericht den anderen Mitangeklagten von der Mithaftung für diese Auslagen zu befreien. Entstehungsgeschichte: Der frühere Abs. 1 des § 466: „Wenn ein Angeklagter in einer Untersuchung, welche mehrere strafbare Handlungen umfaßt, nur in Ansehung eines Teiles derselben verurteilt wird, durch die Verhandlung der übrigen Straffälle aber besondere Kosten entstanden sind, so ist er von deren Tragung zu entbinden", wurde durch Art. 2 Ziff. 43 des Ges. vom 24. 11. 1933 (RGBl. I 1000) gestrichen, weil er inhaltlich durch den neugefaßten § 465 Abs. 1 Satz 1 überflüssig wurde. Durch das gleiche Gesetz wurden in dem bisherigen Abs. 2 im Satz 1 die Worte „oder eine Maßregel der Sicherung und Besserung angeordnet oder zugelassen", im Satz 2 die Worte „oder die einstweilige Unterbringung" eingefügt. Durch § 8 Ziff. 6 des Ges. über Reichsverweisungen vom 23.3. 1934 (RGBl. 1213) wurden in Satz 1 die Worte „oder zugelassen" wieder gestrichen. Durch Art. 2 Nr. 24 EGOWiG wurde der neue Abs. 2 eingefügt. Der Reg.Entw. sah eine entsprechende Kann-Vorschrift vor. Der BT-Rechtsausschuß änderte sie in eine Mußvorschrift um, „weil es stets unbillig wäre, einen Mitangeklagten mit Auslagen zu belasten, die durch die aus2494

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 466 Anm. I 1, 2; II 1, 2 schließlich gegen einen anderen Mitangeklagten vorgenommenen Untersuchungshandlungen entstanden sind" (Bericht des Rechtsausschusses zu Drucks. V/2600 S. 21). I. Grundsatz und Ausnahmen. 1. ratio legis. Der gesetzgeberische Grund für die in § 466 Abs. 1 angeordnete Gesamthaftung mehrerer verurteilter Mitangeklagter liegt darin, daß es in vielen Fällen praktisch undurchführbar wäre, festzustellen, inwieweit die Auslagen i. S. des § 464 a Abs. 1 durch die Untersuchung gegen den einen oder den anderen entstanden sind. Da die Gerichtsgebühr gemäß § 69 G K G von jedem Verurteilten gesondert je nach Art und Größe der erkannten Strafe oder der Art der angeordneten Maßregel erhoben wird, kommt hinsichtlich der Gerichtsgebühren eine gesamtschuldnerische Haftung nicht in Betracht (vgl. RGSt. 2 1 6 1 ; BayObLG ZStW 47 Beü. 219; R G JW 1933 1957; OLG Karlsruhe HRR 1925 Nr. 649). Abs. 1 betrifft demgemäß nur die Auslagen der Staatskasse (§ 105 GKG). Notwendige Auslagen, die ein Mitangeklagter einem Beteiligten, z. B. einem Nebenkläger zu erstatten hat, gehören nicht hierher (vgl. vielmehr § 471 Abs. 4 Satz 2 und Anm. IV zu § 471). Auch die Auslagen eines freigesprochenen Mitangeklagten (§ 467 Abs. 1) können nicht dem verurteilten Mitangeklagten auferlegt werden (RG JW 1933 1957). 2. Ausnahmen. Der Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung ist aber nach 2 Richtungen durchbrochen a) Die Mithaft erstreckt sich nach Abs. 1 Satz 2 nicht auf Auslagen, die durch Vollstreckung, Untersuchungshaft oder einstweilige Unterbringung (§ 126a) gegenüber dem einzelnen Mitangeklagten entstanden sind. Hier entfallt nicht nur die ratio des § 466 Abs. 1 Satz 1, die Schwierigkeit der Ausscheidung, sondern es wäre auch unbillig, den Mitangeklagten, der der Durchführung des Verfahrens keine Hindernisse bereitet, für Auslagen haften zu lassen, die dadurch entstehen, daß gegen einen anderen Mitangeklagten die Untersuchungshaft angeordnet werden muß. Hinsichtlich der Kosten der Untersuchungshaft ist Satz 2 übrigens gegenstandslos, da solche nach § 92 Nr. 12 GKG, § 12 Abs. 2 Kostenverfg. nicht erhoben werden. b) Die Mithaft erstreckt sich ferner nach Abs. 2 nicht auf Auslagen durch Untersuchungshandlungen, die ausschließlich gegen einen Mitangeklagten gerichtet waren. Abs. 2 dient der Beseitigung ungerechtfertigter Härten, die vordem dadurch entstanden sind, daß die Entbindung von der Mithaft auf die in Abs. 1 Satz 2 genannten Auslagen beschränkt war. Diese weitere Auflockerung des Grundsatzes des Abs. 1 Satz 1 findet ihr Gegenstück der Auflockerung des Grundsatzes des § 465 Abs. 1 durch die Schaffung des § 465 Abs. 2 (Begr. z. Entw. EGOWiG, BT-Drucks. V/1319 S. 85). Auch im Fall des Abs. 2 entfällt die ratio der Mithaft, denn Auslagen durch Untersuchungshandlungen, die ausschließlich gegen einen Mitangeklagten gerichtet waren, sind ausscheidbar. Vgl. dazu unten Anm. II 2. II. Zu Absatz 2. 1. Als Untersuchungshandlungen, die ausschließlich gegen einen Mitangeklagten gerichtet waren, kommen z. B. (vgl. die in der amtl. Begr. S. 85 angeführten Beispiele) in Betracht Auslagen durch eine umfangreiche Beweisaufnahme, die nur wegen Einlassung des anderen Mitangeklagten erforderlich war, oder Auslagen durch die Untersuchung des anderen Mitangeklagten auf seinen Geisteszustand (§ 81 StPO, § 92 Nr. 4, 12 GKG). Im Gegensatz zu § 465 Abs. 2 Satz 1 spricht § 466 Abs. 2 nicht von Auslagen durch Untersuchungen, sondern von Auslagen durch Untersuchungshandlungen. Die Entscheidung über die Auslagen nach § 466 Abs. 2 (unten Rdn. III 4 b) ist „also nicht von dem Ergebnis bestimmter Untersuchungen abhängig, sondern allein davon, ob die Untersuchungshandlungen, also unter Umständen auch einzelne Handlungen, die zur Aufklärung eines bestimmten Umstandes vorgenommen worden sind, ausschließlich gegen einen Mitangeklagten gerichtet waren" (Begr. z. RegEntw. EGOWiG, BT-Drucks. V/1319 S. 85). 2. Vergütung des Pflichtverteidigers. a) Streitig ist, ob § 466 Abs. 2 sich erstreckt auf die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren eines Pflichtverteidigers (§ 92 Nr. 7 GKG), der nicht allen Mitangeklagten 2495

§ 466 Anm. II 2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

gemeinsam bestellt worden ist. Vor Schaffung des Abs. 2 war nicht zweifelhaft, daß, wenn bei zwei Mitangeklagten jedem ein besonderer Pflichtverteidiger bestellt war, jeder Verurteilte für die gesamten Pflichtverteidigergebühren haftete, und daß Mithaft der übrigen Mitangeklagten bestand, wenn nur einem von ihnen ein Pflichtverteidiger bestellt war (vgl. OLG Hamm Rpfleger 1952 436; LG Bremen und Hof KostRspr. Nr. 1, 2 zu § 466). b) Die Rechtsprechung vertritt die Auffassung, daß sich daran durch die Einfügung des Abs. 2 nichts geändert habe. OLG Stuttgart Justiz 1972 19 folgert dies aus dem „eindeutigen Wortlaut" des Abs. 2. Nach OLG Celle GA 1970 373 „ist nicht zweifelhaft, daß auch Pflichtverteidigergebühren eines anderen Mitangeklagten" zu den Auslagen rechnen, auf die sich die Mithaft der übrigen erstreckt. LG Mönchengladbach NJW 1969 172 (m. abl. Anm. S c h m i d t ) begründet die gleiche Auffassung damit, daß die Bestellung eines Pflichtverteidigers keine Untersuchungshandlung i. S. des § 466 Abs. 2 sei; § 466 Abs. 2 habe nur z. B. Gutachterkosten, Untersuchungskosten usw. zum Gegenstand. c) Abweichende Auffassungen finden sich im Schrifttum. Nach G ö h l e r 4 zu § 105 OWiG ist im Bußgeldverfahren, in dem gemäß § 105 Abs. 1 OWiG der § 466 StPO sinngemäß anwendbar ist, ein Mitbetroffener von der Mithaftung für die Kosten des einem anderen Mitbetroffenen bestellten Pflichtverteidigers „stets zu befreien, da es sich insoweit immer um solche (klar ausscheidbare) Auslagen handelt, die ausschließlich durch das Verfahren gegen den einen Mitbetroffenen ausgelöst worden sind"; d. h. nach G ö h l e r ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers eine Untersuchungshandlung i. S. des § 466 Abs. 2 (ebenso M ü m m l e r JVB1. 1972 99). Nach H. S c h m i d t NJW 1969 1729 mag zwar bei „Untersuchungshandlungen" zunächst an Einzelhandlungen wie etwa die Vernehmung von Zeugen gedacht worden sein; jedoch falle unter diesen Begriff „auch das gesamte Strafverfahren von den ersten Ermittlungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung". Hier wird also unter „Untersuchungshandlung" jede Amtshandlung der Strafverfolgungsorgane im Verlaufeines Strafverfahrens verstanden; jedoch „bekennt" H. S c h m i d t „freimütig", daß gegen diese Auffassung Einwände erhoben werden könnten. Vorsichtiger äußert sich E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 7: die Bestellung des Pflichtverteidigers als Untersuchungshandlung i. S. des Abs. 2 anzusehen, „dürfte nicht ausgeschlossen sein"; sie wäre dann auch ausschließlich als gegen den Mitangeklagten gerichtet anzusehen sein, dem der Pflichtverteidiger bestellt wurde, denn auch wenn der für nur einen Mitangeklagten bestellte Pflichtverteidiger seine Verteidigung auf die allen zur Last gelegten Taten zu beziehen habe, so sei seine Bestellung doch nur für den einen Mitangeklagten erfolgt, und auch seine Verteidigung gelte nur diesem Mitangeklagten. Undeutlich ist die Stellungnahme von K l : vgl. einerseits Anm. 2, wonach sich die Gesamthaftung auch auf die Gebühren des für einen Mitangeklagten bestellten Verteidigers bezieht, andererseits Anm. 4, wo LG Mönchengladbach als abweichend zitiert wird. d) Die Stellungnahme zu der Streitfrage hängt zunächst von einer genaueren Bestimmung des Begriffs der „Untersuchungshandlung" i. S. des § 466 Abs. 2 ab. Wo die StPO diesen Begriff an anderen Stellen verwendet (vgl. §§ 20, 162, 188, 191), umfaßt er im allgemeinen Handlungen, die der Aufklärung des Sachverhalts, der Auffindung von Beweismitteln oder der Sicherung des Fortgangs des Verfahrens dienen (vgl. Anm. 2; M ü l l e r - S a x 2, je zu § 191). Im weiteren Sinn ließe sich auch die Bestellung eines Pflichtverteidigers als Untersuchungshandlung ansehen, denn jedenfalls wegen des zweiten Zweckes der Doppelaufgabe jedes Verteidigers, den Angriff der Anklage abzuwehren und für prozeßordnungsmäßigen Verfahrensablauf zu sorgen (vgl. Anm. 4b, 5 vor § 137) trägt der Pflichtverteidiger zur (prozeßordnungsgemäßen) Aufklärung des Sachverhalts bei. Die Frage ist aber, ob der Begriff „Untersuchungshandlung" in § 466 Abs. 2 in diesem allgemeinen Sinn zu verstehen ist, oder sich nicht vielmehr auf das beschränkt, was etwa unter den Begriff der „einzelnen Beweiserhebungen" (vgl. §§ 169a, 201) oder der „weiteren Ermittlungen" (vgl. §§ 169b Abs. 4, 197 Abs. 3) zu verstehen ist. Für eine Beschränkung im letzteren Sinn sprechen nicht nur die „Musterbeispiele", die in der amtl. Begr. zur Erläuterung des Begriffs der Untersuchungshandlung angeführt sind (oben Anm. II 1), ferner nicht nur die Parallele zu § 465 Abs. 2 Satz 1, wo von Untersuchungen „zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände" die Rede ist, sondern auch das von H . S c h m i d t so „freimütig 2496

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 466 Anm. III 1

bekannte" Bedenken, daß der Gesetzgeber es unterlassen hat, die Pflichtverteidigerstellung zugunsten eines (oder einzelner) Mitangeklagter als einen Fall in die Regelung des § 466 Abs. 1 Satz 2 einzubeziehen, bei dem es sich (nach G ö h l er aaO.) „immer um klar ausscheidbare Auslagen handelt, die ausschließlich durch das Verfahren gegen den einen Mitangeklagten ausgelöst worden sind." Wäre dies wirklich die Auffassung des „Gesetzgebers" gewesen, so müßte der amtl. Begr. des Entw. EGOWiG der Vorwurf gemacht werden, daß sie durch die angeführten Beispiele geradezu irreführend wirke, wie die Ausführungen von LG Mönchengladbach aaO. zeigen. Zum mindesten wäre es Aufgabe der Begr. gewesen, die Auslagen für den Pflichtverteidiger als Musterfall für die Anwendung des § 466 Abs. 2 anzuführen, um die Praxis vor der naheliegenden Gefahr eines Weiterschreitens auf gewohnter Bahn zu bewahren. Schließlich fragt sich, ob es immer von der Billigkeit gefordert wird, den nicht oder nur von einem gewählten Verteidiger verteidigten Mitangeklagten von den Auslagen der Staatskasse für den dem anderen Mitangeklagten bestellten Pflichtverteidiger freizustellen. Die Tätigkeit des Pflichtverteidigers kann auch den übrigen Mitangeklagten zugute kommen, ja es kann sein, daß ein Mitangeklagter von der Zuziehung eines gewählten Verteidigers absieht, weil es seine Belange als durch die Tätigkeit des dem anderen Mitangeklagten bestellten Pflichtverteidigers genügend gewahrt ansieht. Eine andere Beurteilung hätte vielleicht Platz greifen können, wenn — wie der Entw.EGOWiG es im Anschluß an § 454 Abs. 2 StPO-Entw. 1939 (vgl. dazu Anm. 3 der Vorauflage) vorsah — § 466 Abs. 2 nur eine Kann-Vorschrift enthielte, die es gestattete, Billigkeitsgesichtspunkten je nach den Umständen des Einzelfalles Rechnung zu tragen. Diesen Weg hat aber der Gesetzgeber des Jahres 1968 nicht beschritten, sondern sich zu einer unnachgiebigen Mußvorschrift entschlossen, die dann freilich die Zweifel nach ihrem Anwendungsbereich hervorruft. Man wird also die Pflichtverteidigergebühren nach wie vor als unter § 466 Abs. 1 Satz 1 fallend anzusehen haben. Die Frage, ob dies rechtspolitisch wünschenswert ist, muß der Gesetzgeber entscheiden (s. dazu unten Anm. IV). Auch nach der hier vertretenen Auffassung lassen sich übrigens Unbilligkeiten bis zu einem gewissen Grad bei der Anforderung und Beitreibung der Kosten vermeiden (vgl. unten Anm. III 4 c); auch ist zu berücksichtigen, daß die Staatskasse nicht in allen Fällen wegen der Vergütung des Pflichtverteidigers in Anspruch genommen wird (vgl. Anm. I 2a zu § 464a Abs. 1). e) Entsprechendes wie für die Gebühren des Pflichtverteidigers gilt für die Auslagen eines Dolmetschers, der hinzugezogen werden muß, weil in der Person eines von mehreren Mitangeklagten die Voraussetzungen der §§ 185, 186 GVG gegeben sind. f) Die Mithaftung entfallt, wenn die Pflichtverteidigung weitere selbständige Handlungen zum Gegenstand hat, an denen die übrigen Verurteilten nicht beteiligt waren (vgl. unten III 1 b). Jedoch spielt dieser Gesichtspunkt praktisch keine Rolle, wenn durch die Pflichtverteidigung insoweit keine zusätzlichen ausscheidbaren Gebühren entstanden sind (LG Mönchengladbach NJW 1969 1729); insbesondere kommt, da es an einer dem § 465 Abs. 2 entsprechenden Regelung fehlt, hier eine nur quotenweise Mithaftung nicht in Betracht. III. Voraussetzungen der Gesamthaftung. 1. Die Gesamthaftung der Mitangeklagten für die Auslagen tritt nur insoweit ein, als gegen sie „in bezug auf dieselbe Tat" auf Strafe erkannt oder eine Maßregel angeordnet wird. a) Das bedeutet nicht, daß die Mitangeklagten zueinander in dem Verhältnis von Mittätern oder Teilnehmern stehen müssen. Das Entscheidende ist vielmehr, etwa wie in § 264, § 60 Nr. 3 StPO, die Einheit des strafrechtlichen Vorgangs; es genügt jede strafbare Mitwirkung an der Tat in der gleichen Richtung; es gilt im wesentlichen auch hier, was in Anm. 2 zu § 60 ausgeführt ist (h. M.; vgl. RGSt. 12 226; 21 164; BGH NJW 1951 325; BayObLG Alsberg Entsch. 3 Nr. 336a; OLG Hamm Rpfleger 1952 436; NJW 1961 1883; OLG Celle NJW 1960 2305 = MDR 1960 1033; GA 1970 373; K G JR 1967 431; M ü l l e r - S a x l b ; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 2; Kl 1; a. M. z.T. das ältere Schrifttum, z. B. B e l i n g 459 Anm. 10). Mithaft nach § 466 kann auch begründet sein, wenn mehrere Personen als Nebentäter, wenn auch entgegengesetzt wirkend, fahrlässig zum Erfolg beigetragen haben (OLGe. Saarbrücken JB1. Saar 1959 115; Celle NJW 1960 2305; 2497

§ 466 Anm. III 2, 3

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

BayObLG Rpfleger 1960 306); die „Mitwirkung in derselben Richtung" liegt hier im fahrlässigen Beitrag zum Eintritt des Erfolgs (vgl. Anm. 2 zu § 60). Insbesondere sind „in bezug" auf die Tat des Haupttäters verurteilt der Begünstiger und der Hehler (BayObLG Alsberg Entsch. 3 336a und 336b; OLGe. Rostock Alsberg Entsch. 3 287; Hamm Rpfleger 1952 436; NJW 1961 1883; Celle NJW 1960 2305; Stuttgart Justiz 1972 19; LG Mönchengladbach NJW 1969 1729; s. aber OLG CeUe NJW 1960 2305, das bei persönlicher Begünstigung, z. B. wenn Haupttat und Begünstigungshandlung zeitlich weit auseinanderliegen, Ausnahmen zulassen will). Einheit der Tat liegt ferner z. B. vor bei aktiver und passiver Bestechung (RGSt. 12 226; a. M. E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 4), bei Wahlbestechung durch Kauf und Verkauf einer Wahlstimme, bei Unzucht zwischen Männern (OLG Celle aaO.). Sie fehlt z. B., weil eine Mitwirkung in der gleichen Richtung nicht gegeben ist, bei wechselseitiger Körperverletzung (RGSt. 21 164), oder wenn der eine Mitangeklagte wegen Tötungsversuchs, der andere, der zufallig anwesend war, wegen unterlassener Hilfeleistung gegenüber dem Opfer verurteilt wird (OLG Hamm NJW 1961 1883). Auch genügt nicht, daß ein bestimmtes Ereignis, an dem die Mitangeklagten Beteiligte waren, nur den tatsächlichen Ausgangspunkt bildet, aus dem sich für beide getrennte, miteinander nicht mehr im Zusammenhang stehende strafbare Handlungen entwickeln, z. B. wenn sie miteinander unzüchtige Handlungen betrieben haben und die wahrheitswidrige Schilderung des Vorgangs in einem gerichtlichen Verfahren bei dem einen zur Verurteilung wegen Prozeßbetruges, bei dem anderen zur Verurteilung wegen Meineids führt (OLG Celle GA 1970 344). Die wegen Beteiligung an einer fortgesetzten Handlung Mitangeklagten haften ohne Rücksicht darauf, ob der eine oder andere in größerem oder geringerem Umfang an den Einzelakten beteiligt war, gesamtschuldnerisch. Ist aber der eine Mittäter nur wegen Mitwirkung an einem Teilakt der fortgesetzten Straftat des anderen Angeklagten — also wegen einer für ihn selbständigen Handlung — verurteilt, so beschränkt sich seine Mithaft auf die Auslagen, die durch seine Tatbeteiligung mitverursacht worden sind (OLG Hamm NJW 1962 2120). b) Ist ein Mitangeklagter auch noch wegen anderer selbständiger Taten verurteilt worden, an denen der andere Mitangekl. unbeteiligt ist, so erstreckt sich zwar dessen Mithaft nicht auf die Auslagen, die durch die Untersuchung der weiteren Taten entstanden sind, jedoch gilt dies nur, soweit sich diese Auslagen ausscheiden lassen (BayObLG St. 1954 68; KG JR 1962 271; OLG Bremen KostRspr. Nr. 4 zu § 466). 2. Auf Strafe erkannt. Bei der Einfügung des Satzes 2 in § 465 Abs. 1 ist es unterblieben, auch den § 466 dem § 465 redaktionell anzupassen. Es kann aber nicht zweifelhaft sein, daß die dort gegebene authentischen Interpretation des Begriffs „Verurteilung" auch für § 466 gilt (KG JR 1962 271); Art. 70 Nr. 245 EGStGB-Entw. 1930 und § 454 Abs. 3 StPO-Entw. 1939 wollten dies ausdrücklich aussprechen. Nur zwischen verurteilten oder mit Maßregeln belegten Mitangeklagten läßt das Gesetz die Gesamthaftung eintreten. Daher können einem Verurteilten nicht solche Auslagen auferlegt werden, die der Staatskasse ausschließlich durch die Untersuchung gegen einen freigesprochenen Mitangeklagten erwachsen sind, wie z. B. die Kosten seiner Verteidigung. Das gleiche gilt, wenn ein verurteilter Mitangekl. vor Eintritt der Rechtskraft des Urteils verstirbt (LG Bremen KostRspr. Nr. 5 zu § 466). 3. Die Gesamthaftung ist nicht davon abhängig, ob die Verurteilung usw. mehrerer Mitangeklagter in demselben Urteil erfolgt; es genügt vielmehr, daß gegen sie eine gemeinschaftliche gerichtliche Untersuchung geführt worden ist, und die Gesamthaftung tritt auch dann ein, wenn die Urteile gegen die verschiedenen Mitangeklagten in verschiedenen Hauptverhandlungen gefällt werden (ebenso E b S c h m i d t Nachtr. Bd. II Rdn. 9; M ü l l e r - S a x l a ; Kl 2; Stenglein Anm. 4; Ben-Beling 459;a. M. Keller 631: Meves in H H 2 522; v. K r i e s 773; G e r l a n d Stpr. 481). Auch eine Aburteilung in verschiedenen Rechtszügen (Verurteilung des einen, Freispruch des anderen Mitangeklagten in 1. Instanz, in der Berufungsinstanz Verurteilung auch des in 1. Instanz Freigesprochenen) schließt die Gesamthaftung nicht aus, soweit es sich um die Auslagen der 1. Instanz handelt — s. unten zu 5 —, denn auch in diesem Fall trifft die dem § 466 Abs. 1 zugrundeliegende gesetzgeberische Erwägung zu (ebenso LG Amberg NJW 1952 398). Anders liegt es dagegen, wenn die mehreren Angeklagten in getrennten Verfahren abgeurteilt werden; auch entfällt die Mit2498

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 466 Anm. III 4 , 5 ; IV

haft eines rechtskräftig Abgeurteilten für Auslagen, die gegen andere (früher) Mitangeklagte neu entstanden, nachdem das Verfahren gegen ihn rechtskräftig abgeschlossen war; denn in diesen Fällen kann nicht von „Mitangeklagten" gesprochen werden, und es entfallt der Gesichtspunkt der schwierigen Ausscheidbarkeit (oben Anm. I 1). 4. Kostenentscheidung. Einforderung. a) Soweit die Gesamthaftung begründet ist, folgt sie aus der Verurteilung in die Kosten von selbst; sie braucht also nicht ausdrücklich ausgesprochen zu werden (vgl. § 105 GKG); eine Haftung nach Kopfteilen kennt das Gesetz nicht (RGSt. 1 93, 51 83, HRR 1940 Nr. 209; BayObLG JZ 1953 47; a. M. v. S c h w a r z e 614). Falsch wäre eine Kostenentscheidung, daß die Angeklagten „die Kosten des Verfahrens" als Gesamtschuldner zu tragen hätten, da sie ja für die Gerichtsgebühren nicht gesamtschuldnerisch haften (RG HRR 1940 Nr. 209); allenfalls könnte der Kostenausspruch lauten, daß die Verurteilten die Kosten des Verfahrens tragen und für die Auslagen als Gesamtschuldner haften. Wird ein Mitangeklagter durch eine Amnestie von der Haftung für die Kosten befreit, so berührt dies die gesetzliche Haftung der übrigen Angeklagten nicht. b) Der Ausschluß von der Mithaftung ergibt sich bei den in Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Auslagen unmittelbar aus dem Gesetz; es bedarf daher insoweit keiner ausdrücklichen Ausschließung im Urteil. Anders liegt es bei den Auslagen i. S. des Abs. 2. Hier muß das Gericht von der Mithaftung „befreien", also förmlich und in einer jeden Zweifel über die Tragweite ausschließenden Weise im Urteil aussprechen, welche Auslagen von der Mithaftung ausgeschlossen sind. Unterbleibt ein Ausspruch, und wird die Kostenentscheidung rechtskräftig, so ist eine Nachholung der Befreiung durch das erkennende Gericht nicht möglich. Sie kann aber auch nicht im Kostenansatzverfahren nach § 4 G K G durch den Kostenbeamten und auf Erinnerung oder Beschwerde durch das Gericht erfolgen, denn diese sind an den rechtskräftigen Kostenausspruch des erkennenden Gerichts gebunden (KG JR 1970 430; Kl 5; M ü m m l e r JVB1. 1972 100; a. M. H. S c h m i d t NJW 1969 1729). Jedoch bleibt die Möglichkeit einer Korrektur im Wege der Gnade (vgl. Vorbem. 6 vor § 464). Im übrigen wird ein Streit, ob die Voraussetzungen der Mithaftung (Verurteilung „in bezug auf dieselbe Tat") vorliegen, und auf welche Auslagen sich die Gesamthaftung erstreckt, im Verfahren nach § 4 G K G ausgetragen. c) Wirkung der Gesamthaftung. Die Gesamthaftung bewirkt, daß es im Ermessen des Kostenbeamten steht, ob und in welchem Umfang er die Auslagen von dem einen oder anderen Mitangeklagten einfordert (§§421 f. BGB); Richtlinien für die Ermessensausübung gibt § 8 Abs. 2 Kostenverfg. vom 28. 2. 1969. In Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens wird z. B. der Kostenbeamte, wenn eine Befreiung nach § 466 Abs. 2 versehentlich unterblieben ist, die Auslagen zunächst nur gegen den Mitangeklagten ansetzen, gegen den die auslagenverursachenden Untersuchungshandlung ausschließlich gerichtet war; ebenso wird er die Auslagen für die Vergütung eines Pflichtverteidigers, der nur einem von mehreren Mitangeklagten bestellt war, zunächst nur von diesem anfordern (vgl. § 8 Nr. 2 Kostenverfg. und LG Hof KostRspr. Nr. 2 zu § 466). Ein Streit um die Ausgleichspflicht zwischen den Mitangeklagten (§ 426 BGB) muß im Zivilprozeß ausgetragen werden. 5. § 466 gilt nur für die Auslagen erster Instanz (RG I 877/26 vom 22. 2. 1927; BayObLGSt. 1 124; 6 330; OLG Dresden LZ 1933 199; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 11). Für die Auslagen in der Rechtsmittelinstanz ist § 473 maßgebend; vgl. Anm. A VI 3 a daselbst. Ein Angeklagter kann die gegen einen Mitangeklagten ergangene Kostenentscheidung nicht wegen seiner gesamtschuldnerischen Haftung für die Auslagen anfechten. — § 466 gilt auch für Privatklagesachen (BayObLG HRR 1926 Nr. 999). IV. Reformbestrebungen. In seiner Stellungnahme zu Art. 19 Nr. 129 des von der Bundesreg. vorgelegten Entw. des EGStGB (BT-Drucks. VI/3250 vom 4. 4. 1972) hat der Bundesrat (S. 460) vorgeschlagen, unter Streichung des Abs. 2 den Abs. 1 Satz 2 wie folgt zu fassen: „Dies gilt nicht für die durch die Tätigkeit eines Pflichtverteidigers oder eines Dolmetschers und die durch die 2499

§ 467 Anm. 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Vollstreckung, die einstweilige Unterbringung oder die Untersuchungshaft entstandenen Kosten sowie für Auslagen, die durch Untersuchungshandlungen, die ausschließlich gegen einen Mitangeklagten gerichtet waren, entstanden sind." Zur Begründung wird ausgeführt: Die überwiegend vertretene Auffassung, daß zu den „Untersuchungshandlungen" i. S. des § 466 Abs. 2 nicht die Tätigkeit eines bestellten Pflichtverteidigers gerechnet werden könne, führe dazu, daß ein Angeklagter für die Vergütung des Pflichtverteidigers eines Mitangeklagten auch dann hafte, wenn dieser Pflichtverteidiger den ersteren im Verfahren erheblich belastet habe. Es könne auch sein, daß ein Angeklagter die Kosten mehrerer Pflichtverteidiger mehrerer Mitangeklagter tragen müsse. Solche Folgerungen könnten eine Gefahrdung für die Resozialisierungsbemühungen darstellen. Die Einbeziehung des jetzigen Abs. 2 in den vorgeschlagenen Abs. 1 Satz 2 solle klarstellen, daß der Ausschluß der Mithaftung kraft Gesetzes eintrete und im Kostenansatz- und Erinnerungsverfahren auch dann zu berücksichtigen sei, wenn eine „Befreiungserklärung" in der Urteilsformel nicht erfolgt ist. Die Bundesreg. hat diesem Vorschlag des Bundesrats zugestimmt (S. 482).

§467 (1) Wird der Angeschuldigte freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt, oder wird das Verfahren gegen ihn eingestellt, so fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last. (2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt. (3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er 1. die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder 2. wegen einer strafbaren Handlung nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. (4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen. Schrifttum: O s k e , Die Verpflichtung der Staatskasse zur Tragung der notwendigen Auslagen des Beschuldigten (§§467, 467a StPO), MDR 1969 712; N a u c k e , Aufteilung der notwendigen Auslagen des Angeschuldigten gemäß § 467 StPO, NJW 1970 84. Entstehungsgeschichte: 1. § 467 lautete ursprünglich: „(1) Einem freigesprochenen oder außer Verfolgung gesetzten Angeschuldigten sind nur solche Kosten aufzuerlegen, die er durch eine schuldhaften Versäumnis verursacht hat. (2) Die dem Angeschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen können der Staatskasse auferlegt werden." Die Reichstagskommission hatte zunächst beschlossen, daß die dem freigesprochenen oder außer Verfolgung gesetzten Angeschuldigten entstandenen notwendigen Auslagen stets der Staatskasse aufzuerlegen seien. Bei den sog. Kompromißverhandlungen im Reichstag (vgl. Einleitung S. 4) wurde aber auf Verlangen der Regierung die Muß- durch eine Kann-Vorschrift ersetzt (Sten.B S. 568, 992, 993). Über die Handhabung der danach stets fakultativen Überbürdung in der Praxis vgl. Anm. 3 a der Voraufl. Durch Art. 2 Ziff. 44 des Ges. vom 24. 11. 1933 (RGBl. I 1000) wurde als Abs. 3 eingefügt: „Diese Vorschriften gelten nicht, wenn gegen den Angeschuldigten die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet wird." Art. 4 Ziff. 50 des 3. Strafrechtsänderungsges. vom 4. 8. 1953 (BGBl. I 735) führte durch Einfügung eines Abs. 2 Satz 2 einen beschränkten Überbürdungszwang für die notwendigen Auslagen ein: 2500

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 467

Anm. 2, 3 „Sie sind ihr aufzuerlegen, wenn das Verfahren die Unschuld des Angeschuldigten ergeben oder dargetan hat, daß gegen ihn ein begründeter Verdacht nicht vorliegt; § 2 des Gesetzes betr. die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft vom 14. 7. 1904 i. d. F. des Gesetzes vom 24. 11. 1933 (RGBl. I S. 1000) gilt entsprechend." Man unterschied jetzt zwischen dem „Freispruch 2. Klasse" („mangels Beweises") und dem „1. Klasse" („wegen erwiesener Unschuld oder Fehlens eines begründeten Verdachts") Durch Art. 10 Nr. 12 des StPÄG vom 19. 12. 1964 (BGBl. I 1067) wurde Abs. 1 neu gefaßt („Wird der Angeschuldigte freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt, oder wird das Verfahren gegen ihn eingestellt, so fallen die Kosten des Verfahrens der Staatskasse zur Last; dem Angeschuldigten werden nur solche Kosten auferlegt, die er durch eine schuldhafte Versäumnis verursacht hat"). Diese Neufassung diente — ohne sachliche Änderungen — nur der Klarstellung, daß auch die Verfahrenseinstellung einem Freispruch gleichstehe. Ferner wurden — im Zuge der Bestrebungen auf Beseitigung des sog. Freispruchs 2. Klasse (vgl. dazu Anm. 3 b der Voraufl.) — die neuen Abs. 4 und 5 eingestellt: „(4) Über die Verpflichtung der Staatskasse nach Abs. 2 entscheidet das Gericht durch besonderen Beschluß gleichzeitig mit der Entscheidung nach Abs. 1. Wird eine solche Entscheidung auf ein Rechtsmittel von neuem getroffen, so wird auch über die Verpflichtung der Staatskasse nach Abs. 2 von neuem Beschluß gefaßt. (5) Der Beschluß nach Abs. 4 wird nur durch Zustellung bekannt gemacht. Er wird erst zugestellt, wenn die Entscheidung nach Abs. 1 rechtskräftig geworden ist. Er kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen in der Entscheidung nach Abs. 1 gebunden." Durch diese Regelung sollte erreicht werden, daß nicht mehr durch die Auslagenerstattungsentscheidung im Urteil zum Ausdruck komme, ob ein Freispruch 1. oder 2. Klasse vorliege. 2. Die jetzt geltende Fassung beruht auf Art. 2 Nr. 25 EGOWiG vom 24. 5. 1969 (BGBl. I 503). Eine entsprechende Vorschrift war im RegEntw. des EGOWiG noch nicht enthalten; sie wurde bei der Beratung des Entw. EGOWiG vom BT-Rechtsausschuß beschlossen. Ihr Grundgedanke ist die völlige auslagenrechtliche Beseitigung des „Freispruchs 2. Klasse". „Es widerspricht" — so wird in dem Bericht des Rechtsausschusses zu Drucks. V/2600 und 2601 S. 19 ausgeführt — „den allgemeinen Regeln des Prozeßrechts, daß derjenige, gegen den ein Verfahren anhängig gemacht worden ist, mit der Begründung, er sei einer Straftat hinreichend verdächtig, die ihm in diesem Verfahren notwendigerweise erwachsenen Auslagen in der Regel selbst tragen soll, obwohl er freigesprochen worden i s t . . . Der Umstand, daß der erhobene Verdacht nicht ausgeräumt ist, darf nicht zu Lasten des Angeklagten gehen. Denn in dem Strafverfahren ist es nicht Sache des Angeklagten, seine Unschuld zu beweisen oder die Verdachtsgründe auszuräumen, sondern umgekehrt die Aufgabe der Strafverfolgungsorgane, zu prüfen, ob ein Beweis für die Schuld des Angeklagtem geführt werden kann, wenn ein hinreichender Verdacht besteht. Dies folgt insbesondere aus Art. 6 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, wonach bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld vermutet wird, daß der wegen einer Straftat Angeschuldigte unschuldig ist. Gelingt es dem gerichtlichen Verfahren nicht, diese Unschuldsvermutung zu widerlegen, so besteht sie fort. Es ist dann nur folgerichtig, den Freigesprochenen auch hinsichtlich der Erstattung seiner Auslagen als Unschuldigen anzusehen. Das erscheint im übrigen deswegen recht und billig, weil es von dem Willen des Angeklagten und den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln oft völlig unabhängig ist, ob es ihm gelingt, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe auszuräumen oder nicht". 3. Die vom Rechtsausschuß vorgeschlagene und vom Plenum des Bundestags zunächst in 2. und 3. Lesung übernommene Fassung unterscheidet sich von der Gesetz gewordenen Fassung dadurch, daß Abs. 3 Satz 2 eine dem jetzigen Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 entsprechende Vorschrift nicht enthielt. Der Rechtsausschuß hatte dazu in seinem obenerwähnten Bericht (S. 21) ausgeführt, eine Einschränkung der Auslagenüberbürdungspflicht in den Fällen, in denen die Tat wegen eines Verfahrenshindernisses nicht verfolgt werden kann, „wäre nicht folgerichtig und würde dem Grundgedanken, auf dem die neue Regel beruht, widersprechen: wenn es allein darauf ankommt, ob der Strafprozeß, der dem Angeklagten gemacht worden ist, mit Erfolg im Sinne der Durchführung des staatlichen Strafanspruchs durchgeführt worden ist oder nicht, so darf keine Rolle spielen, aus welchen Gründen der staatliche Strafausspruch nicht durchgesetzt werden konnte". Diese Auffassung fand aber 2501

§ 467

S t r a f p r o z e ß o r d n u n g . Siebentes Buch

Anm. 4 , 5 ; 11—3 nicht die Z u s t i m m u n g des B u n d e s r a t e s ; v o m V e r m i t t l u n g s a u s s c h u ß w u r d e der jetzige A b s . 3 Satz 2 N r . 2 eingefügt. 4. G e g e n die Verfassungsmäßigkeit des § 4 6 7 bestehen keine Bedenken ( B V e r f G E 2 5 3 2 7 = M D R 1969 5 4 6 ; B a y O b L G N J W 1 9 7 0 875). 5. Materialien: 2. u n d 3. Beratung des E G O W i G im P l e n u m , V. W a h l p e r i o d e 161. Sitz u n g Prot. 8 4 8 4 f f . , 8495 ff., Bericht u n d Text des A n t r a g s des Vermittlungsausschusses B T - D r u c k s . V / 2 8 8 9 ; Verhandl. der V. W a h l p e r i o d e 173. Sitzung Prot. S. 9 2 4 9 f . Übersicht I. Zu Abs. 1 1. Grundsatz 2. Begriff des Angeschuldigten 3. Freispruch, Außerverfolgungssetzung, Verfahrenseinstellung 4. Zusammentreffen von Erstattungsansprüchen des Angeschuldigten gegen mehrere Erstattungspflichtige 5. Tod des Angeschuldigten 6. Teilfreispruch und Teilnichtverurteilung 7. Anwendung des Abs. 1 bei erfolgreicher Beschwerde 8. Auslagen Dritter 9. Auslagen der Nebenbeteiligten 10. Zeitlicher Bereich der Erstattungsentscheidung 11. Form der Erstattungsentscheidung 12. Die erstattungspflichtige „Staatskasse" II. Schuldhafte Säumnis (zu Abs. 2) 1. und 2. Voraussetzungen der Auslagenbelastung des Freigesprochenen 3. Form der Entscheidung 4. Entsprechende Anwendung des Abs. 2? III. Ausschluß der Auslagenerstattung bei täuschender Selbstanzeige (zu Abs. 3 Satz 1) 1. Grundsatz 2. Begriff der Selbstanzeige 3. Vortäuschung der Täterschaft 4. Veranlassung der Anklageerhebung 5. Grenzen der Auslagen versagung 6. Form der Versagung

IV. Absehen von Auslagenüberbürdung nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 1. Voraussetzungen a) Selbstbelastung b) Widerruf c) Verschweigen wesentlicher entlastender Umstände 2. Ermessensausübung 3. Auslagenteilung V. Absehen von Auslagenüberbürdung bei Nichtverurteilung wegen eines Verfahrenshindernisses (zu Abs. 3 Satz 2 Nr. 2) 1. Entstehungsgeschichte. Bisheriges Recht 2. Das geltende Recht a) Die in Betracht kommenden Verfahrenshindernisse b) Die Voraussetzungen der Nichtüberbürdung („nur deshalb...") 3. Uberschießender Anklagevorwurf 4. Ermessensrichtlinien 5. Analoge Anwendung der Vorschrift bei Tod des Angeklagten? VI. Einstellung des Verfahrens nach gerichtlichem Ermessen (zu Abs. 4) 1. Anwendungsbereich 2. Unanwendbarkeit des Abs. 4 (Auslagen des Nebenklägers, § 413 Abs. 5) 3. Ermessenshandhabung a) bei Einstellung nach § 153 Abs. 3 b) bei Einstellung nach § 153 Abs. 3 in der Rechtsmittelinstanz 4. Anfechtbarkeit der Auslagenentscheidung bei Einstellung nach § 153 Abs. 3

I. Zu Absatz 1. 1. A b s a t z 1 stellt den Grundsatz auf, d a ß , wenn der Angeschuldigte freigesprochen, a u ß e r Verfolgung gesetzt oder d a s V e r f a h r e n gegen ihn eingestellt wird, die G e r i c h t s k o s t e n (§ 4 6 4 a Abs. 1) u n d seine notwendigen A u s l a g e n (§ 4 6 4 a A b s . 2) der S t a a t s k a s s e z u r L a s t fallen. D a s ist g e m ä ß § 4 6 4 A b s . 1, 2 im Urteil oder d e m d a s V e r f a h r e n abschließenden B e s c h l u ß a u s z u s p r e c h e n (vgl. d a z u A n m . II 3 zu § 464). 2. D e r Begriff des Angeschuldigten ergibt sich aus der a u c h hier geltenden Legaldefinition des § 157 (vgl. O L G S a a r b r ü c k e n J R 1970 231). Vgl. d a z u unten A n m . V I 2 betr. § 4 1 3 A b s . 6. 3. Freispruch, Außerverfolgungsetzung, Verfahrenseinstellung. Die Einstellung des Verf a h r e n s ist erst seit der Neufassung des A b s . 1 d u r c h d a s S t P A G v o m 19. 12. 1964 ausdrücklich genannt. S c h o n v o r h e r aber w a r a n e r k a n n t , d a ß unter den Begriff der A u ß e r v e r -

2502

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 467 Anm. 14

folgungsetzung, der in einem weiteren, über § 204 Abs. 2 hinausgehenden Sinn verstanden wurde, auch die Einstellung falle (vgl. Anm. 4 a der Voraufl.); insoweit bringt die ausdrückliche Erwähnung der Verfahrenseinstellung lediglich eine authentische Klarstellung und Verdeutlichung. Gemeint ist auch hier nur eine endgültige (nicht eine nur vorläufige) Einstellung des gerichtlich anhängig gewordenen Verfahrens durch eine gerichtliche Entscheidung (vgl. Anm. I 4 zu § 464)*; auf den Grund der Einstellung, ob wegen eines Verfahrenshindernisses oder nach § 153 Abs. 3 und anderen die Einstellung in Durchbrechung des Verfolgungsgrundsatzes zulassenden Vorschriften kommt es nicht an. Die Begriffe Freisprechung, Außerverfolgungsetzung und Verfahrenseinstellung umfassen alle Fälle einer Beendigung des Verfahrens durch gerichtliche Entscheidung, in denen der Angeschuldigte aus dem Verfahren hervorgeht, ohne i. S. des § 465 verurteilt zu sein. Trotz der Streichung des § 467 Abs. 3 a. F. („Diese Vorschriften gelten nicht, wenn gegen den Angeschuldigten die Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt angeordnet wird") hat sich nichts daran geändert, daß bei Freispruch wegen Zurechnungsunfähigkeit zur Tatzeit unter gleichzeitiger Anordnung der Unterbringung § 467 Abs. 1 unanwendbar ist, weill dann eine Verurteilung i. S. des § 465 vorliegt (vgl. dort Anm. I 1 c). Das gleiche gilt, wenn wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Zurechnungsunfahigkeit Freisprechung erfolgt, gleichzeitig aber gemäß § 42m StGB Entziehung der Fahrerlaubnis ausgesprochen wird (vgl. C o r d i e r NJW 1962 650; S c h m i d t SchlHA 1963 3). Ein „Freispruch" ist auch die Ablehnung der Unterbringung des Sicherungsverfahrens gemäß § 429 b Abs. 2 Satz 3 (vgl. BGH NJW 1970 1242), eine „Einstellung" auch die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 204 Abs. 1 (OLGe. Köln NJW 1952 39; Nürnberg GA 1963 350), eine „Außerverfolgungsetzung" auch die Ablehnung der Eröffnung der Voruntersuchung (§ 180) und zwar nicht nur bei Ablehnung wegen Unzulässigkeit der Strafverfolgung oder weil die Tat unter kein Strafgesetz fällt (so Kl 3), sondern auch bei Ablehnung wegen Unzuständigkeit (vgl. I 4 zu § 464)**. Sinngemäß ist § 467 anwendbar, wenn die Staatsanwaltschaft gegen einen rechtskräftig Verurteilten, dem die Strafe (§ 23 StGB) oder ein Strafrest (§ 26 StGB) zur Bewährung ausgesetzt wurde, erfolglos den Widerruf der Aussetzung betreibt; die gerichtliche Ablehnung des Antrags entspricht dann einem Freispruch i. S. des § 467 Abs. 1 (LG Saarbrücken NJW 1969 1974; s. auch Anm. I 6b zu § 473). Wegen des erfolglosen Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Verurteilten vgl. § 473 Abs. 5 Nr. 1. 4. Zusammentreffen mehrerer Erstattungsanspriiche des Angeschuldigten. Der Grundsatz des Abs. 1 ist bezgl. der Kosten in Abs. 2, bezgl. der notwendigen Auslagen in Abs. 2, 3 und 4 durchbrochen. Soweit diese Ausnahmen nicht eingreifen, hat der unverurteilt aus dem Verfahren hervorgehende Angeschuldigte nach § 467 Abs. 1 Anspruch auf uneingeschränkte Erstattung seiner notwendigen Auslagen aus der Staatskasse. Daraus folgt, daß wenn ihm auch ein Dritter ganz oder teilweise die Auslagen zu erstatten hat, wie z. B. der säumige Zeuge, der gemäß § 51 Abs. 1 in die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten verurteilt worden ist (vgl. dazu Anm. 3 zu § 51; Anm. I 6 zu § 465) oder der Anzeigende im Fall des § 469 (vgl. dort Anm. III 1), der Erstattungsberechtigte im Verfahren nach § 464 b gegen die Staatskasse nicht darauf verwiesen werden kann, er müsse sich zunächst an den Dritten halten, denn es besteht keine nur subsidiäre Haftung der Staatskasse bei Vorhandensein weiterer Kostenschuldner (LGe. Aachen NJW 1971 576; Hamburg AnwBl. 1972 200; Kl 3 zu § 464b; a. M. LG Berlin KostenRspr. Nr. 15 zu § 464b; LG Dortmund JVB1. 1970 119). Erlangt der Freigesprochene im Verfahren nach § 464b auch gegen den Dritten einen Vollstreckungstitel, so haften ihm gemäß § 421 BGB die Staatskasse und der Dritte als Gesamtschuldner (LG Aachen aaO.).

* wegen der Bedeutung einer Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 für die Verteidigergebühren bei anschließenden Freispruch im übrigen vgl. LG Braunschweig AnwBl. 1971 55. ** Nach Art. 1 Nr. 102 des Entw. des 1. Strafverfahrensreformges. v. 7. 6. 1972 (BTDrucks. VI/3478) sollen die Worte „außer Verfolgung gesetzt" — ohne sachliche Änderung — durch „die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt" ersetzt werden.

2503

§ 467 Anm. I 5

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

5. Tod des Angeschuldigten. a) Bisherige Behandlung. Durch den Tod des Angeschuldigten wird das Verfahren ohne weiteres beendet; es erledigt sich von selbst. Eine förmliche Einstellung des Verfahrens erübrigt sich. Würde gleichwohl die Einstellung ausgesprochen, so läge darin nicht eine Entscheidung i. S. des § 464 Abs. 1, sondern lediglich eine (deklaratorische) Verlautbarung, daß das Verfahren sein Ende gefunden habe. Von diesem Standpunkt aus war bisher anerkannt, daß eine Entscheidung über die Auslagen des Verfahrens nach dem vor rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens erfolgten Tod des Angeschuldigten nicht mehr möglich sei; die dem Angeschuldigten entstandenen Auslagen fielen danach seinem Nachlaß zur Last; Staatskasse und Nebenkläger mußten, ohne Erstattungsanspruch zu haben, die ihnen entstandenen Auslagen jeweils selbst tragen (vgl. etwa BayObLG NJW 1962 262; Anm. 4 a der Voraufl.; OLG Hamburg NJW 1971 2184). S. dazu auch wegen des Todes des Verurteilten während des Wiederaufnahmeverfahrens § 371 und dazu BGHSt. 21 373. b) Neue Problematik. Inzwischen ist die Rechtslage streitig geworden. Die Frage geht dahin, ob bei Tod des Angeschuldigten vor rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens zugunsten des Erben des Verstorbenen, die zu dessen Lebzeiten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen sind oder auferlegt werden können. Vom Standpunkt der Billigkeit aus gesehen würde die Frage lauten, ob nicht einem tatsächlich erfolgten Freispruch ein nach dem Stand des Verfahrens wahrscheinlicher oder nahezu sicherer, aber durch den Tod unmöglich gewordener Freispruch gleichzuachten ist. Die Problematik wird vor allem deutlich, wenn bereits im Zeitpunkt des Todes ein freisprechendes Urteil im 1. Rechtszug ergangen war oder gar freisprechende Urteile des Amtsgerichts und des Berufungsgerichts vorlagen, und der Erbe geltend macht, daß auch das noch anhängige Rechtsmittelverfahren zugunsten des Angeklagten ausgegangen wäre. Indessen könnte die Frage, ob eine selbständige Auslagenerstattungsentscheidung nach dem Tod des Angeschuldigten zulässig ist, nicht auf diese Fälle beschränkt werden. Denn die Lage des Erben wäre nicht wesentlich anders, wenn der Angeklagte bereits im 1. Rechtszug vor Ergehen einer Sachentscheidung verstirbt, aber sein Freispruch nach dem Stand des Verfahrens zu erwarten war. Bejaht man aber auch dann die Zulässigkeit einer von der Billigkeit geforderten Auslagenerstattungsentscheidung, so müßte dies folgerichtig auch gelten, wenn der Angeklagte nach vorgängiger Verurteilung in einer oder zwei Tatsacheninstanzen in der Rechtsmittelinstanz verstirbt; der Erbe müßte folgerichtig auch geltend machen können, daß, solange eine rechtskräftige Verurteilung nicht vorliegt, die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK Platz greife, und daß bei Fortleben des Angeklagten mit einem Ausgang des Verfahrens zu seinen Gunsten zu rechnen gewesen sei. Eine andere Betrachtungsweise wäre, nicht auf den voraussichtlichen Freispruch abzustellen, sondern zu fragen, ob nicht die Billigkeit erfordert, schlechthin dem Eintritt eines Verfahrenshindernisses, das zur Verfahrenseinstellung zwingt, den Tod des Beschuldigten auslagenrechtlich gleichzuachten. c) Stand der Streitfrage. Während Rechtsprechung und Schrifttum z. T. daran festhalten, daß im Hinblick auf § 464 Abs. 2 eine Entscheidung über die Auslagentragung nicht möglich sei, wenn es durch den Tod des Angeklagten nicht zu einer das Verfahren abschließenden Sachentscheidung kommen kann und demgemäß eine Belastung der Staatskasse nach § 467 Abs. 1 entfalle (so OLG Celle NIW 1971 2182; LGe. Stade MDR 1971 68; Waldshut AnwBl. 1971 56 m. abl. Anm. M a t z e n ; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rz. 7 zu §464; S c h ä t z l e r , Komm. z. StrEG Anm. 9 zu § 13), liegt nach der Gegenmeinung eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Lücke vor, die zur Vermeidung von Unbilligkeiten zugunsten des Nachlasses des Angeklagten im Wege der Analogie auszufüllen sei. Nach OLGe. Hamm MDR 1970 1030; JMB1. NRW 1971 118; Hamburg NJW 1971 2183 = MDR 1972 72 ist dem § 467 Abs. 1 der gesetzgeberische Grundgedanke zu entnehmen, daß die Auslagen des nichtverurteilten Angeklagten der Staatskasse zur Last fallen. Das entspreche der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK; es sei auch kein rechtfertigender Grund dafür zu erkennen, den Erben mit den Verteidigungskosten zu belasten, wenn ohne den Tod des Angeklagten mit seinem Freispruch und damit mit der Überbürdung seiner Auslagen auf die Staatskasse zu rechnen gewesen wäre. Die Verwirklichung dieses Grundgedankens könne rechtstechnisch durch eine entsprechende Anwendung des § 467 Abs. 1 und Abs. 3

2504

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 467 Anm. I 5

Satz 2 Nr. 2 erreicht werden: bei entsprechender Anwendung des Abs. 1 steht dann der Einstellung des Verfahrens die Beendigung des Verfahrens durch den Tod des Angeklagten gleich; seine notwendigen Auslagen fallen grundsätzlich der Staatskasse zur Last. Die entsprechende Anwendung des Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bedeutet, daß der Nichtverurteilung wegen Eingreifens eines Verfahrenshindernisses die Nichtverurteilung wegen Eintritt des Todes gleichsteht; das Gericht kann also in Durchbrechung des grundsätzlich entsprechend anwendbaren § 467 Abs. 1 bestimmen, daß die Belastung der Staatskasse entfällt, wenn es ohne den Tod des Angeklagten zu dessen Verurteilung gekommen wäre. Ein Versuch, nicht durch entsprechende Anwendung des § 467 Abs. 1, 3 sondern auf anderem Weg die Grundlage für eine Auslagenentscheidung nach dem Tod des Angeklagten zu gewinnen, ist hier nur zu streifen. Nach OLG Hamm NJW 1971 208 = MDR 1970 786 hat im Verfahren nach § 23 EGGVG der Tod des Betroffenen vor Abschluß des Verfahrens zur Folge, daß zwecks Entscheidung über seine notwendigen Verfahrensauslagen das Verfahren fortzusetzen und in entsprechender Anwendung der §§ 91a, 628 ZPO durch selbständigen Beschluß zu entscheiden ist. Eine Verwendung dieses Gedankengangs auch im Strafverfahren, wie sie von Kl 9 B erwogen wird, ist aber sowohl von OLG Hamburg aaO. wie von OLG Celle NJW 1971 2182 mit Recht als indiskutabel angesehen worden. d) Folgerungen aus der zu c) dargestellten Auffassung. aa) Ermessensausübung. Bei Zugrundelegung der Auffassung, daß beim Tod des Angekl. für die Auslagenerstattung § 467 Abs. 1, 3 entsprechend anwendbar sei, fragt sich zunächst, unter welchen Gesichtspunkten das Gericht sein Ermessen (§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2) auszuüben hat. Nach OLG Hamm MDR 1970 1030 ist es für die Kostenentscheidung von Bedeutung, ob das Rechtsmittel des Angekl. gegen seine Verurteilung nach Aktenlage wahrscheinlich Erfolg gehabt hätte. Folgerichtig müßte dann auch, wenn der Angekl. im 1. Rechtszug verstirbt, der wahrscheinliche Ausgang des Verfahrens ohne den Tod in die Prüfung einbezogen werden. Dagegen ist nach OLG Hamburg NJW 1971 2183, 2185 die Staatskasse nur dann von der Belastung mit den Auslagen des verstorbenen Angekl. freizustellen, wenn sich (bei Hinwegdenken des Todes) die Verurteilung bereits nach der Aktenlage als „annähernd .sicher" darstellt, wenn „kein vernünftiger Zweifel an der Verurteilung im Falle der Verfahrensfortsetzung besteht"; ist nach Aktenlage eine so sichere Prognose nicht möglich, so bewendet es bei der Belastung der Staatskasse. Praktisch würd n diese Grundsätze, wenn der Angekl. im 1. Rechtszug stirbt, in der großen Mehrzahl der Fälle zur Belastung der Staatskasse führen, da ja nicht abzusehen ist, wie der Angekl. seine Verteidigung gestaltet, ob er nicht ein abgelegtes Geständnis wiederrufen hätte usw. bb) Verteidigervollmacht. Bei Zugrundelegung der Lehre von der entsprechenden Anwendbarkeit des § 467 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 erledigt sich das im Vorfeld liegende Problem, wie das Gericht zu einer Entscheidung über die Auslagen veranlaßt werden kann. In den bisher entschiedenen Fällen wurden die Gerichte im allgemeinen durch Anträge und Beschwerden des Verteidigers mit der Sache befaßt. Ihm wurde die Legitimation abgesprochen, weil die Verteidigervollmacht mit dem Tode des Angekl. erlösche und er namens des Erben nicht tätig werden könne, weil dieser am Verfahren nicht beteiligt sei (vgl. KG JR 1968 432, 433 u. OLGSt. § 467 S. 87; OLG Celle NJW 1971 2182; Kl 4 C; weitere Nachw. bei OLG Hamburg NJW 1971 2183). Von diesem Standpunkt aus kam nur in Frage, ob das Gericht von Amtswegen entscheiden und zu einer solchen Entscheidung durch den Verteidiger angeregt werden könne. Wenn es aber richtig sein sollte, daß § 467 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 entsprechend auf die Auslagen anzuwenden ist, die dem verstorbenen Angekl. erwachsen sind, weil der Tod des Angekl. der Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses gleichzuachten ist, dann erstreckt sich die entsprechende Anwendung auch zwangsläufig auf § 464. So gesehen müßte in Abkehr von der früheren Betrachtungsweise auch beim Tod des Angeklagten von Amts wegen entweder ein Einstellungsbeschluß (§ 464 Abs. 1) ergehen, der in entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1, 3 Satz 2 Nr. 2 eine Auslagenentscheidung (§ 464 Abs. 2) enthält oder es müßte wenigstens von Amts wegen eine selbständige Auslagenerstattungsentscheidung ergehen. Die Kostenentscheidung wäre gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 anfechtbar. Dabei wäre wiederum zwangsläufig, daß das Beschwerderecht nach § 464 Abs. 3 auch dem Erben zustehen muß, der dann insoweit zum

2505

§467

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Anm. I 5 Verfahrensbeteiligten würde und die Frage, ob die Verteidigervollmacht ausreicht, nach dem Tod des Angekl. für den Erben durch Anträge und Rechtsmittel tätig zu werden, spielt keine Rolle, wenn der Erbe ihn bevollmächtigt oder wenn die von dem Angeklagten erteilte Vollmacht so gehalten ist, daß sie auch solche Maßnahmen deckt. e) Stellungnahme. Der Auffassung, § 467 enthalte eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Lücke, die im Sinne klar erkennbarer gesetzgeberischer Tendenzen einer Schließung durch entsprechende Anwendung des § 467 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bedürftig und fähig sei, kann nicht gefolgt werden. aa) Der Grundsatz des § 467 Abs. 1 geht nicht dahin, daß der Angekl., der unverurteilt bleibt, Anspruch auf Auslagenerstattung habe, sondern lediglich dahin, daß der Angekl., der durch richterliche Entscheidung unverurteilt aus dem Verfahren entlassen wird, erstattungsberechtigt sei, und an einer solchen Entscheidung fehlt es eben, wenn mit dem Tod des Beschuldigten das Verfahren zwangsläufig endet. Es fehlt an jeder Grundlage für die Annahme, daß der Gesetzgeber diesen Grundsatz für den Fall des Todes des Beschuldigten habe durchbrechen wollen. OLG Hamburg aaO. beruft sich für seine entgegengesetzte Auffassung auf den Satz in dem schriftlichen Bericht des BT-Rechtsausschusses zu BT-Drucks. V/2600 u. 2601 S. 21: „Wenn es allein darauf ankommt, ob der Strafprozeß, der dem Angeklagten gemacht worden ist, mit Erfolg im Sinne der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs durchgeführt worden ist oder nicht, so darf es keine Rolle spielen, aus welchen Gründen der staatliche Strafanspruch nicht durchgesetzt werden konnte." Mit dieser Erwägung wollte aber der Rechtsausschuß nur seine (schließlich nicht verwirklichte) Intention rechtfertigen, auch die Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses in vollem Umfang dem Freispruch hinsichtlich der Auslagenerstattung gleichzusetzen (vgl. oben die Entstehungsgeschichte — vor Anm. I — zu 3). Die weitergehende allgemeine Bedeutung, die ihm OLG Hamburg beilegen will, hat der angeführte Satz im Bericht des Rechtsausschusses nicht*. Nebenbei bemerkt versagt auch die Berufung von OLG Hamburg aaO. auf die Ausführungen von K l e i n k n e c h t in der 29. Aufl. (Anm. 4 C), denn in der 30. Aufl. (Anm. 9 B) begnügt sich K l e i n k n e c h t im wesentlichen mit der Darstellung der Problemlage, ohne sich im Sinne dieser oder jener Auffassung festzulegen, weil „das alles sehr problematisch ist, zum einen, weil die gesetzliche Rechtsordnung eine solche Möglichkeit (sc. die Verteidigervollmacht als nach dem Tod des Angeklagten für die Frage der Auslagenentscheidung fortbestehend anzusehen oder den Tod der Einstellung gleichzuachten) nicht vorsieht, zum anderen, weil ihr Ergebnis zu schweren Unbilligkeiten führen kann". bb) Gegen die Auffassung von OLGe. Hamm und Hamburg spricht aber nicht nur, daß sich eine unbeabsichtigte Lücke nicht nachweisen läßt, die einer Ausfüllung im Sinne gesetzgeberischer Intentionen fähig und bedürftig wäre, sondern sprechen auch die Schwierigkeiten, die sich einer solchen Ausfüllung entgegenstellen. a) Wie schon ausgeführt (oben d, bb), läge es in der Konsequenz der Gleichstellung des Todes des Angeklagten mit einem Verfahrenshindernis, daß über die Auslagenerstattung von Amtswegen befunden würde. Der Erbe kann aber an einer Fortsetzung des Verfahrens zwecks Entscheidung über die Auslagen nicht nur uninteressiert sein, sondern — insbesondere aus Gründen der Pietät gegenüber dem Toten — geradezu ein Interesse daran haben, daß nichts mehr in der Angelegenheit geschieht. Das müßte respektiert werden und müßte dazu führen, daß das Nachtrags verfahren bzw. die Auslagenerstattung nur auf seinen Antrag oder jedenfalls nicht gegen seinen Willen durchgeführt wird. Ferner ergäbe sich, da mit dem Tod des Angeklagten das subjektive Verfahren endet, die Figur eines außergesetzlichen weiteren „selbständigen" (objektiven) Verfahrens mit dem Erben als „Nebenbeteiligten". Für ein solches Verfahren fehlt es an Vorschriften; es müßte auch hier nach entsprechend anwendbaren Vorbildern gesucht werden. Wie soll etwa, wenn der Angeklagte alsbald nach Eröffnung des Hauptverfahrens noch vor der Hauptverhandlung verstirbt, das * Bei Schaffung des Ges. über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen v. 8. 3. 1971 (BGBl. I 157) ist bewußt von einer Entschädigungspflicht der Staatskasse abgesehen worden, wenn es infolge des Todes des Beschuldigten nicht zu einer Sachentscheidung i. S. des § 2 gekommen ist (vgl. S c h ä t z l e r 9 zu § 13 StrEG).

2506

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 467 Anm. 1 6 - 1 1

Gericht „nach Aktenlage" über die Auslagen entscheiden? Soll es nur die Aussichten einer Verurteilung auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und der zugelassenen Anklage beurteilen oder muß es auch — im Wege des Freibeweises — Entlastungsbeweise erheben, die der Verteidiger vorher schriftsätzlich beantragt hatte oder die er oder der Erbe später beantragen? Soll im Fall des Todes des Angeklagten nach Beginn der Hauptverhandlung die begonnene Beweisaufnahme, die alles offen läßt, nach den Regeln des Freibeweises weiter durchgeführt werden?

ß ) Die Besonderheit des vom OLG Hamburg aaO. entschiedenen Falles besteht darin, daß beim Tod des Angeklagten bereits ein erstinstanzliches freisprechendes Urteil vorlag und in einem solchen Fall noch am ehesten Billigkeitsgründe bestehen, die eine Rechtfertigung für die Bemühungen bilden, die Schranken des geltenden Rechts im Wege erweiternder Auslegung zu überwinden. Aber OLG Hamburg lehnt gerade eine Beschränkung des von ihm entwickelten Grundsatzes auf die Fälle offensichtlicher Unbilligkeit einer Auslagenerstattungsversagung beim Tod des Angeklagten ab. Von diesem Standpunkt aus müßten in die Auslagenerstattung auch die Fälle einbezogen werden, in denen sich besondere Billigkeitserwägungen nicht anstellen lassen. Es müßte dann folgerichtig auch — worauf K1 9 B zutreffend hinweist, der Gedanke der Gleichstellung von Einstellung und Tod zu einer entsprechenden Anwendung auch solcher Vorschriften führen, die die Möglichkeit, die dem Beschuldigten im Ermittlungsverfahren erwachsenen Auslagen zu ersetzen oder ihm eine Entschädigung zu gewähren, von einer Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft abhängig machen (vgl. § 467 a; § 9 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8. 3. 1971, BGBl. I 157). Alles das geht aber offenbar zu weit (vgl. die Fußnote zu e, aä). Es geht nun einmal nicht an, die eben erst — z. T. als Ergebnis eines mühsamen Kompromisses — neu gesetzten Grenzen der Auslagenerstattungspflicht zu überschreiten, um Gedanken der Billigkeit zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. OLG Celle NJW 1971 2183). Abhilfe könnte nur der Gesetzgeber durch Aufstellung einer generellen Härtemilderungsklausel schaffen, wie sie frühere Entwürfe vorsahen (vgl. Anm. 7d vor § 464). Diesen Weg hat aber der Gesetzgeber bisher nicht beschritten. 6. Über die kosten- und auslagenrechtliche Auswirkung von Teilfreispruch und Teilnichtverurteilung vgl. Anm. II und III zu § 465. 7. Dem Freispruch entspricht es in der Rechtsmittelinstanz, wenn der verurteilte Angeklagte ein auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränktes Rechtsmittel einlegt und damit vollen Erfolg hat (§ 473 Abs. 3). Das gleiche gilt, wenn der Beschuldigte mit einer gegen bestimmte richterliche Maßnahmen gerichteten Beschwerde Erfolg hat (vgl. Anm. II 2 zu § 464, A I 6b zu §473). 8. Auslagen Dritter. Die Auslagenerstattungspflicht nach Abs. 1 ist nicht auf Auslagen des Angeschuldigten selbst beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die notwendigen Aufwendungen solcher Personen, die Kraft eigenen Rechts der Verurteilung entgegenzutreten befugt sind - §§ 281, 298, 361 Abs. 2, § 67 JGG - (RGSt. 28 146; JW 1896 510; BayObLGSt. 8 368). Vgl. Anm. II 4 zu § 464 a. 9. Auf die Nebenbeteiligten (vgl. § 467a Abs. 3) bei der erfolgreichen Wahrnehmung ihrer Interessen entstandenen notwendigen Auslagen findet Abs. 1 keine Anwendung; insoweit gilt § 472 b Abs. 2. 10. Zeitlicher Bereich der Erstattungsentscheidung. Die Entscheidung, die die Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse auferlegt, bezieht sich nur auf die bis dahin entstandenen Auslagen. Legt z. B. die Staatsanwaltschaft gegen ein freisprechendes und auf Auslagenüberbürdung lautendes Urteil ein erfolgloses Rechtsmittel ein, so ergibt sich die Verpflichtung der Staatskasse zur Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeschuldigten in der Rechtsmittelinstanz nicht aus dem ersten Urteil, sondern aus der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, die gemäß § 473 Abs. 2 diese Auslagen der Staatskasse auferlegt. 11. Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen muß grundsätzlich (vgl. §464 Abs. 2) ausdrücklich getroffen werden. Zu der Frage, wann es — ausnahmsweise — genügt, daß ein Freispruch „auf Kosten der Staatskasse" ergeht, vgl. Anm. II 3 zu § 464.

2507

§467 Anm. I 12; II 1 - 4

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

12. Staatskasse. Die Pflicht zur Auslagenerstattung trifft stets die Staatskasse, d. h. die Kasse des Landes, dem das erkennende Gericht des 1. Rechtszuges angehört. Dies gilt auch, wenn das OLG gemäß § 120 Abs. 6, Art. 96 Abs. 5 G G Gerichtsbarkeit des Bundes ausübt. II. Schuldhafte Säumnis (Absatz 2) 1. Voraussetzungen der Auslagenbelastung des Freigesprochenen. Nach § 465 hat die Gerichtsfcosie/i (d. h. Gerichtsgebühren und der Staatskasse entstandene Auslagen) nur ein Verurteilter oder mit einer Maßregel der Sicherung und Besserung belegter Angeklagter zu tragen. § 467 Abs. 2 Satz 1 durchbricht diesen Grundsatz, indem er bestimmt, daß dem unverurteilt Gebliebenen diejenigen der Staatskasse erwachsenen Auslagen — Gerichtsgebühren entstehen nicht — aufzuerlegen sind, die er durch schuldhafte Versäumnis verursacht hat. Solche Auslagen können auch einem nach § 204 Abs. 1, 2 außer Verfolgung gesetzten Angeschuldigten (§ 157) — nicht nur einem Angeklagten — auferlegt werden, während im übrigen ein Angeschuldigter nach § 465 zu den Kosten des Verfahrens nicht herangezogen werden kann. Diese Teilkostentragungspflicht kann aber nur durch eine schuldhafte Versäumnis, d. h. die vorwerfbare Versäumung eines Termins oder einer Frist, nicht aber durch ein sonstiges schuldhaftes Verhalten des Angeschuldigten, wie z. B. die Stellung frivoler Beweisanträge oder schuldhaft verspätete Beibringung der in seinen Händen befindlichen entlastenden Beweismittel begründet werden. Sie greift also vorzugsweise Platz, wenn der Angeklagte durch sein Ausbleiben in der Hauptverhandlung deren Aussetzung und eine abermalige Ladung der Zeugen usw. veranlaßt hat (RGSt. 49 59; BayObLG. DRiZ 1932 297; OLG Karlsruhe NJW 1961 1128; K o c h GA 1964 175; die von E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 13 in diesem Zusammenhang angeführten und kritisierten Entscheidungen OLG Hamm JMB1. NRW 1965 47 und LG Frankfurt NJW 1967 66 sind nicht einschlägig). Wenn die Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeschuldigten stattfinden kann (§§ 232fF.), ist in seinem Ausbleiben eine schuldhafte Versäumnis nur dann zu finden, wenn das Gericht sein persönliches Erscheinen angeordnet hatte. Wegen der Kosten einer Wiedereinsetzung vgl. Anm. E zu § 473. — In der Voruntersuchung liegt eine schuldhafte Versäumnis des Angeschuldigten z. B. dann vor, wenn sein Ausbleiben in einem zum Zweck einer Gegenüberstellung anberaumten Termin die wiederholte Ladung eines Zeugen notwendig gemacht hat. 2. Nach § 467 Abs. 2 Satz 2 werden — in Durchbrechung des § 467 Abs. 11 — unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 1 die dem Angeschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse nicht auferlegt, z. B. die Gebühren von Zeugen, die der Angeklagte gemäß § 220 unmittelbar zu einem Termin geladen hatte, den er schuldhaft versäumte. 3. „Werden ihm auferlegt". Abs. 2 enthält eine zwingende Vorschrift. Die Kosten können dem Angeschuldigten aber nur in der Entscheidung nach § 464 Abs. 1 auferlegt, seine eigenen Auslagen nur in der Entscheidung nach § 464 Abs. 2 von der Erstattung ausgenommen werden. Ist dies unterblieben, so kann die Entscheidung nach § 464 Abs. 3 angefochten werden; eine nachträgliche Auferlegung von Kosten und eine nachträgliche Einschränkung der Uberbürdungsentscheidung sind aber nicht statthaft (OLG Dresden SächsOLG 20 98). Wird in der Kosten- und Auslagenentscheidung nach § 464 Abs. 1, 2 eine Bestimmung gemäß § 467 Abs. 2 nicht getroffen und dies nicht angefochten, so ist damit zugleich ausgesprochen, daß kein Teil der Kosten oder Auslagen dem Angeschuldigten zur Last fallt. Über die Höhe der auferlegten Kosten wird nach § 4 GKG, über die Höhe der von der Erstattung ausgenommenen Auslagen nach § 464 b entschieden. 4. Entsprechende Anwendung des § 467 Abs. 2. Früher wurde vereinzelt die Auffassung vertreten, daß — als Gegenstück zur Belastung des freigesprochenen Angeklagten mit Kosten und Auslagen durch eine schuldhafte Säumnis — ein verurteilter Angeklagter (in „entsprechender" Anwendung des Abs. 2) von solchen Kosten (und Auslagen) freizustellen sei, die durch unrichtiges Prozedieren des Gerichts entstanden sind, so etwa, wenn das Berufungsgericht übersah, daß die vom Angeklagten eingelegte Berufung unzulässig war, über die Berufung sachlich entschied und in der Revisionsinstanz das Berufungsurteil unter Verwerfung der Berufung aufgehoben wurde (vgl. OLG Dresden JW 1929 2773; DRiZ 1932 Nr. 620). Dem kann nicht zugestimmt werden. Grundsätzlich trägt der Angeklagte 2508

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 467 Anm. III 1 - 6 das Kosten- und Auslagenrisiko, daß nicht schon alsbald und nicht schon im ersten Rechtszug die „richtige", d. h. die endgültige Entscheidung getroffen wird (BGH MDR 1963 69; BayObLG JR 1961 224; OLG Stuttgart Justiz 1970 95). Im übrigen aber eröffnet bei groben Verfahrensverstößen § 7 GKG die Möglichkeit, die dadurch unnötigerweise entstandenen Kosten dem Angeschuldigten abzunehmen (vgl. Anm. I 7 zu § 465). In entsprechender Anwendung des § 465 Abs. 2 die notwendigen Auslagen des Verurteilten auf die Staatskasse zu überbürden (so L u e t g e b r u n e in der Anm. zu LG Regensburg KostRspr. Nr. 26 zu § 465), ist aber nicht angängig. in. Ausschluß der Auslagenerstattung bei täuschender Selbstanzeige (Absatz 3 Satz 1). 1. Grundsatz. Nach der zwingenden Vorschrift des Abs. 3 Satz 1 darf das Gericht eine Auslagenüberbürdung nicht aussprechen, wenn der unverurteilt aus einem Verfahren hergegangene Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage durch eine Selbstanzeige veranlaßt hat, in der er vortäuschte, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Es fallen zwar auch in diesem Fall die Gerichtskosten nach § 467 Abs. 1 der Staatskasse zur Last; es wäre aber nicht zu rechtfertigen, die Staatskasse auch noch mit den notwendigen Auslagen des Freigesprochenen zu belasten, die er selbst durch sein täuschendes Verhalten verursacht hat. 2. Vorausgesetzt wird zunächst eine „Selbstanzeige". Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist dazu eine förmliche Anzeige i. S. des § 158 nicht erforderlich, vielmehr genügt auch, wenn von dritter Seite Anzeige „gegen Unbekannt" erstattet ist, daß der (spätere) Angeschuldigte bei einer Vernehmung als Zeuge sich täuschend als den Täter oder Teilnehmer der Tat bezeichnet (ebenso E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 15; a. M. Kl 7). Keine Selbstanzeige liegt dagegen vor, wenn der später Freigesprochene sich lediglich anderen gegenüber (etwa aus Angeberei) als Täter bezeichnet hat und diese Selbstbezichtigung zur Erstattung einer Strafanzeige durch Dritte und demnächst zur Anklageerhebung führt. Eine „Selbstanzeige" entfallt auch, wenn die Selbstbezichtigung durch eine i. S. des § 136 a verbotene Vernehmung zustande gekommen ist ( E b S c h m i d t aaO.); es fehlt dann schon an einer „Vortäuschung". 3. Der später Angeschuldigte muß ferner in der Selbstanzeige seine Täterschaft vorgetäuscht, d. h. in der Absicht gehandelt haben, daß die Strafverfolgungsorgane in ihm den Täter der Tat sähen, deren er sich falschlich bezichtigte. Auf die Gründe seines Verhaltens (Verschaffung eines Alibis für eine wirklich von ihm begangene Tat, Schutz des wirklichen Täters, herostratische Berühmung) kommt es nicht an. Ob das Verhalten die Merkmale des § 145 d StGB erfüllt, ist ohne Bedeutung. 4. Die täuschende Selbstanzeige muß schließlich die Anklageerhebung veranlaßt, d. h. den tragenden Grund für die Anklageerhebung gebildet haben, derart, daß ohne die Selbstanzeige die öffentliche Klage nicht erhoben worden wäre. Dazu ist nicht erforderlich, daß der Angeschuldigte die Anklageerhebung erstrebte oder sie wenigstens billigend in Kauf nahm. Eine Veranlassung liegt vielmehr auch vor, wenn die Erhebung der Anklage nicht den Vorstellungen des Täters entspricht, er z. B. mit einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 153 rechnete, oder wenn er sich sogar bemühte, durch Widerruf der Selbstanzeige die Erhebung der Anklage zu verhindern, die Staatsanwaltschaft aber der Selbstanzeige Glauben schenkt. 5. Die täuschende Selbstanzeige führt trotz Freispruchs usw. zur Versagung aller Auslagen des Angeschuldigten. Dies gilt aber nur für das Verfahren bis zum Freispruch, zur Außerverfolgungsetzung oder zur Verfahrenseinstellung im ersten Rechtszug. § 467 Abs. 3 Satz 1 ist bezgl. der Auslagen des Angeklagten in der Rechtsmittelinstanz unanwendbar, wenn die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch usw. erfolglos ein Rechtsmittel einlegt, um doch noch eine Verurteilung zu erreichen (vgl. Anm. II 2 zu § 473). 6. Die Versagung der Auslagenerstattung bedarf des förmlichen Ausspruchs in der Sachentscheidung (§ 464 Abs. 2). Ist dies, wenn auch versehentlich, unterblieben und der Kostenausspruch durch Unterlassung einer Anfechtung (§ 464 Abs. 3 Satz 1) rechtskräftig geworden, so bleibt es bei dem Grundsatz des § 467 Abs. 1 und es ist weder eine nachträg-

2509

§467 Anm. IV 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

liehe Einschränkung der Auslagenerstattungsentscheidung noch eine Korrektur im Verfahren nach § 464 b möglich (vgl. Anm. II 3 d, bb zu § 464). IV. Absehen von Auslagenüberbürdung (Absatz 3 Satz 2 Nr. 1). 1. Voraussetzungen. Während die Veranlassung der Anklageerhebung durch Vortäuschung der Täterschaft in einer Selbstanzeige stets zwingend zum vollständigen Ausschluß der Auslagenüberbürdung führt, überläßt es Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 dem Ermessen des Gerichts, von einer Auslagenüberbürdung abzusehen, wenn der Angeschuldigte durch bestimmte Formen anderen prozessualen Verhaltens die Erhebung der öffentlichen Klage veranlaßt hat. Die Verhaltensweisen sind in Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 abschließend beschrieben. Da es sich hier um Ausnahmen von dem Grundsatz des § 467 Abs. 1 handelt, kommt eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Auslagenerstattung nach Ermessen durch entsprechende Anwendung des Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 auf andere Verhaltensweisen des Angeschuldigten nicht in Betracht (OLG Nürnberg MDR 1970 69). a) Selbstbelastung. Auslagenversagung kommt in Betracht, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt, d. h. mindestens mitverursacht (OLG Nürnberg MDR 1970 69) hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig belastete. Hier wird also — anders als bei der Selbstanzeige — vorausgesetzt, daß Verdachtsgründe bereits vorlagen, der Angeschuldigte aber sich schuldhaft durch sein Verhalten selbst belastete. An einer schuldhaften Mitverursachung fehlt es z. B., wenn der Beschuldigte unter dem festgestellten oder nicht auszuschließenden Einfluß von Trunkenheit, Schlaftrunkenheit oder sonstigen das Bewußtsein oder das Erinnerungsvermögen störenden Einwirkungen zunächst eine Tat bei seiner Vernehmung zugibt, aber alsbald nach Abklingen dieser Einwirkungen widerruft und Entlastungszeugen benennt (OLG Nürnberg MDR 1970 69). Wahrheitswidrig ist die Selbstbelastung, wenn sie objektiv mit der Wahrheit im Widerspruch steht; sie braucht — anders als die Selbstanzeige („vorgetäuscht") — nicht in Täuschungsabsicht zu erfolgen (ebenso Kl 8 A; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 18). Die Selbstbelastung muß weiterhin wesentliche Punkte betreffen, also Punkte, die für die Entschließung der Staatsanwaltschaft, die Klage zu erheben, von entscheidender Bedeutung waren. Eine Selbstbelastung kann nur durch eigene belastende Angaben (Teilgeständnis) erfolgen, nicht auch in dem vorwerfbaren Unterlassen der Angabe entlastender Umstände liegen, durch die der Beschuldigte ohne weiteres den Verdacht zerstreuen könnte, denn dieses Verhalten (Verschweigen) begründet nur mit Einschränkungen die Anwendbarkeit des Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 (vgl. unten zu c). b) Widerruf. Der wahrheitswidrigen Selbstbelastung steht es gleich, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der Anklage dadurch veranlaßt hat, daß er sich schuldhaft in wesentlichen Punkten selbst belastete, die belastenden Erklärungen aber später widerruft oder andere Erklärungen abgibt, die mit den früheren in Widerspruch stehen, d. h. mit ihnen nicht vereinbar sind. Der Widerruf muß nicht erst nach Erhebung der öffentlichen Klage erfolgen (so K1 8 B), vielmehr genügt nach Sinn und Wortlaut des Gesetzes ein Widerruf im Ermittlungsverfahren, wenn die Erhebung der Anklage dadurch veranlaßt ist, daß nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die früheren belastenden Erklärungen hinreichenden Tatverdacht begründen, der durch die widersprechenden späteren Erklärungen nicht ausgeräumt erscheint. Der Grund dafür, daß über die Auslagenerstattung nach Ermessen des Gerichts entschieden wird, liegt dann darin, daß der später unverurteilt aus dem Verfahren hervorgehende Angeschuldigte durch sein widerspruchsvolles Verhalten, nämlich seine früheren Selbstbelastungen, die Erhebung der Anklage selbst mit veranlaßt hat. Einer Feststellung, daß die frühere Selbstbelastung wahrheitswidrig gewesen sei, bedarf es hier nicht; es genügt, wenn das erkennende Gericht angesichts der widersprüchlichen Einlassung zu einem non liquet kommt. c) Verschweigen wesentlicher entlastender Umstände. Nach Ermessen des Gerichts wird über die Auslagenerstattung auch entschieden, wenn der unverurteilt gebliebene Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er wesentliche entlastende Umstände verschwieg, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat. 2510

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 467 Anm. IV 2

aa) Verschweigen. Der Bericht des BT-Rechtsausschusses (zu Drucks. V/2600, 2601 S. 21) führt dazu aus: „Aus dem Begriff „verschweigen" folgt, daß sich der Angeklagte der entlastenden Umstände bewußt gewesen sein muß und die Angabe dieser Umstände in Kenntnis dessen, daß sie ihn wesentlich entlasten würden oder zumindest könnten, absichtlich oder wenigstens billigend in Kauf nehmend* unterlassen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat. Hat sich der Angeklagte dagegen überhaupt nicht zur Sache eingelassen, so sollen ihm daraus auch in kostenrechtlicher Hinsicht keine Nachteile erwachsen, weil allein aus dem Umstand, daß der Angeklagte sich nicht zur Sache geäußert hat, keine Schlüsse für die Würdigung des Sachverhalts gezogen werden dürfen". Das Verschweigen kann wesentliche entlastende Umstände jeder Art betreffen, z. B. der Beschuldigte bestreitet, die Tat begangen zu haben, verschweigt aber sein Alibi, das dem Verdacht die Grundlage entzogen hätte, oder er gibt den Sachverhalt zu, verschweigt aber Rechtfertigungsgründe, z. B. gegenüber dem Vorwurf vorsätzlicher Körperverletzung, daß er in Notwehr gehandelt habe. Als Verschweigen eines wesentlichen entlastenden Umstandes ist es auch anzusehen, wenn der Beschuldigte sich bei einer Vernehmung darauf beschränkt, die Tat zu bestreiten, aber seine Kenntnis des wirklichen Täters verschweigt. Der verschwiegene Umstand braucht nicht Gegenstand einer dahingehenden Frage gewesen zu sein. Die Auslagenüberbürdung ist hier in das Ermessen des Gerichts gestellt, weil — je nach den Umständen des Einzelfalles — dem Beschuldigten ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, daß er nicht durch rechtzeitige Kundgabe des entlastenden Umstandes die Erhebung der Anklage und damit die Entstehung oder Vermehrung von Auslagen verhindert hat. Das Verschweigen muß festgestellt werden. Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ist unanwendbar, wenn der als Halter eines PKW eines Verkehrsdelikts Beschuldigte bei seiner Anhörung im Ermittlungsverfahren erklärt, er könne sich wegen Zeitablaufs nicht erinnern, ob er zur Tatzeit an dem angegebenen Tatort gewesen sei und in der Hauptverhandlung schweigt. Die Nichterwähnung der Möglichkeit, daß außer ihm ein anderer den PKW zur Tatzeit benutzt haben könnte, ist kein verschwiegener Umstand (LG Dortmund AnwBl. 1972 94). bb) Mit der — hier auf das Gebiet der Auslagenerstattung beschränkten — Unterscheidung zwischen dem Teilverschweigen bei Einlassung zur Beschuldigung und dem völligen Verschweigen durch Nichteinlassung auf die Beschuldigung knüpft das Gesetz an die Grundsätze an, die bisher in der Rechtsprechung zu der Frage der Beweisbedeutung einer völligen gegenüber einer teilweisen Aussageverweigerung des Beschuldigten entwickelt worden sind (vgl. dazu Einleitung S. 174 und Anm. 5 d - S. 1428 - zu § 261). Danach ist Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 unanwendbar, wenn der Beschuldigte bei seiner polizeilichen Vernehmung die Einlassung verweigert, um den wirklichen Täter nicht preiszugeben, auch wenn dies in der Absicht geschieht, die Erledigung des gegen den Beschuldigten gerichteten Verfahrens hinauszuschieben, bis die Verfolgung der Tat des wirklichen Täters verjährt ist (vgl. LG Hannover DAR 1969 248). Folgerichtig kann dann auch keine durch Unterlassen begangene wahrheitswidrige Selbstbelastung (oben zu a) darin gesehen werden, daß der Beschuldigte der polizeilichen Vorladung zur Vernehmung keine Folge leistet und erst in der Hauptverhandlung offenbart, daß nicht er, sondern ein Dritter der Täter war (vgl. LG Münster MDR 1972 261, wo die Angabe des Sachverhalts offenbar dahin zu verstehen ist, daß sich der Beschuldigte durch Ausfüllung des Anhörungsbogens „zur Beschuldigung geäußert" hat). 2. Ermessensausübung. Bei der Ausübung des Ermessens muß, entsprechend dem Charakter des Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 als Ausnahme von der Regel des Abs. 1 als Richtlinie gelten, daß die Überbürdung der notwendigen Auslagen des nichtverurteilten Angeschuldigten grundsätzlich nur dann unterbleibt, wenn er „mißbräuchlich oder sonst in unlauterer Weise, d. h. ohne vernünftigen oder billigenswerten Grund" (OLG Nürnberg MDR 1970 69, Kl 8 D) die Erhebung der öffentlichen Klage veranlaßt hat. Freilich wird meist ein mißbräuchliches oder sonst unlauteres Verhalten anzunehmen sein, so daß als Faustregel gelten kann, die Belastung der Staatskasse sei nur dann gerechtfertigt, wenn besondere Umstände das Verhalten des Beschuldieten entschuldigen oder wenigstens als von geringem Gewicht * Gegen das Erfordernis vorsätzlicher oder bedingt vorsätzlicher Unterlassung der Angabe — Fahrlässigkeit genüge — S c h ä t z l e r 8 zu § 6 S t r E G betr. den dem § 4 6 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 entsprechenden § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG.

2511

§467 Anm. IV 3; V 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

erscheinen lassen (so OLG Frankfurt NJW 1972 784). So wird z. B. bei Verschweigen des „entlastenden Umstandes", daß nicht der Beschuldigte, sondern ein Dritter der Täter war, i. S. der § 257 Abs. 2 StGB, § 52 Abs. 1 StPO eine Auslagenversagung im allgemeinen dann nicht am Platze sein, wenn der Angeschuldigte durch sein Verhalten die Strafverfolgung seiner Ehefrau oder eines anderen Angehörigen als wirklichen Täter verhindern wollte (vgl. LG Münster MDR 1972 261; Kl 8 D ; G ö h l e r 6 A b zu § 105 OWiG); jedoch erscheint eine weitergehende Einbeziehung dritter Personen über den Kreis der Angehörigen hinaus, z. B. von Angestellten des Angeschuldigten, nicht angängig (so auch LG Münster aaO.). Ebenso wird (Beispiel nach K l e i n k n e c h t aaO.) dem Geisteskranken, der seine der Umwelt bisher unbekannte Geisteskrankheit zunächst verschweigt, damit sie nicht weiteren Kreisen zu seinem Nachteil bekannt wird, die Auslagenerstattung nicht zu versagen sein. 3. Auslagenteilung. Bei der Auslegung des § 467 a. F. vertrat die herrschende, aber nicht unbestrittene Meinung den Standpunkt, daß auch dann, wenn die Auslagenüberbürdung im Ermessen des Gerichts stand, eine Auslagenteilung, d. h. die Überbürdung nur eines Teils der notwendigen Auslagen des nichtverurteilten Angeschuldigten, nicht möglich — weil im Gesetz nicht vorgesehen — sei (vgl. in der Voraufl. Anm. 8 a). Dieser Auffassung wurde der Boden entzogen, als der durch das StPÄG vom 19. 12. 1964 eingestellte § 467 a vorsah, daß nach Zurücknahme der öffentlichen Klage und der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft das Gericht die dem Angeschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen könne. Diese Vorschrift war nunmehr zugleich als eine authentische Interpretation des § 467 Abs. 2 Satz 1 a. F. anzusehen, denn sie brachte den allgemein für die fakultative Überbürdung maßgeblichen Gedanken zum Ausdruck, daß das Gericht, wenn es die Erstattung ganz versagen kann, auch zu einer Teilversagung berechtigt ist (vgl. Ergänzungsbd. zur 21. Aufl. Anm. 6 zu § 467 a). Diese Erwägung hat ihre Gültigkeit für die Fälle, in denen das Gericht nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2, Abs. 4 von einer Auslagenüberbürdung auf die Staatskasse absehen kann, behalten, auch wenn der Rückschluß aus § 467 a n. F. nicht mehr möglich ist. Denn wenn in der Neufassung des § 467 a eine Teilung nicht mehr vorgesehen ist, so beruht dies darauf, daß hier die frühere Kann-Vorschrift in eine Muß-Vorschrift umgewandelt worden ist. Es ist danach davon auszugehen, daß zwar nach Sinn und Zweck der Vorschrift die Auslagenüberbürdungspflicht nach § 467 Abs. 1 und die Pflicht zur Nichtüberbürdung nach § 467 Abs. 3 Satz 1 die entstandenen Auslagen in vollem Umfang betrifft, daß aber die dem Gericht nach § 467 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 durch die Kann-Vorschrift eingeräumte Wahl, von einer Auslagenüberbürdung völlig abzusehen oder von dieser Befugnis keinen Gebrauch zu machen, auch die Ermächtigung zur Aufteilung der Auslagen nach ausscheidbaren Posten, nach Bruchteilen oder Verfahrensabschnitten in sich einschließt. Dies ergibt sich im übrigen auch kraft Rückschlusses aus der Behandlung der der Auslagenüberbürdung rechts ähnlichen Entschädigung nach dem StrEG vom 8. 3. 1971 (BGBl. I 157); nach dessen § 6 Abs. 1 kann die Entschädigung aus Gründen, die denen des § 467 Abs. 3 Satz 2 nachgebildet sind, ganz oder teilweise versagt werden (vgl. auch die Parallele zu § 467 Abs. 4 in § 3 StrEG). Die hier vertretene Auffassung hat sich inzwischen allgemein durchgesetzt (vgl. z. B. OLGe. Hamm NJW 1970 2128; MDR 1970 948; JMB1. NRW 1971 276; Hamburg MDR 1970 524; NJW 1971 292; LG Münster MDR 1972 261; N a u c k e NJW 1970 84; K l 11). So kann es z. B. der Billigkeit entsprechen, den Angeschuldigten, der bei seiner Anhörung im Ermittlungsverfahren verschwieg, daß nicht er, sondern ein Angehöriger der Täter war, und der dadurch den Erlaß eines Strafbefehls gegen sich selbst veranlaßte, nur insoweit von den notwendigen Auslagen zu entlasten, als sie nicht durch die Hauptverhandlung entstanden sind, die er bei der Begründung des Einspruchs durch Offenbarung des wirklichen Sachverhalts hätte vermeiden können (vgl. LG Münster aaO.). V. Absehen von Auslagenüberbürdung bei Nichtverurteilung wegen eines Verfahrenshindernisses (Absatz 3 Satz 2 Nr. 2). 1. Entstehungsgeschichte. Bisheriges Recht. a)Die Nr. 2, wonach es im Ermessen des Gerichts steht, von der Auslagenüberbürdung auf die Staatskasse abzusehen, wenn der Angeschuldigte wegen einer strafbaren Handlung nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht, ist erst auf Betreiben des Bundesrats nach Einigung im Ver2512

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 467 Anm. V 2

mittlungsausschuß eingefügt worden (vgl. oben die Ausführungen zur Entstehungsgeschichte vor Anm. I). Es war dabei „insbesondere an NS-Gewaltverbrechen gedacht. Wenn' wegen der langen Zeit, wie es häufig vorkommt, Zeugen, auf deren Aussagen im Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft ihre Mordanklage gründen konnte, sich in der Hauptverhandlung nicht mehr an Einzelheiten erinnern und deshalb der Mordvorwurf nicht zu beweisen ist, der Totschlag, der erwiesen ist, aber verjährt ist, muß ein Freispruch erfolgen, obwohl die Schuld des Täters feststeht". „Vor allem in derartigen Fällen" sollte die Versagung der Auslagenüberbürdung trotz der Nichtverurteilung möglich sein, weil die Öffentlichkeit es nicht verstehen würde, wenn der Staat einem Verbrecher, der nur aus „rein formellen Gründen" nicht verurteilt werden könne, auch noch die Anwaltskosten bezahlen müsse (vgl. die Ausführungen des Berichterstatters des Vermittlungsausschusses in der 173. Sitzung der 5. Wahlperiode des Bundestages, Prot. 9249 f.). b) Indem so Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 die Möglichkeit schafft, von einer Auslagenüberbürdung auf die Staatskasse abzusehen, wo es unbillig erscheint, die Staatskasse mit Auslagen eines Angeschuldigten zu belasten, der praktisch überführt erscheint, seiner Verurteilung aber nur durch das Eingreifen eines Verfolgungshindernisses entgeht, wird in etwa der Rechtszustand wieder hergestellt, wie er unter der Herrschaft des § 467 a. F. mit seiner Unterscheidung zwischen obligatorischer Auslagenüberbürdung bei Freispruch wegen erwiesener Unschuld oder nicht begründeten Verdachts und fakultativer Auslagenüberbürdung bei Freisoruch mangels Beweises bestand. Damals wurde (exemplifiziert am Verfahrenshindernis der Verjährung) unterschieden: war vor Eröffnung des Hauptverfahrens die Tat unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt verjährt, so stand die Einstellung einem Freispruch wegen erwiesener Unschuld mit (grundsätzlich) obligatorischer Auslagenüberbürdung gleich (BGHSt. 20 225 = NJW 1965 1818 = MDR 1965 758). Trat die Verjährung erst im Laufe des Verfahrens ein, so beschränkte sich die (obligatorische) Auslagenüberbürdung auf diejenigen Auslagen, die ausscheidbar erst durch die Weiterführung des Verfahrens erwachsen sind, nachdem das Hindernis eingetreten war und die Einstellung, ggf. nach § 206 a, hätte erfolgen können und müssen (vgl. z. B. BayObLG NJW 1959 735; OLG Saarbrücken NJW 1962 216; Celle NJW 1963 2285). Wurde hinsichtlich des von Anklage und Eröffnungsbeschluß angenommenen schwereren Delikts die Unschuld als erwiesen angesehen oder ein begründeter Verdacht verneint, während ein noch verbleibendes geringeres Delikt verjährt war, so war die Auslagenüberbürdung obligatorisch (BGHSt. 20 225; NJW 1959 1449). Wurde aber der Vorwurf des schwereren Delikts nur mangels Beweises verneint und hätte wegen eines verbleibenden geringeren Delikts Verurteilung erfolgen müssen, wenn es nicht verjährt gewesen wäre, so kam nur fakultative Auslagenüberbürdung in Betracht, weil das Einstellungsurteil auf der Verneinung der schwereren Straftat mangels Beweises mitberuhe (BGHSt. 20 255 betr. Verneinung des Vorwurfs des Mordes mangels Beweises und Einstellung des Verfahrens hinsichtlich des Totschlags wegen Verjährung; OLG Köln NJW 1962 505), denn die „Ausschaltung jeder Würdigung des Beweisergebnisses, die mit der unterschiedslosen Gleichstellung des Einstellungsurteils mit dem Freispruch wegen erwiesener Unschuld verbunden wäre, müßte zu ungerechten Ergebnissen fuhren, weil sie ohne Grund den Angeklagten begünstigt, gegen den immerhin — mag auch die Strafverfolgung verjährt sein — ein Schuldvorwurf bestehen geblieben ist" (BGH aaO.). 2. Nach dem jetzt geltenden Rechtszustand besteht die Ermessensfreiheit lediglich dann, wenn wegen einer strafbaren Handlung nur deshalb nicht verurteilt werden kann, weil ein Verfahrenshindernis besteht. a) Wegen der in Betracht kommenden Verfahrenshindernisse vgl. Einleitung S. 78 ff. Es handelt sich hauptsächlich um Verjährung, fehlenden Strafantrag, rechtskräftige Aburteilung (z. B. Weiterführung des Verfahrens trotz Eintritts der Rechtskraft durch Übersehen der Rechtsmittelzurücknahme oder Weiterführung des Verfahrens gegen den rechtskräftig abgeurteilten Mitangeklagten, obwohl eine Erstreckung gemäß § 357 auf ihn erfolgt war (OLG Hamm NJW 1961 791), aber auch z.B. um örtliche Unzuständigkeit (OLG Hamm NJW 1961 232). Ein die Anwendbarkeit des Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 begründendes Verfahrenshindernis liegt auch vor, wenn im Offizialverfahren die Staatsanwaltschaft nachträglich das ursprünglich bejahte besondere öffentliche Interesse i. S. des § 232 Abs. 1

2513

§467 Anm. V 3

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

StGB verneint und deshalb das Verfahren mangels Strafantrags eingestellt werden muß; eine Verneinung des besonderen öffentlichen Interesses liegt aber nicht schon darin, daß die Staatsanwaltschaft eine Einstellung nach §153 Abs. 3 anregt; dann ist § 467 Abs. 4 anwendbar (OLG Düsseldorf DAR 1971 160). b) „nur deshalb . . . ". Das festgestellte oder — bei unaufklärbaren tatsächlichen Zweifeln — nach dem Grundsatz in dubio pro reo anzunehmende (Einleitung S. 87 ff.) Verfahrenshindernis muß also das einzige der Verurteilung entgegenstehende Hindernis sein. Nr. 2 ist also nur anwendbar, wenn es — falls das Verfahrenshindernis hinweggedacht wird — mit annähernder Sicherheit zur Verurteilung gekommen wäre; es dürfen keine vernünftigen Zweifel an der Verurteilung bestehen (OLG Hamburg NJW 1969 945; 1971 2183; BayObLG NJW 1970 875 = MDR 1970 257 = VRS 38 65). Bleiben Zweifel an der Verurteilung, so greift wieder die Regel des § 467 Abs. 1 ein, denn wenn schon dem trotz erheblichen Verdachts Freigesprochenen Auslagenüberbürdung zuteil wird, muß dies erst recht gelten, wenn eingestellt wird, bevor es zum Nachweis der Straftat gekommen ist. Die Entscheidung über den voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens muß, wenn das Verfahrenshindernis festgestellt ist oder insoweit bestehende Zweifel unaufklärbar bleiben, auf der Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses oder nach Aktenlage erfolgen; es geht nach Sinn und Zweck des § 467 nicht an, daß das Gericht verbleibende Zweifel an der Verurteilung durch eine womöglich umfangreiche Beweisaufnahme, insbes. über die Schuldfrage auszuräumen sucht (OLG Hamburg NJW 1969 945). Hat der in der Vorinstanz verurteilte Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt, und tritt erst dann Verjährung ein, so ist die Voraussetzung, daß nur die Verjährung den Angeklagten vor Verurteilung bewahrt, nur dann gegeben, wenn eine Prüfung nach Aktenlage — z. B. wegen Vorliegens eines einwandfreien Geständnisses — mit annähernder Sicherheit ergibt, daß ohne das Verfahrenshindernis entweder das Rechtsmittel als unbegründet verworfen werden müßte oder die Revision zwar Erfolg hätte, die erneute Verhandlung in der Vorinstanz aber wiederum zur Verurteilung führen würde (OLG Hamburg und BayObLG aaO.). 3. Überschießender Anklagevorwurf. § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ist auch anwendbar, wenn die angeklagte schwerere Tat nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht erwiesen ist und ein minder schweres Delikt verbleibt, das zwar als festgestellt anzusehen, dessen Verfolgung aber durch ein Verfahrenshindernis ausgeschlossen ist. Beispiele: Anklage wegen Mordes; das Gericht sieht die Merkmale des § 211 StGB nicht als erwiesen an, wohl aber die des Totschlags, dessen Verfolgung indessen wegen der kürzeren Verjährungsfrist des § 67 Abs. 1 Nr. 2 StGB verjährt ist. Oder: Anklage wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung mit Todesfolge (§ 226); als Ergebnis der Beweisaufnahme ist nur fahrlässige Tötung als erwiesen anzusehen, deren Verfolgung verjährt ist. Oder: Anklage wegen fortgesetzten Diebstahls mit zahlreichen Einzelakten; erwiesen ist nur eine einzige Diebstahlshandlung, die als Mundraub zu werten ist, und zu deren Bestrafung es am Strafantrag fehlt. Oder: Anklage wegen Vergehens nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 StGB; das Gericht verneint eine konkrete Gefahrdung anderer Verkehrsteilnehmer und sieht nur Verkehrsordnungswidrigkeiten als erwiesen an, deren Verfolgung verjährt ist. In solchen Fällen kann das Urteil nicht gleichzeitig auf Freisprechung (wegen des schwereren Vorwurfs) und Einstellung (wegen der nicht (mehr) verfolgbaren minder schweren Tat), sondern nur entweder auf Freisprechung oder Einstellung lauten; grundsätzlich bestimmt das Wertverhältnis zwischen der nachgewiesenen, aber nicht verfolgbaren und der verfolgbaren, aber nicht nachweisbaren Rechtsverletzung den Inhalt des Urteils; die schwerere Rechtsverletzung gibt den Ausschlag (vgl. Anm. 9c zu § 260). Für die Frage, ob § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 anwendbar ist, ist es also nicht entscheidend, ob das Urteil in einem solchen Fall auf Freispruch oder auf Einstellung lautet. Denn die genannte Nr. 2 beschränkt die Ermessensfreiheit des Gerichts nicht auf den Fall, daß wegen des Verfahrenshindernisses eingestellt wird, sondern räumt ihm Ermessensfreiheit ein, wenn es nur an dem Eingreifen eines Verfahrenshindernisses liegt, daß der Angeklagte wegen der angeklagten Tat (i. S. des § 264) überhaupt nicht verurteilt wird (ebenso OLG Hamm JMB1NRW 1971 118). Der abweichenden Auffassung von N a u c k e NJW 1970 84, 85 (zustimmend LG Frankfurt NJW 1971 952), es sei in dem Beispielsfall: nicht erwiesener Mord, verjährter Totschlag der Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 unanwendbar, der Freispruch zwinge zur Anwendung des § 467 Abs. 1, die Einführung des Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 mit der oben 2514

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§467 Anm. V 4

(1 a) dargestellten Begründung beruhe wohl auf einem „nachweisbaren juristischen Mißverständnis", kann nicht gefolgt werden. Ob Freispruch oder (wie im Fall BGHSt. 20 225) Einstellung erfolgt, beruht nicht auf zwingenden gesetzlichen Vorschriften, sondern auf Grundsätzen, die in der Rechtsprechung herausgebildet sind. Wird die Form des Freispruchs gewählt, so unterscheidet sich ein solcher Freispruch von einem „normalen" Freispruch, von dem § 467 Abs. 1 ausgeht, eben dadurch, daß im Freispruch zugleich eine Einstellung enthalten ist. Auch ist die Vorstellung abzulehnen, daß wegen des verjährten geringeren Delikts von vornherein ein Verfahren nicht hätte betrieben werden dürfen, und deshalb — gewissermaßen isoliert — nur das schwerere Delikt zur Aburteilung gestanden hätte. Denn einmal kann es sein, daß die Verjährung erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens eintritt, und im übrigen besteht die Besonderheit der hier in Betracht kommenden Fälle darin, daß erst durch die Beweisaufnahme und die Beweiswürdigung des Gerichts zutage tritt, daß nur das geringere Delikt als erwiesen verbleibt. Der Auffassung des Gesetzgebers, die auch schon in BGHSt. 20 225 in gewisser Weise zum Ausdruck kam, daß es „unbillig" sein kann, in solchen Fällen die Staatskasse in vollem Umfang mit den Auslagen des Angeklagten zu belasten, dessen Verfahren — der Sache nach — teils mit Freispruch, teils mit Einstellung endet, muß sich die Auslegung anpassen und sich mit der „Systemwidrigkeit" der Nr. 2 abfinden. 4. Ermessensrichtlinien. Nach der Vorstellung des Vermittlungsausschusses, auf dessen Vorschlag hin Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 eingefügt wurde, sollte die Vorschrift nur in ganz besonders liegenden Ausnahmefällen Anwendung finden. Im Gesetz selbst hat diese Vorstellung keinen Ausdruck gefunden (so zutreffend OLG Hamburg MDR 1972 344); die Auslegung ist nicht an diese Vorstellung, sondern nur daran gebunden, daß sich Nr. 2 als Ausnahme von dem Grundsatz des § 467 Abs. 1 darstellt. Wird das beachtet, so kommt es im übrigen auf die Umstände des Einzelfalles an. Allgemein gilt: Steht mit (annähernder) Sicherheit fest, daß bei Wegdenken des Verfahrenshindernisses die Verurteilung zu erwarten wäre, so ist damit erst die Voraussetzung der Ermessensfreiheit gegeben; die Voraussetzung aber reicht nicht aus, sie als Grund dafür anzusehen, im Regelfall den Angeschuldigten mit seinen Auslagen zu belasten. Es müssen vielmehr — entsprechend dem Verhältnis der Nr. 2 als Ausnahme von der Regel des § 467 Abs. 1 — Gründe („besondere Umstände"; LG Frankfurt NJW 1971 952) hinzutreten, die es als recht und billig erscheinen lassen, daß der Angeschuldigte seine notwendigen Auslagen ganz oder zum Teilt (vgl. oben IV 3) selbst trägt oder — anders ausgedrückt —, die es als ungerecht (grob unbillig) erscheinen lassen, die Staatskasse damit zu belasten (BayObLG NJW 1970 875; LG Krefeld MDR 1970 697). Dabei kann als Leitgedanke davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber den Angeschuldigten durch § 467 n. F. auslagenrechtlich begünstigen, ihn also jedenfalls nicht schlechter stellen wollte, als er sich unter der Herrschaft des § 467 a. F. gestanden hätte (OLGe. Hamm NJW 1969 707; Köln MDR 1970 610; offengelassen von BayObLG NJW 1970 875). Wenn damals angenommen wurde, daß im allgemeinen die Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses, das bereits im Zeitpunkt der Anklageerhebung bestand, der Freisprechung wegen erwiesener Unschuld oder mangels begründeten Verdachts mit obligatorischer Auslagenüberbürdung auf die Staatskasse gleichstehe (s. oben 1 b), so muß dies auch als Anhaltspunkt für die Ermessensausübung nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 gelten (OLGe. Hamm NJW 1969 707; Frankfurt NJW 1971 818). Es wird dabei grundsätzlich keine Rolle spielen dürfen, ob das Verfahrenshindernis von vornherein klar erkennbar war, also übersehen wurde, oder erst als Ergebnis einer vielleicht langwierigen Aufklärung des Sachverhalts zutage trat (a. M. - betr. Straftat aus der NS = Zeit - OLG Frankfurt NJW 1971 818, wonach Auslagenversagung noch im Bereich zulässiger Ermessensausübung liegt, wenn die Strafverfolgungsbehörde nach gewissenhafter Prüfung mit gutem Grund das Fehlen eines Verfahrenshindernisses annehmen durfte und sich das Hindernis erst in der Hauptverhandlung ergibt, in der das Gericht die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten erlangt hat). Tritt das Verfahrenshindernis — zu denken ist vor allem an Verjährung — erst im Lauf des Verfahrens ein, so wird es, mag auch das Gesetz zwischen von vornherein bestehenden und erst nachträglich eintretenden Verfahrenshindernissen nicht unterscheiden und bei beiden Fallgestaltungen die Auslagenerstattung in das Ermessen des Gerichts stellen (BayObLG NJW 1970 875), doch in der Regel als der Billigkeit entsprechend naheliegen, in Ausübung des Ermessens und — im Ergebnis — entsprechend der Handhabung unter der Herrschaft des 2515

§ 467 Anm. V 5 ; VI 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

§ 467 a. F., die Überbürdung auf diejenigen Auslagen zu beschränken, die durch die Weiterführung des Verfahrens erwachsen sind, nachdem das Hindernis eingetreten war und die Einstellung durch Urteil oder auch schon vorher gemäß § 206 a hätte erfolgen können und müssen (OLG Saarbrücken MDR 1972 442; a. M. N a u c k e NJW 1970 85 Fußn. 19: auch dann Anwendung des § 467 Abs. 1). Denn es ist nicht einzusehen, warum es unbillig sein sollte, den Angeschuldigten, dessen Verurteilung bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses sicher erscheint, diejenigen seiner Auslagen tragen zu lassen, die entstanden sind, solange ein verfolgbarer Strafanspruch bestand und er deshalb mit Recht dem Verfahren ausgesetzt war. Dabei wird, wenn die vor Eintritt des Hindernisses entstandenen Auslagen nicht klar ausscheidbar sind, eine Verteilung nach Bruchteilen zu wählen sein. Von einer Überbürdung auch der nachträglich entstandenen Auslagen abzusehen, kann in Betracht kommen, wenn der Eintritt des Hindernisses oder das verspätete Erkennen des Hindernisses auf ein schuldhaftes Verhalten des Angeklagten zurückzuführen ist und dieses nicht schon die Voraussetzungen des Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erfüllt (vgl. N a u c k e NJW 1970 85; LG Frankfurt NJW 1971 952); solche Fälle werden freilich selten sein. Tritt Verjährung erst nach Erlaß eines mit zulässiger Revision angefochtenen Urteils ein, das auf Verurteilung lautet, und ergibt die allgemeine Überprüfung durch das Revisionsgericht, daß die gegen das Urteil geführten Angriffe offensichtlich unbegründet sind, so besteht kein Anlaß, die Auslagen des Beschwerdeführers ganz oder auch nur teilweise der Staatskasse zu überbürden; bei anderer Handhabung würde „das Prinzip überspannt, das der allgemeinen Auslagenregelung in § 467 Abs. 1 zugrunde liegt" (OLG Hamburg MDR 1972 344). In den Fällen des überschießenden Anklagevorwurfs (oben zu 3) wird für die Frage, ob von einer Überbürdung in vollem Umfang abzusehen, eine Überbürdung in vollem Umfang auszusprechen oder eine bruchteilsmäßige Verteilung vorzunehmen ist, das Wertverhältnis zwischen dem schweren Anklagevorwurf und dem verbliebenen Rest, der mit annähernder Sicherheit bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses eine Verurteilung begründet hätte, von entscheidender Bedeutung sein. So würde z. B., wenn dem Vorwurf des Mordes ein verjährter Totschlag übrig bleibt, entsprechend den Intentionen, die zur Einstellung des Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 geführt hatten, eine völlige oder überwiegende Auslagenentlastung des Angeklagten nicht in Betracht kommen (a. M. OLG Köln MDR 1970 610); entsprechend dem Grundgedanken des § 465 Abs. 2 Satz 3 würde aber der Angeklagte wenigstens von „besonderen" Auslagen zu entbinden sein, die durch die zugunsten des Angeklagten ausgegangene Aufklärung der Mordmerkmale entstanden sind. Vgl. auch den Fall OLG Hamm JMB1NRW 1970 118: Anklage wegen Vergehens nach § 3 1 5 c Abs. 1 Nr. 2 StGB; Verurteilung nur wegen mehrerer Verkehrsordnungswidrigkeiten zu einer Geldbuße; auf Berufung Einstellung wegen Verjährung; das OLG billigt die Auslagenentscheidung, wonach der Angeklagte seine im 1. Rechtszug entstandenen Auslagen selbst zu tragen hat, während die des Berufungsverfahrens der Staatskasse auferlegt wurden. 5. Zur Frage einer analogen Anwendung des Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, wenn der Angeklagte vor rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens verstirbt, vgl. oben Anm. I 5. VI. Einstellung des Verfahrens nach gerichtlichem Ermessen (Absatz 4). 1. Anwendungsbereich. In den Fällen, in denen das Gericht ein Verfahren nach seinem Ermessen einstellen kann, ist ihm die Befugnis eingeräumt, von dem Grundsatz des § 467 Abs. 1 abzuweichen, weil „die Umstände des Einzelfalles hier so verschieden sein können, daß sich eine starre Kostenregelung nicht empfiehlt" (Bericht des BT-Rechtsausschusses zu V/2600, 2601 S. 21). Hauptanwendungsfall einer gerichtlichen Einstellung nach Ermmessen ist die Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 153 Abs. 3. Daneben kommt die Einstellung nach § 153 a Abs. 2, § 153 d Abs. 2 in Betracht. Und zwar ist die Einstellung nach § 153 a Abs. 2 auch dann hierher zu rechnen, wenn sie in Anwendung des § 16 StGB erfolgt. Hier besteht zwar materiellrechtlich ein Zwang zum Absehen von Strafe („ . . . sieht von Strafe ab"), und die Feststellung der Voraussetzungen des § 16 StGB eröffnet keinen Ermessens-, sondern einen Beurteilungsspielraum; verfahrensrechtlich liegt es aber — und das gibt hier den Ausschlag — im Ermessen des Gerichts, ob es außerhalb der "Hauptverhandlung den § 16 StGB anwendet (s. dazu auch Anm. B III 2 zu § 471). Gemeint ist auch hier nur eine als endgültig gedachte Einstellung; daher scheiden aus die vorläufige Einstellung 2516

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 467 Anm. VI 2, 3

nach §§ 154 Abs. 2, 154b Abs. 4; entsprechendes gilt bei der Ausscheidung nach § 154a Abs. 2 (vgl. oben Anm. I 3). Nicht hierher gehört die Einstellung des Privatklageverfahrens wegen Geringfügigkeit nach §§ 383 Abs. 2, 390 Abs. 5; insoweit gilt § 471 Abs. 3 Nr. 2. 2. Abs. 4 betrifft nur die einem Angeschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen, nicht die notwendigen Auslagen des Nebenklägers, die in keinem Fall aus der Staatskasse erstattet werden (vgl. dazu Anm. B III 3 zu § 471). Nach LG Kleve MDR 1970 347 (zustimmend G e i s l e r NJW 1972 754) ist Abs. 4 unanwendbar bei Einstellung des Verfahrens nach § 413 Abs. 5, weil hier der Beschuldigte noch nicht Angeschuldigter (i. S. des § 157) sei; auch sei eine Auslagenentscheidung nach § 464 Abs. 2 nicht erforderlich. Das erscheint zweifelhaft, denn der Antrag der Polizeibehörde auf Erlaß der Strafverfügung ist Anklagesurrogat (vgl. Anm. 5 b zu § 413). 3. Ermessenshandhabung. a) Die Einstellung nach § 153 Abs. 3 setzt in 1. Linie voraus, daß die Schuld des Täters gering ist. Das bedeutet zwar nicht, daß die Schuld feststehen muß, sie muß aber wenigstens wahrscheinlich sein. Der tragende Grund für die Regel des § 467 Abs. 1, die Unschuldsvermutung zwinge zur Auslagenüberbürdung, solange sie nicht durch eine Verurteilung widerlegt sei, tritt hier also zurück (OLG Stuttgart NJW 1969 1446, 1448), so daß sich ein Grundsatz, im Regelfall sei von der Kann-Vorschrift des Abs. 4 kein Gebrauch zu machen (so OLG Hamburg NJW 1969 1450), nicht aufstellen läßt (so auch OLG Hamburg MDR 1970 524). Immerhin kommt es für die Ermessensausübung zunächst auf das Maß der Gewißheit oder Wahrscheinlichkeit der Schuld, also darauf an, ob der Beschuldigte nach dem zur Zeit der Einstellung gegebenen Sachstand praktisch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als überführt anzusehen, oder ob seine Schuld nur mehr oder weniger wahrscheinlich ist (vgl. OLGe. Hamm NJW 1969 1448; JMB1 NRW 1971 276; Celle MDR 1970 439; LG Mannheim NJW 1971 2319). Im letzteren Fall ist in Berücksichtigung der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK das Absehen von der Auslagenüberbürdung grundsätzlich nicht gerechtfertigt (OLG Celle aaO.). Andererseits gibt es aber auch keinen Grundsatz des Inhalts, die Nichtüberbürdung sei die Regel, wenn der Angeschuldigte als praktisch überführt anzusehen sei (so z. B. LG Kassel AnwBl. 1970 63); denn einmal ist der Begriff der geringen Schuld weit und umfaßt sowohl die Fälle einer so geringen Schuld, daß „fast schon" Straflosigkeit vorliegt, wie auch solche, wo „gerade noch" von geringer Schuld gesprochen werden kann ( N a u c k e NJW 1970 84, 86). Es ist dabei aber auch an den Fall zu denken, daß der Anklagevorwurf bis auf einen geringen Rest zusammengeschrumpft ist, z. B. von dem Vorwurf einer fortgesetzten Handlung mit einer Vielzahl von Einzelakten nur zwei oder drei Einzelakte als festgestellt anzusehen sind und hinsichtlich dieser die Schuld gering erscheint. Zur Nichtüberbürdung bedarf es der Darlegung weiterer zur Schuldfeststellung hinzukommender Umstände (OLG Schleswig NJW 1971 69). Die Ermessensausübung hat sich deshalb weiterhin nach dem Gewicht des (mehr oder weniger) geringen Verschuldens zu richten (OLG Hamburg MDR 1970 695). Im allgemeinen ist es in den — an allen in Betracht kommenden Umständen des Einzelfalles gemessen — durchschnittlichen Fällen einer Verfahrenseinstellung nach § 153 Abs. 3 nicht zu beanstanden, wenn von einer Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen des Angeschuldigten abgesehen wird (OLG Stuttgart NJW 1969 1446, 1448); namentlich bei einem Vergehen wird es in der Regel näher liegen, die Staatskasse nicht oder nur zu einem Teil zu belasten (OLG Hamburg MDR 1970 524). Eine Aufteilung der Auslagen nach Bruchteilen kommt z. B. in Betracht, wenn ein Teil der notwendigen Auslagen auf Verfahrensfehler zurückzuführen ist (OLG Hamburg aaO.). Zu einer Belastung der Staatskasse besteht in der Regel kein Anlaß, wenn sich der Angeschuldigte bereit erklärt hat, seine Auslagen selbst zu tragen. b) Wird das Verfahren erst im Rechtsmittelzug gemäß § 153 Abs. 3 eingestellt, so sind im Rahmen der Ermessensausübung nach § 467 Abs. 4 hinsichtlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten in der Rechtsmittelinstanz die Grundsätze des § 473 mitzuberücksichtigen (OLGe. Hamburg NJW 1969 1450; Hamm JMB1. NRW 1971 276). Legt z. B. der Angeklagte auf das Strafmaß beschränkte Berufung ein, und wird das Verfahren in der Berufungsinstanz gemäß § 153 Abs. 3 eingestellt, so hat der Angeklagte mehr erreicht, als

2517

§ 4 6 7 Anm. VI 4

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

§ 467 a wenn auf sein Rechtsmittel hin die Strafe wesentlich ermäßigt worden wäre, sein Rechtsmittel also vollen Erfolg i. S. des § 473 Abs. 3 gehabt hätte. Im letzteren Fall wären seine notwendigen Auslagen in der Berufungsinstanz der Staatskasse aufzuerlegen gewesen. Damit er sich nicht durch die Einstellung des Verfahrens schlechter steht als durch die bloße Herabsetzung der Strafe, entspricht es der Billigkeit, seine ihm in der Berufungsinstanz erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zu überbürden (OLG Hamm JMB1 NRW 1971 276). Wird erst in der Berufungsinstanz eingestellt, so ist damit das erstinstanzliche Urteil mit seiner Kostenentscheidung hinfällig geworden; die neue Kostenentscheidung muß sich daher auch auf die Auslagen des 1. Rechtszuges erstrecken; dabei ist auch eine Aufteilung der Auslagen nach Instanzen möglich (vgl. OLG Schleswig SchlHA 1969 83). 4. Zur Frage der Anfechtbarkeit der Auslagenentscheidung bei Einstellung nach § 153 Absatz 3, der Anforderungen an die Begründung der Entscheidung und über die Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht vgl. Anm. V 3 und VI 4 zu § 464.

§ 467 a (1) Nimmt die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage zurück und stellt sie das Verfahren ein, so hat das Gericht, bei dem die öffentliche Klage erhoben war, auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten die diesem erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. § 467 Abs. 2 bis 4 gilt sinngemäß. (2) Abs. 1 gilt entsprechend, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt, nachdem sie dem Beschuldigten und seinem Verteidiger den Abschluß der Ermittlungen mitgeteilt hat (§ 169 a Abs. 2). Die Entscheidung trifft das Gericht, das für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig gewesen wäre. (3) Die einem Nebenbeteiligten (§431 Abs. 1 Satz 1, §§442, 444 Abs. 1 Satz 1) erwachsenen notwendigen Auslagen kann das Gericht in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 2 auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Nebenbeteiligten der Staatskasse oder einem anderen Beteiligten auferlegen. (4) Gegen die Entscheidung nach den Absätzen 1 bis 3 ist die sofortige Beschwerde zulässig. Entstehungsgeschichte: Durch Art. 10 Nr. 13 des StPÄG vom 19. 12. 1964 (BGBl. I 1067) war ein § 4 6 7 a eingefügt worden: „Nimmt die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage zurück und stellt sie das Verfahren ein (§ 170 Abs. 2 Satz 1), so kann das Gericht, bei dem die öffentliche Klage erhoben war, auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten die diesem erwachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen. Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt." Die jetzige Fassung des § 467 a beruht auf Art. 2 Nr. 26 EGOWiG vom 24. 5. 1968 (BGBl. I 503). Wesentliche Änderungen bestehen bei Abs. 1 in der Umwandlung der bisherigen Kann- in eine Mußvorschrift und in der Weglassung des bisherigen Klammerzusatzes „(§ 170 Abs. 2 Nr. 1)". Abs. 3 zieht die Folgerungen aus der Schaffung der Rechtsfigur der Nebenbeteiligung am Strafverfahren durch das EGOWiG (§§431 ff., 444). Abs. 4 entspricht dem Satz 2 des § 467 a a. F. Neu ist Abs. 2. Zu dessen Entstehungsgeschichte vgl. unten Anm. II 2 a. Übersicht I. Zu Abs. 1 1. Die Erstattungsvoraussetzungen 2. Erhebung und Zurücknahme der öffentlichen Klage 3. Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft a) Einstellungsgrund b) Begriff der Einstellung c) Behelfe bei Verzögerung der Einstellung

2518

d) Bedeutung der Ergreifung von Maßnahmen zur Aufhebung der Einstellung. Wiederaufnahme der Ermittlungen 4. Antrag auf gerichtliche Entscheidung 5. Gerichtliches Verfahren a) und b) Zuständiges Gericht. Überbürdungszwang und Ausnahmen c) und d) Umfang der gerichtlichen Prüfung; Bindung an die Einstellung. Begründungszwang

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 467 a Anm. 1 1 , 2

6. Beschränkte Rechtskraft der Überbürdungsentscheidung. Außerkrafttreten bei späterer Strafverfolgung 7. Zurücknahme der Privatklage II. Zu Abs. 2 1. Voraussetzungen der Überbürdung 2. Keine entsprechende Anwendung des Abs. 2 auf andere Fälle der Einstellung des Ermittlungsverfahrens

3. Bedeutung der entsprechenden Anwendung des Abs. 1 III. Zu Abs. 3 1. Verhältnis zu § 472 b 2. Voraussetzung der Erstattung 3. Begriff des Nebenbeteiligten 4. Kann-Vorschrift IV. Zu Abs. 4

I. Auslagenerstattung bei Einstellung des Verfahrens nach Zurücknahme der öffentlichen Klage (Absatz 1). 1. Die Erstattungsvoraussetzungen. Während die Auslagenerstattung nach § 467 Abs. 1 voraussetzt, daß der Angeschuldigte durch gerichtliche Entscheidung unbestraft (ohne Schuldfeststellung) aus dem Verfahren entlassen wird, sieht § 467 a Abs. 1 eine Auslagenüberbürdung bei Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft vor, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind: a) es muß öffentliche Klage erhoben worden sein; b) die Staatsanwaltschaft muß diese (zulässigerweise) zurückgenommen haben; c) sie muß das wieder in das Stadium des Ermittlungsverfahrens zurückversetzte Verfahren eingestellt haben. Den Ausgangspunkt für die Schaffung des § 467 a a. F. bildete der nicht seltene Fall, daß der Beschuldigte gegen einen Strafbefehl (Strafverfügung) Einspruch einlegt, die Staatsanwaltschaft unter dem Eindruck des vorgebrachten Entlastungsmaterials die Anklage rechtzeitig (§§411 Abs. 1, 413) fallenläßt und schließlich das Verfahren einstellt. Vor Schaffung des § 467 a a. F. war streitig, ob in rechtsanaloger Anwendung des Grundgedankens der §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 2 Satz 1 die notwendigen Auslagen des Beschuldigten auf die Staatskasse überbürdbar seien, wenn die Staatsanwaltschaft durch Zurücknahme der öffentlichen Klage und anschließende Einstellung des Verfahrens dem Beschuldigten die Möglichkeit entzieht, ein freisprechendes Urteil und damit Erstattung seiner notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erlangen. Die Frage wurde von einer im Vordringen befindlichen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum bejaht (vgl. Anm. 3 c zu § 411 der Voraufl.). § 467 a a. F. klärte die Streitfrage in verallgemeinerter Form im Sinne dieser Auffassung. § 467 a Abs. 1 n. F. hat § 467 a a. F. aufrechterhalten, aber unter grundsätzlicher Umwandlung der Kann- in eine Mußvorschrift in Angleichung an die Auslagenerstattungsregelung des § 467. 2. Erhebung und Zurücknahme der öffentlichen Klage. Hier kommen folgende Fälle in Betracht: a) Erhebung der öffentlichen Klage und deren Rücknahme vor Eröffnung der Voruntersuchung oder des Hauptverfahrens (§ 156), b) Erhebung der öffentlichen Klage durch Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlaß eines Strafbefehls (vgl. Anm. 8 zu § 407) und Zurücknahme des Antrags vor Erlaß des Strafbefehls (Anm. 9 zu § 409) oder vor Anberaumung der Hauptverhandlung gemäß § 408 Abs. 2 (vgl. dort Anm. 6 d) oder Fallenlassen der Klage nach Erlaß des Strafbefehls und nach Einspruch des Beschuldigten bis zum Beginn der Hauptverhandlung (§ 411), c) Fallenlassen der Klage durch die Staatsanwaltschaft bis zum Beginn der Hauptverhandlung, wenn nach Erlaß einer richterlichen Strafverfügung der Beschuldigte Einspruch eingelegt hat (§§411,413), d) Erhebung der öffentlichen Klage durch Antrag des Finanzamts auf Erlaß eines Strafbefehls wegen eines Steuervergehens und Zurücknahme des Antrags vor Erlaß des Strafbefehls oder vor Anberaumung der Hauptverhandlung gemäß § 408 Abs. 2 (§§ 433, 440 RAbgO), sowie — nach Erlaß des vom Finanzamt beantragten Strafbefehls — Fallenlassen der Klage durch die Staatsanwaltschaft nach Einspruch des Beschuldigten bis zum Beginn der Hauptverhandlung (§§ 435, 440 RAbgO, § 411 StPO).

2519

§467 a Anm. I 3 e) Zurücknahme Abs. 2;

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch der Klage in jeder Lage des Verfahrens nach §§ 153b Abs. 3, 153c

f) im beschleunigten Verfahren (§ 212 a) Rücknahme der Klage bis zum Beginn der Vernehmung des Angeklagten zur Sache. Der Zurücknahme der Klage steht es gleich, wenn die Staatsanwaltschaft den Antrag nach § 212 a stellt, das Gericht aber gemäß § 212 b Abs. 1 die Aburteilung im beschleunigten Verfahren ablehnt weil diese Ablehnung, wie sich aus § 212 b Abs. 3 ergibt, das Verfahren ebenso wie eine Zurücknahme der öffentlichen Klage in den Stand des Ermittlungsverfahrens zurückbringt (LG Aachen JMB1. NRW 1970 47; G e i s l e r NJW 1972 753), g) Gemäß § 46 OWiG ist § 467 a Abs. 1 anwendbar, wenn die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid nach Einspruch des Beschuldigten und vor Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft zurücknimmt und das Verfahren einstellt (§ 69 OWiG). Unmittelbar ist § 467 a anwendbar, wenn gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde Einspruch eingelegt wird und nach Abgabe der Akten an die Staatsanwaltschaft (§§ 68, 69 OWiG) diese das Verfahren nach § 170 Abs. 2 einstellt, da bei sinngemäßer Anwendung des § 467 a (§ 46 Abs. 1 OWiG) die Einstellung als Rücknahme der öffentlichen Klage anzusehen ist, nachdem der Bußgeldbescheid infolge des Einspruchs Verfahrensgrundlage geworden ist und damit die Aufgabe erfüllt, die im Strafverfahren dem Strafbefehl nach Einspruch des Beschuldigten zukommt (vgl. LG Bayreuth DAR 1970 49; Frankfurt DAR 1969 248; München NJW 1971 395 m. zust. Anm. S c h o p p ; Stuttgart AnwBl. 1972 199). 3. Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft. a) Einstellungsgrund. Nach Beseitigung des früheren Klammerzusatzes „(§ 170 Abs. 2 Satz 1)" (vgl. dazu unten Anm. II 1) kommt es nicht mehr darauf an, daß die Verfahrenseinstellung erfolgt, weil die Ermittlungen keinen genügenden Anlaß zur Erhebung einer neuen Klage bilden; ausreichend ist die Einstellung aus jedem Grund, der bei dem wieder in das Vorverfahren zurückgelangten Verfahren eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft (§§ 153 Abs. 1, 153b Abs. 3, 153c Abs. 2) oder durch sie mit Zustimmung des Gerichts (§§ 153 Abs. 2, 153 a Abs. 1) zuläßt oder vorschreibt, z. B. auch wegen eines nachträglich eingetretenen Verfahrenshindernisses. Nach OLG Celle GA 1970 344 hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 4 6 7 a an eine Einstellung nach § 153 Abs. 2 nach Klagezurücknahme „nicht gedacht", weil ein derartiger Verfahrensabschluß regelmäßig nach § 153 Abs. 3 durch das Gericht zu erfolgen habe. Sollten diese Ausführungen, die in anderem Zusammenhang erfolgten, dahin zu verstehen sein, daß in den Fällen einer Einstellung nach § 153 Abs. 2 der § 467 a Abs. 1 unanwendbar sei, so könnte dem nicht gefolgt werden. Unanwendbar ist § 467 a Abs. 1, wenn die Staatsanwaltschaft nicht einstellt, sondern (allein oder auch) wegen des gleichen Sachverhalts von neuem Klage erhebt und nunmehr, wenn auch mit ihrer Zustimmung, das Gericht das Verfahren einstellt (§§ 153 Abs. 3, 153 d Abs. 2), denn dann wird über die Auslagenerstattung nach § 467 entschieden. b) Gemeint ist eine — der Idee nach — endgültige Beendigung des Verfahrens, eine Einstellung, die in der Regel praktisch das Ende des Ermittlungsverfahrens bedeutet. Eine solche liegt nicht vor, wenn die Staatsanwaltschaft wegen zeitweiliger Hindernisse (Abwesenheit oder Krankheit des Beschuldigten oder eines wichtigen Zeugen usw.) das Verfahren „vorläufig" einstellt, oder eine Fassung der Einstellungsverfügung wählt, die erkennen läßt, daß der Fortgang der Ermittlungen nur vorübergehend aufgehoben werden soll (vgl. Anm. 8 zu § 170). § 467 a Abs. 1 ist auch unanwendbar, wenn die Staatsanwaltschaft die beim unzuständigen Gericht erhobene Anklage zurücknimmt, um Anklage vor dem zuständigen Gericht zu erheben oder die weitere Verfolgung der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft zu überlassen (LG Nürnberg-Fürth NJW 1971 1281 m. Anm. S c h m i d t ) . Eine Einstellung liegt nicht vor, wenn lediglich unter Ausscheidung einzelner Tatteile oder Gesetzesverletzungen die Verfolgung nach § 154 a „beschränkt" wird. Eine Einstellung i. S. des § 467 a Abs. 1 ist schließlich nicht gegeben, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 154d einstellt, weil der Anzeigende nicht fristgemäß eine präjudizielle Vorfrage einer Klärung durch gerichtliche Entscheidung außerhalb des Strafverfahrens zuführt, denn die Einstellung ist hier in Wahrheit nur eine Aussetzung der Verfolgung (vgl. § 262 Abs. 2), 2520

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 467 a Anm. I 3

also eine „vorläufige Einstellung"; sie ist das technische Mittel, zur Entlastung der Staatsanwaltschaft den interessierten Anzeiger zu zwingen, einen Beitrag zum Ermittlungsverfahren zu leisten. Die Staatsanwaltschaft muß das eingestellte Verfahren wieder aufnehmen, wenn die Vorfrage später geklärt ist und das Ergebnis die Erhebung der Anklage rechtfertigt. c) Verzögert die Staatsanwaltschaft nach Zurücknahme der Klage ohne zureichende Gründe den Fortgang der Ermittlungen und den Abschluß des Ermittlungsverfahrens, so kann sich der Beschuldigte dagegen mit der Aufsichtsbeschwerde, notfalls mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung aus § 27 EGGVG (vgl. dazu die Anm. zu § 23 EGGVG) wenden (ebenso E b S c h m i d t Nachtr. Bd. II Rdn. 4). Noch weitergehend K o h l h a a s NJW 1966 1112: entsprechende Anwendung des § 467a Abs. 1, wenn die Staatsanwaltschaft die nach Auffassung des Gerichts gebotene Einstellung des Verfahrens unterläßt. d) Bedeutung von Maßnahmen, die auf Aufhebung der Einstellungsverfügung gerichtet sind. aa) Während im Fall des § 467 Abs. 1 eine gerichtliche Sachentscheidung die feste Grundlage der Auslagenentscheidung bildet, baut sich die Auslagenentscheidung im Fall des § 467 a Abs. 1 insofern auf schwankender Grundlage auf, als die Staatsanwaltschaft innerhälb der Verjährungsfrist jederzeit von Amts wegen auf Gegenvorstellungen des Anzeigenden, auf Weisung ihrer Vorgesetzten die Ermittlungen wieder aufnehmen und schließlich auch im Klageerzwingungsverfahren (§ 172) zur Erhebung der Anklage gezwungen werden kann. Der Gesetzgeber hat dies in Kauf genommen. Es erhebt sich aber die Frage, ob nicht, um von einer „Einstellung" sprechen zu können, eine gewisse Verfestigung der Einstellungslage zu fordern ist, etwa in dem Sinn, daß von einer Einstellung als Voraussetzung des Antrags (der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten) auf Überbürdungsentscheidung und als Grundlage der Uberbürdungsentscheidung so lange nicht gesprochen werden kann, als erhobene Gegenvorstellungen oder Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Einstellung nicht ablehnend beschieden sind oder ein Klageerzwingungsverfahren nicht zugunsten des Beschuldigten beendet ist. Es liegt nahe, zur Beantwortung dieser Frage die Regelung des vergleichbaren Falles in § 9 Abs. 3 StrEG 1971 heranzuziehen. Dort ist von Maßnahmen, die auf Aufhebung der Einstellung und Verfahrensfortgang gerichtet sind, für das Verfahren über die Entschädigungspflicht in § 9 Abs. 3 nur dem Klageerzwingungsverfahren Bedeutung beigelegt. bb) Von dem Verfahren nach § 9 StrEG hebt sich das Verfahren nach § 467 a Abs. 1 entscheidend dadurch ab, daß zwar die gerichtliche Entscheidung über die Auslagenüberbürdung ebenfalls einen Antrag (der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten — d. h. des angeschuldigt Gewesenen —) voraussetzt, dieser Antrag aber nicht fristgebunden ist. Ferner werden zwar, wenn Auslagenüberbürdung in Betracht kommt, in der Regel die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 170 Abs. 2 Satz 2 dem Beschuldigten von der Einstellung des Verfahrens Kenntnis zu geben ist; aber eine Zustellung dieser Mitteilung ist in § 170 Abs. 2 — anders als bei der Benachrichtigung des Antragstellers, der zugleich der Verletzte ist, § 171 und Nr. 81 Abs. 2 RiStBV — nicht vorgeschrieben und auch nicht üblich; die Bekanntgabe erfolgt grundsätzlich formlos durch einfachen Brief (Nr. 81 Abs. 1 RiStVB; s. auch Nr. 78 aaO.). Immerhin ergibt sich aber aus der Regelung des § 9 StrEG, daß der Gesetzgeber in der gewissen Unbeständigkeit einer Einstellung keinen Anlaß sieht, die Stellung des Antrags und die Einleitung des gerichtlichen Feststellungsverfahrens davon abhängig zu machen, daß die Einstellung durch die Bereinigung der gegen sie erhobenen Einwendungen eine gewisse Beständigkeit („Endgültigkeit") erlangt hat. Das muß auch für § 4 6 7 a gelten. Der Antrag auf Auslagenüberbürdung kann danacji gestellt werden, sobald die Einstellung verfügt und aus dem internen Geschäftsbereich der Staatsanwaltschaft heraus an die Außenwelt getreten ist. Für das gerichtliche Verfahren ist weiterhin unbedenklich § 9 Abs. 3 StrEG entsprechend dahin anwendbar, daß über die Auferlegung der Auslagen an die Staatskasse nicht entschieden werden darf, solange durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Erhebung der öffentlichen Klage herbeigeführt werden kann. Gegenvorstellungen und Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Einstellung 2521

§467 a Anm. 14—6

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

werden der Staatsanwaltschaft Veranlassung zu dem Antrag geben, bis zu deren Erledigung mit der Entscheidung innezuhalten (das Verfahren auszusetzen), wenn sie nicht offensichtlich unbegründet sind. cc) Eine Wiederaufnahme der Ermittlungen, z. B. wegen neu bekannt gewordener Tatsachen bedeutet zwar rechtlich eine Aufhebung der Einstellungsverfügung und führt auch gegebenenfalls zu einer erneuten Einstellung (vgl. Anm. 10 zu § 170). Jedoch ist anzunehmen, daß die Wiederaufnahme der Ermittlungen allein dem auf zulässigen Antrag eingeleiteten gerichtlichen Verfahren noch kein Ende setzt, die vorangegangene Einstellung ihre rechtliche Bedeutung also nicht verliert, der gestellte Antrag vielmehr wirksam bleibt und nicht bei erneuter Einstellung von neuem gestellt werden muß. Die einmal verfügte Einstellung wird erst dann bedeutungslos, wenn die wiederaufgenommenen Ermittlungen zur Erhebung der Anklage und zur Eröffnung des Hauptverfahrens führen (vgl. unten Anm. 6). 4. Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Erstattungsentscheidung wird nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft (zugunsten des Angeschuldigten) oder des Angeschuldigten getroffen (vgl. dazu oben Anm. 3 c). Antragsberechtigt ist auch der gesetzliche Vertreter des Angeschuldigten und der Erziehungsberechtigte (§ 67 Abs. 1 JGG). Der Antrag ist an keine Frist oder Form gebunden, er kann auch bis zum Ergehen der Auslagenentscheidung zurückgenommen werden. Die Amtspflicht gebietet — wie im Fall des § 469 Abs. 2 (vgl. dort Anm. I 5 a) — der Staatsanwaltschaft, von Amts wegen den Antrag zu stellen, wenn sie die Voraussetzungen einer Auslagenerstattung (vgl. Abs. 1 Satz 2) als gegeben ansieht. Die Anhörung des Antragsgegners richtet sich nach § 33 Abs. 2, 3. 5. Gerichtliches Verfahren. a) Zuständig für die Entscheidung ist das Gericht, bei dem die öffentliche Anklage erhoben war. War sie aber vor einem unzuständigen Gericht erhoben, so ist wohl das Gericht zuständig, bei dem sie, von dem Sachvortrag der Staatsanwaltschaft in der Anklage ausgehend, zu erheben gewesen wäre (so auch M ü l l e r - S a x 2b; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 6). b) Die Auslagenerstattung ist grundsätzlich zwingend vorgeschrieben; Ausnahmen ergeben sich aus den nach Abs. 1 Satz 2 sinngemäß anwendbaren Abs. 2 bis 4 des § 467. c) Die Besonderheit des Anhangsverfahrens nach § 467 a Abs. 1 besteht darin, daß nicht, wie im Fall des § 467, ein Gericht sowohl über die Hauptsache wie über den Nebenpunkt der Auslagenerstattung entscheidet, sondern die Staatsanwaltschaft in Form der Zurücknahme der Klage und Einstellung des Ermittlungsverfahrens die „Hauptentscheidung" trifft, während das Gericht nur über den Nebenpunkt entscheidet. Daraus folgt, daß das Gericht, vergleichbar dem nur mit der Auslagenentscheidung befaßten Beschwerdegericht (vgl. § 464 Abs. 3 Salz 2) die „Hauptentscheidung" hinnehmen, von ihr bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung ausgehen muß. Es hat also nicht zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft zu Recht das Verfahren eingestellt hat, ob die Begründung der Einstellungs.verfügung (vgl. Nr. 79 Abs. 2 RiStBV) zutrifft, und es darf insbesondere keine Beweise über die Tatsachen erheben, welche die Staatsanwaltschaft als maßgeblich für die Einstellung angesehen hat. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich vielmehr nur auf die besonderen Voraussetzungen, die nach § 467 Abs. 2 bis 4 i. V. mit § 467 a Abs. 1 Satz 2 zu einer Beschränkung oder Versagung der Auslagenerstattung führen oder führen können, z. B. ob dem Angeschuldigten Auslagen durch schuldhafte Säumnis enstanden sind (§ 467 Abs. 2), oder ob er die Erhebung der später zurückgenommenen Klage durch täuschende Selbstanzeige veranlaßt hat (§467 Abs. 3 Satz 1) usw. (ebenso K l 5; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 15). Wegen der Bedeutung der Wiederaufnahme der Ermittlungen im Vorverfahren für das gerichtliche Anhangsverfahren vgl. oben Anm. 3 d, cc. d) Die nach § 4 6 7 a Abs. 4 mit der sofortigen Beschwerde anfechtbare Auslagenentscheidung bedarf nach § 34 der Begründung. 6. Beschränkte Rechtskraft. Mit der Rechtskraft der positiven Erstattungsentscheidung steht der Erstattungsanspruch des Angeschuldigten dem Grunde nach unentziehbar fest; über die Höhe wird im Verfahren nach § 464 b entschieden. Nicht geregelt ist die Frage, welche Folgerungen sich ergeben, wenn nachträglich der Entscheidung ihre Grundlage, die 2522

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 467 a Anm. I 7; II 1, 2

Einstellung des Ermittlungsverfahrens, entzogen wird. Die Lücke ist durch entsprechende Anwendung des §14 StrEG auszufüllen. Nach dieser Vorschrift tritt die Entscheidung über die Entschädigungspflicht der Staatskasse außer Kraft, wenn gegen den Berechtigten, gegen den das Verfahren eingestellt war, nachträglich wegen derselben Tat das Hauptverfahren eröffnet wird; eine bereits geleistete Entschädigung kann zurückgefordert werden. Da der Auslagenerstattungspflicht in gleicher Weise wie der Entschädigungspflicht nach dem StrEG der Gedanke des Aufopferungsanspruchs zugrunde liegt, ist die entsprechende Anwendung des § 14 StrEG gerechtfertigt. Entsprechend anwendbar erscheint auch § 14 Abs. 2 StrEG, wonach die Zahlung der festgesetzten Entschädigung ausgesetzt werden kann, wenn die Ermittlungen wieder aufgenommen worden sind. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift bedeutet, daß die Zahlung des nach § 464 b festgesetzten Betrags ausgesetzt werden kann, wenn vor dessen Auszahlung die Ermittlungen wieder aufgenommen werden. 7. Bei Zurücknahme der Privatklage ist § 467 a Abs. 1 unanwendbar. Denn die Zurücknahme der Privatklage, die in jeder Lage des Verfahrens erfolgen kann (§391 Abs. 1), führt, wie sich aus § 391 Abs. 2 a. E. ergibt, zur Einstellung des Verfahrens durch gerichtlichen Einstellungsbeschluß, der nach §471 Abs. 2 die Erstattungspflicht des Privatklägers auslöst. II. Zu Absatz 2 1. Abs. 2 verzichtet auf die Voraussetzung des Abs. 1, daß die öffentliche Klage erhoben war und zurückgenommen wurde, und schreibt die Auslagenerstattung an den Beschuldigten vor, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wird, nachdem es einen bestimmten Stand errreicht hatte, nämlich die Staatsanwaltschaft, weil sie für die von ihr erwogene Erhebung der öffentlichen Klage die sachliche Zuständigkeit des Schöffengerichts oder eines Gerichts höherer Ordnung für begründet hielt, dem Beschuldigten und seinem Verteidiger den Abschluß der Ermittlungen mitgeteilt hat. Hält die Staatsanwaltschaft die sachliche Zuständigkeit des Amtsrichters (§ 25 GVG) für gegeben, so entfallt die Mitteilung und damit die Auslagenerstattung. Erfolgt die Mitteilung nach § 169 a Abs. 2, so wird die Einstellung des Ermittlungsverfahrens in aller Regel die Folgerung aus den Einwendungen sein, die der Beschuldigte gegen die Erhebung der öffentlichen Klage vorgebracht hat, oder das Ergebnis der Ermittlungen, zu denen die Einwendungen Veranlassung gaben, oder die der Beschuldigte beantragte, oder auch eines etwaigen Schlußgehörs (§ 169 b). Doch ist dies nicht notwendig (a. M. E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 8), vielmehr genügt es, daß die Staatsanwaltschaft, gleichviel aus welchem Grund, das Verfahren einstellt, nachdem sie die Mitteilung gemäß § 169 a Abs. 2 gemacht hat. Sinngemäß anwendbar ist Abs. 2, wenn die Staatsanwaltschaft die Erhebung der öffentlichen Klage beim Einzelrichter erwägt, aber dem Beschuldigten den Abschluß der Ermittlungen mitteilt und ihm Gewährung eines Schlußgehörs einräumt. Die Erstattung der durch die Zuziehung eines Anwalts entstandenen Auslagen kann dann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Mitteilung vom Abschluß der Ermittlungen sei rechtlich nicht notwendig gewesen (AG Köln JMB1. NRW 1970 221). 2. Keine entsprechende Anwendung des Absatzes 2 auf andere Fälle der Einstellung des Ermittlungsverfahrens. a) Entstehungsgeschichte des Abs. 2. Eine dem Abs. 2 entsprechende Vorschrift fehlte im RegEntw. des EGOWiG. Sie wurde vom BT-Rechtsausschuß konzipiert; die von diesem vorgeschlagene Fassung wurde noch im Plenum des Bundestages geändert. Im einzelnen ergibt sich über die Umstände, die für die Gestaltung des Abs. 2 maßgebend waren, aus der von G ö h l e r MDR 1970 283 eingehend dargestellten Entstehungsgeschichte folgendes: Nach den Vorschlägen des Rechtsausschusses (vgl. BT-Drucks. V 2601 S. 24) sollte Abs. 2 lauten: „Abs. 1 gilt entsprechend, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt (§ 170 Abs. 2 Satz 1), nachdem sie den Beschuldigten und seinen Verteidiger über das Recht belehrt hat, das Schlußbehör zu beantragen (§ 169b Abs. 3). Die Entscheidung...." Zur Begründung war in dem Bericht des Rechtsausschusses zu BT-Drucks. V/2601 S. 22 ausgeführt: Der Rechtsausschuß hat beschlossen, in dem Abs. 2 die Möglichkeit der Kostenerstattung auf die Fälle zu erweitern, in denen dem Beschuldigten das Schlußgehör gewährt und anschließend das Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wird. Die Regelung des geltenden Rechts ist in dieser Hinsicht unbefriedigend. Gegen sie

2523

§ 467 a

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Anm. II 2 ist insbesondere geltend gemacht worden, daß sie den Beschuldigten veranlassen könnte, von der Möglichkeit des Schlußgehörs auch bei Vorliegen entlastender Umstände keinen Gebrauch zu machen, sondern diese Umstände erst nach erhobener öffentlicher Klage vorzubringen, weil dies für ihn aus kostenrechtlichen Gesichtspunkten günstiger sei. Dies will die neue Regelung vermeiden". Zu diesen Vorschlägen nahm der Strafrechtsausschuß der Bundesrechtsanwaltskammer Stellung. Er war der Auffassung, daß grundsätzlich die Auslagen des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren erstattungsfähig sein müßten, wenn dieses mit Einstellung ende. „Mindestens" müsse der Entwurf in einigen Punkten im Sinne einer Erweiterung der Voraussetzungen für die Auslagenerstattung geändert werden (vgl. G ö h l e r aaO. 284). Von diesen Vorschlägen sind aber in der 2. Lesung des Entwurfs im Bundestag nur zwei übernommen worden: aa) der für die Auslagenerstattung in Betracht kommende Zeitpunkt wurde vorverlegt auf die Mitteilung vom Abschluß der Ermittlungen, bb) der Klammerzusatz „(§ 170 Abs. 2 Satz 1)", der auch in Abs. 1 des Entwurfs enthalten war, wurde gestrichen, um auch in den Fällen einer Einstellung wegen Geringfügigkeit durch die Staatsanwaltschaft in gleicher Weise über die Auslagen des Beschuldigten befinden zu können, wie dies nach § 467 Abs. 4 bei einer gerichtlichen Einstellung möglich ist. Die weitergehenden Vorschläge des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer fanden keine Berücksichtigung. b) Folgerungen aus der Entstehungsgeschichte. Angesichts dieser Entstehungsgeschichte sind mit dem Gesetz unvereinbar die Versuche einzener Instanzgerichte, im Wege entsprechender Anwendung des § 467 a Abs. 2 oder ausdehnender Auslegung gesetzlich festgelegter Begriffe zu einer Erweiterung der Auslagenerstattung zugunsten des Beschuldigten nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu gelangen und durch die Rechtsprechung den Weg für eine grundsätzliche Überbürdung der Auslagen des Beschuldigten auf die Staatskasse nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu bereiten, weil der der Entwicklung nachhinkende Gesetzgeber auf halbem Wege stehen geblieben sei (vgl. dazu die Übersicht bei F i n z e l MDR 1970 281). Am weitesten ging dabei das LG Lübeck NJW 1969 521 (m. abl. Anm. W u t t k e ) , das sich kühn über die Einschränkungen in § 467a Abs. 2 hinwegsetzte und die Pflicht der Staatskasse, dem Beschuldigten seine notwendigen Auslagen auch dann zu erstatten, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, ohne daß es zu einer Mitteüung nach § 169 a Abs. 2 kam, aus § 467 Abs. 1 herleitete. Der Begriff des „Angeschuldigten" könne —so wird ausgeführt — hier nicht mehr i. S. des § 157 verstanden werden, denn sonst „wäre der Fall der Einstellung des Verfahrens durch die StA vor Erhebung der öffentlichen Klage und ohne Gewährung des Schlußgehörs gesetzlich nicht geregelt. Es ist aber nicht davon auszugehen, daß es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, in diesen Fällen keine Erstattung der notwendigen Auslagen zu gewähren. Dem würde auch die allgemeine Tendenz des Gesetzes nach der Neuregelung der StPO widersprechen, grundsätzlich einem straffrei Gebliebenen die notwendigen Auslagen zu erstatten". Obwohl diese Begründung handgreiflich verfehlt ist — welchen Sinn hätten dann die einschränkenden Voraussetzungen in § 467a noch? — ist sie im Schrifttum ( G a n s k e NJW 1969 1099) gegenüber solchen „weitgehend formalen Einwendungen" verteidigt worden unter der Devise: „Die Rechtsprechung muß der Gesetzgebung vorauseilen, um ihr den Weg zu bahnen." Mit anderer Begründung kam LG Münster MDR 1970 349 zu dem gleichen Ergebnis wie LG Lübeck, und zwar auf dem Weg einer entsprechenden Anwendung des § 467 a Abs. 2, denn eine Beschränkung der Auslagenerstattung auf den in § 467 a Abs. 2 geregelten Fall „würde zu dem untragbaren Ergebnis führen, daß der stärker Beschuldigte, bei dem das Verfahren das Stadium des § 169 a StPO erreicht, kostenrechtlich besser gestellt sein würde als der Beschuldigte, dessen Belastung nicht einen so hohen Grad erreicht, daß die Staatsanwaltschaft die Erhebung der Anklage erwägt". Diese Erwägung läßt den tragenden Grund unberücksichtigt, der zur Schaffung des Abs. 2 geführt hat, nämlich durch die Statuierung einer Auslagenerstattungspflicht auszuschließen, daß der Beschuldigte, der die Mitteilung nach § 169 a Abs. 2 erhielt, mit dem Vorbringen entlastender Umstände zurückhält bis zur Erhebung der öffentlichen Klage, in der Erwartung, bei späterer Geltendmachung eine gerichtliche Entscheidung nach §§204, 206 a, 467 Abs. 1 zu erlangen, die seine Erstattungsansprüche begründet. Dagegen hat der Gesetzgeber eine Vorschrift, die allgemein an die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens grundsätzlich die Auslagenerstattungspflicht der Staats-

2524

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 467 a Anm. II 3 ; III 1,2

kasse knüpft, nicht erwogen, weil bei der Vielzahl eingestellter Ermittlungsverfahren — etwa 80% aller Fälle — Summen von solchen Ausmaßen in Frage ständen, daß der Widerstand der Länder gegen eine derartige Regelung zu erwarten war und damit das Schicksal der Kostenrechtsreform in Frage gestellt gewesen wäre (vgl. G ö h l e r MDR 1970 285). Diese Beschränkung konnte um des zu erreichenden Zieles einer raschen Verwirklichung der wesentlichen Reformanliegen willen um so eher verantwortet werden, als das (bei Verabschiedung des EGOWiG bereits in Vorbereitung befindliche) StrEG vom 8. 3. 1971 allgemein bei Einstellung des Ermittlungsverfahrens eine Entschädigung für Schäden vorsieht, die der Beschuldigte durch den Vollzug der Untersuchungshaft und die in § 2 Abs. 2 bezeichneten Strafverfolgungsmaßnahmen erlitten hat. Setzt sich der Richter über die im Wortlaut klaren Vorschriften hinweg, die der Gesetzgeber, aus der Entstehungsgeschichte deutlich erkennbar, als die gerechte oder wenigstens zweckmäßige und tragbare Lösung im Widerstreit der Reformwünsche ansah, handelt es sich dabei sogar um ein eben erst erlassenes Gesetz, so hat es mit Auslegung nichts mehr zu tun, bedeutet vielmehr die grundgesetzwidrige (Art. 20 Abs. 3 GG) Anmaßung gesetzgeberischer Befugnisse, wenn Gerichte in scheinbarer Auslegung des Gesetzes sich um die Verwirklichung von Reformwünschen bemühen, denen der Gesetzgeber aus guten Gründen sich bewußt versagt hat. Die Auffassung, daß § 467 a Abs. 2 bei Einstellung eines Ermittlungsverfahrens eine abschließende, einer Erweiterung durch „entsprechende" Anwendung nicht zugängliche Regelung darstellt, hat sich inzwischen durchgesetzt (vgl. OLGe. München NJW 1969 1449, Saarbrücken NJW 1969 1451 = MDR 1970 69; Frankfurt NJW 1969 1821; LGe. Wuppertal MDR 1969 414; Kiel SchlHA 1969 143; Hamburg MDR 1970 947; W u t t k e NJW 1969 521; G ö h l e r MDR 1970 283; S c h o p p NJW 1971 395; G e i s l e r NJW 1972 753). 3. Die entsprechende Anwendung des § 467 a Abs. 1 bedeutet, daß die Uberbürdung der Auslagen des Beschuldigten auf die Staatskasse durch gerichtliche Entscheidung einen Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Beschuldigten voraussetzt, und daß § 467 Abs. 2 bis 4 sinngemäß Anwendung findet. Die Zuständigkeit des Gerichts regelt Abs. 2 Satz 2. Die Bindung des Gerichts an die „Hauptentscheidung" der Staatsanwaltschaft (oben Anm. I 5 c), d. h. die Mitteilung vom Abschluß der Ermittlungen und die nachfolgende Einstellung wirkt sich hier dahin aus, daß der Antrag nicht mit der Begründung als unzulässig abgelehnt werden kann, die Mitteilung vom Abschluß der Ermittlungen sei rechtlich nicht notwendig gewesen, weil es sich in Wirklichkeit um eine Sache gehandelt habe, die zur Zuständigkeit des Amtsrichters (§ 25 GVG) gehört habe oder nach der Schlußanhörung zum Einzelrichter angeklagt werden sollte ( K 1 2 ; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 9; oben Anm. II 1 a. E.) III. Zu Absatz 3. 1. Verhältnis zu § 472 b. Nach § 472 b Abs. 2 können, wenn in einem gerichtlichen Verfahren von der Einziehung eines Gegenstandes und einer ähnlichen Maßnahme i. S. des § 442 oder von der Festsetzung einer Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung abgesehen wurde, die einem Nebenbeteiligten erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse oder einem anderen Beteiligten auferlegt werden. § 467 a Abs. 3 enthält eine entsprechende Vorschrift für den Fall, daß es wegen Einstellung des Ermittlungsverfahrens unter den in Abs. 1, 2 beschriebenen Voraussetzungen nicht zu Einziehung usw. oder zur Festsetzung einer Geldbuße gekommen ist. 2. Voraussetzungen der Erstattung a) Es müssen entweder die Voraussetzungen des Abs. 1 oder die des Abs. 2 gegeben sein. Die Voraussetzungen des Abs. 1 sind auch gegeben, wenn die Staatsanwaltschaft den Antrag auf selbständige Anordnung der Einziehung (§ 440) und gleichstehender Rechtsfolgen (§ 442) zurücknimmt (vgl. Anm. 2, 3 zu § 440) und das Verfahren „einstellt", indem sie von weiteren auf die Einziehung usw. gerichteten Maßnahmen Abstand nimmt. b) Der in Abs. 3 in bezug genommene Zurücknahme der öffentlichen Klage durch Verfahrens durch diese. Abs. 3 muß aber Privatkläger den Antrag auf selbständige

§ 467 a Abs. 1 Satz 1 spricht zwar nur von der die Staatsanwaltschaft und einer Einstellung des sinngemäß auch Anwendung finden, wenn der Einziehung (vgl. § 440 Abs. 1) zurücknimmt,

2525

§ 467 a Anm. II 3,4; IV

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

denn es ist kein innerer Grund einzusehen, warum hier ein Nebenkläger nach Erledigung des Verfahrens hinsichtlich der Erstattung seiner notwendigen Auslagen schlechter gestellt sein sollte als ein Nebenbeteiligter bei Stellung des Antrags durch die Staatsanwaltschaft. In diesem Fall kommt allerdings ein Antrag der Staatsanwaltschaft und eine Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen nicht in Betracht. 3. Den Begriff des Nebenbeteiligten erläutert Abs. 3 durch einen Klammerzusatz. Dabei ist die Bezugnahme auf § 431 Abs. 1 Satz 1 insofern unvollständig, als der Fall der erweiterten Verfahrensbeteiligung nach § 431 Abs. 3 nicht erwähnt ist (vgl. dazu Anm. II zu § 472 b). Davon abgesehen kommen andere Personen und Personenvereinigungen als die durch den Klammerzusatz gekennzeichneten als Nebenbeteiligte nicht in Betracht. Die Verweisung auf § 431 Abs. 1 Satz 1 und auf § 444 Abs. 1 Satz 1 bedeutet indessen nicht, daß im Fall des Abs. 1 Satz 1 erstattungsberechtigter Nebenbeteiligter nur sein könne, wer in dem durch Zurücknahme der Klage erledigten gerichtlichen Verfahren durch Anordnungsbeschluß des Gerichts die Eigenschaft eines Einziehungsbeteiligten oder Verfahrensbeteiligten (§ 444 Abs. 1) erlangt hatte. Das ergibt sich in den Fällen des Abs. 2 ohne weiteres daraus, daß es hier zu einem gerichtlichen Anordnungsbeschluß noch gar nicht gekommen sein kann. Wenn Abs. 3 gleichwohl von „Nebenbeteiligten" spricht, so zeigt dies, daß „Nebenbeteiligter" hier nicht im technischen Sinn des Verfahrensbeteiligten (§ 444 Abs. 1) zu verstehen ist, dessen Rechtsstellung erst durch den gerichtlichen Beteiligungsbeschluß begründet wird. Für die Verweisung auf § 431 Abs. 1 Satz 1 kann aber nichts anderes gelten. Der Klammerzusatz bedeutet danach nur den Hinweis auf die in § 431 Abs. 1 Satz 1 (und § 431 Abs. 3), sowie in § 444 Abs. 1 Satz 1 beschriebenen Voraussetzungen, unter denen das Gericht im Fall der Erhebung einer Anklage die Verfahrensbeteiligung anzuordnen hat. Daß dies auch im Fall des Abs. 1 Satz 1 gelten muß, ergibt sich auch aus folgender Überlegung: Die gerichtliche Anordnung der Verfahrensbeteiligung kann bereits unmittelbar nach Erhebung der öffentlichen Klage erfolgen (vgl. Anm. II 3 a zu § 431; Anm. III 3 zu § 444). Es hängt dabei vom Zufall ab, ob in dem Zeitraum von der Erhebung bis zur Zurücknahme der Klage das Gericht in der Lage war, einen Beteiligungsanordnungsbeschluß zu erlassen. Auf diese Zufälligkeit kann es aber nicht ankommen; es würde jeder inneren Berechtigung entbehren, dem Einziehungsinteressenten (§ 432), dem bereits im Ermittlungsverfahren Aufwendungen zur Verteidigung seiner Rechte erwuchsen (vgl. Anm. II zu § 434), hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit seiner notwendigen Auslagen schlechter zu stellen, als den, der zufallig das Glück hatte, daß das Gericht noch vor Zurücknahme der öffentlichen Klage seine Verfahrensbeteiligung anordnete. Nebenbeteiligte i. S. des Abs. 3 sind also auch der Einziehungsinteressent (§ 432) und der Beteiligungsinteressent i. S. des § 444 Abs. 2 Satz 2, die im Ermittlungsverfahren zur Verteidigung ihrer Rechte tätig wurden und die Voraussetzungen erfüllen, von denen im Fall der Erhebung der Klage die gerichtliche Anordnung der Verfahrensbeteiligung abhängt (wie hier auch Kl 4 A; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 13). Lediglich unterstützend kann darauf hingewiesen werden, daß das Gesetz auch sonst mitunter (vgl. § 434) den Begriff des Einziehungsbeteiligten in einem den Einziehungsinteressenten umfassenden Sinn verwendet (vgl. Anm. II 3 zu § 434). 4. Kann-Vorschrift. Anders als nach Abs. 1, 2 ist in Abs. 3 die Überbürdung nur nach Ermessen des Gerichts („kann") vorgesehen; eine obligatorische Überbürdung wurde als unangebracht angesehen, weil die Umstände des Einzelfalls ganz verschieden sein könnten (vgl. Bericht des BT-Rechtsausschusses zu BT-Drucks. zu V/2600 und 2601 S. 22). Die gerichtliche Entscheidung setzt einen Antrag des Nebenbeteiligten oder der Staatsanwaltschaft voraus. Das Gericht ist an die die Einstellungsverfügung tragenden Gründe gebunden (oben Anm. I 5), dagegen frei in der Beurteiligung, ob eine Nebenbeteiligung vorliegt, sofern (in den Fällen des Abs. 1 Satz 1) eine Beteiligung nicht bereits in dem durch Zurücknahme der Klage erledigten Verfahren angeordnet war. Die Überbürdung kann auf die Staatskasse oder einen anderen Beteiligten erfolgen (vgl. dazu Anm. V 3 zu § 472 b und oben Anm. III 2). IV. (Absatz 4). Beschwerdeberechtigt ist nicht nur der Antragsteller, dessen Antrag ganz oder teilweise erfolglos blieb, sondern jeder, der durch die Entscheidung beschwert ist. 2526

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§468

§ 468 Anm. 1—3

Bei wechselseitigen Beleidigungen oder Körperverletzungen wird die Verurteilung eines oder beider Teile in die Kosten dadurch nicht ausgeschlossen, daß einer oder beide für straffrei erklärt werden. 1. § 468 betrifft die in §§ 199, 233 StGB geregelten Fälle. Er besagt nach Schaffung des § 465 Abs. 1 Satz 2 insofern etwas Selbstverständliches, als er ausspricht, daß die Verurteilung des für straffrei Erklärten in die Kosten „nicht ausgeschlossen" sei. Denn die Straffreierklärung, die nach h. M. nur bei rechtswidriger und schuldhafter Tatbestandsverwirklichung in Frage kommt (vgl. z. B. R G JW 1930 919; OLG Bremen NJW 1955 1645), ist sachlich ein Absehen von Strafe wie z. B. nach §§ 83a, 84 StGB usw. (v. W e b e r MDR 1956 705; vgl. Anm. I l b zu §465); sie bedeutet, daß unter Schuldigsprechung die Verhängung einer Strafe unterbleibt. Damit fallt die Straffreierklärung nach §§ 199, 233 StGB ohne weiteres unter § 260 Abs. 4 Satz 2. Wenn es auch im Hinblick auf § 468 richtig ist, zu tenorieren, daß der Angeklagte „für schuldig, doch für straffrei" erklärt werde, so ergibt sich doch die Gleichartigkeit des Absehens von Strafe und der Straffreierklärung schon daraus, daß § 233 StGB nicht von „für straffrei erklären", sondern von „keine Strafe eintreten lassen", spricht und damit schon i. d. F. auf das Absehen von Strafe hinauskommt. Infolgedessen würde an sich § 465 Abs. 1 Satz 2 unmittelbar anwendbar sein, wonach eine die Kostentragungspflicht auslösende Verurteilung i. S. des § 465 Abs. 1 Satz 1 auch vorliegt, wenn das Gericht von Strafe absieht. Die Bedeutung des § 468 besteht aber darin, daß er — abweichend von dem Grundsatz des § 465 Abs. 1 — trotz Verurteilung dem Richter gestattet, den für straffrei Erklärten von den Kosten zu entbinden (indem er ihn nicht in die Kosten verurteüt). Das Gesetz will es — im Gegensatz zu Art. 70 Nr. 247 Entw. EGStGB 1930, der § 468 als entbehrlich streichen wollte — dem Richter überlassen, ob er den für straffrei Erklärten mit Kosten belasten will oder nicht. Dem entspricht es, daß § 70 Abs. 2 G K G bestimmt: „Ist der zur Kostentragung verurteilte Beschuldigte für straffrei erklärt oder wird im Urteil von Strafe abgesehen, so beträgt die Gebühr 5 DM." Die Straffreierklärung löst also — anders als das Absehen von Strafe im gesetzestechnischen Sinn — eine Kostentragungspflicht nur bei besonderer Verurteilung in die Kosten aus (OLGe. Hamm NJW 1959 1289 = GA 1960 186; Saarbrücken JVB1. 1965 238 = KostRspr. Nr. 10 zu § 465; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 4). Allerdings hat die früher z. T. aus dem Wortlaut („nicht ausgeschlossen") und aus dem Verhältnis des § 468 zu § 465 a. F. als der Ausnahme von der Regel hergeleitete Handhabungsrichtlinie, daß in der Regel dem für straffrei Erklärten Kosten nicht auferlegt werden sollten (so Anm. I der 19. Aufl., BayObLG DRZ 1928 Nr. 314) ihre Bedeutung verloren. Kosten i. S. des § 468 sind nicht nur die Auslagen der Staatskasse, sondern auch die Gerichtsgebühr (BayObLG DZR 1926 533). — Der Richter kann dem für straffrei Erklärten auch einen Teil der Kosten auferlegen; denn das Gesetz schreibt nicht vor, daß er entweder alle oder gar keine Kosten zu tragen habe. Die Kosten können zwischen dem für straffrei Erklärten und der Staatskasse oder auch zwischen mehreren für straffrei Erklärten oder zwischen diesen und der Staatskasse verteilt werden ( M ü l l e r - S a x Anm. 2). Die Teilung kann nach Bruchteilen (OLG Nürnberg NJW 1972 67, 69) oder ausscheidbaren Teilmassen (BayObLG DRZ 1926 Nr. 237) oder nach Beträgen erfolgen. Kosten, von denen der für straffrei Erklärte entbunden wird, trägt im Offizialverfahren die Staatskasse, im Privatklageverfahren der Privatkläger (BayObLGSt. 30 187, M ü l l e r - S a x aaO.). 2. Nur einem Angeklagten können Kosten auferlegt werden, beiden Teilen also nur, wenn sie beide angeklagt sind. Ausgeschlossen ist die Kostenverurteilung gegenüber einem an der Tat Beteiligten, der aber nicht angeklagt, sondern im Verfahren nur als Zeuge aufgetreten ist (RGSt. 13 421); wird er zu Unrecht mit Kosten belastet, so stehen ihm, da er dadurch in die Rolle eines Angeklagten gedrängt ist, gegen das Urteil das gleiche Rechtsmittel, wie einem Angeklagten, also die sofortige Beschwerde des § 464 Abs. 3 Satz 1 zur Verfügung (RG aaO.; a. M. E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 8; K l 2, die den Zeugen auf die einfache Beschwerde des § 304 Abs. 2 verweisen). 3. Nach den allgemeinen Vorschriften würde der Nebenkläger im Offizialverfahren, wenn der für straffrei Erklärte in die Kosten verurteilt wird, gegen diesen Anspruch auf Erstattung

2527

§ 4 6 8 Anm. 4 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch § 469 Anm. 11 seiner notwendigen Auslagen haben (§ 471 Abs. 1). Denn die Straffreierklärung ist Verurteilung, nur eben mit der Besonderheit, daß die Kostentragungspflicht nicht kraft Gesetzes nach § 465 eintritt, sondern von einer Verurteilung in die Kosten abhängt (vgl. Anm. 1; RGSt. 44 334, wonach die Erstattungspflicht des für straffrei Erklärten gegenüber dem Nebenkläger entfallt, weil es an einer Verurteilung zu Strafe fehle, hat gegenüber § 465 Abs. 1 Satz 2 keine Bedeutung mehr). Da aber das Gericht befugt ist, „die Kosten" dem für straffrei Erklärten nur zum Teil aufzuerlegen, so erstreckt sich die Teilungsbefugnis (vgl. Anm. 1) auch auf die notwendigen Auslagen des Nebenklägers und der für straffrei Erklärte hat diese nur in dem Umfang zu tragen, als sie ihm in der Entscheidung über die Kostentragungspflicht auferlegt sind (OLG Hamm NJW 1959 1289). Zu dem gleichen Ergebnis führt die in RGSt. 44 334 angestellte Erwägung, es sei, wenn der Nebenkläger auf Bestrafung anträgt, der Richter aber unter Schuldigsprechung für straffrei erklärt, dem Antrag des Nebenklägers nur zum Teil entsprochen, so daß sich die Verteilungsbefugnis aus der entsprechenden Anwendung des § 471 Abs. 3 Nr. 1 (§ 397) ergibt. 4. § 468 güt auch für den Fall der Privatklage (RG LZ 1928 134; BayObLG DRZ 1926 Nr. 533; 1928 Nr. 314; A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 335; Königsberg HRR 1930 Nr. 2191). Vgl. dazu § 77 Abs. 1 GKG. Werden dem für straffrei Erklärten die Verfahrenskosten nur zum Teil auferlegt, so trägt sie im übrigen der Privatkläger (vgl. Anm. 1). Daß auch die notwendigen Auslagen des Privatklägers geteilt werden können, ergibt sich bereits aus § 471 Abs. 3 Nr. 1, denn wenn der Angeklagte für straffrei erklärt wird, ist den auf Verurteilung gerichteten Anträgen des Privatklägers nur zum Teil entsprochen (vgl. RGSt. 44 334). Ist der Angeklagte in 1. Instanz wegen Beleidigung verurteilt und wird er in 2. Instanz für straffrei erklärt, so hat das Berufungsgericht auch über die Kosten der 1. Instanz zu erkennen, und zwar so, als ob der Angeklagte schon in der 1. Instanz für straffrei erklärt worden wäre (RG LZ 1928 134; BayObLG DRZ 1928 Nr. 314).

§469 (1) Ist ein, wenn auch nur außergerichtliches Verfahren durch eine vorsätzlich oder leichtfertig erstattete unwahre Anzeige veranlaßt worden, so hat das Gericht dem Anzeigenden, nachdem er gehört worden ist, die Kosten des Verfahrens und die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Die einem Nebenbeteiligten (§ 431 Abs. 1 Satz I, §§ 442,444 Abs. 1 Satz 1) erwachsenen notwendigen Auslagen kann das Gericht dem Anzeigenden auferlegen. (2) War noch kein Gericht mit der Sache befaßt, so ergeht die Entscheidung auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Gericht, das für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig gewesen wäre. (3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Entstehungsgeschichte: Durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 sind in Abs. 1 Satz 1 die Worte: „... durch eine wider besseres Wissen gemachte oder auf grober Fahrlässigkeit beruhende (Anzeige) ..." durch die Worte „vorsätzlich oder leichtfertig erstattete unwahre" ersetzt worden. Durch Art. 2 Nr. 27 EGOWiG wurde die „Kann"-Vorschrift des Abs. 1 Satz 1 in eine Mußvorschrift („hat") umgestaltet, ferner wurde klargestellt, daß unter den dem Beschuldigten „erwachsenen Kosten" nur dessen notwendige Auslagen zu verstehen sind; schließlich ist dem Abs. 1 der Satz 2 angefügt worden. I. Zu Absatz 1 Satz 1. 1. Vorsätzlich oder leichtfertig erstattete unwahre Anzeige. § 469 knüpft an § 164 StGB an, der die falsche Anschuldigung mit Strafe bedroht. Nach der bis zum Ges. vom 26.5.1933 (RGBl. I 295) geltenden Fassung des § 164 war strafbar, „wer bei einer Behörde eine Anzeige macht, durch welche er jemand wider besseres Wissen der Begehung einer strafbaren Handlung beschuldigt". Durch das Ges. vom 26. 5. 1933 wurde § 164 u. a. dahin erweitert, daß strafbar schon war, wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten oder öffentlich wider besseres Wissen oder vorsätzlich oder leichtfertig einer strafbaren Handlung in der Absicht verdächtigte, ein behördliches Ver2528

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 469 Anm. I 2—4

fahren gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zulassen. Das Vereinheitlichungsgesetz vom 12. 9. 1950 zog aus dieser materiellrechtlichen Änderung die Folgerung, daß es in Abs. 1 (jetzt Abs. 1 Satz 1) die Worte „... durch eine wider besseres Wissen gemachte oder auf grober Fahrlässigkeit beruhende (Anzeige)..." durch „vorsätzlich oder leichtfertig erstattete unwahre" ersetzte, § 469 also in der Fassung dem § 164 StGB anglich. Inzwischen ist durch das 1. StrRG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) der frühere, vor dem Gesetz vom 26. 5. 1933 bestehende Rechtszustand insofern wieder hergestellt worden, als nach § 164 n. F. StGB wieder ein Handeln wider besseres Wissen gefordert wird, eine nur bedingt vorsätzlich oder leichtfertig begangene falsche Anschuldigung also nicht mehr nach § 164 strafbar ist. An § 469 ist dadurch aber nichts geändert worden, denn er ließ auch vor der Änderung durch das Gesetz vom 26. 5. 1933, als nach § 164 nur die Anschuldigung wider besseres Wissen strafbar war, die Belastung des Anzeigenden mit den gerichtlichen Kosten des Verfahrens und den dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen zu, wenn der Anzeigende durch eine nur grob fahrlässig („leichtfertig") erstattete unwahre Anzeige das Verfahren veranlaßt hatte; wenn aber schon eine grob fahrlässig erstattete Anzeige genügte, so ergab sich daraus ohne weiteres, daß eine bedingt vorsätzlich erstattete unwahre Anzeige erst recht ausreichte. 2. Weiterhin wurde zum Schutz der an der Strafrechtspflege beteiligten Behörden (im weitesten Sinn) durch VO vom 29. 5. 1943 (RGBl. I 339) ein § 145d in das StGB eingefügt, wonach bestraft wird, wer einer Behörde wider besseres Wissen die Begehung einer Straftat vortäuscht oder sie über die Person eines an einer Straftat Beteiligten zu täuschen sucht. Während nach § 164 nur strafbar ist, wer einen bestimmten anderen Menschen falschlich verdächtigt, trifft § 145 d auch die Fälle, in denen jemand eine nicht begangene Straftat ohne Hinweis auf einen bestimmten Täter vortäuscht sowie die, in denen zwar eine Straftat begangen ist, jemand sich aber fälschlich selbst bezichtigt oder eine nicht vorhandene Person verdächtigt. Aus der Einfügung des § 145 d StGB hat der Gesetzgeber keine Folgerungen im Sinne einer förmlichen Erweiterung des § 469 gezogen, während der dem § 469 entsprechende Abs. 2 des § 456 StPO-Entw. 1939 eine Berücksichtigung des § 145 d in folgender Form vorschlug: „Ergibt sich, daß jemand einer Dienststelle des Staates die Begehung einer Straftat vorgetäuscht oder die Dienststelle über die Person eines an der Straftat Beteiligten getäuscht und dadurch die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens veranlaßt hat, so werden ihm die Kosten auferlegt." Indessen bleibt das geltende Recht bei richtiger Auslegung hinter dieser Vorschrift nicht zurück (vgl. Anm. 4 c). 3. Veranlassung eines Verfahrens. Die Auferlegung der gerichtlichen Kosten und der notwendigen Auslagen des Beschuldigten nach § 469 setzt voraus, daß durch eine unwahre „Anzeige" mindestens ein außergerichtliches Verfahren veranlaßt ist. Ein außergerichtliches Verfahren ist das Vorbereitungsverfahren der Staatsanwaltschaft (§§ 160 ff.) einschließlich etwaiger gerichtlicher Beweiserhebungen — §§ 162 - 166 (OLG Kassel GA Bd. 37 126) und das Ermittlungsverfahren der Finanzbehörden bei Steuervergehen (§§ 421 ff. RAbgO). Bei Veranlassung eines Bußgeldverfahrens der Verwaltungsbehörde gilt nach § 105 OWiG § 469 Abs. 1, 2 StPO entsprechend; die Kostenauferlegung erfolgt hier durch selbständigen Kostenbescheid (vgl. G ö h l e r 7 zu § 105 OWiG). Veranlaßt ist ein Verfahren nicht nur, wenn es auf Grund einer Anzeige eingeleitet worden ist, sondern auch, wenn ein zunächst aus anderen Gründen eingeleitetes Verfahren nur auf Grund einer während des schwebenden Verfahrens erstatteten falschen Anzeige fortgesetzt wird (ebenso E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 3; a. M. die 19. Aufl. unter Berufung auf OLG Jena ThürBl. 63 158). Das folgt daraus, daß nach § 164 StGB auch die falsche Anschuldigung mit dem Ziel, ein behördliches Verfahren fortdauern zu lassen, strafbar ist; § 456 Entw. 1939 (oben Anm. I 2) wollte dies ausdrücklich klarstellen („... Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens ... veranlaßt hat"). In diesem Fall können aber dem Anzeiger Kosten nur insoweit auferlegt werden, als sie durch die Fortdauer des Verfahrens entstanden sind. 4. Unwahre Anzeige. a) Unter einer Anzeige i. S. des § 469 muß, entsprechend der tatbestandlichen Erweiterung des § 164 StGB, nicht nur eine Anzeige i. S. des § 158 StPO, sondern auch eine öffent2529

§ 469 Anm. I 5

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

lieh (z. B. in der Presse) aufgestellte Behauptung einer strafbaren Handlung verstanden werden, die, wie der Behauptende weiß und will, der Staatsanwaltschaft zur Einleitung eines Strafverfahrens Veranlassung gibt (ebenso E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 3; a. M. M ü l l e r - S a x 2). Wie bei § 164 StGB ist auch in § 469 eine einseitige, aus eigenem Antrieb des Anzeigenden hervorgegangene Mitteilung an die Behörde nicht erforderlich; es genügt auch, wenn der Mitteilende durch eine amtliche Vernehmung zu einer Aussage veranlaßt worden ist, von der er weiß und will (oder billigend damit rechnet), daß sie die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens gegen einen anderen veranlaßt (vgl. RGSt. 69 173; OLG Stuttgart NJW 1969 1446, 1448). Eine Privatklage ist keine Anzeige i. S. des § 469; ebenso ist der Gewährsmann, der den Privatkläger vorsätzlich oder leichtfertig falsch unterrichtet, kein Anzeigender (so auch E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 7). b) Die Anzeige muß unwahr sein, d. h. sie muß unrichtige Tatsachen behaupten, derart, daß es bei Kenntnis des wahren Sachverhalts zur Einleitung oder Fortsetzung eines Verfahrens überhaupt nicht gekommen wäre. Eine Strafanzeige, die die unrichtige Behauptung einer Straftat enthält, indem aus richtig angegebenen Tatsachen der rechtlich falsche Schluß gezogen wird, der Angezeigte habe eine Straftat begangen, fallt nicht unter § 469 (BayObLGSt. 14 281). Der Vorsatz (einschl. des bedingten) und die Leichtfertigkeit (= grobe Fahrlässigkeit) muß sich auf die Unrichtigkeit der behaupteten Tatsachen beziehen. c) Unter § 469 fallt auch die falsche Selbstbezichtigung, z. B. um sich ein Alibi zu verschaffen (ebenso OLG Düsseldorf GA Bd. 77 67; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 5) und die Vortäuschung einer strafbaren Handlung. § 469 Abs. 1 Satz 1 spricht zwar von der Auferlegung der dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen. Das zwingt aber nicht zu der Auffassung, daß die unwahre Anzeige sich stets gegen einen von dem Anzeigenden verschiedenen bestimmten und existierenden Beschuldigten richten müsse. Denn § 469 will nicht nur dem zu Unrecht Beschuldigten Ersatz seiner Auslagen, sondern auch der Staatskasse Ersatz für die infolge der unwahren Angaben nutzlos aufgewendeten Auslagen i. S. der §§ 91 ff. G K G verschaffen; solche können aber auch bei Selbstbezichtigung und Vortäuschung einer Straftat entstehen. Kommt es bei Selbstbezichtigung zum gerichtlichen Verfahren, so gilt § 467 Abs. 1, 3 Satz 1. d) Anzeigen, die Polizeibehörden und -beamte (vgl. §§ 158, 163) und andere zur Mitwirkung bei der Strafverfolgung — sei es auch nur durch Erstattung von Anzeigen — berufene Behörden und Beamte in Erfüllung ihrer Amtspflicht erstatten, fallen grundsätzlich nicht unter § 469; es müßte lähmend auf den Diensteifer der Beamten, die zu eigenen eingehenden Nachforschungen weder in der Lage noch befugt sind (vgl. § 163 Abs. 2) wirken, wenn sie den Vorwurf der Leichtfertigkeit und die Gefahr der Belastung mit Kosten befürchten müßten Selbst bei Zweifeln an der Richtigkeit der Anzeige kann von bedingtem Vorsatz nicht gesprochen werden, denn es ist ihre Pflicht, gegebenenfalls auch ungeprüfte Verdachtsmomente mitzuteilen und der Staatsanwaltschaft die weiteren Ermittlungen zu überlassen (s. BGH MDR 1956 536; vgl. auch BGHSt. 14 240, 251 f., 256). Wenn sie aber unbedingt vorsätzlich unwahre Anzeigen erstatten, so sind sie nach § 344 StGB strafbar (vgl. BGHSt. 1 255) und fallen dann auch unter § 469. Entsprechendes gilt, wenn „Leichtfertigkeit" im Sinn einer disziplinarisch ahnbaren Pflichtwidrigkeit vorliegt ( E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 4). § 469 findet auch auf Rechtsanwälte Anwendung, die für die eine Partei eine Strafanzeige erstatten, wenn der Anzeigende von vornherein weiß oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht beachtet, daß die Anzeige nur zum Schein erstattet war, und daß die Hilfe der Staatsanwaltschaft mißbräuchlich in Anspruch genommen werden soll zu Zwecken, die den Aufgaben dieser Behörde fern liegen ( M ü l l e r ZStW 40 207; s. auch OLG Stuttgart A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 308). 5. Auferlegung der Kosten und Auslagen. a) Sie kann — abgesehen von den Fällen des Bußgeldverfahrens vor der Verwaltungsbehörde (vgl. oben Anm. 3) — stets nur durch gerichtlichen Beschluß erfolgen. Sobald das Gericht mit der Sache befaßt ist, entscheidet es von Amts wegen, was nicht ausschließt, daß die Staatsanwaltschaft oder der Beschuldigte einen entsprechenden Antrag stellt. Über den Begriff des Befaßtseins besteht Streit. Nach der einen Auffassung ist das Gericht erst befaßt, wenn seine Zuständigkeit zur Prüfung und Entscheidung einer Strafsache endgültig

2530

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 469 Anm. I 6; II 1 geworden (Rechtshängigkeit eingetreten) ist, weil die Klage nicht mehr zurückgenommen werden kann (§ 156), also wenn die Voruntersuchung oder bei unmittelbarer Anklageerhebung das Hauptverfahren eröffnet ist; danach kann das Gericht nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Kosten dem Anzeiger auferlegen, wenn es die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt (so OLG Bremen JZ 1953 471 mit zust. Anm. von N i e t h a m m e r ) . Nach anderer Auffassung ist das Gericht schon von der Erhebung der Anklage ab mit der Sache befaßt ( s o M ü l l e r - S a x 3 b ; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 8). Dem ist zuzustimmen. Weder Wortlaut noch Sinn der Vorschrift nötigen zu einer einschränkenden Auffassung; auch ist es nur sachgemäß, wenn das Gericht, das über die Anklage zu befinden hat, diese Sachkenntnis zur Entscheidung über die Anzeige benutzt. Der Anklage steht der Antrag auf Erlaß des Strafbefehls gleich ( S c h r ö m b s NJW 1963 333). Vorher ist das in § 469 Abs. 2 bezeichnete Gericht zu einer Entscheidung nur befugt, wenn die Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Antrag stellt. Die Staatsanwaltschaft ist aber verpflichtet, den Antrag zu stellen, wenn sie die Voraussetzungen des § 469 Abs. 1 als gegeben ansieht (OLG Bremen aaO.). Das OLG ist im Verfahren nach § 172 StPO nicht „mit der Sache befaßt" (OLG Frankfurt NJW 1972 1724). b) Überbürdungszwang. Das Gericht hat die Gerichtskosten (die Auslagen gemäß §§ 91 ff. GKG und die Gebühr nach § 74 Abs. 2 GKG) und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten (§ 464 a Abs. 2) dem Anzeiger aufzuerlegen. Es muß die Kosten und Auslagen auferlegen, wenn es die Überzeugung gewonnen hat, daß die Anzeige unwahr ist und den Anzeiger der Vorwurf vorsätzlichen oder leichtfertigen Handelns hinsichtlich der in der Anzeige behaupteten Taten trifft. Bei Freispruch nur mangels Beweises kommt demnach, da hier das Gericht nicht von der Unrichtigkeit der Anzeige überzeugt sein kann, eine Kostenpflicht des Anzeigenden nicht in Betracht (vgl. OLG Neustadt NJW 1952 718). c) Notwendige Auslagen. Ein Beschluß, der dem Anzeigenden die der Staatskasse erwachsenen Kosten auferlegt, muß ihm notwendig auch die dem Beschuldigten — sofern ein solcher vorhanden ist (s. Anm. 4 c)— erwachsenen Auslagen auferlegen und umgekehrt. Es ist auch nicht zulässig, die Kosten und Auslagen nur zum Teil aufzuerlegen (MüllerSax 6). In dem in Anm. 3 erörterten Fall, daß durch eine falsche Anzeige die Fortsetzung eines Verfahrens veranlaßt ist, beschränkt sich zwar die Kostenpflicht auf die durch die Fortsetzung des Verfahrens entstandenen Kosten; diese müssen aber in vollem Umfang auferlegt werden. Auf Grund des Beschlusses kann der Beschuldigte gemäß § 464b seine Auslagen gegen den Anzeigenden festsetzen lassen und aus dem Festsetzungsbeschluß die Vollstreckung betreiben. 6. Dem Erfordernis der Anhörung des Anzeigenden ist genügt, wenn ihm Gelegenheit gegeben ist, sich zu erklären und sich gegen den Vorwurf zu verteidigen, daß er die Anzeige vorsätzlich oder leichtfertig angebracht habe. Ob der Anzeigende eine Erklärung wirklich abgibt oder nicht, ist gleichgültig. Ist die Anhörung nicht erfolgt, so ist der Beschluß mit einem Verfahrensverstoß behaftet. Die Staatsanwaltschaft ist gemäß § 33 zu hören, wenn das Gericht nach Klageerhebung von Amts wegen entscheiden will (oben Anm. 5 a). II. Notwendige Auslagen Nebenbeteiligter (Absatz 1 Satz 2). 1. Diese durch das EGOWiG neu geschaffene Vorschrift sieht vor, daß dem Anzeigenden auch die einem Nebenbeteiligten erwachsenen notwendigen Auslagen auferlegt werden können. Nach der Begr. zum Entw. EGOWiG (BT-Drucks. V/1319 S. 86) rechtfertigt sich „diese Ausdehnung der Vorschrift, welcher der Gedanke des Schadensersatzes zugrunde liegt", aus der Erwägung, daß der Anzeigende auch die einem Nebenbeteiligten erwachsenen Auslagen verschuldet habe. Während aber die Auferlegung der Gerichtskosten und die der dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auflagen nach Abs. 1 Satz 1 obligatorisch ist, ist die Auferlegung der einem Nebenbeteiligten erwachsenen notwendigen Auslagen in das Ermessen des Gerichts gestellt („kann"). Damit soll ermöglicht werden, den Umständen des Einzelfalles Rechnung zu tragen. So besteht z. B. kein Anlaß, die Auslagen eines Einziehungsbeteiligten dem Anzeigenden aufzuerlegen, wenn sich nachträglich herausstellt, daß er gar nicht Inhaber des behaupteten Rechts war, über dessen Einziehung zu entscheiden war (Bericht des BT-Rechtsausschusses zu BT-Drucks. V/2600 und 2601 S. 22). Das gleiche 2531

§ 4 6 9 Anm. II; III

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

§470 gilt, wenn der Nebenbeteiligte seine Beteiligung durch Täuschung oder durch unlautere Mittel bewirkt hat (Kl 4). 2. Auslagenteilung. Wie in allen Fällen, in denen es dem Ermessen des Gerichts überlassen ist, die notwendigen Auslagen eines Beteiligten einem anderen Verfahrensbeteiligten zu überbürden (vgl. Anm. IV 3 zu § 467), kann auch gemäß § 469 Abs. 1 Satz 2 das Gericht sein Ermessen in der Weise ausüben, daß es die Auslagen des Nebenbeteiligten nur zum Teil dem Anzeigenden überbürdet. 3. Der Begriff des Nebenbeteiligten ist hier, wie in § 467 a Abs. 3, durch die Verweisung auf §§431 Abs. 1 Satz 1, 442, 444 Abs. 1 Satz 1 erläutert. Die Erläuterung ist nicht dahin zu verstehen, daß bei Einziehungs- und BeteiligungsInteressenten (vgl. §§432 Abs. 1, 444 Abs. 2 Satz 2) eine Überbürdung ausgeschlossen sei (vgl. Anm. III 3 zu § 467 a).

III. Verfahrensrechtliches. 1. Die Entscheidung, die dem Anzeigenden die Kosten auferlegt, ist selbst dann, wenn sie in Verbindung mit dem Urteil erlassen wird, eine selbständige; sie ergeht auch in diesem Fall durch besonderen Beschluß, wie sich ohne weiteres aus Abs. 3 ergibt (BayObLG NJW 1958 1933). — Daß in dem Urteil die Kosten schon der Staatskasse auferlegt sind, schließt eine nachträgliche Entscheidung nach § 469 nicht aus. Auch braucht in dem Urteil eine spätere Entscheidung nach § 469, z. B. weil der Anzeigende noch nicht gehört werden konnte, nicht vorbehalten zu werden; ein solcher Vorbehalt versteht sich von selbst (ebenso BayObLG aaO.; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 14; über die z.T. abweichenden Auffassungen im älteren Schrifttum vgl. Anm. 6 a der Voraufl.). Die Belastung des Anzeigenden mit den Auslagen des Beschuldigten macht eine Überbürdung nach § 467 Abs. 1 nicht entbehrlich, denn auch wenn die Entscheidung nach § 469 zugleich mit dem Urteil erlassen wird, ist noch ungewiß, ob der Beschluß bei Bestand bleibt (vgl. Abs. 3), und selbst wenn er rechtskräftig würde, darf der Freigesprochene usw. nicht unter einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit des Anzeigers leiden (BayObLGSt. 1957 189 = NJW 1958 1933 = JZ 1959 97; AG Moers AnwBl. 1970 240; Kl 3; s. auch Anm. I 3 zu § 467). Staatskasse und Anzeigender haften dann wie Gesamtschuldner: die Haftung der-Staatskasse erlischt, wenn der Anzeigende dem Beschuldigten die notwendigen Auslagen erstattet; erstattet sie ihm die Staatskasse, so gehört auch diese Zahlung zu den Auslagen, deren Erstattung die Staatskasse von von dem nach § 469 mit den Kosten belasteten Anzeigenden verlangen kann. 2. Zuständigkeit. Die Entscheidung trifft grundsätzlich das Gericht erster Instanz; das Berufungsgericht kann sie treffen, wenn erst in 2. Instanz die Voraussetzungen der Auferlegung sich ergeben und solange das Verfahren bei ihm anhängig ist (ebenso K G Recht 31 Nr. 1880; OLG Darmstadt GA Bd. 44 411 = A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 307b, Celle GA Bd. 54 317 = A l s b e r g Entsch. 3 307a, MünchenSt. 4 461; M ü l l e r - S a x 5). 3. Die sofortige Beschwerde (Absatz 3), deren Zulässigkeit von der Erreichung der Beschwerdesumme des § 304 Abs. 3 abhängt, steht dem von der Entscheidung betroffenen Anzeigenden, der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Nebenbeteiligten zu. — Die sofortige Beschwerde ist auch dann das allein zulässige Rechtsmittel, wenn die Entscheidung unrichtigerweise (Anm. III 1) im Urteil erfolgte; das ergibt sich auch aus § 464 Abs. 3 Satz 1.

§470 Wird das Verfahren wegen Zurücknahme des Antrags, durch den es bedingt war, eingestellt, so hat der Antragsteller die Kosten sowie die dem Beschuldigten und einem Nebenbeteiligten (§ 431 Abs. 1 Satz 1, §§ 442,444 Abs. 1 Satz 1) erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen. Sie können dem Angeklagten oder einem Nebenbeteiligten auferlegt werden, soweit er sich zur Übernahme bereit erklärt, der Staatskasse, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten.

2532

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 470 Anm. 1 1 , 2

Entstehungsgeschichte: § 470 lautete ursprünglich: „Erfolgt eine Einstellung des Verfahrens wegen Zurücknahme des Antrags, durch welchen es bedingt war, so hat der Antragsteller die Kosten zu tragen." Durch das Vereinheitlichungsgesetz vom 12. 9. 1950 wurden die Worte „sowie die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen" eingefügt. Durch das 3. StrÄG vom 4. 8. 1953 (BGBl. I 735) wurde Satz 2 mit folgendem Wortlaut: „Sie können dem Angeklagten auferlegt werden..." angefügt. Durch Art. 2 Nr. 28 EGOWiG wurden in Satz 1 hinter „Beschuldigtem" die Worte „und einem Nebenbeteiligten" mit dem Klammerzusatz und in Satz 2 hinter „Angeklagten" die Worte „oder einem Nebenbeteiligten" eingefügt.

I. Zu Satz 1. 1. Geltungsgebiet. § 470 bezieht sich auf die Antragsdelikte, bei denen eine Zurücknahme des gestellten Antrags zulässig ist (vgl. § 64 StGB). Der Antrag muß wirksam, insbesondere gegenüber der zuständigen Stelle (vgl. dazu BGHSt. 16 105) zurückgenommen sein. § 470 ist unanwendbar bei Ermächtigungsdelikten (vgl. § § 9 0 Abs. 4, 90 b Abs. 4, 97 Abs. 3, 104a, 104b, 197, 353b Abs. 4, 353c Abs. 4 StGB), da die einmal erteilte Ermächtigung zur Strafverfolgung, abgesehen von dem Fall des § 104 a StGB, nach herrschender, wenn auch nicht unbestrittener Auffassung nicht zurückgenommen werden kann (ebenso E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 3; Kl 1; G ö h l e r 8 A zu § 105 OWiG). Aber selbst wenn die Ermächtigung allgemein zurücknehmbar wäre, kämen diese Fälle hier nicht in Betracht. Denn bei dem Ermächtigungserfordernis handelt es sich im Grunde um eine Beschränkung des Legalitätsprinzips im öffentlichen Interesse, während beim Antragserfordernis die Rücksichtnahme auf private Belange im Vordergrund steht. Hier ist es gerechtfertigt, dem Antragsteller die Kosten aufzuerlegen, wenn er sich durch Zurücknahme des Antrags gewissermaßen selbst Unrecht gibt. Aus dem gleichen Grund ist § 470 auch nicht anwendbar, wenn das Verfahren durch den Antrag einer Behörde bedingt ist (vgl. z. B. § 122b Abs. 3), auch soweit ein solcher Antrag zurücknehmbar ist (ebenso G ö h l e r 8 A zu § 105 OWiG). § 470 ist ferner unanwendbar, wenn bei Einleitung des Verfahrens Tateinheit eines Antragsdelikts mit einem Offizialdelikt angenommen war, in dem Urteil aber das Vorliegen des Offizialdelikts verneint wird; in diesem Fall war die Einleitung des Verfahrens nicht durch den Antrag bedingt (RGRspr. 5 623; GA Bd. 38 438 = JW 1891 55; vgl. auch GA Bd. 43 123 = JW 1895 468; OLG Oldenburg GA 1964 250; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 7). Das gleiche gilt, wenn zwar der nach § 232 StGB gestellte Antrag zurückgenommen wird, die Staatsanwaltschaft aber wegen Vorliegens eines besonderen öffentlichen Interesses das Verfahren weiterbetreibt (vgl. § 232 Halbsatz 2 StGB) und dieses Verfahren später eingestellt wird. Schließlich ist § 470 unanwendbar, wenn der Antrag von vornherein unwirksam war und deshalb das Verfahren eingestellt wird (h. M.). Dagegen ist § 470 anwendbar, wenn das Ermittlungsverfahren zunächst als Amtsverfahren betrieben, dann aber nur ein Antragsdelikt als vorliegend angesehen, das Verfahren auf der Grundlage des Strafantrags fortgesetzt und dieser schließlich zurückgenommen wird; dann gilt § 470 nur bzgl. der Kosten und Auslagen, die entstanden, als nur der Strafantrag die Grundlage der Weiterführung des Verfahrens bildete (OLGe Darmstadt bei Alsberg Entsch. 3 Nr. 315; Oldenburg GA 1964 250; zweifelnd E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 7). 2. § 470 ist auch anwendbar, wenn das Vorbereitungsverfahren wegen Zurücknahme des Strafantrags eingestellt wird (§ 170 Abs. 2). Die Rechts- und Interessenlage ist hier die gleiche wie bei der Einstellung des Ermittlungsverfahrens, wenn sich herausstellt, daß es durch eine vorsätzlich oder leichtfertig erstattete unwahre Anzeige veranlaßt war (§ 469). Demgemäß ist die entsprechende Anwendung des § 469 Abs. 2 geboten, d. h. die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, den Antrag auf Erlaß eines selbständigen gerichtlichen Kostenbeschlusses zu stellen, während ein unmittelbar bei Gericht gestellter Antrag des Beschuldigten wirkungslos und unzulässig ist. Das war schon im älteren Schrifttum ganz überwiegend anerkannt (vgl. die Nachweise in der 20. Aufl. Anm. 2) und ist heute nicht mehr zweifelhaft (vgl. OLG Bremen JZ 1953 471; M ü l l e r - S a x 4; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 8; E r b s III; Kl 4).

2533

§470 Anm. I 3 , 4 ; II 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

3. Die dem Antragsteller aufzuerlegenden Kosten umfassen: a) die Gerichtsgebühren. Solche werden nach § 75 G K G nur erhoben, wenn das Verfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens infolge Antragszurücknahme eingestellt wird (also nicht bei Einstellung des Ermittlungsverfahrens und Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens); das Gericht kann die Gebühr ermäßigen und sogar von ihrer Erhebung absehen, b) die Auslagen der Staatskasse; sie werden auch bei Ermäßigung oder Absehen von einer Gebühr voll erhoben (s. aber Anm. II 1), c) die notwendigen Auslagen des Beschuldigten (§ 464 a Abs. 2), d) die notwendigen Auslagen eines Nebenbeteiligten. Wegen der Bedeutung des Klammerzusatzes vgl. Anm. III 3 zu § 467 a. 4. Der Erstattungspflichtige. Die Gerichtskosten sowie die notwendigen Auslagen des Beschuldigten und eines Nebenbeteiligten werden dem Antragsteller auferlegt. Haben mehrere Personen Strafantrag gestellt und ihn zurückgenommen, so haften sie, entsprechend §§ 466,471 Abs. 4 als Gesamtschuldner (OLG Hamm GA Bd. 60 154= A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 317). Hat jemand nicht für seine Person, sondern als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person Strafantrag gestellt, so werden bei Zurücknahme des Antrags nicht ihm, sondern der juristischen Person die Kosten auferlegt. Unter diesem Gesichtspunkt treffen, wenn im Fall des § 196 StGB (Amtsbeleidigung) der amtliche Vorgesetzte des beleidigten Beamten seinen Strafantrag zurücknimmt, die Kosten nicht ihn persönlich, sondern die von ihm vertretene öffentlich-rechtliche Körperschaft, gegebenenfalls den Fiskus, selbst wenn der Kostenbeschluß dahin lautet, daß der Antragsteller die Verfahrenskosten zu tragen habe; R G GA Bd. 47 295; HRR 1931 Nr. 1899; BayObLGSt. 2 388; K G DJZ 1904 317 ( A l s b e r g Entsch. 3 316a); OLGe München A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 316b; Hamm GA Bd. 60 154; LK Rdn. 13 zu § 196 StGB; M ü l l e r - S a x 6; F e i s e n b e r g e r StPO Anm. 5; a. M. (mit früheren Auflagen dieses Kommentars) K e l l e r 638; F r i e d e n r e i c h 37; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 11, die die Anwendbarkeit des § 470 auf diesen Fall überhaupt verneinen; vgl. auch OLG München St. 4 248; S t e n g l e i n Anm. 6; die in Anm. 1 4 d zu § 469 angestellten Erwägungen kommen aber bei § 470 nicht in Betracht. Für den Fall, daß ein nichtrechtsfähiger Verein den Antrag durch den nach seiner Satzung zur Vertretung Berechtigten gestellt hat, wollte Art. 70 Ziff. 249 Entw. EGStGB 1930 bestimmen, daß für die Kosten, um ihre Beitreibung zu erleichtern, der zur Vertretung Berechtigte neben dem Verein persönlich und als Gesamtschuldner haftet, nach dem Vorbild des § 54 Satz 2 BGB. II. Zu Satz 2. 1. Entstehungsgeschichte. Nach früherem Recht war die Kostenauferlegung an den Antragsteller die zwingende Folge der Antragszurücknahme; das Gericht war nach fast einhelliger Auffassung nicht befugt, wegen besonderer Umstände des Einzelfalles von der Kostenbelastung des Antragstellers abzusehen (RGSt. 23 197; DJZ 1925 1436; LZ 1929 898; weitere Nachweise aus der Rechtsprechung in Anm. 4 der 19. Aufl.). Diese starre Regelung erwies sich als ein Mißstand. Einigte sich der Beschuldigte mit dem Verletzten dahin, daß dieser seinen Strafantrag zurücknehmen, der Beschuldigte aber die entstandenen Kosten tragen solle, so hatte eine solche Kostenvereinbarung zwar im Innenverhältnis Bedeutung, entband aber das Gericht, wenn der Verletzte den Antrag zurücknahm, nicht von der Verpflichtung, ihm die Kosten aufzuerlegen, so daß er der Staatskasse gegenüber nach § 99 Nr. 1 G K G auch dann Kostenschuldner blieb, wenn der Beschuldigte durch eine vor Gericht abgegebene oder dem Gericht mitgeteilte Erklärung die Kosten übernommen hatte und damit neben dem Antragsteller gemä§ § 99 Nr. 2 G K G Kostenschuldner geworden war. Das hinderte häufig zum Nachteil einer baldigen Wiederherstellung des Rechtsfriedens die gütliche Beilegung der durch Strafantrag herbeigeführten Strafverfahren. Um hier Abhilfe zu schaffen, sahen schon die früheren Entwürfe (§ 489 von 1908 u. 1909; § 474 von 1920) vor, daß die Kosten dem Angeklagten auferlegt werden könnten, soweit er sich zur Über2534

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 470 Anm. II 2—4

nähme bereit erkläre. Noch weitergehend schlug Art. 70 Nr. 249 Entw. EG StGB 1930 vor, in § 4 7 0 zu bestimmen: „Erfolgt die Einstellung (wegen Antragszurücknahme) auf Grund einer in das Protokoll über die Hauptverhandlung aufgenommenen Einigung, so ist für die Verpflichtung zur Tragung der Kosten und Auslagen der Inhalt der Einigung maßgebend; soweit sie eine Regelung enthält, unterbleibt eine Entscheidung über die Kosten und Auslagen." Der durch das 3. Strafrechtsänderungsges. vom 4. 8. 1953 eingefügte Satz 2 ist den von dem Entw. 1930 vorgeschlagenen Weg nicht gegangen, sondern hat sich an die Vorschläge der früheren Entwürfe gehalten, diese aber dahin ergänzt, daß das Gericht die Kosten nicht nur dem zur Übernahme bereiten Angeklagten oder einem übernahmebereiten Nebenbeteiligten, sondern ausnahmsweise die gerichtlichen Kosten und die dem Angeklagten (Nebenbeteiligten) enstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegen kann. 2. Anwendungsbereich. Die Befugnis des Gerichts zu einer von Satz 1 abweichenden Entscheidung ist nur gegeben, wenn das Hauptverfahren eröffnet worden ist („dem Angeklagten", § 157, im Gegensatz zu „dem Beschuldigten" in Satz 1). Die Entscheidung kann in der Hauptverhandlung in dem die Einstellung aussprechenden Urteil (§ 260), außerhalb der Hauptverhandlung in dem Einstellungsbeschluß nach § 206 a getroffen werden. 3. Die Auferlegung an den Angeklagten (Nebenbeteiligten) ist nur zulässig, wenn und soweit er sich zur Übernahme der Gerichtskosten und zur Tragung seiner Auslagen bereit erklärt. Aus dem Wort „soweit" ergibt sich, daß das Gericht die Kosten und Auslagen verteilen kann (OLG Nürnberg NJW 1972 67, 69); der Angeklagte kann sich z. B. nur zur Tragung der gerichtlichen Kosten oder nur zur Tragung seiner eigenen Auslagen oder nur zur Tragung eines Bruchteils bereit erklären. Die notwendigen Auslagen des Antragstellers (z. B. durch Zuziehung eines Rechtsanwalts) können nicht Gegenstand einer Kostenentscheidung nach § 470 Satz 2 sein, wenn man das „Sie" des Satzes 2 auf die in Satz 1 bezeichneten Gerichtskosten und die dem Beschuldigten (Nebenbeteiligten) erwachsenen notwendigen Auslagen bezieht. Aus dem Zweck des Satzes 2, die gütliche Beilegung der durch Strafantrag herbeigeführten Verfahren zu begünstigen, ergibt sich aber, daß das „Sie" in einem weiteren, alle durch das Verfahren den Beteiligten entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen umfassenden Sinn verstanden werden muß; daher können dem zur Übernahme bereiten Angeklagten (Nebenbeteiligten) auch die notwendigen Auslagen des antragstellenden Privat- oder Nebenklägers auferlegt werden (ebenso M ü l l e r - S a x 3d). Die Erklärung des Angeklagten, zur Kostenübernahme bereit zu sein, gibt dem Gericht die Befugnis, die Kosten dem Angeklagten aufzuerlegen, verpflichtet das Gericht aber nicht dazu; sonst könnte es dahin kommen, daß der zahlungsunfähige Angeklagte sich lediglich zur Übernahme der Gerichtskosten bereit erklärt und diese (insbesondere die gerichtlichen Auslagen) der Staatskasse zur Last fallen, weil der Antragsteller frei würde, bei dem zahlungsunfähigen Angeklagten aber nichts zu holen wäre. Das Gericht kann auch davon absehen, den Rahmen der Übernahmebereiterklärung auszuschöpfen. Die Übernahmebereiterklärung behält aber, wenn das Gericht ganz oder teilweise von ihr keinen Gebrauch macht, ihre zivilrechtlich verpflichtende Bedeutung gegenüber dem Antragsteller, wenn der Angeklagte sich dem Antragsteller gegenüber zur Kostenübernahme verpflichtet hat (vgl. Anm. V zu § 471); sie kann auch gemäß § 99 Nr. 2 G K G den Angeklagten der Gerichtskasse gegenüber zum Kostenschuldner neben dem Antragsteller, dem die Kosten auferlegt wurden, machen (vgl. unten 7). 4. Sind mehrere Angeklagte vorhanden, so berechtigt die Erklärung eines einzelnen Angeklagten, die Kosten übernehmen zu wollen, das Gericht nicht dazu, ihm die gesamten Kosten einschließlich der notwendigen Auslagen aller Mitangeklagten aufzuerlegen; auch ohne ausdrückliche Beschränkung bezieht sich die Erklärung des Angeklagten nur auf die ihn betreffenden Kosten (BGHSt. 9 154). Dagegen bestehen keine rechtlichen Bedenken, daß sich der einzelne Angeklagte ausdrücklich zur Übernahme aller Kosten bereit erklärt und daß das Gericht sie ihm auferlegt (ebenso H e n k e l JZ 1956 768; a. M. BGH aaO.; M ü l l e r S a x 3 a), z. B., wenn sich dieser Angeklagte als Anstifter für das Tun der mitangeklagten Angestifteten verantwortlich fühlt. Das Gericht wird sich aber in solchen Fällen zu vergewissern haben, ob nicht Manipulationen zum Nachteil der Staatskasse vorliegen, indem die

2535

8470 Anm. II 5 - 7 ; III; IV; V

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

zahlungsfähigen Mitangeklagten mit einem Zahlungsunfähigen ausmachen, dieser solle sich zur Übernahme aller Kosten bereit erklären, so daß, wenn das Gericht dementsprechend entscheidet, der Antragsteller und die Mitangeklagten von Kostenschuld frei sind, und die Kosten der Staatskasse zur Last fallen, weil von dem zahlungsunfähigen Alleinschuldner nichts zu erlangen ist. Unberührt bleibt auch hier, wenn das Gericht nicht auf die Übernahmebereiterklärung eingeht, die zivilrechtliche Wirksamkeit einer Vereinbarung zwischen Antragsteller und den Mitangeklagten. - Da die Übernahmebereiterklärung nur eine Kostenentscheidung in dem anhängigen Verfahren ermöglichen soll, ist es nicht angängig, dem Angeklagten auf Grund einer entsprechenden Übernahmeerklärung die Kosten anderer Angeklagten aufzuerlegen, die in getrennten Verfahren verfolgt werden, auch wenn die Erledigung jener Verfahren als Folge der Erledigung des anhängigen Verfahrens zu erwarten ist (BGH aaO.). 5. Bedingte Zurücknahme des Strafantrags. Der Zweck des Satzes 2, im Interesse des Rechtfriedens Abmachungen zwischen dem Angeklagten (Nebenbeteiligten) und dem Antragsteller zu erleichtern, die eine Rücknahme des Strafantrags und damit die Erledigung des Strafverfahrens zur Folge haben, fordert, in Abkehr von der bisherigen Auffassung, die Zurücknahme des Strafantrags könne nicht unter Bedingungen geschehen, solche Bedingungen zuzulassen, die die Kostentragungspflicht betreffen. Es muß daher zulässig sein, den Antrag unter der Bedingung zurückzunehmen, daß der Angeklagte (Nebenbeteiligte) die Kosten übernehme (so auch BGHSt. 9 154 = NJW 1956 1162; BGHSt. 16 105, 107), aber auch unter der Bedingung, daß der Antragsteller frei von Kosten bleibe. Denn andernfalls wäre es möglich, daß mit der Übernahmebereiterklärung des Angeklagten die Bedingung als eingetreten anzusehen wäre, das Gericht aber von dieser Erklärung keinen Gebrauch macht (s. oben 3) und dem Antragsteller die Kosten auferlegt würden, was er gerade nicht will. 6. Belastung der Staatskasse. Das Interesse an der Herstellung des Rechtsfriedens durch Beilegung des Verfahrens kann im Einzelfall so groß sein, daß es hingenommen werden kann, dem Angeklagten auf Grund seiner Bereiterklärung die Kosten aufzuerlegen, obwohl erkennbar ist, daß er vermögenslos ist und die Kosten der Staatskasse zu Last fallen (BGHSt. 9 154); das kann insbesondere der Fall sein, wenn sich bei einem Offizialverfahren ergibt, daß es vom Standpunkt der Allgemeinheit aus gesehen wenig bedeutungsvoll ist, bei weiterer Fortsetzung aber der Staatskasse ungleich höhere uneinbringliche Auslagen zu erwachsen drohen, als sie bereits entstanden sind. Darüber hinaus ermöglicht es § 470 Satz 2, die Kosten ganz oder teilweise der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten, etwa, wenn der Antragsteller durch leichtfertige Zeugendarstellungen, die er unverschuldet für zuverlässig hielt, zur Antragstellung veranlaßt wurde ( M ü l l e r - S a x 3b). Doch kann die Belastung der Staatskasse nur ausnahmsweise in Betracht kommen ( D a l l i n g e r JZ 1953 442; OLG Oldenburg GA 1964 250, 252). 7. Bedeutung der Bereiterklärung. Die Erklärung des Angeklagten (Nebenbeteiligten), er sei zur Übernahme der Kosten bereit, ist nicht ohne weiteres gleichbedeutend mit einer Übernahmeerklärung, die ihn zum Kostenschuldner nach § 99 Nr. 2 G K G macht. Denn die Bereiterklärung kann — ebenso wie die Zurücknahme des Strafantrags (s. oben 5) — unter der Bedingung abgegeben werden, daß der Antragsteller den Strafantrag zurücknehme und wird dann zur Übernahmeerklärung i. S. des § 99 Nr. 2 G K G erst, wenn der Strafantrag wirksam zurückgenommen ist. III. Eine Anhörung des Antragstellers vor der Entscheidung ist zwar in § 470 — anders als in § 469 Abs. 1 — nicht ausdrücklich vorgeschrieben; die Verpflichtung hierzu ergibt sich aber, wenn nicht schon aus § 33, aus Art. 103 Abs. 1 G G (vgl. Kl 2). IV. Anfechtung. Die Entscheidung ergeht im Zusammenhang mit einer Entscheidung zur Hauptsache oder (im Ermittlungsverfahren) durch selbständigen Kostenbeschluß. In beiden Fällen bestimmt sich die Anfechtbarkeit nach § 4 6 4 Abs. 3 ( E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 13; Kl 7; wegen des früher bestehenden Rechtszustandes vgl. Anm. 7 der Voraufl.). V. Wegen des Zusammentreffens einer Entscheidung nach § 467 Abs. 1 mit einer Entscheidung nach § 470 Satz 1 vgl. Anm. III 1 zu § 469. 2536

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§471

§471 (1) In einem Verfahren auf erhobene Privatklage hat der Verurteilte auch die dem Privatkläger erwachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten. (2) Wird der Beschuldigte außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen, oder wird das Verfahren eingestellt, so fallen dem Privatkläger die Kosten des Verfahrens sowie die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen zur Last. (3) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Beteiligten angemessen verteilen oder nach pflichtgemäßem Ermessen einem der Beteiligten auferlegen, wenn 1. es den Anträgen des Privatklägers nur zum Teil entsprochen hat; 2. es das Verfahren nach § 383 Abs. 2 (§ 390 Abs. 5) wegen Geringfügigkeit eingestellt hat; 3. Widerklage «hoben worden ist. (4) Mehrere Privatkläger haften als Gesamtschuldner. Das gleicht gilt hinsichtlich der Haftung mehrerer Beschuldigter für die dem Privatkläger erwachsenen notwendigen Auslagen. Schrifttum: S c h m i d t , Die Privatklagekosten bei Einstellung des Verfahrens, MDR 1968 469; W a n g e m a n n , Das Kostenrisiko des Nebenklägers, NJW 1972 893. Entstehungsgeschichte: Abs. 2 i. d. F. von Art. III Nr. 1 des Ges. vom 21. 12. 1922 (RGBl. 1923 I 1) — jetzt Abs. 3 Nr. 1 — sah eine Kostenverteilung nur vor, wenn den Anträgen des Privatklägers nur zum Teil entsprochen war. § 7, 6. Teil Kap. I der NotVO vom 6. 10. 1931 (RGBl. I 537) brachte die Möglichkeit, ein Privatklageverfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen und ermächtigte das Gericht, bei Einstellung die im Verfahren entstandenen Auslagen sowie die dem Privatkläger und dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen angemessen zu verteilen oder dem Beschuldigten ganz aufzuerlegen. Art. 9 § 10 Ziff. 2 der VO vom 13. 8. 1942 (RGBl. I 508) fügte dem § 471 einen Abs. 6 an, wonach bei Widerklage das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entschied, wer die auf die Privatklage und die Widerklage entstandenen Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen der Beteiligten zu tragen habe und wonach die angemessene Verteilung der Kosten und Auslagen zugelassen wurde. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 faßte die bisherigen Absätze 2 und 6 unter Einarbeitung der Kostenregelung der NotVO vom 6. 10. 1931 bei Einstellung wegen Geringfügigkeit zu dem jetzigen Abs. 3 zusammen. Durch Art. 2 Nr. 29 EGOWiG vom 24. 5. 1968 (BGBl. I 503) wurde der den Umfang der zu erstattenden Auslagen regelnde Abs. 5 gestrichen im Hinblick auf die Einfügung des § 464 a, dessen Abs. 2 allgemein den Umfang der notwendigen Auslagen bestimmt, die einem Beteiligten zu erstatten sind. Übersicht A. Kosten und Auslagen des Privatklageverfahrens I. Allgemeine Regeln über die Kostenpflicht 1. Grundsätzliche Anwendbarkeit der § § 4 6 4 ff. 2. Rechtsmittelkosten 3. Haftung des Privatklägers als gesetzlichen Vertreters des minderjährigen Verletzten 4. Festsetzung der Auslagen II. Besondere Bestimmungen über Erstattung der Auslagen III. Entscheidung über Kosten und Auslagen bei Verurteilung (zu Abs. 1) 1. Auch bei Verurteilung des Angeklagten in die Kosten bedarf es des förmlichen Ausspruchs der Auslagenerstattungspflicht

2. Straffreierklärung IV. Kosten und Auslagen bei Nichtverurteilung (zu Abs. 2) 1. Grundsatz a) Einstellung des Verfahrens b) Tod des Privatklägers c) Einstellung nach § 389 3. Übernahme der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft (§ 377 Abs. 2) 4. Einstellung kraft Straffreiheitsgesetzes 5. Vorläufige Einstellung des Verfahrens 6. Zurücknahme der Privatklage vor Eröffnung des Hauptverfahrens V. Vergleich über die Kosten und Auslagen 1. bei Beendigung des Privatklageverfahrens durch Zurücknahme des Strafantrags

2537

§ 471 Anm. A l l

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

2. bei Verfahrensbeendigung durch Zurücknahrae der Privatklage 3. Vom Vergleich abweichende gerichtliche Kostenentscheidung 4. Keine Bindung des Gerichts an die Kostenvereinbarung VI. Kosten- und Auslagenentscheidung nach Ermessen (zu Abs. 3) 1. Allgemeines 2. Zu Abs. 3 Nr. 1 a) Wann ist „den Anträgen des Privatklägers nur zum Teil entsprochen"? b) Weitere Fälle überschießenden Anklagevorwurfs c) Mehrere Angeklagte d) Mehrere Privatkläger e) Ermessensrichtlinien 3. Zu Abs. 3 Nr. 2 a) Bedeutung der Vorschrift b) Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung 4. Zu Abs. 3 Nr. 3 VII. Gesamtschuldnerische Haftung (zu Abs. 4' VIII. Umfang der erstattungsfähigen notwendigen Auslagen IX. Jugendliche als Privatkläger und Widerbeklagte

B. Auslagenerstattung bei Nebenklage I. Bei Verurteilung 1. Grundsatz 2. Begriff des Verurteilten. Einzelheiten zur Erstattungspflicht 3. Verurteilung aus einem nicht die Zulassung zur Nebenklage rechtfertigenden Gesetz a) Grundsatz b) Einzelfälle II. Freispruch und Außerverfolgungsetzung III. Einstellung des Verfahrens 1. Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses 2. Einstellung nach § 153 a Abs. 2 i. V. m. § 16 StGB 3. Einstellung nach § 153 Abs. 3 a) im 1. Rechtszug b) im 2. Rechtszug 4. Einstellung durch Straffreiheitsgesetz IV. Der Nebenkläger als Mitangeklagter V. Umfang der Prüfung im Festsetzungsverfahren nach § 464 b VI. Erstattung der Auslagen des Nebenklägers im Jugendgerichtsverfahren

A. Kosten und Auslagen des Privatklageverfahrens. I. Allgemeine Regeln über die Kostenpflicht. 1. Soweit nicht § 471 etwas Abweichendes vorschreibt, finden auch auf das Privatklageverfahren die §§ 464ff. Anwendung. Insbesondere gilt dies von § 465. Nach dessen Abs. 3 kann, wenn der Verurteilte vor Eintritt der Rechtskraft des Urteils stirbt, weder die Staatskasse noch der Privatkläger einen Kostenanspruch an den Nachlaß geltend machen; so auch OLG Dresden GA Bd. 46 365; K G HRR 1930 Nr. 859. Erst recht gilt dies beim Tod des Beschuldigten vor Erlaß eines Urteils. In diesem Fall hat jede Partei die ihr erwachsenen Kosten zu tragen (OLGe Königsberg ZStW 45 518; Darmstadt DStRZ 1915 174; Jena JW 1929 1080; BayObLG JR 1962 226). Die Einstellung des Verfahrens mit der Kostenfolge des § 471 kann nicht mehr beschlossen werden, denn im Fall des Todes kommt eine gerichtliche Einstellung im Privatklageverfahren so wenig in Frage wie im Offizialverfahren (KG HRR 1930 Nr. 859). Auch können die Erben des Angeklagten in dem Verfahren keine Auslagenerstattungsansprüche gegen den Privatkläger geltend machen (OLGe. Königsberg ZStW 45 518; Jena JW 1929 1080 = HRR 1929 Nr. 1188; M ü l l e r - S a x 7; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 3, 4). Wenn es freilich richtig wäre, daß der Tod des Angeklagten im Offizialverfahren Ansprüche der Erben auf Erstattung der dem Verstorbenen erwachsenen notwendigen Auslagen gegen die Staatskasse nicht ausschließt (vgl. Anm. I 5 zu § 467), müßte das sinngemäß auch für Erstattungsansprüche der Erben des Beschuldigten gegen den Privatkläger gelten. Das Recht jeder Partei, einen etwaigen bürgerlich-rechtlichen Anspruch auf Erstattung der Kosten gegen den anderen Teil im Wege der Zivilklage geltend zu machen, bleibt unberührt. Ferner hat nach § 465 der verurteilte Angeklagte auch die von dem Privatkläger schuldhaft veranlaßten Kosten zu tragen, beispielsweise auch die der mit Freispruch beendeten ersten Instanz, wenn erst infolge berichtigter Angaben des Privatklägers in zweiter Instanz eine Verurteilung erfolgt (OLG München 6 92; BayObLGSt. 3 217 = A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 282; DRZ 1925 Nr. 493). Anwendbar sind auch § § 4 6 7 Abs. 2 und 468 (OLG Dresden SächsArch. 7 92). Unanwendbar ist § 469, der nur für das Offizialverfahren gelten kann; die Privatklage ist selbstverständlich keine „Anzeige" (s. indessen P f e i f f e r Recht 23 257). An die Stelle des § 467 Abs. 1 tritt § 471 Abs. 2. 2538

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer) § 471 Anm. A I 2 - 4 ; II; III 1,2; IV 1 2. Wegen der Kosten der Rechtsmittel s. § 473 und dort Anm. B. 3. Handelt der Privatkläger als gesetzlicher Vertreter eines Minderjährigen, so haftet er nur mit dessen Vermögen für die Kosten (RGSt. 46 138; 53 345; BayObLG LZ 21 916; GA 73 133; BayObLGSt. 28 279; KG JW 1931 3580 = GA 76 34; Celle HRR 1928 Nr. 1874; Königsberg HRR 1928 Nr. 1263; Kiel JW 1929 150). 4. Die Festsetzung der Auslagen, die sich die Beteiligten zu erstatten haben, erfolgt nach § 464 b. II. Besondere Bestimmungen über Erstattung der Auslagen. Die Vorschriften in § 471 über die Pflicht zur Erstattung der dem Gegner erwachsenen Auslagen gelten für alle Instanzen; in jeder Instanz trifft die Erstattungspflicht den, der in die Kosten der Instanz verurteilt ist (RG Rspr. 6 197; KG NJW 1953 1406; BayObLG St. 1953 257; OLGe. Celle MDR 1957 375; Hamburg NJW 1970 1468; Müller-Sax 2e). Wegen der Anwendbarkeit des § 471 Abs. 3 in der Rechtsmittelinstanz vgl. Anm. B zu § 473. Der verurteilte Angeklagte hat auch die dem Privatkläger vor Erhebung der Privatklage aufgewendeten notwendigen Auslagen zu erstatten (KG GA Bd. 61 363 = Alsberg Entsch. 3 Nr. 347). III. Entscheidung über Kosten und Auslagen bei Verurteilung (Absatz 1). 1. Die Verurteilung des Angeklagten in die Kosten des Verfahrens hat zwar kraft Gesetzes die Verpflichtung zur Erstattung der dem Privatkläger erwachsenen notwendigen Auslagen zur Folge. Dies ist aber gemäß § 464 Abs. 2 grundsätzlich auszusprechen. Die frühere Rechtsprechung, daß ein ausdrücklicher Ausspruch nicht nötig, wenn auch zweckmäßig sei (vgl. z. B. BayObLGSt. 15 108; KG NJW 1953 1406; OLG Hamm GA 1960 186), an der auch heute noch z. T. festgehalten wird, ist durch § 464 Abs. 2 überholt; doch kann eine Verurteilung nur in die „Kosten" in eine die Verpflichtung zur Auslagenerstattung mitumfassende Entscheidung umgedeutet werden (vgl. Anm. II 3 b und d zu § 464). Notwendig ist eine förmliche Entscheidung auf jeden Fall in den Fällen des Abs. 3 oder wenn von mehreren Privatklägern nur einer oder einzelne eine Verurteilung erzielen (BayObLG JW 1931 1377; Stuttgart WürttJ 27 236; Naumburg JW 1930 1111; Knör BayZ 19 83). Wegen der selbständigen Kostenentscheidung bei Zurücknahme eines Rechtsmittels s. Anm. A I 4 zu § 473. 2. StrafTreierklärung. Grundsätzlich findet auch hier § 468 Anwendung: auch im Privatklageverfahren trägt der für straffrei Erklärte die Kosten nur, wenn sie ihm auferlegt werden. Angemessen wird dies indes nur ausnahmsweise sein. Wird nämlich im Privatklageverfahren der Angeklagte für straffrei erklärt, so ist damit ausgesprochen, daß der Verletzte mit Rücksicht auf die von ihm selbst begangene Handlung keinen Grund hatte, eine Klage zu erheben; dies mußte der Verletzte, da er (anders als bei öffentlicher Klage die Staatsanwaltschaft) den Sachverhalt genau kannte, selbst erkennen, und wenn er gleichwohl die Privatklage erhob, so hat er die Kosten unnötigerweise verursacht (vgl. OLG München Entsch. 5 37). Der für straffrei Erklärte kann auch in einen Teil der Kosten verurteilt, auch kann ausgesprochen werden, daß keine Partei der andern Auslagen zu erstatten habe (RGSt. 44 334). Wegen der Widerklage s. Anm. VI 4. IV. Kosten und Auslagen bei NichtVerurteilung (Absatz 2). 1. Kommt es nicht zu einer Verurteilung —bei Freispruch, Außerverfolgungsetzung (= Zurückweisung der Klage, § 383 Abs. 1) und Einstellung —, so trägt nach Abs. 2 grundsätzlich der Privatkläger die Kosten des Verfahrens und — selbstverständlich — seine eigenen Auslagen (vgl. OLG Zweibrücken NJW 1970 2307), und er hat dem Gegner dessen notwendige Auslagen zu erstatten (vgl. dazu oben III 1). a) Daß dem Privatkläger auch bei Einstellung des Verfahrens die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten zur Last fallen, gilt, da das Gesetz lediglich für den in § 471 Abs. 3 Nr. 2 geregelten Fall eine Ausnahme vorsieht, für alle übrigen Fälle, in denen nach gesetzlicher Vorschrift Einstellung des Verfahrens erfolgt. Die Ausnahmeregelung, die für das Offizialverfahren § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bei Einstellung des Verfahrens 2539

§471 Anm. A IV 2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

wegen eines Verfahrenshindernisses vorsieht, kommt im Privatklageverfahren nicht in Betracht. b) Auch beim Tod des Privatklägers (§ 393 Abs. 1) greift Abs. 2 ein, sofern — was aber nur bei einer Privatklage wegen Beleidigung möglich ist — das Verfahren nicht von den in § 393 Abs. 2 genannten Angehörigen fortgesetzt wird. Wo also eine Fortsetzung nicht erfolgt oder nicht möglich ist, fallen die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen dem Nachlaß des Privatklägers zur Last (so auch RGSt. 16 421; OLGe Celle GA Bd. 70 24; NJW 1953 1726; 1971 2182; BayObLGSt. 1960 141; LG Göttingen Rpfleger 1952 431; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rz. 17; M ü l l e r - S a x 6; Kl 3). Ist in dem Einstellungsbeschluß die Kostenentscheidung unterblieben, so unterliegt er der Anfechtung nach § 464 Abs. 3 Satz 1. Zu der Frage, ob eine Nachholung durch Nachtragsbeschluß zulässig ist (bejahend BayObLG aaO.) vgl. Anm. II 3 e zu § 464. Es ist nicht zu verkennen, daß die an den Tod des Privatklägers geknüpfte Belastung seines Nachlasses mit den Gerichtskosten und Auslagen des Beschuldigten zu Unbilligkeiten führen kann, wenn nach aller Wahrscheinlichkeit mit einer Verurteilung des Beschuldigten zu rechnen war und es wird die Auffassung vertreten, daß diese Unbilligkeiten zu einer entsprechenden Anwendung des § 471 Abs. 3 (Kostenverteilung nach gerichtlichem Ermessen) führen müßten (so OLGe Bamberg DR 1942 934; Braunschweig NJW 1949 835; Oldenburg NdsRpfl. 1954 95; LG Plauen DJ 1938 1194; D a l c k e - F - S c h . Anm. 3; T r a u b NJW 1960 710). Dem kann nicht gefolgt werden. Es ist freilich richtig, wie die vor Anm. I dargestellte Geschichte des § 471 Abs. 3 zeigt, daß die gesetzgeberische Entwicklung in der Richtung verläuft, den Anwendungsbereich des richterlichen Ermessens bei der Kostenverteilung zu erweitern. Aber das entscheidende Wort gebührt hier dem Gesetzgeber. Solange das Gesetz daran festhält, daß die automatische Kostenverteilung (§ 471 Abs. 1, 2) die Regel, die Verteilung nach Ermessensgrundsätzen (Abs. 3) die Ausnahme ist, kann es nicht Aufgabe der Rechtsprechung sein, alle Unbilligkeiten, die bei einer automatischen Regelung unvermeidlich sind, durch entsprechende Anwendung des Abs. 3, also durch dessen Erweiterung, die nur dem Gesetzgeber zusteht, beseitigen zu wollen. Mit Recht hat sich BayObLG NJW 1956 602; 1959 2274 auf den Standpunkt gestellt, daß die Regelung des § 471 Abs. 3 abschließend sei und es deshalb nicht angehe, etwa bei einem Freispruch des Beschuldigten wegen (für den Privatkläger unerkennbarer) Zurechnungsunfähigkeit und gar erst in der Berufungsinstanz nach vorgängiger Verurteilung in 1. Instanz der Kostenbelastung des Privatklägers aus § 471 Abs. 2 durch entsprechende Anwendung des § 471 Abs. 3 zu entgehen. Es mag auch dem Privatkläger, der wegen objektiv ehrenkränkender Behauptungen den Weg der Privatklage beschreitet, unbillig erscheinen, wenn der Angeklagte nicht nur wegen Wahrung berechtigter Interessen freigesprochen wird, sondern dem Privatkläger auch die gesamten Kosten einschließlich der Auslagen des Beschuldigten zur Last fallen; aber auch hier gibt es keine Möglichkeit einer Kostenverteilung (vgl. auch OLG Bamberg NJW 1951 535). Alle solche Fälle befriedigend zu regeln, wäre nur möglich, wenn, wie dies § 44 des Entwurfs einer FriedensrichterO 1939 vorschlug, allgemein in Privatklageverfahren die Kostenentscheidung nach richterlichem Ermessen erfolgte; das ist aber nicht der Standpunkt des geltenden Rechts. Auch beim Tod des Privatklägers bleibt — nicht anders als beim Tod des Beschuldigten (vgl. Anm. 11) — seinen Erben der Versuch überlassen, im Weg des bürgerlichen Rechtsstreits den Beschuldigten auch wegen der durch das Privatklageverfahren entstandenen Kosten als weiterer Folge der unerlaubten Handlung in Anspruch zu nehmen. 2. Auch im Fall des § 389 treffen den Privatkläger die Kosten und Auslagen (ebenso OLG Dresden GA Bd. 46 365; BayObLGSt. 1 10 und NJW 1959 2274; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 13; a. M. T r a u b NJW 1960 710). Auch das kann unbillig sein (vgl. F l e i s c h m a n n DJZ 1906 477). Art. 70 Nr. 250 Entw. EGStGB 1930 schlug für diesen Fall vor, daß, wenn anschließend die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage erhebt, in der hierauf ergehenden Entscheidung über die Kosten des Privatklageverfahrens unter Aufhebung der dort getroffenen Kostenentscheidung anderweit befunden werden könne; es wäre erwägenswert, ob nicht dieser Vorschlag schon auf dem Boden des geltenden Rechts durch sinngemäße Erweiterung des § 465 verwirklicht werden kann (eine Parallele bieten die Regelungen der Straffreiheitsgesetze für den Fall der Fortsetzung des Verfahrens auf Antrag des Beschuldigten; vgl. § 19 Abs. 3 des Straffreiheitsges. vom 17. 7. 1954, BGBl. I 203, und zu2540

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 471 Anm. AIV 3 - 6 ; V

letzt § 11 Abs. 4 des Straffreiheitsges. vom 20. 5. 1970, BGBl. I 509). Für den Fall, daß der Privatklagerichter, statt nach § 389 zu verfahren, die Sache nach § 270 an das zuständige Gericht verweist und dieses (prozeßordnungswidrig) die Einstellung nach § 389 ausspricht, darf es den Privatkläger nur mit den Kosten des Privatklageverfahrens vor dem Privatklagerichter belasten (RGSt. 46 167). 3. Übernimmt die Staatsanwaltschaft die Verfolgung des Privatklagedelikts (§ 377 Abs. 2), so erfolgt keine Einstellung des Privatklageverfahrens. Dieses wird vielmehr in dem Stadium, in dem es sich befindet, als Offizialverfahren fortgesetzt (vgl. RGSt. 57 349; BGHSt. 11 56, 61) und die Kosten des bisherigen Privatklageverfahrens gehen in den Kosten des Offizialverfahrens auf(BayObLG7 17= A l s b . E 3 N r . 3 3 2 ; 3 0 23); der bisherige Privatkläger wird regelmäßig Nebenkläger und hat bei Verurteilung des Beschuldigten Anspruch auf Auslagenerstattung nach den allgemeinen Regeln (s. unten Anm. B I). Problematisch war die Kostenfrage nur von dem früher z. T. (vgl. RGSt. 29 422) vertretenen Standpunkt aus, daß die Übernahme des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Privatklageverfahrens führe; dann sollten die Kosten und Auslagen des Privatklägers nach RG GA Bd. 48 438 im Fall der Verurteilung dem Angeklagten zur Last fallen, während nach R i ß (SeuffBl. 72 697) der Privatkläger die Kosten tragen sollte. 4. Eine Einstellung i. S. des § 471 Abs. 2 erfolgt auch, wenn die in einem Straffreiheitsgesetz angeordnete Einstellung anhängiger Verfahren der Durchführung des Privatklageverfahrens entgegensteht (vgl. Anm. I 4 a zu § 464). Die Amnestiegesetze seit 1932 haben aber die aus der Einstellung nach § 471 Abs. 2 sich ergebende Folgerung, daß der Privatkläger die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten zu tragen hätte, durch Sondervorschriften ausgeschlossen und zwar im allgemeinen in der Weise, daß sie die Niederschlagung der gerichtlichen Kosten anordnen und dem Gericht die Befugnis übertragen, die dem Privat- oder Nebenkläger und dem Beschuldigten erwachsenen Auslagen angemessen zu verteilen oder nach pflichtgemäßem Ermessen einem der Beteiligten ganz aufzuerlegen oder zur Vermeidung von Unbilligkeiten sie auf die Staatskasse zu überbürden (so zuletzt § 9 Straffreiheitsges. 1970). 5. Bei vorläufiger Einstellung des Verfahrens bedarf es keiner Entscheidung über den Kostenpunkt (OLG Dresden = A l s b . E 3 Nr. 270); eine nur vorläufige Einstellung liegt auch vor, wenn der Privatkläger stirbt, falls die Angehörigen nach § 393 Abs. 2 das Verfahren demnächst fortsetzen. 6. Die Einstellung des Verfahrens ist auch auszusprechen, wenn die Privatklage vor Eröffnung des Hauptverfahrens zurückgenommen wird. Mit diesem Beschluß ist nach § 464 die Kostenentscheidung zu verbinden, in der dem Privatkläger die durch das bisherige Verfallen (z. B. durch Zuziehung eines Anwalts für die Erklärung nach § 382) entstandenen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen sind. Verneint man die Notwendigkeit eines Einstellungsbeschlusses, so ist — wie bei der Rechtsmittelzurücknahme (Anm. A I 4 zu § 473) — ein selbständiger Kostenbeschluß zulässig und zur Festsetzung nach § 464 b geboten (LG Hagen NJW 1955 1646). V. Vergleich. Die Parteien können ein Privatklageverfahren durch Vergleich beenden. Ein solcher Vergleich ist zwar, auch soweit er kostenrechtliche Vereinbarungen enthält, Vollstreckungstitel i. S. des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (s. unten 1), aber kein zur Kostenfestsetzung nach § 464 b StPO geeigneter Titel, denn als solcher kommt nur der die Kostenentscheidung enthaltende Einstellungsbeschluß nach § 471 Abs. 2 in Betracht (vgl. Anm. III zu § 464 b). Das wird vielfach verkannt, indem aus der Eignung des Privatklagevergleichs als Vollstreckungstitel i. S. des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gefolgert wird, er sei auch ein zur Kostenfestsetzung nach § 464 b StPO geeigneter Titel (so z. B. LGe. Wuppertal MDR 1957 502; Hildesheim NdsRpfl. 1966 18). Die Parteien haben es aber weitgehend in der Hand, durch ihre die Kosten betreffenden Vergleichsabreden auf den Inhalt der gerichtlichen Kostenentscheidung einzuwirken. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Verfahrensbeendigung technisch durch Zurücknahme des Strafantrags oder durch Zurücknahme der Privatklage eintritt. 2541

§471 Anm. A V 1,2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

1. Beendigung des Privatklageverfahrens durch Zurücknahme des Antrags ist nur möglich, wenn das Privatklagedelikt ein Antragsdelikt ist (also nicht in den Fällen der §§ 223 a, 241 StGB) und auch nur, wenn und solange (§ 64 StGB) der Strafantrag zurücknehmbar ist. Einigen sich die Parteien, daß der Strafantrag zulässigerweise zurückgenommen werde, so können sie eine dem — auch im Privatklageverfahren anwendbaren — § 470 Satz 2 entsprechende Kostenvereinbarung treffen. Trägt das Gericht dieser bei dem Kostenausspruch in seinem nach § 471 Abs. 2 erforderlichen Einstellungsbeschluß in vollem Umfang Rechnung — und es wird in aller Regel keinen Anlaß haben, davon abzuweichen —, so ist auf diese Weise ein Kostentitel geschaffen; es findet dann das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464 b statt und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß kann nach § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vollstreckt werden. Die Parteien können Kostenvereinbarungen auch in einer Weise treffen, daß es einer Kostenfestsetzung nach § 464b StPO nicht bedarf, indem sie die Zahlung bestimmter Summen vereinbaren; solche Vereinbarungen können zu Protokoll erklärt werden (§ 127a BGB) und bilden dann einen Vollstreckungstitel nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (OLG Hamburg MDR 1958 434). Denn nach dieser Vorschrift kann aus allen Vergleichen vollstreckt werden, die zwischen den Parteien zur BeUegung des Rechtsstreits vor einem deutschen Gericht abgeschlossen werden; aus Wortlaut und Sinn dieser Vorschrift kann weder entnommen werden, daß es sich um einen bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreit handeln müsse, noch daß er nicht auch vor einem Strafgericht abgeschlossen werden könne (so auch K G JW 1937 2789; OLG Hamburg MDR 1958 434; Stuttgart NJW 1964 110; LGe. Kassel NJW 1951 373; Wuppertal MDR 1957 502; B a u m b a c h - L a u t e r b a c h Anm. 2 B Anhang nach § 307 ZPO; E r b s Anm. 7 zu § 391, M ü l l e r - S a x 4 zu § 471; R o s e n f e l d § 109 Anm. 21; für entsprechende Anwendung des § 794 Abs. 1 Nr. 1: K n ö r DRZ 1927 371; a. M. OLG Oldenburg NJW 1950 478). Die neueren StPO-Entw. wollten die Frage durch ausdrückliche Vorschrift in bejahendem Sinn klären (NE I § 397 Abs. 3, NE II § 938 Abs. 3, III § 374 Abs. 4). — Daß ein gerichtlicher Vergleich nur bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Parteien vor dem Gericht geschlossen werden könne (so LG Göttingen vom 20. 4. 1954, DRspr. IV 464 Bl. 74 c), kann weder aus § 794 Nr. 1 noch aus dem Erfordernis der Protokollierung, Vorlesung und Genehmigung (§§ 160, 162 ZPO) zwingend entnommen werden; ausreichend dürfte auch sein, wenn jede Partei ihre Erklärung (Angebot und Annahme oder beiderseitige Annahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags) zu verschiedener Zeit und auch an verschiedenen Orten, aber jeweüs zu gerichtlichem Protokoll des ersuchten Richters abgibt, während allerdings kein gerichtlicher Vergleich vorliegen kann, wenn (wie in dem von LG Göttingen aaO. entschiedenen Fall) der eine Teil den gerichtlichen Vergleichsvorschlag zu Protokoll des ersuchten Richters, der andere Teil nur durch einen beim Privatklagerichter eingereichten Schriftsatz annimmt. Auf diese Weise ist in einem großen Teil der Fälle eine vergleichsweise Erledigung der Kostenfrage möglich. 2. Der zu 1. bezeichnete Weg versagt, wenn eine Antragsrücknahme nicht in Betracht kommt, weil es keines Strafantrags bedurfte oder dieser nicht mehr zurückgenommen werden kann, wie auch dann, wenn das Gericht ausnahmsweise nicht bereit ist, die Kosten dem zur Übernahme bereiten Angeklagten aufzuerlegen (vgl. Anm. II 3 zu § 470). Im ersteren Fall steht es im Belieben der Parteien, vergleichsweise die Rücknahme der Privatklage, die auch noch in der Berufungs- und Revisionsinstanz möglich ist (§ 391), zu vereinbaren. Für diesen Fall (in dem also nicht die Zurücknahme der Privatklage gleichzeitig eine Zurücknahme des Strafantrags darstellt) fehlt es an einer ausdrücklichen dem § 470 Satz 2 entsprechenden Vorschrift. Bei der Zurücknahme der Privatklage bedarf es — nicht anders als bei der Zurücknahme des Strafantrags (§ 470) — eines Einstellungsbeschlusses (vgl. § 391 Abs. 2 a. E.). Denn die im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochene, aber selbstverständliche Folge, daß den zurücknehmenden Privatkläger die Kosten des Verfahrens und die Auslagen des Beschuldigten treffen, läßt sich nur verwirklichen, wenn ein Kostentragungstitel vorhanden ist, auf Grund dessen das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464 b durchgeführt werden kann (vgl. Anm. III zu § 464b; s. auch die sogleich folgenden Zitate); es liegt hier nicht anders als etwa bei der Zurücknahme eines Rechtsmittels (vgl. Anm. A 14 zu § 473). Es bestehen dann aber keine Bedenken, den Satz 2 des § 470 entsprechend anzuwenden (ebenso M ü l l e r S a x 4). Die prozessuale Situation und die Interessenlage ist in beiden Fällen die gleiche, und das Bedürfnis, im Interesse der Herbeiführung des Rechtsfriedens den Entschluß zur

2542

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 471 Anm. A V 3 , 4 Zurücknahme der Privatklage zu erleichtern, nicht geringer, als wenn die Zurücknahme des Strafantrags in Frage steht. Das bedeutet, daß das Gericht an den Vergleich, d. h. die Übernahmebereitschaftserklärung des Angeklagten nicht schlechthin gebunden ist (vgl. Anm. II 3 zu § 470) und kommt insoweit — aber auch nur insoweit — auf den Standpunkt der früheren Rechtsprechung hinaus, wonach der Vergleich nichts an der Kostentragungspflicht nach § 471 Abs. 2 und an der Pflicht des Richters, diese in seinem Einstellungsbeschluß auszusprechen, änderte (vgl. RGSt. 23 198; BayObLG BayJMBl. 1916 95; OLGe. Dresden A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 333; Breslau G A Bd. 58 237 = A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 60d; G o r d o n GA Bd. 45 20, R i ß SeuffBl. 72 698, W i n k l e r GA Bd. 56 56). Den Richter nicht schlechthin an die Parteivereinbarung zu binden, hat hinsichtlich der gerichtlichen Kosten auch hier seinen guten Sinn, denn es geht nicht an, daß durch eine Übernahmebereiterklärung des vermögenslosen Angeklagten der Privatkläger der Staatskasse gegenüber frei werden könnte. Soweit es sich aber um die notwendigen Auslagen des Beschuldigten handelt, besteht für das Gericht kein Grund, in dem Kostenbeschluß seiner Übernahmebereitschaft nicht zu entsprechen, so daß sie praktisch für die gerichtliche Kostenentscheidung bindend ist. Das läuft im Ergebnis auf die Mittelmeinung (vgl. OLG Dresden DStrZ 1915 367 = A l s b e r g Entsch. 3 333; G e r l a n d Strafpr. 483; OLG Düsseldorf Rpfleger 1960 221) hinaus, daß der Vergleich für das Gericht zwar hinsichtlich der Parteikosten, aber nicht hinsichtlich der Gerichtskosten bindend sei. Von dieser Auffassung unterscheidet sich die hier vertretene Auffassung dadurch, daß nach letzterer das Gericht zwar nicht verpflichtet, aber befugt ist, auch hinsichtlich der Gerichtskosten eine der Parteivereinbarung entsprechende Kostenentscheidung zu erlassen. Auch die entsprechende Anwendung des § 470 Satz 2 nach der Richtung, daß (ausnahmsweise) der Staatskasse die Kosten auferlegt werden können, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten, ist sinnvoll, namentlich wenn es sich darum handelt, ein Privatklageverfahren zu beenden, das der Privatkläger im Armenrecht (§ 379 Abs. 3) führt. 3. Trifft das Gericht im Einstellungsbeschluß eine vom Vergleich abweichende Kostenentscheidung, weil es sich trotz der Übernahmeerklärung der Angeklagten nicht entschließen kann, ihm die Gerichtskosten aufzuerlegen, so wird in der Regel der Angeklagte gemäß § 99 Nr. 2 G K G neben dem Privatkläger, dem die Kosten auferlegt werden (§ 99 Nr. 1 GKG), Kostenschuldner mit der Folge des § 103 Abs. 1 G K G (§ 103 Abs. 2 G K G ist unanwendbar, denn er betrifft nur das Verhältnis des Kostenschuldners kraft Entscheidung oder Übernahme zu demjenigen, der nach dem G K G Kostenschuldner ist, weil er das Verfahren in Gang gebracht hat, vgl. § 95 GKG). Im Innenverhältnis bleibt es bei der im Vergleich getroffenen Kostenregelung (OLG Düsseldorf Rpfleger 1960 221) und gegen eine dem Vergleich widersprechende Vollstreckung des Angeklagten aus einem Kostenfestsetzungsbeschluß nach § 464 b könnte der Privatkläger aus dem Vergleich nach § 767 ZPO Einwendungen erheben (OLG Jena GA 71 119). Der Vergleich büßt auch hier nichts an seiner Eigenschaft als Vollstreckungstitel nach §§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ein. 4. Keine Bindung des Gerichts an die Kostenvereinbarung. Die vielfach (so die 19. Aufl. Anm. 6b; OLGe Königsberg GA Bd. 40 462 = A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 60b, Jena DJZ 1905 512, Kassel GA Bd. 52 265 = A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 60a, Kolmar A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 60c, Dresden JW 1930 1109, Naumburg HRR 1932 Nr. 1628; LGe Braunschweig JW 1929 1083, Kassel NJW 1951 373; Wuppertal MDR 1957 502, F r e s e ZStW 5 683, M ü l l e r DRiZ 1954 51) vertretene Auffassung, daß die gerichtlich protokollierte Vereinbarung über die Kosten für das Gericht bindend, also zwingend der Kostenentscheidung zugrundezulegen sei — zur Begründung wird auf § 99 G K G und auf die Natur des weitgehend der Parteidisposition unterliegenden Privatklageverfahrens, gleichzeitig aber auch auf § 103 Abs. 2 G K G verwiesen —, entspricht nicht der durch die Einfügung des § 470 Satz 2 geklärten Rechtslage. Sie kann auch nicht mit dem Hinweis auf Art. 70 Nr. 2 Entw. EGStGB 1930 begründet werden. Dort war allerdings vorgeschlagen, daß beim Vergleich im Privatklageverfahren die für den Fall der Antragszurücknahme vorgesehene Regelung (vgl. Anm. II 1 zu § 470) gelten, die Einigung also maßgebend sein und eine gerichtliche Kostenentscheidung ausschließen solle. Aber gerade diese Regelung hat das 3. StrAG vom 4. 8. 1953 bei Schaffung des § 470 Satz 2 nicht übernommen. 2543

§471 Anm. A VI 1, 2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

VI. Kosten- und Auslagenentscheidung nach Ermessen (zu Absatz 3). 1. Allgemeines. In der ursprünglichen Fassung des Abs. 3 (§ 503 Abs. 3 a. F.) war die Rede von der Verteilung der Kosten des Verfahrens und der notwendigen Auslagen. In der späteren, auf dem Ges. vom 21. 12. 1922 (RGBl. 1923 I 1) beruhenden Fassung des damaligen Abs. 2 dagegen wurde von der Verteilung „der im Verfahren entstandenen Auslagen" und der den Parteien erwachsenen notwendigen Auslagen gesprochen. Daraus wurde gefolgert, daß die Vorschrift nur eine Verteilung der Auslagen, nicht mehr der Gerichtsgebühren zulasse (BayObLGSt. 1928 76; Dresden HRR 1930 Nr. 2048; LZ 1932 193; Hamburg LZ 1929 513). Die auf dem Vereinheitlichungsgesetz beruhende Fassung verwendet wieder den Ausdruck „Kosten des Verfahrens", läßt also auch eine Verteilung der Gerichtsgebühren zu (vgl. BayObLG Rpfleger 1958 182). Im allgemeinen wird es sich in den Fällen des Abs. 3 um eine Verteilung der gerichtlichen Auslagen handeln. Im Fall des Abs. 3 Nr. 2 wird nach § 78 Abs. 3 G K G keine Gebühr erhoben. Eine Verteilung der Gebühren kann z. B. in Betracht kommen, wenn die Privatklage mehrere selbständige Handlungen zum Gegenstand hat und der Angeklagte teils freigesprochen, teils verurteilt wird. Nach § 76 G K G trägt er dann die Verfahrensgebühr, und zwar nach Maßgabe der gegen ihn erkannten Strafe; den Privatkläger trifft keine Gebühr, da die Gebühr des § 77 Abs. 1 G K G nur bei völligem Freispruch entsteht (vgl. L a u t e r b a c h Kostengesetze Anm. 1 zu § 77 GKG). Wenn schon in einem solchen Fall kein besonderes Bedürfnis für die Verteilung der Gebühr besteht (anders bei den gerichtlichen Auslagen, vgl. Anm. 2), ist sie doch nach dem Wortlaut des § 471 Abs. 3 nicht ausgeschlossen. Bei Straffreierklärung (§ 468) trägt, wenn der für straffrei Erklärte nicht in die Kosten verurteilt wird, der Privatkläger die Kosten einschließlich der Gebühr des § 77 Abs. 1 G K G ; wird der Angeklagte in die Kosten verurteilt, so trägt er die Gebühr des § 70 Abs. 2 G K G (vgl. Anm. 1 zu § 468). § 471 Abs. 3 ermöglicht eine Verteilung auch dieser Gebühren, da mit der Straffreierklärung den auf Verurteilung zu Strafe gerichteten Anträgen des Privatklägers nur zum Teil entsprochen ist. Wegen der Anwendbarkeit des § 471 Abs. 3 in der Rechtsmittelinstanz §473.

vgl. Anm. B zu

2. Zu Absatz 3 Nr. 1. a) Bei der Frage, wann den „Anträgen des Privatklägers nur zum Teil entsprochen ist", kommt es auf einen Vergleich zwischen Eröffnungsbeschluß und Urteil an (OLG Schleswig SchlHA 1957 164). Abs. 3 Nr. 1 findet keine Anwendung, wenn das Gericht auf eine mildere Straftat oder ein geringeres Strafmaß erkennt, als der Privatkläger beantragte (OLG Stuttgart A l s b e r g Entsch. 3 325; R i ß SeuffBl. 72 699). Sein Antrag braucht nicht auf eine mildere Strafe gerichtet zu sein. Hat der Eröffnungsbeschluß mehrere selbständige Handlungen zum Gegenstand, und ist der Angeklagte nur wegen eines Teils verurteilt, im übrigen freigesprochen oder das Verfahren eingestellt, so bemißt sich die Frage, ob der Privatkläger mit seinen Anträgen vollen oder nur teilweisen Erfolg hat, nach dem Gesamtgegenstand der Privatklage, nicht etwa — wie im Fall des § 465 Abs. 1 — danach, ob er mit seinen Anträgen hinsichtlich der einzelnen Straftat voll durchdringt oder nicht (so auch OLG Darmstadt A l s b e r g Entsch. 3 326; Celle GA 69 476; Rostock HRR 1928 195; Dresden JW 1933 487; Braunschweig HRR 1935 Nr. 229; BayObLGSt. 1952 77; 1958 76; M ü l l e r - S a x Anm. 5 a ; R i ß SeuffBl. 72 699). Das Bedürfnis für eine Kostenverteilung ergibt sich hier aus der Erwägung, daß zwar der Verurteilte nach der Regel des § 465 Abs. 1 die Kosten (und demgemäß auch nach § 471 Abs. 1 die Auslagen des Privatklägers) nur insoweit trägt, als er verurteilt ist. Aber es können erhebliche Auslagen entstanden sein, sie sich sowohl auf die Fälle der Verurteilung, wie auf die der Freisprechung beziehen, und die oft schwierige Frage, welche Auslagen auf die eine oder andere Tat entfallen, erledigt § 471 Abs. 3 Nr. 1 — den besonderen Bedürfnissen des Privatklageverfahrens Rechnung tragend — dadurch, daß er hier eine Verteilung nach Ermessensgrundsätzen zuläßt. Ein Teilerfolg der Anträge liegt auch vor, wenn der Privatkläger im Lauf des Verfahrens die Klage auf einzelne der erhobenen Vorwürfe beschränkt und sie damit im übrigen zurücknimmt oder wenn statt Verurteilung Straffreierklärung erfolgt (vgl. Anm. III 2). b) Weitere Fälle überschießenden Anklagevorwurfs. Abweichend von der älteren Rechtsprechung, die das Anwendungsgebiet der Nr. 1 in der Hauptsache auf den Fall der Tat2544

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 471 Anm. A VI 2 mehrheit beschränkte (vgl. die Nachw. in Anm. 9 der Voraufl.), wendet die neuere Rechtsprechung mit Recht Abs. 3 Nr. 1 auch auf die Fälle der Tateinheit, der Gesetzeskonkurrenz und der fortgesetzten Handlung an (BayObLGSt. 1932 30; OLGe Celle GA 69 476; Darmstadt A l s b e r g Entsch. 3 326; Naumburg GA 71 66 = HRR 1926 Nr. 1000; Rostock H R R 1928 Nr. 195; Braunschweig NdsRpfl. 1955 218; Marienwerder DStR 1938 200, wohl auch Dresden JW 1933 487; z. T. a. M. E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 23, 24). Danach ist eine Ermessensentscheidung möglich, wenn das Gericht bei tateinheitlichem Zusammentreffen mehrerer Strafgesetze einen rechtlichen Gesichtspunkt ablehnt oder bei einer fortgesetzten Handlung, die in der Klage angenommen war, einige unselbständige Einzelhandlungen als unbewiesen ausscheidet, wobei aber eine Fortsetzungstat übrigbleibt, oder wenn es sonst hinter dem Schuldvorwurf der Privatklage zurückbleibt, z. B. bei Privatklage wegen übler Nachrede (§ 186 StGB) nur wegen Beleidigung verurteilt (OLG Braunschweig NdsRpfl. 1955 218) oder einen Teilvorgang aus der im Eröffnungsbeschluß angenommenen natürlichen Handlungseinheit ausscheidet (BayObLGSt. 1962 139). Das war — vor der Einfügung des § 465 Abs. 2 — eine Abweichung von dem Grundsatz des § 465 Abs. 1, die damals rechtsgeschichtlich erklärt wurde (vgl. OLG Braunschweig NdsRpfl. 1955 218): vor Schaffung der RStPO wurde in einigen Ländern, insbesondere in Preußen das Privatklageverfahren wegen Beleidigung nicht nach straf-, sondern nach zivilprozessualen Regeln durchgeführt, so daß Raum blieb für eine Kostenverteilung nach Maßgabe der zivilprozessualen Vorschriften wie sie heute § 92 ZPO vorsieht, und diese Entwicklung wirkte in § 471 Abs. 3 Nr. 1 nach. Seit Schaffung des § 465 Abs. 2 (vgl. dessen Satz 2) besteht aber zwischen dem Privatklageund dem Offizialverfahren insoweit kein grundsätzlicher, sondern nur noch ein technischer Unterschied; damit sind abweichende Auffassungen über die Bedeutung der Nr. 1 (vgl. E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 24) überholt. c) Schließlich ist §471 Abs. 3 Nr. 1, da sein Wortlaut und Sinn nicht entgegensteht, auch anwendbar, wenn von mehreren Angeklagten ein Teil verurteilt, ein anderer freigesprochen wird (BayObLGSt. 1957 190 = JZ 1958 180 = Rpfleger 1958 182; früher streitig; vgl. Nachweise Anm. 9 a der 20. Aufl.); doch ist die Verteilungsbefugnis hier dadurch eingeschränkt, daß dem in vollem Umfang Freigesprochenen keine Kosten auferlegt und der Verurteilte nicht zur Tragung von Kosten herangezogen werden darf, die ausschließlich durch das Verfahren gegen den Freigesprochenen erwachsen sind (BayObLG aaO.). d) Unanwendbar ist dagegen § 471 Abs. 3 Nr. 1, wenn der Angeklagte mehreren durch dieselbe Tat verletzten Privatklägern gegenübersteht und nur ein Teil der Privatkläger obsiegt, während der andere unterliegt (BayObLG JW 1931 1877) oder wenn von mehreren Privatklägern einer stirbt und insoweit das Verfahren eingestellt wird (BayObLGSt. 1960 141); hier fallen dem unterlegenen Privatkläger die Mehrauslagen zur Last, die dem Angeklagten durch seine Beteiligung entstanden sind. Notfalls — bei mangelnder Ausscheidbarkeit — müßten allerdings die Mehrauslagen bruchteilmäßig bestimmt werden. e) Ermessensrichtlinien. Bei der Verteilung nach pflichtmäßigem Ermessen gibt im allgemeinen das Verhältnis des erstrebten zu dem erreichten Erfolg den Ausschlag. Eine Auferlegung der Kosten in vollem Umfang auf den einen oder anderen wird in Betracht kommen, wenn das Ergebnis der Entscheidung in der Sache nahezu einem vollen Obsiegen oder nahezu einem vollen Ausbleiben des erstrebten Erfolgs entspricht. Im übrigen kann die Verteilung je nach Sachlage nach den drei Kostenmassen (Gerichtskosten, Auslagen des Privatklägers, Auslagen des Angeklagten) oder nach Bruchteilen der zusammengerechneten Massen erfolgen (OLG Braunschweig NdsRpfl. 1955 218). Im ersteren Fall können z.B. die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte, und jeder Partei die Tragung ihrer eigenen Auslagen auferlegt werden, oder es kann der Angeklagte zur Tragung der Gerichtskosten, seiner eigenen Auslagen und der Hälfte der Auslagen des Privatklägers verurteilt werden. Die Kostenverteilung kann auch einzelne bestimmte Auslagen zum Gegenstand haben, etwa daß der Angeklagte von den Auslagen des Privatklägers nur die durch die Zuziehung eines Anwalts entstandenen Kosten zu tragen hat; statt Auferlegung eines quotenmäßigen Bruchteils der Auslagen des Gegners kann wohl auch zur Ersparung weiterer Streitigkeiten im Kostenfestsetzungsverfahren (§ 464 b) die Leistung eines zahlenmäßig bestimmten Beitrags zu den Auslagen des anderen Teils auferlegt werden. Bei einer Verteilung nach Bruchteilen 2545

§471 Anm. A VI 3,4

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

(„Von den Gerichtskosten und den notwendigen Auslagen der Parteien trägt der Angeklagte V3, der Privatkläger V3") wird die Entscheidung über Umfang und Höhe der ausgleichsfähigen Parteiauslagen in das Verfahren nach §464b verlagert; eine solche Entscheidung empfiehlt sich daher nicht, wenn schon vor Erlaß der Kostenentscheidung voraussehbar ist, daß im Kostenfestsetzungsverfahren Streit entstehen wird, der durch eine anderweitige Kostenentscheidung ausgeschlossen werden kann. Ausgeschlossen von der Kostenverteilung sind die Kosten der Vollstreckung, darunter auch die der Urteilsveröffentlichung nach zuerkannter Veröffentlichungsbefugnis und die Kosten einer im Urteil ausgesprochenen Einziehung oder Vernichtung; diese trägt der Angeklagte. 3. Zu Absatz 3 Nr. 2. a) Die Vorschrift enthält eine Ausnahme von § 471 Abs. 2. Dem entspricht im Offizialverfahren die Durchbrechung des Grundsatzes des § 467 Abs. 1 durch § 467 Abs. 4. Die Verteilung nach Ermessensgrundsätzen bereitet hier besondere Schwierigkeiten, wenn die Einstellung bereits im Eröffnungsstadium erfolgt, weil nach den Klagebehauptungen bei Unterstellung einer Schuld des Privatbeklagten Geringfügigkeit vorliegt. Bringen Ermittlungen über die Schuld, die im Stadium vor Eröffnung als zulässig anzusehen sind, keine hinreichend deutlichen Anhaltspunkte für eine Schuld des Privatbeklagten, so muß es bei der Regel des § 471 Abs. 2 bleiben, daß der Privatkläger die Kosten und Auslagen des Gegners bei Einstellung zu tragen hat. Nur wenn eine, wenn auch nur geringe Schuld des Beklagten festgestellt oder wenigstens sehr wahrscheinlich geworden ist, kommt eine Verteilung nach Ermessensgrundsätzen in Betracht. Im allgemeinen werden ihm dann die Gerichtskosten (vgl. Anm. VI 1) aufzuerlegen sein, während es je nach den Umständen dem Privatkläger zuzumuten ist, seine eigenen Auslagen in vollem Umfang oder teilweise zu tragen, wenn es sich um relativ geringfügige Beleidigungen, wie Belegung mit Tiernamen usw. im Verlauf einer erregten Auseinandersetzung handelt. Eine Belastung des Privatklägers allein kann namentlich in Betracht kommen, wenn der Beschuldigte zur Tat gereizt worden ist. b) Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung. Zu der streitigen Frage, ob die Kostenentscheidung nach § 464 Abs. 3 Satz 1 anfechtbar ist, wenn der Einstellungsbeschluß des Berufungsgericht nach § 390 Abs. 5 Satz 2 unanfechtbar ist, vgl. Anm. V 3 zu § 464. Über die Behandlung der Anwaltsvergütung, wenn der anwaltlich vertretene Privatkläger gegen die Einstellung im 1. Rechtszug sofortige Beschwerde eingelegt hat, vgl. S c h m i d t MDR 1968 469. 4. Zu Absatz 3 Nr. 3. a) Nach Nr. 3 ist das Gericht zu angemessener Verteilung schon befugt, wenn Widerklage (§ 388) erhoben worden ist; ob auf die Widerklage der Privatkläger verurteilt oder freigesprochen worden ist, ist ohne Bedeutung. Gerichtsgebühren werden bei Widerklage nach Maßgabe des § 79 GKG erhoben, im übrigen entstehen durch die Erhebung der Widerklage und das weitere durch sie veranlaßte Verfahren keine besonderen Gerichtsgebühren; die Belastung mit den Gerichtskosten richtet sich nach § 465 Abs. 1. Durch die Widerklage erhöhen sich auch weder die Gebühren des vom Privatkläger zur Wahrnehmung seiner Rechte bestellten Anwalts noch die des vom Angeklagten bestellten Verteidigers (§ 94 Abs. 2 BRAGebO). Hinsichtlich der Auslagen des Gerichts und sonstiger notwendiger Auslagen der Parteien ist in weitem Umfang eine Ausscheidung der durch die Privatklage verursachten Auslagen von den durch die Widerklage verursachten nicht möglich, da die Zeugen usw. oft von beiden Parteien benannt sind. Daraus ergibt sich das Bedürfnis für eine angemessene Verteilung. Im übrigen ist, wenn auf Privatklage und Widerklage hin verurteilt wird, eine Kostenverteilung durch die zivilprozessualen Kostenvorschriften (§ 92 ZPO) nahegelegt, die eine Sonderung der Kosten von Klage und Widerklage ausschließen (vgl. dazu oben Anm. VI 2 a). Wird nur der eine Teil verurteilt und der andere freigesprochen (z. B. auf die Privatklage der Angeklagte verurteilt, auf seine Widerklage der Privatkläger freigesprochen), so entfallt das Bedürfnis und der innere Grund für eine Verteilung; der Angeklagte trägt dann alle Kosten und Auslagen. Die Verteilungsbefugnis bleibt aber auch bestehen, wenn die Widerklage rechtskräftig erledigt ist, z. B. wenn der verurteilte Angeklagte nur gegen 2546

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer) § 471 Anm. A VII 1,2; VIII; IX die Verurteilung, nicht gegen den Freispruch des Privatklägers auf die Widerklage hin Berufung eingelegt hat; wird er dann in der Berufungsinstanz freigesprochen, so können die Kosten verteilt werden, nicht anders, afs wenn bereits im 1. Rechtszug auf beide Klagen hin Freispruch erfolgt wäre (ebenso OLG Hamm MDR 1953 411). Wegen der Anwendbarkeit des § 471 Abs. 3 in der Rechtsmittelinstanz vgl. im übrigen B zu § 473. b) Für die angemessene Verteilung kann u. a. auch maßgebend sein, ob durch die Klage oder die Widerklage besonders hohe Kosten für eine Beweisaufnahme entstanden sind; das kann durch Ausscheidung des Postens, aber auch durch entsprechende Erhöhung oder Verminderung der Quoten bei bruchteilsmäßiger Verteilung berücksichtigt werden. Auch im Fall der Widerklage können einer Partei, die zwar für schuldig befunden, aber für straffrei erklärt wird, Kosten auferlegt werden; das oben (Anm. III 2) Bemerkte gilt hier entsprechend. VII. Gesamtschuldnerische Haftung (Absatz 4). 1. Mehrere Privatkläger. Mehrere Privatkläger haften als Gesamtschuldner, und zwar sowohl für die Gerichtskosten, soweit sie von ihnen zu tragen sind, als auch für die ihnen zur Last fallenden notwendigen Auslagen des Beschuldigten. Eine gesamtschuldnerische Haftung für die eigenen Auslagen der Privatkläger ist in § 471 Abs. 4 nicht ausgesprochen. Sie kann sich aber aus anderen Vorschriften ergeben; wegen der Haftung für das Honorar des gemeinschaftlich bestellten Rechtsanwalts vgl. § 6 BRAGebO. 2. Mehrere Beschuldigte. Für die Gerichtsgebühren haftet jeder für seine eigene Person nach Maßgabe der gegen ihn erkannten Strafe (§ 69 GKG). Für die gerichtlichen Auslagen haften sie gesamtschuldnerisch nach §466. §471 Abs. 4 Satz 2 erweitert diese gesamtschuldnerische Haftung auf die dem Privatkläger entstandenen notwendigen Auslagen. Da § 471 Abs. 4 Satz 2 lediglich die folgerichtige Weiterführung des dem § 466 zugrunde liegenden Gedankens (vgl. Anm. 11 zu § 466) bedeutet, kommt auch hier die gesamtschuldnerische Haftung nur in Betracht, wenn sie „in bezug auf dieselbe Tat" verurteilt sind; eine Haftung aus dem zufalligen Umstand, daß der Angeklagte mit anderen, wegen anderer Taten Angeklagten zusammen abgeurteilt wird, würde jeder Berechtigung entbehren (ebenso BayObLG HRR 1926 Nr. 999 = ZStW 47 Beü. 219; BayZ 22 196; JW 1927 2061 = LZ 21 916; vgl. auch BayObLG ZStW 47 HRR 323; LG Amberg NJW 1952 398; MüllerSax 8b; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 30; a. M. OLG München Bd. 7 387; Karlsruhe HRR 1925 Nr. 649). Auch hier bedarf es keines ausdrücklichen Ausspruchs über die gesamtschuldnerische Haftung und auch hier gilt — wie im Fall des § 466 (vgl. dort Anm. III 3) —, daß es nicht darauf ankommt, ob die Verurteilung in die Kosten in der gleichen Hauptverhandlung und in demselben Urteil erfolgt. § 471 Abs. 4 Satz 2 gilt vielmehr z. B. auch, wenn das erstinstanzliche Urteil gegen den einen Angeklagten rechtskräftig wird, während das verurteilende Erkenntnis gegen den zweiten Angeklagten auf dessen Berufung hin vom Berufungsgericht in Einstellung wegen Geringfügigkeit unter Auferlegung sämtlicher Kosten und Auslagen umgewandelt wurde (ebenso LG Amberg NJW 1952 398); die Haftung beschränkt sich dann naturgemäß auf die notwendigen Auslagen des Privatklägers in 1. Instanz. Legen beide verurteilten Angeklagten erfolglos Rechtsmittel ein, so erscheint die gesamtschuldnerische Haftung auch für die notwendigen Auslagen des Privatklägers in der Berufungsinstanz begründet. — Der Rechtsanwalt des Privatklägers erhält im Privatklageverfahren gegen mehrere Beschuldigte nur einmal die Gebühr aus §§ 94, 83 Abs. 1 Nr. 3 BRAGebO (LG Amberg aaO.); wegen der gerichtlichen Gebühren einer Privatklage gegen mehrere Beschuldigte s. § 81 GKG. VIII. Wegen des Umfangs der erstattungsfähigen notwendigen Auslagen vgl. die Anm. zu § 464 a Abs. 2. Zu ihnen gehören auch die Kosten des Sühneversuchs (§ 380). IX. Nach § 80 Abs. 2 JGG kann auch ein Jugendlicher Privatkläger sein, und es ist gegen einen jugendlichen Privatkläger Widerklage zulässig. Dann kann sowohl bei einer Kostenverteilung nach § 471 Abs. 3 Nr. 3 wie auch bei einem Freispruch des Angeklagten und Verurteilung des Jugendlichen gemäß § 74 JGG (vgl. Vorbem. 5 a vor § 464) davon abgesehen werden, dem Jugendlichen Kosten und notwendige Auslagen des Gegners aufzuerlegen ( D a l l i n g e r - L a c k n e r Rdn. 18 zu § 74). Eine andere Frage ist, ob es angebracht 2547

§ 471 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. B 11,2 ist, den Jugendlichen von notwendigen Auslagen des Gegners zu entbinden, wenn er sehenden Auges die Widerklage durch vorgängige Erhebung der Privatklage hervorgerufen hat. Da § 74 JGG nur im Verfahren gegen einen Jugendlichen Anwendung findet, verbleibt es bei der Vorschrift des § 471, wenn der Jugendliche Privatklage erhebt, ohne daß Widerklage erhoben wird; unter den Voraussetzungen des §471 Abs. 2 ist er dann sowohl mit den Kosten des Verfahrens wie mit den notwendigen Auslagen des Beschuldigten zu belasten. B. Auslagenerstattung bei Nebenklage. Die Lücke der geltenden Kostenregelung, die darin besteht, daß die kostenrechtlichen Auswirkungen der Nebenklage nicht geregelt sind (vgl. dazu Anm. V zu § 465), hat die Auslegung dadurch überbrückt, daß sie aus § 397 herleitet, der Nebenkläger habe, soweit es sich um die Erstattung seiner notwendigen Auslagen handelt, die gleichen Rechte wie der Privatkläger. I. Verurteilung. 1. Der in die Verfahrenskosten verurteilte Angeklagte hat wie im Privatklageverfahren dem Privatkläger, so im Offizialverfahren dem Nebenkläger die erwachsenen notwendigen Ausgaben zu erstatten (allg. M.; vgl. z. B. statt vieler Zitate RGSt. 41 349; 44 333; OLG Zweibrücken NJW 1970 2307). Zu der Frage, ob die Erstattungspflicht eines Ausspruchs in der Entscheidung bedarf, vgl. Anm. II 3 b, d zu § 464. Voraussetzung der Erstattungspflicht ist aber eine wirksame Zulassung; einem zu Unrecht als Nebenkläger Zugelassenen werden die durch ein erfolgloses Rechtsmittel des Angeklagten erwachsenen Auslagen auch dann nicht erstattet, wenn der Angeklagte die Zulassung und das Auftreten als Nebenkläger nicht beanstandet hatte (BayObLGSt. 1971 56 = MDR 1971 597). 2. Der Begriff des Verurteilten ist dabei der gleiche wie in § 465 Abs. 1: Verurteüter ist auch der wegen Zurechnungsunfahigkeit Freigesprochene, wenn gem. § 42 b StGB gegen ihn die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt oder gem. § 42 m StGB die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet wird. Im Privatklageverfahren kommt dies nicht in Betracht, weil nach § 384 Abs. 1 Maßregeln der Sicherung und Besserung nicht angeordnet werden dürfen; diese Einschränkung entfallt aber bei der Nebenklage (ebenso BayObLGSt. 1954 43 = NJW 1954 1090). Eine entsprechende Anwendung des §471 Abs. 3 Nr. 1 kommt, wenn das Urteil hinter den Anträgen des Nebenklägers zurückbleibt, im ersten Rechtszug nicht in Betracht, weil diese Vorschrift nur dem zivilprozessuale Züge tragenden Verhältnis vom Privatkläger zum Angeklagten gemäß ist, also nicht paßt, wenn sich der Nebenkläger lediglich im Rahmen des von der Staatsanwaltschaft betriebenen Verfahrens unterstützend betätigt (vgl. BGHSt. 15 60 und M ü l l e r - S a x Anm. 3c zu § 471; wegen des Rechtsmittelverfahrens dagegen vgl. Anm. C I 1 d zu § 473). Wird von zwei Mitangeklagten einer freigesprochen, und der andere verurteilt, so hat der Verurteilte die Kosten des Anwalts des Nebenklägers in vollem Umfang zu tragen, denn der Anwalt erhält keine höheren Gebühren, als wenn das Verfahren sich nur gegen den Verurteilten gerichtet hätte (LG Stade NJW 1961 1492). — Da der Tod des Nebenklägers den Fortgang des Verfahrens im ersten Rechtszug (und in einem nicht von ihm selbständig veranlaßten Rechtsmittelverfahren) nicht berührt, hat der Verurteilte auch hier dessen Auslagen dem Nachlaß zu erstatten (OLG Stuttgart NJW 1960 115; LG Heidelberg „Die Justiz" 1963 38). Bei Widerruf der Anschlußerklärung (§ 402) trifft den demnächst verurteilten Angeklagten keine Pflicht, dem Nebenkläger die bis zum Widerruf erbrachten Auslagen zu erstatten; eine gleichwohl im Urteil ausgesprochene Verpflichtung zur Auslagenerstattung muß im Rechtsmittelweg beseitigt werden (BayObLGSt. 1953 165). — Der Verurteilte hat auch die dem Nebenkläger vor dem Anschluß erwachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten (KG GA 61 Bd. 363 = A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 347; a.M. OLG Kassel GA Bd. 54 100). Wegen der Beteiligung des Nebenklägers am Strafbefehlsverfahren s. Anm. 10 zu § 407, wegen der Kostenregelung, wenn der Nebenkläger selbständig Rechtsmittel einlegt, vgl. Anm. C I zu § 473; wegen des Erstattungsanspruchs des Nebenklägers im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende s. Vorbem. 5 vor § 464. Für einen Kostenvergleich zwischen dem Beschuldigten 2548

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 471

Anm. B I 3 und dem Nebenkläger gilt § 470. Der Umfang der erstattungsfähigen Auslagen richtet sich nach § 464 a Abs. 2. 3. Verurteilung aus einem nicht die Zulassung zur Nebenklage rechtfertigenden Gesetz. a) Die Erstattungspflicht des Verurteilten setzt nach der heute herrschenden Rechtsprechung (wegen inzwischen aufgegebener abweichender Auffassungen vgl. die Darstellung in Anm. 7 c der Voraufl.) nicht voraus, daß die Verurteilung wegen eines die Zulässigkeit der Nebenklage begründenden Delikts erfolgt; genügend, aber auch erforderlich ist vielmehr, daß die Verurteilung wegen der Tat (i. S. des § 264) auf einer Norm beruht, die ein dem Nebenkläger (im Fall des § 395 Abs. 2 Nr. 1: dem getöteten Verwandten des Nebenklägers, BGH NJW 1960 1311 = MDR 1960 601; OLG Stuttgart NJW 1959 1455) persönlich zustehendes Rechtsgut unmittelbar schützt, ohne Rücksicht darauf, ob der rechtliche Gesichtspunkt, aus dem die Verurteilung erfolgt, zu den nach §§ 395, 374 nebenklagefähigen gehört oder nicht, sofern die Verletzung dieser Norm ursächlich war für die Verletzung des dem Nebenkläger persönlich zustehenden Rechtsguts (BGHSt. 11 195; 15 60; 16 168; BayObLG NJW 1968 1732; Rpfleger 1971 110; OLGe Frankfurt VRS 37 454; Celle AnwBl. 1971 21). Diese Voraussetzung ist auch z.B. gegeben, wenn die Anklage auf Vergehen nach §316 StGB und fahrlässige Körperverletzung lautet, Verurteilung aber nur wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, § 1 StVO erfolgt und diese Ordnungswidrigkeit ursächlich für die Körperverletzung war. § 1 StVO dient zwar in erster Linie der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs, will aber auch unmittelbar die Gefährdung einzelner abwehren, und an diesem Schutzcharakter hat sich auch durch die Umwandlung der früheren Verkehrsübertretungen in Verkehrsordnungswidrigkeiten nichts geändert (vgl. BGHSt. 12 284; BayObLGSt. 1968 36, 38 = VRS 35 440; Rpfleger 1971 110). Die Erstattungspflicht entfallt dagegen, wenn die festgestellte Tat keine Beziehung zu dem Nebenklagedelikt hat, weil sie sich nicht gegen den Nebenkläger richtete, insbesondere nicht ursächlich für die Verletzung eines ihm persönlich zustehenden Rechtsguts gewesen ist (OLGe Celle NJW 1956 1611; Nürnberg AnwBl. 1971 183; LGe Aachen AnwBl. 1971 210; Krefeld AnwBl. 1972 101). Bei Verurteilung wegen schuldhaften Selbstberauschens (§ 330a StGB) ist der Nebenkläger erstattungsberechtigt, wenn sich die Rauschtat gegen ihn gerichtet hat (BGHSt. 20 284 = NJW 1966 115 = LM Nr. 5 zu § 397 m. Anm. H e n g s b e r g e r ; LG Bremen NJW 1972 698 = MDR 1972 344). b) Einzelfälle. Die Erstattungspflicht entfallt, wenn aus Anlaß eines Verkehrsunfalls der Nebenkläger sich dem Verfahren unter dem Gesichtspunkt der fahrlässigen Körperverletzung angeschlossen hat, die Verurteilung aber nur wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit erfolgt, die im Interesse der allgemeinen Verkehrssicherheit mit Geldbuße bedroht ist, und zwischen dieser Ordnungswidrigkeit und der Körperverletzung kein ursächlicher Zusammenhang besteht (BGHSt. 11 195 = NJW 1958 511). Das gleiche gilt, wenn bei Anklage wegen Körperverletzung, Straßenverkehrsgefahrdung und anschließender Verkehrsunfallflucht Verurteilung nur wegen Unfallflucht erfolgt (BGH VRS 17 424; OLG Hamm DAR 1961 344). Erfolgte dagegen die Verurteilung des wegen fahrlässiger Tötung Angeklagten zwar nur wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit, bezweckte aber die verletzte Norm auch den Schutz des getöteten Verkehrsteilnehmers und war ihre Verletzung für die Tötung ursächlich, so ist Überbürdung der Nebenklägerauslagen geboten (BayObLG Rpfleger 1971 110). War die Nebenklage wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung zugelassen und wird wegen versuchter Notzucht (§ 177 StGB) verurteilt, so ist der Verurteilte der Nebenklägerin erstattungspflichtig, weil die Verurteilung auf einer Strafnorm beruht, die ein der Nebenklägerin persönlich zustehendes Rechtsgut (Geschlechtsehre) schützt (BGHSt. 15 60). Wird der Angeklagte hinsichtlich der die Nebenklage begründenden Tat freigesprochen und wegen einer im Anschluß daran begangenen weiteren Tat, die nicht zu den Nebenklagedelikten gehört, die aber erst durch die Verneinung des Anklagedelikts selbständige strafrechtliche Bedeutung gewann, verurteilt (Beispiel: der Angeklagte wird von der Anklage der Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen, aber wegen unterlassener Hilfeleistung gegenüber dem zuvor von einem Mitangeklagten niedergeschlagenen Opfer verurteilt), so entfallt die Erstattungspflicht, weil ein rein tatsächlicher Zusammenhang zwischen den beiden Geschehensabläufen nicht genügt (OLG Hamm NJW 1962 359 = GA 2549

§ 471

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Anm. B II; III 1 - 3 1962 348). Wird der Angeklagte nur wegen einer von zwei in Tateinheit stehenden Straftaten verurteilt, so muß in der Kostenentscheidung zum Ausdruck kommen, daß er nicht mit den Kosten der die zweite Straftat betreffenden und nicht zur Verurteilung führenden Nebenklage belastet ist (LG Aachen AnwBl. 1971 210). II. Freispruch und Außerverfolgungsetzung. Wird der Angeklagte freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt, so treffen den Nebenkläger nicht die notwendigen Auslagen des Beschuldigten, da er — anders als der Privatkläger (§ 471 Abs. 2) — das Verfahren nicht selbständig betrieben, sondern sich lediglich einem von Amts wegen betriebenen Verfahren unterstützend angeschlossen hat; dies gilt auch dann, wenn der Nebenkläger, etwa durch erfolglose Beweisanträge, die Auslagen des Angeklagten verursacht hat (RGSt. 15 190; 31 230; 40 411; 53 304; BGHSt. 11 189, 191, 197; 15 60, 61; OLG Hamm JMB1. NRW 1955 81) oder wenn er durch Einlegung der Beschwerde die Eröffnung des Hauptverfahrens herbeigeführt hat (LG Wuppertal AnwBl. 1971 183). Der Nebenkläger hat dann seine Auslagen selbst zu tragen — ohne daß es eines besonderen Ausspruches bedarf —, während die Auslagen des Besch, nach Maßgabe des § 467 der Staatskasse zur Last fallen. Die durch Anträge des Nebenklägers der Staatskasse entstandenen Auslagen sind, wie sich aus § 114 Abs. 2 GKG ergibt, gerichtliche Auslagen und fallen, wenn der Angeklagte unverurteilt bleibt, endgültig der Staatskasse zur Last. Der Nebenkläger kann nur gegebenenfalls auf Grund von Sonderbestimmungen, wie §§ 469, 470, 472a zum Auslagenersatz herangezogen werden (RGSt. 46 411; 49 434). Zu der Frage, ob der Nebenkläger im Wege des Zivilprozesses vom freigesprochenen Verletzten Ersatz seiner Auslagen des Strafverfahrens verlangen kann, vgl. Vorbem. 8 vor § 464. Erstattungsansprüche des Nebenklägers entfallen auch beim Tod des Angeklagten vor rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens (OLG Celle NJW 1971 2182). III. Einstellung des Verfahrens. Die gleichen Grundsätze wie bei dem Freispruch gelten grundsätzlich auch bei Einstellung des Verfahrens. Doch ergeben sich hier Abweichungen und Zweifel. 1. Bei Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses wird der Angeklagte wegen seiner notwendigen Auslagen nach Maßgabe des § 467 (vgl. dort Abs. 3 Satz 2 Nr. 2) aus der Staatskasse entschädigt, während der Nebenkläger seine Auslagen selbst trägt (s. dazu auch unten zu 4). 2. Zweifelhaft kann sein, ob dies auch gilt, wenn das Gericht gemäß § 153 a Abs. 2, z. B. in Anwendung des § 16 StGB, das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß einstellt. Im praktischen Ergebnis (= materiell) handelt es sich bei dieser „Einstellung", die der Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten bedarf, um die Vorwegnahme eines Absehens von Strafe, die nach Beginn der Hauptverhandlung durch Urteil erfolgt und als Verurteilung (§ 465 Abs. 1 Satz 2) die Belastung des Angeschuldigten mit den Auslagen des Nebenklägers zur Folge hat. Mit LG Kreuznach MDR 1972 341 ist davon auszugehen, daß der materielle Charakter der „Einstellung" als vorweggenommenes gerichtliches Absehen von Strafe den Ausschlag gibt und zur Belastung des Angeschuldigten mit den Auslagen des Nebenklägers führt. 3. Bei einer Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 153 Absatz 3 ist streitig, ob der Nebenkläger seine Auslagen selbst trägt oder ob nicht §471 Abs. 3 Nr. 2 entsprechend anwendbar ist. Nicht streitig ist dabei, daß Auslagen des Nebenklägers keinesfalls der Staatskasse auferlegt werden können; für eine solche Überbürdung gibt es keine Rechtsgrundlage (allg. M.; vgl. z. B. OLGe Hamm NJW 1971 292; VRS 42 36; Hamburg NJW 1970 468, 1467 = MDR 1970 609; VRS 39 279; Nürnberg KostRspr. § 473 Nr. 23; LG Heidelberg Justiz 1971 32). Auch können dem Nebenkläger nicht Kosten des Verfahrens oder Auslagen des Beschuldigten auferlegt werden. Die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten, soweit sie nicht nach § 467 Abs. 4 von einer Erstattung ausgenommen werden, trägt vielmehr nach § 467 Abs. 1 die Staatskasse. Der Streit geht nur darum, ob Auslagen des Nebenklägers ganz oder teilweise dem Beschuldigten auferlegt werden können. Dabei ist zu unterscheiden: 2550

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 471 Anm. B III 3

a) Bei Einstellung des Verfahrens im ersten Rechtszug verneint die h. M. mit Recht die entsprechende Anwendbarkeit des §471 Abs. 3 Nr. 2, d.h. der Nebenkläger muß seine Auslagen selbst tragen (vgl. OLGe. Stuttgart NJW 1969 855; Justiz 1971 221; 1972 161; Düsseldorf NJW 1969 2059 = MDR 1970 439; Celle NJW 1970 1201; 1971 2182; Nürnberg MDR 1970 784 - unter Aufgabe von OLG Nürnberg MDR 1970 67 - ; Hamm (3. StrSen.) MDR 1972 260; LGe. Stade NdsRpfl. 1970 210; Mannheim NJW 1969 246; vgl. auch Anm. 10 a der Voraufl.). Sie geht dabei davon aus, daß § 471 Abs. 3 Nr. 2 sich als Ausnahme von dem Grundsatz des § 471 Abs. 2 darstellt, § 471 Abs. 2 selbst aber — und damit auch die Ausnahme des Abs. 3 Nr. 2 — auf die besondere prozessuale Stellung des Privatklägers im Privatklageverfahren zugeschnitten und daher einer entsprechenden Anwendung auf den Nebenkläger im Ofiizialverfahren nicht zugänglich sei; wenn eine Belastung des Nebenklägers mit Auslagen des Angeklagten nicht möglich sei, gehe es auch nicht an, dem Angeklagten Auslagen des Nebenklägers aufzuerlegen. Die Gegenmeinung(vgl. OLGe. Zweibrücken NJW 19702307; Hamm NJW 1971 1471, 2000 = MDR 1971 963 (4. StrSen); Frankfurt NJW 1972 457; LGe. Mönchengladbach AnwBl. 1972 199; Nürnberg-Fürth AnwBl. 1971 294; Heidelberg Justiz 1971 32; AnwBl. 1970 298; AG Pforzheim AnwBl. 1968 327; R e i t b e r g e r NJW 1963 2260; Kl 3 B zu § 397) hält demgegenüber die entsprechende Anwendung des § 4 7 1 Abs. 3 Nr. 2 generell (so OLGe. Zweibrücken, Frankfurt aaO.) oder im Wege einer „vorsichtigen Analogie" wenigstens dann für zulässig und geboten, wenn die Staatsanwaltschaft aus Gründen des öffentlichen Verfolgungsinteresses wegen eines Privatklagedelikts (also nicht bei fahrlässiger Tötung) die öffentliche Klage erhebt (§ 376), und namentlich dann, wenn sie gemäß § 232 StGB wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen auch bei fehlendem Strafantrag für geboten erachtet (so OLG Hamm aaO.). Die Begründung wechselt. Nach OLG Zweibrücken aaO. ist kraft des § 397 Abs. 1 die Vorschrift des § 471 Abs. 2 in dem Sinn entsprechend anwendbar, daß der Nebenkläger seine Auslagen selbst trägt, und dieser Teil der Regelung des Abs. 2 führe zu einer entsprechenden Anwendbarkeit auch des §471 Abs. 3. OLG Hamm argumentiert: Wenn bei einer Erhebung der öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft diese mit ihrer Zustimmung zur Einstellung (§ 153 Abs. 3) das öffentliche Interesse (§ 376) oder gar das besondere öffentliche Interesse (§ 232 StGB) an der Verfolgung verneine, so müsse der Nebenkläger, der auf diese Entschließung der Staatsanwaltschaft keinen Einfluß habe, kostenrechtlich so gestellt werden, als ob die Staatsanwaltschaft von vornherein das öffentliche Interesse oder das besondere öffentliche Interesse verneint und den Verletzten auf den Weg der Privatklage verwiesen hätte und das vom Verletzten dann betriebene Privatklageverfahren wegen Geringfügigkeit mit der Folge der Anwendbarkeit des § 4 7 1 Abs. 3 Nr. 2 eingestellt worden wäre; den Nebenkläger schlechter zu behandeln als den Privatkläger bei Erhebung der Privatklage, erscheine nicht gerechtfertigt. Nach OLG Frankfurt läßt sich aus § 471 Abs. 3 nur entnehmen, daß er eine der Billigkeit entsprechende Kostenentscheidung im Einzelfall ermöglichen solle; deshalb könne § 471 Abs. 3 Nr. 2 ohne Einschränkung entsprechend angewendet werden. Die Begründungen für die Überbürdbarkeit der Nebenklägerauslagen auf den Angeklagten vermögen indessen nicht zu überzeugen. Gegen OLG Zweibrücken ist einzuwenden, daß der Nebenkläger, wenn der Angeklagte unverurteilt bleibt, seine Auslagen nicht kraft einer entsprechenden Anwendung des § 471 Abs. 2, sondern deshalb trägt, weil es an einer Vorschrift fehlt, die ihm das Risiko seiner erfolglosen Tätigkeit neben der Staatsanwaltschaft abnimmt; §471 Abs. 2 ist nicht etwa bezgl. der notwendigen Auslagen des Nebenklägers entsprechend anwendbar, sondern er ist, weil die Stellung des Nebenklägers hier nicht mit der des Privatklägers vergleichbar ist, überhaupt unanwendbar (oben Anm. B II). Es kann also nicht aus einer entsprechenden Anwendung des Abs. 2 die entsprechende Anwendbarkeit auch des Abs. 3 Nr. 2 gefolgert werden. Gegen OLGe Hamm und Frankfurt aaO. spricht, daß der Nebenkläger, wenn er sich — was ja offen ist — tatsächlich wegen Untätigkeit der Staatsanwaltschaft zu einer Privatklage entschlossen hätte, nicht nur besser hätte stehen können, weil seine Auslagen dem Angeklagten ganz oder teilweise hätten überbürdet werden können, sondern auch schlechter, indem er bei einer Entscheidung nach § 471 Abs. 3 Nr. 2 auch — neben seinen eigenen Auslagen — mit den Auslagen des Angeklagten hätte belastet werden können. Wird aber dem Nebenkläger — anders als dem Privatkläger — das Risiko einer Belastung mit den Auslagen des Angeklagten erspart, so kann 2551

§471 Anm. B I I I 4 ; IV

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

es nicht als ein zwingendes Gebot der Gerechtigkeit angesehen werden, das Risiko der Erfolglosigkeit seiner Bemühungen um eine Verurteilung des Angeklagten dadurch abzumildern, daß einseitig die Möglichkeit einer Abwälzung seiner Auslagen auf den Angeklagten eröffnet wird. Es unterscheidet sich eben die prozessuale Stellung des Nebenklägers auch in kosten- und auslagenrechtlicher Beziehung wesentlich von der des Privatklägers. b) Wird die Einstellung nach § 153 Abs. 3 erst im 2. Rechtszug beschlossen, so ist zu unterscheiden: Hat der Angeklagte gegen eine Verurteilung Rechtsmittel eingelegt und ist der Nebenkläger diesem nur neben der Staatsanwaltschaft entgegengetreten oder hat nur die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Berufung eingelegt und der Nebenkläger auch in der Rechtsmittelinstanz nur unterstützend gewirkt, so gelten die gleichen Grundsätze wie bei einer Einstellung nach § 153 Abs. 3 im 1. Rechtszug; § 471 Abs. 3 Nr. 2 ist unanwendbar (vgl. OLGe. Stuttgart NJW 1969 855; Justiz 1972 161; Düsseldorf MDR 1970 439; Hamm NJW 1970 2126 = VRS 39 433; VRS 42 36). An dieser Rechtslage ändert sich auch nichts, wenn die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger Berufung eingelegt haben (OLG Stuttgart Justiz 1971 221). Hat aber der Nebenkläger das Rechtsmittel allein betrieben, so liegt allerdings eine Verfahrenslage vor, in der der Nebenkläger einem Privatkläger vergleichbar dem Angeklagten gegenübersteht, und bei Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit erscheint eine entsprechende Anwendung des § 471 Abs. 3 Nr. 2 vertretbar und gerechtfertigt, wie dies auch bisher schon in den Fällen des Teilerfolgs eines Rechtsmittels des Nebenklägers angenommen wurde (vgl. OLG Hamm NJW 1970 2126 = VRS 39 433; NJW 1971 1471; MDR 1972 260; so wohl auch OLG Stuttgart NJW 1969 855). Dagegen fallen die (gerichtlichen) Kosten des Verfahrens der Staatskasse zur Last, denn wenn auch der Nebenkläger allein das Rechtsmittel eingelegt hat, so handelt es sich doch immer noch um ein Offlzialverfahren, und da den Angeklagten die Kosten nicht treffen können (§§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1), gibt § 471 Abs. 3 Nr. 2 auch keine Handhabe, den Nebenkläger mit Verfahrenskosten zu belasten (OLG Hamm NJW 1970 2126). 4. Bei Einstellung des Verfahrens durch Straffreiheitsgesetz trägt, wenn dieses nichts über die Auslagen bestimmt, der Nebenkläger seine Auslagen selbst (oben zu 1; S c h ä f e r JW 1938 1378). Die neueren Straffreiheitsgesetze regeln aber im allgemeinen die aus der Niederschlagung sich ergebenden auslagenrechtlichen Verhältnisse selbständig. So ermächtigte § 19 des Straffreiheitsges. 1954 das Gericht, die Auslagen des Nebenklägers zwischen ihm und dem Beschuldigten angemessen zu verteilen oder einem von beiden ganz aufzuerlegen. § 9 Abs. 3 des Straffreiheitsges. vom 20. 5. 1970 (BGBl. I 509) sieht vor, daß das Gericht die dem Nebenkläger und dem Angeschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen angemessen verteilen oder nach pflichtgemäßem Ermessen einem von ihnen auferlegen und sie auch der Staatskasse überbürden kann, wenn es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten; jedoch dürfen die Auslagen des Angeschuldigten dem Nebenkläger nur insoweit auferlegt werden, als sie durch ein vom Nebenkläger allein eingelegtes Rechtsmittel entstanden sind. IV. Der Nebenkläger als Mitangeklagter. Ist — eine in Verkehrsunfallsachen nicht seltene Erscheinung — einer der Mitangeklagten zugleich als Nebenkläger gegenüber einem anderen Mitangeklagten zugelassen, so will F r a n c k e NJW 1955 215 bei Verurteilung sowohl des Nebenklägers als Mitangeklagten wie des anderen Mitangeklagten auf den Erstattungsanspruch des Nebenklägers § 4 7 1 Abs. 3 Nr. 1, 3 entsprechend anwenden, das Gericht soll also zu einer Verteüung befugt sein: Der Nebenkläger siege teüs ob, indem der Mitangeklagte verurteilt werde, teils unterliege er durch seine eigene Verurteilung (ebenso L e c h l e i t n e r NJW 1959 895, der darüber hinaus allgemein im Fall eines Mitverschuldens des Nebenklägers eine Verteilungsbefugnis annimmt). Dagegen lehnt die h. M. (OLG Stuttgart NJW 1957 435; BayObLGSt. 1959 168 = VRS 18 298; W e i g e l t D A R 1962 15) mit Recht die entsprechende Anwendung des § 471 Abs. 3 Nr. 1 als (im ersten Rechtszug) unvereinbar mit dem Wesen des Offizialverfahrens und dem Anteil des Nebenklägers an diesem Verfahren ab (BGHSt. 15 60, 62 läßt die Frage offen). Durch ein etwaiges Mitverschulden des Nebenklägers wird sein prozessualer Anspruch auf Auslagenerstattung weder dem Grunde noch der Höhe nach berührt, weil das Mitverschulden des Nebenklägers nur für die Strafzumessung von Bedeutung ist. Auch wenn im nachfolgenden Zivilprozeß 2552

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer) § 4 7 1 Anm. B V; VI §472 das Mitverschulden des Nebenklägers festgestellt und zur Herabsetzung seiner Ersatzansprüche führen würde, könnte dann der Beklagte keine Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß (§ 464 b) erheben (LG Essen MDR 1956 231, a. M. J a c o b y MDR 1956 656). Nach M a r t i n i MDR 1957 400 soll das Mitverschulden des Nebenklägers im Verfahren nach § 4 6 4 b berücksichtigt werden können; dafür fehlt es aber an jeder gesetzlichen Grundlage. Der Anwalt, der zugleich Verteidiger und Nebenklägervertreter des Mitangeklagten ist, erhält nur eine einheitliche Gebühr (vgl. dazu G e r o l d - S c h m i d t Rdn. 7, 9 zu § 95 BRAGebO). Andererseits beschränkt sich der Erstattungsanspruch des mitverurteilten Nebenklägers auf diejenigen notwendigen Auslagen, die ihm in seiner Eigenschaft als Nebenkläger erwachsen sind, während er die ihm als Angeklagten entstandenen Auslagen selbst tragen muß (BayObLG VRS 18 298). Daraus werden unterschiedliche Folgerungen gezogen. Nach der einen Auffassung (vgl. LG Saarbrücken AnwBl. 1972 101) kommt eine Aufspaltung der einheitlichen Gebühr nicht in Betracht; der verurteilte Mitangeklagte hat die Vergütung des Rechtsanwalts des Nebenklägers ohne Abzug zu erstatten, da er die vollen Kosten der Nebenklage auch dann zu zahlen hätte, wenn der Mitangeklagte und Nebenkläger sich zweier Anwälte für die beiden verschiedenen Funktionen bediente. Den Vorzug verdient die Auffassung, daß der Nebenkläger nur Anspruch auf den Unterschied zwischen der Verteidigergebühr und der Erhöhung hat, die diese Gebühr durch die Übernahme der Vertretung des Nebenklägers erfahrt (LGe. HUdesheim JVB1. 1963 58; Regensburg NJW 1967 898; Bonn MDR 1971 776 m. abl. Anm. S c h m i d t ; Tübingen AnwBl. 1972 101). Zu der Frage, ob, wenn Verletzter und Verletzer zusammen angeklagt sind und der Verletzte freigesprochen, der Verletzer aber verurteilt wird, der Verletzte im Wege des Zivilprozesses von dem Verletzer Ersatz seiner Verteidigerkosten im Strafverfahren verlangen kann, vgl. Vorbem. 8 vor § 464. V. Auslagenfestsetzungsverfahren. Nach rechtskräftigem Abschluß des Strafverfahrens ist im Auslagenfestsetzungsverfahren (§ 464 b) der Rechtspfleger nicht befugt, die Berechtigung der Zulassung als Nebenkläger nachzuprüfen. Der Verurteilte kann also z. B. nicht dem Erstattungsanspruch des Nebenklägers gegenüber einwenden, die Zulassung sei mangels Rechtzeitigkeit zu Unrecht erfolgt (LG Bochum MDR 1956 438); dem Rechtspfleger ist die Nachprüfung von Einwendungen, die sich gegen den Grund des Erstattungsanspruchs richten, versagt; nur der Umfang der Erstattungspflicht unterliegt seiner Entscheidung (vgl. Anm. II zu §464b). Der Erstattungsanspruch des Nebenklägers mindert sich auch nicht dadurch, daß er in seiner Eigenschaft als Zeuge wegen unentschuldigten Ausbleibens in die Kosten des vertagten Termins verurteilt wurde. Dann kann zwar der Angeklagte gegen den Zeugen die Festsetzung der ihm durch die Vertagung entstandenen notwendigen Auslagen beantragen; dies berührt aber nicht den Erstattungsanspruch des Nebenklägers; eine Aufrechnung findet im Festsetzungsverfahren nicht statt (LG Bonn MDR 1971 775). Zu der streitigen Frage der Erstattungsfahigkeit der höheren Gebühr des § 6 BRAGebO, wenn ein Elternpaar als Nebenkläger auftritt und jeder Ehegatte dem gleichen Anwalt das Mandat erteilt, vgl. LG Kaiserslautern KostRspr. Nr. 21 zu § 471 m. Anm. L u e t g e b r u n e . VI. Wegen der Erstattung der Auslagen des Nebenklägers im Jugendgerichtsverfahren vgl. Vorbem. 5 a vor § 464.

§472 (1) Wird in dem Fall des § 175 der Angeschuldigte außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen, oder wird das Verfahren eingestellt, so sind auf den Antragsteller die Vorschriften des § 471 Abs. 2 bis 4 entsprechend anzuwenden. Das Gericht kann jedoch den Antragsteller von der Tragung der Kosten ganz oder teilweise befreien. (2) Der Antragsteller ist zu hören, bevor eine Entscheidung zu seinem Nachteil ergeht. Entstehungsgeschichte.: Im Zusammenhang mit der Beseitigung des KlageerzwingungsVerfahrens (§§ 172fr. StPO) durch Art. 9 § 2 Ziff. 3 der VO vom 13. 8. 1942 (RGBl. I 508) wurde auch § 472 gestrichen. Bei der Wiederherstellung des Klageerzwingungsverfahrens 2553

§ 472 Anm. I; II 1,2; III

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

durch das Vereinheitlichungsgesetz vom 12. 9. 1950 wurde auch § 472 wieder aufgenommen. Abs. 2 (früher: „Vor der Entscheidung über den Kostenpunkt ist der Antragsteller zu hören, sofern er nicht als Nebenkläger aufzutreten berechtigt war") wurde durch Art. 8 Nr. 8 StPAG vom 19. 12. 1964 neu gefaßt. In Abs. 1 Satz 1 wurde die bisherige Anführung von „ § 4 7 1 Abs. 2 bis 5" nach Streichung des § 4 7 1 Abs. 5 (jetzt § 4 6 4 a Abs. 2) in „ § 4 7 1 Abs. 2 bis 4" durch Art. 2 Nr. 30 E G OWiG 1968 geändert. I. § 177 regelt die Kosten des Klageerzwingungsverfahrens, und zwar in dem Sinn, daß bei Erfolglosigkeit seines Antrags der Antragsteller die Gerichtskosten (Gebühr des § 74 G K G , gerichtliche Auslagen) und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten ( § 4 6 4 a Abs. 2) zu tragen hat. Zur Frage der Einstellung des ErzwingungsVerfahrens in (entsprechender) Anwendung des § 153 Abs. 3 und der kostenrechtlichen Auswirkungen vgl. O L G Braunschweig N J W 1958 1361, und dazu S c h w a r z N J W 1958 1816. Führt dagegen der Antrag zum Erfolg (§ 175), so fallen für das Klageerzwingungsverfahren Gerichtskosten nicht an, und jeder Beteiligte trägt seine außergerichtlichen Auslagen. II. § 472 Satz 1 regelt die Kostentragungspflicht für den Fall, daß das Verfahren auf erzwungene Anklage nicht zu einer Verurteilung führt, sei es, daß der Angeschuldigte „außer Verfolgung gesetzt" (d. h. die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt wird) oder daß das eröffnete Hauptverfahren mit Freispruch oder Einstellung endet. 1. Obwohl in diesem Fall die Untersuchung auf Grund öffentlicher Klage eröffnet wird und deren Erhebung auf einem Beschluß des Oberlandesgerichts beruht, behandelt das Gesetzt in Ansehung der Kosten doch den Antragsteller wie einen Privatkläger; die Kostenpflicht des Antragstellers wird also schon durch die NichtVerurteilung des Beschuldigten begründet, und es wird nicht, wie im Fall des § 469, vorausgesetzt, daß vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit ein unbegründeter Antrag gestellt ist. Es macht dabei keinen Unterschied, ob der Antragsteller von der Befugnis, sich dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen (§ 395 Abs. 2 Nr. 2) Gebrauch gemacht hat oder nicht; im ersteren Falle ist er zwar nicht als Nebenkläger, wohl aber in seiner Eigenschaft als Antragsteller zur Tragung der Gerichts kosten und der dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen verpflichtet (a. M. E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 4). Durch diese Haftung für die Kosten soll der Antragsteller zu besonderer Vorsicht veranlaßt und einem Mißbrauch des Rechts, gemäß § 172 auf gerichtliche Entscheidung anzutragen, vorgebeugt werden (Risikogedanke). 2. D a jedoch die ausnahmslose Anwendung des Satzes 1 in manchen Fällen eine Härte enthalten würde, gestattet Satz 2 dem Gericht, im Einzelfall den Antragsteller von der Tragung der Kosten ganz oder teilweise zu befreien. Es sollen also etwaige Billigkeitsgründe in Betracht gezogen werden. In der R T K wurde u. a. bemerkt, es komme darauf an, ob der Antragsteller mutmaßlich aus Gründen privater Natur oder im öffentlichen Interesse die Verfolgung betrieben habe. Vgl. Prot, der 174. Sitzung S. 2ff., StenB S. 486ff.; Prot, der ReformKomm. 2 297. E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 1 hält den Grundsatz des § 4 7 2 Abs. 1 Satz 1 für rechtspolitisch verfehlt; durch großzügige Handhabung des Abs. 1 Satz 2 müsse dafür gesorgt werden, daß dem Antragsteller die Ausübung der Klageerzwingungsbefugnis nicht durch die Befürchtung, mit Kosten belastet zu werden, verleidet werde*. Die Befreiung nach Satz 2 erstreckt sich nur auf die Gerichtskosten, d. h. die Gerichtsgebühr (§ 74 G K G ) und die der Staatskasse erwachsenen Auslagen, nicht auf die notwendigen Auslagen des Beschuldigten, auf die dieser nach § 471 Abs. 2 Anspruch hat (h. M.), unbeschadet seines Ausspruchs gegen die Staatskasse nach § 467 Abs. 1 (vgl. Anm. III 1 zu § 469). III. Zu Abs. 2. Nach § 395 Abs. 2 Nr. 2 ist der erfolgreiche Antragsteller berechtigt, sich der erhobenen öffentlichen Klage als Nebenkläger anzuschließen. Macht er davon Gebrauch, und tritt er * Der Entw. eines EGStGB (BT-Drucks. VI/3250 vom 4.4. 1972) schlägt in Art. 19 Nr. 131 die Streichung des § 472 vor, weil es unbillig sei, dem Antragsteller die Kosten d^s Verfahrens aufzubürden, obwohl auch das OLG im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft Anlaß zur Klageerhebung sah und deshalb dem Antrag nach § 175 folgte. 2554

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer) § 4 7 2 b Anm. IV 2 - 4 §473 als Nebenkläger auf, so deckt sich praktisch seine Anhörung zur Entscheidung über den Kostenpunkt mit der Anhörung als Nebenkläger gemäß § 33 Abs. 1, 3. Die besondere Bedeutung des Abs. 2 besteht darin, daß der Antragsteller auch gehört werden muß, wenn er sich nicht als Nebenkläger anschließt oder nicht schon als Nebenkläger gehört wird. Eine Entscheidung zum Nachteil des Antragstellers (im Kostenpunkt) liegt nur dann nicht vor, wenn er nach § 472 Abs. 1 Satz 2 von der Tragung der (gerichtlichen) Kosten in vollem Umfang befreit wird; nur in diesem Fall erübrigt sich seine Anhörung. IV. Die Kostenentscheidung nach § 472 wird grundsätzlich in der das Verfahren abschließenden Sachentscheidung (Urteil, § 260 oder Beschluß, §§ 204, 206 a) getroffen. Dann steht dem Antragsteller gegen die Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde nach § 464 Abs. 3 Satz 1 zu, auch wenn er bisher nicht als Nebenkläger aufgetreten war (vgl. § 395 Abs. 1 Satz 2) Die Einlegungsfrist beginnt für den Antragsteller in allen Fällen mit der Bekanntmachung der Entscheidung. Wegen der Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung bei Einstellung nach § 153 Abs. 3 vgl. Anm. V 3 zu § 464, Anm. III 3 zu § 471. Jedoch erscheint es, entsprechend der Regelung in § 469, zulässig, die Entscheidung nach § 472 auch später durch einen selbständigen Kostenbeschluß zu treffen, wenn der Erlaß der Entscheidung in der Hauptsache verzögert würde, weil die Anhörung des Antragstellers noch aussteht (ebenso M ü l l e r - S a x 3, 4; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 7; Kl 4). Gegen einen solchen Beschluß steht, sofern eine entsprechende Kostenentscheidung in Verbindung mit der Entscheidung in der Hauptsache nicht unanfechtbar wäre, dem Antragsteller ebenfalls die sofortige Beschwerde zu (vgl. Anm. III 2 zu § 464). V. Wird der Angeschuldigte verurteilt und war der Antragsteller Nebenkläger, so trägt der Verurteilte auch die notwendigen Auslagen, die dem Antragsteller im Klageerzwingungsverfahren entstanden waren.

§ 472 a (1) Soweit dem Antrag auf Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs oder einer Buße stattgegeben wird, hat der Angeklagte auch die dadurch entstandenen besonderen Kosten und die notwendigen Auslagen des Verletzten zu tragen. (2) Sieht das Gericht von der Entscheidung über den Antrag ab, wird ein Teil des Anspruchs dem Verletzten nicht zuerkannt, wird die Zuerkennung einer Buße abgelehnt oder nimmt der Verletzte den Antrag zurück, so entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, wer die insoweit entstandenen gerichtlichen Auslagen und die insoweit den Beteiligten erwachsenen notwendigen Auslagen trägt. Die gerichtlichen Auslagen können der Staatskasse auferlegt werden, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Entstehungsgeschichte: § 472a wurde (als § 472) im Zusammenhang mit der Einführung des Adhäsionsverfahrens (§§ 403 ff.) durch Art. 5 der VereinfachungsVO vom 29. 5. 1943 (RGBl. 1342) in die StPO eingefügt und von dem Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 unverändert beibehalten. 1. Zu Absatz 1. Obwohl es sich bei dem Verfahren auf Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs (§ 403) oder einer Buße (§ 406 d) um einen in das anhängige Strafverfahren verlagerten Zivilrechtsstreit handelt, werden, wenn dem Antrag ganz oder zum Teil stattgegeben wird, die dadurch entstandenen besonderen Gerichtskosten (§§ 86, 87 GKG) und die notwendigen Auslagen des Verletzten — wegen der Gebühren des hinzugezogenen Rechtsanwalts vgl. §§ 89, 96 Abs. 1 Nr. 2 BRAGebO — nicht nach zivilprozessualen Grundsätzen, sondern als ein Bestandteil der Kosten des Strafverfahrens behandelt. Die Kostentragungspflicht des Verurteilten umfaßt demgemäß in gleicher Weise wie die notwendigen Auslagen des Privat- oder Nebenklägers (§ 471 Abs. 1) auch die notwendigen Auslagen des Verletzten, der im Verfahren eine gegenüber derjenigen des Nebenklägers begrenzte Rechtsstellung hat (vgl. dazu BGH MDR 1957 53), oder seines Erben. Die frühere und auch z. T. heute noch vertretene Auffassung (vgl. E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 2; Kl 1), es bedürfe keines besonderen Ausspruchs im Urteil, wenn auch gerade hier eine ausdrückliche Erwähnung in der Kostenentscheidung besonders geraten sei, erscheint durch § 464 Abs. 2 überholt (vgl. dort Anm. II 3 b). 2555

§ 4 7 2 a Anm. 2, 3 § 472 b

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

2. Zu Absatz 2. Wird dem Antrag nicht in vollem Unfang, sondern nur zum Teil oder überhaupt nicht stattgegeben, sei es, daß das Gericht von einer Entscheidung absieht (§ 405), nur einen Teil zuerkennt (vgl. § 406 Abs. 3 Satz 2), die Zuerkennung einer Buße ablehnt (§ 406 d Abs. 2) oder der Verletzte den Antrag zurücknimmt (§ 404 Abs. 4), so wird über die insoweit entstandenen gerichtlichen Auslagen oder notwendigen Auslagen der Beteiligten (des Verletzten und des Beschuldigten) nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden. Das Gericht kann die Auslagen verteilen (OLG Nürnberg NJW 1972 67, 69). Die gerichtlichen Auslagen — aber, abweichend von § 470 Satz 2, nicht auch die notwendigen Auslagen der Beteiligten — können (ganz oder teilweise) der Staatskasse auferlegt werden, wenn es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten; zu denken ist dabei vor allem an den Fall, daß das Gericht von einer Entscheidung absieht, weil sich der Antrag zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet (§ 405 Satz 2), nachdem bereits eine umfangreiche Beweisaufnahme stattgefunden hat. Die Ermessensentscheidung erstreckt sich nicht auf die Gerichtsgebühr, denn eine solche wird nach § 86 G K G nur erhoben, wenn und soweit der Anspruch zuerkannt ist, und insoweit erfolgt auch keine Auslagenverteilung, sondern trägt nach dem Anm. 1 Ausgeführten der Verurteilte die Gerichtskosten und die notwendigen Auslagen des Antragstellers. Was die notwendigen Auslagen des Beschuldigten angeht, so ist noch darauf hinzuweisen, daß das Honorar seines Verteidigers sich durch die Verteidigung gegen den erhobenen Anspruch erhöht (§ 89 Abs. 1 BRAGebO). 3. Form und Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung. Soweit der Anspruch zuerkannt wird (Abs. 1), ist die Kostenentscheidung des Urteils mit der sofortigen Beschwerde des § 464 Abs. 3 Satz 1 anfechtbar (§ 406 Abs. 2). In den Fällen des Abs. 2 erfolgt das Absehen von einer Entscheidung (§ 405) durch Urteil oder auch schon vorher durch Beschluß, wenn der Antrag unzulässig ist oder sich zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Wird dem Antrag nur zum Teil stattgegeben (§ 406 Abs. 3 Satz 2), so sieht nach § 405 Satz 1 das Gericht im Urteil von einer Entscheidung über den weitergehenden Antrag ab. Die Ablehnung einer Buße erfolgt nach § 406 Abs. 2 durch Urteil. Bei Zurücknahme des Antrags (§ 404 Abs. 4) ist eine besondere, das Adhäsionsverfahren einstellende Entscheidung nicht vorgesehen. Soweit das Urteil von einer Entscheidung absieht, ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 406 a); das muß auch der Natur der Sache nach gelten, wenn das Absehen schon vorher durch Beschluß geschieht. Auch die Ablehnung des Antrags auf Buße als unbegründet ist für den Antragsteller unanfechtbar ( M ü l l e r - S a x 3 zu § 406d). In allen diesen Fällen hat die Unanfechtbarkeit ihren Grund darin, daß weder der Angeklagte noch der Antragsteller beschwert ist, denn dem letzteren verbleibt stets — auch wenn der Bußantrag als unbegründet abgelehnt wird — die Möglichkeit, den Anspruch im Weg des Zivilprozesses geltend zu machen (§ 406 Abs. 3 Satz 2). Aus allgemeinen Grundsätzen würde sich ergeben, daß die Kostenentscheidung nach Abs. 2, die zusammen mit der Sachentscheidung ergeht, nur in dem Umfang anfechtbar ist, als die Sachentscheidung selbst einem Rechtsmittel unterliegt (vgl. Anm. V 3 zu § 464). Bei konsequenter Anwendung dieser Grundsätze wäre die Kostenentscheidung im Fall des Abs. 2 unanfechtbar. Das ist aber unbillig, und zwar mindestens vom Standpunkt des Beschuldigten aus, weil ihn zwar nicht die Sachentscheidung, wohl aber die Kostenentscheidung beschwert, wenn ihm Auslagen zur Last gelegt werden, während der Antragsteller, wenn ihm Kosten auferlegt werden, immerhin die Möglichkeit hat, auch diese als Schadensfolgen im Zivilprozeß geltend zu machen, wenn er seinen erfolglos im Adhäsionsprozeß verfolgten Anspruch vor dem Zivilprozeßgericht betreibt (§ 406 Abs. 3 Satz 2). Die Billigkeit erfordert, daß die Kostenentscheidung nach Abs. 2 — in gleicher Weise wie die nach Abs. 1 — mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist (ebenso E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 4; a. M. M ü l l e r - S a x 3). Bei Zurücknahme des Antrags (§ 404 Abs. 2) ergeht die Entscheidung nach Abs. 2 selbständig in Beschlußform, die ebenfalls mit sofortiger Beschwerde anfechtbar ist.

§ 472 b (1) Wird die Einziehung, der Vorbehalt der Einziehung, die Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes oder Verfallerklärung angeordnet oder eine Geldbuße gegen eine juristische Person oder eine Personenvereinigung festgesetzt, 2556

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 472 b Anm. 1 1 , 2 ; II

so können dem Nebenbeteiligten die durch seine Beseitigung erwachsenen besonderen Kosten auferlegt werden. Die dem Nebenbeteiligten erwachsenen notwendigen Auslagen können, soweit es der Billigkeit entspricht, dem Angeklagten, im selbständigen Verfahren auch einem anderen Nebenbeteiligten auferlegt werden. (2) Wird von der Anordnung oder Festsetzung einer der in Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Nebenfolgen abgesehen, so können die dem Nebenbeteiligten erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse oder einem anderen Beteiligten auferlegt werden. Entstehungsgeschichte: Die Vorschrift wurde durch Art. 2 Nr. 31 EGOWiG in der vom BT-Rechtsausschuß beschlossenen Fassung eingefügt. I. Allgemeines. 1. § 472 b regelt den Fall, daß in einem gerichtlichen Verfahren über die Einziehung von Gegenständen oder ähnliche Maßnahmen (§ 442) oder über die Festsetzung einer Geldbuße gegen eine juristische Person oder eine Personenvereinigung (§ 444) zu entscheiden war, und betrifft die gerichtlichen Kosten und die notwendigen Auslagen, die dadurch entstanden, daß Dritte (Nebenbeteiligte) am Verfahren beteiligt waren. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen dem Fall, daß das Gericht die Einziehung angeordnet oder eine Geldbuße festgesetzt hat (Abs. 1), und dem Fall, daß von einer Anordnung (Festsetzung) „abgesehen" wurde (Abs. 2), d. h. eine Anordnung (Festsetzung) nicht erfolgt ist (vgl. Anm. III zu § 467 a). § 472b wird ergänzt durch § 467 a Abs. 3, der die Behandlung der notwendigen Auslagen der Nebenbeteiligten regelt, wenn das Ermittlungsverfahren unter den dort bestimmten Voraussetzungen eingestellt wird. 2. Nebenbeteiligte i. S. des § 472 b sind die Einziehungs- oder Verfahrensbeteiligten gemäß §§ 43 1 Abs. 1 Satz 1, 442, 444 Abs. 1 Satz 1 (vgl. die Begriffsbestimmung in § 467a Abs. 3). Bei den für § 472 b in Betracht kommenden Nebenfolgen handelt es sich um die Einziehung (§§40ff. StGB), den Einziehungsvorbehalt (§§40b Abs. 2, 41 Abs. 5 StGB) sowie die in §§ 442, 444 bezeichneten Maßnahmen. Nicht ausdrücklich geregelt ist in § 472 b der Fall, daß gemäß § 40c StGB die Einziehung eines Geldbetrags als Wertersatz angeordnet wird, und daß diese Maßnahme kraft des § 42 StGB eine juristische Person oder eine Personenvereinigung trifft, deren Beteiligung am Verfahren gemäß § 431 Abs. 3 angeordnet wurde. Die Klammerdefinition des Begriffs „Nebenbeteiligter" in § 4 6 7 a Abs. 2 erwähnt diesen Fall nicht (vgl : „§431 Abs. 1 Satz 1"). Hierbei handelt es sich aber um ein Redaktionsversehen, das durch die nachträgliche Einfügung des § 431 Abs. 3, der im RegEntw. nicht vorgesehen war (vgl. Anm. VIII zu § 431), entstanden ist. Es besteht kein Grund, die juristische Person oder Personenvereinigung, die wegen der ihr drohenden Wertersatzeinziehung am Verfahren beteiligt wurde, anders zu behandeln als die juristische Person oder Personenvereinigung im Fall des § 444. II. Zu Absatz 1 Satz 1. Durch die Beteiligung der Nebenbeteiligten am Verfahren können der Staatskasse besondere Kosten in Form von Auslagen erwachsen, z. B. durch eine Beweisaufnahme, die notwendig wird, um über Einwendungen des Nebenbeteiligten gegen die Anordnung (Festsetzung) der in § 4 7 2 b Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Nebenfolgen entscheiden zu können. Kommt es zur Verurteilung des Angeklagten wegen der Tat, die die Einziehung oder andere Nebenfolgen begründen kann, so hätte er nach dem Grundsatz des § 465 Abs. 1 stets auch diese besonderen Kosten zu tragen, gleichviel, ob die Nebenfolgen angeordnet werden oder nicht. Diese Regelung durchbricht § 472 b Abs. 1 Satz 1, indem er, falls es zu einer Anordnung oder Festsetzung der Nebenfolgen kommt, es dem Ermessen des Gerichts überläßt („können"), einem Nebenbeteiligten die durch seine Beteiligung erwachsenen „besonderen" Kosten aufzuerlegen, d. h. die ausscheidbaren Auslagen der Staatskasse, da eine Gebühr für die Anordnung oder Festsetzung der Nebenfolgen nach § 83 Abs. 1 G K G nicht entsteht. Eine solche Auferlegung kommt insbesondere in Betracht, wenn die Auslagen durch unbegründete Einwendungen des Nebenbeteiligten entstanden sind. Unterbleibt eine Belastung des Nebenbeteiligten, so bewendet es bei dem Grundsatz des § 465 Abs. 1. 2557

§ 472 b Anm. III 1, 2; IV 1

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

III. Zu Absatz 1 Satz 2. 1. Subjektives Strafverfahren. Seine eigenen notwendigen Auslagen muß der Nebenbeteiligte, wenn es zur Anordnung oder Festsetzung der Nebenfolge kommt, grundsätzlich selbst tragen, da es an einer allgemeinen, die Abwälzung auf einen anderen Beteiligten ermöglichenden Vorschrift fehlt. Das kann im Einzelfall unbillig sein, etwa (Beispiele nach der Begr. zum Entw. EGOWiG S. 86), wenn der Angeklagte an den Einziehungsbeteiligten einen gestohlenen (also nach § 935 BGB einen abhanden gekommenen) Gegenstand veräußert hat, und der Einziehungsbeteiligte, weil er von dem Diebstahl nichts wußte, aus seinem vermeintlichen Recht die Einziehung bekämpft hat, oder wenn das Verfahren gegen eine juristische Person oder eine Personenvereinigung gemäß § 444 auf Grund der Angaben des Angeklagten hin betrieben wird, er habe die Tat nur zu deren Vorteil begangen und diese Angaben in der Hauptverhandlung widerlegt werden. § 472b Abs. 1 Satz 2 läßt deshalb eine Überbürdung der dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen in vollem Umfang oder zu einem Bruchteil (OLG Nürnberg NJW 1972 67, 69) auf den Angeklagten zu, wenn dies der Billigkeit entspricht. 2. Im selbständigen Verfahren (§§ 440,441,442, 444 Abs. 3), in dem es an einem Angeklagten fehlt, trägt, wenn es zur Anordnung der Einziehung usw. kommt, grundsätzlich die Staatskasse die gerichtlichen Auslagen des Verfahrens. Dem Nebenbeteiligten könnten, da er ja nicht Angeklagter i. S. des § 465 Abs. 1 ist, grundsätzlich nicht die gerichtlichen Auslagen auferlegt werden (RGSt. 74 334). Die Bedeutung des § 472b Abs. 1 Satz 2 besteht darin, daß er die Heranziehung eines Nebenbeteiligten nach Ermessen des Gerichts zu solchen „besonderen Kosten" zuläßt, die durch seine Beteüigung erwachsen sind. Die notwendigen Auslagen eines Nebenbeteiligten trägt dieser grundsätzlich wie im subjektiven Verfahren selbst, doch läßt auch hier Abs. 1 Satz 2 eine Überwälzung zu, zwar nicht auf den Angeklagten (an dem es ja fehlt), auch nicht auf die Staatskasse, wohl aber auf einen etwa vorhandenen weiteren Nebenbeteiligten, wenn dies der Billigkeit entspricht. IV. Zu Absatz 2. 1. Die Worte „Wird . . . abgesehen" verweisen nicht etwa auf eine Ermessensentscheidung des Gerichts, sondern bringen lediglich den Gegensatz zu Abs. 1 („Wird . . . angeordnet oder . . . festgesetzt") zum Ausdruck. Ein „Absehen" liegt stets vor, wenn eine Anordnung oder Festsetzung, gleichviel aus welchem Grunde, nicht erfolgt. § 472b Abs. 2 ist also anwendbar, wenn es (im subjektiven oder im selbständigen Verfahren) nicht zur einer Anordnung oder Festsetzung der Nebenfolgen kommt, sei es, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anordnung (Festsetzung) fehlen, sei es, daß das Gericht im Rahmen einer Ermessens Vorschrift von der Anordnung absieht. Ein „Absehen" von der Einziehung liegt auch vor, wenn eine Einziehung im Privatklageverfahren infolge Zurücknahme der Privatklage entfällt. Die Entscheidung über die Erstattung der dem Nebenbeteiligten entstandenen notwendigen Auslagen erfolgt dann in dem Einstellungsbeschluß des Gerichts (vgl. Anm. I 7 zu § 467 a); eine Belastung der Staatskasse kommt aber hier nicht in Betracht. Abs. 2 überläßt es dem Ermessen des Gerichts, die notwendigen Auslagen eines Nebenbeteiligten ganz oder teilweise der Staatskasse oder einem anderen „Beteiligten" aufzuerlegen. Es ist bewußt davon abgesehen worden, sie — etwa dem § 467 Abs. 1 entsprechend — (im Offizialverfahren) stets der Staatskasse aufzuerlegen. E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 7 hält diese Regelung für inkonsequent: die Nichtanordnung der Nebenfolge bedeute, „daß der in der Rolle des Angeklagten (§ 433 Abs. 1) befindliche Nebenbeteiligte... gewissermaßen freigesprochen wird", und will daraus die Folgerung gezogen wissen, daß nach Abs. 2 das Gericht nur in solchen Fällen von der Belastung der Staatskasse absehen dürfe, wo prozessuale Verhaltensweisen des Nebenbeteiligten vorliegen, die in § 467 Abs. 3 ihre Analogie finden. Aber abgesehen von dem mehr formalen Gesichtspunkt, daß der Nebenbeteiligte nach § 433 Abs. 1 nicht die Rechtsstellung, sondern nur die Befugnisse eines Angeklagten hat (vgl. Anm. II 2 zu § 433), erscheinen die Erwägungen durchgreifend, die nach der Begr. zum Entw. EGOWiG (S. 86) für eine „Kann"-Vorschrift angeführt werden: die Tatsache, daß sich gegenüber dem Nebenbeteiligten kein die Einziehung rechtfertigender Grund ergeben habe, sage noch nichts darüber aus, ob es angemessen wäre, seine Auslagen der Staats-

2558

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer) § 4 7 2 Anm. IV; V § 472 a Anm. 1 kasse zu überbürden. So bestehe z. B. bei Freispruch des Angeklagten kein Grund, dem Einziehungsbeteiligten seine Auslagen zu erstatten, der durch die Vortäuschung, er sei Eigentümer, die Anordnung seiner Verfahrensbeteiligung herbeigeführt habe, um die dem Angeklagten drohende Einziehung abzuwenden. Auch habe es im Gegensatz zum Angeklagten der Einziehungsbeteiligte grundsätzlich in der Hand, ob er sich durch Beteiligung am Verfahren Auslagen zuziehe oder nicht. Eine nähere Regelung, die alle denkbaren Fallgestaltungen berücksichtige, würde schwer zu handhaben und nicht genügend beweglich sein. Dieser Zurückhaltung ist um so mehr beizupflichten, als es sich angesichts der jetzt schon bestehenden Komplizierungen des materiellen und prozessualen Einziehungsrechts doch wohl empfehlen dürfte, zunächst Erfahrungen zu sammeln, bevor weitere komplizierte Vorschriften geschaffen werden, die die Voraussetzungen regeln, unter denen von einer Überbürdung der Auslagen der Nebenbeteiligten auf die Staatskasse abgesehen wird. 2. Im Fall des § 444 wird beim Freispruch des Angeklagten, der nach § 467 Abs. 1 Auslagenersatz erhält, vielfach in Anwendung des Abs. 2 auch eine Überbürdung der notwendigen Auslagen der juristischen Person oder Personenvereinigung auf die Staatskasse in Betracht kommen (so auch Begr. aaO.). 3. Zu den — neben der Staatskasse — genannten anderen Beteiligten gehören der Privatund Nebenkläger, der Angeklagte und ein anderer Nebenbeteüigter, dem die notwendigen Auslagen nicht selbst entstanden sind. Eine Überbürdung auf den Angeklagten kommt z. B. in Betracht, wenn er durch sein Verhalten veranlaßt hat, daß andere Personen an dem Verfahren beteiligt werden, so z. B., wenn sich der Angeklagte als Eigentümer des von ihm gestohlenen Einziehungsgegenstandes ausgibt und dadurch den wahren Eigentümer zur Verfahrensbeteiligung zwingt, um eine nach § 40 Abs. 1 StGB drohende Einziehung zu bekämpfen. Die Überbürdung auf einen anderen Nebenbeteiligten kann in Betracht kommen, wenn er in ähnlicher Weise dem ersteren Veranlassung zur Verfahrensbeteiligung mit dem Ziel gegeben hat, die Einziehung kraft seines Rechts zu verhindern. 4. Über weitere Fälle der Erstattung notwendiger Auslagen eines Nebenbeteiligten vgl. §§ 467a Abs. 3,469 Abs. 1,470,473 Abs. 2.

§473 (1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. (2) Hatte im Falle des Abs. 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 431 Abs. 1 Satz 1 §§ 442,444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat. (3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt, und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen der Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen. (4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten. (5) Die Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag 1. auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder 2. auf ein Nachverfahren (§ 439) verursacht worden sind. (6) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind. Schrifttum: O s k e , Die notwendigen Auslagen des Angeklagten in der Rechtsmittelinstanz, MDR 1970 629; F o t h , Zur Anwendbarkeit von § 473 Abs. 3 StPO, NJW 1972 1224.

2559

§ 473 Anm. 1 1 , 2

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

Entstehungsgeschichte und allgemeine Bedeutung des § 473. 1. Die Fassung beruht auf Art. 2 Nr. 32 EGOWiG vom 24. 5. 1968 (BGBl. I 503). Vor der Neufassung des § 473 lauteten dessen Abs. 1 und 2: „(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. War das Rechtsmittel von der Staatsanwaltschaft eingelegt, so können die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt werden. Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so kann das Gericht die Gebühr ermäßigen und die entstandenen Auslagen angemessen verteilen. (2) Dasselbe gilt von den Kosten, die durch einen Antrag auf Wiederaufnahme des durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens verursacht worden sind". An die Stelle von Abs. 1 Satz 2, 3 und Abs. 2 sind die Abs. 2 bis 5 getreten. Der frühere Abs. 3 ist jetzt Abs. 6. Zur Begründung der Änderungen ist in dem schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses vom 4. 3. 1968 (zu BT-Drucks. V/2600, 2601) ausgeführt: „Die Neufassung . . . ergibt sich weitgehend aus dem Grundsatzbeschluß, die Kostenregelung im Strafverfahren und im Bußgeldverfahren den allgemeinen Regeln des Prozeßrechts anzugleichen und deshalb auch im Rechtsmittelverfahren die Pflicht zur Erstattung der notwendigen Auslagen des Betroffenen allein davon abhängig zu machen, ob das Rechtsmittel Erfolg gehabt hat, nicht aber davon, ob die erstrebte Freistellung von dem Teilausspruch des angefochtenen Urteils einem Freispruch wegen erwiesener Unschuld oder fehlenden begründeten Verdachts oder nur einem Freispruch mangels Beweises vergleichbar ist. Die Einzelausgestaltung der Vorschrift beseitigt eine Reihe von Zweifelsfragen, die sich bei der Auslegung des bisherigen § 473 ergeben habea" 2. Die Neufassung bedeutet danach keine umfassende Regelung des Kosten- und Auslagenrechts in der Rechtsmittelinstanz; sie beschränkt sich vielmehr auf die Regelung folgender Punkte a) die Kostentragungspflicht, wenn ein eingelegtes Rechtsmittel in vollem Umfang zurückgenommen wird oder ein in vollem Umfang eingelegtes Rechtsmittel in vollem Umfang erfolglos bleibt (Abs. 1). b) die Auslagenerstattungspflicht der Staatskasse, wenn ein von der Staatsanwaltschaft zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegtes Rechtsmittel in vollem Umfang zurückgenommen wird oder in vollem Umfang erfolglos bleibt (Abs. 2 Satz 1), c) die Auslagenerstattungspflicht der Staatskasse, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel vollen Erfolg hat (Abs. 2 Satz 2), d) die Auslagenerstattungspflicht der Staatskasse, wenn ein vom Beschuldigten oder einem anderen Beteiligten eingelegtes Rechtsmittel zulässigerweise auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt ist (Teilanfechtung) und vollen Erfolg hat (Abs. 3), e) die Behandlung der Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und notwendigen Auslagen der Beteiligten, wenn ein in vollem Umfang eingelegtes oder auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränktes Rechtsmittel nur teilweise Erfolg hat (Abs. 4), f) die Behandlung der Gerichtskosten und notwendigen Auslagen in Sonderfällen (Abs. 5, 6). Übersicht A. Kosten und Auslagen des Rechtsmittels im Offizialverfahren im allgemeinen I. Gerichtskosten bei Zurücknahme oder Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels (zu Abs. 1) 1. und 2. Anwendungsbereich des Abs. 1 3. Zurücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl

2560

4. Selbständiger KostenbeschJuß. Voraussetzungen, Form, Zuständigkeit zum Erlaß 5. Der Kostentragungspflichtige a) Beschwerdeführer ohne Vertretungsmacht b) Gesetzliche Vertreter des Beschuldigten als Beschwerdeführer

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer) c) Einlegung des Rechtsmittels durch Verteidiger und die in § 282 b Genannten. Kosten nach Aufhebung des Urteils gemäß § 357 6. Kosten- und auslagenrechtliche Wirkung des vollen Erfolgs des Rechtsmittels a) Grundsatz b) Sinngemäße Anwendung des § 467 bei vollem Erfolg von Beschwerden II. Auslagenerstattung bei Zurücknahme oder Erfolglosigkeit des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft (zu Abs. 2) 1. Bedeutung des Abs. 2 2. Erfolglosigkeit oder Zurücknahme des zuungunsten des Beschuldigten eingelegten Rechtsmittels (zu Abs. 2 Satz 1) 3. Verteidigerhonorar, wenn die Staatsanwaltschaft das vorsorglich zur Fristwahrung eingelegte Rechtsmittel vor dessen Begründung zurücknimmt 4. Rechtsmittel zuungunsten eines Nebenbeteiligten 5. Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zugunsten oder mit Wirkung zugunsten des Beschuldigten (zu Abs. 2 Satz 2) III. Begriff des Erfolgs 1. Gesetzliche Unterscheidungen zwischen Erfolg, Teilerfolg, Erfolglosigkeit 2. Begriff des vollen Erfolgs und der Erfolglosigkeit 3. Begriff des Teilerfolgs 4. Erfolglos ist auch das nur zu einem unwesentlichen Teilerfolg führende Rechtsmittel 5. Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an die Vorinstanz 6. Aufhebung eines Formalurteils 7. Einstellung des Verfahrens in der Rechtsmittelinstanz wegen eines Verfahrenshindernisses IV. Das auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkte Rechtsmittel (zu Abs. 3) 1. Bedeutung der Vorschrift (Beschränkung der Regelung auf notwendige Auslagen. Begriff des bestimmten Beschwerdepunktes. Abgrenzung des Abs. 3 gegen Abs. 4) 2. Behandlung der Gerichtskosten 3. Die anfängliche Beschränkung des Rechtsmittels. Begriff des Erfolgs i. S. des Abs. 3; Abgrenzung gegenüber dem Teilerfolg 4. Beschränkungssurrogat bei verfahrensrechtlich nicht möglicher Beschränkung des Rechtsmittels 5. Zur Streitfrage der kosten- und auslagenrechtlichen Behandlung der nachträglichen Beschränkung des Rechtsmittels auf bestimmte Beschwerdepunkte

§473 Anm. 12

a) Die Behandlung nach früherem Recht b) und c) Die heute vertretenen Behandlungsmöglichkeiten d) Stellungnahme zur Streitfrage V. Teilerfolg eines Rechtsmittels (zu Abs. 4) 1. und 2. Bedeutung der Vorschrift 3. Begriff des Teilerfolgs. Einzelfälle 4. Unbilligkeit der Belastung der Beteiligten 5. Beschränkung des Abs. 4 auf die Kosten des Rechtsmittels 6. Teilfreispruch a) Unanwendbarkeit des Abs. 4 bei echtem Teilfreispruch, aber entsprechende Anwendbarkeit des Abs. 4 i. S. des § 465 Abs. 2 b) Ermessenshandhabung bei entsprechender Anwendung des Abs. 4 VI. Kosten und Auslagen bei Zusammentreffen von Rechtsmitteln 1. bei Erfolg des gleichzeitig von Staatsanwaltschaft und Angeklagtem eingelegten Rechtsmittels 2. bei Erfolglosigkeit des gleichzeitig von Staatsanwaltschaft und Angeklagtem eingelegten Rechtsmittels 3. Mehrere Angeklagte B. Privatklageverfahren I. Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 473, daneben aber ergänzende Anwendung des § 471. Folgerungen II. Unanwendbarkeit der Abs. 3 , 4 des § 473 zugunsten des § 471 Abs. 3 Nr. 1 III. Anwendbarkeit des § 471 Abs. 3 Nr. 3 IV. Anwendbarkeit des § 471 Abs. 3 Nr. 2 V. Erfolglose gleichzeitige Rechtsmittel des Privatklägers und des Angeklagten C. Nebenklage I. Selbständiges Rechtsmittel des Nebenklägers 1. Erfolglosigkeit und Zurücknahme a) und b) Folgerungen aus § 473 Abs. I i . V. m. § 4 7 1 Abs. 2 c) wenn das zuungunsten des Angeklagten eingelegte Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten wirkt d) Tod des Nebenklägers 2. Erfolg des Rechtsmittels II. Unselbständige Beteiligung des Nebenklägers an dem durch Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft veranlaßten Rechtsmittelverfahren III. Rechtsmittel des Angeklagten 1. Erfolglosigkeit oder voller Erfolg 2. Erfolgreiche Revision des Angeklagten nach zunächst erfolgreicher selbständiger Berufung des Nebenklägers

2561

§ 473 Anm. A 1 1 —3

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

3. Teilerfolg des Rechtsmittels des Angeklagten und voller Erfolg seines nachträglich beschränkten Rechtsmittels 4. Widerruf der nach Berufung des Angeklagten abgegebenen Anschlußerklärung des Nebenklägers im Hinblick auf nachträgliche Beschränkung der Berufung IV. Teilerfolg des vom Nebenkläger selbständig eingelegten Rechtsmittels

2. Erfolglose gleichzeitige Rechtsmittel des Angeklagten und des Nebenklägers 3. Erfolglose gleichzeitige Rechtsmittel des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft D. Zu Abs. 5 I. Zu Nr. 1 II. Zu Nr. 2 E. Zu Abs. 6

V. Zusammentreffen von Rechtsmitteln 1. Erfolglosigkeit des sowohl vom Staatsanwalt wie vom Nebenkläger selbständig eingelegten Rechtsmittels

A. Rechtsmittel im Offizialverfahren im allgemeinen. I. Gerichtskosten bei Zurücknahme oder Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels (zu Absatz 1). 1. Nach Abs. 1 treffen die Kosten (d. h. die Gerichtskosten i. S. des § 464 a Abs. 1) eines zurückgenommenen oder erfolglosen Rechtsmittels den, der es eingelegt hat. Wie sich aus Abs. 3, der den Fall des Teilerfolgs regelt, ergibt, hat Abs. 1 die volle Erfolglosigkeit des Rechtsmittels zum Gegenstand. Demgemäß ist auch unter Zurücknahme nur eine vollständige Zurücknahme zu verstehen. Nicht ausdrücklich ist hier der Fall geregelt, daß das zunächst unbeschränkt eingelegte Rechtsmittel teilweise, nämlich durch nachträgliche Beschränkung auf bestimmte Beschwerdepunkte zurückgenommen wird; wegen dieses Falles vgl. unten Anm. IV 5. 2. Abs. 1 gilt für alle Rechtsmittel (Berufung, Revision, Beschwerde) und gleichviel, wer das Rechtsmittel eingelegt hat (der Beschuldigte, die Staatsanwaltschaft, der Privat- oder Nebenkläger, der Nebenbeteiligte i. S. der §§ 431,440,442,444, in den Fällen des § 464b die Staatskasse, der Erstattungsberechtigte usw.). Wird im Strafverfahren der Angeklagte zu Strafe und zur Einziehung verurteilt, so richtet sich zwar das Urteil gegen den Angeklagten, während der Einziehungsbeteiligte (§431) die Einziehung hinnehmen muß; aus § 473 Abs. 1 i. Verb, mit § 83 Abs. 1 GKG ergibt sich aber, daß der Einziehungsbeteiligte, wenn er erfolglos gegen die Einziehung ein Rechtsmittel eingelegt hat, Schuldner der Gebühr des § 83 ist (vgl. L a u t e r b a c h 1 zu § 83; BGHSt. 19 196. NJW 1964 674 ist damit überholt). 3. Nimmt der Beschuldigte den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück (§ 411), so kann, da der Einspruch kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf ist, § 473 Abs. 1 nicht unmittelbar angewandt werden (so — und mit dieser Begründung die Anwendbarkeit überhaupt verneinend - BayObLG HRR 1929 Nr. 782; KG GA 71 109; M ü l l e r - S a x Anm. 1). Problematisch ist nur die entsprechende Anwendung des § 473 Abs. 1, wenn der Einspruch zulässigerweise bis zum Beginn der Hauptverhandlung zurückgenommen wird. Eine Gebühr wird bei Rücknahme nicht erhoben (vgl. § 71 GKG); in Frage stehen daher nur die gerichtlichen Auslagen, vor allem aber die notwendigen Auslagen des Nebenklägers, der nach Einlegung des Einspruchs zugelassen worden ist (vgl. Anm. 10 zu § 407). Die h. M. nimmt mit Recht an, daß der durch Rücknahme des Einspruchs rechtskräftig gewordene Strafbefehl die Grundlage für die Auslagenfestsetzung nach § 464 b bilde, weil der Kostenanspruch auch die nach Erlaß des Strafbefehls bis zur Rücknahme des Einspruchs entstandenen Kosten umfasse (so LGe. Nürnberg-Fürth NJW 1956 154; Coburg NJW 1956 1611, Ansbach NJW 1957 74; Bochum MDR 1959 780; M ü l l e r - S a x Anm. 1; s. auch R o l l e NJW 1956 456 und G ö t t l i c h NJW 1956 1141; die abweichende Auffassung von F r a n c k e NJW 1956 10 richtet sich nicht gegen diese Konstruktion, sondern beruht auf der — unrichtigen — Erwägung, ein Erstattungsanspruch des Nebenklägers müsse entfallen, weil der Nebenkläger nicht auf eine Bestrafung hinwirken könne, da sie schon im Strafbefehl ausgesprochen sei (aber er will, daß es bei der Bestrafung bleibt oder gar, daß die 2562

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 473 Anm. A 14

Verurteilung aus einem Gesetz mit schwererer Strafandrohung erfolgt) und weil bis zur Hauptverhandlung für eine die Staatsanwaltschaft unterstützende Tätigkeit des Nebenklägers kein Raum sei (was nicht zutrifft)). Im Fall der Rechtsmittelzurücknähme kann zwar das rechtskräftig gewordene Urteil nicht den Kostentitel für die Kosten der Rechtsmittelinstanz bilden. Dieses Bedenken entfallt hier, denn das Verfahren bleibt in der gleichen Instanz, und daß der Kostenausspruch auch die nach Erlaß des Urteils in derselben Instanz entstehenden Kosten umfaßt, kann nicht bezweifelt werden: andernfalls wären z. B. die Kosten der einstw. Unterbringung, die in der Zeit von der Verkündung des Urteils bis zu dessen Rechtskraft durch ungenutzten Ablauf der Rechtsmittelfrist entstehen, nicht gedeckt. Ein Zweifel, ob ein Erstattungsanspruch überhaupt begründet, z. B. ob ein erforderlicher Strafantrag rechtzeitig gestellt ist usw., muß im Verfahren nach § 396 Abs. 2 ausgetragen werden (vgl. Anm. 10 zu § 407). Unter diesen Umständen ist ein praktisches Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung des § 473 Abs. 1, wie sie in GA Bd. 71 110 Anm. vertreten wird, nicht gegeben; auch ist das Bedenken der 19. Aufl. (Anm. ld), daß aus Abs. 5, der nur bestimmte Rechtsbehelfe als regelungsbedürftig ansieht, ein argumentum e contrario gegen eine entsprechende Anwendung des § 473 auf die Einspruchsrücknahme zu entnehmen sei, nicht von der Hand zu weisen. § 458 Abs. 3 StPOEntw. 1939 wollte die Zurücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl der Zurücknahme eines Rechtsmittels gleichstellen. 4. Selbständiger Kostenbeschluß. a) Bei wirksamer Zurücknahme des Rechtsmittels vor oder in der Hauptverhandlung wird die Rechtsmittelinstanz beendet, ohne daß eine das Verfahren förmlich abschließende Entscheidung ergeht. Eine Sachentscheidung, mit der gemäß § 464 Abs. 1 der Ausspruch der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 verbunden werden könnte, kommt hier also nicht in Betracht, wohl aber ein selbständiger Kostenbeschluß (vgl. Anm. III zu § 464). Er kann von Amts wegen erlassen werden; er muß erlassen werden, wenn ein Beteiligter es beantragt, und zwar auch dann, wenn Zweifel bestehen, ob Kosten oder erstattungsfähige Auslagen entstanden sind oder nicht; diese Fragen müssen im Verfahren nach § 4 GKG, § 464 b geprüft werden (vgl. BayObLG NJW 1955 232; OLGe Köln NJW 1957 1204; Bremen NJW 1956 72; Nürnberg MDR 1958 942; Hamm JMB1. NRW 1970 46 - unter Aufgabe des abweichenden Standpunkts (NJW 1961 135), daß das Rechtsmittelgericht von einer Überbürdungsentscheidung absehen könne, wenn entstandene Auslagen offensichtlich nicht als notwendig anzusehen sind —). Denn ein Auslagenerstattungsberechtigter hat stets Anspruch auf gerichtliche Überbürdungsentscheidung, auch wenn sich die Erstattungspflicht ablesbar aus dem Gesetz ergibt, und wenn sie ggbf. als „stillschweigend" zugleich in der Entscheidung über die Gerichtskostentragung getroffen angesehen werden könnte (vgl. Anm. II 3 zu § 464); er kann eine förmliche Entscheidung verlangen, schon um nicht im Verfahren nach § 464 b dem Einwand ausgesetzt zu sein, es fehle an einem Kostentragungstitel und damit an der Voraussetzung des Verfahrens (vgl. § 464 b Satz 2 i. Verb, mit § 103 Abs. 1 ZPO). Auch bedarf es zur Realisierung der der Gerichtskasse geschuldeten Gebühren bei Rechtsmittelzurücknahme (§§ 72, 77 GKG) eines Kostenbeschlusses, denn Kostenschuldner ist in Strafsachen nur, wem die Verfahrenskosten durch gerichtliche Entscheidung auferlegt sind (§ 99 Nr. 1 GKG). Schließlich ergibt sich aus § 464 Abs. 1,2, daß der Gesetzgeber davon ausging, es müsse nach Beendigung eines Strafverfahrens grundsätzlich im Interesse der Rechtsklarheit eine die Kostentragungs- und Auslagenerstattungspflicht aussprechende Entscheidung ergehen. b) Ausnahmsweise kann die Entscheidung über die durch die Rechtsmittelzurücknahme sich ergebenden Kostenfolgen auch durch Urteil ergehen, nämlich dann, wenn das Verfahren auch nach der Zurücknahme wegen eines anderen, nicht zurückgenommenen Rechtsmittels anhängig bleibt; in diesem Fall ist das Rechtsmittelgericht nicht gezwungen, aber auch nicht gehindert, in dem das Verfahren abschließenden Urteil umfassend über die Kostenauswirkungen der Rechtsmittelinstanz zu entscheiden (BayObLGSt. 1955 54 = JZ 1955 553). c) Zuständigkeit. Die isolierte Kostenentscheidung nach Rechtsmittelzurücknahme ist Sache des Rechtsmittelgerichts, wenn ihm bereits die Akten zur Sachentscheidung vorliegen,

2563

§ 473 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. A I 5, 6 und Sache des iudex a quo, wenn das bei ihm eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen wird, bevor die Akten dem Rechtsmittelgericht auf dem vorgeschriebenen Weg zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt sind. Die Zuständigkeit des iudex a quo war früher nicht unstreitig. Sie wurde von der überwiegend vertretenen Meinung bejaht (vgl. BGHSt. 12 217 = NJW 1959 348; OLGe Stuttgart NJW 1958 1935; Celle NdsRpfl. 1962 263; Schleswig DAR 1962 269; Hamm JMB1. NRW 1961 223; weitere Nachweise in Anm. 5 c der Voraufl.), z. T. aber auch mit der Begründung verneint, das Rechtsmittelgericht sei „entscheidungsnäher" (so BayObLG NJW 1958 1984; OLGe Oldenburg NdsRpfl. 1957 156; Hamm NJW 1961 135 = JZ 1961 184 m. abl. Anm. G o ß r a u ; Nürnberg GA 1961 379). Der Gesichtspunkt der „Entscheidungsnähe" spielt aber keine Rolle mehr, nachdem die früher fakultativ vorgesehene Auslagenüberbürdung der dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen (§ 473 Abs. 1 Satz 2 a. F.) jetzt zwingend vorgeschrieben ist (§ 473 Abs. 2 n. F.). Ermessenserwägungen, die das eine oder das andere Gericht besser anstellen könnte, entfallen jetzt. Es entspricht nunmehr der Sachlogik, daß das Gericht dem isolierten Beschluß erläßt, dem die Akten vorliegen; es ist dann das „mit der Sache befaßte Gericht" (so auch jetzt OLG Hamm JMB1. NRW 1970 46 unter Aufgabe von NJW 1961 135). 5. Der Kostentragungspflichtige. a) Beschwerdeführer ohne Vertretungsmacht. Zu denjenigen, die die Kosten des Rechtsmittels treffen, gehören außer den Rechtsmittelberechtigten (dem Angeklagten, der Staatskasse, dem Privat- und Nebenkläger, dem Nebenbeteiligten usw.) auch, wer ohne Vollmacht oder Vertretungsmacht zu besitzen als Bevollmächtigter oder Vertreter ein Rechtsmittel eingelegt hat (KG Rpfleger 1971 193; LG Lüneburg Nds Rpfl. 1966 274). Vollmachtslos ist insbesondere der Verteidiger, der ein Rechtsmittel nach dem Tode des Verurteilten einlegt (RGRspr. 7 163); denn seine Verteidigervollmacht ist mit allen prozeßrechtlichen Wirkungen mit dem Tode des Beschuldigten erloschen. Da ein anderer Kostenpflichtiger nicht vorhanden ist, treffen die Kosten den Verteidiger persönlich (BayObLG DRZ 1927 Nr. 972). Das gleiche gilt, wenn eine nicht legitimierte Person ein Rechtsmittel eingelegt hat, z. B. ein Generalbevollmächtigter oder ein Pfleger außerhalb seines Geschäftsbereiches, oder ein Rechtsanwalt, der nicht als Verteidiger tätig war und den Nachweis seiner Bevollmächtigung nicht erbringen kann (RG Recht 10 Nr. 3187; 25 Nr. 2935). b) Hat der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten oder der Erziehungsberechtigte (§ 67 Abs. 3 JGG) ein Rechtsmittel eingelegt, so macht er zwar formell ein eigenes Recht geltend (§ 298); materiell aber handelt er als Vertreter fremder Interessen. Daher werden ihm zwar bei Erfolglosigkeit seines Rechtsmittels die Kosten auferlegt; er haftet dafür aber nicht mit seinem eigenen Vermögen, sondern nur mit dem Vermögen des von ihm Vertretenen (RGSt. 46 138, 53 345; BGH NJW 1956 520; OLGe Celle HRR 1927 1874; Schleswig SchlHA 1959 200; M ü l l e r - S a x Anm. 6; E b S c h m i d t Anm. 10; weitere Angaben über das ältere Schrifttum vgl. Anm. 7b der 20. Aufl.). OLG Hamburg JR 1968 32 = MDR 1969 73 will Kostenbefreiung nach § 74 JGG auch bei erfolgloser Berufung des gesetzlichen Vertreters zulassen, weil sonst letztlich doch der Vertretene belastet werde; a. M. G r e t h l e i n B r u n n e r Anm. 2 - S. 300 - zu § 74 JGG. c) Das von dem Verteidiger eingelegte Rechtsmittel (§ 297) ist auch in Ansehung der Kosten als ein Rechtsmittel des Beschuldigten selbst zu behandeln, und dasselbe gilt von den Rechtsmitteln der in § 282 b genannten Personen. Ist auf die Revision eines anderen ein Urteil gemäß § 357 von Amts wegen aufgehoben worden und wird der Angeklagte von neuem verurteilt, so kann er mit den Kosten der ohne seine Veranlassung eingelegten Revision nicht belastet werden (OLG Oldenburg NdsRpfl. 1949 184). 6. Kostenrechtliche Wirkung des vollen Erfolgs. a) In § 473 Abs. 1 ist nicht geregelt, welche kosten- und auslagenrechtlichen Wirkungen sich an den vollen Erfolg (unten III) eines Rechtsmittels anschließen; § 473 Abs. 2 Satz 2 enthält nur eine Teilregelung. Insoweit verbleibt es bei den Grundsätzen der §§ 465, 467 (vgl. BGHSt. 19 226, 230; KG JR 1970 471, 472; so auch schon die Auslegung des bisherigen Rechts, vgl. Anm. 1 der Voraufl.) Hat z. B. die gegen den Freispruch von der Staats2564

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 473

Anm. A II 1, 2 anwaltschaft eingelegte Berufung den Erfolg, daß der Angeklagte i. S. des § 465 Abs. 1 verurteilt wird, so trägt der Verurteilte nach § 465 die Gerichtskosten und seine notwendigen Auslagen beider Instanzen, und zwar die Kosten des 1. Rechtszuges auch dann, wenn sich der Freispruch nach der damaligen Sach- und Rechtslage als unrichtig erweist, denn es gibt keinen Grundsatz, der eine Minderung der Kostenbelastung vorsieht, wenn das richtige Recht erst in der Rechtsmittelinstanz gefunden wird (OLG Stuttgart Justiz 1970 95; s. auch Anm. I 3, 6, 7 zu § 465). Nur von Gerichtskosten, die durch eine offensichtlich fehlerhafte Behandlung der Sache entstanden sind, kann der Angeklagte nach § 7 G K G freigestellt werden (BGHSt. 19 226, 228); bezgl. der notwendigen Auslagen des Angeklagten fehlt es an einer entsprechenden Vorschrift. Erreicht der im 1. Rechtszug verurteilte Angeklagte mit seiner Berufung Freispruch, so fallen nach § 467 Abs. 1 die Gerichtskosten beider Instanzen der Staatskasse zur Last, und der Angeklagte erhält Auslagenersatz nach Maßgabe des § 467 ( O s k e MDR 1970 629); wenn das noch einer weiteren Begründung bedürfte, so ergäbe es sich ohne weiteres aus § 473 Abs. 3 als Argument a minore ad maius. Allerdings ist ein voller Erfolg bezgl. der Sachentscheidung bedeutungslos, wenn er keine auslagenrechtliche Veränderung der Sachlage bewirkt. Ist z. B. der Angeklagte unter Versagung der Auslagenerstattung gemäß § 467 Abs. 3 Satz 1 im Falle der Tateinheit von der Anklage der schwereren Gesetzesverletzung freigesprochen worden, während hinsichtlich der leichteren Gesetzesverletzung wegen eines Verfahrenshindernisses auf Einstellung erkannt wurde, und erreicht er mit dem Rechtsmittel gegen die Einstellung auch insoweit Freisprechung, so hatte er zwar mit seinem unbeschränkten Rechtsmittel in der Sache vollen Erfolg, eine Auslagenerstattung kommt aber nicht in Betracht, weil sich an dem Versagungsgrund des § 467 Abs. 3 Satz 1 nichts geändert hat (vgl. dazu BGH GA 1959 17). b) § 467 gilt sinngemäß auch, wenn ein Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde vollen Erfolg hat. Hat z. B. der Beschuldigte mit seiner gegen einen Haftbefehl eingelegten Beschwerde vollen Erfolg, nämlich Aufhebung des Haftbefehls, so ist bezgl. seiner notwendigen Auslagen § 467 Abs. 1 sinngemäß anzuwenden; das ergibt sich auch aus § 473 Abs. 3, denn wenn der volle Erfolg eines auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkten Rechtsmittels zur Auslagenerstattung führt, so muß dies auch gelten für den vollen Erfolg eines einen bestimmten Verfahrensausschnitt betreffenden Rechtsmittels (OLG Celle MDR 1970 349). Ebenso ist § 467 anwendbar, wenn ein Verurteilter gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung sofortige Beschwerde einlegt und damit Erfolg hat (OLG Frankfurt NJW 1972 784). Die Anwendbarkeit des § 467 bedeutet aber zugleich auch die Anwendbarkeit der Beschränkungen der Auslagenüberbürdung (§ 467 Abs. 3), wobei der Veranlassung der Erhebung der öffentlichen Klage die Veranlassung zu der beschwerenden Maßnahme gleichsteht (OLG Frankfurt aaO.). II. Auslagenerstattung bei Zurücknahme oder Erfolglosigkeit des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft (Absatz 2). 1. Während Abs. 1 generell regelt, wen die Gerichtskosten bei Zurücknahme oder Erfolglosigkeit des von ihm eingelegten Rechtsmittels treffen, hat Abs. 2 die Erstattung der notwendigen Auslagen zum Gegenstand, die dem Rechtsmittelgegner in der Rechtsmittelinstanz durch die Einlegung des erfolglos gebliebenen oder zurückgenommenen Rechtsmittels entstanden sind. Insoweit enthält Abs. 2 aber keine generelle Regelung, sondern beschränkt sich in Satz 1 auf die Regelung des Falles, daß die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegt hat. Satz 2 stellt der Erfolglosigkeit oder Zurücknahme des von der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang eingelegten Rechtsmittels den Fall gleich, daß ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegtes Rechtsmittel Erfolg hat. 2. Satz 1 regelt den Fall, daß die Staatsanwaltschaft in vollem Umfang zuungunsten des Beschuldigten ein Rechtsmittel einlegt und dieses in vollem Umfang erfolglos bleibt, oder daß ein eingelegtes Rechtsmittel in vollem Umfang zurückgenommen wird („im Falle des Abs. 1"). Wenn z. B. die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch Berufung einlegt und diese verworfen wird, dann trägt nach Abs. 1 die Staatskasse die Gerichtskosten des Rechtsmittelverfahrens. Da das 1. Urteil bei Bestand bleibt, bewendet es bezgl. der erst-

2565

§ 473 Anm. A II 3—5

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

instanzlichen Auslagen des Angeklagten bei der in diesem Urteil getroffenen Entscheidung. Da der Angeklagte in der Berufungsinstanz gewissermaßen erneut freigesprochen wird, fallen der Staatskasse auch seine durch das Rechtsmittelverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zur Last; dies spricht Abs. 2 Satz 1 ausdrücklich aus. Das Rechtsmittelgericht ist nicht befugt, in ausdehnender Auslegung oder entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 3 von einer Überbürdung dieser Auslagen auf die Staatskasse abzusehen. Denn § 467 Abs. 3, der Ausnahmen von dem Grundsatz der Auslagenerstattungspflicht (§ 467 Abs. 1) vorsieht (Abs. 3 Satz 1) oder zuläßt (Abs. 3 Satz 2), dient der Vermeidung unbilliger Ergebnisse, wenn der freigesprochene Beschuldigte durch falsche Selbstanzeige oder die Art seiner Einlassung die Einleitung des Strafverfahrens selbst verschuldet hat. Die Vermeidung solcher unbilligen Ergebnisse steht aber nicht mehr in Frage, sobald der Angeklagte freigesprochen ist, die Staatsanwaltschaft sich aber damit nicht zufriedengibt und durch Rechtsmitteleinlegung doch noch seine Verurteilung — erfolglos — zu erreichen sucht; dies gilt um so mehr, als nach § 473 Abs. 3 selbst ein verurteilter Angeklagter Anspruch auf Ersatz seiner Auslagen im Rechtsmittelverfahren hat, wenn die Staatsanwaltschaft erfolglos Rechtsmittel mit dem Ziel einer Erhöhung der Strafe einlegt (BayObLG Rpfleger 1971 111 = GA 1971 274). 3. Verteidigerhonorar bei vorsorglicher Einlegung eines Rechtsmittels durch die Staatsanwaltschaft. Streitig ist, ob eine notwendige Auslage des Angeklagten die Gebühr seines Verteidigers darstellt, der nach formularmäßiger Einlegung eines Rechtsmittels durch die Staatsanwaltschaft zuungunsten des Angeklagten und vor der Begründung des Rechtsmittels (§§ 317, 347) formularmäßig einen Verwerfungsantrag stellt, wenn die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel noch vor dessen Begründung zurücknimmt. Die überwiegende Auffassung (vgl. OLGe Celle NdsRpfl. 1962 263; Hamm NJW 1961 135; 1968 562; JMB1. NRW 1970 46; Köln JMB1. NRW 1966 57; Frankfurt MDR 1967 149; LGe Hannover JMB1. NRW 1968 131 = KostRspr. Nr. 20 zu § 473; Lüneburg KostRspr. Nr. 13 zu § 473; Braunschweig NJW 1971 1282 m. abl. Anm. S c h m i d t ; Wuppertal JurBüro 1971 366; diese Entscheidungen betreffen z. T. die Vergütung des Pflichtverteidigers, gelten aber sinngemäß auch für die des Wahlverteidigers) verneint dies für den Regelfall. Sie sieht in dem formularmäßigen Verwerfungsantrag des Verteidigers eine nicht verfahrensfördernde und darum überflüssige und wertlose Maßnahme; dem Angeklagten sei zumutbar, abzuwarten, ob die Staatsanwaltschaft ihr zunächst vorsorglich eingelegtes Rechtsmittel durchführen wolle; auch dürfe die Staatsanwaltschaft nicht durch die Sorge, die Staatskasse mit Auslagen zu belasten, daran gehindert werden, vorsorglich ein Rechtsmittel einzulegen, um die Frist für eine endgültige Entschließung nach Kenntnis der Urteilsgründe zu wahren. Diesen Gründen kommt größeres Gewicht zu als denen der Gegenmeinung (vgl. LGe Heilbronn AnwBl. 1970 60; Duisburg AnwBl. 1970 110 und Düsseldorf AnwBl. 1972 200 (nur für den Fall der Berufungseinlegung); Essen AnwBl. 1969 174; Krefeld Rpfleger 1969 305; MDR 1972 167 = DAR 1971 306), wonach die Vergütung des Anwalts erstattungsfahig ist, weil der Angeklagte mit Verteidigungsmaßnahmen nicht bis zur Rechtsmittelbegründung zu warten brauche, denn der Rechtsmittelgegner dürfe grundsätzlich davon ausgehen, daß der, der ein Rechtsmittel einlegt, es auch durchführt. 4. Nebenbeteiligter. Die Staatskasse ist auch auslagenerstattungspflichtig, wenn die Staatsanwaltschaft zuungunsten eines Nebenbeteiligten ein Rechtsmittel eingelegt hat und dieses erfolglos bleibt oder zurückgenommen wird. Wird im 1. Rechtszug von der Anordnung oder Festsetzung einer der in § 472 b Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Nebenfolgen abgesehen, so regelt sich die Auslagenerstattung nach § 472b Abs. 2. Legt aber die Staatsanwaltschaft gegen die Abstandnahme von der Anordnung oder Festsetzung dieser Nebenfolgen ein Rechtsmittel ein, so ist, wenn Nebenbeteiligte vorhanden sind, die von der Anordordnung oder Festsetzung betroffen würden, Rechtsmittelgegner nicht der Angeklagte des subjektiven Verfahrens, der sich bei dem Urteil beruhigt, sondern der betroffene Nebenbeteiligte; seine notwendigen Auslagen sind der Staatskasse aufzuerlegen. 5. Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zugunsten oder mit Wirkung zugunsten des Beschuldigten (Absatz 2 Satz 2). a) Legt die Staatsanwaltschaft mit Erfolg ein Rechtsmittel zugunsten des Beschuldigten (§ 296 Abs. 2) ein, so war schon bisher anerkannt, daß die kosten- und auslagenerstattungs-

2566

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 473 Anm. A III 1 - 5 rechtliche Wirkung die gleiche ist, als wenn der Beschuldigte selbst ein entsprechendes Rechtsmittel mit Erfolg eingelegt hätte (RGSt. 31 21; 45 268, 270; BGH St. 19 226, 228; OLGe Köln GA 1960 89; Neustadt und Oldenburg VRS 23 204,300). Das spricht nunmehr bezgl. der notwendigen Auslagen Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich aus; daß der Beschuldigte auch von den Gerichtskosten freigestellt ist (oben Anm. I 6), bedurfte keines ausdrücklichen Ausspruchs mehr. Entsprechendes gilt für den Erfolg eines von der Staatsanwaltschaft zugunsten eines Nebenbeteiligten eingelegten Rechtsmittels. b) Legt die Staatsanwaltschaft zuungunsten des Beschuldigten (oder eines Nebenbeteiligten) ein Rechtsmittel ein, wird aber die angefochtene Entscheidung gemäß § 301 zu dessen Gunsten abgeändert, so ist kosten- und auslagenrechtlich i. S. des Abs. 1 Abs. 2 Satz 1 das Rechtsmittel erfolglos, soweit es nicht das erstrebte Ziel erreicht; soweit es aber zugunsten des Beschuldigten wirkt, muß dieser bezgl. der Kosten und Auslagen so behandelt werden, wie wenn er selbst oder die Staatsanwaltschaft zu seinen Gunsten ein auf dieses Ergebnis gerichtetes Rechtsmittel erfolgreich eingelegt hätte (so schon die bisherige Rechtsprechung; vgl. RGSt. 30 128; 60 16; BayObLG St. 1959 74 = NJW 1959 1236; BayObLGSt. 1959 245 = VRS 18 366; OLGe Düsseldorf VRS 1953 278; Köln MDR 1959 326 = JR 1959 30 = GA 1960 89 = VRS 16 207; M ü l l e r - S a x 1 a; vgl. auch BGHSt. 16 372). III. Begriff des Erfolgs. 1. Das Gesetz unterscheidet zwischen vollem Erfolg, Erfolglosigkeit und Teilerfolg (Abs. 4, unten Anm. V) eines Rechtsmittels. 2. Ein Rechtsmittel hat vollen Erfolg, wenn es das erstrebte, wenn auch beschränkte (Abs. 3) Ziel erreicht. Ein Rechtsmittel ist erfolglos, wenn es als unzulässig oder als unbegründet verworfen wird oder zwar zur Aufhebung und Zurückverweisung führt, die erneute Verhandlung in der Vorinstanz aber kein dem Rechtsmittelgegner ungünstigeres Ergebnis hat (s. unten 5). Erfolglos ist daher ein Rechtsmittel, das eine andere rechtliche Qualifikation der abgeurteilten Tat und auf dieser Grundlage eine schwerere Bestrafung bezweckt, wenn das Rechtsmittelgericht zwar im Sinn des Rechtsmittelführers die Tat rechtlich anders bewertet, die Strafe aber im Endergebnis unverändert bleibt (RGSt. 45 268; BGH JR 1956 69; BayObLGSt. 8 54; 12 325; 15 108). Hat das amtsgerichtliche Urteil übersehen, daß ein Strafbefehl (oder eine Strafverfügung) wegen Verspätung des Einspruchs schon rechtskräftig war, und auf die gleiche oder eine mildere Strafe als im Strafbefehl erkannt, so ist ein Rechtsmittel des Angeklagten erfolglos, wenn es zwar wegen des Verfahrenshindernisses der bereits eingetretenen Rechtskraft zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt, der Einspruch aber als unzulässig verworfen wird, und es daher bei der im Strafbefehl festgesetzten Strafe (gegebenenfalls mit der Milderung durch ein späteres Urteil) verbleibt (BGHSt. 13 306; 310; vgl. Anm. l c zu §411). 3. Teilerfolg hat ein Rechtsmittel, wenn es nicht in vollem Umfang verworfen wird, sondern nur zu einem nicht ganz unerheblichen Teil erfolglos bleibt (§ 473 Abs. 4; s. dazu unten Anm. V 3). 4. Einem i. S. des § 473 Abs. 1 erfolglosem Rechtsmittel steht ein solches gleich, das — gemessen an dem erstrebten Erfolg — im Gegensatz zum Teilerfolg (zu 3) nur einen unwesentlichen Teilerfolg hat. So z. B., wenn auf die unbeschränkte Berufung des wegen Beihilfe zum Diebstahl zu 300 DM verurteilten Angeklagten das Berufungsurteil auf 250 DM wegen Begünstigung lautet (OLG Köln Rpfleger 1971 29), oder wenn auf die unbeschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft zwar der Schuldspruch verschärft wird, die Strafe aber die gleiche bleibt (BGH JR 1956 69), oder wenn sich die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch von der Anklage der fahrlässigen Tötung richtet, der Angeklagte aber nur wegen VerkehrsordnungsWidrigkeit verurteilt wird (BayObLGSt. 1953 257; NJW 1960 255; M ü l l e r - S a x 1 c). Erfolglos ist auch das „überholte" Rechtsmittel (vgl. dazu Einleitung S. 72). 5. Wird auf Revision das Urteil aufgehoben und die Sache in die Vorinstanz zur anderweiten Entscheidung zurückverwiesen, so ist dies noch kein Erfolg; es kommt vielmehr 2567

§ 473 Anm. A III 6, 7; IV I

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

darauf an, ob und inwieweit die neue Entscheidung zugunsten oder Ungunsten des Beschwerdeführers ausfällt (BayObLGSt. 1966 106; 108; GA 1971 247). Daher trifft das Revisionsgericht keine Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels; vielmehr wird über diese Kosten in dem neuen Urteil der Vorinstanz mit entschieden. Dabei bildet das Verfahren der Vorinstanz vor und nach dem Revisionsrechtszug kostenrechtlich eine Einheit (RGSt. 30 128; 53 303; BGH NJW 1963 724). Ist also z. B. der Angeklagte im ersten Rechtszug verurteilt und legt die Staatsanwaltschaft Revision ein, die zur Zurückverweisung führt, und endet die erneute Hauptverhandlung im ersten Rechtszug rechtskräftig wieder mit der Verurteilung im früheren Umfang, so treffen zwar den Angeklagten gemäß § 465 die Kosten und die ihm entstandenen eigenen Auslagen der weiteren Hauptverhandlung. Dagegen erweist sich die Revision der Staatsanwaltschaft im Endergebnis als unbegründet, und die in der Revisionsinstanz dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen sind gemäß § 473 Abs. 2 Satz 1 der Staatskasse aufzuerlegen (BGHSt. 18 231 = NJW 1963 724). Legt der Angeklagte gegen eine verurteilende Entscheidung unbeschränkt Revision ein, und wird er nach Aufhebung und Zurückverweisung, wenn auch mit anderer rechtlicher Begründung, wieder zu derselben Strafe verurteilt, so war sein Rechtsmittel erfolglos (BGH JR 1956 69; OLG Saarbrücken JB1. Saar 1962 108). 6. Aufhebung eines Formalurteils. Der zu 5. genannte Grundsatz, daß die Aufhebung des Urteils unter Zurückverweisung der Sache nach keinen Erfolg darstellt, sondern nur dann, wenn die erneute Entscheidung zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Erfolg geführt hat, gilt nicht nur, wenn die angefochtene Entscheidung eine Sachentscheidung darstellt und nach Zurückverweisung wiederum eine Sachentscheidung ergeht, sondern auch dann, wenn die angefochtene Entscheidung ein Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf des Beschwerdeführers ohne sachliche Prüfung verworfen hat, z. B. wegen Verspätung des Rechtsmittels oder wegen Ausbleibens des Angeklagten in den Fällen der §§ 329, 412. Erfolglos ist also auch die Revision des Angeklagten, dessen Berufung nach § 329 ohne Sachprüfung verworfen wurde, wenn nach Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung zwar eine erneute Verwerfung aus § 329 entfallt, aber die Berufung nunmehr aus sachlichen Gründen verworfen wird, denn das mit der Revision erstrebte Ziel des Angeklagten war nicht nur die Erreichung einer sachlichen Prüfung seiner Berufung, sondern die Erreichung einer Besserstellung bei der sachlichen Prüfung (BayObLG GA 1971 247 = Rpfleger 1971 30). Anders liegt es, wenn das Revisionsgericht entsprechend dem von der Revision verfolgten Ziel ein Urteil des Berufungsgerichts deshalb aufhebt, weil das Rechtsmittel gegen das amtsgerichtliche Urteil, über das das Berufungsgericht entschieden hatte, in Wahrheit eine Revision war. Dann sind ohne Rücksicht auf den Ausgang des weiteren Verfahrens die Kosten der gegen das Berufungsurteil eingelegten Revision, einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, während die Kosten des Verfahrens vor dem Berufungsgericht zu den Kosten der gegen das amtsgerichtliche Urteil eingelegten Revision gehören (BayObLG JR 1967 29). 7. Wird ein Verfahren erst in der Rechtsmittelinstanz wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt, so treffen die Kosten des Verfahrens die Staatskasse, gleichviel welche Partei das Rechtsmittel eingelegt hat (KG GA Bd. 63 336, 338). Wegen der Auslagen des Angeschuldigten gilt § 467. IV. Auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränktes Rechtsmittel (Absatz 3). 1. Notwendige Auslagen. Abs. 3 regelt den Fall, daß der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter ein zulässigerweise auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränktes Rechtsmittel eingelegt und damit Erfolg hat. ,Anderer Beteiligter" — der Begriff ist nicht identisch mit dem des Nebenbeteiligten i. S. des § 473 Abs. 2 — ist im Offizialverfahren jeder Anfechtungsberechtigte außer der Staatsanwaltschaft, insbesondere der Nebenbeteiligte, der gesetzliche Vertreter, der Erziehungsberechtigte. Bestimmte Beschwerdepunkte sind „abtrennbare Teile" einer umfassenderen Entscheidung i. S. der §§ 318, 344 (vgl. BGHSt. 16 168; 19 229); hierher gehört aber auch die selbständige Kostenentscheidung (vgl. Anm. III zu § 464). Eine Beschränkung auf bestimmte Beschwerdepunkte liegt aber nur vor, wenn sich das Rechtsmittel auf abtrennbare Teile des Spruchs wegen einer Tat (i. S. des § 264) bezieht. Abs. 3

2568

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 473 Anm. A IV 2, 3

ist also unanwendbar, wenn der wegen mehrerer Taten verurteilte Angeklagte nur wegen einer Tat das Rechtsmittel einlegt; ficht er ein solches Urteil zunächst in vollem Umfang an, um das Rechtsmittel demnächst auf die Verurteilung wegen einer Tat zu beschränken, so liegt bezgl. der übrigen Taten eine vollständige Zurücknahme des Rechtsmittels i. S. des § 473 Abs. 1 vor; der Angeklagte trägt dann also z. B. die notwendigen Auslagen des Nebenklägers, wenn dieser sich nach Einlegung der Berufung dem Verfahren wegen einer Tat angeschlossen hatte, hinsichtlich deren die Berufung zurückgenommen wird (BayObLG JZ 1953 47). Erfolg hat das beschränkte Rechtsmittel, wenn es das erstrebte Ziel in vollem Umfang erreicht (oben Anm. III 2); bei bloßem Teilerfolg findet Abs. 4 Anwendung. 2. Gerichtskosten. Nicht ausdrücklich geregelt ist, wen bei Erfolg des beschränkten Rechtsmittels die Gerichtskosten ( § 4 6 4 a Abs. 1) treffen. Insoweit verbleibt es bei den Grundsätzen der §§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1, 2: wird der Beschuldigte von dem ihn belastenden Teil der Entscheidung, die den Gegenstand des Rechtsmittels bildet, freigestellt, so wird er insoweit — auch wenn er im übrigen verurteilt ist und bleibt — „freigesprochen" und die Gerichtskosten fallen — in gleicher Weise wie seine Auslagen — der Staatskasse zur Last. Ist der Beschuldigte Anfechtungsgegner, und dringt der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsmittel durch, z. B. die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf das Strafmaß beschränkten und auf Erhöhung der Strafe gerichteten Berufung, so ist der Beschuldigte insoweit verurteilt i. S. des § 465 und trägt die Verfahrenskosten und seine eigenen Auslagen der Rechtsmittelinstanz. Das entspricht der bisherigen Rechtsprechung (vgl. BGHSt. 19 226, 230 = NJW 1964 875 und Anm. 1 a, c der Voraufl. m. w. Nachw.). Daß das EGOWiG an dem Grundsatz, den obsiegenden Beschwerdeführer bei vollem Erfolg seines beschränkten Rechtsmittels von Gerichtskosten freizustellen, nichts ändern wollte, ergibt sich auch aus § 473 Abs. 4, der bei Teilerfolg des beschränkten Rechtsmittels eine Ermäßigung der Gerichtsgebühr und eine Verteilung der gerichtlichen Auslagen vorsieht (ebenso OLGe. Hamburg in OLGSt. § 473 S. 35; Oldenburg NJW 1970 2031 = MDR 1971 155 = VRS 40 39; K G NJW 1970 2129, 2130 = JR 1970 471, 472). 3. Anfängliche Beschränkung des Rechtsmittels. a) Die Anwendbarkeit des Abs. 3 ist unproblematisch, wenn der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel von vornherein zulässigerweise auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt (vgl. §§ 318, 344), z. B. der Angeklagte das Urteil nur im Strafausspruch angreift und damit vollen Erfolg hat. Unter der Herrschaft des § 473 a. F. hat die Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, daß ein voller Erfolg — im Gegensatz zum Teilerfolg des § 473 Abs. 1 Satz 3 a. F. = § 473 Abs. 4 n. F. — schon vorliegt, wenn der Beschwerdeführer im wesentlichen das erstrebte Ziel erreicht (vgl. R G JW 1926 2198; 1931 1099; 1932 3698; HRR 1931 Nr. 177). Auch dieser Grundsatz ist durch die Neuregelung nicht berührt worden (ebenso OLGe. Oldenburg NJW 1970 2130, 2131; Hamm JMB1. NRW 1970 222; Hamburg GA 1970 249; Celle MDR 1971 322), so daß im allgemeinen die insoweit nach früherem Recht erwachsene Rechtsprechung ihre Bedeutung behalten hat (a. M. F o t h NJW 1972 1224, wonach „Erfolg" i. S. des Abs. 3 nicht der erstrebte, sondern der rechtlich erreichbare Erfolg ist, bei einer auf das Strafmaß beschränkten Berufung also ein Erfolg erst vorliegt, wenn auf die gesetzliche Mindeststrafe erkannt wird). Bei einer Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß liegt danach ein voller Erfolg vor, wenn der Angeklagte statt der verhängten Freiheitsstrafe eine Geldstrafe erstrebt und erreicht (OLGe. Köln JMB1. NRW 1953 262; Hamburg NJW 1970 1467), aber auch dann, wenn er sich einer Konkretisierung der erstrebten Milderung enthält, jedoch eine wesentliche Ermäßigung der erkannten Strafe als erstrebtes Ziel unterstellt werden muß (vgl. OLG Oldenburg NJW 1970 2130), so wenn er den Umfang der Herabsetzung in das Ermessen des Gerichts stellt oder eine „erhebliche Strafermäßigung", eine „niedrigere Geldstrafe" oder „mildere Beurteilung, kein Berufsverbot" erbittet und eine ins Gewicht fallende Ermäßigung erreicht (RGSt. 63 311; BayObLGSt. 12 7; 20 379; OLG Hamm JMB1. NRW 1970 222). In solchen Fällen ist ein voller Erfolg gesehen worden in der Ermäßigung der Strafe auf die Hälfte (KG NJW 1953 1405), um V3 (so RG JW 1932 3628; OLGe. Hamm JMB1. NRW 1970 222; Hamburg GA 1970 244) oder sogar um '/ 4 (so RGSt. 63 311).

2569

§ 473 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. A IV 4 , 5 b) Entscheidend dafür, ob ein (voller) Erfolg vorliegt, ist dabei der Vergleich zwischen der in der Vorinstanz erkannten Strafe und der in der Rechtsmittelinstanz erreichten Milderung, nicht der Vergleich zwischen der in den Schlußanträgen bezeichneten und der vom Rechtsmittelgericht zuerkannten Milderung (OLGe Hamburg MDR 1970 610 = GA 1970 244). Keinen vollen Erfolg, sondern nur einen Teilerfolg (Abs. 4) stellt es dar, wenn der Angeklagte, gegen den eine Fahrerlaubnissperre von 14 Monaten angeordnet war, mit der Berufung die Herabsetzung der Sperre auf das gesetzliche Mindestmaß von 6 Monaten (§ 42 n Abs. 1 StGB) erstrebt, aber nur eine Herabsetzung um 3 Monate erreicht (OLG Oldenburg NJW 1970 2130). 4. Beschränkungssurrogat. Ist eine wirksame Beschränkung der Anfechtung auf einen bestimmten Beschwerdepunkt verfahrensrechtlich nicht möglich (z. B. nicht auf Wegfall der Verurteilung wegen einer tateinheitlich als verwirklicht angenommenen Gesetzesverletzung - vgl. BGHSt. 19 226, 229 - oder nicht auf den Wegfall einer Maßregel der Sicherung und Besserung, vgl. dazu im übrigen BGHSt. 24 185), so wurde es bisher schon als zur Erreichung des vollen Erfolgs des Rechtsmittels ausreichend angesehen, wenn der Beschwerdeführer erklärte, daß er mit seiner (notgedrungen) weitergehenden Anfechtung nur das beschränkte Ziel erstrebe und dieses im Ergebnis erreichte (vgl. BGHSt. 19 226, 229; OLG Bremen NJW 1959 903; BayObLGSt. 1962 241 = NJW 1963 262; OLG Schleswig SchlHA 1967 267; h. M. auch im Schrifttum). Das gleiche gilt, wenn das auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel nur deshalb als unbeschränkt eingelegt behandelt werden muß, weil das angefochtene Urteil unzureichende Feststellungen zum Schuldspruch enthält (OLG Hamburg Rpfleger 1970 177). Auch an diesem Grundsatz hat sich durch die Neufassung des § 473 nichts geändert; es liegt ein Anwendungsfall des Abs. 3 vor (ebenso BayObLG MDR 1970 440 = DAR 1970 76; OLG Düsseldorf JMB1NRW 1970 280 betr. Erstrebung und Erreichung der Verurteilung aufgrund einer anderen Tatbestandsnorm; a. M. F o t h NJW 1972 1224). Abs. 3 ist daher z. B. anwendbar, wenn der aus § 316 StGB zu Freiheitsstrafe und Fahrerlaubnisentziehung Verurteilte mit der Berufung die Verurteilung wegen fahrlässigen Vergehens nach § 330 a StGB zu einer Geldstrafe sowie Abkürzung der Sperrfrist erstrebt und erreicht (OLG Düsseldorf aaO.). 5. Nachträgliche Rechtsmittelbeschränkung. Streitig ist die kosten- und auslagenrechtliche Beurteilung des Falles, daß der Beschwerdeführer sein ursprünglich in weiterem Umfang eingelegtes Rechtsmittel nachträglich auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt, z. B. der Angeklagte zunächst unbeschränkt Berufung einlegt und sie später auf das Strafmaß, eine Nebenstrafe oder eine Nebenfolge beschränkt. a) Nach der unter der Herrschaft "des § 473 a. F. herrschenden, aber schon damals nicht unstreitigen Auffassung kommt es für die Frage, ob das Rechtsmittel kosten- und auslagenrechtlich (vollen) Erfolg hat, auf die in der Hauptverhandlung gestellten Schlußanträge an. Entscheidend ist danach nur der Umfang, in dem der Beschwerdeführer schließlich (durch seine Anträge in der Hauptverhandlung) sein Rechtsmittel der Prüfung des Rechtsmittelgerichts unterstellte. Dringt er mit seinem so nachträglich eingeschränkten Rechtsmittel ganz oder im wesentlichen durch, so hat er vollen Erfolg (vgl. u . a . RGSt. 63 313; JW 1933 969; BayObLGSt. 1953 141; OLGe. Hamm NJW 1957 76; Bremen NJW 1959 903; Celle NJW 1959 163; a. M. z. B. K G GA Bd. 39 87; OLGe. Königsberg JW 1930 2599; Nürnberg NJW 1959 1052, 1053; weitere Nachw. in Anm. 6b der Voraufl.). Die nachträgliche Beschränkung stellt danach zwar eine Teilrücknahme des Rechtsmittels — im Gegensatz zum Teilverzicht bei einer von vornherein beschränkten Anfechtung — dar; sie ist aber kostenrechtlich als unbeachtlich anzusehen, weil § 473 Abs. 1 Satz 3 a. F. (jetzt § 473 Abs. 4) nur bei Teilerfolg, nicht auch bei Teilzurücknahme kostenrechtliche Folgen vorsehe. b) An der vorstehend dargestellten Betrachtungsweise halten Rechtsprechung und Schrifttum teilweise auch jetzt noch fest (vgl. OLGe Frankfurt NJW 1970 1696; Oldenburg NJW 1970 2130 = MDR 1971 155 = VRS 40 39; Düsseldorf JMB1NRW 1971 94; EbS c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 13). Sie führt aber zu unangemessenen Ergebnissen. Legt z. B. der Angeklagte gegen seine Verurteilung zunächst in vollem Umfang Berufung ein, um diese 2570

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 473 Anm. A IV 5

erst unmittelbar vor oder in der Hauptverhandlung oder gar erst in den Schlußanträgen auf das Strafmaß zu beschränken, so können der Staatskasse oder dem Nebenkläger letztlich unnötige Auslagen entstanden sein (vgl. unten zu d, aa); von ihrer Tragung den Angeklagten völlig freizustellen, entbehrt einer inneren Rechtfertigung. Unter diesem Gesichtspunkt hatte schon BGHSt. 17 376, 379 = NJW 1962 1926 Bedenken gegen die damals herrschende Auffassung erhoben. OLG Bremen NJW 1966 1136 erklärte es — allerdings ohne Auseinandersetzung mit der damals h. M. — für zulässig, daß das Gericht trotz des vollen Erfolgs des nachträglich beschränkten Rechtsmittels zwischen einer Behandlung nach § 473 Abs. 1 Satz 3 a. F. und völliger Kostenfreistellung des Angeklagten wähle. Nach OLG Hamburg MDR 1969 1031, das die Frage erörtere, ohne sie abschließend zu entscheiden, begibt sich der Angeklagte durch die in der nachträglichen Beschränkung liegenden Teilzurücknahme selbst teilweise in die Rolle des Unterlegenen; das Rechtsmittel habe daher nicht den zunächst erstrebten vollen Erfolg. c) Überwiegend ist heute die früher herrschende Meinung aufgegeben worden. Es besteht aber keine Einigkeit darüber, wie das Ziel zu erreichen ist, die unangemessenen Ergebnisse, zu denen sie führt, zu vermeiden. aa) Nach einer in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. OLGe Hamm JMB1NRW 1970 22; Stuttgart Rpfleger 1970 439; Düsseldorf JMB1NRW 1972 86; K l e i n k n e c h t MDR 1971 156; s. auch Kl 3 A) betrifft § 473 Abs. 3 nur das von vornherein beschränkte Rechtsmittel; bei Erfolg des nachträglich beschränkten Rechtsmittels liegt nur ein Teilerfolg i. S. des § 473 Abs. 4 vor. bb) Nach KG NJW 1970 2129 = JR 1970 471; OLGe Celle MDR 1971 322; Nürnberg Anw Bl. 1971 181; Düsseldorf JMB1NRW 1970 280 ist zwar auch bei vollem Erfolg des nachträglich beschränkten Rechtsmittels Abs. 3, nicht Abs. 4 des § 473 anwendbar. Indessen muß Abs. 3 sich Einschränkungen gefallen lassen, indem der unmittelbar nur für die vollständige Zurücknahme des Rechtsmittels geltende § 473 Abs. 1 auf die in der nachträglichen Beschränkung liegende Teilzurücknahme sinngemäß angewendet wird. Danach werden bei vollem Erfolg des erst nachträglich beschränkten Rechtsmittels die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Rechtsmittelzug erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt mit Ausnahme derjenigen gerichtlichen und außergerichtlichen Auslagen, die bei einer von vornherein beschränkten Rechtsmitteleinlegung vermeidbar gewesen wären; letztere hat der Angeklagte zu tragen. Hat sich ein Nebenkläger am Rechtsmittelverfahren beteiligt, so ergibt sich das gleiche Ergebnis in entsprechender Anwendung des § 471 Abs. 3 Nr. 1 (OLG Hamburg MDR 1970 609). d) Stellungnahme zu der Streitfrage. aa) Zunächst ist davon auszugehen, daß die Auffassung, zwischen einem von vornherein und dem erst nachträglich beschränkten Rechtsmittel sei bei dessen vollem Erfolg kosten- und auslagenrechtlich kein Unterschied zu machen, zu unbilligen Ergebnissen führt, die vermieden werden müssen. Beschränkt der Angeklagte seine zur Schuld- und Straffrage eingelegte Berufung erst kurz vor Eintritt in die Berufungsverhandlung auf die Straffrage, so können schon durch die Ladung und das Erscheinen von Zeugen und Sachverständigen, die sich lediglich zur Schuldfrage äußern sollen, erhebliche Kosten entstanden sein, die sich infolge der Beschränkung der Berufung auf die Straffrage als zwecklos erwiesen. Sie können noch viel beträchtlicher sein, wenn sich der Angeklagte erst am Schluß einer mehrtätigen oder gar mehrmonatlichen Beweisaufnahme zur Beschränkung seines Rechtsmittels auf die Straffrage veranlaßt sieht, weil er angesichts des Ergebnisses der Beweisaufnahme mit einem Erfolg seines Rechtsmittels zur Schuldfrage nicht mehr rechnen kann. Daß aber die Staatskasse die so entstandenen gerichtlichen Auslagen und die entsprechenden notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt, entbehrt in der Tat einer inneren Berechtigung. Die Staatsanwaltschaft könnte allerdings, wenn die Beschränkung erst in der Hauptverhandlung erfolgt, eine Belastung der Staatskasse dadurch vermeiden, daß sie die zur Wirksamkeit der Beschränkung als einer Teilzurücknahme erforderliche Zustimmung (vgl. Anm. 2 zu §318) nicht erteilt; dann wäre das Berufungsgericht zu einer Entscheidung über die Berufung im ursprünglich eingelegten Umfang gezwungen, und wenn es dann nur dem mit der (unwirk2571

§ 473 Anm. A IV 5

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

samen) Beschränkung erstrebten Ziel des Angeklagten entspricht, läge ein die Anwendbarkeit des § 473 Abs. 4 begründender Teilerfolg seines Rechtsmittels vor. Auf diesen Ausweg verweist ausdrücklich OLG Frankfurt NJW 1970 1696 (während O L G Oldenburg NJW 1970 2131 einen Ausweg durch eine Begrenzung des Begriffs des „Erfolgs" sucht). Mit Recht ist aber darauf hingewiesen worden, daß ein solcher faktischer Zwang für die Staatsanwaltschaft, lediglich aus Kostengründen die Zustimmung zur Rechtsmittelbeschränkung zu versagen, zu einer prozeßökonomisch nicht vertretbaren Belastung des Rechtsmittelgerichts führt, dessen Urteil mit im Grunde genommen überflüssigen Ausführungen zur Schuldfrage belastet wird (vgl. OLG Hamm JMB1NRW 1970 222). In gleicher Weise würde der Nebenkläger, wenn er eine Belastung mit seinen vor der Beschränkung entstandenen notwendigen Auslagen, die den weitergehenden Teil des Rechtsmittels betreffen, vermeiden will, sich genötigt sehen, seine Zustimmung zur Teilzurücknahme (vgl. Anm. 5 zu § 303) zu verweigern. Es wäre aber unbillig und ungerecht, wenn man den zustimmenden Nebenkläger trotz seines dem Rechtsfrieden mehr dienenden Verhaltens schlechter stellen wollte als denjenigen, der seine Zustimmung verweigert und so bewirkt, daß es nur zu einem teilweisen Erfolg des Rechtsmittels kommen kann (so mit Recht O r t NJW 1970 432). Wenn die unter der Geltung des § 473 a. F. herrschende Meinung solche unangemessenen Ergebnisse mit der Begründung hinnahm, aus § 473 Abs. 1 Satz 3 a. F. ergebe sich im Weg des Gegenschlusses, daß der Gesetzgeber nur dem Teilerfolg, nicht aber der Teilzurücknahme des Rechtsmittels kostenrechtliche Bedeutung beimesse, so hat dieser Gegenschluß jetzt seine Überzeugungskraft verloren (so mit Recht KG NJW 1970 2129 und OLG Celle MDR 1971 322). Denn § 473 Abs. 3 bringt jetzt eine Regelung für den Fall des beschränkten Rechtsmittels; aus ihr könnten Folgerungen auf die gleiche Behandlung des ursprünglich und des nachträglich beschränkten und im Umfang der Beschränkung erfolgreichen Rechtsmittels nur gezogen werden, wenn eine Absicht des Gesetzgebers erkennbar wäre, trotz der in der neueren Rechtsprechung (BGHSt. 17 376; OLGe Bremen NJW 1966 1136; Hamburg MDR 1969 1031) geäußerten Bedenken an einer Regelung i. S. der bisher h. M. festzuhalten. Eine solche Absicht ist aber weder aus der Entstehungsgeschichte des § 473 n. F. erkennbar, noch ergibt sie sich aus einer eindeutigen gesetzgeberischen Grundkonzeption. Es ist zwar richtig, wenn OLG Oldenburg NJW 1970 2130 geltend macht, daß die StPO die Kosten- und die Auslagenentscheidung im Regelfall vom Ausgang des Verfahrens abhängig macht und daß ein allgemeiner Grundsatz, jeder Verfahrensbeteiligte müsse für die von ihm veranlaßten oder verschuldeten Kosten einstehen, der StPO fremd ist. Ebenso richtig ist es aber auch, wenn K G NJW 1970 2129 sich darauf beruft, daß die Novellierung des Kosten- und Auslagenrechts durch Art. 2 EGOWiG von dem Bestreben des Gesetzgebers getragen ist, unbillige und „ungereimte" Ergebnisse des bisherigen Rechts und seiner Auslegung zu beseitigen (vgl. insbes. § 465 Abs. 2, § 466 Abs. 2 n. F.). Dabei sind freilich durch die Eile, in der das Gesetz zustande kam, nur solche Punkte ausdrücklich geregelt worden, die besonders in das Blickfeld des Gesetzgebers traten. Das hindert aber nicht, offensichtliche Unbilligkeiten, soweit dies mit der erkennbaren gesetzgeberischen Grundkonzeption vereinbar ist, im Wege der Auslegung und entsprechender Anwendung des geschriebenen Rechts auf rechtsähnliche Fälle zu beseitigen. Den Anknüpfungspunkt bildet für die vorliegende Frage § 467 Abs. 2: wenn der unverurteilt aus dem Verfahren hervorgehende Angeklagte die Kosten und notwendigen Auslagen trägt, die er durch schuldhafte Säumnis verursacht hat, so läßt es sich auch vertreten, ihn die gerichtlichen und seine eigenen Auslagen tragen zu lassen, die er dadurch veranlaßt hat, daß er infolge Säumnis oder in Überschätzung der Erfolgschancen sein Rechtsmittel nicht rechtzeitig beschränkte. bb) Bei der weiteren Frage, ob bei vollem Erfolg des nachträglich beschränkten Rechtsmittels ein Teilerfolg i. S. des §473 Abs. 4 vorliegt oder ob § 474 Abs. 3 unter entsprechender Anwendung des § 473 Abs. 1 einschlägig ist, verdient die letztere Auffassung den Vorzug. Die erstere Auffassung begegnet Bedenken: Der Wortlaut des Abs. 3 gibt keine Handhabe, seinen Anwendungsbereich in dieser Weise zu begrenzen, da sowohl das von vornherein wie das zulässigerweise nachträglich beschränkte Rechtsmittel ein „auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränktes Rechtsmittel" ist. Auch kann, wenn der Beschwerdeführer mit seinem zulässigerweise nachträglich beschränkten Rechtsmittel voll durchdringt, von einem bloßen Teilerfolg i. S. des Abs. 4 nicht gesprochen werden, da bei zulässiger Teil2572

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 473 Anm. A V 1

zurücknähme insoweit ein Rechtsmittel überhaupt nicht mehr vorliegt, eine Prüfung und Bescheidung durch gerichtliche Entscheidung in diesem Umfang ausgeschlossen ist und demgemäß eine Nichterreichung dessen, was gar nicht mehr begehrt wird, schon begrifflich nicht als Teilmißerfolg bewertet werden kann (OLG Celle aaO.). Die durch entsprechende Anwendung des § 473 Abs. 1 auf den Fall nachträglicher Beschränkung ermöglichte Belastung des Beschwerdeführers mit den zusätzlichen gerichtlichen und seinen eigenen Auslagen sowie zusätzlicher Auslagen erstattungsberechtigter Dritter (Nebenkläger), die bei rechtzeitiger Rechtsmittelbeschränkung nicht entstanden wären, führt zu angemessenen Ergebnissen und verdient auch rechtspolitisch, weil sie den Umfang der Belastung nach einem festen Maßstab bestimmt, den Vorzug vor einer Ermessensentscheidung auf Grund unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des Abs. 4. Insbesondere besteht ihr Vorzug vor der Gegenmeinung darin, daß in den Fällen, wo in der Zeit bis zur Rechtsmittelbeschränkung noch keine oder keine durch den zurückgenommenen Teil verursachten Auslagen entstanden sind, gar kein Anlaß zu einer Ermessensentscheidung nach Abs. 4 besteht und auch nicht nach Wegen gesucht zu werden braucht, die Ermessensausübung so zu gestalten, daß der Rechtsmittelführer kostenrechtlich so gestellt wird, als habe er sein Rechtsmittel von vornherein beschränkt. cc) Die Feststellung, welche zusätzlichen Auslagen (des Gerichts, des Rechtsmittelführers, erstattungsberechtigter Dritter) entstanden sind, die dem Beschwerdeführer zur Last fallen, weil sie bei rechtzeitiger Rechtsmittelbeschränkung vermieden worden wären, erfolgt im Verfahren nach § 464 b (KG; OLG Celle aaO.). dd) Bei der Frage, von welchem Zeitpunkt ab später entstandene Auslagen als zusätzlich, weil durch rechtzeitige Beschränkung vermeidbar, anzusehen sind, ist zu erwägen: Auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels kann es nicht ankommen, weil Berufung und Revision regelmäßig vor der Zustellung des Urteils eingelegt werden müssen, aber (frühestens) die Kenntnis der Urteilsgründe dem Rechtsmittelführer es ermöglicht, die Erfolgsaussichten und die Zweckmäßigkeit einer Rechtsmittelbeschränkung richtig zu beurteilen; „es wäre unbillig, den Angeklagten zu zwingen, aus Kostengründen die Entscheidung über die Beschränkung seines Rechtsmittels vor diesem Zeitpunkt zu treffen" (KG aaO.). KG und OLG Celle aaO. verstehen deshalb unter einer „rechtzeitigen" Rechtsmittelbeschränkung eine solche, die spätestens alsbald nach Urteilszustellung erklärt wurde. Nach OLG Stuttgart Rpfleger 1970 439 und K l e i n k n e c h t MDR 1971 157 braucht sich der Beschwerdeführer erst in der Rechtsmittelbegründungsschrift (§§ 317, 318, 344) zu erklären, ob er das zunächst unbeschränkt eingelegte Rechtsmittel beschränken will oder nicht. Das ist zutreffend, doch ist kaum anzunehmen, daß KG und OLG Celle, wenn sie eine „alsbald nach Urteilszustellung" erfolgende Entschließung fordern, etwas anderes meinen; praktisch laufen jedenfalls beide Auffassungen auf das gleiche hinaus. ee) Vom Standpunkt der Auffassung, daß bei Erfolg des nachträglich beschränkten Rechtsmittels nur ein Teilerfolg i. S. des § 473 Abs. 4 vorliege, erstreckt sich, wenn mehrere Nebenkläger vorhanden sind und nur einer von ihnen sofortige Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung eingelegt hat, die den Nebenklägern einen Erstattungsanspruch versagte, weil der Angeklagte vollen Erfolg gehabt habe, die der Beschwerde stattgebende Entscheidung des Rechtsmittelgerichts auch auf die notwendigen Auslagen der Nebenkläger, die die Kostenentscheidung nicht angegriffen haben (OLG Düsseldorf JMB1NRW 1972 86).

V. Teilerfolg eines Rechtsmittels (Absatz 4). 1. Abs. 4 findet Anwendung, wenn ein unbeschränkt eingelegtes oder ein auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränktes Rechtsmittel (Abs. 3) nur einen Teilerfolg hat. Zu der Frage, ob Abs. 4 auch eingreift, wenn ein nachträglich auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränktes Rechtsmittel vollen Erfolg hat, vgl. oben Anm. IV 5. Bei Teilerfolg des Rechtsmittels hat das Gericht die Gerichtsgebühr, die sich aus §§ 70, 72 Abs. 1 G K G ergibt, zu ermäßigen (bis zum Mindestbetrag von 3 DM — § 9 Abs. 1 G K G —; weitergehend K l 4 A: bis zur Nichterhebung einer Gebühr) und die entstandenen gerichtlichen Auslagen ganz oder teilweise der Staatskasse aufzuerlegen, dies aber nur, soweit es unbillig wäre\ die Betei2573

§473 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. A V 2 - 4 ligten damit zu belasten. Entsprechendes gilt für die notwendigen Auslagen der Beteiligten. Aus der Sonderregelung des Abs. 4 für den Fall einer Unbilligkeit ergibt sich, daß bei Verneinung der Unbilligkeit das nur teilerfolgreiche, also teilerfolglose Rechtsmittel wie ein in vollem Umfang erfolgloses Rechtsmittel (Abs. 1) behandelt wird. Es trägt dann also z. B. der Angeklagte, der gegen die Verurteilung unbeschränkt Berufung eingelegt, aber nur eine Herabsetzung der Strafe erreicht hat, die Gerichtskosten — die Gerichtsgebühr richtet sich gemäß §§ 70, 72 GKG nach der letztlich erkannten Strafe — und die ihm entstandenen notwendigen Auslagen (vgl. BGHSt. 10 15; 17 376, 380; BayObLGSt. 1953 257; VRS 18 451; OLG Celle NdsRpfl. 1956 209). Erreicht die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf das Strafmaß beschränkten Berufung nur einen Teilerfolg, lautet etwa das 1. Urteil auf 6 Monate Freiheitsstrafe und erstrebt die Staatsanwaltschaft eine Heraufsetzung auf 1 Jahr, während das Berufungsgericht nur auf 9 Monate erkennt, so trägt grundsätzlich die Staatskasse die Gerichtskosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Angeklagten in der Berufungsinstanz. Wäre es aber unbillig, die Staatskasse bei einem bloßen Teilerfolg des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang mit den gerichtlichen Auslagen und den notwendigen Auslagen des Angeklagten in der Rechtsmittelinstanz zu belasten, so hat — so muß Abs. 4 trotz seines insoweit undeutlichen Wortlauts verstanden werden — das Gericht die gerichtlichen Auslagen und die des Angeklagten angemessen zu verteilen (vgl. BayObLG VRS 18 451). Die Maßnahme nach Billigkeit muß gemäß § 464 Abs. 1,2 in der Kostenentscheidung zum Ausdruck kommen. Wegen der Auslagen des Nebenklägers bei Teilerfolg eines Rechtsmittels vgl. Anm. C IV. 2. Abs. 4 gilt, da das Gesetz keine Einschränkungen macht, sowohl für Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft wie auch für solche des Beschuldigten, seines gesetzlichen Vertreters oder des Erziehungsberechtigten oder eines Nebenbeteiligten. Wegen des Privat- und Nebenklägers vgl. aber unten die Anm. zu B und C. 3. Begriff des Teilerfolgs. Ein Teilerfolg ist gegeben, wenn dem Rechtsmittel nur teilweise entsprochen wird und der erreichte Erfolg, gemessen an dem erstrebten Erfolg, nicht nur unwesentliche Bedeutung hat (vgl. oben Anm. III 3,4). So liegt ein Teilerfolg der auf das Strafmaß beschränkten Berufung des Angeklagten z. B. -vor, wenn statt des erstrebten Wegfalls der Fahrerlaubnisentziehung (§ 42 m StGB) nur eine Herabsetzung der Sperrfrist von 5 auf 3 Jahre erreicht wird (BayObLG NJW 1963 601); ein Teilerfolg der unbeschränkten Berufung liegt in der Verhängung einer milderen Strafart (Geld- statt Freiheitsstrafe), in der Herabsetzung der Strafe (BayObLGSt. 1953 99; OLG Schleswig SchlHA 1957 211, 212), in der Bewilligung von Strafaussetzung zur Bewährung oder wenn von der Verurteilung wegen eines Verkehrs Vergehens, z. B. aus § 316 StGB nur die Verurteilung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit aus §§1,2 StVO übrig bleibt. Weitere Einzelfälle: Das unter Beschränkung auf das Strafmaß eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Teilerfolg, wenn statt der erstrebten Heraufsetzung der Freiheitsstrafe von 6 Monaten auf 1 Jahr nur eine solche von 9 Monaten (BayObLG VRS 18 451) oder statt erstrebter Erhöhung von 9 auf 14 Monate nur 11 Monate erreicht werden (BayObLG NJW 1960 255; 1963 601). Kein Teilerfolg, sondern voller Erfolg liegt vor, wenn die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das freisprechende Urteil zur Verurteilung wegen der in der Anklage bezeichneten Straftat führt, mag auch die erkannte Strafe hinter der beantragten zurückbleiben (OLG München Entsch. 6 92; O s k e MDR 1970 629, 631). Als Teilerfolg ist es dagegen anzusehen, wenn die Verurteilung wesentlich hinter dem Anklagevorwurf zurückbleibt, z. B. der Angeklagte im 1. Rechtszug von der Anklage eines Vergehens nach § 316 StGB freigesprochen wird und die von der Staatsanwaltschaft mit Ziel einer Verurteilung aus § 316 StGB eingelegte Berufung nur zu einer Verurteilung zu Geldbuße wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § § 1 , 2 StVO führt (OLG Celle NDS Rpfl. 1972 67). 4. Unbilligkeit. Allgemeine Regeln, wann eine Belastung der Beteiligten unbillig wäre, werden sich bei der Verschiedenartigkeit der Fälle kaum aufstellen lassen. Nach O s k e MDR 1970 630,631 soll, wenn der Angeklagte gegen die Verurteilung unbeschränkt Berufung mit dem Ziel des Freispruchs einlegt, aber nur eine Strafermäßigung erreicht, unterschieden 2574

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer) § 473 Anm. A V 5, 6; VI 1 werden: hätte er das Rechtsmittel auch eingelegt, wenn er schon in 1. Instanz nur zu der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Strafe verurteilt worden wäre, so ist es im Regelfall nicht unbillig, wenn er die Kosten der Berufung und seine notwendigen Auslagen trägt; eine Anwendung des Abs. 4 kommt in Betracht, wenn er sich mit der geringeren Strafe des 2. Urteils, wäre auf sie schon im 1. Urteil erkannt worden, zufriedengegeben hätte. In gleicher Weise soll auch beim Teilerfolg des auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkten Rechtsmittels unterschieden werden, (ebenso O L G H a m m JMB1NRW 1972 .119). Die Frage ist aber, ob solche nachträglichen Willenserforschungen zum Ziel führen. 5. Abs. 4 betrifft nur die Kosten des Rechtsmittels; die Kosten der ersten Instanz bleiben unberührt ( K G G A 38 371 = A l s b . E 9 Nr. 3 6 0 b ; O L G Dresden JW 1930 580; O L G Nürnberg N J W 1972 70). 6. Teilfreispruch. a) Abs. 4 regelt nicht den Fall, daß bei Verurteilung oder Freispruch wegen mehrerer Straftaten das Rechtsmittel nur hinsichtlich einer Straftat Erfolg hat; Abs. 4 gilt vielmehr nur, wenn das Rechtsmittel hinsichtlich ein und derselben Straftat nur teilweise Erfolg hat. Ist z. B. der Angeklagte wegen zweier selbständiger Taten verurteilt, und hat sein unbeschränkt eingelegtes Rechtsmittel den Erfolg, daß er wegen der einen Tat freigesprochen, im übrigen aber das Rechtsmittel verworfen wird, so fallen, soweit Freispruch erfolgt ist, nach §§ 4 6 5 , 4 6 7 Abs. 1 die Gerichtskosten und seine notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Die Höhe der Gerichtsgebühr richtet sich dann nach §§ 70, 72 G K G , und für eine Ermessensentscheidung („soweit es unbillig wäre") hinsichtlich der gerichtlichen Auslagen und der notwendigen Auslagen des Angeklagten, soweit sie sich auf die Tat beziehen, derentwegen er unverurteilt bleibt, ist kein Raum. Das war vor der Neufassung des § 4 7 3 allgemein anerkannt (vgl. z.B. R G DRiZ 1926 Nr. 525; H R R 1928 Nr. 695; JW 1931 1612; 1932 2733; 1933 2776; BGHSt. 5 12; BayObLGSt. 1960 231). Dies gilt grundsätzlich auch jetzt noch (BayObLG NJW 1969 1449; OLGe Braunschweig N J W 1970 1810; Stuttgart Justiz 1970 385; Düsseldorf N J W 1971 394: Nürnberg NJW 1972 70; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 10). Der (z. B. von K l 4 vertretenen) weitergehenden Auffassung, daß auch in diesem Fall ein Teilerfolg des Rechtsmittels i. S. des Abs. 4 vorliege, kann nicht gefolgt werden. Eine Änderung der Rechtslage ist aber insofern eingetreten, als der Streit um die entsprechende Anwendbarkeit des § 465 Abs. 2 sich auch hier auswirkt. Folgt man der — auch in diesem Kommentar (vgl. Anm. III zu § 465) vertretenen — Auffassung, daß beim echten Teilfreispruch im 1. Rechtszug eine entsprechende Anwendung des § 465 Abs. 2 zulässig und geboten ist, wenn es sich um nicht oder schwer zu trennende oder überschaubare Auslagenmassen handelt und eine nach dem Ausscheidbarkeitsprinzip getroffene Auslagenentscheidung zu erheblichen Unbilligkeiten für den Angeklagten fuhren würde, so muß folgerichtig unter diesen Voraussetzungen beim echten Teilfreispruch in der Rechtsmittelinstanz auch § 473 Abs. 4 entsprechend anwendbar sein. b) Bei entsprechender Anwendung des Abs. 4 kann eine weitgehende Belastung der Staatskasse mit den gerichtlichen Auslagen und den notwendigen Auslagen des Angeklagten geboten sein, wenn die Tat, derentwegen Freispruch erfolgt, eindeutig das Übergewicht gegenüber dem aufrechterhaltenen Teil des angegriffenen Urteils hat, z. B. das erste Urteil wegen Verkehrsunfallflucht in Tatmehrheit mit einer Verkehrsordnungswidrigkeit erging und nur die Verkehrsordnungswidrigkeit bestehenbleibt (vgl. O L G Nürnberg N J W 1972 67). VI. Zusammentreffen von Rechtsmitteln 1. Legen Staatsanwaltschaft und Angeklagter gleichzeitig Rechtsmittel ein (z. B. die Staatsanwaltschaft mit dem Ziel einer Erhöhung der Strafe, der Angeklagte mit dem Ziel, eine angeordnete Einziehung in Wegfall zu bringen) und haben beide Rechtsmittel Erfolg, so ändert der Erfolg des Rechtsmittels der einen Seite kosten- und auslagenrechtlich nichts an dem Erfolg der anderen Seite. Es liegt also nicht etwa für jeden Rechtsmittelführer nur eine Art „Teilerfolg" vor, vielmehr sind beide Rechtsmittel hinsichtlich des Erfolgs getrennt zu betrachten (BGHSt. 19 226 = JZ 1964 685 m. Anm. G ö h l e r ) . 2575

§ 473 Anm. A V I 3 ; B

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

2 a) Der Grundsatz der getrennten Kosten- und Auslagenbehandlung gilt auch, wenn die von Staatsanwaltschaft und Angeklagtem zugleich eingelegten Rechtsmittel (z. B. das der Staatsanwaltschaft mit dem Ziel höherer Bestrafung, das des Angeklagten mit dem Ziel des Freispruchs) erfolglos bleiben; es trägt also der Angeklagte die Kosten und die notwendigen Auslagen seines erfolglosen Rechtsmittels, die Staatskasse die Kosten und die Auslagen des Angeklagten, die durch das erfolglose Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft veranlaßt sind (RG HRR 1925 Nr. 650; BayObLGSt. 1 124; 2 304; NJW 1963 601). b) Inwieweit die gerichtlichen Auslagen der Berufungsinstanz durch das Rechtsmittel des Angeklagten und inwieweit sie durch das der Staatsanwaltschaft verursacht sind, war nach bisheriger Rechtspr. im Gebührenansatzverfahren nach § 4 G K G zu entscheiden. Die Staatskasse trägt danach nur die ausschließlich und ausscheidbar durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft verursachten Auslagen (BayObLG NJW 1963 601). Die durch sein erfolgloses Rechtsmittel verursachten gerichtlichen Auslagen trägt der in die Kosten verurteilte Angeklagte dagegen auch dann in vollem Umfang, wenn sie unausscheidbar zugleich ganz oder zum Teil der Durchführung der Berufung der Staatsanwaltschaft gedient haben; der Angeklagte kann nicht etwa Teilung der Auslagen der Staatskasse zwischen ihm und der Staatskasse verlangen, weil durch die Berufung der Staatsanwaltschaft die gleichen Auslagen wie durch die eigne Berufung entstanden seien. Entsprechende Grundsätze galten, wenn dem erfolglosen Angeklagten hinsichtlich des erfolglosen Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft Auslagenerstattung gemäß § 473 Abs. 2 zusteht; die Erstattung beschränkt sich danach dann auf die Auslagen, die ausscheidbar durch die Verteidigung gegen das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft erwachsen sind (OLG Düsseldorf NJW 1961 618). Steht von vornherein fest, daß durch die Berufung der Staatsanwaltschaft keine ausscheidbaren Auslagen entstanden sind, so konnten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens uneingeschränkt dem Angeklagten auferlegt werden, weil hier ein Festhalten an dem Grundsatz, daß jedem Rechtsmittelführer die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels aufzuerlegen sind, den Anschein einer in Wahrheit gar nicht in Betracht kommenden Aufteilung der Verfahrenskosten schüfe (BayObLG NJW 1963 601; OLG Neustadt 1960 155). c) Diese bisherige Rechtsprechung ist aber mit dem Grundgedanken der getrennten kosten- und auslagenrechtlichen Behandlung jedes Rechtsmittels nicht vereinbar. Folgt man der in diesem Kommentar vertretenen Auffassung, daß ein Grundgedanke der Kostenneuregelung durch das EGOWiG ist, die aus der mangelnden Ausscheidbarkeit von gerichtlichen und außergerichtlichen Auslagen sich ergebenden Unbilligkeiten durch Eröffnung des Weges der Quotelung zu beseitigen, so muß jetzt auch hier eine Quotelung der Auslagen im Urteil zur Vermeidung von Unbilligkeiten zulässig sein. 3. Mehrere Mitangeklagte. a) Haben mehrere Mitangeklagte erfolglos Rechtsmittel eingelegt, so sind sie nicht etwa als Gesamtschuldner in die Kosten der Instanz zu verurteilen, vielmehr hat jeder von ihnen die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (so die allgemeine Praxis, z. B. OLGe Köln A l s b e r g Entsch. 3 364a; München OLG Entsch. 3 478; 8 278; Dresden LZ 1928 510). Eine Gesamthaftung für die Auslagen, die grundsätzlich nur für die 1. Instanz in Betracht kommt (vgl. Anm. III 5 zu § 466), kann allenfalls in Frage kommen, wenn mehrere im 1. Rechtszug Freigesprochene auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin wegen derselben Tat zu Strafe verurteilt werden. b) Wenn von zwei Mitangeklagten der eine freigesprochen, der andere verurteilt worden ist, der Verurteilte mit dem Ziel des Freispruchs, die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch mit dem Ziel der Verurteilung Berufung einlegt und beide Rechtsmittel erfolglos bleiben, so gelten die Grundsätze zu oben 2 (OLG Celle NdsRpfl. 1955 220). B. Privatklageverfahren. § 473 gilt auch für das Privatklageverfahren (BayObLGSt. 3 291 = A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 369; vgl. auch BayObLGSt. 3 235 = A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 362). Neben §473 sind aber die Vorschriften des § 471 ergänzend anzuwenden. 2576

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer) § 473 Anm. B I; II 1,2; III; IV I. Der „Freisprechung" i. S. des § 471 Abs. 2 entspricht in der Rechtsmittelinstanz die Verwerfung, der „Einstellung" die Rücknahme des vom Privatkläger eingelegten Rechtsmittels, so daß der Privatkläger bei Erfolglosigkeit oder Zurücknahme seines Rechtsmittels außer den gerichtlichen Kosten (§ 473 Abs. 1) stets die dem Angeklagten durch die Rechtsmitteleinlegung erwachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten hat. Umgekehrt entspricht der Verurteilung i. S. des § 471 Abs. 1 die Erfolglosigkeit oder Zurücknahme des vom Angeklagten eingelegten Rechtsmittels, so daß der Privatkläger Anspruch auf Erstattung seiner notwendigen Auslagen der Rechtsmittelinstanz hat. II. Bei Erfolg eines auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkten Rechtsmittels und bei Teilerfolg eines Rechtsmittels finden Abs. 3, 4 des § 473 keine Anwendung; vielmehr ist § 471 Abs. 3 Nr. 1 entsprechend anzuwenden. Denn diese ersteren Vorschriften, die eine Belastung der Staatskasse mit gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen der Beteiligten vorsehen, sind auf das Amtsverfahren zugeschnitten und entsprechen nicht den Besonderheiten des Privatklageverfahrens gegenüber dem Amtsverfahren. Da § 471 Abs. 3 durch das EGOWiG unberührt geblieben ist, haben auch jetzt die unter der Herrschaft des § 473 a. F. in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Grundsätze insoweit ihre Bedeutung behalten (vgl. OLG Hamburg NJW 1970 1467, 1469). Danach gilt: 1. Hat der Angeklagte mit seinem auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmittel Erfolg, so ist § 473 Abs. 3 weder unmittelbar noch in dem Sinn entsprechend anwendbar, daß dem Privatkläger stets die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen sind. Denn der Privatkläger ist im Regelfall nur daran interessiert, daß der Beschuldigte überhaupt bestraft wird, nicht, wie hoch er bestraft wird; dem trägt die entsprechend anwendbare elastische Regelung des § 471 Abs. 3 Nr. 1 eher Rechnung als die starre Regelung des § 473 Abs. 3, wenn sie, entsprechend angewendet, stets zur Belastung des Privatklägers mit den Auslagen des Angeklagten führt (so schon BGHSt. 17 376 = NJW 1962 1926 = MDR 1963 59). 2. Was den Teilerfolg eines Rechtsmittels anlangt, so wurde bisher angenommen (vgl. Anm. 3 der Voraufl.): Hat der Privatkläger das Rechtsmittel eingelegt, mit dem er nicht voll durchdringt, so sind seine in der Berufungshauptverhandlung gestellten Anträge die Anträge i. S. des entsprechend anwendbaren § 471 Abs. 3 Nr. 1, denen nur z. T. entsprochen wird; hat umgekehrt der Angeklagte das Rechtsmittel eingelegt, und beantragt der Privatkläger dessen Verwerfung, so ist wiederum den Anträgen des Privatklägers nur zum Teil entsprochen, wenn der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel teilweise durchdringt. Die in das Ermessen des Gerichts gestellte („kann") Regel des § 471 Abs. 3 Nr. 1 über die Verteilung der gerichtlichen Auslagen und der notwendigen Auslagen der Beteiligten ermöglicht eine Kostenentscheidung, die den Umständen des Einzelfalles Rechnung trägt, während für die in § 473 Abs. 4 obligatorisch vorgeschriebene Ermäßigung der Gerichtsgebühr im allgemeinen kein genügender Anlaß besteht (BGHSt. 17 376, 380) Bei entsprechender Anwendung des § 471 Abs. 3 Nr. 1 ist es mit einer pflichtmäßigen Ermessensausübung nicht verträglich, wenn das Berufungsgericht sämtliche in der Berufungsinstanz erwachsenen Kosten und Auslagen dem Angeklagten auferlegt, obwohl der Privatkläger mit seinem Rechtsmittel in der Hauptsache unterlegen ist (BayObLGSt. 1955 238). III. Auch § 471 Abs. 3 Nr. 3 gilt in der Rechtsmittelinstanz, und zwar nicht nur dann, wenn über die Privatklage und die Widerklage in der Berufungsinstanz entschieden wird — z. B. wenn der Angeklagte auf seine Berufung freigesprochen, seine Berufung gegen den auf Widerklage erfolgten Freispruch aber ohne Erfolg ist (BayObLG 26 282 = A l s b e r g Entsch. 3 Nr. 359) —, sondern auch, wenn nur eine der Parteien nicht ohne Erfolg Berufung einlegt und in 1. Instanz über die Kosten von Klage und Widerklage nicht getrennt entschieden ist, z. B. wenn der in 1. Instanz verurteilte Angeklagte nur gegen seine Verurteilung mit dem Erfolg des Freispruchs Berufung eingelegt, die Freisprechung des Privatklägers auf Widerklage in 1. Instanz aber unangefochten gelassen hat (ebenso OLG Hamm MDR 1953 441). IV. Daß §471 Abs. 3 Nr. 2 auch in der Berufungsinstanz gilt, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift (Hinweis auf § 390 Abs. 5).

2577

§ 473 Anm. B V; C I 1, 2; II

Strafprozeßordnung. Siebentes Buch

V. Haben der Privatkläger und der Angeklagte erfolglos Rechtsmittel eingelegt, so hätte an sich jeder von beiden die Kosten seines eigenen Rechtsmittels sowie die in der Berufungsinstanz erwachsenen notwendigen Auslagen der Gegenpartei zu tragen (so früher BayObLG A l s b e r g Entsch. 3 366 = BayObLGSt. 12 51). Da aber das Gericht, indem es dem Antrag des Privatklägers auf Verwerfung des gegnerischen Rechtsmittels stattgibt, dagegen das Rechtsmittel des Privatklägers verwirft, den Anträgen des Privatklägers nur zum Teil entsprochen hat, findet § 471 Abs. 3 Nr. 1 Anwendung (BayObLG Rpfleger 1961 81). C. Nebenklage. Wegen der auslagenrechtlichen Behandlung des Nebenklägers im Offizialverfahren vgl. die Ausführungen unter B zu § 471. I. Selbständiges Rechtsmittel des Nebenklägers 1. Erfolglosigkeit und Zurücknahme. a) Hat im Offizialverfahren nur der Nebenkläger selbständig ein Rechtsmittel eingelegt, so treffen ihn, da er gemäß § 397 die Rechte des Privatklägers hat, bei Erfolglosigkeit oder Zurücknahme des Rechtsmittels die Gerichtskosten nach § 473 Abs. 1, verbunden mit der Pflicht zur Erstattung der dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen gemäß §471 Abs. 2 (BGHSt. 11 189 = NJW 1958 719 = MDR 1958 360; BayObLGSt. 1953 257; OLGe Celle MDR 1957 375; Hamm NJW 1962 2033). Dies gilt auch, wenn der Nebenkläger seine mit dem Antrag auf Zulassung als Nebenkläger eingelegte Berufung noch vor der Entscheidung über den Zulassungsantrag zurücknimmt (OLG Schleswig SchlHA 1959 217). b) Die Erstattungspflicht trifft ihn als Folge der Verurteilung in die Kosten; die bisherige, z. T. auch heute noch vertretene Auffassung (vgl. z. B. OLG Düsseldorf JMB1. N R W 1972 86; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 34 zu §471), daß ein förmlicher Ausspruch dieser Folge zwar empfehlenswert, doch nicht notwendig sei, erscheint überholt (vgl. dazu Anm. II 3 zu § 464). c) Hat der Nebenkläger allein zuungunsten des Angeklagten Berufung eingelegt, und lautet das Urteil der Berufungsinstanz, weil die Berufung auch zugunsten des Angeklagten wirkt (§ 301), auf Freispruch, so treffen die notwendigen Auslagen in der Berufungsinstanz sowohl den erfolglosen Nebenkläger, wie nach § 467 Abs. 1 die Staatskasse, mit der Folge gesamtschuldnerischer Haftung (BayObLG NJW 1959 1236 = Rpfleger 1960 212; s. aber auch BayObLGSt. 1959 248). d) Erfolglos ist auch bei Tod des Nebenklägers, der selbständig das Rechtsmittel eingelegt hatte, dessen gemäß § 402 hinfallig gewordenes Rechtsmittel, dem kein Erfolg mehr beschieden sein kann (OLG Celle MDR 1953 570; E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 34 zu § 471); die Kosten treffen seinen Nachlaß, und es kann diese Folge, wie bei der Zurücknahme eines Rechtsmittels durch selbständigen Kostenbeschluß ausgesprochen werden (anders bei Tod des Nebenklägers während eines nicht von ihm selbständig veranlaßten Rechtsmittelverfahrens, vgl. Anm. B II 2 zu § 471). 2. Hat der Nebenkläger mit seinem Rechtsmittel Erfolg, so trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens nach § 465 Abs. 1, und er ist nach § 471 Abs. 1 belastet mit der Verpflichtung, dem obsiegenden Nebenkläger die notwendigen Auslagen zu erstatten. Erreicht der Nebenkläger mit seiner Revision gegen den Freispruch die Aufhebung und Zurückverweisung, und wird wiederum auf Freispruch erkannt, so war zwar die Revision letztlich erfolglos, der Nebenkläger trägt aber nicht die Kosten der zweiten Hauptverhandlung in der Tatsacheninstanz, da hier Gegner wieder die Staatsanwaltschaft ist (OLG Düsseldorf DAR 1967 25). II. Hat sich der Nebenkläger, ohne selbst Rechtsmittel einzulegen, an dem durch ein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft veranlaßten Rechtsmittelverfahren beteiligt, so ist er bei vollem Erfolg des Rechtsmittels in gleicher Weise auslagenerstattungsberechtigt, wie wenn er selbständig ein Rechtsmittel eingelegt und damit Erfolg gehabt hätte. Bleibt aber das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft erfolglos, so muß er seine eignen Auslagen tragen, 2578

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 473 Anm. C III 1 - 4

hat aber nicht für die Auslagen des Angeklagten einzustehen, und zwar auch dann nicht, wenn das Urteil zum Nachteil des Nebenklägers abgeändert wurde, oder wenn der Nebenkläger durch seine Anträge Kosten verursacht hat, die der Staatskasse zur Last fallen (OLG Celle NdsRpfl. 1958 195). III. Rechtsmittel des Angeklagten 1. Hat der Angeklagte erfolglos ein Rechtsmittel eingelegt, so hat er die Auslagen des Nebenklägers in der Rechtsmittelinstanz voll zu erstatten (BGHSt. 15 60; OLG Hamburg MDR 1970 1029 = GA 1970 374). Hat der Angeklagte aber vollen Erfolg, so ist, da Rechtsmittelgegner die Staatsanwaltschaft ist, der Nebenkläger dem Angeklagten nicht auslagenerstattungspflichtig (OLGe Frankfurt NJW 1957 474; Hamm NJW 1962 2023). Die Kosten und nach Maßgabe des § 467 die Auslagen des Angeklagten trägt vielmehr die Staatskasse. 2. Legt nach Freispruch des Angeklagten der Nebenkläger allein erfolgreich Berufung ein, und wird auf die Revision des verurteilten Angeklagten das Berufungsurteil aufgehoben und demnächst die Berufung des Nebenklägers verworfen, so trägt der Nebenkläger die Gerichtskosten der Berufung und hat dem Angeklagten die notwendigen Auslagen der beiden Berufungshauptverhandlungen zu erstatten. Der Nebenkläger trägt aber weder die Gerichtskosten noch die notwendigen Auslagen des Angeklagten in der Revisionsinstanz, da in dieser Rechtsmittelgegner des Angeklagten die Staatsanwaltschaft ist und der Nebenkläger — wie im ersten Rechtszug — wieder in die Rolle eines die Staatsanwaltschaft nur Unterstützenden tritt (OLGe Frankfurt NJW 1957 474; Hamm NJW 1962 2023 unter Aufgabe von NJW 1959 1936). Die Kosten der Revisionsinstanz und die notwendigen Auslagen des Angeklagten in der Revisionsinstanz fallen dann gemäß § 467 Abs. 1 der Staatskasse zur Last. Daß der Nebenkläger in dem von der Staatsanwaltschaft erfolglos betriebenen Amtsverfahren keinen Erstattungsanspruch wegen seiner Auslagen gegen die Staatskasse hat, versteht sich von selbst; der Nebenkläger trägt das Risiko, daß sich seine mitwirkende Tätigkeit als nutzlos erweist und er umsonst Auslagen erbracht hat (OLGe Köln NJW 1963 69; Hamburg NJW 1970 1468; s. auch Anm. B III 3 zu § 471). 3. Hat der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel einen Teilerfolg (§ 473 Abs. 4), so ist für die notwendigen Auslagen des Nebenklägers § 471 Abs. 3 Nr. 1 ergänzend anzuwenden (BayObLG Rpfleger 1961 81; OLGe Hamm NJW 1971 292; Hamburg NJW 1970 1467; Düsseldorf JMB1NRW 1972 86; Nürnberg AnwBl. 1971 182 = KostRspr. § 473 Nr. 27 — unter Aufgabe von OLG Nürnberg MDR 1970 611 —); eine Belastung der Staatskasse mit Auslagen des Nebenklägers kommt nicht in Betracht (vgl. Anm. B III 3 zu §471). Das gleiche gilt, wenn der Angeklagte sein ursprünglich unbeschränkt eingelegtes Rechtsmittel nachträglich auf bestimmte Beschwerdepunkte, insbesondere auf den Strafausspruch beschränkt und damit vollen Erfolg hat (vgl. dazu oben Anm. IV 5 d); auch dann wird über die Auslagen, die dem Nebenkläger durch die Teilnahme am Rechtsmittelverfahren entstanden sind, unter entsprechender Heranziehung des § 471 Abs. 3 Nr. 1 entschieden (OLGe. Hamburg NJW 1970 146; Düsseldorf JMB1NRW 1972 86). Eine abweichende Beurteilung ist nicht etwa deshalb geboten, weil der Nebenkläger nicht, wie der Privatkläger (§391 Abs. 2), rechtlich genötigt ist, am Berufungsverfahren teilzunehmen. Maßgebend ist vielmehr, inwieweit es dem berechtigten Interesse des Nebenklägers entspricht, auf die Aufrechterhaltung der Verurteilung durch seine Beteiligung hinzuwirken. Beschränkt z. B. der Angeklagte sein zunächst unbeschränkt eingelegtes Rechtsmittel erst unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung auf das Strafmaß, so werden ihm jedenfalls die bis dahin entstandenen Auslagen des Nebenklägers aufzuerlegen sein, wenn dieser von einer Beteiligung in der Hauptverhandlung absieht, weil seine Belange durch das Verfahren um die Höhe der Strafe nicht berührt werden; doch kann der Nebenkläger auch ein berechtigtes Interesse an seiner Teilnahme oder Vertretung in der Hauptverhandlung haben, z. B., um sich gegen die Annahme eines das Strafmaß beeinflussenden Mitverschuldens des Nebenklägers zu wenden (OLG Hamburg aaO.). 4. Beantragt der Verletzte seine Zulassung als Nebenkläger, nachdem der Angeklagte unbeschränkt Berufung eingelegt hat, und widerruft er seine Anschlußerklärung, weil der Angeklagte zulässigerweise die Berufung auf einen für den Verletzten bedeutungslosen 2579

§ 473 Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. C IV; V 1 Nebenpunkt beschränkt, so erscheint es in Anwendung der vorgenannten Grundsätze auch zulässig, dem Angeklagten trotz Erfolges seines beschränkten Rechtsmittels die dem Verletzten erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen, die er zur Bekämpfung des unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels erbrachte; der Widerruf der Anschlußerklärung kann wie eine Abstandnahme von der weiteren Beteiligung am Verfahren behandelt werden (so schon im Ergebnis OLG Nürnberg NJW 1959 1052, dessen rechtliche Begründung allerdings nach der damaligen Rechtslage bedenklich war; vgl. dazu Anm. 4 a — S. 427 — der Voraufl.). IV. Hat ein vom Nebenkläger selbständig eingelegtes Rechtsmittel nur teilweise Erfolg, so wird ebenfalls über die Kosten des Berufungsverfahrens nach § 473 Abs. 4 unter Heranziehung des § 471 Abs. 3 Nr. 1 entschieden (ebenso RG Rspr. 6 197; BayObLGSt. 1953 257; OLGe. Hamm NJW 1957 760; 1971 1471; Hamburg NJW 1970 1467 = MDR 1970 609). Es können also im Verhältnis des Angeklagten zur Staatskasse die Gebühr ermäßigt und die gerichtlichen und die notwendigen Auslagen des Angeklagten verteilt, darüber hinaus aber im Verhältnis des Angeklagten zum Nebenkläger die beiderseitigen Auslagen angemessen verteilt oder einem von ihnen auferlegt werden. Soweit danach der Angeklagte sowohl gegenüber der Staatskasse wie dem Nebenkläger erstattungsberechtigt ist, tritt gesamtschuldnerische Haftung ein (vgl. Anm. I 4 zu § 467); daß der Angeklagte sich dann primär an den Nebenkläger halten müsse (so Kl 5 D), etwa gar zunächst gegen diesen die Zwangsvollstreckung betreiben müsse und erst deren Erfolglosigkeit die Inanspruchnahme der Staatskasse rechtfertige, läßt sich nicht begründen. Ein Teilerfolg liegt z. B. vor, wenn in einem Strafverfahren aus Anlaß eines Verkehrsunfalls der Angeklagte im ersten Rechtszug freigesprochen war und auf die Berufung des Nebenklägers nur wegen Verkehrsordnungswidrigkeit, nicht aber, wie das der Nebenkläger erstrebt, wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt wird (BayObLGSt. 1953 257), vorausgesetzt, daß die Verkehrsordnungswidrigkeit für die Körperverletzung ursächlich war (vgl. Anm. B I 3 zu § 471). In keinem Fall kommt aber eine Belastung der Staatskasse mit Auslagen des Nebenklägers in Betracht (vgl. Anm. B III 3 zu § 471). V. Zusammentreffen von Rechtsmitteln 1. Wenn sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Nebenkläger selbständig (§401) ein Rechtsmittel erfolglos eingelegt haben, trifft den Nebenkläger die Gebühr nach § § 7 7 Abs. 2, 82 GKG, während die gerichtlichen Auslagen hälftig von der Staatskasse und dem Nebenkläger zu tragen sind (OLGe. Hamm NJW 1958 2077 = Rpfleger 1959 61 mit zust. Anm. von L a p p e ; JMB1NRW 1963 167;01denburg NJW 1961 1594; Stuttgart NJW 1963 2286; a. M. OLG Celle NJW 1959 1742: Der Nebenkläger trägt die gerichtlichen Auslagen, soweit diese zugleich der Durchführung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft gedient haben). Diese Behandlung der gerichtlichen Auslagen rechtfertigt sich aus der Erwägung, daß für diese sowohl die Staatskasse als auch der Nebenkläger kostentragungspflichtig sind und es, da beide Rechtsmittel das gleiche Ziel verfolgen, angebracht erscheint, die Grundsätze über die Ausgleichung von Gesamtschuldnern entsprechend anzuwenden. Der Nebenkläger hat aber, selbst wenn sein Rechtsmittel in Ziel oder Umfang über das der Staatsanwaltschaft hinausgeht, nicht dem Angeklagten die durch das Rechtsmittel erwachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten, denn diese Erstattungspflicht ist auf den Fall beschränkt, daß der Nebenkläger allein ein Rechtsmittel einlegt, da nur dann eine dem Privatklageverfahren vergleichbare Lage vorliegt, die die entsprechende (§ 397) Anwendung des § 471 Abs. 2 rechtfertigt (BGHSt. 11 189; OLG Saarbrücken JB1. Saar 1961 75; a. M. OLG Hamm JMB1NRW 1956 92). Es können also in einem solchen Fall die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen nur nach § 473 Abs. 2 Satz 1 der Staatskasse auferlegt werden. Anders liegt es, wenn Staatsanwalt und Nebenkläger nebeneinander Rechtsmittel eingelegt haben und der Nebenkläger sein Rechtsmittel noch betreibt, nachdem die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel zurückgenommen hat: dann treffen, wenn das Rechtsmittel des Nebenklägers erst später zurückgenommen wird oder erfolglos bleibt, die nach Zurücknahme des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft zusätzlich erwachsenen weiteren Auslagen des Angeklagten den Nebenkläger, da er von diesem Zeitpunkt ab dem Angeklagten in 2580

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§ 473

Anm. C V 2 , 3; D I 1 - 3 gleicher Weise gegenüberstand, als hätte er allein ein Rechtsmittel eingelegt (OLG Hamm NJW 1959 1984 = DAR 1959 329). 2. Haben der Angeklagte und der Nebenkläger allein Rechtsmittel eingelegt, während die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel einlegte, und bleiben die beiden Rechtsmittel erfolglos, so ist — entsprechend der Behandlung wechselseitiger erfolgloser Rechtsmittel von Angeklagtem und Privatkläger (oben Anm. B V) — § 471 Abs. 3 Nr. 1 sinngemäß anwendbar (BayObLG NJW 1969 142; Hamburg GA 1970 374). 3. Haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft erfolglos Rechtsmittel eingelegt, während der Nebenkläger kein Rechtsmittel einlegte und sich nur auf die Abwehr des Rechtsmittels des Angeklagten beschränkte, so trägt der Angeklagte als Folge des Mißerfolgs seines Rechtsmittels in vollem Umfang die notwendigen Auslagen des Nebenklägers (OLG Hamburg MDR 1970 1029). D. Zu Absatz 5. I. zu Nr. 1 1. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, der kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf ist, wird hinsichtlich der Kosten- und Auslagenfrage vom Gesetz wie ein Rechtsmittel behandelt (vgl. GA Bd. 71 110 Anm.). Dies gilt aber nur für die Kosten und Auslagen, die durch den Antrag verursacht sind, also nur für das Stadium von Antragstellung bis zur Entscheidung nach § 370. Der Antragsteller trägt also die Kosten, wenn sein Wiederaufnahmeantrag verworfen wird. Dagegen liegt noch kein Erfolg vor, wenn der Antrag zu einem Beschluß nach § 370 Abs. 2 führt (h. M., vgl. z. B. RGSt. 20 115; a. M. E b S c h m i d t NachtrBd. II Rdn. 28). Vielmehr ist, wenn es zu einer neuen Hauptverhandlung kommt, in dem neuen Urteil über die Kosten des gesamten vorangegangenen Verfahrens nach Maßgabe der §§ 465 bis 467 zu entscheiden (Ausnahme: § 474). Mit der Aufhebung des früheren Urteils verliert auch das ihm früher folgende Verfahren seine Bedeutung. Die dem Angeklagten früher auferlegten Kosten der Revisionsinstanz hat er daher im Fall seiner späteren Freisprechung gleichfalls nicht mehr zu tragen, denn auch hier gilt § 467 Abs. 2, wonach dem Angeklagten nur durch schuldhafte Versäumnis verursachte Kosten aufzuerlegen sind; es kann ihm aber nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er die Verurteilung zunächst (erfolglos) mit der Revision angriff (RGSt. 27 382; BGH JZ 1956 10; a. M. RGSt. 27 286, F r i e d e n r e i c h 88). Wird der Angeklagte erneut verurteilt, so ist zu unterscheiden: a) erstrebte er lediglich in Anwendung eines milderen Gesetzes eine mildere Strafe und erreicht er dies Ziel, so hat er mit seinem Antrag vollen Erfolg gehabt; die durch die Behandlung des Wiederaufnahmeantrags (§§ 367—369) entstandenen Kosten trägt die Staatskasse; b) erstrebte er Freispruch und wird er nur in Anwendung des gleichen oder eines milderen Gesetzes zu einer geringeren Strafe als der früher ausgesprochenen verurteilt, so hat er mit seinem Antrag einen Teilerfolg gehabt; die durch die Behandlung des Wiederaufnahmeantrags entstandenen Kosten sind nach § 473 Abs. 4 zu behandeln (RGSt. 20 115, v. K r i e s 780; M ü l l e r - S a x Anm. 7). Im übrigen aber ist über die Kosten nach § 465 zu entscheiden (vgl. dazu § 73 GKG). 2. Abs. 5 spricht von dem durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahren. Da die Wiederaufnahme jetzt auch gegen Strafbefehle (§ 373 a) und Strafverfügungen (Anm. 11 zu § 413) möglich ist, und § 473 Abs. 5 selbstverständlich auch diese Fälle umfaßt, ist der Wortlaut der Vorschrift ungenau geworden. Art. 70 Nr. 252 Entw. EGStGB 1930 wollte demgemäß die Worte „ein rechtskräftiges Urteil" durch „eine rechtskräftige Entscheidung" ersetzen. § 73 Abs. 3 G K G trägt der neuen Rechtslage Rechnung und spricht freilich nur vom Strafbefehl, entsprechend § 373 a. 3. Nach §§ 79, 95 Abs. 3 BVerfGG ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der StPO zulässig, wenn das rechtskräftige Strafurteil auf einer vom BVerfG für nichtig erklärten Norm des materiellen Rechts beruht. Gegenstand der Nachprüfung im Wiederaufnahmeverfahren ist dann nur, welche Folgerungen sich aus dem Wegfall des für nichtig erklärten Gesetzes für den Schuld- und Strafausspruch ergeben. Die kostenrecht-

2581

§ 4 7 3 Anm. D II; E Strafprozeßordnung. Siebentes Buch Anm. 1 liehe Behandlung richtet sich bei solchen Wiederaufnahmeverfahren grundsätzlich nach dem oben zu 1) Ausgeführten. Uber inzwischen bedeutungslos gewordene kostenrechtliche Zweifelsfragen aus Anlaß des Sonderfalles, daß das BVerfG bestimmte Strafdrohungen für nichtig erklärte, als Grundlage der Bestrafung entsprechender Zuwiderhandlungen aber inhaltlich gleiche gültige Strafdrohungen zur Verfügung standen, so daß das Ergebnis der Wiederaufnahme lediglich in der Ersetzung der ungültigen durch die gültige Strafnorm bestand, vgl. ausführlich Anm. 11 c der Voraufl. § 474

II. Zu Nr. 2. Auch der Antrag auf ein Nachverfahren stellt einen dem Wiederaufnahmeantrag vergleichbaren Rechtsbehelf dar; Nr. 2 behandelt ihn daher ebenfalls wie ein Rechtsmittel. E. Zu Absatz 6. Lit.: H ü m m e r JR 1935 199. Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen grundsätzlich dem Antragsteller zur Last, obwohl er mit seinem Antrag Erfolg hat, weil er das Wiedereinsetzungsverfahren durch seine Fristversäumnis veranlaßt hat. Da eine besondere Gerichtsgebühr für das Wiedereinsetzungsverfahren nicht erhoben wird (§§1, 67ff. GKG), hat die Kostenentscheidung nur für die Auslagen Bedeutung; über diese ist im Beschluß über die Wiedereinsetzung zu entscheiden, und der Ausgang des der Wiedereinsetzung folgenden Verfahrens hat auf diese Kostenentscheidung keinen Einfluß, so daß der Angeklagte die Kosten der Wiedereinsetzung auch dann zu tragen hat, wenn er im nachfolgenden Verfahren freigesprochen und von den (übrigen) Kosten des Verfahrens entbunden wird. Die durch unbegründeten Widerspruch des Gegners verursachten Auslagen hat aber der Antragsteller nicht zu tragen. Daß sie den zu Unrecht widersprechenden Gegner treffen, ist im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt, aber so gemeint (so auch M ü l l e r - S a x Anm. 8). Von einem unbegründeten Widerspruch kann naturgemäß keine Rede sein, wenn der Gegner überhaupt nicht gehört worden ist oder nicht widersprochen hat. Abs. 6 enthält keine Regelung für den Fall, daß der Wiedereinsetzungsantrag verworfen wird (KG vom 29. 9. 1961 - 1 Ws 339/61 - , mitgeteilt bei Müller NJW 1962 238); die hierdurch verursachten Auslagen gehören zu den Kosten des Verfahrens i. S. des § 465, die dem Antragsteller bereits durch das vorangegangene Urteil auferlegt sind (OLG Bremen MDR 1961 621; BayObLG VRS 40 30) - § 458 Abs. 3 StPO= Entw. 1939 wollte den Wiedereinsetzungsantrag nach den allgemeinen für Rechtsmittel und Rechtsbehelfe geltenden Vorschriften behandeln, bei begründetem Antrag den Antragsteller also nicht mit Kosten belasten. In der Tat erscheint Abs. 6 in diesem Sinn reformbedürftig (vgl. AnwBl. 1970 15).

§474 Wird nach einem Urteil gegen den Abwesenden die Hauptverhandlung erneuert (§ 282 c), so können ihm die Kosten der früheren Hauptverhandlung in dem neuen Urteil auch dann auferlegt werden, wenn er freigesprochen wird. Entstehungsgeschichte: § 474 wurde als § 474 a eingefügt durch Art. 6 Nr. 6 des Ges. vom 28. 6. 1935 (RGBl. I 844). Der bisherige § 474 betr. die Kosten in den zur Zuständigkeit des BGH im 1. Rechtszug gehörenden Sachen wurde durch Art. 2 Nr. 18 des Ges. zur allgemeinen Einführung eines 2. Rechtszuges in Staatsschutzsachen vom 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582) gestrichen. Dadurch erhielt § 474 a die Paragraphenzahl 474. 1. Während bei einer Wiederaufnahme des Verfahrens und Erneuerung der Hauptverhandlung (§ 370 Abs. 2) nach den allgemeinen Vorschriften in dem neuen Urteil über die Kosten des gesamten vorangegangenen Verfahrens nach den §§ 465—467 entschieden wird, so daß bei Freispruch des Angeklagten die Belastung mit den ihm im früheren Verfahren auferlegten Kosten ohne weiteres entfallt, läßt § 474 für den Fall der erleichterten Wiederaufnahme nach § 282 c Abs. 2 zu, daß dem Freigesprochenen nach Ermessensgrundsätzen die Kosten der früheren Hauptverhandlung (einschließlich derjenigen eines anschließenden Rechtsmittelverfahrens) in dem freisprechenden Urteil von neuem auferlegt werden. Der Begriff des Freigesprochenen ist der gleiche wie im § 467 (vgl. dort Anm. I 3). Die Entschei2582

Zweiter Abschnitt. Kosten des Verfahrens (Schäfer)

§474 Anm. 2

dung über die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens dagegen richten sich ausschließlich nach §§ 465ff.; den Freigesprochenen treffen insoweit keine Kosten (§ 465), und die Erstattung seiner Auslagen richtet sich nach § 467. 2. Art. 19 Nr. 13 des von der Bundesreg. eingebrachten Entw. eines EGStGB (BTDrucks. VI 3250 vom 4. 4. 1972) sieht die Streichung des § 474 vor als Folge der in diesem Entw. vorgeschlagenen Änderungen des Verfahrens gegen Abwesende.

2583

Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung Vom 1. Februar 1877 (RGBl. S. 346) i. d. F. des Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit vom 12. September 1950 (BGBl. S. 455, 629) Vorbemerkung: Das Verfahrensrecht ist bei einer Änderung seiner Vorschriften in der Zeit von derTatbegehung oder von Verfahrensbeginn bis zur Aburteilung grundsätzlich so anzuwenden, wie es zur Zeit der jeweiligen Verfahrenshandlung gilt, also, sofern das Verfahren bis zu einer gerichtlichen Entscheidung vorschreitet, wie es zur Zeit der Entscheidung besteht. Änderungen verfahrensrechtlicher Vorschriften ergreifen also, soweit nichts anderes bestimmt ist, ohne weiteres auch solche Verfahren, die schon eingeleitet sind (h. M.; vgl. z. B. RGSt. 76 161; 77 325; OLG Hamm NJW 1961 2030). Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende gelten die Sondervorschriften der §§ 43ff., 102ff., 109ff. JGG v. 4. 8. 1953, die dem sonst anwendbaren allgemeinen Strafverfahrensrecht (§ 2 JGG) vorgehen.

§1 Die Strafprozeßordnung tritt im ganzen Umfange des Reichs gleichzeitig mit dem Gerichtsverfassungsgesetz in Kraft. 1. Zeit des Inkrafttretens. GVG und StPO sind am 1. Oktober 1879 in Kraft getreten. 2. Geltungsraum der StPO. Die StPO hat mit dem Inkrafttreten Geltung im ganzen damals gegebenen Umfang des Reiches erlangt. Als der Umfang des Reichs erweitert wurde, haben jeweils besondere Gesetze und Verordnungen den Geltungsraum ausgedehnt. Gemäß VO v. 22. 3. 1891 (RGBl. S. 21) sind StPO und GVG mit EG am 1. 4. 1891 auf der Insel Helgoland in Kraft getreten. Die Vorschriften, die im Zusammenhang mit den Gebietserweiterungen nach dem 31. 12. 1937 den räumlichen Geltungsbereich der StPO erstreckten, sind in der 20. Aufl. dieses Werkes S. 71 ff. dargestellt; darauf darf verwiesen werden. Das Zuständigkeitsergänzungsgesetz v. 7. 8. 1952 (BGBl. I 407) — im Anhang dieses Werkes — regelt die Fragen, die sich daraus ergeben, daß deutsche Strafgericht früher in Gebieten tätig wurden, in denen jetzt deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird. Das Deutsche Reich (in den Grenzen v. 31. 12. 1937) ist zwar durch den Zusammenbruch i. J. 1945 nicht untergegangen. Auch bildet (der Idee nach) das Gebiet der Bundesrepublik und der DDR noch immer ein einheitliches Rechtspflegegebiet (vgl. Vorbem. 1 zum Rechts- und Amtshilfeges. v. 2. 5. 1953, BGBl. I 161, im Anhang dieses Werkes), so daß, wo in Gesetzen von „Inland" und „Ausland" die Rede ist, das Gebiet der D D R zum Inland gehört (vgl. Dreher 3 vor § 3 StGB). Die StPO und das GVG i. d. F. des Vereinheitlichungsges. v. 12. 9. 1950 mit den späteren Änderungen und Ergänzungen erstrecken ihren Geltungsbereich (vgl. §§ 7, 8, 10, 13 a StPO: „im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes") aber nur auf das Gebiet der Bundesrepublik. Wegen der staatsrechtlichen Sonderstellung des Landes Berlin gelten die vom Bundestag beschlossenen Gesetze dort nur, soweit sie durch Landesgesetz übernommen werden (vgl. die übliche Berlin-Klausel in Bundesgesetzen: „Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des 3. Uberleitungsgesetzes v. 4. 1. 1952, BGBl. I S. 1, auch im Lande Berlin"). Vgl. dazu das Berliner Rechtsvereinheitlichungsgesetz v. 9. 1. 1951 (VOB1.1 S. 99).

§2 (gegenstandslose Überleitungsvorschrift) 25.85

§ 3 Anm. 1—4

Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung

§3 (1)Die Strafprozeßordnung findet auf alle Strafsachen Anwendung, welche vor die ordentlichen Gerichte gehören. (2) Insoweit die Gerichtsbarkeit in Strafsachen, für welche besondere Gerichte zugelassen sind, durch die Landesgesetzgebung den ordentlichen Gerichten übertragen wird, kann diese ein abweichendes Verfahren gestatten. (3) Die Landesgesetze können anordnen, daß Forst- und Feldrügesachen durch die Amtsgerichte in einem besonderen Verfahren, sowie ohne Zuziehung von Schöffen verhandelt und entschieden werden. 1. Inhalt der Vorschrift. Wie § 1 das räumliche, so legt § 3 das sachliche Geltungsgebiet der StPO fest. Er berührt sich mit § 2 EGGVG. 2. Der Begriff der Strafsache ergibt sich aus dem sachlichen Strafrecht. Strafsache ist ein Verfahren, das, wie die Mot. S. 233 sagen, „die Entscheidung über die Anwendung einer strafrechtlichen Norm zum Zwecke hat", in dem es sich somit um die Verhängung einer Kriminalstrafe i. S. des § 1 StGB oder um die Festsetzung anderer Rechtsfolgen einschließlich selbständig anzuordnender Maßregeln der Sicherung und Besserung handelt, die das sachliche Strafrecht an eine rechtswidrige (nicht notwendig schuldhafte) Verwirklichung eines Straftatbestandes knüpft. 3. Sachen, die nicht unter jenen Begriff fallen, d. h. Sachen, die der Entscheidung über nichtkriminelle Reaktionen gegen Gesetzesverstöße dienen, sind keine Strafsachen im Sinn des § 3 EGStPO, auch wenn für das Verfahren die Vorschriften der StPO in bestimmtem Umfang für sinngemäß anwendbar erklärt sind. Hierher gehören: a) Disziplinar-, ehren- und berufsgerichtliche Verfahren wegen der Verletzung der Berufs- und Standespflichten (vgl. Einleitung S. 61). Keine Strafsachen sind auch Verfahren zur Entscheidung über disziplinarstrafähnliche Maßnahmen, für die die Verfassungsgerichte zuständig sind (vgl. die Anm. zu § 13 GVG). b) Zwangsstrafen (Beugestrafen), deren Zweck darin besteht, den Gehorsam gegen ein von der zuständigen Behörde erlassenes Gebot oder Verbot zu erzwingen (vgl. z. B. §§ 78, 1788, 1837 Abs. 2 BGB, § 14 HGB, § 70 Abs. 2 StPO, § 390 Abs. 2 ZPO, §§ 33, 83, 140, 151 FGG). c) Verfahren betr. die Festsetzung einer Geldbuße und anderer Rechtsfolgen einer Ordnungswidrigkeit nach dem OWiG (vgl. Einleitung S. 31 ff.). d) Ungehorsams- und Ungebührstrafen, wie sie u. a. gemäß §§ 51, 70 Abs. 1, 77 StPO, §§ 380, 390, 409 ZPO und § 178 G V G gegen Parteien, Parteivertreter, Zeugen, Sachverständige und Zuhörer dann ausgesprochen werden können, wenn sie ihre öffentlich-rechtliche Pflicht gegenüber dem Gericht durch Ungehorsam oder Ungebühr verletzen. e) In einigen Fällen ist durch Gesetz den Strafgerichten die Nachprüfung von Verwaltungsakten übertragen oder die Vornahme eines Verwaltungsakts davon abhängig gemacht, daß ein Strafgericht ihn für zulässig erklärt. So entscheiden die Strafgerichte, wenn der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der von einer Justiz- oder Vollzugsbehörde erlassenen Anordnungen oder Maßnahmen auf dem Gebiet der Strafrechtspflege oder des Vollzugs von Freiheitsentziehungen begehrt (§§ 23 ff. EGGVG). Die Auslieferung eines Beschuldigten an die ausländischen Justizbehörden gegen dessen Willen setzt voraus, daß das inländische Strafgericht die Auslieferung durch die inländische Regierung für zulässig erklärt hat (§ 7 DAG). Das gerichtliche Verfahren in diesen Fällen erfolgt zwar, soweit nicht Sondervorschriften erlassen sind, in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der StPO (§ 47 DAG, § 29 EGGVG). Um Strafsachen im technischen Sinn handelt es sich aber nicht. Die Bewilligung der Auslieferung durch die Regierung ist auch kein Justizverwaltungsakt i. S. des § 23 E G G V G (OVG Münster DVB1. 1963 731). 4. Begriff der ordentlichen Gerichte. Insoweit wird auf die §§ 12—14 G V G und die Anmerkungen dazu verwiesen. 2586

Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung (Schäfer)

§ 3

Anm. 5 , 6 Im übrigen sind wegen der Anwendbarkeit der StPO folgende Strafsachen zu unterscheiden: a) Strafsachen, die schlechthin vor die ordentlichen Gerichte gehören. Für sie ist die StPO maßgebend, für die Forst- und Feldrügesachen aber nur mit dem § 3 Abs. 3 EGStPO ausgesprochenen Vorbehalt. b) Strafsachen, für die ein auf Grund einer bundesrechtlichen Vorschrift bestelltes oder zugelassenes besonderes Gericht zuständig ist. Auf sie findet die StPO nur Anwendung, wenn und soweit die für das besondere Gericht gültigen Sondervorschriften die StPO für anwendbar erklären oder auf die Vorschriften des allgemeinen Strafverfahrens verweisen (Mot. S. 223). c) Strafsachen, für die zwar besondere Gerichte zugelassen sind, in denen aber die Gerichtsbarkeit durch Landesgesetz den ordentlichen Gerichten übertragen ist. In ihnen wird nach der StPO verfahren, wenn und soweit nicht ein abweichendes Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 EGStPO landesgesetzlich vorgeschrieben ist. 5. Abs. 2 bezieht sich auf § 3 Abs. 1 EGGVG und ergänzt diese Vorschrift. Das Landesrecht kann auch von den im GVG enthaltenen verfahrensrechtlichen Vorschriften abweichen und sowohl das ganze Verfahren als auch einzelne Teile anders gestalten, als dies in der StPO geschehen ist. Wird von Abs. 2 Gebrauch gemacht, so verlieren die ordentlichen Gerichte diese Eigenschaft nicht. 6. Zu Abs. 3. a) Forst- und Feldrügesachen sind Strafsachen betr. Zuwiderhandlungen gegen „Forstund Feldpolizeigesetze" und die Vorschriften „über den Holz- (Forst-)Diebstahl", die nach § 2 Abs. 2 EGStGB Gegenstand landesrechtlicher Regelung sind. Bei den Forstfreveln, die außerhalb des StGB geregelt sind, kommt es nicht darauf an, ob die einzelne Tat sich (in der Zeit bis zur Beseitigung der Übertretungen durch das 2. StrRG) nach Art und Maß der Strafe als Übertretung oder Vergehen darstellt. b) Die aus § 2 Abs. 2 EGStGB sich ergebende Befugnis des Landesrechts zu materiellrechtlicher Regelung umfaßt auch das Recht, die entsprechenden Tatbestandsverwirklichungen durch Umgestaltung zu Ordnungswidrigkeiten aus dem Bereich des Kriminalstrafrechts herauszunehmen. Geschieht dies, so ist § 3 Abs. 3 EGStPO, der eine abweichende Gestaltung des Sira/verfahrens zuläßt, unanwendbar, und das Verfahren richtet sich gemäß § 2 OWiG grundsätzlich nach dessen Vorschriften (vgl. dazu G ö h l e r zu § 2 OWiG). c) „durch die Amtsgerichte". Die Anordnungen, die Abs. 3 zuläßt, können sich auf das Verfahren nicht nur im ersten Rechtszug vor dem Amtsgericht, sondern auch im zweiten Rechtszug vor der Strafkammer erstrecken und weiterhin die Zulässigkeit der Revision und das Verfahren des Revisionsgerichts betreffen. Wird von Abs. 3 Gebrauch gemacht, so erlangen die Amtsgerichte nicht die Eigenschaft von Sondergerichten. Vielmehr gehören die Amtsgerichte auch als Gerichte für Forst- und Feldrügesachen zu den ordentlichen Gerichten; ein Urteil in Feld- und Forstrügesachen hat daher in gleichem Umfang strafklageverbrauchende Wirkung wie ein solches im gewöhnlichen Strafverfahren (BGH NJW 1953 393). § 269 StPO findet auch auf diese Strafsachen Anwendung (RGSt. 13 383). Forstund Feldrügesachen können gemäß §§ 2 bis 5 StPO mit anderen Strafsachen verbunden und vor ein Gericht höherer Ordnung gebracht werden (RGSt. 3 157). d) Inhalt des besonderen Verfahrens. Wie im Fall des Abs. 2 (Anm. 5) können die landesrechtlichen Vorschriften in jeder Beziehung von denen der StPO abweichen, zum Beispiel hinsichtlich der Vereidigung von Zeugen, der Befugnis zur Anordnung einer Beschlagnahme (RGSt. 11 321; 13 270), und der Zulässigkeit von Rechtsmitteln. Sie können sogar Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile gänzlich ausschließen; das widerspricht nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen, da die Gewährung eines Rechtsmittelzuges kein rechtsstaatliches Erfordernis ist (BGHSt. 4 138; NJW 1960 55; DRiZ 1963 232 mit Nachw.).

2587

§ § 4, 5 § 6 Anm. 1

Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung

§4 (überholt.)

§5 Die prozessualen Vorschriften der Reichsgesetze werden durch die Strafprozeßordnung nicht berührt. Entstehungsgeschichte: Der frühere Abs. 2 des § 5 betraf die nach § 122 Seemannsordnung v. 2. 6. 1902 (RGBl. 175) zulässigen Strafbescheide der Seemannsämter und das Verfahren bei Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach vorangegangener polizeilicher Strafverfolgung. Mit der Beseitigung der polizeilichen Strafverfügung (vgl. § 6) wurde Abs. 2 gegenstandslos und durch Art. 3 Nr. 205 des Vereinheitlichungsges. v. 12. 9. 1950 aufgehoben. Das Seemannsges. v. 26. 7. 1957 (BGBl. II 713) kennt in §§ 124, 125 nur Ordnungswidrigkeitstatbestände. Die Vorschrift regelt nur das Verhältnis der StPO zu den bis zu ihrem Inkrafttreten ergangenen Reichsgesetzen (im Gegensatz zu den in § 6 EGStPO angeführten Landesgesetzen). Spätere Gesetze des Reichs und der Bundesrepublik mit Abweichungen von der StPO gehen nach dem Grundsatz lex posterior derogat legi priori der StPO vor. Von der Einführung der StPO unberührt geblieben sind insbesondere diejenigen der Staatsverträge des Reichs (vgl. dazu Art. 123 Abs. 2 GG), also der Auslieferungsverträge (RGSt. 12 384; 29 271; W e r n e b u r g ArchKrim. 73 40), der Konsularverträge sowie der Handels- und Schiffahrtsverträge.

§6 (1)Die prozeßrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze treten für alle Strafsachen, über die gemäß § 3 nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zu entscheiden ist, außer Kraft, soweit nicht in der Strafprozeßordnung auf sie verwiesen ist. Außer Kraft treten insbesondere die Vorschriften über die Befugnis zum Erlaß polizeilicher Strafverfügungen. (2) Unberührt bleiben landesgesetzliche Vorschriften: 1. über die Voraussetzungen, unter denen gegen Mitglieder eines Organs der Gesetzgebung eine Strafverfolgung eingeleitet oder fortgesetzt werden kann; 2. über das Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle, soweit sie auf die Reichsabgabenordnung verweisen. Entstehungsgeschichte: In der ursprünglichen Fassung entsprach Abs. 1 dem jetzigen Abs. 1 Satz 1. Abs. 2 bezeichnete folgende landesgesetzliche Bestimmungen als fortbestehend: a) über die Voraussetzungen der Strafverfolgung von Mitgliedern einer gesetzgebenden Versammlung während der Dauer einer Sitzungsperiode; b) über das Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Gesetze über das Vereins- und Versammlungsrecht; c) über das Verfahren im Verwaltungsweg bei Übertretungen, wegen deren die Polizeibehörden zum Erlaß einer Strafverfügung berechtigt waren; d) über das Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefalle, vorbehaltlich des Vorrangs der §§ 4 1 9 - 4 2 3 StPO a. F. Von diesen Bestimmungen fielen die zu b) angeführten durch § 23 des VereinsGes. v. 19.4. 1908 (RGBl. S. 156) weg. Das VereinheitlGes. v. 12. 9. 1950 fügte in Abs. 1 den Satz 2 ein (vgl. dazu Einleitung S. 21) und gab dem Abs. 2 die jetzige Fassung. 1. Verdrängung der Landesrechte durch das Bundesrecht. Abs. 1 Satz 1 bezieht sich nur auf die im § 3 Abs. 1 angeführten Strafsachen. Er schließt auch den Erlaß neuer landesgesetzlicher Verfahrensvorschriften auf dem durch die StPO geregelten Gebiet aus. Zu den beseitigten und künftig unzulässigen prozeßrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze gehören insbesondere alle landesrechtlichen Beweisvermutungen (RGSt. 20 321; S c h w e i z e r DJZ 1904 451). Nicht berührt sind landesrechtliche Vorschriften (vgl. z. B. § 17 PrPolVerwGes.) die der Polizei das Recht einräumen, im Rahmen ihrer prozessualen Mitwirkung 2588

Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung (Schäfer)

§ 6

Anm. 2—4 bei der Verfolgung strafbarer Handlungen Personen zur Vernehmung vorzuladen und ihr Erscheinen zu erzwingen (vgl. RGSt. 67 351, 354 und Art. 72, 74 GG); die Bedenken von BGH NJW 1962 1020, ob solche Vorschriften mit der StPO vereinbar seien, erscheinen nicht begründet (vgl. S c h m i d t NJW 1962 2190). Unberührt geblieben sind auch die Vorschriften der Landespolizeigesetze über die Befugnis der Polizei, Personen zu sistieren, d. h. zur Dienststelle zu verbringen und vorübergehend in Gewahrsam zu halten, wenn ihre Personalien an Ort und Stelle nicht festgestellt werden können oder der Verdacht besteht, daß ihre Personalangaben unrichtig sind, z. B. § 20 Bad.-Württ. Polizeiges. i. d. F. v. 16. 1. 1968, GBl. 61; § 4 6 HessSOG v. 17. 12. 1964, GVB1. I 209 ( H o f f m a n n DVB1. 1967 751). Landesrechtliche Vorschriften, die die Polizei ermächtigen, bei leichteren Übertretungen dem damit einverstandenen Täter eine Verwarnung mit Verwarnungsgeld zu erteilen, haben in Art. 154 EGOWiG v. 24. 5. 1968 (BGBl. I 503) eine bundesrechtliche Grundlage erhalten. 2. Verweisungen des Bundesrechts auf verfahrensrechtliche Vorschriften der Landesgesetze. Solche finden sich in § 66e, in § 3 Abs. 2, 3, § 6 Abs. 2 EG StPO, in § 11 Abs. 2 EGGVG sowie in § 17a GVG. Soweit § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EGStPO verfahrensrechtliche Vorschriften der Landesgesetze bestehen ließ, können solche Vorschriften auch in Zukunft erlassen werden. 3. Zu Abs. 2 Nr. 1. Praktische Bedeutung hat die Vorschrift nur für die Mitglieder der Gesetzgebungsorgane der Länder. Denn der Umfang der Immunität der Abgeordneten des Bundestags ist abschließend durch Art. 46, 49 G G geregelt (vgl. dazu Einleitung S. 122). Den Umfang der Immunität der Mitglieder der Landesgesetzgebungsorgane zu bestimmen, überläßt Art. 6 Abs. 2 Nr. 1 dem Landesrecht; die auf dieser Grundlage ergangenen Landesvorschriften sind nach § 152 a StPO auch für die anderen Länder der Bundesrepublik und den Bund wirksam. 4. Zu Abs. 2 Nr. 2. Die ursprüngliche Fassung (damals Abs. 2 Nr. 3) ließ landesgesetzliche Vorschriften, die von der StPO abweichen, zu „über das Verfahren im Verwaltungswege... bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle, insoweit nicht die §§... 419—423 StPO abändernde Bestimmungen treffen". Diese Ermächtigung betraf nicht nur das eigentliche Verwaltungsstrafverfahren, also die Befugnis der Verwaltungsbehörden zum Erlaß und zur Vollstreckung von Strafbescheiden. Sie erstreckte sich vielmehr auch auf Straffälle, in denen die Verhängung der Strafe nur dem Gericht zustand. Denn auch für diese Fälle wurden jene Behörden für befugt erachtet, den ersten Angriff vorzunehmen und gewisse Untersuchungsmaßregeln anzuordnen (Mot. S. 234; RGSt. 21 47). § 6 Abs. 2 Nr. 3 a. F. verlor in weitem Umfang seine Bedeutung, als die § § 420, 440 ff. a. F. RAbgO das Verwaltungsstrafverfahren vor den Finanz- und Zollämtern und die Anfechtung der von ihnen erlassenen Strafbescheide neu regelten, darüber hinaus aber auch den Finanzämtern eine Beteiligung am Verfahren in den Fällen zuwiesen, in denen die Entscheidung dem Gericht zustand, weil die Strafbescheidsbefugnis der Finanzbehörde überschritten wäre oder sie von ihrer Befugnis keinen Gebrauch machen wollte. In der Folgezeit wurde die Befugnis der Finanzbehörden zum Erlaß von Strafbescheiden beseitigt und ihre Befugnis zur Mitwirkung an Steuerstrafverfahren neu geregelt (vgl. Einleitung S. 59 f.). An dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 wurde aber nichts geändert. Die Regelungsbefugnis des Landesgesetzgebers, die § 6 Abs. 2 Nr. 2 aufrechterhielt, hat danach Bedeutung nur für die Fälle, in denen es sich um Abgaben und Gefalle handelt, die nach §§ 3, 8, 8 a RAbgO nicht der Regelung durch die RAbgO unterliegen (vgl. dazu H ä r t u n g in H ü b s c h m a n n = H e p p - S p i t a l e r Vorbem. VI vor § 420; K ü h n 2 zu § 3 RAbgO). Auch soweit hiernach dem Landesrecht ein Regelungsrecht verblieben ist, kann es sachlich nur durch Verweisung auf die entsprechenden Vorschriften der RAbgO ausgeübt werden. Eine Zusammenstellung der Landesgesetze, die das Recht der RAbgO auf Abgaben, die der Landesgesetzgebung unterliegen, für anwendbar erklären, findet sich bei Härtung aaO.

2589

§7

Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung

§7 Gesetz im Sinne der Strafprozeßordnung und dieses Gesetzes ist jede Rechtsnorm. Begriff der Rechtsnorm. Dieser Ausdruck ist hier ebenso wie in § 337 Abs. 2 StPO im weitesten Sinn aufzufassen. Er schließt nicht nur die ausdrücklichen Vorschriften der Gesetze, sondern auch alle Grundsätze, die sich aus dem Sinn und Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften ergeben, ein (RGSt. 6 237; 46 44; Mot. S. 212). Auch das Gewohnheitsrecht gehört hierher (RGSt. 9 299; OLG Köln MDR 1954 119; vgl. auch D ü n n e b i e r JZ 1961 312). Ob eine Rechtsnorm dem Strafverfahrensrecht oder einem anderen Zweig des Rechts angehört, gilt gleich. Auch eine im ausländischen Recht beruhende Norm zählt hierher (RGSt. 10 285; 57 48). In der Erläuterung des § 337 StPO wird der Begriff der Rechtsnorm im einzelnen erörtert. § 8—12. Überholte Übergangsvorschriften.

2590

Gerichtsverfassungsgesetz

Gerichtsverfassungsgesetz Vom 27. Januar 1877 (RGBl. 1877 Nr. 5 S. 41 ff.) i. d. F. vom 12. September 1950 (BGBl. 455, 513) mit späteren Änderungen.

Vorbemerkung 1.Über die Änderungen, die das GVG im einzelnen seit seinem Inkrafttreten am 1. 10. 1879 erfahren hat, vgl. die Darstellung in der Einleitung zu diesem Werk S. 4ff., 23, 29. Hinzu treten die Änderungen in Art. II des Ges. z. Änderung der Bezeichnung der Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) und betr. §§ 10. 74c. 80, 142. 2. Gesetzgebungszuständigkeit. Nach Art. 74 Nr. 1 hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung auf dem Gebiet der „Gerichtsverfassung"; auf dieser Grundlage beruht die Vereinheitlichung des Gerichtsverfassungsrechts durch das Ges. vom 12. 9. 1950. Zu der in einem Einzelfall streitig gewordenen Frage, wie weit das Gebiet der Gerichtsverfassung i. S. des Art. 74 Nr. 1 G G reicht, hat die Bundesregierung (zu BT-Drucks. 161 Anl. 2; auch abgedr. DRiZ 1954 126) im Jahre 1954 folgendermaßen Stellung genommen: „Gerichtsverfassungsrecht und Recht der Gerichtsorganisation sind keine sich gegenseitig ausschließenden Rechtsgebiete. Die grundlegenden Vorschriften über den Aufbau der Gerichte in sämtlichen Zweigen der Gerichtsbarkeit gehören zum Gerichtsverfassungsrecht. Aber auch organisatorische Vorschriften geringerer Bedeutung, wie die Zusammenfassung bestimmter Aufgaben der Rechtsprechung bei einzelnen Gerichten, die z. B. durch § 58 und § 92 GVG ermöglicht sind, sind ebenfalls Teile dieser Rechtsmaterie. — Ob eine Vorschrift zum Gerichtsverfassungsrecht gehört oder nicht, läßt sich somit nicht danach bestimmen, ob sie eine Regelung für die Organisation der Gerichte enthält oder nicht. Bei dieser Prüfung ist vielmehr von den Aufgaben und dem Wesen des Gerichtsverfassungsrechts auszugehen. Zu ihm gehören in erster Linie die grundlegenden Vorschriften allgemeiner Art über den Aufbau der Gerichte und das bei ihrer Errichtung, Aufhebung oder Verlegung zu beachtende Verfahren, die Bestimmungen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Gerichte und Richter und die Maßnahmen zur Wahrung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters. Alle Vorschriften, die diesen Aufgaben dienen, sind Teil des Gerichtsverfassungsrechts. Für sie ist der Bundesgesetzgeber nach Art. 74 Nr. 1 G G zuständig. Einzelmaßnahmen, die auf Grund der allgemeinen bundes rechtlichen Vorschriften zu treffen sind, gehören dagegen zur Zuständigkeit der Länder." Der „fragmentarische" Charakter des GVG (Anm. 2 a zu § 2 EGGVG) läßt dem Landesrecht Raum zu ergänzenden allgemeinen Vorschriften auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung. Solche ergänzenden Vorschriften finden sich hauptsächlich in den Ausführungsgesetzen der Länder zum GVG (vgl. z. B. BayAG GVG vom 17. 11. 1956, GVB1. 249 = SaBl. 1216; Brem. AGGVG vom 11. 10. 1960, GVB1. 123; Nds. AGGVG vom 5.4. 1963, GVB1. 225 = SaBl. 485) und in den Gerichtsorganisationsgesetzen der Länder (vgl. Anm. IV zu § 59 GVG). 3. Geltungsbereich des GVG. Das GVG regelt (vgl. § 2 EG GVG) nur die Organisation der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit. Im Abschnitt IX „Die Rechtsprechung" (Art. 92—104) hat das G G — weit über den Abschnitt „Die Rechtspflege" der WeimVerf. (Art. 102—108) hinausgehend — es unternommen, die Organisation der gesamten Gerichtsbarkeit, von der die ordentliche Gerichtsbarkeit nur einen Zweig darstellt, in den Grundzügen verfassungsrechtlich festzulegen.' Das G G hat dabei eine Reihe der grundlegenden Vorschriften des GVG (§§ 1.8 a. F.. 12. 16) ganz oder z. T. inhaltlich übernommen. Damit sind nicht nur diese Vorschriften innerhalb ihres Standorts im GVG mit der erhöhten Kraft des 2593

Vor § 1 Anm. 1,2

Gerichtsverfassungsgesetz

Verfassungssatzes ausgestattet, sondern sie sind über ihren ursprünglichen Geltungsbereich hinaus zu tragenden Bestandteilen der Gesamtorganisation der Rechtsprechung mit ihren verschiedenen Gerichtsbarkeitszweigen, der „rechtsprechenden Gewalt", geworden, die das G G als dritten Machtträger im System der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG) ausgebaut und verselbständigt hat (vgl. von M a n g o l d t , Komm. z. G G Vorbem. 3 b zu Abschn. IX). Dieser Bedeutung der Rechtsprechung entsprach es, die Gerichtsverfassung in ihren Elementen „in die Verfassungsrechtsspäre zu erheben", um so zugleich trotz Schaffung mehrfacher Gerichtsbarkeitszweige (vgl. Art. 92, 96 GG) die Einheit und Einheitlichkeit der Rechtspflege zu gewährleisten (vgl. v. M a n g o l d t aaO. Vorbem. 2). Uber diese erweiterte Wirkung einzelner seiner Grundvorschriften durch Aufnahme in das G G hinaus hat das GVG auch im übrigen eine Erweiterung seines Anwendungsbereichs dadurch erfahren, daß seine allgemeinen (also nicht speziell auf die Organisation der Justizgerichte abgestellten) Vorschriften in den Verfahrensordnungen der übrigen Rechtssprechungszweige in mehr oder weniger großem Umfang für anwendbar erklärt worden sind (vgl. Anm. 2 a zu § 2 EG GVG). Dies gilt insbesondere für die durch das Gesetz vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) umgestalteten Vorschriften über die Präsidialverfassung ( § § 2 1 a ff.). Die Regelung der Rechtsstellung der Richter aller Gerichtsbarkeitszweige in DRiG 1961 hat dazu geführt, daß die allgemeinen Vorschriften über die Rechtsstellung der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit in das DRiG übernommen und damit im GVG entbehrlich wurden.

ERSTER TITEL Gerichtsbarkeit Vorbemerkung 1. Inhalt des 1. Titels. Der 1. Titel (§§1 bis 11) trug früher die Überschrift „Richteramt". Er bezweckte bei Schaffung des GVG, die Mindestforderungen für die Befähigung zum Richteramt und für die Gewährleistung richterlicher Unabhängigkeit in allen deutschen Ländern festzulegen, stellte es den Ländern aber frei, höhere Anforderungen zu stellen und die Unabhängigkeit stärker zu schützen. Die meisten dieser Vorschriften (§§ 2 bis 9, 11) wurden durch § 85 Nr. 1 DRiG aufgehoben; bestehen blieben § 1 und — in geänderter Form — § 10. Durch das Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) wurde der bisherige 1. Titel mit dem 2. Titel (§§ 12 bis 21), der die Uberschrift „Gerichtsbarkeit" trug, zu einem Titel unter der Überschrift „Gerichtsbarkeit" vereinigt. 2. Die Rechtsgrundlagen der richterlichen Unabhängigkeit. Den in § 1 GVG niedergelegten Kardinalgrundsatz jeder rechtsstaatlichen Rechtsprechung, die sachliche Unabhängigkeit der Gerichte, sprach in der Folgezeit Art. 102 WeimVerf. („Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen") mit Verfassungskraft für die Richter aller Gerichtsbarkeitszweige aus, während die in §§ 6, 8, a. F. GVG niedergelegten persönlichen Garantien der richterlichen Unabhängigkeit in Art. 104 WeimVerf. nur für die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu Verfassungsgrundsätzen erhoben wurden. Das G G folgt dem Vorbild der WeimVerf., indem es in Art. 97 die sachliche und persönliche Unabhängigkeit der Richter garantiert (letztere — anders als Art. 104 WeimVerf. — für die Richter aller Gerichtsbarkeitszweige). Daneben enthält aber Abschnitt IX (über dessen allgemeine Bedeutung vgl. Vorbem. 3 zum GVG) weit über die wenigen Vorschriften der WeimVerf. hinausgehende Grundsätze über die Stellung der Richter. Dem Verfassungsgebot (Art. 98 Abs. 1 GG), die Rechtsstellung der Bundesrichter im einzelnen durch besonderes Bundesgesetz zu regeln, ist durch das Deutsche Richtergesetz vom 8. 9. 1961 (BGBl. I 1665) entsprochen worden; in diesem hat der Bund zugleich von der Ermächtigung des Art. 98 Abs. 3 GG, Rahmenvorschriften für die besonderen, die Rechtsstellung der Richter in den Ländern regelnden Landesgesetze zu erlassen, Gebrauch gemacht (§§ 71 ff. DRiG). a) Rechtsprechung, Rechtspflege, Gerichtsbarkeit. An die Spitze des IX. Abschnitts des G G ist der Satz gestellt: „Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut" (Art. 92 2594

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

Vor § 1 Anm. 2

Halbs. 1 GG). Damit werden verfassungsmäßig die Richter als die Repräsentanten, als die „besonderen Organe" (Art. 20 Abs. 2 GG) der Rechtssprechung als der dritten staatlichen Gewalt im System der Gewaltenteilung anerkannt (vgl. BVerfGE 26 155); sie sind nach dem viel zitierten Wort von Z i n n (DÖV 1949 278) „auf die Ebene verfassungsrechtlicher Organe emporgehoben worden". Dadurch, daß Art. 92 die Rechtsprechung nur den Richtern überträgt, sind Gesetzgeber und Verwaltung von jeder rechtsprechenden Tätigkeit ausgeschlossen; es ist nach Art. 92 ausgeschlossen, irgendwelche Rechtsstreitigkeiten den Gerichten zugunsten einer Verwaltungsbehörde zu entziehen (von M a n g o l d t Anm. 3 zu Art. 92 GG). aa) Rechtsprechung i. S. des IX. Abschnitts des G G (vgl. dazu etwa F r i e s e n h a h n in Festschrift für Thoma 1950 S. 27; K e r n DRiZ 1952 125; v. T u r e g g NJW 1953 1201; A c h t e r b e r g JZ 1969 354; B l o m e y e r GA 1970 161) ist Gesetzesanwendung zur Entscheidung eines Rechtsstreits, d. h. eines Streits um geltendgemachtes oder bestrittenes Recht oder einer Straf-, Dienststraf- oder Ehrengerichtssache (einschl. der Bußgeldsachen im gerichtlichen Verfahren nach dem OWiG) in einem gesetzlich geregelten Verfahren durch unparteiische, d. h. unbeteiligte, vom Staat ernannte Dritte, die in sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit handeln (BVerfGE 3 377, 381; 4 331, 346; 14 56, 59; 18 241, 255; 26 186, 198). Zu einem gesetzlich geregelten Verfahren gehört, daß der Vorsitzende ein Berufsrichter ist (§ 28 Abs. 2 DRiG; Ausnahme § 123 aaO.); im übrigen ist die Mitwirkung von Berufsrichtern nicht notwendig (vgl. BGH Z 34 384) und ebensowenig ein Rechtsmittelzug (BVerfGE 4 74, 94, 205, 211; 6 7, 12; BVerwGE 1 60; 3 145; 6 84; BGHZ 34 251, 384). Wesentliches Begriffsmerkmal der Rechtsprechung ist zwar das Element der Entscheidung, der Feststellung und des Ausspruchs dessen, was rechtens ist (BVerfGE 31 43, 46). Dagegen gehört „Rechtskraftwirkung" der Entscheidung „um der Gewißheit willen" — gegen E b S c h m i d t JZ 1963 74, MDR 1964 629. Lehrk. I Rz 9 ff.; A r n d t , Festschrift f. Carlo Schmidt (1961) 5 ff. — nicht begrifflich notwendig zum Wesen der Rechtsprechung; z. B. ist auch eine vorläufige Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses durch einstweilige Verfügung in Beschluß- oder Urteilsform ein echter Rechtsprechungsakt. Durch die Unabhängigkeit der zur Entscheidung über streitiges Recht nach Rechtsgrundsätzen berufenen Staatsorgane — der „Richter" — unterscheidet sich die Rechtsprechung von der Verwaltungstätigkeit, der Tätigkeit der vollziehenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG), die auch in der Nachprüfung streitigen Rechts nach Rechtsgrundsätzen bestehen kann. Soweit Richter auf dem Gebiet der Justizverwaltung tätig werden, sind sie nicht unabhängig. bb) Rechtspflege. Durch die Beschränkung auf die streitentscheidende Rechtsanwendung unter richterlicher Unabhängigkeit hebt sich die Rechtsprechung von dem weiteren Begriff der Rechtspflege ab, mit der sich das G G gewolltermaßen nicht befaßt. Die Rechtspflege umfaßt neben der Rechtsprechung die weisungsgebundene Justizverwaltungstätigkeit, die in die Gerichtsverwaltung (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 DRiG) und die Justizverwaltung im weiteren Sinn zerfällt. Zur Justizverwaltung gehören auch die Strafvollstreckung und der Strafvollzug (vgl. P o h l m a n n Rpfleger 1957 323; 1962 236; W e r t e n b r u c h und K e r n Rpfleger 1962 77, 197). Es gehört hierher aber auch die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren (vgl. Einleitung S. 63; B l o m e y e r GA 1970 161), die freilich durch ihre Verklammerung mit der rechtsprechenden Tätigkeit des Gerichts von besonderer Eigenart und durch ihre „Nähe" zur richterlichen Tätigkeit gekennzeichnet ist (vgl. Einleitung aaO. Anm. 35). Andererseits gibt es Formen der Rechtspflegetätigkeit, die, da nicht unmittelbar auf Streitentscheidung im Einzelfall gerichtet, materiell Justizverwaltung darstellen, aber der Rechtsprechung zuzurechnen sind, da sie von Richtern unter richterlicher Unabhängigkeit vorgenommen werden („justizförmige Verwaltungsakte", vgl. I J zu § 1). Auf Einzelheiten einzugehen, ist hier nicht der Raum. Hervorzuheben ist nur, daß die Rechtsprechung auch in das Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit hinübergreift und zwar nicht nur da, wo echte Rechtsstreitigkeiten, in denen sich Beteiligte mit gegensätzlichen Interessen streitend und Recht suchend gegenüberstehen, nicht im Zivilprozeß, sondern im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgetragen werden (vgl. dazu BVerfG DRiZ 1967 164; L e n t - H a b s c h e i d , Freiw. Gerichtsbarkeit §§ 5, 7, 8; B e t t e r m a n n in „Die Grundrechte" III 2, 541). Nicht zur Rechtsprechung gehört die Leistung von Amtshilfe einschl. der Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft gemäß § 162 StPO (BVerfGE 3143). 2595

Vor § 1 Anm. 2

Gerichtsverfassungsgesetz

cc) Gerichtsbarkeit bedeutet Befugnis zur Ausübung der Rechtsprechung ( M a r q u o r d t JR 1955 164; OLG Hamm NJW 1971 1623); je nach Art der Rechtsstreitigkeit steht die Ausübung der Rechtsprechung einem bestimmten Zweig der Gerichtsbarkeit zu (vgl. Vorbem. I vor § 12). Rechtsweg bedeutet den Weg zu den Gerichten eines Gerichtsbarkeitszweiges; es gibt mithin soviel Rechtswege, als es Gerichtsbarkeitszweige gibt. Den Weg zu den ordentlichen Gerichten bezeichnet das G G als den ordentlichen Rechtsweg (Art. 19 Abs. 4). b) Richter, Gericht. Eine Begriffsbestimmung des „Richters" und des „Gerichts" enthält das G G nicht. Aus Art. 97 Abs. 1 („die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen") in Verbindung mit Art. 92 Halbsatz 2, wonach die rechtsprechende Gewalt durch die im G G aufgeführten Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt wird, ergibt sich aber, daß Richter i. S. des G G nur ist, wer als Mitglied eines Gerichts und mit sachlicher Unabhängigkeit ausgestattet zur Ausübung der rechtsprechenden Gewalt berufen ist, wobei die sachliche Unabhängigkeit durch ein Mindestmaß persönlicher Unabhängigkeit - s. Anm. II 2 zu § 1 GVG - garantiert sein muß (BVerfGE 14 56 = NJW 1962 1611). Daraus, daß nach Art. 92 Halbsatz 1 nur Richter Recht sprechen dürfen, folgt, daß „Gericht" i. S. des Art. 92 Halbsatz 2 nur ein staatliches Organ sein kann, das als „unbeteiligter Dritter" und demnach als besondere von der Exekutive getrennte Institution über Rechtsstreitigkeiten nach Rechtsgrundsätzen entscheidet, und dessen Mitglieder — Berufsrichter oder ehrenamtliche Richter — sowohl sachlich unabhängig (weisungsfrei) wie auch persönlich mindestens in dem Sinn unabhängig sind, daß sie nicht jederzeit frei abberufbar sind, sondern vor Ablauf ihrer Amtszeit gegen ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, die das Gesetz bestimmt, abberufen werden können - s. § 44 Abs. 2 DRiG - (BVerfGE 14 56, 70; 18 241, 255; 26 186, 189). Zur „Unbeteiligtheit" gehört, daß im Einzelfall ein Richter, der nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, von der Amtsausübung ausgeschlossen ist oder wegen Befangenheit abgelehnt werden kann (BVerfG DRiZ 1967 164). Auch ein von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts getragenes Gericht kann „staatliches" Gericht sein, wenn der Staat bei der Bestellung der Richter mindestens in Form einer Bestätigung mitwirkt (BVerfGE 18 255). Nicht unter Art. 92 fallen in Form eines Gerichts organisierte Behörden, denen keine streitentscheidende Aufgabe zufällt, wie z. B. die Ortsgerichte in Hessen (vgl. Ortsgerichtsges. i. d. F. v. 2. 5. 1972, GVB1. I 102) oder das Buridesoberseeamt (vgl. BVerwG M D R 1969 1034 = JZ 1970 m. Anm. S c h i c k ; s. dazu auch S c h u l t z MDR 1970 563). Ihre gesetzgeberische Behandlung gehört aber, wenn sie herkömmlicherweise als Gericht angesehen und bezeichnet werden, zur Gerichtsverfassung i. S. des Art. 74 Nr. 1 G G (BVerfGE 11 192). Ein Organ, das zwar über Rechtsstreitigkeiten nach Rechtsgrundsätzen entscheidet, aber nicht institutionell von der Verwaltung getrennt ist (vgl. Art. 20 Abs. 2 G G : „besondere Organe"), ist kein Gericht (vgl. BVerfGE 18 254; B e t t e r m a n n III 2, 633ff.); seine Entscheidungen sind Verwaltungsakte. Die unter diesem Gesichtspunkt gegen die Gerichtsqualität der Nichtigkeits- und Beschwerdesenate des Bundespatentamts erhobenen Bedenken führten zur Errichtung des Bundespatentgerichts als Bundesgericht (vgl. Art. 96 GG). Dem Art. 92 G G entspricht auch nicht eine Besetzung — entsprechend der früher bei den Verwaltungsgerichten anzutreffenden Übung — mit Personen, die teils als abhängige Verwaltungsbeamte, teils als unabhängige Richter verwendet werden (vgl. BVerfGE 18 255; BVerwG NJW 1958 1697; BGHZ 34 239; v. M a n g o l d t aaO.; Baur', Justizaufsicht und richterl. Unabhängigkeit 27). Dagegen steht es mit Art. 92, 97 nicht in Widerspruch, die hauptamtlichen Richter eines Gerichtsbarkeitszweiges als nebenamtliche Richter eines anderen Gerichtsbarkeitszweiges zu verwenden (vgl. § 27 Abs. 2 DRiG). Sachliche Unabhängigkeit (vgl. dazu Anm. II zu § 1) besitzen nach Art. 97 Abs. 1 alle Richter. Die vollen persönlichen Voraussetzungen der Unabhängigkeit (Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit) garantiert Art. 97 Abs. 2 nur den hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richtern, also weder den ehrenamtlichen („Laien"-)Richtern noch den hauptamtlichen, aber noch nicht planmäßig angestellten Richtern (Richtern auf Probe und Richtern kraft Auftrags, §§ 12 ff. DRiG). Diese genießen aber das oben bezeichnete Mindestmaß persönlicher Unabhängigkeit. Sog. Betriebsgerichte sind keine Gerichte, sondern Einrichtungen auf dem Boden des Privatrechts (vgl. DRiZ 1965 209).

2596

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer) c) Richter und Beamte. Abgesehen von den Vorschriften des GVG und einzelnen Sondervorschriften wurden früher die hauptamtlich angestellten Richter grundsätzlich dem allgemeinen Beamtenrecht unterstellt; sie waren richterliche Beamte. Der Heraushebung der rechtsprechenden Gewalt als des dritten Machtträgers im System der Gewaltenteilung entsprechend hebt das G G die Richter als Repräsentanten der „dritten Gewalt" äußerlich von den Amtsträgern der Verwaltung, den „Beamten" ab. Das kommt u. a. im G G in der Beteiligung von Richterwahlausschüssen bei der Berufung der Richter (Art. 95 Abs. 2, 98 Abs. 4 GG), in dem Institut der Richteranklage (Art. 98 Abs. 2, 5), in dem Gebot, die Rechtsstellung der Richter, ihrer Eigenart entsprechend, nicht in den Beamtengesetzen, sondern in besonderen Richtergesetzen des Bundes und der Länder zu regeln (Art. 98 Abs. 1,3 GG), und schließlich in der Gesetzessprache zum Ausdruck, die zwischen „Beamten" und „Richtern" auch da unterscheidet, wo Vorschriften erlassen werden, die für beide Sparten gleichmäßig gelten (vgl. Art. 60 Abs. 1 GG). § 1 Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Gerichte ausgeübt. Literatur: a) Geschichtliche Entwicklung. Allgemeine Bedeutung. A u b i n , Die Entwicklung der richterlichen Unabhängigkeit (Freib. Diss. 1905); H e i n s h e i m e r , Von der Unabhängigkeit der Gerichte (Heidelberger rechtswissensch. Abhandl. 7) 1929; G r ü n h u t , Die Unabhängigkeit der richterlichen Entscheidung, MSchr. KrimPsych. 1930, Beiheft 3; E b S c h m i d t , Unabhängigkeit der Rechtspflege (Godesberger Juristentag 1947); ders. Gesetz und Richter, Heft 1 der Schriftenreihe der Jur. Studiengesellschaft beim BGH, und Richtertum und Staatsdienst DRiZ 1952 38; ferner: Probleme der richterlichen Unabhängigkeit DRiZ 1962 401; W e r n e r W e b e r , Das Richtertum in der Deutschen Verfassungsordnung, Festschrift für Niedermeyer 1953; W e i d n e r , Unabhängigkeit der Richter und „Hausgerichtsbarkeit" JZ 1959 764; G e i g e r , Die richterliche Unabhängigkeit in der Rechtsprechung des BVerfG, Juristen-Jahrbuch I (1960); E i c h e n b e r g e r , Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, Bern 1960; B e t t e r m a n n , Die Unabhängigkeit der Gerichte und der gesetzliche Richter, in Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Grundrechte Bd. III (1959), 523 ff. b) Dienstaufsicht. L a b a n d , Zur Frage der Justizaufsicht DJZ 1905 623; G ü l l a n d , Die Dienstaufsicht über Richter und die Unabhängigkeit der Gerichte, 1932; ders., Richterliches Ermessen und Dienstaufsicht DRiZ 1932 326; S c h o r n , Zur Dienstaufsicht über Richter DRiZ 1954 2; ders., Dienstaufsichtsfragen DRiZ 1958 314; F r i t z B a u r , Justizaufsicht und richterliche Unabhängigkeit, Tübingen 1954; D i n s l a g e , Richterliche Unabhängigkeit und Dienstaufsicht DRiZ 1960 201; W e b e r , Dienstaufsicht und richterliche Unabhängigkeit DRiZ 1961 69; H o e p n e r , Zur Dienstaufsicht über Richter DRiZ 1964 6; S t r a e t e r , Richter und Justizverwaltung DRiZ 1964 113; W i n t e r , Richterl. Unabhängigkeit und Justizaufsicht unter besond. Berücksichtigung eines neuen Deutschen Richterges., Diss. Mainz 1958; W e i s t , Die Entwicklung der Dienstaufsicht über Richter DRiZ 1968 223; S c h ä f e r , Grundfragen richterlicher Unabhängigkeit DRiZ 1970 73; H e l d , Die Unabhängigkeit des Richters - Norm und Wirklichkeit DRiZ 1972 101; A r n d t , Die Unabhängigkeit des Richters DRiZ 1971 254; Z w e i g e r t , Zur inneren Unabhängigkeit des Richters, in Festschrift für F.V.Hippel, 1967; G r i m m , Richterliche Unabhängigkeit und Dienstaufsicht in der Rechtsprechung des BGH, 1972. c) Zum richterlichen Prüfungsrecht: A p e l t JZ 1954 401ff.; H . S c h ä f e r NJW 1954 1 fT„ 409 ff. d) Zur Bindung des Richters an das Gesetz; v o n H i p p e l , Rechtsbegriff und Richterstellung DRiZ 1954 65; W e i n k a u f f , Richtertum und Rechtsfindung in Deutschland, Tübingen 1925; L e s s , Vom Wesen und Wert des Richterrechts, Erlangen 1954; G r a u p n e r , Ein Beitrag zum Problem der Nichtigkeit von Gesetzen mit Unrechtsgehalt NJW 1955 1211; B o c k e l m a n n , Richter und Gesetz, Festgabe für Smend, 23 ff.; B e r g e s , Recht und Richtermacht DRiZ 1962 369; R e u ß , Der Richter und das Gesetz DÖV 1963 361; M e y e r 2597

§ 1 Anm. I 1

Gerichtsverfassungsgesetz

L a d e w i g , Gesetzesbindung und Richterfreiheit DRiZ 1962 317; W. W e b e r , „Die Bedrohung der Freiheit durch die Macht der Richter" in Kröners Taschenausgabe Bd. 290 (1958), 85; B a c h o f , Grundgesetz und Richtermacht, Tübingen 1959; ders., Die richterliche Kontrollfunktion im westdeutschen Verfassungsgefüge, Festschrift für Huber, 1961, 26ff.; A r n d t , Gesetzesrecht und Richterrecht NJW 1963 1273; E b S c h m i d t , Probleme der richterlichen Verantwortung DRiZ 1963 376; B r ü g g e m a n n , Die rechtsprechende Gewalt, 1962; ders.. Gesetzesrecht und Richterrecht JR 1963 162: F. W e r n e r . Das Problem des Richterstaates. 1960: G e i g e r . Der Richter und seine Bindung an Gesetz und Recht DRiZ 1963 170: R o t h - S t i e l o w . Die Aufhebung des Richters gegen das Gesetz. Villingen 1964: W e n z e l . Die Problematik der richterlichen Ausfüllung von Gesetzeslücken JZ 1960 713: M a i h o f e r . Die Bindung des Richters an Gesetz und Recht AUS 1960 5: S t e i n . Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung NJW 1964 1745: R e d e k e r . Legitimation und Grenzen richterlicher Rechtsetzung NJW 1972 409: K l e i n . Richterrecht und Gesetzesrecht DRiZ 1972 333.

Übersicht I. Entwicklung und Bereich der richterlichen Unabhängigkeit 1. Zur Entstehung des § 1. — Sein Verhältnis zu Art. 97 Abs. 1 G G und § 25 DRiG. Begriff und Umfang der „richterlichen Gewalt" 2. Weisungsgebundenheit bei Geschäften außerhalb der „richterlichen Gewalt" II. Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit 1. Sachliche Unabhängigkeit. Partei-, Staats- und Gesellschaftsunabhängigkeit 2. Persönliche Unabhängigkeit. Abstufungen. Mindesterfordernisse III. Unterwerfung unter das Gesetz 1. Begriff des Gesetzes. Bedeutung des Naturrechts 2. Fortbildung des Rechts. Auslegung. Lückenausfüllung durch Schaffung von Richterrecht 3. Rechtsändernde Auslegung 4. Grenzen der Bindung. Ungerechte Gesetze 5. Entscheidungsmonopol des BVerfG bei Annahme der Unwirksamkeit eines Gesetzes wegen Verstoßes gegen die Gerechtigkeit IV. Verhalten des Richters bei Gewissenskonflikten

V. Richterliches Prüfungsrecht. Konkrete Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 GG) Vorlegung nach Art. 100 Abs. 2 GG. Entscheidung des BVerfG nach Art. 126 G G VI. Prüfung der formellen Gültigkeit von Gesetzen. Nachprüfung von RechtsVOen VII. Beschränkung der richterlichen Unabhängigkeit durch Bindung an Entscheidungen anderer Gerichte. Bedeutung von Vorentscheidungen einer Verwaltungsbehörde VIII. Richterliche Unabhängigkeit und Dienstaufsicht 1. Grundsatz. Befugnisse der Dienstaufsicht nach § 26 Abs. 2 DRiG 2. Vorhaltung der ordnungswidrigen Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts a) Begriff der Vorhaltung b) Gegenstand der Vorhaltung ist die Art der Ausführung c) Fehler, die auf den Inhalt der Entscheidung einwirken d) Unzulässige Maßnahmen e) Zulässige Maßnahmen 3. Ermahnungen zu ordnungsgemäßer Ausführung 4. Anfechtbarkeit nach § 26 Abs. 3 DRiG 5. Zuständigkeit zur Ausübung der Dienstaufsicht IX. Unabhängigkeit und disziplinarische Verantwortlichkeit.

I. Entwicklung und Bereich der richterlichen Unabhängigkeit 1. § 1, der aus Gründen der Vollständigkeit und Eindringlichkeit den Verfassungssatz des Art. 97 G G wiederholt, spricht die sachliche Unabhängigkeit der rechtsprechenden Organe aus. Entstanden aus dem Kampf des 18. und 19. Jahrhunderts gegen die „Kabinettsjustiz" und um Anerkennung des Grundsatzes der Gewaltenteilung (vgl. E b S c h m i d t , Lehrkomm. 2598

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 1 Anm. I 2; II 1

I Rz 457ff.) hat der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit als spezifisches Merkmal des Rechtsstaates früh Eingang in die Verfassungen gefunden (vgl. Frankfurter Reichsverfassung vom 28. 3. 1849 — Abschn. VI Art. X § 175 —; Erfurter Unionsverfassung 1850 — Abschn. VI Art. X § 173 - ; preuß. Verf. vom 31. 1. 1850 - Art. 86 - und die anderen Landesverfassungen; Art. 102 WeimVerf.). Nach 1945 haben ihn die neuen Landesverfassungen übernommen. Diese Bestimmungen haben — ebenso wie der vorliegende § 1 — nur deklaratorische Bedeutung, nachdem Art. 97 Abs. 1 G G , für alle Richter und alle Gerichtsbarkeitszweige ausgesprochen hat: „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen". Nur deklaratorische Bedeutung hat es auch, wenn § 25 D R i G 1961 den Grundsatz (in singularischer Form: „Der Richter i s t . . . " , aber ohne sachliche Verschiedenheit) als für alle Richter geltend wiederholt. Die richterliche Gewalt, von der § 1 spricht, ist das gleiche wie die „rechtsprechende Gewalt" des Art. 92 G G ; der Ausdruck umfaßt den Inbegriff der Aufgaben und Befugnisse, die den Gerichten bei Ausübung der Rechtsprechung (im Rahmen des § 1 also bei Ausübung der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit, § 2 E G GVG) zufallen. Die Unabhängigkeits garantie beschränkt sich deshalb nicht auf den Rechtsspruch selbst, sondern umfaßt auch die zahlreichen richterlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die dem Rechtsspruch nur mittelbar dienen, indem sie ihn vorbereiten oder ihm nachfolgen; zu den vorbereitenden Maßnahmen unter richterlicher Unabhängigkeit gehört z. B. auch die Bestellung des Berichterstatters als Verteilungsmaßnahme nach $ 21 g Abs. 1 G V G (BGH Z 42 163. 169). Zur Rechtsprechung gehören auch die ,Justizförmigen Verwaltungsakte" (vgl. Einleitung S. 64) wie insbes. die Geschäfts Verteilung durch das Präsidium (§ 21e). die unter der Garantie der richterlichen Unabhängigkeit vorgenommen werden (BGH DRiZ 1967 25). Zu eng ist es. wenn BVerwG JZ 1958 577 den Bereich der weisungsfreien richterlichen Tätigkeit auf die Wahrnehmung solcher Aufgaben beschränken will, für die eine Zuständigkeit des Richters im Gesetz selbst vorgesehen ist: vielmehr gehören auch im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehene fürsorgliche Maßnahmen im Interesse rechtsunkundiger Rechtssuchender. wie die Weiterleitung wirkungsloser Rechtsmittel an das Rechtsmittelgericht, herkömmlicherweise als nobile officium noch zur Rechtsprechung (ebenso E b S c h m i d t 5. S c h m i d t - R ä n t s c h 8 zu § 25 DRiG: S c h e i d JZ 1961 152). 2. Den Gegensatz zur „richterlichen Gewalt" bilden die Geschäfte der (reinen) Justizverwaltung (§ 4 EGGVG), zu denen auch die Gerichtsverwaltung (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 DRiG) gehört. Bei ihnen sind die Richter, denen Aufgaben der Justizverwaltung übertragen sind, nicht unabhängig, vielmehr müssen sie den Weisungen der vorgesetzten Behörde Folge leisten (RGSt. 31 78). Nach § 13 der VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung v. 20. 3. 1935 (RGBl. I 403) und den an ihre Stelle getretenen landesrechtlichen Vorschriften haben die Präsidenten der Gerichte und die aufsichtsführenden Amtsrichter die ihnen von der Zentraljustizbehörde zugewiesenen Justizverwaltungsgeschäfte zu erledigen. Sie werden bei Verhinderung in diesen Geschäften durch ihren ständigen Vertreter vertreten und sie können die ihrer Dienstaufsicht unterstellten Beamten und (mit der Beschränkung aus § 4 Abs. 2, 42 DRiG) die Richter zu den Geschäften der Justizverwaltung heranziehen, die insoweit Justizverwaltungsorgane werden. Eine Justizverwaltungsangelegenheit ist insbes. die Strafvollstreckung, die die Landesjustizverwaltung den Amtsrichtern übertragen kann (§ 451 Abs. 3 StPO). II. Bedeutung der Unabhängigkeit 1. Sachliche Unabhängigkeit. Zum Begriff des Richters gehört, daß er als unparteiischer Dritter entscheidet (Vorbem. 2 a, aa vor § 1). Die richterliche Neutralität und die Objektivität der Rechtsprechung ist bedroht, wenn der Richter abhängig ist. Solche Abhängigkeit ist (vgl. B e t t e r m a n n in „Die Grundrechte" III 2, 525ff.) nach 3 Richtungen denkbar: von den Prozeßbeteiligten, vom Staat, d. h. von den Trägern der rechtsetzenden und der vollziehenden Gewalt, und von nichtstaatlichen Mächten und Gruppen, die durch Einflußnahme auf Parlament und Regierung usw. auf den Richter einzuwirken versuchen. Der Satz, daß der Richter unabhängig ist, bedeutet demgemäß eine Unabhängigkeit nach diesen drei Richtungen (Partei-, Staats- und Gesellschaftsunabhängigkeit). Die Unabhängigkeit im engeren Sinn, die § 1 zum Gegenstand hat, ist die Staatsunabhängigkeit. Sie ist nicht ein Privileg der Richter, sondern ein Ausfluß der Gewaltenteilung (Art. 20 GG), eine in der Natur der Sache 2599

§ 1 Anm. II 2

Gerichtsverfassungsgesetz

begründete Voraussetzung einer objektiven Rechtsfindung. Die Unabhängigkeit bedeutet, daß der Richter frei von Einwirkungen autoritativer Art, mögen sie auch als Empfehlungen und wie immer in Erscheinung treten (unten Anm. VIII), sowohl bei der Feststellung und Würdigung der Tatsachen wie auch bei der Auslegung und Anwendung des Gesetzes sich nur von seinem richterlichen Gewissen leiten lassen darf. Die Kehrseite der Weisungsfreiheit ist ein verfassungsmäßiges Verbot an Parlament, Regierung und Verwaltung, bei schwebenden Rechtsverfahren in anderer als prozeßordnungsgemäß vorgesehener Weise auf die zur Rechtsfindung berufenen Richter einzuwirken, ein Verbot jeglicher sachfremder Einmischung im Wege der „Kabinetts- und Ministerialjustiz". Sinngemäß und den heutigen sozialen Gegebenheiten entsprechend richtet sich dieses Verbot aber auch an die Beeinflussung der Richter durch die öffentliche Meinung, z. B. durch Resolutionen von Interessentengruppen und insbesondere durch Massenmedien wie die Presse (vgl. dazu die Entschließung des Deutschen Juristentages DRiZ 1953 126; H a u s s m a n n DRiZ 1963 8; H a n n e m a n n DRiZ 1963 414). § 462 StGB = Entw. 1962 sieht eine Strafsanktion gegen unzulässige Gefahrdung der gerichtlichen Wahrheitsfindung vor (s. auch ,Justiz und Presse", DRiZ 1962 394). Dem Grundsatz des Art. 97 G G entspricht schließlich auch die Unzulässigkeit unsachgemäßer Einwirkung auf die Richter für künftige Entscheidungen, soweit sie durch Kritik eines Parlaments an rechtskräftigen Entscheidungen an die Adresse eines bestimmten Richters oder Kollegiums geübt wird (vgl. B e t t e r m a n n 588, H o e p n e r DRiZ 1964 12 linke Spalte). Im übrigen steht zwar jedermann das Recht der „Urteilsschelte" zu, aber eine öffentliche Kritik durch die Presse usw. muß in würdiger Form ohne leichtfertige oder böswillige Entstellung des Sachverhalts und bei Wahrung des Ansehens der Rechtspflege erfolgen; die Stellung, die die Rechtssprechung der Presse als einem Organ der öffentlichen Meinung zuerkennt, legt ihr auch Verantwortung bei der Urteilsschelte auf (s. dazu die instruktiven Ausführungen in der Sitzung des Bundestages v. 5.3. 1953, BTProt. S. 12158ff. = DRiZ 1953 69, ferner S a r s t e d t , Presse und Justiz 1948 und S a r s t e d t DRiZ 1964 43, G r e i f f NJW 1962 64, DRiZ 1962 181, E b S c h m i d t DRiZ 1963 383). Über einen Fall unangebrachter parlamentarischer Urteilsschelte s. NJW 1964 286. 2. Persönliche Unabhängigkeit. Sachliche Unabhängigkeit kann nur bestehen, wenn sie durch persönliche Unabhängigkeit gesichert ist. Die persönliche Unabhängigkeit ist die notwendige Ergänzung der sachlichen Unabhängigkeit (vgl. dazu B e t t e r m a n n III 2, 635). Diese persönlichen Garantien sind aber im Gesetz verschieden bemessen, am stärksten durch das G G (Art. 97 Abs. 2) selbst bei den hauptamtlichen und endgültig angestellten Richtern. Ihnen gegenüber verbietet Art. 97 G G jede vermeidbare Einflußnahme der Exekutive auf ihre Rechtsstellung, z. B. auch in der Form, daß durch Verwaltungsakt die Einstufung in die Stufen einer gesetzlichen Besoldungsordnung verändert wird, ohne daß dies gleichzeitig mit der Übertragung eines neuen richterlichen Amtes verbunden ist (BVerfGE 12 81; 26 93). Aber auch bei den übrigen Richtern — den nicht „planmäßig endgültig" angestellten Berufsrichtern, deren Verwendung das G G nicht entgegensteht, und den ehrenamtlichen Richtern — muß wenigstens, um von sachlicher Unabhängigkeit sprechen zu können, entsprechend dem Grundgedanken des Art. 97 Abs. 2 G G durch (einfaches) Gesetz ein Mindestmaß persönlicher Unabhängigkeit gewährleistet sein, das, von bestimmten durch zwingende Notwendigkeiten gebotenen Ausnahmen abgesehen, jedenfalls soweit reicht, daß der Richter vor Ablauf seiner Amtszeit nur unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen und gegen seinen Willen nur kraft richterlicher Entscheidung abgerufen werden kann (vgl. Vorbem. 2 b vor § 1). Gesetze, die diesen Erfordernissen nicht entsprechen, sind wegen Verstoßes gegen Art. 97 Abs. 2 G G nichtig (BVerfGE 14 56 = NJW 1962 1611). Die Vorschriften über die persönliche Unabhängigkeit finden sich, von § 70 Abs. 2 GVG abgesehen, hauptsächlich im DRiG (auch für die ehrenamtlichen Richter, § 44 Abs. 2) und ergänzend in den Gerichtsverfassungsvorschriften der einzelnen Gerichtsbarkeitszweige. Wenn aber das G G die Verwendung von Berufsrichtern ohne die vollen Garantien der (grundsätzlich) dauernden Unabsetzbarkeit und Unverletzbarkeit nicht ausschließt, so erfordert der Grundgedanke des Art. 97 Abs. 2 G G doch weiterhin, daß die Verwendung von Richtern im Besitz der vollen Garantien der persönlichen Unabhängigkeit die Regel, die Verwendung von Richtern mit geringeren Garantien die Ausnahme bildet. Eine Verletzung dieses Grundsatzes bewirkt, daß das Gericht nicht ordnungsmäßig im Sinn der Prozeßgesetze besetzt ist. Über die sich daraus ergebenden Folgerungen vgl. die Anm. zu § 59.

2600

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 1 Anm. III 1,2

III. Unterwerfung unter das Gesetz 1. Grundsatz. Die Richter sind nach § 1 und den insoweit gleichlautenden Art. 97 Abs. 1 G G und § 25 DRiG „nur dem Gesetz unterworfen". Dagegen bezeichnet Art. 20 Abs. 3 G G die Rechtsprechung als „an Gesetz und Recht gebunden" (vgl. dazu H u h n DRiZ 1967 340). Darin liegen keine Gegensätze, vielmehr stellt Art. 20 Abs. 2 klar, was die Unterwerfung unter das Gesetz i. S. des Art. 97 Abs. 1 bedeutet. Um den Sinngehalt dieser Wendung zu verstehen, muß man sich folgendes vor Augen halten: Die notwendige Folgerung aus der Freistellung des Richters von jeglicher anderen Weisungsgebundenheit ist eine Bindung an das Gesetz, d. h. — der Begriff kann hier kein anderer sein als etwa in § 7 EG StPO, § 12 EG ZPO, § 337 StPO - an jede Rechtsnorm (einschl. des Gewohnheitsrechts). Rechtssicherheit und Rechtsgewißheit verbieten es grundsätzlich entsprechend dem Prinzip der Gewaltenteilung, daß der Richter sich über das geschriebene Recht hinwegsetzt, weil er es seinem Rechtsgefuhl folgend für ungerecht hält (vgl. dazu BVerfG NJW 1955 1268; BAG MDR 1962 249; BayObLGZ 1962 124 = Rpfleger 1962 282). Denn es gibt, wie insbes. W e l z e l , Naturrecht und materiale Gerechtigkeit 1962; E b S c h m i d t Lehrkomm. I Rdn. 502) gegenüber den alten und immer wieder erneuerten Bemühungen, naturrechtliche Maßstäbe einer unwandelbaren überpositiven Rechtsidee aufzustellen, deren Nichtbeachtung das geschriebene Recht zum unverbindlichen und unanwendbaren Unrecht mache (vgl. dazu F l ü c k i g e r , Geschichte des Naturrechts Bd. I), überzeugend dargetan haben, keine immanenten Naturrechtssätze, die jedermann ohne weiteres so zugänglich wären, daß jeder menschliche Irrtum ausgeschlossen wäre. Es würde also im allgemeinen der Richter, der geschriebenes Recht als ungerecht und unverbindlich beiseite schöbe, lediglich seine individuellen Wertungsmaßstäbe an die Stelle der Rechtsvorstellungen desjenigen setzen, der das Recht gesetzt hat, also sich im Widerspruch zu dem Grundsatz der Gewaltenteilung das Amt des Gesetzgebers anmaßen, ohne daß eine Gewähr dafür bestände, die richterliche Wertung sei die „richtige". Mit Recht hat deshalb der Verfassungsgeber den im Entwurfsstadium gemachten Versuch, das Verhältnis des positiven zu einem überpositiven Recht zu regeln, aufgegeben (vgl. v. M a n g o l d t Anm. 3 zu Art. 97 GG). 2. Fortbildung des Rechts. Eine wichtige Aufgabe des Richters ist indessen, wie § 137 GVG und die ihm entsprechenden Vorschriften über den Divergenzausgleich zwischen den Senaten der übrigen obersten Gerichtshöfe des Bundes (z. B. § 45 Abs. 2 AGG, § 11 Abs. 4 VwGO) ausdrücklich anerkennen, die Fortbildung des Rechts. Die „Fließbandgesetzgebung des modernen Sozial- und Verwaltungsstaates" ( E r d s i e k NJW 1962 192), bei der durch hastige Arbeit des Gesetzgebers, aber auch durch raschen Wechsel der Verhältnisse und andere Gründe oft Hohlräume entstehen, deren Ausfüllung praktisch dem Richter zufällt, hat den Bereich der rechtsfortbildenden Tätigkeit des Richters so erweitert, daß die Rechtsprechung, das ..Richterrecht", notgedrungen geradezu als subsidiäre Rechtsetzungsquelle neben dem Gesetzgeber in Erscheinung tritt ( W e r n e r , Probleme des Richterstaats 19). So ist ein Zustand geschaffen, der zur Besinnung auf die Prinzipien und Grenzen einer nachvollziehenden Ausfüllung des vom Gesetzgeber aufgestellten Rahmens zwingt, damit nicht durch die wachsende „richterliche Macht" der Grundsatz der Gewaltenteilung ausgehöhlt wird. Mit den daraus sich ergebenden Sorgen und Problemen beschäftigen sich die in der Literaturübersicht vor Anm. 1 angeführten Schriften über das Verhältnis des Richters zum Gesetz, des Grundgesetzes zur „Richtermacht". Ein bezeichnendes Beispiel einer solchen Schaffung von Richterrecht im Wege der Fortbildung des Rechts war die Rechtsprechung zu Art. 3 GG. Nach Art. 117 G G trat zum 1. 4. 1953 alles dem Art. 3 GG widersprechende bisherige Recht außer Kraft. Da es aber dem Bundesgesetzgeber nicht gelungen war, bis zu diesem Zeitpunkt neue, dem Art. 3 G G entsprechende Gesetze zu erlassen — dies geschah erst durch das Gleichberechtigungsges. v. 18. 7. 1957 —, fiel die Ausfüllung der Lücke der Rechtsprechung zu. Bei dieser „rechtsfindenden Lückenfüllung" (BVerfGE 3 225) muß sich der Richter am System der Rechtsordnung, an den Grundwertentscheidungen des GG, letztlich an der Gerechtigkeitsidee (und so doch mit einem gewissen Einfließen naturrechtlicher Vorstellungen, vgl. dazu W e i n k a u ff, Der Naturrechtsgedanke in der Rechtsprechung des BGH, NJW 1960 1689) orientieren (vgl. G e i g e r und E b S c h m i d t DRiZ 1963 170ff., 376fT.). Er muß dabei anstreben, die das Wesen der Rechtsstaatlichkeit charakterisierenden Postulate der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit zu vereinigen (BVerfGE 7 89, 92; BGHSt.

2601

§ 1 Anm. III 3, 4

Gerichtsverfassungsgesetz

18 274, 277). Verfassungskonform in diesem Sinn muß auch die Rechtsfortbildung im übrigen sein, die sich in den klassischen Formen der einschränkenden oder erweiternden und gegebenenfalls der „korrigierenden" Auslegung vollzieht, und zwar ohne Bindung an die Vorstellungen, von denen bei Schaffung der Vorschrift der empirische Gesetzgeber (Parlament usw.) ausgegangen ist (BGHSt. 10 159, N J W 1959 1230, 1234). Die Auslegung des gleichen Gesetzes kann sich im Lauf der Zeiten ändern entsprechend dem Wandel der tatsächlichen Verhältnisse und der gesellschaftlichen Lebensformen seit seiner Schaffung, der Bewertung des Bedürfnisses, dem es genügen soll, und vor allem der sittlichen in der Rechtsgemeinschaft herrschenden Bewertungsmaßstäbe, die ihm zugrunde liegen (vgl. BVerfG N J W 1960 619; B G H N J W 1959 2 2 6 2 ; BGHSt. 11 241, 249; B A G DRspr. IV 4 7 8 Bl. 167). 3. Rechtsänderung durch Auslegung. Die Auslegung kann ausnahmsweise auch im praktischen Ergebnis rechtsändernder Natur sein, d. h. im Widerspruch zu dem an sich klaren Wortlaut und insofern unter Beiseiteschiebung des Gesetzes erfolgen. (BGHSt. 23 176, 179)*). Das ist aber im Hinblick auf Art. 20 Abs. 2 G G nur in engen Grenzen denkbar, nämlich nur bei Fallgestaltungen, die der Gesetzgeber ersichtlich nicht bedacht hat, und die vernünftigerweise nicht so geregelt werden durften, wie es nach dem Wortlaut geschehen ist (BGHZ 4 153, 158; 13 360, 367), sowie bei älteren Gesetzesbestimmungen, deren Regelung auf Rechtsvorstellungen beruht, die mit den aus neuen Gesetzen erkennbaren Rechtsgrundsätzen nicht vereinbar sind und zu nicht zu rechtfertigenden Ergebnissen führen, so daß Rechtseinheit und Rechtsgleichheit dazu zwingen, das alte Recht mit den Grundgedanken des neuen Rechts durch „rechtsändernde" Auslegung in Übereinstimmung zu bringen. ( B A G N J W 1955 807; JZ 1958 255; BGHSt. 18 279 = N J W 1963 1070 betr. Umdeutung zwingender Vorschriften in Ermessensvorschriften; s. aber auch B A G NJW 1962 1694; A r n d t N J W 1963 1280.) 4. Abweichen von neuen Gesetzen. Sollte aber bei einem neuen Gesetz in einem extremen Fall der Richter glauben, daß dessen Anwendung nach seinem klaren, einer Auslegung unzugänglichen Wortlaut „Unrecht" bedeute, so kann die Abweichung vom „Recht" nur an den allgemeinen Wertstellungen des gesamten Rechtssystems gemessen werden, wie sie letztlich in der Verfassung ausdrücklich oder stillschweigend (vgl. Art. 1 G G ) ihren Ausdruck gefunden haben (so mit Recht E b S c h m i d t , Lehrkomm. I Nr. 503ff.). Insbesondere würde eine nach dem klaren Wortlaut zwingend vorgeschriebene, aber übermäßig harte, schlechthin unangemessene Strafe, die durch keine sachlichen Erwägungen zu rechtfertigen ist, die Menschenwürde des Angeklagten (Art. 1 Abs. 1 G G ) beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 6 389, 4 3 9 ; BGHSt. 16 282, 290). So gesehen läuft die Frage nach der Verbindlichkeit eines als Unrecht empfundenen Rechtssatzes, falls hier nicht bereits der Rückgriff auf Art. 3 der Menschenrechtskonvention (Verbot „unmenschlicher oder erniedrigender Strafe") ein Ausweichen ermöglicht (vgl. A G Wiesbaden N J W 1963 965 mit zust. Anm. von G u r a d z e ) , in aller Regel auf die Frage nach seiner Verfassungswidrigkeit hinaus, die, soweit es sich nicht um vorkonstitutionelles Recht handelt, dessen Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht jeder Richter selbst prüft, auf dem durch Art. 100 Abs. 1 G G gewiesenen Weg zum Austrag zu bringen wäre (so auch E b S c h m i d t , aaO. Nr. 514f.; B e t t e r m a n n in „Die Grundrechte" III 2, 532; s. auch R i n c k JZ 1963 521, 526). Auf die Frage nach der Verbindlichkeit von Gesetzen, die in Zeiten einer sich auflösenden Staatsgewalt oder der Diktatur erlassen werden, und auf das Problem der Bekämpfung des politischen Gegners durch Mißbrauch des Strafrechts (vgl. BGHSt. 9 302, 307) ist in diesem Zusammenhang nicht einzugehen. Die Frage nach der Verbindlichkeit von Gesetzen aus der Zeit von 1933—1945 ist hier auszuschalten. Sie hat nach der inzwischen von dem Gesetzgeber durchgeführten „Bereinigung" für die Zukunft im allgemeinen keine Bedeutung, doch bleibt hier für die Prüfung des „vorkonstitutionellen Rechts" der richterlichen Prüfung ein gewisser Anwendungsraum (Beispiel: Nichtigkeitserklärung des §~3 der l l . D V O zum Reichsbürgergesetz wegen „seines den Grunderfordernissen jeder rechtsstaatlichen Ordnung widersprechenden Unrechtsgehalts" durch den B G H GrSZivS N J W 1955 905; vgl. ferner BGHSt. 16 282). *) Dazu etwa M o e n c h . Die methodologischen Bestrebungen der Freirechtsbewegung auf dem Wege zur Methodenlehre der Gegenwart [1971] 40 ff; R e d e k e r , Legitimation und Grenzen richterlicher Rechtsetzung NJW 1972 409; K l e i n , Richterrecht und Gesetzesrecht, DRiZ 1972 333, 335.

2602

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 1 Anm. III 5; IV

5. Entscheidungsmonopol des BVerfG. Aber auch wenn nicht die Verfassungswidrigkeit im engeren Sinne in Frage stünde oder wenn gar eine Verfassungsnorm selbst als im Widerspruch mit zwingenden Grundsätzen der materiellen Gerechtigkeit stehend angesehen würde, müßte die Entscheidung dem BVerfG überlassen werden (BVerfG NJW 1954 65). Denn Art. 100 GG bezweckt zu verhüten, daß jedes Gericht sich über den Willen des unter dem GG tätig gewordenen Bundes- oder Landesgesetzgebers hinwegsetzen könnte; die im Interesse der Rechtssicherheit verfügte Konzentration der negativen Prüfung bei einem Gericht (dem BVerfG) verlangt folgerichtig, daß immer dem BVerfG die Entscheidung gebührt, wo ein Gericht die Unwirksamkeit eines Gesetzes und gar eines Satzes des GG selbst wegen Verstoßes gegen eine übergesetzliche Norm der Gerechtigkeit annimmt. Mit einem Teilproblem, nämlich der Frage, ob und wann ein Gesetz wegen Verletzung der materiellen Gerechtigkeit unwirksam sein könne, wenn der Gesetzgeber in dem häufigen Widerspruch zwischen Anforderungen und Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit dem einen Prinzip den Vorrang auf Kosten des anderen eingeräumt hat, beschäftigt sich die Entscheidung des BVerfG NJW 1954 65; sie verneint sehr mit Recht eine Unwirksamkeit, wenn der Gesetzgeber sich ohne Willkür für die eine oder andere Lösung entschieden hat; nur dort tauche die Gültigkeitsfrage auf, wo der Widerspruch des positiven Gesetzes gegenüber der Idee der materiellen Gerechtigkeit ein unerträgliches Maß angenommen habe. Im übrigen gilt allgemein, daß die Frage der Gültigkeit eines Gesetzes nicht aufgeworfen werden kann, der Richter vielmehr unbedingt gebunden ist, wenn — z. B. bei zwingend vorgeschriebenen erhöhten Mindeststrafen oder zwingend vorgeschriebenen Nebenfolgen — die Härte des Gesetzes in seiner Gesamtheit durch sachgerechte Erwägungen gerechtfertigt ist und nur die Unbilligkeit seiner Anwendung im Einzelfall in Frage steht; hier bleibt zum Ausgleich der Weg der Gnade (OGH BZ NJW 1949 472; RGSt. 73 398; BGHSt. 16 282, 290). Daß es außerhalb der richterlichen Befugnisse liegt, Gesetze auf ihre Zweckmäßigkeit, insbes. daraufhin nachzuprüfen, ob die darin vorgesehenen Maßnahmen den erstrebten Zweck zu erfüllen geeignet sind, versteht sich von selbst (OVG Münster NJW 1954 854). IV. Gewissenskonflikt. Der Grundsatz der Bindung des Richters an das Gesetz besagt nur, daß der Richter, wenn er tätig wird, nur dem Gesetz unterworfen ist; er besagt als solcher nicht, daß der Richter sein Amt auch ausüben müsse, wenn er die Anwendung eines Gesetzes — allgemein oder im Einzelfall — als mit seinem Gewissen unvereinbar ansieht. P e t e r s Strafpr.99; Festschrift f.H.Mayer 258;s.auch Kl 2 zu §66 a.F. will aus Art.4 GG herleiten, daß der Richter bei einem solchen unüberbrückbaren Gewissenskonflikt sich der Amtsausübung enthalten dürfe. Ob es (auch hier von Zeiten einer Diktatur oder entarteten Staatsgewalt abgesehen) Konfliktsfalle von äußerster Zuspitzung geben kann, in denen es angemessen erscheint, daß der Richter sich aus Gewissensgründen der Mitwirkung an der Rechtsprechung versagt, mag dahin stehen; für solche Fälle bietet die Möglichkeit der Selbstablehnung wegen Befangenheit (§ 30 StPO) einen Ausweg. Grundsätzlich aber kann dem Richter nicht das Recht zugebilligt werden, unter Berufung auf sein Gewissen die Amtsausübung abzulehnen und sich der Anwendung eines ihm ungerecht erscheinenden Gesetzes zu entziehen. Hält er das Gesetz wegen Verstoßes gegen die Gerechtigkeit für nichtig, so ist nach Art. 100 GG zu verfahren. Dringt er mit dieser Auffassung nicht durch oder erwartet er davon keinen Erfolg, so gebieten ihm seine Amtspflicht und der Grundsatz des gesetzlichen Richters (§ 16), die ihm zugewiesenen Aufgaben unter Bindung an das Gesetz zu erfüllen. Wer es etwa für ungerecht hält, den § 218 StGB oder das geltende Ehescheidungsrecht anzuwenden, weil es seinem Gewissen widerstrebe, darf nicht Richter werden oder bleiben; denn die Aufgabe des Richters besteht darin, die staatliche Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit anzuwenden und durchzusetzen, ohne daß es darauf ankommt, ob das vom Gesetzgeber gesetzte Recht dem individuellen Sittlichkeits- und Gerechtigkeitsgefühl des einzelnen Richters entspricht (ebenso — in anderem Zusammenhang — B a u r , Justizaufsicht und richterliche Unabhängigkeit 47f.; E b S c h m i d t Lehrk. I Rdn. 511; B e t t e r m a n n in „Die Grundrechte" III 2, 534; S c h m i d t - R ä n t s c h 22; G e r n e r - D e c k e r - K a u f m a n n 10, je zu § 25 DRiG). Ein Vorschlag des Deutschen Richterbundes (DRiZ 1958 238) zur Regelung der Frage des Gewissenskonfliks im DRiG (Versetzung des Richters in den Ruhestand, wenn das Dienstgericht die Gewissensgründe als beachtlich anerkennt) hat nicht die Zustimmung des Gesetzgebers gefunden.

2603

§ 1 Anm. V; VI; VII 1

Gerichtsverfassungsgesetz

V. Prüfung der Gültigkeit von Rechtsnormen. Die Bindung des Richters an das Gesetz schließt nicht aus, sondern zwingt ihn dazu, die Gültigkeit der anzuwendenden Rechtsnorm zu prüfen (vgl. dazu Anm. B II 4 c zu § 337 StPO; S c h a c k , Richterliche Textkritik und Prüfung der formellen Verfassungswidrigkeit in Festschrift für R. L a u n 1962). Zweifel gegen die Gültigkeit können sich aus formellen (Ordnungsmäßigkeit der Verkündung) und materiellen Gründen (z. B. Innehaltung der Grenzen einer ermächtigenden Norm, Vereinbarkeit mit einem Rechtssatz höheren Ranges, fehlerhaftes Zustandekommen des Gesetzes) ergeben. Diese Prüfungszuständigkeit ist aber nach dem G G durch die Entscheidungszuständigkeit des BVerfG bzw. des Landesverfassungsgerichts nach mehreren Richtungen beschränkt*). a) durch Art. 100 Abs. 1 G G (konkrete Normenkontrolle), wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig oder Landesrecht unvereinbar mit Bundesrecht hält. Uber das Verfahren bei Einholung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung s. § 80 BVerfGG und Nr. 198 RiStBV; b) durch Art. 100 Abs. 2 GG, „wenn in einem Rechtsstreit zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist, und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Art. 25)"; c) durch Art. 126 G G betr. Meinungsverschiedenheiten über das Fortgelten von Recht als Bundesrecht. VI. Prüfung der formellen Gültigkeit von Gesetzen. In allen Fällen, auch soweit ihnen die negative Bescheidung der materiellen Gültigkeit entzogen ist, steht den Gerichten die Prüfung der formellen Gültigkeit, d. h. der ordnungsmäßigen Verkündung der anzuwendenden Vorschriften zu. Sie bemißt sich nach dem zur Zeit der Verkündung geltenden Verfassungsrecht, wobei — wie BGHSt. 5 233 mit Bezug auf die in der Zeit von 1933—1945 gesetzten Normen ausführt — die Legitimität der Staatsgewalt, auf der dieses Verfassungsrecht beruht, bedeutungslos ist, sofern sich die Staatsgewalt bis zur verfassungsmäßigen Macht und Anerkennung innerhalb des eigenen Landes und in den rechtlichen Beziehungen zu anderen Staaten durchgesetzt hat. Für die Verkündung von Bundesgesetzen gilt Art. 82 GG, für die von Rechtsverordnungen des Bundes Art. 82 Abs. 1 Satz 2 G G in Verbindung mit dem Gesetz vom 30. 1. 1950 (BGBl. 23). Die Verkündung von Gesetzen und Verordnungen der Länder richtet sich nach Landesrecht, also nach der Landesverfassung und etwaigen ergänzenden Vorschriften über die Verkündung von Landesrechtsverordnungen. Ein allgemein im Bereich der Bundesrepublik geltender („höherrangiger") Rechtssatz geht nur dahin, daß die Vorschrift verkündet (kundgetan) werden muß — Geheimerlasse können im Rechtsstaat kein Recht schaffen —, dergestalt, daß der Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben sein muß, von dem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Bei Ausgabe eines Gesetzblatts ist mangels abweichender Vorschriften über die Verkündung die Einlieferung bei einem Postzeitungsamt oder die Auslieferung durch dieses nicht unbedingt nötig; die Verkündung kann vielmehr z. B. auch bewirkt werden durch Auslegung des Blattes bei dem Verlag zwecks Erwerb durch jeden, der sich die Kenntnisnahme angelegen sein läßt (BGH NJW 1954 1081). Bei der materiellen Prüfung gilt, wenn es sich um die Vereinbarkeit einer Rechtsverordnung mit dem Gesetz handelt, zu dessen Ausführung sie erlassen ist, der allgemeine Grundsatz, daß sie nicht gesetzwidrig ist, wenn eine Auslegung möglich ist, die im Einklang mit dem Gesetz steht und bei der die VO sinnvoll bleibt (VGH Stuttgart DÖV 1954 58). VII. Bindung des Richters an Vorentscheidungen 1. Die in Art. 97 Abs. 1 GG, § 1 GVG umschriebene sachliche Unabhängigkeit betrifft nur das Verhältnis der Richter zu den Trägern nichtrichterlicher Gewalt (BVerfGE 12 67, 71; 31 137, 140). Daher liegt keine grundgesetzwidrige Einschränkung der richterlichen Un*) Die Bedeutung und Auswirkung der Art. 100 Abs. 1,2, 126 GG wurde in der Voraufl. in Anm. 4 zu § 1 nach dem damaligen Stand ausführlich erläutert. Zwecks Raumersparnis wird davon in dieser Aufl. abgesehen. Wegen des seitdem angefallenen Auslegungsmaterials muß auf die Erläuterungswerke zum GG sowie auf den Rechtsprechungskommentar zum BVerfGG von L e i b h o l z - R u p p r e c h t (1968) mit Nachtrag 1971 verwiesen werden.

2604

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 1 Anm. VII 2; VIII I, 2

abhängigkeit, kein Bruch mit dem Prinzip der richterlichen Unterwerfung nur unter das Gesetz vor, wenn das Gesetz selbst eine Bindung an Rechtsgrundsätze vorschreibt, die von einer anderen richterlichen Stelle oder von dem Gericht selbst mit Selbstbindungswirkung (vgl. dazu BVerfG NJW 1954 1153) aufgestellt sind (vgl. z. B. § 138 Abs. 3 in Verb, mit § 137 GVG, § 358 Abs. 1 StPO) oder wenn es den Richter verpflichtet, eine präjudizielle Rechtsfrage einem höheren Gericht zur Entscheidung vorzulegen, falls er von der Entscheidung eines anderen Gerichts oder eines anderen Spruchkörpers in ^er gleichen Rechtsfrage abweichen will (vgl. z. B. § 138 Abs. 3 in Verb, mit § 136 GVG, § 121 Abs. 2 GVG usw.) oder sein Verfahren bis zu der Entscheidung eines anderen Gerichts auszusetzen oder, wenn es anordnet, daß bestimmte Entscheidungen alle Gerichte binden (vgl. T B. § 16 des Ges. über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen v. 2. 5. 1953, BGBl. I 161 und dazu BVerfGE 12 67 = BGBl. I 1960, 270). Art. 97 Abs. 1 G G steht solchen Regelungen nicht entgegen, da hier nur eine Zuständigkeitsverteilung unter verschiedene Gerichte in Frage steht (BVerfG NJW 1961 655). Vgl. zum Ganzen B e t t e r m a n n in „Die Grundrechte" III 2, 536ff. Außerhalb solcher gesetzlichen Bindungen ist der Richter bei der Auslegung des Rechts durch keinerlei noch so „herrschende Meinung" und noch so gefestigte „ständige Rechtsprechung" gebunden, wenn er glaubt, ihr nicht folgen zu können (RGSt. 66 389; S ä c k e r NJW 1968 708). 2. Zur Bindung des Richters an Vorentscheidungen der Verwaltungsbehörde und anderes Handeln der Verwaltung vgl. Einleitung S. 126; M o h r b o t t e r JZ 1971 213; N i c k l i s c h , Die Bindung des Gerichts an gestaltende Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte, Bielefeld 1969. VIII. Unabhängigkeit und Dienstaufsicht (vgl. dazu ergänzend die Anm. zu § 26 DRiG). 1. Grundsatz. Durch die richterliche Unabhängigkeit wird das Recht der Justizverwaltung, die Dienstaufsicht über Richter auszuüben, eingeschränkt, aber nicht aufgehoben. Nach § 26 Abs. 1 DRiG untersteht der Richter einer Dienstaufsicht nur, soweit die richter liehe Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt wird. Die Frage, wie die Grenze zwischen einer noch zulässigen Dienstaufsichtsmaßnahme und einem unzulässigen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit zu ziehen sei, war früher streitig (vgl. Anm. 6 der 20. Aufl.). Jetzt enthält § 26 Abs. 2, 3 DRiG eine gesetzgeberische Lösung des Problems. Ihr Grundgedanke ist, den Bereich der Dienstaufsicht bzgl. richterlicher Maßnahmen abschließend und eng zu umgrenzen und Zweifelsfragen einer Klärung durch richterliche Entscheidung zuzuführen (BGHZ 42 163 = DRiZ 1964 375; zur Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift vgl. W e b e r DRiZ 1961 69 ff.). Nach § 26 Abs. 2 umfaßt - unter dem Vorbehalt, daß die richterliche Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt wird — die Dienstaufsicht „auch" die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Dabei bedeutet das leicht mißverständliche Wort „auch" nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht etwa, daß der Dienstaufsicht außer den in § 26 Abs. 2 ausdrücklich für zulässig erklärten Maßnahmen mit Bezug auf die richterliche Tätigkeit noch weitere Befugnisse zuständen, vielmehr soll es zum Ausdruck bringen, daß die in Abs. 1 erfolgte Unterstellung unter die Dienstaufsicht sich nicht auf die außerrichterliche Tätigkeit beschränke, sondern sich in dem in Abs. 2 umschriebenen Umfang auch auf die richterliche Tätigkeit erstrecke ( S c h m i d t R ä n t s c h 22, G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 3 zu § 26 DRiG; BGH NJW 1964 2415; a. M. W e b e r DRiZ 1961 69). Mit Vorhaltung und Ermahnung ist also bzgl. der richterlichen Tätigkeit die obere Grenze der zulässigen Dienstaufsichtsmaßnahmen gesetzt (BGZ 57 344 = DRiZ 1972 101). Geringere Mittel sind zulässig, nicht aber strengere wie die Rüge, die Mißbilligung oder eine „Beanstandung", die eine „Bemängelung" bedeutet und sich damit einer Rüge oder Mißbilligung nähert (BGHZ 47 275 = DRiZ 1967 238). 2. Vorhaltung a) Begriff. Nach § 16 der VO zur einheitl. Regelung der Gerichtsverfassung v. 20. 3. 1935 (RGBl. I 403) lag in der Dienstaufsicht (auch über Richter) die Befugnis, die ordnungswidrige Ausführung eines Amtsgeschäfts zu rügen und zu seiner sachgemäßen Erledigung zu 2605

§ 1 Anm. Vili 2

Gerichtsverfassungsgesetz

mahnen. Die wichtigste Abweichung besteht darin, daß in § 26 Abs. 2 DRiG das Wort „rügen" durch „vorhalten" ersetzt ist. Im Begriff der Rüge liegt, daß sie den Ausdruck einer Mißbilligung enthält. Da mißbilligende Wendungen aber jetzt unzulässig sind (vorstehend zu 1), besteht das Wesen der Vorhaltung in der — ohne eigene Wertung (unten c) — an die Adresse des Richters gerichteten Feststellung (dem zur Kenntnisnahme durch den Richter bestimmten Ausspruch), die Art der Ausführung des Amtsgeschäfts sei ordnungswidrig. Eine Vorhaltung ist demgemäß nicht nur das „Ersuchen", künftig anders zu verfahren (vgl. BGHZ 42 163, 175 f.) odef ein Ersuchen um Meldung des Veranlaßten (BGH DRiZ 1969 124), sondern liegt auch vor, wenn der Dienstvorgesetzte die Aufsichtsbeschwerde eines Rechtssuchenden dahin bescheidet, er teile die von diesem geäußerten rechtlichen Bedenken gegen das Verfahren des Richters, sei aber durch die Unabhängigkeit des Richters an Dienstaufsichtsmaßnahmen gehindert, und diesen Bescheid dem Richter zur Kenntnisnahme mitteilt (BGH DRiZ 1967 236, 237). Einer Vorhaltung kommt es aber auch schon gleich, wenn der Richter von einem solchen Bescheid nicht unmittelbar durch den Dienstvorgesetzten, sondern auf andere Weise, etwa durch den Rechtsuchenden oder durch Zufall Kenntnis erhält, denn die Wirkung auf ihn ist dieselbe (BGH aaO.). Dagegen liegt keine Vorhaltung vor, wenn der Dienstvorgesetzte dem Richter ohne eigene Stellungnahme von Dienstaufsichtsbeschwerden Kenntnis gibt. Wegen des zulässigen Umfangs einer kritischen Beurteilung der richterlichen Tätigkeit in Dienstleistungszeugnissen des ' Dienstaufsichtsorgans vgl. Anm. zu § 26 DRiG. Stets muß sich eine Vorhaltung — in gleicher Weise wie eine Ermahnung (unten 3) — jeglicher Einflußnahme auf eine noch ausstehende oder künftige richterliche Entscheidung selbst enthalten. b) Gegenstand der Vorhaltung. Eine Vorhaltung kann nur die Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts, d. h. die äußere Form der Erledigung (den „äußeren Ordnungsbereich"), nicht den Inhalt (die Richtigkeit Zweckmäßigkeit, Angemessenheit einer richterlichen Maßnahme, insbesondere einer Entscheidung) betreffen ( S c h m i d t - R ä n t s c h 23 zu § 26 DRiG, Nordrh.-Westf. Richterdisziplinarsenat Essen NJW 1955 1856, DRiZ 1961 350; BGH NJW 1964 2415). Der „äußere Ordnungsbereich" umfaßt nicht etwa alles, was nicht den eigentlichen Rechtsspruch betrifft, vielmehr sind in die Garantie der Unabhängigkeit auch zahlreiche richterliche Betätigungen einbezogen, die der Rechtsfindung nur mittelbar dienen (BGHZ 47 275 = DRiZ 1967 236, 238). Eine allgemeine Abgrenzungsformel läßt sich nicht aufstellen; allgemein gilt nur, daß die Möglichkeit, einen Auslegungsstreit dem äußeren Ordnungsbereich zuzuweisen, umso größer ist, je weiter dieser Streit vom „Kernbereich" der eigentlichen Rechtsprechung entrückt ist. Neben dem „Kernbereich" gibt es aber noch ein weites Gebiet richterlicher Tätigkeit, das der Dienstaufsicht ebenfalls entzogen ist (BGH aaO.). So ist z. B. die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits ebenso bedeutungsvoll wie dessen Entscheidung durch Urteil; sie gehört zum „Kernbereich", und es sind grundsätzlich die die gütliche Beilegung vorbereitenden prozeßleitenden Anordnungen einer Dienstaufsicht entzogen. Es überschreitet daher die Dienstaufsichtsbefugnisse, wenn die Dienstaufsichtsbehörde „beanstandet", daß sich das Gericht zur Ermöglichung einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreites unter angeblicher Verletzung der Vorschriften über den Dienstweg an eine Stelle wandte, von der es eine die Angelegenheit fordernde Entscheidung erwarten konnte (BGHZ 47 275 = DRiZ 1967 237). In richterlicher Unabhängigkeit entscheidet der Richter, ob und in welcher Weise in schwebenden Verfahren im Wege der Amtshilfe Auskünfte aus den Gerichtsakten zu erteilen sind (BGH NJW 1969 1302 = DRiZ 1969 95). Der „äußere Ordnungsbereich", die Art der Ausführung steht dagegen in Frage, wenn es sich z. B. handelt um pünktlichen Beginn anberaumter Sitzungen, um die Einhaltung gesetzlicher Fristen und Termine, die dem richterlichen Ermessen keinen Spielraum lassen, um die Beachtung zwingender gesetzlicher Förmlichkeiten (der Dienstvorgesetzte könnte z. B. dem Richter eine Vorhaltung machen, wenn er eine andere als die in § 66 c Abs. 1, 2 StPO vorgeschriebene Norm bei Beeidigungen verwendet), die Abhaltung der Sitzungen in vorgesehenen Amtsräumen, das Tragen der vorgeschriebenen Amtstracht, die Benutzung der zur Vereinfachung des Geschäftsgangs eingeführten Vordrucke, angemessenes Verhalten gegenüber Verfahrensbeteiligten (Vermeidung unpassender und beleidigender Ausdrücke). Die Dienstaufsicht kann auch eingreifen bei einer unerträglichen Verzögerung der Entscheidung aus Gründen, die mit der Rechtsprechungstätigkeit in dieser Sache nichts zu tun haben, z. B. wegen angeblicher Geschäftsüberlastung (BGH DRiZ

2606

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 1 Anm. VIII 2

1969 124; 1971 317). Nur zum äußeren Ordnungsbereich gehört, wenn der aufsichtführende Richter das Verlangen eines Richters ablehnt, ihm außerhalb der Dienststunden einen Protokollführer zu stellen, damit er sich vorläufig Festgenommene zu jeder Tageszeit von der Polizei vorführen lassen und vernehmen kann (LG Düsseldorf DRiZ 1967 306). c) Zur „Art der Ausführung" gehört aber auch noch die Vermeidung gröbster, offensichtlicher (für jeden Rechtskundigen ohne weiteres erkennbarer) Nachlässigkeiten und Rechtsfehler, die auf den Inhalt der Entscheidung einwirken (BGHZ 46 147, 150; DRiZ 1967 25, 239; a. M. - nur konstruktiv, nicht im Ergebnis - A r n d t DRiZ 1971 257). So etwa, wenn der Richter ein Verfahren wegen fehlenden Strafantrags einstellt, nur weil er infolge unzulänglicher Vorbereitung den in den Akten enthaltenen Strafantrag übersah. Gleiches gilt, wenn er bei zweifelhaften Rechtsfragen auf eine Orientierung an Hand der üblichen und ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel wie Erläuterungsbücher, Entscheidungssammlungen, Fachzeitschriften verzichtet und infolgedessen wichtige Gesichtspunkte überhaupt nicht in sein Blickfeld treten und höchstrichterliche Entscheidungen so unberücksichtigt bleiben (so auch S c h ä f e r DRiZ 1970 74; zweifelnd BGHZ 46 147, 150). Selbstverständlich kann der Richter, soweit nicht die Vorschriften über den Divergenzausgleich (§121 Abs. 2 usw.) entgegenstehen, von höchstrichterlichen Entscheidungen bewußt abweichen; dann wird er sich aber mit ihnen auseinandersetzen. Zur Art der Ausführung gehört auch, wenn der Richter infolge mangelnder Sorgfalt das ohne weiteres aus dem Gesetzt ablesbare Höchstmaß der Strafe überschreitet oder eine Nebenstrafe verhängt, deren Voraussetzungen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht vorliegen, wenn er ein förmlich aufgehobenes Gesetz noch anwendet, ohne daß auch nur entfernt an § 2 Abs. 3 StGB (Zeitgesetz) zu denken wäre, wenn er ein wichtiges allgemein bekanntes Gesetz übersieht, (BGHZ 46 147, 150), die eingetretene Verjährung unbeachtet läßt, obwohl die Länge der seit der letzten Unterbrechungshandlung verstrichenen Zeit eine Prüfung aufdrängte usw. (so auch S c h m i d t - R ä n t s c h 23, G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 4 zu § 26 DRiG; A r n d t DRiZ 1962 158; 1971 255, 256 - mit zahlreichen Einzelbeispielen - und H e l d DRiz 1972 l'Ol). Nichts anderes könnte gelten, wenn (au.. anderen Gründen) eine Entscheidung in schlechterdings unverständlicher Weise dem geltenden Recht widerspricht und vielleicht schon den Verdacht einer Rechtsbeugung aufkommen läßt ( G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 5). Die Befugnisse der Dienstaufsicht erstrecken sich also auch auf richterliche Maßnahmen, die Gegenstand dienststrafrechtlichen oder gar strafrechtlichen Einschreitens sein können ( A r n d t DRiZ 1962 159). Die Bedenken, die z . T . in Rechtsprechung (Nordrh.-Westf. Richterdisziplinarsenat Essen DRiZ 1961 350) und im Schrifttum — B a u r Justizaufsicht und richterl. Unabhängigkeit 31ff.; 38; B r e i t h a u p t NJW 1954 1150; B e t t e r m a n n in „Die Grundrechte" III 2, 587; E b S c h m i d t 10 zu § 1; MDR 1963 79 gegen die Auffassung erhoben worden sind, daß Gegenstand der Dienstaufsicht auch Fehler sein können, die den Inhalt der Entscheidung berühren, beruhten auf der Erwägung, daß die Grenze zwischen zulässigen und zwischen den durch die richterliche Unabhängigkeit ausgeschlossenen Dienstaufsichtsmaßnahmen schwer zu ziehen sei und die abschließende Beurteilung nicht dem Ermessen der Dienstaufsichtsbehörde überlassen werden könne. Diese Bedenken sind aber dadurch entfallen, daß nach § 26 Abs. 3 DRiG der Richter gegen Dienstaufsichtsmaßnahmen, durch die er sich in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt glaubt, deren Zulässigkeit er also bestreitet, die Entscheidung des Dienstgerichts herbeiführen kann. Eine hiernach zulässige Vorhaltung muß sich in der Anführung der Tatsachen erschöpfen, die zu der Vorhaltung Veranlassung geben. Ist z. B. ein außer Kraft getretenes Gesetz angewendet worden, so ist nur auf die Aufhebung des Gesetzes hinzuweisen. Der Dienstaufsicht steht es nicht zu, den Vorhalt mit eignen Wertungen und Folgerungen zu verbinden, denn eine nur richterlichen Instanzen obliegende Würdigung des Sachverhalts, der Rechtslage und der Sachbehandlung vorzunehmen ist der dienstaufsichtführenden Stelle in jedem Fall verwehrt (BGHZ 46 147, 150). d) Unzulässige Maßnahmen. Von solchen gröbsten Fehlern — bei deren Annahme im übrigen Zurückhaltung geboten ist; in dubio pro richterliche Unabhängigkeit! — abgesehen kann der Inhalt richterlicher Maßnahmen (auch nach der verfahrensrechtlichen Seite) nicht Gegenstand von Maßnahmen der Dienstaufsicht sein. Es könnte also z. B. der Landgerichts2607

§ 1 Anm. VIII 3 , 4

Gerichtsverfassungsgesetz

Präsident als Dienstvorgesetzter des Amtsrichters ihn nicht darauf „hinweisen", daß nach seiner Auffassung bestimmte, bisher nicht berücksichtigte Gesichtspunkte bei dem bevorstehenden Urteil zu erwägen seien. Das wäre ebenso ein unzulässiger Eingriff in ein schwebendes Verfahren, wie wenn der Landgerichtspräsident dem Berufungsgericht oder dessen Vorsitzenden unmittelbar mitteilte, welche Mängel nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil aufweist. Die legale (mittelbare) Einwirkung der „Justizverwaltung" besteht darin, auf dem Weg über die Staatsanwaltschaft (§§ 146 147) dem Gericht ihre Bedenken vorzutragen. Unzulässig ist aber auch eine an rechtskräftig erledigte Sachen anknüpfende, auch in verallgemeinerte Form gehaltene Vorstellung der Dienstaufsichtsbehörde gegenüber den beteiligten Richtern, daß in künftigen Fällen eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage, eine schärfere oder mildere Strafzumessungspraxis angezeigt sei, oder daß sie empfohlen, angeregt oder zur Erwägung gestellt werde, denn auch darin liegt eine Kritik des richterlichen Verhaltens, die geeignet ist, in künftigep Fällen die beteiligten Richter in der Freiheit ihrer Entschließung, in ihrer Unabhängigkeit zu beeinträchtigen (vgl. B D H DRiZ 1963 351). Das gilt aber auch, wenn solche Einwirkungen der Justizverwaltung sich nicht an die unmittelbar beteiligten Richter, sondern, wenn auch ohne deutliche Bezugnahme auf bestimmte Einzelfälle, an eine größere Zahl von Richtern wenden. Mit § 26 D R i G unvereinbar ist also die in DRiZ 1955 17 wiedergegebene Äußerung eines Abgeordneten, es sei durchaus zulässig, daß Entscheidungen, die „zu wirklich berechtigter Kritik in der Öffentlichkeit Anlaß geben", bei Richterzusammenkünften von den Präsidenten besprochen werden. Ebenso unzulässig wären auch allgemeine, zur Kenntnis der Richter bestimmte Aufforderungen der Justizverwaltung, bei bestimmten Arten von Delikten schärfere Strafen zu verhängen (vgl. B D H DRiZ 1963 351) oder eine öffentliche Kritik der Justizverwaltung an rechtskräftigen Entscheidungen (vgl. H o e p n e r DRiZ 1964 13 r. Sp.). Die früher mitunter (vgl. z. B. D ö r r , RheinZ 3 462ff.) vertretene Auffassung, die Justizverwaltung habe das gleiche Recht zur Kritik, zur Urteilsschelte wie jede Behörde außerhalb der Justiz und jede Privatperson, scheitert heute an § 26 Abs. 2 DRiG. Freilich ergeben sich u. U. Grenzziehungsschwierigkeiten: wie soll sich z. B. der Justizminister verhalten, wenn im Landtag bei Erörterung des Justizetats von Abgeordneten Entscheidungen kritisiert werden und er diese Kritik für berechtigt hält? e) Zulässige Maßnahmen der Dienstaufsichtsbehörden, die allgemein auf die Beeinflussung des Inhalts künftiger richterlicher Entscheidungen ohne Bezugnahme auf einen Einzelfall gerichtet sind, sind dagegen — von Weisungen an die Staatsanwaltschaften abgesehen — allgemeine Hinweise auf gerichtliche Entscheidungen, insbesondere in der Form, daß die Justizverwaltung Entscheidungen, die sie für zutreffend und beachtlich hält, auch zur Kenntnisnahme durch die Richter in den Amtsblättern (den Justizministerialblättern) veröffentlichen läßt. Zulässig ist es auch, daß Referenten, die allein dafür die wissenschaftliche Verantwortung tragen, ihren mit der Auffassung der Behörde übereinstimmenden Standpunkt in wissenschaftlichen Aufsätzen in solchen Verkündungsblättern darlegen, denn in dieser Form handelt es sich nicht um behördliche Einwirkungen, sondern um private Äußerungen. Der Dienstaufsichtsbehörde steht schließlich auch die Überprüfung des Inhalts gerichtlicher Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt zu, ob sie zum dienststrafrechtlichen oder strafrechtlichen Einschreiten gegen den Richter Veranlassung geben (unter IX). 3. Ermahnung. Ausdrücklich hervorgehoben ist in § 26 Abs. 2 D R i G die Befugnis der Dienstaufsichtsbehörde, zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Das Wort „ordnungsgemäß" — statt „sachgemäß" — ist gewählt worden, weil eine Einflußnahme auf die „sachgemäße" Erledigung wegen der Unabhängigkeit des Richters unzulässig ist ( W e b e r DRiZ 1961 69). Die Verwendung des Plurals („der Amtsgeschäfte") soll nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift sicherstellen, daß die Ermahnung, mag sie auch durch einen Einzelfall veranlaßt sein, sich, um auch nur den Anschein einer Einflußnahme auf den Inhalt der Entscheidung zu vermeiden, nicht auf den Einzelfall bezieht (vgl. S c h m i d t - R ä n t s c h 25). Die Ermahnung soll dahin gehen, daß der Richter sich künftig bei entsprechenden Fällen anders zu verhalten habe. 4. Rechtsbehelf. Gegen Maßnahmen der Dienstaufsicht, durch die er sich in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt fühlt, kann der Richter die Entscheidung des Dienstgerichts an-

2608

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 1 Anm. VIII 5; IX § § 2 b i s 10

rufen (§§ 26 Abs. 3, 62 Abs. 1 Nr. 4e, 78 Nr. 4e DRiG). Geschieht das, so hat das Dienstgericht nicht nur über die Frage der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Maßnahme zu entscheiden, sondern, wenn es sie nicht für unzulässig hält, auch darüber zu befinden, ob sie sachlich gerechtfertigt ist (BGHZ 52 280 = DRiZ 1969 124; DRiZ 1972 101). Näheres, auch zu der Frage, inwieweit § 26 Abs. 3 auch dem Schutz der persönlichen Unabhängigkeit dient, in den Erläuterungen zu § 26 — im Anhang unter A —. 5. Wegen der Zuständigkeit zur Ausübung der Dienstaufsicht vgl. § 14 der VO v. 20. 3. 1935 (im Anhang unter B). IX. Dienststrafrechtliche Verantwortung Die richterliche Unabhängigkeit und die daraus sich ergebende Begrenzung der Dienstaufsichtsbefugnisse schließt nicht aus, daß der Richter wegen des Inhalts seiner Maßnahmen einschl. seiner Entscheidungen dienststrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn die Entscheidung auf einer schuldhaften Verletzung der Amtspflicht beruht. Die Disziplinargesetze, die — eben wegen der richterlichen Unabhängigkeit — das Disziplinarverfahren gegen Richter besonders ordnen (vgl. §§ 61 ff. DRiG, von den Landesrichtergesetzen z. B. §§ 72ff. Bad.-WLRiG, 60ff. HessRiG; s. auch BVerfG DRiZ 1964 22) werden durch § 1 GVG nicht berührt (so auch die wohl h. M., vgl. B e t t e r m a n n in „Die Grundrechte" III 2, 581 f. mit Nachweisen; Held DRiZ 1970 74; A r n d t DRiZ 1971 254, 257). Die Beschränkung der strafrechtlichen Richterverantwortlichkeit auf den Fall der Rechtsbeugung (§ 336 StGB und dazu E b S c h m i d t 10) und der schadensersatzrechtlichen Haftung des Spruchrichters nach § 839 Abs. 2 BGB ist für die dienststrafrechtliche Verantwortlichkeit ohne Bedeutung. Nach der Gegenmeinung (vgl. z. B. nordrh.-westf. Richterdisziplinarsenat Essen v. 11. 12. 1958 in DRiZ 1961 350; G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 3 zu § 6 3 ; s. auch S c h u m a c h e r DRiZ 1961 350) ist die Disziplinargewalt lediglich eine „gesteigerte Dienstaufsicht" und reicht inhaltlich nicht weiter als diese, erstreckt sich also nur auf die Art der Ausführung der Amtsgeschäfte im engeren Sinne, nicht auf (fahrlässige) Fehler in der Sachentscheidung (oben Anm. VIII 2 c). Daran ist gewiß richtig, daß es — eben im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit — nicht Aufgabe des Disziplinarrichters sein kann, wie ein Rechtsmittelgericht richterliche Entscheidungen auf ihre Richtigkeit nachzuprüfen. Die richterliche Unabhängigkeit, gerade weil sie kein „Privileg" des Richters ist (oben Anm. II 1), kann aber keinen Freibrief für handgreiflich (fahrlässig) schuldhafte Pflichtverletzungen bei Ausübung des Richteramts darstellen, die mit der Freiheit richterlicher Entschließung bei gewissenhafter Ausübung des Richteramts nichts mehr zu tun haben (so auch die Stellungnahme eines Teilverbandes des DRiBundes, DRiZ 1964 385). Vgl. im übrigen auch wegen der „Richteranklage" die Anm. zu § 30 DRiG. § § 2 bis 9 (aufgehoben durch § 85 Nr. 1 DRiG).

§ 10 Unter Aufsicht des Richters können Referendare Rechtshilfeersuchen erledigen und außer in Strafsachen Verfahrensbeteiligte anhören, Beweise erheben und die mündliche Verhandlung leiten. Referendare sind nicht befugt, eine Beeidigung anzuordnen oder einen Eid abzunehmen. Entstehungsgeschichte. § 10 lautete ursprünglich: „Die landesgesetzlichen Bestimmungen über die Befähigung zur zeitweiligen Wahrnehmung richterlicher Geschäfte bleiben unberührt". Durch das Vereinheitlichungsgesetz v. 12. 9. 1950 erhielt § 10 folgende Fassung: „(1). Nach näherer landesgesetzlicher Bestimmung können Gerichtsreferendare mit der Wahrnehmung einzelner richterlicher Geschäfte betraut werden. Der Auftrag ist in jedem Fall durch den Richter aktenkundig zu machen. — (2) Bei Amtsgerichten und Landgerichten kann, wer zum Richteramt befähigt ist, als Hilfsrichter verwendet werden, ohne gemäß § 6 zum Richter auf Lebenszeit ernannt zu sein. — (3) Unberührt bleiben die Vorschriften über die Übertragung richterlicher Geschäfte auf den Rechtspfleger." Durch § 85 Nr. 2 2609

§10 Gerichtsverfassungsgesetz Anm. 1,2 DRiG v. 8. 9.1961 (BGBl. I 1665) wurde - unter Streichung des Absatzes 3 - § 10 wie folgt geändert: „(1) Referendaren, die mindestens 12 Monate im juristischen Vorbereitungsdienst tätig sind, kann im Einzelfall die Erledigung von Rechtshilfeersuchen mit Ausnahme der Beeidigung übertragen werden. (2) Bei Amtsgerichten und Landgerichten können Richter auf Probe und Richter kraft Auftrags verwendet werden." Absatz 2 wurde durch Art. 2 Nr. 2 des Ges. zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte v. 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) gestrichen — vgl. jetzt § 22 Abs. 5, § 59 Abs. 3 - ; Absatz 1 erhielt durch Art. II Nr. 10 des Ges. vom 10. 9. 1971 (BGBl. I 1557) die jetzt geltende Fassung. Lit.: F r a n z k i , Die Verhandlungsleitung durch Referendare, JuS 1972 615. 1. Geschichtliche Entwicklung. § 10 in der ursprünglichen Fassung (vgl. dessen vorstehend wiedergegebenen Wortlaut) überließ es dem Landesgesetzgeber zu bestimmen, ob und in welchem Umfang richterliche Geschäfte zeitweilig — also nicht ständig — durch andere Personen als auf Lebenszeit ernannte Richter ausgeübt werden könnten. Da diese Vorschrift nicht den Besitz der Fähigkeit zum Richteramt forderte, konnte Landesrecht auch Vorschriften über die Erledigung richterlicher Geschäfte durch Referendare treffen; ja es stand ihm sogar zu, Personen ohne jede juristische Vorbildung die Befähigung zur zeitweiligen Wahrnehmung richterlicher Geschäfte zuzuerkennen (vgl. die 19. Aufl. Anm. 2 mit Nachweisen). Nach dem Übergang der Justizhoheit der Länder auf das Reich i. J. 1934 wurde § 10, ohne förmlich aufgehoben zu werden, durch reichsrechtliche Vorschriften ersetzt (vgl. § 10 Abs. 2 der VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung v. 20. 3. 1935, RGBl. I 403 betr. Verwendung von Hilfsrichtern). Auch die Befähigung der Referendare zu richterlichen Geschäften wurde einheitlich geregelt. Nach § 39 Abs. 3 der Justizausbildungsordnung vom 4. 1. 1939 (RGBl. I 6) konnten der Vorstand des Gerichts oder der ausbildende Richter einen Referendar (nur) mit der Vernehmung von Parteien, Beschuldigten und Zeugen (nicht zur Abnahme von Eiden) beauftragen; während des Krieges erging dann § 1 der VO vom 16. 5. 1942 (RGBl. I 333), wonach Referendare mit einem Vorbereitungsdienst von einem Jahr und 3 Monaten in vollem Umfang mit der selbständigen Wahrnehmung richterlicher Geschäfte betraut werden konnten. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 (BGBl. 455) hob den § 10 der VO vom 20. 3. 1935 und § 1 der VO vom 16. 5. 1942 auf (Art. 8 II Nr. 7 u. 21) und ersetzte sie durch die oben wiedergegebenen Absätze 1, 2 des § 10 n. F. GVG, wobei jedoch die Gestaltungsfreiheit des Landesrechts nur mit Einschränkungen wiederhergestellt wurde. Es fügte ferner einen Absatz 3 betr. Tätigkeit von Rechtspflegern ein. Die wesentliche Änderung des § 10 Abs. 1 durch das DRiG 1961 bestand in der abschließenden bundesrechtlichen Umgrenzung der richterlichen Aufgaben, die Referendaren übertragen werden konnten, und der Voraussetzungen, unter denen eine Übertragung zulässig war. Für landesrechtliche Regelungen war kein Raum mehr. Die Neufassung des § 10 durch das Ges. v. 10. 9. 1971 stimmt mit dem bisherigen Recht darin überein, daß die Voraussetzungen und der Umfang der von Referendaren wahrnehmbaren richterlichen Geschäften abschließend bundesrechtlich geregelt sind. Die Änderungen bestehen darin, daß eine bestimmte Ausbildungsstufe (bisher: „die mindestens 12 Monate . . . tätig sind") nicht mehr gefordert wird, die Wahrnehmung von richterlichen Aufgaben aber nur unter Aufsicht des Richters zulässig ist. Der Umfang der wahrnehmbaren Aufgaben ist, soweit es sich um Strafsachen handelt, unverändert geblieben: nur Erledigung von Rechtshilfeersuchen, Ausschluß der Anordnung einer Beeidigung oder der Abnahme eines Eides. Die nachstehenden Ausführungen befassen sich nur mit der Verwendung von Referendaren zur Erledigung von Strafsachen. 2. Grundgesetzmäßigkeit des § 10 a) Über die Grundgesetzmäßigkeit des § 10 Abs. 1 a. F. bestanden Zweifel. Sieht man in der Erledigung eines Rechtshilfeersuchens die Wahrnehmung einer Rechtsprechungsaufgabe, so fragte sich, inwieweit § 10 Abs. 1 a. F. mit Art. 92 G G vereinbar war, wonach Rechtsprechung nur durch Richter ausgeübt werden kann, also nur durch unabhängige Richter (Art. 97 Abs. 1), nicht auch durch Referendare, die nur Beamte im Vorbereitungsdienst ohne die Befähigung zum Richteramt sind. Nach S c h m i d t - R ä n t s c h (3 zu § 85 DRiG) widerspricht die Übertragung richterlicher Geschäfte auf Referendare dem Art. 97

2610

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 10 Anm. 3 Abs. 1 GG; § 10 Abs. 1 a. F. GVG könne deshalb nur auf nichtrichterliche Geschäfte angewendet werden. Diese Auffassung hatte schon der RegEntw. des DRiG vertreten; Bundesrat und Bundestag waren ihm aber darin nicht gefolgt, weil sie in einer solchen Auffassung eine „Überspannung" des Art. 97 Abs. 1 G G " sahen. In Anm. 2 a zu § 10 in der Vorauflage war die Vereinbarkeit des § 10 Abs. 1 a. F. damit begründet, daß diese Vorschrift in Durchbrechung der §§ 1 ff. DRiG die Wahrnehmung bestimmter richterlicher Aufgaben durch Nichtberufsrichter zulasse, vergleichbar der Übertragung von Haus aus richterlicher Aufgaben auf Rechtspfleger nach dem Rechtspflegerges. Das verstoße nicht gegen den Grundsatz des § 28 Abs. 1 DRiG, da dieser Ausnahmen durch Bundesgesetz zulasse; eine solche Ausnahmebestimmung sei § 10 Abs. 1 a. F. Mit Art. 92, 97 Abs. 1 GG sei dies nicht unverträglich, da das G G nicht regele, wer als Richter tätig werden kann. Auf einem anderen Weg gelangte OLG Celle NJW 1967 993 (mit abl. Anm. B o o s s in NJW 1967 1869) = JZ 1967 285 mit zust. Anm. H e r z o g zur Bejahung der Grundgesetzmäßigkeit des § 10 Abs. 1 a. F., indem es unter Berufung auf BVerfGE 7 183, 188 = NJW 1958 97 in der Erledigung eines Rechtshilfeersuchens ohne Beeidigung noch keine richterliche Tätigkeit, sondern nur eine die eigentlich richterliche Tätigkeit, die Streitentscheidung vorbereitende Tätigkeit sah. Indessen versagt die Berufung auf BVerfGE 7 183, wie H e r zog aaO. überzeugend dargelegt hat; auch die auf Grund eines Rechtshilfeersuchens erfolgende gerichtliche Vernehmung ist, nicht anders als eine solche durch den beauftragten Richter, ein Rechtsprechungsakt. b) § 10 n. F. hat für nichtstrafrechtliche Sachen den Kreis der durch Referendare wahrnehmbaren Geschäfte auch auf solche erweitert (Beweiserhebung, Leitung der mündlichen Verhandlung), an deren Rechtsprechungseigenschafit kein Zweifel möglich ist; der Streit um die Rechtsprechungseigenschaft der Erledigung von Rechtshilfeersuchen spielt demgemäß keine Rolle mehr. Diese Erweiterung beruht auf einem Vorschlag des Bundesrats; sie war im RegEntw. des Ges. v. 10. 9. 1971 noch nicht vorgesehen (vgl. BT-Drucks. Nr. VI/1380 v. 5. 11. 1970 S. 3, 12, 15). Der Vorwurf fehlender Grundgesetzmäßigkeit, dem diese Erweiterung erst recht ausgesetzt gewesen wäre, ist aber ausgeräumt durch die im späteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eingefügte (im Vorschlag des Bundesrats noch nicht vorgesehene) Einschränkung, wonach die Wahrnehmung der in § 10 n. F. bezeichneten Geschäfte nur unter Aufsicht des Richters zulässig ist. Das bedeutet, daß der Referendar zwar selbständig handelt, letztlich aber der Richter die Verantwortung für die Durchführung des Amtsgeschäfts trägt. Konstruktiv ließe sich der Vorgang so bewerten, daß der Referendar nur Hilfsperson des Richters ist, der rechtlich mit Hilfe des Referendars das Amtsgeschäft wahrnimmt. Die Mitwirkung des Richters muß auch im Protokoll zum Ausdruck kommen. Von den von S c h u l t z MDR 1972 478 vorgeschlagenen Fassungen des Kopfs des Protokolls „Referendar X unter Aufsicht von Richter Y als Einzelrichter" oder „Richter Y als Einzelrichter und Referendar X gemäß § 10 GVG" würde vom Standpunkt der vorgenannten Konstruktion aus eine Formulierung der letzteren Art den Vorzug verdienen, weil sie deutlicher zum Ausdruck bringt, daß der rechtliche Träger der Amtsausübung der die Aufsicht führende Richter ist. Aber auch eine andere Konstruktion, die in dem vernehmenden Referendar nicht nur eine Hilfsperson des Richters sieht, sondern den Akzent auf die Selbständigkeit des handelnden Referendars legt, würde die Grundgesetzmäßigkeit des § 10 nicht in Frage stellen: die Mitwirkung des Richters durch Ausübung der Aufsicht verleiht dann der Erledigung des Rechtshilfeersuchens die Qualität einer richterlichen Handlung. Gegen die Grundgesetzmäßigkeit des § 10 n. F. können jetzt umso weniger Bedenken erhoben werden, als eine ausgiebige praktische Betätigung der Referendare in dem im Gesetz zugelassenen Umfang allgemein als ein erwünschtes, die Arbeitsfreudigkeit belebendes Ausbildungsmittel angesehen wird (vgl. S c h u l t z aaO.; B a u m a n n JZ 1971 87, 88; F r a n z k i JuS 1972 6.15); dem muß sich die Auslegung der Art. 92, 97 Abs. 1 G G anpassen. 3. Zur „Aufsicht des Richters" gehört auch, nach dem jetzt eine Mindestdauer des Vorbereitungsdienstes nicht mehr vorgeschrieben ist, die Prüfung nach pflichtgemäßen Ermessen, ob der Referendar nach dem Stand seiner Ausbildung in der Lage ist, die Aufgabe zu erledigen; davon wird es auch abhängen, ob die Aufsicht eine ständige Anwesenheit*) des *) Ständige Anwesenheit, wie sie T h o m a s - P u t z o , ZPO, zu § 10 fordern, mag etwa bei der Leitung der mündlichen Verhandlung (außerhalb von Strafsachen) erforderlich sein; zum Begriff der Aufsicht gehört sie nicht.

2611

§ 10 Anm. 4, 5

Gerichtsverfassungsgesetz

Richters bei der Durchführung der Aufgabe erfordert oder Lockerungen möglich sind (z. B. Anwesenheit des Richters bei der Vorlesung der Aussage des Vernommenen), sofern nur gesichert ist, daß die Verantwortlichkeit für die ordnungsmäßige Erledigung des Amtsgeschäfts bei dem aufsichtführenden Richter liegt. Zur Aufsicht gehört auch korrigierendes Eingreifen, notfalls der Widerruf des Auftrags. 4. Erledigung von Rechtshilfeersuchen a) Rechtshilfeersuchen. Referendare können Rechtshilfeersuchen in allen Angelegenheiten erledigen; die Einschränkung „außer in Strafsachen" bezieht sich nur auf die übrigen in § 10 bezeichneten Amtshandlungen. Zu den „Strafsachen" (§ 3 EG StPO) gehören auch die Bußgeldsachen nach dem OWiG. Der Begriff des Rechtshilfeersuchens ist im weitesten Sinn zu verstehen (OLG Celle NJW 1967 993 = JZ 1967 285). Er umfaßt - entsprechend dem Zweck des § 10, dem Referendar zu Ausbildungszwecken in möglichst weitem Umfang Gelegenheit zur Durchführung von Vernehmungen zu schaffen — nicht nur Rechtshilfeersuchen im technischen Sinn (§§ 156ff), d. h. die von einem Gericht ausgehenden Ersuchen, sondern erstreckt sich auch auf Amtshilfeersuchen um Vernehmung, d. h. von anderen Stellen ausgehende Ersuchen, denen das Amtsgericht nach gesetzlicher Vorschrift zu entsprechen hat, z. B. auf Anträge der Staatsanwaltschaft im Vorverfahren gemäß § 162 StPO oder der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren (§ 46 OWiG in Verb. m. § 162 StPO) hin. Die insoweit gegenüber § 10 Abs. 1 a. F. bestehenden Zweifel und Bedenken (vgl. Booss NJW 1967 1869; H e r z o g JZ 1967 285) haben sich dadurch erledigt, daß dem Gesetzgeber die Entscheidung des OLG Celle bekannt war, ihm aber keine Veranlassung zu einer Einschränkung gab. b) Erledigung von Rechtshilfeersuchen. Da für die Erledigung von Rechtshilfeersuchen nur das Amtsgericht zuständig ist (§157 GVG), kommt die Verwendung von Referendaren zu diesem Zweck nur beim Amtsgericht in Betracht. Damit ist nicht gesagt, daß nur ein in der amtsgerichtlichen Ausbildungsstation tätiger Referendar beauftragt werden könnte. „Erledigung von Rechtshilfeersuchen" bedeutet die Ausführung von solchen Ersuchen. Die Ablehnung eines Ersuchens (§ 158 Abs. 2 GVG) kann ein Referendar nicht aussprechen; sie ist Sache des Richters. 5. Eid. Ausgenommen von den wahrnehmbaren Aufgaben ist, wie schon nach bisherigem Recht, die Anordnung einer Beeidigung oder Abnahme eines Eides. Das bedeutet nicht, daß, wenn eine Beeidigung zulässig oder erforderlich ist (§ 66 b Abs. 1, 2 StPO), der beauftragte Referendar die Vernehmung durchführen könnte und lediglich die Beeidigung dem Richter überlassen müßte. Vielmehr ist die Vorschrift so zu verstehen, daß die Entschließung, ob die Voraussetzungen einer Beeidigung vorliegen, nur von einem Berufsrichter getroffen werden kann, und dieser muß, wenn der Referendar die Aussage unter seiner Aufsicht entgegengenommen hat, die Verhandlung übernehmen, die Aussage noch einmal vorlesen lassen und diesen Teil der Niederschrift unterschreiben; andernfalls läge keine eidliche richterliche Vernehmung, etwa im Sinn des § 251 StPO vor (BGHSt. 12 92 = NJW 1958 2075). Der BGH läßt aaO. offen, ob überhaupt die Beauftragung eines Referendars mit der Vernehmung zulässig ist, wenn das ersuchende Gericht die eidliche Vernehmung (§ 66 b Abs. 2 StPO) verlangt. Doch ist die Frage zu bejahen, da sonst die Erledigung von Rechtshilfeersuchen um Vernehmung von Zeugen praktisch auf die Fälle beschränkt wäre, in denen um uneidliche Vernehmung ersucht ist (§ 66 b Abs. 3 StPO) oder die Voraussetzungen der Nichtbeeidigung zweifellos vorliegen. Denn wenn die endgültige Entschließung, ob die Voraussetzungen der Beeidigung vorliegen, nur dem Berufsrichter zusteht, so muß dies auch für die Fälle des § 66 b Abs. 1 gelten. Dieser kann aber seine Entscheidung im allgemeinen erst treffen, wenn er den Inhalt der Aussage kennt. Hier muß es zulässig sein, zunächst den Referendar die Vernehmung durchführen zu lassen. Erst dann trifft der Richter die Entschließung, ob Beeidigung erfolgen soll, wobei er bejahendenfalls wie oben dargestellt, verfahren müßte. Dann bestehen aber auch keine Bedenken, daß der beauftragte Referendar in den Fällen des § 66 b Abs. 2 die Vernehmung vorbereitend durchführt. Ein unzulässigerweise (in Überschreitung der Zuständigkeit) von einem Referendar abgenommener Eid kann nicht als Meineid bestraft werden (RGSt. 65 206; BGHZ 10 142, 143). 2612

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 10 Anm. 6 - 9

Vor §§ 12 bis 21 6. Zwangsmaßnahmen. Nach bisherigem Recht umfaßte die dem Referendar aufgetragene Erledigung eines Richtshilfeersuchens alle Befugnisse, über die ein ersuchter Richter bei und zur Erledigung von Rechtshilfeersuchen verfügt, wie Erzwingung des Erscheinens eines Zeugen und seines Zeugnisses (§§51, 70 StPO) oder Verhängung von Ungebührgeldstrafen nach §§ 178, 180 GVG (vgl. Anm. l b der Voraufl.). Es war dies eine Folgerung daraus, daß dem Referendar die in vollem Umfang selbständige Erledigung des Rechtshilfeersuchens aufgetragen wurde. Da aber nach § 10 n. F. der Referendar nur unter Aufsicht des Richters handelt, der Richter, der den Referendar bei seiner Tätigkeit beaufsichtigt, also selbst jederzeit in der Lage ist, die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen, ist der Grund, dem Referendar Zwangsbefugnisse zuzubilligen, entfallen. 7. Unwirksamkeit. Anfechtbarkeit. Unter der Herrschaft des § 10 Abs. 1 a. F. wurde angenommen, daß die Amtshandlung, die ein Referendar ohne Auftrag wahrnahm, unwirksam sei (vgl. Anm. 2 c der Voraufl.), während eine Amtshandlung, die auftragsgemäß vorgenommen wurde, aber andere als die nach dieser Vorschrift wahrnehmbaren Geschäfte zum Gegenstand hatte, nicht nichtig, sondern nur nach den allgemeinen Vorschriften anfechtbar sei (OLGe. Frankfurt NJW 1954 207; Hamm JMB1. NRW 1964 31; E b S c h m i d t 6; M ü l l e r - S a x 1). Im Sinne dieser Handhabung ist davon auszugehen, daß — in Strafsachen — das Fehlen jeglicher Aufsicht des Richters die Erledigung des Rechtshilfeersuchens unwirksam (die Vernehmung unbrauchbar) macht, während Uberschreitungen des § 10 anderer Art (von der Eidesabnahme abgesehen), die sich unter — wenn auch mangelhafter — Aufsicht des Richters ereignen, und denen dieser nicht korrigierend abhilft, so zu behandeln sind, als habe der Richter selbst die fehlerhafte Rechtshandlung vorgenommen, sodaß der Akt nicht nichtig, sondern nur nach den allgemeinen Vorschriften anfechtbar ist. 8. Andere durch Referendare wahrnehmbare Geschäfte: vgl. §§ 139, 142 StPO. § 142 Abs. 3 GVG, § 2 Abs. 4 Rechtspflegerges. 1969, § 53 Abs. 4 Satz 2 BRAO, § 116 Abs. 2 Satz 1 ZPO. 9. Wegen der Anwendbarkeit des § 10 auf Teilnehmer an einer einstufigen Ausbildung vgl. § 5 b Abs. 2 DRiG.

§ 11 (aufgehoben durch § 85 Nr. 3 DRiG) Vorbemerkungen vor §§ 12 bis 21*). Übersicht I. Bundes- und Landesgerichte 1. Die Aufteilung der Gerichtsbarkeit zwischen Gerichten des Bundes und der Länder 2. „Gerichtsbarkeit des Bundes" (Art. 96 Abs. 5 GG, §§ 120, 142 a G V G ) II. Das Strafverfolgungsrecht der einzelnen Länder in ihrem Verhältnis zueinander 1. Die Bundesländer stellen ein einheitliches Rechtspflegegebiet dar 2. Folgerungen für die Zuständigkeit zur Strafverfolgung 3. Folgerungen für einzelne Untersuchungshandlungen 4. Wirkung der Rechtshängigkeit und . Rechtskraft im ganzen Bundesgebiet

III. Räumlicher Bereich der Rechtsprechungsgewalt 1. Grundsatz: Erstreckung auf das deutsche Hoheitsgebiet. Beschränkungen durch Exterritorialität und die Zuständigkeit überstaatlicher Gerichte 2. Verhältnis zur D D R IV. Das Begnadigungsrecht 1. Schrifttum 2. Formen der Begnadigung 3. Der Anwendungsbereich der Gnade 4. Der Einzelgnadenerweis a) Wesen des Einzelgnadenerweises b) Reichweite der Gnade. Befehls-, Verzichts- und Restitutionstheorie aa) Mängel der Befehls- und Verzichtstheorie

*) Die frühere Überschrift vor § 12: „Zweiter Titel. Gerichtsbarkeit" ist durch Art. II Nr. 3 des Ges. v. 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) gestrichen worden.

2613

V o r § § 1 2 bis 21 Anm. 1 1 , 2

Gerichtsverfassungsgesetz

bb) Durchsetzung der Restitutionstheorie im geltenden Recht cc) Die Gnadenzuständigkeit bei der Restitution im Beamten- und Disziplinarrecht 5. Zur gerichtlichen Nachprüfbarkeit von Gnadenentschließungen 6. Die Niederschlagung a) Verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Bedeutung b) Sachentscheidung und Verfahrensfortsetzung trotz Niederschlagung c) Bedeutung des Satzes: in dubio pro reo 7. Bundeszentralregisterliche Maßnahmen sind keine Gnadenakte V. Das Begnadigungsrecht des Bundes 1. Rechtsgrundlagen a) Bedeutung des § 452 StPO

b) Zuständigkeit zur Ausübung des Gnadenrechts (Art. 6 0 G G ) c) Befugnis des Bundes zum Erlaß von Straffreiheitsgesetzen 2. Beschränkung des Gnadenrechts des des Bundes durch das Gnadenrecht der Länder VI. Das Begnadigungsrecht der Länder 1. Sein Umfang 2. Ausübung des Gnadenrechts, wenn mehrere Länder beteiligt sind. 3. Die Zuständigkeit zur Ausübung des Gnaden rechts in den Ländern 4. Der Inhalt des Landesgnadenrechts 5. Wirkung der Niederschlagung in einem Land, wenn die Gerichte mehrerer Länder zur Verfolgung zuständig sind

I. Bundes- und Landesgerichte 1. Aufteilung der Gerichtsbarkeit. Mit dem Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze wurde die Ausübung der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit (Anm. 1 zu § 2 EG GVG) in der Art geregelt, daß das ganze Reichsgebiet in fast allen verfahrensrechtlichen Beziehungen wie das Gebiet eines Staates behandelt wurde, obwohl die Gerichtsbarkeit nur zum Teil von Gerichten des Reichs und in der Hauptsache von den Gerichten der Länder ausgeübt wurde. Dieser Rechtszustand besteht, nachdem die 1934 bewirkte Übernahme der Justizhoheit der Länder auf das Reich i. J. 1945 hinfallig wurde, auch heute. Nach Art. 74 Nr. 1 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf die Gerichtsverfassung. Die Aufteilung der Gerichtsbarkeit zwischen Gerichten des Bundes und Gerichten der Länder ist aber durch die Art. 92 bis 96 GG verfassungsmäßig festgelegt und einer Abänderung durch einfaches Bundesgesetz auf Grund des Art. 74 Nr. 1 GG entzogen. Nach Art. 92 GG wird die rechtsprechende Gewalt durch das Bundesverfassungsgericht (Art. 93, 94), durch die im Grundgesetz vorgesehenen Bundesgerichte, nämlich die nach Art. 95 errichteten „obersten Bundesgerichte" (Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof, Bundesarbeitsgericht und Bundessozialgericht) mit dem zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung gemäß Art. 95 Abs. 3 durch Gesetz v. 19. 6. 1968 (BGBl. I 661) gebildeten Gemeinsamen Senat*) und die nach Art. 96 errichteten oder errichtbaren Gerichte (Bundespatentgericht, Wehrstrafgerichte, Bundesdisziplinargerichte und Bundesdienstgerichte), im übrigen aber durch die Gerichte der Länder ausgeübt. Das bedeutet einmal, daß Art und Tätigkeitsbereich der Gerichte des Bundes, insbesondere der obersten Bundesgerichte abschließend festgelegt ist; es kann nicht durch einfaches Bundesgesetz eine neue Gerichtsbarkeit des Bundes oder ein neues letztinstanzliches Gericht des Bundes errichtet werden. Es bedeutet weiterhin, daß der Bund in der Hauptsache Gerichtsbarkeit nur durch die obersten Bundesgerichte ausübt, denen im Interesse der Einheit der Rechtsprechung innerhalb jedes Zweiges der Gerichtsbarkeit im Rechtsmittelzug die letztinstanzliche Zuständigkeit zufallt, während die mittleren und unteren Gerichte im Instanzenaufbau Gerichte der Länder sein müssen. Untere und mittlere Bundesgerichte sieht das GG ausdrücklich nur auf den in Art. 96 bezeichneten Rechtsgebieten vor. 2. Gerichtsbarkeit des Bundes. Einheitliches Rechtspflegegebiet. Früher war streitig, ob die Gerichte der Länder substantiell rechtsprechende Gewalt des Bundes ausüben (so B e l i n g , StrafprR 523; v. M a n g o l d t Anm. 4 zu Art. 92), d. h. ob das Justizhoheitsrecht der Länder aus der Bundesstaatsgewalt abgeleitet ist, oder ob sie originäre Hoheitsrechte ihres Landes kraft eignen Rechts ausüben (so RGSt. 53 4). Aus Art. 96 Abs. 5 GG ergibt *)vgl. dazu M i e b a c h . Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes. Geschichte, Probleme und die Stellung des Gemeinsamen Senats zum Bundesverfassungsgericht, Berlin 1971.

2614

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

V o r § § 12 b i s 2 1 Anm. II 1 - 3 sich nunmehr, daß Gerichte der Länder nur in dem dort bezeichneten Umfang im Wege der „Organleihe" Gerichtsbarkeit des Bundes ausüben (vgl. dazu § 452 StPO, §§ 120 Abs. 6, 142 a GVG). Unabhängig davon, ob Gerichtsbarkeit des Bundes oder eines Landes ausgeübt wird, ist die Bundesrepublik Deutschland ein einheitliches Rechtspflegegebiet und rechtskräftige Entscheidungen eines Landesgerichts entfalten über die Landesgrenzen hinaus die gleiche Wirksamkeit, wie wenn die Justizhoheit dem Bund zustände und alle Gerichte Gerichte des Bundes wären (OLG Düsseldorf MDR 1951 489). Der Idee nach gehört zu diesem einheitlichen Rechtspflegegebiet auch die D D R (vgl. unten III 2). Den Ländern gegenüber bei der Ausübung ihrer Justizhoheit hat der Bund nur ein Aufsichtsrecht nach Maßgabe des Art. 84 GG. II. Das Strafverfolgungsrecht der einzelnen Länder in ihrem Verhältnis zueinander 1. Abgesehen von den Fällen, in denen ihre Gerichte Gerichtsbarkeit des Bundes ausüben (Anm. I 2) sind die einzelnen deutschen Länder die Inhaber des Strafverfolgungsrechts; indes gilt dies nur mit den aus dem Gedanken der Einheit des Rechtspflegegebiets (oben I 2) sich ergebenden Einschränkungen (unten 2 bis 4). GVG und StPO gehen von dem Grundgedanken aus, daß die Länder als zu gemeinsamer Ausübung der Strafrechtspflege verbunden angesehen und sämtliche im Bundesgebiet vorhandenen Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden wie Organe einer und derselben Strafgewalt betrachtet werden. Diese Auffassung — von der sich eine wesentliche Abweichung nur in § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO findet — tritt insbesondere deutlich hervor in den Bestimmungen über den Gerichtsstand (StPO Buch 1 Abschn. 2) und in denen über die Rechtshilfe (GVG Tit. 13). In dem von dem Gerichtsstand handelnden Abschnitt der StPO ist (abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden § 11) von den einzelnen Ländern überhaupt nicht die Rede; der Abschnitt unterscheidet nur zwischen Gerichtsbezirken, nicht aber zwischen Staatsgebieten. In dem Titel von der Rechtshilfe ist nur in wenigen unwesentlichen Beziehungen auf die Staatszugehörigkeit der beteiligten Behörden Rücksicht genommen (§§ 167, 168). 2. Wegen der Zuständigkeit für die Strafverfolgung ist folgendes hervorzuheben. Sind für dieselbe Sache mehrere Gerichte zuständig (§§ 12, 13 StPO) und gehören sie verschiedenen deutschen Ländern an, so sind für die Entschließung der Staatsanwaltschaft darüber, bei welchem Gericht die Sache anhängig zu machen ist, nur die Gründe maßgebend, die auch gelten, wenn die zuständigen Gerichte demselben Land angehören. (Vgl. § 143 Abs. 3 GVG und die Anm. das.) — Die Übertragung einer Sache von dem mit ihr befaßten Gericht auf ein anderes an sich zuständiges Gericht (StPO § 12 Abs. 2, § 13 Abs. 2, 3) ist unter Gerichten verschiedener Länder in derselben Weise statthaft wie unter Gerichten desselben Landes; die Landesangehörigkeit der beteiligten Gerichte ist auf die Entscheidung darüber, ob die Ubertragung stattfinden soll, rechtlich ohne Einfluß, vorausgesetzt natürlich, daß es sich nicht um eine nur nach Landesrecht strafbare Handlung handelt (vgl. B i n d i n g Grundr. 72 u. Hdb. 1 482). — Auch wenn es sich um die Übertragung einer Sache auf ein an sich nicht zuständiges Gericht, also um die Begründung der Zuständigkeit durch den Auftrag eines oberen Gerichtes (§ 15 StPO; vgl. dagegen § 354 Abs. 2), handelt, kann die Sache von dem an sich zuständigen Gericht auf ein Gericht eines anderen Landes übertragen werden. Es wird aber freilich angemessen sein, eine derartige Übertragung so lange zu vermeiden, als in dem Land des an sich zuständigen Gerichts noch ein anderes Gericht derselben Zuständigkeit vorhanden ist. — Endlich hängt auch die Zuständigkeit für die nachträgliche Festsetzung einer Gesamtstrafe (StPO § 462 Abs. 3) nicht davon ab, ob die Gerichte, die die verschiedenen Strafurteile erlassen haben, demselben Land oder verschiedenen Ländern angehören. 3. Für die einzelnen Untersuchungshandlungen ist der Gedanke der Einheit des Bundesgebietes in folgender Weise verwirklicht, a) Die Gerichtsgewalt, die dem mit der Sache befaßten Gericht außerhalb seines Bezirkes zusteht, ist im ganzen Bundesgebiet dieselbe, also in dem Gebiet eines anderen Landes ebenso begründet wie in einem anderen Gerichtsbezirk des eigenen Landes (das Nähere s. Tit. 13 Vorbem. 6 a und § 160). Auch die Befugnis des befaßten Gerichts, ausnahmsweise Amtshandlungen außerhalb seines Bezirkes vorzunehmen (vgl. z. B. § 166), ist ohne Rücksicht auf die Grenzen des Staatsgebietes gegeben. — b) Die Rechts- und Vollstreckungshilfe wird den Behörden eines anderen Landes in derselben Weise 2615

V o r § § 1 2 bis 2 1 Anm. II 4; III 1,2; IV I

Gerichtsverfassungsgesetz

wie denen des eigenen Landes geleistet (§§ 156, 162). — c) Das alles gilt auch, wenn die Tat nur nach Landesrecht strafbar ist; hier hat jedes Gericht, bei dem ein Gerichtsstand nach den Vorschriften der StPO gegeben ist, nach den Grundsätzen des interlokalen Strafrechts das Recht des Tatorts anzuwenden, auch wenn es in seinem Gebiet nicht gilt (BGH NJW 1958 1500). 4. Die Wirkungen, die die Rechtshängigkeit der Sache (vgl. § 151 StPO) sowie der Erlaß einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung hat, erstrecken sich gleichmäßig auf das ganze Bundesgebiet. Das gilt insbesondere von der Vollstreckbarkeit der Entscheidungen, ferner aber auch von dem Verbrauch des Strafklagerechts; die Entscheidung, durch die die Strafklage für ein Land erlischt, bewirkt notwendig zugleich das Erlöschen für alle übrigen etwa zur Strafverfolgung berechtigten Länder. Die Rechtshängigkeit in einem Lande hindert die Verfolgung auch in den anderen deutschen Ländern. Für den Fall, daß die Tat nur nach Landesrecht strafbar ist und bereits in einem anderen Lande ein Gericht aufgrund eines dort bestehenden entsprechenden Gesetzes geurteilt hat, vgl. RGSt. 29 156, 32 57. III. Räumlicher Bereich der Rechtsprechungsgewalt 1. Die Ausübung deutscher Rechtsprechungsgewalt erstreckt sich auf das deutsche Hoheitsgebiet. Beschränkungen ergeben sich einmal aus dem Grundsatz der Exterritorialität (§§ 18 bis 21), zum anderen durch die Zuständigkeit überstaatlicher Gerichte, denen durch Staatsvertrag Rechtsprechungsgewalt mit Wirkung für das Inland unter entsprechender Beschränkung der inländischen Hoheitsrechte übertragen wurde (vgl. Anm. I 2 zu § 14; E r l e r , Die Beschränkung der rechtsprechenden Gewalt in der Bundesrepublik durch die Zuständigkeit internationaler Gerichte, in Göttinger Festschrift für das OLG Celle, 1961). 2. Auch im Verhältnis zur D D R ist der Gedanke einer Einheit des Rechtspflegegebiets (heute unter dem Gesichtspunkt „zwei Staaten, eine Nation") nicht aufgegeben worden. Das zeigt sich u. a. darin, daß durch rechtskräftige Urteile der Strafgerichte der D D R die Strafklage grundsätzlich auch mit Wirkung für die Gerichte der Bundesrepublik verbraucht wird usw. Die Verschiedenheit der Rechtshandhabung und die eingetretene Rechtsverschiedenheit haben jedoch dazu geführt, daß die Folgerungen aus der Idee des einheitlichen Rechtspflegegebiets nur mit den aus dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. 5. 1953 (BGBl. I 161) sich ergebenden Einschränkungen (vgl. Anhang unter C) gezogen werden können. IV. Das Begnadigungsrecht 1. Schrifttum: H e i m b e r g e r , Das landesherrliche Abolitionsrecht (1901); E l s a ß , Über das Begnadigungsrecht (Straßb. Diss. 1888); D a v i d s o h n Das Begnadigungsrecht (Erl. Diss. 1903); F r i t z s c h e n Das landesherrliche Abolitionsrecht (Freib. Diss. 1906); L a b a n d 3 504; B i n d i n g , Handbuch 1 860, Grundriß 229 § 110; M e r k e l , Lehrbuch des deutschen Strafrechts (1889) 247; von L i s z t - S c h m i d t , Lehrbuch 26. Aufl. (1932) §§ 73, 74; O r t l o f f GA 45 92, 213; H a t s c h e k , Deutsches und preußisches Staatsrecht 2. Aufl. 2 652f.; A n s c h ü t z , Anm. 1 zu Art. 49 Weim-Verf.; von H i p p e l , Deutsches Strafrecht II §41, Lehrbuch § 5 7 ; G e r l a n d , HWdRechtsw. 1 571, Deutsches Reichsstrafrecht (2) §§ 82, 83, Festgabe für Frank 2 215; G r a u - S c h ä f e r , Das preußische Gnadenrecht (1931) 49—78; H ä r t u n g , Das Gnadenrecht in der Kriegs- und Nachkriegszeit JW 1931 2764, Die Rechtsnatur des Gnadenrechts JW 1932 1709, HWfKrim. 1 109 Stichwort „Begnadigung"; E b S c h m i d t , Begnadigung und Amnestie in A n s c h ü t z - T h o m a , Handbuch des Staatsrechts II (1932) 563ff.; J u n k e r , Über Gnadenwesen ZStrW 63 428ff.; G r e w e , Gnade und Recht 1936; R a d b r u c h , Gerechtigkeit und Gnade, in Festschrift für Carnelutti, 1950: G e e r d s , Gnade, Recht und Kriminalpolitik. Tübingen 1960: M a n n h e i m e r , Zum Gnadenrecht des Bundespräsidenten in Disziplinarsachen JR 1956 327; D a l c k e ( S c h ä f e r ) 1782; W a h l , Gnadenrecht der Bundesrepublik Deutschland 1954; P r a l l e , Die Begnadigung als fehlerhafter Staatsakt, 1934, D r e w s , Das deutsche Gnadenrecht 1971; T r a u t m a n n , Geltung der Rechtsgarantie des Art. 19 Abs. 4 G G bei Gnadenentscheidungen, MDR 1971 173; v. P r e u s c h e n , Für ein rationelles Gnadenrecht, NJW 2616

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

V o r § § 12 bis 2 1 Anm. IV 2 - 4

1970 458; K l e c a t z k y , Die staatsrechtlichen Wurzeln des Gnadenrechts, Oesterr. JB1. 1967 445; S e i t t e r , Die Rechtsnatur des Gnadenakts, Diss. Tübingen 1962; B a l t e s , Der Rechtsweg in Gnadensachen, DVB1. 1972 562. 2. Formen der Begnadigung. Die Justizhoheit umfaßt neben dem Strafverfolgungsrecht auch dessen Gegenstück, das Gnadenrecht. Bei der Begnadigung ist zu unterscheiden 1. die Begnadigung im Einzelfall. Sie zerfällt a) in die Begnadigung nach rechtskräftiger Bestrafung (Begnadigung im engeren Sinn) und bedeutet den Ausspruch der zur Ausübung des Gnadenrechts befugten Stelle, daß die erkannte Strafe ganz oder teilweise erlassen, in eine mildere Strafart umgewandelt oder die Strafvollstreckung auf Zeit ausgesetzt wird, b) in die Begnadigung nach erfolgter Tat, aber vor rechtskräftiger Aburteilung (Begnadigung im weiteren Sinn, Niederschlagung, Abolition) und bedeutet die Anordnung der zur Ausübung des Gnadenrechts befugten Stelle, daß eine Strafverfolgung nicht eingeleitet oder nicht fortgesetzt werden darf, 2. die generelle Begnadigung, d. h. die Begnadigung einer Vielzahl von Personen, d. h. eines unbestimmten, wenn auch nicht notwendig zahlenmäßig großen Personenkreises (BVerfGE 10 234 = NJW 1960 235) nach allgemein bezeichneten Merkmalen ohne Rücksicht auf die individuelle Gnadenwürdigkeit, die, wie der Einzelgnadenerweis, in einer Begnadigung im engeren oder weiteren Sinn bestehen kann. Für die generelle Begnadigung verwendet die Gesetzessprache statt des früheren Ausdrucks „Amnestie" seit geraumer Zeit den Ausdruck „Straffreiheit"(vgl. dazu unten V). 3. Der Anwendungsbereich der Gnade. Über die geschichtliche Entwicklung der Anwendung von Gnade vgl. (summarisch) BVerfGE 25 352, 358 = NJW 1969 1895 = MDR 1969 990). In der Gegenwart erfüllt praktisch das Begnadigungsrecht nur noch die Funktion, Härten des Gesetzes, etwaige Irrtümer der Urteilsfindung sowie Unbilligkeiten bei nachträglich veränderten allgemeinen oder persönlichen Verhältnissen auszugleichen („Korrigierende Gnade"). Die Rechtsentwicklung ist dadurch gekennzeichnet, daß zunehmend solche Ausgleichungsmaßnahmen dem Bereich der Gnade entzogen und Gegenstand gerichtlicher Entscheidung werden. So wurde z. B. vor Einführung der gerichtlichen Aussetzung der Strafe oder eines Strafrestes zur Bewährung (§§ 23 ff. StGB) i. J. 1953 Strafaussetzung zur Bewährung mit Hilfe delegierter Gnadenbefugnisse gewährt; damals war die Gnade ein rechtstechnisches Masseninstitut. Heute ist eine Bewährungsaussetzung außerhalb der §§ 23 ff. StGB im Wege der Gnade (der Idee nach) eine seltene Ausnahmeerscheinung. Die Wiederverleihung durch Strafurteil verlorener Fähigkeiten, Rechtsstellungen und Rechte (§ 31 StGB) vor Ablauf der Dauer des Verlustes, die bis dahin nur im Wege der Gnade möglich war, kann jetzt durch gerichtliche Entscheidung erfolgen (§ 33 n. F. StGB). Ist durch Strafurteil zu Unrecht Eigentum Tatunbeteiligter eingezogen worden, so ist der Betroffene nicht mehr auf eine Freigabe im Wege der Gnade angewiesen, sondern er kann seine Rechte im Nachverfahren wahren (§ 439 n. F. StPO). Vgl. auch zu der Frage, inwieweit bei fehlerhaften rechtskräftigen Urteilen, deren Korrektur mit den Rechtsbehelfen des geltenden Rechts (Wiederaufnahme des Verfahrens, Verfassungsbeschwerde) nicht möglich ist, der Notbehelf der „korrigierenden" Gnade zugunsten einer justiziellen Abhilfe entbehrlich gemacht werden könnte, Einleitung S. 200 f. 4. Der Einzelgnadenerweis a) Über das Wesen des Einzelgnadenerweises besteht heute Übereinstimmung. Die mit Art. 92 GG, § 1 GVG unverträgliche Ansicht älterer Schriftsteller, die Begnadigung sei ein Akt der Rechtsprechung (vgl. dagegen L a b a n d 3 506; Gutachten des Reichsfinanzhofs Samml. 14 171) hat heute keine Anhänger mehr. Auch die Auffassung, die Einzelbegnadigung sei ein Akt der Gesetzgebung, eine lex specialis, durch die die allgemeinen Strafvorschriften für den Einzelfall außer Kraft gesetzt würden (so z. B. H e i n z e in Holtzendorffs Handbuch des Deutschen Strafrechts 2 633) wird heute nicht mehr vertreten. Denn der Gnadenakt (im engeren Sinn) läßt das rechtskräftige Urteil und die gesetzlichen Vorschriften, auf denen es beruht, unberührt und erstreckt sich nur auf die Vollziehbarkeit des Urteils. Ist die Begnadigung aber ein Akt weder der Gesetzgebung noch der Rechtsprechung, so kann sie — ebenso wie die Ablehnung eines Gnadenerweises — im Sinne der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) nur ein Akt der vollziehenden Gewalt, also nur ein Verwaltungsakt im 2617

Vor § § 1 2 bis 21 Anm. IV 4

Gerichtsverfassungsgesetz

weiteren Sinn sein. Das ist denn auch heute unstreitig (RGSt. 58 265; BVerfGE 25 352, 361, 365; NJW 1971 795; weitere Nachweise bei G r a u - S c h ä f e r , Preuß. Gnadenrecht S. 50). Mit der Frage, ob die Gnadenentschließung ein Verwaltungsakt im Sinne solcher Vorschriften (VwGO, §§ 23 ff. EG GVG usw.) ist, die die gerichtliche Nachprüfbarkeit von Verwaltungsakten regeln (s. unten 5), hat die Zuweisung des Gnadenaktes zum Bereich der vollziehenden Gewalt nichts zu tun. b) Bei der Frage nach der Reichweite der Gnade bieten sich drei Erklärungsmöglichkeiten an, die man als Befehls-, Verzichts- und Restitutionstheorie bezeichnen kann. Die Befehlstheorie kennzeichnet den Begnadigungsakt als einen Befehl der Staatsgewalt, ein „veto gegen den Lauf von Gesetz und Recht" an die zuständigen Behörden, bei der Niederschlagung eine Strafverfolgung nicht oder nicht weiter zu betreiben, bei der Begnadigung im engeren Sinn die erkannte Strafe nicht oder nur zum Teil oder in milderer Form zu vollstrecken (so z. B. RGSt. 28 419; L a b a n d 3 507; M e y e r - A n s c h ü t z , Lehrb. des Deutschen Staatsrechts (7. Aufl. 1919) 749 und die 19. Aufl. S. 1201 f. mit weiteren Nachweisen). Demgegenüber sieht die Verzichtstheorie in der Begnadigung einen Verzicht des Staates auf seinen durch die Straftat entstandenen Strafanspruch (Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsanspruch). Aus der großen Zahl gerichtlicher Entscheidungen, die mit dieser Rechtsfigur arbeiten, seien etwa RGSt. 33 211; 50 388; 52 150; 53 68; 69 124; BGHSt. 4 289; R F H 14 169= JR 1925 Nr. 115, OVG Münster NJW 1953 1240; B V e r f G E 25 352, 366 erwähnt; im Schrifttum wird sie u. a. vertreten von v. L i s z t - S c h m i d t , (26. Aufl. 1932) § 73 I; A n s c h ü t z , Komm. z. WeimVerf. (14. Aufl. 1932) Anm. 1 zu Art. 49; von M a n g o l d t , Komm. z. G G Anm. 3 zu Art. 60; weitere Nachweise, insbes. für das ältere Schrifttum in der 19. Aufl. S. 1201 u. G r a u - S c h ä f e r aaO. S. 50. aa) Befehls- und Verzichtstheorie. Solange die Begriffe „Befehl" und „Verzicht" nur verwendet werden, um zum Ausdruck zu bringen, daß bei der Begnadigung im engeren Sinn das Urteil selbst unberührt bleibt und lediglich die erkannte Strafe nicht vollzogen, der Vollstreckungsanspruch also vernichtet wird (ebenso wie bei der Niederschlagung lediglich die Strafverfolgung unterbleibt, die Tat alier nicht in der Rechtswelt als ungeschehen betrachtet wird, vielmehr alle übrigen Rechtsfolgen, z. B. Schadensersatzpflicht unberührt bleiben), wäre gegen solche Umschreibungen der Begnadigungswirkung wenig einzuwenden. Die Bedenken erheben sich erst, wenn aus den erwähnten Begriffen als solchen rechtliche Folgerungen anderer Art hergeleitet werden. So hat RGSt. 28 419 aus der (in der Folgezeit vom RG aufgegebenen) Vorstellung der Begnadigung als eines Befehls die Folgerung gezogen, daß ein am Reichsgericht anhängiges Strafverfahren vom Inhaber des Landesgnadenrechts nicht mehr niedergeschlagen werden könne, weil die Landesstaatsgewalt den Organen des Reichs nicht befehlen könne. Die Folgerung, die darauf hinauslief, auf rein konstruktivem Wege die Befugnisse des Landesgnadenrechts einzuengen, wird indessen auch von den Vertretern der Befehlstheorie überwiegend nicht mehr gezogen. In gleicher Weise stößt aber auch die Verzichtstheorie auf unüberwindliche Schwierigkeiten, wenn der Begriff Verzicht zum Ausgangspunkt genommen wird, um den Umfang des Gnadenrechts zu umgrenzen. Aus dem Begriff des Verzichts würde sich ergeben, daß ein Gnadenerweis nicht mehr möglich wäre, wenn der Strafvollstreckungsanspruch durch Erfüllung (Vollstreckung der Freiheitsstrafe, Zahlung der Geldstrafe, Übergang des Eigentums an dem eingezogenen Gegenstand auf den Staat) oder durch den Tod des Verurteilten untergegangen oder durch Eintritt der Verjährung unverfolgbar geworden ist. In solchen Fällen besteht aber, wie jahrzehntelange Erfahrungen der Praxis erwiesen haben, oft genug ein Bedürfnis, zur Rehabilitierung (wenn die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmeverfahrens nicht gegeben sind) einen Gnadenerweis aussprechen zu können. Insbesondere würde die Verzichtstheorie es ausschließen, einen kraft Gesetzes mit der Rechtskraft einer strafgerichtlichen Verurteilung oder eines auf Dienstentlassung lautenden Disziplinarurteils eingetretenen Amtsverlust im Gnadenwege zu erlassen, denn da hier der staatliche Strafanspruch durch den kraft Gesetzes mit Urteilsrechtskraft eingetretenen Vollzug erloschen ist, wäre kein Anwendungsgebiet der Gnade i. techn. Sinn gegeben und es bliebe nur die Möglichkeit einer späteren Wiederanstellung. Entsprechendes galt früher für den mit der Rechtskraft des Strafurteils (vgl. § 33 a. F. StGB) eingetretenen Verlust von Titeln, Würden (Doktortitel!) und Ehrenzeichen. Rehabilitierungs- und Resozialisierungsgründe können aber ein Bedürfnis für einen 2618

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

V o r § § 12 b i s 2 1 Anm. IV 4

Gnadenerweis i. techn. Sinn schaffen. Zu denken ist dabei auch an den Fall eines offensichtlichen rechtskräftigen Fehlurteils, zu dessen Beseitigung der Weg der Wiederaufnahme des Verfahrens — etwa weil es auf grob fehlerhafter Rechtsanwendung beruht — nicht in Betracht kommt. Die Vertreter der Verzichtstheorie haben z. T., um solchen auch von ihnen als praktisch unerwünscht bezeichneten Folgerungen zu entgehen, zu der Annahme eines Verzichts mit rückwirkender Kraft [bis Zuflucht genommen (vgl. E l s a s S. 53; D a v i d s o h n S. 51); indessen reicht auch diese Konstruktion nicht aus, den Bedürfnissen der Gnadenpraxis Rechnung zu tragen, denn auch ein Verzicht mit rückwirkender Kraft ist nur denkbar, wo überhaupt einmal die Möglichkeit eines Verzichts bestand und das ist beim Amtsverlust nicht der Fall, da er gleichzeitig mit der Rechtskraft eintritt, und so zu keiner Zeit die Möglichkeit eines Verzichts gegeben war. Der von G e r 1 a n d (Festschrift für F r a n k 2 215 ff.) unternommene Versuch, vom Standpunkt der Befehlstheorie aus die Möglichkeit eines den Amtsverlust erfassenden Gnadenerweises damit zu begründen, daß es sich bei dem Amtsverlust — ebenso wie bei der Aberkennung bestimmter Fähigkeiten — um eine der Gnade zugängliche Strafe von Dauerwirkung handele, mußte mißlingen, weil hier der grundsätzliche Unterschied übersehen wird: die Aberkennung der Fähigkeiten wird allerdings so lange vollzogen, als die Unfähigkeit dauert; beim Amtsverlust aber ist die Strafe mit dem Eintritt der Rechtskraft in vollem Umfang vollzogen. bb) Restitutionstheorie. Diese — hier nur kurz skizzierten — Bedenken gegen die Befehlsund die Verzichtstheorie haben zunächst im Schrifttum (vgl. G r a u - S c h ä f e r 55 mit eingehenden Schrifttumsnachweisen) dazu geführt, das Wesen der Gnade darin zu sehen, daß der Träger des Gnadenrechts, ohne an den Bestand des rechtskräftigen Urteils zu rühren, befugt ist, dem Verurteilten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Folgen des Strafurteils zu gewähren; nach der Restitutionstheorie kann die Gnade durch einen Gestaltungsakt, actus contrarius, alle unmittelbaren Rechtsfolgen der Verurteilung, soweit sie Strafcharakter tragen, so beseitigen, als ob sie gar nicht eingetreten seien. Dem wurde früher entgegengehalten, daß nicht einmal die unter Freispruch erfolgende Beseitigung eines Strafurteils im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens restituierende Wirkung in dem Sinne habe, daß sie den kraft Gesetzes mit der Rechtskraft des früheren Urteils eingetretenen Verlust eines Amtes (und — früher — eines Titels, einer Würde oder eines Ehrenzeichens) aufhebe. Auch könne es staatsrechtlich nicht in der Macht des Inhabers des Landesgnadenrechts liegen, etwa einen Bundesbeamten wieder in sein (inzwischen längst anderweitig besetztes) Amt einzuweisen. Inzwischen haben aber beide Argumente ihre Bedeutung dadurch verloren, daß der Gesetzgeber für die praktisch wichtigsten Fälle des durch Straf- oder Dienststrafurteil eingetretenen Verlustes einer individuellen Rechtsposition die Restitutionstheorie durchgeführt hat. Nach §§ 50, 51 BBG (i. d. F. v. 17. 7. 1971, BGBl. I 1181) gilt im Fall der erfolgreichen Wiederaufnahme des Verfahrens bei Bundesbeamten das Beamtenverhältnis als nicht unterbrochen, der Beamte hat Anspruch auf Übertragung eines gleichwertigen Amtes und erhält bis dahin die Bezüge seines bisherigen Amtes. Eine entsprechende Wirkung hat es, wenn der Bundespräsident, dem bei Bundesbeamten das Gnadenrecht hinsichtlich der beamtenrechtlichen Folgen eines Strafurteils zusteht (Art. 60 Abs. 2 GG), diese Folgen in vollem Umfang erläßt. Bei Landesbeamten ist durch § 24 Abs. 2 BRRG dem im Wiederaufnahmeverfahren ergehenden Urteil die gleiche Bedeutung beigelegt, und die Beamtengesetze der Länder sehen übereinstimmend vor, daß hinsichtlich der beamtenrechtlichen Folgen eines strafgerichtlichen Urteils dem Träger des Gnadenrechts des Landes, in dessen Dienst der Beamte stand, das Gnadenrecht zusteht, und daß der Erlaß der beamtenrechtlichen Folgen in vollem Umfang die gleiche Wirkung hat wie ein im Wiederaufnahmeverfahren ergehendes günstiges Urteil. Schließlich kann auch bei Bundesbeamten der Bundespräsident, bei Landesbeamten der Träger des Landesgnadenrechts die im Dienststrafverfahren ausgesprochene Strafe der Entfernung aus dem Dienst im Gnadenweg mit der Wirkung erlassen, daß das Beamtenverhältnis als nicht unterbrochen gilt, der Beamte Anspruch auf Übertragung eines gleichwertigen Amtes hat und ihm bis dahin die Bezüge seines bisherigen Amtes zustehen (§ 120 BDO i. d. F. v. 20. 7. 1967, BGBl. I 751 und die damit übereinstimmenden Disziplinargesetze der Länder). Parallele Vorschriften über die Wirkung des im Wiederaufnahmeverfahren ergehenden Urteils oder eines Gnadenerweises enthalten hinsichtlich des durch strafgerichtliches Urteil eingetretenen Verlustes der Soldatenrechte die §§ 5, 52 des Soldatenges, i. d. F. v. 22. 4. 1969 (BGBl. I 314) und hinsichtlich des Ver2619

V o r §§ 12 b i s 2 1 Anm. IV 5

Gerichtsverfassungsgesetz

lustes des militärischen Dienstgrads als Folge der strafgerichtlichen Verurteilung eines Wehrpflichtigen die §§ 30, 31 des Wehrpflichtges. i. d. F. v. 28. 9. 1969 (BGBl. I 1773). cc) Gnadenzuständigkeit. Die Besonderheit der vorstehend dargestellten Regelung besteht darin, daß hinsichtlich der beamtenrechtlichen Folgen einer strafgerichtlichen Verurteilung die Zuständigkeit zur Ausübung des Gnadenrechts nicht — wie sonst bei Strafurteilen (vgl. unten Anm. V, VI) — davon abhängig ist, welches Strafgericht im ersten Rechtszug erkannt hat. Vielmehr ist bei Bundesbeamten (auch wenn im 1. Rechtszug das Gericht eines Landes urteilte) stets der Bundespräsident, bei Landesbeamten (auch wenn im 1. Rechtszug das Gericht eines anderen Landes urteilte) stets der Träger des Gnadenrechts des Landes zuständig, in dessen Dienst der Verurteilte stand. Diese Regelung enthält keinen (nach dem G G unzulässigen) Eingriff des Bundesgesetzgebers in die Gnadenzuständigkeit der Länder und keinen Übergriff des Landes, in dessen Dienst der Beamte stand, in die Gnadenzuständikeit des Landes, dessen Gericht im 1. Rechtszug urteilte. Sie beruht vielmehr auf dem Gedanken, daß ein strafgerichtliches Urteil, das ausdrücklich auf Amtsunfahigkeit lautet (§ 31 Abs. 2 StGB) oder kraft Gesetzes Amtsverlust und Amtsunfahigkeit zur Folge hat (§ 31 Abs. 1, 3 StGB), ein dienststrafgerichtliches Urteil, das auf Entfernung aus dem Dienst lautet, ersetzt, und daß demgemäß das Gnadenrecht hinsichtlich dieser Folgen dem für ein entsprechendes Disziplinarurteil zuständigen Gnadenrechtsträger zusteht. Denn alle Gründe, die nach den Vorschriften des StGB zum Amtsverlust durch Strafurteil führen, bewirken kraft des § 48 BBG bei Bundesbeamten und des § 24 BRRG bei Landesbeamten den Amtsverlust auch nach Beamtenrecht. 5. Gerichtliche Nachprüfung von Gnadenentscheidungen. Umstritten ist die Frage, ob Gnadenentschließungen — praktisch handelt es sich um die ablehnende Bescheidung eines Gnadengesuchs — gerichtlich nachprüfbar sind. Die h. M. verneint dies und rechnet die Gnadenentschließungen zu den sog. justizlosen Hoheitsakten (vgl. die Nachw. aus Rechtspr. und Schrifttum in Anm. IV 3 c in der Voraufl.). Begründet wird dies etwa damit, Art. 19 Abs. 4 G G sei unanwendbar; durch die Nichtgewährung eines Gnadenerweises könne niemand „in seinen Rechten" verletzt werden, denn niemand habe ein Recht auf Gnade, da Gnade als „Akt des Wohlwollens und der Barmherzigkeit" „vor Recht" gehe. Gnade werde nicht nach Rechtsgrundsätzen gewährt. Die Gnadenablehnung könne deshalb nicht an Rechtsgrundsätzen gemessen werden; sie „stehe außerhalb des Vollzugs der Rechtsordnung". Auch beruhten Gnadenentschließungen auf z. T. irrationalen Ermessenserwägungen, die sich ihrer Natur nach der Justiziabilität entzögen. Ferner wird, soweit es sich um die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs nach der VwGO oder des Rechtswegs zum OLG nach § § 23 ff. EGGVG handelt, geltend gemacht, der Träger des Gnadenrechts treffe seine Entschließungen nicht als Verwaltungsbehörde, sondern als Verfassungsorgan; in dieser Hinsicht sei er nur politisch-parlamentarisch (dem Parlament gegenüber) und rechtlich nur gegebenenfalls dem Verfassungsgericht gegenüber verantwortlich; Art. 19 Abs. 4 G G eröffne aber keinen Rechtsweg in Angelegenheiten, deren gerichtliche Nachprüfung ausschließlich den Verfassungsgerichten vorbehalten sei (so insbes. BVerwG NJW 1962 1410). Die Gegenmeinung (vgl. auch hier die Nachweise in der Voraufl.) macht dem gegenüber geltend, die Gnade sei längst ihres „charismatischen" Charakters in der Hand eines unabhängigen Souveräns beraubt, sie sei ein rechtstechnisches Masseninstitut geworden. Über die Gnade verfügten jetzt an Recht und Gesetz gebundene Institutionen, die nicht nach Willkür, sondern nach pflichtgemäßem Ermessen handeln müßten. Auch sei durch weitgehende Delegation der Ausübung des Gnadenrechts durch den Träger des Gnadenrechts eine Vielzahl von Gnadenstellen entstanden, die ihrerseits in einem geregelten Verfahren nach generellen Weisungen handelten. Ihnen gegenüber habe angesichts der weit fortgeschrittenen „Verrechtlichung" von Gnadenentscheidungen der Rechtsunterworfene „ein Recht auf ermessensmäßigen Gnadenerweis", auf „Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes in seiner Erscheinungsform des Gebotes gleichmäßiger Ermessensausübung". Der Streit um ermessensgemäße Gnadenausübung betreffe nur das Verhältnis des Staates zum Bürger und sei ein öffentlich-rechtlicher Streit nichtverfassungsrechtlicher Art. Allerdings sei der Ermessensspielraum bei der Gnadenentscheidung besonders groß. Das schließe aber — wie überall im Rechtsstaat — ihre Nachprüfung auf Überschreitung und Mißbrauch (bei Strafurteilen im Verfahren nach § 23 EGGVG) nicht aus. Selbst wenn man annehme, daß die Gnadeninstanz

2620

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

V o r § § 12 bis 2 1 Anm. IV 5

nicht als Verwaltungsbehörde, sondern als Verfassungsorgan handele, sei ihre Entschließung nach der Richtung nachprüfbar, ob sie ein Grundrecht verletze. In den Meinungsstreit hat nunmehr das BVerfG eingegriffen. In BVerfGE 25 352 = NJW 1969 1895 = MDR 1969 990 ist ausgesprochen, daß positive Gnadenakte und ablehnende Gnadenentscheidungen einer gerichtlichen Nachprüfung nicht unterliegen; dagegen unterliegt der Widerruf eines Gnadenerweises der gerichtlichen Kontrolle gemäß Art. 19 Abs. 4 GG (BVerfGE 30 108 = NJW 1971 795). Damit ist - für die Praxis richtungweisend - die Frage der Justiziabilität von Gnadenentscheidungen zunächst geklärt. Da aber BVerfGE 25 352 (Zurückweisung einer Verfassungsbeschwerde) mit vier gegen vier divergierende Stimmen erging, geht die wissenschaftliche Diskussion mit dem Ziel einer Reform weiter (vgl. u . a . M a u r e r JZ 1969 741; T r a u t m a n n MDR 1971 173; v o n P r e u s c h e n NJW 1970 458; K n e m e y e r DÖV 1970 121; B a l t e s DVB1. 1972 562). In BVerfGE 25 352 geht die die Entscheidung tragende Auffassung in Übereinstimmung mit der h. M. dahin, Art. 19 Abs. 4 G G sei unanwendbar. Der Ausschluß der Anfechtbarkeit ergebe sich aus dem System und Gesamtgefüge des G G selbst: indem das G G das Begnadigungsrecht in dem geschichtlich überkommenen Sinn übernommen und auf ein Organ der Exekutive übertragen habe, habe es die Gewaltenteilung modifiziert und im Bereich der Einzelbegnadigung dem Träger des Gnadenrechts eine Gestaltungsmacht besonderer Art verliehen. „Das Gnadeninstitut kann daher nicht den Sicherungen, den Gewaltenverschränkungen und -balancierungen unterliegen, die gewährleisten sollen, daß Ubergriffe der Exekutive durch Anrufung der Gerichte abgewehrt werden können". Da ferner ein Recht auf einen Gnadenerweis nicht bestehe, könne ein solches Recht nicht verletzt werden, auch fehle es angesichts der denkbaren Motivationen an greifbaren Maßstäben für eine gerichtliche Nachprüfbarkeit der Ermessensentscheidung. Etwaige Mißbräuche bei der Handhabung des Gnadenrechts unterlägen der politischen Verantwortlichkeit der Verfassungsorgane. Dagegen ist nach der Auffassung der 4 dissentierenden Richter die Ausübung des Gnadenrechts ein Akt der Exekutive, gegen den Art. 19 Abs. 4 G G den Rechtsweg eröffnet. Die Gewährung oder Versagung eines Gnadenerweises sei rechtlich begrenzt. Zwar könne ein Gnadenerweis aus jedem von der Wertordnung des G G nicht mißbilligten Grunde abgelehnt werden, und eine solche Entscheidung verletze nicht Rechte des Gesuchstellers. Ein Mißbrauch des Begnadigungsrechts durch willkürliche Handhabung verletze ihn aber in seinem „durch Art. 1 und 3 G G begründeten Recht auf rechtsstaatskonforme, d. h. nichtdiskriminierende, gerechte und sachbezogene Gnadenentscheidung"; ebensowenig dürften Gnadenerweise unter Auflagen gewährt werden, die gegen Art. 1 Abs. 1 G G verstoßen oder den Wesensgehalt eines Grundrechtes antasten. Gemäß Art. 19 Abs. 4 G G müßten deshalb Gnadenentscheidungen (am sachnächsten gemäß §§23 ff. EG GVG) gerichtlich daraufhin überprüft werden, „ob sie materiell den durch das G G abgesicherten Mindestanforderungen der Gerechtigkeit entsprechen und daher rechtsstaatskonform sind". BVerfGE 30 108 = NJW 1971 795 (betr. Justiziabilität des Widerrufs einer im Wege der Gnade gewährten Strafaussetzung zur Bewährung wegen schlechter Führung) wird einleuchtend damit begründet, daß durch die Erteilung eines Gnadenerweises die Rechtsstellung des Verurteilten „umgestaltet" werde; diese könne ihm nur noch unter den im Gnadenakt selbst gesetzten Voraussetzungen genommen werden. Der vorliegende Kommentar bekennt sich, wie schon in der Vorauflage (vgl. dort Vorbem. 3 c vor § 12; auf die dortige Begründung darf Bezug genommen werden) mit der h. M. zu der Auffassung, daß — von den Fällen des Widerrufs abgesehen — die ablehnende Gnadenentscheidung grundsätzlich nicht gerichtlich nachprüfbar ist, daß die Nichtnachprüfbarkeit aber ihre Grenzen an den Grundrechten findet*). So gut eine gerichtliche Entschei*) vgl. dazu auch BGH NJW 1971 1990: Trotz Injustiziabilität der ablehnenden Gnadenentscheidung könne doch der Betroffene Schadensersatzansprüche aus §§ 839 BGB, Art. 34 G G mit der Behauptung geltend machen, die Gnadenbehörde habe ihm gegenüber Amtspflichten verletzt. Denn wenn auch kein Anspruch auf Gnade bestehe, so bestehe doch ein Anspruch auf ordnungsgemäßes Verfahren und pflichtgemäßes Verhalten der beteiligten Hoheitsträger. Doch könne die Versagung als Ermessensentscheidung allenfalls dann eine Pflichtwidrigkeit darstellen, wenn sich ihre Fehlerhaftigkeit jedem sachlichen Beobachter aufdränge; eine Versagung der Gnade könne nur dann schuldhaft pflichtwidrig sein, wenn sich die Unschuld des Gesuchstellers der Gnadenbehörde aufdrängen mußte, also Fehler deutlich erkennbar waren, die die Verurteilung als offensichtliches Fehlurteil erscheinen ließen.

2621

Vor §§ 12 bis 21 Anm. IV 6

Gerichtsverfassungsgesetz

dung, die die bedingte Entlassung (§ 26 StGB) versagt, auf Verfassungsbeschwerde der Nachprüfung des BVerfG unterliegt, ob sie nach ihrer Begründung auf einer Verletzung des Art. 4 GG beruht (vgl. BVerfG NJW 1961 211 = JZ 1961 120), muü der Gnadensuchende mit der Verfassungsbeschwerde (§ 90 BVerfGG) gegen eine Gnadenablehnung angehen können, wenn er in der ausgesprochenen Begründung oder den erkennbar der Entschließung zugrunde liegenden Erwägungen eine Grundrechtsverletzung oder einen Verstoß gegen das Willkürverbot erblickt. Dieser Gesichtspunkt könnte aber der Natur der Sache nach nicht dazu führen, von einer verfassungsgerichtlichen Nachprüfbarkeit unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) zu sprechen, wenn der Gesuchsteller geltend macht, er werde von der Gnadeninstanz schlechter als andere Verurteilte in vergleichbaren Fällen behandelt oder die Gnadenbehörde habe unberücksichtigt gelassen, daß seine Verurteilung auf einer strengen Strafzumessung des Gerichts beruhe, die sich von der milderen Strafzumessungspraxis anderer Gerichte zu seinem Nachteil ausgewirkt habe; das müßte, besonders bei hartnäckigen Gesuchstellern, zu einer Flut von Verfahren und zu einer unerträglichen Beschränkung der Gnadeninstanz in der Freiheit ihrer Entschließung führen (vgl. BayVerfGH GA 1970 184, 186). 6. Die Niederschlagung. Eine Niederschlagung im Einzelfall durch Verwaltungsakt gehört zu den Seltenheiten (vgl. unten V 1 b, VI 3); dagegen ist die Massenabolition durch Gesetz angesichts der zahlreichen Straffreiheitsgesetze der letzten Jahrzehnte zu einer häufigen Rechtserscheinung geworden. Dabei ist zu beachten, daß die Straffreiheitsgesetze, mögen sie auch in den materiellen Amnestievoraussetzungen noch so sehr voneinander abweichen, doch gewisse, bei allen Amnestien gleichmäßig auftauchende Fragen von Mal zu Mal eingehender geregelt haben und daß namentlich die Verfahrensvorschriften schrittweise so ausgebaut und verfeinert worden sind, daß zahlreiche Fragen, die die früheren Amnestien aufwarfen, von dem späteren Gesetzgeber beantwortet wurden. Das darf bei der Verwertung der älteren Amnestierechtsprechung nicht unberücksichtigt bleiben. Auf Einzelfragen ist im Rahmen dieser Darstellung nicht einzugehen; es wird auf die reiche Spezialliteratur, insbes. auf die Erläuterungsbücher zu den einzelnen Amnestiegesetzen, etwa von BuschS c h ä f e r - W i c h a r d s - D ö r f f l e r zum Straffreiheitsges. vom 20. 12. 1932, von K. S c h ä f e r zum Ges. vom 20. 4. 1938, von B r a n d s t e t t e r , K o h l h a a s und Schwarz zu den Amnestien 1949 und 1954 verwiesen. Hier ist nur das Grundsätzliche hervorzuheben: a) Die Wirkung der Niederschlagung besteht darin, daß sie ein Prozeßhindernis schafft, das in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu beachten und nach den Grundsätzen des Freibeweises zu ermitteln ist (vgl. Einl. S. 81, 115). Die Niederschlagung steht der Einleitung eines Verfahrens, der Fortsetzung eines anhängigen Verfahrens, und, wenn das Prozeßhinderriis erst in der Hauptverhandlung hervortritt, einer sachlichen Entscheidung über Schuld und Nichtschuld entgegen. Das wirkt sich dahin aus, daß anhängige, d. h. noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren stets „einzustellen" sind, und zwar vorbereitende Verfahren durch die Staatsanwaltschaft, die damit aktenmäßig verlautbart, daß das Verfahren kraft Gesetzes sein Ende gefunden habe, gerichtlich anhängige Verfahren aber stets durch gerichtliche Entscheidung, die außerhalb der Hauptverhandlung als Beschluß (§ 206 a StPO), in der Hauptverhandlung aber als Urteil (§ 260 Abs. 1 StPO) ergeht. Materiellrechtlich bedeutet die Niederschlagung einen Strafaufhebungsgrund, und zwar einen persönlichen für den durch die Straffreiheit begünstigten Täter oder Teilnehmer, so daß die Niederschlagung die Verfolgung eines anderen an der Tat beteiligten, in dessen Person die besonderen Amnestievoraussetzungen nicht vorliegen, nicht hindert (RGSt. 50 388, 395). Die Niederschlagung hat also einen Doppelcharakter (h. M.; vgl. RGSt. 69 126 mit Nachweisen; BGHSt. 3 136; 4 289): materiellrechtlich bewirkt sie den Untergang des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs (BGHZ 34 252); verfahrensrechtlich aber kommt diese materiellrechtliche Wirkung nur in der Form des Prozeßhindernisses zum Ausdruck (vgl. dazu Einl. S. 116 des vorliegenden Werkes). Bei älteren Straffreiheitsgesetzen hatte die Rechtsprechung angenommen, daß die Niederschlagung die Rechtshängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens kraft Gesetzes beende und auch die gerichtliche Einstellungsentscheidung dies lediglich deklaratorisch (aktenmäßig) ausspreche; daraus wurde die Folgerung gezogen, daß das Gericht an diese Entscheidung nicht gebunden sei, sondern dem Verfahren Fortgang geben könne, wenn es später erkenne, daß es die Nieder2622

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

V o r §§ 12 b i s 2 1 Anm. IV 6

schlagung infolge eines tatsächlichen oder rechtlichen Irrtums als eingetreten angenommen habe, während sie in Wahrheit nicht eingetreten war (so RGSt. 54 11; 67 236; 69 126). Diese Auffassung ist indessen durch die neuere Rechtsentwicklung überholt (nicht abweichend BGHSt. 16 399, 403, die zwar —in anderem Zusammenhang — unter Berufung auf die Rechtsprechung des R G der Einstellungsentscheidung nur „einen feststellenden und nicht einen rechts gestaltenden Inhalt" beimißt, zur Frage der Rechtskraftwirkung aber nicht Stellung nimmt). Die neueren Amnestiegesetze beschreiben die Amnestievoraussetzungen in der Regel so, daß ihr Vorliegen nicht ohne weiteres aus den Akten abgelesen, sondern nur auf Grund wertender Prüfung im Einzelfall festgestellt werden kann, etwa wenn sie auf die Höhe der zu erwartenden Strafe, auf Handeln aus unverschuldeter Not und ähnliche Gesichtspunkte abstellen. Gerichtliche Entscheidungen, die in dieser Weise die Amnestievoraussetzungen feststellen, sind echte richterliche Entscheidungen; sie müssen deshalb anfechtbar sein, nach formeller Rechtskraft aber im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsgewißheit in gewissem Umfang materielle Rechtskraft haben. Die neueren Amnestiegesetze lassen, um auch schon im vorbereitenden Verfahren alsbald Rechtsgewißheit zu schaffen, auf Antrag eines Beteiligten die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung zu, die mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist (§ 7 Abs. 1 Straffreiheitsges. 1970, BGBl. I 509). § 7 Abs. 2 aaO. gewährt gegen einen Beschluß, der nach Erhebung der Anklage, aber vor Eröffnung des Hauptverfahrens das Verfahren wegen Niederschlagung einstellt, der Staatsanwaltschaft in gleicher Weise das Recht der sofortigen Beschwerde, wie es ihr bei Einstellung nach Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 206 a Abs. 2 StPO zusteht. § 7 Abs. 3 aaO. spricht dann folgerichtig einem unanfechtbaren Einstellungséesc/t/«/? eine gewisse materielle Rechtskraft zu. Danach kann, wenn ein Strafverfahren durch unanfechtbaren Gerichtsbeschluß eingestellt worden ist, wegen der Tat nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel Anklage erhoben werden. Das gerichtlich anhängig gewesene Verfahren kann also nicht mehr (unter Aufhebung des Einstellungsbeschlusses) weiter betrieben werden; es bedarf vielmehr einer erneuten Anklage, die nur zulässig ist, wenn durch neue Tatsachen oder Beweismittel erkennbar wird, daß das einstellende Gericht sich in einem tatsächlichen Irrtum über das Vorliegen der Niederschlagungsvoraussetzungen befunden hat, während seine rechtlich falsche Würdigung bei gleichbleibendem Sachverhalt die Endgültigkeit der Einstellung nicht berührt. Ein Einstellungswr/e;7, das die Anwendbarkeit einer Amnestie bejaht, verbraucht in gleicher Weise den Strafanspruch wie jedes andere Urteil, das das Verfahren wegen eines endgültigen, unbehebbaren Verfahrenshindernisses einstellt (BGHSt. 10 115). b) Der vorgenannte Grundsatz, daß die Niederschlagung ein Prozeßhindernis darstellt, das der Fortsetzung des Verfahrens und dem Erlaß eines Urteils über Schuld oder Nichtschuld entgegensteht, gilt nach der neueren Rechtsentwicklung aber nur mit Einschränkungen. Sind nach durchgeführter Hauptverhandlung die Voraussetzungen eines Freispruchs erwiesen, so muß das Gericht auf Freispruch erkennen; eine Einstellung würde den Angeklagen beschweren (RGSt. 70 193; BGHSt. 13 372). Darüber hinaus ist nach den neueren Amnestiegesetzen (zuletzt § 11 Straffreiheitsges. 1970) bei gerichtlich anhängigen Verfahren der Beschuldigte befugt, trotz Vorliegens der Niederschlagungsvoraussetzungen die Fortsetzung des Verfahrens zu beantragen, um seine Unschuld darzutun; wird ein solcher Antrag gestellt, so ist das Verfahren nach den allgemeinen Vorschriften fortzusetzen und endet, wenn der Angeklagte ohne das Eingreifen der Niederschlagung freizusprechen wäre, mit Freispruch, sonst mit Einstellung des Verfahrens. Schließlich kann nach einzelnen Straffreiheitsgesetzen in den Fällen, in denen ein gerichtlich anhängiges Verfahren wegen Beleidigung, übler Nachrede oder Verleumdung außerhalb der Hauptverhandlung eingestellt worden ist oder die Einstellung in der Hauptverhandlung zu erwarten ist, der Verletzte die Weiterführung des Verfahrens beantragen, freilich nicht mit dem Ziel, die Verurteilung des Beschuldigten herbeizuführen, sondern nur mit dem Ziel der Feststellung, daß eine von dem Beschuldigten aufgestellte oder verbreitete Behauptung tatsächlicher Art unwahr oder haltlos sei (vgl. Einleitung S. 58f)c) Wegen der Bedeutung des Grundsatzes in dubio pro reo für die Feststellung der Niederschlagungsvoraussetzungen vgl. Einl. S. 87. 2623

Vor §§ 12 bis 21 Anra. IV 7; V 1

Gerichtsverfassungsgesetz

7. Keine Gnadenakte im technischen Sinn sind die Anordnungen des Generalbundesanwalts nach §§ 37, 47, 58 Abs. 3 des Bundeszentralregisterges. v. 18. 3. 1971 (BGBl. I 243) zur Milderung der Registrierung einer strafgerichtlichen Verurteilung; hier handelt es sich vielmehr um Verwaltungsakte der mit der Führung des Bundeszentralregisters und des Erziehungsregisters betreuten Stelle, die nach §§ 23 ff. EGGVG anfechtbar sind. V. Das Begnadigungsrecht des Bundes 1. Rechtsgrundlagen a) § 452 StPO bestimmt, daß das Begnadigungsrecht in Sachen, in denen im 1. Rechtszug in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes entschieden worden ist, dem Bund, sonst den Ländern zusteht. Dem Bund steht danach die Ausübung des Gnadenrechts zu, wenn in Staatsschutzstrafsachen im 1. Rechtszug das OLG entschieden hat und der Generalbundesanwalt das Amt der Staatsanwaltschaft wahrnahm (vgl. §§ 120 Abs. 6, 142a). § 452 enthält nur eine auf einen bestimmten Fall beschränkte Zuständigkeitsregel, nämlich für rechtskräftig erkannte Strafen („entschieden worden ist") und besagt im übrigen, daß, wenn sonst im ersten Rechtszug ein Landesgericht entschieden hat, die Gnadenzuständigkeit dieses Landes nicht dadurch berührt wird, daß der Bundesgerichtshof als Revisionsgericht die Revision gegen das verurteilende Erkenntnis verworfen oder selbst gemäß § 354 StPO die Strafe festgesetzt hat. Das Begnadigungsrecht bzgl. rechtskräftig erkannter Strafen setzt §452 StPO als bestehend voraus; im übrigen enthält § 452 nichts über den Inhalt dieses Gnadenrechts und läßt das Niederschlagungsrecht unerwähnt. Weiterhin bezieht sich § 452 StPO nur auf Einzelgnadenerweise; er besagt nichts über Amnestien. b) Nach Art. 60 Abs. 2 GG übt der Bundespräsident „im Einzelfalle für den Bund das Begnadigungsrecht aus" (vgl. dazu die Anordnung des Bundespräsidenten über die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes vom 5. 10. 1965 i. d. F. v. 3. 11. 1970 (BGBl. I 1573, 1513). Daraus ergibt sich, daß der Bundespräsident nicht befugt ist, eine Amnestie zu erlassen; eine Amnestie des Bundes kann vielmehr, wie dies Art. 49 WeimVerf. ausdrücklich aussprach, nur durch Gesetz ergehen. Unter dem „Begnadigungsrecht", das der Bundespräsident auszuüben befugt ist, ist, wie allgemein anerkannt (vgl. von M a n g o l d t Anm. 3 zu Art. 60 GG) nur das dem Bund zustehende Recht zum Erlaß oder zur Milderung rechtskräftig erkannter Strafen (im weitesten Sinn, also außer den Kriminalstrafen auch Ordnungs-, Disziplinar- und Ehrengerichtsstrafen und Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten), nicht das Recht der Niederschlagung zu verstehen. c) Bundesamnestien. Inwieweit der Bund angesichts der aus dem föderativen Aufbau sich ergebenden Teilung der Justizhoheit zwischen Bund und Ländern und damit der Gnadenzuständigkeit berechtigt ist, durch einfaches (nicht verfassungsänderndes) Bundesgesetz Amnestien zu erlassen, war früher — in Fortsetzung einer Kontroverse, die schon unter der WeimVerf. hervorgetreten war (vgl. G r a u - S c h ä f e r aaO. S. 64ff.) — streitig; der Zweifel ging dahin, ob der Bundesgesetzgeber in ein Amnestiegesetz (Niederschlagung und Begnadigung im engeren Sinn) Verfehlungen einbeziehen kann, hinsichtlich deren das Recht des Einzelgnadenerweises den Ländern zusteht. Bei der Schaffung des Grundgesetzes war zunächst beabsichtigt, dem Bund das Recht zuzugestehen, Bundesamnestiegesetze unter Beschränkung auf Verstöße gegen Bundesgesetze zu erlassen; Länderamnestien sollten also nur noch für Verstöße gegen Landesrecht zulässig sein (vgl. von M a n g o l d t Anm. 1 zu Art. 60 GG). Da aber schließlich auf Klarstellung der Frage im Grundgesetz verzichtet wurde, war die Verfassungsmäßigkeit des mit einfacher Mehrheit beschlossenen Straffreiheitsgesetzes vom 31. 12. 1949 (BGBl. 37) zunächst — wenigstens im Schrifttum — bestritten (vgl. die Nachweise bei B r a n d s t e t t e r , Komm. z. Straffreiheitsgesetz vom 17.7. 1954, BGBl. I, 203, Vorbem. 9 vor § 1). Durch seine mit Gesetzeskraft (vgl. § 31 Abs. 2 BVerfGG) ausgestattete Entscheidung BVerfGE 2 213 = JZ 1953 506 mit Anm. von v. d. H e y d t e = NJW 1953 777 = BGBl. 1954 I 292) hat das BVerfG die Grundgesetzmäßigkeit des Straffreiheitsges. 1949 bejaht mit der Erwägung, die Gewährung von Straffreiheit sei kein Eingriff in die Gnadenzuständigkeit der Länder, denn Straffreiheit sei von der Begnadigung wesensmäßig verschieden; im Bewußtsein des Volkes werde die Gewährung von Amnestie nicht mehr als Ausfluß einer dem Recht vorgehenden Gnade, sondern als Korrektur des

2624

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

V o r § § 12 b i s 2 1 Anm. V 2; VI 1

Rechts empfunden. In gleicher Weise hat BVerfGE 10 234, 340; NJW 1960 235 die Verfassungsmäßigkeit des Straffreiheitsges. 1954 bejaht. Ob die Begründung des BVerfG alle Bedenken (vgl. dazu Anm. V 1 c der Vorauflage) ausräumt, und ob die Befugnis des Bundesgesetzgebers zum Erlaß von Amnestiegesetzen, wie geltend gemacht wird, eine ausreichende grundgesetzliche Grundlage in Art. 74 Nr. 1 GG (konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis für das gerichtliche Verfahren — bei der Niederschlagung — und den Strafvollzug — beim Straferlaß —) in Verb, mit Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 G G findet, kann aber offen bleiben, da mit der Rechtsprechung des BVerfG ein Zustand von Verfassungswirklichkeit geschaffen ist, der weitere rechtliche Erörterungen über die bundesgesetzliche Zuständigkeit gegenstandslos macht. Im übrigen ist unbestreitbar, daß dieser Zustand dem praktischen Bedürfnis entspricht. Läge die Amnestiezuständigkeit nur bei den Ländern, so würde die gerade auf diesem Gebiet besonders dringliche Rechtseinheit schwerlich zu erzielen sein. Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen mit der Aufhebung oder Umgestaltung von Straftatbeständen eine „kleine" Amnestie bezgl. solcher rechtskräftigen Verurteilungen verbunden wird, die auf den aufgehobenen oder geänderten Straftatbeständen beruhen (vgl. dazu W u l f NJW 1969 1611). Im übrigen ist den Ländern im Rahmen ihrer Gnadenzuständigkeit das Recht zum Erlaß von Amnestiegesetzen — ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Verstöße gegen Bundesgesetze oder gegen Landesgesetze handelt — verblieben, wenn auch bei Verstößen gegen Bundesrecht ein rechtfertigender Anlaß, von diesem Recht Gebrauch zu machen, kaum in Betracht kommen dürfte. — Straffreiheitsgesetze des Bundes erstrecken sich nicht auf die von Gerichten der D D R erkannten Strafen und stehen daher, wenn sich nicht im übrigen aus dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. 5. 1953 (BGBl. I 161) ein Hindernis ergibt, einer Vollstreckung oder Zulieferung zur Vollstreckung auf Ersuchen der Behörden der DDR nicht entgegen (BVerfG NJW 1952 1129). 2. Umfang des Bundesgnadenrechts. Das Einzelgnadenrecht des Bundes ist beschränkt durch die Gnadenzuständigkeit der Länder. Das bedeutet, daß der Bund auch dann Gnadeninhaber ist, wenn es sich um eine nicht von einem Gericht oder einer Behörde des Bundes erstinstanzlich festgesetzte Strafe handelt, eine Landesgnadenzuständigkeit aber nicht gegeben ist. Demgemäß ist in der Anordnung über die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes vom 5. 10. 1965 mit Recht die Begnadigungszuständigkeit des Bundespräsidenten auch für die Fälle angenommen worden, in denen die Strafe durch nicht mehr bestehende Gerichte oder Behörden verhängt wurde. Wegen der Begnadigung von Beamten bez. der beamtenrechtlichen Folgen einer strafgerichtlichen Verurteilung vgl. oben IV 4 b, bb — Der Inhalt des Einzelgnadenrechts des Bundes ist der gleiche wie das der Länder (vgl. unten VI 4). VI. Das Begnadigungsrecht der Länder 1. Das Gnadenrecht steht diesen nach § 452 StPO in dem Umfang zu, als sie Träger der Strafgewalt sind. In Kriminalsachen ist das Begnadigungsrecht der Länder nach der geschichtlichen Entwicklung ein Ausfluß der ihnen zustehenden Justizhoheit; es ist infolgedessen ohne Bedeutung, ob der Strafanspruch aus der Verletzung eines Bundes- oder eines Landesgesetzes erwachsen ist. Dieser Grundsatz ist von jeher anerkannt worden (vgl. die Nachweise aus dem älteren straf- und staatsrechtlichen Schrifttum in Vorbem. 16 a der 20. Aufl.). Für die Wirkung der in einem Land im Rahmen seiner Gnadenzuständigkeit angeordneten Gnadenmaßnahme aber ist zu beachten, daß sie sich nicht in der Bindung der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden des eigenen Landes erschöpft. Vielmehr greift auch hier der Grundsatz durch, daß für die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit die Bundesrepublik mit ihren Ländern als einheitliches Staatsganzes zu gelten hat und sämtliche im Bundesgebiet tätigen Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden insofern als Organe ein und derselben Strafgewalt anzusehen sind (BGHSt. 3 137; vgl. oben II 1. Innerhalb der Gnadenzuständigkeit getroffene Maßnahmen eines Landes sind also für alle Gerichte und Strafverfolgungsbehörden verbindlich. Das gilt grundsätzlich auch im Verhältnis der Bundesrepublik und Westberlins zur D D R ( C r e i f e l d s , Die interzonalen Auswirkungen von Gnadenmaßnahmen GA 1953 97ff.; OLG Hamburg MDR 1955 249). Demgemäß greift eine durch ein Land verfügte Niederschlagung auch dann noch durch, wenn das Verfahren 2625

V o r § § 12 bis 2 1 Anm. VI 2 - 4

Gerichtsverfassungsgesetz

in der Revisionsinstanz beim BGH anhängig ist. Diese Auffassung wurde von Schaffung des §452 StPO bereits zur Zeit des Bestehens des Reichsgerichts vertreten (RGSt. 33 210; 50 392, im Gegensatz zu der vorher von RGSt. 28 421 vertretenen auf der „Befehlstheorie" beruhenden Auffassung, vgl. oben IV 4 b). Die in RGSt. 33 210 angegebene Begründung war allerdings unrichtig; sie war auch mit den zutreffenden Ausführungen über die staatsrechtliche Stellung des Reichsgerichts unvereinbar, die in dem Beschluß der vereinigten Zivilsenate vom 22. 5. 1901 (RGZ 48 199) und anderen Entsch. des R G (vgl. RGZ 87 117, RGSt. 50 427) enthalten waren. Die Gerichtsbarkeit, die der Bund in der Revisionsinstanz ausübt, ist ihm nicht von der Gesamtheit der Länder „delegiert", d. h. lediglich zur Ausübung übertragen worden; sie steht ihm vielmehr kraft eigenen Rechts zu. Die Niederschlagung ist vielmehr für den Bundesgerichtshof verbindlich, weil sie ein Verfahrenshindernis darstellt, das in allen Rechtszügen von Amts wegen zu beachten ist. 2. Bei Gesamtstrafen, deren Einzelstrafen von Gerichten verschiedener Länder festgesetzt sind, steht die Bewilligung eines Gnadenerweises für die Gesamtstrafe den beteiligten Ländern gemeinsam zu; entsprechendes gilt bei Gesamtstrafen, bei denen eine Einzelstrafe erstinstanzlich in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes, die anderen Einzelstrafen in Ausübung von Landesgerichtsbarkeit verhängt sind. Es geht also nicht kraft Gesetzes die Gnadenzuständigkeit auf das Land über, dessen Gericht nach § 76 StGB, §§ 460, 462 Abs. 3 StPO die Gesamtstrafe gebildet hat. Zur Vereinfachung des Gnadenverfahrens sind aber schon früher zwischen dem Reich (der Bundesrepublik) und den Ländern Vereinbarungen getroffen worden (vgl. die Vereinbarungen von 1923, RMB1. S. 1033 = PrJMBl. 737 i. d. F. von 1931, RMB1. 731 = PrJMBl. 357 und v. 8. 12. 1954; vgl. Anm. 1 zu § 452). Sie sahen eine Verpflichtung der Gnadenbehörden zu Rückfragen und gegenseitiger Abstimmung der Gnadenentschließung vor. Zur weiteren Vereinfachung des Gnadenverfahrens wurde die Vereinbarung von 1954 durch die jetzt geltende v. 27. 10. 1971 (wiedergegeben z. B. SchlHA 1972 22) ersetzt, wonach bei Gesamtstrafen, in die Einzelstrafen verschiedener Gerichtsbarkeiten einbezogen sind, das Gnadenrecht allein dem Staat zusteht, dessen Gerichtsbarkeit das Gericht bei der Entscheidung über die Gesamtstrafe ausgeübt hat (vgl. zur Entstehung der Vereinbarung DRiZ 1971 416). 3. Welche Stelle das einem Land zustehende Gnadenrecht ausübt, richtet sich nach den in den Ländern geltenden Landesverfassungen (vgl. die Zusammenstellung der einschlägigen Vorschriften bei E b S c h m i d t , Lehrkomm. I S. 90 Nr. 187). Im allgemeinen geht die Regelung dahin, daß für Einzelbegnadigungen die Landesregierung oder der Regierungschef (Ministerpräsident) mit dem Recht der Weiterübertragung (auf den Justizminister) für zuständig erklärt ist, während Landesamnestien eines Gesetzes bedürfen. Niederschlagung durch Einzelgnadenerweis ist nur zulässig, wenn die Landesverfassung ihn deutlich zuläßt; vielfach wird die Einzelniederschlagung durch Einzelgnadenerweis, nicht selten auch die durch Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. z. B. Bremen Art. 121, Nordrhein-Westfalen Art. 59, Niedersachsen Art. 27, Rheinl.-Pfalz § 1 Abs. 2 des Ges. vom 15.4. 1948 - GVB1. 246 Berlin § 3 Abs. 2 des Ges. vom 17. 9. 1949 - VOB1. 331); nach Art. 109 Abs. 3 Hess. Verf. ist die Niederschlagung im Einzelfall nur zulässig, solange das Verfahren noch nicht gerichtlich anhängig ist. 4. Über den Inhalt des Landesgnadenrechts enthalten die Landesverfassungen so wenig eine umfassende Beschreibung wie sie Art. 60 Abs. 2 G G bzgl. des dem Bund zustehenden Gnadenrechts gibt. Die in der Zeit der einheitlichen Reichsjustizverwaltung erlassene Gnadenordnung (AV des Reichsjustizministers vom 6. 2. 1935, Deutsche Justiz S. 203), die im Verwaltungsweg den Gang des Gnadenverfahrens bei kriminellen und Ordnungsstrafen und die den Justizbehörden dabei zufallende Mitwirkung regelte, umschrieb in § 3 den Inhalt des Gnadenrechts folgendermaßen: „(1) Das Gnadenrecht umfaßt die Befugnis, rechtskräftig erkannte Strafen zu erlassen, zu ermäßigen, umzuwandeln oder auszusetzen (Begnadigungsrecht) (und die Befugnis, vor rechtskräftiger Entscheidung einer Sache anzuordnen, daß von der Strafverfolgung abgesehen wird [Niederschlagungsrecht]). (2) Das Begnadigungsrecht umfaßt außer den Strafen die Nebenstrafen sowie die Nebenfolgen, die im Strafurteil ausgesprochen sind oder sich aus ihm kraft gesetzlicher Vorschrift ergeben. Es umfaßt ferner die der Staatskasse zustehenden Ansprüche auf [Zahlung von Geldbuße oder

2626

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

V o r § § 12 b i s 2 1 Anm. VI 5

auf] Erstattung von Kosten (Gebühren und Auslagen). Maßregeln der Sicherung und Besserung und andere Sicherungsmaßnahmen, auf die durch Strafurteil erkannt ist oder die sich aus ihm kraft gesetzlicher Vorschrift ergeben, sind nicht grundsätzlich dem Begnadigungsrecht entzogen. Bei diesen Maßnahmen überwiegt jedoch der Zweck, die Allgemeinheit vor Gefahren zu schützen, die Rücksicht auf die Person des Betroffenen so sehr, daß ein Anlaß zu einer Milderung des Urteilsspruchs nur in seltenen Ausnahmefallen (Fehlurteil, nachträglicher Wegfall des Sicherungsbedürfnisses) eintreten kann. Auch in solchen Fällen kommt der Weg der Gnade nur in Betracht, wenn nicht das Gesetz bereits Milderungen (z.B. durch nachträgliche Anordnungen des Vollstreckungsgerichts gemäß § § 4 2 f , 42h StGB) zuläßt." Die nach 1945 in den Ländern erlassenen Gnadenordnungen (vgl. die Zusammenstellungen in der Beck'schen Textsammlung „Strafvollstreckung, Strafregister, Gnadenwesen", 5. Aufl. 1966 und in D a l c k e - F u h r m a n n - S c h ä f e r 1782f.) enthalten wörtlich oder inhaltlich dem § 3 entsprechende Vorschriften. Auf weitere Einzelheiten ist im Rahmen dieser Darstellung nicht einzugehen. Die GnadenOen regeln auch das Verfahren. Da die Gnadenentscheidung nicht gerichtlich nachprüfbar ist (oben IV 5), kann auch die Art und Weise, wie die Gnadenbehörden ihre Meinung bilden, nicht gerichtlich nachgeprüft werden; es besteht kein Rechtsanspruch des Betroffenen auf Einblick in die Gnadenvorgänge (OLG Stuttgart JVB1. 1972 142). 5. Wirkung der Niederschlagung durch ein Land, wenn die Gerichte mehrerer Länder zur Verfolgung zuständig sind. Sind nach den §§ 7 bis 11 StPO die Gerichte mehrerer Länder zur Verfolgung der selben strafbaren Handlungen zuständig, so bestimmt sich, wenn in einem Land die Niederschlagung angeordnet wird, die Wirkung dieser Maßnahme für die Gerichte und Strafverfolgungsbehörden der anderen Länder danach, welches Gericht zuerst die Untersuchung (d. h. die Voruntersuchung oder das Hauptverfahren) eröffnet hat. Nach § 12 StPO ist dieses Gericht nunmehr ausschließlich zuständig geworden und die Justizhoheit in der Sache steht dem Land ausschließlich zu, dem dieses Gericht angehört, während (für die Dauer der Rechtshängigkeit) die Gerichte der übrigen Länder von der Ausübung der Gerichtsbarkeit ausgeschlossen sind und damit den betreffenden Ländern insoweit die Verfügung über den Strafanspruch nicht zusteht. Die Niederschlagung in einem Land ergreift also bei mehrfacher potentieller Zuständigkeit nur die Sachen, in denen die Gerichte dieses Landes zuerst die Untersuchung eröffnet haben; die dadurch bewirkte Niederschlagung ist dann aber, da für die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit die Bundesrepublik mit ihren Ländern als ein einheitliches Staatsganzes anzusehen sind, auch für die übrigen Gerichte und Strafverfolgungsbehörden des Bundesgebiets verbindlich. Im einzelnen ergibt sich daraus folgendes: a) Die Niederschlagung durch das Land A wird verfügt, bevor ein Gericht gemäß § 12 StPO ausschließlich zuständig geworden ist. In diesem Falle bindet der Befehl des Landes A, die Strafverfolgung zu unterlassen, zwar seine eignen Gerichte und Strafverfolgungsbehörden, aber nicht die Behörden des Landes B ( L a b a n d 3 517, H a t s c h e k Deutsches und preußisches Staatsrecht 2 652f.; BGH GA 1961 239). b) Die Niederschlagung durch das Land A wird verfügt, nachdem ein Gericht des Landes B gemäß § 12 StPO ausschließlich zuständig geworden ist. In diesem Falle hat sie keine rechtliche Wirkung. Die Behörden des Landes A, für die der Befehl bindend ist, sind nicht zuständig. Für die Behörden des Landes B, die zuständig sind, ist der Befehl nicht bindend (BGHSt. 3 134; L a b a n d 3 517, von L i s z t - S c h m i d t Lehrbuch 26. Aufl. § 73 IV Anm. 13, H a t s c h e k aaO.). — Die gleichen Grundsätze gelten für die Wirkung einer in der D D R erfolgten Niederschlagung, wenn ein Gericht der Bundesrepublik für eine in der D D R begangene Tat ausschließlich zuständig geworden ist (OGHSt. 2 253). c) Die Niederschlagung durch das Land A wird verfügt, nachdem ein Gericht des Landes A gemäß § 12 StPO ausschließlich zuständig geworden ist. In diesem Falle erstreckt sich die rechtliche Wirkung der Niederschlagung auch auf das Land B. Die Behörden des Landes A, für die der Befehl bindend ist, sind allein zuständig. Die Behörden des Landes B haben fortan von der zulässigerweise erfolgten Löschung des Strafanspruchs durch das Land A auszugehen (BGHSt. 3 134, L a b a n d 3 517, L ö b 45, H e i m b e r g e r 9 6 - 9 7 , H a t s c h e k aaO.; a. M. B i n d i n g Hdb. 1 869). Ist aber ein Verfahren durch ein Gericht des Landes A infolge tatsächlichen Irrtums zu Unrecht eingestellt, so ist, da mit der einstellenden Entschei2627

§12 Anm. 1 1 , 2

Gerichtsverfassungsgesetz

dung die Rechtshängigkeit bei diesem Gericht beendet ist, ein Gericht des Landes B, das mit der Sache befaßt wird (z. B. unter dem Gesichtspunkt, ob wegen der vermeintlich niedergeschlagenen Tat und anderen Straftaten, für die nur die Gerichtsbarkeit des Landes B gegeben ist, eine Gesamtstrafe zu bilden ist, zur Aburteilung in vollem Umfang zuständig (BGHSt. 3 141). d) Ist das gemeinsame Gericht mehrerer Länder zuständig, so ist die Niederschlagung nur wirksam, wenn nach den bestehenden Verträgen die Ausübung des Begnadigungsrechts dem Land zusteht, das von dem Recht Gebrauch macht (vgl. Erl. des pr. JM vom 27. 1. 1915 JMB1. 14). Besteht bei einer Mehrheit von strafbaren Handlungen, die in verschiedenen Ländern begangen worden sind, ein Zusammenhang im Sinne des § 3 StPO, so wird hierdurch das Begnadigungsrecht der einzelnen Länder nicht berührt ( E l s a ß 134, F e i s e n b e r g e r 12; a. M. H e i m b e r g e r 98, der einen Unterschied zwischen dem Land des forum delicti und anderen Ländern machen will).

§ 12 Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit wird durch Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte und durch den Bundesgerichtshof (der oberste Gerichtshof des Bundes für das Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit) ausgeübt. Entstehungsgeschichte. Das Vereinheitlichungsgesetz 1950 ersetzte die Worte „das Reichsgericht" durch „den Bundesgerichtshof . . . Gerichtsbarkeit"). Der bisherige Klammerzusatz hinter „Bundesgerichtshof' („das obere Bundesgericht...") wurde gemäß Art. 21 des Ges. z. Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes v. 19. 6. 1968 (BGBl. I 661) durch „der oberste Gerichtshof des Bundes . . . " ersetzt. I. Die ordentlichen Gerichte 1. Nach Art. 92 GG wird die rechtsprechende Gewalt — außer durch das Bundesverfassungsgericht — durch die im GG vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt. Dem nach Art. 95 GG errichteten obersten Bundesgericht für das Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist im GVG die Bezeichnung „Bundesgerichtshof' beigelegt worden. Wie in Vorbem. I vor § 12 dargelegt, bedeutet die Regelung in Art. 92, 95, 96 GG, daß auf dem Gebiet der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit (s. dazu Anm. 1 zu § 2 EGGVG und über das Verhältnis dieser Gerichtsbarkeit zu der der Sondergerichte Anm. 8 zu § 13) als Bundesgericht nur der Bundesgerichtshof errichtet werden darf, während die übrigen auf dem Gebiete der streitigen Gerichtsbarkeit tätigen Gerichte Gerichte der Länder sein müssen, die in den Bereichen, in denen früher der BGH Strafgericht 1. Instanz war, nach Maßgabe des Art. 96 Abs. 5 GG, § 120 Abs. 6 GVG im Wege der „Organleihe" Gerichtsbarkeit des Bundes ausüben. Die Bedeutung des § 12 besteht darin, daß er die auf dem Gebiet der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit zu errichtenden Gerichte der Länder festlegt, denen die Rechtsprechung in allen Sachen dieser Gerichtsbarkeit zufallt, soweit nicht für besondere Sachgebiete andere Gericht errichtet werden (Art. 101 Abs. 2 GG). Wegen des in § 12 nicht erwähnten BayObLG vgl. §§ 8, 9 EGGVG. Das Fehlen der Gerichtsbarkeit haben die Strafgerichte in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (vgl. Einleitung S. 96). 2. „Die gesetzliche Bezeichnung der Gerichte als Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte schließt es nicht aus, daß für einzelne Gerichte unbeschadet ihres Charakters als Gerichte einer dieser Ordnungen besondere Namen aufrechterhalten werden, die durch die sich daran anknüpfenden historischen Erinnerungen besondere Bedeutung haben" (Begr. 25). - Durch kgl. Erl. v. 1.9. 1879 (GS 587) wurde bestimmt, daß das Oberlandesgericht zu Berlin auch ferner den Namen „Kammergericht" zu führen hat. 2628

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 12 Anm. I 3,4; II

3. § 12 bestimmt die staatsrechtlichen Gerichtskörper, aus denen die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit berufenen Organe, insbes. die „Spruchkörper" (vgl. § 2 1 e Abs. 1) entnommen werden. — Die richterliche Gewalt wird in Strafsachen teils durch Einzelrichter (Richter beim Amtsgericht, Untersuchungsrichter, Ermittlungsrichter des BGH und des OLG, § 168 a StPO, Jugendrichter) ausgeübt, teils durch „Kollegien" (Strafgerichte), die in einer bestimmten, vom Gesetz vorgeschriebenen Zahl von Mitgliedern (vgl. § 192) zu entscheiden haben. Ein Teil dieser Strafgerichte besteht nur aus Berufsrichtern, während ein anderer Teil aus Berufsrichtern und ehrenamtlichen Richtern („Schöffen") zusammengesetzt ist. Die Strafgerichte der ersten Art werden im Gesetz „Strafsenate" genannt und durch diese Namen als Abteilungen der Gerichtskörper gekennzeichnet. Den mit Schöffen besetzten Strafgerichten legt das Gesetz teilweise besondere Bezeichnungen bei: „Schöffengerichte" („Jugendschöffengerichte") und „Schwurgerichte". Für diese Gerichte wird in der Begr. (25) bemerkt: „Neben den Amts- und Landgerichten waren die Schöffen- und Schwurgerichte nicht besonders zu nennen. Diesen Gerichten ist im Gesetz nicht die Eigenschaft selbständiger Behörden von dauerndem Bestände beigelegt. Sie werden bei den Amts- und Landgerichten gebildet und stellen eine der Formen dar, in der im Strafverfahren die Gerichtsbarkeit der Amts- und Landgerichte in die Erscheinung tritt." Zu den mit Schöffen besetzten Gerichten gehören auch die Strafkammern und Jugendkammern, soweit sie in der Hauptverhandlung tätig sind (vgl. § 76 Abs. 2 GVG, § 33 Abs. 3 JGG). 4. Die einzelnen Organe der Strafgerichtsbarkeit sind: a) die Richter beim Amtsgericht in der Eigenschaft als Einzelrichter (§ 25 GVG) und Jugendrichter (§ 39 JGG); — b) die ständigen Untersuchungsrichter der Landgerichte (§ 60) und Oberlandesgerichte (§ 116); — c) der Ermittlungsrichter des BGH und des OLG (§ 168 a StPO); — d) die mit den Amtsgerichten verbundenen, aus einem Amtsrichter und zwei Schöffen bestehenden Schöffengerichte und die aus zwei Amtsrichtern und zwei Schöffen bestehenden erweiterten Schöffengerichte (§ 29 GVG); das Jugendschöffengericht besteht aus dem Jugendrichter und zwei Jugendschöffen (§ 33 JGG); — e) die je nach der Art der auszuübenden Tätigkeit mit einem Richter und zwei Schöffen, mit drei Richtern und zwei Schöffen oder mit drei Richtern besetzten Strafkammern der Landgerichte (§ 76), einschließlich der auswärtigen, d. h. der Strafkammern, die am Sitze eines Amtsgerichts gebildet werden (§ 78); als Jugendkammer besteht die Strafkammer aus drei Richtern und zwei Jugendschöffen (§ 33 JGG); — 0 die mit den Landgerichten verbundenen, aus drei Richtern und sechs Schöffen bestehenden Schwurgerichte (§ 81); — g) die aus drei oder fünf Richtern bestehenden Strafsenate der Oberlandesgerichte (§ 122) oder (§§9, 10 EGGVG) des obersten Landesgerichts; - h) die aus drei oder fünf Richtern bestehenden Strafsenate des Bundesgerichtshofs (§ 139), der Große Senat für Strafsachen und die Vereinigten Großen Senate (§ 132). — Außerdem kommen noch in Betracht: i) die Vorsitzenden der Strafgerichte, sofern ihnen nämlich das Gesetz auch außerhalb der Gerichtssitzungen für gewisse Fälle ein selbständiges Entscheidungsrecht beilegt (vgl. z. B. StPO § 141, §§ 219 bis 221); - k) „die beauftragen Richter" (über diesen Begriff s. Tit. 13 Vorbem. 7 b). Der „ersuchte Richter" ist stets ein Amtsrichter (GVG § 157), also schon unter a inbegriffen, — 1) die Präsidenten der Gerichte (vgl. z. B. §§ 21 i Abs. 2, 77, 84, 87). II. Gliederung der Gerichte und Geschäftskreis der einzelnen Arten von Gerichten (sachliche Zuständigkeit im weiteren Sinne) In Strafsachen beruht die Gliederung der Gerichte und die Verschiedenheit ihres Geschäftskreises in sachlicher Hinsicht (sachliche Zuständigkeit im weiteren Sinne) a) auf dem Bestehen mehrerer Instanzen; b) darauf, daß das Verfahren erster Instanz in verschiedene Abschnitte (Vorverfahren, Hauptverfahren) geteilt wird; c) darauf, daß das erkennende Gericht erster Instanz für die verschiedenen Arten von Strafsachen verschieden gebildet wird, oder mit anderen Worten darauf, daß es mehrere Arten (Ordnungen) erkennender Gerichte erster Instanz gibt, unter die die Strafsachen mit Rücksicht auf die Art (Schwere) und die Bedeutung der strafbaren Handlungen verteilt sind. Das Nähere über den Geschäftskreis der einzelnen Arten von Gerichten ist jeweils an gehöriger Stelle ausgeführt; hier ist nur folgendes hervorzuheben:

2629

§ 12 Gerichtsverfassungsgesetz Anm. II 1 - 3 ; III 1. Instanzen a) Der Amtsrichter (Jugendrichter), das Schöffengericht (Jugendschöffengericht) und das Schwurgericht sind ausschließlich Gerichte ersten Rechtszuges. Die Strafkammern (Jugendkammern) der Landgerichte sind teils Gerichte des ersten Rechtszuges, teils Rechtsmittelgerichte (Berufungs- und Beschwerdegerichte). Die Strafsenate der Oberlandesgerichte sind teils Rechtsmittelgerichte (Revisions- und Beschwerdegerichte und in Bußgeldsachen Rechtsbeschwerdegerichte), teils erstinstanzliche Gerichte (§ 120, Kartellbußgeldsachen), teils erst- und letztinstanzliche Gerichte (§§ 23 ff. EGGVG). Der Bundesgerichtshof (Strafsenate) ist Rechtsmittelgericht (Revisions- und Beschwerdegericht (§ 135). Bei Vorlegung nach § 121 Abs. 2 GVG kann er die Entscheidungszuständigkeit des Oberlandesgerichts übernehmen. — b) Für die Sachen, die im ersten Rechtszug an die Amtsgerichte gelangen, bestehen in der Regel drei Instanzen, nämlich die Amtsgerichte und die Schöffengerichte als Gerichte des ersten Rechtszuges, die kleinen und die großen Strafkammern als Berufungsgerichte, die Strafsenate der Oberlandesgerichte als Revisionsgerichte; Ausnahmen von dieser Regel sind in §§ 313, 334, 335 StPO enthalten. Im Bußgeldverfahren gibt es nur 2 gerichtliche Instanzen (Amtsgericht und Oberlandesgericht als Rechtsbeschwerdegericht). Gegen die Urteile der Strafkammern und des OLG als Gerichte des ersten Rechtszuges und der Schwurgerichte ist nur die Revision an den Bundesgerichtshof (ausnahmsweise an das Oberlandesgericht) gegeben. Für das Rechtsmittel der Beschwerde gegen Beschlüsse sind Sonderbestimmungen in §§ 159, 181 GVG und in § 310 StPO vorgesehen. — c) Wegen sonstiger Aufgaben, die den Rechtsmittelgerichten in Strafsachen zustehen, s. StPO § § 4 , 12, 13, 13a, 14, 15, 19, 27, 172. Der allein entscheidende Amtsrichter und das mit Schöffen besetzte Amtsgericht sind im Sinne der die sachliche Zuständigkeit behandelnden Vorschriften verschiedene Gerichte mit verschiedener Zuständigkeit, z. B. im Sinne des § 328 Abs. 3 StPO. 2. Die verschiedenen Abschnitte des Verfahrens erster Instanz, a) Im Vorverfahren wird die Strafgerichtsbarkeit teils durch die Amtsrichter (StPO §§ 162, 165, 185), teils durch den Ermittlungsrichter (§ 168 a StPO), teils durch die Strafkammern und die Strafsenate des OLG (§ 120) bzw. des BGH (§ 135) ausgeübt. — b) Im Hauptverfahren wird die Strafgerichtsbarkeit durch die Amtsrichter, die Schöffengerichte, die Strafkammern, die Schwurgerichte und die Strafsenate der Oberlandesgerichte ausgeübt. — In schöffengerichtlichen Strafsachen werden die außerhalb der Hauptverhandlung erforderlichen Entscheidungen durch die Amtsrichter (§ 30 Abs. 2), in schwurgerichtlichen Strafsachen die außerhalb der Tagung erforderlichen durch die Strafkammer des Landgerichts (§ 82 Abs. 2, § 92 Abs. 2) erlassen. 3. Wegen der sachlichen Zuständigkeit der erkennenden Gerichte des ersten Rechtszuges s. Anm. I zu § 24 GVG. Wegen der Gültigkeit von Untersuchungshandlungen, die von einem sachlich unzuständigen Gericht vorgenommen werden, s. die Anm. zu §§ 6, 20 StPO. III. Wegen der Bestimmung der Sitze und der Bezirke der Gerichte und ihrer nachträglichen Änderung vgl. Anm. IV zu § 59. Nach § 1 Abs. 3 der VO zur einheitl. Regelung der Gerichtsverfassung vom 20.3. 1935 (RGBl. I 403) gehören Stadt- und Landgemeinden, die mit ihrem ganzen Gebiet einheitlich einem Landgericht zugeteilt sind, dem Bezirk dieses Gerichts mit ihrem jeweiligen Gebietsumfang an; Vergrößerungen des Gemeindegebiets durch Eingemeindungen bewirken also in solchen Fällen, daß die eingemeindeten Gebietsteile, wenn sie bisher einem anderen Gerichtsbezirk zugehörten, dort kraft Gesetzes ausscheiden und in den Sprengel des Amtsgerichts fallen, dem die Gemeinde mit ihrem ganzen Gebietsumfang zugeteilt ist. Die Wirkung der Aufhebung eines Gerichts (unter Zulegung seines gesamten Bezirks zu dem Bezirk eines anderen Gerichts) und der Änderung der Gerichtsbezirke auf anhängige Sachen regelt das noch geltende Ges. über die Zuständigkeit der Gerichte bei Änderungen der Gerichtseinteilung vom 6. 12. 1933 (RGBl. I 1037 = BGBl. III 300 - 4). Wegen der Bedeutung des Art. 1 § 7 dieses Gesetzes vgl. H o l c h DRiZ 1970 183.

2630

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 13 Anm. 1 , 2

§ 13 Vor die ordentlichen Gerichte gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Entstehungsgeschichte: Der Schlußteil der Vorschrift lautete früher: „ . . . oder reichsgesetzlich besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind". Durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 ist „reichsgesetzlich" durch „auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts" ersetzt worden. 1. Strafsachen. § 13 begründet die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (§ 12) für alle Strafsachen, d. h. für alle Verfahren, die die Entscheidung über die Verhängung einer Kriminalstrafe oder die Festsetzung einer im materiellen Strafrecht bei (mindestens) rechtswidriger Verwirklichung eines Straftatbestandes vorgesehenen Nebenfolge zum Gegenstand haben (vgl. Anm. 2, 3 zu § 3 EGStPO und unten Anm. 2). Von dieser grundsätzlichen- Zuständigkeit besteht eine Ausnahme nur, soweit „die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden" oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder Sondergerichte zuständig sind. Die Einschränkung ist für Strafsachen bedeutungslos, soweit es sich um Verwaltungsbehörden oder -gerichte handelt. Verwaltungsbehörden ist die Festsetzung solcher Unrechtsfolgen durch Art. 92 G G entzogen (vgl. Einleitung S. 59); zu der Frage, inwieweit die Polizeibehörden befugt sind, bei Übertretungen Verwarnungen mit Verwamungsgeld zu erteilen, die den Strafausspruch verzehren, vgl. Einleitung S. 60 f. Auch Verwaltungsgerichte sind nach ihrem durch die VwGO bestimmten gesetzlichen Zuständigkeitsbereich mit Strafsachen nicht befaßt. So entscheidet z. B. darüber, ob eine Verwaltungsbehörde die von der Staatsanwaltschaft gemäß § 161 StPO verlangte Auskunft zu erteilen hat, nicht das Verwaltungs-, sondern auf dem Weg über § 162 StPO das Strafgericht (BVerwG N J W 1959 1456; L G Bonn JZ 1966 33). 2. Nichtkrimineller Ungehorsam. Der Begriff „Strafsachen" in § 13 umfaßt nicht den nichtkriminellen Ungehorsam, d. h. Gesetzesverstöße, die anders als mit krimineller Strafe (§ 1 StGB) geahndet werden (vgl. die Anm. zu § 3 EGStPO), z. B. mit Disziplinar- und sog. Ordnungsstrafen, erst recht nicht als „Strafe" bezeichnete Maßnahmen, die nicht zur Sühne des Ungehorsams, sondern zur Erzwingung rechtlich gebotener Handlungen oder Unterlassungen angewendet werden, unbeschadet des Art. 104 Abs. 2 G G , wenn solche Erzwingungsmaßnahmen in Freiheitsentziehung (Erzwingungs-, Beugehaft) bestehen (vgl. V G H Stuttgart D Ö V 1954 313 betr. die nach Art. 2 des Württ. PolStrafVfgGes. zulässige Geldoder Haftstrafe). Es verstieß daher nicht gegen Vorschriften des Reichsrechts (und ist an sich auch heute noch zulässig), wenn § 33 des preuß. PolVerwGes. vom 1.6. 1931 (GS 77) die Nichtbefolgung von Polizeiverordnungen, die früher kriminelle Übertretungsstrafe nach sich zog, mit Zwangsgeld (im Nichtbeitreibungsfall mit Zwangshaft) bedrohte, das von den Polizeibehörden festzusetzen war, wobei die Rechtskontrolle den Verwaltungsgerichten zufiel. Für die Gültigkeit des § 33 ist es ohne Bedeutung, ob das Zwangsgeld ein reines Beugemittel zur Erzwingung künftigen Gehorsams gegen die PolVO darstellt (so der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, R G Z 137 Anh. 47) oder eine polizeiliche (nichtkriminelle) Strafe, die zwar in erster Linie vorbeugend wirken, aber zugleich auch den in der Vergangenheit liegenden Ungehorsam ahnden soll (so PreußOVG 99 90; 103 155, 240, RVerwBl. 1938 583; RVerwG D R 1943 1613; O V G Berlin N J W 1953 199; a. M. K G RuPrVerwBl. 1932 355; JFGErg. 12 286, das in dem Zwangsgeld eine unzulässige verschleierte Kriminalstrafe sah). Das OWiG sieht zur Ahndung der (nichtkriminellen) Ordnungswidrigkeiten die durch die Verwaltungsbehörden im Bußgeldverfahren festzusetzende Geldbuße vor (vgl. Einleitung S. 31 ff). Damit fehlt es an einer inneren Rechtfertigung für Maßnahmen wie das Zwangsgeld des § 33 PrPVG. Die neuen Polizeigesetze der Länder haben demgemäß das Zwangsgeld als Reaktion auf die Zuwiderhandlung gegen PolizeiVOen. beseitigt und bedrohen solche Verstöße mit Geldbuße nach dem OWiG. 2631

§ 13

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 3 3. Sondergerichte. Lit.: K u f u ß , Wesen, Begriff und Erscheinungsformen der Sondergerichtsbarkeit, Diss. Münster 1956; B e t t e r m a n n in „Die Grundrechte" III 2, 572. a) Der Begriff des besonderen Gerichts ist im G V G nicht näher bestimmt: das Gesetz begnügt sich damit, in § 14 die zugelassenen Sondergerichte aufzuzählen. Eine Begriffsbestimmung enthält dagegen Art. 101 Abs. 2 G G , der die Errichtung von „Gerichten für besondere Sachgebiete" nur durch Gesetz zuläßt (zum Umfang dieses Gesetzesvorbehalts vgl. BVerfGE 18 257; 22 42, 47; 26 186, 192). Besondere Gerichte - die wohl zu unterscheiden sind von den durch Art. 101 Abs. 1 G G , § 16 G V G verbotenen Ausnahmegerichten — sind danach Gerichte, die im voraus für einen bestimmten Kreis von Personen oder Streitgegenständen oder für bestimmte Orte oder Zeiten an die Stelle der sonst zuständigen Gerichte treten (von M a n g o l d t Anm. 4 zu Art. 101 G G ; E b S c h m i d t 10); es sind „die mit Ausübung ordentlicher streitiger Gerichtsbarkeit befaßten Behörden, die weder zu den in § 12 bezeichneten Gerichten noch zu den in § 13 genannten Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten eines Bundesstaats gehören" (RGZ 75 429; 76 178; 103 103). Abweichend davon versteht B e t t e r m a n n 573f. den Begriff der „besonderen Sachgebiete" (Art. 101 Abs. 2 G G ) dahin, daß Sondergerichte nur im Hinblick auf den besonderen Streitgegenstand, nicht auch für bestimmte Personengruppen, gebildet werden könnten. Wäre das richtig, dann wäre Art. 96 Abs. 2 G G , der die Errichtung von Wehrstrafgerichten „für die Streitkräfte" zuläßt (und zwar auch insoweit, als es sich um die nach allgemeinem Strafrecht strafbaren Handlungen von Soldaten der Bundeswehr handelt), nicht nur eine Erweiterung des Art. 95 G G (Erweiterung des Kreises der als Bundesg&nchtt errichtbaren Gerichte, s. u.), sondern auch eine Ausnahme von dem Grundsatz des Art. 101 Abs. 2 GG. Indessen läßt sich eine solche Beschränkung des Begriffs des Sachgebietes weder aus dem Wortsinn noch aus anderen Erwägungen zwingend herleiten. Dagegen ist mit R i n c k N J W 1964 1649, 1653 trotz abstrakter und genereller Bestimmung des Zuständigkeitsbereichs des Sondergerichts ein verbotenes Ausnahmegericht als vorliegend anzusehen, wenn die Herausnahme aus dem Bereich der allgemeinen Gerichtsbarkeit willkürlich ist, indem sie gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 G G ) verstößt, weil irgendwelche sachlichen Gründe für eine Differenzierung nicht bestehen. b) Abweichungen in der Besetzung oder im Verfahren machen ein ordentliches Gericht nicht zum Sondergericht. Die ordentlichen Gerichte werden also nicht schon dadurch Sondergerichte, daß bei bestimmten Strafsachen die Spruchkörper anders als nach den allgemeinen Vorschriften zusammengesetzt sind (so die Jugendgerichte in der Besetzung mit Jugendschöffen, s. unten 4) oder daß für ihre örtliche oder sachliche Zuständigkeit besondere Vorschriften gelten (so in Staatsschutzstrafsachen nach §§ 74 a, 120) oder daß sie von den allgemeinen Vorschriften abweichende materiell- und verfahrensrechtliche Vorschriften anzuwenden haben (so die Amtsgerichte als „Forstrügegerichte"; B G H N J W 1953 393), oder daß es keinen Rechtsmittelzug gibt. Dieser Grundsatz ist auch außerhalb des Strafrechts anerkannt (vgl. wegen des Landwirtschafts-, des Notar- und des Anwaltssachensenats beim B G H B G H Z 34 385 N J W 1961 1211; wegen der Baulandkammern und -Senate O L G München N J W 1964 1283). c) Errichtung von Sondergerichten. Das nach Art. 101 Abs. 2 G G zur Errichtung eines besonderen Gerichts erforderliche Gesetz kann, wie § 13 G V G für das Gebiet der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit klarstellt, ein Bundesgesetz sein, das selbst die Bestellung ausspricht, oder ein Landesgesetz, wenn Bundesrecht es zuläßt, d. h. das Land zur Bestellung ermächtigt. Im Begriff der besonderen Gerichte liegt, daß ihre Zuständigkeit nicht soweit ausgedehnt werden darf, daß damit die allgemeine Zuständigkeit der an sich berufenen Gerichte zerstört würde (von M a n g o l d t aaO.). Die als Bundesgerichte errichtbaren Gerichte sind in Art. 95 und 96 G G abschließend aufgezählt, und zwar die besonderen Gerichte in Art. 96 G G (BVerGE 26 186, 191); andere besondere Gerichte können also nach Art. 92 G G nur als Landesgerichte errichtet werden. Gerichte der Länder i. S. des Art. 92 G G sind auch die Gemeindegerichte nach § 14 Nr. 2 G V G (BVerfG N J W 1960 187). Zur bundesgesetzlichen Bestellung genügt, daß ein Bundesgesetz (im formellen Sinn) die Grundlage des besonderen Gerichts bildet; das schließt nicht aus, daß Einzelheiten, deren Regelung durch Gesetz nicht möglich ist, durch ergänzende Verordnungen geregelt werden (vgl. BGHSt. 2632

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 13 Anm. 4, 5

5 239). — Wegen der früher für Strafsachen reichsgesetzlich bestellten oder zugelassenen, heute nicht mehr bestehenden Sondergerichte vgl. Anm. 6 a der 20. Aufl. Z. Zt. sind als besondere Gerichte für Strafsachen nur die in § 14 Nr. 1 bezeichneten Gerichte zu nennen. d) Rechtslage, wenn Landesrecht von der Befugnis zur Errichtung von Sondergerichten keinen Gebrauch macht. Soweit die Landesgesetzgebung von der Befugnis zur Aufrechterhaltung oder Einsetzung von Sondergerichten keinen Gebrauch macht, gehören die Sachen nach der allgemeinen Regel vor die ordentlichen Gerichte, ohne daß es einer besonderen landesgesetzlichen Bestimmung hierüber bedarf (Begr. 26). Daraus ergibt sich, daß die Fassung des § 13 insofern ungenau ist, als nicht schon die Zulassung, sondern erst das Bestehen der Sondergerichte die Einschränkung des Geschäftskreises der ordentlichen Gerichte herbeiführt. Es müßte richtig heißen: „oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen und landesgesetzlich bestellt sind". — Vgl. EG GVG § 2 Anm. 1 b, § 3 Anm. 2. 4. Die Jugendgerichte sind (vgl. oben 3 b) keine Sondergerichte, sondern lediglich Abteilungen des Amts- oder Landgerichts. Das war schon für das JGG 1923 durchaus herrschende Meinung (vgl. insbes. RG JW 1933 42) und ist für das JGG 1953 durch dessen § 33 Abs. 2: „Jugendgerichte sind der Amtsrichter als Jugendrichter, das Schöffengericht (Jugendschöffengericht) und die Strafkammer (Jugendkammer)" klargestellt. Jedoch nahm die Rechtsprechung zunächst an, daß die Jugendgerichte trotz ihrer Eigenschaft als allgemeine ordentliche Gerichte eine gewisse Sonderstellung einnehmen (vgl. BGHSt. 7 26: „Gerichte besonderer Art innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit"), die darin zum Ausdruck komme, daß der Aburteilung einer zur Zuständigkeit der Jugendgerichte gehörenden Sache durch das Erwachsenengericht ein Prozeßhindernis (Mangel einer Verfahrensvoraussetzung) entgegenstehe (vgl. Einleitung S. 129). Diese Auffassung führte zu Umständlichkeiten, die durch das öffentliche Interesse und die Rücksicht auf die Belange der Beteiligten nicht geboten sind. BGHSt. 18 79 (Gr. StrafSen.) = NJW 1963 60 hat sie daher aufgegeben und sieht eine von Amts wegen zu berücksichtigende sachliche Unzuständigkeit nur als gegeben an, wenn das (Jugend- oder Erwachsenen-)Gericht die eigene Strafgewalt überschreitet und in den Strafbann eines Gerichts höherer Ordnung eingreift, während im übrigen das versehentliche Eindringen des Erwachsenengerichts in den Geschäftsbereich des Jugendgerichts gleichen Ranges (z. B. statt des Jugendrichters entscheidet der Amtsrichter, statt der Jugendkammer die Strafkammer) und umgekehrt sich nur als Übergriff in den Geschäftsbereich einer anderen Gerichtsabteilung gleichen Ranges darstellt und vom Revisionsgericht nur auf Rüge (§ 338 Nr. 4 StPO) zu prüfen ist (vgl. dazu BGH bei H e r l a n GA 1971 33). Daraus folgt, daß das angegangene Erwachsenengericht, wenn sich herausstellt, daß die Sache vor das Jugendgericht gehört, sie an das gleichrangige Jugendgericht des gleichen Gerichtsbezirks abgeben kann (BGHSt. 19 173 = NJW 1963 500). 5. Das Bundesverfassungsgericht ist in den Fällen des Art. 61 GG (Anklage gegen den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes) und des Art. 98 GG (Richteranklage wegen Verstoßes gegen die Grundsätze des Grundgesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung eines Landes) kein Sondergericht in Strafsachen, da es sich hier nicht um Strafrechts-, sondern um Verfassungsrechtspflege handelt (vgl. dazu S c h u l t z MDR 1972 112). Die im Falle eines Schuldigspruchs zulässigen Maßnahmen (Amtsverlust des Bundespräsidenten, Versetzung des Richters in ein anderes Amt oder in den Ruhestand oder Entlassung) bedeuten nicht die Verhängung einer Strafe in Anwendung eines bestimmten Strafgesetzes, sondern eine den Disziplinarmaßnahmen ähnliche amts- oder beamtenrechtliche Maßnahme, die, wenn eine strafbare Handlung i. S. des § 1 StGB vorliegt, beim Bundespräsidenten die Verfolgung der Tat vor den ordentlichen Strafgerichten unberührt läßt und bei den Richtern (vgl. dazu § 58 Abs. 2 BVerfGG) von dem Ergebnis des vorangegangenen gerichtlichen Verfahrens unabhängig ist (von M a n g o l d t Anm. 2 zu Art. 61, Anm. 4 zu Art. 101; B a u r , Justizaufsicht 41; a. M. von W e b e r JZ 1953 293). Aus denselben Gründen sind auch die Staatsgerichtshöfe der Länder, die über die Ministeranklagen und (so Niedersachsen) Anklagen gegen Abgeordnete wegen gewinnsüchtigen Mißbrauchs der Abgeordnetenstellung zu befinden haben, keine Sonderstrafgerichte. Die gleiche Auffassung wurde auch früher für den Staatsgerichtshof 2633

§ 13

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 6—8 des Deutschen Reiches (Art. 108 WeimVerf., Ges. vom 9. 7. 1921 RGBl. 905; vgl. RGBl. 1921 1535) in den Fällen des Art. 59 WeimVerf: und für die damaligen Staatsgerichtshöfe der deutschen Länder vertreten (vgl. die Ausführungen in Anm. 12 der 19. Aufl. und die Äußerungen der Abg. Spahn, Sinzheimer, von Delbrück zu Art. 79 des Entwurfs in der Sitzung des Verfassungsausschusses der Nationalversammlung vom 6. 6. 1919 S. 19). 6. Die Zulassung der Sondergerichte erstreckt sich gleichmäßig auf alle Instanzen; die Landesgesetzgebung darf mithin in den betroffenen Sachen auch die Rechtsmittelgerichte nach ihrem Ermessen einrichten (vgl. EGGVG § 3 Abs. 2). 7. Bestellung ordentlicher Gerichte zu Sondergerichten. Auf Grund des § 4 EGGVG ist es nicht nur statthaft, ein Sondergericht mit Richtern, die zugleich Mitglieder eines ordentlichen Gerichts sind, zu besetzen, sondern auch ein bestimmtes ordentliches Gericht oder einen Spruchkörper eines solchen Gerichts oder mehrere solche Gerichte zugleich als Sondergerichte für gewisse Rechtssachen zu bestellen (s. aber oben Anm. 3 b). 8. Verhältnis der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu der Sondergerichtsbarkeit, d. h. zu der Gerichtsbarkeit der bundes- und landesgesetzlich bestellten Sondergerichte: a) Das Fehlen ihrer Gerichtsbarkeit haben die Gerichte in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (vgl. Anm. I 1 zu § 12). Bei der Prüfung der Frage, ob das ordentliche Gericht oder ein Sondergericht zuständig ist, ist das Gericht — wie bei allen Prozeßvoraussetzungen (vgl. Einl. S. 81)— an die für die Beweisaufnahme zur Schuld- und StrafTrage bestehenden Verfahrensvorschriften nicht gebunden. Anträge, die lediglich zur Vorbereitung der von Amts wegen zu treffenden Entscheidung gestellt werden, sind Anregungen, die keiner Bescheidung durch besonderen Beschluß bedürfen. Auch wenn die Unzuständigkeit der ordentlichen Gerichte ausdrücklich geltend gemacht und Verweisung an ein Sondergericht beantragt ist, braucht die Bejahung der Zuständigkeit nicht in der Form eines Beschlusses verkündet und, falls den Vorschriften des § 326 (258) StPO bereits genügt war, den Prozeßbeteiligten nicht nochmals Gehör gegeben zu werden; der Ausspruch der Zuständigkeit liegt in der Verkündung des zur Sache ergehenden Urteils (RGSt. 59 36; E b S c h m i d t 12; vgl. RGSt. 51 71, 55 231). b) Jede der beiden Gerichtsbarkeiten ist grundsätzlich ausschließlich. Es ist deshalb nicht statthaft, zusammenhängende Strafsachen, von denen die eine zur Zuständigkeit eines ordentlichen Gerichts, die andere zu der eines Sondergerichts gehört, verbunden (vgl. §§ 2, 4 StPO) vor eines dieser Gerichte zu bringen (RGSt. 39 132, 59 38; E b S c h m i d t 13). Treffen bei derselben Handlung mehrere Strafgesetze zusammen, deren Aburteilung teils zur Zuständikeit der ordentlichen Gerichte, teils zur Zuständigkeit eines Sondergerichts gehört, so darf jedes Gericht, soweit nichts anderes bestimmt ist, nur über den rechtlichen Gesichtspunkt entscheiden, für den es zuständig ist (RGSt. 33 405, 49 274, 56 166, RMilG 17 279). — Ebensowenig wird ein Gericht, bei dem irrigerweise eine seiner Gerichtsbarkeit nicht unterliegende Strafsache anhängig gemacht worden ist, dadurch zuständig, daß sich der Beschuldigte stillschweigend oder ausdrücklich der Entscheidung dieses Gerichts unterwirft; vielmehr muß das Gericht von Amts wegen seine Unzuständigkeit aussprechen, sobald sie zu Tage tritt. Jedoch kann der Mangel der Gerichtsbarkeit des ordentlichen Gerichts dadurch geheilt werden, daß die Anklagebehörde des Sondergerichts, sofern sie zu einer solchen Verfügung befugt ist, die Sache zur Behandlung im ordentlichen Verfahren abgibt (RGSt. 72 379). c) Der Fall eines zwischen einem ordentlichen Gericht und einem Sondergericht bestehenden Streites über die Zuständigkeit ist im Gesetz nicht vorgesehen. Besteht für die beiden streitenden Gerichte ein gemeinsames oberes Gericht (etwa der BGH; vgl. Anm. 5 zu § 3 EGGVG), so wird dieses den Streit zu entscheiden haben. Beim Mangel eines gemeinsamen oberen Gerichts aber fehlt es an einem Mittel zur Beseitigung des Streites; insbesondere kann dieser dann nicht durch den Bundesgerichtshof entschieden werden, da dessen Entscheidungen nur für die ihm untergeordneten Gerichte maßgebend sind. Es würde daher zur Beseitigung des Streites äußerstenfalls eines Aktes der Gesetzgebung bedürfen.

2634

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 13 Anm. 9 § 14 Anm. 1

d) Überschreitungen der Zuständigkeit, gleichviel ob das ordentliche Gericht in die Zuständigkeit des Sondergerichts eingreift oder umgekehrt, berühren den Bestand des rechtskräftig gewordenen Urteils nicht; das zuerst rechtskräftig gewordene Urteil steht also einer erneuten Aburteilung vor den anderen Gerichten unter dem gleichen Gesichtspunkt entgegen. § 17 EGMStGO 1898, der dies für das Verhältnis der Militär- zur Zivilgerichtsbarkeit ausdrücklich aussprach, stellte einen Grundsatz von allgemeiner Bedeutung auf. 9. Wegen der Anwendbarkeit der StPO auf das Verfahren der Sondergerichte s. § 3 Abs. 2 EGStPO.

§ 14 Als besondere Gerichte werden zugelassen: 1. Gerichte der Schiffahrt für die in den Staatsverträgen bezeichneten Angelegenheiten; 2. Gemeindegerichte für die Verhandlung und Entscheidung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, deren Streitwert dreihundert Deutsche Mark nicht übersteigt. Gegen die Entscheidung der Gemeindegerichte muß innerhalb einer gesetzlich zu bestimmenden Frist sowohl dem Kläger wie dem Beklagten die Berufung auf den ordentlichen Rechtsweg zustehen. Der Gerichtsbarkeit des Gemeindegerichts dürfen als Kläger oder Beklagte nur Personen unterworfen werden, die in der Gemeinde den Wohnsitz, eine Niederlassung oder im Sinne der §§ 16, 20 der Zivilprozeßordnung den Aufenthalt haben. Entstehungsgeschichte: Entw. § 3. Spätere Änderungen erfolgten durch Ges. vom 11. 3. 1921 Art. I Nr. 1 (RGBl. 229). Ges. vom 8. 7. 1922 Art. Nr. 1 (RGBl. I 569): Ges. vom 1. 3. 1923 Art. I Nr. 1 (RGBl. I 207). VO vom 23. 7. 1923 (RGBl. I 742). VO vom 15.9. 1923 (RGBl. I 884). VO vom 13. 12. 1923 (RGBl. I 1186). Bek. vom 22.3. 1924 (RGBl. I 300). Arbeitsgerichtsgesetz vom 23. 12. 1926 (RGBl. I 507) § 110 (Aufh. der früheren Nr. 4). Durch VO vom 1. 12. 1930 (RGBl. I 517, 604) 9. Teil § 1 wurde die Wertgrenze der früheren Nr. 3 (jetzt Nr. 2) von 60 auf 100 RM erhöht. Die jetzige Fassung beruht auf dem Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950; sie beseitigte die frühere Nr. 2 betr. Landwirtschaftsgerichte, weil derartige besondere Gerichte innerhalb der Justiz nirgends mehr bestanden, und faßte die nunmehrigen Nr. 1 u. 2 neu. Das Ges. v. 27. 11. 1964 (BGBl. I 933) erhöhte die Wertgrenze in Nr. 2 von 100 auf 300 DM. Wegen der Nr. 1 vgl. Anm. 1. 1. Rheinschiffahrts- und Moselschiffahrtsgerichte. Nr. 1 lautete in der auf Art. 2 des Ges. vom 14. 12. 1923 (RGBl. II 485) beruhenden Fassung: „Rhein- und Elbschiffahrtsgerichte für die in Staatsverträgen bezeichneten Angelegenheiten der Schiffahrt auf dem Rhein und auf der Elbe." Der Reichsgesetzgeber ermächtigte („werden zugelassen") hier die Länder zur Errichtung von Sondergerichten. Die Rheinschiffahrtsgerichte beruhten auf der revidierten (Mannheimer) Rheinschiffahrtsakte v. 17. 10. 1886, Art. 3 2 - 4 0 (PrGS 1869, 814) nebst Abänderungen vom 4. 6. 1898 (PrGS 1900, 9) u. 14. 12. 1922 (RGBl. I 1925, 147), ferner auf Art. 3 5 4 - 3 6 8 des Versailler Vertrags vom 28. 6. 1919 (RGBl. 1237) u. Ges. über die Rheinschiffahrtsgerichte vom 5. 9. 1935 (RGBl. I 1142). Die Elbschiffahrtsgerichte beruhten zuletzt auf der neuen Elbschiffahrtsakte vom 22. 2. 1922; vgl. Ges. vom 22. 3. 1923 (RGBl. II 183) u. Zusatzabkommen Ges. vom 14. 12. 1923 (RGBl. II 1923, 485; 1924, 37). Durch das Binnenschiffahrtsges. vom 30. 1. 1937 (RGBl. I 97) mit DVO vom 30. 1. 1937 (RGBl. I 101) wurden diese besonderen Gerichte aufgehoben (vgl. dazu die Note über die deutschen Wasserstraßen vom 14. 11. 1936, RGBl. II 361). Nach 1945 ordneten die Besatzungsmächte die Wiederherstellung der Rheinschiffahrtsgerichte in der Form an, in der sie vor der vorerwähnten Note vom 14. 11. 1936 bestanden hatten (Nachweise in Anm. 1 der 20. Aufl.). Durch Ges. über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen vom 27.9.1952 (BGBl. I 641) —mit Änderungen durch Ges. vom 27. 11. 1964 (BGBl. I 933) und 6. 7. 1966 (BGBl. II 560) - wurde die Tätigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte neu geordnet; die geltende Fassung der Art. 32—40 der Mannheimer Akte von 1868 wurde bekanntgemacht in BGBl. 1952 I 645. Damit verlor die Nr. 1 des § 14 GVG für die Rheinschiffahrtsgerichte erneut ihre Bedeutung, denn sie sind (falls man sie überhaupt als Sondergerichte ansehen könnte, vgl. Anm. 2) bundesgesetzlich bestellt, nicht mehr nur „zugelassen" i. S. des § 13. In der Vereinbarung zwischen der BRD, Frankreich 2635

§ 14

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 2 und Luxemburg über die SchifTbarmachung der Mosel vom 27. 10. 1956 (BGBl. II 1838) wurde nach dem Vorbild der Rheinschiffahrtsakte die Errichtung von Moselschiffahrtsgerichten vereinbart. Die Errichtung erfolgte durch Änderung und Ergänzung des Ges. vom 27. 9. 1952 mit Ges. vom 14. 5. 1965 (BGBl. I 389); das Ges. vom 27. 9. 1952 erhielt die Bezeichnung „Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen". Die Rheinschiffahrtsakte 1868 wurde nach Änderungen durch Übereinkommen v. 20. 11. 1963 (Zustimmungsgesetz vom 6. 7. 1966, BGBl. II 560) unter dem 11. 3. 1969 (BGBl. II 597) in der jetzt geltenden Fassung bekannt gemacht. Die allgemeinen Vorschriften des Binnenschiffahrtsverfahrensges. gelten nur, soweit sich für Rheinschiffahrtssachen aus der Rheinschiffahrtsakte und den §§ 15 bis 18 BinnenschiffahrtsverfGes. (§ 14 aaO. i. d. F. des Ges. vom 6. 7. 1966, BGBl. II 560) und für Moselschiffahrtssachen aus der Moselschiffahrtskonvention 1956 und den §§ 18b bis e BinnenschiffahrtsverfGes. (§ 18 aaO.) nichts anderes ergibt. Auch die Moselschiffahrtsgerichte sind, sollten sie Sondergerichte sein, i. S. des § 14 Nr. 1 GVG nicht „zugelassen", sondern bundesgesetzlich bestellt. Die für die übrigen Binnenschiffahrtssachen zuständigen Gerichte (Amtsgericht als Gericht 1. Instanz, Oberlandesgericht als Berufungs- und Beschwerdegericht), die bei der Verhandlung und Entscheidung die Bezeichnung „Schiffahrtsgericht" und „Schiffahrtsobergericht" führen (§§ 5, 11), sind keine Sondergerichte, sondern Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit; die verfahrensrechtlichen Besonderheiten machen diese Gerichte, die lediglich Abteilungen des Amts- oder Oberlandesgerichts sind, nicht zu Sondergerichten (vgl. Anm. 3 b zu § 13). Zu ihrer Zuständigkeit gehören Strafsachen wegen Zuwiderhandlungen gegen ström- und schiffahrtspolizeiliche Vorschriften, die auf oder an Binnengewässern begangen sind. Die Bezirke der Binnen- und Rheinschiffahrtsgerichte sind durch Vereinbarung der beteiligten deutschen Länder geregelt (abgedr. z. B. Hess. GVB1. 1954, 97); s. ferner Abkommen zwischen Nordr.-W., Rheinl.-Pf. und Saarland von 1. 2., 25. 2. und 9. 3. 1966 über die Errichtung von Moselschiffahrtsgerichten (GVB1. Rheinl.-Pf. 115). Ist Täter ein Jugendlicher oder Heranwachsender, so verbleibt es zwar bei der ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit des Gerichts des Tatorts (§ 3 Abs. 3 BinnenschiffahrtsverfGes.), das Verfahren und der Rechtsmittelzug richten sich aber nach dem J G G (BGHSt. 11 116). 2. Zuständigkeit und Rechtscharakter der Rheinschiffahrts gerichte

und Moselschiffahrts-

a) Die Rheinschiffahrtsgerichte sind in Strafsachen nach Art. 34 der rev. Rheinschifffahrtsakte sachlich zuständig zur Untersuchung und Bestrafung aller Zuwiderhandlungen gegen die schiffahrts- und strompolizeilichen Vorschriften. Rheinschiffahrtsgericht 1. Instanz ist das Amtsgericht (Einzelrichter), Berufungsgericht (keine Revision) das Oberlandesgericht als „Rheinschiffahrtsobergericht" (§ 15). Als Strafen bei Zuwiderhandlungen gegen die von den Rheinuferstaaten gemeinsam erlassenen schiffahrtspolizeilichen Vorschriften sind „Geldbußen" von 10 bis 600 „Goldfranken" (mit einem bestimmten Gewicht und Feingehalt) vorgesehen; das deutsche Gericht spricht die Strafe entsprechend dem Wertverhältnis in DM aus (vgl. dazu OLG Karlsruhe „Die Justiz" 1972 40, 41). Berufung ist auch in den Fällen des § 313 StPO zulässig (§ 10). Statt der Berufung an das Rheinschiffahrtsobergericht ist auch die Anrufung der Zentralkommission in Straßburg gegeben (§ 18 in Verb, mit Art. 37 der Rheinschiffahrtsakte), aber nur, wenn „der Gegenstand der an das Gericht gestellten Anträge mehr als 50 Goldfranken beträgt" (s. dazu Beschl. der Zentralkommission vom 15. 10. 1964, VersR 1965 335). Für die Berufung an das Rheinschiffahrtsobergericht gilt diese Beschränkung nicht (§ 17) — Die Rheinschiffahrtsgerichte sind, wie die Binnenschiffahrtsgerichte, Spruchkörper des Amts- oder Oberlandesgerichts; man kann daher bei ihnen nicht von Sondergerichten sprechen, da es an der für diesen Begriff erforderlichen Ausgliederung aus dem Bereich der ordentlichen Gerichte fehlt (ebenso BGH VersR 1966 650; E b S c h m i d t 2). Demgemäß ist in Zivilsachen auch die Revision an den BGH zulässig (BGHZ 18 267). Nur die Zentralkommission ist ein Sondergericht i. S. des § 14 Nr. 1 (ebenso v. S p r e c k e l s e n , „Das Deutsche Bundesrecht" VI E 10 zu § 18; BGHZ 18 267, 270; VersR 1966 650). Bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen einem Rheinschiffahrtsgericht und einem allgemeinen Gericht (Schöffengericht usw.) hinsichtlich der 2636

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 14 Anm. 3

§§ 1 5 , 1 6 sachlichen Zuständigkeit ist in entsprechender Anwendung der für den Fall des negativen örtlichen Kompetenzkonflikts geltenden Vorschriften (§§ 14, 19 StPO) zu verfahren (BGH St. 18 381 = NJW 1963 1747). b) Die Moselschiffahrtsgerichte sind zuständig für Strafsachen, die sich auf Vorgänge auf der Mosel und dazu gehörigen Einrichtungen beziehen (§ 18 a BinnenSchVG). Li 1. Instanz entscheidet das Amtsgericht als Moselschiffahrtsgericht, Berufungsgericht ist das OLG als Moselschiffahrtsobergericht (§ 18 b). Die Berufung (keine Revision) unterliegt keiner Beschränkung (§ 18 d). Statt der Berufung an das OLG ist auch, aber nur mit Einschränkungen, die Anrufung der Moselkommission in Trier zulässig (§ 18e). Im übrigen gilt das zu a) Ausgeführte sinngemäß: die Moselschiffahrtsgerichte sind keine Sondergerichte, nur die Moselkommission ist Sondergericht. 3. Den in § 14 Nr. 2 bezeichneten Gerichten steht keine Strafgerichtsbarkeit zu. Nach Aufhebung des Bad.-Württ.Ges. über die Gemeindegerichtsbarkeit vom 7. 3. 1960 (GBl. 73) durch Ges. vom 19. 10. 1971 (GBl. 397) gibt es in der BRD keine Gemeindegerichte.

§ 15 (gestrichen durch Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950).

§ 16 Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Entstehungsgeschichte: Entw. § 5. Spätere Fassungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 300). Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat den früheren Satz 3 („Die gesetzlichen Bestimmungen über Kriegsgerichte und Standgerichte werden hiervon nicht berührt") gestrichen und im übrigen die bisherige Fassung unverändert übernommen. Literatur: K e r n , Ausnahmegerichte („Recht und Staat" Heft 27), M e n z e l , Ausnahmegericht und gesetzlicher Richter (Breslauer Diss. 1925), K e r n , Der gesetzliche Richter (Öflentl.-rechtl. Abhandl. Heft 8), O e h l e r , Der gesetzliche Richter und die Zuständigkeit in Strafsachen, ZStrW 64 292ff. (1952); E b S c h m i d t , Lehrkomm. I S.307 ff.; O s t l e r , Gesetzlicher Richter und willkürliche Entziehung JR 1957 454; B e t t e r m a n n , „Die Unabhängigkeit der Gerichte und der gesetzliche Richter" in B e t t e r m a n n - N i p p e r d e y S c h e u n e r , Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte Bd. III 1959 S. 523—642; R i n c k , Gesetzlicher Richter, Ausnahmegericht und Willkürverbot, NJW 1964 1649; K r ö g e r , Der gesetzliche Richter und die „besondere Bedeutung des Falles" i. S. des § 24 Abs. 1 Nr. 2, 3 GVG, Diss. Münster 1962; B r u n s , Zur Auslegung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, NJW 1964 1884; J o a c h i m , Der gesetzliche Richter, DRiZ 1965 181; G o t t s c h a l k , Das Recht auf den gesetzlichen Richter, Diss. Köln 1965; G e r l e i t , Das Recht des einzelnen auf seinen gesetzlichen Richter, Diss. München 1967; H e n k e l , Der gesetzliche Richter, Diss. Göttingen 1968; derselbe: Der gesetzliche Richter in der Rechtsprechung des BVerfG, AöR 94 263; M a r x , Der gesetzliche Richter im Sinn von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Neue Kölrfer Rechtswissenschaftl. Abhandlungen Heft 63, Berlin 1969; K e l l e r m a n n , Probleme des gesetzlichen Richters unter besonderer Berücksichtigung der großen Strafverfahren, Bd. 30 der „Juristischen Studien" 1971; von W i n t e r f e l d , Abbau des gesetzlichen Richters?, NJW 1972 1399; H e n k e l , England, Rechtsstaat ohne „gesetzlichen Richter", 1971; ferner die Erläuterungsbücher zu Art. 103, 105 WeimVerf. und zu Art. 101 GG, sowie die Einleitung zum vorliegenden Werk S. 166. 2637

§ 16

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. I; II 1 Übersicht I. Entwicklungsgeschichte II. Ausnahmegerichte 1. Begriff 2. Abgrenzung der Ausnahmegerichte von den Sondergerichten III. Die Richterentziehung 1. Bedeutung des EntziehungsVerbots 2. Begriff des gesetzlichen Richters 3. Die Vorausbestimmbarkeit des gesetzlichen Richters und ihre Grenzen a) Bewegliche Zuständigkeit b) Der Spruchkörper und seine Besetzung c) Überbesetzte Spruchkörper

d) Normen über die Ausschließung des Richters von der Ausübung seines Amtes aus persönlichen Gründen gehören zum Begriff des gesetzlichen Richters 4. Der Adressat des Entziehungsverbots 5. Zuständigkeitsübergriffe des Gerichts a) Fälle objektiver Entziehung b) Nur ein willkürlicher Übergriff begründet den Vorwurf der Entziehung, nicht der error in procedendo. Ausnahmen c) Begriff der Willkür d) Wirkung der Verletzung des Entziehungsverbots 6. Verfassungsbeschwerde.

I. Entwicklungsgeschichte. § 16 steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit ( B e t t e r m a n n 560). Das Verbot der Richterentziehung ist zugleich eine Folgerung aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 G G ) für den Bereich der gerichtlichen Zuständigkeitsabgrenzung ( R i n c k N J W 1964 1649, 1652). Wirkliche Unabhängigkeit der Rechtspflege gegenüber Eingriffen von dritter Seite ist nur möglich, wenn gewährleistet ist, daß niemand dem unabhängigen „gesetzlichen" Richter entzogen werden kann. Dieser Gedanke reicht weit in die Vergangenheit zurück (vgl. O e h l e r aaO. 297). Eine Frucht der Kämpfe um den Rechtsstaat, in dem namentlich F e u e r b a c h mit diesen beiden Grundforderungen hervortrat (vgl. E b S c h m i d t , Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege S. 335), bildete die Aufnahme einer dem § 16 entsprechenden Vorschrift in die Frankfurter Reichsverfassung 1848 (Art. X S. 175 Abs. 2) und demnächst in die Landesverfassungen (z. B. Art. 7 Preuß. Verfassungsurkunde vom 31. 1. 1850). Art. 105 WeimVerf. übernahm wörtlich den nur für die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit geltenden § 16 G V G in seiner damaligen Fassung und erhob ihn zu einem die gesamte Gerichtsbarkeit in ihrem damaligen Umfang beherrschenden Verfassungssatz. Nach 1945 wurden entsprechende Vorschriften in die neuen Landesverfassungen aufgenommen (vgl. die Zusammenstellung bei E b S c h m i d t Lehrkomm. I S. 307 Anm. 449b). Den Abschluß der Entwicklung bildet die Vorschrift des Art. 101 G G : „(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden." Diesen für alle Gerichtsbarkeitszweige geltenden Verfassungsgrundsatz gibt § 16 wiederholend wieder, um ein geschlossenes Bild aller für die Gerichtsverfassung der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit maßgebenden Vorschriften zu bieten. Eine historische Reminiszenz an das Hervorgehen des Art. 101 Abs. 1 G G aus § 16 G V G ist es, wenn das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 die ursprüngliche Fassung („ . . . sind unstatthaft") aufrechterhalten hat, während Art. 101 Abs. 1 Ausnahmegerichte als „unzulässig" bezeichnet; ein sachlicher Unterschied liegt selbstverständlich darin nicht. Eine Rechtsweggarantie oder ein strafrechtliches Verfolgungsgebot enthält § 16 nicht; Amnestien und Einschränkungen des Legalitätsprinzips steht Art. 101 G G nicht entgegen ( B e t t e r m a n n 558f.). II. Ausnahmegerichte (zu Satz 1) 1. Begriff. Art. 101 G G verbietet nicht nur der Staats-, insbes. der Justizverwaltung, sondern auch dem Gesetzgeber der Länder und des Bundes die Errichtung von Ausnahmegerichten (BVerfGE 6 45, 50 = N J W 1956 545; BVerfGE 9 223, 226 = N J W 1959 871; BVerfGE 10 200, 213 = N J W 1960 187); gemäß Art. 79 Abs. 3 G G könnte nicht einmal durch Änderung des Grundgesetzes von diesem Grundsatz abgewichen werden. Ausnahmegerichte sind Gerichte, die „in Abweichung von der gesetzlichen Zuständigkeit besonders gebildet und zur Entscheidung einzelner konkreter oder individueller Fälle berufen werden" (BVerfGE 3 213, 223; BVerfGE 8 174, 182 = N J W 1958 2013; B G H N J W 1963 446). 2638

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 16 Anm. II 2; III 1

Ein Ausnahmegericht ist zunächst jedes Gericht, das nach Begehung einer Straftat ad hoc für einen Einzelfall oder für eine nach individuellen Merkmalen bestimmte Gruppe von Einzelfallen zur Entscheidung eingesetzt wird ( R G Recht 1923 Nr. 1296 = J W 1924 192; RGSt. 55 246; R G JR 1934 Nr. 451; O L G Königsberg G A 68 391; E b S c h m i d t Lehrkomm. I Rdn. 560e; v o n M a n g o l d t Anm. 3 zu Art. 101 GG). Aber auch ein vor begangener Tat zur Aburteilung bestimmtes Gericht wäre ein Ausnahmegericht, wenn seine Zuständigkeit nicht durch generelle (abstrakte) Merkmale bestimmt, sondern in der Weise geregelt wäre, daß ein oder mehrere individuell umgrenzte Einzelfalle von vornherein der allgemeinen Zuständigkeitsordnung entzogen würden ( E b S c h m i d t aaO.). Selbst bei einer im voraus nach abstrakten und generellen Merkmalen bestimmten Zuständigkeit würde aber ein Ausnahmegericht vorliegen, wenn die Abweichung von der allgemeinen Zuständigkeit willkürlich wäre (vgl. Anm. 3 zu § 13). Ähnlich, aber einschränkend O e h l e r aaO. 302ff.: für den Begriff des Ausnahmegerichtes komme es nicht darauf an, ob das Gericht formal vor oder nach der Tat, generell oder für den Einzelfall bestimmt sei, sondern „ob es aus gerichtstechnischem oder aus außerrechtlichem politischem Gesichtspunkt bestimmt wird, damit die Regierung über die Richterbesetzung hinweg das Urteil beeinflusse". Nach O e h l e r 304 liegt ein Ausnahmegericht auch vor, wenn bei mehrfacher örtlicher Zuständigkeit oder bei mehrfacher sachlicher Zuständigkeit infolge beweglicher Zuständigkeitsbegründbarkeit die Anklage auf Weisung bei dem politisch genehmen Spruchkollegium erhoben würde (vgl. dazu unten Anm. III 3 a). Uber Beispiele von Gerichten, die in neuerer Zeit errichtet und als Ausnahmegerichte angesehen wurden, vgl. die Ausführungen in Anm. 2 a der 19. Auflage mit Schrifttumgsangaben, insbes. K e r n , Ausnahmegerichte 21 und Gesetzl. Richter 320; B e l i n g 46, sowie Anm. 2 a in der Vorauflage. — Dagegen kann von der Errichtung von Ausnahmegerichten nicht die Rede sein, wenn eine allgemeine Änderung der Zuständigkeitsvorschriften sich auch auf die Aburteilung von Handlungen erstreckt, die vor der Änderung begangen sind. 2. Keine Ausnahmegerichte sind die Sondergerichte („Gerichte für besondere Sachgebiete", vgl. Art. 101 Abs. 2 G G und Anm. 3 ¿u § 13), denn sie sind gesetzlich für ein bestimmtes Sachgebiet abstrakt und generell im voraus zur Entscheidung berufen. Es verstößt auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 G G , wenn bei der Errichtung von Sondergerichten deren Zuständigkeit auch auf die vor der Errichtung begangenen Taten erstreckt wird, sofem nur die allgemeine Einkleidung der Zuständigkeitsverschiebung nicht lediglich verschleiern soll, daß es sich in Wirklichkeit vorzugsweise darum handelt, gerade die vorher begangenen Taten dem nach dem bisherigen Recht zuständigen Richter zu entziehen (vgl. bezgl. der durch VO vom 27. 11. 1919 - RGBl. 1909 - errichteten Wuchergerichte R G LZ 1920 694; K G JW 1920 402; BayObLG JW 1920 563; O L G Königsberg G A 68 391). Erst recht verstößt es nicht gegen Art. 101 G G , wenn durch Bundesgesetz aus der allgemeinen Zuständigkeit eines Gerichtsbarkeitszweiges Einzelmaterien ausgegliedert und der Zuständigkeit eines anderen Gerichtsbarkeitszweiges zugewiesen werden, z. B. wenn (vgl. § 40 VwGO) bestimmte verwaltungsrechtliche Streitsachen, für die nach der allgemeinen Zuständigkeitsregelung der Verwaltungsrechtszweig gegeben wäre, im Interesse der einheitlichen Beurteilung eines ganzen Sachgebiets den ordentlichen Gerichten zugewiesen werden (vgl. BVerfGE 4 387, 399 = N J W 1956 625; B G H N J W 1963 446). Selbstverständlich liegt auch kein Sondergericht vor, wenn nach dem Geschäftsverteilungsplan bestimmte Straftaten einem bestimmten Spruchkörper zugewiesen sind, auch wenn im Einzelfall zugleich ein anderes Delikt zur Aburteilung kommt, das an Schwere das Spezialdelikt überwiegt (BayVerfGH NJW 1968 99, 101). III. Richterentziehung (zu § 16 Satz 2, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G ) 1. Bedeutung des Entziehungsverbots. Daß niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf, bedeutet zunächst, daß nicht die nach den Verfahrensvorschriften gegebene Zuständigkeit eines Gerichts durch die Bildung eines Ausnahmegerichts beseitigt werden darf. Darüber hinaus spricht die Vorschrift ein Verbot an alle Organe der Staatsgewalt aus, das Tätigwerden des gesetzlichen Richters durch andere als verfahrensmäßig zulässige Maßnahmen auszuschließen, gleichviel, ob die Ausschließung darin besteht, daß an die Stelle des gesetzlichen Richters ein anderer Richter tritt, ohne daß es sich um ein Ausnahme2639

§ 16

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. III 2, 3 gericht (Anm. II) handelt, oder darin, daß die vorgeschriebenen Verfolgungsmaßnahmen gesetzwidrig überhaupt unterbleiben. Eine Richterentziehung liegt — in extensiver Interpretation des Art. 101 G G — auch vor, wenn die abstrakte Zuständigkeitsregelung des G V G dadurch verletzt wird, daß durch Gesetz allgemein gewisse Sachen einer Instanz zugewiesen werden, die nicht als Gericht i. S. des Art. 92 G G anzusehen ist (BVerfGE 10 200 — betr. Ausübung der Strafgerichtsbarkeit durch Friedensgerichte —, K e r n JZ 1960 244). Schließlich enthält der Grundsatz des gesetzlichen Richters das Gebot an den Gesetzgeber, Rechtssätze zu schaffen und die Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften so zu gestalten, daß, soweit möglich, für jeden denkbaren Streitfall der für die Entscheidung zuständige Richter im voraus bezeichnet ist. Der Verwirklichung dieses Gebots dienen vornehmlich die Vorschriften über die Geschäftsverteilung (§§ 21 äff.). Ein Ausfluß dieses Gebots ist es auch, daß die Errichtung und Aufhebung von Gerichten und die Festlegung und Änderung der Grenzen ihrer Bezirke, durch die die örtliche Zuständigkeit berührt wird, nur durch Gesetz oder durch RechtsVO auf Grund eines Gesetzes erfolgen darf, um Verwaltungseingriffe auszuschalten (vgl. Anm. IV zu § 59; Anm. 1 c zu § 58). Im einzelnen: 2. „Gesetzlicher Richter" ist der Richter, der nach generellen und abstrakten, also für jedermann geltenden gesetzlichen oder auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Zuständigkeitsregeln zur Entscheidung über die in Frage stehende Tat berufen ist (vgl. B a y O b L G J W 1920 563; D o e r r A r c h Ö f f R 41 77; E b S c h m i d t 3). Maßgebender Zeitpunkt für die Ermittlung der Entscheidungszuständigkeit ist dabei zunächst der Zeitpunkt der Tatbegehung, „gesetzlicher Richter" ist aber auch derjenige, dessen Zuständigkeit in der Zeit nach Tatbegehung bis zu dem Zeitpunkt, in dem nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften die Angehung des Richters in Frage kommt, durch eine allgemeine (also nicht willkürlich für den Einzelfall getroffene) Änderung der bisherigen Zuständigkeitsregelung begründet wird (RGSt. 58 120; vgl. auch R G Z 107 323f. und v o n M a n g o l d t Anm. 3 zu Art. 101; s. ferner oben Anm. II). Es ist schließlich nicht unzulässig, wenn bei einer allgemeinen Zuständigkeitsänderung auch in den bereits anhängigen gerichtlichen Verfahren der bisherige gesetzliche Richter durch einen neuen gesetzlichen Richter ersetzt wird, denn eine grundgesetzliche Zuständigkeitsfixierung auf einen bestimmten Zeitpunkt gibt es nicht (ebenso K e r n , Gerichtsverf.Recht 75; H e n k e l , StrafverfR 150; a. M. K o h l r a u s c h StPO zu § 16). Gesetzlicher Richter ist selbstverständlich auch derjenige Richter, der nach Maßgabe der allgemein geltenden Vorschriften an die Stelle des „an sich" zuständigen Richters tritt, z. B. in den Fällen der §§ 15, 354 Abs. 2 Satz 2 StPO. 3. „möglichst eindeutig". Zum Begriff des „gesetzlichen Richters" in seiner reinsten Form würde gehören, daß von vornherein — gewissermaßen aus dem Gesetz ablesbar — feststünde, welches Gericht, welcher Spruchkörper und welcher Richter im Einzelfall sachlich zur Entscheidung berufen ist, und daß diese Zuständigkeit im Einzelfall weder durch Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörde beeinflußt noch durch Entscheidungen eines Gerichts oder gerichtsinterne Maßnahmen geändert werden kann. In dieser Gestalt hat das geltende Recht den Begriff nicht verwirklicht. Dem Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G ist vielmehr genügt, wenn sich der im Einzelfall zuständige Richter „möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Norm ergibt" (BVerfGE 22 254, 258 = N J W 1967 2151; BVerfGE 25 336, 346), wenn „durch die gesetzlichen Vorschriften und die sie ergänzenden Regelungen der Geschäftsverteilung möglichst eindeutig im Vornherein feststeht, welcher Richter in einem anhängig werdenden Verfahren zur Entscheidung oder zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufen ist" (BVerfGE 17 294, 298; 18 344, 349; 31 47). Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G „soll der Gefahr vorbeugen, daß die rechtsprechenden Organe durch Manipulierung sachfremden Einflüssen ausgesetzt werden, gleichgültig von welcher Stelle die Manipulierung ausgeht, ob von außerhalb oder innerhalb der Justiz. Deshalb gilt der Grundsatz, daß sich der für den Einzelfall zuständige Richter möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Norm ergeben m u ß " (BVerfG N J W 1971 1029). „Möglichst eindeutig": in dieser immer wiederkehrenden Einschränkung kommt zum Ausdruck, daß es schon begrifflich keine Methode gibt, die unbedingt sichert, daß jede Sache „blindlings" an den im Vornherein bestimmten Richter kommt, und daß auch im übrigen aus zwingenden praktischen Gründen Raum für einen gewissen Beurteilungs- und Ermessensspielraum bei der Bestimmung des gesetzlichen Richters bleiben muß.

2640

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 16

Anm. III 3 a) Bewegliche Zuständigkeit. Eine katalogmäßige unveränderliche sachliche Zuständigkeit des Gerichts sieht das GVG, von § 25 Nr. 1 , 2 a abgesehen, nur beim Schwurgericht (§ 80) vor. Im übrigen beurteilt sich die Zuständigkeit in weitem Umfang nach der besonderen Gestaltung des Einzelfalles, indem das Gesetz die Zuständigkeit eines Gerichts höherer oder niederer Ordnung für die Verhandlung und Entscheidung davon abhängig macht, ob dem Fall besondere Bedeutung zukommt. Dabei überläßt das Gesetz zunächst die Beurteilung der Staatsanwaltschaft, die je nach dem Ergebnis bei dem einen oder anderen Gericht die Anklage erhebt (vgl. §§ 24 Abs. 1 Nr. 2, 74, 74a Abs. 2, 120 Abs. 2, 142a). Einen ähnlichen Beurteilungsraum eröffnen §§25 Nr. 2 c, 26, 74 b. Im Fall des § 354 Abs. 2 räumt das Gesetz dem Revisionsgericht die Befugnis ein, bei Aufhebung eines Urteils und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz die Zuständigkeit des Gerichts oder des Spruchkörpers, die zunächst entschieden hatten, beiseite zu schieben und nach seinem Ermessen die Zuständigkeit eines anderen Gerichts oder Spruchkörpers zu begründen. Im Schrifttum sind solche Vorschriften z. T. als grundgesetzwidrig bezeichnet worden. So insbesondere die Vorschriften über die „bewegliche Zuständigkeit" von E b S c h m i d t Lehrk. I Nr. 560d m. w. Nachw.; ferner Anm. 2 zu § 16; MDR 1958 721; JZ 1959 535; B o c k e l m a n n GA 1957 353; NJW 1958 889; O e h l e r 302fT.; S c h o r n , Schutz der Menschenwürde im Strafverfahren 42; B e t t e r m a n n 563ff.; S c h r o e d e r MDR 1965 177; M o l l e r MDR 1966 100; G r ü n w a l d JuS. 1968 52 und selbst die Vorschrift des § 354 Abs. 2 v o n B e t t e r m a n n JZ 1959 17. Die Rechtsprechung ist dem aber nicht gefolgt, da zwingende rechtsstaatliche Bedürfnisse einer katalogmäßigen Zuweisung aller Straftaten an Gerichte einer bestimmten Ordnung entgegenstehen (vgl. - grundlegend - BVerfGE 9 223 = NJW 1959 871; BVerfGE 22 254 = NJW 1967 2151; aus der Rechtspr. des BGH vgl. z. B. BGHSt. 9 367 = MDR 1957 112; NJW 1958 918; 1968 710, 712; BGHSt. 13 297 = NJW 1960 56; 21 268, 271). Mit dem Wortlaut des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G steht eine solche bewegliche Zuständigkeit nicht in Widerspruch, weil nicht das GG, sondern das GVG bestimmt, wer jeweils gesetzlicher Richter ist. Freilich beschränkt sich die Bedeutung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 nicht nur darauf, als Blankettnorm die jeweilige außerhalb des G G getroffene Zuständigkeitsregelung ohne Rücksicht auf ihren materiellen Gehalt zu schützen. Vielmehr hat Art. 101 selbständigen Grundsatzwert, und nur die nähere Einzelausgestaltung innerhalb des Grundsatzes ist dem Einzelgesetz überlassen. Aber der Verfassungsgesetzgeber fand bereits eine vom Prinzip der beweglichen Zuständigkeit geprägte Ausgestaltung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters vor, und dieses Prinzip herrschte, wenn auch wechselnd in Gestalt und Umfang (vgl. O e h l e r aaO. 292f.), schon seit Jahrzehten im Gerichtsverfassungsrecht. Es ist das notwendige Mittel, die tragenden Grundgedanken des materiellen Strafrechts angemessen und sinnvoll zu verwirklichen. Denn ein charakteristisches Merkmal der modernen Strafgesetzgebung ist die wachsende Spannweite der Strafrahmen, um eine gerechte Strafzumessung gleichermaßen bei den denkbar mildesten wie den denkbar schwersten Verstößen gegen ein Strafgesetz zu ermöglichen; bei nicht wenigen Straftaten reicht infolge der Einfügung unbenannter Strafschärfungsgründe („in besonders schweren Fällen" usw.) und unbenannter Strafmilderungsgründe („in minder schweren Fällen", „bei mildernden Umständen" usw.) der Strafrahmen von der Geldstrafe bis zur hohen Freiheitsstrafe. Darin wird — nach dem gegenwärtigen Stand der Reformarbeiten — auch künftig keine grundsätzliche Änderung eintreten. Die Bemühungen gehen zwar dahin, bei der Neu- und Umgestaltung von Strafvorschriften (vgl. z. B. §§ 243, 302f. n. F. StGB) durch Regelbeispiele („Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn . . . " ) den Strafverfolgungsorganen einen deutlicheren Bewertungsmaßstab für die Strafzumessung zu geben. Gleichwohl bleibt auch hier der Beurteilung noch ein weiter Spielraum. Bei einer solchen Gestaltung läßt sich der Grundgedanke der Zuständigkeitsregelung, daß für die Zuweisung an ein Gericht niederer oder höherer Ordnung die Schwere des Delikts maßgebend sein solle, durch katalogartige Zuweisung bestimmter Straftaten nicht verwirklichen. Es muß vielmehr genügen, daß ein verbleibendes Ermessen durch Normen bestimmt ist. Das ist aber bei der Regelung des geltenden Rechts durchaus der Fall. Denn das Gesetz läßt zunächst dem Staatsanwalt nicht freie Hand, bei welchem Gericht er anklagen will, sondern gibt ihm nur einen durch objektive, wenn auch unbestimmte Merkmale („besondere Bedeutung des Falles", § § 2 4 Abs. 1 Nr. 2; 74, 74 a Abs. 2, 120 Abs. 2), Wertungen (zu erwartende Strafe, § 25 Nr. 2 c) und Richtlinien („soll" 2641

§ 16

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. III 3 §§26 Abs. 2, 74 b) eröffneten Beurteilungsspielraum, welches aus dem engen Kreis der in Frage kommenden Gerichte er als zuständig anzusehen hat. Eine verfassungskonforme Auslegung verlangt, — die Worte: „wenn (wenn nicht) die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhebt" in § 24 GVG dahin zu verstehen, daß die Staatsanwaltschaft beim höheren Gericht Anklage erheben muß, wenn sie einen Fall von besonderer Bedeutung als gegeben ansieht (BVerfGE 9 223). In diesem Sinn darf auch bei verfassungskonformer Auslegung des § 25 Nr. 2 c die Staatsanwaltschaft Anklage zum Einzelrichter nur erheben, wenn es sich um eine Sache von minderer Bedeutung handelt (BVerfGE 22 254). So gesehen hat die Staatsanwaltschaft kein „Wahlrecht", und es wird der Grundsatz des gesetzlichen Richters nicht durchbrochen, weil auch hier die Zuweisung durch Normen bestimmt ist. Die richtige Handhabung der Norm aber — und das ist entscheidend — unterliegt der richterlichen Nachprüfung. So entscheidet nach § 209 Abs. 2, 3 StPO letztlich das Gericht in den Fällen des § 24 Abs. 1 Nr. 2, ob der Fall besondere Bedeutung hat, so daß Anklage beim Landgericht geboten ist, es entscheidet in den Fällen des § 25 Nr. 2 c, welche Strafe zu erwarten ist und ob es sich nur um eine Strafsache von minderer Bedeutung handelt; das OLG entscheidet im Fall des § 74 a Abs. 2 über die besondere Bedeutung nach § 120 Abs. 2. Übrigens müßte, wer die Möglichkeit der „Wahl" zwischen mehreren sachlich zuständigen Gerichten verwirft, folgerichtig auch ein Wahlrecht der Staatsanwaltschaft bei mehrfacher örtlicher Zuständigkeit (vgl. Anm. II 4 zu § 12 StPO) verneinen und ebenso die Befugnis des Gerichts, bei einer zuständigkeitsbegründenden Entscheidung zwischen mehreren Gerichten zu wählen wie im Fall der §§ 15, 354 Abs. 2 StPO (so folgerichtig B e t t e r m a n n 568f. gegen BVerfGE 20 342 = NJW 1967 99 zu § 354 Abs. 2 a. F. StPO). b) Der Spruchkörper und seine Besetzung. Zur Wahrung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters gehört nicht nur, daß das Gericht örtlich, sachlich und funktionell zuständig ist, sondern daß auch nur der Spruchkörper (Abteilung, Kammer, Senat) tätig wird und in diesem bei der Entscheidung nur diejenigen der Person nach bestimmten Richter mitwirken, die im voraus nach generellen Merkmalen dazu berufen sind (h. M.; vgl. insbes. BVerfGE 18 344, 349; 22 254, 258; 30 149, 152; a. M. bezgl. der einzelnen Mitglieder des Spruchkörpers, von Willkürakten abgesehen, B r u n s NJW 1964 1884)*). Der Vorausbestimmung des zuständigen Spruchkörpers und der in ihm im Einzelfall mitwirkenden Richter dienen die Vorschriften des GVG, wonach bei allen Gerichten vor Beginn des Geschäftsjahres die Richter und die Geschäfte durch das Präsidium auf die einzelnen Spruchkörper zu verteilen sind, die Vertretung zu regeln ist (soweit nicht § 21 f Abs. 2 eingreift), und eine solche Anordnung während des Geschäftsjahres nur aus zwingenden Gründen geändert werden darf (vgl. § 21 e Abs. 1, 3). Und zwar darf auch hier die Verteilung und Änderung nicht in der Weise erfolgen, daß ein Spruchkörper ad hoc, für einen Einzelfall, bestimmt wird, sondern nur dergestalt, daß die Zuständigkeit nach allgemeinen (abstrakten) Merkmalen begründet wird (vgl. Anm. III 8 c zu § 21 e). Aber auch hier ist der Idealzustand, daß jede Sache „blindlings" in die Hand ganz bestimmter, im Voraus der Person nach unveränderlich feststehender Richter gelangt, nicht erreichbar; es muß nur „möglichste Eindeutigkeit" angestrebt werden. So ist es bei unerwartet eintretender vorübergehender Verhinderung eines Richters, wenn die im Geschäftsverteilungsplan vorgesehene Regelung der Vertretung nicht durchführbar ist, unvermeidlich, daß — im allgemeinen nach § 21 i Abs. 2 — ein Vertreter ad hoc bestellt wird; das trägt einem ebenfalls rechtsstaatlichen Bedürfnis nach reibungslosem Ablauf des Rechtsfindungsverfahrens, nach rascher Justiz und bester und sorgfaltigster Bearbeitung der einzelnen Sachen Rechnung (vgl. BVerfGE 25 336, 346; BGHSt. 21 4 0 , 4 3 , 1 1 1 zu § 67 a. F. GVG). c) Überbesetzte Spruchkörper. Aus den zuletzt genannten Gründen ist es auch — entgegen im Schrifttum vertretenen Auffassungen — nicht unzulässig, einen mehrgliedrigen *) Dagegen fordert Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht, daß auch die Zahl der erkennenden Richter stets unverändert bleibt (so BVerfGE 19 52 betr. § 52 Abs. 3 a. F. RAbgO, der für bestimmte Entscheidungen des BFH nur die Mindestzahl der mitwirkenden Richter vorschrieb: jetzt überholt durch § 10 Abs. 3 FinGO). Unbedenklich sind danach die Vorschriften des § 29 Abs. 2 und des § 132 Abs. 5 GVG.

2642

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 16 Anm. 4, 5

Spruchkörper in gewissem Umfang „überzubesetzen", d. h. ihm mehr Richter zuzuteilen, als zur Verhandlung und Entscheidung einer Sache erforderlich sind (vgl. Anm. I 4 b zu § 21 f.). Die Bemühungen um „möglichste Eindeutigkeit" des zur Entscheidung berufenen Richters haben hier zur Aufstellung des § 21 g Abs. 2 geführt, der Ermessensmaßnahmen des Vorsitzenden bei der Besetzung des Spruchkörpers in der jeweils zur Verhandlung und Entscheidung anstehenden Sache Grenzen setzen soll. Doch hat sich gezeigt, daß es jeden Ermessensspielraum des Vorsitzenden ausschließende Lösungen nicht gibt (vgl. die Anm. zu § 21g). d) Zu den allgemeinen Normen, aus denen sich möglichst eindeutig der für den Einzelfall zuständige Richter ergeben muß, gehören auch die gesetzlichen Vorschriften, die bestimmen, unter welchen Voraussetzungen ein Richter von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen ist, denn „nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G muß gewährleistet sein, daß der Rechtsuchende nicht vor einem Richter steht, der aus bestimmten Gründen die gebotene Neutralität und Distanz vermissen läßt" (BVerfG NJW 1971 1029 = JZ 1971 327). 4. Adressat des Entziehungsverbots Das Entziehungsverbot richtet sich an den Gesetzgeber und an die Verwaltung, aber auch unmittelbar an die Strafverfolgungsorgane und an die Gerichte einschließlich der Präsidien und an den einzelnen Richter selbst (heute ganz unstreitig; vgl. außer den nachstehenden Zitaten etwa noch BVerfGE 4 416; MDR 1963 194; BGHZ 20 358 = NJW 1956 1238; BGHSt. 11 106 = MDR 1958 253 mit Anm. M a r q u o r d t ; BGH NJW 1962 1396; 1963 2071;BayVerfGH DRiZ 1962 128; BAG NJW 1960 1542; S t r e e NJW 1959 2051 mit Nachweisen; E b S c h m i d t 6; M ü l l e r - S a x 2b; a. M. früher vereinzelt BGHZ 6 178, 182). Der S t a a t s a n w a l t würde z.B. dem Entziehungsverbot zuwiderhandeln, wenn er sich bei der Frage, bei welchem Gericht er bei beweglicher Zuständigkeit Anklage erheben soll, von sachfremden Erwägungen leiten ließe (vgl. BGHSt. 9 367, 368 und Anm. III 2 b zu § 24), wenn er von der Befugnis zur Zurücknahme der Anklage nur deshalb Gebrauch machte, um von neuem vor einem ihm genehmeren Gericht anzuklagen (BGHSt. 15 11,17)*) oder wenn er eine durch die Gestaltung der Geschäftsverteilung ermöglichte Wahl zwischen mehreren Strafkammern desselben Gerichts nach sachfremden Gesichtspunkten ausübte (vgl. OLG Nürnberg NJW 1963 502 und dazu Anm. III 8 c zu § 21 e). Eine Entziehung durch das Gericht liegt z. B. vor bei formeller Justizverweigerung durch grundlose Nichterledigung einer anhängigen Sache (BVerfGE 3 359, 364 = NJW 1954 593; Kern, Der gesetzl. Richter 203f.; a. M. B e t t e r m a n n , Grundrechte III 2 559; ferner K l e i n JZ 1963 59, der die „Entziehung" auf den Fall der Richtervertauschung beschränken will und sich deshalb zu dem fragwürdigen Ausweg genötigt sieht, bei formeller Justizverweigerung durch beharrliche Nichterledigung eine Angehung des BVerfG auf Grund des Art. 19 Abs. 4 G G zuzulassen.). Eine Entziehung durch das Präsidium kommt z. B. in Betracht, wenn es die Geschäftsverteilung in einer Weise regelt, die dem Ermessen der Justizverwaltung Raum läßt, oder wenn es den Geschäftsverteilungsplan während des Geschäftsjahres ohne die Voraussetzungen des § 21 e Abs. 3 ändert. 5. Zuständigkeitsübergriffe des Gerichts, a) Objektiv liegt eine Entziehung auch vor, wenn ein Gericht in die örtliche, sachliche oder funktionelle Zuständigkeit eines anderen Gerichts eingreift (z. B. das Revisionsgericht trifft eine nur der Tatsacheninstanz zukommende tatsächliche Feststellung), wenn bei demselben Gericht ein Spruchkörper (Abteilung, Kammer, Senat) in die nach der Geschäftsverteilung bestehende Zuständigkeit eines anderen Spruchkörpers übergreift (BGH MDR 1958 253) — auch dadurch, daß es sich einer Entziehungsmaßnahme der Staatsanwaltschaft (s. oben 4 nicht widersetzt (vgl. OLG Nürnberg NJW 1963 502) — oder wenn innerhalb eines Spruchkörpers ein Richter eine Tätigkeit entfaltet, die nach gesetzlicher Vorschrift einem anderen Richter zusteht (z. B. der in *) Vgl. hierzu aber auch BVerfGE 18 423, 428 = NJW 1965 1223 betr. Zurücknahme einer beim Schöffengericht erhobenen Anklage zwecks erneuter Anklage bei der Strafkammer: selbst wenn die Staatsanwaltschaft dabei von unsachlichen Erwägungen geleitet gewesen wäre, sei Art. 101 Absatz 1 Satz 2 G G nicht verletzt, wenn das Gericht durch Eröffnung des Hauptverfahrens die Auffassung der StA bestätigte, es handele sich um einen Fall von besonderer Bedeutung, weil sie dann der zur Entscheidung berufene gesetzliche Richter gewesen sei.

2643

§ 16

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 5 einer bestimmten Sache kraft Gesetzes vom Vorsitz ausgeschlossene Vorsitzende Richter der Strafkammer beraumt selbst in dieser Sache den Hauptverhandlungstermin an oder bestimmt seinen zum Vorsitz berufenen Vertreter, den Termin entsprechend seinen — des Vorsitzenden Richters — Wünschen auf einen bestimmten Tag anzuberaumen; vgl. BVerfG NJW 1956 545) oder wenn ein Richter, der diesem Gericht nicht mehr angehört, dennoch bei ihm tätig wird (vgl. B A G N J W 1960 1542). b) Den Vorwurf der Entziehung rechtfertigt jedoch nur ein Handeln aus Willkür, nicht schon ein Handeln aus Irrtum, denn schon entstehungsgeschichtlich richtet sich das Verbot der Richterentziehung gegen Willkür, nicht gegen Irrtum — error in procedendo — (BVerfGE 3 359, 363 [= N J W 1954 593]; 4 412, 416 [= N J W 1956 545]; 7 327, 329; 9 223, 230 [= N J W 1959 871]; 11 1, 5; 11 263; 15 245, 306; 19 3 8 , 4 3 [= N J W 1965 1233]; 20 336, 346 [= N J W 1967 99]; 22 254, 266 [= N J W 1967 2151]; 23 288, 319 [= NJW 1968 1667, 1672]; 29 45, 48). Eine Ausnahme gilt nach BVerfG N J W 1971 1033, wenn ein kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter mitwirkt, auch wenn die Mitwirkung auf einem Irrtum über den Ausschließungsgrund beruht. Dem BVerfG folgt auch die Rechtsprechung der anderen Gerichte und das Schrifttum (vgl. u. a. B G H Z 20 355 = N J W 1956 1238; B G H Z 40 148, 154; M D R 1963 194; BGHSt. 11 106; 12 227, 234; N J W 1962 1936 = JZ 1963 288; BFH N J W 1964 1591; BayVerfGH N J W 1960 790; DRiZ 1962 128; OLGe. Hamburg N J W 1965 2363; Düsseldorf JMB1. N R W 1969 257; K e r n JZ 1956 409; 1959 220; S t r e e N J W 1959 2051; a. M. von W i n t e r f e l d N J W 1972 1399, 1400; O s t l e r JR 1957 454, der das Erfordernis der Willkür verwirft, aber zur Entziehung einen Verstoß gegen Vorschriften im Verfassungsrang fordert). BAG N J W 1962 1314 will diesen Grundsatz noch weiter ausdehen: nicht schon irrtümliche, sondern nur willkürliche Abweichung von der „Reihenfolge der Liste" bei der Heranziehung der ehrenamtlichen Beisitzer in der Arbeitsgerichtsbarkeit — §§ 31, 39 Abs. 5 A G G — verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G (vgl. dazu Anm. III 13 zu § 21e). In gleicher Weise liegt, wenn objektiv die Voraussetzungen gegeben sind, eine streitige Rechtsfrage gemäß § 121 Abs. 2 G V G dem Bundesgerichtshof oder gemäß § 136 G V G dem Großen Senat als dem „gesetzlichen Richter" vorzulegen, eine verbotswidrige Entziehung nur vor, wenn die Vorlegung willkürlich unterbleibt (vgl. Anm. 28 zu § 121). c) Dabei bemißt sich der Begriff der „Willkür" nach objektiven Merkmalen, d. h. sie liegt (nur) vor, „wenn die Entscheidung eines Gerichts sich bei der Auslegung und Anwendung einer Zuständigkeitsnorm so weit von dem sie beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, daß sie nicht mehr zu rechtfertigen ist. Dies bedeutet, daß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G auch durch eine gerichtliche Entscheidung verletzt wird, die bei verständiger Würdigung der das G G beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist" (BVerfGE 29 45, 49). So auch die Rechtspr. der Revisionsgerichte: es genügt eine offensichtliche grobe Fehlerhaftigkeit der Maßnahme, also bei einem Rechtsverstoß, daß er offen zutage liegt (vgl. O L G H a m m JMB1. N R W 1963 252; Köln JMB1. N R W 1965 213), bei einer Ermessensentscheidung, daß sie auf sachfremden, von den gesetzlichen Beurteilungsmaßstäben sich völlig entfernenden Erwägungen beruht, bei einer Zuständigkeitsüberschreitung das „gänzliche Fehlen jeglicher einschlägiger Zuständigkeit" ( O L G Düsseldorf JMB1. N R W 1969 257). Dagegen ist ein darüber hinausgehender Vorsatz, den gesetzlichen Richter aus sachfremden Gründen nicht tätig werden zu lassen, nicht erforderlich (vgl. S t r e e N J W 1959 2051 mit Nachweisen; A r n d t N J W 1964 1667; R i n c k N J W 1964 1652; O L G H a m m JMB1. N R W 1963 252; a. M. K e r n , DRiZ 1959 142; B e t t e r m a n n 565; B r u n s N J W 1964 1888; wohl auch O L G Celle M D R 1968 169: „Willkür" = eine von bewußt sachfremden Erwägungen getragene Einflußnahme auf die Rechtsprechung). d) Wirkung der Verletzung des Entziehungsverbots. Das Entziehungsverbot, soweit es sich an die Gerichte wendet, gilt nicht nur für die unmittelbare Spruchtätigkeit des Gerichts, sondern für richterliche Handlungen in allen Verfahrensstadien, so z. B. für die Terminsanberaumung (vgl. oben zu a). Der willkürliche Zuständigkeitsübergriff ergreift in einem solchen Fall auch das Urteil, wenn nicht auszuschließen ist, daß bei mangelfreier Terminsanberaumung das Gericht in der Hauptverhandlung anders besetzt gewesen wäre. An einer 2644

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 16 Anm. 6 § 17 Anm. 1

Wirkung des Mangels vorangegangener Entziehungsakte auf das Urteil wird es aber im allgemeinen bei richterlichen Handlungen von geringerer Bedeutung und mehr formalem Charakter fehlen, bei denen ohne weiteres anzunehmen ist, daß auch der zuständige Richter sie in gleicher Weise vorgenommen hätte (vgl. dazu BGHZ 37 125 = NJW 1962 1396 betr. Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Vorsitzenden eines nach der Geschäftsverteilung nicht zuständigen Senats). 6. Verfassungsbeschwerde. Eine Verletzung des Art. 101 G G — also auch eine willkürliche Abweichung vom Geschäftsverteilungsplan — begründet auch nach Rechtskraft des Urteils für den Beeinträchtigten (vgl. dazu BVerfGE 3 359 = NJW 1954 593) die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (§ 90 BVerfGG). Der Richter selbst gehört nicht zu den Beschwerdeberechtigten (BVerfGE 15 298, 301 = NJW 1963 899; R i n c k NJW 1964 1649). Eine unter Verletzung des Art. 101 G G ergangene Entscheidung hebt das Bundesverfassungsgericht auf (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Daraus muß gefolgert werden, daß auch das Urteil eines Ausnahmegerichts nicht ohne weiteres — also auch ohne daß es einer Aufhebung durch das BVerfG bedürfte — nichtig ist (a. M. K e r n 159; P e t e r s , Strafpr. 452; vgl. dazu Einleitung S. 197; s. dort auch S. 184 Anm. 130).

§ 17 (1) Die ordentlichen Gerichte entscheiden über die Zulässigkeit des zu ihnen beschrittenen Rechtsweges. Hat ein ordentliches Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg zuvor rechtskräftig für unzulässig erklärt, so kann ein anderes Gericht in derselben Sache seine Gerichtsbarkeit nicht deshalb verneinen, weil es den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für gegeben hält. (2) Hat ein Gericht der allgemeinen Verwaltungs-, der Finanz- oder der Sozialgerichtsbarkeit den zu ihm beschrittenen Rechtsweg zuvor rechtskräftig für zulässig oder für unzulässig erklärt, so sind die ordentlichen Gerichte an diese Entscheidung gebunden. (3) Hält ein ordentliches Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg nicht für gegeben, so verweist es in dem Urteil, in dem es den Rechtsweg für unzulässig erklärt, zugleich auf Antrag des Klägers die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges, zu dem es den Rechtsweg für gegeben hält. Der Kläger kann den Antrag auf Verweisung nur bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung stellen, auf die das Urteil ergeht. Mit der Rechtskraft des Urteils gilt die Rechtshängigkeit der Sache bei dem im Urteil bezeichneten Gericht als begründet. Soll durch die Erhebung der Klage eine Frist gewahrt werden, so tritt die Wirkung bereits in dem Zeitpunkt ein, in dem die Klage erhoben ist. Das gleiche gilt in Ansehung der Wirkungen, die durch andere als verfahrensrechtliche Vorschriften an die Rechtshängigkeit geknüpft werden. (4) Das Gericht, das den zu ihm beschrittenen Rechtsweg nicht für gegeben hält, kann, wenn sich der Beklagte mit dem Antrag des Klägers (Absatz 3) einverstanden erklärt, die Sache durch Beschluß verweisen. (5) Für das Verhältnis zwischen den ordentlichen und den Arbeitsgerichten gilt § 48 Abs. 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes. Entstehungsgeschichte: Absatz 1 des § 17 lautete ursprünglich: „Die Gerichte entscheiden über die Zulässigkeit des Rechtswegs." Der ursprüngliche Absatz 2 enthielt die Vorschriften, die sich jetzt in § 17 a befinden. Durch § 178 VwGO vom 21. 1. 1960 (BGBl. I 17) erhielt § 17 die jetzige Fassung, während der bisherige Absatz 2 des § 17 als 17 a GVG eingestellt wurde. Lit.: H . S c h ä f e r JZ 1960 73; S a u r e , Die Rechtsverweisung (§ 17 Abs. 3 GVG), Bd. 65 der Schriften z. Deutschen und Europäischen Zivil-, Handels- und Prozeßrecht. 1. Für das Gebiet der Strafrechtspflege ist § 17 nur von geringer Bedeutung. Ein Zuständigkeitszweifel kann bei gerichtlicher Anfechtung von Verwaltungsakten entstehen, nämlich wenn es darum geht, ob es sich um einen Justizverwaltungsakt i. S. des § 23 EGGVG handelt und das Oberlandesgericht zuständig ist (§ 25), oder um einen anderen Verwaltungsakt, bei dem der Rechtsweg nach der VwGO gegeben ist. Hier sind die Absätze 1, 2 anwend2645

§ 17 a § 18 Anm. 1,2

Gerichtsverfassungsgesetz

bar, und es kann das nach §§ 23 ff. EGGVG angegangene Oberlandesgericht, wenn es seine Rechtswegzuständigkeit verneint, in Anwendung des § 17 Abs. 4 GVG auf Antrag des Antragstellers bei Einverständnis des Antragsgegners die Sache an das Verwaltungsgericht verweisen.

§ 17a (betr. Errichtung von Kompetenzenkonfliktshöfen; hier weggelassen).

§ 18 Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich nicht auf die Leiter und Mitglieder der bei der Bundesrepublik Deutschland beglaubigten Diplomatischen Vertretungen. Sie erstreckt sich auch nicht auf andere Personen, die nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts oder nach einem Staatsvertrag von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind. Entstehungsgeschichte: Entw. § 6. Spätere Fassungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 301); Ges. vom 13. 12. 1934 (RGBl. I 1233). Den durch das letztere Gesetz neugefaßten Abs. 1 hat — unter Anpassung an die staatsrechtlichen Veränderungen — das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 beibehalten, die bisherigen Absätze 2 u. 3 dagegen gestrichen. Literatur: M e t t g e n b e r g DJust. 1934 1625; G m ü r , Gerichtsbarkeit über fremde Staaten, Zürich 1948; D a h m , Völkerrechtliche Grenzen der inländischen Gerichtsbarkeit, in Festschrift für A. Nikisch, 1958; S o n n e n b e r g e r , Inländische Gerichtsbarkeit über ausländische Staaten und sonstige öffentlich-rechtliche Rechtsträger, AcP. 162 (1963) 485; M ü n c h , Immunität fremder Staaten in der deutschen Rechtspr., ZaÖR 1964 265; S t e i n m a n n , Ein Beitrag zu Fragen der zivilrechtlichen Immunität von ausländischen Diplomaten, Konsuln und den bevorrechtigten Personen, MDR 1965 706, 795; K n u t h , Zur völkerrechtlichen Exemption Ostberliner Regierungsdelegationen und Emissäre in der Bundesrepublik, JZ 1970 539. 1. Bedeutung des § 18. Die §§ 18, 19 befassen sich mit der Rechtsstellung der Personen, die Exterritorialität genießen. Sie regeln aber die Wirkung der Exterritorialität, die grundsätzlich Befreiung von dem Zugriff der staatlichen Zwangsgewalt bedeutet, nicht in vollem Umfang, sondern, dem Aufgabenbereich des GVG entsprechend, nur einen besonders wichtigen Ausschnitt aus der rechtlichen Sonderstellung der Exterritorialität, nämlich die Befreiung von der deutschen Gerichtsgewalt (Gerichtsbarkeit). Deutsche Gerichtsbarkeit bedeutet dabei sowohl die Gerichtsbarkeit des Bundes (§§ 120 Abs. 6, 142a) wie die der Länder. Über den Begriff Gerichtsbarkeit vgl. Vorbem. 2 a vor § 1. 2. Internationale Abkommen über die Exterritorialität sind getroffen in den Wiener Abkommen über diplomatische Beziehungen — W Ü D — vom 18. 4. 1961 (Deutsches Zustimmungsges. vom 6. 8. 1964, BGBl. II 957, in Kraft getreten am 11. 12. 1964 zwischen der BRD und anderen Staaten entsprechend den ergangenen Bekanntmachungen, zuerst Bek. vom 13.2. 1965, BGBl. II 147) und über konsularische Beziehungen — WÜK — vom 24.4. 1963 (Zustimmungsges. vom 26. 8. 1969, BGBl. II 1485, noch nicht in Kraft getreten; der Inhalt der WÜD gilt als Niederschlag der allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts). Die in diesen Abkommen vorgesehene Exemption in strafrechtlichen Angelegenheiten entspricht der Regelung der §§ 18 bis 21 GVG, während die Exemption in nichtstrafrechtlichen Angelegenheiten hinter dem Schutz der §§ 18 ff. zurückbleibt. Initiativanträge aus der Mitte des Bundestags zielen auf die Aufhebung der §§ 18 bis 20 GVG (vgl. BT-Drucks. VI/3604 und dazu DRiZ 1972 324). Diese Reformbestrebungen sind für die nachfolgenden Erläuterungen, die nur die Ausnahme von der deutschen Strafgerichtsbarkeit zum Gegenstand haben, ohne Bedeutung.

2646

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 18

Anm. 3 3. Kreis der Exterritorialen. Ausgenommen von der deutschen Gerichtsbarkeit sind nach § 18: a) die Leiter und Mitglieder der bei der Bundesrepublik Deutschland beglaubigten diplomatischen Vertretungen. D a nach Art. 32 Abs. 1 G G die Pflege der Beziehungen zu aus wärtigen Staaten Sache des Bundes ist. sind diplomatische Vertretungen nur bei der Bundesrepublik. nicht bei den Ländern möglich. „Leiter" diplomatischer Vertretungen sind Botschafter. Gesandte. Ministerresidenten. Geschäftsträger; „Mitglieder" sind vor allem Botschafts- und Gesandschaftsräte. Legationssekretäre und Attachés. Militär- und andere Sonderattachés sowie die Botschafts- (Gesandtschafts-) -ärzte und -pfarrer. Wegen des Geschäftspersonals der diplomatischen Vertretungen vgl. § 19. Nach Nr. 202 RiStBV gibt das Ausw. Amt an Personen, die nach seiner Auffassung von der deutschen Gerichtsbarkeit befreite Angehörige diplomatischer Vertretungen sind. Diplomatenausweise aus. Die Auffassung des Ausw. Amts bindet aber die Gerichte nicht; diese haben vielmehr über die Frage der Exterritorialität selbständig zu entscheiden ( O L G Darmstadt J W 1927 2324: LG Heidelberg N J W 1970 1515: Nr. 201 Abs. 2 RiStBV). b) andere Personen, die nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind nach Art. 25 G G unmittelbar geltendes Bundesrecht. Ist in einem Rechtsstreit zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechts eine allgemeine und damit Bestandteil des Bundesrechts ist. so ist nach Art. 100 Abs. 2 G G vom Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, die nach § 31 BVerfGG bindende Wirkung hat. Nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts (über diesen Begriff vgl. BVerfGE 16 27. 33 = N J W 1963 1732. 1733: Regeln, die von der weitaus größeren Zahl der Staaten — nicht notwendigerweise auch von der Bundesrepublik — anerkannt werden) sind von der inländischen Gerichtsbarkeit befreit aa) ausländische Staatsoberhäupter, bei Besuchen auch begleitende Familienangehörige und Gefolge, bb) Gesandte bei fremden Staaten, die ohne längeren Aufenthalt durchreisen, cc) Vertreter fremder Staaten auf internationalen Kongressen und Konferenzen, fremde Mitglieder zwischenstaatlicher Abordnungen mit repräsentativem Charakter, fremde Mitglieder internationaler Schiedsgerichte, dd) fremde Truppenkörper. wenn sie in Friedenszeiten ein fremdes Herrschaftsgebiet mit Erlaubnis seiner Regierung betreten, soweit sie zur Erfüllung einer dienstlichen Aufgabe ihres Heimatstaates tätig werden (RGSt. 52 167), ee) Besatzungen ausländischer Kriegsschiffe und anderer hoheitlichen Zwecken dienender Staatsschiffe und -luftfahrzeuge. solange sie sich an Bord oder mit Erlaubnis des Aufenthaltsstaates in geschlossenen Abteilungen an Land befinden, ff) Eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts ist es ferner, daß ein Staat der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates in solchen Fällen nicht unterliegt, die Hoheitsakte des fremden Staates zum Gegenstand haben. Dagegen bestanden Zweifel, ob es eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts ist. daß Staaten auch dann der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates entzogen sind, wenn nichthoheitliche Bestätigungen (privatrechtliche Handlung und privatrechtliche Rechte) den Gegenstand des Streits bilden. Die früher in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. die Nachweise in Anm. 2 b der 20. Aufl.) überwiegend vertretene sog. absolute Immunitätstheorie bejahte dies. Danach erstreckte sich die inländische Gerichtsbarkeit auf fremde Staaten und ihre Oberhäupter nur, soweit sich diese ihr freiwillig unterwerfen oder dingliche Klagen wegen unbeweglicher, im Inland befindlicher Sachen gegen sie erhoben werden. In neuerer Zeit ist demgegenüber die sog. restriktive Theorie, die den Ausschluß der inländischen Gerichtsbarkeit und Hoheitsakte des fremden Staates beschränkt wissen will, in den Vordergrund getreten (Nachweise in der 20. Aufl. aaO.). Ihr hat sich BVerfGE 16 27. 33: N J W 1963 1732 (s. auch B G H VersR 1966 652) angeschlossen. Danach besteht keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr, nach der die inländische Gerichtsbarkeit für Klagen gegen einen ausländischen Staat in bezug auf seine nichthoheitliche Betätigung ausgeschlossen ist. Maßgebend für die vielfach schwierige Unterscheidung zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Staatstätigkeit ist die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses, nicht aber Motiv oder Zweck der Staatstätigkeit. Es kommt darauf an. ob der ausländische Staat öffentlich-rechtlich in Ausübung der ihm zustehenden Hoheits2647

§ 18

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 4, 5 gewalt oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich tätig geworden ist. Die Q u a l i f i kation als hoheitliche oder nichthoheitliche Staatstätigkeit ist grundsätzlich nach nationalem Recht vorzunehmen. Wegen des Verfahrens bei Klagen gegen die Deutsche Demokratische Republik vgl. B G H DRiZ 1962 211; O L G Braunschweig J R 1954 263. c) Personen, die nach einem Staatsvertrag von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind. Die Leiter verschiedener überstaatlicher („supranationaler") und zwischenstaatlicher („internationaler") Organisationen, ihre Vertreter und eine Reihe von Beamten dieser Organisationen. genießen auf Grund internationaler Abmachungen und innerstaatlichen Rechts (vgl. Gesetz vom 22. 6. 1954 - BGBl. II S. 639 - zuletzt geändert durch Ges. v. 28. 2. 1964 — BGBl. II 187 —) Vorrechte und Befreiungen, deren Ausmaß sich nach den jeweiligen Vereinbarungen und etwaigen innerstaatlichen Vorschriften richtet. Im allgemeinen sind die Leiter der Organisationen und ihre Stellvertreter diplomatischen Vertretern gleichgestellt, während die übrigen Beamten der Organisationen nur beschränkte Vorrechte und Befreiungen genießen. Zum Teil werden den Mitgliedern bestimmter Gremien Vorrechte und Befreiungen ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit verliehen. Eine Liste der für die Bundesrepublik wichtigsten überstaatlichen und zwischenstaatlichen Organisationen, deren Leiter und Beamte besondere Vorrechte genießen, ist als Anl. II dem unten in Anm. 7 angeführten Rundschreiben vom 12. 4. 1970 beigefügt. d) Personen, die durch besonderes deutsches Gesetz für exterritorial erklärt sind. Die zu b) und c) genannten Personen erhalten, anders als die Angehörigen beglaubigter diplomatischer Vertretungen, im allgemeinen keine Ausweise des Ausw. Amtes (Nr. 208 Abs. 2 RiStBV). 4. Die verfahrensrechtliche Wirkung der Befreiung (die materiellrechtliche Wirkung — persönlicher Strafausschließungsgrund oder fehlendes jus puniendi des Aufenthaltslandes? — ist streitig; vgl. E b S c h m i d t 1) von der deutschen Gerichtsbarkeit besteht darin, daß gegenüber den befreiten Personen Handlungen, die eine Ausübung der inländischen Gerichtsbarkeit darstellen, grundsätzlich unzulässig sind. Ein völliger Verzicht auf die Exterritorialität im Einzelfall ist grundsätzlich nur mit Einwilligung des Entsendestaates zulässig ( K e r n . GerichtsverfRecht § 5 B; K l 4). Möglich sind dagegen Verzichte gegenüber einzelnen Maßnahmen, z. B. Zustimmung zu einer Vernehmung oder zum Betreten von Wohnund Diensträumen (vgl. Nr. 205 bis 207 RiStBV). Das Fehlen der Gerichtsbarkeit stellt ein Verfahrenshindernis dar; ein gegen die befreite Person gleichwohl ergehendes Strafurteil ist nichtig (vgl. Einleitung S. 96, 185). Die persönliche Befreiung erstreckt sich grundsätzlich auch auf Wohn- und Diensträume der befreiten Person (BVerfG N J W 1963 435. 437). In diesen dürfen daher Amtshandlungen, durch die die deutsche Gerichtsbarkeit ausgeübt wird, auch nicht gegenüber Personen vorgenommen werden, die nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind (RiStBV Nr. 207 Abs. 1). ohne daß damit ein Asylrecht für die nichtexterritorialen Personen begründet wäre und ohne daß Wohn- und Diensträume den Charakter des inländischen Begehungsorts i. S. der §§ 3. 4 StGB verlören (RGSt. 69 54). Über das Verhalten der Justizbehörden gegenüber Exterritorialen enthalten die Nr. 201 ff. RiStBV nähere Weisungen. Für die Zustellung von Schriftstücken, z. B. von Ladungen oder Urteilen. ist stets die Vermittlung des Auswärtigen Amts in Anspruch zu nehmen; wenn jedoch ein Exterritorialer als Privat- oder Nebenkläger durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Rechtsanwalt vertreten ist. kann nach § 378 StPO an letzteren zugestellt werden (Nr. 204 Abs. 7). Kommen Exterritoriale als Zeugen in Betracht, so sind Zwangsmaßnahmen jeder Art unzulässig (Nr. 205. 206). 5. Dauer der Befreiung — Die Befreiung von der inländischen Gerichtsbarkeit dauert nur so lange wie die Exterritorialität selbst. Endet sie, so ist auch die Verfolgung der während ihrer Dauer begangenen Straftaten wieder zulässig (vgl. KG-PrJMBl. 1900 579; B i n d i n g Hdb. 686; B e l i n g . Die strafrechtliche Bedeutung der Exterritorialität 93; a. M. E b S c h m i d t 11). Zur Frage der Beendigung der Exterritorialität, wenn der Empfangsstaat dem Absendestaat mitteilt, der Betreffende sei ihm nicht als Diplomat genehm, vgl. L G Heidelberg N J W 1970 1514; O L G Darmstadt Z S t W 4 8 H R R 3 106). Der fremde Staat kann auf die Exterritorialität verzichten (LG Bremen N J W 1955 1450). 2648

Erster Titel. Gerichtsbarkeit (Schäfer)

§ 1 8 Anm. 6, 7 § 19 Anm. 1 - 3

6. Nato-Truppenstatut. Wegen der Gerichtsbarkeit über die in der Bundesrepublik stationierten Truppen fremder Entsendestaaten gelten die besonderen Bestimmungen des NatoTruppenstatuts und der Zusatzvereinbarungen (Ges. vom 18.8. 1961. BGBl. II 1183. in Kraft seit 1. 7. 1963 gem. Bek. vom 16. 6. 1963. BGBl. I 428; BGBl. II 745). Ihre Darstellung muß dem Spezialschrifttum überlassen bleiben (vgl. z. B. W i t z s c h . Deutsche Strafgerichtsbarkeit über die Mitglieder der US-Streitkräfte und deren beeleitende Zivilpersonen. Karlsruhe 1970). 7. Richtlinien. Neben den Nr. 201 ff. RiStBV gibt es eingehende Richtlinien des Bundesinnenministers über das Verhalten der Behörden gegenüber Diplomaten und anderen bevorrechtigten Personen, die auch für das Verhalten der Strafverfolgungsbehörden bedeutsam sind. Das Rundschreiben des BM Innern vom 5. 3. 1958 (GMB1. 118) war in Anm. 6 der Vorauflage abgedruckt. Es wurde ersetzt durch das Rundschreiben des BM Innern vom 1. 2. 1966 (GMB1. 126). an dessen Stelle das Rundschreiben vom 12. 4. 1970 (GMB1. 218; auszugsweise abgedr. auch bei Kl 8) getreten ist. Von seinem Abdruck wird aus Raumersparnisgründen abgesehen.

§ 19 Für die Familienmitglieder, das Geschäftspersonal der im § 18 genannten Personen und für ihre Bediensteten, die nicht Deutsche sind, gilt die Vorschrift des § 18 entsprechend. Entstehungsgeschichte: Entw. § 7. Das Ges. vom 13. 12. 1934 (RGBl. I 1233) hatte die Erstreckung der Exterritorialität auf die Familienmitglieder, das Geschäftspersonal und nichtdeutsche Bedienstete von Leitern und Mitgliedern diplomatischer Vertretungen in den Abs. 2 und 3 des § 18 n. F. geregelt. § 19 i. d. F. des Ges. 1934 bestimmte, daß. wenn ein Leiter oder Mitglied einer diplomatischen Vertretung oder ein Mitglied ihrer Familie oder ihres Geschäftspersonals die Reichsangehörigkeit besitze, diese Person von der deutschen Gerichtsbarkeit nur befreit sei, wenn das Reich sich der Gerichtsbarkeit über sie durch eine Verfügung der Reichsregierung begeben habe. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat inhaltlich den vor dem Ges. 1934 geltenden § 19 wiederhergestellt; die Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Text sind nur redaktioneller Natur. 1. Über die Bedeutung des Relativsatzes „die nicht Deutsche sind" besteht Streit. Nach dem Sprachsinn bezieht er sich nur auf Bedienstete der in § 18 genannten Personen. Nach der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. W i e c z o r e k A I I ; R o s e n b e r g . Lehrb. 69; Kl 1) erstreckt er sich dagegen auch auf die Familienmitglieder und das Geschäftspersonal. Dem folgen die in Anm. 7 zu § 18 bezeichneten Richtlinien vom 12. 4. 1970. die für das Verhalten weisungsgebundener Verfolgungsorgane maßgebend sind, unter II A Nr. 2 - 4 . 2. Der Kreis der Familienangehörigen, die an der Exterritorialität der in § 18 genannten Personen teilhaben, ist zwar nach dem Wortlaut des § 19 nicht beschränkt. Die notwendige Begrenzung ergibt sich aber aus dem Sinn des § 19. dem nach § 18 Exterritorialen die zu ihm gehörenden Familienangehörigen gleichzustellen. § 19 erfaßt demgemäß, soweit es sich um Leiter und Angehörige diplomatischer Vertretungen handelt, nur die ihren Hausstand teilenden Familienangehörigen (LG Köln MDR 1962 903 und II A 2, 3 der in Anm. 1 genannten Richtlinien). Der Entw. EGStGB 1930 Art. 68 Ziff. 1 wollte dies förmlich aussprechen. wie es denn auch durch § 18 Abs. 2 i. d. F. des Ges. vom 13. 12. 1934 geschehen ist; nach Nr. 202 RiStBV erhalten auch nur solche Familienangehörige den roten Diplomatenausweis. Bei den in Anm. 3 b zu § 18 bezeichneten Exterritorialen fallen nur die sie begleitenden Familienangehörigen unter § 19. 3. Zum Geschäftspersonal der diplom. Vertretungen rechnet das gesamte amtliche Hilfspersonal (z. B. Kanzler. Dolmetscher, Schreibkräfte. Kraftfahrer. Pförtner und Amtsgehilfen), ohne daß zwischen Beamten und Angestellten unterschieden wird. Sie erhalten vom Auswärtigen Amt einen blauen Ausweis. Nr. 202 RiStBV. 2649

§ 19 Anm. 4 § 20; § 21 Anm. 1 - 3

Gerichtsverfassungsgesetz

4. Zu den Bediensteten gehören die Personen, die den Angehörigen der diplomatischen Vertretungen persönliche Dienste leisten wie persönliche Diener. Fahrer. Hauslehrer. Erzieherinnen und Raumpflegerinnen. Sie nehmen an der Exterritorialität nur teil, wenn sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit (i. S. des Art. 116 GG) besitzen, und die Exterritorialität ist auch dann ausgeschlossen, wenn sie neben der deutschen noch eine fremde Staatsangehörigkeit haben. Auch die bediensteten Exterritorialen erhalten vom Ausw. Amt einen grünen Ausweis. Darin kommt zum Ausdruck, daß nach den Grundsätzen und Gepflogenheiten des Völkerrechts der nichtdeutsche Bedienstete eines bei der Bundesrepublik beglaubigten Vertreters eines fremden Staats nur dann als von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit gelten kann, wenn seine Anwesenheit und sein Verhältnis zu dem ausländischen Vertreter den deutschen Behörden angezeigt worden sind (OLG München HRR 1940 Nr. 336). §20 Durch die Vorschriften der §§ 18, 19 werden die Vorschriften über den ausschließlichen dinglichen Gerichtsstand in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nicht berührt. §21 Die in der Bundesrepublik Deutschland angestellten Konsuln sind der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen, sofern nicht in Verträgen der Bundesrepublik mit anderen Mächten Vereinbarungen über die Befreiung der Konsuln von der inländischen Gerichtsbarkeit getroffen sind. 1. Beschränkte Befreiung. Die Konsuln, gleichviel, ob Berufs- oder Wahlkonsuln, sowie die Konsulatsangehörigen, werden grundsätzlich nicht als diplomatische Personen anerkannt. Sie können das Recht der Exterritorialität nur in Anspruch nehmen, soweit es ihnen durch Staatsvertrag besonders eingeräumt ist (§21) oder nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts (§ 18 Satz 2; Art. 25 GG; Nr.208 RiStBV) zusteht. Nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die auch in Art. 43, 59 der Wiener Konvention über die konsularischen Beziehungen — WUK — vom 24.4. 1963 (Anm. 2 zu § 18) ihren Niederschlag gefunden haben, steht Berufs- und Wahlkonsuln Befreiung von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates nur für Handlungen zu, die sie in amtlicher Eigenschaft vorgenommen haben — Amtsimmunität —, ferner steht ihnen zu die Unverletzlichkeit des Konsulararchivs und der sonstigen amtlichen Akten und Schriftstücke, wenn diese von Privatpapieren getrennt gehalten werden (vgl. II C. D und IV A der in Anm. 7 zu § 18 genannten Richtlinien; ferner Anm. I 2 zu § 94 StPO und J a b l o n e r - F u g g e r NJW 1964 712; S t e i n m a n n MDR 1965 706 über die Abgrenzung der Exterritorialität konsularischer Funktionäre in der WUK 1963). Ob bei Straftaten als KFZ-Führer im Straßenverkehr eine in amtlicher Eigenschaft, d. h. in Ausübung konsularischer Tätigkeit vorgenommene Handlung vorliegt, hängt davon ab, ob zwischen dem Zweck der Fahrt und der konsularischen Tätigkeit ein solcher innerer und äußerer Zusammenhang besteht, daß die Fahrt selbst noch der konsularischen Tätigkeit zuzurechnen ist; das ist z. B. bei der Heimfahrt von den Konsulatsräumen zur Privatwohnung im allgemeinen zu verneinen (OLG Hamm GA 1967 286). 2. Freiheitsentziehende Maßnahmen. Nach Art. 41 Abs. 1 WÜK (s. auch IV B 2 der in Anm. 7 zu § 18 genannten Richtlinien) unterliegen „Konsularbeamte keiner Festnahme oder Untersuchungshaft, es sei denn wegen einer schweren strafbaren Handlung und auf Grund einer Entscheidung der zuständigen Justizbehörde". Die in einem Konsularvertrage (vgl. Anm. 2 zu § 5 EGStPO) den Konsularbeamten zugesicherte „persönliche Immunität von Verhaftung und Gefangenhaltung" steht der Strafverfolgung vor den inländischen Gerichten nicht entgegen, schließt vielmehr nur Verhaftung und vorläufige Festnahme aus, und auch diese nur so lange, als der Beschuldigte die Eigenschaft eines Konsularbeamten in dem Staat besitzt, in dem das Verfahren stattfindet (RGSt. 17 51). 3. Wegen des Verkehrs der Justizbehörden mit ausländischen konsularischen Vertretungen, die ihren Sitz in der Bundesrepublik haben, vgl. Nr. 27 RiStBV. 2650

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäfts Verteilung (Schäfer)

Vor § 2 1 a Anm. 1, 2

ZWEITER TITEL Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung Vorbemerkung 1. Entstehungsgeschichte. Der Zweite Titel (§§ 21 a bis 21 i) ist — unter Beseitigung der bisherigen Überschrift („Zwejter Titel. Gerichtsbarkeit") vor § 12 — eingefügt worden durch Art. II Nr. 4 des Ges. zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). das am 1. 10. 1972 in Kraft trat (nur § 21 b Abs. 5 trat bereits am 1. 6. 1972 in Kraft, Art. XIII § 5 Abs. 1 des Ges.). Der 2. Titel wird ergänzt durch den durch das gleiche Gesetz neugefaßten § 22 a und den neu eingefügten § 22 b. Der 2. Titel ist an die Stelle der Vorschriften getreten, die bisher die Bildung, Zusammensetzung und den Aufgabenbereich des Präsidiums und die Art der Geschäftsverteilung bei den Gerichten regelten (§§ 22 a bis 22c, 61 bis 69, 117. 131 a. F.); diese Vorschriften wurden aufgehoben oder — § 117 — geändert. 2. Die Grundgedanken der Neuregelung a) Präsidien bei allen Gerichten. Ein Präsidium besaßen bisher alle Kollegialgerichte (Landgericht, Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof). Die mit mehreren Richtern besetzten Amtsgerichte hatten ein eigenes Präsidium nur, wenn es sich um ein besonders großes, d. h. mit einem Präsidenten besetztes Amtsgericht handelte (§ 22 a a. F.). Bei den übrigen Amtsgerichten regelte das Präsidium des übergeordneten Landgerichts die Verteilung der Geschäfte unter die Richter des Amtsgerichts und ihre Vertretung in Verhinderungsfällen. W a r jedoch einem Amtsgerichtspräsidenten von der Justizverwaltung die Dienstaufsicht über andere im Bezirk des übergeordneten Landgerichts gelegene Amtsgerichte übertragen, so trat das Präsidium des großen Amtsgerichts an die Stelle des Präsidiums des Landesgerichts (§ 22 c a. F.). Nunmehr bestimmt § 21 a Abs. 1, daß bei jedem Gericht — mit Ausnahme der nur mit einem Richter besetzten Amtsgerichte (vgl. I zu § 21 a) — ein Präsidium gebildet wird. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß das Präsidium ein „zentrales Organ der richterlichen Selbstverwaltung" ist und deshalb kein Gericht dieses Organ entbehren kann (Begr. z. Entw. S. 15). b) Die Zusammensetzung des Präsidiums war bisher (§§ 64, 117. 131 a. F.) unterschiedlich, je nachdem es sich um kleine oder große — mit mehr als 10 Vorsitzenden Richtern (LGDirektoren beim LG, Senatspräsidenten beim O L G ) besetzte — Kollegialgerichte handelte. Bei den „kleinen" Gerichten bestand das Präsidium nur aus „geborenen" Mitgliedern (dem Präsidenten, den Vorsitzenden Richtern und den beiden dienstältesten Mitgliedern — Land- oder Oberlandesgerichtsräten —). Bei den „großen" Kollegialgerichten setzte sich das Präsidium teils aus „geborenen" Mitgliedern (dem Präsidenten, seinem ständigen Vertreter und den 8 ältesten Vorsitzenden Richtern), teils aus „gekorenen" Mitgliedern zusammen, nämlich 3 „von der Gesamtheit der Mitglieder des Gerichts" gewählten Land- oder Oberlandesgerichtsräten. Die Einzelheiten der Wahl (aktives und passives Wahlrecht, Wahlvorgang) und die Folgen einer fehlerhaften Wahl nach innen (Anfechtbarkeit?) und außen (Anfechtung der Entscheidungen des Spruchkörpers, dessen Besetzung von einem fehlerhaft gebildeten Präsidium beschlossen war), waren nur summarisch oder gar nicht geregelt. Das neue Recht (§ 2 1 a ) beruht auf dem Gedanken, daß sich das Präsidium möglichst aus von den Richtern des Gerichts „gekorenen" Mitgliedern zusammensetzt. Denn — so Begr. S. 15 — „die Selbstverwaltung ist eine Angelegenheit aller Richter des Gerichts. Sie wird nach außen sichtbar durch die Verteilung der Geschäfte auf die einzelnen Spruchkörper und die Verteilung des Vorsitzes in den einzelnen Spruchkörpern. Es erscheint daher notwendig und folgerichtig, jedem Richter des Gerichts zumindest eine Einflußnahme auf die Zusammensetzung des diese Geschäfte ausführenden Gremiums zu ermöglichen. Allen Richtern — nicht nur den nach ihrer Dienststellung herausgehobenen und zugleich dienstältesten Richtern — des Gerichts sollte eine Mitwirkung in diesem Gremium möglich sein". „Geborene" Mitglieder sind nur die Gerichtspräsidenten (bei Amtsgerichten ohne Präsidenten der aufsichtsführende Richter) als Vorsitzende; weitere Ausnahmen ergeben sich aus

2651

Vor § 21 a Anm. 3

Gerichtsverfassungsgesetz

§ 21 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 Halbsatz 2. Die Zahl der Mitglieder ist nach der G r ö ß e des Gerichts (der Zahl seiner Richterplanstellen) abgestuft. Die Hälfte der gewählten Richter muß aber bei den Kollegialgerichten aus Vorsitzenden Richtern bestehen; denn „die Arbeit im Präsidium erfordert neben der fachlichen Befähigung insbesondere Personalkenntnisse und Erfahrung; beides ist am ehesten bei den Vorsitzenden der Spruchkörper zu erwarten" (Begr. S. 16). Über die Wahl trifft das neue Recht eingehende Regelungen, die teils unmittelbar im Gesetz, teils in einer RechtsVO über das Wahlverfahren enthalten sind (§ 21 b Abs. 1 bis 5). Es regelt insbesondere die Folgen einer fehlerhaften Wahl nach innen und außen (§ 2 1 b Abs. 6). Schließlich ist neu die Bestimmung über die Beschlußfähigkeit des Präsidiums (§ 21 i). c) Die Aufgaben des Präsidiums bestanden bisher hauptsächlich (vgl. ergänzend Anm. II 2 zu § 21 e) in der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans. Er umfaßte die Verteilung der Geschäfte des Gerichts unter die Spruchkörper (Abteilungen des Amtsgerichts, Kammern des Landgerichts. Senate des O L G und des B G H ) derselben Art, die Besetzung der Spruchkörper und die Regelung der Vertretung, ferner die Bestellung der Untersuchungsrichter und der Ermittlungsrichter des O L G und des B G H (§§ 61 Abs. 2 a. F. G V G , 168 a Abs. 3, 186 a. F. StPO). Jedoch war die Verteilung des Vorsitzes in den Spruchkörpern, soweit der Gerichtspräsident nicht den Spruchkörper bestimmte, dem er sich anschloß, Sache des Vorsitzenden-Kollegiums („Direktorium". ..Senatorium"; § 62 a. F.). D a s neue Recht hat das Direktorium (Senatorium) beseitigt und die im übrigen aufrechterhaltenen Aufgaben des Präsidiums um die Aufgaben des bisherigen Vorsitzendenkollegiums erweitert, weil es „nicht erforderlich und auch nicht gerechtfertigt" sei. die Verteilung des Vorsitzes als eines Teils der Geschäftsverteilung dem Präsidium als dem ..zentralen" Organ der richterlichen Selbstverwaltung zu entziehen (Begr. S. 16). 3. Z u m Werdegang der Neuregelung. Der Gesetz gewordene neue „Zweite Titel" entspricht in den wesentlichen Grundgedanken dem von der Bundesregierung unter dem 19. 3. 1970 beim Bundestag eingebrachten Entw. eines Gesetzes zur Regelung der Amtsbezeichnungen der Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte (BT-Drucks. VI/557). Die vorausgegangenen sehr unterschiedlichen Auffassungen, die in der interessierten Öffentlichkeit über die Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit der Einbringung des Entw. zu diesem Zeitpunkt und über die Vorschläge des Entw. im einzelnen zu Tage traten, darzustellen, ist nicht Aufgabe des Kommentars. Der Entw. wurde in 1. Lesung vom Bundestag (42. Sitzung vom 15.4. 1970) dem Rechtsausschuß federführend und dem Innenausschuß mitberatend überwiesen. Der Rechtsausschuß beriet den Entw. in 7 Sitzungen in der Zeit vom 3. 12. 1970 bis 11. 11. 1971; dabei wurden als Sachverständige Richter der einzelnen Stufen und Zweige der Gerichtsbarkeit sowie Verbandsvertreter in zwei öffentlichen Sitzungen angehört. Der Rechtsausschuß beschloß eine Reihe von Änderungen und Ergänzungen, die bei den einzelnen Vorschriften an gehöriger Stelle darzustellen sind; die Einzelheiten ergeben sich aus dem schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses vom 3. 12. 1971 (BT-Drucks. VI/2903). Die wesentlichste von der Mehrheit des Ausschusses gegen die Stimmen der Opposition beschlossene Änderung, soweit es sich um den hier allein interessierenden „Zweiten Titel" des G V G handelt, bestand darin, daß — abweichend vom RegEntw. — nicht mehr die Hälfte der gewählten Mitglieder des Präsidiums aus Vorsitzenden Richtern bestehen, sondern — von dem Präsidenten oder aufsichtsführenden Richter als Vorsitzendem des Präsidiums abgesehen — alle Mitglieder allein durch Wahl aller Richter des Gerichts bestimmt werden sollten. Der vom Rechtsausschuß erarbeitete Entw. wurde in der 159. Sitzung des Bundestags am 15. 12. 1971 in 2. und 3. Lesung beraten (Prot. S. 9140 bis 9163). Dabei hielt die Opposition ( C D U / C S U ) an ihrer Ablehnung der im Rechtsausschuß beschlossenen Zusammensetzung des Präsidiums fest. Ihr Sprecher (vgl. Abg. Dr. Jaeger, Prot. S. 9145) sah die bisherige Regelung, daß der größte Teil der Mitglieder des Präsidiums „geborene" Mitglieder aus dem Kreis der Vorsitzenden Richter sind, als sinnvoll an, beantragte aber, daß wenigstens die Hälfte der Präsidiumsmitglieder aus Vorsitzenden Richtern bestehe. Die Bundestagsmehrheit entschied sich für den Vorschlag des Rechtsausschusses. Dagegen rief der Bundesrat den Vermittlungsausschuß an (vgl. BTDrucks. VI/3 145, teilw. abgedr. auch DRiZ 1972 103. und Bericht über die 376. Sitzung des Bundesrats vom 9. 2. 1972 Prot. S. 454). Das Ergebnis der Erörterungen im Vermittlungs-

2652

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 a Anm. 4, 5

ausschuß war der Vorschlag auf Wiederherstellung des Regierungsentwurls in diesem Punkte. Der Bundestag stimmte in der 178. Sitzung am 16. 3. 1972 diesem Vorschlag (vgl. Prot. S. 10325 ff.),der Bundesrat (vgl. Bericht über die 378. Sitzung vom 24. 3. 1972 S. 490) dem Beschluß des Bundestages zu. 4. Zur Entstehungsgeschichte der §§22a—c, § § 6 1 bis 69 a. F.. Inwieweit die neuen §§ 2 1 a ff. das bisherige Recht ersetzen und inwieweit die auf dem Boden des bisherigen Rechts herausgebildete Rechtsprechung weiterhin von Bedeutung ist oder ihre Bedeutung verloren hat. ist jeweils bei den einzelnen Vorschriften dargestellt. Im übrigen kann für die Auslegung der neuen Vorschriften des 2. Titels auch die Entstehungsgeschichte dieser bisher die Präsidialverfassung regelnden Vorschriften, die Kenntnis der eingefügten oder den ursprünglichen Text ändernden Vorschriften von Bedeutung sein. Es sind dies a) zu §§ 2 2 a bis 2 2 c a. F.: §§ 5, 6 der VO vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403). §§ 2 2 a bis d i. d. F. der VO des Zentraljustizamts der britischen Besatzungszone vom 9. 9. 1948 (VOB1. BZ 261); Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950 (vgl. ausführlicher Anm. l a zu § 2 2 a in der Voraufl.) b) zu § 61 a. F.: § 7 Abs. 3 der VO vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403) c) zu § 62 a. F.: VO vom 4. 1. 1924 § 11 Abs. 3 (RGBl. I 16). Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 307). Durch das Ges. vom 4. 7. 1933 (RGBl. I 451) wurden Absatz 2 Satz 1 der seit der Bek. vom 22. 3. 1924 in Kraft gewesenen Fassung nach § 64 Abs. 1. ferner Absatz 1 Satz 2 (zweiter Satzteil) und Absatz 2 Satz 2 nach § 64 a Abs. 4 überführt (sachlich unverändert). Durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 wurde der bisherige Satz 1 (betr. Vorsitz im Plenum) gestrichen, der Satz 2 durch Einfügung von „ständiges" vor ..Mitglied" und Anfügung des Nebensatzes („das vom . . . wird") ergänzt und ein Absatz 2 (unter Änderung des § 63 a. F.) eingestellt. Durch § 85 Nr. 5 D R i G wurden in § 62 Abs. 1 Satz 2 die Worte „und in der Kammer für Handelssachen (§ 105 Abs. 1)" eingefügt. d) zu § 63 a.F.: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 307). Ges. vom 4. 7. 1933 (RGBl. I 45 1). VO vom 20. 3. 1935 (RGBl. 1403), Art. 7 Abs. 1. Durch das Ges. über die Geschäftsverteilung bei den Gerichten vom 24. 11. 1937 (RGBl. I 1286) wurden unter Aufhebung der §§ 63 bis 64 a a. F., das Präsidium beseitigt und die ihm bisher obliegenden Aufgaben auf die Präsidenten der Gerichte als Justizverwaltungsangelegenheit übertragen. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 stellte die Rechte des Präsidiums wieder her mit der Maßgabe. daß die nach § 63 a. F. ebenfalls dem Präsidium zustehende Aufgabe, die Vorsitzenden der einzelnen Kammern zu bestimmen, einem anderen richterlichen Gremium, dem Vorsitzendenkollegium (§ 62 Abs. 2 n. F.) übertragen wurde. e) zu § 64 a. F.: vgl. Anm. II 1 zu § 21 a. f) zu § 65 a. F.: ursprüngliche und nicht geänderte Vorschrift. g) zu § 66 a. F.: Ges. vom 8. 7. 1922 Art. I Nr. 3 (RGBl. I 569). Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 307): Ges. vom 4. 7. 1933 (RGBl. I 451); Ges. vom 27. 10. 1933 (RGBl. I 780) Art. 3; VO vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403) § 7 Abs. 1. Durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 wurde § 66 Abs. 1 Satz 2 (betr. Bestellung des regelmäßigen Vertreters der kleinen Strafkammer) gestrichen. Die früheren Absätze 2, 3 wurden (ohne sachliche Änderung) in Absatz 2 zusammengefaßt. h) zu § 67 a. F.: ursprüngliche und nicht geänderte Vorschrift. i) zu § 68 a. F.: aufgehoben durch § 85 Nr. 6 D R i G 1961. j) zu § 69 a. F.: Durch Art. 11 Nr. 3 S t P Ä G vom 19. 12. 1964 (BGBl. I 1067) wurde Absatz 2 eingefügt; Absatz 1 war eine ursprüngliche, nicht geänderte Vorschrift. 5. Übergangsrecht. Das Gesetz vom 2 6 . 5 . 1972 ist am 1. 10. 1972 in Kraft getreten (Art. XIII § 5 Abs. 1). Nach § 5 Abs. 2 aaO. gelten jedoch für das an diesem Tag laufende Geschäftsjahr [d.h. das Geschäftsjahr vom 1. 1. bis 31. 12. 19721 die „bisherigen Vor-

2653

V o r § 2 1 a Anm. 6

Gerichtsverfassungsgesetz

§ 2 1 a Anm. I; II 1 Schriften über die Zusammensetzung und die Aufgaben des Präsidiums fort". D a der Geschäftsverteilungsplan für das am 1. 1. 1973 beginnende Geschäftsjahr gemäß § 21 e Abs. 1 Satz 2 n. F. G V G vor dem 1.1. 1973 beschlossen sein mußte, mußte ihn das alte Präsidium aufstellen (a. M. N a w o t k i und R u d o l p h D R i Z 1972 388, 425)*. Dieses beschloß auch bei sinngemäßer Auslegung des § 5 Abs. 2 in der Zeit vom 1. 10. bis 31. 12. 1972 über Änderungen des Vorsitzes in den Spruchkörpern, wenn auch nach den „bisherigen Vorschriften" dies nicht zu den Aufgaben des Präsidiums gehörte. In gleicher Weise war in der Zeit vom 1. 10. bis 31. 12. 1972 das Präsidium zuständig, bei Neuernennung von Vorsitzenden Richtern über deren Zuteilung zu einem Spruchkörper zu beschließen, denn dem bisherigen Vorsitzenden = Kollegium (§ 62 a. F.) sollten nach dem erkennbaren Willen des Gesetzes („Aufgaben des Präsidiums") nach dem 1. 10. 1972 insoweit keine Befugnisse mehr zustehen (ebenso N a w o t k i aaO.; S t a n i c k i D R i Z 1972 415; zweifelnd S c h o l z DRiZ 1972 301,303). 6. Schrifttum: S c h o l z . Die neuen Präsidien und ihre Wahl. DRiZ 1972 301: zum gleichen Thema N a w o t k i DRiZ 1972 388; S t a n i c k i D R i Z 1972 415.

§ 21 a (1) Bei jedem Gericht wird ein Präsidium gebildet. (2) Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten oder aufsichtsführenden Richter als Vorsitzenden und 1. bei Gerichten mit mindestens zwanzig Richterplanstellen aus acht gewählten Richtern, 2. bei Gerichten mit mindestens acht Richterplanstellen aus vier gewählten Richtern, 3. bei den anderen Gerichten aus den nach § 21 b Abs. 1 wählbaren Richtern. Die Hälfte der gewählten Richter sind bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten und beim Bundesgerichtshof Vorsitzende Richter; sind bei einem Gericht nicht mehr als die hiernach zu wählenden Vorsitzenden Richter vorhanden, so gelten diese als gewählt. I. Z u Absatz 1. Der durch das Ges. vom 26. 5. 1972 eingefügte § 21 a stellt in Absatz 1 klar, daß bei jedem Gericht ein eigenes Präsidium zu bilden ist (vgl. dazu Vorbem. 2 a). Absatz 2 regelt die Größe und die Zusammensetzung des Präsidiums. § 21 a ersetzt die bisherigen Bestimmungen in § 22 a Abs. 1. 2, § 22 c Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 64 Abs. 2, 3 und § § 1 1 7 . 131 a. F.. soweit sie den § 64 Abs. 2, 3 — teils in vollem Umfang (§ 117). teils mit Änderungen (§ 131) — für anwendbar erklärten. Der Wortlaut des § 2 1 a Abs. 1 ist allerdings insofern unzutreffend, als bei dem nur mit einem Richter besetzten Amtsgericht ein Präsidium nicht besteht (vgl. Anm. 1 b zu § 22 b). Korrekt müßte Absatz 1 lauten: „Bei jedem mit mehr als einem Richter besetzten Gericht wird ein Präsidium gebildet." Die Bildung erfolgt, soweit es nach Absatz 2 einer Wahl bedarf, durch diese, im übrigen (hinsichtlich des Vorsitzenden des Präsidiums, Absatz 2 Satz 1. und hinsichtlich der notwendigen Zahl Vorsitzender Richter in den Fällen des Absatz 2 Satz 1 Nr. 3. Satz 2 Halbsatz 2) kraft Gesetzes. II. Zu Absatz 2 1. Geschichtliche Entwicklung. Die zuletzt in § 64 Abs. 2. 3 a. F. enthaltenen Vorschriften über die Größe und Zusammensetzung des landgerichtlichen Präsidiums, die den Ausgangspunkt für die Regelung des Präsidialsystems bei den übrigen Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit bildeten, sind im Lauf der Zeit wiederholt geändert worden. Nachdem schon lange vorher Versuche eingesetzt hatten, das Präsidium zu beseitigen oder der Justizverwaltung in anderer Weise Einfluß auf die Geschäftsverteilung zu verschaffen (vgl. E b S c h m i d t Lehrk. I Nr. 483; S c h o r n , Die Präsidialverfassung der Gerichte aller Rechtswege 36ff.; K e r n , Geschichte der Gerichtsverfassung 221 ff.), wurden durch Ges. vom 24. 11. 1937 (RGBl. I 1286) das Präsidium beseitigt und die ihm bisher obliegenden Aufgaben *) Soweit dem Verf. bekannt, ist im Dezember 1972 unterschiedlich verfahren worden: teils hat das alte Präsidium allein, teils im Benehmen mit den neugewählten Mitgliedern des Präsidiums den Geschäftsverteilungsplan für 1973 aufgestellt. Bei solchen Zweifelsfragen erscheint § 21 b Abs. 6 Satz 3 sinngemäß anwendbar (vgl. dazu Anm. V 2 zu § 21 b).

2654

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die G e s c h ä f t s Verteilung (Schäfer)

§ 2 1 a Anm. 2—4 § 21 b

auf die Präsidenten der Gerichte als Justizverwaltungsangelegenheit übertragen. D a s Vereinheitlichungsgesetz vom 12. 9. 1950 stellte das Präsidium wieder her. schuf daneben aber das Vorsitzendenkollegium, dem die früher ebenfalls dem Präsidium zustehende A u f g a b e zufiel, die Vorsitzenden der einzelnen K a m m e r n zu bestimmen (vgl. Vorbem. 2 b). Bei der Wiederherstellung des Präsidiums wurde an dem durch das Ges. v o m 4. 7. 1933 durchgeführten G r u n d s a t z der Verkleinerung des Präsidiums bei großen Landgerichten festgehalten, jedoch mit folgenden Abweichungen: a) große Landgerichte waren nur diejenigen mit mehr als 10 (früher 6) Direktoren; b) 8 (bisher 5) Direktoren gehörten — neben dem ständigen Vertreter des Präsidenten — dem Präsidium an; c) diese wurden nicht gewählt, sondern die Zugehörigkeit bestimmte sich nach dem Dienstalter; d) hinzutraten 3 (nicht 2) von den übrigen Mitgliedern gewählte Mitglieder. D a s S t P Ä G vom 19. 12. 1964 (BGBl. I 1067) bestimmte, d a ß bei „kleinen" Landgerichten stets die beiden dienstältesten Landgerichtsräte dem Präsidium angehörten. Bis dahin lautete § 64 Abs. 2: „ D a s Präsidium wird durch den Präsidenten als Vorsitzenden, die Direktoren und das dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter das der G e b u r t nach älteste Mitglied, gebildet; ist kein Direktor ernannt, so besteht das Präsidium aus dem Präsidenten und den beiden ältesten Mitgliedern." 2. Der Präsident (aufsichtführende Richter; vgl. A n m . 5 zu § 22) ist auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Präsidiums Richter, also Rechtsprechungsorgan, nicht Organ der Justizverwaltung und daher nach § 1 unabhängig und an keine Verwaltungsanweisungen gebunden (vgl. A n m . III 2 zu § 21 e). Jedoch kann sich die Justizverwaltung seiner bedienen, u m dem Präsidium ihre Ansicht über bestimmte Fragen zur Kenntnis zu bringen. Wegen der Vertretung des als Präsidiumsvorsitzender verhinderten Präsidenten (aufsichtsführenden Richters) vgl. § 21 c Abs. 1. Als Vorsitzender hat der Präsident nur gleiches Stimmrecht wie die übrigen Mitglieder, jedoch gibt bei Stimmengleichheit seine Stimme nach § 21 e Abs. 7 den Ausschlag. 3. Die Größe des Präsidiums ist nach der Zahl der Richterplanstellen abgestuft. Richterplanstellen sind die Stellen, die im Haushaltsplan für das betreffende Gericht a m Stichtag (vgl. dazu § 2 1 d) zur Besetzung mit Richtern auf Lebenszeit (§ 28 D R i G ) vorgesehen sind; ob sie tatsächlich voll.besetzt sind oder nicht, ist ohne Bedeutung*). D a s Präsidium besteht bei großen Gerichten (mit mindestens 2 0 Richterplanstellen) aus 8 gewählten, insgesamt also aus 9 Mitgliedern, während früher beim Landgericht und Oberlandesgericht die Mindestzahl 13 betrug — § § 6 4 Abs. 3, 117 a. F. —. und beim großen Amtsgericht ( § 2 2 a a. F.) und beim B G H (§ 131 a. F.) noch größer war. Bei den Gerichten mit mindestens 8 und höchstens 19 Richterplanstellen sind nur 5 Richter im Präsidium. M a ß g e b e n d für die Herabsetzung der Mitgliederzahl war das Bestreben, die Leistungsfähigkeit des Präsidiums zu gewährleisten (Beer. S. 17). Bei einem kleinen Gericht mit 7 Richterplanstellen kann das Präsidium dagegen aus 8 Richtern (§ 22 a) bestehen, also aus einer größeren Zahl als bei dem mit 8 bis 19 Richterplanstellen ausgestatteten Gericht. Diese Anomalie wird damit begründet, durch die Regelung des § 21 a Abs. 2 Satz 1 N r . 3 werde vermieden, d a ß möglicherweise nur ein oder zwei Richter a u ß e r h a l b des Präsidiums verbleiben (Begr. S. 17). 4. Z u A b s a t z 2 Satz 2. Bei den Kollegialgerichten ( L G , O L G , B G H ) m u ß die Hälfte der gewählten Richter aus Vorsitzenden Richtern (§ 19 a D R i G ) bestehen, also im Fall des Satz 1 Nr. 1 aus 4, im Fall der Nr. 2 aus 2 Vorsitzenden Richtern. F ü r die Amtsgerichte erübrigte sich eine entsprechende Bestimmung, da es dort keine „Vorsitzenden Richter" gibt und der Präsident (aufsichtsführende Richter)„geborenes" Mitglied ist**). Eine W a h l von Vorsitzenden Richtern entfällt, wenn bei einem Gericht nicht mehr als 4 bzw. 2 Vorsitzende Richter vorhanden sind; dann gelten diese als gewählt.

§ 21b (1) Wahlberechtigt sind die Richter auf Lebenszeit und die Richter auf Zeit, denen bei dem Gericht ein Richteramt übertragen ist, sowie die bei dem Gericht tätigen Richter auf *) ebenso S t a n i c k i DRiZ 1972 416 **)Wegen ausgleichender Maßnahmen, um bei großen Amtsgerichten den Mitgliedern des gegenüber dem bisherigen Recht stark verkleinerten Präsidiums den Kontakt mit den übrigen Richtern zu erhalten, vgl. H e n k e DRiZ 1972 285. 2655

§ 21 b

Gerichtsverfassungsgesetz

Probe, die Richter kraft Auftrags und die für eine Dauer von mindestens drei Monaten abgeordneten Richter, die Aufgaben der Rechtsprechung wahrnehmen. Wählbar sind die Richter auf Lebenszeit und die Richter auf Zeit, denen bei dem Gericht ein Richteramt übertragen ist. Nicht wahlberechtigt und nicht wählbar sind Richter, die an ein anderes Gericht für mehr als drei Monate oder an eine Verwaltungsbehörde abgeordnet sind. (2) Jeder Wahlberechtigte wählt die vorgeschriebene Zahl von Richtern, und zwar bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten und beim Bundesgerichtshof jeweils eine gleiche Zahl von Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern. In den Fällen des § 21a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 wählt jeder Wahlberechtigte so viele weitere Richter, bis die in § 21 a Abs. 2 Satz 1 bestimmte Zahl von Richtern erreicht ist. (3) Die Wahl ist unmittelbar und geheim. Gewählt ist, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. (4) Die Mitglieder werden für vier Jahre gewählt. Alle zwei Jahre scheidet die Hälfte aus. Die zum ersten Mal ausscheidenden Mitglieder werden durch das Los bestimmt. (5) Das Wahlverfahren wird durch eine Rechtsverordnung geregelt, die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen wird. (6) Ist bei der Wahl ein Gesetz verletzt worden, so kann die Wahl von den in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Richtern angefochten werden. Über die Wahlanfechtung entscheidet ein Senat des zuständigen Oberlandesgerichts, bei dem Bundesgerichtshof ein Senat dieses Gerichts. Wird die Anfechtung für begründet erklärt, so kann ein Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung nicht darauf gestützt werden, das Präsidium sei deswegen nicht ordnungsgemäß zusammengesetzt gewesen. Im übrigen sind auf das Verfahren die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit sinngemäß anzuwenden. Dazu: Wahlordnung für die Präsidien der Gerichte vom 19. September 1972 (BGBl. I 1821) Auf Grund des § 21 b Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes sowie auf Grund des § 10 Abs. 1 Halbsatz 1 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz, des § 4 der Verwaltungsgerichtsordnung. des § 4 der Finanzgerichtsordnung, des § 6 a des Arbeitsgerichtsgesetzes, des § 6 des Sozialgerichtsgesetzes, des § 47 der Bundesdisziplinarordnung, des § 36 e des Patentgesetzes und der §§ 97, 105 Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung, jeweils in Verbindung mit § 21b Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes, sämtlich zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte vom 26. Mai 1972 (Bundesgesetzblatt I S. 841), verordnet die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates: §1 Wahlvorstand (1)Der Wahlvorstand sorgt für die ordnungsmäßige Durchführung der Wahl der Mitglieder des Präsidiums. Er faßt seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. (2) Der Wahlvorstand besteht aus mindestens drei wahlberechtigten Mitgliedern des Gerichts. Das amtierende Präsidium bestellt die erforderliche Zahl von Mitgliedern des Wahlvorstandes spätestens zwei Monate vor Ablauf des Geschäftsjahres, in dem eine Wahl stattfindet. Es bestellt zugleich eine angemessene Zahl von Ersatzmitgliedern und legt fest, in welcher Reihenfolge sie bei Verhinderung oder Ausscheiden von Mitgliedern des Wahlvorstandes nachrücken. (3) Das amtierende Präsidium gibt die Namen der Mitglieder und der Ersatzmitglieder des Wahl Vorstandes unverzüglich durch Aushang bekannt. §2 Wahlverzeichnisse (1) Der Wahl vorstand erstellt ein Verzeichnis der wahlberechtigten und ein Verzeichnis der wählbaren Mitglieder des Gerichts. In den Fällen des § 21 a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 2656

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 b

des Gerichtsverfassungsgesetzes ist in dem Verzeichnis der wählbaren Mitglieder d a r a u f h i n zuweisen. daß die Vorsitzenden Richter als gewählt gelten. Die Verzeichnisse sind bis zum Wahltag auf dem laufenden zu halten. (2) In das Verzeichnis der wählbaren Mitglieder des Gerichts sind auch die jeweils wegen Ablaufs ihrer Amtszeit oder durch Los ausscheidenden Mitglieder des Präsidiums aufzunehmen. sofern sie noch die Voraussetzungen des § 21 b Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes erfüllen. (3) In den Fällen des § 2 1 b Abs. 4 Satz 3 und des § 21 d Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes nimmt der Wahlvorstand zuvor die Auslosung der ausscheidenden Mitglieder des Präsidiums vor. Hierbei ist bei den mit Vorsitzenden Richtern besetzten Gerichten außer in den Fällen des § 21 a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine gleiche Anzahl von Vorsitzenden Richtern und Richtern gesondert auszulosen. (4) Die Auslosung ist für die Richter öffentlich. Zeitpunkt und Ort der Auslosung gibt der Wahlvorstand unverzüglich nach seiner Bestellung durch Aushang bekannt. (5) Über die Auslosung fertigt der Wahlvorstand eine Niederschrift, die von sämtlichen Mitgliedern des Wahlvorstandes zu unterzeichnen ist. Sie muß das Ergebnis der Auslosung enthalten. Besondere Vorkommnisse bei der Auslosung sind in der Niederschrift zu vermerken. §3 Wahltag, Wahlzeit, Wahlraum Die Wahl soll mindestens zwei Wochen vor Ablauf des Geschäftsjahres stattfinden. Der Wahlvorstand bestimmt einen Arbeitstag als Wahltag, die Wahlzeit und den Wahlraum. Bei entsprechendem Bedürfnis kann bestimmt werden, daß an zwei aufeinander folgenden Arbeitstagen und in mehreren Wahlräumen gewählt wird. Die Wahlzeit muß sich über mindestens zwei Stunden erstrecken. §4 Wahlbekanntmachungen (1) Der Wahlvorstand gibt spätestens einen Monat vor dem Wahltag durch Aushang bekannt: 1. das Verzeichnis der wahlberechtigten und das Verzeichnis der wählbaren Mitglieder des Gerichts. 2. das Ergebnis der Auslosung nach § 21 b Abs. 4 Satz 3 und § 21 d Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes, 3. den Wahltag, die Wahlzeit und den Wahlraum, 4. die Anzahl der zu wählenden Vorsitzenden Richter und Richter. 5. die Voraussetzungen, unter denen eine Briefwahl stattfinden kann. 6. den Hinweis auf das Einspruchsrecht nach Absatz 3. Bestehen Zweigstellen oder auswärtige Spruchköcper. so sind die Wahlbekanntmachungen auch dort auszuhängen. (2) Auf den Wahlbekanntmachungen ist der erste Tag des Aushangs zu vermerken. (3) Jedes wahlberechtigte Mitglied des Gerichts kann gegen die Richtigkeit der Wahlverzeichnisse binnen einer Woche seit ihrer Bekanntmachung oder der Bekanntmachung einer Änderung schriftlich bei dem Wahlvorstand Einspruch einlegen. Der Wahlvorstand hat über den Einspruch unverzüglich zu entscheiden und bei begründetem Einspruch die Wahlverzeichnisse zu berichtigen. Die Entscheidung des Wahlvorstandes ist dem Mitglied des Gerichts, das den Einspruch eingelegt hat, schriftlich mitzuteilen. Sie muß ihm spätestens am Tage vor der Wahl zugehen. §5 Wahlhandlung (1) Das Wahlrecht wird durch Abgabe eines Stimmzettels in einem Wahlumschlag ausgeübt. (2) Auf dem Stimmzettel sind die Anzahl der zu wählenden Vorsitzenden Richter und Richter sowie die Namen der wählbaren Richter in alphabetischer Reihenfolge unterein2657

§ 21b

Gerichtsverfassungsgesetz

ander aufzuführen. Bei Gerichten, die mit Vorsitzenden Richtern besetzt sind, sind die Namen dieser Richter gesondert aufzuführen. Nicht aufzuführen sind 1. die Anzahl und die Namen der in den Fällen des § 2 1 a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes als gewählt geltenden Vorsitzenden Richter. 2. die Namen der Vorsitzenden Richter und Richter, die dem Präsidium angehören und deren Amtszeit noch nicht abläuft. (3) Der Wähler gibt seine Stimme ab. indem er auf dem Stimmzettel die vorgeschriebene Zahl von Namen Vorsitzender Richter und Richter ankreuzt und den Stimmzettel im verschlossenen Wahlumschlag in die Wahlurne legt. §6 Ordnung im Wahlraum (1) Die Richter können während der gesamten Wahlzeit im Wahlraum anwesend sein. (2) Der Wahlvorstand trifft Vorkehrungen, daß der Wähler den Stimmzettel im Wahlraum unbeobachtet kennzeichnet und in den Wahlumschlag legt. Für die Aufnahme der Umschläge ist eine Wahlurne zu verwenden. Vor Beginn der Stimmabgabe hat der Wahlvorstand festzustellen, daß die Wahlurne leer ist. und sie zu verschließen. Sie muß so eingerichtet sein, daß die eingelegten Umschläge nicht entnommen werden können, ohne daß die Urne geöffnet wird. (3) Solange der Wahlraum zur Stimmabgabe geöffnet ist. müssen mindestens zwei Mitglieder des Wahlvorstandes im Wahlraum anwesend sein. (4) Stimmzettel und Wahlumschlag werden dem Wähler von dem Wahlvorstand im Wahlraum ausgehändigt. Vor dem Einlegen des Wahlumschlages in die Wahlurne stellt ein Mitglied des Wahlvorstandes fest, ob der Wähler im Wählerverzeichnis eingetragen ist. Die Teilnahme an der Wahl ist im Wählerverzeichnis zu vermerken. (5) Wird die Wahlhandlung unterbrochen oder wird das Wahlergebnis nicht unmittelbar nach Abschluß der Stimmabgabe festgestellt, so hat der Wahlvorstand für die Zwischenzeit die Wahlurne so zu verschließen und aufzubewahren, daß das Einlegen oder die Entnahme von Stimmzetteln ohne Beschädigung des Verschlusses unmöglich ist. Bei Wiedereröffnung der Wahl oder bei Entnahme der Stimmzettel zur Stimmzählung hat sich der Wahlvorstand davon zu überzeugen, daß der Verschluß unversehrt ist. (6) Nach Ablauf der Wahlzeit dürfen nur noch diejenigen Wahlberechtigten abstimmen, die sich in diesem Zeitpunkt im Wahlraum befinden. Sodann erklärt der Wahlvorstand die Wahlhandlung für beendet. §7*) Briefwahl (1) Den wahlberechtigten Mitgliedern des Gerichts, die 1. einem auswärtigen Spruchkörper oder einer Zweigstelle des Gerichts angehören oder für nicht mehr als drei Monate an ein anderes Gericht abgeordnet sind. 2. aus sonstigen Gründen an einer Stimmabgabe nach § 5 Abs. 3 verhindert sind und dies dem Wahlvorstand rechtzeitig anzeigen, leitet der Wahlvorstand einen Stimmzettel und einen Wahlumschlag sowie einen größeren Freiumschlag zu, der die Anschrift des Wahlvorstandes und als Absender die Anschrift des wahlberechtigten Mitglieds des Gerichts sowie den Vermerk „Schriftliche Stimmabgabe zur Wahl des Präsidiums" trägt. Er übersendet außerdem eine vorgedruckte, vom Wähler abzugebende Erklärung, in der dieser dem Wahlvorstand gegenüber versichert, daß er den Stimmzettel persönlich gekennzeichnet hat. Die Absendung ist in der Wählerliste zu ver merken. (2) In einem besonderen Schreiben ist zugleich anzugeben, bis zu welchem Zeitpunkt spätestens der Stimmzettel bei dem Wahlvorstand eingegangen sein muß. (3) Der Wähler gibt seine Stimme ab. indem er auf dem Stimmzettel die vorgeschriebene Zahl von Namen Vorsitzender Richter und Richter ankreuzt und den Stimmzettel im verschlossenen Wahlumschlag unter Verwendung des Freiumschlages und Beifügung der von ihm unterzeichneten vorgedruckten Erklärung dem Wahlvorstand übermittelt. Die Stimmabgabe kann vor dem Wahltag erfolgen. *) Lit.: V a l l e n d a r , Ungereimtheiten der schriftlichen Stimmabgabe zur Wahl des Präsidiums, DRiZ

1973 21

2658

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 b

(4) Während der Wahlzeit vermerkt ein Mitglied des Wahlvorstandes die Absender der bei dem Wahlvorstand eingegangenen Briefe im Wählerverzeichnis, entnimmt den Briefen die Wahlumschläge und legt diese ungeöffnet in die Wahlurne. Die vorgedruckten Erklärungen sind zu den Wahlunterlagen zu nehmen. Briefe, die ohne die vorgedruckte Erklärung bei dem Wahlvorstand eingehen, sind mit dem darin enthaltenen Wahlumschlag sowie mit einem entsprechenden Vermerk des Wahlvorstandes zu den Wahlunterlagen zu nehmen. Nach Ablauf der Wahlzeit eingehende Briefe sind unter Vermerk des Eingangszeitpunktes ungeöffnet zu den Wahlunterlagen zu nehmen. §8 Feststellung des Wahlergebnisses (1) Unverzüglich nach Ablauf der Wahlzeit stellt der Wahlvorstand das Wahlergebnis fest. Die Richter können bei der Feststellung des Wahlergebnisses anwesend sein. (2) Der Wahlvorstand öffnet die Wahlurne und entnimmt den darin befindlichen Wahlumschlägen die Stimmzettel. Er prüft deren Gültigkeit und zählt sodann die auf jedes wählbare Mitglied des Gerichts entfallenden gültigen Stimmen zusammen. (3) Ungültig sind Stimmzettel, 1. die nicht in einem Wahlumschlag abgegeben sind, 2. die nicht von dem Wahlvorstand ausgegeben sind. 3. aus denen sich der Wille des Wählers nicht zweifelsfrei ergibt, 4. die einen Zusatz oder Vorbehalt enthalten, 5. in denen nicht die vorgeschriebene Anzahl von Namen Vorsitzender Richter und Richter angekreuzt ist. (4) Bei Stimmengleichheit zwischen zwei oder mehreren wählbaren Mitgliedern des Gerichts stellt der Wahlvorstand durch Auslosung fest, wer als gewählt gilt und wer in den Fällen des § 21 c Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes als Nächstberufener nachrückt. §9 Wahlniederschrift (1) Uber das Wahlergebnis fertigt der Wahlvorstand eine Niederschrift, die von sämtlichen Mitgliedern des Wahlvorstandes zu unterzeichnen ist. Die Niederschrift muß enthalten: 1. die Zahl der abgegebenen Stimmzettel. 2. die Zahl der gültigen Stimmzettel, 3. die Zahl der ungültigen Stimmzettel, 4. die für die Gültigkeit oder Ungültigkeit zweifelhafter Stimmzettel maßgebenden Gründe. 5. die Angabe, wie viele Stimmen auf jeden der wählbaren Vorsitzenden Richter und Richter entfallen sind, 6. die Namen der gewählten Vorsitzenden Richter und Richter. 7. das Ergebnis einer etwaigen Auslosung nach § 8 Abs. 4. (2) Besondere Vorkommnisse bei der Wahlhandlung oder der Feststellung des Wahlergebnisses sind in der Niederschrift zu vermerken. § 10 Benachrichtigung der gewählten Richter Der Wahlvorstand benachrichtigt unverzüglich die in das Präsidium gewählten Mitglieder des Gerichts schriftlich von ihrer Wahl. i n Bekanntgabe des Wahlergebnisses Der Wahlvorstand gibt das Wahlergebnis unverzüglich durch Aushang bekannt. § 12 Berichtigung des Wahlergebnisses Offenbare Unrichtigkeiten des bekanntgemachten Wahlergebnisses, insbesondere Schreib- und Rechenfehler, kann der Wahlvorstand von Amts wegen oder auf Antrag berichtigen. Die Berichtigung ist gleichfalls durch Aushang bekanntzumachen.

2659

§ 21b Anm. I; II 1

Gerichtsverfassungsgesetz § 13 Aufbewahrung der Wahlunterlagen

Die Wahlunterlagen (Aushänge, Niederschriften. Stimmzettel, verspätet oder ohne vorgedruckte Erklärung eingegangene Wahlbriefe usw.) werden von dem Präsidium mindestens vier Jahre aufbewahrt; die Frist beginnt mit dem auf die Wahl folgenden Geschäftsjahr. § 14 Nachwahl Ist in den Fällen des § 21 c Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Nachwahl durchzuführen, weil kein Nächstberufener vorhanden ist. so gelten für die Durchführung der Nachwahl die Vorschriften dieser Verordnung entsprechend. §

15

Übergangsvorschrift Besteht bei einem Gericht bei Inkrafttreten dieser Verordnung kein Präsidium, so nimmt bei der erstmaligen Bestellung des Wahlvorstandes der aufsichtführende Richter die Aufgaben nach § 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 und Abs. 3 wahr. § 16 Berlin-Klausel Diese Verordnung gilt nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzblatt I S. 1) in Verbindung mit Artikel XIII § 4 des Gesetzes zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte vom 26. Mai 1972 (Bundesgesetzbl. I S. 841) auch im Land Berlin. § 17 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Oktober 1972 in Kraft. I. Inhalt der Vorschrift. § 21 b regelt das aktive und passive Wahlrecht der Richter zum Präsidium, das Wahlverfahren und die Folgen einer fehlerhaften Wahl. Bisher bestand insoweit nur die summarische Vorschrift des § 64 Abs. 3 a. F., daß beim großen Landgericht 3 Mitglieder „von der Gesamtheit der Mitglieder des Landgerichts" für die Dauer des Geschäftsjahres zu wählen seien (vgl. dazu Anm. 8 der Voraufl.) II. Wahlberechtigung (zu Absatz 1 Satz 1, 3) 1. Wahlberechtigt sind a) die Richter auf Lebenszeit (§ 10 DRiG) und die Richter auf Zeit (§ 11 DRiG). denen ein Richteramt bei dem betreffenden Gericht übertragen ist (§ 27 DRiG). Wahlberechtigt sind auch Doppelrichter, d. h. Richter, denen noch ein weiteres Richteramt bei einem anderen Gericht übertragen ist (§ 27 Abs. 2 D R i G . §§ 22 Abs. 2. 59 Abs. 2 GVG); sie sind bei beiden Gerichten wahlberechtigt. Dies gilt nicht für den Richter beim Amtsgericht, der durch das Präsidium des Landgerichts zum Mitglied der auswärtigen Strafkammer (§ 78) bestellt ist. Denn wenn in einer solchen Heranziehung auch die Übertragung eines weiteren Richteramts i. S. des § 27 Abs. 2 D R i G zu sehen sein mag (vgl. Anm. 5 a zu § 78), so handelt es sich doch in der Regel um eine jeweils vorübergehende Tätigkeit für das Landgericht, die nicht so enge Beziehungen schafft, daß eine Einflußnahme auf die Zusammensetzung des landgerichtlichen Präsidiums gerechtfertigt wäre. Zwar ist in § 4 Abs. 1 Satz 2 der Wahlordnung für die Präsidien v. 19. 9. 1972 (BGBl. I 1821) generell die Aushängung der Wahlbekanntmachungen bei allen auswärtigen Spruchkörpern vorgeschrieben, doch kann aus dieser Vorschrift, die in 1. Linie die Richter im Auge hat. die ihren dienstlichen Wohnsitz am Sitz eines auswärtigen Spruchkörpers (§§ 116 Abs. 2. 130 Abs. 2) haben, nicht gefolgert werden, daß deshalb auch alle Mitglieder der auswärtigen Strafkammern zum landgerichtlichen Präsi-

2660

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium § 21 b und die Geschäftsverteilung (Schäfer) Anm. II 2; III ; IV 1, 2 dium wahlberechtigt seien; die Aushängung hat vielmehr den Sinn, solche Richter zu orientieren, die nicht zum amtsgerichtlichen Präsidium wahlberechtigt sind, wie die Mitglieder des Landgerichts, die nach § 7 Abs. 1 der WahlO briefwahlberechtigt sind; b) die Richter auf Probe (§ 12 DRiG). die bei dem Gericht tätig sind; c) die Richter kraft Auftrags (§ 14 DRiG); d) die zu dem Gericht abgeordneten Richter ( § 3 7 D R i G ) unter der doppelten Voraussetzung, daß die Dauer der Abordnung (vgl. § 37 Abs. 2) mindestens 3 Monate beträgt und sie, wenn auch nur zu einem Teil ihrer Arbeitskraft, Aufgaben der Rechtsprechung bei diesem Gericht wahrnehmen; die Wahlberechtigung entfällt, wenn sie ausschließlich zur Wahrnehmung von Aufgaben der Justizverwaltung abgeordnet sind. Ob die Voraussetzungen des aktiven Wahlrechts gegeben sind, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Wahl. Ein abgeordneter Richter ist z. B. auch wahlberechtigt, wenn die Wahl an dem Tage stattfindet, mit dessen Ablauf seine Abordnung endet. Bei den zu a bis c bezeichneten Richtern kommt es nicht darauf an, ob sie Aufgaben der Rechtsprechung oder (ausschließlich oder zum Teil) Aufgaben der Justizverwaltung wahrnehmen. 2. Nicht wahlberechtigt sind Richter, die für mehr als drei Monate an ein anderes Gericht abgeordnet sind — sie sind dann bei diesem Gericht wahlberechtigt, sofern sie dort Aufgaben der Rechtsprechung wahrnehmen — und Richter, die im Zeitpunkt der Wahl an eine Verwaltungsbehörde, auch an eine Justizverwaltungsbehörde abgeordnet sind, ohne Rücksicht auf die Dauer der Abordnung. III. Wählbarkeit (zu Absatz 1 Satz 2, 3) Wählbar sind nur die Richter auf Lebenszeit und die Richter auf Zeit, denen bei dem Gericht ein Richteramt übertragen ist. Ihre Wählbarkeit entfällt, wenn sie (im Zeitpunkt der Wahl) an ein anderes Gericht für mehr als 3 Monate, wenn auch zur Erfüllung von Rechtsprechungsaufgaben, oder wenn sie — hier ohne Rücksicht auf die Abordnungsdauer — an eine Verwaltungsbehörde, auch eine solche der Justizverwaltung, abgeordnet sind. Nicht wählbar sind Richter kraft Auftrags und Richter auf Probe, da sie erfahrungsgemäß häufiger das Gericht wechseln. IV. Die Wahl (zu Absatz 2 bis 5) 1. Wahlverfahren. Die Absätze 2 bis 4 regeln die Grundsätze des Wahlverfahrens. Die Regelung der Einzelheiten erfolgte durch die aufgrund des Absatzes 5 erlassene VO vom 19. 9. 1972 (BGBl. I 1821, abgedr. oben vor Anm. I). Aus § 2 1 b Absatz 2 G V G , § 5 der VO ergibt sich, daß eine Listenwahl ausgeschlossen ist und jeder Wahlberechtigte so viele Stimmen hat. wie Richter zu wählen sind; eine Stimmenhäufung ist nicht zulässig (Begr. S. 17). 2. Pflicht zur Wahl und zur Annahme der Wahl. Ob eine (etwa disziplinarisch erzwingbare) Pflicht der aktiv Wahlberechtigten zur Ausübung des Wahlrechts bestehe, war bisher zweifelhaft und streitig (vgl. in der Voraufl. Anm. 8 c zu § 6 4 ) . Aus dem Wortlaut des Absatzes 2 („jeder Wahlberechtigte wählt") m u ß aber entnommen werden, daß eine Wahlpflicht („wählt" = hat zu wählen) besteht (ebenso S c h o l z D R i Z 1972 302); davon geht auch die amtl. Begr. zu § 21 b (S. 17) aus*). Eine Sanktion bei Nichterfüllung der Wahlpflicht ist nicht ausdrücklich statuiert. Ob ein disziplinarisch ahndbares Dienstvergehen vorliegt, richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. Allerdings ist eine Nachprüfung, ob der Wahlberechtigte in der in § 2 1 b Abs. 2 und § 5 der VO beschriebenen Weise gewählt hat, durch Abs. 3 (geheime Wahl) ausgeschlossen. Ebenso ist — mit der amtl. Begr. aaO. — davon auszugehen, daß ein Gewählter die Pflicht „zur Annahme der Wahl" hat. Oder genauer gesagt: durch die Wahl wird der Gewählte kraft Gesetzes Mitglied des Präsidiums, ohne daß *) In den Leitsätzen für die zu erlassende Wahlordnung schlug die Amtsrechtskommission des DRiB eine Bestimmung vor, daß eine Wahlpflicht mit dienstrechtlichen Folgen der Verletzung nicht bestehen solle (vgl. DRiZ 1972 144). Diesem Vorschlag ist nicht entsprochen worden. Für Wahlpflicht auch T h o m a s - P u l z o , ZPO 16] 4 a : dagegen Kl Nachtr. 11973] 1.

2661

§ 21 b

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. IV 3; V 1 , 2 es einer Annahme bedarf oder die Wahl abgelehnt werden könnte. Wenn das Präsidium früher in der Hauptsache aus „geborenen" Mitgliedern bestand, deren Amtspflicht es ihnen gebot, das Amt auszuüben, so kann die Ersetzung der „ G e b u r t " durch eine „ K ü r " nicht gut dazu führen, den Gewählten ein Recht zur Ablehnung der Wahl zuzugestehen (ebenso S c h o l z D R i Z 1972 302). Auch geht § 2 1 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 Halbsatz 2 erkennbar davon aus, daß die „als gewählt Geltenden" wie „geborene" Mitglieder behandelt werden sollen; dann läßt es sich nicht rechtfertigen, zwischen den Wirkungen einer fiktiven und einer wirklichen Wahl einen Unterschied zu machen. 3. Amtsdauer. Die Vorschrift des Absatz 4, wonach die Mitglieder für vier Jahre gewählt werden, alle zwei Jahre jedoch die Hälfte durch Auslosung (vgl. dazu § 2 Abs. 3 der WahlVO) ausscheidet, bezweckt einerseits die Gewährleistung der Stetigkeit des Präsidiums, andererseits ermöglicht sie, die Besetzung des Präsidiums den Erfordernissen des § 21 a Abs. 2 anzupassen, wenn sich die Zahl der Richterplanstellen über die in § 21 a Abs. 2 Satz 1 gezogenen Grenzen hinaus ändert (vgl. § 21 d Abs. 2. 3), und schließlich schafft sie für eine größere Zahl wählbarer Richter die Möglichkeit, Mitglied des Präsidiums zu werden. indem zugleich den inzwischen neu wahlberechtigt gewordenen Richtern eine Einflußnahme auf die Besetzung des Präsidiums eröffnet wird. V. Fehlerhafte Wahl (zu Absatz 6) 1. Entstehungsgeschichte. Absatz 6. der im RegEntw. noch nicht enthalten war, entspricht im wesentlichen einem Vorschlag des Bundesrats (vgl. Anl. 2 S. 21 der BT-Drucks. VI/557), dem die Bundesreg. zugestimmt hatte, und der zur Begründung anführte: „Es erscheint erforderlich, die Wahlanfechtung ausdrücklich zu regeln. Geschieht dies nicht, so wird hierdurch die Anfechtung nicht ausgeschlossen (Art. 19 Abs. 4 GG). Kann die Anfechtung aber nicht ausgeschlossen werden, so empfiehlt es sich, die Anfechtungsgründe, die Anfechtungsberechtigung, den Rechtsweg und die Wirkungen der Anfechtung auf gerichtliche Entscheidungen, die davon betroffen sein könnten, ausdrücklich zu regeln. Das entspricht auch der gesetzlichen Praxis bei ähnlichen Sachverhalten (gewählte Gremien nach den Landesrichtergesetzen und nach Personalvertretungsgesetzen)." 2. Bisheriges Recht. a) Zur Anwendbarkeit des § 338 Nr. 1 StPO bei fehlerhafter Wahl. Da bisher die Wahl von Richtern zum Präsidium nur global geregelt war (§ 64 Abs. 3 a. F.: „drei Mitglieder, die von der Gesamtheit der Mitglieder des Landgerichts . . . gewählt werden"), fehlte es auch an Vorschriften, die die Folgen einer unter Verletzung des Gesetzes zustandegekommenen Wahl regelten. Fehlerhafte Wahlen waren aber auch damals schon möglich. Die Frage des aktiven und passiven Wahlrechts nach § 64 Abs. 3 a. F. war zunächst sehr streitig, bis — für die Praxis maßgeblich - BGHSt. 12 227, 231: 13 362 = N J W 1959 685; 1960 57 verhältnismäßig spät eine Klärung brachte (vgl. Anm. 8 der Voraufl.). D a s Problem war. welche Folgen sich für die Entscheidungen eines Spruchkörpers daran knüpften, daß seine Besetzung und sein Aufgabenbereich von einem Präsidium beschlossen waren, das selbst fehlerhaft gebildet war, z. B„ indem andere als nach BGHSt. 12 227 wählbare 3 Mitglieder gewählt waren oder an der Wahl andere als die nach BGHSt. 13 362 wahlberechtigten Richter teilgenommen hatten. An sich galt der Grundsatz, daß die Vorschriften über die Zusammensetzung des Präsidiums zwingendes Recht darstellen und ihre Befolgung für den rechtlichen Bestand der auf der Grundlage der Geschäftsverteilung entfalteten richterlichen Tätigkeit erforderlich ist ( R G Z 53 4; 89 257 ). Das hätte folgerichtig dazu führen müssen, daß das erkennende Gericht i. S. des § 338 Nr. 1 StPO nicht ordnungsmäßig besetzt war, wenn die Geschäftsverteilung von einem — nach den Grundsätzen von BGHSt. 12 227; 13 362 — fehlerhaft gebildeten Präsidium beschlossen war, und daß nach Rechtskraft einer solchen Entscheidung wegen Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 1 G G ) Verfassungsbeschwerde erhoben werden konnte. Diese Folgerungen in ihrer vollen Strenge hat aber, soweit es sich um die Anwendbarkeit des § 338 Nr. 1 S t P O handelte, die Rechtsprechung nicht gezogen (vgl. dazu Anm. 1 b zu § 64 in der Voraufl.: Anm. I 11 zu § 21 c). Sie ging dabei von dem Grundsatz aus. daß Abweichungen von einem Geschäftsverteilungsplan den Bestand des Urteils nur gefährden, wenn es sich um willkürliche, nicht um

2662

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 b Anm. V 3

nur irrtümliche Abweichungen handelt (vgl. A n m . III 13 zu § 2 le) und stellte sich in Anwendung dieses G r u n d s a t z e s in abgewandelter F o r m auf den S t a n d p u n k t , d a ß eine fehlerhafte Bildung und Z u s a m m e n s e t z u n g des Präsidiums (bei W a h l nicht wählbarer Richter oder bei Teilnahme nicht wahlberechtigter Richter an der Wahl) die Gültigkeit der vom Präsidium gefaßten Beschlüsse nicht berühre und damit den Vorwurf unvorschriftsmäßiger Besetzung des aufgrund eines solchen Beschlusses tätigen Gerichts nicht begründe, wenn die Fehler bei der Wahl auf — nach A u f f a s s u n g des Revisionsgerichtes — rechtsirriger, aber vertretbarer Auslegung der maßgeblichen Vorschriften beruhe ( B G H S t . 12 227, 402. 405; 13 262, 2 6 8 ; S a r s t e d t D R i Z 1960 349. 350). b) Auswirkungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G , § 16 G V G bei fehlerhafter Z u s a m m e n setzung des Präsidiums. D e r Entscheidung B V e r f G E 31 47 lag folgender Sachverhalt zugrunde: D a s Hess. Richterbesoldungsges. v. 4. 3. 1970 (GVB1.1 201) sah — dem Bundesges. v. 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) vorgreifend — keine Oberamtsrichter und Amtsgerichtsdirektoren mehr vor (§ 11 Abs. 1 Satz 4, 5). D a r a u f f u ß e n d w a r . abweichend von dem damals geltenden § 22 a Abs. 2 G V G . das Präsidium eines mit einem Präsidenten besetzten hessischen Amtsgerichts nur aus dem Präsidenten u n d den beiden ältesten Amtsrichtern gebildet worden. Prozeßrichter dieses Amtsgerichts machten Vorlagen gemäß Art. 100 Abs. 1 G G , weil bei Unvereinbarkeit des Hess. Gesetzes mit § 22 a a. F. G V G die Richter, die durch das so gebildete Präsidium den einzelnen Abteilungen zugewiesen waren, nicht gesetzliche Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G ) seien und ihre Mitwirkung den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 1 S t P O schaffe. B V e r f G E 31 47 = DVB1. 1971 785 m. A n m . B e t t e r m a n n = ÖV 1971 741 erklärte die Vorlagen wegen Entscheidungsunerheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage für unzulässig: auch wenn das Präsidium wegen Unvereinbarkeit des Hess. Gesetzes mit § 22 a G V G nicht richtig gebildet sein sollte, so beruhe dies nur auf einem error in procedendo, da die für die Z u s a m m e n s e t z u n g des Präsidiums Verantwortlichen in der A n n a h m e ihrer Bindung an das von ihnen für gültig angesehene Hess. Gesetz das Präsidium richtig hätten zusammensetzen wollen und sich von sachlich nicht unvertretbaren Erwägungen hätten leiten lassen. Es gebe aber keine Regel, nach der ein Staatsakt (der Geschäftsverteilungsplan) allein deshalb unwirksam (nichtig) sei, weil das kollegiale O r g a n , das ihn erlassen hat, falsch (in A n w e n d u n g einer für gültig gehaltenen, aber in Wahrheit nichtigen Vorschrift oder in unrichtiger Auslegung einer Vorschrift) zusammengesetzt war. Sei der Geschäftsverteilungsplan ein Verwaltungsakt. so gelte, d a ß fehlerhafte Verwaltungsakte im allgemeinen zwar rechtswidrig, aber wirksam u n d nur ausnahmsweise wegen besonders grober und offensichtlicher Mängel nichtig seien. Sei er eine R e c h t s n o r m , so gelte, daß N o r m e n nur nichtig seien, wenn ein grober Mangel im Rechtsetzungsverfahren vorliegt, wenn sie inhaltlich mit übergeordnetem Recht unvereinbar sind oder wenn eine unzuständige Stelle sie erlassen hat. 3. Geltendes Recht a) Anfechtbarkeit der Wahl. Abs. 6 Satz 1 läßt die A n f e c h t u n g einer W a h l wegen G e setzesverletzung zu. Diese Bestimmung ist geschaffen „aus der Erwägung, d a ß im Interesse der Rechtssicherheit die W a h l eines Präsidiums a u c h bei Gesetzesverstößen zunächst gültig sein soll und erst durch eine Wahlanfechtung u n w i r k s a m gemacht werden k a n n " (Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. V I / 2 9 0 3 S. 4). D a nicht gut jeder für das Wahlergebnis noch s o bedeutungslose Gesetzesverstoß die Anfechtbarkeit begründen k a n n , wird der Anfechtungsgrund dahin zu präzisieren sein, d a ß die W a h l a n f e c h t b a r ist, wenn sie auf einer Gesetzesverletzung beruht. D a s ist der Fall, wenn nicht auszuschließen ist, d a ß eine gesetzmäßig durchgeführte W a h l zu einem anderen Wahlergebnis geführt hätte. Anfechtungsberechtigt sind „die in Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Richter". D a s bedeutet nicht, d a ß sie nur in ihrer Gesamtheit anfechten könnten; das Anfechtungsrecht steht vielmehr jedem einzelnen selbständig zu. Einer besonderen Legitimation, etwa einer Beschwer, weil der Anfechtende zu Unrecht von der Wahl ausgeschlossen worden sei, bedarf es nicht. Uberh a u p t kann die Verweisung auf Absatz 1 Satz 1 nicht dahin verstanden werden, daß nur die im Zeitpunkt der Wahl wahlberechtigt gewesenen Richter anfechtungsberechtigt seien*). Aus dem Zweck der Anfechtung, ein gesetzmäßig gewähltes Präsidium herbeizuführen, m u ß *)So aber Kl Nachtr. [1973] 2. 2663

§ 21c

Gerichtsverfassungsgesetz

vielmehr gefolgert werden, d a ß anfechtungsberechtigt ein Richter ist, der im Zeitpunkt der Anfechtung die Merkmale des Absatzes 1 Satz 1 erfüllt. Eine Frist, innerhalb deren die Anfechtung erfolgen m u ß , ist im Gesetz nicht bestimmt. Aus der N a t u r der Sache ergibt sich, d a ß eine A n f e c h t u n g nicht mehr möglich ist, wenn die A m t s d a u e r aller gewählten Richter (Absatz 4) abgelaufen ist. und d a ß in diesem Fall sich das Anfechtungsverfahren in der H a u p t s a c h e erledigt. Die Entscheidung trifft der im Geschäftsverteilungsplan bestimmte Senat das O L G ( B G H ) . F ü r das Verfahren gelten (Parallele: § 29 Abs. 2 E G G V G ) die Vorschriften des F G G sinngemäß. Die sachliche Entscheidung k a n n dahin lauten, d a ß die Anfechtung begründet oder d a ß sie unbegründet sei; im ersteren Fall findet eine N e u w a h l statt. Die Entscheidung des O L G ist u n a n f e c h t b a r : bei Auslegungsdivergenzen besteht Z w a n g zur Vorlegung an den B G H g e m ä ß § 28 F G G . b) Fehlende Wahl. Findet eine vorgeschriebene Wahl (Absatz 1. Absatz 4 Satz 2) überhaupt nicht statt oder führt sie zu keinem Ergebnis (z. B. durch A b g a b e nur von ungültigen Stimmzetteln, § 8 Abs. 3 W a h l VO), so wird m a n , obwohl dies nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, die Legitimation des „alten" Präsidiums (des Präsidiums in seiner bisherigen Z u s a m m e n s e t z u n g ) als fortbestehend ansehen müssen: es kann nicht der Wille des Gesetzes sein, daß ein präsidiumsloser Z u s t a n d besteht oder nur ein R u m p f p r ä s i d i u m übrig bleibt (ebenso schon für das frühere Recht S c h o r n S. 56). c) Außenwirkung fehlerhafter Wahl. D e n Kern des Absatzes 6 bildet dessen Satz 3, wonach. wenn die Anfechtung für begründet erklärt wird, ein Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung nicht d a r a u f gestützt werden kann, das Präsidium sei deswegen (nämlich weil die Anfechtung für begründet erklärt wurde) nicht o r d n u n g s g e m ä ß zusammengesetzt gewesen*). Der Sinn der Vorschrift ist also, d a ß auch d a n n , wenn die Anfechtung sich als begründet erweist, „die zurückliegenden Entscheidungen nicht deshalb aufzuheben sind, weil das Präsidium nicht o r d n u n g s g e m ä ß zusammengesetzt w a r " (Ausschußbericht S. 4). D a r a u s folgt aber, d a ß unabhängig davon, ob eine W a h l a n f e c h t u n g erfolgt oder nicht, die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts (§ 338 N r . 1 S t P O ) entfällt, wenn sie auf fehlerhafte Z u s a m m e n s e t z u n g des Präsidiums durch Gesetzesverstöße bei der W a h l gestützt wird**). D e n n dem erkennenden Gericht ist eine N a c h p r ü f u n g der Gesetzmäßigkeit der Wahl entzogen; sie steht nur auf Anfechtungsklage dem in Absatz 6 Satz 2 bezeichneten Gericht zu. A u c h wenn m a n eine solche ausschließliche Zuständigkeit bei Unterbleiben einer Wahlanfechtung nach Absatz 6 Satz 1 nicht a n n e h m e n wollte, würde sich a m Ergebnis nichts ändern, da auch für das erkennende Gericht der G r u n d s a t z maßgeblich bleiben müßte, d a ß aus einer durch Wahlverstöße fehlerhaften Z u s a m m e n s e t z u n g des Präsidiums sich keine Außenwirkungen auf die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts ergeben sollen. Es spielt d a n a c h — abweichend v o m bisherigen Recht (oben zu 2) — keine Rolle mehr, ob der Gesetzesverstoß bei der W a h l die Folge einer unrichtigen, aber noch vertretbaren Auslegung des Gesetzes ist und o b das Präsidium seine Z u s a m m e n s e t z u n g in der irrtümlichen A n n a h m e einer gesetzmäßig verlaufenen Wahl für richtig hält. A u c h wenn es nach dieser Richtung Bedenken hätte, greift die Erwägung durch, d a ß „ im Interesse der Rechtssicherheit die Wahl eines Präsidiums auch bei Gesetzesverstößen zunächst gültig sein soll und erst durch eine W a h l a n f e c h t u n g unwirksam gemacht werden k a n n " (oben zu a). Im übrigen dient A b s a t z 6 Satz 3 der Verstärkung des G r u n d s a t z e s , d a ß ein error in procedendo des Präsidiums die vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts nicht in Frage stellt (vgl. A n m . III 13 zu S 21 e).

§ 21 c (1) Bei einer Verhinderung des Präsidenten oder aufsichtführenden Richters tritt sein Vertreter (§ 2 1 h ) an seine Stelle. Ist der Präsident oder aufsichtführende Richter anwesend, so kann sein Vertreter, wenn er nicht selbst gewählt ist, an den Sitzungen des Präsidiums mit beratender Stimme teilnehmen. Die gewählten Mitglieder des Präsidiums werden nicht vertreten. *) Es bedarf der Nachprüfung, inwieweit es sich hier um einen Grundsatz von allgemeiner Bedeutung handelt, aus dem in anderen vergleichbaren Fällen Folgerungen zu ziehen wären (vgl. Anm. 3 b zu § 40). **) ebenso Kl Nachtr. [ 19731 3. 2664

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 C Anm. I 1, 2; II

(2) Scheidet ein gewähltes Mitglied des Präsidiums aus dem Gericht aus, wird es an ein anderes Gericht für mehr als drei Monate oder an eine Verwaltungsbehörde abgeordnet, wird es kraft Gesetzes Mitglied des Präsidiums, oder wird es zum Vorsitzenden Richter ernannt, so tritt an seine Stelle der durch die Wahl Nächstberufene. I. Verhinderung von Mitgliedern des Präsidiums (zu Absatz 1) 1. Verhinderung des Vorsitzenden. Anwesenheit von Nichtmitgliedern. Satz 1 betr. Vertretung des verhinderten Präsidenten (aufsichtführenden Richters) in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Präsidiums entspricht dem bisherigen Recht (vgl. § 66 Abs. 2 a. F.). Satz 2 trägt dem Umstand Rechnung, daß der ständige Vertreter des Präsidenten (Aufsichtrichters) als solcher — abweichend vom früheren Recht (§ 64 Abs. 3 a. F.) — nicht mehr „geborenes" Mitglied des Präsidiums ist. Die im RegEntw. noch nicht enthaltene und erst im Rechtsausschuß eingefügte Vorschrift, die dem Vertreter des anwesenden Präsidenten (Aufsichtsrichters) das Recht der Teilnahme an den Sitzungen des Präsidiums mit lediglich beratender — im Gegensatz zu beschließender — Stimme einräumt, „soll sicherstellen, daß er einen umfassenden Überblick über die Arbeit des Präsidiums gewinnt, damit er im Falle der Verhinderung des Präsidenten den Vorsitz im Präsidium sachgerecht führen kann. Außerdem ist es wünschenswert, daß das Präsidium auch die Erfahrungen des Vertreters verwerten kann" (Ausschußbericht S. 4). Die Anwesenheit weiterer Personen, die nicht Mitglieder des Präsidiums sind, mit beratender Stimme, z. B. des Sachbearbeiters, dem die Vorarbeit bei der Aufstellung des Geschäftsplans obliegt, ist damit nicht ausgeschlossen; sie setzt voraus, daß die Mitglieder des Präsidiums mit der Anwesenheit einverstanden sind (vgl. dazu Anm. VIII 2 d zu § 21 e). Die Bedeutung des Satzes 2 liegt darin, daß er dem Vertreter des Präsidenten ein Recht auf Anwesenheit und Gehör einräumt. 2. Verhinderung gewählter Mitglieder. Auch Satz 3, wonach die gewählten Richter nicht vertreten werden können (und zwar weder durch Richter, die nicht Mitglieder des Präsidiums sind, noch durch Mitglieder des Präsidiums), steht in Übereinstimmung mit dem bisherigen Recht (vgl. Anm. 5 zu § 64 in der Vorauflage). Ist ein solches Mitglied an der Anwesenheit in der Sitzung verhindert, oder enthält es sich der Stimme bei der Beschlußfassung, so beschließen die übrigen Mitglieder des Präsidiums (vgl. BGHSt. 12 402. 405; 13 126; NJW 1959 1378; OLG Hamm NJW 1957 802). § 21 i Abs. 1 bleibt unberührt. II. Zu Absatz 2. Absatz 2, der im bisherigen Recht kein Vorbild hat (wegen der bisher bestehenden Rechtslage vgl. Anm. 8 g zu § 64 in der Voraufl.). regelt den Fall von Veränderungen in der Person der gewählten Mitglieder, die die gesetzmäßige Zusammensetzung des Präsidiums (§ 21 a Abs. 2) berühren. Der Grundgedanke der Vorschrift ist die Aufrechterhaltung der Zahl der Mitglieder des Präsidiums. Die in Betracht kommenden Veränderungen sind: a) das Ausscheiden aus dem Gericht durch Tod, Zurruhesetzung, Versetzung. Ein Ausscheiden aus dem Gericht liegt noch nicht vor, wenn ein Mitglied dauernd dienstunfähig wird und in der Zeit bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt (durch Zurruhesetzung) seine Dienstgeschäfte nicht mehr aufnehmen kann; es findet dann Absatz 1 Satz 3 Anwendung (vgl. OLG Hamm MDR 1970 611); b) die Abordnung an ein anderes Gericht für mehr als 3 Monate oder an eine Verwaltungsbehörde (ohne Rücksicht auf deren Dauer), weil sie dem Mitglied die Wählbarkeit nimmt (vgl. § 21 b Abs. 1 Satz 3); c) die Entstehung einer Mitgliederschaft kraft Gesetzes: ein zum Mitglied gewählter Vorsitzender Richter wird zum Präsidenten des Gerichts ernannt, wodurch sich die Zahl der wählbaren Mitglieder verringert; d) die Ernennung eines gewählten Richters zum Vorsitzenden Richter, so daß sich die Zahl der Vorsitzenden Richter über den in § 21 a Abs. 2 Satz 2 bestimmten Anteil hinaus erhöht. Es tritt dann jeweils an die Stelle des aus dem Präsidium Ausgeschiedenen der durch die Wahl Nächstberufene, d. h. — je nachdem, ob ein Vorsitzender Richter oder ein anderer Richter zur Erreichung des in § 21 a Abs. 2 Satz 2 vorgesehenen Gleichgewichts einzutreten 2665

§ 21 d Anm. 1—3

Gerichtsverfassungsgesetz

§ 21 e hat — derjenige Vorsitzende Richter oder andere Richter, der nach dem Ausgeschiedenen die meisten Stimmen auf sich vereinigt hatte (§ 21b Abs. 3 Satz 2). Wegen des Falles, daß kein Nächstberufener vorhanden ist, vgl. § 14 WahlO. Der Neueingetretene verbleibt auch dann an Stelle des Ausgeschiedenen, wenn der letztere — der abgeordnete Richter nach Beendigung der Abordnung — wieder zu seinem Gericht zurückkehrt. Scheidet der Präsident (Aufsichtsrichter) aus dem Gericht aus, so tritt sein Nachfolger kraft Gesetzes an seine Stelle; bis zu dessen Eintritt vertritt der Vertreter (§ 21c Abs. 1 Satz 1) den Ausgeschiedenen. §21 d (1) Für die Größe des Präsidiums ist die Zahl der Richterplanstellen am Ablauf des Tages maßgebend, der dem Tage, an dem das Geschäftsjahr beginnt, um sechs Monate vorhergeht. (2) Ist die Zahl der Richterplanstellen bei einem Gericht mit einem Präsidium nach § 21a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 unter zwanzig gefallen, so sind bei der nächsten Wahl, die nach § 21 b Abs. 4 stattfindet, zwei Richter zu wählen;, neben den nach Absatz 4 ausscheidenden Mitgliedern scheiden zwei weitere Mitglieder aus, die durch das Los bestimmt werden. (3) Ist die Zahl der Richterplanstellen bei einem Gericht mit einem Präsidium nach § 21 a ^bs. 2 Satz 1 Nr. 2 über neunzehn gestiegen, so sind bei der nächsten Wahl, die nach § 21b Abs. 4 stattfindet, sechs Richter zu wählen; hiervon scheiden zwei Mitglieder, die durch das Los bestimmt werden, nach zwei Jahren aus. 1. Inhalt der Vorschrift: Nach § 21a Abs. 2 bestimmt sich die Größe und Zusammensetzung des Präsidiums nach der Zahl der Richterplanstellen des Gerichts (wegen dieses Begriffs vgl. Anm. II 3 zu § 21a). Absatz 1 regelt, auf welchen Zeitpunkt es dabei ankommt. Die Absätze 2, 3 beschreiben die Folgerungen, die sich aus einer nach § 21 a Abs. 2 bedeutsamen Erhöhung oder Verminderung der Richterplanstellenzahl ergeben. Im Falle des § 21 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 führt eine Erhöhung der Planstellenzahl auf 8 zur Bildung des Präsidiums nach Nr. 2 für das nächste Geschäftsjahr. 2. Stichtag (zu Absatz 1). Da sich die Größe des Präsidiums nach der Zahl der Richterplanstellen richtet und diese Zahl sich im Verlauf eines Geschäftsjahres ändern kann, mußte ein Stichtag festgelegt werden, der für die Größe des Präsidiums maßgebend ist. Und zwar muß dieser Stichtag vor dem Termin liegen, an dem die Wahl zum Präsidium durchgeführt werden soll, weil am Wahltag genau feststehen muß, wie viele Mitglieder zum Präsidium zu wählen sin'd. Diesen Stichtag setzt Absatz 1 fest. Beginnt das Geschäftsjahr (dessen Festsetzung Sache der Justizverwaltung ist) *) wie allgemein üblich am 1. Januar, so ist danach die Stellenplanzahl am 1. 7. des vorangegangenen Jahres maßgebend. Durch die geräumige Festlegung ist gesichert, daß für die Vorbereitung und Durchführung der Wahl ein angemessener Zeitraum zur Verfügung steht. Eine Veränderung der Richterplanstellenzahl nach dem Stichtag ist nunmehr bedeutungslos; sie gewinnt erst wieder nach den Absätzen 2, 3 Bedeutung für die nächste Wahl, die nach § 21 b Abs. 4 stattfindet. 3. Folgerungen. Da es nur auf die Zahl der am Stichtag dem Gericht im Haushaltsplan zur Besetzung mit Richtern auf Lebenszeit zugewiesenen Planstellen ankommt, spielt es keine Rolle, ob diese am Stichtag besetzt sind und ob die Planstelleninhaber bei dem Gericht tätig oder an andere Gerichte oder an Verwaltungsstellen abgeordnet sind. Ebenso ist es bedeutungslos, ob Planstelleninhaber nach dem Stichtag ausscheiden, abgeordnet werden usw. Diese Umstände spielen zwar für die Wahlberechtigung und Wählbarkeit eine Rolle (§ 21 b Abs. 1 Satz 3); insoweit kommt es aber auf die Verhältnisse zur Zeit der Wahl an.

§ 21 e (1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Untersuchungsrichter und die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören. *) Daß die Festsetzung des Geschäftsjahres Sache des Präsidiums sei — so S t a n i c k i DRiZ 1972 416. T h o m a s - P u t z o , Z P O [6] zu § 21 d — läßt sich nicht begründen.

2666

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 e

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Vorsitzenden Richtern, die nicht Mitglieder des Präsidiums sind, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben. (3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter, nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben. (4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt. (5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben. (6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören. (7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. (8) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht. Schrifttum: S c h o r n , Die Präsidialverfassung der Gerichte aller Rechtswege, 1957; R a s e h o r n , Der Geschäftsverteilungsplan als Organisationsinstrument, Z R P 1972 18; S t a n i c k i , Geschäftsordnung für das Präsidium, DRiZ 1972 51; H e n k e , Die Arbeit der Präsidien neuer Art bei großen Amtsgerichten, DRiZ 1972 285; L e i t s ä t z e der Kommission des Deutschen Richterbundes zur Rechtsstellung der Gerichtspräsidien, DRiZ 1972 294. Übersicht I. Inhalt der V o r s c h r i f t im allgemeinen II. D e r A u f g a b e n b e r e i c h des P r ä s i d i u m s im allgemeinen 1. E r w e i t e r u n g e n g e g e n ü b e r dem bisherigen R e c h t 2. E r g ä n z e n d e V o r s c h r i f t e n a u ß e r h a l b des § 2 1 e 3. Kein R e c h t s p f l e g e r - P r ä s i d i u m III. D e r G e s c h ä f t s v e r t e i l u n g s p l a n 1. Seine allgemeine Bedeutung. G r u n d satz der Stetigkeit 2. R e c h t s n a t u r der Tätigkeit des Präsid i u m s bei Aufstellung des P l a n s 3. R e c h t s n a t u r des G e s c h ä f t s v e r t e i lungsplans 4. K e i n e Ü b e r t r a g b a r k e i t der A u f g a b e n des P r ä s i d i u m s 5. B e s e t z u n g der S p r u c h k ö r p e r . a) Allgemeines b) G r e n z e n der Ü b e r b e s e t z u n g c) Hilfsrichter 6. Regelung der V e r t r e t u n g a) U m f a n g der Vertreterregelung b) Vertretungsregelung bedeutet Bestellung regelmäßiger Vertreter bei v o r ü b e r g e h e n d e r Verhinderung. Folgen dauernder Verhinderung c) D i e Regelung der V e r t r e t u n g im einzelnen d) D i e V o r s c h r i f t e n der § § 7 0 A b s . 1. 117GVG

7. 8.

9.

10. 11. 12.

13.

e) U n a n w e n d b a r k e i t des § 21 e Abs. 1 bei E r g ä n z u n g s r i c h t e r n B e s e t z u n g der F e r i e n s t r a f l c a m m e r n u n d -Senate Verteilung der G e s c h ä f t e a) G r u n d s ä t z l i c h e s - Verteilung s ä m t licher anfallender G e s c h ä f t e . Verteilung n a c h p f l i c h t m ä ß i g e m Erm e s s e n auf die S p r u c h k ö r p e r . Gesetzliche Z u w e i s u n g s r e g e l n b) „ S t r e i k " des P r ä s i d i u m s bei M a n gel a n R i c h t e r n ? c) Verteilung n a c h allgemeinen abstrakten Merkmalen Z e i t p u n k t der A u f s t e l l u n g u n d Gelt u n g s d a u e r des J a h r e s g e s c h ä f t s v e r teilungsplans B e s t i m m u n g des S p r u c h k ö r p e r v o r s i t zes des P r ä s i d e n t e n Zugehörigkeit zu mehreren Spruchkörpern Fehlerhafte Geschäftsverteilung a) Ihre A u s w i r k u n g b) K e i n e Heilung d u r c h fleue Bes c h l u ß f a s s u n g mit r ü c k w i r k e n d e r Kraft A b w e i c h u n g v o n einem g e s e t z m ä ß i gen G e s c h ä f t s v e r t e i l u n g s p l a n

IV. A n h ö r u n g v o n R i c h t e r n , die nicht Mitglieder des P r ä s i d i u m s sind 1. V o r s i t z e n d e R i c h t e r 2. A n d e r e Richter

2667

§ 21 e Anm. I; II 1, 2

Gerichtsverfassungsgesetz

3. Rechtsbehelfe, wenn der Angehörte mit seinen Wünschen nicht durchdringt V. Änderung des Geschäftsverteilungsplans im Lauf des Geschäftsjahres 1. Verhältnis des § 21 e Abs. 3 zum bisherigen Recht 2. Keine abschließende Regelung in Absatz 3 3. Änderung wegen Überlastung a) Formen der Änderung b) Bildung einer Hilfsstrafkammer c) Überlastung des einzelnen Mitglieds eines Spruchkörpers 4. Ungenügende Auslastung 5. Wechsel einzelner Richter 6. Dauernde Verhinderung VI. Weitertätigwerden trotz Änderung der Geschäftsverteilung (zu Absatz 4) 1. Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht 2. Tragweite des Absatzes 4 3. Entsprechende Anwendung des Absatzes 4 auf die Ferienstrafkammer 4. Weitertätigwerden des einzelnen Richters 5. Schöffen 6. Zeitpunkt und Wirkungsdauer der Anordnung nach Absatz 4 VII. Freistellung für Aufgaben der Justizverwaltung (zu Absatz 6) VIII. Die Beschlußfassung des Präsidiums (zu Absatz 7) 1. Die Arten der Beschlußfassung

2. Sitzungen des Präsidiums a) Geschäftsordnung b) Einberufung c) Die Beschlußfassung. Unanwendbarkeit der §§ 192 ff. GVG. Stimmenthaltung d) NichtÖffentlichkeit der Sitzungen e) Sitzungsprotokoll 3. Beschlußfassung im Umlaufsweg 4. Zur Schweigepflicht der Mitglieder des Präsidiums IX. Zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen und anderen Maßnahmen des Präsidiums 1. Darstellung der früher herrschenden Auffassung über die Beschränkung der Justiziabilität auf die mittelbare Rechtskontrolle 2. Änderungen durch Art. 19 Abs. 4 GG? a) Die für eine Anfechtung in Betracht kommenden Gruppen von Fällen b) Die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 4 sind zu verneinen c) Die Zweifel über den „Rechtsweg" bei Bejahung der Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 4 GG. 3. Reformbestrebungen X. Auflegung des Geschäftsverteilungsplans zur Einsichtnahme (zu Absatz 8). XI. Betätigung des Präsidiums außerhalb des ihm durch das GVG zugewiesenen Aufgabenbereichs XII. Bereitschaftsdienst

I. Inhalt der Vorschrift im allgemeinen. Absatz 1 Satz 1 ist an die Stelle der bisherigen §§63 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 1 und, soweit es sich um den Vorsitz in den Spruchkörpern handelt, an die Stelle des § 62, ferner, soweit es sich um die Bestellung der Untersuchungsrichter und Ermittlungsrichter handelt, an die Stelle des § 61 Abs. 2 a. F. GVG, §§ 168 a Abs. 2, 3 und 186 a. F. StPO getreten. Absatz 1 Satz 2 entspricht inhaltlich dem § 63 Abs. 1 Satz 1 a. F. Absatz 1 Satz 3 ersetzt den § 62 Abs. 2 Satz 1 a. F. Absatz 1 Satz 4 trifft die dem § 63 Abs. 1 Satz 2 a. F. entsprechende Bestimmung. Absatz 3 Satz 1 folgt dem Vorbild des § 63 Abs. 2 a. F. Absatz 4 ist an die Stelle des § 65 a. F. getreten. Absatz 7 gibt den Inhalt des § 64 Abs. 4 a. F. wieder. Die Vorschriften der Absätze 2, 3 Satz 2, Absätze 5, 6 und 8 sind neu. II. Der Aufgabenbereich des Präsidiums im allgemeinen (zu Absatz 1) 1. Absatz 1 Satz 1, 2 umschreibt den Aufgabenbereich des Präsidiums. Dieser ist gegenüber dem bisher geltenden Recht insofern erweitert, als dem Präsidium außer der Verteilung der Geschäfte und der Beisitzer auch die Verteilung des Vorsitzes in den Spruchkörpern (Kammern, Senate) obliegt, die bisher Sache des Direktoriums oder Senatoriums war (vgl. Vorbem. 2 c). Ferner nennt Absatz 1 — bisher verstreute Vorschriften zusammenfassend — als Aufgabe des Präsidiums die Bestellung der Untersuchungsrichter des LG und des OLG (bisher § 61 Abs. 2 a. F. GVG; § 186 a. F. StPO) und der Ermittlungsrichter des OLG und des BGH (bisher § 168 a Abs. 2, 3 StPO). 2. § 21 e Abs. 1 Satz 1, 2 wird ergänzt durch § 78 Abs. 2 (Bezeichnung des Vorsitzenden und der übrigen Mitglieder der auswärtigen Strafkammer), § 83 Abs. 1, 2 (Bestellung der 2668

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium § 21 e und die Geschäftsverteilung (Schäfer) Anm. II 3; III 1 , 2 Vorsitzenden u n d der übrigen richterlichen Mitglieder des Schwurgerichts, § 132 Abs. 3 (Bestellung der Mitglieder der G r o ß e n Senate und ihrer Vertreter durch das Präsidium des B G H ) . U n b e r ü h r t geblieben ist die Zuständigkeit des Präsidiums zur Bildung von Hilfsstrafk a m m e r n (vgl. A n m . III 2 zu § 60) und von F e r i e n s t r a f k a m m e r n und -Senaten ( A n m . 1 zu §.201) sowie zur Stellung des Antrags auf A b o r d n u n g von Hilfsrichtern (§§ 70 Abs. \ 117). Uber die Mitwirkung des Präsidiums bei der Auswahl des Ergänzungsrichters vgl. A n m . II 6 zu § 192. 3. Rechtspfleger sind keine Richter i. S. des G V G . Ihre G e s c h ä f t e werden — entgegen einer z . T . im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. H a e g e l e - E i c k m a n n - R i e d e l 6 zu § 1 Rpflegerges.) — nicht im Geschäftsverteilungsplan verteilt. Wegen des aus Kreisen der Rechtspfleger de lege ferenda geforderten „Rechtspfleger-Präsidiums" vgl. D R i Z 1972 143. III. Der Geschäftsverteilungsplan 1. Seine allgemeine Bedeutung. Die §§ 21 e und 21 f dienen der Verwirklichung des G r u n d s a t z e s , d a ß Ausnahmegerichte, ad hoc zusammengesetzte Gerichte, unzulässig sind und niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf (Art. 101 G G , § 16 G V G ) . Dieser G r u n d s a t z fordert, daß nicht nur die sachliche und örtliche Zuständigkeit des zur Entscheidung berufenen Gerichts durch gesetzliche Vorschriften im v o r a u s feststeht, sondern d a ß grundsätzlich auch der bei dem betreffenden Gericht zuständige S p r u c h k ö r p e r und damit die Person der bei der Entscheidung mitwirkenden Richter sowie sein Aufgabenbereich von vornherein auf längere D a u e r (§ 21 e Abs. 1 Satz 2) — Grundsatz der Stetigkeit — nach allgemeinen Merkmalen (vgl. unten A n m . III 8 c) und unter Ausschluß jeder Einflußn a h m e von dritter Seite, auch der Justizverwaltung, festgelegt ist. D e m g e m ä ß legt § 21 e die Geschäftsverteilung auf die einzelnen Spruchkörper in die H a n d des Präsidiums, eines in richterlicher Unabhängigkeit handelnden Kollegialorgans der gerichtlichen Selbstverwaltung (vgl. B G H S t . 12 227. 234). Die §§ 21 e, f übertragen ihm gleichzeitig die A u f g a b e , bei den Kollegialgerichten die Vorsitzenden, ihre ständigen Vertreter, die übrigen Beisitzer und allgemein Vertreter von Beginn des Geschäftsjahres den einzelnen Spruchkörpern zuzuweisen. Diese Zuteilung der Richter durch richterliche Kollegien auf die D a u e r des G e s c h ä f t s j a h res bedeutet zugleich, d a ß neben die Unabsetzbarkeit u n d Unversetzbarkeit als weitere persönliche G a r a n t i e der richterlichen Unabhängigkeit die der Einwirkung der Justizverwaltung entzogene Unverschiebbarkeit im Kollegialgericht (die Bindung an den einmal übertragenen Aufgabenbereich beim Amtsgericht) tritt. 2. Rechtsnatur der Tätigkeit des Präsidiums. D a die Tätigkeit der Mitglieder des Präsidiums nicht in der Entscheidung konkreter Rechtsstreitigkeiten besteht, gehört sie nicht zur Rechtsprechung im materiellen Sinn (vgl. Vorbem. 2 vor dem 1. Titel). Über die rechtliche Charakterisierung der Tätigkeit, die in der allgemeinen Vorsorge besteht, d a ß anhängige u n d künftig anfallende Verfahren vor den gesetzlichen Richter gelangen und von ihm entschieden werden, gehen die Auffassungen auseinander. So wird sie teils materiell als Verwaltungstätigkeit (so Einleitung in diesem K o m m e n t a r S. 65; S c h m i d t - R ä n t s c h 10 zu § 2 5 D R i G ) , teils als ..Rechtsprechung im formellen Sinn" (so G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 6. 7 zu § 1 D R i G ; Leitsätze der Amtsrechtskommission des Deutschen Richterbundes D R i Z 1972 294), teils als Rechtsetzung (s. unten zu 3) gewertet. Praktische Folgerungen knüpfen sich d a r a n aber nicht, d a nicht zweifelhaft ist, d a ß die Mitglieder des Präsidiums in richterlicher Unabhängigkeit unter dem Schutz des Art. 97 Abs. 1 G G handeln ( B G H Z 4 6 147 = M D R 1967 211 = D R i Z 1967 25). D a r a u s ergibt sich, daß sie hinsichtlich ihrer Entscheidungen einer Dienstaufsicht der Gerichtsverwaltung nur in den engen Grenzen des § 26 D R i G unterliegen. Die Dienstaufsichtsbehörde kann zwar den Mitgliedern des Präsidiums die „ordnungswidrige Art der A u s f ü h r u n g eines A m t s g e s c h ä f t s " vorhalten. Die Vorhaltung kann aber, was den sachlichen Inhalt eines Präsidialbeschlusses anlangt, — ebenso wie bei richterlichen Entscheidungen, die einer N a c h p r ü f u n g im Rechtsmittelweg unterliegen — nur in dem Hinweis auf offensichtliche Rechtsfehler bei der Geschäftsverteilung bestehen (vgl. A n m . VIII 2 zu § 1). D a z u gehört auch n o c h der Hinweis, d a ß bestimmte Regelungen im Geschäftsverteilungsplan, z. B. in der Besetzung der Spruchkörper, wiederholt durch die höheren Rechtsmittelinstanzen beanstandet w o r d e n 2669

§ 21 e

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. III 3 - 5 seien und zur Aufhebung von Entscheidungen der Spruchkörper geführt hätten ( B G H aaO.). Darüber hinausgehende Maßnahmen der Gerichtsverwaltung, auch schon die Anregung der dienstaufsichtsführenden Stelle, eine im Rahmen der Geschäftsverteilung getroffene Entscheidung bei der nächsten Geschäftsverteilung in einem bestimmten, von der dienst-, aufsichtsführenden Stelle vertretenen Sinn zu überprüfen, stellen einen unzulässigen Eingriff in die Befugnis des Präsidiums dar, die Geschäftsverteilung nach seinem Ermessen zu regeln, der jedes Mitglied des Präsidiums zur Anrufung des Richterdienstgerichts berechtigt (§ 26 Abs. 3 DRiG). 3. Rechtsnatur des Geschäftsverteilungsplans. D a das Präsidium in richterlicher Unabhängigkeit beschließt, ist der Geschäftsverteilungsplan kein reiner Justizverwaltungsakt. Ob man ihn als ,justizförmigen" Verwaltungsakt (vgl. Einleitung S. 65), als Akt der gerichtlichen Selbstverwaltung oder als innerdienstlichen Organisationsakt (so z . B . H . A r n d t DRiZ 1968 379) bezeichnet, ist eine Frage der Terminologie ohne praktische Auswirkung. Jedenfalls ist er — gegen eine mitunter vertretene Auffassung (vgl. A. A r n d t N J W 1959 605; 1964 1667; HessVerwGH DRiZ 1969 122) - kein Rechtsetzungsakt. denn der Geschäftsverteilungsplan ist keine Rechtsnorm, bei der schon die objektive Verletzung genügen würde, den Bestand richterlicher Entscheidungen zu gefährden (vgl. unten Anm. III 13). BVerfGE 17 252, 256 = N J W 1964 1020; E 31 47 = DVB1. 1971 785 hat die Frage der Rechtsnatur offen gelassen. 4. Keine Übertragbarkeit der Aufgaben des Präsidiums. Das Präsidium muß die ihm übertragenen Aufgaben selbst wahrnehmen. Allerdings sieht § 21 i Abs. 2 vor, d a ß in Eilfällen, in denen eine Entscheidung des Präsidiums nicht rechtzeitig ergehen kann, der Vorsitzende des Präsidiums vorläufig die notwendigen Anordnungen trifft. Dagegen kann das Präsidium erforderliche Anordnungen, die es treffen könnte, nicht dem Vorsitzenden zum selbständigen Befinden überlassen noch sie, wenn er sie getroffen hat, durch nachträgliche Genehmigung rückwärts wirksam machen; Beschlüsse des Präsidiums wirken stets — auch im Fall des § 21 i Abs. 2 - nur ex nunc (RGSt. 23 166; 37 59, 301; 38 416; BGHSt. 3 353). 5. Besetzung der Spruchkörper a) Allgemeines. Die Besetzung der Spruchkörper geschieht beim Amtsgericht durch Bestimmung der für die einzelnen Abteilungen zuständigen Richter (einschl. des zweiten Richters beim erweiterten Schöffengericht, § 29 Abs. 2), bei den Kollegialgerichten durch Bestimmung der Vorsitzenden (§ 21 f Abs. 1) und der Beisitzer der einzelnen Kammern und Senate. Absatz 1 Satz 1 verlangt nicht, daß jeder Richter zum Mitglied eines Spruchkörpers ernannt werden muß; vielmehr ist es auch zulässig, einem Richter (mit seinem Einverständnis, § 42 D R i G ) ausschließlich die Erledigung von Verwaltungsgeschäften zu übertragen (RGSt. 46 255; BGHSt. 12 159, 161) - s. dazu Absatz 6 - oder ihn von vornherein zum sog. Vertretungsrichter zu bestimmen ( R G H R R 1928 Nr. 2328). Dagegen ist es unzulässig und kommt einer gegen Art. 97 Abs. 2 Satz 1 G G verstoßenden Verdrängung aus dem Amt gleich, wenn das Präsidium im Wege der Geschäftsverteilung einen Richter auf Lebenszeit gegen seinen Willen praktisch von der rechtsprechenden Tätigkeit ausschließt (BVerfG D R i Z 1964 173 = N J W 1964 1019). Die in der Geschäftsverteilung als ordentliche Mitglieder eines Spruchkörpers bezeichneten, aber nach dem Sinn des Geschäftsverteilungsplans und der tatsächlichen Handhabung nur im Bedarfsfall zu den Sitzungen heranzuziehenden Richter sind in Wirklichkeit als Vertreter zu betrachten und zu behandeln ( R G G A 55 109; B G H D R i Z 1965 202). Selbstverständlich ist das Präsidium nicht gehindert, einen Spruchkörper ohne Rücksicht auf die Art der ihm zugewiesenen Geschäfte nur mit männlichen Richtern zu besetzen (vgl. O L G Köln N J W 1972 911), wie es auch andererseits nicht gehindert wäre, ihn nur mit Frauen zu besetzen. b) Überbesetzter Spruchkörper. Einem Spruchkörper können mehr Richter (Beisitzer) zugeteilt werden, als zur Verhandlung und Entscheidung einer Sache erforderlich sind. Über den zulässigen Umfang der Überbesetzung vgl. Anm. I 4 b zu § 21 f. und wegen der Heranziehung der Mitglieder die Anm. zu § 21 g Abs. 2. 2670

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 e Anm III 6

c) Hilfsrichter. Nach § 29 DRiG darf bei einer gerichtlichen Entscheidung nicht mehr als ein Hilfsrichter (Richter auf Probe, Richter kraft Auftrags oder abgeordneter Richter) mitwirken. Soweit überhaupt die Mitwirkung von Hilfsrichtern zulässig ist (vgl. §§ 22 Abs. 5, 59 Abs. 3; beim O L G können nur abgeordnete Richter verwendet werden; beim BGH gibt es keine Hilfsrichter), ist auch die Besetzung des Spruchkörpers mit einem Hilfsrichter, die des überbesetzten Spruchkörpers auch mit 2 Hilfsrichtern zulässig (BGHSt. 14 321). Darüber, daß auch die Mitwirkung nur eines Hilfsrichters zu einer unvorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO) führen kann, wenn sie auf dem Fehlen der der Dauerbelastung des Gerichts insgesamt entsprechenden Zahl von auf Lebenszeit ernannten Planstelleninhabern beruht, vgl. Anm. III 2c zu § 59. Bei der Verteilung der beigeordneten Hilfsrichter auf die einzelnen Spruchkörper ist zwar vom Präsidium möglichst Gleichmäßigkeit des Verhältnisses von Planrichtern und Hilfsrichtern (auch bei der Bestimmung der Vertreter der ständigen Mitglieder) anzustreben. Jedoch ist eine rein rechnerisch gleichmäßige Aufteilung auf die einzelnen Spruchkörper nicht unbedingt geboten; vielmehr bleibt dem Präsidium ein Ermessensspielraum, der ihm gestattet, notwendige Abweichungen entsprechend den verschiedenen Bedürfnissen vorzunehmen (BVerfGE 14 156 = NJW 1962 1495, 1496; BGHSt. 14 321, 328). Vgl. im übrigen die Anm. zu § 70. Ein von der Justizverwaltung zur Vertretung eines dauernd verhinderten Mitgliedes überwiesener Hilfsrichter tritt nicht von selbst in die Tätigkeit des verhinderten Mitgliedes ein; vielmehr hat das Präsidium über seine Verwendung zu bestimmen (RGSt. 37 301; BGHSt. 12 159). Bei Verlängerung des Auftrags gilt der Zuteilungsbeschluß weiter (RG v. 30.4. 1925 II 87/25). Selbstverständlich muß, wenn der Auftrag der Justizverwaltung über das Geschäftsjahr hinaus andauert, in dem für das neue Geschäftsjahr aufgestellten Geschäftsverteilungsplan von neuem über die Verwendung des Hilfsrichters Bestimmung getroffen werden (BGH NJW 1961 1685). 6. Regelung der Vertretung a) Umfang der Vertreterregelung. Die dem Präsidium obliegende Regelung der Vertretung bezieht sich hauptsächlich auf die Vertret jng der Richter beim Amtsgericht, der Untersuchungs- und Ermittlungsrichter und der Beisitzer der Kollegialgerichte. Die Vertretung der Vorsitzenden Richter bei den Kollegialgerichten regelt — vom Schwurgericht abgesehen (§ 83 Abs. 2) — § 21 f Abs. 2; insoweit besteht die Aufgabe des Präsidiums nur in der Bestimmung des Mitglieds des Spruchkörpers, das „ständiger" Vertreter des Vorsitzenden ist (vgl. Anm. II 2 zu § 2 1 0 b) Allgemeines zur Vertretungsregelung. Die Regelung der Vertretung in dem vor Beginn deS Geschäftsjahres aufzustellenden Geschäftsverteilungsplan hat, wie dies § 63 Abs. 1 a. F. deutlicher zum Ausdruck brachte, die Bestimmung der Richter zum Gegenstand, die regelmäßig, d. h. in allen vorkommenden Verhinderungsfällen, berufen sind, einen dem Spruchkörper zugewiesenen „ständigen" Beisitzer im Falle seiner Verhinderung zu vertreten. Und zwar handelt es sich bei der in § 21 e Abs. 1 Satz 1 vorgesehenen Regelung der Vertretung um die Vertretung bei vorübergehender Verhinderung (BGHZ 15 135, 138 = NJW 1955 103; BayVerfGH NJW 1968 99, 101). Bei einer im Lauf des Geschäftsjahrs eintretenden dauernden Verhinderung bedarf es einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans nach § 21 e Abs. 3 Satz 1. Über den Begriff der Verhinderung, die Abgrenzung der dauernden von der vorübergehenden Verhinderung, über die Feststellung des Verhinderungsfalls (Zuständigkeit und Form) vgl. II 4 zu § 21 f. c) Die Regelung der Vertretung im einzelnen. An die Stelle eines verhinderten Mitglieds tritt zunächst der regelmäßige Vertreter. Der regelmäßige Vertreter braucht nicht namentlich bestimmt zu sein. Es genügt z. B. im Geschäftsverteilungsplan eines Landgerichts die Bestimmung, daß ein Mitglied durch das jeweils dem Dienstalter nach jüngste Mitglied des Landgerichts oder der Strafkammern zu vertreten sei. Eine solche Bestimmung ist indessen bedenklich, wenn sie praktisch dazu führt, das in jedem Vertretungsfall ein Hilfsrichter mitwirkt (vgl. BGHSt. 9 107, 110). In jedem Fall muß der Vertreter genügend deutlich bezeichnet werden. Unzulässig ist eine Bestimmung des Geschäftsverteilungsplans, die lediglich besagt, daß sich die Richter der Strafkammern oder der Straf- und Zivilkammern „gegenseitig vertreten"; es muß vielmehr die Reihenfolge bestimmt werden, in der die Mitglieder an2671

§ 21 e Anm. III 7, 8

Gerichtsverfassungsgesetz

derer Kammern als Vertreter eintreten sollen (BGHSt. 12 159, 160; s. auch BVerfG DRiZ 1964 175). Unzulässig wäre auch — was R G G A 74 284 noch als zulässig ansah — eine Bestimmung, daß alle Mitglieder zweier Kammern einander gegenseitig vertreten und es dem Landgerichtspräsidenten überlassen bleibe, gemäß § 67 a. F. = § 21 i Abs. 2 oder dem Vorsitzenden in Anwendung des § 69 a. F. = § 21 g zu bestimmen, wer von den mehreren zur Vertretung berufenen Richtern als Vertreter einzutreten habe (OLG Hamm N J W 1959 114). Unzulässig ist ferner die Bestimmung, daß bei Ablehnung aller Richter einer Jugendkammer eine bestimmte andere Strafkammer zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zuständig sei (OLG Zweibrücken M D R 1971 861). Ist der regelmäßige Vertreter verhindert, so ist, wie sich aus § 21 i Abs. 2 ergibt, auch die Bestellung eines vorübergehend für ihn eintretenden Vertreters grundsätzlich Sache des Präsidiums (der Wortlaut des § 21 e Abs. 1 Satz 1 i. Verb, mit Satz 2, Absatz 3 Satz 1 — „dauernder Verhinderung" — ist also zu eng); in der Regel wird der Präsident nach § 21 i Abs. 2 wegen Eilbedürftigkeit den vorübergehenden Vertreter bestellen*). Dem Sinn des § 21 e Abs. 1 Satz 1 entspricht es aber mehr, daß — zulässigerweise — schon im Geschäftsverteilungsplan mehrere Richter in einer bestimmten Reihenfolge zu regelmäßigen Vertretern bestellt werden, dergestalt, daß wenn der erste nach der Reihenfolge berufene regelmäßige Vertreter verhindert ist, der nächste als regelmäßiger Vertreter eintritt (vgl. K G J R 1966 189 und zu § 22b a. F. O L G Bremen N J W 1965 1448). Dadurch wird die Bestimmung eines Vertreters nach § 21 i Abs. 2 praktisch zur seltenen Ausnahme. Die Aufgabe des Gerichtspräsidenten (oder seines Vertreters, § 21h) beschränkt sich dann, wenn es Gegenstand einer Ermessensentscheidung ist. ob eine Verhinderung vorliegt, ggf. auf die Feststellung, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen an die Stelle des ersten der nachfolgende regelmäßige Vertreter tritt (BGHSt. 12 113, 114, vgl. Anm. II 4 b zu § 21 f; II 1 zu § 83). d) Eine weitere Bestimmung über die Vertretung verhinderter Mitglieder s. in §§ 70, 117. Eine Vertretung ist nur aufgrund einer nach den § § 2 1 e , 21i Abs. 2 getroffenen Bestimmung, nicht aber ohne eine solche durch einen sich zur Übernahme freiwillig erbietenden Richter zulässig; hieran kann durch Landesgesetz nichts geändert werden (RGRspr. 7 41). e) Auf den Ergänzungsrichter (§ 192 Abs. 2) findet § 21 e Abs. 1 keine Anwendung, da er nicht der regelmäßige Stellvertreter eines Mitglieds des erkennenden Gerichts sein muß (RGSt. 59 20). 7. Wegen der Besetzung der Ferienstrafkammern und -Senate vgl. Anm. 1 zu § 201. 8. Verteilung der Geschäfte a) Grundsatz. Wo mehrere Spruchkörper bestehen, muß das Präsidium sämtliche dem Gericht anfallenden Geschäfte unter sie verteilen. Die Art der Verteilung ist — ebenso wie bei der Verteilung der Mitglieder des Gerichts — dem pflichtmäßigen Ermessen des Präsidiums überlassen (RGSt. 28 215). Nur ausnahmsweise finden sich gesetzliche Vorschriften, die das Ermessen einschränken oder für seine Ausübung Richtlinien aufstellen. So müssen Staatsschutzsachen einer Kammer zugewiesen werden (vgl. dazu Anm. 1 zu § 74 a) und Strafsachen wegen Steuervergehen sollen nach § 426 Abs. 3 RAbgO einer bestimmten Strafkammer, beim Amtsgericht einer bestimmten Abteilung, zugewiesen werden; das gilt auch für die Strafkammer als Berufungs- oder Beschwerdegericht. Richtlinien für die Ermessensausübung enthalten § 34 J G G Abs. 2 (Grundsatz der Einheit von Jugendrichter und Vormundschaftsrichter) und § 37 J G G , wonach die Richter bei den Jugendgerichten erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein sollen. b) „Streik" des Präsidiums? Ein Geschäftsverteilungsplan, bei dessen Aufstellung schon vorauszusehen ist, daß er wegen Mangels an ordentlichen Mitgliedern in wesentlichen Teilen nicht eingehalten werden kann, genügt den gesetzlichen Erfordernissen nicht (BGHSt. 7 205, 209; 9 107, 108). Wie soll sich aber ein Präsidium verhalten, wenn nach seiner Überzeugung die zur Verfügung stehenden Kräfte nicht ausreichen, um die anfallenden Geschäfte gesetz- und sachgemäß zu erledigen? Ist dann das Präsidium, wenn die Versuche, auf dem Weg der § § 7 0 Abs. 1.117 Abhilfe zu schaffen, vergeblich geblieben sind, gleichwohl ver* ) D i e dagegen von S t a n i c k i D R i Z 1972 415, der § 2 2 b Abs. 3 entsprechend anwenden will, erhobenen Bedenken sind nicht begründet.

2672

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 e Anm. III 8

pflichtet, alle Geschäfte zu verteilen, obwohl es voraussieht, daß der Geschäftsverteilungsplan undurchführbar ist, oder ist es befugt, die Geschäfte nur insoweit zu verteilen, als ihre Erledigung nach seiner Uberzeugung möglich ist, und die übrigen (minder bedeutsamen) Geschäfte einstweilen unberücksichtigt zu lassen? Nach B o c k e l m a n n JZ 1952 641; S c h o r n , Präsidialverfassung 107 ist die Frage im Sinn der ersten Alternative zu beantworten; ein „Streik" des Präsidiums wäre eine ungesetzliche Justizverweigerung und die Nichtbestellung des „gesetzlichen Richters" ein Verstoß gegen Art. 101 G G (§ 16 G V G ; vgl. dort Anm. III 4). Nach E h r i g N J W 1963 1188 (ähnlich S c h o r n S. 109fl) kann ein Beteiligter (Rechtssuchender, nach S c h o r n aaO. auch der Staat) sogar gegen das Präsidium Verpflichtungsklage beim Verwaltungsgericht (!) erheben oder dort im Parteistreitverfahren einen klagbaren Anspruch auf Schaffung einer Richterbank geltend machen (vgl. dazu unten Anm. IX). Dem kann mit B r e i t h a u p t , DRiZ 1952 128; H e i m DRiZ 1953 3; E b S c h m i d t 3; M ü l l e r - S a x 1 a zu § 63 a. F. nicht zugestimmt werden. Mit Recht verlangt BGHSt. 7 205 = N J W 1955 880 vom Präsidium die Aufstellung eines Geschäftsverteilungsplans, der nicht nur auf dem Papier steht, sondern im Regelfall eingehalten werden kann; die ordnungsmäßige Besetzung aller Spruchkörper könne in Frage gestellt sein, wenn ein Gericht im Vergleich zu seiner Geschäftslast allzuwenig Richterkräfte hätte und daher bei Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans vorauszusehen sei, daß er im wesentlichen nicht eingehalten werden könne und die Regelung der Zusammensetzung der Spruchkörper hauptsächlich auf dem Weg des § 21 i Abs. 2 erfolgen müsse. Solche Erwägungen zwingen das Präsidium gerade zum „Streik"; nicht das Präsidium, das gewisse Geschäfte nicht verteilen würde, weil die Kräfte zu ihrer Bewältigung nicht vorhanden sind, sondern die Justizverwaltung (oder die Finanzverwaltung oder das Parlament bei Festsetzung des Haushaltsplans!), die die erforderliche Zahl von Kräften nicht bereitstellt, würde gegen Art. 101 G G verstoßen. Schließlich ist das Präsidium, dessen Aufgabe in der Aufstellung eines inhaltlich gesetzmäßigen Geschäftsverteilungsplans besteht, j a auch sonst berechtigt und verpflichtet, seine Mitwirkung abzulehnen, wenn ihm inhaltlich gesetzwidrige Verteilungsmaßnahmen angesonnen werden (vgl. die Andeutungen in B G H Z 22 142, 147; BGHSt. 13 53, 57). c) Die Art der Verteilung. Der Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G , § 16 GVG) erfordert, daß die Zuweisung der Sachen an die einzelnen Spruchkörper und die einzelnen Richter (Untersuchungs- und Ermittlungsrichter) nach allgemeinen abstrakten Merkmalen erfolgt. Diese müssen, wenn auch eine absolute Automatik nicht erreichbar ist, so eindeutig wie möglich festgelegt werden, um „Manipulieren" auszuschließen und sich dem Idealzustand zu nähern, daß die einzelne Sache „blindlings" an den zuständigen Spruchkörper gelangt. Solche allgemeinen Merkmale können etwa der Anfangsbuchstabe des Namens des Angekl. (vgl. dazu B G H bei H e r l a n G A 1963 100 betr. Nichtberücksichtigung von Adelsprädikaten), die Endziffer des Aktenzeichens, die Herkunft aus einem Bezirk, das verletzte Strafgesetz sein. Unzulässig sind Merkmale, die es der Staatsanwaltschaft oder der Geschäftsstelle ermöglichen, Einfluß auf die Zuweisung an einen bestimmten Spruchkörper auszuüben, wie etwa der Zeitpunkt des Eingangs bei der Geschäftsstelle, denn bei gleichzeitigem Eingang mehrerer Sachen würde die Geschäftsstelle über die Reihenfolge des Eingangs bestimmen (BGHSt. 15 1 1 6 = N J W 1960 2109 = LM Nr. 20 zu § 6 3 G V G m. Anm. B u s c h ; a. M. B A G N J W 1961 1 7 4 0 = JZ 1962 26), sofern nicht (wie durch die in B G H N J W 1963 2071 dargestellte Geschäftsverteilung nach „Ordnungszeichen") Maßnahmen ergriffen werden, die in einem höchst erreichbaren Umfang ein Ermessen der Geschäftsstelle ausschließen. Unzulässig ist beim Amtsgericht eine Verteilung nach geraden oder ungeraden Endziffern auf die eine oder andere Abteilung, wenn die gemeinsame Geschäftsstelle in der Lage ist, durch die Bezifferung auf die Zuständigkeit einzuwirken ( O L G Neustadt M D R 1965 255). Bedenklich ist die — in der Rechtsprechung (vgl. B G H N J W 1958 1503; O L G Zweibrücken M D R 1967 147) freilich für zulässig gehaltene Verteilung in der Weise, daß bei einer Mehrzahl von Angeklagten der Anfangsbuchstabe des Namens desjenigen Mitangeklagten maßgebend ist, der in der Anklageschrift oder auf dem Aktendeckel der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten zuerst aufgeführt wird, denn dann läge es in der Hand der Staatsanwaltschaft, durch entsprechende Anordnung der Reihenfolge der Mitangeklagten die zuständige Kammer zu bestimmen (vgl. dazu den Fall O L G Nürnberg N J W 1963 502 mit Anm. M a y w a l d N J W 1963 923). Vielmehr muß etwa bestimmt werden, daß der im Alphabet erste oder letzte Anfangsbuchstabe des Namens eines 2673

§ 21 e

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. III 9 - 1 1 Mitangeklagten maßgebend oder bei verschiedenen Teilnahmeformen (Haupttäter—Gehilfe) die schwerste Beteiligungsform den Ausschlag gibt usw. Unzulässig ist es auch, bestimmte, bei Beginn des Geschäftsjahres noch anhängige Sachen als solche, also ohne daß sie nach allgemeinen Merkmalen bezeichnet würden, auf die Spruchkörper zu verteilen, wenn eine Anordnung nach § 21 e Abs. 4 nicht ergangen ist (BGH NJW 1955 152; vgl. auch RG JR 1934 451 = JW 1934 565). 9. Aufstellung des Jahresgeschäftsverteilungsplanes (§ 21 e Abs. 1 Satz 2) a) Der Geschäftsplan ist vom Präsidium notwendigerweise vor Beginn des Geschäftsjahres — das ist überall das Kalenderjahr — aufzustellen; gelingt das aus irgendwelchen Gründen nicht, so muß notfalls nach § 21 i Abs. 2 verfahren werden. Eine vor Beginn des Geschäftsjahres beschlossene Geschäftsverteilung kann ohne die Beschränkung des § 21 e Abs. 3 Satz 1 („im Lauf des Geschäftsjahres") nachträglich vor Beginn des Geschäftsjahres wieder geändert werden (BGHSt. 13 53, 54). b) „für dessen Dauer". Das bedeutet nicht, daß das Präsidium nur solche Maßnahmen treffen dürfte, von denen zu erwarten ist, daß sie während des ganzen Geschäftsjahrs bei Bestand bleiben, sonst wäre es z. B. unmöglich, einen Richter, der im Lauf des Geschäftsjahres die Altersgrenze erreicht und damit ausscheidet, einzuteilen. Vielmehr können vor Beginn des Geschäftsjahrs auch Anordnungen getroffen werden, von denen mit Wahrscheinlichkeit oder Gewißheit vorauszusehen ist, daß sie im Rahmen des Absatzes 3 demnächst geändert werden müssen; dies gilt auch für die Einteilung von Hilfsrichtern, die gemäß § 70 Abs. 2 GVG auf eine kürzere Zeit als die Dauer des Geschäftsjahrs beigeordnet sind (BGHSt. 14 321, 325 = NJW 1960 1475 = MDR 1960 857). Unzulässig wäre aber eine Geschäftsverteilung, die sich von vornherein auf Teile des Geschäftsjahres beschränkte (RGSt. 38 416) oder einem Spruchkörper einzelne Mitglieder nur für einen von vornherein festbestimmten Teil eines Jahres oder nur bis zur Erledigung bestimmter Strafverfahren zuteilte (BGHSt. 8 252 = NJW 1956 111; s. auch BGH NJW 1957 800). Auch voraussehbare Veränderungen können nur durch erneuten Beschluß nach § 21 e Abs. 3 berücksichtigt werden. Selbstverständlich liegt keine unzulässige zeitliche Beschränkung vor, wenn ein Beschluß nach § 21 e Abs. 3 nur für den Rest des Geschäftsjahres erlassen wird. — Mit dem Ende des Geschäftsjahres endet grundsätzlich die Wirkung aller Präsidialbeschlüsse. Wird aber eine im alten Geschäftsjahr begonnene Hauptverhandlung innerhalb der Frist des § 229 StPO im neuen Geschäftsjahr fortgesetzt oder ergeht eine Anordnung nach § 21 e Abs. 4, so behält die Anordnung des Präsidiums über die Besetzung des Spruchkörpers auch über das Ende des Geschäftsjahres hinaus ihre Bedeutung (vgl. unten Anm. IV). 10. Bestimmung des Spruchkörpervorsitzes des Präsidenten (zu Absatz 1 Satz 3). Die Befugnis des Präsidiums, über die Besetzung der Spruchkörper und damit über die Verteilung des Vorsitzes (§ 21 f) zu beschließen, ist dadurch beschränkt, daß nach § 21 e Abs. 1 Satz 3 der Präsident (nicht auch der aufsichtführende Richter beim Amtsgericht, der nicht Präsident ist) bestimmt, „welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt". Die entsprechenden, nunmehr aufgehobenen und durch § 21 e Abs. 1 Satz 3 ersetzten Vorschriften lauteten bisher dahin, daß der AG-Präsident die Abteilung bestimme, die er übernimmt (§ 22 c Abs. 1 Satz 3 a. F.), und daß der Präsident des LG die Kammer (§ 62 Abs. 2 Satz 1 a. F.), der OLG- und BGH-Präsident den Senat bestimmt, „dem er sich anschließt" (§§ 117, 131 a. F.). Einen anderen als diesen Sinn kann auch die neue Vorschrift trotz des geänderten Wortlauts nicht haben. Satz 3 ergibt zunächst^ daß jeder Präsident richterliche Aufgaben wahrnehmen muß; in anderer Weise als durch Übernahme einer Abteilung (beim AG) und Übernahme des Vorsitzes in einem Spruchkörper (bei den Kollegialgerichten, § 21 f Abs. 1) ist dies aber nicht möglich. Auch ergibt die amtl. Begründung des Entw. keinen Anhaltspunkt dafür, daß mit dem geänderten Wortlaut eine sachliche Änderung bezweckt werden sollte. — Sollte das Präsidium den Präsidenten einem Spruchkörper zuteilen, so ist dies unschädlich, wenn der Präsident zustimmt. 11. Zugehörigkeit zu mehreren Spruchkörpern (zu Absatz 1 Satz 4). Die Zuweisung eines Richters zum Mitglied mehrerer Spruchkörper ist zwar ausdrücklich zugelassen. Von 2674

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 e Anm. III 12

dieser Möglichkeit darf aber im Hinblick auf den Grundsatz des gesetzlichen Richters nur in dem Umfang Gebrauch gemacht werden, als es zur ordnungsgemäßen Besetzung jedes Spruchkörpers erforderlich ist. Eine nicht gebotene (wahllose) Zuteilung mehrerer Richter an mehrere Spruchkörper verstößt gegen Art. 101 G G (BVerfGE 17 294 = N J W 1964 1019 = M D R 1964 569). Satz 4 gilt für alle Richter. Auch ein Vorsitzender Richter kann also zum Vorsitzenden mehrerer Spruchkörper bestimmt werden, der Präsident sich mehreren Spruchkörpern anschließen (RGSt. 62 366), vorausgesetzt, daß der Vorsitzende Richter (Präsident) in jedem dieser Spruchkörper die einem Vorsitzenden Richter obliegenden Aufgaben in dem erforderlichen Umfang selbst wahrnehmen kann (vgl. Anm. I 5 zu § 21 f). Wegen der Verwendung eines Vorsitzenden Richters als Vorsitzender in dem einen und als ständiger Beisitzer in dem anderen Spruchkörper vgl. Anm. II 6 zu § 21 f. 12. Fehlerhafte Geschäftsverteilung a) Ihre Auswirkung. Die Vorschriften über die Aufgaben (§ 21 e), die Zusammensetzung (§ 2 1 a ) und das Verfahren (§ 21 i Abs. 1. § 21 e Abs. 7) des Präsidiums sind keine Ordnungsvorschriften, sondern zwingendes Recht. Ihre Befolgung ist erforderlich für den rechtlichen Bestand der auf der Grundlage der Geschäftsverteilung entfalteten richterlichen Tätigkeit ( R G Z 53 4; 89 257). Ist die Geschäftsverteilung inhaltlich gesetzwidrig oder — vorbehaltlich des § 21 b Abs. 6 Satz 3 — von einem fehlerhaft gebildeten Präsidium oder nicht mit dem gesetzlichen Stimmenverhältnis beschlossen, so ist das erkennende Gericht i. S. des § 338 Nr. 1 StPO nicht ordnungsmäßig besetzt (vgl. Anm. 3 zu § 22 d). In strenger Folgerichtigkeit durchgeführt würde das bedeuten, daß eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts auch dann vorläge, wenn die gesetzlichen Grundlagen für Bildung und Tätigkeit des Präsidiums lückenhaft oder mehrdeutig sind und die Beteiligten ohne Hintergedanken eine Auslegung gewählt haben, die zwar das letztlich entscheidende Revisionsgericht für rechtsirrig erklärt, die aber vertretbar (rechtlich möglich und nicht ohne vernünftigen Sinn) ist. Eine so weittragende und praktisch unerträgliche Folgerung ist aber durch den Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), dessen Verwirklichung die das Präsidium und seine Tätigkeit betreffenden Vorschriften dienen, nicht geboten. Soweit es sich um Abweichungen von einem Geschäftsverteilungsplan handelt, gilt der Grundsatz, daß nur willkürliche, nicht irrtümliche Abweichungen den Bestand des Urteils gefährden (vgl. unten Anm. 13). Mit Recht ist dieser Grundsatz in abgewandelter F o r m auf die oben bezeichneten Fehler übertragen worden, die der Bildung und Tätigkeit des Präsidiums anhaften. BGHSt. 12 227, 402, 405; 13 262, 268 haben sich unter Zustimmung des Schrifttums ( S a r s t e d t DRiZ 1960 349, 350; M a r t i n in Anm. zu LM Nr. 8 zu § 62. wohl auch E b S c h m i d t 15; vgl. ferner Anm. V 2 b zu § 21b) auf den Standpunkt gestellt, daß eine fehlerhafte Bildung und Zusammensetzung des Präsidiums, die auf rechtsirriger, aber vertretbarer Auslegung der maßgeblichen Vorschriften beruht, die Gültigkeit der vom Präsidium gefaßten Beschlüsse nicht berührt und damit den Vorwurf unvorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts, das auf der Grundlage des Geschäftsverteilungsplans tätig wird, nicht begründet (wegen der Bedeutungslosigkeit von Gesetzesverletzungen bei der Wahl des Präsidiums für die Besetzung des Gerichts vgl. jetzt § 2 1 b Abs. 6). Mit Recht hält S a r s t e d t aaO. diesen Gedanken für ausdehnungsfähig auf andere „verzeihliche" Fehler bei der Besetzung des Gerichts, z. B. bei der Heranziehung von Schöffen. Dem hat sich B G H G A 1971 34 und N J W 1973 476 angeschlossen unter Berufung auf BGHSt. 12 402, 406 und z. B. in G A 1971 34 ausgesprochen, daß angesichts eines Beschlusses nach § 52 Abs. 2 G V G , der die Voraussetzungen der Ungeeignetheit eines Schöffen i. S. des § 33 Nr. 3 G V G verneint, eine vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO) nur vorliegt, wenn dieser Beschluß auf einer klar zutage liegenden Gesetzesverletzung oder auf Willkür beruht (vgl. Anm. 5 zu § 52). S. femer auch O L G Celle NdsRpfl. 1972 92 und dazu kritisch v o n W i n t e r f e l d N J W 1972 1399, 1401. b) Fehlerhafte Präsidialbeschlüsse können nicht durch neue Beschlüsse mit rückwirkender Kraft geheilt werden, da solche stets nur für die Zukunft wirken (oben Anm. III 4). Echte Lücken der Geschäftsverteilung müssen durch ergänzende Beschlüsse des Präsidiums mit Wirkung ex nunc geschlossen werden. Das gleiche gilt bei unüberwindlichen Unklarheiten und widersprüchlichen Anordnungen eines Beschlusses. Wohl aber können bloße Ausle2675

§ 21 e Gerichtsverfassungsgesetz Anm. III 13 gungszweifel durch klärende Beschlüsse des Präsidiums (in Eilfallen gemäß § 21 i Abs. 2) behoben werden. 13. Abweichung von einem gesetzmäßigen Geschäftsverteilungsplan. Auf die bloße Tatsache der Abweichung von einem gesetzmäßigen Geschäftsverteilungsplan kann die Revision nicht gestützt werden, denn der Plan ist keine Rechtsnorm i. S. des § 337 StPO. Dagegen kann als Gesetzesverletzung gerügt werden, daß unter Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters willkürlich von einem gesetzmäßigen Geschäftsverteilungsplan abgewichen worden sei (vgl. Anm. III 5 zu § 16). Diese Grundsätze entsprechen der herrschenden Auffassung (vgl. RGSt. 36 321; 45 260, 351; RGZ 119 379. 384; BGHSt. 3 353 [= NJW 1953 353]; 11 106, 109 [= NJW 1958 429]; M ü l l e r - S a x l c zu § 6 3 ; Kl [30] 3 C zu § 338; W i e c z o r e k C; H e n k e l 126; P e t e r s 127). Allerdings wird angezweifelt, ob der Geschäftsverteilungsplan nicht doch eine Rechtsnorm sei (vgl. B o c k e l m a n n JZ 1952 643; S a r s t e d t LM Nr. 15 zu § 338 Nr. 1 StPO; M a r q u o r d t MDR 1958 254; H e n c k e l JZ 1963 292). Es wird ferner eingewendet, daß zwar der Geschäftsverteilungsplan keine Rechtsnorm sein möge, eine Abweichung von ihm sich aber als eine Verletzung der Vorschriften des GVG über die Geschäftsverteilung darstelle und deshalb stets (nicht nur bei willkürlicher Abweichung) die Revision begründe, wie denn ja auch die Schöffenliste kein Gesetz, die Abweichung von ihr aber ein Verstoß gegen § 338 Nr. 1 sei (vgl. N i e s e JZ 1953 595; B e t t e r m a n n , „Grundrechte" III 2, 552f.; S a r s t e d t , Revision 140ff.; S c h o r n , Präsidialverfassung S. 150; A r n d t DRiZ 1959 171; B o c k e l m a n n JZ 1952 642; offen gelassen im BGHZ 37 125 = NJW 1962 1396 = JZ 1963 289 m. Anm. H e n ckel). Diese Auffassung verkennt indessen, daß § 22d GVG, der ja einen Grundsatz von allgemeiner Bedeutung darstellt, der bloßen Tatsache der Abweichung vom Geschäftsverteilungsplan die Bedeutung einer Gesetzesverletzung gerade abspricht (vgl. Anm. 1 zu § 22 d). Im übrigen ließe sich eher umgekehrt fragen, ob es wirklich gerechtfertigt ist, einer irrtümlichen Abweichung von der Schöffenliste die Bedeutung beizumessen, daß auch Urteile, die in großen Verfahren nach langer Hauptverhandlungsdauer ergingen, ohne Rücksicht auf ihre sachliche Richtigkeit nur deswegen aufgehoben werden müssen, weil bei der Zuziehung der ehrenamtlichen Richter unbemerkt ein „verzeihlicher" Fehler unterlief, oder weil die Rechtsauffassung, von der das Instanzgericht bei der Zuziehung ausging, vom Revisionsgericht mißbilligt wird (s. vorstehend zu 12 a). Mit der Überlegung, daß Strenge in diesen Fragen „für die Zukunft die Grundlagen der Rechtspflege befestigen" (so S a r s t e d t , Revision S. 3; andererseits aber DRiZ 1960 349, 350) läßt sich das Problem schwerlich abtun. Es darf darauf hingewiesen werden, daß in anderen Gerichtsbarkeitszweigen, wo die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter ebenfalls nach der Reihenfolge einer Liste erfolgt, die entsprechenden Vorschriften z. T. nur Sollvorschriften darstellen (vgl. §§ 31, 39 Abs. 5, 73 Abs. 2 AGG) und nur die willkürliche Abweichung als Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewertet wird (vgl. BAG NJW 1962 1314), ohne daß deshalb die Rechtsstaatlichkeit solcher Regelungen in Frage gestellt würde. Es muß auch bezweifelt werden, daß es heute „der ständigen Praxis aller Revisionsgerichte" entspräche (so S a r s t e d t , Revision S. 141, dessen Ausführungen wohl so zu verstehen sind), irrtümliche Abweichungen vom Geschäftsverteilungsplan als Revisionsgrund i. S. des § 338 Nr. 1 StPO zu werten. So bezeichnet z. B. OLG Hamm JMB1. NJW 1963 252 die Frage als streitig und stützt die Entscheidung darauf, daß in dem zur Entscheidung stehenden Fall Willkür anzunehmen sei. BGHZ 37 125 = NJW 1962 1396 = MDR 1962 645 unterstellt die Möglichkeit, die Abweichung vom Geschäftsverteilungsplan als Verletzung der Vorschriften des GVG über die Geschäftsverteilung zu werten; auch dann liege nicht in jedem Fall ein Verstoß gegen oberste Prinzipien des Verfahrensrechts vor, jedenfalls nicht bei Akten von untergeordneter Bedeutung und rein formalen Charakters wie (im Zivilprozeß) bei der Verlängerung einer Berufungsbegründungsfrist durch den Vorsitzenden eines unzuständigen Senats. Aber das hier in Betracht kommende oberste Verfahrensprinzip ist das Verbot der Richterentziehung, und dieses richtet sich gegen Willkür, nicht gegen Irrtum. Nach BGHZ 40 148, 154 liegt kein Verstoß gegen § 16 Satz 2 GVG, Art. 101 G G vor, wenn eine Klage durch eine andere als die nach der Gerichtsorganisation zuständige Kammer entschieden wird, weil diese sich irrigerweise für zuständig hält.

2676

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 e Anm. IV 1—3

IV. Anhörung von Richtern, die nicht Mitglieder des Präsidiums sind (zu Absatz 2, Absatz 3 Satz 2, Absatz 5) 1. Absatz 2 schreibt zwingend („ist") vor, daß den Vorsitzenden Richtern, die nicht Mitglieder des Präsidiums sind, Gelegenheit zu einer Äußerung vor der allgemeinen Geschäftsverteilung nach Absatz 1 zu geben ist. Dadurch soll gewährleistet werden, daß die Belange der einzelnen Spruchkörper bei der Geschäftsverteilung im gebotenen Maß berücksichtigt werden (Begr. S. 17). Jeder Vorsitzende Richter muß also, bevor über die Jahresgeschäftsverteilung beschlossen wird, seine Auffassung über seine eigene Verwendung, über die Bestellung seines ständigen Vertreters (§ 21 f Abs. 2), über die weiteren dem Spruchkörper zuzuteilenden Richter und über Art und Umfang der zuzuteilenden Geschäfte dartun können. Im allgemeinen wird es genügen, wenn er seine Auffassung dem mit der Vorbereitung des Entwurfs des Geschäftsverteilungsplans beauftragten „Präsidialrichter" mitteilt und dieser sie, wenn nicht bei den der Präsidialsitzung vorangehenden Besprechungen eine Einigung erzielt wird, dem Präsidium vor der Beschlußfassung bekannt gibt. Der Vorsitzende Richter kann aber auch verlangen, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, seine Wünsche dem Präsidenten als Vorsitzendem des Präsidiums vorzutragen, bevor dieser dem Präsidium einen abweichenden Vorschlag unterbreitet, und schließlich kann er — der Wortlaut schließt dies nicht aus — verlangen, vom Präsidium unmittelbar vor der Beschlußfassung angehört zu werden. Ist die Anhörung unterblieben, so kann der Vorsitzende Richter Einwendungen gegen den Beschluß erheben; das Präsidium ist dann in der Zeit vor Beginn des Geschäftsjahres genötigt, erneut zur Beschlußfassung zusammenzutreten. Hat freilich inzwischen das Geschäftsjahr begonnen, so kann eine nachträgliche Anhörung nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 zu einer Änderung der beschlossenen Geschäftsverteilung führen. Die Anhörung erübrigt sich, wenn sie nicht möglich ist, etwa während einer längeren Erkrankung oder Beurlaubung des Vorsitzenden Richters. Eine Vertretung des Vorsitzenden Richters durch seinen ständigen Vertreter (§ 21 f Abs. 2 Satz 1) ist dann nicht vorgeschrieben, doch ist es nicht ausgeschlossen, sondern kann sogar zweckmäßig sein, diesen anzuhören. Absatz 2 wird ergänzt durch Absatz 3 Satz 2. Im Interesse der Verfahrensvereinfachung sind hier aber nicht ajle Vorsitzenden Richter, sondern nur diejenigen zu hören, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird. 2. Absatz 5 bezweckt, dem einzelnen Richter eine gewisse Einflußnahme auf solche Entscheidungen des Präsidiums einzuräumen, die ihn unmittelbar betreffen; ihm ist vor einschlägigen Beschlüssen Gelegenheit zu geben, insoweit seine Auffassung vorzutragen, damit das Präsidium nicht entscheidet, ohne das Für und Wider vollständig zu kennen (Begr. S. 18). Die „Zuteilung an einen anderen Spruchkörper" trifft sowohl den Fall des Ausscheidens aus dem Spruchkörper, dem der Richter bisher angehörte, und den Eintritt in einen anderen (Ausscheiden aus der Zivilkammer, Zuweisung an eine Strafkammer, aber auch Ausscheiden aus der Zivilkammer 1 und Zuweisung an die Zivilkammer 2) wie auch den Fall, daß er unter Verbleiben im bisherigen Spruchkörper zugleich einem anderen zugeteilt wird (§ 21 e Abs. 1 Satz 4); hierher gehört auch der Fall des § 78 Abs. 2. Ferner ist Abs. 5 nicht nur bei Änderungen im Lauf des Geschäftsjahrs (Absatz 3), sondern auch dann anwendbar, wenn bei Aufstellung des Jahresgeschäftsplans (Absatz 1) ein Spruchkörper Wechsel beabsichtigt ist. Beim Amtsgericht ist auch der Abteilungs(Dezernats)wechsel ein Spruchkörperwechsel. Eine „Änderung des Zuständigkeitsbereichs" ohne Zuteilung an einen anderen Spruchkörper kommt in Betracht, wenn ein Richter zum Untersuchungs- oder Ermittlungsrichter bestellt werden soll oder wenn bei Vorhandensein mehrerer Untersuchungs- oder Ermittlungsrichter eine Änderung der Aufgabenverteilung zwischen ihnen eintreten soll. In Eilfällen ist die vorherige Anhörung nicht obligatorisch; damit soll verhindert werden, daß unaufschiebbare Entscheidungen des Präsidiums durch das Erfordernis vorheriger Anhörung beträchtlich verzögert werden. Unanwendbar ist Absatz 5, wenn der Geschäftsverteilungsplan die Vertretung eines verhinderten Mitgliedes eines Spruchkörpers durch das Mitglied eines anderen Spruchkörpers vorsieht; darin liegt keine „Zuteilung an einen anderen Spruchkörper" i. S. des Absatzes 5. 3. Zur Frage der Anfechtbarkeit von Präsidialbeschlüssen, wenn die Angehörten mit ihren bei der Anhörung geäußerten Wünschen nicht durchdringen, vgl. unten Anm. IX. 2677

§ 21 e Anm. V 1 - 5

Gerichtsverfassungsgesetz

V. Änderungen des Geschäftsverteilungsplans im Laufe des Geschäftsjahres (zu Absatz 3) 1. Verhältnis zum bisherigen Recht. Ahsatz 3 Satz 1 entspricht im wesentlichen dem bisherigen § 63 Abs. 2 a. F. („Die Anordnung kann im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung einer Kammer oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Mitglieder des Gerichts erforderlich wird"). Neu ist die Erwähnung der ungenügenden Auslastung. Wegen des Absatzes 3 Satz 2 vgl. oben Anm. IV 1. 2. Keine abschließende Regelung. Nach dem Wortlaut des Absatzes 3 Satz 1 („dürfen n u r . . . " ) sind zwar die Gründe, die im Lauf des Geschäftsjahres zu einer Änderung des vor Beginn des Geschäftsjahres beschlossenen Planes berechtigen, abschließend aufgezählt. Tatsächlich ist diese Aufzählung aber nicht erschöpfend. Eine Änderung des Plans ist vielmehr auch geboten, wenn im Laufe des Geschäftsjahres dem Gericht neue Aufgaben zufallen, die der Verteilung bedürfen, wenn die Zahl der Spruchkörper vermehrt oder verringert wird, wenn ein inhaltlich fehlerhafter oder fehlerhaft beschlossener Plan durch eine gesetzmäßige Anordnung ersetzt werden muß. Stets muß es sich aber um notwendige Änderungen handeln; als Ausnahme („nur") von dem Grundsatz'des Absatzes 1 ist Absatz 3 eng auszulegen (BGHSt. 10 181). S. auch wegen der Bestellung eines Vertreters oben III 6 c. 3. Die Überlastung eines Spruchkörpers oder eines einzelnen Richters (des Mitglieds eines Spruchkörpers, des Untersuchungs- oder Ermittlungsrichters) kann eine dauernde (= ihrer Dauer nach nicht übersehbare, BGHSt. 10 179, 181) oder eine vorübergehende sein. Ob eine Überlastung vorliegt, ist Sache pflichtmäßiger Beurteilung des Präsidiums, das sich dabei auf die tatsächlichen Ermittlungen und Feststellungen des Präsidenten (aufsichtführenden Richters) stützt. Ob eine Überlastung tatsächlich vorlag, entzieht sich einer Nachprüfung durch das Revisionsgericht (BGH NJW 1956 111). a) Die Änderung der Geschäftsverteilung kann in der Zuweisung weiterer Richter (soweit zulässig) an den überlasteten Spruchkörper oder darin bestehen, daß ihm Sachen abgenommen und einem anderen Spruchkörper übertragen werden. In letzterem Fall gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Geschäftsverteilung vor Beginn des Geschäftsjahres (oben Anm. III 8 c), d. h. die Änderung darf sich nicht auf bestimmte einzelne Sachen beziehen, sondern muß nach allgemeinen abstrakten Merkmalen erfolgen (BGHSt. 7 23; 12 104, 105). Wird die Überlastung durch eine besonders umfangreiche Sache bewirkt, so kann diese dem bisher zuständigen Spruchkörper belassen werden, während alle anderen Sachen anders — nach allgemeinen Merkmalen — verteilt werden (BGHSt. 11 106, 107). Die Entlastung des Spruchkörpers durch Abnahme der besonders umfangreichen Sache aber ist nur durch Übertragung von allgemein bezeichneten Sachen, unter die auch diese fällt, möglich. b) Bei vorübergehender Überlastung kann die Entlastung auch in der Bildung einer Hilfsstrafkammer bestehen (vgl. Anm. III zu § 60). Vorübergehend ist die Überlastung, wenn ihr Ende absehbar ist, oder solange noch nicht offen zutage liegt, daß eine dauernde Überlastung (oben a) vorliegt (Kl 6 D). In dem Errichtungsbeschluß des Präsidiums müssen dann von vornherein die Geschäfte zwischen der ständigen und der Hilfsstrafkammer in der zu a) bezeichneten Form nach allgemeinen Merkmalen verteilt werden (RGSt. 62 309; BGHSt. 10 179, 181; NJW 1963 1882, 1883). Dagegen kann das Präsidium einen überbelasteten Spruchkörper nicht dadurch entlasten, daß es ihm für einzelne von vornherein bestimmte Sitzungen oder für eine einzelne Sache einen Richter zuweist (BGHSt. 10 179). c) Bei Überlastung des einzelnen Mitglieds eines Spruchkörpers, namentlich eines überbesetzten, kommt eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans nur in Betracht, wenn Abhilfe nicht innerhalb des Spruchkörpers durch Maßnahmen nach § 21 g Abs. 2 getroffen werden kann. 4. Die ungenügende Auslastung eines Spruchkörpers oder Richters kann auf der Verringerung des Geschäftsanfalls oder auf dem Wegfall bisheriger Aufgaben beruhen. Es kommt dann bei dem „überbesetzten" Spruchkörper eine Verringerung der Zahl seiner Mitglieder oder die Zuteilung weiterer Geschäfte aus einem anderen Spruchkörper nach allgemeinen abstrakten Merkmalen (oben zu 3 a) in Betracht. 5. Wechsel einzelner Richter. Ein Wechsel liegt sowohl dann vor, wenn ein Mitglied des Gerichts (durch Tod, Versetzung, Eintritt in den Ruhestand usw.) wegfällt und ein neues 2678

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäfts Verteilung (Schäfer)

§ 21 e Anm. V 6; VI 1

Mitglied an seine Stelle tritt, wie auch, wenn ein Mitglied ersatzlos wegfällt oder eine neue Kraft zusätzlich zugewiesen wird (vgl. BGHSt. 22 237 = M D R 1968 1026; s. dazu auch Anm. 3 d zu § 70). Ohne Bedeutung ist es, ob das ausscheidende oder neu eintretende ein ständiges (bei diesem Gericht auf Lebenszeit ernanntes) Mitglied oder ein Richter auf Probe, auf Zeit, kraft Auftrags oder ein abgeordneter Richter ist (BGH aaO.). Ist der Wechsel als im Lauf des Geschäftsjahrs eintretend voraussehbar, so kann ihn das Präsidium nicht schon bei der Aufstellung der Geschäftsverteilung vor Beginn des Geschäftsjahrs in der Weise berücksichtigen, daß es den der Person nach noch nicht feststehenden Nachfolger in der Planstelle zum Nachfolger in den durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmten Aufgabenbereich einweist (also nicht: Vorsitzender der . . . Kammer: Vorsitzender Richter X bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand, von da ab der auf seiner Planstelle zu erwartende neue Vorsitzende Richter). Denn das Präsidium kann sinnvoll Aufgaben nur verteilen, wenn es die Person kennt und weiß, wie sie am besten zu verwenden ist. Der Zugang eines Richters zwingt also grundsätzlich zu einem jetzt zu fassenden Beschluß über seine Verwendung (ebenso BGHSt. 19 116 = N J W 1964 167). Es gibt indessen keinen ausnahmslos geltenden Grundsatz, daß das Präsidium über die Verwendung eines neu hinzutretenden Richters erst bestimmen dürfe, wenn er der Person nach feststeht. Wird z. B. zum 1. 4. (also im Lauf des Geschäftsjahres) eine neue Kammer beim Landgericht aus Anlaß der Zuweisung weiterer Kräfte errichtet und ergeben sich daraus wesentliche Änderungen der bisherigen Regelung, so kann das Präsidium nicht zuwarten, wenn sich möglicherweise die Ernennung oder die Benennung der zugewiesenen Richter der Person nach bis zum 31. 3. verzögert, sondern muß angemessene Zeit vorher im März die notwendigen Änderungen beschließen, auch wenn es die neuen Kräfte der Person nach noch nicht kennt. Sofern B G H N J W 1964 167 = M D R 1964 166. soweit die Entscheidung nicht bereits durch die Änderung der Rechtslage überholt ist, etwas Abweichendes besagen will, so könnte dem nicht zugestimmt werden (s. dazu auch Anm. II 4 f zu § 21 f). 6. Eine dauernde Verhinderung (über den Begriff der Verhinderung s. Anm. II 4 zu § 21 0 liegt vor, wenn ein Mitglied ersatzlos ausscheidet (dann Verteilung seiner Geschäfte auf die übrigen Mitglieder), oder wenn es für längere oder der Dauer nach ungewisse Zeit verhindert ist und es der Bestellung eines neuen Mitglieds (eines neuen Vorsitzenden) bedarf (vgl. RGSt. 46 255). Wird aus solchem Anlaß dem Landgericht eine Kraft als Vertreter zugewiesen, so braucht über seine Verwendung im Geschäftsverteilungsplan nicht für die ganze (restliche) Dauer des Geschäftsjahres bestimmt zu werden, vielmehr genügt eine Bestimmung für die Zeit der Verhinderung (z. B. Richter auf Probe X „bis zum Wiedereintritt des abgeordneten Richters Y", oder „für die Dauer der Erkrankung des Richters Y"), so daß nach Wegfall der Verhinderung die ursprüngliche Geschäftsverteilung wieder von selbst maßgebend ist (BGHSt. 21 250 = N J W 1967 1622 = M D R 1967 776 = L M Nr. 1 zu § 69 m. Anm. H ü b n e r ; vgl. § 70 Abs. 2 und dort Anm. 4b). Bei nur vorübergehender Verhinderung (über diesen Begriff vgl. Anm. II 4 e zu § 21 f) regelt sich die Vertretung nach §§ 21 e Abs. 1 Satz 1, § 21 f Abs. 2. Eine förmliche Beschlußfassung des Präsidiums oder eine Eilmaßnahme des Präsidenten (§ 21 i Abs. 2) kommt hier erst in Betracht, wenn es weiterer Maßnahmen bedarf, z. B. wenn der im Geschäftsverteilungsplan bestimmte Vertreter eines Beisitzers selbst verhindert ist, oder wenn der Spruchkörper überlastet ist, weil der Vertreter des Vorsitzenden Richters (§ 21 f Abs. 2) neben der Vertretung des Vorsitzenden nicht seine bisherigen Aufgaben als Berichterstatter wahrnehmen kann. VI. Weitertätigwerden trotz der Änderung der Geschäftsverteilung (zu Absatz 4) 1. Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht. Absatz 4 ersetzt in verallgemeinerter Form den früheren, durch Art. II Nr. 14 des Ges. v. 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) aufgehobenen § 65 („Der Präsident kann bestimmen, daß einzelne Untersuchungen von dem Untersuchungsrichter, dessen Bestellung mit dem Ende des Geschäftsjahres erlischt, zu Ende geführt werden sowie daß in einzelnen Sachen, in denen während des Geschäftsjahres eine Verhandlung bereits stattgefunden hat, die Kammer in ihrer früheren Zusammensetzung auch nach Ablauf des Geschäftsjahres verhandele und entscheide"). Die Änderungen gegenüber dem Wortlauf des bisherigen Rechts bestehen darin, a) daß nicht mehr der Präsident, sondern das Präsidium die Anordnung trifft und der Präsident (aufsichtführende Richter)

2679

§ 21 e Anm. VI 2 - 6

Gerichtsverfassungsgesetz

nur noch in Eilfallen (§ 21 i Abs. 2) zuständig ist, b) daß nicht nur ein Spruchkörper und der Untersuchungsrichter, sondern allgemein ein einzelner Richter („ein Richter") weiterhin in einer Sache tätig sein kann, c) daß die Vorschrift nicht nur bei Ablauf des Geschäftsjahres, sondern auch bei Änderungen der Geschäftsverteilung während des Geschäftsjahres (Absatz 3) Anwendung findet. Die zu c) bezeichnete Änderung ist keine sachliche Änderung, sondern sie legalisiert nur die erweiternde Auslegung des bisherigen § 65 a. F. durch die Rechtsprechung. D a ß ein Spruchkörper (in seiner bisherigen Zusammensetzung) auch bei einer Änderung seiner Zuständigkeit im Laufe des Geschäftsjahres in einer Sache weiter tätig werden könne, war in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (vgl. R G D J Z 1907 69; G A Bd. 53 445; B G H N J W 1967 2367). 2. Tragweite des Absatzes 4. Absatz 4 regelt nicht den Fall, daß eine vor der Änderung der Geschäfts Verteilung begonnene, aber noch nicht beendete Hauptverhandlung (nach der Änderung der Geschäftsverteilung) innerhalb der Frist des § 229 S t P O fortgesetzt wird oder daß, wenn die Verhandlung vor der Änderung geschlossen wird, die Beratung und Verkündung des Urteils innerhalb der Frist des § 268 StPO nach der Änderung erfolgt. Hier versteht sich vielmehr von selbst, daß auch bei einer Änderung der Geschäftsverteilung der Spruchkörper in seiner bisherigen Besetzung die Hauptverhandlung bis zur Beendigung durchführt (BGH N J W 1964 1866). Absatz 4 setzt vielmehr voraus, daß vor der Änderung eine Hauptverhandlung stattfand, die über die Frist des § 229 StPO hinaus ausgesetzt oder vertagt wurde, und daß nach der Änderung eine von neuem begonnene Hauptverhandlung erforderlich ist, um die Sache zu Ende zu bringen (BGHSt. 8 250 = N J W 1956 110). 3. Auf die Ferienstrafkammer ist Absatz 4 entsprechend anwendbar, wenn sie außerhalb der Frist des § 229 StPO nach den Gerichtsferien in einer erneuten Hauptverhandlung entscheiden soll ( M ü l l e r - S a x l b , cc; S c h o r n S. 79). Auch bei der Ferienstrafkammer bedarf es aber keiner Anordnung nach Absatz 4, wenn sie eine in den Ferien begonnene Hauptverhandlung in der Frist des § 229 StPO nach den Ferien zu Ende führt (BGH N J W 1956 801 = J R 1956 228). 4. „ein Richter". Der einzelne Richter, der weiter tätig werden kann, ist zunächst der Untersuchungsrichter (der früher allein genannt war) und der Ermittlungsrichter (anders liegt es, wenn das Amt des Ermittlungsrichters des B G H endet, weil der Generalbundesanwalt nicht mehr das Amt der Staatsanwaltschaft bei dem Staatsschutz = O L G wahrnimmt, §§ 120 142a). Absatz 4 ist aber auch anwendbar, wenn ein Mitglied eines Kollegialgerichts aus dem bisher zuständigen Spruchkörper ausgeschieden ist. z. B. als Beisitzer einer anderen Kammer des Landgerichts zugeteilt ist, oder ein Richter („Landgerichtsrat") zum Vorsitzenden Richter bei demselben L G ernannt und Vorsitzender einer anderen Kammer geworden ist (vgl. R G J W 1905 501). So gut ein Richter auch nach seiner Zuweisung an eine andere Kammer an einer begonnenen und in der Frist des § 229 StPO fortgesetzten Hauptverhandlung weiter mitwirken kann (vgl. B G H N J W 1967 2367 = M D R 1968 63), kann auch die weitere Mitwirkung eines solchen Richters nach Absatz 4 angeordnet werden. Voraussetzung ist aber stets, daß er weiterhin bei dem gleichen Gericht verwendet wird, denn nur dann unterliegt er der Verfügungsgewalt dieses Präsidiums. Absatz 4 ist also unanwendbar, wenn der Richter durch Zurruhesetzung oder Versetzung aus dem Gericht ausgeschieden oder an ein anderes Gericht oder eine Verwaltungsbehörde abgeordnet ist. 5. Schöffen. Absatz 4 bezieht sich nur auf die Berufsrichter, nicht auf die Schöffen (für diese vgl. §§ 50, 77 Abs. 1). W a r die frühere Verhandlung über den zulässigen Zeitraum (§ 229 StPO) hinaus vertagt, so müssen also, wenn von Absatz 4 Gebrauch gemacht wird, neben den alten Berufsrichtern neue Schöffen mitwirken (allgemeine Meinung). 6. Zeitpunkt und Wirkungsdauer der Anordnung. Die Anordnung braucht nicht gleichzeitig mit der Änderung der Geschäftsverteilung, sondern sie kann auch nach der Änderung getroffen werden. Sie wirkt bis zur Beendigung der Sache in dem Rechtszug, es bedarf also bei wiederholter Änderung der Geschäftsverteilung keiner Erneuerung der Anordnung ( R G Z 71 79). Bei Zurückweisung einer Sache aus der Revisionsinstanz oder bei Wiederaufnahme des Verfahrens kann die Anordnung dagegen nicht mehr getroffen werden und ist

2680

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium § 21 e und die Geschäftsverteilung (Schäfer) Anm. VII; VIII 1, 2 eine frühere Anordnung nicht mehr wirksam; sie ist nur möglich und wirkt nur bis zur Entscheidung in der Instanz (h. M.). VII. Freistellung für Aufgaben der Justizverwaltung (zu Absatz 6). Absatz 6 war im RegEntw. noch nicht enthalten und ist erst vom BT-Rechtsausschuß eingestellt worden. „Infolge der Freistellung eines Richters für Aufgaben der Justizverwaltung wird in der Regel eine Änderung der Geschäftsverteilung nötig. Die Vorschrift stellt sicher, daß das Präsidium rechtzeitig mit der Angelegenheit befaßt wird" (Bericht des BT-Rechtsausschusses S. 4). Die Vorschrift hat den Fall im Auge, daß ein dem Gericht zugeteilter Richter ihm nicht oder nicht in vollem Umfang zur Erledigung von Rechtsprechungsaufgaben zur Verfügung stehn, sondern unter gänzlicher oder teilweiser „Freistellung" von Rechtsprechungsaufgaben solche der „Justizverwaltung" (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1, 4 DRiG) versehen soll. Das Präsidium soll dann Gelegenheit haben, sich zu der geplanten „Freistellung" im Hinblick auf ihre Auswirkungen bei der Geschäftsverteilung zu äußern. Absatz 6 ist unanwendbar, wenn die Heranziehung zu Justizverwaltungsaufgaben nicht mit einer Freistellung von Rechtsprechungsaufgaben verbunden ist, wie z. B. üblicherweise bei der Ernennung von Richtern zu nebenamtlichen Mitgliedern der juristischen Prüfungsämter. Sinngemäß ist Absatz 6 auch unanwendbar bei den Präsidenten (aufsichtsführenden Richtern), zu deren Aufgabenbereich notwendigerweise die Wahrnehmung von Justizverwaltungsaufgaben gehört und bei denen die Aufgaben des Spruchkörpers, dem er sich anschließt (§ 21 e Abs. 1 Satz 3), so bemessen werden müssen, daß er die Aufgaben eines Vorsitzenden in dem gleichen Umfang wahrnehmen kann wie der Vorsitzende Richter eines anderen Spruchkörpers (vgl. Anm. I 3 zu §210VIII. Die Beschlußfassung des Präsidiums (zu Absatz 7) 1. Die Arten der Beschlußfassung. Absatz 7 entspricht dem bisherigen § 64 Abs. 4 a. F.; er wird ergänzt durch § 21 i Abs. 2 und § 21 c Abs. 1. Aus diesen Vorschriften (vgl. insbes. § 21 c Abs. 1 Satz 2 [„Sitzungen des Präsidiums"] und § 21 i Abs. 1 [„anwesend ist"] ergibt sich, daß das Gesetz für den Regelfall von einer Erledigung der Aufgaben des Präsidiums durch Beschlußfassung in einer Sitzung ausgeht. Eine Beschlußfassung im Umlaufsweg ist dadurch aber nicht ausgeschlossen (vgl. unten Anm. 3). 2. Sitzungen des Präsidiums a) Geschäftsordnung. Von § 21 e Abs. 7, § 21 i Abs. 1 und § 21 c Abs. 1 abgesehen enthält das GVG keine Vorschriften über die Einberufung und Durchführung der Sitzung. Als autonomes Organ der gerichtlichen Selbstverwaltung wäre das Präsidium nicht gehindert, diese Fragen im Rahmen der bestehenden Gesetze durch eine von ihm zu beschließende Geschäftsordnung zu regeln (vgl. S t a n i c k i DRiZ 1972 51, der auch dort eine Mustergeschäftsordnung entworfen und zur Diskussion gestellt hat). Die Aufstellung einer Geschäftsordnung war aber bisher, soweit bekannt, im allgemeinen nicht üblich. Als interne Verfahrensregelung hätte sie nicht den Charakter einer Rechtsnorm, und Abweichungen von ihr könnten keine rechtliche Außenwirkung äußern. b) Einberufung. Die Einberufung einer Sitzung des Präsidiums ist Sache seines Vorsitzenden, des Präsidenten (aufsichtführenden Richters). Er bestimmt Ort und Zeit der Sitzung und muß dazu Einladung an alle erreichbaren Mitglieder ergehen lassen. Er wird, wenn nicht Eilbedürftigkeit zu kurzfristiger Anberaumung zwingt, den Zeitpunkt für die Sitzung so wählen^daß, soweit übersehbar, möglichst wenige Mitglieder an der Teilnahme verhindert sind, jedenfalls aber die Beschlußfähigkeit (§ 21 i Abs. 1) nicht in Frage gestellt ist. Jedoch entscheidet darüber, ob er mit Rücksicht auf die Verhinderung eines Mitgliedes zu dem ins Auge gefaßten Zeitpunkt einen anderen, die Teilnahme ermöglichenden Zeitpunkt wählen soll, sein pflichtmäßiges Ermessen, das — unter dem Gesichtspunkt des § 338 Nr. 1 StPO — gerichtlich nur in der Richtung nachprüfbar ist, ob ein Ermessensmißbrauch — etwa bei beabsichtigter Fernhaltung des Mitglieds — vorlag (vgl. BGHSt. 13 126, 127). Beantragt auch nur ein Mitglied die Anberaumung einer Präsidialsitzung zur Aussprache über Maßnahmen i. S. des § 21 e Abs. 1, 3 so muß der Vorsitzende einem solchen Verlangen entsprechen ( S c h o r n DRiZ 1958 315; 1962 185; E h r i g NJW 1963 1186 Fußnote 17). Die An-

2681

¡} 21 e

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. VIII 2 beraumungspflicht kann also nicht davon abhängig gemacht werden, daß sich die Mehrheit der Mitglieder des Präsidiums diesem Verlangen anschließt (so früher S c h o r n 116), denn das Mitglied will — und muß — ja gerade Gelegenheit haben, seine Gründe eingehend vorzutragen und auf Einwände zu erwidern. c) Auch über die Beschlußfassung des Präsidiums hat das Gesetz keine erschöpfenden Bestimmungen getroffen. Die §§ 192 ff. G V G gelten für die Entscheidung in einem gerichtlichen Verfahren über eine bestimmte Rechtssache. Sie sind auf die Behandlung von Fragen der gerichtlichen Selbstverwaltung nicht unmittelbar (BGHSt. 12 227, 228). aber auch nicht entsprechend anzuwenden (a. M. W i e c z o r e k Anm. C zu § 64). Das Verfahren ist somit dem eigenen pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums überlassen (BGH aaO.). Die Mitglieder des Präsidiums sind kraft der Amtspflicht verpflichtet, an Sitzungen des Präsidiums teilzunehmen, soweit sie nicht (durch Krankheit, Urlaub, Teilnahme an nicht verlegbaren Gerichtsverhandlungen usw.) verhindert sind. Soweit sie erschienen sind, ist das einzelne Mitglied aber nicht verpflichtet, sich an der Abstimmung durch Ablehnung oder Zustimmung zu einer zur Entscheidung stehenden M a ß n a h m e zu beteiligen, kann sich vielmehr der Stimme enthalten (ebenso S c h o r n S. 118). Es kann für eine Stimmenthaltung auch gute Gründe haben. Der (bei mündlichen Erörterungen des Problems aus Anlaß praktischer Fälle erfolgte) Hinweis, daß ja auch der Richter bei der Abstimmung sich entschließen müsse (§ 195 GVG), schlägt nicht durch, weil im gerichtlichen Verfahren der Spruchkörper in der gesetzlich festgelegten Mitgliederzahl entscheidet und diese Mitglieder zur Mitwirkung an der Entscheidung gesetzlich verpflichtet sind, während das Präsidium auch entscheidet, wenn nicht alle seine Mitglieder anwesend sind (§ 21 i Abs. 1), und daher das Gesetz, wenn es schon keinen Anwesenheitszwang begründet, dann auch für die Erschienenen keinen Abstimmungszwang begründen kann; notfalls könnte auch — Beschlußfähigkeit vorausgesetzt — der Vorsitzende allein beschließen ( S c h o r n S. 119; Anm. I 4 zu § 21 i). Im übrigen ist es ja auch ein Unterschied, ob eine gerichtliche Entscheidung nach festen Regeln und nach Gewissen und Uberzeugung zu fallen, oder ob eine (wenn auch „justizformige") Verwaltungsmaßnahme nach Zweckmäßigkeitsgründen zu treffen ist. Eine andere Frage ist, wie bei der Berechnung der Stimmenmehrheit die Stimme des sich Enthaltenden bewertet wird, ob der sich Enthaltende insoweit wie ein nicht erschienenes Mitglied behandelt wird (so wohl S c h o r n S. 118), oder ob bei Errechnung des Abstimmungsergebnisses auch seine Stimme im Sinne der Ablehnung eines Antrags oder Vorschlags zählt. Für die Entscheidung im letzteren Sinn ließe sich geltend machen, daß auch die Enthaltung eine Mitwirkung bei der Abstimmung, eine F o r m der Meinungsäußerung darstellt und über ein rein passives Verhalten hinausgeht (a. M. K l 4 zu § 64 a. F.). d) NichtÖffentlichkeit der Sitzungen. Die Sitzungen des Präsidiums sind grundsätzlich nichtöffentlich. Es haben also nicht nur Außenstehende keinen Anspruch, als Zuhörer zugelassen zu werden, es besteht vielmehr auch keine „Richteröffentlichkeit" in dem Sinn, daß die bei dem Gericht tätigen Richter beanspruchen könnten, bei der Sitzung zugegen zu sein (a. M. S t a n i c k i D R i Z 1970 119). Und zwar dies nicht nur deshalb, weil das Gesetz keine dem § 169 Abs. 1 G V G entsprechende Vorschrift enthält, sondern vor allem deshalb, weil im Präsidium oft genug auch die Leistungsfähigkeit einzelner Richter, ihre Eignung als ständiger Vertreter des Vorsitzenden (§ 21 f Abs. 2) usw. Gegenstand der Erörterung ist und die Mitglieder des Präsidiums an der freien und unbefangenen Darlegung ihres Standpunktes gehemmt sein könnten, wenn der betroffene Richter zugegen ist oder wenn zu befürchten ist, daß anwesende andere Richter ihm von negativen Äußerungen berichten. Auch ein Recht einzelner, persönlich an dem Ergebnis der Beschlußfassung interessierter Richter, bei der Beratung und Beschlußfassung oder auch nur bei der Beratung (Aussprache) anwesend zu sein, ist zu verneinen. Ein Recht auf Anwesenheit mit beratender Stimme ist nur dem Vertreter des Präsidenten (aufsichtführenden Richters) in § 21 c Abs. 1 Satz 2 eingeräumt. Ein bloßes Anwesenheitsrecht (ohne beratende Stimme) aber hätte ohne die Möglichkeit, notfalls den eigenen Standpunkt darzulegen, keine praktische Bedeutung. Ein solches Darlegungsrecht in eigener Sache im Präsidium aber besteht nicht. Einmal würde es dem gesetzgeberischen Grundgedanken, das Präsidium im Interesse rascher Erledigung seiner Geschäfte zahlenmäßig klein zu halten, widersprechen, wenn die Sitzungen sich durch Teilnahme und ggf. Wortergreifung einer mehr oder weniger großen Zahl von Richtern aus-

2682

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium § 21 e und die Geschäftsverteilung (Schäfer) Anm. VIII 3 , 4 ; IX 1 weiteten, und im übrigen zeigen die Absätze 2, 5 des § 21 e, daß die dort vorgesehene Anhörung vor der Geschäftsverteilung — mithin vor der Sitzung, in der die Geschäftsverteilung beschlossen wird — stattfinden soll. Das Nichtbestehen eines Rechts auf Anwesenheit schließt aber nicht aus, daß das Präsidium im Einzelfall von sich aus auf Vorschlag des Vorsitzenden oder auf Antrag des betroffenen Richters beschließt, ihn in der Sitzung anzuhören. e) Beschlüsse des Präsidiums bedürfen zu ihrer Gültigkeit keiner Beurkundung (RG GA Bd. 60 426). Es ist also - anders als etwa beim Urteil, § 275 Abs. 2 StPO - nicht erforderlich (wenn auch vielfach üblich), daß alle an der Abstimmung Beteiligten oder gar alle Mitglieder des Präsidiums, auch wenn sie nicht persönlich zur Sitzung erschienen, den Beschluß unterschreiben. Es besteht daher auch keine Verpflichtung zur Unterschrift. Schon aus Beweisgründen ist aber eine schriftliche Niederlegung unentbehrlich; dazu genügt aber auch ein vom Vorsitzenden gefertigtes und unterzeichnetes Protokoll (a. M. T h o m a s - P u t z o , ZPO [61 1 c). 3. Beschlußfassung im Umlaufsverfahren. Mangels entgegenstehender Vorschriften ist auch schriftliche Beschlußfassung (durch Umlauf) zulässig; ein solches Verfahren wird sich im allgemeinen nur für einfach liegende Fragen eignen, und es muß das Anhörungsrecht von Nichtmitgliedern (oben IV) gewahrt bleiben. Ein Beschluß ist in diesem Fall erst gefaßt, wenn allen erreichbaren (d. h. nicht durch Urlaub, Krankheit usw. verhinderten) Mitgliedern des Präsidiums Gelegenheit zur Stimmabgabe gewährt worden ist (RGSt. 65 299; BGHSt. 12 402, 404), wobei sich die Frage der Erreichbarkeit auch nach der Eilbedürftigkeit richtet. Als Mindesterfordernis muß aber — i. S. des § 21 i Abs. 1 — gelten, daß mindestens die Hälfte der gewählten Mitglieder erreichbar ist; andernfalls gilt für Eilfalle § 21 i Abs. 2. Einer Mitteilung des Beschlusses an alle Mitglieder des Präsidiums bedarf es zu seiner Wirksamkeit nicht (BGHSt. 12 402, 406; wegen seiner Offenlegung gilt § 21 e Abs. 8). Dem Verlangen eines Präsidiumsmitgliedes, das gegen den Inhalt des Beschlusses Bedenken hat, zwecks Aussprache und mündlicher Abstimmung eine Sitzung des Präsidiums anzusetzen, muß auch hier stattgegeben werden (vgl. S c h o r n DRiZ 1962 185; E h r i g NJW 1963 1186 Fußnote 17*). 4. Eine absolute Schweigepflicht über die Vorgänge in der Präsidialsitzung besteht nicht; § 43 DRiG gilt weder unmittelbar noch entsprechend (ebenso R a s e h o r n DRiZ 1961 357; a. M. R ö w e r DRiZ 1961 178). Gegenüber Personen, die außerhalb des Gerichts stehen, haben die Beteiligten nach Maßgabe der allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften Stillschweigen zu bewahren. Gegenüber den richterlichen Kollegen besteht aber keine Schweigepflicht. Im Gegenteil ergibt sich aus der Aufgabe der Mitglieder des Präsidiums, die übrigen Richter zu repräsentieren, ihr Recht, Kollegen, denen beschlossene Maßnahmen unbequem oder unverständlich sind, über die Gründe für das Vorgehen des Präsidiums in angemessener Weise zu unterrichten (ebenso S t a n i c k i DRiZ 1970 119). IX. Zur Frage der Anfechtbarkeit von Beschlüssen und anderen Maßnahmen des Präsidiums 1. Darstellung der früher herrschenden Auffassung über die Beschränkung der Justiziabilität auf die mittelbare Rechtskontrolle. Nach § 21 b Abs. 6 Satz 1 kann eine gesetzwidrige Wahl des Präsidiums angefochten werden, und nach Satz 3 aaO. kann ein Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung (wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts) nicht darauf gestützt werden, das Präsidium sei wegen Verletzung einer gesetzlichen Vorschrift bei der Wahl nicht ordnungsgemäß zusammengesetzt gewesen. Das GVG enthält aber keine Vorschriften über die Anfechtbarkeit von Beschlüssen oder sonstiger (ergriffener oder unterlassener) Maßnahmen des Präsidiums. Eine mittelbare gerichtliche Nachprüfung findet, wie schon ausgeführt (oben III 8 c und 12), insofern statt, als auf die Rüge vorschriftswidriger Besetzung des Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO) vom Rechtsmittelgericht auch geprüft werden kann, ob der der Besetzung des Gerichts zugrunde liegende Geschäftsverteilungsplan inhaltlich dem Gesetz entspricht, insbesondere ob er genügend eindeutig bestimmt, welcher Spruchkörper und welcher Richter im Einzelfall als gesetzlicher Richter berufen ist (BVerfGE 31 47, 54; NJW 1964 1020; 1966 1418), und ob das *) Hiernach ist die Auffassung von T h o m a s - P u t z o , ZPO [6] l c zu § 21e unbegründet, das Umlaufverfahren sei unzulässig, weil es keine „echte" Entscheidung des Präsidiums ermögliche; dagegen auch Kl Nachtrag [1973] 1 zu § 21i.

2683

§ 21 e

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. IX 2 Präsidium den Plan in gesetzmäßiger Zusammensetzung (vgl. § 21c Abs. 1 Satz 3, Abs. 2) und in einem dem Gesetz entsprechenden Verfahren (vgl. §§ 21 e Abs. 7, 21 i Abs. 1) beschlossen hat. Auf diese mittelbare Rechtskontrolle beschränkte sich nach der früher durchaus herrschenden Auffassung die Justiziabilität der Maßnahmen des Präsidiums. Danach kann der einzelne Richter oder auch ein Spruchkörper, wenn er sich durch einen Geschäftsverteilungsbeschluß beschwert (z. B. ein Richter sich nicht zweckmäßig verwendet, eine Kammer sich überlastet) fühlt, nur Gegenvorschläge erheben, denen aber das Präsidium, wenn es darauf eingehen will, im Laufe des Geschäftsjahrs nur insoweit Raum geben kann, als es nach § 21 e Abs. 3 zu einer Änderung des Beschlusses befugt ist (vgl. S c h u l t e DRiZ 1955 112). Auch der Richterrat kann mit Anregungen an das Präsidium herantreten ( S c h m i d t - R ä n t s c h Anm. 3 zu § 52 DRiG). Der Referentenentw. 1954 des DRiG schlug vor, dem Richter die Anrufung eines erweiterten Präsidiums zu ermöglichen, wenn er nach seiner Auffassung durch den Präsidialbeschluß überlastet ist (vgl. DRiZ 1954 182); dieser Gedanke ist aber im weiteren Verlauf fallen gelassen und nicht Gesetz geworden. Eine gewisse Einflußnahme der Spruchkörper und der einzelnen Richter auf die Entscheidungen des Präsidiums ist inzwischen durch die Vorschriften über die Anhörung in § 21 e Abs. 2, Abs. 3 Satz 3, Abs. 5 erreicht worden (oben IV). Dadurch ist aber die Behandlung der Fälle nicht geregelt worden, in denen zwar eine Anhörung erfolgte, die Angehörten aber mit ihren Vorstellungen und Einwendungen nicht durchdrangen, oder in denen sie, ohne daß die in den genannten Vorschriften bestimmten Voraussetzungen einer Anhörung vorlagen, eine Änderung der Geschäftsverteilung erstrebten, das Präsidium dem aber nicht Rechnung trug. 2. In neuerer Zeit ist, anknüpfend an Art. 19 Abs. 4 GG, ein lebhafter Streit entstanden, ob die Beschränkung der Justiziabilität auf die mittelbare Rechtskontrolle dem heutigen Recht entspricht. a) Es sind dabei mehrere Gruppen von Fällen genannt worden, in denen die Frage einer alsbaldigen (selbständigen) Anfechtbarkeit auftaucht: aa) Streitigkeiten innerhalb des Präsidiums, etwa wenn Streit über die Beschlußfähigkeit (§ 21 i Abs. 1), über das Verfahren bei der Beschlußfassung oder über die inhaltliche Gesetzmäßigkeit des Beschlossenen entsteht; bb) Streitigkeiten zwischen dem Präsidium oder dessen Vorsitzenden und einem Richter über die Zugehörigkeit zum Präsidium (vgl. VGH Schleswig DRiZ 1968 144; Bay D G H DRiZ 1968 310), etwa ob die Voraussetzungen des Ausscheidens und Neueintritts vorliegen (§ 21 c Abs. 2). cc) Streitigkeiten zwischen dem Präsidium und am Präsidium nicht beteiligten Richtern, z.B. wenn ein Richter seine Zuweisung an einen auswärtigen Spruchkörper (§§ 78, 116, 130) nicht hinnehmen will, sich überlastet oder falsch eingeteilt fühlt oder ein Spruchkörper den Beschluß für inhaltlich gesetzwidrig hält (vgl. dazu BVerfGE 31 47); dd) Streitigkeiten zwischen dem Präsidium und rechtlich interessierten Außenstehenden, z. B. wenn ein Privatkläger dem Präsidium vorwirft, es habe so wenig Privatklagerichter zugewiesen, daß die langsame Durchführung der Privatklagesachen einer Justizverweigerung gleichkomme (vgl. oben Anm. III 8 b), oder wenn (vgl. den vom OLG Köln JMB1. NRW 1963 179 entschiedenen Fall) ein beim LG A zugelassener Rechtsanwalt die Geschäftsverteilung beim LG B anficht, weil sie durch die Art der Zuweisung bestimmte Angelegenheiten dem Anwaltszwang unterwerfe und ihn dadurch hindere, in diesen Angelegenheiten aufzutreten; ee) Streitigkeiten zwischen dem Präsidium und der Gerichtsverwaltung (vgl. dazu S c h o r n , Präsidialverfassung S. 37ff. über frühere Bemühungen, durch Gesetzesänderung eine Anfechtung der Beschlüsse des landgerichtlichen Präsidiums durch den OLGPräs., Entscheidung durch das Präsidium des O L G zu ermöglichen). b) Es erhebt sich zunächst die Frage, ob in Fällen dieser Art überhaupt die Voraussetzungen des Art. 19 Abs.-4 G G gegeben sind. Es ist unstreitig (vgl. etwa BVerfG NJW 1963 803), daß eine den Rechtsweg eröffnende Verletzung durch die „öffentliche Gewalt" nicht in Betracht kommt, wenn es sich um Maßnahmen der Rechtsprechung handelt. Denn Art. 19 Abs. 4 eröffnet den Weg gegen nichtrichterliche Maßnahmen zum Richter, gewährt aber

2684

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 e Anm. I X 2

keinen zusätzlichen Rechtsschutz gegen Maßnahmen eines Richters durch Anrufung eines anderen Richters („Schutz durch den Richter, nicht gegen den Richter"). Nun ist gewiß das Präsidium kein Gericht, seine Tätigkeit ist kein „gerichtliches Verfahren", seine Beschlüsse sind keine materiellen Rechtsprechungsakte. Es fragt sich aber, ob der vorgenannte Grundsatz, daß der Richter nicht gegen den Richter angerufen werden kann, sich lediglich auf Akte der Rechtsprechung im engeren Sinn bezieht, oder ob er auch die „justizförmigen Verwaltungsakte", die Akte der gerichtlichen Selbstverwaltung, umfaßt, die von Richtern unter richterlicher Unabhängigkeit (vgl. oben III 2) vorgenommen werden. Für eine Beschränkung auf reine Rechtsprechungsakte ist aber kein Grund erkennbar. Die ratio des Art. 19 Abs. 4 G G , Eingriffe der öffentlichen Gewalt in Rechte des einzelnen letztlich der Entscheidung des unabhängigen Richters zu unterstellen, entfallt stets da, wo Maßnahmen bereits durch den Richter unter richterlicher Unabhängigkeit getroffen werden (ebenso B e t t e r m a n n in „Grundrechte" III 2, 791; K G JVB1. 1961 165; s. auch H o e p p n e r D R i Z 1964 12 linke Spalte). Eine Anfechtbarkeit der Maßnahmen des Präsidiums ist bereits aus diesem Grunde nicht gegeben (ebenso M ü l l e r DRiZ 1962 83; 1963 416; B e c k e r N J W 1962 2049; M a r q u o r d t M D R 1958 254; T i e t g e n N J W 1956 1129; v. G e r k a n JVB1. 1962 99, 101; O L G Köln JMB1. N R W 1963 179^ a. M. S c h o r n , Präsidialverfassung 106fT.; T h ü r c k D R i Z 1963 45; E h r i g N J W 1963 1185; E y e r m a n n - F r ö h l e r 5 zu § 6 V w G O - letztere für den Fall, daß der „Präsidialbeschluß wie ein Verwaltungsakt in eine Rechtsstellung unmittelbar eingreift [z. B. einen Richter versetzt]"; offen gelassen von BVerfG N J W 1964 1019). Demgegenüber wird eingewendet ( T h ü r c k aaO.), zur Rechtsweggarantie i. S. des Art. 19 Abs. 4 G G gehöre nicht nur Unabhängigkeit des Richters, sondern rechtliches Gehör, Ablehnbarkeit wegen Befangenheit und Öffentlichkeit des Verfahrens. Aber Öffentlichkeit ist kein essentielles Merkmal des Rechtswegs. Ein Recht auf förmliches rechtliches Gehör wird zwar den durch die Geschäftsverteilung unmittelbar „Betroffenen", den einzelnen Richtern und den Vorsitzenden Richtern zur Wahrung der Belange des Spruchkörpers und seiner Mitglieder — soweit sie nicht für ihre Person dem Präsidium angehören —, nur in dem in § 21 e Abs. 2, Abs. 3 Satz 3, Abs. 5 beschriebenen Umfang eingeräumt. Diese Begrenzung ergibt sich aber aus zwingenden praktischen Gründen. Wollte man alle „Betroffenen" förmlich hören, so müßte die Geschäftsverteilung vor dem Plenum stattfinden. Gerade weil das praktisch nicht möglich ist und zu unerträglichen Verzögerungen führen müßte, hat der Gesetzgeber den Weg gewählt, ein Kollegium aus Repräsentanten aller Richter des Gerichts zu bilden, deren Aufgabe darin besteht, die Belange auch derjenigen Richter im Präsidium zu vertreten, die in der Sitzung nicht selbst zu Wort kommen können. Jedem Richter steht es frei, seine Wünsche den Mitgliedern des Präsidiums mitzuteilen. Im übrigen liegt es bei der Geschäftsverteilung durch das Präsidium nicht anders wie bei der Verteilung der Geschäfte innerhalb der Kammer (des Senats) gemäß § 21 g: wären Maßnahmen des Präsidiums selbständig anfechtbar, so müßten folgerichtig mindestens auch die vom Vorsitzenden intern aufgestellten generellen Grundsätze (vgl. Anm. 3 c zu § 21 g), aber wohl auch jede Einzelmaßnahme wie die Bestellung zum Berichterstatter anfechtbar sein, denn auch hier handelt es sich noch nicht um einen unmittelbaren Akt der Rechtsprechung, sondern um eine die Rechtsprechung vorbereitende Tätigkeit. In gleicher Weise müßte jede Entscheidung z. B. eine Vertreterbestellung durch den Präsidenten nach § 21 i Abs. 2 G V G selbständig anfechtbar sein, weil er an Stelle des Präsidiums handelt. Ferner ergibt sich für die Gegenmeinung, die die Anfechtbarkeit der Präsidialbeschlüsse bejaht, weil es sich um Verwaltungs-, nicht um Rechtsprechungstätigkeit handele, alsbald die weitere Schwierigkeit, daß die Geschäftsverteilung nicht einen Verwaltungsakt im technischen Sinn, d. h. eine M a ß n a h m e zur Regelung eines konkreten Einzelfalles, sondern eine abstrakt-generelle Regelung darstellt, und es erhebt sich weiter die Frage, worin die Verletzung des sich beschwert Fühlenden unmittelbar „in seinen Rechten" gefunden werden soll. D a ß durch dieses Erfordernis die Anfechtbarkeit weitestgehend ausgeschaltet wird, wird auch von ihren Vertretern nicht in Abrede gestellt. Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerfG N J W 1963 899, wonach jedenfalls ein Richter, der gegen die inhaltliche Gesetzmäßigkeit des Beschlusses über die Besetzung seiner K a m m e r Bedenken trägt, nicht Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters erheben kann, da dadurch seine persönliche Rechtsstellung gegenüber dem Staat nicht berührt wird. Dagegen kann ein Richter, der im Weg der Geschäftsverteilung praktisch von jeder richter-

2685

§ 21 e Anm. I X 3; X 1

Gerichtsverfassungsgesetz

liehen Fähigkeit ausgeschlossen wird, gegen diese M a ß n a h m e wegen Verletzung des Art. 97 Abs. 2 G G mit der Verfassungsbeschwerde angehen (BVerfG N J W 1964 1019). c) Schließlich wäre, wenn man über alle diese Bedenken hinweg die Anfechtbarkeit bejahen wollte, der „Rechtsweg" i. S. des Art. 19 Abs. 4 G G nicht der zu den Verwaltungsgerichten (so auch VG Freiburg D R i Z 1972 431; a. M. V G Schleswig D R i Z 1968 144; E h r i g N J W 1963 1187, der diese Lösung selbst als unbefriedigend bezeichnet). Vielmehr käme eher eine entsprechende Anwendung des § 2 1 b Abs. 6 Satz 2 G V G oder der §§ 23 ff. E G G V G in Betracht (Zuständigkeit eines Senats des O L G bzw. BGH), während eine entsprechende Anwendung der § § 6 2 Abs. 1 Nr. 4, 78 Nr. 4 D R i G (Zuständigkeit des Richterdienstgerichts) jedenfalls entfällt, weil nicht Maßnahmen der Dienstaufsichtsbehörde, sondern des Präsidiums als Organ der gerichtlichen Selbstverwaltung oder des Gerichtspräsidenten in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Präsidiums in Frage stehen (Bay D H G D R i Z 1968 310). Auch eine entsprechende Anwendung des § 26 Abs. 3 D R i G , wenn ein Richter behauptet, durch eine M a ß n a h m e des Präsidiums oder des Präsidenten, die letzterer nach § 21 i Abs. 2 oder sonst in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Präsidiums getroffen hat, in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt zu sein, kommt nicht in Betracht. Im letzteren Fall bleibt ihm der Weg, das Präsidium dagegen anzurufen; hat das Präsidium entschieden, so kann er nicht gegen einen „Richter" einen anderen Richter anrufen. 3. Reformbestrebungen. Die Amtsrechtskommission des Deutschen Richterbundes hat Leitsätze für eine gesetzliche Regelung der Anfechtbarkeit von Beschlüssen des Präsidiums vorgeschlagen (vgl. DRiZ 1972 294). Von ihnen ist hervorzuheben: Greifbare Gesetzesverletzungen zum Nachteil einer geordneten Rechtspflege sollen durch den für den Gerichtsbarkeitszweig zuständigen Fachminister, greifbare Gesetzesverletzungen zum Nachteil eines Richters (z. B. Versagung des rechtlichen Gehörs, Nichtberücksichtigung dem Richter gesetzlich zugewiesener Aufgaben — § 4 Abs. 2 Nr. 1. 2 D R i G —. Ermessensmißbrauch) sollen (wohl durch den Richter) anfechtbar sein; über die Anfechtung sollen die Richterdienstgerichte entscheiden. Außenstehende Rechtssuchende sollen kein unmittelbares Anfechtungsrecht haben, ihre Belange seien durch das G V G , die Verfahrensgesetze, die Amtshaftungsvorschriften und das Recht zur "Verfassungsbeschwerde gewährleistet. X. Auflegung des Geschäftsverteilungsplans zur Einsichtnahme (zu Absatz 8) 1. Eine dem Absatz 8 entsprechende Vorschrift bestand bisher nicht. Aus der im Schrifftum vertretenen Auffassung, die Geschäftsverteilung sei ein Akt der autonomen Rechtsetzung (vgl. oben Anm. III 3). war die Folgerung abgeleitet worden, der Geschäftsverteilungsplan bedürfe der Veröffentlichung; es wurde sogar für einen Einzelfall die Rüge der unvorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO) mit der fehlenden Veröffentlichung des Planes begründet (vgl. H. A r n d t D R i Z 1968 379). Z u m mindesten wurde die Veröffentlichung gefordert, damit jeder Rechtsuchende vorhersehen könne, wer sein gesetzlicher Richter sei (vgl. B e t t e r m a n n in „Die Grundrechte" III 552; HessVerwGH 1969 122). Die rechtliche Notwendigkeit einer Veröffentlichung wurde aber — zutreffend — im allgemeinen verneint. Absatz 8 verdankt seine Entstehung einer Anregung des Bundesrats, zur Vermeidung von Zweifeln förmlich auszusprechen, daß der Geschäftsverteilungsplan zu seiner Wirksamkeit einer Veröffentlichung nicht bedürfe (vgl. BT-Drucks. VI/537 S. 23). Die jetzt vorgeschriebene Auflegung des Plans auf einer Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme hat lediglich den Zweck, einem Rechtsuchenden die Kenntnis zu ermöglichen, wer sein gesetzlicher Richter ist, ihm ggf. auch eine Nachprüfung zu ermöglichen, ob das Gericht entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan besetzt war, und etwaige Rügen unvorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts zu begründen. Die Auflegung ist aber keine Voraussetzung der Wirksamkeit des Plans, die Unterlassung der Auflegung oder die Verweigerung der Einsicht begründen nicht die Anfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung. Zu dem aufzulegenden Geschäftsverteilungsplan gehören auch die nachträglichen Änderungen und Ergänzungen (§ 21 e Abs. 3. 4, § 21 i Abs. 2). Die Einsichtnahme steht jedermann offen; ein besonderes rechtliches Interesse wird nicht verlangt.

2686

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 2 1 e Anm. X 2; XI, XII § 21 f

2. Unberührt bleibt § 14 Abs. 4 BVerfGG betr. Veröffentlichung des Beschlusses über die Änderung der Zuständigkeit der Senate im BGBl. Auch sind die obersten Bundesgerichte nicht gehindert, entsprechend der bisherigen Übung ihre Geschäftsverteilungspläne (zusätzlich) im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. XI. Betätigung des Präsidiums außerhalb des ihm durch das GVG zugewiesenen Aufgabenbereichs Das Präsidium ist nicht gehindert, außerhalb seines gesetzlichen Aufgabenbereichs Angelegenheiten, die für die Mitglieder des Gerichts von dienstlicher Bedeutung sind oder die Erledigung von Rechtsprechungsaufgaben betreffen, zu erörtern und mit Anregungen an die Justizverwaltung heranzutreten, wie es auch dem Gerichtspräsidenten als Beauftragten der Justizverwaltung nicht verwehrt ist, eine Meinungsäußerung des Präsidiums in solchen Angelegenheiten herbeizuführen (vgl. S c h o r n 115). In gleicher Weise darf sich das Präsidium, ohne in deren Aufgabenbereich einzugreifen, an die anderen Organe d a richterlichen Selbstverwaltung (Richterrat, Präsidialrat) mit Anregungen wenden. Vertretungsorgan der Richterschaft gegenüber der Öffentlichkeit oder der Justizverwaltung ist das Präsidium aber nicht. XII. Bereitschaftsdienst Eine vom Gesetz nicht berücksichtigte Schwierigkeit ergibt sich in der Praxis daraus, daß zwar in den meisten Ländern der Samstag (Sonnabend) auch bei den Gerichten dienstfrei ist, aber der Justizapparat zur Erledigung von Eilfällen zur Verfügung stehen muß. Es ist Sache des Präsidiums, im voraus eine Regelung im Geschäftsverteilungsplan zu treffen, die das Vorhandensein eines funktionsfähigen Spruchkörpers sicherstellt. Das kann in der Weise geschehen, daß das Präsidium im Geschäftsverteilungsplan für das Jahr im voraus turnusmäßig die einzelnen Spruchkörper (Abteilungen, Kammern, Senate) als Bereitschaftsgericht einteilt, dem für diesen Tag die Zuständigkeit für alle Eilentscheidungen beigelegt wird, die vom Gericht erlassen werden müssen, oder die einzelnen Richter und ihre Vertreter bestimmt, die einen Spruchkörper bilden können (vgl. dazu F i s c h e r DRiZ 1968 341; Kl 5 B zu § 63 a. F.).

§ 21 f (1)Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter. (2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte -»itglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz. Schrifttum: H e l b e r , Das Reichsgericht zur Besetzung der Gerichte und zur Geschäftsverteilung, DRiZ 1929 48; S i e g e r t , Fehlerhafte Besetzung des Kollegialgerichts nach der Rechtsprechung des BGH, NJW 1957 1622; M ü l l e r . Die Rechtsprechung des BGH über die Verwendung von Hilfsrichtern DRiZ 1963 37; R ö p k e , Die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichtsvorsitzenden als Revisionsgrund JZ 1962 698; S c h o r n , Die Präsidialverfassung der Gerichte aller Rechtswege (1957) 64ff.; S a r s t e d t , Revision in Strafsachen 13 7 ff.; derselbe: Der Vorsitzende des Kollegialgerichts, Juristen-Jahrbuch 8 104). Übersicht I. Zu Absatz 1 1. Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht 2. Grundgedanke des Absatzes 1 3. Durchführung des Grundgedankens im einzelnen 4. Unzulässige Umgehung des Absatzes 1 a) Bildung selbständiger Abteilungen innerhalb des Spruchkörpers b) Überbesetzte Spruchkörper

c) Einzelheiten zur Frage der zulässigen Über besetzung. Abgrenzung gegenüber zulässigen Zuteilungsformen 5. Vorsitz in mehreren Spruchkörpern 6. Verwendung Vorsitzender Richter als Beisitzer 7. Vorsitz in der Hilfs- und in der Ferienkammer

2687

§ 21 f Anm. I 1 , 2

Gerichtsverfassungsgesetz

II. Zu Absatz 2 (Vertretung des verhinderten Vorsitzenden Richters) 1. Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht 2. Der regelmäßige („ständige") Vertreter 3. Kleine Strafkammer 4. Der Vertretungsfall a) Begriff der Verhinderung b) Die Feststellung des Verhinderungsfalles. Wer trifft die Feststellung? c) Form der Feststellung bei nicht offenkundiger Verhinderung d) Nachprüfung der Verhinderung durch das Revisionsgericht e) Einzelheiten. Darstellung der Rechtsprechung

f) Tod. Ausscheiden aus dem Amt. Abordnung, Schaffung neuer Stellen g) Turnusmäßige teilweise Verhinderung h) Verhinderung des Vorsitzenden Richters nur am Vorsitz bei Fähigkeit zur Mitwirkung im übrigen i) Vertretung des Vorsitzenden in der Hilfsstrafkammer 5. Vertretung nach § 21 f Abs. 2 Satz 2 a) Das älteste Mitglied b) „Mitglied des Spruchkörpers" 6. Verhinderung des Vorsitzenden Richters während einer Verhandlung, zu der ein Ergänzungsrichter zugezogen ist 7. Revision

I. Zu Absatz 1 1. Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht. § 21 f Abs. 1 ist an die Stelle des bisherigen § 62 Abs. 1 Satz 1 („Den Vorsitz in den K a m m e r n führen der Präsident und die Direktoren") getreten, der nach §§ 117, 131 a. F. für die Senate des O L G und des B G H entsprechend galt. Ersatzlos weggefallen sind die Vorschriften des § 62 Abs. 1 Satz 2 a. F. betr. F ü h r u n g des Vorsitzes in der Kleinen S t r a f k a m m e r (§ 76 Abs. 2) durch ein „ständiges Mitglied des Landgerichts" (= Landgerichtsrat) — auch für die Kleine S t r a f k a m m e r gilt jetzt § 21 f — und des § 62 Abs. 2 Satz 2 a. F. betr. Verteilung des Vorsitzes durch das Direktorium (Senatorium), d a über die Verteilung des Vorsitzes in den K a m m e r n und Senaten unter den Vorsitzenden Richtern jetzt nach § 21 e Abs. 1 das Präsidium beschließt. F ü r die Amtsgerichte ist § 21 f Abs. 1 ohne Bedeutung, da es dort keine Vorsitzenden Richter gibt. Wegen des Schwurgerichtsvorsitzenden vgl. § 83 Abs. 1. 2. 2. Grundgedanke des Absatzes 1. N a c h § 28 Abs. 2 D R i G kann bei einem mit mehreren Richtern besetzten Gericht (übrigens auch beim erweiterten Schöffengericht, § 29 Abs. 2 G V G ) nur ein Richter auf Lebenszeit den Vorsitz führen. § 21 f Abs. 1 G V G bestimmt darüber hinaus, d a ß der ordentliche Vorsitz in den Spruchkörpern der Kollegialgerichte (auch der auswärtigen S t r a f k a m m e r ; vgl. A n m . 5 zu § 78) a u ß e r dem Präsidenten nur den Vorsitzenden Richtern (§ 19 a D R i G ; den bisherigen Landgerichtsdirektoren und Senatspräsidenten) übertragen werden kann. Die Vorschrift bezweckt, d a ß nur solche Richter den Spruchkörpern Vorsitzen, die — der Idee nach — vermöge ihrer besonderen Auswahl, größeren Sachkunde, reiferen E r f a h r u n g u n d besseren Menschenkenntnis die G ü t e u n d Einheitlichkeit der Rechtsprechung ihres Spruchkörpers in besonderem M a ß e gewährleisten. D e m g e m ä ß kann von einer F ü h r u n g des Vorsitzes nur gesprochen werden, wenn der Präsident oder Vorsitzende Richter in der Lage ist, den Vorsitz (durch Verteilung der Geschäfte, A n b e r a u m u n g der Termine, Vorsitz in der Sitzung u n d bei Beratungen) in einem U m f a n g zu führen, der ihm einen richtunggebenden Einfluß auf die Rechtsprechung des Spruchkörpers sichert ( B G H Z - GrZivSen. - 37 2 1 0 ; N J W 1966 2 3 6 8 ; 1973 205; BayV e r f G H N J W 1969 1808)*). Eine U m g e h u n g des § 21 f, die den unbedingten Revisionsgrund des § 338 Nr. 1 S t P O schafft, liegt vor, wenn dem z u m Vorsitzenden bestimmten Präsidenten oder Vorsitzenden Richter d u r c h die Gesamtgestaltung seiner dienstlichen Verhältnisse die Möglichkeit, auf die Arbeit des Spruchkörpers einen richtungsgebenden Einfluß auszuüben *) Auf polemische Äußerungen, die in der vorstehend angeführten Rechtsprechung einen unzeitgemäßen „Rest hierarchischer Strukturen" sehen oder mit (unzulässigerweise verallgemeinerten) Einzelerfahrungen dartun wollen, daß das Idealbild des „Vorsitzenden Richters" der Wirklichkeit nicht entspreche, ist hier nicht einzugehen (vgl. dazu auch — gegen solche Auffassungen — K r a u s e DRiZ 1972 171; H ü l l e , Über die Wertverschiedenheit der Richterämter DRiZ 1972 369). Eines Eingehens bedarf es nur auf Stimmen, die aus BVerfGE 26 72, 76 = NJW 1969 2191 = DRiZ 1969 367 folgern, daß nach Auffassung des BVerfG der „richtungsweisende Einfluß" des Vorsitzenden überholt und unzeitgemäß sei (so M a t t e r n JZ 1969 557; M ü l l e r DRiZ 1972 128). In Bayern waren die Räte am BayObLG gehaltsrechtlich günstiger eingestuft als die Oberlandesgerichtsräte und den Senatspräsidenten am OLG gleichgestellt. Später wurden diese Senatspräsidenten — nicht aber

2688

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 f Anm. I 3

(nicht n u r vorübergehend) tatsächlich g e n o m m e n ist und in Wahrheit der Vertreter (§ 21 f Abs. 2) dauernd oder für unbestimmte Zeit den Vorsitz allein oder zu einem sehr erheblichen Teil führt ( B G H S t . 8 17; 21 131. 133; B G H Z [GrZivSen] 37 2 1 0 ; 4 9 64 = N J W 1968 501). W a r ein Gericht zur Zeit der H a u p t v e r h a n d l u n g (der letzten mündl. Verhandl. im Zivilprozeß) in diesem Sinne nicht vorschriftsmäßig besetzt, so beruht das Urteil auch dann auf diesem Mangel, wenn der vorsitzführende Richter zur Zeit der Beratung und Urteilsverk ü n d u n g nachträglich zum Vorsitzenden Richter befördert w a r ( B G H Z 10 130). Diese G r u n d s ä t z e gelten auch uneingeschränkt für den Vorsitz bei allen Kollegialgerichten ( B G H Z 37 210). 3. Die Durchführung des Grundgedankens im einzelnen. Die Rechtsprechung hat feste Regeln d a f ü r aufgestellt, wann noch von einem „richtunggebenden Einfluß" des Präsidenten oder Vorsitzenden Richters gesprochen werden k a n n , wobei die Anforderungen an das M a ß der eigenen Mitwirkung des Vorsitzenden weit über diejenigen hinausgehen, die die Rechtsprechung des R G gestellt hatte. N a c h B G H Z 37 210 (GrZivSen.) = N J W 1962 1570 = M D R 1962 717 m u ß der Vorsitzende Richter grundsätzlich (von Fällen vorübergehender Verhinderung abgesehen) mindestens 75% aller einem Vorsitzenden zufallenden Obliegenheiten — insbes. Leitung der Verhandlung, D u r c h f ü h r u n g der Beweisaufnahme. Leitung der Beratung — selbst erledigen, wobei die einzelnen Spruchsachen nach ihrem Schwierigkeitsgrad gewogen werden müssen und nicht gezählt werden dürfen. Dies gilt auch für die überwiegend mit Justizverwaltungsangelegenheiten beschäftigten Oberlandesgerichtspräsidenten und Landgerichtspräsidenten, die nach § 21 e Abs. 1 Satz 3 den Vorsitz in einem die bay. Oberstlandesgerichtsräte — höher eingestuft. In der genannten Entscheidung, in der die Verfassungsbeschwerde eines bay. Oberstlandesgerichtsrats wegen seiner niedrigeren besoldungsrechtlichen Einstufung gegenüber dem bay. OLG-Senatspräsidenten zurückgewiesen wurde, lauten die in Frage kommenden Sätze: „Die Räte am [Bay] Obersten Landesgericht und die Senatspräsidenten an einem Oberlandesgericht stehen im wesentlichen gleich. Jedenfalls leisten die Senatspräsidenten nicht mehr als die Räte, ist ihre Verantwortung nicht größer, ist ihre Aufgabe nicht gewichtiger als die der Oberstlandesgerichtsräte. Es ist zwar eine gängige Formulierung, daß die Senatspräsidenten eine besondere Verantwortung für die Kontinuität und Einheitlichkeit ihres Senats haben; in Wahrheit tragen dafür auch die übrigen Mitglieder dieses Senats die Verantwortung. Bei der Rechtsfindung im konkreten Fall ist die Aufgabe, Leistung und Verantwortung aller Mitglieder des erkennenden Gerichts völlig gleich. Unter dem Gesichtspunkt Aufgabe, Leistung und Verantwortung darf deshalb der Oberstlandesgerichtsrat gegenüber dem Senatspräsidenten an einem Oberlandesgericht keine Minderbewertung erfahren . . . " Bei diesen Sätzen handelt es sich um eine unklare Gedankenführung. Das BVerfG hatte zunächst darüber zu befinden, ob die Aufgabe und Verantwortung eines bayOberstlandesgerichtsrats der eines OLG-Senatspräsidenten entspräche und deshalb die besoldungsrechtliche Gleichbehandlung rechtfertige. Diese Frage wird bejaht — dazu ist an dieser Stelle nichts weiter zu sagen —, aber mit dem Argument verbunden, daß die übrigen Mitglieder (die Oberlandesgerichtsräte und die abgeordneten Richter) eines OLG-Senats die gleiche Verantwortung für die Kontinuität und Rechtsprechung dieses Senats trügen wie dessen Senatspräsident. „Deshalb" dürfe der ObLGR gegenüber den OLG-Senatspräsidenten keine Minderbewertung erfahren. Man hätte als Folgerung aus diesen Obersätzen, die sich nicht mit dem gegebenen Thema (Besoldungslage von Richtern an verschiedenen Gerichten) beschäftigen, sondern in die Frage der Behandlung von Mitgliedern des gleichen Spruchkörpers abgleiten, erwarten müssen, daß ein Oberlandesgerichtsrat in gleicher Weise wie ein OLG-Senatspräsident und ein bayObLGRat in gleicher Weise wie ein Senatspräsident am BayObLG zu besolden sei. Das „deshalb" fallt aus der Konstruktion. Das gleiche gilt, wenn aus der — nicht zu bezweifelnden — gleichen Verantwortung der mitwirkenden Richter bei der Entscheidung im konkreten Fall die Folgerung gezogen wird, die Verantwortung für die Kontinuität und Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Senats im allgemeinen sei (schlechthin) die gleiche. Denn (nach den Erfahrungen des Verf.) behält der Senatspräsident seinen Senat auf lange Zeit, vielfach während der ganzen Zeit seiner Tätigkeit am OLG, während die Beisitzer mehr oder weniger häufig wechseln. Weil der Vorsitzende so der „ruhende Pol", die „Klammer" ist, kommt ihm „der richtungweisende Einfluß" zu. Das alles gilt auch und erst recht beim Landgericht, wo in größerem Umfang in den Kammern häufig wechselnde Richter auf Probe mitwirken. Mit gutem Grund hat sich denn auch der BayVerfGH NJW 1969 1808 deutlich von BVerfGE 26 72 abgesetzt. Schließlich enthält auch § 21 f selbst, mit dem das Ges. v. 26. 5. 1972 das bisherige Recht aufrecht erhielt, eine Absage gegenüber den Stimmen, die die bisherige Rechtsprechung zu § 66 a. F. als überholt ansehen (vgl. H ü l l e DRiZ 1972 369: „Die herausragende Stellung des Vorsitzenden hat das Parlament schließlich anerkannt"). Demgemäß hält auch BGH NJW 1973 205 an der bisherigen Rechtspr. über die besondere Bedeutung des Vors. Richters fest. 2689

§ 21 f Anm. 1 4

Gerichtsverfassungsgesetz

Senat (einer Kammer) übernehmen müssen, und für ihre gleichfalls mit Verwaltungsangelegenheiten befaßten ständigen Vertreter i. S. des § 21 h Satz 1, die „Vizepräsidenten" ( B G H Z [GrZS] 49 64 = N J W 1968 501 = M D R 1968 209 = JZ 1968 567 m. krit. Anm. K e r n ) . Es muß dann durch die Geschäftsverteilung dafür gesorgt werden, daß dem Senat (Kammer) des Präsidenten nur soviel Geschäfte zugewiesen werden, d a ß er sie in dem vorgedachten Umfang neben seiner Verwaltungstätigkeit bewältigen kann. In gleicher Weise hat die Rechtsprechung Grundsätze aufgestellt, wie lange eine Verhinderung des Vorsitzenden als nur vorübergehend anzusehen und die Wahrnehmung seiner Obliegenheiten durch den Vertreter (§ 21 f Abs. 2) statthaft ist (s. unten II). 4. Unzulässige Umgehung des Absatzes 1 a) Bildung selbständiger Abteilungen innerhalb des Spruchkörpers. Schon in der älteren Rechtsprechung war es als eine unzulässige Umgehung der Vorschriften über die Vorsitzführung durch einen Landgerichtsdirektor (Senatspräsident) angesehen worden, wenn bei demselben Spruchkörper (Kammer, Senat) mehrere selbständige „Abteilungen" mit getrenntem Personal und getrennten Dienstgeschäften gebildet wurden, von denen die eine von dem Direktor (Senatspräsident), die andere von seinem Vertreter geleitet wurde ( R G J W 1914 427; 1915 96; RGSt. 55 238); das galt auch dann, wenn der Vorsitzende zwar der von dem Vertreter geleiteten „Abteilung" die Geschäfte jeweils zuwies, er aber von da ab keinen Einfluß auf die weitere Behandlung nahm oder nehmen konnte (vgl. S p r i n c k h a r d t D J Z 1914 299). Eine solche Handhabung wäre jetzt nicht nur durch die Rechtsprechung über das Maß des einem Vorsitzenden Richter obliegenden Anteils an den Geschäften seines Spruchkörpers (vorstehend zu 3), sondern vor allem durch die Grundsätze über das zulässige Maß der „Überbesetzung" eines Spruchkörpers unmöglich (nachstehend zu b). b) „Überbesetzte" Spruchkörper. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG (E 17 294, 301; 18 65, 6 9 f ; 18 344, 350; 19 145, 147; 22 282, 284) ist die Zusammensetzung der Kammer eines L G oder des Senats eines O L G (des B G H ) mit dem Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G ) unvereinbar, wenn die Zahl der dem Spruchkörper zugeteilten Mitglieder es gestattet, a) daß sie in zwei personell voneinander verschiedenen Sitzgruppen verhandeln und entscheiden können, oder b) daß der Vorsitzende drei Spruchkörper mit je verschiedenen Beisitzern bilden kann. Unzulässig ist danach zunächst die Besetzung mit 6 Beisitzern, die es dem Vorsitzenden Richter A gestatten würde, aus den Beisitzern B, C, D, E, F, G drei Spruchkörper in der Besetzung ABC, A D E und A F G zu bilden. Unzulässig ist aber schon die Besetzung mit 5 Beisitzern, da sie es ermöglicht, in den „zwei voneinander verschiedenen Sitzgruppen" A C D und B E F Recht zu sprechen. Dagegen ist es grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich, einer K a m m e r (Senat) durch den Geschäftsverteilungsplan ein oder zwei Mitglieder über die für die Verhandlung und Entscheidung gesetzlich vorgeschriebene Richterzahl hinaus zuzuteilen, falls das Präsidium die Überbesetzung für unvermeidbar hält, um eine geordnete Rechtsprechung zu gewährleisten (BVerfGE 18 344, 349 = N J W 1965 1219 = M D R 1965 545; BVerfGE 22 282, 286). Dabei ist auf Verfassungsbeschwerde nur nachprüfbar, ob das Präsidium den Begriff der Unvermeidbarkeit verkannt und dadurch die Möglichkeit des „Manipulierens" eröffnet hat, oder ob es eindeutig sachfremd entschieden und danach „selbst manipuliert" hat (BVerfGE 18 350). Ein Spruchkörper (Kammer. Senat) kann danach nur mit höchstens 4 ständigen Beisitzern besetzt werden*). Aber auch eine solche Überbesetzung bis zum grundgesetzlich zulässigen Höchstmaß verstößt gegen § 2 1 f Abs. 1. wenn der Vorsitzende Richter (Präsident) nicht grundsätzlich mindestens 75 % der einem Vorsitzen den obliegenden Aufgaben selbst wahrnehmen kann. c) Einzelheiten. Nach der Rechtsprechung des B G H , der sich dem BVerfG angeschlossen hat, liegt eine unzulässige Überbesetzung auch dann vor, wenn einer K a m m e r oder — abgesehen von dem Fall des § 122 Abs. 2 — einem OLG-Senat 5 Beisitzer zugewiesen sind, auch wenn nicht alle Kräfte dem Spruchkörper voll zur Verfügung stehen, z. B. weil *) Wegen vereinzelter abweichender Stimmen, die auch eine solche Übersetzung für grundgesetzwidrig halten, vgl. A r n d t 1964 1668; M ü l l e r Z R P 1971 150; D R i Z 1972 3 5 6 ; 1973 49; H ö f i g und S c h n e i d e r D R i Z 1972 424.

2690

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 f Anm. 1 5 , 6

der Vorsitzende Richter für Monate erkrankt ist (BGH NJW 1965 1715 Nr. 8 = DRiZ 1965 304) oder zwei Beisitzer im Zeipunkt der Entscheidung vorübergehend beurlaubt waren (BGH NJW 1965 1715 Nr. 9 = DRiZ 1965 343 = MDR 1965 733) oder zwei Beisitzer nur jeweils mit halber Kraft zugeteilt sind (BGH DRiZ 1965 239). Eine durch die Natur der Sache gebotene Ausnahme wurde nur anerkannt, wenn dem Spruchkörper neben 4 mit voller Arbeitskraft zugewiesenen Beisitzern zusätzlich ein Hochschullehrer — § 7 DRiG — mit einem kleinen Bruchteil einer Richterarbeitskraft zugeteilt wird (BGH NJW 1966 1458 = MDR 1966 655). Mit BGHSt. 22 94 = NJW 1968 1242 = MDR 1968 595 ist dagegen - gegen BGH NJW 1966 1458 = LM Nr. 1 zu § 69 GVG - eine unzulässige Überbesetzung zu verneinen, wenn einer Strafkammer zwar 5 Beisitzer zugeteilt werden, aber im Geschäftsverteilungsplan deutlich gemacht ist, daß (namentlich genannte) Beisitzer nur andere als die der Kammer sonst zugeteilten Aufgaben wahrzunehmen haben, z. B. daß die der großen Strafkammer zugeteilten Richter A und B nur tätig zu werden haben bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung in Strafsachen, die bei der kleinen Strafkammer anhängig sind. Denn mag eine solche Handhabung auch unzweckmäßig sein, so ist sie doch nicht gesetzwidrig, weil in Wahrheit nicht eine Uberbesetzung der großen Strafkammer, sondern die Bildung einer weiteren kleinen Strafkammer vorliegt, bestehend aus dem Vorsitzenden Richter der großen Strafkammer und den Richtern A und B mit dem genannten Aufgabenbereich. Der Vorsitzende Richter ist dann zulässigerweise (§ 212e Abs. 1 Satz 4) Vorsitzender der großen und dieser kleinen Strafkammer, und die Bildung dieser Kammer durch den LG-Präsidenten (vgl. Anm. II zu § 60) ist dadurch erfolgt, daß er als Vorsitzender des Präsidiums die Geschäftsverteilung mitbeschlossen hat. Eine unzulässige Überbesetzung liegt auch nicht vor, wenn ein nach dem Wortlaut des Geschäftsverteilungsplans dem Spruchkörper als Mitglied zugeteilter Richter nach Sinn und Zweck des Geschäftsverteilungsplans nur als Vertreter verhinderter Mitglieder des Spruchkörpers tätig werden still und auch nur in dieser Weise im Spruchkörper tätig wird (BGH NJW 1965 875 = MDK 1965 403). Freilich kann einem Präsidium nur empfohlen werden, sich solcher verhüllender Kammerbildung und Vertreterbestellung zu enthalten und durch Klarstellung des tatsächlich Gewollten im Wortlaut des Geschäftsverteilungsplans auszuschließen, daß sich aus dem undeutlichen Wortlaut des Plans ein Anlaß zu Besetzungsrügen ergibt. 5. Vorsitz in mehreren Spruchkörpern. Gemäß § 21 e Abs. 1 Satz 4 ist es — immer unter der Voraussetzung, daß ihm in jedem der Spruchkörper ein „richtungsweisender Einfluß" i. S. der Ausführungen oben zu I 2, 3 zukommt — nicht unzulässig, einen Vorsitzenden Richter zum Vorsitzenden mehrerer Spruchkörper zu bestimmen (RGSt. 55 202. 238: BGHSt. 2 71; 8 17; NJW 1967 1566; OLG Koblenz MDR 1966 1023). Eine offenkundige Umgehung des § 21 f Abs. 1 liegt vor, wenn er gleichzeitig für (nicht nur vorübergehend) behindert erklärt wird, den Vorsitz in der einen von ihnen zu führen (RGSt. 55 238, 56 157, 62 366, 368; BGHSt. 2 71, 12 104, 107; BGHZ 9 291, 293, 10 130, 131). In gleicher Weise ist es zulässig, den Vorsitzenden der Strafkammer zum Vorsitzenden des Schwurgerichts für alle Tagungen des Geschäftsjahres zu bestellen, wenn ihm durch diese Tätigkeit der richtungsweisende Einfluß auf die Rechtsprechung seiner Kammer nicht verkürzt wird (OLG Hamm JZ 1962 715 = GA 1963 56); s. dazu unten II 4b. 6. Verwendung Vorsitzender Richter als Beisitzer. Es ist nicht unzulässig, daß ein Vorsitzender Richter in dem Spruchkörper, dem er vorsitzt, als Beisitzer tätig wird, z. B. wenn er vorübergehend wegen Heiserkeit oder Unkenntnis der Akten verhindert ist, als Vorsitzender zu fungieren und in dieser Eigenschaft gemäß § 21 f Abs. 2 vertreten werden muß (vgl. unten II 4 h). Ebenso kann, wenn es in einem anderen Spruchkörper einer vorübergehenden Vertretung eines Beisitzers bedarf, als Vertreter auch ein Vorsitzender Richter (in Eilfallen gemäß § 21 i Abs. 2) bestellt werden. Die Frage ist, ob es über diese Fälle einer vorübergehenden Verwendung als Beisitzer hinaus zulässig ist, im Geschäftsverteilungsplan einen Vorsitzenden Richter zwei Spruchkörpern (§ 21 e Abs. 1 Satz 4) in der Weise zuzuteilen, daß er in dem einen den Vorsitz führt, in dem anderen ständig als Beisitzer verwendet wird. Eine solche Einteilung als ständiger Beisitzer erscheint aber nicht nur nach dem Wortlaut, sondern auch nach dem Sinn des § 21 f Abs. 1 (oben I 2) unzulässig (a. M. F i s c h e r DRiZ 1967 52). Dagegen steht nichts im Wege, den „LGDirektor" als Doppelrichter (§ 59 Abs. 2) beim Amtsgericht als Einzelrichter oder als Beisitzer beim erweiterten Schöffen2691

§ 21 f

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. I 7; II 1 , 2 gericht zu verwenden, oder einen ..LGDirektor"' gemäß § 37 D R i G als Beisitzer zum O L G abzuordnen. 7. Vorsitz in der Hilfs- und in der Ferienkammer. Wird aus Anlaß einer vorübergehenden Überbelastung der ordentlichen Strafkammer eine Hilfsstrafkammer gebildet (vgl. Anm. III 2 zu § 60). so darf sie. wenn ein Vorsitzender Richter hierfür nicht zur Verfügung steht, mit einem anderen Richter („Landgerichtsrat") als Vorsitzenden besetzt werden*). Denn es liegt nicht anders, als wenn unter Verzicht auf die Bildung einer Hilfsstrafkammer die überbelastete Kammer durch Zuweisung von Mitgliedern entlastet würde. Dann wäre der Vorsitzende Richter durch die Erledigung der regelmäßig anfallenden Sachen an der Führung des Vorsitzes in den übrigen Sachen verhindert und könnte gemäß § 21 f Abs. 2 durch einen ..Landgerichtsrat" vertreten werden. Es kann aber keinen Unterschied begründen, ob die Entlastung der Kammer durch Zuweisung von Mitgliedern oder durch die Bildung einer Hilfsstrafkammer erfolgt ( R G J W 1932 2888: BGHSt. 12 104 = N J W 1959 218 m. zust. Anm. K e r n ; BGHSt. 18 176. 178; 21 23 = N J W 1966 940 = M D R 1966 429; O L G Koblenz DRiZ 1968 22): anders früher RGSt. 62 309: R G J W 1925 1401: H R R 1930 Nr. 1855. wo die Besetzung mit einem LGDirektor für erforderlich, es aber für zulässig erklärt wurde, daß er von vornherein als ständig an der Führung des Vorsitzes verhindert bezeichnet werde). D a zum Vorsitzenden einer Hilfsstrafkammer von vornherein ein Richter, der nicht Vorsitzender Richter ist. bestellt werden kann, ist es auch nicht zu beanstanden, wenn sich der formal zum Vorsitzenden einer solchen Hilfskammer bestellte Vorsitzende Richter der Stammkammer wegen Verhinderung ständig oder überwiegend von dem zu seinem regelmäßigen Vertreter bestellten Richter vertreten läßt (BGH bei H e r l a n G A 1963 101). Wegen des Vorsitzes in der Ferienstrafkammer vgl. Anm. 1 zu § 201. Die Vorschrift des § 29 D R i G . daß an der Entscheidung nicht mehr als ein Hilfsrichter (Richter auf Probe, kraft Auftrags oder abgeordneter Richter) mitwirken darf, gilt aber auch für die Hilfs- und Ferienstrafkammer. II. Vertretung des verhinderten Vorsitzenden Richters (zu Absatz 2) 1. Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht. § 21 f Abs. 2 ist an die Stelle des § 66 Abs. 1 a. F. („Bei Verhinderung des ordentlichen Vorsitzenden führt den Vorsitz in der Kammer das von dem Präsidium vor Beginn des Geschäftsjahres zum regelmäßigen Vertreter bestimmte Mitglied der Kammer; ist ein solcher Vertreter nicht bestellt, oder ist auch er verhindert, so führt das Mitglied der Kammer, das dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter der Geburt nach das älteste ist, den Vorsitz") getreten. Die Neuerung gegenüber dem § 66 Abs. 1 a. F. besteht in der Klarstellung, daß nach Abs. 2 Satz 1 das Präsidium dem Vorsitzenden Richter einen „regelmäßigen" Vertreter zu bestellen hat. Bisher wurde aus den Worten „ist ein solcher Vertreter nicht bestellt" gefolgert, daß die Bestellung eines „regelmäßigen" Vertreters im Ermessen des Präsidiums stehe; indessen war dies streitig (vgl. Anm. l a zu § 66 in der Voraufl.). Solange das Präsidium dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist. richtet sich die Vertretung nach Absatz 2 Satz 2. 2. Der regelmäßige („ständige") Vertreter. D a s Präsidium kann zum regelmäßigen Vertreter das Mitglied des Spruchkörpers bestimmen, das im Zeitpunkt der Bestimmung das (dienst-, bzw. lebens)älteste ist. Dessen Bestellung hat aber nur dann Sinn, wenn damit die Vertretung auch für den Fall sichergestellt werden soll, daß ein dienstälteres Mitglied als er während des Geschäftsjahres in den Spruchkörper eintritt. Das Präsidium kann aber auch — und gerade das ist der Sinn der Vorschrift — ein anderes als das dienstälteste Mitglied zum regelmäßigen Vertreter bestellen, etwa, weil das dienstjüngere Mitglied zur Vertretung des Vorsitzenden geeigneter ist. Immer aber muß der Vertreter ein auf Lebenszeit ernannter Richter (§ 28 Abs. 2 D R i G ) und Mitglied des Spruchkörpers, und zwar ein ständiges Mitglied. sein (RGSt. 66 435: 69 325); BGHSt. 20 61 = N J W 1965 58 = M D R 1965 62 = LM Nr. 18 m. Anm. G e i e r ) . Dabei ist ständige Zugehörigkeit nicht gleichbedeutend mit der Pflicht, an allen dem Spruchkörper übertragenen Geschäften mitzuwirken ( R G J W 1925 1012). Andererseits genügt aber nicht, daß er nur formal (dem Namen nach) zum Mitglied des Spruchkörpers bestellt wird. z. B. außer zur Urlaubsvertretung des Vorsitzenden Rich*) a. M. Kl Nachtr. [1973] 4 zu § 21 e. Es ist aber nicht ersichtlich, daß § 21 f an der Auslegung, die § 61 Abs. 1 Satz 1 a. F. gefunden hatte, etwas ändern wollte.

2692

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 f Anm. II 3 , 4

ters sonst nur in ganz geringem Umfang als Beisitzer herangezogen wird (BGH aaO.; O L G Schleswig SchlHA 1956 382). Das Präsidium ist auch nicht, wie es dem Wortlaut nach scheinen könnte, darauf beschränkt, einen Vertreter des Vorsitzenden zu bestimmen; es kann auch für den Fall der Verhinderung des ersten einen zweiten Vertreter — abweichend von der Regelung des Absatzes 2 Satz 2 — bestellen(so RGSt. 69 325 in einem Fall, in dem bei Beginn des Geschäftsjahrs eine freigewordene Direktorstelle noch nicht besetzt war). Die Befugnis des Präsidiums zur Bestimmung des Vertreters des Vorsitzenden beschränkt sich auch nicht auf die Bestimmung „vor Beginn des Geschäftsjahres" (§ 21 e Abs. 1); vielmehr gilt auch für die Bezeichnung des Vertreters des Vorsitzenden § 21 e Abs. 3: unter den dort aufgestellten Voraussetzungen kann das Präsidium die Bezeichnung auch im Laufe des Geschäftsjahres vornehmen oder ändern. 3. Kleine Strafkammer. Bei der kleinen Strafkammer, die nur mit einem Berufsrichter besetzt ist (§ 76 Abs. 2 G V G ) entfallt die Möglichkeit der Vertretung, da keine anderen ständigen Mitglieder der Kammer als der ordentliche Vorsitzende vorhanden sind. Hier bleibt dem Präsidium nur die Möglichkeit, für Fälle vorübergehender Verhinderung aus den übrigen ständigen Mitgliedern des Landgerichts (nicht notwendig aus der Zahl der Vorsitzenden Richter) einen regelmäßigen Vertreter zu bestimmen (vgl. O L G H a m m JMB1. N R W 1965 34). Eine entsprechende ausdrückliche Vorschrift war in früheren Fassungen des § 66 enthalten; sie ist später als offenbar entbehrlich weggefallen, weil eine andere Lösung ja nicht denkbar ist. Bei Verhinderung des regelmäßigen Vertreters muß das Präsidium, notfalls der Präsident (§ 21 i Abs. 2) einen zeitweiligen Vertreter bestellen (vgl. für das frühere Recht O L G Saarbrücken JBl.Saar 1961 148). Bei dauernder Verhinderung des Vorsitzenden bedarf es der Bestellung eines neuen Vorsitzenden ( O L G H a m m M D R 1970 611). — Die kleine Strafkammer tritt aber als solche (vgl. § 76) nur in der Hauptverhandlung auf. Außerhalb der Hauptverhandlung tritt auch für die Sachen der kleinen Strafkammer die aus drei Berufsrichtern bestehende Beschlußkammer (§ 76) ein; für sie gilt die gesetzliche Regel des § 21 f Abs. 2 uneingeschränkt (RGSt. 54 252. R G J W 1930 2141; S c h n e i d l e r J W 1924 1701). 4. Vertretungsfall, a) Begriff der Verhinderung. Vertretung im Vorsitz setzt voraus, daß der Vorsitzende Richter an der Führung des Vorsitzes verhindert ist. Unter Verhinderung ist jede tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit zu verstehen, den Vorsitz zu führen (BGHSt. 14 11, 15; 21 40, 42). Eine Vertretung im Vorsitz kommt aber grundsätzlich nur im Falle der vorübergehenden Verhinderung in Betracht, d. h. einer Verhinderung, die sich in der Regel nur über einen gewissen übersehbaren Zeitraum erstreckt (BGHSt. 21 131. 133). Bei dauernder vollständiger Verhinderung muß nach § 21 e Abs. 3 verfahren, d. h. ein neuer Vorsitzender bestellt werden; es geht im Interesse der eindeutigen Ermittlung des gesetzlichen Richters (Art. 101 G G ) nicht etwa an. neben dem dauernd verhinderten Vorsitzenden Richter einen weiteren Vorsitzenden Richter zu bestellen ( B G H Z 15 135 = N J W 1955 103). Wegen des besonderen Falles einer dauernden Verhinderung für einen Teil der Geschäfte s. unten g. Über die Abgrenzung der vorübergehenden von der dauernden Verhinderung vgj. unten e. Eine vorübergehende Verhinderung kann in eine dauernde übergehen. Eine vorübergehende Verhinderung liegt auch vor, wenn der Vorsitzende Richter zunächst vorübergehend in einen anderen Geschäftsbereich abgeordnet wird und eine länger dauernde Abordnung oder Versetzung zwar in Aussicht genommen oder in Erwägung gezogen ist. aber noch nicht sofort angeordnet werden soll. Hier kann aber die Frage, ob und wann die vorübergehende Verhinderung in eine dauernde übergeht, nicht unbegrenzte'Zeit in der Schwebe bleiben. Nach B G H Z 16 254 = N J W 1955 587 muß nach einem äußerstenfalls drei Monate betragenden Zeitraum die Verwaltungsbehörde eine endgültige Anordnung treffen, die dem Präsidium eine klare Entscheidung ermöglicht, ob noch (für eine begrenzte Zeit) von einer vorübergehenden Verhinderung gesprochen werden kann oder ob wegen der langen Dauer oder der Ungewißheit der Dauer der Abordnung eine dauernde Verhinderung vorliegt, die zur Bestellung eines neuen Vorsitzenden zwingt. — Für die Frage, ob eine (vorübergehende) Verhinderung vorliegt, kommt es auf den Zeitpunkt der in Frage stehenden Amtshandlung — also bei der Prüfung, ob der Revisionsgrund des § 338 Nr. 1 StPO vorliegt, auf den Zeitpunkt der Hauptverhandlung — an; spätere Umstände sind belanglos ( R G Recht 1928 Nr. 1128; B G H Z 10 136; BGHSt. 14 11. 16). 2693

§ 21 f Anm. II 4

Gerichtsverfassungsgesetz

b) Feststellung der Verhinderung. Ob ein Fall der Verhinderung vorliegt, bedarf keiner besonderen Feststellung, wenn der Verhinderungsgrund offensichtlich und unzweifelhaft ist, wie bei Erkrankung — sie muß nicht stets, namentlich nicht bei einer solchen von kürzerer Dauer durch ärztliches Attest nachgewiesen werden (vgl. B G H bei H e r l a n G A 1971 34) —, Urlaub, Abordnung, Vorsitz in einer gleichzeitig anstehenden anderen Sache (BavObLGSt. 1962 4 = M D R 1962 498: O L G Koblenz M D R 1966 1024). Liegt der Verhinderungsgrund nicht offen zutage, handelt es sich vielmehr um eine Ermessensfrage, wie insbes. wenn in Frage steht, ob der Richter durch Überlastung verhindert ist. eine bestimmte dienstliche Aufgabe zu bestimmter Zeit zu erfüllen, so bedarf die Verhinderung im Hinblick auf den Grundsatz des gesetzlichen Richters einer Feststellung durch ein gerichtsverfassungsmäßig dafür vorgesehenes Rechtspflegeorgan (BGHSt. 21 174. 175 = N J W 1967 637 = M D R 1967 317 = LM Nr. 22 m. Anm. H ü b n e r ) . Und zwar ist zuständig für diese Feststellung der Vorsitzende Richter selbst gemäß § 21 g. wenn seine Verhinderung ausschließlich durch Überlastung mit den in seinem Spruchkörper anfallenden Rechtsprechungsaufgaben verursacht wird, er durch ein Mitglied seines Spruchkörpers vertreten wird und diese Vertretung sich auch sonst nicht auf die übrigen Spruchkörper des Gerichts auswirkt (BGH N J W 1968 512 = DRiZ 1968 339 = M D R 1968 339). Der Vorsitzende Richter eines ..überbesetzten" Spruchkörpers kann also ohne Mitwirkung eines anderen Rechtspflegeorgans selbst wegen Überlastung durch Rechtsprechungsaufgaben seine Verhinderung feststellen, indem er die Vorsitzfiihrung seinem ständigen Vertreter überläßt, der die Verhandlung mit den übrigen Mitgliedern des Spruchkörpers durchführt. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Vorsitzende Richter zwei Spruchkörpern vorsitzt und die Rechtsprechungstätigkeit in dem einen sein Tätigwerden in dem anderen vorübergehend verhindert, z. B. der Strafkammervorsitzende durch die Vorbereitung des Vorsitzes im Schwurgericht an der Vorsitzführung in der Strafkammer verhindert ist ( O L G Celle N J W 1968 1489 = M D R 1968 1031). Ebenso kann der Vorsitzende Richter unter den gleichen Voraussetzungen selbständig die Verhinderung eines nach den Grundsätzen des § 21g Abs. 2 zur Mitwirkung in einer Sache berufenen anderen Mitglieds seines Spruchkörpers infolge Überlastung feststellen (BGH aaO.). Beruht dagegen die Überlastung auf dem Zusammentreffen von Rechtsprechungsaufgaben in verschiedenen Spruchkörpern (z. B. als Vorsitzender in seiner, als Beisitzer in einer anderen Kammer) oder von Rechtsprechungsaufgaben und anderen nach dem D R i G dem Richter übertragbaren Obliegenheiten, oder hat eine notwendige Vertretung Auswirkungen auf die übrigen Spruchkörper des Gerichts, so muß entsprechend dem Grundgedanken des § 21 i Abs. 2 (die Entscheidung über die Vertretung erfordert in der Regel sofortigen Entschluß. BGHSt. 21 174. 178) der Präsident (oder sein Vertreter) den Verhinderungsgrund feststellen: der Präsident stelle auch selbständig seine eigene Verhinderung fest, wenn diese auf einer Überlastung durch Rechtsprechungsaufgaben in seinem Spruchkörper zusammen mit den ihm obliegenden Justizverwaltungsaufgaben beruht (BGHSt. 21 174). c) Eine bestimmte Form der Feststellung der Verhinderung, die nicht offenkundig ist. ist nicht vorgeschrieben: es genügt die Feststellung in einer für das Revisionsgericht rechtlich nachprüfbaren Weise (BGHSt. 12 33. 36; 21 174. 179). Zweckmäßig erfolgt die Feststellung schriftlich durch Aktenvermerk (RGSt. 65 299. 301: BGHSt. 21 174. 179: N J W 1968 512). Wegen Festlegung einer Verhinderung des Vorsitzenden Richters durch Überlastung im voraus im Wege des Geschäftsverteilungsplans oder der Grundsätze des § 21 g Abs. 2 s. unten g. d) „Verhinderung" ist ein RechtsbegrifF. Ob seine tatsächlichen Voraussetzungen vorlagen, ist einer Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen, das nur prüft, ob der RechtsbegrifT der Verhinderung verkannt ist. e) Einzelheiten. Wann eine den Eintritt des regelmäßigen Vertreters rechtfertigende vorübergehende Verhinderung vorliegt, richtet sich weitgehend, aber nicht stets nach der Dauer der Verhinderung. Nach der Rechtsprechung (vgl. BGHSt. 21 131. 133 = N J W 1966 2368 = M D R 1967 56 = LM Nr. 21 m. Anm. M a r t i n ) kann die Frage, ob noch eine vorübergehende oder bereits eine dauernde Verhinderung anzunehmen und je nachdem eine Vertretung möglich oder ausgeschlossen ist. nicht losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantwortet werden. D a n a c h ist auch eine längere Verhinderung (in dem entschiedenen Fall 2694

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 f Anm. II 4

von etwa 9 Monaten) noch eine vorübergehende, wenn (im Regelfall) nicht die Gefahr einer „Manipulation" besteht, d. h. die Gefahr, daß die Dauer der Verhinderung von Erwägungen abhängig gemacht werden kann, welche die Belange der Rechtspflege nicht genügend berücksichtigen. Noch vorübergehend ist daher die Verhinderung bei einer längeren Erkrankung oder bei einer längeren Inanspruchnahme des Vorsitzenden Richters einer Strafkammer durch die Wahrnehmung des Vorsitzes im Schwurgericht. Insoweit muß sich auch der Grundsatz, daß eine Führung des Vorsitzes i. S. des § 21 f Abs. 1 nur vorliegt, wenn der Vorsitzende Richter durch seine Tätigkeit in dem Spruchkörper einen richtungweisenden Einfluß auf dessen Geschäftsgang und seine Rechtsprechung ausübt (vgl. oben Anm. I 2). gewisse Einschränkungen gefallen lassen (BGHSt. 21 131, 133). Strengere Anforderungen an den Begriff der bloß vorübergehenden Verhinderung kommen in Betracht, wo die Gefahr einer Bemessung der Verhinderungsdauer durch willkürliche Handhabung eher gegeben ist (vgl. unten f)- Von dieser weitherzigen Handhabung hat sich aber neuestens BGH NJW 1973 205 abgewandt. Aus der Rechtsprechung: Absatz 2 gilt z. B. bei Krankheit, bei der unter Berücksichtigung der Unsicherheit von Prognosen mit Wiedergesundung in absehbarer Zeit gerechnet werden kann (BGHZ 16 256). insbesondere auch dann, wenn nach den vorgelegten ärztlichen Attesten von Monat zu Monat anzunehmen ist. daß die Dienstfähigkeit alsbald wieder eintritt (OLG Neustadt MDR 1961 344). Ferner kommen in Betracht körperliche Unfähigkeit, z. B. Heiserkeit, die kein anhaltendes Sprechen gestattet (RGSt. 10 318. 18 302), Beurlaubung in üblichen Grenzen, insbesondere beim Jahresurlaub (BGHSt. 17 223, 224 = NJW 1962 1166). geschäftliche Überlastung durch Häufung von Aufgaben der Rechtsprechung in dem gleichen oder in verschiedenen Spruchkörpern oder durch das Zusammentreffen von Rechtsprechungsaufgaben und anderen dem Vorsitzenden Richter übertragenen Obliegenheiten — vgl. § § 4 Abs. 2. 40 bis 42 DRiG - (BGHSt. 21 174, 175 m. Rechtspr.Nachw.), wie z. B. der Vorsitz in einer anderen Sache (BayObLG MDR 1962 498), sowie eine auf anderen Gründen beruhende Unmöglichkeit einer rechtzeitigen Vorbereitung und die hierdurch bedingte Unkenntnis der Prozeßakten (RGSt. 56 63, 62 273, 274; BGHSt. 21 40). Der Vorsitzende Richter kann an der Wahrnehmung einer anberaumten Sitzung auch dadurch verhindert sein, daß er nachträglich anberaumte Sitzungen selbst wahrnimmt und die Vorbereitung dieser Sitzungen ihm keine Zeit läßt, den Vorsitz in der zuerst anstehenden Sache zu führen, denn in welcher von mehreren anstehenden Sachen, die er nicht sämtlich wahrnehmen kann, er den Vorsitz dem Vertreter überlassen will, ist ohne Rücksicht auf deren zeitliche Reihenfolge Sache seines pflichtmäßigen Ermessens; anders läge es nur. wenn die Wahrnehmung der später angesetzten Termine den Zweck verfolgte, einen Hinderungsgrund für den Vorsitz in der zeitlich zuerst anstehenden Sache zu schaffen und dadurch den Angeklagten in dieser Sache seinem gesetzlichen Richter zu entziehen (BGHSt. 15 390 = NJW 1961 1076 = MDR 1961 525). Ein Fall einer rechtlichen Verhinderung ist z. B. Ablehnung wegen Befangenheit, sowie die vorläufige Dienstenthebung im Zuge eines Dienststrafverfahrens (BSG MDR 1963 960). ferner nicht nur die Vernehmung des Vorsitzenden als Zeuge in der Sache (§ 22 Nr. 5 StPO). sondern schon das Erscheinen als Zeuge auf Ladung, im Hinblick auf § 245 StPO (BGHSt. 7 44 = NJW 1955 152). dagegen nicht schon die Ladung, da sonst ein Angekl. jeden ihm nicht genehmen Richter an der Amtsausübung hindern könnte (RGSt. 42 1: BGH aaO.). f) Tod, Ausscheiden aus dem Amt, Abordnung, Schaffung neuer Stellen. Vorübergehende Verhinderung liegt auch vor. wenn der ordentliche Vorsitzende verstorben oder sonst aus dem Amt geschieden und ein Nachfolger noch nicht ernannt ist oder sein Amt noch nicht angetreten hat (RGSt. 56 63; 69 321), sofern die Wiederbesetzung einen angemessenen Zeitraum nicht überschreitet. In BGHSt. 8 17= NJW 1955 1447 ist eine Zeit von etwa 5 Monaten noch als angemessener Zeitraum angesehen worden*). Entsprechende Grund*) In dem von R i d d e r NJW 1972 1689 mitgeteilten und kritisierten Beschluß des BVerfG-Ausschusses (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) v. 23. 3. 1972 ist eine Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht angenommen worden in einem Fall, in dem seit dem Tod des Vorsitzenden Richters bis zur Hauptverhandlung 8 Monate verstrichen waren, weil „eine ungebührliche Verzögerung" der Wiederbesetzung nicht hinreichend habe festgestellt werden können.

2695

§ 21 f Anm. II 4

Gerichtsverfassungsgesetz

sätze gelten, wenn die Stelle eines Vorsitzenden Richters neu geschaffen, aber noch nicht besetzt ist. falls die Besetzung in angemessener Zeit zu erwarten ist (BGHSt. 14 11 = N J W 1960 542). In solchen Fällen kann es auch, wenn es sich um die Aufstellung des Geschäfts verteilungsplans vor Beginn des Geschäftsjahres handelt, keinen Unterschied machen, ob der der Person nach noch nicht feststehende Vorsitzende Richter als Anonymus („X"") im Ge schäftsverteilungsplan auftritt und durch den regelmäßigen Vertreter des Vorsitzenden oder das älteste Spruchkörpermitglied vertreten wird, oder ob der Vorsitzende einer anderen Kammer (Senats) formell zum Vorsitzenden dieser Kammer bestellt, aber gleichzeitig bis zum Dienstantritt des neu zu ernennenden Vorsitzenden Richters als vorübergehend am Vorsitz in der zweiten Kammer verhindert erklärt wird (vgl. BVerfGE 18 423 = M D R 1965 546 = DRiZ 1965 201 = N J W 1965 1223: BGHSt. 14 11; a. M. O L G Köln M D R 1958 52: BSG N J W 1959 910). Anders liegt es. wenn die neue Stelle zwar beantragt, aber noch nicht bewilligt ist und deshalb nicht übersehen werden kann, ob und wann mit der Bewilligung und Besetzung der Stelle zu rechnen ist ( B G H Z 9 291. 294: 10 130. 135: S c h o r n S. 99). Erfolgt das Ausscheiden aus dem Amt nicht unerwartet (durch Tod. Entlassung auf Antrag. Ausscheiden wegen Dienstunfahigkeit usw.). sondern vorhersehbar durch Erreichung der Altersgrenze, so kann zwar in der Regel die Neubesetzung der Stelle so zeitig betrieben werden, daß sie gleichzeitig mit dem Ausscheiden des bisherigen Stelleninhabers eintritt. Doch liegt auch hier ein Fall der Verhinderung vor. wenn besondere Umstände die Verzögerung der Wiederbesetzung rechtfertigen (RGSt. 62 273: 64 6 gegen O L G Dresden J W 1928 2738). Die Vertretung des ausgeschiedenen Vorsitzenden Richters durch ein Mitglied wird nicht dadurch unzulässig, daß die Landesjustizverwaltung beschließt, die erledigte Stelle nicht wieder zu besetzen, solange dem Präsidium diese Entschließung nicht bekannt gemacht und ihm keine Gelegenheit gegeben worden ist. die Folgerungen daraus zu ziehen ( R G v. 13.4. 1931 I I I 2 I 9 / 3 1 ) . Dagegen liegt ein F a l l d e r V e r hinderung nicht vor. wenn dem Vorsitzenden Richter eine andere Stelle übertragen ist. solange er das neue Amt nicht angetreten hat (RGSt. 9 197: 26 412: R G Recht 1925 Nr. 1082: 1926 Nr. 177). Wird der bisherige Vorsitzende an eine andere Stelle abgeordnet fij 37 DRiG). so wird die Dauer einer vorübergehenden Verhinderung noch kürzer bemessen. Nach BGH JZ 1955 246: BGHSt. 8 17. 21 muß sich die Justizverwaltung spätestens nach 3 Monaten entscheiden. ob die Abordnung bestehen bleibt und dann ein neuer Vorsitzender zu bestellen ist. Keine vorübergehende Verhinderung liegt vor. wenn die Schaffung einer neuen Planstelle eines Vorsitzenden Richters von der Justizverwaltung beantragt, vom Gesetzgeber aber noch nicht durch Festsetzung im Stellenplan bewilligt ist. Es ist also nicht zulässig, den Vorsitz in einer Kammer, der dem Inhaber der neu zu schaffenden Stelle zufallen soll, bis zu dessen Amtsantritt ..formell" dem Vorsitzenden Richter einer anderen Kammer zu übertragen, denn es ist bei solcher Lage nicht übersehbar, ob und wann die beantragte Stelle bewilligt wird ( B G H Z 9 291 = N J W 1953 1302: BGHSt. 14 11. 15). Ist aber die Stelle bereits bewilligt. so liegt — nicht anders als bei der Wiederbesetzung einer vorhandenen Planstelle — nur vorübergehende Verhinderung vor. wenn die Besetzung der neu geschaffenen Stelle in angemessener Zeit nachfolgt. In der Zwischenzeit genügt die ..formelle" Übertragung des Vorsitzes an den Vorsitzenden Richter einer anderen Kammer (BGH N J W 1960 543). Statt einer solchen formalen Vorsitzendenbestellung ist es aber auch zulässig, den künftigen Vorsitzenden als „Vorsitzenden Richter X " im Geschäftsverteilungsplan erscheinen zu lassen (BVerfGE 18 4 2 3 . 4 2 6 = N J W 1965 1223 = M D R 1965 546: B G H N J W 1960 543). g) Turnusmäßige teilweise Verhinderung. Von den Fällen, daß der Präsident oder der Vorsitzende Richter nur vorübergehend oder daß er dauernd in vollem Umfang verhindert ist. ist der Fall zu unterscheiden, daß er nur teilweise, aber während der ganzen Dauer oder eines unabsehbaren Teils des Geschäftsjahres und in diesem Sinn dauernd an der Wahrnehmung der mit der Vorsitzführung verbundenen spezifischen Aufgaben verhindert ist. z. B. wenn die ihm obliegenden Aufgaben der Gerichtsverwaltung oder die Summe seiner Rechtsprechungsaufgaben in seinem Spruchkörper es ausschließen, daß er den Vorsitz an sämt liehen Sitzungstagen führt. Eine solche, wenn auch ständige Teilverhinderung hat die Rechtsprechung von jeher i. S. des § 66 Abs. 1 a. F. einer vorübergehenden Verhinderung gleichgestellt (vgl. RGSt. 54 298: 55 238: 62 366: 69 321: R G Z 115 162: 126 97. 243: 130 154: 2696

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäfts verteilung (Schäfer)

§ 21 f Anm. II 5

132 295. 301: BGHSt. 2 71). Es ist demgemäß zulässig, daß das Präsidium im Geschäftsverteilungsplan oder der Vorsitzende Richter in der Anordnung nach § 21 g Abs. 2 im voraus über die turnusmäßige Verhinderung des Vorsitzenden und seine Vertretung nach § 21 f Abs. 2 Bestimmung trifft, vorausgesetzt, daß ihm der richtunggebende Einfluß auf die Gesamtarbeit des Spruchkörpers und der notwendige Umfang seiner Mitwirkung (oben Anm. I 2. 3) gewahrt bleibt ( B G H Z 37 210: 49 64 und — gegen die abweichende Auffassung von O L G Frankfurt N J W 1969 854. 2214 - B G H N J W 1970 901 = M D R 1970 499 = JZ 1970 376: G r o ß N J W 1969 1312). In gleicher Weise kann im voraus bestimmt werden, wann der regelmäßige Vertreter als am stellvertretenden Vorsitz verhindert anzusehen ist. Bei einer solchen generellen Regelung des Vertretungsfalles greift aber der in Anm. III 8 c zu § 21 e dargelegte Grundgedanke ein. daß sie nur nach allgemeinen Merkmalen, die in der Sache selbst begründet sind, vorgenommen werden darf (z. B. wegen der Belastung des Vorsitzenden Richters mit anderen Geschäften ist er in jeder 4. Sitzung verhindert): dagegen ist es unzulässig, den Verhinderungsfall für bestimmte Gruppen von Sachen (z. B. für politische Strafsachen) auszusprechen und diese dem Vertreter zuzuweisen ( R G J W 1938 3 11 Nr. 5: O L G Stuttgart. ..Die Justiz" 1971 325). Enthält der Geschäftsverteilungsplan keine solchen Vorschriften, so kann sie der Vorsitzende Richter selbst treffen. h) Ist der Vorsitzende Richter nur an der Führung des Vorsitzes, nicht aber an einer sonstigen Mitwirkung in der Verhandlung verhindert (z. B. wegen Heiserkeit. Unkenntnis der Akten), so ist es nicht unzulässig, daß er in dieser als Beisitzer tätig wird (RGSt. 3 310. 10 3 1 8 . 1 8 302. 23 99. R G G A 55 109). i) Wegen der Vertretung des Vorsitzenden in einer Hilfsstrafkammer vgl. oben Anm. I 7. 5. Vertretung nach § 21 f Absatz 2 Satz 2 a) Das älteste Mitglied. Ist auch der vom Präsidium bestellte ständige Vertreter verhindert. so steht der Vorsitz dem ältesten ständigen Mitglied des Spruchkörpers zu. sollte auch der für ihn aus einem anderen Spruchkörper eintretende Vertreter dienst- oder lebensälter sein (RGSt. 1 238: R G vom 10. 11. 1919 I 495/19: BGHSt. 20 61. 62: 21 40. 42). Dies gilt auch für die detachierte Strafkammer (§ 78) (BGH M D R 1951 539). Ist auch das zunächst berufene älteste Mitglied verhindert, so geht der Vorsitz auf das nächstälteste ständige Mitglied des Spruchkörpers über (RGSt. 23 99). Das älteste Mitglied in diesem Sinne ist aber nicht das älteste der für die einzelne Sitzung eingeteilten Mitglieder, sondern bei einem ..überbesetzten" Spruchkörper (oben Anm. I 4 b) das älteste der diesem überhaupt zugeteilten Mitglieder, indes nur das ¡eueilig dienstlich verfügbare älteste Mitglied (RGSt. 18 302. 25 389. 41 184. 62 276). Richter, die in der Geschäftsverteilung als ständige Mitglieder bezeichnet sind, aber nur im Bedarfsfalle herangezogen werden, sind in Wirklichkeit nur Vertreter (RG GA 55 109). Auch ein Richter, der dem Spruchkörper nur zum gelegentlichen Beisitzer (z. B. als Urlaubsvertreter) oder der nur zu einem ganz geringen Bruchteil seiner Arbeitskraft zugewiesen ist und im übrigen anders verwendet wird, ist kein ständiges Mitglied dieses Spruchkörpers (BGHSt. 20 61 = N J W 1965 58 = M D R 1965 62). Ausnahmsweise kann auch ein nichtständiges Mitglied einer Kammer (aber nur ein ständiges Mitglied des L G . s. unten b) den Vorsitz führen, nämlich dann, wenn zur Vorsitzführung geeignete ständige Mitglieder der Kammer nicht mehr vorhanden sind. Wenn z. B. für eine Hauptverhandlung als einziges ständiges Mitglied der großen Strafkammer nur ein Richter auf Probe verfügbar ist. im übrigen aber neben einem regelmäßigen Vertreter aus einer anderen Kammer nur ein nach § 21 i Abs. 2 bestimmter zeitweiliger Vertreter eintritt, so führt der dienstälteste der beiden Vertreter, also u. U. der zeitweilige Vertreter, den Vorsitz ( R G v. 11. 5. 1931 II 216/31: BGHSt. 21 40. 42). Ebenso führt, wenn (z. B. infolge Ablehnung wegen Befangenheit) sämtliche auf Lebenszeit angestellte Mitglieder der Kammer an der stellvertretenden Führung des Vorsitzes verhindert sind, der Dienstälteste der regelmäßigen Vertreter aus anderen Kammern den Vorsitz (BGHSt. 21 40. 42: N J W 1959 1141). Ausnahmsweise spielt dann auch das Dienst- oder Lebensalter keine Rolle, z. B. wenn als ständiges Mitglied einer Kammer nur ein Richter auf Probe übrig bleibt und von den eintretenden Vertretern nur der dienst jüngere (aus früherer Befassung mit der Sache) die Akten kennt. 2697

§ 2 1 f Anm. II 6, 7 § 2 1 g Anm. 1

Gerichtsverfassungsgesetz

während der Dienst- oder Lebensältere sich aus Zeitmangel mit dem Akteninhalt nicht vertraut machen konnte ( B G H S t . 21 40). b) „Mitglied des Spruchkörpers". Als Vertreter des Vorsitzenden Richters k o m m t nur ein planmäßiges Mitglied des Gerichts ( L G , O L G ) in Betracht. Der Ausschluß von Richtern auf Probe und kraft A u f t r a g s ergibt sich bereits aus § 28 Abs. 2 D R i G . Ein abgeordneter Richter auf Lebenszeit (§ 37 D R i G ) ist zwar an sich vorsitzführungsfähig (§ 28 Abs. 2 D R i G ) . Aus § 62 Abs. 1 Satz 2 a. F. G V G . w o n a c h den Vorsitz in der kleinen S t r a f k a m m e r „ a u c h ein ständiges Mitglied des Landgerichts" führen konnte, w u r d e aber bisher hergeleitet, daß. soweit von dem G r u n d s a t z des § 62 Abs. 1 Satz 1 a. F. (= jetzt § 21 f Abs. 1) abgewichen werden durfte, der Vorsitzende beim L G mindestens ein bei dem betreffenden L G angestellter Landesgerichtsrat sein müsse (vgl. R G S t . 18 3 0 7 ; B G H S t . 13 262, 266; h. M . ; vgl. A n m . 3 b zu § 66 der Voraufl.). Diese Begründung ist z w a r mit dem Wegfall des § 62 Abs. 1 Satz 2 a. F. hinfällig geworden. D a der Gesetzgeber aber bei der N e u f a s s u n g des § 21 f Abs. 2 an den stellvertretenden Vorsitzenden keine geringeren A n f o r d e r u n g e n stellen wollte als das bisherige Recht*), hat die bisherige Auslegung des § 66 a. F. auch für § 21 f Abs. 2 ihre Bedeutung behalten. D a ß beim L G der Vertreter des Vorsitzenden Richters planmäßiges Mitglied des L G sein m u ß . gilt auch für die B e s c h l u ß s t r a f k a m m e r ( R G S t . 54 252. R G J W 1930 2141) und für die kleine S t r a f k a m m e r ( B G H S t . 13 262, 2 6 5 ; O L G Dresden G A 72 151; O L G N a u m b u r g H R R 1929 N r . 982). Wegen der auswärtigen S t r a f k a m mer vgl. A n m . 5 c zu § 78. Die Rüge der unvorschriftsmäßigen Besetzung (§ 338 N r . 1 StPO), wenn ein nicht ordentliches Mitglied des Gerichts als stellvertretender Vorsitzender mitwirkt, wird nicht d a d u r c h ausgeschlossen, d a ß der Vertreter d e m n ä c h s t mit Rückwirkung zum ordentlichen Mitglied ernannt wird: eine solche mitwirkende E r n e n n u n g hat nur beamtenrechtliche W i r k u n g ( B G H S t . 1 265). 6. Tritt im Laufe einer Verhandlung, zu der ein Ergänzungsrichter zugezogen ist (§ 192), eine Verhinderung des Vorsitzenden Richters ein und befindet sich (bei „Überbesetzung"') das älteste ständige Mitglied des Spruchkörpers nicht unter den in der Verhandlung mitwirkenden Richtern, so m u ß der Vorsitz auf den ältesten unter den mitwirkenden Richtern übergehen, da die Ersetzung des Vorsitzenden durch das nicht mitwirkende älteste Mitglied des Spruchkörpers eine Wiederholung der Verhandlung erforderlich machen würde, während die Zuziehung des Ergänzungsrichters gerade den Zweck hat, die Notwendigkeit einer solchen Wiederholung auszuschließen (vgl. § 192 A n m . II 1, 8). Diesen Fall h a t § 21 f nicht im A u g e (so schon überwiegend das ältere Schrifttum — Nachweise in A n m . 4 der 20. Aufl. — und M ü l l e r - S a x 4 a zu § 192; a. M. „ganz entschieden" E b S c h m i d t 7). 7. Wegen der Revision s. S t P O § 338 Nr. 1 und die A n m . das. §

21g

(1) Innerhalb des mit mehreren Richtern besetzten Spruchkörpers verteilt der Vorsitzende die Geschäfte auf die Mitglieder. (2) Der Vorsitzende bestimmt vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer, nach welchen Grundsätzen die Mitglieder an den Verfahren mitwirken; diese Anordnung kann nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung, ungenügender Auslastung, Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Mitglieder des Spruchkörpers nötig wird. 1. Entstehungsgeschichte. § 21 g ersetzt inhaltlich unverändert den § 69 Abs. 1, 2 a. F . G V G , der nach §§ 117, 131 auch für die Oberlandesgerichte und den B G H galt. § 69 Abs. 2 a. F. war durch das S t P Ä G v. 19. 12. 1964 (BGBl. I 1067) eingefügt worden. Bei S c h a f f u n g des § 21 g Abs. 2 wiederholte sich der gleiche Vorgang wie schon im Entstehungsstadium des § 69 Abs. 2 a. F. (vgl. unten A n m . 3 a). Der RegEntw. des Ges. v. 26. 5. 1972 enthielt nur die dem jetzigen Absatz 1 entsprechende Vorschrift, wollte also eine dem § 69 Abs. 2 a. F. entsprechende Vorschrift aufgeben, ohne dies zu begründen; der Bundesrat erhob dagegen keine Einwendungen. D e r B T - R e c h t s a u s s c h u ß fügte aber den bisherigen § 69 Abs. 2 als *) Vgl. die Begr. zu § 21 f Abs. 2 in BT-Drucks. VI/557 S. 18: „§ 21 f Abs. 2 enthält im wesentlichen die Regelung des geltenden § 66 Abs. 2 GVG ...". 2698

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21g Anm. 2, 3

Abs. 2 des § 21 g wieder ein; „Die Mehrheit des Ausschusses war der Auffassung, daß diese Vorschrift im Hinblick auf eine möglichst konkrete Bestimmung des gesetzlichen Richters beibehalten werden sollte" (Ausschußbericht S. 5). Die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat in seiner Sitzung v. 9. 2. 1972 (vgl. Vorbem. 3 vor § 2 1 a ) verfolgte u. a. auch das Ziel, den Absatz 2 wieder zu streichen. Der Vermittlungsausschuß entschloß sich aber — unter Berufung auf BVerfGE 18 344. 352 (dazu unten Anm. 3 b) — zur Aufrechterhaltung des § 21 i Abs. 2. und der Bundesrat stimmte in seiner Sitzung vom 24. 3. 1972 dem in dieser Form verabschiedeten Gesetz zu. 2. Zu Absatz 1. Grundgedanke. Der Vorsitzende Richter eines Spruchkörpers ( § 2 1 f Abs. 1) trägt die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Geschäftsablauf in seinem Spruchkörper, insbesondere für die rechtzeitige und sachgemäße Erledigung der anfallenden Geschäfte (BVerfGE 18 344, 352). Dem trägt § 21 g Abs. 1 Rechnung, der die im Interesse eines geordneten Rechtsgangs notwendige Art der Arbeitsteilung regelt. Die Vorschrift bezieht sich nur auf die Geschäfte, die die Verfahrensvorschriften oder das Herkommen den beisitzenden Richtern zuweisen, z. B. auf die Bestellung zum Berichterstatter, die Erstattung des schriftlichen Votums und die Anfertigung des Entwurfs der Entscheidung (vgl. dazu B G H Z 42 163. 168), sowie die Durchführung von Beweisaufnahmen als beauftragter Richter. Die Verteilung erstreckt sich nicht auf die dem Vorsitzenden als solchem obliegenden Geschäfte wie insbes. die Verhandlungsleitung (§ 238 StPO) oder die Aufgaben nach § § 1 2 5 Abs. 2 Satz 2, 142 Abs. 1. 147 Abs. 5, 213, 221. 231 Abs. 1 Satz 2 StPO. Die Art der Verteilung steht im pflichtmäßigen Ermessen des Vorsitzenden; er ist nicht gehindert, selbst Aufgaben wie den Entwurf der Entscheidung zu übernehmen ( B G H Z 42 163, 168). Mit der Verteilung übt er eine richterliche, zur Rechtsprechung gehörige Tätigkeit aus und handelt demgemäß in richterlicher Unabhängigkeit (BVerfGE 18 344, 352; B G H aaO.). In seine Verteilungsbefugnis darf das Präsidium nicht eingreifen (RG J W 1938 31 1; B a u r . Justizaufsicht und richterl. Unabhängigkeit 27; E b S c h m i d t 4). Dies gilt auch, wenn einem Spruchkörper ein Richter nur zu einem Bruchteil seiner Arbeitskraft zugewiesen und er im übrigen anderswo verwendet wird. Das Präsidium kann also z. B. nicht einen Richter einer Kammer ..nur für Beschwerden in Privatklagesachen" zuweisen ( R G aaO.; a. M. O L G Schleswig SchlHA 1956 332), sondern muß den Richter zu dem Bruchteil einer Richterkraft, der auf die Erledigung der genannten Beschwerden entfällt, zuweisen, während dem Vorsitzenden überlassen bleibt, ob er diesen oder einen anderen Richter mit der Berichterstattung betraut. 3. Zu Absatz 2. Grundsätze über die Mitwirkung der Mitglieder a) Zur Entstehungsgeschichte. Absatz 2 ist. wie oben in Anm. 1 dargestellt, wörtlich aus § 69 Abs. 2 a. F. übernommen worden. Diese Vorschrift war im Zusammenhang mit den Erörterungen des Problems des „überbesetzten" Spruchkörpers (vgl. Anm. I 4 b zu § 21 0 entstanden. Damals wurde z. T. im Schrifttum (vgl. z. B. B e t t e r m a n n in „Die Grundrechte" III 2. 555; A r n d t N J W 1964 1667; S c h n e i d e r Z Z P 77 409) die Auffassung vertreten, schon der Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G ) verlange, daß die Verteilung der Geschäfte durch den Vorsitzenden nach im voraus bestimmten generellen und objektiven Merkmalen und die Heranziehung der Beisitzer zu den einzelnen Sitzungen in einer im voraus festgelegten bestimmten Reihenfolge geschehe und damit der Einfluß des Vorsitzenden auf die Person des Berichtserstatters und die Zusammensetzung des Spruchkörpers in der einzelnen Sache entfalle. Aufgrund solcher Erwägungen waren bereits in einzelnen Verfahrensordnungen — § 8 Abs. 2 a. F. V w G O für die Verwaltungsgerichte (vgl. dazu R i c h t e r JZ 1961 689); § 3 6 e Abs. 5 Patentges. i. d. F. vom 9. 5. 1961 (BGBl. I 550) für die Nichtigkeitssenate des Bundespatentgerichts. § 10 Abs. 4 Gebrauchsmusterges. i. d. F. vom 9 . 5 . 1 9 6 1 (BGBl. I 570) für den Gebrauchsmusterbeschwerdesenat — Vorschriften aufgenommen worden, die dem jetzigen § 21 g Abs. 2 entsprechen. Gegen ihre Praktikabilität waren gewichtige Bedenken geäußert worden (vgl. die in D R i Z 1960 371, 372 angeführte Stellungnahme der Präsidenten der obersten Bundesgerichte; S c h r a e d e r und v o n M a l l i n c k r o d t D R i Z 1959 322; S c h u l t z M D R 1960 893; T i t t e l DRiZ 1960 102. 103; E r d s i e k N J W 1963 240; N a u m a n n N J W 1963 1701; S c h i i g e n N J W 1964 2290; D i n s l a g e DRiZ 1965 12). Wie bei der Schaffung des § 2 1 g Abs. 2 (oben Anm. 1), war 2699

§ 21g Anm. 3

Gerichtsverfassungssesetz

die Bedürfnis- und Zweckmäßigkeitsfrage auch im Entstehungsstadium des § 69 Abs. 2 a. F. umstritten. Die Vorschrift wurde erst bei der 2. Lesung des Entw. des Strafprozeßänderungsges. im Bundestag eingefügt (Prot, der 69. Sitzung vom 27. 3. 1963, S. 3144). Nach der Verabschiedung des Gesetzes in 3. Lesung rief der Bundesrat u. a. auch wegen dieser Vorschrift den Vermittlungsausschuß mit dem Ziel an. die Vorschrift wieder zu streichen, indem er darauf hinwies, daß die Rechtsprechung des BVerfG ( N J W 1964 1020) in der Frage des gesetzlichen Richters bereits zu einer gewissen Klärung geführt habe und deshalb z. Zt. keine Veranlassung zur Regelung dieser Frage in der Novelle bestehe. „Die in § 69 Abs. 2 vorgesehene Regelung wäre für die Praxis in der ordentlichen Gerichtsbarkeit — und zwar sowohl für die Straf- als auch für die Zivilgerichtsbarkeit — von so weitgehender Bedeutung. daß sie noch eingehender Überlegungen b e d a r f (BT = Drucks. IV/2459). Bei den Kompromißverhandlungen im Vermittlungsausschuß verblieb es indessen bei der Einfügung des Absatzes 2. b) Die Rechtsprechung des BVerfG. Durch BVerfGE 18 344. 352: 22 282. 286 ist seither — überzeugend und für die Praxis richtungweisend — klargestellt, daß § 2 1 g Abs. 2 nicht zwingend durch den Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G ) geboten ist (a. M. A r n d t N J W 1965 1219: W e n d t DVB1. 1965 941: M ü l l e r DRiZ 1972 356; S e i d e N J W 1973 265). Eine verbotene Richterentziehung liegt danach nicht deshalb vor, weil der Vorsitzende Richter die Mitglieder nach seinem Ermessen und nicht nach einem vorher festgelegten Plan zu Entscheidungen heranzieht; die Entscheidung des Vorsitzenden Richters beruft sie zum „gesetzlichen Richter" (BVerfGE 22 286). „Bei Kollegialgerichten ist der einzelne Richter gesetzlicher Richter insofern, als er aufgrund gesetzlicher Vorschriften dem sachlich zuständigen Spruchkörper durch einen gültigen Geschäftsverteilungsplan zugeteilt und im einzelnen Verfahren vom Vorsitzenden zur Mitwirkung berufen worden ist. D a s verfassungsmäßige Erfordernis der Bestimmtheit des Richters ist somit erfüllt, wenn sich die Entscheidungsbefugnis des Richters im konkreten Fall aus der generellen Zuständigkeitsordnung der Prozeßgesetze, aus der Geschäftsverteilung und aus der Berufung durch den Vorsitzenden ergibt" (BVerfG aaO.). Allerdings entspreche es der Tendenz des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G . wenn der (einfache) Gesetzgeber — mit 5 69 Abs. 2 a. F. und § 2 1 g Abs. 2 — über das verfassungsrechtlich Gebotene hinausgehe (BVerfGE 18 344). Aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G könne aber nicht hergeleitet werden, daß die gemäß § 21 g Abs. 2 aufzustellenden Grundsätze nach Art einer Geschäftsverteilung offen gelegt werden müßten, damit die Beteiligten ihre Einhaltung kontrollieren könnten (BVerfG DRiZ 1970 269). c) Bedeutung des Absatzes 2. „Grundsätze". Nach seinem Wortlaut gilt § 21 g Abs. 2 sowohl für den ..überbesetzten" Spruchkörper wie für den Spruchkörper, der nur mit der für Entscheidungen notwendigen Zahl von Mitgliedern ausgestattet ist: seine Bedeutung beschränkt sich indessen auf den ..überbesetzten" Spruchkörper, da praktisch nur hier ..manipulatorische" Einwirkungen des Vorsitzenden auf die Besetzung des im Einzelfall zur Ent Scheidung berufenen Spruchkörpers denkbar sind (ebenso BVerwG N J W 1968 8 1 1 . 8 1 2 und E y e r m a n n - F r ö h l e r 2 zu § 8 Abs. 2 a. F. VwGO). Bei einem nur mit der gesetzlichen Mindestzahl besetzten Spruchkörper läßt sich allein durch eine wechselnde Bestellung zum Berichterstatter ernstlich nichts ..manipulieren". Die nach dieser Vorschrift erforderliche Bestimmung des Vorsitzenden beschränkt sich weiterhin auf die Aufstellung von ..Grundsätzen". nach denen die Mitglieder in den Verfahren mitwirken. Das Gesetz verlangt also nicht eine vorgeplante „Verteilung der Geschäfte" des Spruchkörpers innerhalb seiner Mitglieder nach Art der Geschäftsverteilung unter die einzelnen Spruchkörper, wie sie dem Präsidium nach § 21 e Abs. 1 obliegt (BGHSt. 21 250 = N J W 1967 1622 = M D R 1967 776 = LM Nr. 1 zu § 69 mit Anm. H ü b n e r : BVerfG DRiZ 1970 269). Diese Beschränkung hat ihren guten Grund und ist allein sinnvoll. Denn die auf längere Zeit („vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer") im voraus nicht übersehbaren tatsächlichen Gegebenheiten, insbes. die Unterschiede im Umfang und in der Art der mit den verschiedenen Sachen verbundenen Arbeit und die Verhinderung der einzelnen Richter z. B. infolge früherer Befassung mit einem Verfahren, durch Krankheit. Urlaub oder andere Ereignisse wirken sich bei der Erledigung der einzelnen Geschäfte erheblich stärker auf den betroffenen Spruchkörper aus als bei der Verteilung der nach Erfahrungszahlen geschätzten Aufgabengruppen auf die 2700

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21g Anm. 3

gesamten Soruchkörper des Gerichts (BGHSt. 21 250. 254). Das praktische Bedürfnis verlangt. daß der Vorsitzende in der Lage ist, bei der Zuweisung der Sachen auf erhebliche, durch Alter. Gesundheitszustand usw. bedingte Unterschiede in der Belastungsfahigkeit der einzelnen Spruchkörpermitglieder oder eine aus anderen Gründen eingetretene Überbelastung eines einzelnen Richters ausgleichend Rücksicht zu nehmen: ebenso muß e., wenn einem Spruchkörper verschiedene Spezialmaterien zugewiesen sind oder wenn die gleichen oder ähnliche Spezialfragen in verschiedenen Verfahren auftauchen, die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen der einzelnen Spruchkörpermitglieder durch entsprechende Verteilung nutzbar machen können (grundsätzlich a. M. S e i d e N J W 1973 265). d) Folgerungen. Nach alledem dürfen die Anforderungen an die „Grundsätze" nicht überspannt werden (so auch grundsätzlich BVerwG N J W 1968 811, 812). Insbesondere zwingt Absatz 2 nicht dazu, im voraus bindend festzulegen, welcher Richter jeweils zum Berichterstatter in den einzelnen Sachen bestimmt wird (BGHSt. 21 250, 255; N a u m a n n N J W 1963 1701. 1703: K l e i n k n e c h t JZ 1965 162; E v e r m a n n - F r ö h l e r 2 zu § 8 Abs. 2 a. F. V w G O : BVerwGE 24 315 = N J W 1967 642: einschränkend BVerwG N J W 1968 811, wonach der Vorsitzende bei überbesetzem Spruchkörper in der Wahl des Berichterstatters nur frei ist, wenn die Besetzung des Gerichts aufgrund einer Bestimmung nach § 21 g Abs. 2 feststeht). Zur Regelung der Heranziehung zum Sitzungsdienst bei einem mit einem Richter überbesetzten Spruchkörper genügt eine Bestimmung des Vorsitzenden, daß jeweils ein Richter während eines kalendermäßig bestimmten Zeitabschnitts im Sitzungsdienst aussetzt und in welcher Reihenfolge das geschieht, z. B. daß wochenweise wechselnd, in der Reihenfolge des Dienstalters, beginnend mit dem Dienstältesten ein Beisitzer aussetzt (BGHSt. 21 250, 255). Genügend ist auch eine Bestimmung, daß zwei an einer Sitzung beteiligte Berichterstatter an der Entscheidung aller in der Sitzung anstehenden Sachen mitzuwirken haben (BVerwG DVB1. 1965 947). Z u m Inhalt einer Anordnung nach Absatz 2 gehört die der Vertretung der Spruchkörpermitglieder (Beisitzer) untereinander. Auch an die Voraussetzungen einer Änderung der Anordnung während des Geschäftsjahres (Absatz 2 Halbsatz 2) sind mindere Anforderungen zu stellen als im Fall des § 21 e Abs. 3. Es ist — gegen A r n d t N J W 1963 432 in seiner Polemik gegen E r d s i e k N J W 1963 240 — nicht erforderlich, daß der Vorsitzende bei jeder Abweichung von der im voraus festgesetzten internen Geschäftsverteilung den aufgestellten Geschäftsplan generell ändert; bei den häufigen kurzfristigen Überlastungen einzelner Mitglieder (durch Urlaub, vorübergehende Erkrankung. Berichterstattung in einer besonders schwierigen oder umfangreichen Sache, durch Häufung von Eilsachen) müßte er unaufhörlich „generell" ändern: dann wäre Absatz 2 tatsächlich der „Hemmschuh", als der er auch jetzt noch kritisiert wird (val. E v e r m a n n F r ö h l e r 1 zu § 8 VerwGO). Selbstverständlich sind aber Änderungen getroffener Anordnungen und überhaupt Verteilungsmaßnahmen des Vorsitzenden unzulässig, wenn sie willkürlich, also aus sachfremden und mit dem Grundgedanken des gesetzlichen Richters nicht zu vereinbarenden Erwägungen erfolgen (s. B G H Z 20 355: BFH N J W 1964 159: E r d s i e k N J W 1959 618: K e r n DRiZ 1959 142). § 2 1 g Abs. 2 verlangt schließlich auch nicht, daß der Vorsitzende Richter für ein vorübergehend verhindertes Mitglied des Spruchkörpers im voraus generell den regelmäßigen Vertreter aus den eigenen Reihen bestimme: das wäre bei den häufigen vorübergehenden Verhinderungen der einzelnen Mitglieder praktisch nicht durchführbar. e) Eine bestimmte F o r m der Bestimmung des Vorsitzenden ist nicht vorgeschrieben. Grundsätzlich wird sie aber schriftlich niederzulegen sein, damit ihr Inhalt und ihre Beachtung jederzeit nachgeprüft werden können und Mißverständnisse vermieden werden. Ein Verzicht auf die Schriftform wird nur ausnahmsweise vertretbar sein, wenn es sich um eine verhältnismäßig einfache und übersichtliche Anordnung handelt, die sich auch auf andere Weise zuverlässig feststellen läßt (BGHSt. 21 250, 254). In sinngemäßer Anwendung des § 21 e Abs. 8 wird die Anordnung auf der Geschäftsstelle des Spruchkörpers zur Einsichtnahme offenzulegen sein: verfassungsrechtlich geboten ist dies aber nicht (BVerfG D R i Z 1970 269) 0 Folgen der Nichtbeachtung des Absatzes 2. Eine Verfassungsbeschwerde kann nicht darauf gestützt werden, daß der Vorsitzende die Mitglieder nach seinem Ermessen und nicht 2701

§ 21 h Anm. 1—3

Gerichtsverfassungsgesetz

nach einer im voraus getroffenen Anordnung zur Mitwirkung an einem Verfahren herangezogen hat. da sie immerhin durch die Entscheidung des Vorsitzenden zum „gesetzlichen" Richter berufen worden sind (BVerfGE 18 344, 351; 22 282. 286). Die Revision kann auf eine Abweichung von den aufgestellten „Grundsätzen" nur gestützt werden, wenn geltend gemacht wird, daß es sich um eine willkürliche oder sonst mißbräuchliche Nichteinhaltung handelt (BGHSt. 21 250. 255). Aber „die Gefahr einer Manipulation durch den Vorsitzenden liegt weit entfernt. Der Gesetzgeber darf bei den Prozeßparteien ein Mindestmaß an Vertrauen in die Integrität der Rechtsprechung voraussetzen und davon ausgehen, daß die dem Spruchkörper angehörenden Richter im Einzelfall eine sachgerechte Anwendung der Grundsätze über die spruchkörperinterne Arbeitsverteilung sicherstellen" (BVerfG D R i Z 1970 269).

§ 21 h Der Präsident oder aufsichtführende Richter wird in seinen durch dieses Gesetz bestimmten Geschäften, die nicht durch das Präsidium zu verteilen sind, durch seinen ständigen Vertreter, bei mehreren ständigen Vertretern durch den dienstältesten, bei gleichem Dienstalter durch den lebensältesten von ihnen vertreten. Ist ein ständiger Vertreter nicht bestellt oder ist er verhindert, wird der Präsident oder aufsichtführende Richter durch den dienstältesten, bei gleichem Dienstalter durch den lebensältesten Richter vertreten. 1. Entstehungsgeschichte und allgemeine Bedeutung. § 2 1 h ersetzt in verallgemeinerter Form, aber ohne sachliche Änderungen den bisherigen § 66 Abs. 2 a. F., den die §§ 117, 131 a. F. für entsprechend anwendbar erklärten. § 21 h bezieht sich nur auf die Vertretung des Präsidenten (aufsichtführenden Richters) in den ihm nach dem G V G obliegenden Geschäften. die nicht (gemäß § 21 e Abs. 1 Satz 1. Abs. 3, 4) durch das Präsidium zu verteilen sind. Auf die Tätigkeit, die er als Organ der Justizverwaltung (Dienstaufsicht usw.) ausübt, bezieht sich § 21 h nicht (mindestens mißverständlich daher die Ausführungen der Begründung des Reg.Entw. zu § 2 1 h - BT-Drucks. VI/557 S. 18 - : „§ 2 1 h regelt die Vertretung in Geschäften, die nicht durch das Präsidium zu verteilen sind, vor allem also in Justizverwaltungsangelegenheiten . . . " Dabei sind die Worte „durch dieses Gesetz" unberücksichtigt geblieben). Insoweit beruht seine Tätigkeit nicht auf dem GVG*); seine Vertretung in diesen Fällen regelt sich nach den als Landesrecht fortgeltenden § § 13, 14 der VO zur einheitl. Regelung der Gerichtsverfassung v. 20. 3. 1935 (RGBl. I 403). soweit deren Vorschriften nicht durch neue landesrechtliche Vorschriften überholt sind. Unberührt bleibt § 21 e Abs. 1 Satz 2, wonach nur der Präsident (aufsichtführende Richter) persönlich bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt, ferner § 21 f Abs. 2 über die Vertretung des Präsidenten. wenn er als Vorsitzender eines Spruchkörpers verhindert ist. 2. Gegenstand der Vertretung. In Betracht kommen hiernach für § 21 h die Tätigkeiten, die dem Präsidenten als Vorsitzendem des Präsidiums (§§ 21 a Abs. 2 Satz 1; 21 c Abs. 1 Satz 1), nach § 21 i Abs. 2, §§ 43, 58 Abs. 2. 77, 84. 86, 87, 92 Abs. 2 obliegen. In allen diesen Fällen ist der Präsident Organ der Rechtspflege, der in richterlicher Unabhängigkeit handelt (BVerfGE 25 337. 348; BGHSt. 21 40. 44; B e t t e r m a n n in „Die Grundrechte" III 2 551); infolgedessen bedurfte es für diese Geschäfte einer gesetzlichen Regelung der Vertretung. 3. Vertretungsgrund. Nach § 2 1 c Abs. 1 wird der Präsident (aufsichtführende Richter) in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Präsidiums (§ 21 a Abs. 2 Satz 1) nur gemäß § 21 h vertreten, wenn er verhindert ist, d. h. durch Umstände irgendwelcher Art nicht in der Lage ist, selbst die einem Vorsitzenden des Präsidiums obliegenden Aufgaben wahrzunehmen. Zu diesen Aufgaben gehören auch die in § 21 i Abs. 2 bezeichneten Eilmaßnahmen; auch hier handelt der Präsident (Aufsichtsrichter) als Vorsitzender des Präsidiums, das er vertritt. Die Entscheidung, wann ein Verhinderungsgrund vorliegt, trifft, wenn der Grund nicht offensichtlich ist (Krankheit, Urlaub usw.), der Präsident selbst (s. dazu auch Anm. II 4 b zu § 21 f). Bei den übrigen oben Anm. 2 bezeichneten Geschäften ist nicht Voraussetzung einer Vertretung nach § 2 1 h , daß der Präsident verhindert ist; er ist daher befugt, gene*) aus dem nur für die Amtsgerichte geltenden § 22 Abs. 3 kann nichts Gegenteiliges hergeleitet werden.

2702

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 2 1 h Anm. 4 § 2 1 i Anm. 1 1 , 2

rell und im voraus zu bestimmen, welche Geschäfte von dem Vertreter wahrgenommen werden können. Doch darf die Vertretungsmöglichkeit, wenn der Präsident durch Tod oder Zurruhesetzung usw. aus seinem Amt ausgeschieden ist. nicht dazu benutzt werden, die Vorschriften (§§ 59. 115, 124) zu umgehen, wonach die Kollegialgerichte einen Präsidenten haben müssen (vgl. RGSt. 64 6). 4. Der Vertreter. Das Gesetz kennt zwei Formen der Vertretung des Präsidenten: entweder durch einen eigens bestellten „ständigen Vertreter" oder durch einen unmittelbar vom Gesetz bestimmten Vertreter. a) Den ständigen Vertreter bestellt die Justizverwaltung. Eine Bestellung von zwei und mehr ständigen Vertretern, die § 21 h ausdrücklich vorsieht, kann auch in der Form erfolgen, daß die mehreren Vertreter oder einer von ihnen jeweils nur für Teilgebiete des Aufgabenbereichs des Präsidenten bestellt werden (BGHSt. 12 1 1 = N J W 1958 1503; BGHSt. 12 35). b) Ist kein ständiger Vertreter bestellt oder ist der Bestellte verhindert, so vertritt kraft Gesetzes der dienstälteste (§ 20 DRiG)*) und, wenn auch dieser verhindert ist, der nächstdienstälteste Richter den Präsidenten. Stets muß es sich um einen auf Lebenszeit bei dem Gericht ernannten Richter handeln (BGHSt. 13 262, 265). Der Präsident ist (anders als bei Justizverwaltungsgeschäften) nicht berechtigt, einen anderen Richter mit seiner Vertretung in einer der hier fraglichen Angelegenheiten zu beauftragen (RGSt. 41 186; 60 32). Der Begriff der Verhinderung ist hier der gleiche wie in § 21 f Abs. 2.

§ 21 i (1) Das Präsidium ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner gewählten Mitglieder anwesend ist. (2) Sofern eine Entscheidung des Präsidiums nicht rechtzeitig ergehen kann, werden die in § 21 e bezeichneten Anordnungen von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter getroffen. Die Gründe fiir die getroffene Anordnung sind schriftlich niederzulegen. Die Anordnung ist dem Präsidium unverzüglich zur Genehmigung vorzulegen. Sie bleibt in Kraft, solange das Präsidium nicht anderweitig beschließt. I. Beschlußfähigkeit des Präsidiums (zu Absatz 1) 1. Entstehungsgeschichte. Absatz 1 ist neu. Über die Beschlußfassung des Präsidiums enthielt das G V G lediglich die — jetzt in § 21 e Abs. 7 wiederkehrende — Vorschrift des § 64 Abs. 4 a. F., daß das Präsidium nach Stimmenmehrheit entscheide und bei Stimmengleichheit die Stimme des Präsidenten den Ausschlag gebe. In Ermangelung einer die Beschlußfähigkeit regelnden Vorschrift wurde angenommen, daß es weder der Anwesenheit aller Mitglieder noch eines bestimmten Teils davon bedürfe; theoretisch war danach das Präsidium selbst dann beschlußfähig, wenn nur ein Mitglied erschien. Der Reg.Entw. sah folgende Fassung des § 21 i Abs. 1 vor: ..Das Präsidium ist auch beschlußfähig, wenn einzelne Mitglieder verhindert sind." Diese wenig klare Vorschrift konnte dahin verstanden werden. daß sie die bisherige Auslegung legalisieren oder allenfalls dahin abschwächen wolle, daß wenigstens 2 Mitglieder anwesend sein müßten. Seine jetzige Fassung erhielt Absatz 1 durch den BT-Rechtsausschuß: er gina dabei davon aus. daß „eine hinreichende Legitimation des Präsidiums nur gegeben (sei), wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder zugegen ist" (Bericht BT-Drucks. VI/2903 S. 5). 2. Beschlußfähigkeit. Die Beschlußfähigkeit setzt voraus, daß die Hälfte der gewählten Richter — nicht: mindestens die Hälfte der Mitglieder des Präsidiums — anwesend ist. Es genügt also beim Präsidium eines großen Gerichts (§ 21 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) die Anwesenheit von vier gewählten Richtern, ohne Unterschied, ob diese vier Vorsitzende Richter oder andere Richter sind. Ob auch, wenn diese Zahl von Anwesenden erreicht ist, der Präsident (aufsichtführende Richter) oder sein Vertreter (§ 2 1 c Satz 1) anwesend ist, ist für die Beschlußfähigkeit ohne Bedeutung: andererseits genügt es nicht, wenn nur der Präsident und 3 gewählte Mitglieder zugegen sind. Bleibt der Präsident oder sein Vertreter aus. so wird er *) Den Ausschlag gibt das höhere Endgrundgehalt; ein Vorsitzender Richter ist also stets dienstälter als ein anderer Richter.

2703

§ 21 i Anm. I 3 , 4 ; II 1 , 2

Gerichtsverfassungsgesetz

in sinngemäßer A n w e n d u n g des § 21 h Satz 2 durch den Dienstältesten der anwesenden gewählten Richter vertreten, dessen Simme d a n n auch bei Stimmengleichheit in entsprechender A n w e n d u n g des § 21 e Abs. 7 den Ausschlag gibt. — „Gewählte Mitglieder" sind auch die als gewählt geltenden Vorsitzenden Richter (§ 2 1 a Abs. 2 Satz 2 H a l b s a t z 2) und die wählbaren Richter im Fall des § 21 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3. 3. Z u r Beschlußfähigkeit genügt bereits die Anwesenheit der Hälfte der gewählten Richter. Ihre Beteiligung an Beratung und A b s t i m m u n g ist nicht erforderlich. Ein Beschluß k o m m t danach auch dann zustande, wenn nur ein Mitglied beschließt und alle übrigen Anwesenden sich der Stimme enthalten. 4. Ist das Präsidium nicht beschlußfähig, so m u ß eine neue Sitzung einberufen werden. In Eilfallen trifft der Präsident gemäß § 21 i Abs. 2 die erforderlichen A n o r d n u n g e n anstelle des Präsidiums. Vgl. im übrigen A n m . VIII zu § 21 e Abs. 7. II. Eilmaßnahmen (zu Absatz 2) 1. Entstehungsgeschichte. Auch diese Vorschrift ist neu. Sie hat ein Vorbild in dem bisherigen (nur die Präsidenten der Amtsgerichte betreffenden) § 22 c Abs. 3 a. F. Sie ersetzt in verallgemeinerter F o r m den bisherigen § 67 (..Bei Verhinderung des regelmäßigen Vertreters eines Mitgliedes wird ein zeitweiliger Vertreter durch den Präsidenten bestimmt").*) Dabei klärt § 21 i Abs. 2 die bisher streitige Frage, ob § 67 a. F. nur dazu diene. Abhilfe in den Fällen zu schaffen, in denen der zeitraubende Weg der Vertreterbestellung durch Beschluß des Präsidiums nicht möglich w a r . weil bei unerwarteter Verhinderung des im Geschäftsverteilungsplan bezeichneten Vertreters alsbald eine Regelung für den Augenblick durch Bestellung eines „zeitweiligen" Vertreters getroffen werden m u ß (so die im Vordringen befindliche A u f f a s s u n g , vgl. A n m . 1 der Voraufl.) oder ob ihm eine B e s c h r ä n k u n g auf Eilfälle fremd sei (so K G J R 1966 189). im Sinne der ersteren Auffassung. Gegen die Grundgesetzmäßigkeit des § 67 a. F. bestanden — unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Richters — keine Bedenken, weil der Präsident nicht als O r g a n der Justizverwaltung, sondern in richterlicher Unabhängigkeit tätig wurde ( B G H S t . 21 40, 43, 111). Dies gilt erst recht für § 21 i Abs. 2, der durch seine Stellung u n d seinen Wortlaut deutlich m a c h t , d a ß der Präsident (aufsichtführende Richter) in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Präsidiums in Eilfällen die notwendigen M a ß n a h m e n trifft, die das Präsidium nicht rechtzeitig treffen kann (vgl. dazu A n m . III 3 b zu § 16). 2. Anwendungsgebiet. § 21 i Abs. 2 bedeutet die D u r c h b r e c h u n g des G r u n d s a t z e s , d a ß das Präsidium selbst die ihm zugewiesenen A u f g a b e n w a h r n e h m e n m u ß und sie nicht anderen Stellen zur W a h r n e h m u n g überlassen kann. Er will in einer rechtsstaatlichen Bedürfnissen angemessenen Weise Abhilfe in den Fällen schaffen, in denen eine Entscheidung des Präsidiums bis zu einem bestimmen Zeitpunkt oder für eine bestimmte Gelegenheit ergehen müßte, aber nicht rechtzeitig ergehen k a n n , sei es, d a ß es aus Zeitgründen nicht möglich ist, rechtzeitig die Beschlußfassung in einer Sitzung oder im U m l a u f w e g herbeizuführen, sei es, weil die Bemühungen, einen Beschluß des Präsidiums herbeizuführen, d a r a n scheitern, daß Beschlußunfahigkeit des Präsidiums vorliegt (§ 21 i Abs. 1) oder trotz Beschlußfähigkeit eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen nicht zustande k o m m t (etwa: von 5 anwesenden Mitgliedern stimmt jedes für eine andere Lösung). Anders als § 67 a. F., der nur einen eng umgrenzten Bereich regelte, und in Erweiterung des nur für das Amtsgericht geltenden § 2 2 c Abs. 3 a. F. (der seinerseits an die Regelung anknüpfte, wie sie früher § 64 Abs. 2 i. d. F. des Ges. v o m 4. 7. 1933, RGBl. I 451 vorsah) auf alle Gerichte, bezieht sich § 21 i Abs. 2 nicht nur auf den Fall, d a ß eine Ä n d e r u n g s a n o r d n u n g nach § 21 e Abs. 3 nicht rechtzeitig ergehen k a n n , sondern auf alle nach § 22 e vom Präsidium zu treffenden A n o r d nungen, also auch auf den Fall, d a ß der vor Beginn des G e s c h ä f t s j a h r e s aufzustellende Geschäftsverteilungsplan nicht rechtzeitig zustande k o m m t . Sinngemäß gilt § 21 i Abs. 2 — über seinen Wortlaut („in § 21 e bezeichneten A n o r d n u n g e n " ) hinaus — auch für die sonstigen außerhalb des § 21 e bezeichneten A u f g a b e n des Präsidiums (vgl. A n m . II 2 zu § 21 e). Im allgemeinen aber wird auch in Z u k u n f t die Bestellung eines zeitweiligen Vertreters den Hauptanwendungsfall des § 21 i Abs. 2 bilden, wenn der im Geschäftsverteilungs*) wegen der Bedenken von S t a n i c k i DRiZ 1972 415f gegen die Streichung des § 67 a. F. vgl. Anm. III 6 c Fußn. zu § 21 e. 2704

Zweiter Titel. Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung (Schäfer)

§ 21 i Anm. II 3—6

plan bestimmte Vertreter eines Beisitzers (§ 21 e Abs. 1) seinerseits verhindert ist (vgl. unten Anm. 6). 3. Prüfung der Voraussetzungen des Absatzes 2. Ob eine Entscheidung des Präsidiums nicht rechtzeitig ergehen kann, hat der Präsident nach pflichtgemäßem Ermessen und in eigener Verantwortung zu entscheiden. Ist dies nicht offensichtlich, so muß er zuvor Ermittlungen anstellen. Die Gründe, die ihn veranlaßt haben, seine Regelungsbefugnis anzunehmen und eine M a ß n a h m e dieses Inhalts zu treffen, sind gemäß § 21 i Abs. 2 Satz 2 schriftlich zu Beweiszwecken niederzulegen. In der Revisionsinstanz ist unter dem Gesichtspunkt des § 338 Nr. 1 StPO nur nachprüfbar, ob der Präsident die rechtlichen Voraussetzungen seines Eingreifens nach § 21 i Abs. 2 verkannt hat oder ob Ermessensmißbrauch vorliegt; ob die von ihm angenommenen tatsächlichen Voraussetzungen vorlagen und ob er von seiner Anordnungsbefugnis zweckmäßigen Gebrauch gemacht hat, entzieht sich der Nachprüfung (vgl. dazu unten 5). Sind aber gebotene vorherige Feststellungen, ob die Voraussetzungen eines Eingreifens nach § 21 i Abs. 2 gegeben seien, unterblieben oder nur von einem zu Anordnungen nach § 21 i Abs. 2 nicht befugten Richter getroffen worden, so können sie nicht durch nachträgliche dienstliche Äußerungen des Präsidenten ersetzt werden (vgl. dazu RGSt. 2 57: 3 241; 23 169, 40 268; 55 237; 62 310; BGHSt. 12 33, 34; 15 390, 391). 4. Keine Übertragung der Befugnisse aus § 21 i Abs. 2. Im Fall des § 21 i Abs. 2 vertritt der Präsident gewissermaßen das Präsidium in seiner Eigenschaft als dessen Vorsitzender (§ 2 1 a Abs. 2 Satz 1). Er handelt also nicht als Organ der Justizverwaltung, sondern, wie die Mitglieder des Präsidiums, als Rechtspflegeorgan in richterlicher Unabhängigkeit (Anm. III 2 zu § 21 e). Daraus folgt, daß nur der Präsident selbst (im Fall seiner Verhinderung der in § 21 h bezeichnete Vertreter) Anordnungen nach § 21 i Abs. 2 treffen, kann (BGHSt. 12 33, 113); eine Übertragung der Befugnis auf andere Richter — etwa bei der Bestellung einstweiliger Beisitzervertreter auf die Vorsitzenden Richter der beteiligten Spruchkörper - ist unzulässig (RGSt. 41 86; 57 269; 60 32; BGHSt. 12 33 = N J W 1958 1692). 5. Vorlage an das Präsidium. Nach Absatz 2 Satz 3 ist die getroffene Anordnung dem Präsidium unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern. § 121 BGB) „zur Genehmigung" vorzulegen. Die Worte „zur Genehmigung" fehlten im Reg.Entw.: sie sind erst vom BT-Rechtsausschuß eingefügt worden; sie sollen der Klarstellung dienen (Bericht des Rechtsausschusses S. 5). Tatsächlich wirken sie eher verwirrend, indem sie geeignet sind, den Eindruck zu erwecken, als könne das Präsidium durch Erteilung seiner Genehmigung eine Anordnung, die ohne die in Absatz 2 Satz 1 bezeichnete Voraussetzung getroffen wurde, rückwirkend wirksam machen, während umgekehrt eine Versagung der Genehmigung die entgegengesetzte Wirkung habe. In Wirklichkeit bedeutet „zur Genehmigung" nur „zur Prüfung"', nämlich ob die Anordnung für die Zukunft aufrecht zu erhalten, abzuändern oder aufzuheben ist. Bei Änderungen der Anordnung des Präsidenten gilt die Einschränkung des § 21 e Abs. 3 nicht; diese Vorschrift bezieht sich nur auf Änderungen des Geschäftsverteilungsplans, den das Präsidium selbst beschlossen hat. Bei Anordnungen für vorübergehende Situationen, die inzwischen erledigt sind, hat die Vorlegung überdies nur die Bedeutung einer nachträglichen Kontrolle des Präsidiums, ob sich der Präsident in den Grenzen seiner Anordnungsbefugnis gehalten hat, welche Folgerungen daraus für künftige Fälle zu ziehen sind usw., ohne daß sich Rückwirkungen für den rechtlichen Bestand einer auf die Anordnung sich gründenden gerichtlichen Entscheidung ergeben, wenn die Anordnung wirksam (oben Anm. 3) getroffen war. 6. Vertreterbestellung. Hinsichtlich des bisher in § 67 a. F. geregelten Falles der Bestellung eines zeitweiligen Vertreters, der anzunehmenderweise auch in Zukunft den Hauptanwendungsfall des § 21 i Abs. 2 bilden dürfte, sind in Rechtsprechung und Schrifttum die nachstehenden Grundsätze entwickelt worden; sie haben als Folgerungen aus dem Grundsatz des gesetzlichen Richters ihre Bedeutung für den Fall behalten, daß eine Entscheidung des Präsidiums nicht rechtzeitig ergehen konnte. • a) Eine Anordnung nach § 21 i Abs. 2 kommt nur in Betracht, wenn in einem Spruchkörper ein ordentlicher Beisitzer wie auch sein (gemäß § 21 e Abs. 1 vom Präsidium bestimmter) regelmäßiger Vertreter verhindert sind. Sind dem Beisitzer mehrere regelmäßige 2705

§22

Gerichtsverfassungsgesetz

Vertreter bestellt (Anm. III 7 c zu § 21 e), so ist § 21 i Abs. 2 erst anwendbar, wenn auch diese verhindert sind; im übrigen beschränkt sich dann die Aufgabe des Präsidenten darauf, den Verhinderungsfall festzustellen, wenn er nicht offensichtlich ist (vgl. Anm. II 4b zu § 21 f>- Auf die Vertretung des Vorsitzenden Richters ist er nicht anwendbar (vgl. § 21 f Abs. 2). Desgleichen gilt er der Natur der Sache nach nicht für die Bestimmung eines Ergänzungsrichters (§ 192 GVG: RGSt. 59 20). § 21 i Abs. 2 ist unanwendbar, wenn ein Geschäftsverteilungsplan, weil die erforderlichen Kräfte fehlen, von vornherein so aufgestellt ist. daß er im Regelfall gar nicht durchgeführt werden kann und die jeweils auftretenden Lücken durch Bestellung eines Richters ad hoc ausgefüllt werden müssen (vgl. Anm. III 8 b zu § 21 e). b) Als zeitweilige Vertreter kann der Präsident zunächst Mitglieder des Gerichts bestimmen. auch sich selbst oder einen Vorsitzenden Richter (RGSt. 36 379: 40 436: RG LZ 1918 926: BGHSt. 21 174. 176). Zu den Mitgliedern des Gerichts rechnen auch die zu ihm abgeordneten Richter (§37 DRiG) und die dort verwendeten Richter auf Probe und kraft Auftrags - §§ 12. 14 DRiG - (RGSt. 60 410: OLG Schleswig SchlHA 1956 332). Gemäß § 70 Abs. 3 kann der LG Präsident auch in den Grenzen des § 37 Abs. 3 DRiG auf Richter bei den Amtsgerichten des Bezirks zurückgreifen, die nicht als Hilfsrichter zum Landgericht abgeordnet sind, wenn die Landesgesetzgebung das zuläßt: vgl. z. B. § 38 pr. AG GVG (RGSt. 26 94). Schreibt das Landesrecht vor, daß die Richter beim Amtsgericht eines Bezirks in einer bestimmten Reihenfolge zu berufen sind, so bildet die willkürliche Abweichung von dieser Reihenfolge einen Revisionsgrund im Sinne des § 338 Nr. 1 (RG Recht 1922 1027: s. aber RG LZ 1917 484). Freiwillige Vertretung durch ein dazu bereites Mitglied (ohne die Verfügung des Präsidenten) ist unzulässig (RGSt. 3 241. 23 119. 29 228. 66 122). Sind mehrere Mitglieder eines Spruchkörpers gleichzeitig verhindert, so kann der Präsident auch mehrere zeitweilige Vertreter bestellen (RGZ 16 415, RGSt. 40 437). c) Vertretungsfall. Über den Begriff Verhinderung vgl. Anm. II 4 zu § 21 f. Auch vorübergehende Überlastung kann ein Verhinderungsgrund sein. Verhinderung des regelmäßigen Vertreters durch Unerreichbarkeit liegt nicht schon vor, wenn er nicht im Dienstgebäude anwesend ist, auch nicht ohne weiteres, wenn er zwar am Sitz des Gerichts, aber in erheblicher Entfernung vom Dienstgebäude wohnt; von dem Versuch, ihn heranzuholen, kann nur abgesehen werden, wenn sonst zu viel Zeit bis zum Sitzungsbeginn verginge (BGHSt. 12 113). Ein Eilfall kann vorliegen, wenn über die Verwendung eines neu zugewiesenen Hilfsrichters noch kein Präsidialbeschluß vorliegt (vgl. Anm. 3 d zu § 70). Der Präsident kann auch seinen dem Präsidium unterbreiteten Vorschlag, den aus einem Spruchkörper ausgeschiedenen Richter durch ein bestimmtes neues Mitglied zu ersetzen, in Eilfallen einstweilen dadurch verwirklichen, daß er diesen Richter gemäß § 21 i Abs. 2 zum Vertreter bestellt (RGSt. 65 299).

DRITTER TITEL Amtsgerichte §22 (1) Den Amtsgerichten stehen Einzelrichter vor. (2) Einem Richter beim Amtsgericht kann zugleich ein weiteres Richteramt bei einem anderen Amtsgericht oder bei einem Landgericht übertragen werden. (3) Die allgemeine Dienstaufsicht kann von der Landesjustizverwaltung dem Präsidenten des übergeordneten Landgerichts übertragen werden. Geschieht dies nicht, so ist, wenn das Amtsgericht mit mehreren Richtern besetzt ist, einem von ihnen von der Landesjustizverwaltung die allgemeine Dienstaufsicht zu übertragen. (4) Jeder Richter beim Amtsgericht erledigt die ihm obliegenden Geschäfte, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, als Einzelrichter. (5) Es können Richter auf Probe und Richter kraft Auftrags verwendet werden. Entstehungsgeschichte: Entw. § 10. Spätere Änderungen: Ges. vom 17. 5. 1898 (RGBl. 252) VO vom 4. 1. 1924 § 4 (RGBl. I 15). Bek. vom 23. 3. 1924 (RGBl. I 301). Durch § 19 2706

Dritter Titel. Amtsgerichte (Schäfer)

§22 Anm. 1—4

der V O vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403) verlor § 22 Abs. 2, 3. ohne förmlich aufgehoben zu werden, seine Bedeutung. D a s Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 ü b e r n a h m § 22 unverändert. D u r c h Art. II Nr. 5, 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) erfuhr § 22 folgende Ä n d e r u n g e n : a) Absatz 2 (bisher: „Ein Amtsrichter kann zugleich Mitglied oder Direktor bei d e m übergeordneten Landgericht sein") erhielt seine jetzige F a s s u n g : b) in Absatz 3 w u r d e der bisherige Halbsatz 2 des Satzes 2 („ist die Zahl der Richter höher als fünfzehn, so kann die Dienstaufsicht zwischen mehreren von ihnen geteilt werden"') gestrichen: c) in Absatz 4 wurde „ A m t s r i c h t e r " durch „Richter beim Amtsgericht" ersetzt: d) Absatz 5 wurde neu eingefügt. 1. Wegen der Errichtung und Aufhebung von Amtsgerichten, der Sitzverlegung und Änderung der Bezirksgrenzen sowie wegen der Wirkung von Gebiets Veränderungen bei den im Amtsgerichtsbezirk gelegenen Gemeinden vgl. A n m . 6 zu § 12. A n m . IV zu § 59. 2. Zweigstellen, Gerichtstage. N a c h M a ß g a b e des § 3 der V O zur einheitlichen Reaelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403) bzw. der an ihre Stelle getretenen landesrechtlichen Vorschriften über die Gerichtsorganisation (z. B. 5 5 Hess. Ges. vom 8 . 4 . 1968. GVB1.1 72. § 4 Nds. Ges. vom 16.7. 1962. GVB1. 85) können außerhalb des Sitzes eines Amtsgerichts Zweigstellen errichtet oder Gerichtstage abgehalten werden. Die entsprechenden A n o r d n u n g e n der LandesiustizVerwaltungen bedürfen. soweit hierdurch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts nicht berührt wird, im Gegensatz zu den A n o r d n u n g e n nach §§ 58. 78. 116 G V G (vgl. A n m . l c zu 5 58) nicht der F o r m der R e c h t s V O (vgl. H o l c h D R i Z 1970 183). Bez. der Zweiastellen gelten, soweit nicht neue Vorschriften erlassen sind (vgl. dazu F i n c k D R i Z 1955 159: B a v V O vom 9. 6. 1959. GVB1. 178 i. d. F. vom 9. 11. 1966. GVB1. 4 6 8 : Rheinl.-Pf.VO vom 15. 1. 1969. GVB1. 51: Hess.RdErl. d. MdJust. vom 15. 11. 1963. JMBI. 143). die früher von den LandesiustizVerwaltungen erlassenen Verwaltungsvorschriften weiter (vgl. z. B. für das ehemalige Preußen AV vom 3 1 . 5 . 1934 u. 19. 6. 1934. Deutsche Justiz S. 724. 794). Über die Gerichtstage bestimmt die AV. d. R J M vom 28. 3. 1935 ( J D S. 50). d a ß die bisherigen Gerichtstage bis auf weiteres beibehalten werden: die Festsetzung und Ä n d e r u n g der Gerichtstagsbezirke, die Bestimmung von Zahl und D a u e r der T a g u n g e n und die Entscheidung. ob der Gerichtstag durch einen Richter oder nur durch einen U r k u n d s b e a m t e n der Geschäftsstelle wahrzunehmen ist. ist den O L G P r ä s . übertragen worden. Wegen ergänzender früherer Verwaltungsvorschriften des ehem. Preußen vgl. die 19. Aufl. A n m . l a / u § 22 G V G . 3. Einzelrichter (zu Absatz 1, 4). Die Fassung des Absatzes 1 (..stehen vor") ist nicht ganz zutreffend. D a s Gesetz will sagen, d a ß die Amtsserichte grundsätzlich nicht Kollesialgerichte sind und d a ß . wo nicht, wie bei dem Schöffengericht (§ 28) und dem Jugendschöffengericht (§ 33 Abs. 2 J G G ) die Entscheidung durch ein Kollegium vorgesehen ist. der Richter beim Amtsgericht als Einzelrichter entscheidet (Absatz 4). Ist ein Amtsgericht mit mehr als einem Richter besetzt (vgl. A n m . 1 c zu § 22 b). müssen „Abteilungen" (Spruchkörper) gebildet werden, für die das Präsidium des Amtsgerichts den G e s c h ä f t s verteilungsplan (§ 2 1 e ) aufzustellen hat. Z u r Terminologie: ..Richter beim Amtsgericht" ist jeder bei dem Amtsgericht tätige Richter, also sowohl der A G P r ä s i d e n t , der aufsichtführende Richter, der Planstelleninhaber, der nach § 19 a D R i G die Amtsbezeichnung ..Richter am Amtsgericht" führt — früher ..Amtsgerichtsrat" —. der abgeordnete Richter (§ 37 D R i G ) und die in Absatz 5 bezeichneten Richter. 4. Doppelrichter (zu Absatz 2) a) Entwicklungsgeschichte. In der früheren Fassung (oben vor A n m . 1) e n t s t a m m t e die Vorschrift des Absatzes 2 der VO vom 4. 1. 1924. Sie sollte hauptsächlich ermöglichen, d a ß als Vorsitzender des erweiterten Schöffengerichts (§ 29 Abs. 2) ein L G D i r e k t o r tätig sein könne. Eine dem § 22 Abs. 2 entsprechende Vorschrift enthielt § 59 Abs. 2 a. F. betr. Doppelrichteramt der L G D i r e k t o r e n und Mitglieder des L G als Amtsrichter im Bezirk des L G (vgl. jetzt § 59 Abs. 2 n. F.). A u ß e r d e m bestimmte § 3 des 9. Teils der V O des Reichspräs. vom 1.12. 1930 (RGBl. 1 517. 604): ..Ein Amtsrichter kann zugleich mehreren Amtsgerichten angehören". Die Weitergeltung der letzteren Vorschrift verneinte O L G Oldenburg 2707

§22 Anm. 5

Gerichtsverfassungsgesetz

NdsRpfl. 1970 61. weil sie durch das Vereinheitlichungsges. 1950 zwar nicht förmlich aufgehoben, aber gegenstandslos geworden sei. und weil ..die unbegrenzte Möglichkeit der Häufung von Richterämtern bei mehreren Amtsgerichten" grundgesetzwidrig sei. Demgegenüber bejahte die h. M. (vgl. Anm. 2 der Vorauflage), der sich O L G Celle N J W 1972 1433 = M D R 1972 629 anschloß, mit Recht sowohl die Grundgesetzmäßigkeit wie die Weitergeltung des § 22 Abs. 2 a. F. Durch das Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) ist sowohl der Wortlaut des § 22 Abs. 2 wie der des § 59 Abs. 2 neu gefaßt worden, und zwar (vgl. Begr. zum RegEntw. des Ges. vom 26. 5. 1972. BT-Drucks. VI/557 S. 18) im Hinblick auf § 27 Abs. 2 D R i G . wonach einem auf Lebenszeit bei einem bestimmten Gericht angestellten Richter zugleich ein weiteres Richteramt bei einem anderen Gericht übertragen werden kann. ..soweit ein Gesetz dies zuläßt". Ein solches zulassendes Gesetz stellen die Absätze 2 der §§ 22. 59 dar. D a § 22 n. F. nunmehr auch die Zugehörigkeit eines Richters beim Amtsgericht zu einem anderen Amtsgericht ausdrücklich regelt, ist § 3 der oben genannten VO vom 1.12. 1930 überflüssig geworden (vgl. Begr. zum RegEntw. S. 20) und durch Art. XII Nr. 3 des Ges. vom 26. 5. 1972 förmlich aufgehoben worden. b) Die Bedeutung des § 22 Abs. 2 besteht darin, daß jedem Richter beim Amtsgericht (oben Anm. 3) — gemeint sind hier aber nur die Planstelleninhaber—, also auch dem aufsichtführenden Richter und theoretisch auch dem AGPräsidenten neben diesem Amt ein weiteres Richteramt bei einem anderen Amtsgericht oder einem Landgericht übertragen werden kann. Das Landgericht braucht nicht das im Instanzenzug dem Amtsgericht übergeordnete Landgericht zu sein, es kann vielmehr auch ein benachbartes Landgericht innerhalb des Landes sein; ebenso braucht das andere Amtsgericht nicht dem gleichen LG- oder OLGBezirk wie das Stammgericht anzugehören. Zur Bestellung zum Doppelrichter genügt eine Verfügung der Landesjustizverwaltung (vgl. BGHSt. 24 283 = N J W 1972 779 = M D R 1972 436 und Anm. 2 d zu § 27 DRiG). Auch eine Zustimmung des Richters zur Übertragung des weiteren Amtes ist, wenn sie auch wohl in der Regel eingeholt wird, grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. dazu aber Anm. 2 c zu § 2 7 DRiG). Die Verwendung des Amtsrichters beim L G oder bei dem anderen Amtsgericht hängt, sobald ihm das Doppelamt übertragen ist. nicht von einer besonderen Zuweisung durch die Landesjustizverwaltung ab (BGH aaO.: a. M. früher O L G München M D R 1956 311). Vielmehr bestimmt das Präsidium des L G oder des anderen Amtsgerichts über den Einsatz des Doppelrichters, der nunmehr auch diesem Gericht als planmäßiges Mitglied angehört ( O L G Bamberg BayZ 1929 332), nach § 21 e Abs. 1, 3, wobei es sich naturgemäß, um Überschneidungen zu verhindern, mit dem Präsidium des Stammamtsgerichts im Einvernehmen halten muß. ..Bei einem anderen Amtsgericht" muß nicht notwendig singularisch (..einem" = nur einem) verstanden werden; die Verwendung eines Richters beim Amtsgericht, jeweils nach Bedarf bei einer Mehrzahl anderer Amtsgerichte nach Art eines ..fliegenden" Richters wäre freilich mit dem Grundsatz des gesetzlichen Richters, wie er in § 27 Abs. 1 D R i G zum Ausdruck kommt, nicht verträglich (vgl. O L G Oldenburg NdsRpfl. 1970 61). c) Unberührt bleibt die Verwendung eines Richters beim Amtsgericht, der nicht zum Doppelrichter bestellt ist. bei der auswärtigen Strafkammer des L G (§ 78). als Vorsitzender oder Vertreter des Vorsitzenden oder Beisitzer des Schwurgerichts (§ 83) und als abgeordneter Richter ( § 3 7 D R i G ) beim L G oder O L G oder einem anderen Amtsgericht. Unberührt bleibt auch die Möglichkeit, einen Richter auf Probe oder kraft Auftrags (§ 22 Abs. 5) gleichzeitig bei mehreren Gerichten zu verwenden (§§ 13. 16 DRiG). 5. Dienstaufsicht (zu Absatz 3) a) Zuständigkeit zur Ausübung der Dienstaufsicht. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 G V G VO vom 20. 3. 1935 (im Anhang unter B) bzw. den an die Stelle dieser Vorschrift getretenen landesrechtlichen Bestimmungen wird die Dienstaufsicht über alle Gerichte (der ordentlichen Gerichtsbarkeit) des Landes von der Landesjustizverwaltung ausgeübt. Die Ausübung der Dienstaufsicht ist aber übertragbar. Absatz 3 regelt, wer beim Amtsgericht die ihm übertragene ..allgemeine" Dienstaufsicht ausübt. Die Vorschrift ist aber wenig glücklich gefaßt. Aus ihr scheint sich zu ergeben, daß entweder nur dem Präsidenten des übergeordne2708

Dritter Titel. Amtsgerichte (Schäfer)

§22 Anm. 5

ten Landgerichts oder — bei mit mehreren Richtern besetzten Amtsgerichten — einem von ihnen die Dienstaufsicht übertragen werden kann. Aus §§ 22 a. 22 b Abs. 4 folgt aber, d a ß auch der Präsident eines anderen Amtsgerichts die Dienstaufsicht ausüben kann. Die Unstimmigkeit ist d a r a u f z u r ü c k z u f ü h r e n , d a ß § 22 Abs. 3 nicht auf die die Dienstaufsicht regelnden Vorschriften der §§ 4. 14. 15 der G V G V O vom 20. 3. 1935 bzw. der an ihre Stelle getretenen landesrechtlichen Vorschriften abgestimmt ist. N a c h diesen Vorschriften steht, wenn ein Amtsgerichtspräsident ernannt ist. diesem anstelle des L G P r ä s . die allgemeine Dienstaufsicht über das A G zu. Ihm kann auch anstelle des Präsidenten des übergeordneten Landgerichts die Dienstaufsicht über andere Amtsgerichte des LG-Bezirks übertragen werden. b) Absatz 3 besagt nichts über Umfang und Inhalt der Dienstaufsicht. Der U m f a n g bestimmt sich wiederum nach der G V G V O vom 20. 3. 1935 bzw. den an ihre Stelle getretenen landesrechtlichen Vorschriften. D a n a c h steht die Dienstaufsicht über die Richter beim Amtsgericht, wenn nicht ein Amtsgerichtspräsident die Dienstaufsicht führt, nur dem Landgerichtspräsidenten zu; die sonstigen mit der Dienstaufsicht betrauten Richter sind auf die Dienstaufsicht über die beim Amtsgericht angestellten oder beschäftigten Beamten. Angestellten und Arbeiter beschränkt. Der Inhalt der Dienstaufsicht über Richter ergibt sich aus § 26 D R i G . c) Der „aufsichtführende" Richter und seine Vertretung. Ist weder ein Amtsgerichtspräsident ernannt noch die Dienstaufsicht dem Land- oder einem anderen Amtsgerichtspräsidenten übertragen, so ist nach § 22 Abs. 3 Satz 2 bei einem mit mehreren Richtern besetzten Amtsgericht „einem von ihnen" die allgemeine (aber sich nicht auf die Richter erstreckende. vorstehend b) Dienstaufsicht zu übertragen; es ist dies der ..aufsichtführende Richter", der — vorbehaltlich des § 22 a — im Präsidium des Amtsgerichts den Vorsitz führt (§ 21 a Abs. 2). Aufsichtführender Richter kann nur ein bei dem Amtsgericht auf Lebenszeit angestellter Richter, nicht ein Richter auf Probe, ein abgeordneter oder ein beauftragter Richter sein ( H e r m e s D J Z 1921 556). § 22 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 a. F. ließ bisher bei einer Zahl von mehr als 15 Richtern eine Teilung der Dienstaufsicht zwischen mehreren Richtern zu. Diese Vorschrift ist. weil sie kaum praktische Bedeutung gehabt habe, als entbehrlich gestrichen worden (vgl. Begr. des ReaEntw. BT-Drucks. V I / 5 5 7 S. 18). Tatsächlich ergab sich die Notwendigkeit der Streichung aus den neuen Vorschriften über die Zusammensetzung des amtsaerichtlichen Präsidiums, das nur einen Vorsitzenden haben kann (§ 21 a Abs. 2 Satz 1). Dies schließt aber, wie aus § 21 h folgt, nicht aus. d a ß dem aufsichtführenden Richter ein oder mehrere ständige Vertreter bestellt werden. Im einzelnen ergibt sich die Vertretung des aufsichtführenden Richters bei seinen Dienstaufsichtsaeschäften aus § 4 G V G V O vom 20. 3. 1935 bzw. den an ihre Stelle getretenen landesrechtlichen Vorschriften (z. B. Art. 7 B a v A G G V G vom 17. 11. 1956. GVB1. 249). Über das Verhältnis des § 22 Abs. 3 zu §§ 4. 14 ff. G V G V O vgl. im übrigen A n m . 1 zu § 4 G V G VO. d) Wesen der Dienstaufsichtsfiihrung. Die F ü h r u n e der Dienstaufsicht sehört. wie auch die Überschrift des Art. I X (§§ 13 ff.) der G V G V O vom 20. 3. 1935 (..Justizverwaltung") klarstellt, zu den A u f g a b e n der Justiz Verwaltung: §§ 1. 2 1 h G V G gelten insoweit nicht. Die Übertragung der Dienstaufsicht kann z u r ü c k g e n o m m e n werden: das verstößt nicht gegen den G r u n d s a t z der richterlichen Unabhängigkeit ( B V e r w G E 11 195 = M D R 1961 4 4 1 ; a. M. H o e p n e r D R i Z 1961 238). Über das Verhältnis der Dienstaufsicht zur richterlichen Unabhängigkeit im übrigen s. A n m . VIII zu § 1. e) Der A u s d r u c k „Landesjustizverwaltung" in Absatz 3 bezeichnet — wie auch sonst im G V G — nicht allein die Zentralbehörde (Justizministerium usw.). u m f a ß t vielmehr alle O r g a n e der Justizverwaltung. Von welchem dieser O r g a n e die einzelnen A u f g a b e n der Landesjustizverwaltung w a h r z u n e h m e n sind, bestimmt sich, soweit nicht Bundesrecht entgegensteht. nach Landesrecht (Begr. 47). Die Landeszentralbehörden können die Rechte und Pflichten, die das G V G der Landesjustizverwaltung zuweist, allgemein auf andere Justizverwaltungsorgane übertragen ( R G vom 17. 1. 1927 III 9 7 5 / 2 6 ; vgl. A n m . I 2 zu § 1). Soweit es sich um die Bestellung des aufsichtführenden Amtsrichters (¡S 22 Abs. 3 G V G ) handelt. ergibt sich aus § 4 der V O vom 20. 3. 1935. (soweit er nicht durch neue landesrechtliche Vorschriften ersetzt ist), d a ß sie der Zentralbehörde obliegt, die aber nach 5 18 a a O . ihre Befugnisse auf den O L G P r ä s . übertragen kann. 2709

§22 Anm. 6

Gerichtsverfassungsgesetz

6. Hilfsrichter (zu Absatz 5) a) Bedeutung der Vorschrift. Die dem Absatz 5 entsprechende Bestimmung war bisher in § 10 Abs. 2 a. F. enthalten (zur geschichtlichen Entwicklung dieser Vorschrift vgl. in der Voraufl. Anm. 3 a zu § 10 a. F.). Als Richter, die beim Amtsgericht zu Rechtsprechungsaufgaben verwendet werden können, ohne daß ihnen bei diesem Gericht auf Lebenszeit ein Richteramt übertragen worden ist ( § 2 7 Abs. 1 DRiG). kommen Richter auf Probe (§ 12 DRiG). kraft Auftrags (§ 14) und abgeordnete Richter (§ 37 DRiG) in Betracht. Die letzte ren — auf Lebenszeit bei einem bestimmten Gericht ( § 2 7 DRiG). gleichviel bei welchem Gerichtsbarkeitszweig angestellte Richter — können bei jedem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit (außer beim Bundesgerichtshof, vgl. Anm. 1 zu § 124) verwendet werden. Die Bedeutung des § 22 Abs. 5 i. Verb, mit § 59 Abs. 3 besteht darin, daß er die Verwendung von Richtern auf Probe und kraft Auftrags zur Wahrnehmung richterlicher Aufgaben (§ 28 Abs. 1 D R i G ) nur beim Amtsgericht und Landgericht zuläßt und damit die Verwendung beim Oberlandesgericht ausschließt. § 118 a. F.. der dies ausdrücklich aussprach, w urde als entbehrlich gestrichen. Abweichend von früheren Regelungen ist die vorübergehende Heranziehung von anderen zum Richteramt befähigten Personen (Richtern im Ruhestand usw.) also nicht mehr möglich, sofern nicht ein besonderes Bundesgesetz es zulassen würde. Dem Landesrecht steht nach § 70 Abs. 3 die Befugnis zu. abweichend von § 22 Abs. 5. 59 Abs. 3 die Verwendung von Richtern auf Probe oder kraft Auftrags beim Amtsund beim Landgericht allgemein oder für bestimmte Aufgaben auszuschließen. Richter auf Probe und kraft Auftrags werden — in den Grenzen des § 70 Abs. 2 G V G — bei dem (Amtsoder Land-)Gericht verwendet, dem die Justizverwaltung sie zuweist. Eine Pflicht der auf Lebenszeit angestellten Richter, auf Verlangen der Justizverwaltung an einem anderen Gericht tätig zu werden, wie sie § 10 Abs. 1 der VO vom 20. 3. 1935 aussprach, ist nur noch unter den Voraussetzungen des § 70 Abs. 3 Halbsatz 2 G V G . § 37 Abs. 3 D R i G begründet. b) § 22 Abs. 5 n. F. läßt ebenso wie § 59 Abs. 3 nach seinem Wortlaut die Verwendung von Richtern auf Probe und kraft Auftrags ohne Einschränkungen zu. Grenzen der Verwendung ergeben sich aber aus § 28 Abs. 2 Satz 2. § 29 D R i G und aus § 29 Abs. 1 Satz 2 G V G . Darüber hinaus gilt nach wie vor der im bisherigen Recht ausgebildete Grundsatz, daß ihre Verwendung unzulässig ist. wo sie nicht aus besonderem Anlaß (Erprobung eines Anwärters. Vertretung eines regelmäßigen Mitgliedes. Bewältigung vorübergehend gesteigerten Geschäftsanfalls) geschieht, sondern dazu dient, dauernden Bedarf auf unabsehbare Zeit zu befriedigen, statt durch Besetzung der freien oder Vermehrung der vorhandenen besetzten Planstellen Abhilfe zu schaffen. Die in Anm. III zu § 59 insoweit im einzelnen dargestellten Grundsätze über die Verwendbarkeit von Hilfsrichtern beim Landgericht gelten sinngemäß auch für ihre Verwendung beim Amtsgericht ( O L G Karlsruhe DRiZ 1958 142: N J W 1966 2389: L ö w i s c h DRiZ 1964 164). e) Die Einberufung der ..Hilfsrichter" erfolgt durch die Justizverwaltung, über die ihnen zu übertragenden Aufgaben aber befindet das Präsidium (§ 21 e Abs. 1 GVG). d) Nicht im G V G . sondern im D R i G geregelt ist die Heranziehung von Richtern zu anderen als richterlichen Aufgaben im Bereich der Rechtspflege, insbesondere zu Aufgaben der Gerichtsverwaltung, z. B. zur Bearbeitung von Personalsachen, von Dienstaufsichtsbeschwerden usw. Eine solche Heranziehung ist bei Einverständnis des Betrauten stets zulässig. Richter auf Probe und Richter kraft Auftrags können ohne ihre Zustimmung dazu verwendet werden (§§ 13. 16 Abs. 2 DRiG). Richter auf Lebenszeit dagegen können dazu ohne ihre Zustimmung nur im Umfang einer Nebentätigkeit herangezogen werden (§§ 4. 42 D R i G ) und können eine Heranziehung beim Dienstgericht anfechten (§§ 62 Abs. 1 Nr. 4 d . 78 Nr. 4 d DRiG).

2710

Dritter Titel. Amtsgerichte (Schäfer)

§ 22 a Anm. 1 , 2

§ 22 a - Bei Amtsgerichten mit einem aus allen wählbaren Richtern bestehenden Präsidium (§ 2 1 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3) gehört der Präsident des übergeordneten Landgerichts oder, wenn der Präsident eines anderen Amtsgerichts die Dienstaufsicht ausübt, dieser Präsident dem Präsidium als Vorsitzender an. Entstehungsgeschichte. Der bisherige § 2 2 a („(1) Bei den mit einem Präsidenten besetzten Amtsgerichten wird ein Präsidium gebildet. (2) Das Präsidium besteht aus dem Amtsgerichtspräsidenten als Vorsitzenden, den Amtsgerichtsdirektoren, den Oberamtsrichtern und den beiden dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter der Geburt nach ältesten Amtsrichtern. (3) Das Präsidium entscheidet nach Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Amtsgerichtspräsidenten den Ausschlag".) wurde durch Art. II Nr. 7 des Ges. vom 2 6 . 5 . 1972 (BGBl. I 841) gestrichen (vgl. jetzt §§ 2 1 a . 21 i Abs. 7). Der jetzige Wortlaut der Vorschrift beruht auf Art. II Nr. 8 des genannten Gesetzes. 1. Zur Entwicklung der Geschäftsverteilung beim Amtsgericht a) Über die Verteilung der Geschäfte bei den mit mehreren Richtern besetzten Amtsgerichten und über die Vertretung der Richter enthielt das G V G früher keine Vorschriften: es überließ die Regelung dem Landesrecht (vgl. z . B . für Preußen §§ 2 3 . 2 4 A G G V G ) . Eine reichseinheitliche Regelung trafen §§ 5. 6 G V G VO vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403). Danach verteilte bei den mit einem Amtsgerichtspräsidenten besetzten Amtsgerichten dieser, im übrigen der Landgerichtspräsident vor Beginn des Geschäftsjahrs und auf dessen Dauer die Geschäfte und regelte in gleicher Weise die Vertretung der Amtsrichter in Behinderungsfallen. Diese Anordnungen durften im Laufe des Geschäftsjahrs nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung. Wechsels oder dauernder Behinderung eines Richters erforderlich war. Die Regelung der Geschäftsverteilung und Vertretung entsprach also den für die Kollegialeerichte geltenden Vorschriften mit der Abweichung, daß nicht ein Präsidium, sondern der Amts- oder Landgerichtspräsident als Justizverwaltungsorgan die erforderlichen Anordnungen zu treffen hatte. Das Ges. über die Gerichtsverteilung bei den Gerichten vom 24. 11. 1937 (RGBl. I 1286). das das Präsidium bei den Kollegialgerichten beseitigte und seine Aufgaben auf die Präsidenten als Justizverwaltungsangelegenheit übertrug, hielt für die Amtsgerichte inhaltlich die in §§ 5. 6 der VO 1935 getroffene Regelung aufrecht. Im Anschluß an die Wiederherstellung des Präsidiums bei den Kollegialgerichten in den Ländern der britischen Besatzungszone wurde dort durch die VO des Zentraljustizamts vom 9. 9. 1948 (VOB1. BZ 261) mit den neu geschaffenen §§ 2 2 a - d a. F. die Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans auch für die Amtsgerichte durch ein Richterkollegium, das Präsidium des Landgerichts und bei großen Amtsgerichten ein beim Amtsgericht selbst gebildetes Präsidium, eingeführt. Diese Regelung übernahm das Vereinheitlichungsges. vom 12.9.1950. b) Ein eigenes Präsidium hatten danach nur die mit einem Amtsgerichtspräsidenten besetzten Amtsgerichte. Bei den übrigen Amtsgerichten wurde der Geschäftsverteilungsplan vom Präsidium des Landgerichts aufgestellt; war jedoch einem Amtsgerichtspräsidenten von der Justizverwaltung die Dienstaufsicht über andere im Bezirk des übergeordneten Landgerichts gelegene Amtsgerichte übertragen, so trat das Präsidium des großen Amtsgerichts für die kleinen Amtsgerichte an die Stelle des Präsidiums des Landgerichts (§ 22 c Abs. 1 a. F.). Mit der Neuregelung der Präsidialverfassung durch das Ges. vom 26. 5. 1972 wurde § 22 a a. F. überflüssig und aufgehoben. 2. Bedeutung des § 22 a. Nach § 21 a Abs. 1 besteht bei jedem Gericht, also auch bei jedem (mit mehr als einem Richter besetzten. § 22 b Abs. 1) Amtsgericht ein eigenes Präsidium, dessen Vorsitzender der Amtsgerichtspräsident oder der aufsichtführende Richter (§ 22 Abs. 3 Satz 2) ist. § 22 a enthält eine Sondervorschrift über den Vorsitz im amtsgerichtlichen Präsidium für solche Amtsgerichte, die weniger als 8 Richterplanstellen haben (§ 21 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3). Bei diesen ist Vorsitzender des Präsidiums nicht der aufsichtführende Richter, sondern der Präsident des übergeordneten Landgerichts oder, wenn die

2711

§ 22b Anm. 1

Gerichtsverfassungstiesetz

Dienstaufsicht über das Amtsgericht dem Präsidenten eines anderen Amtsgerichts übertragen ist, dieser Amtsgerichtspräsident. Der Land- oder Amtsgerichtspräsident soll hier als ..neutraler Dritter" fungieren (Ausschußbericht BT-Drucks. VI/2903 S. 5). § 22 b (1) Ist ein Amtsgericht nur mit einem Richter besetzt, so beauftragt das Präsidium des Landgerichts einen Richter seines Bezirks mit der ständigen Vertretung dieses Richters. (2) Wird an einem Amtsgericht die vorübergehende Vertretung durch einen Richter eines anderen Gerichts nötig, so beauftragt das Präsidium des Landgerichts einen Richter seines Bezirks längstens für zwei Monate mit der Vertretung. (3) In Eilfallen kann der Präsident des Landgerichts einen zeitweiligen Vertreter bestellen. Die Gründe für die getroffene Anordnung sind schriftlich niederzulegen. (4) Bei Amtsgerichten, über die der Präsident eines anderen Amtsgerichts die Dienstaufsicht ausübt, ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 das Präsidium des anderen Amtsgerichts und im Falle des Absatzes 3 dessen Präsident zuständig. Entstehungsgeschichte. § 22 b a. F. („(1) Bei den mit mehreren Amtsrichtern besetzten Amtsgerichten werden die Geschäfte vor Beginn des Geschäftsjahres auf seine Dauer verteilt. In gleicher Weise wird die Vertretung der Amtsrichter in Behinderungsfallen geregelt. (2) Die getroffene Regelung kann im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung. Wechsels oder dauernder Behinderung eines Richters erforderlich ist'") wurde durch Art. II Nr. 7 des Ges. vom 2 6 . 5 . 1972 (BGBl. I 84U gestrichen (vgl. jetzt §§ 21 a. 21e): an seine Stelle ist nach Art. II Nr. 9 des genannten Gesetzes § 22 b n. F. eingefügt worden. 1. Zu Absatz 1 a) Entwicklungsgeschichte. Absatz 1 regelt bundesrechtlich einheitlich die Vertretung bei Amtsgerichten, die nur mit einem Richter besetzt sind. Das bisherige Recht kannte insoweit keine bundesrechtliche Regelung: sie war dem Landesrecht überlegen. Jedoch bestanden nur in einzelnen Ländern einschlägige Vorschriften. Die Rechtslage in den Ländern, in denen es an gesetzlichen Vorschriften fehlte, war zweifelhaft (vgl. Anm. 2 b zu § 2 2 b a. F. in der Voraufl.). b) Vertreterbestellung. Das nur mit einem Richter besetzte Amtsgericht hat — trotz des § 21 a Abs. 1. wonach bei jedem Gericht ein Präsidium gebildet wird — kein eigenes Präsidium. Denn die Hauptaufgabe eines Präsidiums ist die Aufstellung eines Geschäftsverteilungsplans. der die Besetzung der mehreren bei ihm bestehenden Spruchkörper und die Verteilung der Geschäfte unter sie regelt ( § 2 1 e Abs. 1). Ist ein Amtsgericht nur mit einem Richter besetzt, so entfällt, weil sie sich von selbst versteht, eine Besetzung der ..Spruchkörper" (= der Abteilungen des Amtsgerichts) und eine Verteilung der Geschäfte unter sie: ein eigenes Präsidium hätte keine Aufgaben und keinen Sinn. Aber auch beim Ein-MannAmtsgericht bedarf es der Regelung der Vertretung, wenn der einzige Richter vorübergehend verhindert ist. Diese Aufgabe überträgt § 22 b dem Präsidium des im Instanzenzug übergeordneten Landgerichts. Und zwar bestellt es nach Abs. 1 vor Beginn des Geschäftsjahres für alle Fälle einer vorübergehenden Verhinderung einen ständigen Vertreter (Parallele: § 21 f Abs. 2 Satz 1) aus der Zahl der Richter im LGBezirk. also der Richter der übrigen Amtsgerichte und des Landgerichts selbst. Auf die Zustimmung des zum ständigen Vertreter bestellten Richters kommt es nicht an (Parallele: § 78 Abs. 2). Ist auch der ständige Vertreter vorübergehend verhindert, so gilt Abs. 2. c) „Nur mit einem Richter besetzt". Nicht nur mit einem, sondern mit mehreren Richtern (so daß ein Präsidium gebildet wird. § 2 1 a Abs. 1) ist ein Amtsgericht besetzt, wenn ihm für das kommende Geschäftsjahr mehr als eine Richterkraft zugewiesen ist. D a ß das Amtsgericht mit mindestens zwei planmäßigen Stellen (zwei ..Amtsgerichtsräten" = Richtern am Amtsgericht, § 19 a Abs. 1 DRiG) besetzt ist. ist dazu nicht erforderlich: § 21 a Abs. 1 gilt nach seinem Zweck, den ..gesetzlichen Richter" von vornherein zu bestimmen (vgl. 2712

Dritter Titel. Amtsgerichte (Schäfer)

§ 22 b Anm. 2—4

Anm. III 1 zu § 16) auch dann, wenn das Amtsgericht das Geschäftsjahr in der Besetzung mit einem auf Lebenszeit angestellten Richter und einem Hilfsrichter (Richter auf Probe. Richter kraft Auftrags, abgeordneten Richter. §§ 12. 14. 37 DRiG) beginnt. Wird einem nur mit einem Richter besetzten Amtsgericht im Lauf des Geschäftsjahres — wenn auch nur vorübergehend — ein neben ihm tätiger Hilfsrichter zugewiesen, so wird nunmehr ein Präsidium kraft Gesetzes gebildet (§ 21 a Abs. 1), das sich gemäß § 21 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3. § § 2 2 a zusammensetzt und einen Geschäftsverteilungsplan für die Dauer der Besetzung des Gerichts mit mehr als einem Richter aufstellen und in ihm die Vertretuns reaeln muß. 2. Zu Absatz 2 a) Anwendungsbereich. Im Gegensatz zu Absatz 1 gilt Absatz 2 für alle Amtsgerichte („an einem Amtsgericht"), also sowohl dann, wenn ein Amtsgericht nur mit einem Richter besetzt ist wie auch bei Besetzung mit mehreren Richtern. Voraussetzung des Absatzes 2 ist. daß eine vorübergehende Vertretung durch einen Richter eines anderen Gerichts nötig ist. Beim Ein-Mann-Amtsgericht (Absatz 1) ist diese Voraussetzung ohne weiteres gegeben, wenn auch der ständige Vertreter vorübergehend verhindert ist. Bei dem mit mehreren Richtern besetzten Amtsgericht ist Absatz 2 anwendbar, wenn die im Geschäftsverteilungsplan vorgesehene Vertreterregelung (§ 21 e Abs. 1) oder Maßnahmen nach § 21 e Abs. 3 nicht ausreichen, weil eine ordnungsmäßige Bewältigung der Vertretung mit den vorhandenen Kräften nicht möglich ist, sondern es der Zuziehung eines Richters eines anderen Gerichts bedarf. Nach Absatz 2 ist es dann Sache des landgerichtlichen Präsidiums, einen Richter im Bezirk des L G mit der Vertretung zu beauftragen. Einer Zustimmung dieses Richters bedarf es auch hier nicht. Die Höchstdauer der Vertretung ist jedoch auf 2 Monate begrenzt; dauert die vorübergehende Verhinderung länger als 2 Monate an, so muß das Präsidium einen anderen Richter mit der weiteren Vertretung beauftragen.*) Die Zuweisung der Geschäfte an den beauftragten Vertreter erfolgt bei den mit mehr als einem Richter besetzten Amtsgerichten durch das Präsidium des Amtsgerichts (§ 21 e Abs. 3). b) Eine Beauftragung nach Absatz 2 erübrigt sich, wenn die Justizverwaltung einen Richter gemäß § 37 Abs. 3 D R i G abordnet oder einen Richter auf Probe oder kraft Auftrages zur Verfügung stellt (§§ 13. 16 Abs. 2 DRiG): dann ist die Vertretung durch einen Richter eines anderen Gerichts, also durch einen Richter, der im übrigen bei seinem Gericht verbleibt. nicht „nötig"'. Uber die Verwendung dieses Richters bestimmt bei den mit mehreren Richtern besetzten Amtsgerichten ebenfalls das Präsidium des Amtsgerichts. 3. Bestellung eines zeitweiligen Vertreters in Eilfallen (Zu Absatz 3). Wie Absatz 2. so gilt auch Absatz 3 sowohl für das Ein-Mann-Gericht (Absatz 1) wie für das mit mehr als einem Richter besetzte Amtsgericht (Absatz 2). Absatz 3 ermächtigt in Eilfällen den LGPräs. (als Vorsitzenden des landgerichtlichen Präsidiums) zu einstweiligen, die Vertretung regelnden Maßnahmen. Gedanklich schließt sich die Vorschrift an § 2 1 i Abs. 2 an. den § 2 2 b Abs. 3 modifiziert. Ein Eilfall liegt danach vor. wenn eine Entscheidung i. S. der Absätze 1. 2 durch das Präsidium des L G nicht rechtzeitig ergehen kann. Abweichend von § 21 i Abs. 2 Satz 3 ist eine unverzügliche Vorlegung der Anordnung des Präsidenten bei dem Präsidium „zur Genehmigung" nicht vorgeschrieben. Das erklärt sich daraus, daß der LGPräs. nach Absatz 3 nur einen zeitweiligen Vertreter bestellen, also nur Maßnahmen für den Augenblick treffen kann. Werden Vertreterbestellungen von längerer Dauer erforderlich, so gebührt die weitere Behandlung dem Präsidium, und wenn auch diese Entscheidung nicht rechtzeitig ergehen kann, so greift § 21 i Abs. 2 Satz 3. 4 Platz. Ob die tatsächlichen Voraussetzungen des Absatz 3 vorliegen, entscheidet der LGPräs. nach pflichtgemäßem Ermessen: seine Entscheidung ist. wenn die ordnungsmäßige Besetzung des Gerichts in Frage steht, nur unter dem Gesichtspunkt einer rechtlich fehlerhaften Beurteilung der Begriffe Eilfall und zeitweiliger Vertreter gerichtlich nachprüfbar (vgl. II 3 zu § 21 i). 4. Zu Absatz 4. Absatz 4 beruht auf der Erwägung, daß in den Fällen der Absätze 1. 2 das Präsidium des anderen Amtsgerichts, dessen Präsident die Dienstaufsicht ausübt, und im *) S t a n i c k i DRiZ 1972 416 will aus § 22b Abs. 2 den allgemein geltenden Grundsatz ableiten, daß eine Verhinderung von mehr als 2 Monaten nicht mehr eine vorübergehende, sondern eine dauernde sei Diesen Sinn hat die Vorschrift aber nicht.

2713

§ 2 2 b Anm. 6

Gerichtsverfassungsgesetz

§§ 22c; 22 d Anm. 1 Fall des Absatzes 3 der AGPräs. selbst einen besseren Überblick über die Situation bei dem Amtsgericht hat. bei dem die Vertretuna notwendig wird, und ihm näher steht als das Präsidium des L G und der LGPräs. (vgl. die Stellungnahme des Bundesrats, nach dessen Vorschlägen Absatz 4 gestaltet ist. im RegEntw. BT-Drucks VI/557 S. 23). N a c h dem Wortlaut des Absatzes 4 könnte das Präsidium des anderen Amtsgerichts bzw. dessen Präsident auch Vertreter aus den Richtern der übrigen Amtsgerichte des L G Bezirkes und aus den Richtern des L G bestellen. Das ist aber schwerlich der Sinn der Vorschrift. Daß das Präsidium eines Gerichts über die Mitglieder eines anderen Gerichts bestimmt, kommt zwar auch sonst ausnahmsweise vor (vgl. z. B. § 168 a Abs. 2. 3 StPO. wonach das Präsidium des StaatsschutzO L G — § 120 Abs. 1 — zu Ermittlungsrichtern dieses O L G auch Mitglieder eines anderen O L G im Bereich des Landes bestellen kann). Im Fall des § 22 b Abs. 4 wäre aber ein Bestimmungsrecht des AG-Präsidiums über Richter an dritten Gerichten nicht nur eine Anomalie, sondern auch durch die ratio legis (besserer Uberblick über die Situation bei dem notleidenden Amtsgericht. ..Näherstehen" des amtsgerichtlichen Präsidiums) nicht gerechtfertigt. Es ist deshalb wohl davon auszusehen, daß sich im Fall des Absatzes 4 die Befugnis des Präsidiums (Präsidenten) auf die Bestellung eines Vertreters aus der Reihe der Mitglieder des großen Amtsgerichts beschränkt. 5. § 22 b regelt nur die Vertretung des verhinderten Richters in seinen richterlichen Aufgaben. Die Regelung der Vertretung in den ihm übertragenen Verwaltungsaufgaben, insbes. die Führung der Dienstaufsicht, ist Sache der Justizverwaltung (vgl. § 4 G V G VO).

§ 22 c (aufgehoben durch Art. II Nr. 7 des Ges. vom 26. 5. 1972. BGBl. I 841).

§ 22 d Die Gültigkeit der Handlung eines Richters beim Amtsgericht wird nicht dadurch berührt, daß die Handlung nach der Geschäftsverteilung von einem anderen Richter wahrzunehmen gewesen wäre. Entstehungsgeschichte. § 22 d wurde eingefügt durch das Rechtsvereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950. Durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) wurde ..Amtsrichters" durch ..Richters beim Amtsgericht" ersetzt. 1. Entwicklungsgeschichte und Bedeutung a) Eine entsprechende Vorschrift enthielt bereits 5 23 Abs. 2 P r A G G V G . Sie wurde als Reichsrecht übernommen durch § 6 Abs. 2 der VO vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403). und diese letztere Vorschrift wurde durch Art. 8 II Nr. 7 des Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950 aufgehoben, weil sie durch den neu eingefügten § 22 d gegenstandslos wurde. Die Vorschrift hat aber im Lauf der Zeit ihren Sinngehalt gewechselt. § 23 Abs. 2 P r A G G V G brachte nach der Rechtsprechung des R G ( R G Z 1 235: RGSt. 14 154. 156) zum Ausdruck, daß für amtsrichterliche Akte nur das Amtsgericht als solches, nicht der einzelne Amtsrichter zuständig sei. und daß es bei einer Mehrzahl von Amtsrichtern bei einem Amtsgericht für die Gültigkeit einer Amtshandlung bedeutungslos sei. ob sie der eine oder andere Richter vorgenommen habe. Unter dem Gesichtspunkt des auch beim Amtsgericht durch den Geschäftsverteilungsplan ( § 2 1 e Abs. 1) bestimmten ..gesetzlichen Richters" besagt sie heute in gesetzlicher Anerkennung eines bereits früher bei den Kollegialgerichten von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatzes (vgl. Anm. III 13 zu § 21 e). daß eine richterliche Handlung nicht schon deshalb anfechtbar ist. weil sie abweichend vom Geschäftsverteilungsplan von einem anderen als dem geschäftsverteilungsplanmäßig zuständigen Richter vorgenommen wurde. Insoweit spricht § 2 2 d einen allgemeinen Rechtsgrundsatz aus (ebenso K l 1: W i e c z o r e k A) und ist § 2 2 d im Grunde überflüssig, da hinsichtlich der Abweichung vom Geschäftsverteilunasplan für die Spruchkörper (Abteilungen) des Amtsgerichts nichts anderes gelten kann als für die Spruchkörper der übrigen Gerichte. So gesehen ist 5 22 d. soweit ihm überhaupt noch unter dem Gesichtspunkt des

2714

Dritter Titel. Amtsgerichte (Schäfer)

§ 2 2 d Anm. 2, 3 §§ 2 3 , 2 3 a

gesetzlichen Niederschlags eines allgemein geltenden Grundsatzes eine Existenzberechtigung zukommt, lex fugitiva. Unberührt bleibt aber bei willkürlicher Abweichung (vgl. Anm. III 5 zu § 16) die Möglichkeit der Anfechtung, weil der Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G : § 16 GVG.) verletzt und das Gericht i. S. des § 338 Nr. 1 StPO fehlerhaft besetzt ist ( O L G H a m m JMB1. N R W 1963 252). Auch begründet § 22 d keine Ausnahme von dem Grundsatz (unten 3). daß eine unvorschriftsmäßige Besetzung (§ 338 Nr. 1 StPO) vorliegt, wenn der Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts nicht so eindeutig wie möglich festlegt, welcher Richter zur Entscheidung berufen ist (OLG Neustadt M D R 1965 255). Wohl aber ist eine versehentliche (auf irrtümlicher Beurteilung der Sachoder Rechtslage beruhende) Abweichung von einem inhaltlich gesetzmäßigen Geschäftsverteilungsplan unschädlich (vgl. dazu BVerfGE 14 72 = N J W 1962 1611: R i n c k N J W N J W 1964 1650 zu dem dem § 22 d G V G entsprechenden § 3 Abs. 3 des früheren Bad.Württ. Gemeindegerichtsbarkeitsges. vom 7 . 3 . 1 9 6 0 . GBl. 73). Im Gegensatz dazu soll § 2 2 d nach B G H Z 37 125 = N J W 1962 1396: O L G Bremen N J W 1965 1447: LG Hildesheim M D R 1968 55; s. auch E b S c h m i d t 2—4) nur besagen, daß eine nicht mehr anfechtbare Entscheidung nicht deshalb nichtig sei. weil sie unter Verstoß gegen die Geschäftsverteilung erlassen wurde: die Anfechtbarkeit einer solchen ..fehlerhaften" Entscheidung werde dadurch aber nicht berührt. Dem kann nicht gefolgt werden. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, daß er eine Selbstverständlichkeit habe aussprechen wollen. Denn daß eine rechtskräftige Entscheidung nicht schon deshalb nichtig ist, weil sie unter Verstoß gegen die Geschäftsverteilung erlassen wurde, hat noch niemand bezweifelt und steht außer Diskussion. b) Einzelfälle. Eine willkürliche Abweichung liegt nicht vor. wenn ein Richter, obwohl er weiß, daß er nicht im Geschäftsverteilungsplan als zuständig aufgeführt ist. in Eilfällen an Stelle des nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Richters, der nur mit einer den Erfolg der begehrten Handlung in Frage stellenden Verzögerung erreichbar wäre, handelt ( O L G Schleswig SchlHA 1963 78): es ist dann so anzusehen, als bestimme der Geschäftsverteilungsplan. daß in Eilfällen der nicht greifbare zuständige Richter durch den anwesenden oder nächst erreichbaren Richter vertreten werde. Eine willkürliche Abweichung, da der Rechtsverstoß offen zutage liegt (vgl. Anm. III 5 c zu § 16). nimmt dagegen O L G H a m m JMB1. N R W 1963 252 = M D R 1964 77 an. wenn an Stelle des nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Amtsrichters in der Hauptverhandlung sein Vertreter entscheidet, weil sich der erstere für befangen erklärte, ohne daß die Entscheidung des LG nach §5 27. 30 StPO eingeholt wurde und ohne daß die Ablehnung sachlich gerechtfertigt war. 2. Schöffengericht. § 2 2 d spricht nur von der Gültigkeit der Handlung ..eines Richters beim Amtsgericht". Der Grundsatz des § 22 d gilt aber nicht nur für den Richter als Einzelrichter. sondern auch für das Schöffengericht, d. h. für den Fall, daß beim Bestehen mehrerer Schöffengerichtsabteilungen irrtümlich nicht die nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Schöffengerichtsabteilung A. sondern die Abteilung B geurteilt hat. Denn für die Spruchkörper des Amtsgerichts kann in dieser Hinsicht nichts anderes gelten als für die der höheren Gerichte. 3. Unanwendbarkeit des § 22 d. § 22 d regelt nur den Fall des (nicht willkürlichen) Abweichens von einem gesetzmäßigen Geschäftsverteilungsplan. Besteht gesetzwidrigerweise kein Geschäftsverteilungsplan oder ist er inhaltlich gesetzwidrig oder enthält er auch im Weg der Auslegung nicht behebbare Zweifel oder Lücken (z. B. weil nicht zwischen Erwachsenen- und Jugendgerichtssachen unterschieden wird), so ist § 22 d unanwendbar: es liegt Verletzung des § 16 G V G . Art. 101 Satz 2 G G vor (OLGe. Saarbrücken NJW 1965 1447: Neustadt M D R 1965 225). so z. B. bei Aburteilung eines Jugendlichen (Heranwachsenden) durch einen von mehreren Amtsrichtern, unter die nur ..die Strafsachen" verteilt sind ( O L G Saarbrücken aaO.).

§§ 23,23a (betr. Zuständigkeit der Amtsgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten). 2715

§ 24 Anm. I 1

Gerichtsverfassungsgesetz

§ 24

(1) In Strafsachen sind die Amtsgerichte zuständig für 1. Übertretungen, 2. Verbrechen und Vergehen, wenn nicht die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 74 a, des Schwurgerichts oder des Oberlandesgerichts nach § 120 begründet, im Einzelfall eine höhere Strafe als drei Jahre Freiheitsstrafe oder die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu erwarten ist oder die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhebt. (2) Das Amtsgericht darf nicht auf eine höhere Freiheitsstrafe als drei Jahre Freiheitsstrafe und nicht auf Sicherungsverwahrung erkennen. Entstehungsgeschichte. Der Wortlaut nach der Bek. vom 2 2 . 3 . 1924 (RGBl. I 301) wurde geändert durch VO vom 6. 10. 1931 (RGBl. I 537. 563). 6. Teil Kap. I § 1: VO vom 14.6. 1932 (RGBl. I 285). erster Teil Kap. I Art. 1: ZuständigkeitsVO vom 2 1 . 2 . 1940 (RGBl. I 405). Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 (BGBl. 455) - Aufhebung überholter Vorschriften in Art. 8 II Nr. 3. 4. 15. 16. 43. 52. 54, 55. 61, 62, 64. 67. 75. 87 1. Strafrechtsänderungsges. vom 30. 8. 1951 (BGBl. I 739) Art. 3 Nr. 1. in Berlin übernommen durch Ges. vom 30. 10. 1951 (GVB1. 994) 1. S t r R G vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645); Art. 4 Nr. 1 a des Ges. vom 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582). I. Entwicklung der geltenden Regelung 1. Bis zum Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950. Die Regelung der erstinstanzlichen Zuständigkeit in Strafsachen hat seit Inkrafttreten des G V G wiederholt gewechselt. Die ursprüngliche Regelung gine. anknüpfend an die Dreiteilung der Straftaten (§ 1 StGB), dahin, schwerste Verbrechen dem Schwurgericht, die übrigen Verbrechen und_ die Mehrzahl der Vergehen der erstinstanzlichen Strafkammer, leichtere Vergehen und Übertretungen dem Schöffengericht zuzuweisen; für Hoch- und Landesverrat gegen das Reich war das Reichsgericht zuständig. Die Emmingerreform 1924 beseitigte die erstinstanzliche Strafkammer und übertrug die bisherigen Strafkammersachen auf die Schöffengerichte, wobei in umfangreichen oder bedeutungsvollen Sachen die Staatsanwaltschaft die Zuziehung eines zweiten Amtsrichters (erweitertes Schöffengericht) beantragen konnte. Gleichzeitig begründete die Emmingerreform die Zuständigkeit des Amtsrichters als Einzelrichter. Dessen Zuständigkeit war teils unbedingt (für sämtliche Übertretungen, für Privatklagevergehen und für im Höchtmaß mit 6 Monaten Gefängnis bedrohte Vergehen), teils eine bedingte, nämlich für Vergehen, bei denen keine schwerere Strafe als Gefängnis bis zu einem Jahre zu erwarten war. und in gewissem Umfang auch für Verbrechen (Verbrechen des schweren Diebstahls und der Hehlerei und Rückfallverbrechen). Voraussetzung dieser bedingten Zuständigkeit war ein dahingehender Antrag der Staatsanwaltschaft, bei Verbrechen außerdem, daß der Beschuldigte nicht widersprach. Soweit nicht die Zuständigkeit des Amtsrichters als Einzelrichter in Frage kam. war für Vergehen das Schöffengericht stets und für Verbrechen in der Mehrzahl der Fälle zuständig, nämlich a) für die mit Zuchthaus von höchstens 10 Jahren bedrohten (außer Meineid) und b) für einige bestimmte, einzeln aufgeführte Verbrechen mit Höchststrafe bis zu 15 Jahren (§ 24 Nr. 3 a—c a. F.). Für die übrigen, mit dem Tode oder mit Zuchthaus von mehr als 10 Jahren bedrohten Verbrechen und für Meineid war das Schwurgericht zuständig. Schließlich wurde die Möglichkeit geschaffen, die in die erstinstanzliche Zuständigkeit des Reichsgerichts fallenden Landesverratssachen (später auch die Hochverratssachen) den Oberlandesgerichten zu überweisen. Die Strafkammer war seitdem nur noch Berufungs-, Beschwerde- und Beschlußgericht. 1931 wurde — zunächst für sog. Monstreprozesse — die Zuständigkeit der erstinstanzlichen Strafkammer wiederhergestellt. Durch die VO vom 14. 6. 1932 erster Teil Kap. I Art. 1 § 1 wurde den Amtsgerichten ein erheblicher Teil ihrer Zuständigkeit wieder genommen und erneut den (großen) Strafkammern zur Entscheidung in erster Instanz übertragen. Und zwar erhielt die Strafkammer eine unbedingte Zuständigkeit für die mit Zuchthaus von höchstens 10 Jahren bedrohten Verbrechen (von einigen bestimmten Verbrechen abgesehen) und für einige Verbrechen mit höherer Höchststrafe. Für die in der Zuständigkeit der Schöffengerichte verbleibenden Sachen konnte die Staatsanwaltschaft, wenn Umfang und Bedeutung es rechtfertigten, durch entsprechenden Antrag die Strafkammerzuständigkeit begründen. D a s erweiterte Schöffen2716

Dritter Titel. Amtsgerichte (Schäfer)

§24 Anm. I 2, 3

gericht wurde aufgehoben. Bei Beginn des letzten Krieges wurde die Tätigkeit der Schöffenund Schwurgerichte eingestellt und durch die ZuständigkeitsVO vom 21.2. 1940 (RGBl. I S. 405) die Zuständigkeit zwischen dem Amtsrichter und der erstinstanzlichen Strafkammer nach dem Umfang der Strafgewalt dahin abgegrenzt, daß der Strafkammer grundsätzlich die Strafgewalt für alle Delikte, dem Amtsrichter aber ein Ausschnitt aus dieser Strafgewalt, nämlich die Befugnis zuerkannt wurde, ohne Rücksicht auf die Art des Delikts und die Höhe der angedrohten Strafe auf Freiheitsstrafe (Zuchthaus. Gefängnis und Festungshaft) bis zu 5 Jahren zu erkennen. Auf die Einzelheiten ist hier nicht einzugehen, ebensowenig auf die zonenrechtlich unterschiedliche Zuständigkeitsregeluns bis 1950. 2. Das Rechtsvereinheitlichungsgesetz vom 12. 9. 1950 (BGBl. 455) kehrte insofern zu dem seit der VO vom 14. 6. 1932 bestehenden Rechtszustand zurück, als es als erstinstanzliche Gerichte das Amtsgericht (Amtsrichter als Einzelrichter und Schöffengericht), die (große) Strafkammer, das Schwurgericht, den Bundesgerichtshof (und an seiner Stelle kraft Uberweisung im Einzelfalle das Oberlandesgericht) bestimmte. Die Zuständigkeit des Schwurgerichts und des Bundesgerichtshofs (Oberlandesgerichts) war danach eine unbedingte, nämlich für der Art nach bezeichnete Delikte (§§ 80. 134 a. F.). Dagegen war die Zuständigkeit des Amtsgerichts (Amtsrichter und Schöffengericht) und der (großen) Strafkammer teils unbedingt, teils tecingt. Und zwar war der Amtsrichter als Einzelrichter unbedingt zuständig a) für alle Übertretungen; b) für Vergehen, die im Wege der Privatklage verfolgt werden: c) für Vergehen, die mit keiner höheren Strafe als Gefängnis von 6 Monaten bedroht sind, hier aber mit der Einschränkung, daß ihm die Zuständigkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 a. F. auch entzogen werden konnte. Der Amtsrichter war bedingt zuständig a) für alle übrigen Vergehen unter der doppelten Bedingung, daß die Staatsanwaltschaft Anklage zum Einzelrichter erhebt und keine höhere Strafe als Gefängnis von einem Jahr zu erwarten ist: b) für Straftaten, die nur wegen Rückfalls Verbrechen sind, unter der zu a) bezeichneten doppelten Bedingung. Das Schöffengericht war (§§ 24. 25. 28) ohne weiteres zuständig a) für die nicht zur Zuständigkeit des Einzelrichters gehörenden Vergehen schlechthin: b) für Verbrechen (soweit nicht Schwurgericht oder Bundesgerichtshof zuständig war) in den Grenzen seiner Strafgewalt (Strafbanns). Die Strafgewalt des Schöffengerichts umfaßte alle Strafen bis zu 2 Jahren Zuchthaus und alle Maßregeln der Sicherung und Besserung außer Sicherungsverwahrung: das Schöffengericht war daher für alle Verbrechen zuständig, für die im Einzelfall eine die Grenzen seiner Strafgewalt nicht überschreitende Strafe zu erwarten ist und diese Grenze bei der Verhängung der Strafe innegehalten wird. Die Schöffengerichtszuständigkeit für Vergehen und Verbrechen war aber negativ dadurch bedingt, daß nicht die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Bedeutung des Falles Anklage bei der (großen) Strafkammer erhob. Deren Zuständigkeit war also a) eine unbedingte bei Verbrechen, die die Strafgewalt des Schöffengerichts übersteigen oder bei denen bei Anklaaeerhebung eine die Schöffengerichtsstrafgewalt übersteigende Strafe zu erwarten ist. b) eine bedingte bei Vergehen und Verbrechen, die in die Zuständigkeit des Schöffengerichts fallen, bei denen aber die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Bedeutung des Falles Anklage vor dem Landgericht erhob. 3. Spätere Änderungen. Dieser durch das Rechtsvereinheitlichungsgesetz geschaffene Rechtszustand erfuhr bis 1969 hauptsächlich folgende Änderungen: a) Durch die Strafrechtsänderungsgesetze vom 30. 8. 1951 (BGBl. I S. 739) u. 4. 8. 1953 (BGBl. I 735) und das Ges. vom 9. 8. 1954 (BGBl. II 729) wurde die unbedingte Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs ausgedehnt, b) für eine Reihe politischer Vergeheji und Verbrechen wurde eine durch die Übernahme der Verfolgung seitens des Generalbundesanwalts bedingte Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs begründet — Änderung des § 1 3 4 a. F. GVG.. Einfügung eines § 134 a G V G — c) durch das Strafrechtsänderungsges. vom 30. 8. 1951 wurde eine unbedingte Zuständigkeit der erstinstanzlichen (großen) Strafkammer für eine Reihe politischer Verbrechen und Vergehen begründet mit der Maßgabe, daß der Generalbundesanwalt durch Übernahme der Verfolgung wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs begründen konnte — Einfügung des § 74a G V G —. d) durch das Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. 8. 1953 wurde das erweiterte Schöffengericht (ohne Begründung einer bestimmten Zuständigkeit) wieder eingerichtet — Einfügung des § 29 Abs. 2 GVG - . 2717

§24 Anm. I 4; II; III 1 , 2

Gerichtsverfassungsgesetz

4. Geltende Zuständigkeitsregelung. Die Änderung des Strafensvstems durch das 1. S t r R G vom 2 5 . 6 . 1969 und der Übergang der erstinstanzlichen Zuständigkeit des B G H in Staatsschutzstrafsachen auf die Oberlandesgerichte (Ges. vom 8. 9. 1969) führten gegenüber dem zu 2. 3 dargestellten und im übrigen noch geltenden Rechtszustand zu Änderungen der §§ 74 a, 120 und zur Aufhebung der §§ 134. 134 a sowie bei § 24 in Abs. 2 zu einer Änderung des amtsgerichtlichen Strafbanns (statt ..zwei Jahre Zuchthaus" ..drei Jahre Freiheitsstrafe") und zu entsprechenden Änderungen der Nr. 2 des Abs. 1. in die zugleich der Inhalt der bisherigen Nr. 3 aufgenommen wurde, ferner bei 5 25 zur Streichung der Nr. 3. II. § 24 regelt die Zuständigkeit der Amtsgerichte, indem er sie gegen die Zuständigkeit von Gerichten höherer Ordnung abgrenzt. § 25 bestimmt, inwieweit eine nach § 24 begründete Zuständigkeit im Verhältnis zum Schöffengericht dem Amtsrichter als Einzelrichter gebührt; die danach verbleibenden amtsgerichtlichen Zuständigkeiten fallen nach § 28 dem Schöffengericht zu. III. Zu § 24 Abs. 1 Nr. 2. 1. Für Verbrechen und Vergehen, soweit nicht nach §§ 74 a. 80. 120 G V G die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts begründet ist. ist grundsätzlich das Amtsgericht zuständig. Dieser Grundsatz ist aber nach 2 Richtungen eingeschränkt: a) Die amtsgerichtliche (d. h. — im Hinblick auf § 25 Nr. 2 c — praktisch die schöffengerichtliche) Zuständigkeit entfallt, wenn im Einzelfall eine höhere Strafe als 3 Jahre Freiheitsstrafe oder die Anordnung einer Sicherungsverwahrung zu erwarten ist: b) unabhängig von der Straferwartung führt die verfassungskonforme Behandlung der ..beweglichen Zuständigkeit" (vgl. Anm. III 3 a zu § 16) dazu, daß die Staatsanwaltschaft, selbst wenn es sich um ein in die Zuständigkeit des Einzelrichters nach § 25 Nr. 2 b fallendes Vergehen handelt (was freilich schwer denkbar ist). Anklage zur Strafkammer erheben muß. wenn der Fall besondere Bedeutung hat. Eine unbedingte amtsgerichtliche Zuständigkeit ist daher nur in den Fällen des § 24 Abs. 1 Nr. 1 und des § 25 Nr. 2 a gegeben. 2. Besondere Bedeutung des Falles a) Begriffsbestimmung. Hierzu besagt Nr. 108 RiStBV: ..(1) Für Straftaten, für die eine ausschließliche Zuständigkeit höherer Gerichte nicht ausdrücklich begründet ist. ist grundsätzlich das Amtsgericht zuständig. (2) In Fällen von besonderer Bedeutung erhebt der Staatsanwalt Anklage beim Landgericht (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG). Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist sorgfältig zu prüfen. Die besondere Bedeutung einer Sache kann sich z. B. aus dem Ausmaß der Rechtsverletzung oder den Auswirkungen der Straftat ergeben. Dagegen rechtfertigt der Umfang der Strafsache allein die Annahme eines Falles von besonderer Bedeutung nicht. Dem Bedürfnis, eine grundsätzliche Rechtsfrage höchstrichterlich entscheiden zu lassen, genügt § 121 Abs. 2 G V G . (3) Erhebt der Staatsanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Anklage beim Landgericht, so gibt er in der Anklageschrift die Umstände an. in denen er die besondere Bedeutung des Falles erblickt, sofern dies nicht offensichtlich ist. (4) Liegen die Voraussetzungen für die Erhebung der Anklage beim Landgericht nicht vor. ist die Sache aber umfangreich, z. B. wegen der großen Zahl der Angeklagten oder Zeugen, so beantragt der Staatsanwalt, einen zweiten Amtsrichter zuzuziehen (§ 29 Abs. 2 GVG)." Diesen an die Staatsanwaltschaften gerichteten Weisungen ist hinzuzufügen: Soweit die Rechtspr. vor der Wiedereinführung des erweiterten Schöffengerichts die besondere Bedeutung einer Sache auch in ihrem Umfang sah (so z. B. O L G Bremen JZ 1953 150). ist sie durch die Schaffun« des § 29 Abs. 2 G V G überholt. Die besondere Bedeutung, die den Fall aus der Masse der durchschnittlichen Straftaten hervorhebt und seine Aburteilung durch ein Gericht höherer Ordnung rechtfertigt oder erforderlich macht, kann sich insbesondere aus dem Ausmaß der Rechtsverletzung (vgl. dazu O L G Karlsruhe Die Justiz 1968 210 betr. Entführung einer Minderjährigen mit dem Kraftfahrzeug und anschließende Notzucht) oder den Auswirkungen der Straftat auf die Allgemeinheit (vgl. O L G Köln N J W 1970 260. 261 betr. Landfriedensbruch) ergeben, sie kann darin bestehen, daß schwerwiegende 2718

Dritter Titel. Amtsgerichte (Schäfer)

§24 Anm. III 2

öffentl. Interessen, insbes. politischer Natur im Spiel sind oder daß ein Beteiligter (Täter oder Verletzter) an hervorgehobener Stelle im öffentlichen Leben steht (BayObLG BayJMBl. 1953 185; O L G e . Bremen JZ 1953 150 mit zust. Anm. von B u s c h ; Oldenburg M D R 1552 568 mit Anm. von D a l l i n g e r = N J W 1952 839; Nürnberg M D R 1960 68). Die hervorgehobene Stellung des Verletzten kann z. B. die besondere Bedeutung ausmachen, wenn ein Angriff auf seine Ehre das Vertrauen, dessen er zu einem von ihm bekleideten hohen Amt bedarf, untergraben und seine Tätigkeit wesentlich erschweren würde (BayObLG aaO.: zustimmend S c h r o e d e r M D R 1965 177, 179). Eine hervorgehobene Stellung des Täters allein verschafft dem Fall aber noch keine besondere Bedeutung ( S c h r o e d e r aaO.); es kommt auf die Gesamtheit der Umstände an ( O L G Schleswig SchlHA 1967 229). Kein Fall von.besonderer Bedeutung ist z. B. die einzelne Berufsverfehlung eines Rechtsanwalts ( O L G Bamberg M D R 1957 117), wohl aber eine Mehrzahl solcher Verfehlungen (BGH bei H e r l a n G A 1963 100). Ferner kann, wenn auch im allgemeinen zur Herbeiführung einer höchstrichterlichen Entscheidung bei einer grundsätzlichen Rechtsfrage der Weg des § 121 Abs. 2 zur Verfügung steht und ausreicht, im Einzelfall das Interesse an einer alsbaldigen Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs die Annahme besonderer Bedeutung rechtfertigen ( O L G Schleswig SchlHA 1956 23; 1967 269 und B G H N J W 1960 543). Zurückhaltung bei der Annahme besonderer Bedeutung des Falles gebietet schon die Erwägung, daß. wenn der Ausnahmecharakter der Anklageerhebung vor dem Landgericht nicht gewahrt bleibt, eine Überlastung des Bundesgerichtshofs und damit eine Verzögerung beim Abschluß des Strafverfahrens zu befürchten ist; auch ist zu berücksichtigen, daß das Verfahren vor dem A G dem Angeklagten den Vorteil von 2 Tatsacheninstanzen bietet, der ihm nicht ohne rechtfertigende Veranlassung entzogen werden darf ( O L G Oldenburg aaO.). b) Nachträgliche Änderung der Entschließung der StA. Hat die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Gericht, das sie als zuständig ansieht, erhoben, so ist eine nachträgliche Änderung nur dergestalt möglich, daß sie gemäß § 156 StPO die erhobene Anklage zurücknimmt und vor dem anderen Gericht Anklage neu erhebt (RGSt. 59 57; 62 265). Ein solches Vorgehen muß aber auf sachlich gerechtfertigten Erwägungen beruhen: eine mißbräuchliche Handhabung des Rücknahme- und „Wahlrechts" — etwa weil der Erfolg der Anklage durch die im Zwischenverfahren (§§ 198 ff. StPO) zutage getretene Auffassung des zuerst angegangenen Gerichts gefährdet erscheint — wäre ein Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G ) und würde für das später angegangene Gericht den Mangel der Zuständigkeit (§ 338 Nr. 4 StPO) begründen (BGHSt. 14 11, 17 = N J W 1960 542; s. aber auch - abweichend - BVerfGE 18 423. 428 in Fußn. zu Anm. III 4 zu § 16). Nach Eröffnung der Voruntersuchung oder des Hauptverfahrens ist eine Änderung der getroffenen Entschließung ausgeschlossen. c) Gerichtliche Nachprüfung. Der Eröffhungsrichter ist bei der ihm obliegenden selbständigen Prüfung des unbestimmten Rechtsbegriffs der besonderen Bedeutung des Falles an die Auffassung der Staatsanwaltschaft, daß ein Fall von besonderer Bedeutung vorliege oder nicht vorliege, nicht gebunden (vgl. K l e i n k n e c h t N J W 1966 215; s. auch den auf der Befolgung dieses Grundsatzes beruhenden § 120 Abs. 2 Satz 2). Denn bei einer Anklage zum Schöffengericht sind im Sinn des § 209 Abs. 3 StPO die für die Zuständigkeit des Schöffengerichts maßgebenden Voraussetzungen nicht erfüllt, wenn nach dem Ergebnis der Prüfung ein Fall von besonderer Bedeutung vorliegt und deshalb die Staatsanwaltschaft Anklage beim L G erheben müßte. Bei einer Anklage zur Strafkammer muß diese, wenn sie dem Fall besondere Bedeutung abspricht, nach § 209 Abs. 2 StPO das Verfahren vor dem Schöffengericht, im Fall des § 25 Nr. 2 b und c vor dem Einzelrichter eröffnen (BayObLG BayJMBl. 1953 186; O L G Oldenburg M D R 1952 568). Der Staatsanwaltschaft steht dagegen Beschwerde nach § 210 Abs. 2 StPO zu: das Beschwerdegericht ist bei einer Nachprüfung nicht an die rechtliche Bewertung der Tat durch das eröffenende Gericht gebunden ( O L G Köln N J W 1970 260). Hat aber die Strafkammer in der A n n a h m e besonderer Bedeutung des Falles die Eröffnung vor der Strafkammer beschlossen, so bleibt (vgl. § 269 StPO) ihre Zuständigkeit unanfechtbar bestehen, auch wenn bei näherer Prüfung die besondere Bedeutung zu verneinen ist (BGH bei H e r l a n G A 1963 100; VRS 23 267). Umgekehrt bleibt, wenn vor dem Amtsgericht eröffnet ist, weil dem Fall die besondere Bedeutung fehle, dessen Zuständigkeit bestehen, auch wenn sich in der Hauptververhandlung die beson-

2719

§24 Anm. III 3; IV 1 - 4

Gerichtsverfassungsgesetz

dere Bedeutung des Falles ergibt, denn nach Sinn und Zweck des Gesetzes beschränkt sich die Prüfung der sachlichen Zuständigkeit im Hinblick auf das Merkmal der besonderen Bedeutung des Falles auf das Stadium von Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens (ebenso Kl 4 C). 3. Nachprüfung der Straferwartung. Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts (Schöffengerichts) ist beschränkt auf solche Verfahren, bei denen im Einzelfall eine höhere Strafe als drei Jahre Freiheitsstrafe und die Anordnung von Sicherungsverwahrung nicht zu erwarten ist. Hält der zur Entscheidung über den Eröffnungsbeschluß zuständige Amtsrichter hiernach die Zuständigkeit des Schöffengerichts nicht für gegeben, so lehnt er die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht ab, sondern legt gemäß § 209 Abs. 3 StPO die Sache dem LG zur Entscheidung vor. Stellt sich erst in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht heraus, daß eine die schöffengerichtliche Strafgewalt übersteigende Strafe oder Sicherungsverwahrung zu erwarten ist, so verweist das Schöffengericht im Hinblick auf § 24 Abs. 2 die Sache gemäß § 270 StPO an das zuständige Gericht. Im Stadium nach Eröffnung bis zur Hauptverhandlung kann die Abgabe durch Beschluß in entsprechender Anwendung des § 209 Abs. 3 StPO erfolgen (BGHSt. 18 290). IV. Strafgewalt des Amtsgerichts (Zu Absatz 2) 1. Absatz 2 umgrenzt die Strafgewalt des Amtsgerichts (des Schöffengerichts wie des Einzelrichters), die es bei der Urteilsfällung nicht überschreiten darf. Aus § 24 Abs. 1 Nr. 2 würde sich eine solche Begrenzung noch nicht ergeben. Denn wenn dort auch die amtsgerichtliche Zuständigkeit auf Fälle beschränkt ist, in denen die Überschreitung einer bestimmten Strafhöhe und die Anordnung von Sicherungsverwahrung nicht zu erwarten ist (nämlich im Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens), so würde daraus noch nicht folgen, daß die einmal begründete Zuständigkeit entfiele, wenn sich erst in der Hauptverhandlung die Notwendigkeit einer höheren Strafe oder der Sicherungsverwahrungsanordnung ergibt (vgl. dazu Anm. 5 b zu § 25 GVG). Erst § 24 Abs. 2 begründet diese Folgerung. 2. Freiheitsstrafe. Mit einer 3 Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe können Geldstrafe (im Fall des § 74 Abs. 2 Satz 2 StGB, auch wenn die Summe der Ersatzfreiheitsstrafe und der primären Freiheitsstrafe 3 Jahre übersteigt), Nebenstrafen und Nebenfolgen sowie sämtliche Maßregeln der Sicherung und Besserung mit Ausnahme der Sicherungsverwahrung verbunden werden, ohne daß die Strafgewalt damit überschritten würde (ebenso M ü l l e r - S a x 4 b , aa, 1). 3. Gesamtstrafe. Drei Jahre Freiheitsstrafe stellt die höchste Strafe dar, die das Amtsgericht in einem Urteil aussprechen kann, gleichviel ob diese Strafe für eine Tat oder als Gesamtstrafe für mehrere Taten verhängt wird. Dies ist im § 462 a StPO bzgl. der nachträglichen Festsetzung einer Gesamtstrafe durch Beschluß ausdrücklich ausgesprochen und gilt daher auch für die urteilsmäßig gebildete Gesamtstrafe, gleichviel ob das erste Urteil die Gesamtstrafe festsetzt oder ob es sich um eine Gesamtstrafe gemäß § 76 StGB handelt (h. M.; vgl. z. B. O L G Hamm JMB1. N R W 1953 287; 4 M ü l l e r - S a x 4 b , aa, 1). Infolgedessen ist die amtsgerichtliche Zuständigkeit zur Verhängung einer zu einer Gesamtstrafe zu vereinigenden Zusatzstrafe ohne Rücksicht auf deren Höhe ausgeschlossen, wenn bereits eine rechtskräftige Einsatzstrafe von 3 Jahren Freiheitsstrafe oder mehr vorliegt, oder wenn sie zwar geringer ist, aber bei Einbeziehung der vorangegangenen Strafe eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe zu erwarten ist ( O L G Schleswig SchlHA 1951 143). Ist dagegen die erste Strafe noch nicht rechtskräftig und infolgedessen eine Gesamtstrafbildung mit einer neu zu erkennenden nicht zulässig, so kann das Amtsgericht bei der neuen Strafe seine Strafgewalt ausschöpfen; die nachträgliche Gesamtstrafenbildung steht dann gemäß § 462 a StPO, wenn eine Gesamtstrafe von mehr als 3 Jahren Freiheitsstrafe in Frage steht, dem Landgericht zu. 4. Durch § 24 Abs. 2 ist auch die Strafgewalt der Strafkammer als Berufungsgericht begrenzt (OLGe. Düsseldorf M D R 1957 118; CeUe N J W 1961 791; M D R 1963 522). Ist jedoch Berufungsgericht die große Strafkammer, so kann sie, wenn sie eine die Grenze des § 24 Abs. 2 übersteigende Strafe für geboten hält, gemäß § 328 Abs. 2, 3 StPO unter Auf2720

Dritter Titel. Amtsgerichte (Schäfer)

§ 2 4 Anm. IV 5 § 2 5 Anm. 1, 2

hebung des ersten Urteils und unter Beachtung der für die erstinstanzliche Strafkammer geltenden Vorschriften, selbst auf diese erkennen; das Urteil ist dann ein erstinstanzliches Strafkammerurteil, und die Revision geht an den BGH (BGHSt. 21 229, 230). Und zwar darf die große Strafkammer auch ohne nähere Sachprüfung alsbald zu Beginn der Hauptverhandlung als Gericht des ersten Rechtszuges verhandeln, wenn die bisherigen Verfahrensergebnisse und die Verfahrenslage die Annahme nahelegen, daß die Strafgewalt des Schöffengerichts überschritten werden wird. Dieses Verfahren wird nicht dadurch unzulässig, daß die Strafkammer schließlich doch eine Strafe innerhalb des amtsgerichtlichen Strafbanns ausspricht, denn wenn sie einmal ihre erstinstanzliche Zuständigkeit angenommen hat, darf sie nicht mehr als Berufungsgericht verhandeln (BGH aaO.). Ein Urteil der großen Strafkammer ist ferner auch dann bei Überschreitung der Grenzen des § 24 Abs. 2 als erstinstanzliches Urteil anzusehen und als solches mit der Revision beim BGH anfechtbar, wenn die Strafkammer die für das Verfahren in erstinstanzlichen Verhandlungen geltenden Vorschriften beachtet hat, insbesondere nicht von dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme abgewichen ist; es spielt dann keine Rolle, daß sie erkennbar als Berufungsgericht tätig werden wollte (BGHSt. 23 283 = NJW 1970 1614 = MDR 1970 777). Hat die Strafkammer dagegen als Berufungsgericht — weil sie nur eine Berufungsverhandlung durchführte — die Strafgewalt des Amtsgerichts überschritten, so kann das Urteil nicht als erstinstanzliches behandelt werden; der Fehler ist trotz des § 338 Nr. 4 StPO als Mangel einer Prozeßvoraussetzung von Amts wegen zu beachten (BGH NJW 1970 155 = M D R 1970 159 = GA 1970 342; OLG Köln GA 1971 27). Zu der Frage, ob für die Revision das OLG oder der BGH zuständig ist, wenn die Strafkammer als Berufungsgericht zu Unrecht die Grenze des § 24 überschritten hat, vgl. auch OLG Celle MDR 1963 522; S a r s t e d t , Revision 34f. und K a p p e JR 1958 209. 5. Überschreitung der Strafgewalt macht die Entscheidung anfechtbar; wird die Entscheidung aber rechtskräftig, so heilt die Rechtskraft den Mangel.

§25 Der Richter beim Amtsgericht allein entscheidet bei 1. Übertretungen; 2. Vergehen, a) wenn sie im Wege der Privatklage verfolgt werden, b) wenn die Tat mit keiner höheren Strafe als Freiheitsstrafe von sechs Monaten allein oder in Verbindung mit anderen Strafen oder mit Nebenfolgen bedroht ist c) wenn die Staatsanwaltschaft Anklage zum Einzelrichter erhebt und keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von einem Jahr zu erwarten ist. Entstehungsgeschichte. Durch das 1. StrRG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) wurden in Nr. 2 b und c das Wort „Gefängnis" durch „Freiheitsstrafe" ersetzt und die Nr. 3 (betr. Rückfallsverbrechen) gestrichen; durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) wurde das Wort „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht" ersetzt. 1. Während § 24 die Zuständigkeit des Amtsgerichts gegenüber der des Landgerichts und anderen Gerichten höherer Ordnung abgrenzt, regelt § 25 die Aufteilung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit zwischen dem Amtsrichter als Einzelrichter und dem Schöffengericht, dem die nicht dem Einzelrichter nach § 25 übertragene amtsgerichliche Zuständigkeit zufallt (§ 28). Und zwar ist in den Fällen der Nr. 1 , 2 a und, wenn nicht die landgerichtliche Zuständigkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 in Betracht kommt, in den Fällen der Nr. 2 b nur die Zuständigkeit des Einzelrichters gegeben. Wegen der Bedeutung des § 2 5 Nr. 2 c vgl. unten Anm. 5. 2. Zu Nr. 1. Übertretungen sind nach der „abstrakten Betrachtungsweise" (vgl. § 1 Abs. 4 StGB) auch die mit Vergehensstrafe bedrohten „besonders schweren Fälle" von Übertretungen, z. B. nach § 30 der NaturschutzVO vom 18. 3. 1936 - RGBl. I S. 181 (BGHSt. 3 47; NJW 1958 1194; BayObLG NJW 1952 988). Der in § 25 bestimmten Zu2721

§ 25 Anm. 3 , 4

Gerichtsverfassungsgesetz

ständigkeit des Einzelrichters für leichte kriminelle Zuwiderhandlungen entspricht seine Zuständigkeit, bei Ordnungswidrigkeiten nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde zu entscheiden (§ 68 OWiG). 3. Zu Nr. 2 a. Übernahme des Privatklageverfahrens. Übernimmt die Staatsanwaltschaft gemäß § 377 Abs. 2, 3 StPO in einer Strafsache, die der Verletzte im Weg der Privatklage betreibt, im Lauf des Verfahrens die Verfolgung, so gilt folgendes: Die mit Privatklage verfolgbaren Vergehen unterliegen der unbedingten Zuständigkeit des Amtsrichters nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 a nur, wenn sie tatsächlich im Wege der Privatklage verfolgt werden. Abgesehen von § 25 Abs. 1 Nr. 2 a gehören zur Zuständigkeit des Amtsrichters nach § 25 Nr. 2 b von den mit Privatklage verfolgbaren Vergehen nur der leichte Hausfriedensbruch (§ 123 Abs. 1 StGB), die Bedrohung (§ 241 StGB), die Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 299 StGB) und gewisse Verletzungen des Urheberrechts; im übrigen gehören sie, wenn sie nicht mit Privatklage verfolgt werden, zur Zuständigkeit des Schöffengerichts, können aber von der Staatsanwaltschaft sowohl beim Amtsrichter allein ( § 2 5 Nr. 2c) als auch wegen besonderer Bedeutung (§ 24 Abs. 1 Nr. 2) bei der Strafkammer angeklagt werden. Es fragt sich nun, ob die durch Erhebung der Privatklage begründete Zuständigkeit erlischt, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren übernimmt, und ob — im Falle der Bejahung oder der Verneinung dieser Frage — die Staatsanwaltschaft bei oder nach der Übernahme die sachliche Zuständigkeit noch beeinflussen kann. Nach der Auslegung, die die Rechtsprechung dem § 377 Abs. 2, 3 gegeben hat (vgl. BGHSt. 11 56, 61) tritt die Staatsanwaltschaft in das laufende Verfahren ein; sie übernimmt es in der Lage, in der sie es vorfindet, und setzt es in dieser Lage fort. Daraus ergibt sich, daß trotz der im vorigen Absatz erwähnten gesetzlichen Regelung die Zuständigkeit des Amtsrichters bestehen bleibt, wenn die Staatsanwaltschaft in das Verfahren eintritt. Allerdings richtet sich von der Übernahme an das Verfahren nach den Vorschriften über das auf öffentliche Klage erhobene Verfahren. Daraus ergibt sich aber nicht, daß die Staatsanwaltschaft gemäß § 156 StPO die Klage zurücknehmen kann, solange das Hauptverfahren noch nicht eröffnet ist, denn sie würde damit den bisherigen Privatkläger rechtlos stellen. Ohne dessen Zustimmung kann sie die Klage auch nicht zu dem Zweck zurücknehmen, um sie vor einem anderen Gericht neu zu erheben (BayObLGSt. 1962 75, 77; B u s c h LM Nr. 1 zu § 7 StPO). Die Sachlage ist daher nicht anders, als wenn sie die Verfolgung erst nach Eröffnung des Privatklageverfahrens übernimmt: der Amtsrichter bleibt sachlich zuständig, und es kann auch in den höheren Instanzen nicht mehr Zurückverweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit des Amtsrichters verlangt werden (so schon für das frühere Recht von 1924 KGJ 36 Erg C 7, S c h l e g e l b e r g e r - N a g e l Anm. 2 zu § 2 5 ; a. M. W e r t h a u e r Privatklage 76, 77). 4. Zu Nr. 2b: Hier ist entscheidend, ob die für ein Vergehen der angeklagten Art angedrohte Freiheitsstrafe nicht höher ist als 6 Monate Freiheitsstrafe; daß es sich um ein nach Art und Höchstmaß der Strafe leichtes Vergehen handelt, bildet den Grund für die Zuweisung in die einzelrichterliche Zuständigkeit. Infolgedessen greift Nr. 2b — nicht Nr. 2c — auch Platz, wenn eine Mehrheit derartiger Straftaten angeklagt wird, auch wenn eine sechs Monate übersteigende Gesamtstrafe zu erwarten ist (ebenso Kl 3 C; E b S c h m i d t 4; a. M. M ü l l e r - S a x 2c 1, die das Wort „Tat" im verfahrensrechtlichen Sinn verstehen — geschichtlicher Vorgang, der den Gegenstand der Anklage bildet —). Wie bei § 24 Abs. 2 GVG (vgl. dort Anm. IV 2), so ist auch hier nur die Androhung von Freiheitsstrafe als der schwersten Strafart maximal begrenzt. Die Voraussetzung der Nr. 2 b ist auch gegeben, wenn die Summe einer primären Freiheitsstrafe und der Ersatzfreiheitsstrafe für eine daneben angedrohte Geldstrafe 6 Monate überschreiten kann. „Nebenfolgen" sind auch sämtliche neben der angedrohten Freiheitsstrafe zulässigen Maßregeln der Sicherung und Besserung mit Ausnahme der Sicherungsverwahrung (§ 24 Abs. 2). OLG Tübingen NJW 1953 1444 - § 24 Abs. 1 Nr. 2 b begründet im Verhältnis zum Schöffengericht die Zuständigkeit des Einzelrichters dergestalt, daß die Staatsanwaltschaft Anklage nur vor ihm, nicht vor dem Schöffengericht erheben kann; dagegen bleibt es der Staatsanwaltschaft unbenommen, wegen der besonderen Bedeutung des Falles gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 Anklage beim Landgericht zu. erheben. 2722

Dritter Titel. Amtsgerichte (Schäfer)

§25 Anm. 5

5. Zu Nr. 2 c a) Anwendungsbereich. Die Vorschrift bezweckt, geeignete einfachere Sachen im Interesse der Beschleunigung und Vereinfachung vor den Einzelrichter zu bringen. Nach Nr. 108 Abs. 5 RiStBV soll die Staatsanwaltschaft von der Befugnis zur Anklage beim Einzelrichter weitgehend Gebrauch machen. Nr. 2 c stellt — wie § 24 Abs. 1 Nr. 2 —, wenn eine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von 6 Monaten angedroht ist, auf das Höchstmaß der im Einzelfall zu erwartenden Strafe ab; bei Tatmehrheit kommt es — anders als bei § 25 Nr. 2 b — auf die zu erwartende Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe an (ebenso M ü l l e r - S a x 3 b). Auch hier gilt (wie bei § 25 Nr. 2b), daß durch neben der Freiheitsstrafe angedrohte andere Strafen, z. B. eine zusätzliche Geldstrafe nach § 266 StGB, und durch zulässige Nebenfolgen (= Nebenstrafen und Maßregeln der Sicherung und Besserung jeder Art außer Sicherungsverwahrung; OLG Tübingen NJW 1953 1444) die Zuständigkeit nicht berührt wird. b) Anklage zum Einzelrichter. Nach dem Gesetzeswortlaut ist Voraussetzung der Zuständigkeit des Einzelrichters, daß die Staatsanwaltschaft zu ihm Anklage erhebt. Das wurde früher dahin verstanden, daß der Staatsanwaltschaft ein „Wahlrecht" eingeräumt sei, Anklage zum Einzelrichter oder zum Schöffengericht zu erheben; der angegangene Einzelrichter habe nur die Höchststraferwartung zu prüfen, die Ausübung des „Wahlrechts" sei einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen; demgemäß bedürfe es auch keiner Darlegung in der Anklageschrift über die Gründe für die Ausübung des „Wahlrechts" in diesem oder jenem Sinn (OLG Köln NJW 1962 1358). Dieser Betrachtungsweise ist durch BVerfGE 22 254 = NJW 1967 2151 (dazu kritisch S c h m i d t - S a l z e r NJW 1968 32 = MDR 1967 983; G r ü n w a l d JuS 1968 452) der Boden entzogen. Danach verlangt der Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) eine verfassungskonforme Auslegung des § 25 Nr. 2 c dahin, daß er sich nur auf Strafsachen „von minderer Bedeutung" bezieht. Die Staatsanwaltschaft hat danach kein „Wahlrecht", sondern nur den dem unbestimmten Rechtsbegriff der „Sache von minderer Bedeutung" entsprechenden Beurteilungsspielraum. Die Anklageerhebung zum Einzelrichter oder zum Schöffengericht bedeutet nur einen Zuständigkeitsvorschlag; der Eröffnungsrichter hat selbständig zu prüfen, ob es sich um eine „Sache von minderer Bedeutung" handelt. Der Einzelrichter, bei dem angeklagt wird, verfahrt also, wenn er die mindere Bedeutung verneint, nach § 209 Abs. 3 StPO (vgl. A r n d t SchlHA 1966 31). Wird Anklage zum Schöffengericht erhoben, und mißt der Vorsitzende der Sache nur mindere Bedeutung bei, so eröffnet er nach § 209 Abs. 2 vor dem Einzelrichter. Wie bei dem Merkmal der „besonderen Bedeutung" (vgl. III 4 zu § 24) beschränkt sich die Zuständigkeitsprüfung, soweit sie die Wertung als „Sache von minderer Bedeutung" betrifft, auf das Stadium von Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens. c) Strafgewalt des Einzelrichters. Streit besteht, wie der Einzelrichter zu verfahren hat, wenn er nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr für verwirkt ansieht. Nach der einen Auffassung begrenzt § 25 Nr. 2 c die Strafgewalt des Einzelrichters dergestalt, daß er auf eine ein Jahr übersteigende Freiheitsstrafe nicht erkennen darf, vielmehr die Sache gemäß § 270 StPO vor das Schöffengericht verweisen muß (so S c h w i t z k e NJW 1953 930; M ü l l e r - S a x 6; E b S c h m i d t 10). Nach der herrschenden Auffassung verbleibt es bei der durch Erhebung der Anklage und Eröffnung des Hauptverfahrens begründeten Zuständigkeit des Einzelrichters dergestalt, daß er auf jede in die Strafgewalt des Amtsgerichts fallende Strafe (§ 24 Abs. 2) erkennen darf (so BGHSt. 16 248 = NJW 1961 2316; BayObLGSt. 1951 452; OLGe. Braunschweig NJW 1951 674; Köln GA 1957 24; B r a n d s t e t t e r DRZ 1950 514; G e i g e r SJZ 1950 712; K e r n M D R 1950 584; N ü s e JR 1950 517; 1951 31; P e t e r s 112; D a l c k e - F u h r m a n n - S c h ä f e r Anm. 4; D a l i i n g e r Anm. 4; Kl 5). Den Vorzug verdient die letztere Auffassung. § 2 4 Abs. 2, auf den die Gegenmeinung verweist, ist, wie in Anm. IV 1 zu § 24 dargelegt ist, keineswegs eine Vorschrift, die lediglich den Sinn des § 24 Abs. 1 Nr. 2 klarstellt, sondern ist eine Vorschrift von selbständiger Bedeutung. Daß, wo das Gesetz die Zuständigkeit oder die Zulässigkeit eines bestimmten Verfahrens nach der zu erwartenden Strafe bemißt, eine solche Vorschrift nicht das Verbot enthält, eine höhere als die bei Anklageerhebung zu er2723

§ 25 Anm. 6, 7

Gerichtsverfassungsgesetz

wartende Strafe zu verhängen, zeigt deutlich § 39 JGG. Dessen Abs. 1 bestimmt, daß der Jugendrichter als Einzelrichter zuständig ist, wenn nur Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und zulässige Nebenstrafen und -Folgen zu erwarten sind und der Staatsanwalt Anklage beim Einzelrichter erhebt; gleichwohl kann der Jugendrichter, wenn sich entgegen der ursprünglichen Erwartung später herausstellt, daß Jugendstrafe erforderlich ist, auf diese erkennen, denn § 39 Abs. 2 JGG verbietet dem Jugendrichter nur, auf Jugendstrafe von mehr als einem Jahr oder von unbestimmter Dauer zu erkennen. In § 232 Abs. 1 StPO ist zwar die Zulässigkeit einer Hauptverhandlung gegen den ausgebliebenen Angekl. auf den Fall beschränkt, daß keine höhere Hauptstrafe als Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu erwarten ist und zugleich das Verbot der Verhängung einer höheren Strafe ausgesprochen; aber hier hat der Gesetzgeber eine ausdrückliche, das Höchstmaß der zulässigen Strafe begrenzende Vorschrift für erforderlich erachtet (§ 232 Abs. 1 Satz 2). Es hätte mithin, um die Strafgewalt des Einzelrichters nach § 25 GVG zu begrenzen, einer ausdrücklichen Vorschrift bedurft, die den Strafbann beschränkt. Aus dem Fehlen einer solchen Vorschrift kann nur der Schluß gezogen werden, daß im Fall des § 25 Nr. 2 c, wenn eine Überschreitung der zunächst erwarteten höchsten Strafe sich später als erforderlich erweist, der Einzelrichter, ohne seine Zuständigkeit zu verlieren, diese im Rahmen des § 24 Abs. 2 auszusprechen hat. Dies Ergebnis ist um so weniger befremdlich, als der Einzelrichter nach § 25 Nr. 2 a (wegen z. B. § 187 StGB i. Verb. m. § 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO) und nach § 25 Nr. 2b (bei Tatmehrheit) auf eine ein Jahr übersteigende Freiheitsstrafe erkennen kann. 6. Strafbefehl. Nach § 407 Abs. 1, 2 StPO kann die Staatsanwaltschaft den Erlaß eines Strafbefehls durch den Amtsrichter als Einzelrichter auch in den Fällen beantragen, in denen bei Anklageerhebung nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG das Schöffengericht zur Entscheidung berufen wäre. Trägt aber der Einzelrichter Bedenken, den Strafbefehl zu erlassen, weil er eine Hauptverhandlung für erforderlich hält (§ 408 Abs. 2 StPO) oder erhebt der Beschuldigte Einspruch gegen den Strafbefehl, so findet die Hauptverhandlung vor dem Amtsrichter als Einzelrichter nur statt, wenn es sich um eine Tat handelt, für die nach § 25 Nr. 2 b und c GVG seine gesetzliche Zuständigkeit begründet ist. Der in § 407 Abs. 3 StPO bezeichnete Antrag der Staatsanwaltschaft hat im Hinblick auf BVerfGE 22 259 nur die Bedeutung eines Zuständigkeitsvorschlags (vgl. Anm. 9 zu § 407); er bindet nicht, wenn er gestellt wird, und entbindet nicht von der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 25 Nr. 2 c, die „mindere Bedeutung der Sache" gegeben sind, wenn er nicht gestellt wird. Damit hat die früher erörterte Frage, ob und wie lange der „zugleich" mit dem Antrag auf Erlaß des Strafbefehls zu stellende Antrag der Staatsanwaltschaft nachholbar sei (vgl. Anm. 6 der Voraufl.), ihre Bedeutung verloren, da sich bei einem bloßen Vorschlag die Nachholbarkeit aus der Natur der Sache ergibt (vgl. auch § 33 Abs. 2 StPO). Wenn Nr. 175 RiStBV vorschreibt, daß bei Beantragung eines Strafbefehls gegebenenfalls „gleichzeitig" der in § 407 Abs. 3 bezeichnete Antrag zu stellen sei, so muß dies jetzt als eine Weisung an die Staatsanwaltschaft verstanden werden, schon bei dem Strafbefehlsantrag ihre Auffassung kundzutun, ob sie, falls es zur Hauptverhandlung kommt, die Zuständigkeit des Schöffengerichts oder des Einzelrichters als gegeben ansieht. 7. Entscheidung durch das unzuständige Gericht. Hat der Amtsrichter in einem Fall entschieden, in dem wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 25 das Schöffengericht hätte entscheiden müssen, so ist in den Rechtsmittelzügen des Urteil (nach § 328 Abs. 3 oder § 355 StPO) aufzuheben und die Sache ist an das sachlich zuständige Gericht zurückzuverweisen; denn Amtsrichter und Schöffengericht sind im Sinne der Zuständigkeitsvorschriften Gerichte verschiedener Ordnung (vgl. RGSt. 62 265, 270; BGHSt. 18 79, 83, 173, 176; 19 177; NJW 1964 505). Das gleiche gilt für Jugendrichter und Jugendschöffengericht (BayObLG Zbl. JR 1961 335). Das Revisionsgericht hat in einem solchen Falle unmittelbar an das Schöffengericht zurückzuverweisen (OLG Hamburg GA 71 114, M a n n h e i m JW 1925 2812, 1928 838; a. M. OLG Dresden JW 1928 3013). Die Zurückverweisung kann aber in sinngemäßer Anwendung des § 354 Abs. 3 StPO nach Zweckmäßigkeitsgründen an den Einzelrichter erfolgen, wenn infolge Beschränkung des Rechtsmittels nur noch über einen Nebenpunkt zu entscheiden ist, für den die Zuständigkeit des Amtsrichters ausreicht (vgl. BayObLGSt. 1962 85). 2724

Dritter Titel. Amtsgerichte (Schäfer)

§ 2 5 Anm. 8 § 2 6 Anm. 1

Das Vorhandensein der sachlichen Zuständigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen für alle Instanzen zu prüfen (vgl. Einleitung S. 128). Anders liegt der Fall, wenn statt des Amtsrichters das Schöffengericht entschieden hat. Dann ist die Zurückverweisung nicht zulässig; es steht ihr die Vorschrift des § 269 StPO entgegen. Wird eine zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehörige Strafsache bei einem Amtsgericht ohne Schöffengericht anhängig gemacht, so ist die Entscheidung über die Anklage abzulehnen oder der Staatsanwaltschaft die Zurücknahme anheimzugeben (BayObLG H R R 1926 Nr. 641). 8. Verfahren in Feld- und Forstrügesachen a) Die auf Grund des § 3 Abs. 3 EGStPO erlassenen landesrechtlichen Vorschriften, nach denen in Feld- und Forstrügesachen der Amtsrichter allein entscheidet, werden durch die Regelung in §§ 24—25 GVG nicht berührt. Das gilt auch, soweit es sich bei den in diesem Verfahren abzuurteilenden Strafsachen um Vergehen handelt, die mit einer höheren Strafe als Freiheitsstrafe von sechs Monaten bedroht sind, also nach den Zuständigkeitsvorschriften des GVG zur Zuständigkeit des Schöffengerichts (mit „Wahlrecht" sowohl zum Amtsrichter als auch zur Strafkammer) gehören würden. Solche landesrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften gelten aber bei Verfehlungen Jugendlicher und Heranwachsender nicht, auch wenn das Landesrecht sie nicht ausdrücklich von der Geltung dieser Vorschriften ausnimmt. Das ergibt sich daraus, daß das J G G keine Abweichungen von seiner Zuständigkeitsregelung für Feld- und Forstrügesachen vorsieht und landesrechtliche Abweichungen mit der Grundkonzeption des JGG unvereinbar sind (vgl. dazu eingehend Anm. 12 der Vorauf!, zu § 24). So bestimmt denn auch z. B. das Hess. Feld- und Forststrafges. vom 30. 3. 1954 (GVB1. 39), das im übrigen in § 33 Abs. 1 für die nach diesem Gesetz strafbaren Hendlungen, auch soweit sie Vergehen sind, die Zuständigkeit des Amtsrichters als Einzelrichter begründet, in §§ 33 Abs. 2, 34, daß bei Verfehlungen Jugendlicher und Heranwachsender die Zuständigkeitsregelung des J G G gilt.

§26 (1) Für Straftaten Erwachsener, durch die ein Kind oder ein Jugendlicher verletzt oder unmittelbar gefährdet wird, sowie für Verstöße Erwachsener gegen Vorschriften, die dem Jugendschutz oder der Jugenderziehung dienen, sind neben den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten auch die Jugendgerichte zuständig. Die § § 2 4 und 25 gelten entsprechend. (2) In Jugendschutzsachen soll der Staatsanwalt Anklage bei den Jugendgerichten nur erheben, wenn in dem Verfahren Kinder oder Jugendliche als Zeugen benötigt werden oder wenn aus sonstigen Gründen eine Verhandlung vor dem Jugendgericht zweckmäßig erscheint. Hierzu vgl. aus den „Richtlinien zum J G G " zu § 121 J G G : „Es empfiehlt sich, nach Möglichkeit bei den Landgerichten im Wege der Geschäftsverteilung die landgerichtlichen Jugendschutzsachen einer bestimmten Strafkammer als Jugendschutzkammer zuzuweisen." Entstehungsgeschichte: Die Fassung des § 26 beruht auf § 121 JGG. § 26 knüpft an die Regelung an, die unter der Herrschaft des RJGG vom 6. 11. 1943 die sog. Jugendschutzsachen in II der AV des Reichsjustizministers vom 14. 1. 1944 (Deutsche Justiz S. 37) gefunden hatten. Dort waren eine Reihe von Gesetzesverstößen Erwachsener gegen Kinder und Jugendliche und gegen Vorschriften zum Schutz von Kindern und Jugendlichen dem Jugendrichter und der Jugendkammer im Wege der Geschäftsverteilung zur Aburteilung zugewiesen. 1. Zweck und Anwendungsbereich. Grundgesetzmäßigkeit. Während das J G G die sachliche Zuständigkeit des Gerichts in den Fällen regelt, in denen Jugendliche oder Heranwachsende Täter strafbarer Handlungen sind, regelt § 26 i. Verb, mit § 74 b die Zuständigkeit in dem Fall, daß sich die Straftat eines Erwachsenen gegen ein Kind oder einen Jugendlichen richtet oder eine dem Jugendschutz oder der Jugenderziehung dienende Vorschrift 2725

§ 26 Anm. 2, 3

Gerichtsverfassungsgesetz

verletzt. Hier wird zunächst dem Staatsanwalt die Entschließung überlassen, ob er Anklage vor dem an sich zuständigen allgemeinen Gericht (dem „Erwachsenengericht") erheben will oder ob er die Sache vor die (an sich nicht zuständigen) Jugendgerichte ( § 3 3 Abs. 2—4 JGG) bringen will. Das verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G (BGHSt. 13 297 = NJW 1960 56 = LM Nr. 3 m. Anm. K o h l h a a s ) . Denn der Beurteilungsspielraum des Staatsanwalts ist durch die Richtlinien des Absatzes 2 eingeengt. Auch aus BVerfGE 22 254 (vgl. Anm. 5 b zu § 25) ergeben sich keine anderen Folgerungen, weil es sich hier nur um das Angehen gleichgeordneter Gerichte handelt (a. M. M o l l e r MDR 1966 100). Zweck der Vorschrift ist, in geeigneten Fällen die besondere Sachkunde und Erfahrung des Jugendgerichts nutzbar zu machen, z. B. wenn es sich um die Bewertung der Aussagen von Kindern oder Jugendlichen als Zeugen oder um die für das Ob und Wie der Bestrafung erforderliche sachkundige Abmessung des durch eine Straftat angerichteten Schadens handelt. Nicht hierher gehören die Fälle, daß an einer Straftat der in Frage kommenden Art Erwachsene und Jugendliche beteiligt sind (vgl. hierzu § 103 JGG) oder daß jemand mehrere der in § 26 bezeichneten Straftaten teils als Erwachsener, teils als Heranwachsender oder Jugendlicher begangen hat, die gleichzeitig abgeurteilt werden (vgl. hierzu § 32 JGG). 2. Jugendschutzsachen (zu Absatz 1). § 26 setzt voraus, daß der Täter die Tat als Erwachsener, d. h. nach Vollendung des 21. Lebensjahres begangen hat. Und zwar kommen als „Jugendschutzsachen" in Betracht: a) Straftaten jeder Art, durch die ein Kind (= Person unter 14 Jahren, § 1 Abs. 3 JGG) oder Jugendlicher (= Person unter 18 Jahren, § 1 Abs. 2 JGG) verletzt oder unmittelbar gefährdet worden ist. Verletzung ist jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen, sittlichen oder charakterlichen Entwicklung. Eine unmittelbare Gefahrdung ist die Schaffung der unmittelbaren Gefahr einer solchen Beeinträchtigung (ebenso D a l l i n g e r - L a c k n e r [1] 9 zu § 121 JGG, M ü l l e r - S a x l b , aa; E b S c h m i d t 4). In Betracht kommen z. B. Körperverletzung (insbes. § 223 b StGB), Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind, aber z. B. im allgemeinen nicht Vermögensdelikte gegen die Eltern des Kindes, die mittelbar dessen vermögensrechtliche Interessen beeinträchtigen ( E b S c h m i d t 4). Straftaten gegen Heranwachsende (18 bis noch nicht 21jährige, § 1 Abs. 2 JGG) gehören nicht hierher. b) Straftaten gegen Vorschriften, die nach ihrem Inhalt gerade dem Schutz oder der Erziehung der Jugend dienen, wobei „Jugend" hier in einem weiteren, auch die Heranwachsenden umfassenden Sinn zu verstehen ist. Hierher gehören z. B. Straftaten nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB (BGHSt. 13 53, 58), §§ 175 Abs. 1 Nr. 2, 182 StGB, ferner, soweit sie mit krimineller Strafe bedroht sind, Verstöße gegen Schulpflichtvorschriften, gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz vom 9. 8. 1960 (BGBl. I 665), das Ges. zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit vom 27. 7. 1957 (BGBl. I 1058), das Ges. über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften vom 9. 6. 1953 (BGBl. I 377) i. d. F. vom 29. 4. 1961 (BGBl. I 497). c) Ist der Verletzte durch die Straftat ums Leben gekommen, so ist § 26 unanwendbar, da es dann keiner besonderen jugendrichterlichen Erfahrung bedarf, um die Schwere des dem Verletzten durch die Tat zugefügten Schadens zu ermessen; es fehlt also an einem die Angehung des Jugendgerichts rechtfertigenden Grund, s. oben Anm. 1 (ebenso OLGe. Hamm und Düsseldorf, JMB1. NRW 1963 34, 166). 3. Zuständigkeitsprüfung. Das Jugendschutzgericht prüft, ob die in Absatz 1 bezeichneten gesetzlichen Voraussetzungen seiner Zuständigkeit gegeben sind (§ 209 Abs. 2 StPO). Wegen der Prüfung, ob die Staatsanwaltschaft ihr Ermessen (Abs. 2) richtig ausgeübt hat, vgl. Anm. 4. Verneint das Jugendgericht seine Zuständigkeit, so geben Jugendrichter und Jugendschöffengericht die Sache an die zuständige Erwachsenenabteilung des Amtsgerichts ab; die Jugendschutzkammer kann gemäß § 209 Abs. 1 StPO vor dem Erwachsenengericht eröffnen (OLG Düsseldorf JMB1. N R W 1963 166). Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, daß bei Anklage zur Jugendschutzkammer die Hauptverhandlung nicht vor der als Jugendschutzkammer bestellten, sondern vor einer anderen Strafkammer stattgefunden habe, sofern diese ihre Zuständigkeit nur irrtümlich (nicht willkürlich) angenommen hat (BGH bei H e r l a n GA 1971 34). 2726

Dritter Titel. Amtsgerichte (Schäfer)

§26 Anm. 4—6

4. Zu Absatz 2. Die Anklage vor dem Jugendgericht ist, wie Absatz 2 ergibt, als Ausnahme gedacht, die durch triftige Gründe gerechtfertigt sein muß („soll nur erheben, wenn . . .")• Absatz 2 will verhindern, daß durch eine großzügige Anklagepraxis die Jugendgerichte in ihrer eigentlichen Aufgabe, über Verfehlungen von Jugendlichen und Heranwachsenden zu entscheiden, gehemmt werden. Nur wo die besondere Sachkunde und Erfahrung des Jugendgerichts für die angemessene und richtige Behandlung des Falles ersichtlich bedeutsam ist (z. B. auch, wenn es sich um die richtige Würdigung der Aussagen von Belastungszeugen über Erlebnisse aus ihrer Jugendzeit handelt, BGHSt. 13 53, 59), soll der Staatsanwalt in der Lage sein, vor dem Jugendgericht anzuklagen. D a ß er unter diesen Voraussetzungen das Jugendgericht angehen müsse, besagt Absatz 2 aber nicht, er kann vielmehr auch dann vor dem Erwachsenengericht anklagen (BGHSt. 13 297). Sind im Wege der Geschäftsverteilung einer bestimmten Abteilung des Amtsgerichts oder Kammer des Landgerichts die Jugendschutzsachen zugewiesen, wie dies die „Richtlinien" empfehlen, so wird meist kein Bedürfnis zur Angehung der Jugendgerichte bestehen, weil dann ein besonders sachkundiges Gericht bereits zur Verfügung steht (vgl. dazu D a l l i n g e r - L a c k n e r Rdn. 5 zu § 121 JGG). D a nach Absatz 1 in dem dort bezeichneten Umfang auch die Jugendgerichte zuständig sind, kann ein angegangenes Jugendgericht seine Zuständigkeit nicht mit der Begründung verneinen, die Verhandlung vor dem Jugendgericht erscheine nicht zweckmäßig ( A r n d t SchlHA 1966 31; a. M. wohl Kl 4). 5. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 gelten die §§ 24, 25 entsprechend. Es kann also vor dem Jugendrichter (Einzelrichter) Anklage erhoben werden, wo nach § 25 Anklage zum Amtsrichter als Einzelrichter erhoben werden kann, und Anklage vor dem Jugendschöffengericht in den Fällen, in denen sonst nach § 24 die Sache vor das Schöffengericht gebracht werden könnte. In gleicher Weise kann nach § 74 b G V G (unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 G V G ) vor der Jugendkammer als Gericht 1. Instanz Anklage insoweit erhoben werden, als nach §§ 24, 74 sonst Anklageerhebung vor der erstinstanzlichen Strafkammer zulässig oder geboten ist. Die Staatsanwaltschaft muß mithin eine in die amtsgerichtliche Zuständigkeit fallende Sache, die sie sonst wegen ihrer besonderen Bedeutung vor die Strafkammer bringen müßte, bei der Jugendkammer anklagen, wenn sie das Jugendschutzgericht angehen will (§ 24 Abs. 1 Nr. 2). Die besondere Bedeutung des Falles kann aber nicht lediglich damit begründet werden, daß eine 2. Tatsacheninstanz wegen der u. U. notwendig werdenden Wiederholung der Vernehmung kindlicher Zeugen in der Berufungsinstanz unerwünscht sei ( D a l l i n g e r - L a c k n e r [1] Anm. 17 zu § 121 JGG). Die Zuständigkeit der Jugendschutzgerichte entfällt bei Strafsachen, die zur Zuständigkeit des Schwurgerichts, der Staatsschutzstrafkammer (§ 74 a) gehören oder in die erstinstanzliche Zuständigkeit des O L G fallen. 6. Die Besonderheit des Verfahrens besteht, wenn vor dem Jugendgericht Anklage erhoben ist, lediglich darin, daß das Jugendgericht — und zwar Jugendschöffengericht und Jugendkammer in der Hauptverhandlung in der gemäß § 33 Abs. 3 J G G vorgeschriebenen Besetzung, also mit Jugendschöffen — die Aufgaben zu erfüllen hat, die sonst dem entsprechenden Erwachsenengericht obliegen. Das Jugendgericht wendet also nicht Jugendstrafverfahrensrecht, sondern die allgemeinen Verfahrensvorschriften des G V G und der StPO an. Es gilt mithin auch § 209 Abs. 2 StPO, wonach die Jugendkammer, wenn bei ihr gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 G V G Anklage erhoben ist, unter Verneinung der besonderen Bedeutung des Falles das Hauptverfahren vor dem Jugendschöffengericht eröffnen kann, und die Strafgewalt von Jugendrichter und Jugendschöffengericht bemißt sich nach § 24 Abs. 2. Die in § 74 b Satz 2 G V G angeordnete entsprechende Anwendung des § 74 besagt, daß auch § 74 Abs. 2 anwendbar ist, d. h. daß die Jugendkammer über die Berufung gegen Urteile des Jugendrichters (soweit sie nicht nach § 313 StPO ausgeschlossen ist), und des Jugendschöffengerichts entscheidet. Und zwar ist sie auch bei Berufung gegen Urteile des Jugendrichters mit 3 Richtern und 2 Jugendschöffen besetzt (§ 33 Abs. 3 , 4 1 Abs. 2 JGG). Denn § 76 GVG, der bei Berufung gegen ein Urteil des Amtsrichters die Besetzung der (kleinen) Strafkammer abweichend regelt, ist in § 74 b nicht für entsprechend anwendbar erklärt. Es ist auch, nachdem einmal die Zuständigkeit des Jugendgerichts durch Eröffnung des Hauptverfahrens begründet worden ist, nicht denkbar, daß zur Entscheidung über die Berufung ein anderes Gericht als das Jugendberufungsgericht in der dafür vorgeschriebenen Besetzung zuständig 2727

§ 2 6 Anm. 7

Gerichtsverfassungsgesetz

§ 26 a; § 27 Anm. 1 - 3 sein könnte. Es liegt daher nicht in der Macht des Präsidiums, im Weg der Geschäftsverteilung die Entscheidung über Berufungen gegen Urteile des Jugendrichters und Jugendschöffengerichts in Jugendschutzsachen einer allgemeinen Strafkammer zuzuweisen (vgl. OLG Saarbrücken NJW 1965 2313; D a l l i n g e r - L a c k n e r [1] Anm. 21; M ü l l e r - S a x 2b). Uber Beschwerden gegen Entscheidungen des Jugendrichters und des Jugendschöffengerichts entscheidet nach § 74 b ebenfalls die Jugendkammer. 7. Wegen der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung der Jugendgerichte in Jugendschutzsachen vgl. Anm. 10 zu § 169, wegen der Zuziehung eines zweiten Richters Anm. 2 h zu §29.

§ 26 a (weggefallen) §27 Im übrigen wird die Zuständigkeit und der Geschäftskreis der Amtsgerichte durch die Vorschriften dieses Gesetzes und der Prozeßordnungen bestimmt. 1. In Strafsachen ist der Geschäftskreis der Richter beim Amtsgericht folgender: a) sie nehmen die im Vorbereitungsverfahren erforderlichen gerichtlichen Untersuchungshandlungen und sonstigen Aufgaben vor (StPO §§ 162, 165, 166); insbes. entscheiden sie über körperliche Untersuchungen, Beschlagnahmen und Durchsuchungen, über Überwachung des Fernmeldeverkehrs, über die Notveräußerung beschlagnahmter Gegenstände, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Vermögensbeschlagnahme bei Staatsschutzdelikten (StPO §§ 81 a, 81 c, 98, 100, 100b, 101 a, 105, l i l a , 443); b) sie entscheiden im Falle des § 159 StPO über die Zulässigkeit der Beerdigung eines Leichnams; c) sie erlassen die nach einer Festnahme erforderlichen Verfügungen (StPO §§ 128, 129, 131) und die Haft- und Unterbringungsbefehle, die der Erhebung der öffentlichen Klage vorausgehen (StPO §§ 125, 126, 126 a) und führen bei Vorführung die Vernehmung des Ergriffenen durch (StPO §§ 115, 115 a, 126 a); d) die Vornahme einzelner Untersuchungshandlungen in einer Voruntersuchung und die Mitwirkung bei Strafaussetzung zur Bewährung kann ihnen übertragen werden (StPO §§ 185, 453, 453 a, 454); e) sie sind Mitglieder (Vorsitzende) des Schöffengerichts und erlassen ah dessen Stelle die außerhalb (vor oder nach) der Hauptverhandlung erforderlichen Entscheidungen (GVG §§ 29, 30 Abs. 2); f) sie erlassen die Straßefehle und — nach Maßgabe des Landesrechts — Strafverfügungen (StPO §§ 407, 408, 413); g) sie nehmen die Handlungen der Rechtshilfe vor (GVG § 157; vgl. auch StPO § 173 Abs. 3); h) die Strafvollstreckung in den amtsgerichtlichen Sachen kann ihnen übertragen werden (StPO § 451 Abs. 3, § 457 Abs. 3). - Vgl. noch GVG § 78. Über die Geschäfte, die den Amtsrichtern bei der Bildung der Schöffengerichte, der Strafkammern und der Schwurgerichte obliegen, s. GVG § § 3 9 bis 56, 77, 84. 2. Den Amtsgerichten sind einzelne Geschäfte besonders übertragen, die die Geschäftsstellen zu erledigen haben, ohne daß es der Mitwirkung eines Richters bedarf; vgl. z. B. StPO §§ 158,299. 3. Nach Vorschriften außerhalb von GVG, StPO und JGG sind den Amtsgerichten Aufgaben insbesondere übertragen a)nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 2 4 . 5 . 1 9 6 8 (BGBl. I 481) — OWiG — die Entscheidungen über Maßnahmen der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren, wenn der Betroffene gerichtliche Entscheidung beantragt (§ 62 OWiG) und die Entscheidung nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde (§ 68 OWiG). Vgl. ferner §§ 85 Abs. 4, 87 Abs. 4, 91, 96, 104 OWiG. b) Nach dem Deutschen Auslieferungsges. vom 23. 12. 1929 (RGBl. I 239) die Vernehmung des nach Erlaß eines Auslieferungshaftbefehls oder nach vorläufiger Festnahme vorgeführten Verfolgten (§§ 14, 21 DAG) und die Vernehmung des Verfolgten zum Auslieferungsersuchen (§ 24 DAG). 2728

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 2 8 Anm. 1 § 2 9 Anm. 1

VIERTER TITEL Schöffengerichte Schrifttum: S c h o r n , Der Laienrichter in der Strafrechtspflege, Münster 1955; Belehrungsliteratur für Laienrichter: S c h u l z , Schöffenfibel, Mannheim 1954; G r a b e r t Z o e b e , Schöffen und Geschworene, Ein Leitfaden für den Strafprozeß, Karlsruhe 1970. K l a u s a , Ehrenamtl. Richter, 1972. §28 Für die Verhandlung und Entscheidung der zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehörenden Strafsachen werden, soweit nicht der Richter beim Amtsgericht allein entscheidet, bei den Amtsgerichten Schöffengerichte gebildet. Entstehungsgeschichte: Entw. § 11; VO vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 303). Durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) ist „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht" ersetzt worden. I. Wegen des Verhältnisses der Schöffengerichte zu den Amtsgerichten s. Anm. I 3 zu § 12 und Anm. 7 zu § 25. Schöffengerichte bestehen in den meisten deutschen Ländern nicht bei allen Amtsgerichten. Sie sind vielmehr aufgrund des § 58 GVG bei einzelnen wenigen Amtsgerichten, im allgemeinen denen der Landgerichtsorte und der größeren Städte zusammengefaßt worden. §29 (1) Das Schöffengericht besteht aus dem Richter beim Amtsgericht als Vorsitzenden und zwei Schöffen. Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung nicht Vorsitzender sein. (2) Bei Eröffnung des Hauptverfahrens kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Zuziehung eines zweiten Richters beim Amtsgericht beschlossen werden, wenn dessen Mitwirkung nach dem Umfang der Sache notwendig erscheint. Eines Antrages der Staatsanwaltschaft bedarf es nicht, wenn ein Gericht höherer Ordnung das Hauptverfahren vor dem Schöffengericht eröffnet. Entstehungsgeschichte: Entw. § 17. Spätere Änderungen: VO vom 4. 1. 1924 § 10 (RGBl. I 16). Bek. vom 22.3. 1924 (RGBl. I 303). VO des Reichspräs, über Maßnahmen auf dem Gebiete der Rechtspflege und Verwaltung vom 14. 6. 1932 (RGBl. I 285) erster Teil Kapitel I Art. 1 § 1 Nr. 3. Art. 1 Nr. 26 des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950. Art. 3 Nr. 1 des 3. Strafrechtsänderungsges. vom 4. 8. 1953 (BGBl. I 735). § 29 Abs. 1 Satz 2 ist angefügt durch § 8 5 Nr. 4 DRiG 1961. Durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26.5. 1972 (BGBl. I 841) wurde in Abs. 1, 2 „Amtsrichters)" durch ,,Richter(s) beim Amtsgericht" ersetzt. 1. Besetzung des Gerichts (zu Absatz 1) a) Frauen als Schöffen. § 29 Abs. 1 i. d. F. der Bek. vom 22. 3. 1924 schrieb in Satz 2 vor: „Mindestens ein Schöffe muß ein Mann sein." Eine entsprechende Vorschrift sah auch der Entw. des VereinheitlGes. vom 12. 9. 1950 (Art. 1 Nr. 25) vor; sie ist in das Ges. nicht aufgenommen worden und wäre mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 GG) unvereinbar. Es können also beide Schöffen Frauen, aber auch beide Schöffen Männer sein. Wenn § 33 Abs. 3 JGG bestimmt: „Als Jugendschöffen sollen zu jeder Hauptverhandlung ein Mann und eine Frau herangezogen werden," so liegt dem nicht der Gedanke zugrunde, die Gleichberechtigung von Mann und Frau schematisch zum Ausdruck zu bringen, sondern der ganz andere Gedanke, daß es gerade bei Verfehlungen Jugendlicher und Heranwachsender für die richtige Wertung der Tat erwünscht ist, wenn sie 2729

§29 Anm. 2

Gerichtsverfassungsgesetz

von verschiedenen Blickpunkten aus gesehen wird. Die Eigenschaft als „Frau" ist selbstverständlich kein Grund zur Ablehnung wegen Befangenheit ( R G vom 16. 12. 1926 II 1008/26, R G D R Z 1929 Nr. 1120). b) Vorsitzender. Nach § 28 Abs. 2 D R i G darf Vorsitzender eines Gerichts nur ein Richter sein. Wird ein Gericht in der Besetzung mit mehreren Richtern (d. h. Berufsrichtern, § 2 DRiG) tätig, so muß ein Richter auf Lebenszeit den Vorsitz führen. Da beim einfachen Schöffengericht (§ 29 Abs. 1 Satz 1) nur ein Berufsrichter mitwirkt, kann dieser auch ein Richter auf Probe ( § 1 2 DRiG) oder kraft Auftrags (§ 14 DRiG) oder ein abgeordneter Richter ( § 3 7 DRiG) sein. § 29 Abs. 1 Satz 2 schränkt aber die Verwendung von Richtern auf Probe als Vorsitzende des Schöffengerichts dahin ein, daß ein solcher im ersten Jahr nach seiner Ernennung (i. S. des § 17 DRiG) nicht Vorsitzender sein kann (Grundgedanke: als Vorsitzende im Schöffengericht sollen nur Richter mit einer gewissen längeren richterlichen Erfahrung tätig werden). Bei Verstoß gegen diese Vorschrift ist das Schöffengericht nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 338 Nr. 1 StPO). Als Vorsitzender des Schöffengerichts i. S. des § 29 Abs. 1 Satz 2 wird aber nicht der Richter tätig, der das Verfahren vor dem Schöffengericht eröffnet und andere Beschlüsse außerhalb der Hauptverhandlung an Stelle des Schöffengerichts erläßt (vgl. Anm. II 1 zu § 30). Für Richter kraft Auftrags gilt die Beschränkung des § 29 Abs. 1 Satz 2 nicht. Beim erweiterten Schöffengericht (§ 29 Abs. 2) kann nur ein Richter auf Lebenszeit den Vorsitz führen (§ 28 Abs. 2 DRiG), ein Richter auf Probe oder kraft Auftrags also nur als Beisitzer verwendet werden. Ist nach der Geschäftsverteilung Vorsitzender des Schöffengerichts ein Richter auf Probe, so muß als zweiter Amtsrichter in der Geschäftsverteilung (unten 2 f) ein Richter auf Lebenszeit bestimmt sein, der dann den Vorsitz übernimmt. 2. Erweitertes Schöffengericht (zu Absatz 2) a) Entwicklungsgeschichte, Zweck der Vorschrift. Das erweiterte Schöffengericht wurde durch die EmmingerVO 1924 eingeführt; dadurch sollte — nach dem Wegfall der erstinstanzlichen Strafkammer — ermöglicht werden, auch solche Sachen sachgemäß vor dem Schöffengericht zu erledigen, die nach ihrem Umfang die Kraft des im Wesentlichen durch die Verhandlungsleitung in Anspruch genommenen Vorsitzenden überstiegen oder deren Bedeutung die Mitwirkung zweier Berufsrichter notwendig erscheinen ließ. Der Bedeutung dieser Sachen entsprach es, daß die Revision gegen Berufungsurteile an das Reichsgericht ging, wenn im 1. Rechtszug das erweiterte Schöffengericht geurteilt hatte. Bei der Wiedereinführung der erstinstanzlichen (großen) Strafkammer durch die VO des Reichspräs, vom 14. 6. 1932 (RGBl. I S. 285) - erster Teil Kap. I Art. 1 § 1 - wurde gleichzeitig das erweiterte Schöffengericht aufgehoben (§ 1 Nr. 3). Dabei blieb es auch, als das VereinheitlGes. 1950 die Möglichkeit eröffnete, an sich in die Zuständigkeit des Schöffengerichts fallende Sachen dadurch vor die erstinstanzl. (große) Strafkammer zu bringen, daß der Staatsanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim L G erhebt (§ 24 Abs. 1 Nr. 2, 3). Die Wiedereinführung des erweiterten Schöffengerichts durch das 3. Strafrechtsänderungsges. vom 4. 8. 1953 will den Fällen Rechnung tragen, in denen zwar nicht die besondere Bedeutung des Falles die Anklageerhebung beim L G rechtfertigt, aber der Umfang der Sache (z. B. wegen der Zahl der Angeklagten oder des umfangreichen Beweismaterials) die Mitwirkung eines zweiten Richters erforderlich macht, weil es für einen Richter zu schwierig ist, die Verhandlung zu leiten und zugleich ihre Ergebnisse für die Beratung und die Urteilsbegründung festzuhalten. Damit will das Gesetz gleichzeitig eine Entlastung des B G H erreichen, indem vermieden werden soll, daß Sachen beim L G angeklagt werden, bei denen in Wirklichkeit nicht die besondere Bedeutung, sondern nur der Umfang der Sache die Staatsanwaltschaft zur Anklage beim Landgericht veranlaßte ( D a l l i n g e r JZ 1953 433). Die Bedeutung einer Sache allein, die nicht auch in deren Umfang zum Ausdruck kommt, rechtfertigt die Zuziehung eines 2. Amtsrichters nicht ( E b S c h m i d t 12; M ü l l e r - S a x 2 a ; Kl 2; a. M. K e r n 191). — Das erweiterte Schöffengericht ist gegenüber dem einfachen Schöffengericht, da sein Strafbann (§ 24 Abs. 2) sich nicht verändert, kein Gericht höherer Ordnung, sondern lediglich ein anders zusammengesetztes Gericht (RGSt. 62 270; O L G Düsseldorf JMB1. N R W 1964 260). 2730

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§29 Anm. 2

b) Antrag der Staatsanwaltschaft. Nach § 29 Abs. 2 entscheidet der die Eröffnung des Hauptverfahrens beschließende Richter beim Amtsgericht über die Notwendigkeit der Heranziehung wegen des Umfangs der Sache. Damit ist — i. S. des „gesetzlichen Richters" — die Besetzung des Gerichts an gesetzliche Voraussetzungen gebunden; es entscheidet nicht freies Ermessen. Allerdings fordert das Gesetz einen Antrag des Staatsanwalts. Aber auch dieser handelt nicht nach freiem Ermessen, sondern darf seinerseits den Antrag (bei verfassungskonformer Auslegung) nur stellen, muß ihn dann aber auch stellen, wenn er die Notwendigkeit der Mitwirkung des 2. Richters bejaht; er hat kein „Wahlrecht". Schon damit entfallen die z. T. im Schrifttum ( B e t t e r m a n n in „Die Grundrechte" III 2, 571; S c h o r n , Der Schutz der Menschenwürde im Strafverf. 43) gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 29 Abs. 2 unter dem Gesichtspunkt der „beweglichen Zuständigkeit" (Anm. III 3 a zu § 16) geäußerten Bedenken; s. im übrigen auch die Fußnote zu Anm. III 3 b zu § 16. Der Antrag wird im allgemeinen bei Einreichung der Anklageschrift gestellt werden; doch ist dies — wie nach § 29 Abs. 2 i. d. F. der Bek. von 1924 (RGSt. 62 269) - nicht erforderlich, vielmehr kann der Antrag nach Einreichung der Anklage, insbes. auf Anregung des Gerichts, bis zum Ergehen des Eröffnungsbeschlusses nachgeholt werden (h. M.). Wird dem Antrag nicht stattgegeben, so begründet dies keine Anfechtbarkeit nach § 210 Abs. 2 StPO, da das erweiterte Schöffengericht gegenüber dem einfachen Schöffengericht kein Gericht höherer Ordnung, sondern nur ein anders besetztes Gericht gleicher Ordnung ist — (oben a) — (RGSt. 62 270). Wird (versehentlich) die Zuziehung beschlossen, ohne daß ein Antrag vorliegt, so besteht nach § 210 Abs. 2 StPO ebenfalls kein Beschwerderecht. Jedoch ist dann das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 338 Nr. 1 StPO), denn es kommt nicht darauf an, ob das Gericht „besser" besetzt ist, als es dem Gesetz entspricht (vgl. BAG N J W 1961 1945; OLG Bremen N J W 1958 432; Düsseldorf JMB1. N R W 1964 260). Solange das Hauptverfahren nicht eröffnet ist, kann die Staatsanwaltschaft den Zuziehungsantrag zurücknehmen. Ein innerer Grund, den Antrag, der ja keinen Bestandteil der Anklage bildet, als unwiderruflich anzusehen, ist nicht erkennbar; andernfalls müßte die Staatsanwaltschaft die Anklage zurücknehmen (§ 156 StPO) und erneut Anklage ohne entsprechenden Antrag erheben (ebenso M ü l l e r - S a x 2 b ; K l 5; E b S c h m i d t 7; a. M. D a l l i n g e r J Z 1953 433 Anm. 13). Eines Antrags bedarf es nicht, die Entscheidung über die Zuziehung erfolgt also von Amts wegen, wenn ein Gericht höherer Ordnung das Hauptverfahren vor dem Schöffengericht eröffnet (vgl. §§ 209, 210 Abs. 2 StPO); in diesem Falle trifft das eröffnende Gericht, nicht der Vorsitzende des Schöffengerichts die Entscheidung über die Zuziehung des 2. Richters (ebenso O L G Bremen N J W 1958 432; E b S c h m i d t 12; a. M. K e r n G A 1953 45). c) Zuständigkeit zur Entscheidung über die Zuziehung. Uber die Zuziehung entscheidet der Richter der nach der Geschäftsverteilung zuständigen Schöffenabteilung. Es ist nicht unzulässig, im Geschäftsverteilungsplan einer bestimmten Abteilung diejenigen Sachen zuzuweisen, in denen bei Erhebung der Anklage die Staatsanwaltschaft den Antrag nach § 29 Abs. 2 stellt (vgl. dazu die Bedenken bei M e y e r DRiZ 1969 284). d) Die Zuziehung kann nur gleichzeitig mit der Eröffnung beschlossen werden. Nach Eröffnung ist eine nachträgliche Zuziehung ausgeschlossen; das gebietet der Grundsatz des gesetzlichen Richters, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G (so mit Recht D a l l i n g e r JZ 1953 434; M ü l l e r - S a x 3 a ; E b S c h m i d t 7 und für das frühere Recht RGSt. 62 269). Infolgedessen enfallt die Möglichkeit einer Zuziehung überall da, wo eine Sache ohne vorangegangenen Eröffnungsbeschluß zur Aburteilung an das Schöffengericht gelangt (OLG Düsseldorf JMB1. N R W 1964 260), also im beschleunigten Verfahren ( § 2 1 2 a StPO), im Verfahren nach Erlaß eines Strafbefehls ( § 4 1 1 StPO; vgl. dazu Anm. III 7 zu § 24), bei Nachtragsanklage (§ 266 Abs. 1 StPO) und nach Zurückverweisung einer Sache an das Schöffengericht durch das Rechtsmittelgericht (§ 328 Abs. 2, § 354 Abs. 2 StPO - bei Sprungrevision). Dem zurückverweisenden Rechtsmittelgericht steht ebenfalls nicht das Recht zu, die Sache an das erweiterte Schöffengericht zurückzuverweisen, wenn im ersten Rechtszug das einfach besetzte Schöffengericht geurteilt hat, denn § 29 Abs. 2 hat mit gutem Grund die Entscheidung, ob der Umfang der Sache die Zuziehung eines zweiten Richters fordert, in das Ermessen des das Hauptverfahren eröffnenden Gerichts gestellt (ebenso D a l l i n g e r aaO. Anm. 14; M ü l l e r - S a x 3 b ; K l 4). Die Möglichkeit einer Zuziehung entfallt auch, wenn 2731

§30 Anm. I 1

Gerichtsverfassungsgesetz

der Einzelrichter wegen Überschreitung seiner sachlichen Zuständigkeit die Sache an das Schöffengericht verweist, denn der Verweisungsbeschluß hat zwar die Wirkung eines Eröffnungsbeschlusses (§ 270 Abs. 3 StPO), ist aber kein solcher (h. M.; die abw. Auffassung der Vorauf!, wird aufgegeben). Die die Zuziehung des 2. Richters anordnende oder ablehnende Entscheidung ist als Bestandteil des Eröffnungsbeschlusses nicht anfechtbar (h. M.; s. z. B. E b S c h m i d t 13 und oben b). e) Der Zuziehungsbeschluß bewirkt, daß das Schöffengericht in der Hauptverhandlung nur ordnungsmäßig besetzt ist, wenn ein zweiter Richter mitwirkt. Werden mehrere Sachen verbunden, so muß die Hauptverhandlung mit 2 Richtern stattfinden, wenn dies auch nur in einer der Sachen beschlossen war, gleichviel vor welchem Schöffengericht verhandelt wird ( D a l i i n g e r JZ 1953 433). Der einmal erlassene Beschluß kann (in der Zeit zwischen Eröffnungsbeschluß und Hauptverhandlung) selbstverständlich nicht wieder aufgehoben werden; das verstieße gegen Art. 101 Absatz 1 Satz 2 GG. Abweichend von dem Recht der VO 1924 (vgl. Anm. 2 a) ändert sich nichts an der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Revision (§121 Abs. 1 Nr. 1 b GVG). Die einmal begründete Zuständigkeit des erweiterten Schöffengerichts bleibt auch bei Zurückverweisung der Sache an die 1. Instanz durch das Rechtsmittelgericht und ebenso für die erneute Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren sowie im Nachverfahren (§§ 439,441 StPO) bestehen. f) Welcher Richter als 2. Amtsrichter zur Mitwirkung (als Beisitzer) berufen ist, bestimmt die Geschäftsverteilung des Amtsgerichts (§ 21 b). Sie muß, wenn mehrere Richter benannt sind, die Reihenfolge festlegen, in der sie zum Zuge kommen (s. auch oben Anm. 1 b und 2 c). g) Wegen der Abstimmung beim erweiterten Schöffengericht vgl. § 196 Abs. 4 GVG; über die Frage, wie Meinungsverschiedenheiten auszutragen sind, die nach der Hauptverhandlung zwischen den beiden Amtsrichtern über die Abfassung des Urteils hervorteten, vgl. Anm. II 3 zu § 30. h) Das JGG kennt kein erweitertes Jugendschöffengericht (§ 33 Abs. 3); statt dessen ist in § 40 Abs. 2 dem Jugendschöffengericht das Recht eingeräumt, bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen die Sache der Jugendkammer vorzulegen, ob sie sie wegen ihres besonderen Umfangs übernehmen will. Wird aber vor dem Jugendschöffengericht in einer Jugendschutzsache (§ 26 GVG) Anklage erhoben, so kann wohl auch die Zuziehung eines zweiten Richters beantragt werden, da dann für das Verfahren die allgemeinen Vorschriften des Erwachsenenverfahrensrechts gelten; und so gut wegen der besonderen Bedeutung einer Sache Anklage vor der Jugendkammer erhoben werden kann (§ 26 Abs. 1 Satz 2, § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG), ebensogut kann wohl auch wegen des besonderen Umfangs der Antrag nach § 29 Abs. 2 gestellt werden; die h. M. lehnt diese Folgerung indessen ab ( M ü l l e r - S a x 6; D a l l i n g e r - L a c k n e r 6 zu § 33 J G G ; E b S c h m i d t 5; P o t r y k u s NJW 1956 656). §30 (1) Insoweit das Gesetz nicht Ausnahmen bestimmt, üben die Schöffen während der Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie die Richter beim Amtsgericht aus und nehmen auch an den im Laufe einer Hauptverhandlung zu erlassenden Entscheidungen teil, die in keiner Beziehung zu der Urteilsfällung stehen, und die auch ohne mündliche Verhandlung erlassen werden können. (2) Die außerhalb der Hauptverhandlung erforderlichen Entscheidungen werden von dem Richter beim Amtsgericht erlassen. Entstehungsgeschichte. Entw. § 18. Durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 ist in Absatz 1, 2 „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht" ersetzt worden. I. Zu Absatz 1 („während der Hauptverhandlung") 1. Grundsatz. Bei der Urteilsfällung und den das Urteil ergänzenden und mit dem Erlaß des Urteils zu verbindenden Beschlüssen (§§ 268 a, 456c StPO) wirken die Schöffen uneingeschränkt in gleichem Umfang mit wie die Amtsrichter. Ihre Mitwirkung erstreckt sich aber 2732

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 30 Anm. I 2—4; II 1,2

auch auf alle sonstigen im Laufe der Hauptverhandlung zu erlassenden Beschlüsse. So entscheiden z. B. die Schöffen auch darüber, ob beim Ausbleiben des Beschuldigten ein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 zu erlassen (OLG Bremen MDR 1960 244), ob zur Verhandlung zu schreiten (StPO § 232), ob eine Zeugnis Verweigerung als berechtigt anzusehen ist, ob eine Vorlegung an das BVerfG nach Art. 100 Absatz 1 GG, § 80 BVerfGG zu erfo'oen hat (BVerfGE 19 71 = MDR 1965 722). Es macht dabei nach der ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzes keinen Unterschied, ob eine Entscheidung in Beziehung zu der Urteilsfallung steht oder nicht; daher haben die Schöffen auch bei den Entscheidungen mitzuwirken, die bei Ausübung der Sitzungspolizei vom Gericht zu treffen sind (vgl. §§ 177. 178). Eine Ausnahme gilt nur bei der Entscheidung über Ausschließung oder Ablehnung von Schöffen (StPO § 31 Abs. 2; vgl. die Anm. das.). 2. Umfang der Mitwirkung. Abgesehen von der Beteiligung an den zu erlassenden Entscheidungen steht den Schöffen das Recht der unmittelbaren Befragung von Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen zu (§ 240 Abs. 2 StPO). Der Vorsitzende hat die Verhandlung so zu führen, daß die Laienrichter ihr folgen können (Nr. 122 Absatz 2 RiStBV). Nach der Rechtsprechung (vgl. Anm. 3 c zu §261 StPO) und Verwaltungspraxis (vgl. RiStBV aaO.) ist es aber nicht zulässig, den Laienrichtern zum besseren Verständnis der Vorgänge in der Hauptverhandlung eine Abschrift der Anklageschrift auszuhändigen (vgl. dazu Einleitung S. 153, 165).*) Wegen der Abstimmung vgl. GVG § 197 und wegen der erforderlichen Stimmenzahl StPO § 263. 3. Befugnisse des Vorsitzenden. Die Bestimmungen, durch die gewisse Verfügungen dem Vorsitzenden als solchem übertragen sind (vgl. z. B. StPO §§231 Abs. 1, 238 Abs. 1; GVG § 176) gelten selbstverständlich auch für das Schöffengericht und werden von der Vorschrift des § 30 nicht berührt. 4. Merkblatt. Um die Schöffen von vornherein über ihre Aufgaben und Obliegenheiten zu unterrichten ist im Verwaltungswege ein Merkblatt geschaffen worden, das ihnen bei der Benachrichtigung von ihrer Wahl übermittelt wird (vgl. RiStBV Nr. 122 Absatz 1 und §§ 24, 25 der BayBek. über die Vorbereitungen der Sitzungen der Schöffengerichte, Strafkammern und Schwurgerichte vom 30. 5. 1952, GVB1. 169, i. d. F. vom 16. 3. 1962, GVB1. 86). Z. T. werden die Laienrichter auch durch Vorträge zur Erfüllung ihrer Aufgaben vorbereitet (vgl. für Nordrhein-Westfalen DRiZ 1955 54). II. Zu Absatz 2 („außerhalb der Hauptverhandlung") 1. Richter beim Amtsgericht. Wenngleich während der Hauptverhandlung die Schöffen auch bei den Beschlüssen mitzuwirken haben, so ist der eigentliche Zweck ihrer Berufung doch nur der, an der Urteilsfallung teilzunehmen. Demgemäß tritt das Schöffengericht nur zur Hauptverhandlung und Urteilsfallung zusammen; außerhalb der Hauptverhandlung handelt und entscheidet der Amtsrichter an Stelle des Schöffengerichts (aber nicht als dessen „Vorsitzender" M ü l l e r - S a x 2; E b S c h m i d t 6), und zwar bei mehrgliedrigen Amtsgerichten der Amtsrichter, der geschäftsplanmäßig dazu bestimmt ist. Vgl. dazu Anm. 1 b zu § 29. 2. vor und nach der Hauptverhandlung des Schöffengerichts. Absatz 2 gilt gleichmäßig für die Entscheidungen, die vor der Hauptverhandlung, wie für die, die nachher zu erlassen sind. Insbesondere beschließt der Richter beim Amtsgericht an Stelle des Schöffengerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens (§§ 199 ff. StPO). Von den Entscheidungen, die der Hauptverhandlung nachfolgen, sind hervorzuheben die die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffenden (§§ 367ff. StPO), sowie die richterlichen Entscheidungen, die bei der Strafvollstreckung und nach einer Strafaussetzung zur Bewährung notwendig werden (§§ 453 ff., 462 Abs. 1 StPO, § 58 JGG). Auch die Nachholung der in der Hauptverhandlung unterbliebenen Beschlußfassung über die Verpflichtung der Staatskasse zur Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 StrEG) gehört hierher. Absatz 2 findet auch Anwendung, wenn es sich um die zulässige Zurücknahme eines Beschlusses des Schöffengerichts handelt; so darf der Richter beim Amtsgericht den Beschluß, durch den das Schöf*) Daraus leitet OLG Hamburg MDR 1973 69 her, daß über einen Antrag auf Aufhebung eines Haftbefehls in der Hauptverhandlung — trotz des § 30 Abs. 1 — ohne Mitwirkung der Schöffen zu entscheiden sei, wenn diesen zur sachgemäßen Mitwirkung an der Entscheidung Hergänge aus dem Ermittlungsverfahren mitgeteilt werden müßten.

2733

§ 3 0 Anm. II 3 § 3 1 Anm. 1 - 4

Gerichtsverfassungsgesetz

fengericht gegen einen ausgebliebenen Zeugen eine Strafe festgesetzt hat, im Falle der nachträglichen Entschuldigung des Zeugen (§ 51 Abs. 2 StPO) wieder aufheben (h. M.). 3. Erweitertes Schöffengericht (§ 29 Abs. 2). Daß außerhalb der Hauptverhandlung der Amtsrichter allein entscheidet, gilt auch für das erweiterte Schöffengericht. Welcher Richter außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet, richtet sich nach der Geschäftsverteilung (EbS c h m i d t 6; M ü l l e r - S a x 2). Zweifel bestehen darüber, wie ein Streit über die Abfassung des Urteils zu lösen ist, der zwischen den beiden in der Hauptverhandlung mitwirkenden Richtern entsteht (vgl. S a c h s DRiZ 1925 154, K r o f f e b e r t und K n o t h DRiZ 1926 176, 177). Der einzig mögliche Weg zur Lösung des Streites ist der, daß „das Schöffengericht" (einschließlich der Schöffen) nochmals zusammentritt und über die Fassung entscheidet (ebenso E b S c h m i d t 15 zu §29).

§31 Das Amt eines Schöffen ist ein Ehrenamt. Es kann nur von Deutschen versehen werden. Entstehungsgeschichte: Entw. § 19. Ges. vom 25. 4. 1922 (RGBl. I 465); Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. 1303). 1. a) Schöffen sind ehrenamtliche Richter i. S. der §§ 44, 45 DRiG § 45 a DRiG i. d. F. des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) bestimmt: „Die ehrenamtlichen Richter in der Strafgerichtsbarkeit führen die Bezeichnung „ S c h ö f f e . . . " . Damit ist die frühere Bezeichnung „Geschworener" für die beim Schwurgericht tätigen ehrenamtlichen Richter weggefallen. Das Gesetz kennt nur noch „Schöffen" und unterscheidet, soweit für ihre Auswahl und Heranziehung zu den mit Schöffen besetzten Gerichten (Schöffengericht, Strafkammer, Schwurgericht) besondere Vorschriften gelten, zwischen „Schöffen beim Schöffengericht", „Schöffen bei der Strafkammer" und „Schöffen beim Schwurgericht" (vgl. §§ 35, 82 Abs. 1, 90 Abs. 1). Das Schöffenamt ist ein Ehrenamt, d. h. es ist unentgeltlich zu versehen (Begr. 43). Daran ändert auch nichts die nach § 55 zu gewährende Entschädigung, obwohl sie auch einen etwaigen Verdienstausfall umfaßt. Denn diese Entschädigung bedeutet keine Entlohnung, sondern lediglich einen Ersatz des sonst entstehenden Schadens. b) An sich erfüllen die Schöffen die Voraussetzungen des strafrechtlichen Beamtenbegriffs (§ 359 StGB), da nach richtiger, wenn auch bestrittener Auffassung zum Begriff der „Anstellung" das Einverständnis des Betrauten mit der Übertragung des Amtes nicht erforderlich ist. Aus der besonderen Erwähnung der Schöffen in § 334 StGB (Richterbestechung) wurde aber gefolgert, daß nach dem Willen des Gesetzes die sonstigen gegen Beamte gerichteten Strafdrohungen des 28. Abschnitts des StGB (vgl. § 336, Rechtsbeugung) für die Schöffen nicht gelten (BGHSt. 5 100; 10 294); diese Rechtsprechung erscheint aber überholt (vgl. D r e h e r 1 zu § 336 StGB). — Wegen der Haftung für Amtspflichtverletzungen der Schöffen vgl. RG JW 1924 192). 2. Wegen des Begriffs „Deutscher" s. Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. 7. 1913 (RGBl. 583), Art. 116 G G und die Ges. z. Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22.2. 1955 (BGBl. I 65) u. vom 17.5. 1956 (BGBl. I 431); vgl. auch BGH NJW 1954 651, betr. eine in der D D R durch Verleihung erlangte deutsche Staatsangehörigkeit. Daß der Schöffe auch der deutschen Sprache mächtig ist, ist keine gesetzliche Voraussetzung für die Berufung zu dem Amt; es ist dann aber nach § 185 zu verfahren (vgl. RGSt. 30 399; a. M. E b S c h m i d t 4). 3. Ausländer — Nichtdeutsche sind, wie der Wortlaut der Bestimmung („kann nur") ergibt, unfähig zum Schöffenamt ( L a b a n d 3 466); die Mitwirkung eines Nichtdeutschen als Schöffen ist unbedingter Revisionsgrund (§ 338 Nr. 1 StPO) (vgl. Vorbem. 3 zu §§ 32—35 und Anm. 2 zu § 32). Besitzt ein Deutscher zugleich eine außerdeutsche Staatsangehörigkeit, so ist er schöffenfähig (h. M.; vgl. RGSt. 25 415; R G JW 1924 1529 = DRiZ 1924 206). 4. Frauen sind — im Gegensatz zum früheren Recht (s. Anm. 4 der 20. Aufl.) — schon seit dem Ges. vom 25.4. 1922 (RGBl. I 465) schöffenfahig. Auch ohne eine solche Vorschrift würde sich jetzt die Schöffenfahigkeit der Frauen aus Art. 3, 117 G G ergeben. Vgl. noch § 33 Abs. 3 J G G und dazu Anm. 1 a zu § 29 GVG, ferner § 35 Nr. 5. 2734

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

V o r § § 3 2—3 5 Anm. 1—6

Vorbemerkungen zu §§ 32—35 1. Uber entsprechende Anwendung der §§ 32—35 auf die Strafkammerschöffen s. § 77, auf die Schöffen beim Schwurgericht s. § 84. 2. Allgemeiner Zugang zum Ehrenamt. Das GVG hat den von den meisten der früheren Landesgesetze vor dem 1. 10. 1879 befolgten Grundsatz, den Kreis der zum Schöffenamt zu berufenden Personen durch Aufstellung besonderer Voraussetzungen (z. B. Vorhandensein eines bestimmten Vermögens oder eine gewissen Bildung) zu beschränken, vollständig aufgegeben. Die Gewähr dafür, daß zu Schöffen nur Personen berufen werden, die die zu diesen Ämtern erforderlichen Eigenschaften besitzen, soll das vorgeschriebene Wahlverfahren bieten. Seit langem werden Vorschläge für gesetzliche Richtlinien gemacht, die die gleichmäßige Heranziehung aller Bevölkerungskreise und -schichten gewährleisten sollen. So wollte schon die Reichstagskommission von 1910 in das GVG folgende Vorschrift aufnehmen: „Bei der Berufung zu dem Amte eines Schöffen oder Geschworenen soll, soweit nicht das Gesetz etwas anderes bestimmt, kein Unterschied nach der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsart oder Gesellschaftsklasse gemacht werden" (N. KommB S. 3036). Eine fast gleichlautende Vorschrift enthielt auch NE III § 42 a. Die entsprechenden Grundsätze ergeben sich jetzt auch aus Art. 3 G G ; über die gesetzlichen Maßnahmen, ihre Befolgung sicherzustellen, vgl. Anm. 1 und 6 zu § 36, 3 zu § 40 und 2 zu § 42; s. auch Anm. 6 zu § 42 und unten 6. 3. Schöffenunfähigkeit. Sollvorschriften. Ablehnung der Berufung. Das Gesetz unterscheidet Personen, die zu dem Schöffenamt unfähig sind (§§ 31, 32), Personen, die nicht berufen werden sollen — sog. Schöffenungeeignetheit — (§§ 33, 34) und Personen, die die Berufung ablehnen dürfen (§ 35). Unfähige Personen dürfen als Schöffen im Verfahren nicht mitwirken. Das mit einem unfähigen Richter besetzte Gericht ist nicht gehörig besetzt (§ 338'Nr. 1 StPO), die Unfähigkeit ist von Amts wegen jederzeit und ohne weiteres Verfahren geltend zu machen (§ 52). Personen, die nicht zum Schöffendienst berufen werden sollen, sind dagegen zu diesem Dienst nicht unfähig. Die Rücksichten, aus denen ihre Berufung verhindert werden soll, sind nicht von solcher Bedeutung, daß ihre Nichtbeachtung das Urteil anfechtbar macht. Immerhin beruhen aber auch diese Rücksichten auf dem öffentlichen Interesse; deshalb ist die Geltendmachung eines Grundes, aus dem die Berufung nach dem Gesetz nicht erfolgen soll, nicht an den Antrag des Beteiligten und an keine Frist gebunden (§ 52). Die Personen endlich, die die Berufung ablehnen dürfen, finden nur Berücksichtigung aus gewissen Billigkeitsrücksichten, die mit den Interessen der Rechtspflege nicht im Zusammenhang stehen. Die Ablehnungsgründe sollen nicht, aber sie können bei Auswahl der zu berufenden Personen von Amts wegen berücksichtigt werden. Werden sie nicht schon von Amts wegen bei Aufstellung der Vorschlags- und Schöffenlisten berücksichtigt, so müssen sie von den Beteiligten binnen einer Ausschlußfrist geltend gemacht werden (§ 53). 4. Wird die unter Mitwirkung eines unfähigen Schöffen erlassene Entscheidung nicht mit dem gesetzlichen Rechtsmittel angefochten oder ist sie überhaupt nicht anfechtbar, so ist sie wirksam und hat alle Folgen der Rechtskraft. Von einer Nichtigkeit des rechtskräftigen Urteils (vgl. dazu Einleitung S. 187) kann keine Rede sein (h. M.; ausführlich z.B. E b S c h m i d t 6 zu § 3 2 ; a. M. S t e i n b e c k GA 76 12; S c h o r n , Laienrichter 51 ff.). — Tritt die Unfähigkeit erst im Lauf der Verhandlung ein (was insbesondere bei länger dauernden Hauptverhandlungen vorkommen kann), so muß die Verhandlung ausgesetzt werden, falls nicht Ergänzungsschöffen zugezogen waren; die vor dem Eintritt der Unfähigkeit erlassenen Entscheidungen bleiben wirksam ( F e i s e n b e r g e r Anm. 1). 5. Verschieden von den Fällen der Untauglichkeit zum Schöffenamt nach den §§ 33—35 GVG ist der Fall, daß in einer einzelnen Strafsache die Ausschließung oder Ablehnung eines Schöffen begründet ist; hierüber s. § 31 StPO. 6. Reformbestrebungen. Der von der Bundesreg. eingebrachte Entw. eines 1. Ges. z. Reform des Strafverfahrensrechts (l.StVRG) - BT-Drucks. VI/3478 vom 7. 6. 1972 - sieht in Art. 2 wesentliche Änderungen der Vorschriften über Auswahl und Bestellung der Schöffen vor. Sie sollen der Erkenntnis Rechnung tragen, daß zur Zeit kein hinreichender Wechsel 2735

§32 Anm. 1—3

Gerichtsverfassungsgesetz

in der Person der ehrenamtlichen Richter stattfindet und daß die Bevölkerung bei der Mitwirkung an der Strafrechtspflege nicht gleichmäßig vertreten sei. Der Entw. sieht vor, daß die ehrenamtlichen Richter nicht länger als 6 Jahre in der Strafrechtspflege tätig sein sollen und daß bei ihrer Auswahl alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen zu berücksichtigen sind.

§32 Unfähig zu dem Amt eines Schöffen sind: 1. Personen, die infolge Richterspruchs die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzen oder wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt sind; 2. Personen, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen einer Tat schwebt, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann; 3. Personen, die infolge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind. Entstehungsgeschichte: Entw. § 20. Das Vereinheitlichungsgesetz vom 12.9. 1950 erweiterte die Unfähigkeitsgründe durch Änderung der Nr. 1 und 2. Durch das 1. StrRG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) wurden die Nr. 1 , 2 neu gefaßt. Es lauteten bisher a) Nr. 1: „Personen, welche die Befähigung infolge strafgerichtlicher Verurteilung verloren haben oder wegen eines Verbrechens oder eines vorsätzlichen Vergehens z u . . . verurteilt sind"; b) Nr. 2: „Personen, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen eines Verbrechens oder Vergehens schwebt, das die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte oder die Fähigkeit... haben kann". 1. Vgl. wegen des Begriffs der „Unfähigkeit" die Vorbem. zu §§ 32—35, insbes. Anm. 3. Die Gründe der Unfähigkeit sind in § 31 (fehlende deutsche Staatsangehörigkeit, vgl. dort Anm. 3) und § 32 erschöpfend aufgeführt. Körperliche und geistige Gebrechen fallen, soweit nicht § 32 Nr. 3 vorliegt, nur unter § 33 Nr. 3 (vgl. RGSt. 22 106; 30 399; a. M. O e t k e r GA 49 98). Vgl. Anm. 4 zu § 33. 2. Maßgebender Zeitpunkt für die Fähigkeit oder Unfähigkeit und die davon abhängige Rechtsbeständigkeit des Urteils ist der der tatsächlichen Ausübung des Schöffenamts, nicht der Zeitpunkt der Bildung der Schöffenliste (RGSt. 2 241, 21 292; h. M.; a. M. F r i e d l ä n d e r GerS 46 433). Auf die Fernhaltung unfähiger Schöffen ist von Amts wegen zu achten (vgl. Vorbem. 3 zu §§ 32—35 und RGSt. 25 415); die Nachprüfung eines Urteils erfolgt aber nur auf entsprechende Rüge ( E b S c h m i d t 5). Wegen der Berichtigung der Schöffenliste s. § 52 Abs. 1. 3. Zu Nr. 1. Nr. 1 unterscheidet zwei Gründe der Schöffenunfähigkeit, nämlich a) Nichtbesitz der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter infolge Richterspruchs, b) Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten. In beiden Fällen knüpft, wie dem Grundgedanken des § 17 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu entnehmen ist, die Folge der Schöffenunfähigkeit nur an die Verurteilung durch ein Strafgericht im räumlichen Geltungsbereich des StGB an. a)Die Schöffenunfähigkeit als Folge des Verlusts der Amtsfähigkeit ( § 3 1 Abs. 1, 2 StGB) ist eine zeitweilige. Sie dauert beim automatischen Verlust als Folge der Verurteilung wegen eines Verbrechens zu Freiheitstrafe von mindestens einem Jahr 5 Jahre ( § 3 1 Abs. 1 StGB) und bei der — fakultativen — Aberkennung der Amtsfähigkeit unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 zwei bis fünf Jahre. Wegen des Eintritts und der Dauer der Amtsunfähigkeit vgl. § 32 StGB. Die Schöffenunfähigkeit endet mit dem Ablauf der Dauer der Amtsunfähigkeit; sie kann vorzeitig enden durch gerichtliche Wiederverleihung der Amtsfähigkeit durch gerichtliche Entscheidung (§ 33 StGB) oder durch Gnadenerweis des Inhabers des Gnadenrechts. 2736

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§32 Anm. 4

b) Dagegen ist die Schöffenunfähigkeit als automatische Folge der Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat (Verbrechen oder Vergehen) zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten eine dauernde. Diese — durch das Vereinheitlichungsgesetz vom 12. 9. 1950 eingeführte — sehr wesentliche Erweiterung der Schöffenunfähigkeit beruht auf dem Gedanken, daß ungeeignet ist, über andere zu richten, wer selbst vorsätzliche Gesetzesverstöße begangen hat, die zu einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe geführt haben. Gemeint ist hier — wie auch sonst, wenn an eine Verurteilung Nebenfolgen geknüpft sind eine rechtskräftige Verurteilung (ebenso M ü l l e r - S a x 2 b ; E b S c h m i d t 9; a. M. S c h o r n , Laienrichter 49). Die Voraussetzungen der Nr. 1 sind auch dann gegeben, wenn auf Jugendstrafe (§ 17 J G G ) oder wenn wegen mehrerer vorsätzlicher Taten auf eine sechs Monate übersteigende Gesamtfreiheitsstrafe erkannt worden ist, auch wenn keine der Einzelstrafen 6 Monate erreicht (OVG Lüneburg M D R 1954 126 zu der entsprechenden Vorschrift des § 48 BBG). Bei einer Gesamtstrafe wegen einer vorsätzlichen und einer fahrlässigen Tat ist die Einsatzstrafe für die vorsätzliche Tat maßgebend ( M ü l l e r - S a x 2 b ; E b S c h m i d t 10). Verurteilung wegen Fahrlässigkeitsdelikts begründet keine Schöffenunfähigkeit (OLG H a m m N J W 1957 1121). Die mit der Rechtskraft eines solchen Urteils eintretende Schöffenunfähigkeit ist zeitlich unbeschränkt. Sie wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Freiheitsstrafe, sei es gemäß §§ 23 ff. StGB, sei es im Gnadenwege, bedingt ausgesetzt und später erlassen, oder daß sie im Gnadenwege auf sechs Monate und weniger herabgesetzt wird. Sie endet erst mit der Tilgung des Strafvermerks im Bundeszentralregister oder der Tilgungsreife (§ 49 Abs. 1 BZRG) Darüber hinaus kann die Schöffenunfähigkeit auch durch einen Gnadenerweis beseitigt werden, der ausdrücklich den Wegfall der Schöffenunfähigkeit zum Gegenstand hat. Es kann danach sein, daß bei einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe, die mit dem Ausspruch der Amtsunfähigkeit verbunden ist, zwar mit dem Ablauf der Zeitdauer dieser Ehrennebenstrafe die darauf beruhende Schöffenunfähigkeit endet, die Unfähigkeit aber, soweit sie an die Verurteilung zu einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe anknüpft, bestehen bleibt. 4. Zu Nr. 2 — Schwebendes Strafverfahren — a) Bedeutung der Vorschrift. Nach § 32 Nr. 2 in der vor dem Vereinheitlichungsgesetz vom 12. 9. 1950 geltenden Fassung trat Schöffenunfähigkeit ein, wenn das Hauptverfahren wegen eines Verbrechens oder Vergehens eröffnet wurde, das (Ehrverlust oder) Amtsunfähigkeit zur Folge haben konnte. Durch das Vereinheitlichungsgesetz 1950 wurde der Eintritt der Schöffenunfähigkeit schon auf den Beginn eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens vorverlegt. Dem liegt offensichtlich die Erwägung zugrunde, schon der durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens begründete Verdacht einer Straftat von erheblicher Schwere mindere das Vertrauen der Rechtsgenossen, die dem verdachtsbeladenen Schöffen als Angeklagte gegenübertreten müssen (OLG Bremen M D R 1964 244); der Gedanke läßt sich auch so wenden, von einem Schöffen, der selbst in ein Strafverfahren verstrickt ist, könne eine sachgemäße Mitwirkung bei der Entscheidung über Schuld und Strafe gegen andere nicht erwartet werden. Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift sind im Schrifttum, anknüpfend an den Fall, daß ein schon ausgeloster Schöffe wegen Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 52 von der Schöffenliste gestrichen wird, Einwendungen erhoben worden. Nach M o l l e r M D R 1965 534 genießt in entsprechender Anwendung des Art. 97 Abs. 2 G G auch der ehrenamtliche Richter als Voraussetzung seiner sachlichen Unabhängigkeit die Garantie der persönlichen Unabhängigkeit in dem Sinn, daß er vor Ablauf seiner Amtszeit nur unter gesetzlich bestimmten Voraussetzungen und kraft Richterspruchs abberufen werden kann. Dem entspreche § 44 Abs. 2 DRiG. Die in dieser Vorschrift geforderte richterliche Entscheidung liege aber nicht vor, wenn der Amtsrichter (§ 52 Abs. 3) als automatische Folge — also ohne eigenen Beurteilungsspielraum — einer Maßnahme der Exekutive (der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens) die Streichung anordnen müsse. § 32 Nr. 2 müsse deshalb verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß erst die gerichtliche Eröffnung des Hauptverfahrens die Streichung rechtfertige, und § 44 Abs. 2 D R i G sei dahin auszulegen, daß mit ihm gesetzliche Vorschriften aufgehoben seien, soweit sie in weiterem Umfang eine Streichung von der Schöffenliste vorsehen. Dem kann nicht gefolgt werden. Mit O L G Bremen M D R 1964 244 ist vielmehr davon auszugehen, daß gegen die unmittelbare Auswirkung eines nichtrichterlichen Ermittlungsverfahrens auf die 2737

§ 3 2 Anm. 5 Gerichtsverfassungsgesetz §33 Besetzung eines Gerichts keine rechtsstaatlichen Bedenken zu erheben sind; immerhin umfaßt die Entscheidung nach § 52 die Prüfung der Frage, ob es sich um eine Tat handelt, die den Verlust der Amtsfähigkeit zur Folge haben kann. Aber wenn auch keine Bedenken gegen die Gültigkeit der Vorschrift bestehen, so erweckt sie doch rechtspolitische Bedenken. So einleuchtend es ist, daß in völlig klaren Fällen — z. B. der eines schweren Verbrechens Beschuldigte ist von vornherein geständig, und an seiner Schuld bestehen keinerlei Zweifel — der Täter nicht Schöffe sein darf, so hat die Neufassung 1950 doch die schon gegenüber der alten Fassung bestehenden Bedenken nach der Zweckmäßigkeit der Nr. 2 als Unfähigkeitsgrund beträchtlich verstärkt. Die hier aufgestellte Voraussetzung für das Schöffenamt ist — zumal in großstädtischen Verhältnissen — auch bei sorgfaltiger Beachtung der Nr. 15 Abs. 2 RiStBV (Befragung eines Beschuldigten bei seiner Vernehmung im Vorverfahren, ob er als Schöffe gewählt oder ausgelost ist) und Nr. 122 Abs. 1 RiStBV (Belehrung der mitwirkenden Schöffen über die Unfähigkeitsgründe der §§ 31, 32 durch den Vorsitzenden) durch die Gerichte nicht sicher festzustellen und gefährdet nicht selten den Bestand von Urteilen. Der Entw. EGStGB 1930 (Art. 68 Ziff. 6) hatte deshalb die Überführung der Nr. 2 in den § 33 vorgesehen. Hinzu kommt jetzt, daß schon jede Anzeige, die die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen nötigt, mag sie sich auch in kurzer Zeit als völlig unbegründet erweisen, die Schöffenunfähigkeit auslöst. Die Vorschriften über die Besetzung der Gerichte der übrigen Gerichtsbarkeitszweige mit ehrenamtlichen Richtern gehen denn auch weniger weit als § 32 Nr. 2, indem sie die Unfähigkeit erst mit der Erhebung der Anklage oder mit der Eröffnung des Hauptverfahrens eintreten lassen. b) Ermittlungsverfahren i. S. der Nr. 2 ist im Stadium des Vorverfahrens nur das von der Staatsanwaltschaft (§ 160 StPO) oder in ihrem Auftrag von der Polizei (§161 StPO) betriebene Verfahren, nicht auch das Verfahren der Polizei im ersten Angriff (§ 163 StPO); zu dieser Einschränkung nötigen die gegen die Vorschrift bestehenden rechtspolitischen Bedenken (ebenso M ü l l e r - S a x 2c; E b S c h m i d t 13; S c h o r n , Laienrichter 50). Das Ermittlungsverfahren dauert bis zum Abschluß des gesamten Verfahrens an. Endet es nicht mit einer zur Schöffenunfähigkeit nach § 32 Nr. 1 führenden Verurteilung, so lebt, wie anzunehmen ist, die Schöffenfähigkeit wieder auf. Die Streichung von der Schöffenliste ist dann nur eine Maßnahme auf Zeit (OLG Bremen MDR 1964 244; vgl. dazu Anm. 2 zu § 52). c) Es kommt nur darauf an, ob die Tat, wie sie den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens bildet, den Verlust der Amtsfähigkeit (in abstracto) zur Folge haben „kann". Die Unfähigkeit tritt selbst dann ein, wenn nach Lage des Falles vorauszusehen ist, daß die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht ausgesprochen werden wird (anders, wenn schon vor dem endgültigen Abschluß des Verfahrens aus verfahrensrechtlichen Gründen ein entsprechender Strafausspruch nicht mehr in Betracht kommt — z. B. bei Teilrechtskraft wegen Teilanfechtung oder Teilaufhebung —; M ü l l e r - S a x 2c; E b S c h m i d t 15). 5. Zu Nr. 3. — infolge gerichtlicher Anordnung — Nr. 3 bezieht sich auf alle wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht Entmündigten oder unter vorläufige Vormundschaft Gestellten (BGB §§ 6, 104, 114, 1906). Ferner fallen unter Nr. 3 die Gemeinschulner im Konkurs, Personen, gegen die ein allgemeines Veräußerungsverbot (§ 106 KO; § 59 VerglO) ergangen ist, auch die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, wenn durch gerichtliche Anordnung der Konkurs über das Vermögen dieser Gesellschaft eröffnet wird oder gegen diese ein allgemeines Veräußerungsverbot ergangen ist (RGSt. 46 77; 69 65). Mit dem Wegfall der Beschränkung hört auch die Unfähigkeit zum Schöffenamt auf. Auch die Einstellung dieses Grundes in die Unfähigkeitsgründe_ führt zu praktischen Unzuträglichkeiten; im Entw. des EG StGB 1930 war auch für ihn Überführung nach § 33 in Aussicht genommen.

§33 Zu dem Amt eines Schöffen sollen nicht berufen werden: 1. Personen, die zur Zeit der Aufstellung der Vorschlagsliste für Schöffen das dreißigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben; 2738

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 3 3 Anm. 1—5

§34 2. Personen, die zur Zeit der Aufstellung der Vorschlagsliste noch nicht ein Jahr in der Gemeinde wohnen; 3. Personen, die wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen zu dem Amt nicht geeignet sind. Entstehungsgeschichte: Entw. §21. Durch Ges. vom 11.3.1921 (RGBl. 230) Art. I Nr. 6 wurde die frühere Nr. 3, durch Ges. vom 13. 2. 1926 (RGBl. I 99) die frühere Nr. 5 aufgehoben. Durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 wurden die Nr. 1 und 2 geändert. 1. sollen . . . nicht berufen werden — Die hier und im § 34 aufgeführten Personen sind nicht „unfähig" zum Schöffenamt; vgl. oben Vorbem. 3 zu §§ 32—35. Die Berufung der im § 33 genannten Personen soll im Interesse der Rechtspflege (Nr. 1: mangelnde Lebenserfahrung; Nr. 2: mangelnde Vertrautheit mit den örtlichen Verhältnissen) unterbleiben; bei den im § 34 aufgeführten sind andere Rücksichten, insbesondere die auf die allgemeinen Interessen des öffentlichen Dienstes, maßgebend. Beide Paragraphen enthalten lediglich Ordnungsvorschriften, deren Verletzung die Revision nicht begründen kann (RGSt. 39 307, RG JW 1890 345, Recht 1915 Nr. 2192; BGH GA 1961 206). Eine den Vorschriften der §§ 33, 34 verwandte Bestimmung s. in § 90. — Eine dem § 33 entsprechende Vorschrift enthält § 20 VwGO 1960; abweichend von § 33 Nr. 2 GVG kommt es dort nicht auf den Wohnsitz in der Gemeinde, sondern nur im Gerichtsbezirk an. 2. Folge der Nichtbeachtung. Werden Personen, die nach §§ 33, 34 nicht berufen werden sollen, dennoch berufen, so ist nach § 52 Abs. 2, 3 zu verfahren. Der betreffende Schöffe kann eine Entscheidung des Amtsrichters (§ 52 Abs. 3) anregen. Bevor sie ergeht (vgl. dazu auch Anm. 3 c zu § 52), ist er aber nicht berechtigt, die Dienstleistung zu verweigern (ebenso M ü l l e r - S a x 3; E b S c h m i d t 2; S c h o r n , Laienrichter 37; a. M. Kl 1 und die 20. Aufl. dieses Werkes). Vgl. aber auch Anm. 1 zu § 56. 3. Vorschlagsliste: §§ 36, 57. Der zu Nr. 1, 2 maßgebende Zeitpunkt bestimmt sich nach § 57 (RGSt. 39 277). Nach M ü l l e r - S a x 2 a ; E b S c h m i d t 3 soll aber, wenn der Schöffe in der Zeit zwischen der Aufstellung der Liste und der Entscheidung nach § 52 Abs. 3 das 30. Lebensjahr vollendet hat, der Amtsrichter von einer die Nichtheranziehung anordnenden Entscheidung absehen können mit der Folge, daß der Schöffe zur Dienstleistung verpflichtet ist (zweifelhaft; s. dazu unter Anm. 5). „Wohnen" i. S. der Nr. 2 erfordert nach dem Zweck der Vorschrift, die eine gewisse Vertrautheit mit den örtlichen Verhältnissen sichern soll, nicht nur rechtliche Wohnsitzbegründung, sondern tatsächlichen Aufenthalt (h. M.). Wegen der Bedeutung nachträglichen Wohnsitzwechsels vgl. Anm. 3 a zu § 52. 4. Darüber, daß körperliche oder geistige Gebrechen eines Schöffen trotz der Sollvorschrift des § 33 einen Revisionsgrund (§ 338 Nr. 1) abgeben, wenn sie dessen Verhandlungsunfähigkeit begründen, vgl. BGH bei D a l l i n g e r MDR 1971 723. Vgl. auch Anm. 3 zu § 31, Anm. 1 zu § 32 und Anm. 5 zu § 52. Über hochgradige Schwerhörigkeit als körperliches Gebrechen vgl. BGHSt. 22 289, 290. 5. Reformbestrebungen. Nach Art. 2 Nr. 2 des Entw. eines 1. StVRG (BT-Drucks. Nr. VI/3478 vom 7. 6. 1972) soll Nr. 1 lauten: „Personen, die bei Beginn der Amtsperiode das dreißigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben würden". Damit soll die Aufnahme von Personen in die Vorschlagsliste ermöglicht werden, die zwar noch nicht im Zeitpunkt der Aufstellung der Liste, aber bei Beginn der Amtsperiode (§ 42) das erforderliche Mindestalter erreicht haben. Ferner soll eine Altershöchstgrenze (Vollendung des 70. Lebensjahres) eingeführt werden. §34 (1) Zu dem Amt eines Schöffen sollen ferner nicht berufen werden: 1. der Bundespräsident; 2. die Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung; 2739

§34 Anm. 1, 2

Gerichtsverfassungsgesetz

3. 4. 5. 6.

Beamte, die jederzeit einstweilig in den Warte- oder Ruhestand versetzt werden köiinen; Richter und Beamte der Staatsanwaltschaft, Notare und Rechtsanwälte; gerichtliche und polizeiliche Vollstreckungsbeamte; Religionsdiener und Mitglieder solcher religiösen Vereinigungen, die satzungsgemäß zum gemeinsamen Leben verpflichtet sind. (2) Die Landesgesetze können außer den vorbezeichneten Beamten höhere Verwaltungsbeamte bezeichnen, die zu dem Amt eines Schöffen nicht berufen werden sollen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 23. § 34 wurde geändert durch Ges. vom 17. 8. 1920 (RGBl. 1579), Art. II § 3 Abs. 2 - Aufhebung der früheren Nr. 9 betr. Wehrmachtangehörige - ; Ges. vom 11. 3. 1921 (RGBl. 230) Art. I Nr. 6 - Aufhebung des früheren Nr. 8 betr. Volksschullehrer - ; Ges. vom 25.4. 1922 (RGBl. I 465). Die auf der Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 303) beruhende Fassung wurde geändert durch Ges. vom 27. 3. 1930 (RGBl. I 96) § 27 IV — Einfügung eines Abs. 3 betr. Reichsminister —. Die heutige Fassung beruht auf dem Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950, das die Vorschrift den staatsrechtlichen Verhältnissen anpaßte und in Nr. 4 die Notare und Rechtsanwälte aufnahm. 1. a) § 34 Abs. 1 enthält, ebenso wie § 33 (vgl. dort Anm. 1, 2) lediglich Ordnungsvorschriften (RG JW 1927 793). b) § 34 zählt eine Reihe von Personen auf, bei denen es mit Rücksicht auf die Bedeutung ihrer Tätigkeit für das öffentliche Leben nicht angezeigt erscheint, sie, wenn auch nur vorübergehend, ihrer eigentlichen Tätigkeit für Zwecke der Strafrechtspflege zu entziehen. Bei den Richtern (Ziff. 4), soweit sie Berufsrichter sind (in ähnlicher Weise auch bei den übrigen in Ziff. 4 bezeichneten Personen) tritt die Erwägung hinzu, daß es dem Sinn der Beteiligung von ehrenamtlichen Richtern neben Berufsrichtern (vgl. Einleitung S. 183) geradezu widerspricht, Berufsrichter als ehrenamtliche Richter zu verwenden (vgl. § 22 Nr. 2 VwGO — Berufsrichter können nicht zu ehrenamtlichen Richtern berufen werden — und BSG NJW 1962 1462 betr. Ausschluß der Verwendung von Berufsrichtern anderer Gerichtsbarkeitszweige als ehrenamtliche Richter in der Sozialgerichtsbarkeit; s. dazu auch M e l l w i t z JR 1963 455). Erklärungen wie die, daß Absatz 1 Nr. 4 (Beamte der Staatsanwaltschaft) auf dem Gedanken der Trennung des Richteramts von der Anklagebehörde beruhe (so B e t t e r m a n n in „Die Grundrechte" III 2, 623) lagen dem Gesetzgeber wohl fern (vgl. „Notare und Rechtsanwälte"). M e i e r NJW 1962 1999 will aus Art. 20 Abs. 2; 97 Abs. 1 G G ; §45 Abs. 1 DRiG herleiten, daß Mitglieder kommunaler Selbstverwaltungskörperschaften nicht wählbar seien, weil die gleichzeitige Tätigkeit als (ehrenamtliche) Richter mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht vereinbar sei; ihnen fehle auch, da sie in ihrem Hauptamt weisungsgebundene Verwaltungstätigkeit ausübten, die sachliche Unabhängigkeit bei Ausübung des Schöffen- und Geschworenenamts. Diese Bedenken sind unzutreffend (ebenso B i r m a n n s NJW 1963 144, L i e k e f e t t NJW 1964 391; I s a t s o s DRiZ 1964 256; s. auch BGHSt. 22 85 = MDR 1968 427, wonach der Grundsatz der Gewaltenteilung nicht verbietet, daß ein Bundestagsabgeordneter als Schöffe tätig wird). Es müßten ja sonst alle staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten von der Wählbarkeit ausgeschlossen sein, und § 34 wäre in der Hauptsache nicht nur überflüssig, sondern da er nur eine Sollvorschrift darstellt, grundgesetzwidrig. Entsprechendes würde für § 35 Nr. 1 gelten. § 4 DRiG beschränkt aber mit gutem Grund den Grundsatz von der Unvereinbarkeit von Rechtsprechungsaufgaben und Aufgaben der gesetzgebenden oder vollziehenden Gewalt auf die Berufsrichter. Diese sind überdies von der Mitwirkung in Gemeindeparlamenten nicht ausgeschlossen, wie sich aus § 36 Abs. 2 DRiG ergibt. Bei den ehrenamtlichen Richtern genügt es, daß ihre persönliche Unabhängigkeit nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 DRiG garantiert ist. Auch bei den Richtern der Gemeindegerichte (§ 14 Nr. 2 GVG) ergeben sich keine Bedenken daraus, daß sie zugleich Bürgermeister, Mitglieder der Gemeindevertretung oder Beamte oder Angestellte der Gemeinde sind (BVerfG NJW 1962 1611).

2. Zu Nr. 2. Die Bundesregierung besteht nach Art. 62 G G aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern. Wer Mitglied einer Landesregierung ist, bestimmt sich nach Landesverfassungsrecht. 2740

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 34 Anm. 3—6

3. Zu Nr. 3. Hierunter fallen sowohl die sog. politischen Beamten des Bundes wie die der Länder. Für die Bundesbeamten vgl. § 36 BBG; die Landesbeamtengesetze bestimmen, welche Landesbeamten politische Beamte i. S. der Nr. 3 sind (§31 BRRG). Gesetzliche Vorschriften, die bei einer Änderung der Behördeneinrichtung oder bei einem allgemeinen Beamtenabbau die Versetzung von Beamten in den einstweiligen Ruhestand zulassen, kommen nicht in Betracht (Jederzeit"). Die im Warte- oder einstweiligen Ruhestand befindlichen Beamten gehören nicht hierher. 4. Zu Nr. 4. a) Richter sind die Berufsrichter aller Gerichtsbarkeitszweige, ohne Rücksicht darauf, ob sie auf Lebenszeit ernannt oder Richter auf Probe oder kraft Auftrags sind (§§ 12, 14 DRiG) und ohne Rücksicht darauf, ob sie im gegenwärtigen Zeitpunkt richterliche Aufgaben versehen oder kraft Abordnung ( § 3 7 DRiG) bei anderen Stellen tätig sind. Ehrenamtliche Richter fallen nicht unter Nr. 4. Soweit es sich um Schöffen handelt, gilt § 35 Nr. 2. Wegen der ehrenamtlichen Richter außerhalb der Strafrechtspflege vgl. unten 8 u. Anm. 7 a zu § 35. Die abweichende Auffassung in Anm. 4 der Vorauflage, der sich M ü l l e r - S a x 2 c angeschlossen haben, wird nicht aufrechterhalten. b) Zu den Beamten der Staatsanwaltschaft gehören auch die Amtsanwälte, selbst wenn sie die Amtsanwaltschaft nur als Nebenamt versehen (vgl. Tit. 10 Vorbem. 4). Dagegen gehören die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft (§ 152) nicht hierher, möglicherweise aber unter Nr. 5 (AV d. pr. JM vom 13. 11. 1933, Deutsche Justiz 673 zu B I 3). c) Rechtsanwälte und Notare sind seit dem Vereinheitlichungsges. vom 12.9.1950 befreit, weil auch sie ihrer Aufgabe bei Ausübung der Rechtspflege nicht entzogen werden sollen. Notare sind auch die Anwärter für diesen Beruf (Notariatsassessoren). Ob der Rechtsanwalt neben seiner Anwaltstätigkeit noch eine andere Tätigkeit betreibt (z. B. als Syndikus eines privaten Unternehmens), ist ohne Bedeutung; entscheidend ist, ob jemand nach Maßgabe der Bundesrechtsanwaltsordnung als Rechtsanwalt zugelassen ist. Amtlich bestellte Anwaltsvertreter, die nicht Rechtsanwälte sind, sind für die Dauer der Vertretung „Rechtsanwälte" i. S. der Nr. 4. Sonstige Personen, die berufsmäßig als Parteivertreter tätig werden, z. B. Patentanwälte, Prozeßagenten, Rechtsbeistände fallen nicht unter Nr. 4 (im Gegensatz zu § 22 Nr. 5 VwGO, wonach außer Rechtsanwälten und Notaren alle Personen, die fremde Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig besorgen, nicht zu ehrenamtlichen Richtern bei Verwaltungsgerichten berufen werden können). 5. Zu Nr. 5. Gerichtliche und polizeiliche Vollstreckungsbeamte. Gerichtliche Vollstreckungsbeamte sind in 1. Linie die Gerichtsvollzieher (§ 154 GVG) und die in den Ländern zur Beitreibung gerichtlicher Gebühren bestellten Justizvollstreckungsassistenten, dagegen nicht die Justizwachtmeister. Polizeiliche Vollstreckungsbeamte sind nicht nur die Vollzugsbeamten der Polizei im engeren Sinn, sondern auch die kraft ihrer Bestellung zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft oder zu Hilfspolizeibeamten mit Vollzugsaufgaben polizeilicher Art betrauten Angehörigen anderer Verwaltungszweige, z. B. die Forstschutzbeamten, die Beamten des Zollfahndungsdienstes, des Grenzzolldienstes. Polizeibeamte, die nicht Vollstreckungsbeamte sind (Polizeiverwaltungsbeamte), dürfen zum Schöffenamt berufen werden. — Das dienstliche Interesse darf bei Berufung gewisser Gruppen von Beamten, z. B. der Eisenbahnbeamten, nicht außer acht gelassen werden (AV d. pr. JM vom 13. 11. 1933 DJ 673 zu B III Abs. 2). Das gleiche gilt für Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit, die nach § 22 Nr. 4 VwGO nicht zu ehrenamtlichen Richtern berufen werden können. 6. Zu Nr. 6. Der Begriff des Religionsdieners findet sich auch sonst in der Gesetzessprache, z. B. in § 196 StGB und in dem — jetzt aufgehobenen — § 130 a StGB, („ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener"); er entspricht dem im allgemeinen in der neueren Gesetzessprache verwendeten Begriff des „Geistlichen". Darunter fallen die Personen, die von einer Religions- oder Glaubensgemeinschaft zur Vornahme gottesdienstlicher oder entsprechender kultischer Handlungen bestimmt sind, also nicht etwa nur die Geistlichen der mit öffentlichrechtlichen Korporationsrechten ausgestatteten Kirchen und Religionsgemeinschaften, z. B. auch der Pfarrer einer „Freien Christengemeinde" (OLG Köln MDR 1970 864 = JMB1. NRW 1970 200). Die Begr. S. 45 bemerkt dazu: „Es mußte bei der Verschiedenheit der Stellung der einzelnen Staaten zu den verschiedenen Religionsgesellschaften 2741

§ 3 4 Anm. 7, 8 § 35 Anm. 1

Gerichtsverfassungsgesetz

davon Abstand genommen werden, den Begriff einzuschränken und etwa einen Unterschied rücksichtlich der staatlich anerkannten oder privilegierten Religionsgesellschaften und bloß geduldeter Religionsübung zu machen. Es wird dies einer der Fälle sein, in denen es leichter vorkommen kann, daß der Befreiungsgrund, statt von Amts wegen berücksichtigt zu sein, von den Beteiligten selbst unter Darlegung der obwaltenden tatsächlichen Verhältnisse geltend gemacht werden muß." Durch Ges. vom 25. 4. 1922 (RGBl. I 465) sind hinter dem Wort „Religionsdiener" die Worte beigefügt worden „und Mitglieder solcher religiösen Vereinigungen, die satzungsgemäß zu gemeinsamem Leben verpflichtet sind." 7. Absatz 2 trägt den besonderen Verhältnissen der Länder Rechnung. Auch Bundesbeamte dürfen landesgesetzlich von der Berufung zum Schöffenamt ausgeschlossen werden (Prot. 384). Wegen der früher in den Ländern erlassenen Vorschriften vgl. die Aufzählung in Anm. 11 der 19. Aufl. 8. Reformbestrebungen. Nach den Vorschlägen in Art. 2 Nr. 3 des Entw. eines 1. StVRG vom 7. 6. 1972 (BT-Drucks. Nr. VI/3478) soll in Abs. 1 Nr. 5 angefügt werden: „Bedienstete des Strafvollzugs sowie hauptamtliche Bewährungshelfer". Gedacht ist dabei, Unzuträglichkeiten auszuschalten, die sich ergeben, wenn ein Angeklagter einem Schöffen gegenübersteht, der ihn als Vollzugsbeamter während der Untersuchungshaft bewacht hat, oder wenn ein Verurteilter im Vollzug einem seiner Richter nunmehr als Vollzugsbeamten wiederbegegnet (Begr. S. 100). Ferner soll in Absatz 1 eine weitere Nr. 7 eingefügt werden: „Personen, die sechs Jahre lang als ehrenamtliche Richter in der Strafrechtspflege tätig gewesen sind". Der Vorschlag soll „verhindern, daß ständig dieselben Personen (zu Schöffen) gewählt werden, und damit zugleich eine Mitwirkung der Bevölkerung an der Strafrechtspflege in weiterem Umfang als bisher sichern" (Begr. S. 100). §35 Die Berufung zum Amt eines Schöffen dürfen ablehnen: 1. Mitglieder des Bundestages, des Bundesrates, eines Landtages oder einer zweiten Kammer; 2. Personen, die im letzten Geschäftsjahr die Verpflichtung eines Schöffen beim Schwurgericht oder an wenigstens zehn Sitzungstagen die Verpflichtung eines Schöffen beim Schöffengericht oder bei der Strafkammer erfüllt haben; 3. Ärzte, Krankenpfleger und Hebammen; 4. Apotheker, die keine Gehilfen haben; 5. Frauen, die glaubhaft machen, daß ihnen die Fürsorge für ihre Familie die Ausübung des Amtes in besonderem Maße erschwert; 6. Personen, die zur Zeit der Aufstellung der Vorschlagsliste das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet haben oder es bis zum Ablauf des Geschäftsjahres vollenden würden. Entstehungsgeschichte: Entw. § 23. Ges. vom 25. 4. 1922 (RGBl. I 465) - Einfügung der Krankenpfleger und Hebammen; Ges. vom 4 . 7 . 1 9 2 2 (RGBl. I 561 — Streichung der ursprünglichen Nr. 6 betr. Personen, die den Aufwand des Amtes nicht tragen können. — Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 304). VO vom 14. 6. 1932 (RGBl. I 285) erster Teil Kapitel I Art. 8. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 änderte die Nr. 1 und 2. Der Entw. dieses Gesetzes wollte die Nr. 6 nach § 33 übernehmen. Die späteren Änderungen der Nr. 2 beruhen auf Art. II Nr. 10 des Ges. vom 26. 5. 1972, BGBl. I 841 (statt „Geschworenen" jetzt „Schöffen beim Schwurgericht", statt „Schöffen" jetzt „Schöffen beim Schöffengericht oder bei der Strafkammer"). 1. Die Ablehnungsgründe — über ihre allgemeine Bedeutung vgl. Vorbem. 3 zu § § 3 2 — 35 — sind abschließend; das Gesetz kennt z. B. keine Ablehnung aus Gewissensgründen (KG JR 1966 188). Die Ablehnungsgründe kann schon die Gemeindevertretung (§ 36) und der Ausschuß (§ 40) von Amts wegen berücksichtigen, und zwar dadurch, daß sie die Aufnahme in die Vorschlagsliste (§ 36) oder Schöffenliste (§ 44) unterlassen. Eine solche Berücksichtigung ist angezeigt, wenn vorauszusehen ist, daß der Berechtigte im Falle der Berufung die Wahl ablehnt. Lehnt er schon vor der Aufstellung der Vorschlags- oder Schöffenliste ab, 2742

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 35 Anm. 2—7

so wird dies berücksichtigt werden müssen, da sonst die Ablehnung vor dem Amtsrichter voraussichtlich wiederholt, also eine nutzlose Weiterung veranlaßt würde. — Ist der Ablehnungsberechtigte zum Schöffenamt gewählt worden, so greift § 53 ein. Das gilt auch, wenn der Gewählte den Ablehnungsgrund bereits vorher erfolglos geltend gemacht hatte; diese Geltendmachung wird durch die Aufnahme in die Schöffenliste bedeutungslos. Vgl. Anm. 2 zu §41. 2. Zeitliche Wirksamkeit. Die Ablehnungserklärung ist stets nur für die einzelne Wahlperiode (§ 42) wirksam, der Ausschuß also nicht gehindert, den Berechtigten in die nächste Schöffenliste aufzunehmen. Selbstverständlich kann die Ablehnung, solange der Ablehnungsgrund fortbesteht, in jeder Wahlperiode wiederholt werden. 3. Zu Nr. 1. Die Zugehörigkeit zu einer gesetzgebenden Körperschaft und die Tätigkeit als Schöffe werden durch den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) nicht ausgeschlossen (BGHSt. 22 85 = NJW 1968 996); davon geht die Nr. 1 aus. Macht der Ablehnungsberechtigte von der Berechtigung keinen Gebrauch, so ist doch seine Entbindung von der Dienstleistung an einzelnen Sitzungstagen des Schöffengerichts (§ 54) nicht ausgeschlossen, wenn die Ausübung der Tätigkeit als Abgeordneter usw. es erfordert (Begr. 45). 4. Zu Nr. 2. (Vgl. § 90). a) Die Verpflichtung eines Schöffen beim Schwurgericht hat erfüllt, wer als solcher einberufen war und der Einberufung Folge geleistet hat. Hierbei besteht kein Unterschied zwischen Haupt- und Hilfsschöffen (RGSt. 12 373). Bei einem Hilfsschöffen genügt es nicht, daß er in der Sitzung des Schwurgerichts erscheint, aber sogleich als überzählig entlassen wird (vgl. O e t k e r in GA 50 76, 77). Das Geschäftsjahr fallt überall mit dem Kalenderjahr zusammen (so z. B. § 1 NdsAG GVG vom 5. 4. 1963, GVB1. 225; Art. 36 BayAG GVG vom 17. 11. 1956, GVB1. 249). b) Verpflichtung eines Schöffen beim Schöffengericht oder bei der Strafkammer. Zur Ablehnung ist berechtigt, wer im letzten Geschäftsjahr zu zehn Sitzungstagen als Schöffe tätig gewesen ist, gleichviel, ob er als Hauptschöffe oder als Hilfsschöffe (§§ 48,49) auf der Schöffenliste gestanden hat oder ob er den Schöffendienst beim gewöhnlichen Schöffengericht (§ 29), beim Jugendschöffengericht (§ 33 JGG), bei der Strafkammer (§ 77) oder der Jugendkammer (§ 33 JGG) geleistet hat. — Hat eine Verhandlung des Schöffengerichts mehrere Tage gedauert, so sind ebensoviele Tage anzurechnen. 5. Zu Nr. 3. Der Ausdruck „Ärzte" ist nach dem Zweck der Vorschrift, eine Inanspruchnahme ablehnen zu können, die mit den Bedürfnissen einer angemessenen ärztlichen Versorgung nicht zu vereinbaren wäre, im weitesten Sinne zu verstehen, so daß er auch die Zahnärzte und die Tierärzte umfaßt. Er ist aber andererseits nur auf „approbierte" Ärzte i. S. der Bundesärzteordnung, des Ges. über die Ausübung der Zahnheilkunde vom 31. 3. 1952 (BGBl. I 251) und der Bundestierärzteordnung zu beziehen. Durch Ges. vom 25.4. 1922 (RGBl. I 465) sind den Ärzten auch die Krankenpfleger (= Krankenpfleger, Krankenschwestern und Kinderkrankenschwestern i. S. des Krankenpflegeges. i. d. F. vom 29. 9. 1965 BGBl. I 1443) und die Hebammen gleichgestellt worden. 6. Zu Nr. 6. Der Zeitpunkt der Aufstellung der Vorschlagsliste bestimmt sich nach § 57. Geschäftsjahr: s. Anm. 4 a. 7. Reformbestrebungen. Art. 2 Nr. 4 des Entw. eines 1. StVRG vom 7. 6. 1972 - BTDrucks. VI/3478 — schlägt eine Reihe von Änderungen des § 35 vor; sie haben das Ziel, die Vorschrift den gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. a) Nr. 2 soll folgende Fassung erhalten: „Personen, die in der vorhergehenden Amtsperiode die Verpflichtung eines ehrenamtlichen Richters in der Strafrechtspflege an dreißig Tagen erfüllt haben, sowie Personen, die bereits als ehrenamtliche Richter tätig sind". Der Entw. geht dabei von einer Verlängerung der Wahlperiode der Schöffen (§ 42) von bisher 2 auf 3 Jahre aus. Die derzeitige Beschränkung der Ablehnung, die auf die Belastung im letzten Geschäftsjahr abstellt (§35 Nr. 2), soll entfallen und auf die Belastung in der gesamten vorhergehenden Amtsperiode abgestellt werden, weil die jetzige Regelung unbillig 2743

V o r §§ 36—57 Gerichtsverfassungsgesetz Anm. 1,2 sei, die einem Schöffen das Ablehnungsrecht versagt, wenn er zwar im 1. Jahr seiner zweijährigen Amtsperiode an zahlreichen Hauptverhandlungen mitgewirkt, im letzten Jahr aber an weniger als 10 Sitzungstagen teilgenommen hat. Ferner soll die unterschiedliche Behandlung der Schwurgerichtsschöffen einerseits und der Schöffengerichts- und Strafkammerschöffen andererseits entfallen, weil die Belastung der letzteren Schöffen der eines Schwurgerichtsschöffen durchaus entsprechen könne. Der weitere Teil des Vorschlags, daß ablehnungsberechtigt auch Personen sein sollen, die bereits als ehrenamtliche Richter (nämlich außerhalb der Strafrechtspflege) tätig sind, betrifft die ehrenamtlichen Richter bei den Kammern für Handelssachen (§ 116) und bei Gerichten anderer Gerichtszweige (Arbeitsgerichtsbarkeit, allgemeine und besondere Verwaltungsgerichtsbarkeit); hier ist das Recht der Ablehnung eines ehrenamtlichen Richteramts mit Rücksicht auf ein solches Amt bei anderen Gerichten bisher nur in Einzelvorschriften — § 23 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 20 Abs. 1 Nr. 2 FinanzgerichtsO — vorgesehen. b) Nr. 3 soll lauten: „Ärzte, Zahnärzte, Krankenschwestern, Kinderkrankenschwestern, Krankenpfleger und Hebammen"; c) Nr. 4 soll lauten: „Apothekenleiter, die keinen weiteren Apotheker beschäftigen." Hiermit soll dem § 2 Abs. 4 der Apothekenbetriebs O vom 7. 8. 1968 (BGBl. I 939) i. d. F. der VO vom 3. 11. 1970 (BGBl. I 1510) Rechnung getragen werden, wonach der Apothekenleiter verpflichtet ist, die pharmazeutische Tätigkeit von Personen zu beaufsichtigen, die nicht Apotheker sind (Begr. S. 100); d) Nr. 5 soll lauten: „Personen, die glaubhaft machen, daß ihnen die unmittelbare persönliche Fürsorge für ihre Familie die Ausübung des Amtes in besonderem Maße erschwert". Durch die Erstreckung des Ablehnungsrechts auch auf Männer soll der soziologisch veränderten Stellung von Mann und Frau in der modernen Gesellschaft Rechnung getragen werden und sollen z. B. auch die Fälle erfaßt werden, in denen in einer Familie die Ehefrau berufstätig ist und der Ehemann die Fürsorge für die Familie im Hause übernimmt; e) an die Stelle der Nr. 6 sollen die Nr. 6 („Personen, die bei Beginn der Amtsperiode das 65. Lebensjahr vollendet haben") und (neu) Nr. 7 („Personen, die während ihrer Amtsperiode das 65. Lebensjahr vollenden, für die darauffolgenden Geschäftsjahre") treten. Bei einzelnen dieser Vorschläge, z. B. zu Nr. 5, ist zu erwägen, ob sie nicht durch entsprechende Anwendung auf dem Boden des geltenden Rechts zu verwirklichen sind. Vorbemerkungen zu §§ 36—57 Literatur: Über die Bildung der Schöffengerichte vgl. besonders O e t k e r GA 49 93ff., 203ff., ferner S i e g e r t GerS 103 347. - Von landesrechtlichen Ausführungsvorschriften sind zu erwähnen die Bay. Bek. über die Vorbereitung der Sitzungen der Schöffengerichte, Strafkammern und Schwurgerichte vom 30. 5. 1952 (GVB1. 169 = SaBl. 731) i. d. F. vom 16. 3. 1962 (GVB1. 86) und die BayBek. über die Vorbereitung der Sitzungen der Jugendschöffengerichte vom 19. 7. 1954 (GVB1. S. 130). 1. Wesentliche Mängel des Wahlverfahrens machen die gesamte Auswahl der Schöffen und Geschworenen nichtig, d. h. bewirken, daß die Gerichte, die unter Hinzuziehung so ausgewählter Laienrichter tätig werden, im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO „nicht vorschriftsmäßig besetzt"sind, schaffen also einen unbedingten Revisionsgrund. 2. Richter beim Amtsgericht. Welcher Richter die mit der Auswahl der Schöffen und Geschworenen zusammenhängenden Amtsverrichtungen vorzunehmen hat, bestimmt die Geschäftsverteilung (§ 21 e). Der Richter handelt unter richterlicher Unabhängigkeit (, justizfÖEmige Verwaltungstätigkeit", s. Einleitung S. 64). Durch eine (nicht willkürliche) Abweichung von der Geschäftsverteilung wird aber die Gültigkeit der Amtshandlungen nicht berührt (§ 22 d). Richter beim Amtsgericht ist auch der Amtsgerichtspräsident (RG vom 20. 10. 1930 III 266/30 u. vom 7. 4. 1932 III 172/32). Wegen der Zuständigkeit des Richters beim Amtsgericht während einer Aussetzung der Hauptverhandlung vgl. H R R 1934 Nr. 1574 = DJ 1934 943.

2744

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§36 Anm. 1

§36 (1) Die Gemeinde stellt in jedem zweiten Jahr eine Vorschlagsliste für Schöffen auf. Für die Aufnahme in die Liste ist die Zustimmung von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der Gemeindevertretung erforderlich. Die Vorschlagsliste soll außer dem Namen auch den Geburtsort, den Geburtstag und den Beruf des Vorgeschlagenen enthalten. (2) Die Vorschlagsliste ist in der Gemeinde eine Woche lang zu jedermanns Einsicht auszulegen. Der Zeitpunkt der Auslegung ist vorher öffentlich bekanntzumachen. (3) Die Zahl der in die Vorschlagsliste aufzunehmenden Personen beträgt drei vom Tausend der Einwohnerzahl der Gemeinde; dabei ermittelte Bruchteile von Zahlen sind zur nächsthöheren Zahl aufzurunden. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung für die Gemeinden einzelner Amtsgerichtsbezirke eine höhere Verhältniszahl der in die Vorschlagslisten aufzunehmenden Personen festzusetzen, sobald zu besorgen ist, daß die sich nach Satz 1 ergebende Zahl die doppelte Anzahl derjenigen Personen nicht erreichen oder nur geringfügig übersteigen wird, die als Schöffen oder Hilfsschöffen benötigt werden. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 2 4 ; Ges. vom 1 1 . 7 . 1 9 2 3 (RGBl. I 647); VO vom 14. 6. 1932 (RGBl. I 285) erster Teil Kapitel I Art. 8. Das Vereinheitlichungsgesetz vom 12. 9. 1950 brachte wesentliche Änderungen (vgl. Anm. 1). Die Fassung des Absatzes 3 (bisher: „In die Vorschlagsliste sind aufzunehmen in Gemeinden a) mit 500 oder weniger Einwohnern 5 Personen, b) mit mehr als 500 Einwohnern mindestens 6 Personen, im übrigen auf je 200 Einwohner eine Person") beruht auf dem 1. StrRG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645). 1. Entwicklungsgeschichte. Nach dem früher geltenden Recht wählte der Ausschuß (§ 40) die Schöffen aus den von den Gemeindevorstehern alle zwei Jahre aufzustellenden Urlisten, in die alle schöffenfähigen Gemeindeeinwohner aufzunehmen waren. Da die Aufstellung der vollständigen Urliste für größere Gemeinden eine erhebliche finanzielle Belastung bedeutete, gestattete das Ges. vom 11. 7. 1923 (RGBl. I 647) den Landesjustizverwaltungen, für eine Gemeinde die Aufstellung (nach den Anfangsbuchstaben der Namen oder der Straßen) beschränkter Urlisten oder die Verwendung bereits anderweit aufgestellter amtlicher Einwohnerverzeichnisse (z. B. Wahl- oder Meldekartei) anzuordnen. Das Vereinheitlichungsgesetz 1950 ging — im Anschluß an die nach 1945 in der britischen Besatzungszone und in Hessen getroffenen Regelungen — einen ganz anderen Weg. Während früher die Aufgabe des „Gemeindevorstehers", auch bei der beschränkten Urliste, lediglich darin bestand, dem Wahlausschuß ein Verzeichnis der nach den gesetzlichen Vorschriften schöffenfähigen Personen zu liefern, trifft jetzt die Gemeind^Vertretung bereits eine Vorwahl, indem sie aus der Zahl der schöffenfähigen Gemeindeeinwohner eine beschränkte Zahl auswählt (Vorschlagsliste) und der Wahlausschuß (§ 40) bei seiner Wahl auf den durch die Vorschlagslisten bezeichneten Personenkreis beschränkt ist. Die Begr. zum Entw. des Vereinheitlichungsges. 1950 bemerkt dazu: „Dadurch wird ein, wie die Vergangenheit lehrt, ungebührlich großer und unnützer Aufwand an Verwaltungsarbeit gespart und dahin gewirkt, daß für das Schöffenamt besonders geeignete Bürger an der Rechtsprechung teilnehmen und auf diese Weise das Laienelement in der Rechtspflege größeren Einfluß gewinnt." Die Uberlassung der Vorwahl an die Gemeindevertretungen hat einerseits den Vorteil der individuellen Auswahl und bietet im allgemeinen eine größere Gewähr für die Heranziehung im öffentlichen Leben erfahrener und in gewisser Weise hervorgetretener Persönlichkeiten (BGHSt. 12 197, 200 = N J W 1959 349 = LM Nr. 1 zu § 30 G V G mit Anm. M a r t i n ) , birgt freilich andererseits, da die Gemeindevertretungen nach parteipolitischen Gesichtspunkten gewählt werden, die Gefahr in sich, daß auch auf die Auswahl für die Vorschlagsliste parteipolitische Gesichtspunkte Einfluß gewinnen oder daß die Vorgeschlagenen glauben, ihr ehrenamtliches Richteramt im Sinne der politischen Vorstellungen der Vorschlagenden ausüben zu sollen (vgl. E b S c h m i d t , Lehrkomm. I Nr. 576; P o t r y k u s DRiZ 1952 202; L i e k e f e t t N J W 1964 391; vgl. auch Vorbem. 2 zu §§ 32—35). Um solchen Bedenken entgegenzuwirken, hatte § 36 Abs. 5 in der gemäß VO vom 22. 8. 1947 (VOB1. BZ S. 115) früher in der britischen Besatzungszone geltenden Fassung des G V G vorgeschrieben: „Die 2745

§36

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 2 - 4 Landesjustizverwaltung stellt durch Anordnungen an die Gemeindevertretungen sicher, daß bei Aufstellung der Vorschlagslisten die Bevorzugung einer Partei, eines religiösen Bekenntnisses, einer wirtschaftlichen oder sonstigen Interessentengruppe oder eines besonderen Gebietes ausgeschlossen ist", ohne freilich erkennbar zu machen, durch welche Maßnahmen eine solche „Sicherstellung" erreicht werden könnte. Das Vereinheitlichungsges. hat, um einer durch unsachliche Gesichtspunkte beeinflußten Auswahl entgegenzuwirken, in § 36 Abs. 1 die Aufnahme in die Vorschlagsliste an die Zustimmung von 2 / } der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der Gemeindevertretung (also nicht nur von 2 / 3 der an der Abstimmung Teilnehmenden) gefordert und in gleicher Weise in § 40 Abs. 3 die Wahl der Vertrauenspersonen geregelt, die dem Wahlausschuß angehören (auch für die Wahl durch den Ausschuß selbst wird in § 42 eine qualifizierte Mehrheit gefordert). Ferner ist die Zahl der vorzuschlagenden Personen so bemessen worden, daß dem Ausschuß (§ 40) Spielraum für eine echte Auswahl verbleibt. Wie angesichts der bewußt in Kauf genommenen Möglichkeit politischer Beeinflussung des Vorschlags der Gemeindevertretung Fälle eines die ordnungsmäßige Besetzung des Gerichts in Frage stellenden „Mißbrauchs des Vorschlagsrechts im Sinne einer unlauteren politischen Beeinflussung der Schöffenwahl" — so die salvatorische Klausel in BGHSt. 12 197, 201 — denkbar sind, ist schwer vorstellbar. Eine Vorschrift, in welchem Ausmaß Frauen neben Männern vorzuschlagen sind, enthält § 36 — im Gegensatz zu § 36 Abs. 4 der früher in der brit. Zone geltenden Fassung (20% Frauen), aber auch im Gegensatz zu § 35 Abs. 2 J G G (ebenso viele Männer wie Frauen, mit Rücksicht auf § 33 Abs. 3 J G G ) — nicht; der Gleichberechtigungsgrundsatz (Art. 3 G G ) zwingt nicht zu einem fest bestimmten Anteil, wohl aber zu einer angemessenen Berücksichtigung der Frauen in der Vorschlagsliste. 2. Besonderheiten gelten für die Wahl der Jugendschöffen. Hier tritt nach § 35 Abs. 3 J G G an die Stelle der Vorschlagsliste des § 36 G V G die Vorschlagsliste des Jugendwohlfahrtsausschusses, aus der der Wahlausschuß (§ 40 GVG) die nötige Zahl von Jugendschöffen wählt. 3. Die Vorschlagsliste, a) Von der Aufnahme in die Vorschlagsliste sind, wie sich aus § 3 7 ergibt, nicht nur die Personen auszuschließen, die zum Schöffenamt unfähig sind ( § § 3 1 , 32), sondern auch die, die dazu nicht berufen werden sollen (§§ 33, 34). Personen, denen Ablehnungsgründe zur Seite stehen (§ 35), können in die Liste aufgenommen werden (vgl. aber § 35 Anm. 1). Über die äußere Form der Vorschlagsliste trifft das Gesetz keine Vorschriften. Es ist daher nicht unzulässig, daß die Gemeinde eine Gesamtliste vorlegt, in der die von der Gemeindevertretung gebilligten Vorschläge der einzelnen in der Gemeindevertretung vertretenen politischen Parteien zusammengeheftet sind (BGHSt. 12 197). Die Tatsache, daß die Vorgeschlagenen dadurch als den vorschlagenden Parteien genehme Persönlichkeiten in Erscheinung treten, ist eine vom Gesetz in Kauf genommene Folge des durch § 36 Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebenen Verfahrens. — Uber den Zeitpunkt der Aufstellung der Vorschlagsliste und ihrer Einsendung an das Gericht bestimmt nach § 57 die Landesjustizverwaltung (vgl. z. B. preuß. AV d. JM vom 13. 11. 1933, Deutsche Justiz 673, zu A I 1, F). b) Die Gemeinde stellt nur allgemein eine Vorschlagsliste für Schöffen auf. Die Scheidung zwischen den zu Schöffen beim Schöffengericht und bei der Strafkammer und den zu Schöffen beim Schwurgericht auszuwählenden Personen geschieht erst durch den Ausschuß (§ 84). 4. Zu Absatz 2. Da das G V G nichts darüber bestimmt, in welcher Art die Auslegung der Vorschlagsliste und die öffentliche Bekanntmachung zu geschehen hat, so können hierüber landesgesetzliche und Verwaltungsvorschriften erlassen werden. Die Begr. (46) bemerkt, daß die Art der Bekanntmachung auch der örtlichen Gewohnheit überlassen werden kann. Einen Anhaltspunkt dafür, was als öffentliche Bekanntmachung angesehen werden kann, gibt die Regelung in § 4 der 1. D V O vom 22. 3. 1935 (RGBl. I 393) zur Deutschen Gemeindeordnung vom 30. 1. 1935 (RGBl. I 49). Die Beachtung des § 36 Abs. 2 prüft nach § 39 der Richter beim Amtsgericht.

2746

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 3 6 Anm. 5, 6 § 3 7 Anm. 1 - 4 5. Zu Absatz 3. Enthalten die Vorschlagslisten der Gemeinden nicht die in § 36 Abs. 3 bestimmte Anzahl von Personen (teils zu viel, teils zu wenig), so wird dadurch die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO) nicht berührt, denn die Prüfungspflicht des Richters beim Amtsgericht beschränkt sich nach § 39 Satz 2 auf die Beachtung des § 36 Abs. 2. Mängel i. S. von § 36 Abs. 1, 3 liegen außerhalb des Bereichs, auf den die Gerichte unmittelbaren Einfluß haben; sie können deshalb die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts nicht in Frage stellen (BGHSt. 22 122 = NJW 1968 1436 = LM Nr. 53 zu § 338 m. Anm. H e n g s t b e r g e r = MDR 1968 683). S. in diesem Zusammenhang auch § 21 b Abs. 6 Satz 3: Keine Außenwirkung auf die ordnungsmäßige Besetzung des Gerichts, wenn bei der Wahl des Präsidiums ein Gesetz verletzt worden ist. 6. Reformbestrebungen. Der RegEntw. eines 1. StVRG (BT-Drucks. VI/3478 vom 7. 6. 1972) schlägt nach dem Vorbild früherer Entwürfe (vgl. Vorbem. 2 zu §§ 32 bis 35) die Einfügung eines neuen Absatzes 2 vor: „Die Vorschlagsliste soll alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen berücksichtigen . . . " . Damit soll insbesondere erreicht werden, daß entsprechend dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Absatz 2 GG) nach Möglichkeit Männer und Frauen in gleicher Zahl zum Schöffenamt vorgeschlagen werden (Begr. S. 101). Jedoch handelt es sich bei dieser Vorschrift nur um einen Appell an die Gemeindevertretung, bei Aufstellung der Vorschlagsliste auf eine angemessene Repräsentation aller Gruppen der Bevölkerung beim Schöffenamt Bedacht zu nehmen; eine Verletzung der Soll-Vorschrift würde die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts nicht in Frage stellen (Begr. aaO.).

§37 Gegen die Vorschlagsliste kann binnen einer Woche, gerechnet vom Ende der legungsfrist, schriftlich oder zu Protokoll mit der Begründung Einspruch erhoben den, daß in die Vorschlagsliste Personen aufgenommen sind, die nach § 32 nicht genommen werden durften oder nach den §§ 33, 34 nicht aufgenommen werden ten.

Aufweraufsoll-

Entstehungsgeschichte: Entw. § 25. 1. Einspruchsgründe. Nur gegen die irrtümliche Aufnahme der nach § 32 (und, obwohl nicht erwähnt, nach §31) unfähigen oder nach §§ 33, 34 nicht aufzunehmenden Personen kann Einspruch erhoben werden, nicht gegen die Gesetzmäßigkeit der Wahl („Zustimmung" des § 36 Abs. 1) oder aus anderen Gründen (vgl. aber Anm. 3 zu § 39). 2. Befugnis zum Einspruch. Jedermann ohne Unterschied kann Einspruch erheben, also nicht nur die Person, die von der Unrichtigkeit betroffen wird (h. M.; vgl. z. B. E b S c h m i d t 1). „Es kommt darauf an, alles mögliche Material zu gewinnen, um die Jahresliste nachher sachgemäß festzustellen" (Begr. 46, 82, H a h n M a t . I 85). Im Widerspruch mit diesem Zweck wollen O e t k e r (GA 49 lOOf.) und S c h o r n , Laienrichter 69 das Recht zum Einspruch auf volljährige, im Bezirk wohnhafte, zum Schöffenamt fähige Personen beschränken. 3. Einspruchsdauer. Die Einspruchsfrist endet mit dem Ablauf einer Woche nach Beendigung der Auflegungsfrist des § 36 Abs. 2; selbstverständlich kann aber schon vor (nach der Beschlußfassung) und während der Auflegungsfrist Einspruch erhoben werden. Verspäteter Einspruch kann dem Gemeindevorsteher Veranlassung zur Anzeige gemäß § 38 Abs. 2 geben. 4. Die Protokollierung mündlich erhobener Einsprüche ist erforderlich, weil nicht der Gemeindevorsteher, sondern der Ausschuß über sie zu entscheiden hat (§ 41). 2747

§ 3 8 Anm. 1, 2 § 3 9 Antn. 1 - 3

Gerichtsverfassungsgesetz §38

(1)Der Gemeindevorsteher sendet die Vorschlagsliste nebst den Einsprüchen an den Richter beim Amtsgericht des Bezirkes. (2) Wird nach Absendung der Vorschlagsliste ihre Berichtigung erforderlich, so hat der Gemeindevorsteher hiervon dem Richter beim Amtsgericht Anzeige zu machen. Entstehungsgeschichte: Entw. §26. Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 304). Das Vereinheitlichungsges. vom 12.9.1950 brachte die textliche Übereinstimmung mit dem geänderten § 36. Die Ersetzung von „Amtsrichter" in Absatz 1, 2 durch „Richter beim Amtsgericht" beruht auf Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). 1. Absendung — Der Richter hat in geeigneter Weise dafür zu sorgen, daß ihm die Vorschlagslisten nebst den Einsprüchen rechtzeitig zugehen (Begr. 46). Vgl. § 57 und Anm. 3 zu § 36. 2. Eine Berichtigung der Vorschlagsliste wird erforderlich, sobald der Gemeindevorsteher, gleichviel auf welchem Wege, von einem Mangel der in § 37 bezeichneten Art Kenntnis erlangt. Vgl. § 37 Anm. 3, § 52. Der Gemeindevorsteher hat auch mitzuteilen, wenn eine vorgeschlagene Person nachträglich verstorben ist oder von ihrem Ablehnungsrecht Gebrauch gemacht hat. §39 Der Richter beim Amtsgericht stellt die Vorschlagslisten des Bezirks zusammen und bereitet den Beschluß über die Einsprüche vor. Er hat die Beachtung der Vorschriften des § 36 Abs. 2 zu prüfen und die Abstellung etwaiger Mängel zu veranlassen. Entstehungsgeschichte: Entw. §27. Bek. vom 2 2 . 3 . 1 9 2 4 (RGBl. I 304). Das Vereinheitlichungsges. ersetzte „Urliste" durch „Vorschlagsliste". Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht". 1. Aufgaben des Richters. Der Richter hat die Vorschlagslisten der Gemeinden des Bezirks zu einer einheitlichen Vorschlagsliste (vgl. § 4 1 : „ . . . die Vorschlagsliste...") zusammenzustellen; dies soll nach dem Vorschlag im RegEntw. des 1. StVRG (BTDrucks. VI/3478 vom 7. 6. 1972) durch eine Neufassung des Absatz 1 ( „ . . . stellt die Vorschlagslisten der Gemeinden zur Liste des Bezirks zusammen") ausdrücklich klargestellt werden. Er bereitet ferner den vom Ausschuß (§41) zu fassenden Beschluß über die Einsprüche vor. Unter der Vorbereitung des Beschlusses ist namentlich die Vornahme der Ermittlungen zu verstehen, deren es noch bedarf, wenn die geltend gemachten Tatsachen weder gerichtskundig noch genügend dargetan sind. Darüber hinaus hat der Amtsrichter zur Vorbereitung der Wahl in geeigneter Weise auch bei den nicht durch Einsprüche Betroffenen festzustellen, ob Hinderungsgründe der in § 37 bezeichneten Art vorliegen, z. B. durch Einholung einer Auskunft aus dem Zentralregister ( § 3 9 BZRG), von Auskünften des Konkursrichters ( § 1 9 der Bayer. Bek. vom 30. 5. 1952, GVB1. 169). 2. Abstellung von Mängeln — Findet der Richter, daß die Vorschriften des § 3 6 Abs. 2 nicht gehörig befolgt worden sind, so hat er die Nachholung des Versäumten, also z. B. eine neue Auslegung der Vorschlagsliste und erforderlichenfalls auch ein neue Bekanntmachung anzuordnen. Darauf weist die AV d. pr. JM vom 13. 11. 1933 (Deutsche Justiz 673) zu A I 4 hin. 3. Der Richter hat weiter zu prüfen, ob die Vorschlagsliste den Anforderungen des § 36 Abs. 1 Satz 3 entspricht und erforderlichenfalls eine Ergänzung zu veranlassen. Die Gesetzmäßigkeit des Vorschlags (§ 36 Abs. 1 Satz 2) und die Beachtung des § 36 Abs. 3 vorbereitend zu prüfen, besteht keine Veranlassung (vgl. dazu Anm. 5 zu § 36).

2748

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 40 Anm. 1—3

§40 (1) Bei dem Amtsgericht tritt jedes zweite Jahr ein Ausschuß zusammen. (2) Der Ausschuß besteht aus dem Richter beim Amtsgericht als Vorsitzenden und einem von der Landesregierung zu bestimmenden Verwaltungsbeamten, sowie zehn Vertrauenspersonen als Beisitzern. (3) Die Vertrauenspersonen werden aus den Einwohnern des Amtsgerichtsbezirks von der Vertretung des ihm entsprechenden unteren Verwaltungsbezirks mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl gewählt. Umfaßt der Amtsgerichtsbezirk mehrere Verwaltungsbezirke oder Teile mehrerer Verwaltungsbezirke, so bestimmt die zuständige oberste Landesbehörde die Zahl der Vertrauenspersonen, die von den Vertretungen dieser Verwaltungsbezirke zu wählen sind. (4) Der Ausschuß ist beschlußfähig, wenn wenigstens der Vorsitzende, der Verwaltungsbeamte und fünf Vertrauenspersonen anwesend sind. Entstehungsgeschichte: Entw. § 28. Ges. vom 25.4. 1922 Art. I Nr. 6 (RGBl. I 465). VO vom 14. 6. 1932 (RGBl. I 285) erster Teil Kapitel I Art. 8. Ges. vom 13. 12. 1934 (RGBl. I 1233) Nr. 3. Durch das Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950 ist § 4 0 in mehrfacher Hinsicht geändert worden (vgl. die nachfolgenden Anm.). Durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) ist in Absatz 2 „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht" ersetzt worden. 1. Zu Absatz 1. Der Ausschuß kann nicht auf unbestimmte Zeit, muß vielmehr in jedem zweiten Jahr neu zusammengesetzt werden. Er muß bei jedem Amtsgericht zusammentreten, auch wenn dieses selbst kein Schöffengericht hat; er hat dann Schöffen für das gemeinsame Schöffengericht und für die Strafkammer sowie Schwurgerichtsschöffen auszuwählen. Entsprechendes gilt für die Wahl der Jugendschöffen für das gemeinsame Jugendschöffengericht und für die Jugendkammer, wenn bei dem Amtsgericht ein Jugendschöffengericht nicht besteht (§§ 35, 33 Abs. 4 JGG). 2. Zu Absatz 2. Unter der Landesregierung, die den Verwaltungsbeamten zu bestimmen hat, ist nicht notwendig die Zentralbehörde (Ministerium usw.) zu verstehen; vielmehr gilt hier das zu § 22 Anm. 4 Bemerkte. Vgl. Nordrh.-Westf. VO über die Bestimmung des Verwaltungsbeamten vom 26. 5. 1958 (GVB1. 268 = SaBl. 786). - Der von der Landesregierung zu bestimmende Beamte muß (abweichend vom früheren Recht) nach der auf dem Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 beruhenden Fassung nicht ein Staalsverwaltungsbeamter sein. Es genügt, daß er überhaupt ein Verwaltungsbeamter ist. Die Ernennung eines Kommunalbeamten zum Mitglied des Ausschusses ist hiernach zulässig. Für den Fall seiner Verhinderung darf ein Stellvertreter, der ebenfalls Verwaltungsbeamter sein muß, bestellt werden. Die Landesregierung kann ihn selbst bestellen oder den Verwaltungsbeamten ermächtigen, im Fall seiner Verhinderung einen Vertreter auszuwählen (BGHSt. 12 197, 202 = NJW 1959 349). Der Vertretene und der Vertreter können abwechselnd an derselben Ausschußsitzung teilnehmen (RG vom 31.3. 1921 I 305/21). S. noch AV d. pr. JM vom 13. 11. 1933 (Deutsche Justiz 673) zu C II 1 b (Verständigung mit dem Verwaltungsbeamten über den Zeitpunkt des Wahltermins). 3. Zu Absatz 3. Vertrauenspersonen a) Entwicklungsgeschichte. Die Zahl der Vertrauenspersonen betrug ursprünglich 7, sie ist durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 auf 10 erhöht worden, um die Stellung der Vertrauenspersonen gegenüber dem Amtsrichter und dem Verwaltungsbeamten zu stärken und einseitige parteipolitische Einflüsse auf die Wahl möglichst zurückzudrängen. Ihre Wahl erfolgte ursprünglich^ „nach näherer Bestimmung der Landesgesetze durch die Vertretungen der Kreise, Ämter, Gemeinden oder dergleichen Verbände", beim Fehlen solcher Vertretungen durch den Amtsrichter. Als „Vertretungen der Kreise usw." waren nach der Rechtspr. des Reichsgerichts (RGSt. 67 120) nur Körperschaften der Selbstverwaltung anzusehen, d. h. Organe, auf deren Zusammensetzung die Angehörigen 2749

§40 Anm. 4

Gerichtsverfassungsgesetz

dieser Gebietskörperschaften Einfluß ausüben, daher z. B. nicht ein Beauftragter der Staatsverwaltung („Staatskommissar"), dem die Wahrnehmung der Verwaltungsgeschäfte einer Stadtgemeinde und der Befugnisse der „Vertretung" übertragen war. Wegen des Wegfalls der Vertretungskörperschaften in der Zeit nach 1933 übertrug das Ges. vom 13. 12. 1934 (RGBl. I 1233) Nr. 3 die Wahl der Vertrauenspersonen dem Amtsrichter. b) Geltendes Recht. Das Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950 stellte den früheren Rechtszustand insofern wieder her, als die Wahl einer Vertretungskörperschaft zusteht. Und zwar ist Wahlorgan die Vertretung des dem Amtsgerichtsbezirk räumlich entsprechenden unteren Verwaltungsbezirks, d. h. des Bezirks, in dem in unterster Instanz die Aufgaben der Staatsverwaltung, auch in der Form der Erledigung von Auftragsangelegenheiten durch Gemeinden, wahrgenommen werden (Kreis und kreisfreie Stadt). Art. 28 G G schreibt bindend vor, daß in den Kreisen und Gemeinden eine von den Gebietseinwohnern gewählte Vertretung bestehen muß; infolgedessen erübrigte sich ein Hinweis auf nähere Regelung des Landesrechts und eine Bestimmung für den Fall, daß eine Vertretung nicht vorhanden sei, wie sie § 40 in seiner ursprünglichen Fassung enthielt. Wie in § 36, so ist auch hier eine qualifizierte Mehrheit bei der Wahl vorgeschrieben, um eine Einwirkung einseitig parteipolitischer oder sonstiger unsachlicher Gesichtspunkte auf die Auswahl nach Möglichkeit auszuschließen (vgl. Anm. 1 zu § 36). Für verhinderte Vertrauenspersonen kann die Gemeindevertretung Vertreter wählen, die an Stelle der Verhinderten an der Ausschußsitzung teilnehmen (BGHSt. 12 197, 204). Nach BGHSt. 20 309 = M D R 1966 250 = N J W 1966 359 = LM Nr. 3 m. Anm. B ö r t z l e r ist es mit § 4 0 Abs. 3 Satz 1 vereinbar, wenn in Nordrh.-W. die Wahl der Vertrauenspersonen nicht durch den zuständigen Kreistag, sondern wegen Dringlichkeit durch den Kreisausschuß erfolgt und der Kreistag erst nach der Schöffenwahl, aber vor Beginn der richterlichen Tätigkeit der gewählten Schöffen mit VrMehrheit die Wahl der Vertrauenspersonen genehmigt. Wird bei der Wahl der Vertrauenspersonen gegen das Gesetz verstoßen, so ist der Ausschuß nicht ordnungsmäßig besetzt; seine Beschlüsse sind unwirksam. Ein solcher Gesetzesverstoß liegt auch vor, wenn im Fall des § 40 Abs. 3 Satz 2 in einem Verwaltungsbezirk die zugewiesene Zahl von Vertrauenspersonen nicht mit der erforderlichen 2 /3-Mehrheit gewählt wird und daher die Zahl von 10 Vertrauenspersonen nicht erreicht wird (BVerfGE 31 181; O L G Frankfurt NJW 1971 1327). Diese Unwirksamkeit kann in den einzelnen Strafsachen geltend gemacht werden, die unter Mitwirkung der von einem Ausschuß gewählten Laienrichter stattfinden (für die Revision gilt § 338 Nr. 1 StPO) (RGSt. 67 120; BGHSt. 20 37, 39 = N J W 1964 2432; O L G Frankfurt N J W 1971 1327; E b S c h m i d t 5; einschränkend M ü l l e r - S a x 2b). Eine Heilung des Mangels ist nur (mit Wirkung ex nunc) dadurch möglich, daß ein ordnungsmäßig zusammengesetzter Ausschuß die Wahl der Laienrichter wiederholt (BGHSt. 20 37). Vgl. Anm. 6 zu § 42. Es bedarf aber der Nachprüfung, ob die vorstehend dargestellten Grundsätze über die Auswirkung von Fehlern bei der Wahl der Vertrauenspersonen auf die ordnungsmäßige Besetzung des Gerichts noch zutreffen angesichts des § 21 b Abs. 6 Satz 3 G V G (vgl. auch Anm. 5 zu § 36); in der letztgenannten Vorschrift könnte sehr wohl ein Grundsatz von allgemeiner Bedeutung gesehen werden. c ) D a s G V G gibt für dje Vertrauenspersonen nur wenige Vorschriften (vgl. §§ 55, 56). Inwieweit eine Pflicht zur Übernahme dieses Ehrenamts besteht, richtet sich nach Landesrecht. Im übrigen ist davon auszugehen, daß die Unfähigkeitsgründe der § § 3 1 , 32 auch unfähig zum Amt als Vertrauensperson machen, denn wer selbst nicht gewählt werden kann, kann auch nicht dadurch bei der Ausübung von Rechtspflegeaufgaben mitwirken, daß er die Laienrichter mitwählt (so auch § 5 Nds. A G G V G vom 5. 4. 1963, GVB1. 225, wo darüber hinaus auch die §§ 33—35 für entsprechend anwendbar erklärt sind; gegen die Heranziehung § § 3 1 , 32 G V G : M ü l l e r - S a x 2 c ; einschränkend auch E b S c h m i d t 4). Hervorzuheben ist, daß die Entscheidung über eine Ablehnung des Wahlamtes nur dem für die Wahl zuständigen Vertretungsorgan zusteht; § 56 G V G gilt hier nicht. 4. Zu Absatz 4. Die Wahlhandlung. Wegen des Wahltermins vgl. § 5 7 (vgl. AV d. pr. J M vom 13. 11. 1933, Deutsche Justiz 673, zu C II 1 b, F.) Leiter der (nicht öffentlichen) Wahlverhandlung ist der Amtsrichter (vgl. darüber Vorbem. 2 zu §§ 36—57). Die zur Be2750

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 4 1 Anm. 1—4

§42 Schlußfähigkeit erforderliche Zahl von Vertrauenspersonen ist durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 von 3 auf 5 erhöht worden. Die Frage der Beschlußfähigkeit wird aber nur praktisch, wo ein den Erfordernissen des Absatzes 2 entsprechender Ausschuß besteht (BVerfGE 31 184). Die Anzahl der für das Schöffengericht zu wählenden Schöffen hat nach § 43 der Landgerichtspräsident (Amtsgerichtspräsident) zu bestimmen und dem Amtsrichter vor der Wahlhandlung mitzuteilen. Wegen der Zahl der zu wählenden Strafkammer- und Schwurgerichtsschöfien vgl. §§ 77, 84, wegen der Jugendschöffen § 35 J G G (hier soll die gleiche Anzahl von Männern und Frauen gewählt werden). Wegen der für die Auswahl zu beobachtenden Grundsätze vgl. Anm. 6 zu § 42. Abstimmung: § § 4 1 , 42. Über Bestrafung unentschuldigt ausbleibender Vertrauenspersonen s. §56.

§41 Der Ausschuß entscheidet mit einfacher Mehrheit über die gegen die Vorschlagsliste erhobenen Einsprüche. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden, die Entscheidungen sind zu Protokoll zu vermerken. Sie sind nicht anfechtbar. 1. Einsprüche. Eine Berichtigung der Vorschlagsliste kommt nicht nur in Betracht, soweit Einsprüche erhoben und als berechtigt anerkannt sind, sondern auch wenn nachträglich Gründe der in § 37 bezeichneten Art auf andere Weise (vgl. § 38 Abs. 2 und Anm. 1 zu § 39) hervorgetreten und zur Kenntnis des Ausschusses gebracht sind (so auch M ü l l e r S a x 1; K l 1; E b S c h m i d t 1; anders die 19. Aufl. und O e t k e r G A 49 107, C o n s b r u c h Recht 1909 829). 2. Die Entscheidungen, die der Ausschuß auf die erhobenen Einsprüche trifft, sind zwar unanfechtbar. Soweit aber Unfähigkeitsgründe (§§ 31, 32, 84; vgl. Anm. 3 zu §§ 32—35) in Betracht kommen, wird durch die Entscheidung des Ausschusses die Anfechtung eines Urteils wegen Mitwirkung eines unfähigen Schöffen oder Geschworenen (StPO § 338 Nr. 1) nicht ausgeschlossen; in dieser Richtung zeitigt die Entscheidung des Ausschusses keine Rechtswirkungen (h. M.; s. auch Anm. 5 zu § 52). — Nach der Wahl eintretende oder bekannt werdende Unfähigkeitsgründe und die Gründe der §§ 33, 34 G V G sind nach Maßgabe des § 52 zu berücksichtigen. Die Nichtberücksichtigung vor der Wahl vorgebrachter Ablehnungsgründe durch den Ausschuß, hindert nicht, sie nach der Wahl erneut vorzubringen (§ 53). Vgl. Vorbem. 3 zu §§ 32—35 und Anm. 1 zu § 35. 3. Protokoll. Es wird angemessen sein, in allen Fällen die Gründe der Entscheidung des Ausschusses in das Protokoll aufzunehmen. Daß das Protokoll durch einen Urkundsbeamten geführt wird, ist hier (anders als nach § 45 Abs. 4) nicht vorgeschrieben, aber auch nicht unzulässig (so schon überwiegend das ältere Schrifttum — Nachweise in Anm. 3 der 20. Aufl. - ; E b S c h m i d t 3). 4. Öffentlichkeit. Die Sitzungen des Ausschusses sind nicht

öffentlich.

§42 Aus der berichtigten Vorschlagsliste wählt der Ausschuß mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen für die nächsten zwei Geschäftsjahre: 1. die erforderliche Zahl von Schöffen; 2. die erforderliche Zahl der Personen, die in der von dem Ausschuß festgesetzten Reihenfolge an die Stelle wegfallender Schöffen treten (Hilfsschöffen). Zu wählen sind Personen, die am Sitz des Amtsgerichts oder in dessen nächster Umgebung wohnen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 30. VO vom 14. 6. 1932 (RGBl. I 285) erster Teil Kapitel I Art. 8. Auf dem Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 beruht die in Anm. 2 erwähnte Neuerung. 2751

§42 Anm. 1—7

Gerichtsverfassungsgesetz

1. „Aus der berichtigten Vorschlagsliste", d. h. aus der endgültig festgestellten. Eine formelle „Berichtigung" der Vorschlagsliste braucht nicht notwendig stattgefunden zu haben. 2. Zweidrittelmehrheit. Während nach früherem Recht für die Wahl einfache Stimmehrheit genügte und bei Stimmengleichheit die Stimme des Amtsrichters den Ausschlag gab, ist seit dem Vereinheitlichungsgesetz vom 12. 9. 1950 eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, die sich jedoch - anders als nach § 36 Abs. 1, § 40 Abs. 3 GVG, § 35 Abs. 3 J G G - nicht nach der gesetzlichen Mitgliederzahl (d. h. 12, § 40 Abs. 2), sondern, wie sich aus § 40 Abs. 4 ergibt, nach der Zahl der abgegebenen Stimmen bemißt. Wegen der Gründe für diese Neuerung vgl. Anm. 1 zu § 36. 3. Die Ausschußmitglieder selbst stehen in der Wählbarkeit den übrigen in der Vorschlagsliste verzeichneten Personen gleich; insbesondere begründet die Mitgliedschaft im Ausschuß kein Recht, die Wahl zum Schöffen abzulehnen (vgl. O e t k e r G A 49 112). Jedoch wird man annehmen müssen, daß der zu Wählende sich der Stimme zu enthalten hat. 4. „die erforderliche Zahl" Hierüber s. § 43 und Anm. 4 zu § 40. 5. Die in § 42 Nr. 1 erwähnten Schöffen werden im Gegensatz zu den in Nr. 2 genannten Hilfsschöffen auch als //awp/schöffen bezeichnet ( § § 4 3 ff.). — Über den Begriff „Ergänzungsschöffe" s. § 192. 6. Über die bei der Auswahl zu beachtenden Grundsätze enthält das Gesetz keine Bestimmungen; sie müssen aus der Natur der Aufgabe entnommen werden. Wiederholt ist angestrebt worden, die Lücke des Gesetzes durch förmliche gesetzliche Richtlinien verdeutlichend auszufüllen. Der Entw. 1923 schlug als § 42 a folgende Vorschrift vor: „Der Ausschuß darf nur Personen wählen, von denen zu erwarten ist, daß sie das Richteramt gewissenhaft, unparteiisch und mit dem nötigen Verständnis ausüben werden. Nach der Zugehörigkeit zu bestimmten Parteien, Berufsarten, Religionsgemeinschaften oder sonstigen Bevölkerungskreisen darf kein Unterschied gemacht werden" (RT Verh. Bd. 378 Nr. 5884 S. 6985). Der RegEntw. eines 1. StVRG (BT-Drucks. VI/3478 vom 7. 6. 1972) sieht einen neuen Absatz 2 des § 42 vor: „Bei der Wahl soll darauf geachtet werden, daß alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen berücksichtigt werden". Eine solche Handhabung entspricht dem Wesen der Sache und muß auch ohne formlichen gesetzlichen Niederschlag als Richtschnur für den Ausschuß angesehen werden (s. auch Anm. 1,5 zu § 36). Jedoch unterliegt die Beurteilung der Frage, nach welchen Gesichtspunkten die Auswahl vorgenommen werden soll, allein dem pflichtmäßigen Ermessen des Ausschusses selbst; im gerichtlichen Verfahren, insbesondere auf eine darauf gegründete Revisionsrüge, ist dieses Ermessen nicht nachprüfbar (RG vom 20. 10. 1930 III 266/30 zu I A 3 b, O L G Hamburg G A 76 242). Im Verwaltungswege sind über die bei der Wahl zu berücksichtigenden Grundsätze vielfach Anordnungen ergangen. Sie binden aber den Ausschuß nicht, sind vielmehr als bloße Empfehlungen zu betrachten. Nur der im Ausschuß mitwirkende Verwaltungsbeamte ist an Anweisungen der ihm vorgesetzten Behörden gebunden (vgl. z. B. RdErl. d. pr. MdJ vom 6. 3. 1928 JMB1. 193). Der Amtsrichter dagegen genießt auch in seiner Eigenschaft als Ausschußvorsitzender das Recht der richterlichen Unabhängigkeit (,justizformiger Verwaltungsakt"; vgl. Vorbem. 2 vor § 36). Die gegenteilige Ansicht von S i e g e r t (GerS 103 347) ist durch nichts begründet. 7. Die Entscheidungen des Ausschusses sind endgültig und unanfechtbar. Verstößt der Ausschuß bei der Auswahl gegen das Gesetz, so kann in einem Strafverfahren, das unter Mitwirkung eines der gewählten Schöffen stattfindet, das Urteil mit der Begründung angefochten werden, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen ( § 3 3 8 Nr. 1 StPO) (vgl. Anm. 3 b zu § 40). Diese Möglichkeit der Anfechtung besteht aber nur bei Verstößen gegen zwingende gesetzliche Vorschriften; Ermessensentscheidungen des Ausschusses unterliegen, wie schon gesagt, nicht der Anfechtung. Selbstverständlich kann der Ausschuß, wenn er selbst den Verstoß erkennt, den Fehler durch eine den Gesetzen entsprechende Wiederholung der Beschlußfassung wieder gutmachen. Im übrigen ist er aber selbst an seine Beschlüsse gebunden und kann sie nicht — etwa durch Zurücknahme einer Wahl und Neubestellung von Schöffen — wieder umstoßen (vgl. hierzu S i e g e r t GerS. 103 350 ff.). 2752

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 42 Anm. 8, 9

8. Hilfsschöffe a) Unvereinbarkeit von Haupt- und Hilfsschöffenamt. Da die Hilfsschöffen an die Stelle (ganz oder vorübergehend) wegfallender Hauptschöffen treten sollen, ist es nicht statthaft, für dasselbe Geschäftsjahr dieselbe Person zugleich zum Hauptschöffen und zum Hilfsschöffen zu wählen. b) Ersatz wegfallender HauptschöfFen. „Die Hilfsschöffen dienen dazu, den Ersatz für alle Fälle zu bieten, in denen die Zuziehung eines anderen als des zunächst berufenen Schöffen erforderlich ist. Hilfsschöffen sind sowohl diejenigen, welche für den ganzen Dienst eines wegfallenden Schöffen eintreten, als diejenigen, welche den Ersatz für eine einzelne Sitzung bilden" (Begr. 48). Dieser Grundsatz hat nach mehreren Richtungen praktische Folgen: Fällt ein auf der Schöffenliste stehender Hauptschöffe, sei es durch den Tod, sei es auf eine andere Weise (§§ 52, 53), dauernd, d. h. für die ganze Wahlperiode oder doch für deren ganzen Rest, weg, so wird er nicht für jede Sitzung besonders ersetzt; vielmehr ist ein Hilfsschöffe als Ersatzmann für den ganzen noch übrigen Dienst des wegfallenden Schöffen zu berufen. Der Hilfsschöffe tritt in diesem Falle, sobald die nach §§ 52 Abs. 3, 53 Abs. 2, 77 Abs. 3 erforderliche Entscheidung getroffen ist, ohne weiteres kraft Gesetzes — ohne daß es einer besonderen Anordnung oder einer Auslosung bedarf — in jeder Beziehung an die Stelle des wegfallenden Hauptschöffen, nimmt also an den Sitzungen teil, für die der Hauptschöffe ausgelost ist, an dessen Stelle er tritt. Folgerichtig hört er damit auch auf, Hilfsschöffe zu sein; er wird Hauptschöffe und muß aus der Schöffenliste der Hilfsschöffen in die der Hauptschöffen übertragen werden (§ 44). Bei der Ersetzung eines Hauptschöffen für den ganzen noch übrigen Dienst ist die Reihenfolge maßgebend, in der der Ausschuß die Hilfsschöffen in die Schöffenliste aufgenommen hat; es tritt also bei dem ersten (zweiten usw.) Ersetzungsfall der erste (zweite usw.) an der Spitze der Schöffenliste stehende Hilfsschöffe ein (heute h. M.; vgl. RGSt. 65 319; 66 75; R G H R R 1933 Nr. 282; BGHSt. 6 117= NJW 1954 1210; BGHSt. 10 252; M ü l l e r - S a x 2c; Kl 2; E b S c h m i d t Anm. 6, je zu § 52; S c h o r n , Laienrichter 93 und überwiegend schon das ältere Schrifttum — Nachweise Anm. 7b der 20. Aufl. —; a. M. Voitus Komm. 46, O e t k e r GA 49 218, die annahmen, daß der wegfallende Schöffe für jede Sitzung besonders, und zwar nach Maßgabe des § 49, zu ersetzen sei). Der als erster auf der Liste stehende Hilfsschöffe tritt deshalb auch dann an die Stelle des nächsten gänzlich wegfallenden Hauptschöffen, wenn er bereits nach § 49 Dienst getan hat (RGSt. 65 319, 321; vgl. RG BayZ 1932 123). Dies gilt auch dann, wenn bzgl. dieses Hilfsschöffen ein Wegfallgrund (Unfähigkeit oder Ungeeignetheit) zur Prüfung ansteht, eine Streichung in der Hilfsschöffenliste aber noch nicht erfolgt ist (OLG Celle NdsRpfl. 1972 91); s. dazu aber auch Anm. 2 zu § 52. Solange der dauernde Wegfall eines Hauptschöffen noch nicht förmlich nach §§ 52 Abs. 3, 53 Abs. 2, 77 Abs. 3 festgestellt ist, wird er bei seiner Verhinderung an der Teilnahme an der einzelnen Sitzung nach § 49 ersetzt (BGHSt. 10 252, 254), denn der Richter ist bei Ausbleiben eines Schöffen nicht verpflichtet, die Gründe hierfür auszuforschen (BGH bei H e r l an GA 1963 100). Alle diese Grundsätze gelten auch für Schöffen beim Schwurgericht (RG vom 21. 3. 1933 I 109/33; BGHSt. 6 117= NJW 1954 1210). c) Für einzelne Sitzungen werden die Hilfsschöffen einberufen, wenn das Schöffengericht eine außerordentliche Sitzung hält und die Auslosung von Hauptschöffen wegen Dringlichkeit untunlich ist (§ 48 Abs. 2), wenn die Ersetzung eines Hauptschöffen für eine einzelne Sitzung oder Verhandlung erforderlich wird (§ 49) oder wenn die Zuziehung von Ergänzungsschöffen stattfindet (§ 192). In diesen Fällen hört der Einberufene nicht auf, für den Rest der Wahlperiode Hilfsschöffe zu sein. d) Der Satz 2 der Nr. 2 bezieht sich selbstverständlich nur auf die //'7/sschöffen. Die Zuziehung eines Hilfsschöffen soll möglichst ohne Zeitverlust bewirkt werden können, wenn sich kurz vor Beginn oder erst im Laufe einer Sitzung die Notwendigkeit der Einberufung ergibt. — Vgl. noch § 48 Anm. 2 a. 9. Weitere Aufgaben des Ausschusses a) Außer den Hauptschöffen und Hilfsschöffen für das Schöffengericht hat der Ausschuß noch zu wählen die Hauptschöffen für das Landgericht (GVG § 77) und Schwur2753

§ 4 2 Anm. 10 Gerichtsverfassungsgesetz § 43 Anm. 1 - 3 gericht (§ 84) sowie die Jugendschöffen (JGG § 35). Ferner hat der Ausschuß bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk das Landgericht oder das Schwurgericht seinen Sitz hat, die Hilfsschöffen für das Landgericht und das Schwurgericht zu wählen (GVG § 77 Abs. 2, § 84; vgl. auch §§ 78, 92). Entsprechend ist im Fall des § 58 GVG, § 33 Abs. 4 J G G (Übertragung der Aburteilung für mehrere Gerichte auf eines von ihnen) zu verfahren. Für jede dieser verschiedenen Klassen von Schöffen sind gesonderte Verzeichnisse aufzustellen; bei den Jugendschöffen im Hinblick auf § 35 Abs. 5 JGG unter Trennung der Männer von den Frauen." b) Schwurgerichtsschöffen. Da der Ausschuß sowohl die Schöffen beim Schöffengericht und bei der Strafkammer wie die Schöffen beim Schwurgericht zu wählen hat (§ 84), und da ferner niemand für dasselbe Geschäftsjahr zu beiden Ämtern berufen werden soll (§ 90), so hat der Ausschuß zu erwägen, für welches Amt der einzelne am besten geeignet ist. Hierbei wird in erster Linie zu berücksichtigen sein, daß das Amt der Schöffen beim Schwurgericht im allgemeinen erheblich schwieriger ist und größere Ansprüche an die geistigen Fähigkeiten der zu Entscheidung berufenen Personen stellt. 10. Reformbestrebungen. Nach dem RegEntw. des 1. StVRG (BT-Drucks. VI/3478 vom 7. 6. 1972), Art. 2 Nr. 8 soll die künftige Wahlperiode nicht mehr 2, sondern 3 Jahre betragen, und zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung in den Gemeinden bei der Aufstellung der Vorschlagslisten (Begr. S. 101). Wegen des weiterhin vorgeschlagenen Absatzes 2 vgl. oben Anm. 6. §43 (1)Die für jedes Amtsgericht erforderliche Zahl von Haupt- und Hilfsschöffen wird durch den Landgerichtspräsidenten (Amtsgerichtspräsidenten) bestimmt. (2) Die Zahl der Hauptschöffen ist so zu bemessen, daß voraussichtlich jeder mindestens zu zwölf ordentlichen Sitzungstagen im Jahr herangezogen wird. Entstehungsgeschichte: Entw. §31. Das Vereinheitlichungsges. vom 12.9.1950 hat die in Anm. 1 b, 2 bezeichneten Änderungen vorgenommen. J. a) Die Zahl der auf die Schöffenliste zu bringenden Schöffen für das Schöffengericht und1 die Strafkammer muß sich nach dem Bedürfnis, also, mit Rücksicht auf die Bestimmung des Absatzes 2, nach der Zahl der während des Jahres abzuhaltenden ordentlichen Sitzungen des Gerichts richten. Als Anhalt für die Bestimmung der Zahl dient die im voraus nach Erfahrungsgrundsätzen festzulegende Zahl der im Geschäfsjahr erforderlichen Sitzungstage. Diese Zahl, vervielfältigt mit 2 und geteilt durch 12, ergibt die Zahl der erforderlichen Hauptschöffen. Für die Schwurgerichtsschöffen vgl. §§ 84, 85. b) Die Bestimmung der erforderlichen Zahl stand früher den Landesjustizverwaltungen zu, die diese Aufgabe z. T. auf die Landgerichtspräsidenten übertragen hatten. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 übertrug das Bestimmungsrecht den Landgerichtspräsidenten (bei den mit einem Präsidenten besetzten Amtsgerichten diesem); es handelt sich dabei um eine reine Justizverwaltungsaufgabe. 2. Die Zahl der nach Auffassung des Gesetzgebers den Hauptschöffen beim Schöffengericht und der Strafkammer zumutbaren Sitzungstage hat gewechselt: früher „höchstens 5", seit dem Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 „mindestens 12" Sitzungstage, da die Schöffen nur durch öftere Teilnahme an den Verhandlungen die Bekanntschaft mit den gesetzlichen Bestimmungen erlangen können, deren sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe (§ 30) bedürfen. Eine stärkere Einberufung im gleichen Geschäftsjahr kann der Schöffe aber nicht verweigern. 3. „Sitzungstage" — Hierzu vgl. § 45 Anm. 2. Ein Schöffe, der im letzten der beiden Geschäftsjahre an wenigstens 10 Sitzungstagen die Schöffenpflicht erfüllt hat, kann nach § 35 Nr. 2 eine erneute Berufung ablehnen. 2754

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 4 3 Anm. 4

§§ 44; 45 Anm. 1 4. Für die Hilfsschöffen besteht keine Bestimmung wie die des Absatzes 2, da sich die Zahl der möglichen Einberufungsfälle (§ 42 Anm. 8b, c) nicht im voraus bemessen läßt. Die Zahl der Hilfsschöffen wird, um eine übermäßige Belastung zu vermeiden, in einem angemessenen Verhältnis zu der Zahl der Hauptschöffen stehen müssen. §44 Die Namen der gewählten Hauptschöffen und Hilfsschöffen werden bei jedem Amtsgericht in gesonderte Verzeichnisse aufgenommen (Schöffenlisten). Entstehungsgeschichte: Entw. § 32. Spätere Änderungen: VO vom 14. 6. 1932 (RGBl. I 285) erster Teil Kapitel I Art. 8. 1. Die Schöffenlisten werden von dem Ausschuß endgültig festgestellt. Unmittelbar aufgrund dieser Listen werden die Schöffen nach Maßgabe des § 45 zu den einzelnen Sitzungen herangezogen. Wegen späterer Berichtigung der Schöffenlisten s. § 52. — Über die Listen der Schöffen beim Schwurgericht vgl. §§ 84, 85, über die für die Strafkammerschöffen §§ 77 und 78, und für die Schöffen bei gemeinschaftlichen Schöffengerichten § 58 Abs. 2. Wegen der Jugendschöffen vgl. § 35 Abs. 5 JGG. Bestehen bei demselben Gericht mehrere Abteilungen des Schöffengerichts, so wird nicht etwa für jede Abteilung eine besondere Schöffenliste gebildet; vielmehr ist die Liste für alle Abteilungen des Gerichts gemeinsam; nur für das Jugendschöffengericht sind besondere Listen aufzustellen.

§45 (1) Die Tage der ordentlichen Sitzungen des Schöffengerichts werden für jedes Jahr im voraus festgestellt. (2) Die Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen des Jahres teilnehmen, wird durch Auslosung in öffentlicher Sitzung des Amtsgerichts bestimmt. (3) Das Los zieht der Richter beim Amtsgericht. (4) Über die Auslosung wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ein Protokoll aufgenommen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 33. Spätere Änderungen: Ges. vom 25. 4. 1922 (RGBl. I 467). Ges. vom 9. 7. 1927 (RGBl. I 175). VO vom 14. 6. 1932 (RGBl. I 285) erster Teil Kapitel I Art. 8. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat den früheren Absatz 2 Satz 3, wonach für eine Sitzung nicht mehr als eine Frau ausgelost werden durfte, im Hinblick auf die Änderung des § 29 a. F. gestrichen und aus dem bisherigen Satz 2 des Absatzes 2 einen Absatz 3 gemacht. Die Änderung des Absatzes 3 (statt „Amtsrichter" „Richter beim Amtsgericht") beruht auf Art. II Nr. 6 des Ges. vom 25. 6. 1972 (BGBl. I 841). 1. Zu Absatz 1 a) Das Gesetz unterscheidet zwischen ordentlichen Sitzungen, deren Tage für ein ganzes Jahr im voraus festgestellt werden, und außerordentlichen Sitzungen (§ 48), die zusätzlich und nach Bedarf anberaumt werden, weil eine sachgemäße Durchführung der Hauptverhandlung in der angefallenen Sache an den ordentlichen Sitzungstagen nicht möglich ist, etwa weil die ordentlichen Sitzungstage schon auf lange Zeit besetzt sind und mit der Hinausschiebung des Termins nicht zugewartet werden kann, oder weil der Umfang der Sache mit Rücksicht auf die sonstige Belastung des Gerichts die Erledigung an den ordentlichen Sitzungstagen nicht gestattet (vgl. im übrigen Anm. 1 zu § 48). Durch das System der kalendermäßig vorausbestimmten Sitzungstage unterscheidet sich das Verfahren vor dem Schöffengericht und der Strafkammer (§ 77) von dem Verfahren vor dem Schwurgericht, das jeweils nach Bedarf zusammentritt (§ 79). Diese Abweichung von dem in § 45 niedergelegten Grundsatz der Stetigkeit beruht darauf, daß zwar der Anfall an Schöffengerichts- und Strafkammersachen nach den Erfahrungen der voran2755

§ 45 Anm. 2, 3

Gerichtsverfassungsgesetz

gegangenen Jahre im allgemeinen einigermaßen abschätzbar ist, während der Anfall an Schwurgerichtssachen, namentlich bei kleineren Landgerichten, großen Schwankungen unterliegt und auch die Dauer des Ermittlungsverfahrens und der Voruntersuchung in der einzelnen Sache sehr unterschiedlich ist (vgl. Anm. 1 zu § 79). Es kann u. U. sein, daß in einzelnen Bezirken auch der Anfall von Schöffengerichts- und Strafkammer-, insbesondere von Jugendstrafkammersachen sehr unterschiedlich ist. Gleichwohl darf auch dann von dem System der festen Sitzungstage nicht abgewichen werden. Es ist also unzulässig, wegen geringen Anfalls von Jugendschöffengerichtssachen auf die Festsetzung bestimmter Sitzungstage des Jugendschöffengerichts zu verzichten, die Sitzungstage des (Erwachsenen-) Schöffengerichts gleichzeitig als Sitzungstage des Jugendschöffengerichts festzusetzen und nur nach Bedarf einen Sitzungstag für das Jugendschöffengericht auszuwählen und dazu die Jugendschöffen in einer im voraus festgelegten Reihenfolge einzuberufen (BGHSt. 15 107). Vielmehr müssen die Sitzungstage stets — gegebenenfalls in größeren Abständen — selbständig bestimmt und für diese Tage die Jugendschöffen ausgelost werden; bei beschleunigungsbedürftigen Sachen ist nach § 48 zu verfahren. b) Eine Änderung der im voraus festgestellten Sitzungstage im Lauf des Jahres ist möglich, wenn infolge Änderung der Geschäftsverteilung (z. B. die Zahl der Schöffenabteilungen wird aus Anlaß einer Erweiterung oder Verkleinerung der Bezirksgrenzen vermehrt oder vermindert) die Geschäfte beim Amtsgericht neu verteilt und im Zusammenhang damit die Sitzungstage geändert werden müssen. Die neue Feststellung muß dann für den Rest des Jahres erfolgen (BayObLG NJW 1961 568; vgl. Anm. l c zu § 77). Aus anderen Gründen ist nach dem Grundsatz der Stetigkeit eine Änderung nicht zulässig. Vermehrter Bedarf an Sitzungstagen ist durch Anberaumung außerordentlicher Sitzungen zu befriedigen. Bei vermindertem Bedarf kann während des Geschäftsjahres bestimmt werden, daß ein bestimmter Teil der Sitzungen wegfällt. Die Einteilung der Schöffen für die verbleibenden Sitzungen wird dadurch nicht geändert; die für die weggefallenen Sitzungen vorgesehenen Schöffen werden also nicht für die nächste Sitzung herangezogen, sondern „übersprungen" (BGH vom 13. 11. 1970 — 1 StR 412/70 —). Wegen der Verlegung des einzelnen ordentlichen Sitzungstags s. Anm. 1 b zu § 48). c) Die Feststellung der Tage der ordentlichen Sitzungen ist Sache der Justizverwaltung (BayObLG NJW 1961 568). Es richtet sich nach Landesrecht, welchem Organ die Festsetzung obliegt (vgl. z. B. preuß. AV vom 13. 11. 1933, DJust. 673 zu C III 4, F, §§ 2, 23 der BayBek. vom 30. 5. 1952, Bay. BS III 153). Das Präsidium (§ 21 e) hat damit nichts zu tun. 2. Sitzung, Sitzungstag. Das Gesetz spricht bei den Schöffengerichten von Sitzungssälen (§ 46), nicht, wie bei den Schwurgerichten (vgl. §§ 83, 85, 86, 87), von Tagungen. Für die Schöffengerichte sind die Ausdrücke „Sitzung" und „Sitzungstag" gleichbedeutend (vgl. auch § 35 Nr. 2), und wenn ein solches Gericht zwei oder mehrere aufeinander folgende Tage in Tätigkeit ist, so finden im Sinne des Gesetzes ebenso viele verschiedene Sitzungen statt. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die auf einen Sitzungstag anberaumten Sachen (oder eine davon) an diesem Tag nicht zu Ende geführt werden können und deshalb die Fortsetzung der Sitzung an einem späteren Tage erforderlich wird; vgl. § 50. Im Sinne der §§ 35 Nr. 2, 43 Abs. 2 entspricht ein Sitzungstag einem Kalendertag. 3. Auslosung a) Verfahren. Eine nähere Anordnung darüber, in welcher Weise die Schöffen auf die einzelnen Sitzungstage zu verteilen sind und in welcher Art der Wechsel unter ihnen stattzufinden hat, ist im Gesetz nicht gegeben. Es bleibt bei dem Auslosungsverfahren Raum für das Ermessen des Richters (KG JW 1930 2590 = H R R 1930 Nr. 1565). Über die zweckmäßigste Methode vgl. die Erörterungen im älteren, in Anm. 3 der 20. Aufl. angeführten Schrifttum. Es können z. B. die Namen aller Hauptschöffen in eine Urne gelegt und sodann für jede ordentliche Sitzung zwei von ihnen gezogen werden. Die gezogenen Namen werden jedesmal wieder in die Urne zurückgelegt, und zwar so oft, bis bei dem einzelnen Schöffen die Zahl der auf ihn fallenden Sitzungen erschöpft ist. Ob die zwei Schöffen, die für die erste, zweite usw. Sitzung ausgelost werden, auch bei einer späteren Sitzung wieder zusammentreffen, hängt bei diesem Verfahren lediglich vom Los ab. Über eine andere, in Bayern übli2756

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 4 5 Anm. 4—6 § 4 6 Anm. 1 che Methode s. M ü l l e r - S a x 2b. Zulässig ist auch, daß jeder Schöffe, dessen Name gezogen wird, gleich für mehrere aufeinander folgende Sitzungstage bestimmt wird (BGH NJW 1955 997); dann treffen immer dieselben beiden Schöffen bei derselben Abteilung zusammen. b) Gesonderte Auslosung. Bestehen mehrere Abteilungen des Schöffengerichts, so findet die Auslosung für alle aus der gemeinsamen Liste (Anm. 1 zu § 44) statt, zweckmäßig in demselben Termin (KG JW 1930 2590 = HRR 1930 Nr. 1565). Die Auslosung muß für jede Abteilung, ebenso wie bei mehreren Strafkammern desselben Landgerichts für jede Kammer (vgl. Anm. 1 zu § 77), gesondert erfolgen (OLG Hamm NJW 1956 1937; s. auch oben Anm. 1 a). c) Die Auslosung gilt (vorbehaltlich des § 50) nur für den bestimmten Sitzungstag; es ist unzulässig, bei einer Vertagung oder Unterbrechung der Verhandlung, wenn sie sich nicht in den Grenzen des § 229 StPO hält, die für die ursprüngliche Verhandlung ausgelosten Schöffen ohne weiteres wieder heranzuziehen (RGSt. 65 298; OLG Naumburg DRZ 1930 Nr. 165); vgl. Anm. 1 d zu § 48. Wegen des Zeitpunktes der Auslosung vgl. § 57. Der Auslosung bedarf es nur für die Hauptschöffen; die Hilfsschöffen werden nach der Reihenfolge der Hilfsschöffenliste herangezogen (§ 49). — Für den Fall einer außerordentlichen Sitzung trifft § 48 Abs. 1 Vorsorge. d) Die Auslosung ist, obwohl die Dauer des Schöffenamts zwei Jahre beträgt, stets nur für ein Geschäftsjahr vorzunehmen. 4. Zu Absatz 3. An der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts zur Auslosung nimmt der (durch die Geschäftsverteilung bestimmte) Richter beim Amtsgericht, der hierbei eine ,justizformige Justizverwaltungsaufgabe" ausübt, also unter richterlicher Unabhängigkeit handelt (vgl. Anm. 2 zu § 77), und der Urkundsbeamte teil. Der Zuziehung der Staatsanwaltschaft bedarf es nicht (Begr. 48). — Daß die Zeit der Sitzung zuvor öffentlich bekanntgemacht wird, ist nicht vorgeschrieben. 5. Das Protokoll (Absatz 4) ist von dem Richter und dem Urkundsbeamten zu unterschreiben. Vgl. StPO § 271. Wegen der Beweiskraft vgl. § 51 Anm. 4. 6. Einsicht in die Schöffenliste. Einem Rechtsanwalt, der als Verteidiger Einsicht in die Schöffenliste begehrt, um die ordnungsmäßige Besetzung eines Gerichts nachzuprüfen, darf die Einsicht nicht verweigert werden (BVerwGE 12 261 = NJW 1961 1989). Die Ablehnung unterliegt der Anfechtung nach §§23 ff. EG GVG. Vgl. auch H ü l l e , Muß die Justizverwaltung einem Anwalt, der die Besetzung der Richterbank rügen will, Auskunft aus den Verwaltungsakten geben? JVB1. 1959 153. §46 (1) Der Richter beim Amtsgericht setzt die Schöffen von ihrer Auslosung und von den Sitzungstagen, an denen sie in Tätigkeit zu treten haben, unter Hinweis auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens in Kenntnis. (2) In gleicher Weise werden die im Laufe des Geschäftsjahres einzuberufenden Schöffen benachrichtigt. Entstehungsgeschichte: Entw. § 34. Durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) wurde in Absatz 1 „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht" ersetzt. 1. Benachrichtigung (zu Absatz 1) a)Die Hauptschöffen sollen durch die hier vorgeschriebene, das ganze Geschäftsjahr umfassende Benachrichtigung schon vor oder bei Beginn des Geschäftsjahres einen Überblick über die gesamte Tätigkeit erhalten, zu der sie, von Ausnahmefällen (§ 48) abgesehen, im Laufe des Jahres herangezogen werden sollen, um sich in ihren Geschäften und sonstigen Privatangelegenheiten entsprechend einrichten zu können; vgl. auch § 47. Die Hilfsschöffen, die im Laufe des Geschäftsjahrs für dessen ganzen Rest an die Stelle wegfallender Hauptschöffen treten (vgl. § 42 Anm. 8 b), erhalten die Nachricht, sobald der Eintritt dieses Falles 2757

§ 4 6 Anm. 2, 3 § 47 Anm. 1 - 4

Gerichtsverfassungsgesetz

festgestellt wird. Mit den Benachrichtigungen wird den Schöffen das in Anm. 4 zu § 30 erwähnte Merkblatt übersandt. — Besondere Ladungen zu den einzelnen Sitzungstagen sind zwar im Gesetz nicht vorgeschrieben, haben sich aber nach den Erfahrungen der Praxis als sehr angezeigt erwiesen; die pr. AV vom 13. 11. 1933 (Deutsche Justiz 673 zu C III 5) empfiehlt deshalb den Amtsgerichten, besondere Ladungen zu den einzelnen Sitzungen, und zwar etwa drei Tage vor dem Sitzungstage, zu erlassen, verbunden mit der Aufforderung, für den Fall, daß Entschädigung für Verdienstausfall in Anspruch genommen wird, eine Bescheinigung des Arbeitgebers über dessen Höhe mitzubringen. Vgl. § 55. b) Die Benachrichtigung von der Auslosung und den Sitzungstagen ist Sache des Amtsrichters, der die Auslosung vorgenommen hat, nicht etwa des Vorsitzenden der einzelnen Schöffengerichtsabteilung (a. M. S c h o r n , Laienrichter 85; s. auch E b S c h m i d t 1). 2. Wegen der Folgen des Ausbleibens s. § 56. Die Benachrichtigungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit keiner Zustellung; Bestrafung ist auch ohne Zustellungsnachweis zulässig (vgl. AV d. pr. JM vom 13. 11. 1933 aaO. zu C III 5). 3. Zu Absatz 2. Hilfsschöffen für einzelne Sitzungen werden nach Absatz 2 in „gleicher Weise", d. h. mit dem in Absatz 1 vorgeschriebenen „Hinweis" von ihrer Heranziehung benachrichtigt. Im übrigen wird es, wiewohl gerade dies in Absatz 2 nicht gesagt ist, angemessen sein, alle zu Hilfsschöffen gewählten Personen (§ 42) bei Beginn des Geschäftsjahres von ihrer Wahl zu benachrichtigen, damit die Einberufung sie nicht unvorbereitet findet; § 24 Abs. 2 der bay. Bek. vom 30. 5. 1952 (GVB1. 169) enthält eine entsprechende Bestimmung. §47 Eine Änderung in der bestimmten Reihenfolge kann auf übereinstimmenden Antrag der beteiligten Schöffen von dem Richter beim Amtsgericht bewilligt werden, sofern die in den betreffenden Sitzungen zu verhandelnden Sachen noch nicht bestimmt sind. Der Antrag und die Bewilligung sind aktenkundig zu machen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 35. Die Ersetzung von „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht" beruht auf Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). 1. „Änderung in der bestimmten Reihenfolge" a) Hierunter ist ein Tausch zwischen zwei zu verschiedenen Sitzungen berufenen Hauptschöffen zu verstehen (Begr. 48); zwischen Hilfsschöffen ist ein Austausch der Sitzungstage, die ihnen ja nicht bekannt sind, nicht möglich. Dieser Tausch kann sich sowohl auf die sämtlichen im voraus bestimmten Sitzungstage der beteiligten Schöffen (§ 45) erstrecken wie auch auf einzelne Sitzungstage beschränken. b) Nach § 77 Abs. 3 Satz 3 ist die Bewilligung eines Tauschs nach § 47 Sache des Strafkammervorsitzenden. Daraus ist zu folgern, daß „Richter beim Amtsgericht" in § 47 nicht der auslosende Amtsrichter, sondern der Vorsitzende des Schöffengerichts ist (ebenso E b S c h m i d t 5; K l 2; S c h o r n , Strafrichter 186). Die Geschäftsstelle kann keinen Tausch bewilligen (BGH M D R 1953 598). 2. Durch die Worte „sofern . . . die zu verhandelnden Sachen noch nicht bestimmt sind" soll — in Wahrung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters (§ 16 GVG, Art. 101 GG) — ausgeschlossen werden, daß die Besetzung des Gerichts jür eine bestimmte Strafsache willkürlich geändert wird (Begr. 48). Sobald auf einen Sitzungstag auch nur eine Sache anberaumt ist, darf für diesen Tag kein Tausch mehr gestattet werden. 3. aktenkundig, der Antrag, der an keine Form gebunden ist, und die Bewilligung bedürfen der Niederlegung bei den über die Berufung der Schöffen geführten Generalakten. 4. Rechtsmittel. Gegen die Ablehnung des Tauschantrags gibt es — arg. §§ 52 Abs. 4, 53 Abs. 2 — kein Rechtsmittel (ebenso E b S c h m i d t 6 ; K 1 4 ) . 2758

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 4 7 Anm. 5 § 4 8 Anm. 1

5. Eine Änderung der bestimmten Reihenfolge kann auch ohne Tausch eintreten, wenn ein Schöffe gegen Stellung eines Ersatzmannes vom Sitzungsdienst entbunden wird. Vgl. § 54 Abs. 2. §48 ( l ) W e n n die Geschäfte die Anberaumung außerordentlicher Sitzungen erforderlich machen, so werden die einzuberufenden Schöffen vor dem Sitzungstag nach § 45 ausgelost. (3) Erscheint dies wegen Dringlichkeit untunlich, so erfolgt die Auslosung durch den Richter beim Amtsgericht lediglich aus der Zahl der am Sitz des Gerichts wohnenden Hilfsschöffen. Die Umstände, die den Richter beim Amtsgericht hierzu veranlaßt haben, sind aktenkundig zu machen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 36. Die Ersetzung von „Amtsrichter" in Absatz 2 durch „Richter beim Amtsgericht" beruht auf Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). 1. Außerordentliche Sitzung (zu Absatz 1) a) § 45 Abs. 1 berücksichtigt nur den Regelfall, und § 48 enthält keine erschöpfende Sonderregelung, die jede andere Möglichkeit nachträglicher Auslosung ausschließt (BGHSt. 22 209; vgl. dazu Anm. 1 b zu § 45; 1 c zu § 77). b) Über den Begriff der außerordentlichen Sitzung vgl. Anm. 1 a zu § 45. Eine außerordentliche Sitzung liegt, weil es sich nicht um eine zusätzlich anberaumte Sitzung handelt, nicht vor, wenn der Vorsitzende eine Sache, etwa wegen voraussichtlich längerer Dauer, auf einen vor dem ordentlichen Sitzungstag liegenden Tag und die folgenden Tage anberaumt und dabei den ordentlichen Sitzungstag einbezieht, diesen also frei von anderen Sachen läßt. Dann liegt lediglich eine Vorverlegung des ordentlichen Sitzungstages vor, und die Besetzung des Gerichts mit besonders ausgelosten Schöffen verstößt gegen § 338 Nr. 1 StPO (BGHSt. 11 54 = NJW 1958 32 = JZ 1958 218 m. zust. Anm. K e r n ; BGHSt. 15 107, 110; 16 63, 65 = NJW 1961 1413 mit Anm. P a r s c h NJW 1961 1879). - Ob die Geschäftslage des Gerichts eine außerordentliche Sitzung erfordert und für wann eine solche anzusetzen ist, bestimmt der Vorsitzende nach pflichtmäßigem Ermessen (BGHSt. 12 159, 161; 16 63, 65). Seine Anordnung ist nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil er — im Ermessensspielraum — von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht, z. B. die voraussichtliche Dauer der Verhandlung von vornherein überschätzt (vgl. BGHSt. 16 63, 66), und selbstverständlich erst recht nicht deshalb, weil die Voraussetzungen sich nicht verwirklichen, von denen er ausging, z. B. die Verhandlung von kürzerer Dauer ist, als er erwarten durfte, und die Sache auf einen ordentlichen Sitzungstag hätte anberaumt werden können, wenn der tatsächliche Verlauf der Dinge vorhersehbar gewesen wäre. — Wenn es die Geschäftslage verlangt, können außerordentliche Sitzungen auch regelmäßig, z. B. in jeder Woche für den Rest des Geschäftsjahrs neben den ordentlichen Sitzungen anberaumt werden ( M ü l l e r - S a x lc). c) Auslosung. Die zu außerordentlichen Sitzungen heranzuziehenden Schöffen sind in der Regel (vgl. Absatz 2) „nach § 45", also aus der Liste der Hauptschöjfen und unter Beobachtung der in § 45 vorgeschriebenen Förmlichkeiten auszulosen. Die Auslosung erfolgt durch den Vorsitzenden des Schöffengerichts. d) Umfang der Auslosung. Die Auslosung erstreckt sich für jede einzelne außerordentliche Sitzung auf alle auf der Schöffenliste stehenden Hauptschöffen; daß ein Schöffe in demselben Geschäftsjahr bereits ein oder mehrere Male zu einer solchen Sitzung herangezogen worden ist, begründet nicht seine Ausschließung von weiteren Auslosungen. Findet gleichzeitig eine Auslosung für mehrere außerordentliche Sitzungen statt, so kann in gleicher Weise wie im Fall des § 45 verfahren werden ( M ü l l e r - S a x 2a). e) Zeit der Auslosung. Die Auslosung wird vorzunehmen sein, sobald die außerordentliche Sitzung anberaumt worden ist. Die Worte „vor dem Sitzungstage" sind nicht rein zeitlich zu verstehen; insbesondere ist es nicht unzulässig, die Auslosung erst an dem Sit2759

§ 4 8 Anm. 2, 3

Gerichtsverfassungsgesetz

§49 zungstage selbst vorzunehmen (obwohl das wenig zweckmäßig wäre) ( S c h o r n DRZ 1933 163 zu 3). Sie bringen vielmehr den Grundsatz zum Ausdruck, daß das Schöffengericht niemals für einzelne bestimmte Strafsachen, sondern eben für bestimmte Sitzungstage gebildet wird; nur für diesen Tag sind die Schöffen (vorbehaltlich des § 50) zum Schöffenamt berufen (einhellige Meinung, vgl. RGSt. 65 298; BGHSt. 8 250, 251; 17 176 = NJW 1962 1167 mit Nachw.). Danach ist es auch unzulässig, die sämtlichen auf einen ordentlichen Sitzungstag anberaumten Sachen auf eine Sondersitzung zu verlegen und dazu einfach die für den ausgefallenen ordentlichen Sitzungstag ausgelosten Schöffen zu laden; vielmehr müssen für die Sondersitzung neue Schöffen nach § 48 ausgelost werden (RGSt. 65 298, OLG Naumburg DRiZ 1930 Nr. 165); vgl. Anm. 3 zu § 45. In gleicher Weise können, wenn die Verhandlung an dem außerordentlichen Sitzungstag ausfällt und neuer Hauptverhandlungstermin wiederum auf einen außerordentlichen Sitzungstag anberaumt wird, weil auch jetzt kein ordentlicher Sitzungstag frei ist, zu dem neuen Termin nicht die für die ausgefallene außerordentliche Sitzung ausgelosten Schöffen herangezogen werden, sondern es müssen erneut Schöffen gemäß § 48 ausgelost werden (BGHSt. 17 176). 2. Zu Absatz 2 a) Der Fall der Dringlichkeit liegt nur vor, wenn aus Gründen, die in der Beschaffenheit der zu verhandelnden Sachen liegen, eine außerordentliche Sitzung auf einen so nahen Tag anberaumt werden muß, daß mit einer rechtzeitigen Einberufung der Hauptschöffen (Absatz 1) nicht zu rechnen ist. Abs. 2 ist also hauptsächlich auf Haftsachen berechnet. Ob dieser Fall vorliegt, hat der Richter nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden. Mit der Revision ist diese Entscheidung nicht nachprüfbar. Wegen der Aktenkundigmachung (Satz 2) vgl. Anm. 3 zu § 47. b) Absatz 2 setzt voraus, daß am Sitze des Gerichts mindestens drei Hilfsschöffen wohnen. Denn falls nur zwei daselbst vorhanden sind, kann keine Auslosung stattfinden; diese ist aber ein notwendiger Bestandteil des in Absatz 2 bezeichneten Verfahrens, und es steht dem Amtsrichter nicht zu, einfach die beiden vorhandenen Hilfsschöffen einzuberufen (heute h. M.; s. M ü l l e r - S a x 3; E b S c h m i d t 9; Kl 3; anders z . T . das ältere Schrifttum — Nachw. Anm. 5 der 20. Aufl. —). Sind nur zwei Hilfsschöffen am Gerichtssitz vorhanden, bleibt nur übrig, nach Absatz 1 zu verfahren. Eben deshalb wird es aber geboten sein, in die Liste der Hilfsschöffen stets mindestens drei am Sitze des Gerichts wohnende Personen aufzunehmen (vgl. § 42 Nr. 2). — Eine Einberufung nach § 48 Abs. 2 berührt nicht die Reihenfolge der Einberufung nach § 49; die ausgelosten Schöffen bleiben Hilfsschöffen; vgl. dort Anm. I 4. 3. Zu Absatz 1, 2. Ausbleiben. Erscheint einer der gemäß Absatz 1 oder Absatz 2 einberufenen Schöffen nicht, so ist ein Hilfsschöffe nach Maßgabe des § 49 heranzuziehen. Die Vorschriften gelten auch für die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer ( G r a ß h o f DJZ 1928 1325).

§49 (1) Wird zu einzelnen Sitzungen die Zuziehung anderer als der zunächst berufenen Schöffen erforderlich, so erfolgt sie aus der Zahl der Hilfsschöffen nach der Reihenfolge der Schöffenliste. (2) Würde durch die Berufung der Hilfsschöffen nach der Reihenfolge der Schöffenliste eine Vertagung der Verhandlung oder eine erhebliche Verzögerung ihres Beginns notwendig, so sind die nicht am Sitz des Gerichts wohnenden Hilfsschöffen zu übergehen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 37. Ges. vom 25. 4. 1922 (RGBl. I 465). Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 305). VO vom 14. 6. 1932 (RGBl. I 285) erster Teil Kapitel I Art. 8. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat den Schlußteil des Absatzes 1, wonach tunlichst an Stelle eines zunächst einberufenen Mannes ein Mann, an Stelle einer Frau eine Frau tritt, im Hinblick auf die Änderung des § 29 a. F. gestrichen.

2760

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 49 Anm. I 1—3 Literatur: S c h o r n , Rechtsfragen bei Einberufung von Schöffen DRjZ 1933 163; S c h o r n , Der Laienrichter in der Strafrechtspflege 95ff; S c h o r n , Rechtsfragen bei der Berufung von Schöffen und Geschworenen DRiZ 1966 115. I. Zu Absatz 1 1. Die Zuziehung zu einzelnen Sitzungen bildet den Gegensatz zu der Ersetzung eines wegfallenden Hauptschöffen für die ganze noch übrige Wahldauer; für diese gilt § 42 (vgl. Anm. 8 zu § 42). § 49 bezweckt, entsprechend dem Grundsatz des gesetzlichen Richters (§ 16 GVG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), den Ersatz eines für eine einzelne Sitzung ausfallenden Hauptschöffen so zu regeln, daß nicht Willkür oder Ermessen, sondern eine feste gesetzliche Ordnung bestimmt, wer als Ersatz an seine Stelle tritt (RG DRZ 1928 Nr. 235; BGH NJW 1954 82). 2. § 49 gilt gleichmäßig für die ordentlichen Sitzungen (§ 45) wie für die außerordentlichen (§ 48) und gleichviel ob es sich um die Ersetzung der beiden einberufenen Schöffen oder nur eines von ihnen handelt. 3. „wird . . . erforderlich" a) Die Zuziehung eines anderen Schöffen wird erforderlich, sobald — vor oder in der Sitzung — feststeht, daß in einer bestimmten Sitzung einer der zunächst berufenen Schöffen aus irgendeinem Grunde, z. B. wegen Ausbleibens, Erkrankung oder weil er von der Dienstleistung entbunden ist (§ 54) nicht tätig sein wird. Beim bloßen Ausbleiben ohne vorangegangene Entbindung oder Angabe von Verhinderungsgründen ist, wenn eine kurzfristige Aufklärung, z. B. durch telefonischen Anruf, nicht zu erreichen ist, ohne weitere Ermittlungen über den Grund des Ausbleibens eine Zuziehung des Hilfsschöffen erforderlich, wenn sonst die Durchführung der Hauptverhandlung verhindert oder wesentlich verzögert würde (OLG Braunschweig NJW 1965 1240). Gibt ein Schöffe glaubhaft einen ausreichenden Verhinderungsgrund an, so bedarf es zur Feststellung der Verhinderung im allgemeinen keiner weiteren Nachprüfung, bei körperlichen Gebrechen, z. B. hochgradiger Schwerhörigkeit, auch nicht des Versuchs von Maßnahmen zur Behebung des Mangels (BGHSt. 22 289, 291). Ferner gehört hierher der Fall, daß einer der in der Sitzung mitwirkenden Schöffen in einer einzelnen Sache von der Ausübung des Schöffenamts ausgeschlossen oder mit Erfolg abgelehnt ist (StPO §§ 22, 24, 31). In diesem Fall erstreckt sich aber die Tätigkeit des Ersatzmannes nur auf diese Sache; wenn auf deren Verhandlung noch die Verhandlung anderer Sachen folgt, so hat der ursprünglich berufene Schöffe wieder in das Gericht einzutreten (BGH NJW 1958 557). Der gleiche Hilfsschöffe kann aber wohl auch mitwirken, wenn in mehreren anstehenden Sachen der eine oder andere Hauptschöffe rechtlich verhindert ist (vgl. M ü l l e r - S a x 2a). § 49 findet auch auf die Zuziehung von Ergänzungsschöffen (§ 192) Anwendung (vgl. Anm. II 6 zu § 192). b) § 49 Abs. 1 ist auch anwendbar, wenn sich unmittelbar in der Sitzung körperliche oder geistige Gebrechen herausstellen, die den Schöffen nicht nur für die Mitwirkung an dieser Sitzung, sondern auf Dauer ungeeignet erscheinen lassen, so daß der Vorsitzende gleichzeitig mit der Ladung des Hilfsschöffen die Streichung dieses Hauptschöffen von der Liste (§ 52) anregt. Er braucht dann weder die Entscheidung über die Streichung abzuwarten noch ist er, wenn diese erfolgt und ihm noch vor Eintritt in die Hauptverhandlung bekannt wird, gezwungen, die einmal zu Recht angeordnete Heranziehung des Hilfsschöffen wieder zurückzunehmen (BGHSt. 10 252; 22 289 = NJW 1969 703). Anders läge es, wenn die Entscheidung über die Streichung abgewartet und erst nach ihrem Eintreffen die Ladung des Hilfsschöffen veranlaßt worden wäre, denn dann hätte statt des ungeeigneten Schöffen der an seiner Stelle berufene Hauptschöffe zugezogen werden müssen (vgl. Anm. 8 b zu § 42). c) Eine Abweichung von der gemäß § 45 Abs. 2 bestimmten Reihenfolge ist nicht „erforderlich", wenn das Gericht lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen, z. B. um dem Staat Kosten zu sparen, an Stelle der für den Tag bestimmten andere Personen als Schöffen einberuft; solcher behördlicher Willkür wollte das Gesetz die Besetzung des erkennenden Ge2761

§49 Anm. 1 4

Gerichtsverfassungsgesetz

richts gerade entziehen (s. Anm. 1). Entsprechendes gilt für die Zuziehung von Hilfsschöffen beim Schwurgericht (ob für die ganze Tagung oder für einzelne Sitzungen oder Sachen der Tagung); vgl. RGSt. 62 202, 66 75 und R G DRiZ 1928 Nr. 735 = H R R Nr. 2152. 4. Reihenfolge der Heranziehung a) Eine Auslosung der einzuberufenden Hilfsschöffen findet in den Fällen des § 49 nicht statt; sie werden vielmehr in regelmäßiger Abwechslung, und zwar nach der Reihenfolge der Hilfsschöffenliste (§ 44) herangezogen, so daß im ersten Einberufungsfalle der zuerst aufgeführte Hilfsschöffe, im zweiten der zweite einberufen wird usw. und so fortlaufend während der ganzen Wahlperiode, so daß im ersten Einberufungsfall des zweiten Geschäftsjahres derjenige Hilfsschöffe einberufen werden muß, der in der Hilfsschöffenliste auf den im vorangegangenen Geschäftsjahr zuletzt einberufenen Hilfsschöffen folgt (BGHSt. 12 243 = N J W 1959 395). Nach Erschöpfung der Liste wird in der festgelegten Reihenfolge von neuem begonnen. Ein Hilfsschöffe kommt somit, sobald er einmal zugezogen war, erst wieder an die Reihe, wenn alle hinter und vor ihm Stehenden Dienst geleistet haben (RG H R R 1928 Nr. 1381 = DRiZ 1928 Nr. 235); jedoch wird die frühere Einberufung nicht gezählt, wenn sie vor der neuen als gegenstandslos zurückgenommen worden ist ( R G vom 1. 12. 1925 I 487/25; ebenso M ü l l e r - S a x 3 a ; a. M. E b S c h m i d t 10). In jedem Einberufungsfall ist der Hilfsschöffe heranzuziehen, der nach den Eintragungen der Liste dem Hilfsschöffen folgt, der als letzter zu Dienstleistungen tatsächlich herangezogen wurde (RGSt. 63 309), ohne daß es darauf ankommt, ob bei der Einberufung der Vordermänner Fehler unterlaufen sind (BGHSt. 9 203). Abweichungen von der strengen Reihenfolge der Schöffenliste bei der Zuziehung von Schöffen bilden einen unbedingten Revisionsgrund (RG H R R 1927 1487; BGHSt. 9 203, 208). Ein an späterer Stelle der Schöffenliste stehender Hilfsschöffe darf (abgesehen von den Fällen des Absatzes 2, der nur die Übergehung der nicht am Sitz des Gerichts wohnenden Hilfsschöffen zuläßt) immer erst zugezogen werden, wenn feststeht, daß die zunächst zu Berufenden und Berufenen nicht erreichbar oder verhindert sind oder nicht erscheinen. Dagegen darf von der Berufung der am Gerichtsort wohnenden Hilfsschöffen nach der Reihenfolge auch dann nicht abgewichen werden, wenn dies zu einer Vertagung oder wesentlichen Verzögerung des Verhandlungsbeginns führt, etwa weil der zunächst zu Berufende erheblich weiter von der Gerichtsstelle entfernt wohnt als ein Nachmann (BGHSt. 5 73 = N J W 1954 82; BGHSt. 12 113, 115) oder weil der an späterer Stelle stehende Hilfsschöffe durch Fernsprecher erreichbar ist, während der zunächst stehende erst durch Boten herbeigerufen werden müßte (RGSt. 63 309; OLGe. Stuttgart N J W 1952 315; Hamm N J W 1968 119; Kiel SchlHA 1971 219). Eine entsprechende Anwendung des Absatzes 2 ist ausgeschlossen, denn sie würde entgegen dem Grundsatz des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G die Reihenfolge der Einberufung dem Ermessen des Vorsitzenden überlassen. Eine Einberufung durch Auslosung nach § 48 Abs. 2 berührt die Reihenfolge der Schöffen nach § 49 nicht, hat also bei Anwendung des § 49 außer Betracht zu bleiben (RG D R Z 1928 735 = H R R 1928 Nr. 2152, BayZ 1928 9). Ebensowenig wird die Reihenfolge des § 49 berührt, wenn ein Hilfsschöffe gemäß § 54 freiwillig für einen anderen eintritt. Ist ein Schöffe (ohne dauernd verhindert zu sein) für mehrere einander folgende Sitzungen verhindert, so ist für jeden einzelnen Verhinderungsfall der jedesmal in Betracht kommende, aber nicht ein Hilfsschöffe für alle Fälle heranzuziehen ( R G BayZ 1932 123). Auch sonst darf kein Hilfsschöffe unter Nichtbeachtung der Reihenfolge mehrfach hintereinander verwendet werden ( R G BayZ 1928 39). Art. 68 Ziff. 14 des Entw. E G StGB 1930 wollte eine Erleichterung insofern schaffen, als es gestattet sein sollte, Hilfsschöffen zu übergehen, deren Berufung eine Vertagung der Verhandlung oder eine erhebliche Verzögerung ihres Beginns nötig machen würde. b) Für die Frage, welcher Hilfsschöffe nach der Reihenfolge der Liste heranzuziehen ist, ist zeitlich maßgebend der Eingang der Verhinderungserklärung bei der Geschäftsstelle (BGH bei H e r l a n G A 1959 338; VRS 36 20). c) Der Ersatz darf für alle Fälle der bloß zeitweiligen Verhinderung nur aus der Liste der Hilfsschöffen entnommen werden; die Heranziehung anderer als der ursprünglich vorgesehenen Hauptschöffen ist im Falle des § 49 keinesfalls zulässig, auch nicht, wenn dieser 2762

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 49 Anm. 1 5 , 6 ; II 1,2

Weg bequemer wäre (RG JW 1933 1599 Nr. 21 = H R R 1933 Nr. 1389; BGHSt. 10 384 = NJW 1957 1770). Anders in den Fällen der §§ 47, 54 Abs. 2 GVG (vgl. RG BayZ 1932 124). Aus dem Gesagten ergibt sich, daß das Gericht ein genaues Verzeichnis der Fälle führen muß, in denen es Hilfsschöffen aufgrund des § 49 einberufen hat. 5. Verhinderung des Hilfsschöffen a) Ist ein einberufener Hilfsschöffe am Erscheinen verhindert, so ist ohne weiteres sein nächster Hintermann aus der Liste der Hilfsschöffen einzuberufen und, wenn auch dieser verhindert ist, dessen nächstfolgender Hintermann usw. Die Feststellung, ob ein Hilfsschöffe verhindert ist, kann nicht durch formlose Befragung der am Sitz des Gerichts wohnenden Hilfsschöffen nach der Reihenfolge der Liste, ob sie an der Sitzung teilnehmen könnten, erfolgen. Vielmehr bedarf es grundsätzlich der förmlichen Ladung des jeweils nächstberufenen Hilfsschöffen, und erst wenn dieser auf vorgebrachte Hinderungsgründe entbunden ist (§ 54), kann in gleicher Weise auf den nächstfolgenden Hilfsschöffen zurückgegriffen werden (BGHSt. 10 384). b) In dem nächstfolgenden Einberufungsfall ist der Hintermann des einberufen gewesenen Schöffen, nicht der verhindert gewesene Hilfsschöffe, heranzuziehen; denn das Zurückgreifen auf diesen würde eine Abweichung von der vorgeschriebenen Reihenfolge enthalten, und eine solche Abweichung ist, soweit sie nicht im Gesetz ausdrücklich zugelassen ist (Absatz 2), unstatthaft (RGSt. 62 424, RG DRiZ 1928 235; O e t k e r GA 49 216). 6. Dauernde Vertretung. Sobald ein Hilfsschöffe dauernd an die Stelle eines Hauptschöffen getreten ist, darf er nicht mehr als Hilfsschöffe einberufen werden; er kommt alsdann bei Anwendung des § 49 Abs. 1 nicht mehr in Betracht; vgl. Anm. 8 zu § 42. II. Zu Absatz 2 1. Vertagung — oder — Verzögerung. Absatz 2 hat den Fall im Auge, daß erst bei Beginn der Sitzung oder kurz zuvor dem Richter bekannt wird, die Ersetzung eines der zunächst einberufenen Schöffen durch einen anderen sei notwendig. Die ursprünglich ungenaue Fassung des alten Absatzes 2 ist in der Bek. vom 22. 3. 1924 berichtigt worden. Ob die Voraussetzung vorliegt, hat der Richter nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden; in der Revisionsinstanz findet keine Nachprüfung dieses Ermessens statt. 2. s i n d . . . zu übergehen. Im Fall des Absatzes 2 ist, wenn die Berufung des ersten der auswärtigen Hilfsschöffen eine Vertagung oder eine erhebliche Verzögerung des Verhandlungsbeginns notwendig macht, auf alle auswärtigen Hilfsschöffen zu verzichten und der nächste nach der Reihenfolge der Schöffenliste der am Gerichtssitz wohnenden Hilfsschöffen zu berufen. BGHSt. 5 73 = NJW 1954 82. Es ist also so zu verfahren, wie wenn in der Hilfsschöffenliste nur die am Sitz des Gerichts wohnenden Hilfsschöffen verzeichnet wären; innerhalb ihres Kreises aber bestimmt sich die Auswahl der zu Berufenden nach dem in Anm. I 4 Bemerkten. Wohnen z. B. von 8 Hilfsschöffen die unter Nr. 2, 3, 6, 8 aufgeführten am Sitz des Gerichts und ist in dem zunächst vorhergegangenen Einberufungsfall Nr. 4 in Tätigkeit gewesen, so ist nunmehr Nr. 6 (nicht Nr. 2 und selbstverständlich nicht Nr. 5) zu berufen (gl. A. O e t k e r GA 49 217, S t e n g l e i n Anm. 2). In dem nächstfolgenden Einberufungsfalle kommt sodann, je nachdem nach Absatz 1 oder nach Absatz 2 zu verfahren ist, Nr. 5 oder Nr. 8 an die Reihe. Wohnt kein Hilfsschöffe am Sitz des Gerichts, so ist Absatz 2 unanwendbar, und sie sind gemäß Absatz 1 nach der Reihenfolge der Schöffenliste zuzuziehen, auch wenn dadurch eine Verlegung der Sitzung notwendig wird (BayObLGSt. 1950 51 38). Hält das Gericht eine Sitzung außerhalb des Gerichtssitzes ab, so ist, sofern der Ort der Sitzung im Bezirk des Gerichts liegt, Absatz 2 in der Weise anwendbar, daß zunächst die aus der Liste der Hilfsschöffen am Ort der Sitzung zur Verfügung stehenden Hilfsschöffen herangezogen werden (OLG Schleswig SchlHA 1953 67). Auf Hauptschöffen darf auch im Fall des Absatzes 2 keinesfalls zurückgegriffen werden, auch nicht, wenn ein solcher am Gerichtssitz zur Verfügung steht, während Hilfsschöffen dort nicht vorhanden oder nicht erreichbar sind (RG JW 1933 1599 = H R R 1933 Nr. 1389).

2763

§ 4 9 Anm. 3 §§ 5 0 ; 5 1

Gerichtsverfassungsgesetz

3. Verhinderung. Ist ein gemäß Absatz 2 einberufener Hilfsschöffe am Erscheinen verhindert, so ist von den am Sitze des Gerichts wohnenden Hilfsschöffen der nächstfolgende einzuberufen (Anm. I 5). Führt aber das Verfahren nach Absatz 2 nicht zum Ziel, so muß nunmehr, sofern nicht etwa die Sitzung aufgehoben wird, eine ganz neue Einberufung nach Absatz 1 stattfinden.

§50 Erstreckt sich die Dauer einer Sitzung über die Zeit hinaus, für die der Schöffe zunächst einberufen ist, so hat er bis zur Beendigung der Sitzung seine Amtstätigkeit fortzusetzen. 1. „über die Zeit hinaus". § 50 betrifft den Fall, daß die Verhandlung der auf einen Sitzungstag (vgl. § 45 Anm. 2) anberaumten Sachen so viel Zeit in Anspruch nimmt, daß die Sitzung auf den folgenden Tag erstreckt werden muß, sei es, daß nur in einer Sache die Verhandlung an dem bestimmten Sitzungstage nicht zu Ende geführt werden kann, sei es, daß von den anberaumten Sachen einzelne überhaupt nicht zur Verhandlung gelangen können. Er findet aber auch Anwendung, wenn die Verhandlung einer Sache wegen eines verfahrensrechtlichen Hindernisses, z. B. wegen des Ausbleibens eines Zeugen, abgebrochen werden muß und an einem anderen Tage innerhalb der Frist des § 229 StPO fortgesetzt werden soll. Deshalb bedarf es auch nicht der Zuziehung neuer Schöffen, wenn bei einer Verhandlung, die von vornherein auf mehrere Tage berechnet ist, an einem dem ersten Sitzungstag folgenden Tage einer der Berufsrichter ausfällt und infolgedessen nach Hinzuziehung eines Ersatzrichters die bisherige Verhandlung wiederholt werden muß (RG vom 29. 6. 1931 III 386/31). § 50 gilt auch für Ergänzungsschöffen (BGH NJW 1956 1326). 2. § 50 ist auch anwendbar, wenn der folgende Tag, auf den sich die Sitzung erstreckt, in ein neues Geschäftsjahr oder in eine neue Wahlperiode (§ 42) fällt. Vgl. auch § 21 e Abs. 4. In dem letztgenannten Fall bedarf es trotz des Ablaufs der Wahlperiode (§ 51 Abs. 1 Satz 2) nicht einer erneuten Vereidigung der Schöffen; § 50 enthält vielmehr der Sache nach eine gesetzliche Verlängerung der Wahlperiode (BGHSt. 8 250 = NJW 1956 110). 3. Eine rechtsmißbräuchliche Anwendung des § 50 liegt vor, wenn ohne Not eine Hauptverhandlung in den letzten Tagen des Geschäftsjahres anberaumt wird, um in dieser den Angekl. nur kurz zur Person zu vernehmen, während die Hauptverhandlung im übrigen — in der alten Besetzung — erst im neuen Geschäftsjahr stattfinden soll (vgl. Anm. 1 zu § 89).

§51 (1) Die Schöffen sind bei ihrer ersten Dienstleistung in öffentlicher Sitzung zu beeidigen. Die Beeidigung gilt für die Dauer der Wahlperiode (§ 42). (2) Der Vorsitzende richtet an die zu Beeidigenden die Worte: „Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten eines Schöffen getreulich zu erfüllen und ihre Stimmen nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben." (3) Die Schöffen leisten den Eid, indem jeder einzeln die Worte spricht: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe." (4) Der Schwörende soll bei der Eidesleistung die rechte Hand erheben. (5) Ist ein Schöffe Mitglied einer Religionsgesellschaft, der das Gesetz den Gebrauch gewisser Beteuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, so wird die Abgabe einer Erklärung unter der Beteuerungsformel dieser Religionsgesellschaft der Eidesleistung gleichgeachtet. (6) Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden. (7) Uber die Beeidigung wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ein Protokoll aufgenommen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 39. WeimVerf. Art. 136 Abs. 4, Art. 177. Ges. vom 9. 7. 1927 (RGBl. I 175). VO vom 14. 6. 1932 (RGBl. I 285) erster Teil Kapitel I Art. 8. 2764

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 51 Anm. 1—4

Durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 ist Absatz 6 eingfügt und durch Art. 3 Nr. 2 des 3. Strafrechtsänderungsges. vom 4. 8. 1953 (BGBl. I 735) der Absatz 1 Satz 2 geändert worden (vgl. zur Entstehungsgeschichte Anm. 1 a der 20. Aufl.). 1. Zu Absatz 1. Beeidigung. Die Bestimmung, daß jeder Schöffe innerhalb derselben Wahlperiode nur einmal zu beeidigen ist, gilt ganz allgemein. Selbst wenn ein Schöffe zu der Sitzung, in der er den Eid geleistet hat, nur als Ergänzungsschöffe (§ 192) zugezogen war und an der Urteils fallung nicht teilgenommen hat, ist die Beeidigung für die ganze Wahlperiode wirksam. Vgl. noch § 50 Anm. 2. Unterbleibt die Beeidigung, so ist das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt. Werden Schöffen erst im Lauf der Hauptverhandlung vereidigt, so ist die ganze Verhandlung zu wiederholen; ausgenommen bleibt nur der Aufruf der Zeugen und Sachverständigen, der für die Urteilsfindung bedeutungslos ist (BGH NJW 1953 1800). Daran ändert es auch nichts, wenn alle Beteiligten erklären, das bisher Verhandelte solle als nochmals verhandelt gelten; § 51 ist zwingendes Recht, das der Verfügung der Prozeßbeteiligten entzogen und daher unverzichtbar ist (RGSt. 61 374, 64 308; R G H R R 1937 Nr. 358; 1938 Nr. 1382; BGH St. 3 175; 4 159 und das gesamte Schrifttum). - Über gleichzeitige Beeidigung mehrerer Personen vgl. Anm. 3. 2. in öffentlicher Sitzung. Die Beeidigung eines jeden Schöffen hat öffentlich, und zwar unmittelbar nach Eröffnung der Sitzung, stattzufinden, in der der Schöffe den ersten Dienst für die Wahlperiode leistet. Sie erfolgt durch den Vorsitzenden (des Schöffengerichts, der Strafkammer, des Schwurgerichts). Der Anwesenheit der Angeklagten, gegen die in der Sitzung verhandelt werden soll, bedarf es nicht, da die Beeidigung keinen Bestandteil der Hauptverhandlung in den einzelnen Sachen bildet. Die Anwesenheit der Staatsanwaltschaft ist nicht notwendig, aber angemessen (RGSt. 64 50; h. M.). 3. Zu Absatz 2—6 a) Eidesformel. Vgl. die von der Beeidigung der Zeugen handelnden §§ 66c—e StPO und die Anm. das.; das dort Gesagte findet auf die Beeidigung der Schöffen entsprechende Anwendung. Haben mehrere Schöffen den Eid zu leisten, so ist jeder einzeln zu beeidigen, wobei es genügt, daß die Eidesnorm nur einmal vorgesprochen wird und die Schöffen einzeln die Eidesformel sprechen (vgl. OLG Frankfurt NJW 1962 1834). Ein gleichzeitiges Nachsprechen der Eidesformel durch mehrere Personen ist wirksam, wenn nachweisbar jeder einzelne mitgesprochen hat (RG HRR 1926 Nr. 1792; RGSt. 72 52 - unter Aufgabe von RGSt. 61 374, RG vom 2. 11. 1931 III 589/31 - ; S c h n e i d e r - N e u e n b u r g DStR 1938 370; Kl 2; a. M. E b S c h m i d t 4). RGSt. 72 52 läßt aber ausdrücklich offen, ob dies auch für die Beeidigung der Schwurgerichtsschöffen gilt. Die Eidesleistung der Schöffen soll sich an die Worte des Vorsitzenden: „Sie schwören . . . " unmittelbar anschließen (RG HRR 1928 Nr. 2153). Nach Art. 140 G G in Verb. m. Art. 136 WeimVerf. darf niemand zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden. Der durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 eingefügte Absatz 6 spricht daher aus, daß der Eid auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden kann, d. h., die Worte „bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden" und „so wahr mit Gott helfe" sind wegzulassen, wenn der Schwörende es verlangt. Eine Belehrung über die Möglichkeit der Eidesleistung in nichtreligiöser Form erfolgt nicht; es bleibt vielmehr dem Schwörenden überlassen, sein Verlangen nach nichtreligiöser Eidesleistung zum Ausdruck zu bringen (vgl. im übrigen Anm. 1 zu § 66 c StPO). b) Abweichende Beteuerungsformeln. Wegen der Religionsgesellschaften, denen das Gesetz den Gebrauch abweichender Eidesformen gestattet, vgl. die Anm. zu § 66 e StPO. Wer überhaupt einen Eid aus religiösen Gründen verweigert, ohne Mitglied einer solchen Religionsgesellschaft zu sein, kann nach der Grundsatzentscheidung BVerfG JZ 1972 515 = MDR 1972 760 nicht nach § 56 verurteilt werden, wäre aber verpflichtet, eine von ihm verlangte anderweitige Beteuerungsformel zu sprechen. 4. Zu Absatz 7. Protokoll. Der Beurkundung der Eidesleistung bedarf es schon deshalb, weil die Mitwirkung eines nicht beeidigten Schöffen einen unbedingten Revisionsgrund bildet; vgl. Anm. 1. Die Wirksamkeit der Beeidigung wird aber nicht dadurch beeinträchtigt, daß kein Protokoll über die Eidesleistung angefertigt worden ist (RG HRR 1926 Nr. 2765

§ 52 Gerichtsverfassungsgesetz Anm. 1—3 ; 1578). Dem Protokoll kommt nicht die Beweiskraft des § 274 StPO zu; der Beweis der Unrichtigkeit ist nicht ausgeschlossen (RGSt. 64 50, 52; R G vom 23. 9. 1927 I 904/27). Wegen der Unterzeichnung des Protokolls s. § 45 Anm. 5. Die Protokolle über die Beeidigung der Schöffen gehören zu den die Bildung des Schöffengerichts betreffenden Generalakten. Der Mitteilung von Abschriften dieser Protokolle zu den einzelnen Untersuchungsakten bedarf es nur, wenn ein gegen das Urteil eingelegtes Rechtsmittel auf die Behauptung gestützt wird, daß hinsichtlich der Beeidigung der Schöffen das Gesetz verletzt sei. §52 (1)Wenn die Unfähigkeit einer als Schöffe in die Schöffenliste aufgenommenen Person eintritt oder bekannt wird, so ist ihr Name von der Liste zu streichen. (2) Ein Schöffe, bei dem nach seiner Aufnahme in die Schöffenliste Umstände eintreten oder bekannt werden, bei deren Vorhandensein eine Berufung zum Schöffenamte nicht erfolgen soll, ist zur Dienstleistung ferner nicht heranzuziehen. (3) Der Richter beim Amtsgericht entscheidet nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und des beteiligten Schöffen. (5) Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Entstehungsgeschichte: Entw. § 40. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 306). VO vom 14.6. 1932 (RGBl. I 285) erster Teil Kapitell Art. 8. Das Vereinheitlichurfgsges. vom 12. 9. 1950 änderte § 52 nur redaktionell. Durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) würde in Abs. 3 „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht" ersetzt. 1. Geltungsgebiet. Die Vorschrift hat nur solche Umstände (Gründe der Unfähigkeit oder der Nichtberufung) im Auge, die erst nach Beendigung der Tätigkeit des Ausschusses ( § § 4 1 , 42) eintreten oder bekannt werden. Umstände, die, sei es aus Anlaß eines Einspruchs, sei es ohne einen solchen, bereits Gegenstand einer Entscheidung des Ausschusses gewesen sind, gehören nicht hierher; dem Amtsrichter steht keine Änderung der Entscheidungen des Ausschusses zu (h. M.). Vgl. jedoch Anm. 5. 2. Z u Absatz 1. Die Unfähigkeitsgründe ergeben sich aus § 31 Satz 2, § 32. Sie führen zur Streichung für die ganze Wahlperiode oder für deren Rest. Nach h. M. (vgl. z. B. BGHSt. 9 205, 206; 10 252; E b S c h m i d t 5; M ü l l e r - S a x 2; K l 1) gilt dies auch für die Unfähigkeitsgründe des § 32 Nr. 2, 3, wenn sie im Zeitpunkt der Entscheidung über die Streichung bereits wieder weggefallen sind; das erscheint aber zu weitgehend (ebenso O L G Bremen M D R 1964 244 - vgl. Anm. 4 a zu § 32 - ; S c h o r n , Laienrichter 54; O e t k e r G A 49 207). Das Argument der h. M., auch die in dem jeweilig maßgeblichen Zeitpunkt bestehenden vorübergehenden Unfähigkeitsgründe führten dazu, daß die Aufnahme in die Vorschlagsliste oder die Wahl überhaupt nicht erfolgt (vgl. § 37), erscheint nicht zwingend. Die förmliche Entscheidung über die Streichung steht zwar nach § 52 Abs. 3 nur dem für die Schöffenangelegenheiten nach der Geschäftsverteilung zuständigen Amtsrichter zu, der seinerseits von Amts wegen die in Absätzen 1, 2 bezeichneten Maßnahmen zu veranlassen hat. Treten aber schon vorher in der einzelnen Schöffengerichtssitzung — nach RiStBV Nr. 122 soll der Vorsitzende die Schöffen über die Unfähigkeitsgründe belehren — Unfähigkeitsgründe hervor und ist die Herbeiführung der Entscheidung des zuständigen Amtsrichters ohne wesentliche Verzögerung des Verhandlungsbeginns nicht möglich, so entscheidet das Gericht, ob der Schöffe gesetzlich von der Mitwirkung ausgeschlossen ist; bejahendenfalls ist er nach § 49 zu ersetzen (vgl. BGHSt. 10 252, 254; K l 3; RiStVB Nr. 122). Über die Ersetzung des gestrichenen Hauptschöffen vgl. Anm. 8 b zu § 42. Die Ersetzung eines gestrichenen Hilfsschöffen ist im Gesetz nicht vorgesehen. 3. Zu Absatz 2 a ) D i e Gründe der Nichtberufung ergeben sich aus §§ 33, 34. Absatz 2 findet auch Anwendung, wenn ein Schöffe im Lauf der Wahlperiode seinen Wohnsitz in einen anderen Amtsgerichtsbezirk verlegt (vgl. § 33 Nr. 2, RGSt. 39 277, 306; B G H bei H e r l a n G A 1961 206; M ü l l e r - S a x 2 b zu § 33; O e t k e r G A 49 206; a. M. S t e n g l e i n 4). 2766

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 5 2 Anm. 4, 5 §53 b) Die Anordnung der Nichtheranziehung ist eine der Streichung (Absatz 1) entsprechende Maßnahme. Liegen ihre Voraussetzungen vor, so hat nach h. M. auch hier die Anordnung die Wirkung, daß der Schöffe für die ganze Wahlperiode oder ihren Rest nicht mehr herangezogen wird, auch wenn der die Nichtberufung begründende Umstand später wegfällt. Denn dann muß auch hier gelten (vgl. Anm. 2), daß der später eintretende oder hervortretende Nichtberufungsgrund die gleiche Bedeutung haben muß, wie wenn er bereits im Zeitpunkt der Aufstellung der Vorschlagsliste oder der Wahl durch den Ausschuß vorgelegen hätte (ebenso M ü l l e r - S a x 2b, E b S c h m i d t 6, a. M. die 20. Aufl. Anm. 7b). c) Die Entscheidung steht auch hier dem Amtsrichter (vgl. Anm. 2) zu. Die Mitwirkung eines nach §§ 33, 34 ungeeigneten Schöffen begründet zwar („sollen nicht berufen werden") — anders als die des nach §§31 Satz 2, 32 unfähigen Schöffen — nicht die Rüge aus § 338 Nr. 1 StPO (BGH GA 1961 206). RiStBV Nr. 122 Absatz 1 weist deshalb den Vorsitzenden nur darauf hin, die Schöffen über Unfähigkeitsgründe, nicht auch über Nichtberufungsgründe zu belehren. Jedoch ist es, wenn der Schöffe zur Sitzung erscheint und hier der Nichtberufungsgrund hervortritt, in Eilfällen auch hier zulässig und geboten, schon vor der Entscheidung des Amtsrichters der Sollvorschrift der §§ 33, 34 Rechnung zu tragen und den Schöffen bis zur Entscheidung des Amtsrichters als rechtlich vorübergehend verhindert anzusehen; auch hier wird demgemäß nach § 49 verfahren (vgl. Anm. I 3 zu § 49). 4. Zu Absatz 3 a) Absatz 3 erfordert stets eine förmliche Entscheidung (vgl. BGHSt. 10 252), und zwar durch den für Schöffenangelegenheiten nach der Geschäftsverteilung zuständigen Amtsrichter (vgl. Anm. 2). Sie erfolgt ohne mündliche Verhandlung. Ist aber der Amtsrichter zugleich der Vorsitzende des Schöffengerichts und treten die Gründe der Absätze 1, 2 in der Sitzung hervor, so kann sie auch in der Sitzung ergehen. Doch soll nach RiStBV Nr. 122 eine Erörterung in der Hauptverhandlung vermieden werden. Daß der Amtsrichter nicht als Justizverwaltungsorgan, sondern in richterlicher Unabhängigkeit entscheidet, ergibt sich schon daraus, daß nach § 77 Abs. 3 für die entsprechenden Entscheidungen bei den Strafkammerschöffen die Strafkammer zuständig ist. b) Die Anhörung des beteiligten Schöffen ist vorgeschrieben, damit er Gelegenheit hat, seine Rechte wahrzunehmen. Die Staatsanwaltschaft hat das öffentliche Interesse geltend zu machen (Begr. 49). Die Anhörung kann mündlich (zu Protokoll) oder schriftlich erfolgen. Dem Erfordernis der Anhörung des Schöffen ist genügt, wenn ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich zu erklären. Daß er eine Erklärung tatsächlich abgibt, ist nicht erforderlich. 5. Zu Absatz 4. Weder dem beteiligten Schöffen noch der Staatsanwaltschaft steht eine Beschwerde zu, auch nicht, wenn der Amtsrichter einen auf Anwendung des § 52 gerichteten Antrag verworfen hat. — Durch eine solche ablehnende Entscheidung wird aber eine Anfechtung des Urteils wegen angeblicher Mitwirkung eines unfähigen Schöffen nicht ausgeschlossen; das zu § 41 Anm. 2 Bemerkte gilt hier entsprechend. Umgekehrt muß, wenn infolge eines gegen ein Urteil eingelegten Rechtsmittels von dem Gericht höherer Instanz die Unfähigkeit eines Schöffen festgestellt wird, der Richter beim Amtsgericht den Namen des Schöffen von der Liste streichen, damit nicht künftig anfechtbare Urteile erlassen werden (h. M.). Soweit körperliche oder geistige Gebrechen eines Schöffen (§ 33 Nr. 3) als Gründe einer vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts in Betracht kommen, greift der Gedanke durch, daß die Rüge nur begründet ist, wenn ein Beschluß nach § 52 Abs. 2, der die Nichtheranziehungsvoraussetzungen verneint, auf einer klar zu Tage liegenden Gesetzesverletzung oder auf Willkür beruht (BGH bei H e r l a n GA 1971 34; vgl. Anm. III 12 zu § 21 e). §53 (1) Ablehnungsgründe sind nur zu berücksichtigen, wenn sie innerhalb einer Woche, nachdem der beteiligte Schöffe von seiner Einberufung in Kenntnis gesetzt worden ist, von ihm geltend gemacht werden. Sind sie später entstanden oder bekannt geworden, so ist die Frist erst von diesem Zeitpunkt zu berechnen. 2767

§ 5 3 Anm. 1—3 § 5 4 Anm. 1

Gerichtsverfassungsgesetz

(2) Der Richter beim Amtsgericht entscheidet über das Gesuch nach Anhörung der Staatsanwaltschaft. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Entstehungsgeschichte: Entw. § 41. Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 306) und Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 (nur redaktionelle Änderungen). Durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) wurde in Absatz 2 „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht" ersetzt. 1. Ablehnungsgründe. § 53 Abs. 1 betrifft den Fall, daß ein Schöffe die Berufung zum Schöffenamt überhaupt, d. h. für die ganze Wahlperiode oder deren noch übrigen Teil, aus einem der in § 35 bestimmten Gründe ablehnt. Bei anderen als den in § 35 bezeichneten Personen ist eine völlige Befreiung vom Schöffendienst für die ganze Wahlperiode oder deren Rest unstatthaft und eine entsprechende Anwendung der §§ 35, 53 ausgeschlossen (BGHSt. 9 203 = NJW 1956 1326). Vgl. aber § 54. 2. Die einwöchige Ausschlußfrist bezweckt, die Weiterungen zu vermeiden, die entstehen könnten, wenn das Ablehnungsrecht unmittelbar vor oder erst in der Sitzung geltend gemacht würde (Begr. S. 49). Die Frist beginnt (außer im Fall des Satzes 2) mit dem Ablauf des Tages, an dem der Schöffe (Haupt- oder Hilfsschöffe) von seiner Berufung gemäß § 46 benachrichtigt wird. Ist es unterlassen worden, die Hilfsschöffen im voraus von ihrer Wahl zu benachrichtigen (vgl. § 46 Anm. 3), so beginnt für jeden die Frist mit dem Ablauf des Tages, an dem er zuerst zu einer Sitzung einberufen wirft. 3. Zu Absatz 2. Wegen des Verfahrens im Fall des Absatzes 2 vgl. § 52 Anm. 4, 5. Solange der Amtsrichter dem Ablehnungsgrund nicht entsprochen hat, muß der Schöffe herangezogen werden (vgl. BVerwG NJW 1963 1219). Auch wenn das Gesuch zu Unrecht abgelehnt wird, kommt eine ordnungswidrige Besetzung des Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO), bei dem der Schöffe Dienst leistet, nicht in Betracht. §54 (1)Der Richter beim Amtsgericht kann einen Schöffen auf dessen Antrag wegen eingetretener Hinderungsgründe von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen entbinden. (2) Die Entbindung des Schöffen von der Dienstleistung kann davon abhängig gemacht werden, daß ein anderer für das Dienstjahr bestimmter Schöffe für ihn eintritt. (3) Der Antrag und die Bewilligung sind aktenkundig zu machen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 42. Die Ersetzung von „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht" in Absatz 1 beruht auf Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). 1. Zu Absatz 1. Über die Erheblichkeit des von einem Haupt- oder Hilfsschöffen geltend gemachten Hinderungsgrundes und darüber, ob er glaubhaft ist, hat der Amtsrichter nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden. Einer Nachprüfung durch das Revisionsgericht (§ 338 Nr. 1 StPO) unterliegt die Entscheidung nur unter dem Gesichtspunkt einer Verkennung des Rechtsbegriffs der Verhinderung oder der Willkür (BGH DRiZ 1967 29 = NJW 1967 165). Auch Ablehnungsgründe (§ 35), die als solche von den Schöffen nicht oder zu spät (§ 53) geltend gemacht worden sind, können für einzelne Sitzungen immer noch als Hinderungsgründe in Betracht kommen; vgl. z. B. § 35 Anm. 3. Hinderungsgrund ist z. B. auch ein beabsichtigter Urlaub (vgl. OLG Braunschweig NJW 1965 1240). Ein Hinderungsgrund kann ferner darin bestehen, daß der Schöffe in seinem Betrieb oder in seiner Stellung dringend benötigt wird, wenn und soweit ihm bei der gebotenen strengen Beurteilung das Zurückstellen der beruflichen Interessen nicht möglich oder nicht zumutbar ist (BGH NJW 1967 165 = DRiZ 1967 29). Unzulässig wäre es, einen Schöffen ohne weiteres auf seine Behauptung hin zu entbinden, er müsse beruflich ortsabwesend sein, ohne die Gründe der Ortsabwesenheit zu ermitteln (OLG Hamburg MDR 1971 683); eine rechtsirrtümliche Verkennung des Begriffs des Hinderungsgrundes kann dabei auch darin liegen, 2768

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 5 4 Anm. 2—4

§ 5 5 Anm. 1 daß nicht geprüft wird, ob der Schöffe sich bei einem an sich unaufschiebbaren Berufsgeschäft nicht durch einen anderen vertreten lassen konnte (BGH aaO.). Der entbundene Schöffe wird nach § 49 ersetzt. Ein Hauptschöffe kann im voraus auch von mehreren Sitzungen entbunden werden („an bestimmten Sitzungstagen"), z. B. aus Anlaß einer längeren Auslandsreise. Bei einem Hilfsschöffen, bei dem nicht voraussehbar ist, ob und wann er zur Dienstleistung herangezogen wird, kommt eine Vorausentbindung nicht in Betracht (OLG Hamm NJW 1957 1121 = JMB1. NRW 1957 179). 2. Zu Absatz 2. Absatz 2 eröffnet dem Amtsrichter für Fälle, die er für ungeeignet hält, um zum Vorteil des die Entbindung nachsuchenden Schöffen einen andern von Amts wegen heranzuziehen, in denen es aber hart sein würde, das Gesuch abzulehnen, den Ausweg, die Entbindung zu bewilligen, wenn ein anderer Haupt- oder Hilfsschöffe zum Ersatz einzutreten bereit ist. Die Eintrittbereitschaft gibt aber dem „Schöffen, der auf diese Weise um Entbindung nachsucht, kein Recht auf den Tausch; der Tausch ist von dem Amtsrichter nur zu gestatten, wenn er neben der Bereitwilligkeit des Ersatzschöffen einen ausreichenden Grund für die Entbindung als vorhanden annimmt" (Begr. 49). Der Grundgedanke des § 47, daß nach Terminsanberaumung aus rechtsstaatlichen Gründen ein Austausch ausgeschlossen ist, muß aber auch hier durchgreifen, wennschon dies in § 54 nicht ausdrücklich ausgesprochen ist (ebenso Kl 3; S c h o r n , Der Strafrichter 186; a. M. M ü l l e r - S a x 2; E b S c h m i d t 3, die die Regelung nur für bedenklich erklären). Schon die Begr. (S. 49) bemerkt, es solle durch § 54 „dem durch § 47 ausgeschlossenen Austausch der Sitzungstage nach Bestimmung der in der Sitzung zu verhandelnden Sachen nicht auf einem Umweg Raum gegeben werden". Die Reihenfolge der Schöffenliste spielt (anders als nach §§ 42, 49) für den an Stelle des entbundenen eintretenden Schöffen oder Hilfsschöffen keine Rolle; ebensowenig kommt, wenn ein Ergänzungsschöffe für die Sitzung bestimmt ist, dieser in erster Linie in Betracht; wer den Eintretenden zum Eintritt bewogen hat, ist belanglos (RG DRiZ 1931 Nr. 617). Die Reihenfolge des § 49 wird durch einen solchen freiwilligen Eintritt nicht unterbrochen. 3. Verfahren. Der Amtsrichter entscheidet auch, und zwar allein, wenn während der Sitzung ein Fall des § 54 eintritt. Das gilt insbesondere, wenn die Hauptverhandlung ausgesetzt worden ist (RG HRR 1934 Nr. 1574). Der Anhörung der Staatsanwaltschaft bedarf es nicht. Wegen der Aktenkundigmachung (Absatz 3) s. Anm. 3 zu § 47. Beschwerde findet, wie in den Fällen der §§ 52, 53, nicht statt (h. M.; so ausdrückl. die Begr. S. 49). 4. Reformbestrebungen. Der Entw. des 1. StrafverfReformges. (Bt-Drucks. VI/3478 vom 7. 6. 1972) schlägt wegen der bestehenden rechtsstaatlichen Bedenken die Streichung des § 54 Abs. 2 vor (Art. 2 Nr. 10).

§55 Die Schöffen und Vertrauenspersonen des Ausschusses erhalten eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter. Entstehungsgeschichte: Ges. vom 29. 7. 1913 (RGBl. 617). Durch Ges. vom 5. 2. 1922 (RGBl. I 207) wurde § 55 a. F. gestrichen. An seine Stelle trat der bisherige § 55 a, der durch das Ges. vom 29. 7. 1913 in das GVG eingefügt worden war. Der Wortlaut des neuen § 55 wurde in der Bek. vom 22.3. 1924, RGBl. I S. 306 geändert; das^Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 paßte lediglich den Absatz 2 den staatsrechtlichen Änderungen an. Durch Ges. z. Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26. 7. 1957 (BGBl. I 867) und Art. II Nr. 11 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) erhielt § 55 die jetzige Fassung. 1. Die Verweisung bezieht sich auf das Gesetz über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter (i. S. des § 1 DRiG) i. d. F. vom 1. 10. 1969 (BGBl. I 1753). Dieses Gesetz sieht die Entschädigung für Zeitversäumnis und Verdienstausfall, für den mit der Dienstleistung verbundenen Aufwand und den Ersatz von Wege- und Fahrtkosten vor. Es gilt auch für die Ausschußvertrauenspersonen (§ 13). 2769

§56 Anm. 1—5

Gerichtsverfassungsgesetz §56

(1) Schöffen und Vertrauenspersonen des Ausschusses, die sich ohne genügende Entschuldigung zu den Sitzungen nicht rechtzeitig einfinden oder sich ihren Obliegenheiten in anderer Weise entziehen, sind zu einer Ordnungsstrafe in Geld sowie in die verursachten Kosten zu verurteilen. (2) Die Verurteilung wird durch den Richter beim Amtsgericht nach Anhörung der Staatsanwaltschaft ausgesprochen. Erfolgt nachträglich genügende Entschuldigung, so kann die Verurteilung ganz oder teilweise zurückgenommen werden. Gegen die Entscheidung ist Beschwerde des Verurteilten nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig. Entstehungsgeschichte: Entw. § 4 4 . Die auf der Bek. vom 22.3. 1924 (RGBl. I 306) beruhende Fassung hat das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 nur stilistisch geändert. Die Ersetzung von „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht" in Absatz 2 beruht auf Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). 1. Geltungsgebiet. Auch auf Personen, die entgegen den gesetzlichen Bestimmungen (vgl. §§ 31 ff., und wegen der Vertrauenspersonen § 40 Anm. 3 c) zu dem Amt eines Schöffen oder einer Vertrauensperson herangezogen worden sind, findet § 56 Anwendung, wenn sie sich der Wahrnehmung dieses Amtes entziehen, ohne den ihrer Heranziehung entgegenstehenden Umstand geltend gemacht zu haben oder in der Schöffenliste gestrichen zu sein (BayObLG H R R 1926 Nr. 1450). Jedoch ist die im Verfahren nach § 52 Abs. 3 erfolgte Ablehnung des Antrags eines Schöffen, von seiner Heranziehung zum Schöffendienst abzusehen, für das im Ordnungsstrafverfahren entscheidende Gericht nicht bindend; es hat in eigner Zuständigkeit die Vorfrage zu entscheiden, ob die Unfahigkeits- oder Ungeeignetheitsgründe der §§ 33, 34 gegeben sind (OLG Köln M D R 1970 864 = JMB1NRW 1970 200). Vgl. zu § 56 im einzelnen auch die Anm. zu § 51 StPO. 2. Zu Absatz 1. Nicht rechtzeitig sich einfinden. Wegen Ausbleibens oder zu späten Erscheinens kann der Ausgebliebene nur verurteilt werden, wenn er in gehöriger Weise zu der Sitzung geladen war. Daß er auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden ist (§ 46), ist nicht Voraussetzung für die Bestrafung. Vgl. § 46 Anm. 2. Das Gesetz verpflichtet den Amtsrichter nicht, auch unerhebliche Verspätungen zu bestrafen; dem vernünftigen Ermessen des Amtsrichters ist hier Spielraum gelassen (vgl. Prot. 253). 3. Sich entziehen. Seinen Obliegenheiten entzieht sich auch, wer zur Sitzung erscheint, aber vor oder nach Sitzungsbeginn die Ausübung einer ihm gesetzlich obliegenden Pflicht ausdrücklich oder stillschweigend verweigert, z. B. den Eid zu leisten ( § 5 1 ; vgl. aber dort Anm. 3 b) oder sich bei einer Abstimmung zu beteiligen — vgl. § 195 — (h. M.). Die bloße Behauptung des Schöffen, sein Gewissen verbiete ihm eine Tätigkeit als Schöffe, oder er werde zwar an der Verhandlung teilnehmen, sich aber bei der Abstimmung der Stimme enthalten, berechtigt nicht, von einer Ordnungsstrafe abzusehen (vgl. K G JR 1966 188 und N ü s e DRiZ 1968 85,87). 4. genügende Entschuldigung. Ob eine vor oder in der Sitzung vorgebrachte Entschuldigung genügend ist (vgl. dazu Anm. 1 zu § 54 StPO), unterliegt dem Ermessen des Amtsrichters; ebenso, ob die tatsächlichen Angaben ohne weiteres glaubhaft sind oder weiterer Nachweise bedürfen. Öffentliche Beamte, die als Schöffen usw. einberufen sind, können nicht vorschützen, daß ihnen ihre vorgesetzte Behörde den Urlaub versagt habe; die Pflicht, der Berufung nachzukommen, ist von einer Urlaubsbewilligung unabhängig (RGRspr. 1 810). Die Mitteilung von einer Geschäftsreise ist allein keine genügende Entschuldigung ( O L G Hamm Rpfleger 1951 528, Anm. 1 zu § 54). 5. Ordnungsstrafe in Geld. Nach Art. II der VO über Vermögensstrafen und Bußen vom 6. 2. 1924 (RGBl. I 45) beträgt die Ordnungsstrafe mindestens eine und höchstens eintausend DM. Eine Ersatzfreiheitsstrafe bei Nichtbeitreibbarkeit der Geldstrafe ist hier — anders z. B. als in § § 5 1 , 70 StPO, aber in Übereinstimmung z. B. mit § 77 StPO - nicht vorgesehen und daher nicht zulässig; § 29 StGB findet keine Anwendung, da es sich nicht um eine kriminelle Strafe handelt. 2770

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 5 6 Anm. 6 - 1 0 § § 5 7 ; 58 6. Verursachte Kosten sind die Kosten, die erwachsen, wenn infolge der Pflichtwidrigkeit eines Schöffen eine Sitzung des Schöffengerichts oder doch eine einzelne Hauptverhandlung, oder wenn durch eine Vertrauensperson eine Sitzung des Ausschusses vereitelt wird, einschl. der Kosten, die durch die Vollstreckung der Ordnungsstrafe entstehen. 7. Wiederholte Bestrafung. Macht sich jemand der Pflichtwidrigkeit wiederholt schuldig, so liegen ebensoviele selbständige Straffälle vor, auch wenn sie sich auf dieselbe Sitzung beziehen, z. B. der Schöffe erscheint verspätet zur Sitzung und verweigert später die Teilnahme an der Abstimmung ( M ü l l e r - S a x 1 b). 8. Zu Absatz 2. Verfahren. Die „ Verurteilung" erfolgt durch Beschluß (vgl. Vorbem. 3 vor § 33 StPO). Die Staatsanwaltschaft ist, obwohl sie bei den Verhandlungen des Ausschusses nicht mitwirkt, als Vertreterin des öffentlichen Interesses auch zu hören, wenn es sich um die Festsetzung einer Strafe gegen ein Ausschußmitglied handelt (Begr. 49). Einer der Straffestsetzung vorausgehenden Anhörung des Schöffen oder der Vertrauensperson bedarf es — wie im Fall des § 51 StPO (vgl. dort Anm. 6) — nicht, da ihnen das Gesetz nachträgliche Entschuldigung gestattet (ebenso M ü l l e r - S a x 4 ; K 1 3 ; a . M. E b S c h m i d t 9 ) . 9. Nachträgliche Entschuldigung. Sie ist an keine Frist gebunden. Selbst wenn die Strafe bereits beigetrieben ist, steht das einer Zurücknahme der Straffestsetzung nicht entgegen. Auch bei genügender nachträglicher Entschuldigung gestattet es das Gesetz, die Verurteilung aufrecht zu erhalten („kann") — im Gegensatz etwa zu § 51 Abs. 2 Satz 2 StPO. Damit soll der Fall getroffen werden, daß der Ausgebliebene zwar sein Ausbleiben, nicht aber die Verspätung seiner Entschuldigung zu rechtfertigen vermag. Wären in einem solchen Falle die verursachten Kosten durch eine rechtzeitige Anzeige zu vermeiden gewesen, so kann es angemessen sein, die Verurteilung in die Kosten aufrechtzuerhalten, die Bestrafung dagegen wieder aufzuheben. Die Verurteilung kann teilweise zurückgenommen werden, wenn die Entschuldigung zwar nicht genügt, die Strafe aber mit Rücksicht auf die erst jetzt bekannt gewordenen Umstände zu hoch erscheint ( E b S c h m i d t 5). 10. Beschwerde. Die Beschwerde steht nur dem „Verurteilten", nicht aber der Staatsanwaltschaft zu; das gilt auch, wenn der Richter beim Amtsgericht ihren Antrag abgelehnt hat (h. M.). Der Verurteilte kann (einfache) Beschwerde (§§ 306 ff. StPO) einlegen, ohne zuvor die Zurücknahme bei dem Richter beim Amtsgericht beantragt zu haben. Er kann Beschwerde auch lediglich wegen der Höhe der Strafe einlegen. §57 Bis zu welchem Tag die Vorschlagslisten aufzustellen und dem Richter beim Amtsgericht einzureichen sind, der Ausschuß zu berufen und die Auslosung der Schöffen zu bewirken ist, wird durch die Landesjustizverwaltung bestimmt. Entstehungsgeschichte: Entw. § 45. Spätere Änderungen: Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 8. 1850 änderte lediglich das Wort „Urliste" in „Vorschlagsliste". Durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) wurde „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht" ersetzt. „Landesjustizverwaltung": s. § 22 Anm. 5e. Vgl. AV d. pr. JustMin. vom 13. 11. 1933, Deutsche Justiz 673 und für Bayern § 27 der in der Vorbem. zu §§ 36 bis 57 bezeichneten Bek. §58 ( l ) D i e Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechts Verordnung einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte die Strafsachen ganz oder teilweise, sowie Entscheidungen bestimmter Art in Strafsachen zuzuweisen, sofern die Zusammenfassung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. 2771

§58

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 1 (2) Wird ein gemeinsames Schöffengericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte eingerichtet, so bestimmt der Landgerichtspräsident die erforderliche Zahl von Haupt- und Hilfsschöffen und die Verteilung der Zahl der Hauptschöffen auf die einzelnen Amtsgerichtsbezirke. (3) Die übrigen Vorschriften dieses Titels sind entsprechend anzuwenden. Entstehungsgeschichte: Ges. vom 11.3. 1921 Art. I Nr. 7 (RGBl. 230). Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBL I 306). — Änderung der Paragraphenzahl —; Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 — Änderung des Absatzes 2 („Der Landgerichtspräsident" an Stelle von „Die Landesjustizverwaltung") —. Durch Art. 11 Nr. 1 StPÄG vom 19. 12. 1964 (BGBl. I 1067) erhielten die Absätze 1, 2 die im Text wiedergegebene Fassung. Die frühere Fassung lautete: „(1) Durch Anordnung der Landesjustizverwaltung kann für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte einem von ihnen die Entscheidung der Strafsachen ganz oder zum Teil zugewiesen werden. (2) Der Landgerichtspräsident bestimmt die für dieses Gericht erforderliche Zahl von Haupt- und Hilfsschöffen und die Verteilung der Zahl der Hauptschöffen auf die einzelnen Amtsgerichtsbezirke". Hierzu: VO d. RPräs. zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. 12. 1930 (RGBl. I 517, 604) neunter Teü § 4: Durch Anordnung der Landesjustizverwaltung können die Rechtshilfeersuchen (§157 des Gerichtsverfassungsgesetzes) für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte einem von ihnen ganz oder zum Teil zur Erledigung zugewiesen werden. Ergeht eine derartige Anordnung, so gilt insoweit der Bezirk des letzteren Amtsgerichts als die Bezirke der übrigen Amtsgerichte mitumfassend. Die Anordnung ist auch zulässig, wenn die mehreren Amtsgerichte nicht im Bezirke desselben Landgerichts gelegen sind. 1. Bedeutung der Vorschrift a)Der durch das Entlastungsges. von 1921 eingefügte §58 steht zwar im 4. Titel „Schöffengerichte"; Absatz 1 gilt aber auch für Strafsachen und Entscheidungen, die in die Zuständigkeit des Amtsrichters als Einzelrichter fallen (BVerfGE 24 155, 165). § 58 ist von großer praktischer Bedeutung; er ermöglicht es, insbesondere die Schöffengerichtssachen bei den größeren Amtsgerichten zu konzentrieren, und befreit die Justizverwaltung von der Notwendigkeit, bei jedem Amtsgericht mit erheblichem Kosten- und Personalaufwand ein Gerichtsgefängnis zu unterhalten, indem die Haftentscheidungen des Amtsrichters auf das nächste Amtsgericht mit einem geeigneten und nach seiner Bedeutung den Aufwand rechtfertigenden Gerichtsgefängnis übertragen werden können. b) Bezirksjugendrichter und gemeinsames Jugendschöffengericht. § 33 Abs. 4 J G G bestimmt: „Die Landesjustizverwaltung kann einen Amtsrichter zum Jugendrichter für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte bestimmen (Bezirksjugendrichter). Sie kann auch bei einem Amtsgericht ein gemeinsames Jugendschöffengericht für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte einrichten." Ein Bezirksjugendrichter kommt in Betracht, wenn der Anfall von Jugend- und Heranwachsendensachen in einem Amtsgerichtsbezirk nicht ausreicht, um eine Abteilung auszulasten. Im übrigen ist Zurückhaltung bei der Bestellung geboten, damit die Einheit von Jugendrichter und Vormundschaftsrichter (§ 34 Abs. 2 JGG) nicht ohne zwingenden Grund aufgegeben wird (amtl. Begr. 44). Eine Anordnung nach § 58 Abs. 1 GVG gilt nicht für die in die Zuständigkeit des Jugendrichters fallenden Sachen, jedoch können Anordnungen nach § 58 Abs. 1 GVG und solche nach § 33 Abs. 4 JGG miteinander verbunden werden. Bei Bildung eines gemeinsamen Jugendschöffengerichts gelten Absätze 2, 3 des § 58 GVG. c) Zuweisung durch Rechtsverordnung. § 58 a. F. gestattete der Landesjustizverwaltung, die Zuständigkeitskonzentration durch Verwaltungsanordnung herbeizuführen. Das entsprach nicht mehr der heutigen staatsrechtlichen Rechtslage. Die Zuweisung von Strafsachen aus dem Bezirk eines Amtsgerichts an ein anderes Amtsgericht bedeutet der Sache nach eine Ausdehnung der örtlichen Zuständigkeit des letzteren Gerichts über seine Bezirksgrenzen hinaus, also insoweit eine Änderung der Bezirksgrenzen. Eine solche Änderung kann aber im Hinblick auf den Grundsatz des gesetzlichen Richters nur durch Gesetz oder durch Rechts VO aufgrund gesetzlicher Ermächtigung erfolgen (vgl. Anm. IV zu § 59).

2772

Vierter Titel. Schöffengerichte (Schäfer)

§ 58 Anm. 2 , 3

Die Ermächtigung zu „Anordnungen" in § 58 bedeutete also die Ermächtigung zum Erlaß von RechtsVOen, die nach Art. 80 Abs. 1 G G nur den Landesregierungen als solchen, nicht bestimmten Landesministerien oder anderen Landesbehörden erteilt werden kann (BVerfGE 11 77 vom 10. 5. 1960). Das durch die letztgenannte Entscheidung des BVerfG ausgelöste Gesetz über RechtsVOen im Bereich der Gerichtsbarkeit vom 1. 7. 1960 (BGBl. I 481) bestimmt in § 1 u. a., daß, soweit das GVG auf dem Gebiet der Strafrechtspflege Ermächtigungen der obersten Landesbehörden zum Erlaß von RechtsVOen vorsieht, die Landesregierungen zum Erlaß dieser RechtsVOen ermächtigt sind; die Landesregierungen können die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden übertragen. Die Zuweisungen nach § 58 GVG haben also durch RechtsVO der Landesregierung oder — nach landesrechtlicher Übertragung der Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung — durch Rechts VO der Landesjustizverwaltung zu ergehen. § 58 n. F. stellt diese Rechtslage klar. d) § 33 Abs. 4 J G G ist im Wortlaut noch nicht dem Ges. vom 1. 7. 1960 angepaßt; bei Bestimmung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der dort enthaltenen Ermächtigung ist § 58 GVG ergänzend heranzuziehen (BVerfGE 24 155, 169; OLG Celle NJW 1969 803). e) Die Ermächtigungen zum Erlaß von RechtsVOen. in §§ 58 GVG, 33 Abs. 4 J G G sind mit dem G G vereinbar (BVerfGE 24 155). 2. a) Amtsgerichte in verschiedenen Landgerichtsbezirken. Es ist nicht erforderlich, daß die Amtsgerichte, für die ein gemeinsames Amtsgericht errichtet wird, demselben Landgerichtsbezirk angehören. Nach BVerfGE 24 155, 168; 30 103, 106 = NJW 1969 1291; 1971 795 darf sich „räumlich die Zusammenfassung auf den Bezirk mehrerer Amtsgerichte eines Landes erstrecken". Die Regelung kann also in die Landgerichtsbezirke eingreifen (so ausdrücklich BVerfGE 30 103, 106), ebenso könnte aber auch ein gemeinsames Amtsgericht ohne Rücksicht auf die Grenzen der OLG-Bezirke gebildet werden. Danach hat die früher insoweit bestehende Streitfrage (vgl. die Nachweise in Anm. 2 a der Voraufl.) ihre Bedeutung verloren. b) Durch Vereinbarung der beteiligten Länder kann auch, wenn schon dies § 58 nicht ausdrücklich vorsieht, der Bezirk eines Amtsgerichts über die Landesgrenzen hinaus ausgedehnt und so ein gemeinschaftliches Amtsgericht für mehrere Länder geschaffen werden. Die gesetzlichen Vorschriften, die dies ausdrücklich vorsehen (vgl. z. B. § 120 Abs. 5, für die Verwaltungsgerichte § 3 Abs. 2 VwGO) bringen einen allgemeinen Rechtsgedanken zum Ausdruck. 3. Gegenstand der Zuweisung. § 58 läßt die Zuständigkeitskonzentration zu für Strafsachen, d. h. für das Verfahren in vollem Umfang wie auch für Entscheidungen bestimmter Art in Strafsachen, d. h. für einzelne der Art nach generell bestimmte gerichtliche Entscheidungen, die innerhalb eines Strafverfahrens zu erlassen sind. a) Entscheidungen bestimmter Art. Die Zuständigkeitsübertragung kann z. B. nur die aufgrund und im Verlauf einer Hauptverhandlung zu erlassenden Entscheidungen betreffen oder sich auch auf die im vorbereitenden Verfahren nötigen richterlichen Entscheidungen (z. B. über den Haftbefehl) beschränken oder nur die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zum Gegenstand haben. Im Entstehungsstadium, als der das Hauptverfahren eröffnende Richter nach den Absichten des Bundestages von der Mitwirkung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen sein sollte, sollte § 58 n. F. die „von jedem Zweifel an ihrer Zulässigkeit befreite" Möglichkeit schaffen, auch die Entscheidungen über die Eröffnung des Hauptverfahrens für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte einem dieser Gerichte zu übertragen, um ggf. der Notwendigkeit, weitere Richterstellen zu schaffen, aus dem Wege zu gehen (vgl. Bericht des Rechtsausschusses zu § 58 — zu Drucks. IV/1020). Dieser Zweck der Neufassung erledigte sich, als der Gedanke des Ausschlusses des. Eröffnungsrichters in der Hauptverhandlung im weiteren Verlauf der Arbeiten am StPO-Änderungsges. 1964 fallen gelassen wurde. An der rechtlichen Möglichkeit, eine Übertragung auf die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu beschränken, hat sich dadurch aber nichts geändert. b) Strafsachen können ganz oder teilweise übertragen werden. Gemeint ist mit „teilweise" eine Aussonderung nach sachlichen — nicht: nach örtlichen — Merkmalen. Die Zuweisung kann sich z. B. auf Schöffengerichtssachen oder bei den in die Einzelrichterzuständigkeit fallenden Sachen auf die Haftsachen, oder sie kann sich auf die Verkehrsstrafsachen be2773

§58 Anm. 4, 5

Gerichtsverfassungsgesetz

schränken. Dagegen muß die betreffende Art von Sachen räumlich für den ganzen Amtsgerichtsbezirk („für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte") übertragen werden (jetzt allg. Meinung). § 58 ermöglicht nicht die Bildung eines gemeinsamen Schöffengerichts, das lediglich als erweitertes Schöffengericht (§ 29 Abs. 2) tätig werden soll, weil der eröffnende Richter nicht an den Antrag der Staatsanwaltschaft, einen zweiten Richter hinzuzuziehen, gebunden ist ( D a l l i n g e r JZ 1953 434; h. M.). Da indessen eröffnendes und erkennendes Gericht nicht identisch zu sein brauchen (oben a), erscheint es zulässig, ein gemeinsames erweitertes Schöffengericht für die Fälle zu bilden, in denen vor dem Schöffengericht eröffnet und dabei Zuziehung eines zweiten Richters angeordnet ist. c) Als „Entscheidung" wurde in weiter Auslegung des Begriffs auch die Erledigung von Rechtshilfeersuchen in Strafsachen aufgefaßt, denn der Ausführung des Ersuchens muß eine Prüfung der Zulässigkeit vorausgehen, die Ausführung enthält die stillschweigende Entscheidung, daß die erbetene Rechtshilfehandlung zulässig sei. Da diese Auffassung aber nicht unangefochten blieb, wurde, um jeden Zweifel auszuschließen, der oben abgedr. § 4 der VO vom 1. 12.1930 geschaffen (vgl. K o f f k a - S c h ä f e r 81). Er ist durch die Neufassung des § 58 nicht berührt worden, so daß offen bleiben kann, ob die angesichts des früheren Wortlauts geäußerten Bedenken auch gegenüber der Neufassung durchgreifen. d) Zuweisungsvoraussetzungen. Beschränkt ist Zulässigkeit einer Zuweisung nach § 58 durch das Erfordernis, daß die Zusammenfassung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Unter „sachdienlicher Förderung" ist „die Bildung optimal ausgelasteter Sachdezernate auf dem Gebiet der amtsgerichtlichen Strafrechtspflege" zu verstehen (BVerfGE 24 155, 168). Ob diese Voraussetzung gegeben ist, prüft ausschließlich die zur Anordnung zuständige Stelle; den Gerichten steht eine Nachprüfung nicht zu. Nach den bei der Schaffung des § 58 verfolgten Absichten fallt auch (und gerade) die Ersparnis von Kosten unter die „sachdienliche Förderung der Verfahren" (s. oben Anm. 1 a und 3 a). Unzulässig wäre selbstverständlich eine Zuständigkeitskonzentration, die in der Absicht vorgenommen würde, im Einzelfall bestimmte Richter aus der Strafrechts pflege zu verdrängen (BVerfG aaO.). e) Auch der Bezirksjugendrichter (vgl. Anm. 1 b) kann für einen Teil der jugendrichterlichen Aufgaben bestellt werden, z. B. für alle Sachen außer für Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 JGG und für den Erlaß jugendrichterlicher Verfügung nach § 75 JGG ( D a l l i n g e r L a c k n e r Anm. 39 zu § 33 JGG). Eine Aufteilung nach Strafsachen gegen Jugendliche und solche gegen Heranwachsende ist allerdings nicht empfehlenswert ( D a l l i n g e r - L a c k n e r aaO.). 4. Zu Absatz 2 a) Die in Absatz 2 bezeichneten Maßnahmen sind dem Landgerichtspräsidenten als Justizverwaltungsangelegenheit übertragen. Wie dieser die Hauptschöffen auf die einzelnen Amtsgerichtsbezirke verteilt, ist seinem Ermessen überlassen. Er kann sich dabei von Zweckmäßigkeitsrücksichten (z. B. auch von Sparsamkeitsgesichtspunkten) leiten lassen. Insbesondere ist nicht vorgeschrieben, daß er die Verteilung der Schöffen auf die einzelnen Amtsgerichtsbezirke gleichmäßig — etwa nach der Bevölkerungszahl — zu bewirken habe. Es ist nicht unzulässig, die dem Tagungsort des in Frage kommenden Gerichts zunächst gelegenen Bezirke stärker heranzuziehen als die entfernter liegenden. Die Hilfsschöffen für das gemeinschaftliche Schöffengericht werden von dem Ausschuß bei dem Amtsgericht gewählt, in dessen Bezirk das gemeinschaftliche Gericht seinen Sitz hat; vgl. § 42 Nr. 2. b) Gehören die Amtsgerichte, für die ein gemeinsames Schöffengericht gebildet ist, nicht dem gleichen Landgerichtsbezirk an (oben 2 a), so obliegt die Bestimmung der erforderlichen Schöffenzahl und die Verteilung der Hauptschöffen auf die einzelnen Landgerichtsbezirke demjenigen LGPräsidenten, in dessen Bezirk das gemeinschaftliche Schöffengericht seinen Sitz hat; er schreibt auch dem Wahlausschuß des Amtsgerichts in dem benachbarten Landgerichtsbezirk (vgl. Anm. 1 zu § 40) die Zahl der dort zu wählenden Hauptschöffen vor (vgl. auch § 92 Abs. 2 bis 4 und dort Anm. 5). 5. Das „gemeinschaftliche" Gericht ist ein einheitliches Gericht. Das bedeutet u. a., daß bei dem Schöffengericht die Auslosung der Schöffen (auch derjenigen aus den zugelegten Bezirken) für das ganze Gericht einheitlich vorzunehmen ist. Die Schöffen aus den zugelegten Bezirken wirken nicht nur in den Sachen aus diesen Bezirken mit, sondern auch in solchen aus dem ursprünglichen Bezirk des gemeinschaftlichen Gerichts. 2774

Fünfter Titel. Landgerichte (Schäfer)

§ 5 8 Anm. 6

§ 59 Anm. I 1,2

6. Eine gesetzliche Zuständigkeitskonzentration bei einem Amtsgericht des Landgerichtsbezirkes ist angeordnet oder zugelassen in § 13 des Wirtschaftsstrafges. vom 9. 7. 1954 (BGBl. I 175), in § 426 RAbgO (betr. Steuervergehen), in § 43 Außenwirtschaftsges. vom 28.4. 1961, BGBl. I 481 (betr. Strafsachen nach §34 Außenwirtschaftsges.) für solche Strafsachen, für die das Amtsgericht sachlich zuständig ist, und in § 4 Binnenschiffahrtsverfahrensges. für Binnenschiffahrtssachen. Für die Zuständigkeitskonzentration des Amtsgerichts im Bußgeldverfahren gilt gemäß § 46 Abs. 1 OWiG der § 58 GVG sinngemäß (die in § 68 Abs. 3 OWiG zugelassene Zuständigkeitsregelung trägt anderen Bedürfnissen Rechnung; vgl. dazu BGHSt. 23 79, 81). — Wegen der Bildung gemeinschaftlicher Strafkammern vgl. Anm. 3 zu § 74.

FÜNFTER TITEL Landgerichte §59 (1)Die Landgerichte werden mit einem Präsidenten sowie mit Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern besetzt. (2) Den Richtern kann gleichzeitig ein weiteres Richteramt bei einem Amtsgericht übertragen werden. (3) Es können Richter auf Probe und kraft Auftrags verwendet werden. Lit.: S i e g e r t , Fehlerhafte Besetzung des Kollegialgerichts in der Rechtsprechung des BGH, NJW 1957 1622; ferner Siegert DRiZ 1958 193; M ü l l e r , Die Rechtsprechung des BGH über die Verwendung von Hilfsrichtern, DRiZ 1963 37; L ö w i s c h DRiZ 1964 164. Entstehungsgeschichte: Entw. § 46. Änderungen durch Ges. vom 1. 6. 1909 (RGBl. 475) Art. I Ziff. 2; VO vom 4. 1. 1924 (RGBl. I 15) § 4; Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 307). In seiner letzten Fassung (Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950) lautete § 59: „(1) Die Landgerichte werden mit einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von Direktoren und Mitgliedern besetzt. Von der Ernennung eines Direktors kann abgesehen werden, wenn der Präsident den Vorsitz in den Kammern allein führen kann. (2) Die Direktoren und die Mitglieder können gleichzeitig Amtsrichter im Bezirk des Landgerichts sein". Die jetzige Fassung beruht auf Art. II Nr. 12 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). Die Änderungen bestehen darin, daß Absatz 1 der Neuregelung der Amtsbezeichnungen der Richter (§ 19 a n. F. DRiG) angeglichen ist, Absatz 2 im Hinblick auf § 27 Abs. 2 DRiG neu gefaßt ist und als Absatz 3 die Vorschrift übernommen ist, die bisher in § 10 Abs. 2 a. F. — jetzt weggefallen — enthalten war. I. Besetzung des Landgerichts. Zu Absatz 1. 1. Landgerichtspräsident. Daß das Landgericht einen Präsidenten hat, ist zwingende Vorschrift. Wird die Wiederbesetzung einer erledigten Präsidentenstelle über Gebühr verzögert, so kann darin u. U. eine Verletzung des Gesetzes gefunden werden (RGSt. 64 6). Vgl. Anm. 3 zu § 21 h. 2. Die übrigen Mitglieder des LG a) Sie bestehen aus der zur ordnungsmäßigen Erledigung der Geschäfte des LG erforderlichen Zahl von „Vorsitzenden Richtern am Landgericht" — § 19 a DRiG — (bisher: Landgerichtsdirektoren) und weiteren Richtern. Der Präsident und die Vorsitzenden Richter führen den Vorsitz in den Kammern (§ 21 f Abs. 1); das schließt nicht aus, daß sie auch als Beisitzer in einer Kammer — als Vertreter — mitwirken können (vgl. Anm. I 6 zu § 21 f)Die „weiteren Richter" (Beisitzer) sind die Richter auf Lebenszeit oder auf Zeit (§ 11 DRiG), denen beim LG ein Richteramt übertragen ist (§ 27 DRiG, bisher „Landgerichtsräte"). 2775

§59 Anm. I 3 , 4 ; II; III 1,2

Gerichtsverfassungsgesetz

Daneben können abgeordnete Richter (§ 37 DRiG) sowie gemäß § 59 Abs. 3 Richter kraft Auftrags (§ 14 DRiG) und auf Probe (§ 12 DRiG) verwendet werden. Die abgeordneten Richter sowie die Richter kraft Auftrags und auf Probe werden herkömmlicherweise als „Hilfsrichter" bezeichnet. 3. Der Präsident, die beim LG angestellten Richter und die bei ihm verwendeten Hilfsrichter sind „Mitglieder" des Landgerichts i. S. der § § 7 0 Abs. 1, 76 Abs. 1. 4. Die erforderliche Zahl von Vorsitzenden Richtern, weiteren Richtern und Hilfsrichtern zu bestimmen, ist ausschließlich Sache der Justizverwaltung. Sie muß die Zahl der Vorsitzenden Richter so bemessen, daß die gesetzmäßige Ausübung des Vorsitzes in den Kammern (§ 21 f Abs. 1) gewährleistet ist, während sich die Zahl der weiteren Richter danach bestimmt, wieviel richterliche Kräfte zu einer angemessenen Erledigung der anfallenden Geschäfte benötigt werden. II. Doppelrichter. Zu Absatz 2. Die Vorschrift bildet das Gegenstück zu § 22 Abs. 2. Die bisherige Fassung des Absatzes 2 beschränkte den Kreis der Richter am Landgericht, denen ein weiteres Richteramt bei einem Amtsgericht übertragen werden konnte, auf die Direktoren und die (übrigen) Mitglieder. Die neue Fassung des Absatzes 2 spricht zwar allgemein von „den Richtern", zu denen auch der LGPräsident gehört, doch ist, da die Neufassung lediglich eine Anpassung an den Wortlaut des § 27 Abs. 2 DRiG bezweckt, kaum anzunehmen, daß damit eine sachliche Änderung — im Sinne einer Erstreckung auf den Präsidenten — beabsichtigt war. Die Einbeziehung der „Direktoren" in den Kreis der zum Doppelrichter bestellbaren Richter, die durch die VO vom 14. 1. 1924 erfolgte, sollte insbes. die Besetzung der erweiterten Schöffengerichte (§ 29 Abs. 2) mit LGDirektoren ermöglichen. Gemäß Absatz 2 ist es möglich, daß ein Vorsitzender Richter am Landgericht zugleich Vorsitzender eines Schöffengerichts und einer Berufungsstrafkammer ist (vgl. aber § 23 StPO). Dieser Zustand mag unzweckmäßig sein; ungesetzlich ist er aber nicht (RGSt. 61 40; 62 366). III. Hilfsrichter (Zu Absatz 3) 1. Wie nach § 22 Abs. 5 beim Amtsgericht, so können nach § 59 Abs. 3 Richter auf Probe und kraft Auftrags auch beim Landgericht verwendet werden; das entspricht dem bisherigen § 10 Abs. 2. Zur Verwendung von Hilfsrichtern im allgemeinen vgl. Anm. 6 zu § 22. Auch ihre Verwendung beim Landgericht ist mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit der Gerichte (Art. 97 Abs. 1 GG) vereinbar (BVerfGE 3 213, 224; 4 331, 345 = NJW 1956 137; 14 156, 162 = NJW 1962 1495, 1611). Von Absatz 3 nicht berührt wird die Verwendung abgeordneter Richter (§37 Abs. 3 DRiG). 2. Umfang der Verwendung von Hilfsrichtern a) Verwendungsgründe. Mit der gesetzlichen Zulassung der Verwendung von Hilfsrichtern ist die Frage nicht beantwortet, in welchem Umfang deren Heranziehung zulässig ist (vgl. dazu Anm. II 2 zu § 1). Das Gesetz setzt der Heranziehung von Hilfsrichtern nur insoweit förmliche Grenzen, als beim Kollegialgericht — von dem Grundsatz des § 21 f Abs. 1 abgesehen — nur ein Richter auf Lebenszeit den Vorsitz führen kann (§ 28 Abs. 2 DRiG), und als bei einer Entscheidung nicht mehr als ein Hilfsrichter (einschl. eines abgeordneten Richters) mitwirken darf (§ 29 DRiG). Dem Umfang der Heranziehung von Hilfsrichtern beim Landgericht sind aber weitere immanente Grenzen gesetzt. Zwar sind alle Richter sachlich unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (Art. 97 Abs. 1 GG). Die vollen persönlichen Garantien der richterlichen Unabhängigkeit (Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit) kommen aber nur den auf Lebenszeit bei diesem Gericht angestellten Richtern zu (Art. 97 Abs. 2 GG). Die Verwendung von Richtern, denen die vollen persönlichen Garantien der Unabhängigkeit fehlen, ist nur ein — wenn auch (s. unten) praktisch unentbehrlicher — Notbehelf. Die materielle Verwirklichung des Grundsatzes der sachlichen Unabhängigkeit und die Stetigkeit der Rechtsprechung verlangen, daß die Rechtsprechung grundsätzlich durch auf Lebenszeit planmäßig angestellte Richter ausgeübt wird und daß die Verwendung von Hilfsrichtern die Ausnahme bleibt, die das notwendige Maß nicht übersteigen darf. Dieser Gedanke liegt auch dem § 28 Abs. 1 DRiG zugrunde. Die Rechtsprechung des BVerfG (s. oben zu 1) und des BGH hat aus rechtsstaatlichen Erwägungen mit zunehmender Strenge (vgl. dazu M ü l l e r DRiZ 1963 37) auf die Beachtung dieses 2776

Fünfter Titel. Landgerichte (Schäfer)

§59 Anm. 2

Grundsatzes gedrungen. Eine Verwendung von Hilfsrichtern ist danach zulässig a) zur Vertretung (durch Krankheit usw.) vorübergehend verhinderter planmäßiger Richter des LG, soweit eine Vertretung durch andere planmäßige Mitglieder nicht möglich ist (vgl. § 70 GVG). Dagegen kann die dauernde Minderung der Arbeitskraft eines oder mehrerer planmäßiger Richter nicht durch Hilfsrichter, sondern nur durch Vermehrung und Besetzung der Zahl der Planstellen ausgeglichen werden (BGH N J W 1961 836), b) bei einem anderen vorübergehenden Bedürfnis nach Personalvermehrung, insbesondere bei vorübergehender (über diesen Begriff vgl. M ü l l e r DRiZ 1963 43) Erhöhung des Geschäftsanfalls, c) zur Heranbildung und Erprobung des Nachwuchses für die künftige Besetzung von Planstellen (BVerfGE 15 245 ; B G H M D R 1966 323). b) Erkennbarkeit des Einberufungsgrundes. Eine ordnungsmäßige Besetzung des Gerichts liegt in der Regel nicht vor, wenn Hilfsrichter einberufen wurden, ohne daß erkennbar ist, ob die Bestellung wegen eines durch Häufung anfallender Sachen entstandenen Geschäftsandrangs oder wegen vorübergehender Verhinderung von Planstellenrichtern erfolgte, weil dann das Revisionsgericht nicht prüfen kann, ob die Beschäftigung der sämtlichen bei dem L G bestellten Hilfsrichter nur zur Behebung eines vorübergehenden Bedürfnisses geschah; es muß dann das Gericht grundsätzlich als nicht ordnungsmäßig besetzt angesehen werden (BGHZ 34 260, 262; M D R 1966 323). Der Mangel einer Erkennbarmachung des Einberufungsgrundes ist aber bedeutungslos, wenn die Gesamtzahl der unterschiedslos bestellten Hilfsrichter nicht höher ist als die Zahl aller Fälle, in denen die Heranziehung eines Hilfsrichters wegen vorübergehenden Geschäftsandrangs, wegen vorübergehender Verhinderung eines Planrichters oder aus sonstigen zeitlich begrenzten Bedürfnissen statthaft ist (BGH M D R 1966 323; unten zu c). c) Verhältnis der Zahl der Hilfsrichter zu der der Planstelleninhaber. Abgesehen von der Beschränkung der Gründe für ihre Heranziehung dürfen Hilfsrichter nur in dem Maß verwendet werden, daß das Verhältnis von Regel (Verwendung auf Lebenszeit angestellter Richter) zur eng umgrenzten Ausnahme gewahrt bleibt. Einem dauernden Mehrbedarf an Kräften muß durch Schaffung und Besetzung neuer Planstellen abgeholfen werden (vgl. z. B. BGHSt. 8 159 = JZ 1956 167 mit Anm. K e r n ; BGHSt. 14 321, 326 mit Nachweisen = JZ 1961 58 mit Anm. E b S c h m i d t ) . Das D R i G hat zwar — entgegen Vorschlägen im Entstehungsstadium (vgl. dazu L ö w i s c h DRiZ 1964 164) — davon abgesehen, Maximaloder Grundsatzzahlen für das Verhältnis der Zahl der beim Landgericht tätigen Planstelleninhaber oder der vorhandenen Planstellen zur Zahl der zulässigerweise verwendeten Hilfsrichter aufzustellen, da die Mannigfaltigkeit der Verhältnisse mit einer solchen Schematisierung unverträglich wäre (vgl. S c h m i d t - R ä n t s c h 1 zu § 2 8 DRiG). An dem vorgenannten, durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsatz hat es aber nichts geändert. Insbesondere darf aus § 29 DRiG, der es zuläßt, daß von den drei richterlichen Mitgliedern einer entscheidenden Kammer eines ein Hilfsrichter ist, nicht entnommen werden, das Gesetz sehe den Ausnahmecharakter als genügend gewahrt an, wenn bis zu V3 der Richter des Landgerichts aus Hilfsrichtern bestehe. Dann könnte von einer Ausnahme nicht mehr gesprochen werden. Vielmehr wird im allgemeinen die zulässige Zahl von Hilfsrichtern — entsprechend den im Entstehungsstadium des D R i G gemachten Begrenzungsvorschlägen — etwa Ys der Gesamtzahl der beim Landgericht tätigen Planstelleninhaber nicht überschreiten dürfen, in der Regel aber darunter liegen müssen. d) Eine sachlich nicht zu rechtfertigende Erhöhung des Anteils der Hilfsrichter bedeutet eine dem Grundgedanken der Gerichtsverfassung widersprechende (7e.sam/besetzung des L G mit der Folge, daß die Besetzung der einzelnen Kammer auch dann unvorschriftsmäßig (§ 338 Nr. 1 StPO) ist, wenn im Einzelfall zwar an der Entscheidung nicht mehr als ein Hilfsrichter mitwirkt, die Besetzung des Gerichts sich also im Rahmen des § 29 D R i G hält, die Zuziehung dieses Hilfsrichters aber nur deshalb notwendig war, weil mangels der erforderlichen Zahl verfügbarer Planstelleninhaber der dauernde Geschäftsanfall beim L G von vornherein nur durch Verwendung einer übergroßen Zahl von Hilfsrichtern bewältigt werden kann. Dies gilt selbst dann, wenn bei der Kammer, deren Urteil angefochten ist, eine normalerweise die Zuziehung eines Hilfsrichters rechtfertigende Geschäftsanhäufung vorübergehender Natur bestanden hat, weil eine Grenzziehung, daß bei einem Teil der Hilfsrichter die Zuziehung zulässig, bei einem anderen Teil unzulässig wäre, willkürlich sein müßte (vgl. BGHSt. 8 159; 9 107; B G H Z 12 1; 20 209, 250; 22 142, 145 = N J W 1957 101; B G H Z 34 260 = N J W 1961 830; NJW 1962 1153). Auf die grundsätzlichen Bedenken, die M ü l l e r DRiZ 1963 37, 39 (s. auch L ü t t i g DRiZ 1958 50) gegen den Umfang erhebt, 2777

§ 5 9 Anm. IV Gerichtsverfassungsgesetz §60 in dem die Rechtsprechung des BGH das Bedürfnis nach Zuziehung von Hilfsrichtern als Gegenstand der Nachprüfung des Revisionsgerichts ansieht, ist an dieser Stelle nicht einzugehen. Inwieweit die neuere Rechtsprechung sich von den früher aufgestellten strengen Nachprüfungsgrundsätzen entfernt, seitdem nach Normalisierung der Verhältnisse und wohl auch unter dem Druck der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH ein Mißverhältnis zwischen einer zu geringen Zahl verfügbarer Planstelleninhaber zu einer Uberzahl von Hilfsrichtern im allgemeinen nicht mehr anzutreffen ist, zeigt BGH NJW 1972 779, 780; dort wird ausgeführt, wenn, der Behauptung der Revision entsprechend, das LG mit Richtern auf Lebenszeit unterbesetzt gewesen sein sollte, so folge daraus nicht, „daß es insgesamt nicht ordnungsgemäß besetzt" gewesen sei, denn da in der vorliegenden Sache die erkennende Kammer entsprechend dem Geschäfts verteil^ingsplan mit zwei Richtern auf Lebenszeit und nur einem Richter auf Probe besetzt gewesen sei, komme es nicht darauf an, ob das LG im übrigen unter einem Mangel an Richtern auf Lebenszeit gelitten habe. e) Art der Verwendung. Der Grundsatz der nur vorübergehenden Verwendung von Hilfsrichtern bedeutet nicht, daß Hilfsrichter nicht mit Daueraufgaben beschäftigt werden dürften und es unzulässig sei, einer einzelnen Kammer im Geschäftsverteilungsplan für die Dauer des Geschäftsjahres neben einem Vorsitzenden Richter („Direktor") und einem Planstelleninhaber („Landgerichtsrat") einen Richter auf Probe („Gerichtsassessor") zuzuweisen. Aus dem vorgenannten Grundsatz ergibt sich nur, daß Hilfsrichter nicht auf die Dauer mit Daueraufgaben beschäftigt werden dürfen. Das ist aber eben nur der Fall, wenn die Beiordnung des Hilfsrichters darauf beruht, daß bei dem Landgericht die für die Erledigung der richterlichen Daueraufgaben erforderliche Zahl von Planstellen nicht vorhanden oder nicht besetzt ist (BGHSt. 14 321, 327) und deshalb Hilfsrichter — über die der zulässigen Verwendung von Hilfsrichtern gezogenen Grenzen hinaus — das Fehlen von Planstellen oder Planstelleninhabern ausgleichen sollen. IV. Errichtung und Aufhebung eines Gerichts; Bestimmung des Gerichtssitzes; Änderung der Bezirksgrenzen Der Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 GG) gebietet, daß die Errichtung oder Aufhebung eines Landgerichts (wie auch jeden anderen Gerichts) und die Bestimmung und Verlegung des Gerichtssitzes durch Gesetz erfolgt, wie dies schon in § 1 Abs. 1 der GVG VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403) vorgeschrieben war (vgl. z. B. die Gerichtsorganisationsgesetze von Bayern vom 17. 11. 1956, GVB1. 219, Bremen vom 11. 10. 1960, GBl. 123, Hessen vom 8.2. 1961, GVB1. 29, Nordrhein-Westf. vom 7. 11. 1961, GVGB1. 331, Niedersachsen vom 16. 7. 1962, GVB1. 85, Schleswig-Holstein vom 21.9.1963, GVB1.99). § 1 Abs. 2 der genannten VO vom 20. 3. 1935 erteilte dem Reichsjustizminister die Ermächtigung, die Bezirksgrenzen durch Verordnung zu ändern. Diese Ermächtigung ist aber nicht gemäß Art. 129 Abs. 1, 2 GG auf die Landesjustizverwaltungen übergegangen, sondern gemäß Art. 129 Abs. 3 GG erloschen (BVerfGE 2 307; 24 155, 167; vgl. dazu T a s c h e NJW 1952 407; H o l z w e g NJW 1953 48; S c h m i d t NJW 1954 249). Auch die Änderung der Bezirksgrenzen erfolgt im Hinblick auf den Grundsatz des gesetzlichen Richters grundsätzlich durch Gesetz (BVerfGE 2 316, a. M. B e t t e r m a n n in N i p p e r d e y - S c h e u n e r , Grundrecht III 252, 545ff.), mindestens aber durch RechtsVO aufgrund eines Gesetzes nach Maßgabe landesrechtlicher Vorschriften oder kraft bundesgesetzlicher Ermächtigung (BVerfGE 24 155, 167; s. dazu auch Anm. l c zu § 58). Nach §§ 78, 116 Abs. 2 GVG genügt für die Errichtung auswärtiger „detachierter" Kammern des Landgerichts und der Senate des OLG eine RechtsVO (vgl. Anm. 1 zu § 78). Durch Ländervereinbarung kann der Bezirk eines Landgerichts über die Landesgrenze hinaus ausgedehnt werden (vgl. Anm. 2b zu § 58; so ausdrücklich bzgl. der Bezirke der Verwaltungsgerichte § 3 Abs. 2 VwGO).

§60 Bei den Landgerichten werden Zivil- und Strafkammern gebildet und Untersuchungsrichter bestellt. 2778

Fünfter Titel. Landgerichte (Schäfer)

§ 60 Anm. I; II; III 1

Entstehungsgeschichte: Entw. §47. Durch Art. II Nr. 13 des Ges. vom 26.5. 1972 (BGBl. I 841) wurden die Worte „und Untersuchungsrichter bestellt" eingefügt. Diese Erweiterung ist durch die Aufhebung des bisherigen § 61 (Art. II Nr. 14 des genannten Gesetzes) bedingt. I. Wesen der Kammern. Die Zivil- und Strafkammern sind keine selbständigen Gerichte, sondern Abteilungen (Spruchkörper) des Landgerichts (RGSt. 42 264). Die sog. „auswärtige" Strafkammer (§ 78 GVG) gilt für die örtliche Zuständigkeit als ein vom Landgericht verschiedener Gerichtskörper; im übrigen bildet sie gleichfalls einen Teil des Landgerichts (vgl. Anm. 4 zu § 78). Wegen des Schwurgerichts vgl. Anm. 2 zu § 79. II. Der Geschäftskreis der Strafkammern wird durch die §§73 bis 74 b GVG, § 41 JGG, durch verschiedene Vorschriften der StPO und durch Vorschriften außerhalb der StPO (vgl. Anm. 5 zu § 73) geregelt. Dabei wird die Strafkammer in verschiedenen Erscheinungsformen tätig; als erkennendes Gericht nach §§ 74—74b, während §. 73 die Fälle betrifft, in denen die Strafkammer als beschließendes Gericht außerhalb einer bei ihm im Hauptverfahren anhängigen Strafsache entscheidet. Bei dem zuletzt genannten Geschäftskreis lassen sich drei verschiedene Arten von Aufgaben unterscheiden. a) Die Strafkammern erlassen die die Voruntersuchung betreffenden Entscheidungen nach Maßgabe des § 73; b) sie erlassen an Stelle des Schwurgerichts die gerichtlichen Entscheidungen, die in den vor dieses Gericht verwiesenen oder von ihm abgeurteilten Sachen außerhalb der Tagung erforderlich werden (GVG § 82 Abs. 2, § 83 Abs. 4, § 91 Abs. 1 § 92 Abs. 2 GVG, § 27 Abs. 2 StPO); c)sie werden als Oberinstanz-Gerichte tätig: Sie sind die Beschwerdegerichte für die Schöffengerichte, die Amtsrichter und die Untersuchungsrichter (GVG § 73; vgl. aber §§ 159 u. 181 Abs. 3); — sie haben gegenüber den Schöffengerichten und den Amtsgerichten ihres Bezirks die in der StPO §§ 4, 12, 13, 14, 15, 19 bezeichneten Verrichtungen des oberen Gerichts wahrzunehmen. — Sie entscheiden über die Ablehnung von Amtsrichtern (StPO §27). Inwieweit die auswärtigen Straßeammern zur Wahrnehmung der unter a—c bezeichneten Aufgaben berufen sind, ist in den Anm. zu § 78 zu erörtern. Als erkennende Gerichte sind die Strafkammern entweder als Gerichte erster Instanz oder als Berufungsgerichte (nach § 74 GVG) zuständig. III. Bildung der Kammern 1. Bestimmung der Zahl der Kammern. Es ist zu unterscheiden zwischen den sog. institutionellen Kammern, die als dauernde Spruchkörper gedacht sind, und Kammern, die aus Anlaß eines vorübergehenden Bedarfs für begrenzte Zeit gebildet werden (unten 2 und 3). Die Zahl der institutionellen Kammern zu bestimmen, ist seit jeher Angelegenheit der Justizverwaltung (RG JW 1885 427; RGSt. 42 263; BGHSt. 20 132, 133 = NJW 1965 544 = MDR 1965 313). Diese Bestimmung, ggf. unter Erhöhung oder Verminderung der bisherigen Zahl, erfolgt im Regelfall vor Beginn eines Geschäftsjahres, jedoch kann aus gegebenem Anlaß auch während des Geschäftsjahres eine neue Bestimmung über die Zahl getroffen, z. B. kann bei Wegfall von Richterplanstellen oder bei nicht nur vorübergehendem Ausfall von Richtern eine Kammer aufgelöst werden (BGH aaO.). Soweit nicht neue abweichende Vorschriften des Landesrechts erlassen sind oder erlassen werden, ist nach dem weiter geltenden (vgl. BGHSt. 22 94, 98) § 7 Abs. 2 der GVG VO vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403) — im Anhang unter B — der LGPräsident zuständig, die Zahl der Kammern beim LG zu bestimmen; der OLGPräsident kann ihm Weisungen hierzu erteilen. In Bayern ist nach Art. 11 BayAG GVG (BayBS III 3) die Landesjustizverwaltung zuständig. An dem Charakter der Bestimmung als Justizverwaltungsmaßnahme hat sich durch die in der VO vom 20. 3. 1935 ausgesprochene Delegation auf den LGPräsidenten nichts geändert; dieser handelt nicht als unabhängiger Richter, sondern als Organ der Justizverwaltung (so auch E b S c h m i d t 6). Die von B a u r , Justizaufsicht (1954) 56 und S c h o r n , Präsidialverf. S. 64f.

2779

§60 Anm. III 2

Gerichtsverfassungsgesetz

gegen die Rechtsbeständigkeit des § 7 VO 1935 geäußerten Bedenken, er stehe mit dem Grundsatz der Selbstverwaltung der Gerichte in Widerspruch, sind unbegründet; die Zahl der ständigen Kammern zu bestimmen, ist nicht Sache des Präsidiums (vgl. auch § 130 Abs. 1 Satz 2).*) Das hat auch seinen guten Grund, denn die Bemessung des Personalbedarfs und die Gestellung des zur Besetzung der Kammern erforderlichen Richterpersonals ist Sache der Justizverwaltung. Wegen des Falles der „stillschweigenden" Bildung einer Kammer durch den LGPräs., der eine inhaltlich die Bildung einer Kammer einschließende Geschäftsverteilung mitbeschließt, vgl. BGHSt. 22 94, 98. 2. Hilfsstrafkammer a) Ihre Bildung. Bei vorübergehender Überlastung der institutionellen Kammern, sei es durch zahlenmäßig erhöhten Anfall von Sachen, sei es durch die Befassung einer Kammer mit einer besonders umfangreichen Sache, die ihr keine Zeit zur ordnungsmäßigen Erledigung der übrigen anfallenden Sachen läßt, kann sowohl vor Beginn des Geschäftsjahres ( § 2 1 e Abs. 1 Satz 2) als auch bei späterem Eintritt der Überlastung im Laufe des Geschäftsjahres (§ 21 e Abs. 3) eine (oder mehrere) Hilfsstrafkammer(n) errichtet werden (ständige Rechtspr.; vgl. z.B. RGSt. 19 230; 55 201; 62 309; BGHSt. 10 179, 181; 11 106, 107; 12 104; 21 260 = N J W 1967 1868 = M D R 1967 942). Die Anordnung der Errichtung steht — als Maßnahme gemäß § 21 e Abs. 3 G V G — dem Präsidium zu ( R G H R R 1929 Nr. 1542; BGHSt. 11 106, 107; 12 104; 21 260). Streitig ist, ob daneben auch der Landgerichtspräsident sie als Organisationsmaßnahme der Justizverwaltung aufgrund des § 7 Abs. 2 der VO vom 20. 3. 1935 anordnen kann (bejahend RGSt. 62 309, 310; M ü l l e r S a x 4 a zu § 63; S c h o r n S. 81; offen gelassen von BGHSt. 12 104; verneinend BGHSt. 21 260; E b S c h m i d t 6). In dem Regelfall, daß die ständige Strafkammer durch die Verhandlung einer bestimmten besonders umfangreichen Sache (oder einer Mehrzahl solcher Sachen) überbelastet ist, steht die Anordnung der Errichtung nur dpm Präsidium zu. Dafür spricht der Gesichtspunkt, aus dem BGHSt. 15 217 u. a. für die Bildung der Ferienstrafkammer (unten 3) die ausschließliche Zuständigkeit des Präsidiums herleitet, nämlich daß sonst ,4m Widerspruch zu dem die Gerichtsverfassung tragenden Grundgedanken des gesetzlichen Richters der Justizverwaltung und damit der Regierung die Möglichkeit eingeräumt (würde) . . . mittelbar Einfluß auf die Zusammensetzung des Spruchkörpers auszuüben". Anders als bei der Bildung einer neuen institutionellen Kammer werden durch die Bildung einer Hilfskammer die Aufgaben und Interessen der Justizverwaltung nicht berührt (BGHSt. 21 260, 261). Denn hier handelt es sich nicht darum, einen zusätzlichen Spruchkörper zu schaffen, vielmehr ist die Bildung einer Hilfsstrafkammer lediglich ein Mittel, eine Zersplitterung der Zuständigkeit der Strafkammer, wie sie bei einer Aufteilung der anfallenden Sachen für die Dauer der Überbelastung auf die anderen Kammern eintreten müßte, zu vermeiden. Diese Maßnahme steht deshalb in gleicher Weise wie eine vorübergehende Entlastung der Strafkammer durch Verteilung ihres Anfalls nur dem Präsidium zu. Anders — Zuständigkeit des LG-Präsidenten neben der des Präsidiums — mag es liegen, wenn eine Überbelastung der ständigen Kammer(n) durch eine allgemeine, der Dauer nach nicht übersehbare Erhöhung des Geschäftsanfalls in Frage steht, die für den Augenblick eine Vermehrung der Richterkräfte am Landgericht durch Zuweisung von Hilfsrichtern erforderlich macht, ohne daß sich übersehen läßt, ob der Bedarf anhalten wird und ihm durch Vermehrung der Planstellen und Errichtung einer neuen ständigen Kammer Rechnung getragen werden muß. Übrigens ist die Bedeutung der Streitfrage gering. Denn wenn der Bildung der Hilfsstrafkammern eine Anordnung des Landgerichtspräsidenten zugrunde liegt, so wird — nicht anders als bei der irrtümlich vom Landgerichtspräsidenten angeordneten Bildung einer Fen'enstrafkammer (vgl. BGHSt. 15 217, 221) — der Fehler geheilt, wenn das Präsidium die Hilfsstrafkammer mit Richtern besetzt, die Geschäfte verteilt und sich damit die Anordnung des LGPräs. zu eigen macht (BGHSt. 21 260, 262). Die Zuteilung des Personals und der Geschäfte an die Hilfsstrafkammer ist selbstverständlich stets ausschließlich Sache des Präsidiums, das bei der Verteilung der Geschäfte zwischen der entlasteten Kammer und der Hilfskammer die in Anm. V 3 b zu § 21 e dargestellten Grundsätze beachten muß. *) Landesrecht kann aber die Anhörung des Präsidiums vorschreiben (so § 3 Saarl. A G G V G v. 4. 10. 1972, ABl. 401)

2780

Fünfter Titel. Landgerichte (Schäfer)

§ 60 Anm. III 3; IV 1 , 2 ; V ; VI 1

b) Die Dauer des Bestehens der Hilfsstrafkammer als einer vorübergehenden Hilfsmaßnahme muß zeitlich festgelegt sein. Bei einer Überbelastung der ständigen Kammer durch eine oder mehrere bestimmte, besonders umfangreiche Sachen ist eine zeitliche Begrenzung auf einen bestimmten Kalendertag nur ganz ausnahmsweise möglich. Hier genügt die Anordnung, daß das Ende der Tätigkeit der Hilfskammer mit einem sicher eintretenden, vom Willen einzelner unabhängigen Ereignis zusammenfallt, z. B. daß bis zum Tag der abschließenden Entscheidung in der bei der ständigen Kammer verbliebenen Sache X mit Ausnahme dieser Sache die Hilfskammer für die Bearbeitung aller Strafverfahren zuständig sei, die in den normalen Geschäftsbereich der (entlasteten) ständigen Strafkammer fielen (BGHSt. 21 260 = LM Nr. 12 GVG m. Anm. K o h l h a a s ) . 3. Ferienstrafkammer. Die Anordnung der Bildung einer oder mehrerer Ferienstrafkammern ist ausschließlich Sache des Präsidiums, da es sich hier immer um eine Maßnahme gemäß § 21 e Abs. 3 handelt, die die Belange der Justizverwaltung (Bewilligung neuer Planoder Hilfsrichterstellen) nicht berührt (BGHSt. 15 217 = NJW 1961 472; BGHZ 9 30; vgl. Anm. 1 zu § 201). Wegen der Heilung des Mangels, wenn rechtsirrtümlich der Landgerichtspräsident die Bildung angeordnet hat, vgl. die vorstehenden Ausführungen zu 2 a). Über die Besetzung der Strafkammer im allgemeinen vgl. § 76 und die dortigen Anm.; über die Besetzung der Hilfsstrafkammer vgl. Anm. I 7 zu § 21 f; über die der Ferienstrafkammer vgl. die Anm. zu § 201. IV. Mehrere Strafkammern 1. Die verschiedenen Aufgaben der Strafkammer sind sämtlich miteinander vereinbar; sie dürfen von denselben Richtern wahrgenommen werden. Weder im GVG noch in der StPO wird das Bestehen verschiedenartiger Straflcammern vorausgesetzt; die Gesetze sprechen — abgesehen von der Unterscheidung zwischen „kleiner" und „großer" Strafkammer (§ 76) und von der Bezeichnung Jugendkammer (s. unten Anm. V) nur von „der Strafkammer", ohne die Verschiedenartigkeit ihrer Aufgaben durch Aufstellung besonderer Benennungen (z. B. Beschlußkammer, Berufungskammer) zu erwähnen. Der Aufbau des Verfahrens macht die Errichtung einer von der erkennenden Strafkammer verschiedenen Beschlußstrafkammer nicht nötig. Andererseits aber steht auch nichts entgegen, bei Landgerichten, bei denen die Strafkammergeschäfte eine größere Zahl von Richtern erfordern, die Geschäfte nach den verschiedenen Tätigkeiten zu verteilen, also etwa eine besondere Beschlußkammer, eine Berufungskammer und eine Kammer erster Instanz zu bestellen. Derartiges zu bestimmen, ist lediglich eine Angelegenheit der Geschäftsverteilung (RGSt. 2 353, 23 234). 2. Bestehen bei einem Landgericht mehrere Strafkammern, so sind sie im Verhältnis zueinander, da sie nur Spruchkörper des gleichen Landgerichts sind, nicht als verschiedene Gerichte im Sinne der StPO anzusehen (RGSt. 42 264). Für die auswärtigen Strafkammern vgl. aber Anm. 4 zu § 78 und Anm. 12 zu § 354 StPO. — Über die Verteilung der Geschäfte unter mehrere Strafkammern s. § 21 e. V. Als Jugendkammer bezeichnet das JGG die Strafkammer des Landgerichts, wenn sie im jugendgerichtlichen Verfahren als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges, als Berufungsgericht oder als Beschlußkammer tätig wird (§33 Abs. 2 , 4 1 JGG). Die Jugendkammer unterscheidet sich aber nach Aufgabenbereich (§ 40 JGG) und Zusammensetzung (Jugendschöffen statt der allgemeinen Schöffen, §§33 Abs. 3 , 3 5 JGG, Berufsrichter mit erzieherischer Befähigung und Erfahrung, § 37 JGG) wesentlich von der großen Strafkammer. Es ist daher ein (auf Rüge zu berücksichtigender) Gesetzesverstoß, wenn in der Hauptverhandlung statt der sachlich zuständigen Jugendkammer die große Strafkammer entscheidet (vgl. Anm. 4 zu § 13; s. aber auch Anm. 1 b zu § 74). VI. Untersuchungsrichter 1. Untersuchungsrichter (beim LG und — § 116 Abs. 1 Satz 2 — beim OLG) bestellt das Präsidium gemäß § 21 e Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 3. Es muß mindestens ein Untersuchungsrichter und für diesen ein Vertreter bestellt werden. Werden mehrere Untersuchungsrichter bestellt, so muß nach den allgemein für die Geschäftsverteilung geltenden Grundsätzen und entsprechend dem Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) der Zu2781

§ 6 0 Anm. VI 2—5

Gerichtsverfassungsgesetz

§ § 6 1 bis 69; 70 ständigkeitsbereich jedes einzelnen durch abstrakt-generelle Merkmale im Geschäftsverteilungsplan festgelegt werden (vgl. Anm. III 8c zu § 21 e; s. auch VBerfGE 25 336, 350 = NJW 1969 1104). 2. Der Untersuchungsrichter als solcher hat nur die Aufgabe, die Voruntersuchungen zu führen (StPO § 184). Eine (auf den Beschlüssen der RTK beruhende) Abweichung von diesem Grundsatz s. StPO § 173 Abs. 3. Im Ermittlungsverfahren (StPO §§ 162, 165, 166) wirkt der Untersuchungsrichter nicht mit. 3. Der zum Untersuchungsrichter bestellte Richter ist nicht verhindert, andere richterliche Geschäfte beim Landgericht wahrzunehmen; er darf also auch Mitglied einer Kammer sein. Nur ist er in den Sachen, in denen er die Voruntersuchung führt oder geführt hat, kraft Gesetzes ausgeschlossen (StPO § 23 Abs. 2). 4. Uber das Verhältnis des Untersuchungsrichters zur Strafkammer während der Voruntersuchung s. Vorbem. 3 vor § 178 StPO. 5. Ein Amtsrichter — falls er nicht zugleich Mitglied des Landgerichts ist (§ 22 Abs. 2) — kann, abweichend von § 185 a. F. StPO, nicht zum Untersuchungsrichter bestellt werden; der Untersuchungsrichter kann ihn nur um die Vornahme einzelner Untersuchungshandlungen ersuchen (§ 185 n. F. StPO). Dies gilt auch für die auswärtige Strafkammer (§ 78), denn der Untersuchungsrichter beim LG wird nicht für eine bestimmte Strafkammer, sondern für den LGBezirk bestellt ( E b S c h m i d t 3).

§§ 6 1 bis 6 9 (gestrichen durch Art. II Nr. 14 des Ges. vom 26. 5. 1972, BGBl. I 841.)

§70 (1) Soweit die Vertretung eines Mitgliedes nicht durch ein Mitglied desselben Gerichts möglich ist, wird sie auf den Antrag des Präsidiums durch die Landesjustizverwaltung geordnet. (2) Die Beiordnung eines Richters auf Probe oder eines Richters kraft Auftrags ist auf eine bestimmte Zeit auszusprechen und darf vor Ablauf dieser Zeit nicht widerrufen werden. (3) Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Bestimmungen, nach denen richterliche Geschäfte nur von auf Lebenszeit ernannten Richtern wahrgenommen werden können, sowie die, welche die Vertretung durch auf Lebenszeit ernannte Richter regeln. Enstehungsgeschichte: Entw. —. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 308). Das Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950 änderte Abs. 2, 3 nur stilistisch („auf Lebenszeit ernannt" statt „ständig"). Durch § 8 5 Nr. 7 DRiG 1961 erhielt Absatz 2 die jetzt geltende Fassung. 1. Bedeutung des § 70. § 70 regelt verschiedene Dinge: Einmal in Absatz 1 den Fall, daß ein Mitglied des Landgerichts vertreten werden muß, die beim Landgericht vorhandenen Richterkräfte (planmäßige Richter, Richter auf Probe und kraft Auftrags sowie die abgeordneten Richter) aber nicht ausreichen. Absatz 2 enthält in Ergänzung des § 59 Abs. 3 allgemeine (also nicht nur den Fall einer Vertretung nach Absatz 1 betreffende) Vorschriften, die bei Beschäftigung von Hilfskräften beim Landgericht zu beachten sind. Absatz 3 schließlich gibt der Landesgesetzgebung die Möglichkeit, eine bundesgesetzlich nach § 59 Abs. 3 mögliche Heranziehung von Hilfskräften beim Landgericht zu beschränken oder die Vertretung von Mitgliedern des Landgerichts durch Richter anderer Gerichte abweichend § 70 Abs. 1 zu regeln. 2782

Fünfter Titel. Landgerichte (Schäfer)

§ 70 Anm. 2, 3

2. Vertretung eines Mitglieds. § 70 Abs. 1 bezieht sich nicht auf die Vertretung des Vorsitzenden als solchen; insoweit gilt § 21 f Abs. 2. 3. Möglichkeit der Vertretung a) Die Frage, ob die Vertretung des verhinderten Mitglieds durch ein anderes Mitglied desselben Gerichts möglich ist oder ob es der Heranziehung anderer Kräfte bedarf, entscheidet die Landesjustizverwaltung ohne Bindung an den Antrag des Präsidiums. Bejaht sie das Bedürfnis nach einer weiteren Kraft, so besteht die „Ordnung der Vertretung" darin, daß sie Richter auf Probe und kraft Auftrags zuweist oder Richter auf Lebenszeit abordnet (§37 DRiG). Mitglied des Landgerichts wird ein solcher Richter aber erst durch Verwendungsbeschluß des Präsidiums (unten d). Die Frage, ob ein Bedürfnis zur Ordnung der Vertretung vorlag, unterliegt lediglich dem Ermessen der in Absatz 1 bezeichneten Organe. Der Nachprüfung durch das Revisionsgericht ist sie verschlossen (RGSt. 3 231, 23 119); nur wenn erkennbar das Bedürfnis aus einem Rechtsirrtum angenommen worden ist, z. B. aufgrund der Annahme, daß Präsident und Vorsitzende Richter nicht zu den heranzuziehenden Mitgliedern des Landgerichts gehörten (vgl. Anm. II 6 b zu § 21 i), ist auch die Revision gegeben (RGSt. 36 379, RG LZ 1918 926). b) Ein Antrag des Präsidiums ist notwendig. Das entspricht dem Gedanken der gerichtlichen Selbstverwaltung: das Präsidium muß, wenn es sich nicht in der Lage sieht, mit den vorhandenen Richtern einen Geschäftsverteilungsplan aufzustellen, der auch eingehalten werden kann, in der Lage sein, auf Abhilfe hinzuwirken. Es darfeinen Antrag auf Zuweisung eines Hilfsrichters nur stellen, wenn es nach pflichtgemäßer Prüfung der Uberzeugung ist, daß — nach den in Anm. III 2 zu § 59 dargestellten Grundsätzen — die Voraussetzungen vorliegen, unter denen vorübergehend dem Kräftebedarf durch Zuweisung eines Hilfsrichters abgeholfen werden kann. Denn es müßte die Zuteilung eines zugewiesenen Hilfsrichters an eine bestimmte Kammer (Senat) im Geschäftsverteilungsplan — vgl. unten d) — verweigern, wenn es sähe, daß damit unter dem Gesichtspunkt des § 338 Nr. 1 StPO der Bestand der künftig zu erlassenden Entscheidungen gefährdet wäre ( M ü l l e r DRiZ 1963 39). Sieht das Präsidium einen Kräftebedarf als gegeben an, dem nur durch Dauermaßnahmen — Schaffung neuer und Besetzung offener Planstellen — genügt werden kann, so muß es sich einer Antragstellung nach Absatz 1 enthalten und daraufhinwirken, daß diese Maßnahmen ergriffen werden. Im übrigen bewirkt das Antragserfordernis, daß dem Gericht durch die Justizverwaltung kein Hilfsrichter aufgedrängt werden kann, wenn das Präsidium kein Bedürfnis für eine Vermehrung der Kräfte sieht. Ein Antrag des Präsidenten genügt nicht. Jedoch ist in Eilfallen § 21 i Abs. 2 entsprechend anwendbar; in dem Beschluß des Präsidiums über die Verwendung des Hilfsrichters (unten d) liegt dann die Genehmigung i. S. des § 21 i Abs. 2 Satz 3. Darüber, daß der Antrag des Präsidiums auch nach Beiordnung des Hilfsrichters durch die Landesjustizverwaltung nachgebracht werden kann, vgl. OLG Dresden GA 72 386. c) Über den Begriff „Landesjustizverwaltung" vgl. § 22 Anm. 5 e. Delegation auf ein nachgeordnetes Justizverwaltungsorgan (z. B. den Oberlandesgerichtspräsidenten) ist also möglich ( E b S c h m i d t 6). d) Verwendung des Vertreters. Der durch die Justizverwaltung zugewiesene Vertreter tritt nicht von selbst in die Tätigkeit des verhinderten Richters ein; vielmehr wird seine Verwendung gemäß § 21 e Abs. 3 ausschließlich und ohne Rücksicht auf etwaige Wünsche der Justizverwaltung jeweils mittels besonderen Beschlusses durch das Präsidium oder in Eilfallen gemäß § 21 i Abs. 2 vorläufig durch den Präsidenten bestimmt (RGSt. 37 301; 42 295, 297; BGHSt. 13 53, 56; 22 237, 239). Unzulässig und unwirksam wäre danach auch eine im Geschäftsverteilungsplan von vornherein für das ganze Geschäftsjahr getroffene Regelung, daß jeweils bei Verhinderung eines Richters die zugewiesene Ersatzkraft von selbst in das Tätigkeitsgebiet des verhinderten Richters eintrete. Denn das liefe darauf hinaus, der Justizverwaltung Einfluß auf die Besetzung der einzelnen Kammern einzuräumen, der durch die Einrichtung des Präsidiums gerade ausgeschaltet werden soll (BGHSt. 12 159 = NJW 1959 251). Die Zuteilung durch den Präsidenten nach § 21 i Abs. 2 ist stets nur eine vorläufige Maßnahme bis zur Herbeiführung eines Präsidialbeschlusses;

2783

§70 Anm. 4

Gerichtsverfassungsgesetz

ein solcher Beschluß wird nicht dadurch ersetzt, daß der Präsident von seiner Anordnung nach § 21 i Abs. 2 die Mitglieder des Präsidiums lediglich außerhalb einer Präsidialsitzung unterrichtet (BGH NJW 1958 550). 4. Zu Absatz 2 a) Die Zulässigkeit der Einberufung eines Hilfsrichters (§ 59 Abs. 3 GVG). beschränkt sich nicht auf den in § 70 Abs. 1 genannten Fall der Vertretung eines verhinderten Mitglieds. Vielmehr ist die Heranziehung von Hilfsrichtern auch dann zulässig, wenn sie durch andere Gründe, insbes. erhöhten Geschäftsanfall, erforderlich wird (vgl. Anm. III 2 zu § 59). Denn auch diesen Fall umfaßt der Ausdruck Beiordnung in Absatz 2 (RGSt. 22 168; 23 119; B G H Z 12 1 = N J W 1954 505). Die Bedeutung des § 70 Abs. 2 besteht darin, daß er für alle Fälle einer zulässigen Heranziehung von Hilfsrichtern an das Landgericht bundesrechtlich Mindestgrundsätze aufstellt, die im Interesse der richterlichen Unabhängigkeit einen gewissen Ausgleich für die dem nicht auf Lebenszeit ernannten Richter nach Bundesrecht fehlenden persönlichen Garantien der richterlichen Unabhängigkeit (Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit) schaffen. b) Dauer der Beiordnung. Der im Entstehungsstadium umstrittene (vgl. BGHSt. 13 53, 57) § 70 Abs. 2 a. F. ließ die Beiordnung von Hilfsrichtern sowohl auf bestimmte Zeit wie auch auf unbestimmte, durch ein Bedürfnis bedingte Zeit zu. Für Richter auf Lebenszeit, die an anderer Stelle verwendet wurden (abgeordnete Richter i. S. des § 37 DRiG), galt diese Beschränkung nicht. Dagegen ist nach § 70 Abs. 2 n. F. bei Richtern auf Probe (§ 12 DRiG) und kraft Auftrags (§ 14 DRiG) eine Beiordnung — und ebenso bei Richtern auf Lebenszeit deren Abordnung gemäß § 37 Abs. 2 D R i G — nur noch auf bestimmte Zeit zulässig und darf vor deren Ablauf nicht widerrufen werden. Eine Beiordnung (Abordnung) auf bestimmte Zeit ist nicht notwendig eine kalendermäßig bezeichnete Zeit; vielmehr kann die Dauer der Beiordnung auch nach anderen Merkmalen (z. B. für die Dauer der Erkrankung oder der Abordnung eines Richters, der vertreten werden muß), bestimmt werden, sofern es sich nur um feste, einer Ermessensbeurteilung der Justizverwaltung entzogene Merkmale handelt. Unzulässig wäre also z. B. die Beiordnung „für die Dauer des erhöhten Geschäftsanfalls", da hier Ermessen darüber entschiede, ob noch ein erhöhter Geschäftsanfall vorliegt. Unzulässig wäre auch nach Sinn und Zweck des § 70 Abs. 2 eine Beiordnung, die zwar jeweils auf eine bestimmte, aber so kurz bemessene Zeit erfolgt, daß praktisch doch über die Gesamtdauer der Beiordnung nach Ermessen entschieden wird, etwa die Beiordnung auf einen Monat unter Verlängerung des Auftrags jeweils um einen Monat (vgl. BGHSt. 13 53, 58). Eine Beiordnung auf bestimmte Zeit, aber unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs ist überhaupt keine Beiordnung auf bestimmte Zeit. c) Vorzeitige Beendigung. Die Beiordnung darf nicht vor Ablauf der bestimmten Zeit der Beiordnung widerrufen werden. Die Beiordnung kann aber vor Ablauf der Beiordnungszeit enden, wenn das Verhältnis als Richter auf Probe oder kraft Auftrags beendet wird, z. B. durch Anstellung auf Lebenszeit oder infolge Ausscheidens aus dem Richterdienstverhältnis aus den im D R i G bestimmten Gründen (BGH M D R 1961 617 = LM Nr. 13 zu § 70). Ferner kann die Beiordnungsdauer vorzeitig enden, wenn der Hilfsrichter selbst eine andere Verwendung erstrebt (z. B. die Abordnung zu einer anderen Behörde) und die Justizverwaltung zustimmt oder wenn letztere ihm eine andere Verwendung (z. B. Einberufung in das Justizministerium) anbietet und der Hilfsrichter sich damit einverstanden erklärt. In solchen Fällen wird die richterliche Unabhängigkeit nicht berührt; § 70 Abs. 2 will den Hilfsrichter gegen Maßnahmen der Justizverwaltung schützen, die gegen seinen Willen erfolgen (zweifelnd und die Frage offen lassend BGHSt. 13 53, 57 mit Nachweisen). Übrigens würde, selbst wenn eine solche vorzeitige Beendigung der Beiordnung unzulässig wäre, die ordnungsmäßige Besetzung der Kammer, in der der ausgeschiedene Hilfsrichter bisher tätig war, nicht in Frage gestellt, wenn das Präsidium den als Ersatz für den Ausgeschiedenen neu beigeordneten Hilfsrichter, sei es dieser, sei es einer anderen Kammer zuweist. Denn wenn der ausgeschiedene Hilfsrichter an anderer Stelle tätig wird, so liegt seine dauernde Verhinderung i. S. des § 21 e Abs. 3 vor, die das Präsidium berechtigt, die im Gesamtmitgliederbestand entstehende Lücke mit dem zur Verfügung stehenden Personal auszufüllen (so auch (BGHSt. 13 53, 56). 2784

Fünfter Titel. Landgerichte (Schäfer)

§ 7 0 Anm. 5, 6 § § 7 1 , 72; 73 5. Wegen der Hilfsrichter bei den Oberlandesgerichten s. zu §§ 115, 117. Wegen der Verwendung von Richtern als sog. wissenschaftliche Hilfsarbeiter bei Gerichten s. Anm. 4 c zu § 193. 6. Absatz 3 überläßt es zunächst dem Landesrecht, in Einschränkung des § 59 Abs. 3 GVG zu bestimmen, daß beim Landgericht als Hilfsrichter nur auf Lebenszeit ernannte Richter verwendet werden dürfen. Darüber hinaus kann das Landesrecht Vorschriften über die Vertretung der Mitglieder des Landgerichts durch auf Lebenszeit ernannte Richter anderer Gerichte erlassen; § 70 Abs. 1, 2 sind dann unanwendbar. Es kann z. B. vorschreiben, daß — abweichend von § 70 Abs. 1 — nicht die Landesjustizverwaltung, sondern der Landgerichtspräsident oder das Präsidium einen Amtsrichter — ohne Bestellung zum Hilfsrichter — als Vertreter für einzelne Sitzungen zum Landgericht einberufen kann. Vgl. für das Gebiet des ehem. Preußen §§ 38, 48 AG GVG und dazu RGSt. 22 134; 26 94; 32 283; 40 87. Die Vertretung von Richtern des Amtsgerichts durch Richter anderer Gerichte regelt § 22b. - § 10 Abs. 1 der VO vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403), der allgemein die Richter an den Amtsgerichten und den Landgerichten verpflichtete, richterliche Geschäfte an anderen Gerichten des Landgerichtsbezirks und am übergeordneten Oberlandesgericht wahrzunehmen, ist durch Art. 8 II Nr. 7 des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 (BGBl. 455) aufgehoben worden. Nach §§ 13, 16 Abs. 2 DRiG sind Richter auf Probe und kraft Auftrages verpflichtet, die Vertretung eines Richters an einem anderen Gericht zu übernehmen. Auf Lebenszeit angestellte Richter können nach § 37 Abs. 3 DRiG ohne ihre Zustimmung zur Vertretung eines Richters an ein anderes Gericht längstens für zusammen drei Monate innerhalb eines Geschäftsjahres abgeordnet werden; eine weitgehende Vertretungspflicht kann Landesrecht nicht vorschreiben.

§§71,72 (betr. Zuständigkeit der Zivilkammern) §73 (1) Die Strafkammern sind zuständig für die die Voruntersuchung und deren Ergebnisse betreifenden Entscheidungen, die nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung von dem Gericht zu erlassen sind; sie entscheiden über Beschwerden gegen Verfügungen des Untersuchungsrichters und des Richters beim Amtsgericht sowie gegen Entscheidungen des Richters beim Amtsgericht und der Schöffengerichte. (2) Die Strafkammern erledigen außerdem die in der Strafprozeßordnung den Landgerichten zugewiesenen Geschäfte. Entstehungsgeschichte: Entw. § 52. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 308). Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 strich in Absatz 1 den Satz 2 („Die Bestimmungen über die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte und des Reichsgerichts werden hierdurch nicht berührt"). Die Ersetzung von „Amtsrichters" durch „Richters beim Amtsgericht" in Absatz 1 beruht auf Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). I. Zu Absatz 1 1. Im Gegensatz zu § 74, der die Zuständigkeit der Strafkammern in ihrer Eigenschaft als erkennende Gerichte regelt, handelt § 73 von der Zuständigkeit der Strafkammern außerhalb eines bei ihnen anhängigen Hauptverfahrens. a) „Die Voruntersuchung betreffende Entscheidungen" sind diejenigen, die die StPO nicht dem Untersuchungsrichter zuweist, sondern dem von ihm verschiedenen „Gericht" oder dem „Landgericht" vorbehält (OLG München NJW 1964 264). Die Strafkammer ist auch zuständig bei Untersuchungshandlungen, die der Amtsrichter gemäß § 185 StPO auf Ersuchen des Untersuchungsrichters vorgenommen hat. In Betracht kommen die Entscheidungen nach §§ 124, 125 Abs. 3, 180 Abs. 1, 181 Abs. 1, 197, 201 StPO. Nicht hierher 2785

§ 7 3 Anm. I 2—4; II 1, 2 Gerichtsverfassungsgesetz §§ 7 3 a ; 74 gehört die Entscheidung über die Anschlußberechtigung eines Nebenklägers, die der Untersuchungsrichter als Gericht i. S. des § 396 StPO trifft (OLG München aaO.). Die „die Ergebnisse der Voruntersuchung betreffenden Entscheidungen" sind diejenigen nach §§ 198, 202 bis 204 StPO. In den zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehörenden Sachen entscheidet nach § 201 Abs. 2 Satz 2 StPO der Amtsrichter über den Antrag auf Eröffnung der Voruntersuchung, wenn er erhebliche Gründe für die Anordnung der Voruntersuchung nicht für vorliegend hält; das LG entscheidet über die dagegen gerichtete Beschwerde, und weitere Beschwerde ist nach § 3 1 0 StPO ausgeschlossen (OLG Bremen NJW 1967 1975; R e i s s fe 1 d e r NJW 1968 904 gegen OLG Hamm NJW 1968 419). b) Die Strafkammer entscheidet über Beschwerden gegen die mit Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen des Untersuchungsrichters, des Amtsrichters und der Schöffengerichte (vgl. §§ 304, 310 StPO). Abweichende Vorschriften enthalten die §§ 159, 181 GVG. Im Bußgeldverfahren entscheidet über die Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen des Amtsrichters das OLG (§ 79 OWiG). Nicht hierher gehören Entscheidungen des Amtsrichters als Strafvollstreckungsbehörde gemäß § 451 Abs. 3 StPO (vgl. dazu Anm. IV 4 zu § 451). 2. An Stelle der allgemeinen Strafkammer trifft in ihrem Zuständigkeitsbereich als erkennendes Gericht (§ 74 a Abs. 1) die Staatsschutzstrafkammer auch die in § 73 Abs. 1 bezeichneten Entscheidungen (§ 74 a Abs. 3) Im jugendgerichtlichen Verfahren tritt an die Stelle der Strafkammer die Jugendkammer (§ 41 Abs. 2 JGG). 3. Die Strafkammern erlassen alle in § 73 bezeichneten Entscheidungen in der Besetzung von drei Mitgliedern (§ 76 Abs. 1). Näheres dort. 4. Für die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs enthalten die §§120 Abs. 3, 121 Abs. 1 Nr. 2 u. 135 Abs. 2 die hier in Betracht kommenden Vorschriften, die von § 73 nicht berührt werden. Das ist (anders als in § 73 Abs. 1 Satz 2 a. F.) jetzt nicht mehr besonders ausgesprochen, versteht sich aber von selbst. II. Zu Absatz 2 1. Wegen der in Erweiterung des Absatzes 1 der Strafkammer durch die StPO zugewiesenen Aufgaben vgl. Anm. II zu § 60. Aus § 73 Abs. 2 ergibt sich, daß, wo die StPO von dem „Landgericht" redet, hierunter die Strafkammer dieses Gerichts zu verstehen ist. Hierbei ist zu bemerken, daß die StPO, soweit sie nicht die allgemeine Bezeichnung „Gericht" gewählt hat, in der Regel (vgl. z. B. § 27 Abs. 3, §§ 185, 209) den Ausdruck „Landgericht" gebraucht und nur an wenigen Stellen (z. B. § 23 Abs. 3, § 27 Abs. 2) von der Strafkammer spricht. 2. Außerhalb des GVG und der StPO sind der beschließenden Strafkammer Aufgaben zugewiesen z. B. nach §§ 70 Abs. 2, 104 Abs. 2, 4 OWiG, § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StrEG.

§ 73 a (weggefallen)

§74 (1)Die Strafkammern sind als erkennende Gerichte des ersten Rechtszuges zuständig für alle Verbrechen, die nicht zur Zuständigkeit des Amtsgerichts, des Schwurgerichts oder des Oberlandesgerichts gehören. Sie sind auch zuständig für alle Vergehen und Verbrechen, die von der Staatsanwaltschaft bei ihnen angeklagt werden (§ 24 Abs. 1 Nr. 2) oder vom Amtsgericht an sie verwiesen sind, weil seine Strafgewalt zu ihrer Aburteilung nicht ausreicht. (2) Die Strafkammern sind außerdem zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Richters beim Amtsgericht und des Schöffengerichts. 2786

Fünfter Titel. Landgerichte (Schäfer)

§ 74 Anm. 1—4

Entstehungsgeschichte: Entw. § 8. Spätere Änderungen: VO vom 4. 1. 1924 §§ 6 bis 11 (RGBl. I 16), Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 308), VO vom 6. 10. 1931 (RGBl. I 537, 563), 6. Teil Kap. I § 1; VO vom 14. 6. 1932 (RGBl. I 285), 1. Teil, Kap. I Art. 1 § 1 ZuständigkeitsVO vom 21. 2. 1940 (RGBl. I 405). Der jetzige Absatz 1 ist durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 eingefügt. Änderungen erfolgten bei Absatz 1 Satz 1 durch Ges. vom 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582) — Ersetzung von „Bundesgerichtshofes" durch „Oberlandesgerichts" - , bei Absatz 1 Satz 2 durch das 1. StrRG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) - Änderung der Klammerverweisung — und bei Absatz 2 — Ersetzung von „Amtsrichters" durch „Richters beim Amtsgericht" - durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). 1. Zu Absatz 1 a) Wegen der Entwicklung, die die Gesetzgebung auf dem Gebiet der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Strafkammer als erkennendes Gericht genommen hat, wird auf Anm. 1 zu § 24 verwiesen. Die Zuständigkeit der erstinstanzlichen Strafkammer ist eine von vornherein feststehende nur im Falle des § 74 a und bei Verbrechen, die mit einer die Strafgewalt des Amtsgerichts (§ 24 Abs. 2) übersteigenden Mindeststrafe bedroht sind (vgl. z. B. § 316 a StGB). Im übrigen richtet sich die Zuständigkeit der Strafkammer nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Sie ist bei Verbrechen und bei Vergehen dadurch bedingt, daß im Einzelfall eine die Strafgewalt des Amtsgerichts übersteigende Strafe oder Sicherungsverwahrung zu erwarten ist und die Staatsanwaltschaft deshalb beim Landgericht Anklage erhebt oder daß das Amtsgericht, bei dem Anklage erhoben ist, die Sache dem Landgericht vorlegt — § 209 StPO — oder vor oder in der Hauptverhandlung gemäß § 270 StPO an die Strafkammer verweist. Bei anderen Verbrechen und Vergehen ist die Strafkammer zuständig, wenn die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Bedeutung des Falles Anklage bei ihr erhebt; die Strafkammer muß aber, wenn sie einen Fall von besonderer Bedeutung nicht für gegeben hält, vor dem Schöffengericht eröffnen (§ 209 StPO). Wegen der Einzelheiten wird auf die Anm. zu §§ 24, 25 Bezug genommen. Die Zuständigkeit der Strafkammer entfallt bei Verbrechen, die zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehören (§ 80) und bei Verbrechen und Vergehen, die nach § 120 in die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts fallen. Wird aber wegen einer Tat, die nach dem Inhalt der Anklage vor das Schwurgericht gehört, zu Unrecht vor der großen Strafkammer eröffnet, so ist diese zuständig, wenn sie lediglich wegen einer Tat verurteilt, die zu ihrer sachlichen Zuständigkeit gehört. Für eine Verweisung nach § 270 StPO ist dann kein Raum. Der im Eröffnungsbeschluß enthaltene Fehler kann nicht zur Aufhebung des Urteils führen, weil das Urteil nicht auf ihm beruht (RGSt. 16 39; BGHSt. 1 346). Wird eine Sache vor der Großen Strafkammer angeklagt, für die sie die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für gegeben hält, so legt sie gemäß § 209 Abs. 3 StPO die Akten dem OLG zur Entscheidung vor; solange sie freilich mangels Zustellung der Anklageschrift oder aus sonstigen verfahrensrechtlichen Gründen über eine Eröffnung des Hauptverfahrens nicht befinden könnte, ist auch für eine Aktenvorlage nach § 209 Abs. 2 kein Raum (BGHSt. 6 109 = NJW 1954 1375). b) Wegen der Zuständigkeit der Jugendkammer als erstinstanzliches Gericht vgl. § 41 Abs. 1, § 108 Abs. 1, 3 JGG, § 74 b GVG. Es besteht kein rechtliches Hinderais, im Wege der Geschäftsverteilung Jugendstrafsachen und allgemeine Strafsachen einer Strafkammer zuzuweisen, die dann zugleich große Strafkammer und Jugendkammer ist (BGHSt. 21 70 = MDR 1966 521 = NJW 1966 1037). 2. Das beschleunigte Verfahren (§212 StPO) ist vor der großen Strafkammer unzulässig. 3. Eine Zusammenfassung mehrerer Landgerichte zu einem Strafkammerbezirk entsprechend § 58 ist im GVG, von §§ 74a, 74c abgesehen, nicht vorgesehen. 4. Zu Absatz 2. § 74 Abs. 2 besagt nicht nur, daß die Strafkammern für die Entscheidung über die Berufung gegen die dort bezeichneten Urteile funktionell zuständig sind, sondern legt auch die örtliche Zuständigkeit der Strafkammer in dem Sinn fest, daß nur die dem Amtsgericht im Instanzenzug übergeordnete Strafkammer über die Berufung gegen sein Urteil entscheiden kann. Nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils ist es daher nicht mög2787

§ 7 4 Anm. 5

Gerichtsverfassungsgesetz

§ 74 a lieh, durch Übernahme des Verfahrens nach § 377 StPO oder durch Übertragung der Entscheidung nach § 12 Abs. 2 StPO oder § 42 Abs. 3 JCJG in diese Zuständigkeit einzugreifen (BGHSt. 10 177; 11 56, 62; 18 261 = NJW 1963 965). Über den Umfang der Strafgewalt der Berufungsstrafkammer und über den Übergang vom Berufungs- zum erstinstanzlichen Verfahren s. Anm. IV 4 zu § 24. Über die Anfechtbarkeit eines Urteils nach Verbindung einer Berufungssache mit einer erstinstanzlichen Sache s. Anm. 6 zu § 121. — Die Zuständigkeit der Jugendkammer als Berufungsgericht ist in § 41 Abs. 2 Satz 1 J G G geregelt. Die Jugendkammer entscheidet auch, wenn im 1. Rechtszug in einer verbundenen Strafsache gegen einen Jugendlichen (Heranwachsenden) und einen Erwachsenen das Jugendgericht geurteilt hat (§ 103 Abs. 2 JGG) und nur der Erwachsene Berufung einlegt, weil der in § 41 Abs. 2 Satz 1 JGG geregelte Instanzenzug durch solche Veränderungen der Sachlage nicht berührt wird (BGHSt. 22 48 = NJW 1968 952 = LM Nr. 4 zu § 41 JGG m. Anm. H ü b n e r ; OLG Düsseldorf NJW 1968 2020; BGHSt. 13 157 = NJW 1959 1964 ist überholt). In gleicher Weise ist die Strafkammer als Berufungsgericht zuständig, wenn infolge Verbindung nach § 103 Abs. 1 J G G im ersten Rechtszug das Amtsgericht als Erwachsenengericht entschieden hat und nur der Jugendliche Berufung einlegt mit der Folge, daß ihm gemäß § 104 Abs. 1 Nr. 7, § 55 Abs. 2 J G G gegen das Urteil der Strafkammer Revision nicht mehr zusteht (BayObLG NJW 1971 953 = MDR 1971 946). 5. In Rhein- und Moselschiffahrtssachen entscheidet über die Berufung gegen Entscheidungen des Amtsgerichts als Rhein- und Moselschiffahrtsgericht das Oberlandesgericht (s. Anm. 2 zu § 14).

§ 74 a (1) Bei den Landgerichten, in deren Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat, ist eine Strafkammer für den Bezirk dieses Oberlandesgerichts als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig für Verbrechen und Vergehen 1. des Friedensverrats in den Fällen des § 80 a des Strafgesetzbuches, 2. der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates in den Fällen der §§84 bis 90, 90 a Abs. 3 und des § 90 b des Strafgesetzbuches, 3. der Gefährdung der Landesverteidigung in den Fällen der §§ 109d bis 109 g des Strafgesetzbuches, 4. der Zuwiderhandlung gegen ein Vereinigungsverbot in den Fällen des § 129 des Strafgesetzbuches und des § 20 des Vereinsgesetzes, 5. der Verschleppung (§ 234 a des Strafgesetzbuches) und 6. der politischen Verdächtigung (§ 241 a des Strafgesetzbuches). (2) Die Zuständigkeit der Strafkammer entfällt, wenn der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles vor der Eröffnung des Hauptverfahrens die Verfolgung übernimmt, es sei denn, daß durch Abgabe nach § 142 a Abs. 4 oder durch Verweisung nach § 120 Abs. 2 Satz 2 die Zuständigkeit der Strafkammer begründet wird. (3) In den Sachen, in denen die Strafkammer nach Abs. 1 zuständig ist, trifft sie auch die in § 73 Abs. 1 bezeichneten Entscheidungen. (4) Im Rahmen der Absätze 1 und 3 erstreckt sich der Bezirk des Landgerichts auf den Bezirk des Oberlandesgerichts. Entstehungsgeschichte: § 74 a wurde eingefügt durch Art. 3 Nr. 2 des 1. Strafrechtsänderungsges. vom 30.8. 1951 (BGBl. I 739) — in Berlin übernommen durch Ges. vom 30. 10. 1951, GVB1. 994 —). Der Zuständigkeitskatalog (Absatz 2) wurde nach zwischenzeitlichen Änderungen und Erweiterungen (vgl. Art. 3 des 4. StrÄG vom 11. 6. 1957, BGBl. I 597, Art. 2 des 6. StrÄG vom 30.6. 1960, BGBl. I 478, § 2 7 des Vereinsges. vom 5. 8. 1964, BGBl. I 593) neu gefaßt durch Art. 4 des 8. StrÄG vom 25. 6. 1968 (BGBl. I 741). Die bisherigen Eingangsworte des Absatzes 1 („Eine Strafkammer des Landgerichts, in dessen Bezirk das Oberlandesgericht seinen Sitz hat, ist für den Bezirk des Oberlandesgerichts") wurden durch Art. 1 Nr. 4 des Ges. zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutzstrafsachen vom 8.9. 1969 (BGBl. I 1852) — lediglich zur Verdeutlichung und ohne sachliche Änderung — durch die jetzige Fassung ersetzt. 2788

Fünfter Titel. Landgerichte (Schäfer)

§ 74 a Anm. 1

Durch das gleiche Gesetz wurden in Absatz 2 die Worte „Abgabe oder Uberweisung nach § 134 a Abs. 2 oder 3" durch die Worte „Abgabe nach . . . Verweisung nach § 120 Abs. 2 Satz 2" ersetzt. Nach Art. 9 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes vom 25. 6. 1968 ist § 74 a Abs. 1 im Land Berlin unanwendbar, soweit er die dort bezeichneten Straftaten der Gefährdung der Landesverteidigung betrifft und soweit er sich auf Strafvorschriften bezieht, deren Anwendung nach Art. 9 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 im Land Berlin ausgeschlossen ist. § 74 a wird erweitert durch die Art. 7, 8, 12 des 4. Strafrechtsänderungsges. vom 11. 6. 1957 (BGBl. I 597) i. d. F. von Art. 5 des 8. StrÄG vom 25. 6. 1968 (RGBl. I 741). Nach Art. 7 Abs. 2 des Ges. gelten §§ 87, 89, 90a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, jeweils i. Verb, mit §§ 92a, 92b, und die §§ 109b bis 109g i. Verb. m. §§ 109i, 109k StGB mit gewissen Modifikationen auch für Straftaten gegen die nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikpakts, ihre in der Bundesrepublik stationierten Truppen und die im Land Berlin anwesenden Truppen, nach Absatz 4 jedoch nur, sofern diese im räumlichen Geltungsbereich des 4. Strafrechtsänderungsges. begangen werden. Art. 8 bestimmt: „Für die Anwendung der Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über die gerichtliche Zuständigkeit und die Übernahme, Abgabe oder Überweisung der Untersuchung, Verhandlung und Entscheidung in Strafsachen stehen die in Art. 7 Abs. 1, 2 und 4 genannten Verbrechen und Vergehen den ihnen entsprechenden Verstößen gegen Vorschriften des Strafgesetzbuchs gleich". Diese Vorschriften sind gemäß Art. 12 Abs. 3 des 4. Strafrechtsänderungsges. in Verb, mit der Bek. vom 2. 7. 1963 (BGBl. I 455) und vom 16. 6. 1963 (BGBl. I 428, II 745) am 1.7. 1963 in Kraft getreten. Schrifttum zu § 74a a.F.: D a l l i n g e r JZ 1951 620; W a g n e r , Rechtsfragen zu § 74a GA 1957 161; K l e i n k n e c h t JZ 1957 407; W o e s n e r , Rechtsstaatliches Verfahren in Staatsschutzsachen NJW 1961 533; S a x , Zum Verfahren in Staatsschutzsachen im Ausland, JZ 1964 41. 1. Zu Absatz 1. § 74 a hat eine mehrfache Bedeutung: a) er begründet zunächst die sachliche Zuständigkeit der erstinstanzlichen Strafkammern für die in § 74 a bezeichneten Vergehen und Verbrechen unter Ausschließung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit. Unberührt bleibt dagegen die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung oder mit ausschließlicher Zuständigkeit (des OLG, § 120 Abs. 1 oder des Schwurgerichts), wenn ein zu dessen Zuständigkeit gehörendes Delikt tateinheitlich mit einer der in § 74 a bezeichneten Straftaten zusammentrifft (BGHSt. 13 378, 381; s. dazu unten Anm. 4c), b) er entzieht ferner (Absatz 4, s. unten Anm. 2) den Strafkammern der übrigen Landgerichte des OLG-Bezirkes die örtliche Zuständigkeit zugunsten der Strafkammer des LG am Sitz des OLG. Es ist also kraft Gesetzes für die in § 74 a bezeichneten Sachen eine gemeinsame Strafkammer geschaffen, vergleichbar der Bildung eines gemeinsamen Amtsgerichts nach § 58 oder eines gemeinsamen Jugendschöffengerichts nach § 33 Abs. 4 JGG, c) schließlich legt § 74 a, wenn bei diesem LG mehrere Strafkammern bestehen, nach dem Sinne der Vorschrift dem Präsidium (§ 21 e) die Pflicht auf, bei der Geschäftsverteilung für die in Frage stehenden Sachen die Aufgaben der erkennenden wie der beschließenden Strafkammer (s. Anm. 3 b) einer Strafkammer zuzuweisen. Jedoch ist dadurch nicht ausgeschlossen, mehr als eine Strafschutzkammer bei dem gleichen Landgericht zu bilden, wenn der Anfall an einschlägigen Sachen die Kräfte einer Kammer übersteigt (ebenso W a g n e r GA 1957 164; E b S c h m i d t 15). Nicht verboten ist, der Staatsschutzkammer durch die Geschäftsverteilung auch allgemeine Sachen zuzuweisen (BGHSt. 13 378; s. dazu W a r d a DRiZ 1957 35). Diese Zuständigkeitskonzentration bezweckt, eine gleichmäßige Rechtshandhabung auf dem Spezialgebiet der politischen Delikte zu gewährleisten. Eine solche Erweiterung der örtlichen Zuständigkeit auf Spezialgebieten, die auch sonst der Gesetzgebung bekannt ist (vgl Anm. 6 zu § 58; vgl. auch § 9 EG GVG), ist mit dem G G durchaus vereinbar. Denn wenn es nach Art. 101 Abs. 2 G G zulässig ist, für besondere Sachgebiete durch Gesetz besondere Gerichte zu errichten, so ist es erst recht zulässig, innerhalb der ordentlichen Gerichte durch Regelung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit Zuständigkeitskonzentrationen herbeizuführen. Ein Ausnahmegericht i. S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG ist die Staatsschutzstrafkammer nach § 74 a schon deshalb nicht, weil sie weder nachträglich für einen Einzelfall oder eine 2789

§ 74a

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 2, 3 Gruppe von Einzelfallen noch aus anderen als rechtstechnischen Gründen eingesetzt ist (vgl. Anm. II zu § 16 G V G ; ebenso im Ergebnis die bei D a l i i n g e r M D R 1954 400 und R u h r m a n n N J W 1954 1512 Anm. 3 angeführten Entscheidungen des BGH sowie BGHSt. 10 323, 326; 13 378, 380 und das Schrifttum). 2. a) Die Bedeutung des Absatzes 4 besteht (oben Anm. 1 zu b) darin, daß den Strafkammern der übrigen Landgerichte des OLG-Bezirks die örtliche Zuständigkeit entzogen wird. Das bedeutet, daß die Staatsschutzkammer gegenüber diesen Gerichten nicht ein Gericht höherer Ordnung ist, daß also §§ 6, 338 Nr. 4 StPO unanwendbar sind, daß eine andere Strafkammer, wenn sich ergibt, daß eine Staatsschutzsache vorliegt, nicht nach § 270 StPO verfahren kann, und daß das Revisionsgericht nicht von Amts wegen prüft, ob dem Verfahren vor dieser Strafkammer das Verfahrenshindernis der sachlichen Unzuständigkeit entgegenstand (ebenso BGHSt. 13 378 = N J W 1960 493; D a l l i n g e r JZ 1951 621; M ü l l e r - S a x l a zu § 7 4 a ; K l 2 B; D a l c k e - F - S c h . 2; a. M. S c h w a r z N J W 1956 1305; W a g n e r G A 1957 161; E b S c h m i d t 16fT„ 23, 24, wonach die §§ 6 , 3 3 8 Nr. 4 StPO auch für Fälle einer „speziellen sachlichen Zuständigkeit" gelten). Damit ist indessen noch nicht gesagt, daß, wenn versehentlich vor einer anderen als der nach § 74 a zuständigen Strafkammer angeklagt und eröffnet wird (oder sich erst in der Hauptverhandlung die Zuständigkeit der Staatsschutzkammer ergibt), das Gericht sich nur im Rahmen der §§ 16, 18 StPO für unzuständig erklären könnte und im übrigen der Verstoß gegen § 74 a verfahrensrechtlich bedeutungslos wäre. Wenn nämlich (vgl. den Hinweis von E b S c h m i d t 17 auf diesen Fall) nicht die Stafkammer eines anderen Landgerichts, sondern eine allgemeine Kammer des gleichen Landgerichts zu Unrecht mit der Sache befaßt würde, so wäre die darin liegende Abweichung vom Geschäftsverteilungsplan (oben Anm. 1 zu c) ein Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), der die Revision wegen Verfahrensverstoßes begründet, wenn die Abweichung auf Willkür beruht (Anm. II 12 zu § 21 e). Willkür würde aber auch vorliegen, wenn das zu Unrecht mit der Sache befaßte Gericht das Verfahren fortsetzte, nachdem es den Mangel erkannt hat. Ist das aber richtig, so muß das Gleiche gelten, wenn das Verfahren zu Unrecht vor der Strafkammer eines anderen Landgerichts betrieben wird. Eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle wäre nicht zu begründen, denn auch diese Kammer weicht vom Geschäftsplan ihres Landgerichts ab, weil ihr darin keine Zuständigkeit in Staatsschutzsachen zugewiesen ist. Damit kommen ähnliche Gesichtspunkte in Betracht, wie sie gelten, wenn ein Erwachsenengericht unrichtigerweise mit dem Verfahren gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden befaßt wird. In diesem Fall liegt zwar nach der jetzt maßgeblichen Betrachtungsweise (vgl. Anm. 4 zu § 13) kein von Amts wegen vom Revisionsgericht zu berücksichtigender Mangel der sachlichen Zuständigkeit, wohl aber ein auf Rüge zu prüfender Verfahrensverstoß vor, und das Erwachsenengericht, das den Mangel bemerkt, muß das Verfahren an das Jugendgericht gleichen Ranges abgeben. So wird auch hier zu verfahren sein (so auch im Ergebnis, wenn auch mit abw. Begründung W a g n e r aaO. 166). Der Grundgedanke der Zuständigkeitskonzentration verbietet es grundsätzlich, daß in die örtliche Zuständigkeit der Staatsschutzstrafkammer fallende Sachen ihr durch Verbindung mit anderen Sachen (§ 13 StPO) zugunsten der Strafkammer eines anderen Landgerichts entzogen werden, während nichts entgegensteht, daß allgemeine Strafsachen wegen Sachzusammenhangs ( § § 2 , 3, 13 StPO) bei der Staatsschutzstrafkammer verbunden oder als in Tateinheit mit Staatsschutzsachen begangen vor sie gebracht werden (h. M.). b) Bei Verdacht einer Straftat nach § 74 a hat die Staatsanwaltschaft bei einem örtlich unzuständigen Landgericht die Vorgänge unverzüglich dem örtlich zuständigen Staatsanwalt zu übersenden, unbeschadet der Pflicht, Amtshandlungen, bei denen Gefahr im Verzug ist, selbst vorzunehmen (Nr. 218 RiStBV). c) Bei der nach § 74 a zuständigen Strafkammer wirken lediglich die Schöffen aus dem Bezirk dieses Landgerichts mit. 3. a) Die sachliche Zuständigkeit nach § 74 a umfaßt auch die erfolglose die sonstigen in § 49 a StGB genannten Vorbereitungshandlungen zu den im katalog aufgeführten Verbrechen (vgl. Anm. 1 zu § 80), ferner wohl auch, selbständiges Vergehen darstellt, die Begünstigung ( E b S c h m i d t 2). Den 2790

Anstiftung und Zuständigkeitsobwohl sie ein §§234a, 241a

Fünfter Titel. Landgerichte (Schäfer)

§ 74 a Anm. 4

StGB entsprechen die §§ 1, 2 des Berliner Ges. zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 14. 6. 1951 (GVB1. 417). Sofern nach den Grundsätzen des interlokalen Strafrechts dieses Gesetz in der Bundesrepublik außerhalb Berlins anzuwenden ist, ist für die Aburteilung ebenfalls die Staatsschutzkammer zuständig (BGHSt. 13 378). Die Strafkammer ist auch für die in § 74 a bezeichneten Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender zuständig (§ 102 JGG). Sachen von geringer Bedeutung kann aber die Strafkammer mit Zustimmung des Staatsanwalts an das Jugendschöffengericht abgeben (§§ 102, 112 JGG) und zwar schon vor Erlaß des Eröffnungsbeschlusses ( D a l l i n g e r - L a c k n e r 11, 1 2 z u § 102), gleichzeitig mit dem Eröffnungsbeschluß, aber auch noch nach Eröffnung oder Verweisung nach § 120 Abs. 2 Satz 2 ( E b S c h m i d t 7). Diese Regelung verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 G G (BGH MDR 1956 146). b) Erweiterte Zuständigkeit (zu Absatz 3). Über die Zuständigkeit als erkennendes Gericht des 1. Rechtszuges (Absatz 1) hinaus erstreckt der durch das 4. Strafrechtsänderungsges. vom 11. 6. 1957 (BGBl. I 597) eingefügt Absatz 3 — zur Klarstellung früher hervorgetretener Zweifelsfragen (vgl. OLGe. Frankfurt NJW 1955 960; München NJW 1955 1808) — die Zuständigkeit der Staatsschutzkammer auf die in § 73 Abs. 1 bezeichneten Entscheidungen. Sie erteilt auch im Vorverfahren die Zustimmung zur Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO (so schon für das frühere Recht — vor Änderung des § 153 Abs. 2 — BGHSt. 12 399). Unberührt bleibt jedoch die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts und des OLG zur Einstellung des Verfahrens nach §§ 153b Abs. 4, 153c, 153 d StPO (BGHSt. 11 52). 4. Zu Absatz 2. Der Generalbundesanwalt kann durch Übernahme der Verfolgung die Zuständigkeit der Strafkammer aufheben und die des OLG begründen. Das Ubernahmerecht ist sachlich und zeitlich begrenzt; es kann nur ausgeübt werden: a) wegen der besonderen Bedeutung des Falles. Sie liegt vor, wenn die Tat nach ihrem Umfang und ihrer Gefährlichkeit, nach der Persönlichkeit und Stellung des Beschuldigten oder aus anderen Gründen sich von den durchschnittlichen Fällen unterscheidet. Die besondere Bedeutung muß sich aus dem Fall als solchen ergeben, es genügt z. B. zur Evokation nicht, daß eine Einstellung nach § 153c StPO in Betracht kommt ( L ü t t g e r JZ 1964 574). Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht hat, wenn sie diese Voraussetzungen für gegeben hält, den Generalbundesanwalt zu unterrichten (näheres Nr. 218 Abs. 2 RiStBV). Ob der Fall besondere Bedeutung hat, entscheidet zunächst der Generalbundesanwalt. Bejaht er sie, so muß er nach den von BVerfGE 9 223 = NJW 1959 871 für die bewegliche Zuständigkeit entwickelten Grundsätzen (vgl. Anm. III 3 a zu § 16, III 1 zu § 24) die Sache an sich ziehen. Das OLG ist jedoch an seine Auffassung nicht gebunden, sondern kann und muß bei der Eröffnung des Hauptverfahrens beim Fehlen besonderer Bedeutung die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht verweisen (§ 120 Abs. 2 Satz 2). b)bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens. Dagegen steht Eröffnung einer Voruntersuchung der Übernahme nicht entgegen, die Übernahme der Sache wirkt wie die Zurücknahme der öffentlichen Klage. Die Übernahme der Sache im Ermittlungsverfahren hat zur Folge, daß über Beschwerden gegen die Entscheidungen des Amtsrichters das OLG nach § 120 Abs. 3 entscheidet (BGHSt. 9 351, 352). c) Das Evokationsrecht, wenn die Tat mit einer in die Zuständigkeit des Schwurgerichts fallenden Tat zusammentrifft oder zusammenhängt. In diesem Fall geht zwar die Zuständigkeit des Schwurgerichts der der Staatsschutzkammer vor. Andererseits geht aber auch die Zuständigkeit des OLG — auch die durch Evokation begründete, § 120 Abs. 2 — der des Schwurgerichts vor. Daraus ist zu folgern, daß, solange nicht die Zuständigkeit des Schwurgerichts unabänderlich (§ 156 StPO) begründet ist, der GBA auch bei Zusammenhang einer unter § 74 a Abs. 1 fallenden Tat mit einem Schwurgerichtsdelikt (§ 80) das Evokationsrecht ausüben, dem Schwurgericht die Zuständigkeit entziehen und die des OLG begründen kann (ebenso OLG Frankfurt vom 30. 10. 1972, 4 HEs. 262/72). d) Abgabe. Hat der Generalbundesanwalt eine Sache übernommen, so kann und muß er sie — solange nicht eine Anklageschrift oder eine Antragsschrift (§ 440 StPO) beim OLG eingereicht ist; § 142 a Abs. 2 gilt sinngemäß auch hier — nach § 142 a Abs. 4 wieder an die 2791

§ 7 4 a Anm. 5

Gerichtsverfassungsgesetz

§§ 74b; 74c Landesstaatsanwaltschaft abgeben, wenn sich die Annahme, der Fall sei von besonderer Bedeutung, durch die weiteren Ermittlungen als eindeutig nicht oder nicht mehr zutreffend erweist. Eine nochmalige Übernahme durch den Generalbundesanwalt vor Eröffnung des Hauptverfahrens ist zulässig und geboten, wenn der Fall inzwischen besondere Bedeutung gewonnen hat ( M ü l l e r - S a x 2b 3; W a g n e r 168; E b S c h m i d t 32). 5. Klagt der Generalbundesanwalt bei dem OLG an (§§ 170, 178 StPO), so muß dieses auch dann eröffnen, wenn es die besondere Bedeutung des Falles verneint. Es kann (und muß) dann aber die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an die Staatsschutzkammer überweisen (§ 120 Abs. 2 Satz 2). Es tritt also kraft Gesetzes der Eröffnungsbeschluß des OLG an die Stelle des Eröffnungsbeschlusses, den die Strafkammer erlassen hätte, wenn die Sache bei ihr angeklagt worden wäre. Damit steht die Zuständigkeit der Strafkammer endgültig und unabänderlich fest. Diese kann weder die Sache dem OLG zu erneuter Beschlußfassung vorlegen, wenn nach ihrer Auffassung der Fall eindeutig von besonderer Bedeutung ist (ebenso W o e s n e r NJW 1961 535; s. auch BGHSt. 21 268), noch kann sie gemäß § 270 StPO verfahren, wenn sich in der Hauptverhandlung die besondere Bedeutung ergibt (ebenso Kl 4; vgl. Anm. III 2c zu § 24). Auch wenn unmittelbar bei der Staatsschutzkammer Anklage erhoben wird, kann sie nicht, weil sie eine besondere Bedeutung des Falles annimmt, nach § 209 Abs. 2 Satz 2 StPO verfahren und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorlegen, denn Abs. 3 Satz 2 verweist auf Abs. 2, in dem § 74 a Abs. 2 nicht mitaufgeführt ist (ebenso Kl 5 D zu § 209 StPO; 4 zu § 74 a).

§ 74 b In Jugendschutzsachen (§ 26 Abs. 1 Satz 1) ist neben der für allgemeine Strafsachen zuständigen Strafkammer auch die Jugendkammer als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. § 26 Abs. 2 und §§ 73 und 74 gelten entsprechend. Der durch § 121 Ziff. 2 JGG vom 4. 8. 1953 (BGBl. I 751) eingefügte § 74b ergänzt den § 26 GVG dahin, daß, soweit die Zuständigkeit der erstinstanzlichen Strafkammer nach § 74 gegeben ist, der Staatsanwalt bei Jugendschutzsachen unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 vor der allgemeinen Strafkammer oder vor der Jugendkammer die Anklage erheben kann. Eine allgemeine Strafkammer kann durch die Geschäftsverteilung zur Jugendschutzkammer bestimmt werden, indem ihr Jugendschutzsachen allein oder neben anderen Sachen zugewiesen werden. Dann entfallt meist ein Bedürfnis, Jugendschutzsachen vor die Jugendkammer zu bringen. Auf die Erläuterungen zu § 26 wird verwiesen. Hat im 1. Rechtszug in einer Jugendschutzsache der Jugendrichter oder das Jugendschöffengericht entschieden, so ist, wie die Verweisung auf §§ 73, 74 Abs. 2 ergibt, die Jugendkammer auch als Berufungsund Beschwerdegericht zuständig, ohne daß es darauf ankommt, ob ihr diese Zuständigkeit im Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts beigelegt ist (vgl. Anm. 6 zu § 26).

§ 74 c ( l ) D i e Landesregierungen werden ermächtigt, zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren durch Rechtsverordnung einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte ganz oder teilweise Strafsachen zuzuweisen, in denen bei Verbrechen oder Vergehen 1. nach der Konkursordnung und der Vergleichsordnung, 2. nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, dem Aktiengesetz, dem Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen, dem Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und dem Genossenschaftsgesetz, 3. nach den Gesetzen über das Bank-, Depot-, Börsen- und Kreditwesen sowie nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz, 4. nach dem Außenwirtschaftsgesetz, den Devisenbewirtschaftungsgesetzen, dem Steuerund Zollrecht sowie nach dem Wirtschaftsstrafgesetz, 2792

Fünfter Titel. Landgerichte (Schäfer)

§ 74 C Anm. 1,2

5. des Betruges, der Untreue, des Diebstahls, der Unterschlagung, der Sachhehlerei und des Wuchers, soweit zur Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind, die große Strafkammer zuständig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. (2) Steht eine der in Absatz 1 bezeichneten Straftaten mit einer anderen Straftat im Zusammenhang, so ist das nach Absatz 1 bestimmte Landgericht zuständig, wenn das Schwergewicht bei der ersteren Straftat liegt. (3) Im Rahmen der Absätze 1 und 2 erstreckt sich der Bezirk des nach Absatz 1 bestimmten Landgerichts auf die Bezirke der anderen Landgerichte. Hierzu § 13 b StPO: (1) Sofern eine Strafkammer gemäß § 74 c Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes eingerichtet ist, entscheidet die zuerst mit der Sache befaßte Strafkammer, ob sie im Hinblick auf eine nach § 74 c Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes ergangene Regelung für die Verhandlung der Sache zuständig ist. Verneint sie ihre Zuständigkeit, so verweist sie die Sache an die von ihr für zuständig gehaltene Strafkammer; die Beteiligten sind zu hören. Die Verweisung ist nur bis zum Beginn der Hauptverhandlung zulässig. Der Beschluß über die Verweisung ist mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. (2) Der Beschluß, durch den die nach § 74 c Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes eingerichtete Strafkammer die Sache an eine andere Strafkammer verweist, ist für diese bindend. (3) Ein Rechtsmittel kann nicht darauf gestützt werden, daß die Strafkammer ihre Zuständigkeit nach § 74 c Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu Unrecht bejaht oder verneint hat. Entstehungsgeschichte: § 74 c wurde (ebenso wie § 13 b StPO) eingefügt durch Ges. vom 8. 9. 1971 (BGBl. I 1513). 1. § 74 c stellt einen gerichtsverfassungsrechtlichen Beitrag zur Lösung des in neuerer Zeit viel erörterten Problems einer schärferen und zweckmäßigeren Bekämpfung der sog. Wirtschaftskriminalität dar, das u. a. auch den Verhandlungsgegenstand des 49. Deutschen Juristentages 1972 in Düsseldorf bildete (vgl. Berichte NJW 1972 2073; DRiZ 1973 37). Wirtschaftsstrafkammern mit etwa dem in § 74 c umschriebenen Geschäftsbereich bestanden bisher schon im Wege der Geschäftsverteilung bei manchen größeren Landgerichten. Die Bedeutung des § 74 c besteht darin, daß er — wie § 74 a für Staatsschutzstrafsachen — eine Zuständigkeitskonzentration für Wirtschaftsstrafsachen i. S. des Absatzes 1 bei einem Landgericht für den Bereich mehrerer Landgerichte ermöglicht. Die sachlichen Voraussetzungen einer solchen Konzentration („zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren") sind dem § 58 nachgebildet (vgl. dazu Anm. 3 d zu § 58). Auch das Verfahren bei Bildung des gemeinsamen Landgerichts (RechtsVO der Landesregierung oder der von ihr durch RechtsVO ermächtigten Landesjustizverwaltung) sowie der Umfang der Konzentration („ganz oder teilweise") entspricht dem § 58. Die Zuweisung der Wirtschaftsstrafsachen an eine bestimmte Strafkammer oder, wenn der Geschäftsanfall dazu zwingt, an mehrere bestimmte Strafkammern, ist Sache der Geschäftsverteilung durch das Präsidium des gemeinschaftlichen Landgerichts. Die mehreren Landgerichte, für die ein gemeinschaftliches Landgericht gebildet wird, brauchen, wenn ein Land mehrere Oberlandesgerichte hat, nicht dem gleichen OLG-Bezirk anzugehören (vgl. Anm. 2 a zu § 58). Ein gemeinschaftliches Landgericht aus Landgerichtsbezirken verschiedener Länder kann im Wege eines Staatsvertrages gebildet werden. 2. Sachliche Zuständigkeit. Anders als die Staatsschutzkammern (§ 74 a) hat die Wirtschaftsstrafkammer keine katalogmäßig fest bestimmte sachliche Zuständigkeit. Sie ist vielmehr bei den in Absatz 1 Nr. 1 bis 5 umschriebenen Verbrechen oder Vergehen im ersten Rechtszug nur zuständig, wenn an sich die große Strafkammer zuständig ist, weil nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 wegen der zu erwartenden Strafe (oder zu erwartenden Anordnung der Sicherungsverwahrung) oder wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Zuständigkeit der großen Strafkammer begründet ist, und die Staatsanwaltschaft die Anklage zu ihr erheben muß. Sachen, die in die Zuständigkeit der Staatsschutzkammer, des Schwurgerichts, des OLG (§ 120) oder des Jugendgerichts fallen, können nicht vor die gemeinsame Wirtschaftsstrafkammer gebracht werden. Da in § 74 c eine dem § 74 a Abs. 1 entsprechende Einschrän2793

§ 7 4 C Anm. 3—5 § § 7 5 ; 76

Gerichtsverfassungsgesetz

kung („als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges") fehlt, ist die Wirtschaftsstrafkammer unter den in Abs. 1, 2 beschriebenen Voraussetzungen auch als Berufungsgericht zuständig, jedoch nur bei Urteilen von Schöffengerichten im Bezirk des LG, bei dem sie gebildet ist. 3. Z u Absatz 2. Absatz 2 regelt die Zuständigkeit der gemeinschaftlichen Wirtschaftsstrafkammer, wenn eine nach Absatz 1 in deren Zuständigkeit fallende Tat mit einer anderen Straftat in Zusammenhang steht, also z. B. mit einem Meineid oder einem Raub, für dessen Aburteilung die Strafkammer eines Landgerichts zuständig ist, dem die Zuständigkeit für Wirtschaftsstraftaten i. S. des Absatz 1 entzogen ist. In solchen Fällen ist für die Frage, ob der Fall vor die Wirtschaftsstrafkammer des Absatz 1 oder die nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Strafkammer gehört, entscheidend, bei welcher Straftat das Schwergewicht liegt, d. h. (vgl. das gleiche, aber in anderem Zusammenhang verwendete Abgrenzungsmerkmal in §§ 32, 103 Abs. 2 J G G ) welcher Tat nach ihrem Unrechtsgehalt mit Bezug auf die äußere und innere Tatseite für die Allgemeinheit die größere Bedeutung zukommt. Liegt das Schwergewicht bei der Wirtschaftsstraftat i. S. des Absatz 1, so ist die Wirtschaftsstrafkammer auch für die damit zusammenhängenden anderen Straftaten zuständig, andernfalls übernimmt die für die andere Straftat zuständige Strafkammer auch die Aburteilung der Wirtschaftsstraftat. Der Vermeidung von Schwierigkeiten, die aus dieser Regelung entstehen könnten, dient § 13 b StPO. 4. Zu Absatz 3. Diese Vorschrift entspricht dem § 74a Abs. 4. 5. Zuständigkeitskonzentration gemäß Absatz 1 sind bisher erfolgt in Bayern durch VO vom 26. 10. 1971 (GVB1. 392) und vom 23. 12. 1971 (GVB1. 1972 4), in Baden-Württ. durch VO vom 19. 10. 1971 (GVB1. 416) und vom 23. 2. 1972 (GVB1. 84), in Bremen durch VO vom 11. 1. 1972 (GBl. 1), in Nordrh.-W. durch VO vom 25. 4. und 7. 8. 1972 (GVB1. 102, 255), in Rheinland-Pf. durch VO vom 15. 12. 1971 (GVB1. 321), in Schlesw.-H. durch VO vom 14. 12. 1972 (GVB1. 254). §75 (betr. Besetzung der Zivilkammer)

§76 (1)Die Strafkammern entscheiden außerhalb der Hauptverhandlung in der Besetzung von drei Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. (2) In der Haupt Verhandlung ist die Strafkammer besetzt: mit dem Vorsitzenden und zwei Schöffen (kleine Strafkammer), wenn sich die Berufung gegen ein Urteil des Richters beim Amtsgericht richtet; mit drei Richtern mit Einschluß des Vorsitzenden und zwei Schöffen (große Strafkammer) in allen übrigen Fällen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 5 7 . Spätere Änderungen: VO vom 4 . 1 . 1 9 2 4 § 1 1 (RGBl. I 16). Bek. vom 2 2 . 3 . 1 9 2 4 (RGBl. I 308). Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat in Absatz 2 den letzten Halbsatz, „wenn sich die Berufung gegen ein Urteil des Schöffengerichts richtet" durch die Worte „in allen übrigen Fällen" ersetzt. Durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) wurde in Absatz 2 „(Urteil des) Amtsrichters" durch „Richters beim Amtsgericht" ersetzt. 1. Zahl der Mitglieder — Wenn auch die Strafkammern bei der einzelnen Entscheidung stets nur mit der in § 76 vorgeschriebenen Richterzahl besetzt sein dürfen (§ 192), so kann doch die Zahl der Richter, die einer Strafkammer zugeteilt werden, mehr als drei betragen (vgl. Anm. III 3 b zu § 16 und die Anm. zu § 21 g Abs. 2). 2. Die Strafkammern (vgl. § 60) entscheiden in verschiedenen Erscheinungsformen: in der Hauptverhandlung teils in der Besetzung mit einem Richter und zwei Schöffen (kleine Strafkammer), teils in der Besetzung mit drei Richtern und zwei Schöffen (große Strafkammer). Außerhalb der Hauptverhandlung — einerlei ob die Zuständigkeit auf § 73 oder 2794

Fünfter Titel. Landgerichte (Schäfer)

§ 7 6 Anm. 3—5

§ 77 auf § 74 beruht — entscheiden die Strafkammern stets in der Besetzung mit drei Richtern, und zwar selbst dann, wenn sie Beschlüsse erlassen, denen die Bedeutung eines Urteils zukommt (vgl. z. B. StPO § 441 Abs. 2). Der Vorsitzende darf also auch nicht in Sachen der kleinen Strafkammer allein entscheiden. § 30 Abs. 2 findet auf ihn keine Anwendung (OLG Naumburg ZStW 45 535; OLG Celle GA 70 22). Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 a. F. konnte zum ordentlichen Vorsitzenden der „kleinen Strafkammer (§ 76 Abs. 2)" — abweichend von dem Grundsatz des § 6 7 Abs. 1 Satz 2 a. F. (= jetzt § 21 f Abs. 1) — auch ein „ständiges Mitglied des Landgerichts" (= Landgerichtsrat) vom Präsidium bestimmt werden. Daran knüpfte sich die Streitfrage (vgl. Anm. 2 in der Vorauflage), ob dies auch für den Vorsitz in einer Beschlußstrafkammer gelte, die in Sachen zu entscheiden hat, die zur Zuständigkeit der kleinen Strafkammer gehören, falls zum Vorsitzenden der kleinen Strafkammer „in der Hauptverhandlung" ein Landgerichtsrat bestellt war. Nachdem § 21 f Abs. 1 für die kleine Strafkammer eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß ordentlicher Vorsitzender einer Strafkammer der Präsident oder ein Vorsitzender Richter sein muß, nicht mehr vorsieht, hat sich die Streitfrage erledigt. In der in Absatz 1 vorgeschriebenen Besetzung entscheidet die Strafkammer auch bei Ablehnung des Antrags auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers; die Befugnis des Vorsitzenden nach § 141 Abs. 4 StPO, allein über die Bestellung eines Verteidigers zu entscheiden, umfaßt diesen Fall nicht (OLG Celle MDR 1971 679). 3. Über die Zuständigkeit der großen Strafkammer in erster Instanz ist in den Anm. zu §§ 24, 74, 74 a, 74c das Erforderliche gesagt. 4. Jugendsachen — a) Die Jugendkammer ist in der Hauptverhandlung als Gericht des 1. Rechtszuges in entsprechender Weise wie die große Strafkammer (3 Richter, 2 Jugendschöffen) besetzt (§ 33 Abs. 3 JGG). Für die Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung gilt § 76 Abs. 1 GVG (§ 2 JGG). Eine Abweichung von der Regelung in § 76 Abs. 2 besteht darin, daß die Jugendkammer als Berufungsgericht stets, wie als erstinstanzliches Gericht, mit 3 Richtern und 2 Jugendschöffen besetzt ist, also ohne Unterschied, ob sich die Berufung gegen ein Urteil des Jugendrichters oder des JugendschöfTengerichts richtet; eine Unterscheidung zwischen „kleiner" und „großer" Jugendkammer kennt das J G G nicht. In dieser Besetzung entscheidet die Jugendkammer auch als Jugendschutzkammer (§ 74 b). b) Wegen der Frage, ob die landesrechtlichen Vorschriften für das Verfahren in Feldund Forstrügesachen, denen zufolge im 1. Rechtszug stets der Amtsrich'~r als Einzelrichter und in der Berufungsinstanz die kleine Strafkammer entscheidet, auch bei Verfehlungen Jugendlicher gelten, vgl. Anm. IV 8 zu § 25. 5. Zuständigkeitsüberschreitung. Hat statt der großen Strafkammer die kleine entschieden und damit in den Zuständigkeitsbereich eines Spruchkörpers mit höherer Strafgewalt eingegriffen, so hat das Revisionsgericht diesen Mangel (als Verfahrensvoraussetzung) von Amts wegen zu beachten und die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an die große Strafkammer zurückzuverweisen (BayObLG GA 1971 88). Hat dagegen statt der kleinen Strafkammer die große entschieden, so ist der Rechtsfehler nach § 269 StPO unschädlich. Wegen des Falles, daß statt des zuständigen Jugendgerichts das Erwachsenengericht entschieden hat, vgl. Anm. 4 zu § 13. §77 (1)Für die Schöffen der Strafkammer gelten entsprechend die Vorschriften über die Schöffen des Schöffengerichts mit folgender Maßgabe: (2) Die Landesjustizverwaltung verteilt die Zahl der erforderlichen Hauptschöffen auf die zum Bezirk des Landgerichts gehörenden Amtsgerichtsbezirke. Die Hilfsschöffen wählt der Ausschuß bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk das Landgericht seinen Sitz hat. Hat das Landgericht seinen Sitz außerhalb des Bezirkes, so bestimmt die Landesjustizverwaltung, welcher Ausschuß der zum Bezirk des Landgerichts gehörigen Amtsgerichte die Hilfsschöffen wählt. Die Namen der gewählten Hauptschöffen und der Hilfsschöffen werden von dem Richter beim Amtsgericht dem Landgerichtspräsidenten mitgeteilt. Der Landgerichtspräsident stellt die Namen der Hauptschöffen zur Schöffenliste des Landgerichts zusammen. 2795

§ 77 Anm. 1

Gerichtsverfassungsgesetz

(3) An die Stelle des Richters beim Amtsgericht tritt für die Auslosung der Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen der Strafkammern teilnehmen, der Landgerichtspräsident. Die Entscheidung darüber, ob ein Schöffe von der Schöffenliste zu streichen, oder ob von seiner Heranziehung zur Dienstleistung abzusehen ist, sowie über die von einem Schöffen vorgebrachten Ablehnungsgründe trifft eine Strafkammer. Im übrigen tritt an die Stelle des Richters beim Amtsgericht der Vorsitzende der Strafkammer. (4) Niemand soll für dasselbe Geschäftsjahr zugleich als Schöffe für das Schöffengericht und für die Strafkammer bestimmt werden. Ist dies dennoch geschehen, oder ist jemand für dasselbe Geschäftsjahr in mehreren Bezirken zu diesen Amtern bestimmt worden, so hat der Einberufene das Amt zu übernehmen, zu welchem er zuerst einberufen wird. Entstehungsgeschichte: VO vom 4. 1. 1924 § 18 (RGBl. I 17). Bek. vom 22. März 1924 (RGBl. I 308). Spätere Änderungen: Durch § 11 der VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 2 0 . 3 . 1 9 3 5 (RGBl. I 403) waren die der Landesjustizverwaltung nach § 77 Abs. 2 zustehenden Aufgaben den Landgerichtspräsidenten übertragen worden. Dieser § 11 würde durch Art. 8 Nr. 7 des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 aufgehoben und damit der ursprüngliche Rechtszustand wiederhergestellt. Im übrigen ersetzte das Vereinheitlichungsges. in Absatz 4 die Worte „dieselbe Wahlperiode (§ 42)" durch „dasselbe Geschäftsjahr". Die jetzige Fassung des Absatzes 3 beruht auf § 85 Nr. 8 DRiG 1961. Absatz 3 lautete bis dahin: „An die Stelle des Amtsrichters tritt für die Auslosung der Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen der Strafkammer teilnehmen, und für die Streichung eines Schöffen von der Schöffenliste des Landgerichts der Landgerichtspräsident; im übrigen tritt an die Stelle des Amtsrichters der Vorsitzende der Strafkammer". Durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) wurde in Absatz 3 Satz 1, 3 „Amtsrichter(s)" durch „Richter(s) beim Amtsgericht" ersetzt. 1. a) Die Zusammenstellung der Hauptschöffenliste des Landgerichts (Absatz 2 Satz 5) besteht in der Vereinigung der Teillisten (vgl. dazu AV d. pr. JM vom 13. 11. 1933 [Deutsche Justiz 673] zu C III 2—5). Dem Landgerichtspräsidenten ist es überlassen, zu bestimmen, nach welchen Gesichtspunkten er die Ordnung vornehmen will; die Reihenfolge hat hier keine rechtliche Bedeutung. b) Die Reihenfolge der Hilfsschöffenliste (die wegen § 42 — vgl. dort Anm. 8 — und § 49 erheblich ist) wird von dem Ausschuß bei dem Amtsgericht bestimmt, der die Hilfsschöffen zu wählen hat. c) Die Auslosung findet in öffentlicher Sitzung statt, bei der nur der Landgerichtspräsident und der Urkundsbeamte mitwirken. Die Auslosung erfolgt nicht nur für die einzelnen Sitzungstage, sondern, wenn mehrere Strafkammern bestehen, auch gesondert für die einzelnen Strafkammern. Bei einer Veränderung der Strafkammern durch Auflösung oder Neubildung im Lauf des Geschäftsjahres muß eine Neuauslosung der Schöffen erfolgen (zu den in Betracht kommenden technischen Möglichkeiten vgl. OLG Koblenz NJW 1965 546). Es können also, wenn z. B. eine große Strafkammer aufgelöst wird, die für sie ausgelosten Schöffen nicht für die Sitzungen einer neu gebildeten kleinen Strafkammer herangezogen werden, die die Sitzungstage der aufgelösten Kammer übernimmt (OLG Hamm NJW 1956 1937; vgl. auch BayObLG NJW 1961 586). Wird eine Hilfsstrafkammer aufgelöst und gehen ihre Geschäfte auf eine neu gebildete große Strafkammer über, so endet mit der Auflösung der Hilfsstrafkammer das Amt der für sie bestellten Schöffen, und für die neu gebildete Strafkammer müssen auch dann neue Schöffen ausgelost werden, wenn sie die Sitzungstage der aufgelösten Kammer übernimmt (BGHSt. 22 209 = NJW 1968 1974 = MDR 1968 858 = LM Nr. 12 m. Anm. H ü b n e r ) . Mit dem Grundsatz der gesonderten Auslosung der Schöffen für die einzelnen Strafkammern ist es aber nicht unverträglich, für zwei Strafkammern dieselben Schöffen auszulosen; dies gilt auch, wenn die beiden Kammern die gleichen Sitzungstage haben, eine gleichzeitige Heranziehung der Schöffen an demselben Sitzungstag aber deshalb möglich ist, weil die Sitzungen zeitlich nacheinander stattfinden (BGHSt. 20 296 = MDR 1966 165 = LM Nr. 11 m. Anm. K o h l h a a s ) . Wegen der gesonderten Festsetzung von Sitzungstagen für die Straf- und Jugendkammern gl. Anm. 1 a zu § 45. 2796

Fünfter Titel. Landgerichte (Schäfer)

§ 77 Anm. 2, 3 d) Benachrichtigung. Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 tritt der LGPräs. „für die Auslosung . . . " an die Stelle des Amtsrichters. Das Gesetz enthält keine Vorschrift, wer die dem Amtsrichter nach § 46 obliegende Benachrichtigung auszuführen hat. Da aber nach § 86 die Benachrichtigung der Schwurgerichtsschöffen von ihrer Auslosung dem die Auslosung vornehmenden LGPräs. (§ 84) obliegt, muß aus §§ 45, 46, 84, 86 der Grundsatz entnommen werden, daß die Benachrichtigung von der Auslosung jeweils dem auslosenden Organ zufällt, im Fall des § 7 7 also dem LGPräs. (a. M. S c h o r n , Laienrichter 85: den Strafkammervorsitzenden; s. dazu E b S c h m i d t 1 zu § 46). 2. Dem Landgerichtspräsidenten liegt nur noch die Zusammenstellung der Schöffenliste und die Auslosung (§ 45 Abs. 2, 3) ob. Die nach §§ 52 Abs. 1, 2, 53 erforderlichen Anordnungen und Entscheidungen trifft die im Geschäftsverteilungsplan bezeichnete Strafkammer. Daß diese Aufgaben nur einer Strafkammer zugeteilt werden könnten, will Absatz 3 Satz 2 nicht besagen (OLG Celle MDR 1972 261 = NdsRpfl. 1972 92). Wesentlich ist aber, daß im unmittelbaren Zusammenhang mit der die Streichung eines Hauptschöffen anordnenden Entscheidung die Strafkammer anzuordnen hat, welcher bisherige Hilfsschöffe an Stelle des zu Streichenden in die Hauptschöffenliste einzutragen ist; diese Aufgabe kann nicht dem LGPräsidenten übertragen oder überlassen werden; BGHSt. 10 252 ist nach der Änderung des Absatzes 3 durch das DRiG überholt (vgl. dazu v o n W i n t e r f e l d NJW 1972 1399, 1401). Der Landgerichtspräsident oder der Strafkammervorsitzende sind auch zu einstweiligen Anordnungen, daß der Schöffe bis zur Entscheidung der Strafkammer nicht heranzuziehen sei, nicht befugt (vgl. BVerwG NJW 1963 1219). Handelt es sich aber bei der der Kammer obliegenden Entscheidung weder um eine Ermessensentscheidung noch um eine Entscheidung über unbestimmte Rechtsbegriffe, sondern um eine bei eindeutig bestimmten tatsächlichen Voraussetzungen zwingend gebotene Entscheidung, so ist es unschädlich, wenn statt der Kammer der Vorsitzende die Entscheidung trifft, die auch die Kammer nicht anders hätte treffen können (BGH NJW 1967 1141, 1142). Die in §§ 47, 48, 49, 51, 54, 56 bezeichneten Aufgaben obliegen dem Strafkammervorsitzenden, d. h. dem ordentlichen Vorsitzenden, nicht etwa demjenigen, der in seiner Vertretung demnächst den Vorsitz in der betreffenden Sitzung führt (BGHSt. 3 68). Er muß diese Aufgaben persönlich wahrnehmen. So ist z. B. das Gericht unvorschriftsmäßig besetzt, wenn anstelle des Vorsitzenden der Urkundsbeamte darüber entschieden hat, ob ein zunächst zur Mitwirkung an der Sitzung berufener Hilfsschöffe als verhindert i. S. des § 54 anzusehen ist (BGH DRiZ 1967 63). Landgerichtspräsident, Strafkammer und Strafkammervorsitzender handeln, ebenso wie der Amtsrichter, zwar unter richterlicher Unabhängigkeit, aber nicht in Ausübung rechtsprechender Tätigkeit, sondern üben ,justizförmige" Verwaltungstätigkeit (vgl. Einleitung S. 65) — aber nicht etwa „ reine" Justizverwaltungstätigkeit (so BGHSt. 3 68) — aus. Daraus ergibt sich z. B., daß eine Maßnahme des Strafkammervorsitzenden nicht deshalb unwirksam ist, weil er nach § 22 StPO ausgeschlossen oder er demnächst mit Erfolg abgelehnt oder seine Selbstablehnung für begründet erklärt wird, denn dieser Ausschluß bezieht sich nur auf eine echte rechtsprechende Tätigkeit (BGHSt. 3 68). Nimmt versehentlich statt des Strafkammervorsitzenden der LGPräs. die Auslosung der Schöffen für eine außerordentliche Sitzung vor, so ist dies für den Bestand des Urteils ohne Bedeutung. Denn es handelt sich um einen formalen Akt, der nicht anders ausgefallen wäre, wenn ihn der Strafkammervorsitzende vorgenommen hätte. Für die justizförmigen Verwaltungsakte gilt in dieser Hinsicht nichts anderes als für die Akte der Rechtsprechungstätigkeit — vgl. Anm. III 5 b zu § 16 — (ebenso im Ergebnis, aber mit anderer Begr. BayObLG NJW 1961 569). 3. Zu Absatz 4. a) Die Vorschrift enthält einen allgemeinen Grundsatz, der für Schwurgerichtsschöffen noch durch § 90 ergänzt wird. Sie bezieht sich nicht nur auf Hauptschöffen, sondern auch auf Hilfsschöffen. Unter „Einberufung" ist die entsprechend § 46 ergehende Nachricht zu verstehen. Für die Hilfsschöffen vgl. noch Anm. 2 c zu § 90. Abs. 4 gilt sinngemäß auch beim Zusammentreffen von Hilfs- und Hauptschöffenamt. Der als Ergänzungsschöffe (§ 192 Abs. 3) einberufene Hilfsschöffe steht während dieses Verfahrens nicht für ein anderes Verfahren zur Verfügung, wenn er an Stelle eines dauernd verhinderten Hauptschöffen selbst Hauptschöffe wird und deshalb in der Hilfsschöffenliste zu streichen ist (BGH NJW 1973 476 = MDR 1973 331). 2797

§78 Anm. 1—3

Gerichtsverfassungsgesetz

b) Bei gleichzeitiger Einberufung eines versehentlich sowohl für das Schöffengericht wie für die Strafkammer ausgelosten Schöffen gebührt nach L G Hamburg M D R 1968 170 die Einberufung zu demjenigen Amt der Vorzug, das der Schöffe schon zuvor ausgeübt hatte; hatte der gleichzeitig Einberufene, zuvor noch keine Schöffentätigkeit ausgeübt, so wird der Einberufung zu dem höheren Gericht der Vorrang einzuräumen sein.

§78 (1) Durch Anordnung der Landesjustizverwaltung kann wegen großer Entfernung des Landgerichtssitzes bei einem Amtsgericht für den Bezirk eines oder mehrerer Amtsgerichte eine Strafkammer gebildet und ihr für diesen Bezirk die gesamte Tätigkeit der Strafkammer des Landgerichts oder ein Teil dieser Tätigkeit zugewiesen werden. (2) Die Kammer wird aus Mitgliedern des Landgerichts oder Richtern beim Amtsgericht des Bezirks besetzt, für den sie gebildet wird. Der Vorsitzende und die übrigen Mitglieder werden durch das Präsidium des Landgerichts bezeichnet. (3) Die Landesjustizverwaltung verteilt die Zahl der erforderlichen Hauptschöffen auf die zum Bezirk der Strafkammer gehörenden Amtsgerichtsbezirke. Die Hilfsschöffen wählt der Ausschuß bei dem Amtsgericht, bei dem die auswärtige Strafkammer gebildet worden ist. Die im § 77 dem Landgerichtspräsidenten zugewiesenen Geschäfte nimmt der Vorsitzende der Strafkammer wahr. Entstehungsgeschichte: Entw. § 58. Spätere Änderungen: VO vom 4. 1. 1924 § 18 Abs. 4 (RGBl. I 17). Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 309). §§ 7 Abs. 5, 11 Abs. 3 der VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20.3. 1935 (RGBl. I 403). Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 übertrug die Bestellung des Vorsitzenden und der Amtsrichter, die der Landesjustizverwaltung zustand (Absatz 2 Satz 2) dem Präsidium. Die Ersetzung von „Amtsrichtern" durch „Richtern beim Amtsgericht" in Absatz 2 Satz 1 und die Streichung der Worte „nach § 63" (hinter „werden") in Absatz 2 Satz 2 beruhen auf Art. II Nr. 6 und 15 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). Lit.: M ü l l e r , Abweichungen von der gewöhnlichen Gerichtsorganisation und ihre Auswirkungen, N J W 1963 614 (betr. die Regelung der Bildung auswärtiger Spruchkörper in den Gerichtsverfassungsvorschriften der verschiedenen Gerichtsbarkeitszweige). 1. Z u Absatz 1. Die Einsetzung von Strafkammern außerhalb des Sitzes des Landgerichts (auswärtige, früher sog. „detachierte" Strafkammern) erfolgt durch RechtsVO der Landesregierung oder der von ihr ermächtigten Landesjustizverwaltung (vgl. Anm. 1 c zu § 58). Sie entscheidet über das Bedürfnis; sie bestimmt die Sitze und die Bezirke der auswärtigen Strafkammern. Auch die Wiederaufhebung der auswärtigen Strafkammer oder eine Veränderung ihres Sitzes bedarf einer solchen RechtsVO. Wegen der Beteiligung des Richterrats vgl. Anm. 1 zu § 52 D R i G (im Anhang zu A). Errichtung und Wiederaufhebung einer auswärtigen Strafkammer verstoßen nur dann gegen das Verbot der Richterentziehung (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), wenn sie aus sachfremden Gründen erfolgen ( R i n c k N J W 1964 1650). Zu unterscheiden von der Tätigkeit einer auswärtigen Strafkammer ist der Fall, daß die Strafkammer des Landgerichts außerhalb des Gerichtssitzes tagt (vgl. Vorbem. 5 b vor § 226 StPO). 2. Der Bezirk einer auswärtigen Strafkammer muß mit dem Bezirk eines Amtsgerichts oder den Bezirken mehrerer Amtsgerichte zusammenfallen; die Teilung eines Amtsgerichtsbezirks ist nicht statthaft (h. M.; Nachweise des älteren Schrifftums in Anm. 2 der 20. Aufl., E b S c h m i d t 2; M ü l l e r - S a x 1). 3. a) Der Geschäftskreis der auswärtigen Strafkammern (die sachliche Zuständigkeit im weiteren Sinne) ist nicht gesetzlich festgelegt; vielmehr überläßt das Gesetz die Bestimmung der in Anm. 1 bezeichneten RechtsVO. Diese kann allgemeine, d. h. für alle auswärtigen Strafkammern geltende Grundsätze aufstellen, ebenso aber auch den Geschäftskreis für die einzelne Strafkammer besonders bestimmen; sie kann die getroffenen allgemeinen oder besonderen Bestimmungen ändern und den Geschäftskreis neu bestimmen.

2798

Fünfter Titel. Landgerichte (Schäfer)

§78 Anm. 4

b)Die Worte „ein Teil dieser Tätigkeit" sind nur auf die Verschiedenheit der Tätigkeiten der Strafkammer (§ 60 Anm. II) zu beziehen; die eine Tätigkeit kann den auswärtigen Strafkammern übertragen, die andere den Strafkammern der Landgerichte vorbehalten werden. Z. B. kann bestimmt werden, daß den auswärtigen Strafkammern die Tätigkeit der kleinen Strafkammer des Landgerichts als erkennenden Gerichts (also nicht die Tätigkeit der Beschlußkammer und nicht die Tätigkeit der großen Strafkammer in der ersten und in der Berufungsinstanz) zugewiesen wird. Dagegen erscheint es nach Sinn und Zweck der auswärtigen Strafkammer nicht statthaft, ihre Zuständigkeit auf generell bestimmte Delikte (z.B. auf Verkehrsdelikte) zu beschränken (a. M. F e i s e n b e r g e r 2; E b S c h m i d t 4; M ü l l e r - S a x 1). Eine Zuständigkeitskonzentration beim Stammlandgericht (z.B. nach § § 7 4 a , 74 c) führt ohne weiteres dazu, daß diese Sachen der auswärtigen Strafkammer entzogen sind (§ 2 der BremVO vom 11. 1. 1972, GBl. 1, hat gemäß § 74c Wirtschaftsstrafsachen der auswärtigen Strafkammer entzogen und der Strafkammer des LG übertragen). c) Wird einer auswärtigen Strafkammer für ihren Bezirk die gesamte Tätigkeit der Strafkammer des Landgerichts zugewiesen, so besteht zwischen beiden Strafkammern kein weiterer Unterschied als der, daß dieser die Geschäfte verbleiben, die sie an Stelle des Schwurgerichts (§ 82) wahrzunehmen hat (diese Geschäfte können übrigens auch bei einzelnen Landgerichten ganz fehlen; s. § 92 Abs. 2) (OLG Jena JW 1931 1139; a. M. OLG Bremen MDR 1965 67). Sonst ist gesetzlich keine Strafkammeraufgabe (vgl. § 60 Anm. II) von dem Geschäftskreis der auswärtigen Strafkammern ausgeschlossen, so z. B. auch nicht die Wahrnehmung der Verrichtungen des oberen Gerichts (StPO §§ 12, 13, 14, 15, 19, 27) gegenüber den Amtsgerichten und den Schöffengerichten des Strafkammerbezirks. 4. Das Verhältnis der auswärtigen Strafkammer zu dem Landgericht ist im Gesetz nicht näher geregelt. Wenn auch die auswärtigen Strafkammern im allgemeinen einen den übrigen Strafkammern gleichstehenden Spruchkörper bilden (vgl. § 60 Anm. I, IV 2), so muß doch für die örtliche Zuständigkeit eine auswärtige Strafkammer in gewissen Beziehungen als ein selbständiges, von der Strafkammer des Landgerichts verschiedenes Gericht betrachtet werden. Denn nach § 78 wird jede auswärtige Strafkammer für einen bestimmten Bezirk bestellt; sie ist für diesen Bezirk zuständig, und das Recht des Beschuldigten, vor den zuständigen Richter gestellt zu werden, muß auch im Verhältnis der beiden Strafkammern zueinander gelten (RGSt. 17 230, 48 132, 50 159; BGHSt. 18 176, 177; M ü l l e r - S a x 3; E b S c h m i d t 10; Kl 2 und überwiegend auch das ältere Schrifttum — Nachweise in Anm. 4 der 20. Aufl. —). Zuständigkeitsstreitigkeiten (§ 14 StPO) entscheidet der Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG Hamm NJW 1956 317; h. M.). Soweit nicht der auswärtigen Strafkammer die Geschäfte der Strafkammer übertragen sind, bleibt es bei der allgemeinen Regel, daß die Strafkammer des Landgerichts zu entscheiden hat (RGSt. 41 117). Aus dem Gesagten ergeben sich folgende Sätze: a) Einer auswärtigen Strafkammer dürfen ohne gesetzlichen Anlaß weder Sachen, für die sie örtlich zuständig ist, entzogen, noch Sachen, für die sie nicht zuständig ist, zugewiesen werden. b) Ob die auswärtige Strafkammer im Einzelfall an der Ausübung des Richteramts verhindert oder ob von der Verhandlung vor ihr eine Gefahrdung der öffentlichen Sicherheit zu besorgen ist (StPO § 15), hat das Oberlandesgericht zu entscheiden. Für die etwa erforderliche Übertragung einer Strafsache wird hier in der Regel die Strafkammer des Landgerichts in Betracht kommen; die Verweisung an ein anderes Gericht ist aber statthaft. Ist umgekehrt die Sache von einem Landgericht mit auswärtiger Strafkammer hinwegzuverweisen, so braucht sie nicht gerade auf die auswärtige Strafkammer übertragen zu werden, da diese nur zur Entscheidung der Sachen ihres Bezirks bestellt ist. c) Wird gegen einen oder mehrere Richter der auswärtigen Strafkammer ein Ablehnungsgesuch angebracht, so liegt Beschlußfähigkeit (StPO § 27) schon vor, wenn dort die zur Entscheidung über das Gesuch erforderliche Richterzahl nicht mehr vorhanden ist; die Entscheidung steht alsdann dem Oberlandesgericht zu (OLG Kassel GA 37 449; M ü l l e r NJW 1963 616). d) Streit besteht, ob die Revision gegen das Urteil einer auswärtigen Strafkammer nur bei dieser oder auch beim Landgericht als Stammgericht eingelegt werden kann. Die Frage 2799

§78 Anm. 5

Gerichtsverfassungsgesetz

wird — mit Recht — zunehmend im Sinn der letzteren Auffassung beantwortet (vgl. BGH NJW 1967 107*= MDR 1967 36; OLGe Naumburg H R R 1932 Nr. 1627; Düsseldorf JMB1. NRW 1954 230; Celle NdsRpf. 1964 254; BVerwG NJW 1959 2134; M ü l l e r - S a x 3; E b S c h m i d t 3 zu §341; a. M. RGSt. 1 267; F r i e d l ä n d e r GerS 64 409; M ü l l e r NJW 1963 616). Übrigens ist für den Angeklagten die Streitfrage ohne praktische Bedeutung. Denn in der Rechtsmittelbelehrung ( § 3 5 a StPO) muß genau die Stelle bezeichnet werden, bei der die Revision eingelegt werden kann, und eine nach Auffassung des Rechtsmittelgerichts falsche Belehrung führt zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44 StPO). — Von der Frage, wo das Rechtsmittel einzulegen ist, unabhängig ist die Frage, welches Gericht über dessen Zulässigkeit zu beschließen hat. e) Bei Zurückweisung einer Strafsache in die Vorinstanz ist die auswärtige Strafkammer gegenüber der Strafkammer am Sitz des LG und umgekehrt eine andere Kammer i. S. des § 354 Abs. 2 StPO (BGH MDR 1958 566). 5. Die Richter (zu Absatz 2). Die Bestellung aller Mitglieder der auswärtigen Kammer und ihrer Vertreter ist Sache des Präsidiums. Im einzelnen gilt folgendes: a) Die Zahl der Mitglieder der auswärtigen Strafkammer bestimmt die Justizverwaltung (ebenso M ü l l e r - S a x l b 1; E b S c h m i d t 5). Ihre Auswahl aus den Richtern des Landund des oder der Amtsgerichte dagegen ist Sache des Präsidiums. Die auswärtige Strafkammerwird dadurch, daß nach Maßgabe des Absatzes 2 bestimmte Richter zu ihren Mitgliedern bestellt werden, für je ein Geschäftsjahr als ständiges Gericht aufgestellt. Zu Mitgliedern können die Mitglieder des Landgerichts und die Richter der Amtsgerichte des Landgerichtsbezirks in der Weise bestellt werden, daß sie ausschließlich aus der einen oder — wegen des Vorsitzenden s. unten c) — aus der anderen der beiden Gruppen von Richtern, wie auch teils aus der einen, teils aus der anderen entnommen werden. Zu den Mitgliedern des Landgerichts gehören auch die diesem zugewiesenen Hilfsrichter; in gleicher Weise bedeutet „Richter beim Amtsgericht": jeder beim Amtsgericht verwendete Richter, auch ein Richter auf Probe (ob BGHSt. 13 262, 265 — obiter dictum — etwas anderes besagen will, erscheint zweifelhaft). Die Bestellung zum Mitglied einer auswärtigen Strafkammer bedeutet für die Richter beim Amtsgericht die Übertragung eines weiteren Richteramts i. S. des § 27 Abs. 2 DRiG ( S c h m i d t - R ä n t s c h 8 zu § 27). Sie bedarf grundsätzlich nicht der Zustimmung des Richters, außer wenn seine Belastung durch die Strafkammergeschäfte so umfangreich ist, daß er seine amtsrichterliche Tätigkeit überhaupt nicht oder nur noch in eingeschränktem Umfang ausüben kann ( S c h m i d t - R ä n t s c h 19). Die Zuweisung von Mitgliedern der Strafkammer an die auswärtige Strafkammer ist weder die Übertragung eines weiteren Amtes, noch eine Versetzung i. S. des § 30 DRiG noch eine Abordnung i. S. des § 37 DRiG, sondern lediglich eine Form der Verwendung beim Landgericht und bedarf daher ebenfalls keiner Zustimmung des Richters. Wird das Strafkammermitglied ausschließlich oder überwiegend am auswärtigen Sitz der Kammer verwendet und dadurch gezwungen, sich von seinem bisherigen Wohnsitz und seiner Familie zu trennen, so ist auch dazu bei Richtern auf Probe und kraft Auftrags ihre Zustimmung nicht erforderlich (arg. §§ 13, 16 Abs. 2 DRiG). Anders liegt es bei den auf Lebenszeit angestellten Mitgliedern des Landgerichts. Bei ihnen käme eine auswärtige Verwendung in solchem Umfang, wenn sie auch rechtlich weder eine Versetzung noch eine Abordnung darstellt, doch in ihren praktischen Auswirkungen auf eine Versetzung, mindestens auf eine auswärtige Abordnung hinaus und bedarf wie diese einer Zustimmung des Richters, wenn sie die in § 37 Abs. 3 DRiG bestimmte zeitliche Dauer übersteigt (ähnlich U l e IV zu § 3 VerGO; M ü l l e r NJW 1963 616). b) Vertreter — Da die Strafkammer ein vom Amtsgericht verschiedenes Gericht ist und die Richter beim Amtsgericht zu der Mitgliedschaft für ihre Person besonders berufen werden, so kann ein Vertreter eines Amtsrichters in dessen amtsrichterlichen Geschäften als sein Vertreter in der Strafkammer nur tätig sein, wenn er ausdrücklich gem. § 21 e GVG zum regelmäßigen Vertreter des Amtsrichters auch in der Strafkammer bestimmt worden ist. Eine nachträgliche Bestellung gemäß § 21 e Abs. 3 heilt den Mangel nicht (so schon für das frühere Recht RGSt. 22 203, 55 225). Ebenso ist, wenn ein Mitglied des Landgerichts zugleich

2800

Sechster Titel. Schwurgerichte (Schäfer)

§ 7 8 Anm. 6—8 § 7 9 Anm. 1

dort und bei der auswärtigen Strafkammer verwendet wird, sein regelmäßiger Vertreter beim Landgericht nur bei entsprechender ausdrücklicher Bestellung auch Vertreter in der auswärtigen Strafkammer. § 21 i Abs. 2 bleibt unberührt. c) Auch die Bestellung des Vorsitzenden erfolgt (ebenfalls für die Dauer des Geschäftsjahrs) durch das Präsidium. Unter der Herrschaft des § 62 a. F. (Verteilung des Vorsitzes in den Kammern durch das „Direktorium") war streitig, ob der ordentliche Vorsitzende der auswärtigen Strafkammer ein Vorsitzender Richter („Landgerichtsdirektor") sein müsse. Dies wurde ursprünglich verneint im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, die Strafkammer mit Amtsrichtern des Bezirks besetzen zu können, wie auch auf die von der Regel abweichende F o r m der Bestellung des Vorsitzenden — durch das Präsidium statt durch das „Direktorium" - (RGSt. 9 387; B G H M D R 1951 539; BGHSt. 12 104, 107). Die spätere Rechtsprechung des B G H (BGHSt. 18 176 = N J W 1963 548; BGHSt. 21 23, 24) forderte aber die Besetzung mit einem Direktor, weil der Angeklagte die gleichen Garantien haben müsse, wie wenn er vor der Strafkammer am Sitz des Landgerichts stünde; die auswärtige Strafkammer dürfe nicht eine K a m m e r minderer Art sein. Die im Schrifttum erhobenen Einwendungen (vgl. Anm. 5 c der Vorauflage) sind mit der Beseitigung des „Direktoriums" hinfallig geworden. Auch aus dem Zweck des § 78 läßt sich kein Anhaltspunkt dafür gewinnen, daß für die auswärtige Strafkammer eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 21 f Abs. 1 gelte. Für die Vertretung des Vorsitzenden gilt § 21 f Abs. 2; auch Vertreter kann entsprechend den allgemeinen Grundsätzen über die Vertretung des Vorsitzenden nur ein planstellenmäßiges Mitglied des Land- oder Amtsgerichts, nicht ein abgeordneter Richter sein (BGHSt. 1 265). 6. Wegen der Beteiligung der zu Mitgliedern der auswärtigen Strafkammer bestellten Richter beim Amtsgericht an der Wahl zum Präsidium des L G vgl. Anm. II 1 zu § 21 b. 7. Über die Wahrnehmung der Geschäfte der Staatsanwaltschaft bei den auswärtigen Strafkammern s. Anm. 1 c zu § 141. 8. Der Urkundsbeamte des Landgerichts kann den Urkundsbeamten der auswärtigen Strafkammer bei der Erteilung von Urteilsausfertigungen vertreten (RGSt. 48 132).

SECHSTER TITEL Schwurgerichte § 7 9 F ü r die Verhandlung und Entscheidung von Strafsachen treten bei den Landgerichten nach Bedarf Schwurgerichte zusammen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 4 8 . Spätere Änderungen: VO vom 4. 1. 1924; Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 309). 1. Zusammentreten nach Bedarf. Durch die VO vom 4. 1. 1924 und die darauf beruhende Bek. vom 22. 3. 1924 wurde § 79 dahin geändert, daß an die Stelle des Wortes „periodisch" die Worte „nach B e d a r f ' traten. Die Änderung hatte ihren Grund in der starken Beschränkung der Zuständigkeit der Schwurgerichte, die durch jene VO herbeigeführt wurde (und auch nach dem Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 bestehen geblieben ist) und ein periodisches Zusammentreten zu vorher festgelegten Zeiten unpraktisch macht (vgl. Anm. 1 a zu § 45). Aus demselben Grund ist in dem ganzen Abschnitt der Ausdruck „Sitzungsperiode" durch das Wort „Tagung" ersetzt worden. Nach Bedarf bedeutet: sobald ein Fall (oder eine Mehrzahl von Fällen) bereit ist, d. h. das Hauptverfahren eröffnet oder seine demnächstige Eröffnung zu erwarten ist und der alsbaldigen Durchführung des Hauptverfahrens keine Hindernisse entgegenstehen. Die Bestimmung über den Zusammentritt

2801

§ 79 Anm. 2, 3 Gerichtsverfassungsgesetz §80 des Schwurgerichts trifft nach § 87 der Landgerichtspräsident. Wenn — was die Regel bildet — nicht zu übersehen ist, wie häufig das Schwurgericht während des Geschäftsjahres zusammentreten muß, ist es nicht geraten, die Sitzungen im voraus auf bestimmte Tage festzulegen, da sonst die Gefahr der Verzögerung verhandlungsreifer Sachen besteht (BGHSt. 21 191,193). Vgl. Anm. III zu § 83. 2. Wesen des Schwurgerichts. Das Schwurgericht ist ein bei dem Landgericht bestehender Spruchkörper eigner Art neben den Strafkammern (vgl. Anm. 3 zu § 12). Von der Strafkammer unterscheidet es sich grundsätzlich dadurch, daß es kein ständiger Spruchkörper ist, sondern jeweils nur auf Anordnung des LGPräs. zusammentritt (§§ 79, 87) und daß für seine Besetzung andere Grundsätze gelten als für die der Strafkammer (§ 83). Es gibt bei dem Landgericht nur „das" (also „ein") Schwurgericht; unzulässig ist es daher, im Wege der Geschäftsverteilung durch das Präsidium mehrere selbständige Schwurgerichte mit getrennten Aufgabenbereichen nach Art mehrerer Strafkammern nebeneinander zu bilden (BGHSt. 21 191 = NJW 1967 789 = MDR 1967 415 = LM Nr. 1 m. Anm. Pelchen), während keine Bedenken bestehen, daß mehrere Tagungen des Schwurgerichts zeitlich nebeneinander stattfinden (vgl. Anm. 2 zu § 87). Es braucht nicht notwendig mit jedem Landgericht ein Schwurgericht verbunden sein (§ 92). Wegen der Abhaltung einer Schwurgerichtssitzung außerhalb des Landgerichtssitzes s. § 91. Gegenüber der Strafkammer ist das Schwurgericht ein Gericht höherer Ordnung (s. aber § 82 Abs. 2). 3. Reformbestrebungen. Der in der 6. Wahlperiode von der Bundesregierung eingebrach' te Entwurf eines l.Ges. z.Reform des Strafverfahrensrechts (BT-Drucks. VI/3478 vom 7. 6. 1972) schlägt die Umwandlung des bisherigen periodisch tagenden Schwurgerichts in einen ständig tagenden, mit 3 Berufsrichtern und 2 Schöffen besetzten Spruchkörper des LG („eine Strafkammer als Schwurgericht") vor. Hierdurch sollen die durch die bisherige Organisation gerade bei der Aburteilung der Schwerstkriminalität aufgetretenen mannigfachen Schwierigkeiten und Verzögerungen (vgl. dazu BGH NJW 1973 205) beseitigt werden. Mit der Herabsetzung der Zahl der ehrenamtlichen Richter soll das bisherige, nur historisch zu erklärende und den heutigen Vorstellungen über die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter nicht mehr entsprechende Übergewicht der ehrenamtlichen Richter beseitigt und das Stimmenverhältnis zwischen ihnen und den Berufsrichtern so geändert werden, daß für eine Verurteilung eine Ubereinstimmung von ehrenamtlichen und Berufsrichtern erforderlich ist (Begr. S. 56 ff). Der Bundesrat hat diesem Vorschlag mit der Maßgabe zugestimmt, daß die Zahl der ehrenamtlichen Richter nur von (bisher) 6 auf 4 herabgesetzt werden solle (BT-Drucks VI/3478 S. 137). Vgl. dazu K n i t t e l Mitbestimmung in der Justiz. Was soll aus dem deutschen Schwurgericht werden, Marburg 1970; P e t e r s ZStrW 84 438. Zur Frage der Umwandlung des Schwurgerichts in einen ständig tagenden Spruchkörper vgl. auch BGH NJW 1973 205, 206: „Tatsächlich werden die Schwurgerichte - jedenfalls bei den größeren Landgerichten — immer mehr zu ständigen Rechtsprechungskörpern, während sie nach ihrer rechtlichen Gestaltung als nichtständige Einrichtungen gelten. Mag das SchwurG in der noch heute geltenden Organisationsform aus historischen Gründen und wegen der früher herrschenden Lebensgewohnheiten seine Berechtigung gehabt haben, so ist unter den jetzigen Verhältnissen fraglich, ob nicht dem „ständigen Schwurgericht" der Vorzug zu geben wäre . . . " §80 Die Schwurgerichte sind zuständig für die Verbrechen der Unzucht und Notzucht mit Todesfolge (§ 178 StGB), des Mordes (§211 StGB), des Totschlags (§ 212 StGB), der Kindestötung (§217 StGB), der Aussetzung mit Todesfolge (§ 221 Abs. 3 letzter Halbsatz StGB), der Körperverletzung mit Todesfolge (§'226 StGB), der Vergiftung mit Todesfolge (§ 229 Abs. 2 letzter Halbsatz StGB), der Freiheitsberaubung mit Todesfolge (§ 239 Abs. 3 StGB), 2802

Sechster Titel. Schwurgerichte (Schäfer)

§ 80 Anm. 1. 2

des erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge (§ 239 a Abs. 2 StGB), der Geiselnahme mit Todesfolge (§ 239b Abs. 2 in Verbindung mit § 239a Abs. 2 StGB), des schweren Raubes (§ 251 StGB), des räuberischen Diebstahls und der räuberischen Erpressung (§§ 252, 255 StGB), wenn die Strafe aus § 251 StGB zu entnehmen ist, der besonders schweren Brandstiftung (§ 307 StGB), der Herbeiführung einer Explosion mit Todesfolge (§311 Abs. 1 bis 3 StGB), der Überschwemmung mit Todesfolge (§312 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB), des Anschlags auf ein Luftfahrzeug mit Todesfolge (§ 316 c Abs. 2 StGB), der Beschädigung wichtiger Bauten mit Todesfolge (§ 321 Abs. 2 letzter Halbsatz StGB), der gemeingefährlichen Vergiftung mit Todesfolge (§ 324 letzter Halbsatz StGB), der Freiheitsberaubung im Amt mit Todesfolge (§§ 341, 239 Abs. 3 StGB). Entstehungsgeschichte: Entw. § 62. Spätere Änderungen: VO vom 4. 1. 1924 § 6 (RGBl. I 17). Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 309). Die jetzige Fassung beruht auf dem Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950. Durch Art. 4 des 7. Strafrechtsänderungsges. vom 1.6. 1964 (BGBl. I 337) ist die auf § 311 StGB bezügliche Stelle geändert und sind die Schlußworte des § 80 („der Tötung durch Sprengstoffe, § 5 Abs. 2 Satz 3 Sprengstoffgesetz") gestrichen worden. Die Verbrechen nach §§ 239a Abs. 2, 239b Abs. 2, 316c Abs. 2 StGB sind durch das 11. und 12. StrÄG vom 16. 12. 1971 (BGBl. I 1977, 1979) eingefügt worden. Zuständigkeitsvorschriften außerhalb des GVG: Nach § 51 Abs. 4 des Atomges. vom 23. 12. 1959 (BGBl. I 814) sind die Schwurgerichte auch zuständig für Verbrechen nach § 40 (Herbeiführung einer Explosion durch Kernenergie) und § 41 Abs. 2 (gemeingefährlicher Mißbrauch ionisierender Strahlen) des Atomgesetzes. 1. Zuständigkeit. Nach der früheren auf der VO vom 4. 1. 1924 beruhenden Fassung war das Schwurgericht für alle Verbrechen zuständig, die nicht zur erstinstanzlichen Zuständigkeit eines anderen Gerichts gehörten. Diese negative Zuständigkeitsbestimmung hat das Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950 in Anlehnung an ähnliche, nach 1945 geschaffene Regelungen in der britischen Besatzungszone (VO vom 22. 8. 1947, VOB1. BZ S. 115) und Bayerns (VO vom 14. 7. 1948, GVB1. S. 243) durch einen festen und abschließenden Zuständigkeitskatalog ersetzt. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, daß er grundsätzlich die Straftaten umfaßt, bei denen im Falle der Vollendung durch eine vorsätzliche Handlung der Tod eines Menschen (mindestens fahrlässig, vgl. § 56 StGB) verursacht worden ist.*) Auf die Erscheinungsform des Verbrechens (Täterschaft, Versuch, Beihilfe) kommt es dabei nicht an; infolgedessen fallen auch die in § 4 9 a bezeichneten Vorbereitungshandlungen, da sie eine Erscheinungsform des Verbrechens darstellen (BGHSt. 2, 360X unter § 80 (OLG Nürnberg NJW 1950 200 = HESt. 2 226; h. M.), die Begünstigung dagegen nur im Fall des Zusammenhangs. Das Schwurgericht ist auch zuständig für Straftaten, die zur Zuständigkeit von Gerichten niederer Ordnung gehören, aber mit Schwurgerichtsdelikten zusammentreffen (BayObLGSt. 1957 109). Die Zuständigkeit des Schwurgerichts erstreckt sich nicht auf die öffentliche Aufforderung (§111 StGB) zu Tötungsverbrechen (KG JR 1971 255). Ein anderes Gericht bleibt zuständig, wenn die Hauptverhandlung vor ihm zwar den Verdacht versuchten Mordes oder Totschlags, aber unwiderlegbar strafbefreienden Rücktritt vom Versuch ergibt (OLG Cell,e NJW 1963 1886). In Berlin ist das Schwurgericht ferner zuständig bei politischer Verschleppung mit Todesfolge (§ 4 des Berliner Ges. zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 14.6. 1952, GVB1. 417). Der früheren gesetzgeberischen Übung, den Meineid den Schwurgerichten zuzuweisen, ist das Vereinheitlichungsges. nicht gefolgt. 2. § 6 EGGVG, der die (vor Inkrafttreten des GVG) bestehenden landesrechtlichen Vorschriften über die Zuständigkeit des Schwurgerichts für die durch die Presse begangenen strafbaren Handlungen bestehen ließ, ist durch Art. 1 Nr. 8 des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 aufgehoben worden. *) Körperverletzung mit Todesfolge (§ 226) liegt i. S. des § 80 auch vor, wenn bei Fremdabtreibung mit Todesfolge materiellrechtlich nur wegen Vergehens nach § 218 Abs. 2 in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung bestraft wird und § 226 zurücktritt (BGH bei D a 11 i n g e r M D R 1973 193).

2803

§ 8 0 Anm. 3 , 4 § 8 1 Anm. 1, 2

Gerichtsverfassungsgesetz

3. Beschränkt ist die Zuständigkeit des Schwurgerichts a) durch das J G G bei Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender; insoweit ist nach §§41, 108 J G G die Jugendkammer an Stelle des Schwurgerichts zuständig. Eine Strafsache gegen einen Erwachsenen, für dessen Aburteilung das Schwurgericht zuständig ist, kann nicht im Wege der Verbindung (§ 103 JGG) von der Jugendkammer abgeurteilt werden, denn das Schwurgericht ist für ihn gegenüber der Jugendkammer ein Gericht höherer Ordnung (BGHSt. 9 399; 10 74); b) durch die der Oberlandesgerichte nach § 120 GVG, wenn eine in die Zuständigkeit des OLG fallende Straftat mit einer der in § 80 aufgezählten Gesetzesverletzungen in Tateinheit begangen wurde oder im Zusammenhang steht (vgl. dazu Anm. 1 zu § 74 a und II 1 zu § 120). c) durch § 441 Abs. 1 Satz 2 StPO, wonach für die dort bezeichneten Entscheidungen, auch wenn durch Urteil entschieden wird, an die Stelle des Schwurgerichts die Strafkammer tritt. d) durch § 429 Abs. 3 StPO, wonach für das Sicherungsverfahren die Strafkammer an die Stelle des Schwurgerichts tritt; e) durch § 371 Abs. 1, 2 StPO, wenn im Wiederaufnahmeverfahren gegen ein Urteil des Schwurgerichts ohne Erneuerung der Hauptverhandlung entschieden wird (vgl. dazu BGHSt. 14 64 = NJW 1960 545); f) durch § 354 Abs. 3 StPO, wenn nach Aufhebung eines schwurgerichtiichen Urteils und Zurückverweisung für das verbleibende Delikt oder bei Teilaufhebung wegen eines Nebenpunktes für dessen Erledigung die Zuständigkeit eines Gerichts niederer Ordnung ausreicht (vgl. BGHSt. 14 64). 4. Das Schwurgericht ist immer Gericht des ersten Rechtszuges, auch wenn das Revisionsgericht das auf Berufung gegen ein schöffengerichtliches Urteil ergangene Urteil der Strafkammer aufhebt und die Sache (gemäß § 355 StPO) zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Schwurgericht zurückverweist (RG vom 1. 8. 1927 I 182/27).

§81 Das Schwurgericht besteht aus drei Richtern mit Einschluß des Vorsitzenden und sechs Schöffen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 59. Spätere Änderungen: VO vom 4. 1. 1924 (RGBl. I 16) § 12 Abs. 1. Die frühere Bezeichnung der ehrenamtlichen Richter als „Geschworene" ist durch Art. II Nr. 16 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) in „Schöffen" umgewandelt worden (vgl. § 45 a DRiG). Wo es auf die Unterscheidung dieser Schöffen gegenüber denen beim Schöffengericht und bei der Strafkammer ankommt, bezeichnet das Gesetz sie als „Schöffen beim Schwurgericht" (vgl. §§ 82, 90). 1. Die frühere Trennung des Schwurgerichts in zwei selbständige Körper mit verschiedenen Aufgaben, Rechten und Pflichten — „Gericht" und „Geschworenenbank", von denen die Geschworenenbank über die Schuld-, die Richterbank über die Straffrage entschied — wurde durch die Umwandlung des Schwurgerichts in ein großes Schöffengericht (durch die VO vom 4. 1. 1924) beseitigt. In der Nachkriegszeit griff die BayVO über die Wiedereinführung der Schwurgerichte vom 14.7. 1948 (GVB1. S. 243) auf den ursprünglichen Rechtszustand zurück. Demgegenüber hat das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 das seit 1924 bestehende Recht wieder hergestellt. Zur geschichtlichen Entwicklung des Schwurgerichts seit Inkrafttreten der StPO vgl. Einleitung S. 6, 14, 19. 2. Wegen der bei längeren Verhandlungen statthaften Zuziehung von Ergänzungsrichtern oder ErgänzungsschöfFen s. GVG § 192. 2804

Sechster Titel. Schwurgerichte (Schäfer)

§ 8 2 Anm. 1—5 §83

§82 (1)Die Richter und die Schöffen entscheiden über die Schuld- und Straffrage gemeinschaftlich; während der Hauptverhandlung üben die Schöffen beim Schwurgericht das Richteramt im gleichen Umfang wie die Schöffen beim Schöffengericht und bei der Strafkammer aus. (2) Außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden während der Tagung die richterlichen Mitglieder des Schwurgerichts; außerhalb der Tagung entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Entstehungsgeschichte: Entw. § 36. Spätere Änderungen: VO vom 4. 1. 1924 (RGBl. I 16) § 12 Abs. 2. Der durch die Beseitigung der Bezeichnung „Geschworene" bedingte Wortlaut des Absatzes 1 beruht auf Art. II Nr. 17 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). 1. Das Schwurgericht bildet während der ganzen Dauer der Tagung einen besonderen Spruchkörper, der nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der Hauptverhandlung, also in beratender Sitzung (vgl. die Anm. zu § 33 StPO) Beschlüsse fassen kann, so z. B. über Erlaß oder Aufhebung eines Haftbefehls. 2. Bei dem Schwurgericht anhängig ist eine Sache, sobald das Hauptverfahren vor dem Schwurgericht eröffnet ist (§ 203 StPO); bis zum Beginn der Tagung entscheidet an Stelle des Schwurgerichts die Strafkammer (vgl. Anm. 4). 3. Absatz 1 wiederholt für das Schwurgericht den Grundsatz des § 30 (vgl. Anm. 1 zu §81). 4. a) Nach Absatz 2 hat außerhalb der Tagung des Schwurgerichts (§ 79) an dessen Stelle die Strafkammer (vgl. § 76) die erforderlichen Entscheidungen zu erlassen. Diese ist nicht nur zuständig für Entscheidungen vor Beginn der Schwurgerichtstagung, in der die Sachen verhandelt werden sollen, sondern auch für die Entscheidungen, die zwar während einer Tagung, jedoch in Sachen zu erlassen sind, die in einer früheren Tagung abgeurteilt worden sind (vgl. z. B. StPO §§ 367ff, 462, BayObLGSt. 6 253) oder erst in einer späteren Tagung zur Aburteilung gelangen. Umfaßt der Schwurgerichtsbezirk mehrere Strafkammerbezirke (§ 92), so stehen die Entscheidungen in den bei dem Schwurgericht anhängigen Sachen (Anm. 2) der Strafkammer zu, die sich am Sitz des Schwurgerichts befindet. Bestehen am Sitz des Landgerichts mehrere Strafkammern, so ist nach § 21 e GVG zu bestimmen, welche Kammer die Geschäfte des Schwurgerichts wahrzunehmen hat. b) außerhalb der Hauptverhandlung — Vgl. § 30 und die Anm. dort. Die Vorschrift bezieht sich nicht auf Entscheidungen, die nach den allgemeinen Vorschriften der Vorsitzende allein treffen kann, z. B. auf Terminverlegungen; dazu gehören nicht Terminaufhebungen, die die Herausnahme der Sache aus der Schwurgerichtstagung bezwecken (OLG Frankfurt NJW 1964 1817). 5. Mit der Beendigung der Tagung erlischt das Schwurgericht dergestalt, daß alle seine Aufgaben auf das Landgericht übergehen; daher können nach diesem Zeitpunkt die Revision und die Revisionsanträge nicht mehr wirksam bei dem Vorsitzenden des Schwurgerichts angebracht werden (RGSt. 13 156).

§83 (1)Vor Beginn des Geschäftsjahres bestellt das Präsidium des Oberlandesgerichts für jede Tagung des Schwurgerichts aus der Zahl der Mitglieder des Oberlandesgerichts oder der in seinem Bezirk angestellten Richter einen Vorsitzenden des Schwurgerichts. (2) In gleicher Weise bestellt das Präsidium des Landgerichts für jede Tagung des Schwurgerichts aus der Zahl der Mitglieder des Landgerichts und der in seinem Bezirk angestellten Richter beim Amtsgericht einen Stellvertreter des Vorsitzenden, die übrigen richterlichen Mitglieder und ihre Stellvertreter. 2805

§83 Anm. 1 1 , 2

Gerichtsverfassungsgesetz

(3) Wird im Laufe des Geschäftsjahres eine Schwurgerichtstagung erforderlich, für die richterliche Mitglieder nicht ernannt worden sind, so können sie nachträglich ernannt werden. Ebenso können nachträglich Stellvertreter ernannt werden, wenn eine Vertretung erforderlich wird und die regelmäßigen Vertreter verhindert sind. (4) Solange noch nicht bestimmt ist, wann das Schwurgericht zusammentritt, erledigt der Vorsitzende der Strafkammer des Landgerichts die in diesem Gesetz und in der Strafprozeßordnung dem Vorsitzenden zugewiesenen Geschäfte. Das gleiche gilt, nachdem die Tagung geschlossen ist. Entstehungsgeschichte: Entw. § 64. Spätere Änderungen: VO vom 4. 1. 1924 § 13 (RGBl. I 17). § 13 Bek. vom 22. 3. 1924 RGBl. I 309). Das Vereinheitlichungsgesetz nahm nur unwesentliche stilistische Änderungen vor. Durch § 85 Nr. 9 DRiG 1961 wurden in Absatz 1 die Worte „ernennt der Oberlandesgerichtspräsident" durch „bestellt das Präsidium des Oberlandesgerichts" und in Absatz 2 die Worte „ernennt der Landgerichtspräsident" durch „bestellt das Präsidium des Landgerichts" ersetzt. Durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) wurde in Absatz 2 „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht" ersetzt. I. Bestellung des Vorsitzenden (zu Absatz 1) 1. a) Für jede Tagung des Schwurgerichts bestellt das Präsidium des Oberlandesgerichts einen besonderen Vorsitzenden. Die gleichzeitige oder (Absatz 3) wiederholte Ernennung desselben Richters zum Vorsitzenden für mehrere Tagungen, auch für das ganze Geschäftsjahr oder Teile davon (z. B. für die in die erste Jahreshälfte fallenden Tagungen) ist zulässig (RG Recht 1928 Nr. 1667; E b S c h m i d t 2; BGH NJW 1973 205, 206). Jedoch muß, wenn für alle Tagungen des Schwurgerichts ein und derselbe Vorsitzende Richter einer Strafkammer („Landgerichtsdirektor") bestellt wird, beachtet werden, daß dies nur angängig ist, wenn der Zuständigkeitsbereich seiner Strafkammer so begrenzt ist, daß er dort mit „richtunggebendem Einfluß" (Anm. I 2 zu § 21 f) seine Aufgaben als Vorsitzender neben der Tätigkeit als Schwurgerichtsvorsitzender wahrnehmen kann (BGH NJW 1973 205). Die Bestellung ist entsprechend dem Grundsatz des gesetzlichen Richters bereits vor Beginn des Geschäftsjahrs vorzunehmen. Über nachträgliche Ernennung s. b. — Die Zuständigkeit des Vorsitzenden zur Erledigung der ihm durch das GVG und die StPO übertragenen Geschäfte beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfang der Tagung festgesetzt wird (Absatz 4), also mit dem Erlaß der in § 87 bezeichneten Verfügung des Landgerichtspräsidenten. Sie endigt mit dem Zeitpunkt, in dem die Tagung geschlossen wird. Vorher und nachher ist der Vorsitzende der Strafkammer berechtigt und verpflichtet, die Geschäfte des Vorsitzenden des Schwurgerichts zu erledigen. b) Eine nachträgliche Ernennung ist zulässig a) wenn die Ernennung vor Beginn unterblieben ist; b) bei Wegfall des Ernannten während des Geschäftsjahrs (s. Anm. II 2); c) nach Absatz 3 Satz 1 (s. Anm. III 1). Nur wenn zu a) ersichtlich unsachliche Gesichtspunkte dabei obgewaltet haben, kann sie beanstandet werden (RGSt. 60 327; RG HRR 1929 Nr. 271, 1931 Nr. 1495; vgl. unten II 1). 2. a) Zu den Mitgliedern des Oberlandesgerichts gehören der OLGPräsident, die Vorsitzenden Richter am OLG - bisher „Senatspräsidenten" - (RG vom 4. 2. 1924 II 44/1924), die „Richter am OLG" (bisher „Oberlandesgerichtsräte") und die zum OLG abgeordneten Richter (§37 DRiG), soweit sie nicht zugleich „im Bezirk des OLG angestellte Richter" sind. b) Angestellte Richter im Sinn des Absatzes 1 sind nur die bei einem Gericht des OLGBezirks auf Lebenszeit ernannten Richter, nicht die Richter auf Probe oder kraft Auftrags (vgl. § 28 Abs. 2 Satz 2 DRiG; so auch schon früher RGSt. 60 259; RG HRR 1927 Nr. 200). Diese Richter können, gleichviel welchem Gericht sie angehören, bei jedem Schwurgericht des OLGBezirks zu Vorsitzenden bestellt werden. Zum Vorsitzenden des Schwurgerichts kann also auch jeder Richter beim Amtsgericht ernannt werden, der im Bezirk des OLG auf Lebenszeit angestellt ist. In § 13 der VO vom 4. 1. 1924 war das ausdrücklich hervorgehoben. Das Gesetz stellt hier also geringere Anforderungen als für den Vorsitz bei der Strafkammer (§ 21 f Abs. 1).

2806

Sechster Titel. Schwurgerichte (Schäfer)

§ 83 Anm. II 1,2 II. Vertreter des Vorsitzenden, Beisitzer und ihre Vertreter (zu Absatz 2 und Absatz 3 Satz 2) 1. a) Auch der Stellvertreter des Vorsitzenden wird für jede Tagung besonders bestellt, und zwar durch das Präsidium des Landgerichts. Auch diese Bestellung muß, entsprechend dem Grundsatz des gesetzlichen Richters, schon vor Beginn des Geschäftsjahrs erfolgen. Eine nachträgliche Ernennung ist aber unschädlich, wenn keine unsachlichen Gesichtspunkte obgewaltet haben (RG HRR 1931 Nr. 1495), insbesondere wenn das Schwurgericht anders nicht tagen könnte (BGHSt. 12 197, 207 = NJW 1959 349). Unschädlich ist also z. B. eine nachträgliche Bestellung, wenn die Bestellung vor Beginn des Geschäftsjahrs versehentlich unterblieben ist, gesetzwidrig dagegen eine Bestellung, die bis zum Beginn der ersten Tagung aufgeschoben wird, weil das Präsidium im Hinblick auf zu erwartenden häufigen Richterwechsel befürchtet, daß der im voraus bestellte Stellvertreter im gegebenen Zeitpunkt verhindert sein könnte (BGHSt. 8 240). Ist bei Eintritt des Vertretungsfalls auch der Stellververtreter des Vorsitzenden verhindert, so kann ihm ein Vertreter nachträglich bestellt werden (§ 83 Abs. 3 Satz 2). Eine solche nachträgliche Bestellung erübrigt sich, wenn von vornherein ein weiterer Vertreter des Vorsitzenden für den Fall der Verhinderung des erstbenannten bestellt ist. b) Zu der Frage, wann ein Vertretungsfall vorliegt, wie er festgestellt wird und inwieweit seine Annahme in der Revisionsinstanz nachprüfbar ist, wird auf die Ausführungen zu § 21 f verwiesen. Eine Verhinderung kann z. B. vorliegen bei anderweitiger Inanspruchnahme (RG HRR 1931 Nr. 1615, BGHSt. 18 162 = LM Nr. 6 m. Anm. G e i e r = NJW 1963 1260), bei Vorhandensein eines Ablehnungsgrundes, auch wenn noch kein Ablehnungsgesuch vorliegt (RG vom 9. 8. 1926 - II 615/26). 2. Einzelheiten über Vertretung des Vorsitzenden a) Voraussetzungen der Vertretung. Der Stellvertreter des Vorsitzenden ist nur berufen, in einzelnen Sitzungen oder in anderen einzelnen Geschäften innerhalb einer Tagung den Vorsitzenden zu vertreten; vorausgesetzt ist also, wie in den Fällen der §§ 21 e Abs. 1 Satz 1, 21 f Abs. 2 eine nur vorübergehende Verhinderung (BGHSt. 21 308, 310). Kann der zum Vorsitzenden Ernannte seine Tätigkeit überhaupt nicht antreten (z. B. weil eine schwere Erkrankung ihm voraussichtlich während der ganzen Tagungsdauer die Ausübung des Vorsitzes unmöglich macht), so daß ein Vorsitzender überhaupt nicht mehr vorhanden ist, so muß das Präsidium des Oberlandesgerichts gemäß § 83 Abs. 1 einen anderen Vorsitzenden ernennen. Für die Bestellung eines Vertreters durch das Präsidium des Landgerichts ist dann kein Raum, denn sonst träte an die Stelle der Vorsitzendenbestellung durch das Präsidium des OLG die Vorsitzendenbestellung durch das Landgerichtspräsidium (RGSt. 60 327; BGHSt. 3 186; 21 308, 311; VRS 36 113; M ü l l e r - S a x 4 b ; E b S c h m i d t 11). Dasselbe wird gelten müssen, wenn das Hindernis zwar erst im Lauf der Tagung, jedoch für ihren ganzen (mehr als eine Sitzung umfassenden) Rest eintritt und die Ernennung eines anderen Vorsitzenden noch rechtzeitig geschehen kann (vgl. E b S c h m i d t 10). In beiden Fällen hat der Stellvertreter (als solcher) den Vorsitz so lange zu führen, als die Bestellung eines neuen Vorsitzenden noch nicht stattgefunden oder dieser seine Tätigkeit noch nicht angetreten hat. Selbstverständlich kann der ursprünglich zum Stellvertreter bestimmte Richter demnächst zum Vorsitzenden ernannt werden; dann ist ein neuer Stellvertreter zu bestimmen, sofern dies mit Rücksicht auf die Dauer der Tagung erforderlich ist. b) Nur bei wirklicher Verhinderung (i. S. des § 21 f Abs. 2) hat der Stellvertreter die Geschäfte des Vorsitzenden zu übernehmen; das Gesetz gestattet dem Vorsitzenden nicht, sich beliebig vertreten zu lassen oder gar mit dem Stellvertreter im Vorsitz abzuwechseln. Wird der Vorsitzende in der Hauptverhandlung abgelehnt, so ist der Stellvertreter zu der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zuzuziehen. c) Zum Stellvertreter kann das Präsidium (Absatz 2) jedes planmäßig dort angestellte Mitglied des Landgerichts (BGHSt. 13 262, 266), auch den Landgerichtspräsidenten, und jeden bei einem Amtsgericht des LGBezirks auf Lebenszeit angestellten Richter (RGSt. 60 259; BGHSt. 13 262, 266) bestellen. Hilfsrichter sind schon nach § 28 Abs. 2 DRiG ausgeschlossen. 2807

§83 Anm. II 3

Gerichtsverfassungsgesetz

d) Sind der Vorsitzende des Schwurgerichts und sein Vertreter an der Wahrnehmung des Vorsitzes verhindert, so kann das Präsidium des Landgerichts auch für eine einzelne Sitzung einen anderen Vertreter des Vorsitzenden bestellen, und zwar von vornherein, wenn sich die künftige Verhinderung bereits übersehen läßt (RG GA 43 113; RGSt. 40 268); bei unvorhergesehener Verhinderung gilt § 83 Abs. 3 Satz 2. e) Tritt im Lauf einer Hauptverhandlung, zu der ein Ergänzungsrichter zugezogen ist (§ 192), eine Verhinderung des Vorsitzenden ein, so geht der Vorsitz auf den ältesten der mitwirkenden Richter über (vgl. Anm. II 8 zu § 192). f) Der Vertreter des Vorsitzenden muß bei Beginn des Geschäftsjahrs planmäßig angestelltes Mitglied des Landgerichts oder planmäßig angestellter Amtsrichter im Bezirk des Landgerichts sein. Er scheidet aus, wenn er im Lauf des Geschäftsjahrs an ein anderes Landgericht oder an ein Amtsgericht außerhalb des Landgerichtsbezirks versetzt wird. Schwierigkeiten ergeben sich, wenn ein solcher Fall eintritt, nachdem wegen Eintritt des Verhinderungsfalls der Stellvertreter den Vorsitz im Schwurgericht übernommen hat, wenn also z. B. im Lauf einer Hauptverhandlung, die sich über mehrere Monate erstreckt, der Richter am Landgericht („Landgerichtsrat"), der den Vorsitz führt, zum Richter an dem übergeordneten Oberlandesgericht oder zum Vorsitzenden Richter an einem anderen Landgericht ernannt wird. Wäre er nunmehr an der Weiterführung des Vorsitzes verhindert, so müßte, wenn etwa auch der hinzugezogene Ergänzungsrichter (§ 192 GVG) während der Hauptverhandlung ausgefallen ist, die ganze Hauptverhandlung wiederholt werden; ein riesiger Aufwand wäre dann nutzlos vertan. In solchen Fällen muß es als zulässig angesehen werden, daß der Vorsitzende als abgeordneter Richter ( § 3 7 DRiG) seine Tätigkeit fortsetzt. Eine gegenteilige Auffassung würde dazu führen, daß entweder die Justizverwaltung durch den Akt der Beförderung der laufenden Hauptverhandlung ein Ende bereitete, oder daß — zum persönlichen Nachteil des beteiligten Richters — der Justizverwaltung die Befugnis der Beförderung während der Hauptverhandlung abzusprechen wäre. 3. Beisitzer a) Die Bestellung der Beisitzer erfolgt ebenfalls durch das Präsidium des Landgerichts vor Beginn des Geschäftsjahrs „für jede Tagung". Unzulässig ist danach die Bestellung für jede einzelne im Geschäftsjahr anfallende Sache — „für die 1., 2. usw." — (BGHSt. 20 37 = NJW 1964 2432 = MDR 1965 62). Die Bestellung muß jeweils für die Person des Beisitzers unter dem Gesichtspunkt der individuellen Eignung erfolgen. Es genügt also nicht die Ernennung der jeweiligen Beisitzer der großen Strafkammern (RGSt. 71 204), ganz abgesehen von der unzweckmäßigen Einengung des zur Ernennung in Betracht kommenden Personenkreises. Unzweckmäßig ist es auch, bei einem größeren Landgericht für alle Tagungen dieselben Richter zu bestellen (vgl. BGHSt. 21 191, 193; NJW 1973 205). Das Gesetz schreibt nicht vor, daß für die ganze Tagung neben dem Vorsitzenden insgesamt nur zwei richterliche Mitglieder zu ernennen sind. Vielmehr steht es dem Präsidium frei, für eine längere Tagung mit einer Vielzahl von Sachen die Beisitzertätigkeit auf mehr als 2 Richter zu verteilen. Das muß aber in einer jede Ermessensfreiheit ausschließenden Weise geschehen. Es muß also schon bei der Bestellung im voraus genau die Reihenfolge bestimmt werden, in der die Beisitzer in der einzelnen Sitzung tätig werden sollen; die Bestimmung darf nicht etwa dem Ermessen des Vorsitzenden überlassen werden (BGH NJW 1958 838 = MDR 1958 442; NJW 1964 2432). Ist die Festlegung der Reihenfolge unterblieben, so kann und muß das Präsidium die fehlenden Anordnungen nachträglich treffen (BGHSt. 12 197, 206). Die Reihenfolge kann auch dahin bestimmt werden, daß die für die Tagung bestimmten mehreren Beisitzer in festbestimmter Folge miteinander abwechseln (RG H R R 1928 Nr. 575; JW 1928 1309, 1312; 1929 1058; HRR 1931 Nr. 1495; JW 1932 3091). Vgl. unten Anm. c. Indes wird ein solcher Wechsel tunlichst zu vermeiden sein, da die Gleichmäßigkeit in der Behandlung der einzelnen Sachen besser verbürgt ist, wenn das Gericht an allen Sitzungstagen der Tagung mit denselben Richtern besetzt wird. b) Auch ein Vorsitzender Richter am Landgericht kann Beisitzer im Schwurgericht sein (RGSt. 3 310). Desgleichen können die beim Landgericht tätigen Richter auf Probe und kraft Auftrags zu Beisitzern ernannt werden; § 83 verlangt hier — anders als bei den Rich-

2808

Sechster Titel. Schwurgerichte (Schäfer)

§83

Anm. III 1 tern des Amtsgerichts — nur, daß sie „Mitglieder" des Landgerichts seien (so RG in ständiger Rspr.; die abweichende Entscheidung des Feriensenats D R Z 1926 Nr. 869 = JW 1928 413 ist von keinem der ordentlichen Revisionssenate gebilligt worden; vgl. im einzelnen RGRspr. 1 807, RGSt. 60 410, 65 400, 71 405; RG DRZ 1927 Nr. 66, 166, 1080, Recht 1928 Nr. 2564 = HRR 1929 Nr. 271; HRR 1933 Nr. 1813; E b S c h m i d t 7; Kl 4; M ü l l e r - S a x 3; a. M. S e i b e r t MDR 1965 885). BGHSt. 13 262, 266 äußert - ohne die Frage zu entscheiden — Bedenken gegen diese Rechtsprechung, weil damit der gleiche Begriff „Mitglied des Landgerichts" beim Stellvertreter des Vorsitzenden (oben II 2 c) anders verstanden werde als beim Beisitzer. Indessen war eine solche Unterscheidung schon damals durch die Natur der Sache und ist heute durch § 28 Abs. 2 DRiG gerechtfertigt. Daß nicht mehr als ein Hilfsrichter (was früher als zulässig, wenn auch unerwünscht angesehen wurde) als Beisitzer bestellt werden darf, ergibt sich aus § 29 DRiG. Die beim Amtsgericht tätigen beauftragten Richter und Richter auf Probe können dagegen nicht bestellt werden („angestellte Amtsrichter") (RGSt. 60 259; RG H R R 1927 Nr. 200), ebenso nicht aus einem anderen LGBezirk zum AG abgeordnete Richter (§37 DRiG). c) Vertretung der Beisitzer. Eine Vertretung kommt auch hier nur bei einer vorübergehenden Verhinderung (oben Anm. II 2 a) in Betracht; bei einem während des Geschäftsjahres eintretenden Ausfall des Beisitzers für die ganze Dauer der Tagung muß das Präsidium des Landgerichts einen anderen Richter zum ordentlichen Mitglied des Schwurgerichts bestellen (BGHSt. 21 308, 311 = MDR 1968 63 = NJW 1967 2217 = LM Nr. 11 zu § 83 und Nr. 6 zu § 84 m. krit. Anm. H ü b n e r ) . Das Gesetz sieht die Bestellung eines regelmäßigen Vertreters vor (Absatz 2), für den, wenn auch er verhindert ist, nachträglich ein Vertreter bestellt werden muß (Absatz 3 Satz 2). Es steht aber nichts im Wege, sondern empfiehlt sich sogar, dem Beisitzer im voraus mehrere regelmäßige Vertreter in der Weise zu bestellen, daß, wenn der erstbezeichnete Vertreter ebenfalls verhindert ist, an seine Stelle der zweitbenannte tritt (BGHSt. 8 240, 242). Ob der Beisitzer oder der erstbenannte Vertreter verhindert ist, bestimmt, wenn der Verhinderungsfall nicht klar zutage liegt, sondern Gegenstand einer Ermessensentscheidung ist, nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. Anm. II 4 zu § 21 f) der Landgerichtspräsident. Die Inanspruchnahme des Präsidums wäre in aller Regel viel zu zeitraubend. Eine Verhinderung kann auch darin bestehen, daß dem Richter verschiedene dienstliche Aufgaben gleichzeitig zufallen, von denen er in der maßgeblichen Zeit nur eine wahrnehmen kann. Die Frage, welche Pflicht den Vorrang hat, ist entsprechend den Umständen des Falles nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden. Weder hat das früher anstehende Dienstgeschäft den absoluten Vorrang gegenüber dem späteren, noch die Tätigkeit beim Schwurgericht gegenüber der bei einem Gericht niederer Ordnung (etwa bei der Strafkammer). Die Ermessensausübung, bei der freilich die besondere Bedeutung der Tätigkeit im Schwurgericht abzuwägen ist (BGHSt. 8 240, 243), unterliegt einer gerichtlichen Nachprüfung (unter dem Gesichtspunkt der fehlerhaften Besetzung des Gerichts — § 338 Nr. 1 StPO — und der Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters — § 16 GVG, Art. 101 GG) nur nach der Richtung, ob Willkür obgewaltet hat (BGHSt. 18 162 = NJW 1963 1260; BGHSt. 21 174, 175). Fällt ein Beisitzer aus, so tritt ein für ihn überwiesener Hilfsrichter nicht ohne weiteres auch für den Beisitz im Schwurgericht an die Stelle des verhinderten Beisitzers. Es bedarf vielmehr einer besonderen Bestellung durch das Präsidium (RGSt. 65 399). III. Zu Absatz 3 Satz 1 1. Außerordentliche Tagung. Das Gesetz hat es vermieden, zu bestimmen, daß die Termine der einzelnen Tagungen zeitlich von vornherein festgelegt werden. Die Schwurgerichte treten vielmehr nach Bedarf zusammen; im allgemeinen wird daher der Landgerichtspräsident eine Tagung erst anberaumen (§ 87), sobald Sachen bereit sind (vgl. Anm. 1 zu § 79 und Anm. 1 zu § 87). An diesen nicht von vornherein zeitlich bestimmten Tagungen nehmen die Schwurgerichtsschöffen nach der Reihenfolge der Jahresliste teil (§ 86). Ist die Liste durchlaufen, so wird vorn neu begonnen. Die Berufsrichter werden grundsätzlich vor Beginn des Geschäftsjahres „für jede Tagung" (§ 83 Abs. 1, 2) ernannt, d. h. — da die Termine ja nicht von vornherein feststehen — „für die erste, zweite, d r i t t e . . . Tagung" (falls sie nicht einfach für das ganze Geschäftsjahr oder Teile davon bestimmt werden). Der Fall,

2809

§83 Anm. III 2; IV 1,2

Gerichtsverfassungsgesetz

daß eine „außerordentliche" Tagung nötig wird, kann (anders als beim Schöffengericht — vgl. §§ 45, 48 —) bei solcher Handhabung beim Schwurgericht kaum eintreten. Höchstens kann sich — am Schluß des Geschäftsjahrs, wenn die Zahl der Tagungen unerwartet groß gewesen ist und die richterlichen Mitglieder nicht einfach für das Geschäftsjahr oder Teile davon bestimmt sind — der Fall ergeben, daß eine Tagung nötig wird, für die keine richterlichen Mitglieder mehr bestimmt sind, weil die ganze Reihenfolge bereits durchlaufen ist. Für diesen Fall — der sich übrigens durch eine Anordnung der Präsidien vermeiden ließe, daß nach Durchlaufen der Reihenfolge diese notfalls wieder von neuem beginne — trifft Absatz 3 Vorsorge. Aber auch dann findet Absatz 3 Anwendung, wenn der Landgerichtspräsident in der Annahme, den Bedarf von vornherein übersehen zu können, ausnahmsweise den Zeitpunkt der Tagungen von vornherein festgelegt hat und sich in der Zeit zwischen zwei Tagungen das Bedürfnis für den Zusammentritt des Schwurgerichts zur Aburteilung einer verhandlungsreifen Sache ergibt, weil bis zur planmäßigen nächsten Tagung zuzuwarten untunlich wäre. Eine solche Handhabung ist zwar zulässig (RGSt. 61 423; vgl. auch RGSt. 65 435; a. M. die 19. Aufl. und E b S c h m i d t 13; S c h o r n , Laienrichter 34), aber nach Möglichkeit zu vermeiden (vgl. BGHSt. 21 191, 193, 223). Denn sie führt zu dem unerfreulichen, dem Grundgedanken des Art. 101 Abs. 1 G G zuwiderlaufenden Ergebnis (das der Gesetzgeber gerade hat vermeiden wollen), daß die Möglichkeit gegeben ist, für eine bestimmte Sache ein Schwurgericht zusammenzusetzen. Immerhin erfolgt aber die Zusammensetzung durch die Präsidien unter richterlicher Unabhängigkeit, und § 21 i Abs. 2 zeigt, daß es den gerichtsverfassungsrechtlichen Prinzipien nicht widerspricht, wenn in Notfällen der Grundsatz des gesetzlichen Richters als eines im voraus feststehenden Richters eine Abwandlung erfährt. Und schließlich sind die rechtsstaatlichen Bedenken hier nicht größer, als wenn nach Durchlaufen der ganzen Reihenfolge nur noch für eine Tagung im alten Geschäftsjahr Richter zu bestellen sind. D a ß dann eine außerordentliche Tagung unvermeidlich ist, obwohl doch auch hier eine Richterbestellung ad hoc erfolgt, wird auch von S c h o r n und E b S c h m i d t nicht in Abrede gestellt. Unanwendbar ist Absatz 3, wenn der Landgerichtspräsident (was zulässig ist) von vornherein bestimmte Termine für die voraussichtlich notwendige Anzahl von Tagungen „in Aussicht nimmt" (ohne sie bestimmt festzulegen) und das auch nach außen hin verlautbart. Erweist sich dann die vorgesehene Zahl von Tagungen als unzulänglich, so ist für die „eingeschobene" Tagung ohne weiteres die Richter- und Schöffengruppe heranzuziehen, die für die zeitlich nächste Tagung vorgesehen war. Muß eine der „in Aussicht genommenen" Tagungen wegfallen, weil keine verhandlungsreifen Sachen vorhanden sind, so fallt die für die „ausgefallene" Tagung vorgesehene Besetzung nicht einfach weg, sondern ist für die nächste Tagung heranzuziehen. 2. Die Notwendigkeit einer außerordentlichen Tagung ist nicht nachprüfbar (RGSt. 61 423), außer wenn ein zuverlässiger Anhalt dafür gegeben ist, daß das eingeschlagene Verfahren dem Grundgedanken des GVG, eine willkürliche Zusammensetzung der Richterbank zu verhindern, zuwiderläuft (vgl. oben Anm. II 1 b). IV. Zu Absatz 4 1. Zuständig ist der Vorsitzende der Strafkammer desjenigen Landgerichts, bei dem das Schwurgericht gebildet ist; vgl. § 82 Anm. 4 a. 2. Sobald dem Vorsitzenden des Schwurgerichts die Bestimmung des Termins für den Zusammentritt des Gerichts bekanntgemacht worden ist, hat er die Geschäfte zu übernehmen, die die StPO (vgl. insbes. §§ 219, 221) dem Vorsitzenden überträgt. Werden also die Schwurgerichtstagungen zu Beginn des Geschäftsjahres kalendermäßig festgelegt, so ist der für die betreffende Tagung ernannte Vorsitzende von Beginn des Geschäftsjahres an zur Erledigung der Vorsitzendengeschäfte zuständig (BGH bei H e r l a n G A 1971 34). Von demselben Zeitpunkt ab liegt in Verhinderungsfällen die Vertretung des Schwurgerichtsvorsitzenden nicht mehr dem Vorsitzenden der Strafkammer, sondern dem ernannten Stellvertreter ob (der übrigens selbstverständlich mit jenem personengleich sein kann). In dringlichen Fällen kann der Umstand, daß sich der Vorsitzende nicht am Ort des Schwurgerichts befindet, den Anlaß zur Vertretung bieten. 2810

Sechster Titel. Schwurgerichte (Schäfer)

§ 84 Anm. 1—3

§84 Für die Schöffen beim Schwurgericht gelten die Vorschriften der §§ 31 bis 57, 77 entsprechend, soweit nicht die §§ 85 bis 90 Abweichendes bestimmen. Entstehungsgeschichte: VO vom 4. 1. 1924 § 19 (RGBl. I 18). Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 309). Das Vereinheitlichungsgesetz vom 12. 9. 1950 strich den früheren Absatz 2 („Mindestens die Hälfte der zu einer Tagung heranzuziehenden Geschworenen müssen Männer sein") im Hinblick auf den Gleichberechtigungsgrundsatz (Art. 3 GG). Die Ersetzung von „Geschworenen" durch „Schöffen beim Schwurgericht" beruht auf Art. II Nr. 18 des Ges. v. 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). 1. Wahl und Auslosung. Der in § 40 bezeichnete Ausschuß wählt auch die für den Amtsgerichtsbezirk erforderlichen Hauptschöffen des Schwurgerichts aus, deren Zahl durch die Landesjustizverwaltung bestimmt wird (§ 77 Abs. 2). Die Hilfsschöffen werden nur von dem Ausschuß des Amtsgerichts gewählt, in dessen Bezirk das Schwurgericht seinen Sitz hat (vgl. RG HRR 1927 Nr. 92 a). Der Vorsitzende eines jeden Ausschusses teilt dem Landgerichtspräsidenten die Namen der gewählten Hauptschöffen — gegebenenfalls auch die der gewählten Hilfsschöffen in der vom Ausschuß festgesetzten Reihenfolge — mit. Der Landgerichtspräsident stellt die Namen der Hauptschöffen zu einer Schwurgerichtsschöffenliste zusammen; in welcher Reihenfolge und Form das geschieht, ist rechtlich belanglos. In öffentlicher Sitzung des Landgerichts (vgl. dazu § 77 Anm. 1 c) lost er alsdann die Hauptschöffen aus. Das Los zieht der Landgerichtspräsident (§ 77 Abs. 3 Satz 1). Nach dieser Auslosung bestimmt sich die Reihenfolge, in der die Schöffen zur Teilnahme an den ordentlichen Tagungen des Schwurgerichts im Laufe des Geschäftsjahres heranzuziehen sind (§ 77 Abs. 2 u. 3, § 86). Die Auslosung gilt aber nur für das Geschäftsjahr, nicht für die Wahlperiode (§ 45), muß also bei Beginn des zweiten Geschäftsjahres einer Wahlperiode wiederholt werden. Der Präsident des Landgerichts setzt die Schöffen von der Auslosung in Kenntnis (§ 86) und ordnet nach Bestimmung der Termine für jede einzelne Tagung des Schwurgerichts die Ladung der Hauptschöffen zu diesen Terminen an. Zwischen der Zustellung der Ladung und dem Beginn der Tagung soll eine Frist von zwei Wochen liegen (§ 87). Die Auslosung der Hauptschöffen für außerordentliche Tagungen (§ 83 Abs. 3, Anm. III zu § 83) obliegt dem Strafkammer- bzw. Schwurgerichtsvorsitzenden (§ 77 Abs. 3 Satz 3, § 83 Abs. 4); a. M. (Zuständigkeit des LGPräs.) M ü l l e r - S a x l c ; E b S c h m i d t 7 zu § 48). 2. Änderung der Reihenfolge. Ablehnung. Die durch die Auslosung bestimmte Reihenfolge kann auf übereinstimmenden Antrag der beteiligten Schöffen geändert werden, solange die in der Tagung zu verhandelnden Sachen noch nicht bestimmt sind (§ 47). Zuständig für die Bewilligung ist der Vorsitzende der Strafkammer oder des Schwurgerichts (§ 77 Abs. 3 Satz 3, § 83 Abs. 4); a. M. (zuständig der LGPräs.) M ü l l e r - S a x 2b; E b S c h m i d t 5 zu § 47 unter Berufung auf § 87. Die Frist des § 53 für Ablehnungsgründe gilt auch hier. Über die Ablehnungsgründe (§ 35) entscheidet das Gericht nach § 77 Abs. 3 Satz 2, ebenso darüber, ob ein Schöffe zur Dienstleistung nicht mehr heranzuziehen (§ 52 Abs. 2) oder von der Jahresliste zu streichen ist (§ 52 Abs. 1, § 77 Abs. 3, § 84). Wegen der Ersetzung eines endgültig ausgefallenen Schöffen vgl. Anm. 8b zu § 4 2 (RGSt. 65 319; RG H R R 1933 Nr. 1282; BGHSt. 6 116; 22 289, 291). 3. Die Zuziehung von Hilfsschöffen zu einzelnen Sitzungen (§ 49) hat der Vorsitzende des Schwurgerichts zu veranlassen. Der Vorsitzende der Strafkammer scheidet hier praktisch aus, da sich die Notwendigkeit der Zuziehung eines Hilfsschöffen erst ergeben kann, wenn der Tag bestimmt ist, an dem das Schwurgericht zusammentritt (§ 83 Abs. 4). Hilfsschöffen (§ 49; vgl. dazu Anm. 1 b zu § 77) werden nicht ausgelost, sondern nach der vom Amtsgericht festgestellten Reihenfolge der Liste berufen (vgl. RG HRR 1927 Nr. 92 a). Vgl. insbesondere die Anm. zu § 49. Sondervorschriften für einzelne Fälle (Vertagung einer Verhandlung oder Verzögerung ihres Beginns, Abhaltung einzelner Sitzungen an einem anderen Ort) sind in § 49 Abs. 2, § 91 Abs. 2 enthalten. Der für einen einberufenen, aber verhinderten Hauptschöffen eintretende Hilfsschöffe tritt für die ganze Dauer der Verhinderung, möglicherweise also für die ganze Tagung, an die Stelle des Verhinderten (RGSt. 62 202, 66 75; BGHSt. 21 308, 313). Ist ein Hauptschöffe nur während eines Teils der Schwurgerichts2811

§ 8 4 Anm. 4 Gerichtsverfassungsgesetz §§ 8 5 ; 8 6 Anm. 1 tagung verhindert, so darf der Hilfsschöffe nur für die Dauer seiner Verhinderung, nicht für die ganze Tagung herangezogen werden, und zwar auch nicht für andere Sitzungen derselben Schwurgerichtstagung, bei denen — wegen erneuter Verhinderung desselben oder wegen Verhinderung eines anderen Schöffen — die Zuziehung eines Hilfsschöffen von neuem erforderlich wird (RGSt. 62 202; BGH NJW 1958 557). Ist ein einberufener Hilfsschöffe an der Dienstleistung verhindert, so darf er, wenn später ein neuer Verhinderungsfall eintritt, nicht außer der Reihe nochmals zugezogen werden (RGSt. 62 424). Ein Hilfsschöffe, der für eine Sache als Ergänzungsschöffe einberufen ist, kann für einen ausfallenden Hauptschöffen eintreten, wenn die Einberufung als Ergänzungsschöffe zurückgenommen wird (RGSt. 61 307; vgl. Anm. 6 zu § 192). 4. Sonstige Vorschriften. Über den Antrag eines Schöffen, von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen entbunden zu werden (§ 54), entscheidet der Vorsitzende des Schwurgerichts. Der Vorsitzende der Strafkammer (§ 83 Abs. 4) kommt für die Bescheidung des Antrags nicht in Frage; solange nicht feststeht, an welchem Tage das Schwurgericht zusammentritt, kann auch kein Antrag auf Entbindung von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen gestellt werden (BGH NJW 1958 1983). — Die Vorschriften über Vereidigung (§ 51), über Entschädigung (§ 55) und über Ordnungsstrafen (§ 56) finden auch auf Schwurgerichtsschöffen Anwendung. Ob es zur wirksamen Beeidigung ausreicht, daß die Eidesformel von sämtlichen Schöffen gleichzeitig gesprochen wird, läßt RGSt. 72 53 ausdrücklich offen (vgl. Anm. 3 zu § 51).

§85 Die Zahl der HauptschöfFen ist so zu bestimmen, daß voraussichtlich jeder Hauptschöffe nur zu einer Tagung des Schwurgerichts im Geschäftsjahr herangezogen wird. Entstehungsgeschichte: VO vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 310). Die Ersetzung von „Hauptgeschworenein)" durch „Hauptschöffe(n)" beruht auf Art. II Nr. 9 des Ges. v. 26. 5. 1972 (BGBl. 1841). 1. Nach der ursprünglichen Fassung des GVG ( § 9 1 Abs. 2) durften Geschworene, die in einer früheren Sitzungsperiode (Tagung) desselben Geschäftsjahrs ihre Verpflichtung erfüllt hatten, für eine neue Sitzungsperiode nur ausgelost werden, wenn sie es besonders beantragten. Eine solche Beschränkung kennt § 85 nicht mehr (vgl. aber § 35 Nr. 2, § 84). Es besteht also kein Hindernis, Schöffen, die in demselben Geschäftsjahr bereits zu einer Tagung herangezogen worden sind, auch ohne ihr Einverständnis ein zweites Mal heranzuziehen, wenn eine weitere Sitzung des Schwurgerichts nötig wird, nachdem die durch Auslosung bestimmte Reihenfolge der Schöffen einmal durchlaufen ist.

§86 Die Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den Tagungen des Schwurgerichts teilnehmen, wird für das ganze Geschäftsjahr im voraus durch Auslosung bestimmt; der Präsident des Landgerichts setzt die Schöffen von der Auslosung mit dem Hinzufügen in Kenntnis, daß ihnen darüber, ob und zu welchem Tage sie einberufen werden, eine weitere Nachricht zugehen werde. Entstehungsgeschichte: VO vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 310). Die Angleichung der früheren Bezeichnungen „Hauptgeschworener", „Landgerichtspräsident" an die jetzt aus §§ 19 a, 45 a DRiG sich ergebenden Bezeichnungen beruht auf Art. II Nr. 20 des Ges. v. 26. 5. 1972 (BGBl. 1841). 1. Die Hauptschöffen werden nach der Reihenfolge der Auslosung zu den ordentlichen Tagungen einberufen, zu der ersten Tagung also in der Regel die Nummern 1—6, zu der zweiten Tagung die Nummern 7—12 usw. Ist die Reihenfolge durchlaufen, so beginnt sie von neuem. Eine neue Auslosung während des Geschäftsjahrs ist nur bei Einschiebung einer 2812

Sechster Titel. Schwurgerichte (Schäfer)

§ 8 6 Anm. 2

§ 87 Anm. 1 außerordentlichen Tagung (§ 83 Abs. 3) erforderlich (vgl. Anm. III zu § 83, Anm. 1 zu § 84). — Für das zweite Geschäftsjahr der Wahlperiode findet jedoch eine neue Auslosung statt (vgl. Anm. 3 zu § 45, Anm. 1 zu § 84). 2. Ist ein Hauptschöffe durch Krankheit oder durch ähnliche Umstände verhindert, an der Tagung teilzunehmen, so ist er nicht etwa zur nächsten Tagung einzuberufen; vielmehr geht die usprüngliche Reihenfolge der Hauptschöffen unverändert weiter (RGSt. 62 202). Nach einer Entscheidung des Feriensenats des RG (HRR 1932 Nr. 2224) soll es unschädlich sein, wenn — nachdem zu einer Tagung versehentlich nicht die zunächst an der Reihe befindlichen Schöffen, sondern Nachmänner von ihnen einberufen worden waren — bei der nächsten Tagung die versehentlich übergangenen einberufen werden. Nach E b S c h m i d t 3 müssen in einem solchen Fall in der nächsten Tagung die zu der vorangegangen Tagung versehentlich einberufenen Schöffen zwecks Wiederherstellung der rechten Reihenfolge erneut einberufen werden. Richtiger erscheint es, daß an der nächsten Tagung die Schöffen teilnehmen, die in der Reihenfolge den versehentlich zu früh einberufenen folgen (vgl. BGHSt. 9 203; Anm. 1 4 a zu §49). §87 Der Präsident des Landgerichts bestimmt, wann das Schwurgericht zusammentritt, und ordnet die Einberufung der Hauptschöffen fiir die einzelne Tagung nach der Reihenfolge ihrer Auslosung an. Zwischen der Zustellung der Ladung und dem Beginn der Tagung soll eine Frist von zwei Wochen liegen. Entstehungsgeschichte: VO vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 310). Spätere Änderungen: Das Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950 ersetzte in Satz 2 das Wort „Mitteilung" wieder durch „Zustellung" und stellte damit den Rechtszustand wieder, wie er vor der Ersetzung von „Zustellung" durch „Mitteilung" durch Art. V der VO vom 17. 6. 1933 (RGBl. I 394) bestand. Die Ersetzung von „Landgerichtspräsident" durch „Präsident des Landgerichts" und von „Hauptgeschworenen" durch „Hauptschöffen" beruht auf Art. II Nr. 21 des Ges. v. 26. 5. 1972 (BGBl. 1841). 1. Bestimmung des Zusammentritts. Terminanberaumung. Vgl. Anm. 1 zu § 79. Der Landgerichtspräsident — und nur er (nicht etwa das Präsidium, vgl. BGHSt. 21 191, 193) — bestimmt den Beginn der Tagung. Dagegen ist die Terminanberaumung Sache des Strafkammervorsitzenden (vgl. § 213 StPO, § 83 Abs. 4 GVG). Hat der LGPräs. den Zeitpunkt der Tagungen von vornherein kalendermäßig festgelegt, so muß sich der Vorsitzende bei seiner Terminbestimmung danach richten. Erfolgt jedoch die Anberaumung einer Tagung jeweils nach Bedarf, so müssen Landgerichtspräsident und Vorsitzender wegen der Koordinierung von Tagungsbeginn und Verhandlungstermin sich in Verbindung setzen. Die Tagung umfaßt dann die Durchführung der Hauptverhandlung in allen Sachen, die für die Erledigung in dieser Tagung terminiert sind. Wird während einer langdauernden Tagung in einer neuen Sache das Hauptverfahren vor dem Schwurgericht eröffnet, so wird damit die Sache beim Schwurgericht anhängig (Anm. 2 zu § 82). Damit ist aber nicht gesagt, daß der Schwurgerichtsvorsitzende (§ 83 Abs. 4) stets verpflichtet sei, die Sache so zu terminieren, daß sie noch in der laufenden Tagung verhandelt wird. Dem kann z. B. Verhandlungsunfahigkeit des Angeklagten wegen Krankheit für längere Zeit entgegenstehen. Aber auch im übrigen liegt es in seinem pflichtgemäßen Ermessen — z. B. weil die Kräfte der Mitglieder des Schwurgerichts durch die lange Dauer der Tagung erschöpft und den Anstrengungen einer neuen langdauernden Sache nicht gewachsen sind, von der Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins abzusehen und die Sache an die „Schwurgerichtsstrafkammer" (§ 82 Abs. 2 Halbsatz 2) zurückzugeben, damit sie in einer der folgenden Tagungen verhandelt wird (vgl. auch BGHSt. 24 254; RGSt. 61 423 will wohl nichts Abweichendes besagen, wenn es dort — S. 424 — auch heißt, daß für die Tagung alle später verhandlungsreif werdenden Sachen anzuberaumen seien, „solange noch die Frist des § 217 StPO eingehalten werden kann"). In die gesetzlichen Befugnisse des Vorsitzenden (§213 StPO) kann weder der Landgerichtspräsident noch das Präsidium durch eine Anordnung eingreifen, daß alle während der Tagung eröffneten Sachen noch von dem tagenden Schwurgericht zu verhan2813

§87 Anm. 2

Gerichtsverfassungsgesetz

dein seien. Es wird also, wenn die Verhandlung der eröffneten Sache während der laufenden Tagung nach pflichtmäßigem Ermessen des Vorsitzenden nicht möglich ist, der LGPräs. nach § 87 alsbald den Zusammentritt des Schwurgerichts zu einer weiteren Tagung (vgl. unten Anm. 2) anzuordnen haben, oder es muß, wenn bei kalendermäßiger Festlegung der einzelnen Tagungen im voraus zuviel Zeit bis zur Verhandlung der bereits eröffneten Sache verstreichen würde, durch Anberaumung einer außerordentlichen Tagung (§ 83 Abs. 3) für Abhilfe gesorgt werden. Zur Aufhebung einer für die Schwurgerichtstagung anberaumten Sitzung, um sie aus der Tagung herauszunehmen, ist nicht der Vorsitzende, sondern das Gericht zuständig, weil dies einer Aussetzung der Verhandlung auf unbestimmte Zeit gleichkommt (OLG Frankfurt N J W 1964 1817). 2. Mehrere gleichzeitige Tagungen a) Zulässigkeit. Das Gesetz verlangt nicht, daß die einzelnen Tagungen des Schwurgerichts zeitlich nacheinander stattfinden müssen, eine weitere Tagung also erst beginnen darf, wenn die vorangehende „geschlossen" ist (§ 83 Abs. 4 Satz 2), d. h. ihre Aufgabe erledigt hat. Zulässig ist vielmehr, daß zwei Tagungen oder mehr als zwei Tagungen gleichzeitig nebeneinander laufen (BGHSt. 21 191, 193 = N J W 1967 789; BGHSt. 21 222, 223 = NJW 1967 1141 = LM Nr. 2 zu § 79 m. Anm. P e l c h e n ; BGHSt. 24 254 = NJW 1972 499 = M D R 1972 253). Und zwar kann der LGPräs. nicht nur dann eine weitere Tagung ansetzen, wenn sich der Ablauf der zuerst angesetzten Tagung unvorhergesehenerweise länger hinzieht, als zunächst erwartet wurde, sondern auch, wenn von vornherein bei einer Schwurgerichtssache mit einer langdauernden Verhandlung zu rechnen ist, aber weitere verhandlungsbereite Sachen anfallen, deren Durchführung nicht bis zum Ende der anberaumten Tagung aufgeschoben werden kann (BGHSt. 24 254, 255). b) Die Möglichkeit, daß mehrere Tagungen zeitweise nebeneinander laufen, wirft Fragen auf, für die das Gesetz keine ausdrückliche Regelung bietet. aa) Die Entscheidung, in welcher von mehreren Tagungen eine Sache verhandelt wird, hängt davon ab, wann die Sache verhandlungsbereit ist, d. h. unter Berücksichtigung der notwendigen Verhandlungs- und Vorbereitungszeit verhandelt werden kann, und ob die Belastung der danach nächsten Tagung mit anderen Sachen die Verhandlung in ihr gestattet; die Beurteilung dieser Frage obliegt — jedenfalls zunächst — dem Vorsitzenden derjenigen ersten Tagung nach Eröffnung des Hauptverfahrens, für welche dies zutrifft oder zutreffen kann (BGHSt. 21 222, 223). Dadurch kann zwar, wenn zwei von vornherein zeitlich festgelegte Tagungen sich überschneiden oder unmittelbar oder nur mit kurzen Zeitabständen aufeinander folgen, im Einzelfall die Möglichkeit und Notwendigkeit entstehen, zu wählen, in welcher Tagung eine Sache verhandelt wird. Daraus kann aber, da das Gesetz hierfür keine andere „Geschäftsverteilung" vorsieht, ein Verstoß gegen § 338 Nr. 1 StPO und gegen Art. 101 Abs. 1 Nr. 2 G G nicht hergeleitet werden, es sei denn, daß die Zuweisung zu der einen oder anderen Tagung auf einer willkürlichen Manipulation beruht (BGHSt. 21 222, 224). ¿¿^Zeitliche Grenze der Neuanberaumung eines Hauptverhandlungstermins. Für den Fall, daß es sich nicht nur um die Fortsetzung und Beendigung einer bereits begonnenen, allenfalls im Rahmen des § 229 StPO unterbrochenen Verhandlung handelt, fragt es sich, auf welchen Zeitpunkt der Schwurgerichtsvorsitzende eine ausgesetzte (vertagte) Schwurgerichtsverhandlung neu anberaumen darf. Nach BGHSt. 24 254 = N J W 1972 499 = M D R 1972 253 = LM Nr. 12 zu § 83 m. Anm. M a r t i n darf dies, um dem Grundsatz des gesetzlichen Richters Rechnung zu tragen, der nach möglichst eindeutigen und genauen Gesichtspunkten festzulegen ist, nur auf einen Zeitpunkt innerhalb der laufenden Tagung geschehen. Und zwar bestimmt der LGPräsident, ebenso wie den Beginn (§ 87), so auch das Ende der Tagung, weil dies, wenn auch nicht ausdrücklich im Gesetz ausgesprochen, sich „aus der Natur der Sache" ergibt (S. 255). Er kann dabei das Ende der Tagung kalendermäßig festlegen; trifft er aber, weil dies im voraus nicht immer möglich ist, zur Frage des Tagungsendes keine Anordnung, so ist der Tag vor dem Anfang der nächsten Tagung der äußerste Zeitpunkt, über den hinaus kein Verhandlungstermin mehr angesetzt werden darf. 2814

Sechster Titel. Schwurgerichte (Schäfer)

§ § 8 8 ; 8 9 Anm. 1 § 9 0 Anm. 1,2 Die Sache muß, wenn diese Frist nicht eingehalten werden kann, an die Schwurgerichtsstrafkammer (§ 82 Abs. 2 Halbsatz 2) zurückgegeben und einer der nächstfolgenden Tagungen überlassen werden. c) Auch wenn die Tagungen vor Beginn des Geschäftsjahres kalendermäßig festgelegt sind, ist es zulässig, eine außerordentliche Tagung anzuberaumen, die gleichzeitig neben einer ordentlichen Tagung läuft (vgl. dazu RGSt. 61 423; 65 435). §88 (aufgehoben durch § 85 Nr. 10 DRiG 1961) §89 Erstreckt sich eine Tagung des Schwurgerichts über den Endtermin des Geschäftsjahres hinaus, so bleiben die Schöffen, die dazu einberufen sind, bis zum Schluß der Tagung zur Mitwirkung verpflichtet. Entstehungsgeschichte: VO v. 22. 3. 1924 (RGBl. I 310). Die Ersetzung von „Geschworenen" durch „Schöffen" beruht auf Art. II Nr. 21 des Ges. v. 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). 1. Vgl. Anm. 2 zu § 50. Aus dem Grundsatz des § 83, wonach die Schwurgerichte im voraus für die Dauer des Geschäftsjahres besetzt werden, folgt an sich nicht die Pflicht, Hauptverhandlungen so anzuberaumen, daß sie möglichst innerhalb des Geschäftsjahres zu Ende geführt werden können. Eine vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO) durch Richterentziehung liegt aber nach BGHSt. 19 382 = NJW 1964 1866 = MDR 1964 938 = LM Nr. 1 m. Anm. H e n g s b e r g e r ) vor, wenn unter formaler Ausnutzung des § 89 ohne Not die Hauptverhandlung auf einen der letzten Tage des zu Ende gehenden Geschäftsjahres anberaumt wird, um an diesem Tag die Angeklagten nur kurze Zeit zur Person zu vernehmen, während die Hauptverhandlung im übrigen im neuen Geschäftsjahr stattfinden soll. §90 (1) Niemand soll für dasselbe Geschäftsjahr zum HauptschöfTen oder Hilfsschöffen beim Schwurgericht und beim Schöffengericht oder bei der Strafkammer bestimmt werden. (2) Ist dies dennoch geschehen, oder ist jemand für dasselbe Geschäftsjahr in mehreren Bezirken zu diesen Ämtern bestimmt worden, so hat der Einberufene das Amt zu übernehmen, zu dem er zuerst einberufen wird. Entstehungsgeschichte: Entw. § 78. Die in der VO v. 14. 6. 1932 (RGBl. I 285) erster Teil Kapitel I Art. 8 erfolgte Ersetzung der Worte „dasselbe Geschäftsjahr" durch „dieselbe Wahlperiode (§ 42)" ist durch das Vereinheitlichungsges. v. 12. 9. 1950 wieder rückgängig gemacht worden. Der jetzige Wortlaut des Absatzes 1 beruht auf Art. II Nr. 23 des Ges. v. 26. 5. 1972, BGBl. I 841 (bisher: „ . . . Geschäftsjahr als Geschworener und als Schöffe bestimmt werden"). 1. Zu Absatz 1. Die Bestimmung ergänzt die §§ 33, 34. Es wird hier — „soll" — kein bloßes Ablehnungsrecht (§ 35) gewährt; vielmehr hat der Ausschuß (§§ 42, 84) die Bestimmung stets von Amts wegen zu beachten. Vgl. auch § 77 Abs. 4. 2. Zu Absatz 2. a) Absatz 2 umfaßt zwei verschiedene Fälle. Der erste Fall ist, daß jemand für dasselbe Geschäftsjahr zu beiden Amtern (Schöffengerichts- bzw. Strafkammerschöffe einerseits, Schwurgerichtsschöffe andererseits) berufen wird; in diesem Fall ist nach Absatz 1 gleichgültig, ob die Berufung in verschiedenen Gerichtsbezirken oder in demselben Gerichtsbezirk ausgesprochen ist. Der andere Fall ist der, daß jemand in verschiedenen Bezirken zum Schwurgerichtsschöffen berufen wird; dieser Fall ist denkbar, wenn jemand einen doppelten Wohnsitz hat (Begr. 57). 2815

§91 Anm. 1

Gerichtsverfassungsgesetz

b) Es macht keinen Unterschied, ob die erste Einberufung für das Haupt- oder für das Hilfsschöffenamt und ob sie zum Schöffengericht, zur Strafkammer oder zum Schwurgericht geschieht; jede Berufung zu irgendeinem Schöffenamt begründet für spätere Einberufungen zu demselben oder zu einem anderen dieser Ämter die fraglichen Folgen. c) Zuerst einberufen. Nach Absatz 2 ist nicht die frühere Bestimmung (Absatz 1), sondern die frühere Einberufung maßgebend. Bei den Hauptschöffen von Schöffengericht oder Strafkammer stellt die für das ganze Geschäftsjahr im voraus zu bewirkende Benachrichtigung (§ 46 Abs. 1) die Einberufung i. S. des § 90 dar. Dasselbe muß bei den Hilfsschöffen gelten, die an die Stelle eines wegfallenden Hauptschöffen für dessen ganzen Dienst treten (vgl. § 42 Anm. 8, § 46 Anm. 1, 3); im übrigen aber ist bei den Hilfsschöffen Einberufung nur die Ladung zu einer bestimmten Sitzung, nicht die allgemeine Benachrichtigung von der Wahl zum Hilfsschöffen, aus der allein noch nicht notwendig folgt, daß der Gewählte zur Ausübung des Schöffenamtes auch wirklich herangezogen wird (vgl. § 46 Abs. 2 und Anm. 3 dazu). Bei den Schwurgerichtshauptschöffen ist die in § 86 vorgeschriebene Mitteilung des Landgerichtspräsidenten von der Auslosung entscheidend. Bei den Hilfsschöffen des Schwurgerichts ist Einberufung die Ladung zu einer bestimmten Tagung oder einem Teil davon; wegen der allgemeinen Benachrichtigung der Hilfsschöffen des Schwurgerichts gilt das, was vorstehend für die Hilfsschöffen von Schöffengericht und Strafkammer gesagt ist. — Die Einberufung ist erst mit Zugang der Benachrichtigung oder Ladung bewirkt; es ist also der Tag der Mitteilung oder Zustellung, nicht der der Verfügung maßgebend. Wegen des Falles gleichzeitiger Einberufung vgl. Anm. 3 b zu § 77.

§91 (1)Die Strafkammer des Landgerichts kann bestimmen, daß einzelne Sitzungen des Schwurgerichts nicht am Sitz des Landgerichts, sondern an einem anderen Ort innerhalb des Schwurgerichtsbezirks abzuhalten seien. (2) Wird in einem solchen Fall die Zuziehung anderer als der zunächst berufenen Schöffen erforderlich, so werden die Hilfsschöffen des für den Sitzungsort zuständigen Schöffengerichts nach Maßgabe des § 49 herangezogen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 79. Bek. v. 22. 3. 1924 (RGBl. I. 310). Durch Art. II Nr. 24 des Ges. v. 26. 5. 1972 ist in Absatz 2 „Geschworenen" durch „Schöffen" ersetzt. 1. Zu Absatz 1. a) Die Begründung (57) bemerkt: „Die Bestimmung beruht auf geschäftlichen Rücksichten. Sie wird namentlich dann von praktischem Werte sein, wenn besonderer Verhältnisse wegen die Abhaltung der Sitzung an dem Sitze des Landgerichts mit unverhältnismäßigen Kosten oder sonstigen Unzuträglichkeiten verknüpft sein würde, z. B. wenn eine große Anzahl von Zeugen zu laden ist, die größtenteils an demselben vom Landgerichte weit entfernten Orte wohnen, wenn wegen Ausbruchs einer Epidemie am Orte des Landgerichts die Abhaltung von Schwurgerichtssitzungen an diesem Orte vermieden werden muß oder wenn zur Verhandlung eines in einer Gefangenenanstalt verübten Verbrechens Gefangene, als Angeklagte oder Zeugen, zu laden sind, deren Transport nach dem Orte des Schwurgerichts schwierig und gefahrlich wäre. In solchen Fällen kann es den Umständen nach angemessen sein, die Sitzungen an dem geeigneten anderen Orte abzuhalten." — Der hier vorgesehene Fall ist nicht zu verwechseln mit dem des § 15 StPO (vgl. dazu BGHSt. 22 250 = N J W 1969 105); die Sache geht nicht auf ein anderes Gericht über, sondern das Gericht tritt an einem anderen Ort seines Bezirkes zusammen. b) Die Bedeutung des Absatzes 1 liegt nicht darin, daß damit die Abhaltung von Sitzungen außerhalb des Gerichtssitzes zugelassen würde. Daß das Gericht dazu die Befugnis hat, ist selbstverständlich; es hätte dazu keinerlei besonderer Vorschriften bedurft. Dieses Recht ist nicht einmal auf den Gerichtsbezirk (und nicht einmal auf das Land, dem das Gericht angehört) beschränkt; vielmehr kann jedes deutsche Gericht unter den Voraussetzungen des § 166 G V G Hauptverhandlungen außerhalb seines Bezirkes im gesamten Geltungsgebiet

2816

Sechster Titel. Schwurgerichte (Schäfer)

§ 9 1 Anm. 2—4 § 9 2 Anm. 1 , 2

des GVG abhalten (vgl. BGHSt. 22 250; Anm. 1 a zu § 213 StPO; K. S c h ä f e r JR 1927 554; 1929 243; h. M.) Selbstverständlich kann ebenso wie die ganze auch ein Teil der Hauptverhandlung außerhalb des Gerichtssitzes stattfinden (RGSt. 11 352, 22 396, 39 348; RG v. 5. 5. 1930 III 930/29, R G JW 1895 121). Vgl. Anm. 1 zu § 166. Die Bedeutung des § 91 Abs. 1 besteht hiernach lediglich darin, daß die Strafkammer die Anordnung (und die erforderlichen Vorbereitungen) trifft, nicht etwa nach § 83 Abs. 4 der Vorsitzende der Strafkammer oder nach Bestimmung des Tagungstermins der Vorsitzende des Schwurgerichts (BGHSt. 22 250, 254). Selbstverständlich steht dem Schwurgericht selbst während der Tagung gemäß § 82 Abs. 2 das Recht zu, selbständig — auch im Gegensatz zu der Stellungnahme der Strafkammer — über die Frage zu befinden. 2. Obwohl das Gesetz nur von „einzelnen Sitzungen" spricht, kann die Anordnung doch für alle Sitzungen einer Tagung getroffen werden. Das ergibt sich schon aus dem von der Begr. (Anm. 1) angeführten Beispiel des Ausbruchs einer Epidemie. 3. Zu Absatz 2. a) Absatz 2 ermöglicht, Hilfsschöffen möglichst ohne Zeitverlust heranzuziehen. b) Mit den zunächst berufenen Schöffen sind die Haupt- und Hilfsschöffen beim Schwurgericht gemeint. Erst wenn ein wegfallender Schwurgerichts- Haupt- oder Hilfsschöffe aus dem Kreis der zunächst berufenen Schwurgerichts-Hilfsschöffen nicht ohne Verzögerung ersetzt werden kann und damit die Berufung anderer Personen zu Schöffen beim Schwurgericht erforderlich wird, soll auf die Schöffengerichts-Hilfsschöffen zurückgegriffen werden (RGSt. 60 415). 4. Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, daß die Strafkammer von § 91 einen unzweckmäßigen Gebrauch gemacht habe (RGSt. 51 122). §92 (1) Die Landesjustizverwaltung kann bestimmen, daß die Bezirke mehrerer Landgerichte zu einem Schwurgerichtsbezirk zusammengelegt und die Sitzungen des Schwurgerichts bei einem der Landgerichte abgehalten werden. (2) In diesem Falle haben das Landgericht, bei dem die Sitzungen des Schwurgerichts abgehalten werden, und dessen Präsident die ihnen in den § § 8 2 bis 91 zugewiesenen Geschäfte für den Umfang des Schwurgerichtsbezirkes wahrzunehmen. (3) Die Mitglieder des Schwurgerichts mit Einschluß des Stellvertreters des Vorsitzenden können aus der Zahl der im Bezirk des Schwurgerichts angestellten Richter bestimmt werden. (4) Die Zahl der erforderlichen Hauptschöffen wird auf sämtliche Amtsgerichte des Schwurgerichtsbezirks verteilt. Entstehungsgeschichte: Entw. § 89. Spätere Änderungen: § 2 Nr. 3 der VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403). Die heutige Fassung beruht auf der Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 310), die das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 nur stilistisch geändert hat. Die Ersetzung von „Hauptgeschworenen" durch „Hauptschöffen" (Abs. 4) beruht auf Art. II Nr. 25 des Ges. v. 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). 1. Zu Absatz 1. „Landesjustizverwaltung": s. Anm. 1 c zu § 58. Die in Anm. 2a zu § 58 erörterte Frage, ob Gerichte verschiedener Oberbezirke (hier Landgerichte verschiedener Oberlandesgerichtsbezirke) vereinigt werden können, ist hier zu verneinen (vgl. K. S c h ä f e r JR 1932 195; M ü l l e r - S a x 1; E b S c h m i d t 7; a. M. S c h o r n , Laienrichter 41). Bejaht man sie, so ist die Ernennung des Vorsitzenden (§ 83 Abs. 1) — entsprechend der Regelung in § 92 Abs. 2 — Sache desjenigen Oberlandesgerichtspräsidiums, in dessen Bezirk das Landgericht liegt, bei dem die Sitzungen des Schwurgerichts abgehalten werden. 2. „bei einem der Landgerichte". Das gemeinsame Schwurgericht muß mit einem der Landgerichte dauernd verbunden sein; ein Wechsel unter den mehreren Landgerichten in der Art, daß die Sitzungen des Schwurgerichts bald bei dem einen, bald bei dem anderen abzuhalten wären, ist nicht zugelassen. Vgl. aber § 91 Abs. 1. 2817

§ 9 2 Anm. 3—5

Gerichtsverfassungsgesetz

§§ 93 bis 114 3. Zu Absatz 2. Absatz 2 besagt, daß die Strafkammer, an deren Sitz das gemeinsame Schwurgericht errichtet ist, für dessen ganzen Bezirk und unter Ausschluß aller anderen Landgerichte des gemeinsamen Bezirks die Aufgaben wahrnimmt, die einem Landgericht mit bezug auf die Tätigkeit des Schwurgerichts zufallen. Der Begriff „Landgericht" umfaßt hier auch das Präsidium des Landgerichts, dem die in § 83 Abs. 2, 3 bezeichneten Bestellungen obliegen. Ein Landgericht, mit dem das Schwurgericht nicht verbunden ist, hat nicht an Stelle des Schwurgerichts (§§ 82, 91) Entscheidungen in schwurgerichtlichen Strafsachen zu erlassen. Das gilt entsprechend auch von den Geschäften, die dem Vorsitzenden der Strafkammer (§ 83 Abs. 4) obliegen. 4. Über die Zuständigkeit des Landgerichts, mit dem das Schwurgericht verbunden ist, vgl. § 82 Anm. 4, und über den Zeitpunkt, von dem ab die einzelnen Sachen als bei dem Schwurgericht anhängig anzusehen sind, Anm. 2 das. 5. Zu Absatz 3. Besetzung. Den Vorsitzenden bestellt das Präsidium des OLG nach § 83 Abs. 1. Den Vertreter, die Beisitzer und deren Vertreter bestellt das Präsidium des LG, bei dem das gemeinsame Schwurgericht errichtet ist. Es kann auch Richter ernennen, die einem der anderen Landgerichtsbezirke angehören. Wesentlich ist nur, daß sie im Bezirk des Schwurgerichts angestellt sind. Was hier „angestellt" bedeutet, kann zweifelhaft sein. Man wird annehmen müssen, daß das Präsidium die bei dem eigenen Landgericht tätigen Richter auf Probe und kraft Auftrags zu Beisitzern und deren Vertretern in dem gleichen Umfang bestellen kann, wie dies auch sonst dem Präsidium eines mit einem Schwurgericht verbundenen Landgericht zusteht (vgl. Anm. II 3 b zu § 83). Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum das Gesetz beim gemeinsamen Schwurgericht die Anforderungen an die Beisitzer und ihre Vertreter verschärft haben sollte (a. M. M ü l l e r - S a x 2; E b S c h m i d t 2, wonach stets nur auf Lebenszeit ernannte Richter Mitglieder eines gemeinsamen Schwurgerichts sein können; offen gelassen in RGSt. 60 415). Dagegen müssen die von anderen Gerichten entnommenen Mitglieder — nicht anders als die Richter beim Amtsgericht im Fall des § 83 Abs. 2 (vgl. Anm. II 3 b zu § 83) — auf Lebenszeit bei einem Gericht im Bezirk des gemeinsamen Schwurgerichts ernannte Richter sein. Mitglieder des Oberlandesgerichts, das seinen Sitz im Bezirk des gemeinsamen Schwurgerichts hat, kann das Landgerichtspräsidium (trotz der weitergehenden Fassung: ,4m Bezirk des Schwurgerichts") nicht zu Beisitzern und Stellvertretern des Vorsitzenden oder von Beisitzern bestellen. Denn daran, daß diese nur dem Oberlandesgerichtspräsidium als Vorsitzende des Schwurgerichts zur Verfügung stehen, wollte § 92 Abs. 3 nach Sinn und Zweck nichts ändern. Die Befugnis des Landgerichtspräsidiums, Richter aus anderen Landgerichtsbezirken heranzuziehen, beruht unmittelbar auf dem Gesetz. Eine besondere Ermächtigung durch die Landesjustizverwaltung ist nicht erforderlich. Selbstverständlich schließt dies aber nicht aus, daß sich das Präsidium vorher mit den anderen Landgerichten in Verbindung setzt, von ihnen Vorschläge über geeignete Richter erbittet usw.

SIEBENTER TITEL Kammern für Handelssachen § § 9 3 bis 114 (hier nicht abgedruckt)

ACHTER TITEL Oberlandesgerichte 1. Zur Zeit bestehen im Bundesgebiet (einschl. Berlin) 19 Oberlandesgerichte, und zwar das Kammergericht in Berlin und die Oberlandesgerichte zu Bamberg, Braunschweig, Bre2818

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 115Anm. 1 § 1 1 6 Anm. 1

men, Celle, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hamm, Karlsruhe, Koblenz, Köln, München, Nürnberg, Oldenburg, Saarbrücken, Schleswig, Stuttgart, Zweibrücken. 2. Über die Zuständigkeitskonzentration in Strafsachen bei einem von mehreren örtlich zuständigen Oberlandesgerichten eines Landes oder dem BayObLG vgl. § 9 EGGVG. 3. Wegen der Errichtung und Aufhebung von Oberlandesgerichten, der Verlegung des Gerichtssitzes und der Änderung der Bezirksgrenzen gilt das in Anm. IV zu § 59 Gesagte auch für die Oberlandesgerichte. Der Gesetzgebung der beteiligten Länder steht es frei, gemeinschaftliche Oberlandesgerichte zu errichten oder die Bezirksgrenzen eines Oberlandesgerichts über die Landesgrenzen hinaus auszudehnen (vgl. M ü l l e r NJW 1963 616).

§ 115 Die Oberlandesgerichte werden mit einem Präsidenten sowie mit Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern besetzt. Entstehungsgeschichte: § 115 hat seine Fassung durch Art. II Nr. 34 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) erhalten (bisher: „Die Oberlandesgerichte werden mit einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von Senatspräsidenten und Räten besetzt"). 1. Das OLG ist besetzt mit dem Präsidenten, den „Vorsitzenden Richtern am OLG" (§ 19 a DRiG, bisher „Senatspräsidenten"), die den ordentlichen Vorsitz im Senat führen (§ 21 f Abs. 1), sowie mit weiteren Richtern. Diese weiteren Richter sind die auf Lebenszeit bei dem OLG angestellten Richter (§ 27 Abs. 1 DRiG), die „Richter am Oberlandesgericht" (§ 19 a DRiG, bisher „Oberlandesgerichtsräte") sowie „Hilfsrichter". Als solche kommen aber nur auf Lebenszeit bei einem Amts- oder Landgericht oder dem Gericht eines anderen Gerichtsbarkeitszweiges (BGH NJW 1960 676 = MDR 1960 307) angestellte Richter in Betracht, die zum OLG abgeordnet sind (§37 DRiG); die Verwendung von Richtern auf Probe und kraft Auftrags ist ausgeschlossen, da es an einer den §§ 22 Abs. 5, 59 Abs. 3 entsprechenden Vorschrift fehlt. Bei einer Entscheidung kann nach § 29 DRiG nur ein abgeordneter Richter mitwirken. Darüber hinaus gelten wegen des Umfangs der Verwendung von Hilfsrichtern am OLG sinngemäß die Ausführungen in Anm. H I zu § 59 und ergänzend die Anm. zu § 117. Zur Erledigung von Justizverwaltungsaufgaben können auch Richter auf Probe und kraft Auftrags zum OLG einberufen werden.

§ 116 (1)Bei den Oberlandesgerichten werden Zivil- und Strafsenate gebildet. Bei den nach § 120 zuständigen Oberlandesgerichten werden Untersuchungsrichter und Ermittlungsrichter bestellt; zum Untersuchungsrichter oder zu dessen Vertreter für einen Teil seiner Geschäfte sowie zum Ermittlungsrichter kann auch jedes Mitglied eines anderen Oberlandesgerichts, das in dem in § 120 bezeichneten Gebiet seinen Sitz hat, bestellt werden. (2) Durch Anordnung der Landesjustizverwaltung können außerhalb des Sitzes des Oberlandesgerichts für den Bezirk eines oder mehrerer Landgerichte Zivil- oder Strafsenate gebildet und ihnen für diesen Bezirk die gesamte Tätigkeit des Zivil- oder Strafsenats des Oberlandesgerichts oder ein Teil dieser Tätigkeit zugewiesen werden. Entstehungsgeschichte: Entw. § 94. Durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 wurde Absatz 2, durch Art. II Nr. 35 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) der Satz 2 des Absatzes 1 eingefügt. 1. Die Bestimmung der Zahl der Senate. (Absatz 1 Satz 1) ist — in gleicher Weise wie bei den Spruchkörpern der übrigen Kollegialgerichte — Sache der Justizverwaltung (vgl. § 130 Abs. 1). In § 8 Abs. 2 GVGVO vom 20. 3. 1935 (im Anhang unter B) ist diese Aufgabe den OLGPräsidenten übertragen; diese Vorschrift gilt nur, soweit sie nicht durch inhaltlich gleiche oder abweichende landesrechtliche Vorschriften ersetzt ist. Nach § 3 Saarl. AGGVG vom 4. 10. 1972 (ABl. 601) trifft der OLGPräs. die Bestimmung nach Anhörung des Präsidiums. Die Bildung von Feriensenaten ist Sache des Präsidiums (vgl. Anm. III 3 zu § 60). 2819

§ 116

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 2—5 2. Untersuchungsrichter a) Der neu eingefügte Satz 2 des Absatzes 1 enthält — z. T. mit Änderungen — die Bestimmungen, die bisher in den (jetzt aufgehobenen) §§186 und 168a Abs. 2, 3 StPO enthalten waren, die ihrerseits auf dem Gesetz zur allgemeinen Einführung eines 2. Rechtszuges in Staatsschutzstrafsachen vom 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582) beruhten. Das Gesetzt geht offenbar davon aus, daß bei jedem der in Betracht kommenden Oberlandesgerichte (nur) ein Untersuchungsrichter von dem Präsidium dieses Gerichts (§ 21 e Abs. 1) bestellt wird. b) Zum Untersuchungsrichter kann jedes Mitglied des nach § 120 zuständigen OLG wie auch jedes Mitglied eines anderen OLG mit Sitz im Gebiet des betreffenden Landes bestellt werden. „Mitglied des OLG" sind nicht nur die Richter, denen ein Richteramt auf Lebenszeit bei dem OLG übertragen ist (§ 27 Abs. 1 DRiG), sondern auch die bei anderen Gerichten (AG, LG) auf Lebenszeit angestellten Richter, die nach § 37 DRiG zum OLG abgeordnet sind; darüber bestand im Entstehungsstadium des § 168 a Abs. 2 a. F., der jetzt in § 116 Abs. 1 Satz 2 aufgegangen ist, Einverständnis (vgl. BT-Drucks. V/4086 S. 9 — Begr. des Entw. —). Das Präsidium bestellt auch den Vertreter eines Untersuchungsrichters für den Fall seiner (vollständigen) vorübergehenden Verhinderung. Es kann aber auch von vornherein einen Vertreter des Untersuchungsrichters „fiir einen Teil seiner Geschäfte" bestellen. Diese Besonderheit beruht auf der Erwägung, daß im Rahmen der in die erstinstanzliche Zuständigkeit des OLG fallenden Sachen die Untersuchung sich über einen so weiten Raum erstrecken kann, daß die gleichzeitige Tätigkeit mehrerer Richter notwendig wird. Die Abgrenzung zwischen dem Aufgabenbereich des Untersuchungsrichters und dem seines Teilvertreters muß nach allgemeinen abstrakten Merkmalen erfolgen. 3. Das Präsidium des in § 120 bezeichneten OLG bestellt in gleicher-Weise auch den Ermittlungsrichter des OLG (§ 21 e Abs. 1) für die richterliche Tätigkeit im Ermittlungsverfahren, wenn nicht mehr der GBA, sondern die Landesstaatsanwaltschaft die Ermittlungen führt (§ 168a Abs. 1 StPO, §§ 120 Abs. 6, 142a GVG). Das Präsidium des OLG bestimmt auch, wenn mehrere Ermittlungsrichter erforderlich sind, deren Zahl und verteilt die Geschäfte unter sie. Daß die Zahl der Ermittlungsrichter des BGH, die zuständig sind, wenn der GBA die Ermittlungen führt (§ 168 a Abs. 1 Satz 2 StPO, § 142 a GVG), nach § 130 Abs. 1 Satz 2 durch den Bundesjustizminister bestimmt wird, rechtfertigt nicht den Schluß, daß die Zahl der Ermittlungsrichter des OLG durch die Landesjustizverwaltung bestimmt wird. Denn § 130 Abs. 1 Satz 2 trägt dem besonderen Umstand Rechnung, daß zu Ermittlungsrichtern des BGH, der selbst keine erstinstanzliche Zuständigkeit in Staatsschutzstrafsachen mehr besitzt, nur „Richter am Bundesgerichtshof' (§ 19 a DRiG, früher „Bundesrichter") bestellt werden können und die Zahl der Ermittlungsrichter des BGH Auswirkungen hat auf den (nicht beliebig vermehrbaren) Umfang des Personalbedarfs beim BGH zur Bewältigung der ihm als Rechtsmittelgericht obliegenden Aufgaben. Diese Schwierigkeiten bestehen bei dem erstinstanzlich zuständigen OLG nicht, da ihm als Ermittlungsrichter nicht nur die Mitglieder der übrigen Oberlandesgerichte des Landes zu Verfügung stehen, sondern als Mitglied eines OLG auch die zu einem OLG abgeordneten Richter ( § 3 7 DRiG) in Betracht kommen, während es beim BGH keine „Hilfsrichter" gibt. Das OLGPräsidium bestellt auch den (oder die) Vertreter des Ermittlungsrichters (§ 21 e Abs. 1). Die Bestellung eines Vertreters des Ermittlungsrichters „für einen Teil der Geschäfte" ist, anders als beim Untersuchungsrichter, nicht vorgesehen. Wegen des räumlichen Tätigkeitsbereiches des Ermittlungsrichters des OLG vgl. § 168 a Abs. 2 StPO, § 166 Abs. 2 GVG. 4. Es ist rechtlich nicht unzulässig, den Untersuchungsrichter des OLG zugleich zum Ermittlungsrichter zu bestellen (Begr. des Entw. eines Ges. zur Einführung eines 2. Rechtszuges in Staatsschutzstrafsachen betr. § 186 a. F. StPO, BT-Drucks. V/4086 S. 10). 5. Zu Absatz 2. Diese Vorschrift ist dem § 78 Abs. 1 GVG nachgebildet; das dort in Anm. 1-4 Ausgeführte gilt hier sinngemäß (vgl. auch § 130 Abs. 2). Die Tätigkeit in Staatsschutzstrafsachen nach § 120 kann einem auswärtigen Strafsenat aber nicht zugewiesen werden; das widerspricht dem Grundgedanken der Zuständigkeitskonzentration (vgl. Anm. 3 b zu § 78). Detachierte Senate gibt es bei den OLGe. Frankfurt a. M. (Zivilsenate in Kassel und Darmstadt), München (Zivilsenate in Augsburg) und Karlsruhe (Zivilsenate in Frei-

2820

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 117 Anm. 1, 2 §§ 118; 1 1 9 ; 1 2 0 bürg). Der detachierte Senat hat für die örtliche Zuständigkeit die Rechtsstellung eines selbständigen Gerichts (vgl. Anm. 4 zu § 78). Über einen Zuständigkeitsstreit zwischen einem auswärtigen Senat und einem solchen am Sitz des OLG entscheidet der BGH (EbS c h m i d t 6; Kl 2). Die Berufung gegen das Urteil einer ihm im Instanzenzug nachgeordneten Zivilkammer ist auch rechtzeitig, wenn sie fristgemäß bei dem Stamm-OLG eingeht (vgl. Anm. 4 zu § 78). Für die Besetzung des auswärtigen Senats gelten keine Besonderheiten. Wegen der Beteiligung der auswärtigen Senate an der Wahl des Präsidiums vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2, § 7 der WahlO vom 19. 9. 1972 (BGBl. I 1821). Wegen der Bedeutung der Unversetzbarkeit für die Zuweisung der Richter mit Wohnsitz am Sitz des OLG an die detachierten Senate vgl. Anm. 5 a zu § 78 und Anm. 2 zu § 30 DRiG.

§ 117 Die Vorschrift des § 70 Abs. 1 ist entsprechend anzuwenden. . 1. Zur Entstehungsgeschichte: Die Fassung des § 117 beruht auf Art. II Nr. 36 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). Zuvor lautete die letzte, auf Art. 11 Nr. 4 des StPÄG vom 19. 12. 1964 (BGBl. I 1067) beruhende Fassung: „Die Vorschriften der §§ 62 bis 69 und 70 Abs. 1 sind entsprechend anzuwenden". (Zur Entstehungsgeschichte dieser Fassung und die durch sie bereinigten Zweifel über die damalige Zusammensetzung des Präsidiums beim OLG vgl. die Darstellung in der Vorauflage zu § 117). Da die §§ 62 bis 69 a. F. durch das Ges. vom 26. 5. 1972 aufgehoben und durch die §§ 21 a ff. n. F. ersetzt sind, blieb als Inhalt des § 117 n. F. nur die Verweisung auf den entsprechend anwendbaren § 70 Abs. 1 übrig. 2. § 70 Abs. 1 wurde durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 für entsprechend anwendbar erklärt; die Begründung bemerkt dazu, dies sei geschehen, weil er „bisher in diesem Zusammenhang von der Praxis analog angewendet wurde". Absätze 2, 3 des § 70 haben keine Bedeutung, weil beim OLG neben Planstelleninhabern nur abgeordnete, also auf Lebenszeit ernannte Richter ( § 3 7 DRiG) tätig werden können (vgl. Anm. 1 zu § 115). Daraus, daß nur der Abs. 1 des § 70, der die Heranziehung von abgeordneten Richtern zur Vertretung verhinderter Mitglieder regelt, in § 117 angeführt ist, darf nicht gefolgert werden, daß ihre Verwendung beim Oberlandesgericht aus anderen Gründen (s. Anm. 4 zu § 70) ausgeschlossen wäre (so auch BGH NJW 1954 505 = BGHZ 12 1). Auch beim OLG ist es möglich, wegen vorübergehender Überlastung der Senate, aber auch zwecks Erprobung der Eignung zum „Richter am OLG" (§ 19 a DRiG, bisher „Oberlandesgerichtsrat") abgeordnete Richter in einer dem aktuellen Bedürfnis entsprechenden Zahl einzuberufen, falls die Erprobung nicht schon im Rahmen einer aus sonstigem Anlaß (Vertretung, Geschäftsandrang) zulässigen Einberufung möglich ist (BVerfG DRiZ 1971 27; BGH NJW 1966 352 = MDR 1966 323 = DRiZ 1966 30; M ö s l DRiZ 1967 259; T i e b i n g DRiZ 1968 120; K e i l h o l z DRiZ 1972 25). Bei einer Entscheidung darf nur ein abgeordneter Richter mitwirken (§ 29 DRiG). Daß die Verwendung von abgeordneten Richtern unzulässig ist, wenn sie nur dazu dient, einen dauernden personellen Bedarf zu befriedigen (vgl. Anm. III 2 e zu § 59), gilt für das OLG in besonderem Maße.

§ 118 (aufgehoben durch § 85 Nr. 10 DRiG)

§ 119 (betr. Zuständigkeit in Zivilsachen)

§ 120 ( l ) I n Strafsachen sind die Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben, für das Gebiet des Landes zuständig für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug

2821

Gerichtsverfassungsgesetz § 120 Anm. I 1. bei Friedensverrat in den Fällen des § 80 des Strafgesetzbuches, 2. bei Hochverrat (§§81 bis 83 des Strafgesetzbuches), 3. bei Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 100a des Strafgesetzbuches) sowie bei Straftaten nach § 30c Abs. 2 des Patentgesetzes und nach § 3a Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes in Verbindung mit § 30 c Abs. 2 des Patentgesetzes. 4. bei einem Anschlag gegen ausländische Staatsmänner nach § 102 des Strafgesetzbuches, 5. bei einer Straftat gegen Verfassungsorgane in den Fällen der §§ 105,106 des Strafgesetzbuches-, 6. bei Nichterfüllung der Pflichten nach § 138 des Strafgesetzbuches, wenn die Unterlassung eine Straftat betrifft, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehört, und 7. bei Völkermord (§ 220 a des Strafgesetzbüches). (2) Diese Oberlandesgerichte sind ferner für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug zuständig bei den in § 74 a Abs. 1 bezeichneten Straftaten, wenn der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles nach § 74 a Abs. 2 die Verfolgung übernimmt. Sie verweisen bei der Eröffnung des Hauptverfahrens die Sache an das Landgericht, wenn eine besondere Bedeutung des Falles (§ 74 a Abs. 2) nicht vorliegt. (3) In den Sachen, in denen diese Oberlandesgerichte nach Absatz 1 oder 2 zuständig sind, treffen sie auch die in § 73 Abs. 1 bezeichneten Entscheidungen. Sie entscheiden ferner über die Beschwerde gegen die Verfugungen der Ermittlungsrichter der Oberlandesgerichte (§ 168 a Abs. 1 Satz 1 der Strafprozeßordnung). (4) Diese Oberlandesgerichte entscheiden auch über die Beschwerde gegen Verfügungen und Entscheidungen des nach § 74 a zuständigen Gerichts. (5) Für den Gerichtsstand gelten die allgemeinen Vorschriften. Die beteiligten Länder können durch Vereinbarung die den Oberlandesgerichten in den Absätzen 1 bis 4 zugewiesenen Aufgaben dem hiernach zuständigen Gericht eines Landes auch für das Gebiet eines änderen Landes übertragen. (6) Soweit nach § 142 a für die Verfolgung der Strafsachen die Zuständigkeit des Bundes begründet ist, üben diese Oberlandesgerichte Gerichtsbarkeit nach Artikel 96 Abs. 5 des Grundgesetzes aus. Entstehungsgeschichte. Der durch § 15 der VO vom 4. 1. 1924 (RGBl. I 17) - sog. Emminger- VO — geschaffene § 120 a. F. betraf die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des OLG in Staatsschutzstrafsachen. Diese in der Folgezeit mehrfach geänderte Vorschrift (vgl. VO vom 18. 3. 1933, RGBl. I 131, Art. 3; Ges. vom 24.4. 1934, RGBl. I 341; VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935, RGBl. I 403, § 2 Nr. 5; ZuständigkeitsVO vom 21. 2. 1940, RGBl. I 405, § 38; Art. 143 Abs. 5 GG; Vereinheitlichungsgesetz vom 12. 9. 1950; 1. StrÄG vom 30. 8. 1951, BGBl. I 739) ist durch das Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutzstrafsachen vom 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582), das die bis dahin bestehende erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des BGH in Staatsschutz-Strafsachen (§§ 134, 134a a. F.) beseitigte und die erstinstanzliche Zuständigkeit auf die Oberlandegerichte des § 120 übertrug, neu gefaßt worden. Gesetzesmaterialien und Schrifttum zur Entstehung des Gesetzes vom 8. 9. 1969: RegEntw. vom 14. 4. 1969 - BT-Drucks. V/4086 - ; Schriftl. Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform vom 2. 6. 1969 - BT-Drucks. V/4269 - ; Prot, der 2. und 3. Beratung des Bundestags am 11. 6. 1969 S. 13073 ff.; F i s c h e r Die Einführung eines 2. Rechtszuges in Staatsschutzstrafsachen NJW 1969 449; M a r t i n , Zur allgemeinen Einführung eines 2. Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen NJW 1969 713. Schrifttum zum Gesetz vom 9.9. 1969: K o h l h a a s , Das Gesetz über die Einführung eines 2. Rechtszuges in Staatsschutzsachen, NJW 1970 20. I. Geschichtliche Entwicklung. Außer seinen Aufgaben als Revisions- und Beschwerdegericht (§ 121) und den ihm durch die StPO und andere Gesetze zugewiesenen Aufgaben (vgl. Anm. 13 zu § 121) hatte das Oberlandesgericht seit 1924 auch eine erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit in Staatsschutzstrafsachen. Daneben bestand auch die erst- und 2822

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 120 Anm. II 1, 2

letztinstanzliche Zuständigkeit des Reichsgerichts in Staatsschutzstrafsachen (über deren Entwicklung vgl. in der Vorauflage Bd. II S. 697), die während des „Dritten Reichs" auf den neu eingerichteten Volksgerichtshof überging (Ges. vom 24.4. 1934, RGBl. I 341). Nach dem Kriege begründete Art. 143 G G die Zuständigkeit des BGH für Hochverrat. Nach §134 GVG in der Fassung des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950, durch den Art. 143 G G gegenstandslos wurde, beschränkte sich die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des BGH zunächst auf Hochverrat und Parlamentssprengung. Durch eine Reihe von Gesetzen wurde demnächst die erstinstanzliche Zuständigkeit des BGH erweitert (vgl. im einzelnen die Darstellung der Entstehungsgeschichte des § 134 a. F. in der Vorauflage — S. 697 —). Das Verhältnis der erstinstanzlichen Zuständigkeit des BGH zu derjenigen des OLG war in der Weise geregelt, daß die letztere nicht von vornherein katalogmäßig begründet war, sondern im Einzelfall dadurch entstand, daß der Generalbundesanwalt eine Sache, die an sich zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs gehörte, an die Landesstaatsanwaltschaft abgab oder daß der Bundesgerichtshof, nachdem bei ihm Anklage erhoben war, bei der Eröffnung des Hauptverfahrens die Sache dem Oberlandesgericht zur Verhandlung und Entscheidung überwies (§ 134 a Abs. 1, 3). Und zwar sollte der Generalbundesanwalt grundsätzlich solche Sachen abgeben, die sich überwiegend gegen die Interessen eines Landes richten; er konnte — zur Entlastung des Bundesgerichtshofs — auch Sachen, in denen diese Voraussetzung nicht gegeben ist, abgeben, sollte dies aber nur bei Sachen von minderer Bedeutung tun. Durch das Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen vom 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582) wurde die erstinstanzliche Zuständigkeit des BGH beseitigt und wurden die §§ 134, 134a aufgehoben. Nach diesem Gesetz ist in Staatsschutzstrafsachen das OLG erstinstanzlich zuständig; Revisions- und Beschwerdegericht ist der BGH (§135 Abs. 1 n. F.). Die Zuständigkeit des OLG ist teils eine unbedingte (§ 120 Abs. 1), teils bedingt dadurch, daß der Generalbundesanwalt in Sachen, für die nach § 74 a Abs. 1 die Staatsschutzstrafkammer zuständig ist, wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt und Anklage zum OLG erhebt (§§ 120 Abs. 2, 74a Abs. 2, 142a). Über die Zuständigkeit nach § 120 bei Straftaten gegen die nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikpakts vgl. die Entstehungsgeschichte zu § 74 a. II. Zu Absatz 1 1. Zuständigkeitskonzentration. In Absatz 1 ist die bisher in § 134 Abs. 1 a. F. geregelte erstinstanzliche Zuständigkeit des BGH — abgesehen von einer Erweiterung der Nr. 3 (Straftaten nach § 30 c Abs. 2 des Patentges. usw.) — unverändert auf die Oberlandesgerichte übertragen worden. Die in Absatz 1 in Anlehnung an eine ähnliche (aber auf den OLGBezirk beschränkte) Regelung in § 74 a vorgeschriebene Konzentration der örtlichen Zuständigkeit für das ganze Land auf diejenigen Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben (Landeshauptstadt), soll sicherstellen, daß in den in dem Zuständigkeitskatalog bezeichneten Verfahren, in denen meist schwierige tatsächliche Fragen zu entscheiden sind und in denen häufig besondere Rechtsprobleme auftreten, auch Richter mit besonderer Sachkunde und breiter Erfahrung auf diesem Gebiet zur Verfügung stehen. Soweit das OLG nach Absatz 1 sachlich zuständig ist, erstreckt sich bei Tateinheit oder Sachzusammenhang seine Zuständigkeit auch auf solche Sachen, die nach § 74 a in die Zuständigkeit der Staatsschutzstrafkammer oder nach § 80 in die des Schwurgerichts fallen (vgl. Anm. 1 zu § 80), z. B. bei einem Mord oder Totschlag aus politischen Gründen, der in Tateinheit oder im Zusammenhang mit einer Straftat nach Absatz 1 begangen wird. Auch die Zuständigkeit der Jugendgerichte tritt hinter die des O L G zurück (§§ 102 Satz 1, 112 JGG). Eine Abgabe an das Jugendgericht, wie sie nach § 102 Satz 2 J G G die Strafkammer, soweit ihre Zuständigkeit nach § 74 a begründet ist, in Fällen von geringer Bedeutung vornehmen kann, ist hier nicht vorgesehen. 2. Staatsschutzsenat. Anders mer . . . " ) bestimmt § 120 nicht, zuständig sei, sondern erklärt das also für das Präsidium des OLG

als § 74 a („Bei den Landgerichten . . . ist eine Strafkamdaß ein Strafsenat des in Absatz 1 bezeichneten OLG OLG für zuständig. Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich kein Zwang, die Staatsschutzstrafsachen einem Strafsenat 2823

§ 120

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. II 1,2; III 1 zuzuweisen; rechtlich wäre danach auch eine Verteilung der Sachen unter die mehreren Strafsenate durch den Gesetzeswortlaut nicht ausgeschlossen. Praktisch zwingt aber der der Zuständigkeitskonzentration zugrunde liegende Gedanke, daß Richter mit besonderer Sachkunde und breiter Erfahrung auf dem Gebiet der Staatsschutzstrafsachen zur Aburteilung zur Verfügung stehen sollen, auch zu einer Konzentration im Wege der Geschäftsverteilung. Dies gilt dann sinngemäß auch für die dem OLG in § 120 Abs. 3 , 4 zugewiesenen Aufgaben, die sinnvoller Weise nicht nur bei einem Strafsenat, sondern gerade bei dem Strafsenat vereinigt werden, der für die Verhandlung und Entscheidung nach Absatz 1 zuständig ist. In diesem Sinn ist es zu verstehen, wenn im folgenden statt vom „OLG" auch vom „Staatsschutzsenat" gesprochen wird. Macht aber der BGH als Revisions- und Beschwerdegericht (§ 135) bei erfolgreicher Revision oder Beschwerde von der in §§ 210 Abs. 3 Satz 2, 354 Abs. 3 Satz 2 StPO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, mit dem weiteren Verfahren einen anderen Senat des in § 210 bezeichneten OLG zu beauftragen, so kann allerdings der Gedanke, daß Richter mit Spezialerfahrungen auf dem Gebiet der Staatsschutzstrafsachen zur Verfügung stehen, u. U. nicht verwirklicht werden. II. Zu Absatz 2 (erweiterte Zuständigkeit) 1. Die Zuständigkeit der in Absatz 1 bezeichneten Oberlandesgerichte ist ferner gegeben, wenn es sich um eine nach § 74 a in die Zuständigkeit der Staatsschutzstrafkammer fallende Straftat handelt und der Generalbundesanwalt (GBA) wegen der besonderen Bedeutung des Falles (vor der Eröffnung des Hauptverfahrens vor der Staatsschutzkammer) die Verfolgung übernimmt. Das Evokationsrecht des GBA, das einer Evokationspflicht entspricht (s. unten 2), besteht auch, wenn in der Tat eine Straftat enthalten ist, die vor das Schwurgericht (§ 80) gehört. Zwar ist dann das Schwurgericht zuständig (Anm. 1 zu § 74 a). Solange aber nicht vor dem Schwurgericht eröffnet ist, kann der GBA die Sache an sich ziehen (vgl. Anm. 4 c zu § 74 a) und vor das OLG bringen, dessen Zuständigkeit sich dann auch auf diesen Teil der Tat erstreckt (oben I 1); die besondere Bedeutung des Falles kann gerade darauf beruhen, daß dem Täter zugleich eine vorsätzliche Tötung zur Last gelegt wird. 2. Zum Begriff der besonderen Bedeutung vgl. Anm. 4 a zu § 74 a. Entsprechend den über die „bewegliche Zuständigkeit" ausgebildeten Grundsätzen (Anm. III 3 a zu § 16, III 3 zu § 24) muß der GBA die Verfolgung übernehmen, wenn er dem Fall besondere Bedeutung beimißt. War zunächst die landgerichtliche Staatsanwaltschaft mit den Ermittlungen befaßt, so muß sie, wenn die besondere Bedeutung hervortritt, die Vorgänge an den GBA abgeben; sie hat jedoch solche Amtshandlungen vorzunehmen, bei denen Gefahr im Verzug ist (vgl. Nr. 216 RiStBV). Das OLG, zu dem die Anklage erhoben wird, ist aber an die Beurteilung des GBA nicht gebunden, sondern hat selbständig zu prüfen, ob dem Fall besondere Bedeutung zukommt. Verneint es dies, hält es aber im übrigen den hinreichenden Verdacht einer Straftat nach § 74 a Abs. 1 für gegeben, so eröffnet es zwar, verweist aber die Sache an die Staatsschutzstrafkammer (§ 120 Abs. 2 Satz 2). Die Verneinung der besonderen Bedeutung kann dann auch darauf beruhen, daß die Sache im Stadium zwischen Anklageerhebung und Eröffnung die besondere Bedeutung verliert. Gegen die Eröffnung unter Verweisung an die Staatsschutzstrafkammer ist Beschwerde nach § 304 Abs. 4 Nr. 3 StPO zulässig; vgl. dazu § 2 1 0 Abs. 3 Satz 2 StPO. § 120 Abs. 2 Satz 2 ist entsprechend anwendbar, wenn ein Gericht eine in die Zuständigkeit der Strafschutzkammer fallende Sache an das OLG verweist (§ 270 Abs. 1, 3 StPO); das OLG kann sich dann zwar nicht für unzuständig erklären (§ 269 StPO), wohl aber, wenn es die besondere Bedeutung des Falles verneint, die Sache an das LG verweisen. III. Nebenentscheidungen (zu Absatz 3) 1. Die Zuständigkeit des OLG nach Absätzen 1, 2 bezieht sich nicht nur auf die Verhandlung und Entscheidung, sondern erstreckt sich auch auf die in § 73 Abs. 1 bezeichneten Entscheidungen. Eine Besonderheit ergibt sich aber aus Absatz 3 Satz 2: danach entscheidet das OLG nur über die Beschwerde gegen Verfügungen der Ermittlungsrichter des OLG (§ 168 Abs. 1 Satz 1 StPO), während über die Beschwerde gegen eine Verfügung des Ermittlungsrichters des BGH (§ 168 Abs. 1 Satz 2 StPO) nach § 135 Abs. 2 der BGH entscheidet (vgl. dazu aber auch Anm. 2 zu § 135). 2824

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 120 Anm. III 2 - 4 : IV 2. Im einzelnen obliegen dem OLG die Entscheidungen, die die Voruntersuchung (§ 178 StPO) und deren Ergebnisse betreffen, die Entscheidungen über Beschwerden gegen Verfügungen des Untersuchungsrichters des OLG und des Amtsrichters, den der Untersuchungsrichter um die Vornahme einzelner Untersuchungshandlungen ersucht hat (§ 185 StPO), und die Entscheidung über Beschwerden gegen Verfügungen des nach §§ 162, 165, 166 StPO im Ermittlungsverfahren tätig gewordenen Amtsrichters, dessen Zuständigkeit auch in Staatsschutzstrafsachen weiterbesteht, soweit nicht der Ermittlungsrichter die entsprechenden Geschäfte wahrnimmt. Soweit der Amtsrichter im Ermittlungsverfahren tätig wurde (also wenn das OLG mit der Sache noch nicht befaßt war), wird eine Sache als zur Zuständigkeit des OLG gehörig anzusehen sein, wenn entweder der GBA bereits eingeschritten ist oder der für ihn handelnde Staatsanwalt (vgl. Nr. 216 Abs. 1, 3 RiStBV) oder der von Amts wegen einschreitende Amtsrichter (§ 165 StPO) die Sache als zur Zuständigkeit des OLG gehörig bezeichnet hat. 3. Weitere Zuständigkeiten des Landeshauptstadt-OLG ergeben sich im Klageerzwingungsverfahren aus § 172 Abs. 4 Satz 2 StPO, bei der Einstellung wegen tätiger Reue aus § 153 d StPO und bei Prüfung der Haftfortdauer über die Sechsmonatsgrenze hinaus in Staatsschutzstrafkammersachen aus § 121 Abs. 4 Satz 1 StPO. Nach § 121 Abs. 4 Satz 2 StPO entscheidet dagegen in Sachen, in denen das OLG selbst nach § 120 GVG zuständig ist, der BGH. Bzgl. der Anwendbarkeit des § 121 Abs. 4 Satz 1 StPO können sich Zweifel ergeben, wenn im Ermittlungsverfahren über die Fortdauer der Haft aus einem Haftbefehl zu entscheiden ist, in dem dem Beschuldigten neben einem in den Katalog des § 74 a Abs. 1 fallenden Delikt eine in die Zuständigkeit des Schwurgerichts fallende Straftat (§ 80 GVG), z. B. eine vorsätzliche Tötung, zur Last gelegt wird. Es fragt sich dann, ob für die Prüfung der Haftfortdauer das Staatsschutz-OLG nach § 121 Abs. 4 Satz 1 StPO oder wegen der Zuständigkeit des Schwurgerichts für das Tötungsdelikt das allgemein nach § 121 Abs. 2 StPO zuständige OLG zur Entscheidung berufen ist. Die Frage ist im ersteren Sinn zu beantworten. Da nach den Ausführungen in Anm. 4 c zu § 74 a das Evokationsrecht des Generalbundesanwalts auch dann besteht, wenn ein Delikt nach § 74 a GVG mit einem Schwurgerichtsdelikt in Zusammenhang steht, bildet sinngemäß das bestehende, wenn auch noch nicht ausgeübte Evokationsrecht die Brücke zur Begründung der Zuständigkeit des Staatsschutz-OLG i. S. des § 121 Abs. 4 Satz 1 StPO (so auch Beschl. des OLG Frankfurt vom 30. 10. 1972 —4 HE s 262/72). Das führt zu der weiteren Folgerung, daß, wenn in einem Land nur ein OLG besteht, der nach der Geschäftsverteilung „für Entscheidungen nach § 120 GVG" zuständige Strafsenat auch für die Entscheidungen nach § 121 Abs. 4 Satz 1 StPO (auch in dem vorstehend bezeichneten erweiterten Sinn) zuständig ist, mag der Geschäftsverteilungsplan dies auch nicht ausdrücklich bestimmen. Eine solche Bestimmung im Geschäftsverteilungsplan kann unbedenklich dahin ausgelegt werden, daß der betreffende Strafsenat mit allen Angelegenheiten befaßt sein soll, die in die Zuständigkeit des Staatsschutz-OLG fallen. Entsprechendes gilt auch für Entscheidungen nach § 172 Abs. 4 Satz 2 StPO. 4. Die Rechtsprechung des RG sah, wenn im Ermittlungsverfahren eine sachlich unzuständige Strafkammer an Stelle des Reichsgerichts über eine Haftbeschwerde entschieden hatte, diese Entscheidung als unwirksam an, da sie einen unzulässigen Eingriff in die Gerichtsbarkeit des Reiches enthalte (vgl. RG I Beschl. vom 5. 12. 1921, VIII 2362; I Beschl. vom 23. 1. 1923, VIII 84/23; IV Beschl. vom 19. 12. 1926 14a I 289/26). Das müßte folgerichtig auch heute gelten, soweit das OLG Gerichtsbarkeit des Bundes ausübt (unten Anm. VI). Dieser Auffassung ist aber nicht zu folgen; es handelt sich nicht um eine Überschreitung der Gerichtsbarkeit, sondern eine solche der funktionalen Zuständigkeit (vgl. Anm. 8 zu § 121). IV. Weitere Zuständigkeitskonzentration (zu Absatz 4). Absatz 4 begründet die Zuständigkeit des Strafschutzsenats für die Entscheidung über die Beschwerde gegen Verfügungen und Beschlüsse der Staatsschutzstrafkammern (§ 74 a) des Landes. Diese Konzentration beruht auf den gleichen Erwägungen wie die Zuständigkeitskonzentration nach Absätzen 1, 2.

2825

§ 120 Gerichtsverfassungsgesetz Anm. V; VI V. Gerichtsstand (zu Absatz 5). Absatz 5 wiederholt die bisher schon in § 120 Abs. 2 Satz 1, 3 a. F. enthaltenen Vorschriften. Satz 1 verweist wegen der Frage, welches von mehreren in Betracht kommenden Oberlandesgerichten i. S. des Absatzes 1 örtlich zuständig ist, auf §§ 7ff. StPO. Vgl. dazu über Sammelverfahren Nr. 27a ff. RiStBV. Staatsvertraglich (Abs. 5 Satz 2) begründet ist die Zuständigkeit des OLG Hamburg für die Länder Hamburg und Bremen (Brem. Ges. vom 29.9. 1970, GBl. 123; Bek. vom 17. 12. 1970, GBl. 1971 1; Hamburg Ges. vom 12. 10. 1970, GVB1. 271; Bek. vom 28. 12. 1970, GVB1. 1971 1) und die des OLG Koblenz für die Länder Rheinl.-Pfalz und Saarland (Rh.-Pf. Zustimmungsges. vom 20. 12. 1971, GVB1. 304; Saarl. Ges. vom 15. 12. 1971, ABl. 848). In Bayern ist das BayObLG zuständig(§ 9 Satz 2 EGGVG i. Verb, mit Art. 22 Nr. 1 BayAGGVG). VI. Gerichtsbarkeit des Bundes (zu Absatz 6). Die Forderung, in Staatsschutzstrafsachen, für die die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des RG, später die des BGH und der Oberlandesgerichte begründet war, aus rechtsstaatlichen Gründen einen 2. Rechtszug zu eröffnen, ist alt. Sie wurde, von früheren Bemühungen abgesehen, schon bei Verabschiedung des l.StrÄG vom 30.8. 1951 (vgl. 160. Sitzung des Bundestags vom 11.7. 1951, Prot. S. 6485), zuletzt anläßlich der Reform der Staatsschutzdelikte durch das 8. StrÄG vom 25. 6. 1968 gefordert. Der Verwirklichung dieser Forderung in der Weise, daß die erstinstanzliche Zuständigkeit des BGH in vollem Umfang auf die Oberlandesgerichte übergehe und gegen ihre Entscheidungen die Revision an den BGH zugelassen würde, stellten sich zunächst Schwierigkeiten entgegen, die sich aus dem forderativen Aufbau der BRD und der Regelung der Gerichtsorganisation ergaben. Nach Art. 92 GG wird die rechtsprechende Gewalt durch die im GG vorgesehenen Buridesgerichte, im übrigen durch die Gerichte der Länder ausgeübt. Soweit Gerichte der Länder in Strafsachen zuständig sind, wird das Amt der Staatsanwaltschaft durch die bei diesen Gerichten bestehenden Landesstaatsanwaltschaften ausgeübt (§§ 141, 142 GVG). In Staatsschutzstrafsachen von besonderer Bedeutung kann aber aus zwingenden praktischen Gründen nicht darauf verzichtet werden, daß das Ermittlungsverfahren und die Wahrnehmung des Amtes der Staatsanwaltschaft im gerichtlichen Verfahren in der Hand einer zentralen Verfolgungsbehörde mit einer über das gesamte Gebiet der BRD sich erstreckenden räumlichen Zuständigkeit liegt (vgl. M a r t i n NJW 1969 715). Diese Voraussetzungen sind nur bei dem Generalbundesanwalt gegeben, der aber nicht Aufgaben der Landesstaatsanwaltschaft bei den Gerichten der Länder erfüllen kann. Unter diesen Umständen wurde zeitweise erwogen, einen Rechtsmittelzug innerhalb des BGH — etwa an den Großen Strafsenat oder an einen anderen Strafsenat — zu schaffen. In Betracht wäre auch gekommen, unter Änderung des Art. 95 GG ein erstinstanzliches Bundesgericht für das Sondergebiet (Art. 101 Abs. 2 GG) der Staatsschutzstrafsachen mit dem BGH als Revisionsgericht zu errichten. Diese vom rechtsstaatlichen Standpunkt aus weniger befriedigenden Lösungen wurden aufgegeben, als schließlich zwischen Bund und Ländern eine Einigung auf das Prinzip der sog. Organleihe erzielt wurde. Nach dem durch das 26. Änderungsges. zum GG vom 26. 8. 1969 (BGBl. I 1357) dem Art. 96 GG angefügten Abs. 5 kann auf dem Gebiet des Staatsschutzes ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrats vorsehen, daß Gerichte der Länder „Gerichtsbarkeit des Bundes" ausüben. Damit soll ermöglicht werden, daß die Länder ihre Gerichte dem Bund zur Ausübung derjenigen Gerichtsbarkeit zur Verfügung stellen, die substantiell nach dem Herkommen als dem Bund zustehend angesehen wird, und es sollen dadurch die rechtlichen Bedenken ausgeschaltet werden, die der Verfolgung der in die Bundesgerichtsbarkeit fallenden Sachen durch den GBA als ein Organ des Bundes entgegenstehen. Auf dieser Rechtsgrundlage beruhen die durch das Ges. vom 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582) erfolgten Änderungen von StPO und GVG. Danach üben die Oberlandesgerichte in den Fällen des § 120 Abs. 1, 2 Gerichtsbarkeit des Bundes aus, wenn und solange der GBA das Amt der Staatsanwaltschaft ausübt (§§ 120 Abs. 6, 142a). Die Oberlandesgerichte bleiben zwar Gerichte der Länder. Die Ausübung von Bundesgerichtsbarkeit kommt aber darin zum Ausdruck, daß der GBA Strafverfolgungsbehörde ist, der neben den Ermittlungsrichtern des BGH (§ 168 a Abs. 1 Satz 2 StPO) die Ermittlungen führt, wobei er das Bundeskriminalamt in Anspruch nehmen kann (Anm. V zu § 142 a), daß er die Anklage vor dem OLG erhebt und in der Hauptverhandlung vertritt, daß er die rechtskräftig erkannten Strafen vollstreckt (vgl. Anm. VII 2 e zu § 451 StPO) und schließlich darin, daß das Begnadigungsrecht bzgl. dieser Strafen dem Bundespräsidenten zusteht (§ 452 StPO). Auch bezüglich der durch das Ver2826

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 121

fahren entstandenen Kosten, Auslagenerstattungs- und Entschädigungsansprüche wirkt es sich aus, wenn das OLG Gerichtsbarkeit des Bundes ausübt. Die Kosten-, Auslagen- und Entschädigungslast trägt zwar zunächst die Staatskasse des Landes, dem das OLG angehört; diesem fließen auch die Einnahmen aus der Verhängung von Geldstrafen, der Einziehung von Gegenständen usw. zu. Nach Art. 3 des Ges. vom 8. 9. 1969 ist aber der Bund den Ländern auf Verlangen erstattungspflichtig, soweit letztere aufgrund von Strafverfahren, in denen die Oberlandesgerichte in Ausübung von Bundesgerichtsbarkeit entscheiden, Verfahrenskosten sowie Auslagen von Verfahrensbeteiligten zu tragen (z. B. nach § 467 StPO) oder Entschädigungen (z. B. nach § 41 c StGB oder nach dem Ges. über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8.3. 1971, BGBl. I 157) zu leisten haben. In den Fällen des § 120 Abs. 1 endet die Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes, wenn der GBA das Verfahren gemäß § 142 a Abs. 2 an die Landesstaatsanwaltschaft (die Staatsanwaltschaft bei dem nach § 120 Abs. 1 zuständigen OLG) abgibt. In den Fällen des § 120 Abs. 2 beginnt die Ausübung von Bundesgerichtsbarkeit mit der Übernahme der Verfolgung wegen besonderer Bedeutung des Falles (§§ 74 a Abs. 2, 120 Abs. 2) und endet mit der Wiederabgabe des Falles an die Landesstaatsanwaltschaft (§ 142 a Abs. 4) oder mit der Verweisung der Sache an das LG durch den das Hauptverfahren eröffnenden Staatsschutzstrafsenat (§ 120 Abs. 2 Satz 2). Vgl. ergänzend die Anm. zu § 142 a.

§ 121 (1)Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel 1. der Revision gegen a) die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Richters beim Amtsgericht; b) die Berufungsurteile der kleinen und großen Strafkammer; c) die Urteile der großen Strafkammer und des Schwurgerichts, wenn die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird; 2. der Beschwerde gegen strafrichterliche Entscheidungen, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammer oder des Bundesgerichtshofes begründet ist. (2) Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung nach Absatz 1 Nr. 1 a oder b von einer nach dem 1. April 19S0 ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen, so hat es die Sache diesem vorzulegen. Hierzu — den Absatz 2 — ergänzend: § 18 Abs. 2 des Ges. z. Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. 6. 1968 (BGBl. I 661): „Hat ein Gericht eine Sache einem obersten Gerichtshof vorzulegen, wenn es von dessen Entscheidung abweichen will, so hat das Gericht dem obersten Gerichtshof auch vorzulegen, wenn es von einer Entscheidung des gemeinsamen Senats abweichen will". Entstehungsgeschichte: VO vom 4. 1. 1924 § 16 (RGBl. I 17). Bek. vom 22.3. 1924 (RGBl. I 313). Spätere Änderungen: VO vom 14.6. 1932 (RGBl. I 285 1. Teil, Kap. I Art. 1, 2, 9. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat die frühere Nr. 1 c („die Urteile der großen Strafkammer, wenn in erster Instanz das mit einem Richter und zwei Schöffen besetzte Schöffengericht entschieden hat") gestrichen und Absatz 2 eingefügt. Durch Art. II Nr. 6 des Ges. vom 26.5. 1972 (BGBl. I 841) wurde in Absatz 1 Nr. l a „Amtsrichter" durch „Richter beim Amtsgericht" ersetzt. Übersicht 1. Geschichtliche Entwicklung der Revisionszuständigkeit des OLG. 2. Revisionszuständigkeit bei Jugendlichen und Heranwachsenden 3. Revisionszuständigkeit bei Änderungen der Gesetzgebung

4. Nicht mit der Berufung anfechtbare Urteile (Absatz 1 Nr. 1 a) 5. Beschränkungen der Revision 6. Zu Absatz 1 Nr. 1 b, Revisionszuständigkeit in Sonderfällen

2827

§ 121

Gerichtsverfassungsgesetz

7. Zu Absatz 1 Nr. 1 c a) Begriff des Bundesrechts und des Landesrechts b) Wann wird nur Verletzung von Landesrecht gerügt? c) Revisionszuständigkeit bei divergierenden Rügen mehrerer Rechtsmittelberechtigter d) Wann ist die Revision auf die Verletzung von Landesrecht „gestützt"? e) Revisionszuständigkeit bei Zusammenhang von Bundes- und Landesrecht f) Zuständigkeitsstreit zwischen BGH und OLG g) Landesrechtliche Abweichungen von Absatz 1 Nr. 1 c 8. Entscheidung durch ein unzuständiges Revisionsgericht 9. Wann liegt ein erstinstanzliches oder ein Berufungsurteil vor? 10. Beschwerden i. S. von Absatz 1 Nr. 2 11. Zuständigkeit des OLG für Beschwerden im allgemeinen 12. Die einzelnen Fälle der Beschwerdezuständigkeit 13. Zuständigkeiten des OLG in Strafsachen, die außerhalb des GVG geregelt sind Zu § 121 Abs. 2. Literaturübersicht 14. Allgemeine Bedeutung des § 121 Abs. 2 a) Notwendigkeit von Vorkehrungen zur Sicherung einheitlicher Rechtsanwendung b) Der Divergenzausgleich in der ordentlichen Gerichtsbarkeit c) Der Divergenzausgleich bei den übrigen Gerichtszweigen d) Divergenzausgleich im Supranationalen Recht e) Harmonisierung der Vorschriften und Methoden des Divergenzausgleichs 15. Behandlung der Innendivergenz bei den Oberlandesgerichten 16. Die Beschränkung des Außendivergenzausgleichs durch § 121 Abs. 2 a) Gründe der Beschränkung b) Bedeutung des § 121 Abs. 2 für die Verfolgungspflicht der Staatsanwaltschaft 17. Zur Kritik an § 121 Abs. 2 a) Stellungnahme zu grundsätzlichen Einwendungen gegen die Vorlegungspflicht b) Technische Mängel des § 121 Abs. 2? 18. Vorlegungspflicht nur bei Entscheidungen über die Revision a) Abgrenzung gegenüber anderen Fällen b) Vorlegung bei Sprungrevision c) Keine Vorlegungspflicht im Fall des § 121 Abs. 1 Nr. 1 c 19. Beabsichtigte Abweichung von Entscheidungen des BGH a) Vorlegungspflicht auch, wenn der Senat des BGH nicht mehr besteht b) Keine Vorlegungspflicht bei gutachtlichen Stellungnahmen des BGH c) Vorlegungspflicht bei sich widersprechenden Entscheidungen des BGH

2828

20. Beabsichtigte Abweichung von der Entscheidung eines anderen OLG a) Begriff des anderen OLG b) Abweichung von der Entscheidung eines anderen Senats desselben OLG c) Abweichung von einem nicht mehr bestehenden OLG 21. Wegfall der Vorlegungspflicht a) wenn das andere OLG seine Rechtsprechung aufgegeben hat oder auf Anfrage nicht mehr an ihr festhält b) wenn die frühere OLG-Entscheidung durch eine spätere BGH-Entscheidung überholt ist oder das andere OLG von einer vorangegangenen BGH-Entscheidung abgewichen ist c) Kein Wegfall der Vorlegungspflicht, weil das andere OLG von der vorausgegangenen Entscheidung eines dritten OLG abgewichen ist 22. Vorlegungspflichtbegründende Vorentscheidungen a) Beabsichtigte Abweichung von Entscheidungen des BGH jeder Art und jeden Inhalts begründen die Vorlegungspflicht b) nur beabsichtigte Abweichungen von der Entscheidung eines anderen OLG in einer Revisionssache verpflichten zur Vorlegung c) Ausnahmen von b) d) Auslegungsdivergenzen zwischen mehreren OLGen, die Landesrecht betreffen e) Auslegungsdivergenzen, die ausländisches Recht betreffen f) Keine Vorlegungspflicht bei Divergenzen über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen 23. Wann ist eine Entscheidung „ergangen"? 24. Begriff der Abweichung a) Die beabsichtigte Abweichung muß eine Rechtsfrage betreffen, die für die zu treffende Entscheidung tragend ist b) Keine Vorlegungspflicht, wenn die vorangegangene Entscheidung durch die spätere Gesetzgebung ihre Bedeutung verloren hat c) Vorlegungspflicht, auch wenn das OLG aus einem die streitige Rechtsfrage nicht betreffenden rechtlichen Gesichtspunkt aufheben und zurückverweisen will, dabei aber die streitige Rechtsfrage in Bescheidung des Revisionsvorbringens mitentscheiden muß d) Es genügt, daß die vorangegangene Entscheidung sich „mittelbar" mit der Rechtsfrage auseinandergesetzt hat e) Wann liegt Identität der Rechtsfrage vor? f) Muß die Rechtsfrage auch für die vorangegangene Entscheidung tragend gewesen sein? Zur Bedeutung der obiter dicta g) Nur bei Abweichung von einer abschließenden Stellungnahme besteht Vorlegungspflicht

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 121 Anm. 1,2

25. Keine Vorlegungspflicht, wenn das OLG an seine abweichende Auffassung verfahrensrechtlich gebunden ist 26. Zurücknahme der Vorlegung 27. Erledigung der Vorlegung ohne Entscheidung durch eine spätere Entscheidung des BGH 28. Rechtsfolgen der Nichtbeachtung der Vorlegungspflicht 29. Vorlegungsverfahren a) Der Vorlagebeschluß b) Prüfung der Vorlegungsvoraussetzungen durch den BGH c) Verfahren nach Bejahung der Vorlegungsvoraussetzungen

d) Verfahren des OLG, wenn sich der BGH auf die Entscheidung der Rechtsfrage beschränkt. — Bindung des O L G an die Entscheidung des BGH e) Weitere Fälle der Erledigung der Vorlegung ohne Entscheidung des BGH 30. Wirkung einer Vorlegung für andere mit der gleichen Rechtsfrage befaßte Oberlandesgerichte 31. Vorlegungspflicht nach § 79 Abs. 3 OWiG

1. Zu Absatz 1: Geschichtliche Entwicklung. Die VO vom 4. 1. 1924, die erstinstanzliche, nur mit der Revision anfechtbare Urteile der Strafkammer nicht mehr vorsah, begründete die Revisionszuständigkeit des Oberlandesgerichts a) für die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Amtsrichters, b) für die Berufungsurteile der kleinen Strafkammer (wenn im 1. Rechtszug der Amtsrichter geurteilt hatte), c) für die der großen Strafkammer, wenn in 1. Instanz das mit einem Richter und zwei Schöffen besetzte Schöffengericht entschieden hatte, und d) wenn die Revision gegen ein Urteil des Schwurgerichts oder ein Urteil der großen Strafkammer als Berufungsgericht über dem erweiterten Schöffengericht ausschließlich auf die Verletzung von Landesrecht gestützt war. Dagegen entschied das Reichsgericht über die Revision, wenn im ersten Rechtszug das erweiterte Schöffengericht (zwei Richter, zwei Schöffen, § 29 Abs. 2) oder das Schwurgericht geurteilt hatte (und nicht ausschließlich Verletzung von Landesrecht gerügt wurde). In diesen Rechtszustand griff die NotVO des Reichspräs, vom 14. 6. 1932 ein. Sie führte unter Aufhebung des erweiterten Schöffengerichts die erstinstanzliche Zuständigkeit der großen Strafkammer allgemein wieder ein und beschränkte die Rechtsmittel in der Weise, daß sie bei Urteilen des Amtsrichters und des Schöffengerichts an Stelle von Berufung und Revision dem Berechtigten nur noch ein Rechtsmittel, nämlich nach seiner Wahl entweder Berufung oder Revision, gestattete. Die Revision gegen erstinstanzliche Strafkammerurteile beschied nunmehr das Reichsgericht (außer bei ausschließlicher Rüge von Landesrecht), während, wenn im ersten Rechtszug der Amtsrichter oder das Schöffengericht gesprochen hatte, die Revisionszuständigkeit dem Oberlandesgericht zukam. Bei dieser Verteilung der Revisionszuständigkeit beließ es das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950, das die Rechtsmittelbeschränkung der VO vom 14. 6. 1932 wieder beseitigte. Es konnte sich dabei des Wortlauts des § 121 in der Fassung der VO vom 4. 1. 1924 bedienen, die es — unter Streichung der bisherigen Nr. 1 c — vereinfachte, indem es von der Revisionszuständigkeit des Oberlandesgerichts gegenüber „Berufungsurteilen der kleinen und großen Strafkammer" spricht. Diese Fassungsvereinfachung trug der Tatsache Rechnung, daß das Vereinheitlichungsges. nur das mit einem Richter und zwei Schöffen besetzte Schöffengericht kannte. Diese Fassung blieb aber auch unverändert, als das 3. Strafrechtsänderungsges. vom 4. 8. 1953 (RGBl. I S. 735) das erweiterte Schöffengericht wieder einführte (vgl. § 29 Abs. 2). Dadurch ist aus der ursprünglichen Fassungsvereinfachung eine sachliche Abweichung gegenüber dem Recht der VO vom 4. 1. 1924 geworden, indem das OLG auch Revisionsinstanz geblieben ist, wenn im 1. Rechtszug das erweiterte Schöffengericht geurteilt hat. 2. Nach diesen Grundsätzen beurteilt sich auch die Revisionszuständigkeit des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs im Verfahren nach dem JGG bei Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender. Jugendgerichte sind nach § 33 JGG der Amtsrichter (als Jugendrichter), das Schöffengericht (Jugendschöffengericht) und die (große) Strafkammer (Jugendkammer). Gemäß § 2 JGG sind daher die §§ 121, 135 GVG unmittelbar anzuwenden und es entscheidet, wenn im ersten Rechtszug der Jugendrichter oder das Jugendschöffengericht geurteilt haben, über die Revision (soweit sie nach § 55 J G G zulässig ist) das Oberlandesgericht, über die Revision gegen erstinstanzliche Urteile der Jugendkammer (§41 JGG) der Bundesgerichtshof, sofern nicht ausschließlich Verletzung von Landesrecht gerügt wird. 2829

§ 121

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 3 - 7 3. Bei Gesetzesänderungen, die den Aufbau der Gerichte, ihre Zuständigkeit und die Zulässigkeit von Rechtsmitteln betreffen, gilt, wo es an einer ausdrücklichen Regelung fehlt, der allgemeine Grundsatz, daß Rechtsmittel gegen Entscheidungen, die vor dem Inkrafttreten der neuen Vorschriften erlassen sind, auch nach dem Inkrafttreten noch nach altem Recht und durch die nach bisherigem Recht zuständigen Gerichte zu erledigen sind (BGH NJW 1950 877 = D R Z 1950 499; vgl. auch BGHSt. 10 154, 155). 4. Z u Nr. 1. Nicht mit der Berufung anfechtbar ( § 1 2 1 Abs. 1 Nr. 1 a) sind die in § 313 (vgl. § 334) StPO bezeichneten Urteile. Nicht erwähnt in dem Zuständigkeitskatalog ist die Sprungrevision (§ 335 StPO), die an Stelle einer zulässigen Berufung eingelegt werden kann. Diese Lücke schließt § 335 Abs. 2 StPO, wonach über die Sprungrevision das Gericht entscheidet, das zur Entscheidung berufen wäre, wenn die Revision nach durchgeführter Berufung eingelegt worden wäre, also das Oberlandesgericht gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 1 b. 5. Beschränkungen der Revision finden sich in § 55 J G G — die dort vorgesehene Beschränkung entfällt aber, wenn das Gericht eine Maßnahme angeordnet hat, die gesetzlich nicht zulässig war (OLG Frankfurt N J W 1963 969) — und z. T. in den landesrechtlichen Vorschriften über das Verfahren bei Feld- und Forstzuwiderhandlungen (§ 3 Abs. 3 EGStPO), so z. B. im § 32 des preuß. Forstdiebstahlges. und § 55 des preuß. Feld- und Forstpolizeiges. Solche Vorschriften sind auch noch in Kraft, soweit sie die Berufung ausschließen und bewirken, daß es gegen das erstinstanzliche Urteil kein Rechtsmittel gibt (BGHSt. 4 138; N J W 1960 55). - In Binnen-, Rhein- und Moselschiffahrtsstrafsachen findet gegen das Urteil des Binnenschiffahrts- und des Rhein- und Moselschiffahrtsgerichts (Amtsgericht) stets die Berufung (keine Revision) an das Binnenschiffahrts- und Rheinoder MoselschifTahrtsobergericht (Oberlandesgericht) statt; vgl. die Anm. zu § 14. 6. Zu Nr. 1 b. Wegen der Revisionszuständigkeit, wenn das Berufungsgericht seine Strafgewalt überschritten hat, vgl. Anm. IV 4 zu § 24. Soweit bei der großen Strafkammer eine Verbindung erstinstanzlicher mit Berufungssachen erfolgt ist, fragt sich, ob für die Revision gegen das einheitliche Urteil nur der Bundesgerichtshof oder das Oberlandesgericht in dem Umfang entscheidet, als es ohne Verbindung zuständig wäre. Die Rechtsprechung (RGSt. 31 125, 48 93, 59 363, 74 292; vgl. auch BayObLGSt. 1949/51 S. 398; O L G Düsseldorf M D R 1952 313; BGHSt. 4 208, N J W 1955 1198, 1890; M ü l l e r - S a x l b ; a. M. E b S c h m i d t 8), nimmt mit Recht an, daß der Bundesgerichtshof zuständig ist, da aus zwingenden praktischen Gründen für die Revision über ein Urteil ein und dasselbe Revisionsgericht zuständig sein muß, und zwar das Gericht, dem die höhere Zuständigkeit zukommt (vgl. auch Anm. 7 b). 7. Zu § 121 Nr. l c . Ausschluß der Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs, wenn die Revision nur Verletzung des Landesrechts rügt a) Bundesrecht ist das von den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes gesetzte Recht, das einheitlich in der Bundesrepublik geltende Gewohnheitsrecht, Recht, das nach Art. 124, 125, 127 G G Bundesrecht geworden ist, sowie Recht, das nach Art. 125 Nr. 2 G G partielles Bundesrecht geworden ist. Bundesrecht, das in Berlin durch Landesrecht übernommen ist, ist Bundesrecht i. S. von Nr. l c ; dies gilt auch, wenn es sich nicht um förmlich übernommene Bundesgesetze, sondern um inhaltsgleiche Berliner Gesetze handelt ( S a r s t e d t Revision 34). Landesrecht dagegen ist auch das von den Ländern auf Grund einer bundesgesetzlichen Ermächtigung gemäß Art. 80 Abs. 1 G G , zur Ausfüllung einer bundesrechtlichen Blankettvorschrift oder einer bundesrechtlichen Rahmenvorschrift (Art. 75 G G ) gesetzte Recht (vgl. dazu BVerfGE 18 407; JZ 1965 441; BayVerfGH 1963 11; K e i d e l N J W 1961 2334). b) Wird nicht nur die Verletzung einer landesrechtlichen Norm, sondern auch die Verletzung einer bundesrechtlichen Norm behauptet, so ist der Bundesgerichtshof zuständig (RGSt. 33 110; 57 88). D a ß hiernach dem B G H als einem Gericht des Bundes auch kraft Bundesrechts die Nachprüfung von Landesrecht zusteht, verstößt nicht gegen das G G (Anm. 6 am Ende zu § 3 EGGVG). Hiernach kann das Oberlandesgericht niemals zuständig sein, wenn die Verletzung einer Bestimmung der StPO gerügt wird. Eine Ausnahme von die-

2830

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 121 Anm. 8

sem Grundsatz gilt nur, wenn — was selten vorkommt — die Verfahrensrüge nur zum Schein erhoben ist (RGSt. 40 221), oder wenn neben der Rüge der Verletzung materiellen Landesrechts eine unzulässige — nicht nur offensichtlich unbegründete — Verfahrensrüge erhoben wird ( E b S c h m i d t 6). Im übrigen ist es gleichgültig, ob die angeblich verletzte Rechtsnorm dem Strafrecht, dem sonstigen öffentlichen Recht oder dem Privatrecht angehört. c) Stützt von mehreren Rechtsmittelberechtigten (mehrere Angekl. oder Angeld, und Staatsanwaltschaft) einer die Revision auf Verletzung bundesrechtlicher, der andere auf Verletzung landesrechtlicher Normen, so ist nur der Bundesgerichtshof zuständig, weil dasselbe Urteil nicht der Prüfung verschiedener Revisionsgerichte unterbreitet werden kann (RG GA 45 29; BGHSt. 4 207 = NJW 1953 1313;LM Nr. 7 zu § 121m. Anm. G e i e r ; E b S c h m i d t 7; M ü l l e r - S a x 1 b). Es entspricht dies dem Grundgedanken des § 335 Abs. 3 StPO, wonach bei einer Verschiedenheit der von mehreren Rechtsmittelberechtigten zulässigerweise eingelegten Rechtsmittel (Berufung neben Sprungrevision) zunächst nur ein Gericht (das Berufungsgericht) einheitlich zur Entscheidung berufen ist. A. M. die 19. Aufl. u. H ä r t u n g JR 1925 51 für den Fall, daß mehrere Angekl. Rechtsmittel einlegen, da es sich bei mehreren Angeklagten immer auch um mehrere Strafsachen handele, die nur zum Zwecke gemeinsamer Verhandlung verbunden sind (§ 3 StPO), und ein Mitangeklagter in dem gegen den Angeklagten gerichteten Verfahren nicht „Beteiligter" i. S. des § 335 StPO sei (vgl. dazu Anm. 6 zu § 335; wie hier auch S a r s t e d t , Revision 33). d) Die Frage, auf welche Gesetzesverletzung die Revision „gestützt" und welche Rechtsnorm als verletzt bezeichnet ist, muß das Revisionsgericht, dem die Staatsanwaltschaft gemäß § 347 Abs. 2 StPO die Akten vorlegt, nach Lage des Falles prüfen und beantworten. Es kommt nicht nur auf die von dem Beschwerdeführer ausdrücklich bezeichneten Rechtsnormen an; vgl. StPO §§ 334, 352 und die Anm. das. Der BGH ist also zuständig, wenn zwar ausdrücklich nur die Verletzung von Landesrecht gerügt wird, die Verurteilung insoweit jedoch in Tateinheit mit Verletzung einer bundesrechtlichen Norm erfolgt und die allgemeine Sachrüge erhoben ist (KG JR 1957 230). Andererseits muß jede ausdrückliche Bezeichnung für die Zuständigkeit des Revisionsgerichts Berücksichtigung finden, sollte auch ohne weiteres klar sein, daß nicht die bezeichnete, sondern nur eine andere Rechtsnorm verletzt sein kann. — Rechtsnormen, die zwar bei der Entscheidung über die Revisionsbeschwerde in den Kreis der Beurteilung zu ziehen sind, deren Verletzung aber nicht in Frage steht, bleiben für die Frage der Zuständigkeit außer Betracht. e) Zwischen dem Bundesrecht und dem Landesrecht bestehen mannigfache Zusammenhänge. Die Grundsätze des allgemeinen Teils des StGB gelten auch für die Tatbestände, die in den Landesstrafgesetzen vorgesehen sind (vgl. D r e h e r 3 zu § 2 EGStGB). Diese enthalten ferner vielfach (ausdrücklich oder stillschweigend) Verweisungen auf das StGB. Umgekehrt enthält auch das StGB Bestimmungen, die, anstatt in sich den Tatbestand eines Deliktes erschöpfend zu bestimmen, das Handeln gegen gewisse landesrechtliche Gebote oder Verbote mit Strafe bedrohen, also in dem Landesrecht ihre Ergänzung finden (sog. Blankettstrafgesetze; vgl. z. B. StGB § 361 Nr. 6c, § 368 Nr. 8, § 369 Nr. 3). Hiernach wird über die vorstehend zu d bezeichnete Frage bisweilen eine Meinungsverschiedenheit möglich sein. Es kommt im wesentlichen auf die Revisionsbegründung an (vgl. die Anm. zu § 344; BayObLG JW 1916 502), unter Umständen auch auf den Wortlaut der angeblich verletzten Rechtsvorschrift (RG JW 1911 855). Im Zweifel muß die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs Platz greifen, da sie die regelmäßige ist (ebenso E b S c h m i d t 9); im übrigen lassen sich keine allgemeinen Regeln aufstellen. f) Ein Zuständigkeitsstreit zwischen dem Bundesgerichtshof und dem Oberlandesgericht ist durch § 348 Abs. 2 StPO ausgeschlossen (RGSt. 67 59). g)Dem Landesrecht ist es überlassen, abweichend von § 121 Abs. 1 Nr. l c gemäß Art. 99 G G die Revisionszuständigkeit des BGH zu begründen (vgl. Anm. 6 zu § 3 EGGVG). 8. Hat ein Oberlandesgericht über die Revision erkannt, obwohl der Bundesgerichtshof sachlich zuständig gewesen wäre, so darf der Bundesgerichtshof darüber nicht mehr ent 2831

§ 121

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 9 - 1 2 scheiden. Dem Urteil des Oberlandesgerichts wird durch den Mangel der funktionellen Zuständigkeit nicht die Eigenschaft eines der Rechtskraft fähigen Urteils entzogen; die Rechtskraft der Entscheidung verhindert eine erneute Prüfung durch das sachlich zuständige Gericht (RGSt. 9 14, 2 0 - 2 2 , 324, 330; 22 113, 114; 32 89, 93; 56 351, 352; R G J W 1930 1872); vgl. auch die einen Fall des § 346 StPO betreffende Entsch. RGSt. 55 100, sowie für den Fall, daß ein Oberlandesgericht statt des Bundesgerichtshofs gegen die Versäumung der Revisionsfrist oder der Begründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hat, RGSt. 40 271, 272 und R G Beschl. vom 10. 12. 1926 1 TB 43/26 oder daß im Bußgeldverfahren nach dem OWiG statt des Oberlandesgerichts das Landgericht über eine Rechtsbeschwerde entschieden hat, K G J R 1955 350 mit zustimmender Anm. von S a r s t e d t . A. M. O L G H a m m N J W 1971 1623 mit der unzutreffenden Begründung, daß dem zu Unrecht statt des B G H über die Revision entscheidenden O L G die Gerichtsbarkeit gefehlt habe und die Entscheidung unwirksam sei (ablehnend auch J a u e r n i g N J W 1971 1819; G e p p e r t G A 1972 165). 9. Für die Entscheidung der Frage, ob ein in der ersten Instanz oder ein in der Berufungsinstanz erlassenes Urteil vorliegt, kommt es nicht auf die Verpflichtung der Strafkammer, als Gericht erster oder zweiter Instanz zu erkennen, sondern nur darauf an, in welcher Eigenschaft sie tatsächlich erkannt hat; vgl. Anm. IV 4 zu § 24. 10. Zu Nr. 2. a) Inwieweit in Strafsachen Beschwerde zulässig ist, bestimmen allgemein die §§ 304 ff. StPO und die besonderen die Beschwerde zulassenden Verfahrensvorschriften. b) Strafrichterliche Entscheidungen sind die Beschlüsse, Verfügungen und Urteile (vgl. z. B. § 464 Abs. 3 StPO), die ein Gericht in Strafsachen, gleichviel in welchem Abschnitt des Verfahrens, erläßt; vgl. Anm. 12. 11. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für Beschwerden ist ausgeschlossen, wenn die Zuständigkeit der Strafkammer oder die des Bundesgerichtshofs für die Entscheidung auf die Beschwerde begründet ist. a) Wegen der Zuständigkeit der Strafkammer zur Entscheidung über Beschwerden s. §73. b) Wegen der Zuständigkeit des B G H zur Entscheidung über Beschwerden vgl. §§ 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2; 310 Abs. 1 StPO; §§ 135 Abs. 2, 159 GVG. 12. Eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für Beschwerden in Strafsachen besteht — von § 120 Abs. 3, 4 abgesehen — nach dem in Anm. 11 Ausgeführten und nach §§ 159 und 181 in folgenden Fällen: a) gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils (§ 464 Abs. 3 StPO); gegen Beschlüsse und Verfügungen in Strafsachen erster Instanz, wenn sie erlassen sind a) von dem Landgericht, einschließlich der auswärtigen Strafkammer (§ 78). Ob eine Strafkammer oder der Vorsitzende oder ein beauftragter Richter (vgl. StPO § 304 und die Anm. das.) die angefochtene Entscheidung erlassen hat, ist gleichgültig; nur die Entscheidungen des Untersuchungsrichters machen eine Ausnahme (§ 73); — ß) von dem Schwurgericht, von dem Vorsitzenden oder von einem beauftragten Richter. — y) Die Entscheidung über Beschwerden gegen Entscheidungen der Untersuchungsrichter, der Amtsrichter und der Schöffengerichte steht dem Oberlandesgericht nur im Falle des § 181 (Sitzungspolizei), gegen Entscheidungen der Amtsrichter außerdem im Falle des § 159 (Rechtshilfe) zu. b) gegen Beschlüsse und Verfügungen, die von den Strafkammern in der Berufungsinstanz, also aus Anlaß der Berufung gegen ein schöffengerichtliches oder amtsrichterliches Urteil, nicht aus Anlaß einer Beschwerde, erlassen werden. Selbstverständlich wird auch hier vorausgesetzt, daß die Entscheidung überhaupt durch Beschwerde anfechtbar ist; hierüber s. StPO § 305 und die Anm. das. Die Beschwerde steht z. B. einem Zeugen zu, gegen den die Strafkammer wegen Verweigerung des Zeugnisses eine Strafe oder die Zwangshaft (StPO § 70) verhängt, ebenso einem Angeklagten, gegen den sie einen Haftbefehl erlassen hat usw. — Auch Verfügungen des Vorsitzenden der Strafkammer, soweit sie anfechtbar sind, fallen unter die Vorschrift der Nr. 2 (vgl. O L G Dresden SächsOLG 4 483). 2832

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 121 Anm. 13, 14

c) Gegen die Entscheidungen, die von den Strafkammern in der Beschwerdeinstanz erlassen sind, findet weitere Beschwerde nur statt, wenn sie Verhaftungen oder die einstweilige Unterbringung betreffen (StPO § 310). 13. Weitere, außerhalb des GVG geregelte Zuständigkeiten des Oberlandesgerichts (Strafsenats) ergeben sich a) aus §§ 121, 172 Abs. 4 StPO sowie aus den Aufgaben, die dem Oberlandesgericht als zunächst oberem oder gemeinschaftlichem oberen Gericht nach §§4, 12, 14, 15, 19, 27 StPO obliegen, b) aus dem Deutschen Auslieferungsgesetz vom 23. 12. 1929 (RGBl. I 239): die Entscheidungen über die Auslieferungshaft und über die Zulässigkeit der Auslieferung, Durchlieferung, Herausgabe von Gegenständen und der sonstigen Rechtshilfe in Strafsachen gegenüber dem Ausland (§§ 7, 11, 33, 37,41). c) aus dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. 5. 1953 (BGBl. I 161): die Entscheidung über die Zulässigkeit der Rechts- und Amtshilfe zugunsten der Gerichte und Behörden der DDR, die Entscheidung über die Durchführung eines Verfahrens im Bundesgebiet, wenn ein Gericht der D D R bereits die Untersuchung eröffnet hat, die Entscheidung über die Durchführung eines neuen Verfahrens im Bundesgebiet nach einer in der D D R erfolgten Verurteilung und die Entscheidung über die Unzulässigkeit der Vollstreckung einer Strafe, die ein Gericht der D D R verhängt hat (§§ 5, 9, 10 Abs. 2, 11 Abs. 2, 15). d) aus dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. 5. 1968 (BGBl. I 481): die Entscheidung über die (revisionsartige) Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen des Amtsrichters, wenn der Betroffene gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde Einspruch eingelegt hatte (§ 79). Wegen der Zuständigkeit des OLG bei Kartellordnungswidrigkeiten vgl. § 82 GWB i. d. F. vom 3. 1. 1966 (BGBl. I 37). e) aus § 29 EGGVG. f) Die Entscheidung über die Wahlanfechtung (§ 21 b Abs. 6 Satz 2) kann durch die Geschäftsverteilung auch einem Strafsenat zugewiesen werden. Zu Absatz 2. Literatur: Einleitung S. 143; B a u e r , Der Gedanke der Einheitlichkeit der Rechtsprechung im geltenden Prozeßrecht JZ 1953 326; J a g u s c h NJW 1959 265, 269; S c h r ö d e r , Rechtseinheit und richterliche Entscheidungsfreiheit NJW 1959 1517; derselbe: Der tragerideRechtsgrund einer Entscheidung, MDR 1960 809; H a n a c k , Der Ausgleich divergierender Entscheidungen in der oberen Gerichtsbarkeit, 1962 (umfassende monographische Behandlung des Ausgleichsproblems); M ü l l e r , Abweichen von einer Entscheidung, NJW 1963 2660; S c h e f o l d , Zweifel des erkennenden Gerichts, Berlin 1971; W e y r e u t h e r , Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, Beck, München 1971. 14. Allgemeine Bedeutung, a) Eine Vorschrift von großer praktischer Bedeutung ist die durch Absatz 2 (eingefügt durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950) begründete Vorlegungspflicht. Eine solche sah bereits, allerdings in nicht so weitgehendem Umfang, Art. 68 Nr. 30 Entw. EG StGB 1930 vor (vgl. dazu Einleitung S. 143). Die Vorlegungspflicht ist ein wesentlicher Bestandteil der Maßnahmen, die die neuere Gesetzgebung ergriffen hat, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sicherzustellen, d. h. eine verschiedenartige Beantwortung der gleichen Rechtsfrage durch die letztinstanzlich entscheidenden oberen Gerichte auszuschließen. Zu diesem Problem sei grundsätzlich folgendes bemerkt: Gesetzgeberische Maßnahmen zur Erhaltung einer einheitlichen Rechtsauslegung sind besonders dringlich geworden, nachdem die moderne Rechtsentwicklung dazu geführt hat, daß in beträchtlichem Umfang die Rechtsprechung durch die Lückenausfüllung (vgl. Anm. III zu § 1) neben den Gesetzgeber und an seine Stelle getreten ist. Die Setzung einheitlichen Rechts durch den Gesetzgeber verbürgt jetzt nicht mehr die Rechtseinheit, sie läßt sich nicht erzielen ohne gleichzeitige Vorkehrungen zur Herbeiführung und Erhaltung einheitlicher Rechtsaus2833

§ 121

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 15 legung. Die Vorschrift des § 136 G V G konnte jetzt nicht mehr genügen, es mußte für das Gesamtgebiet der Rechtsprechung ein System solcher Erhaltungsmaßnahmen geschaffen werden (vgl. dazu die umfassende Darstellung bei H a n a c k ; Übersichten über die für die einzelnen Gerichtsbarkeitszweige und die verschiedenen Rechtsprechungsgebiete getroffenen gesetzgeberischen Maßnahmen, auf die zur Ergänzung der nachstehenden Ausführungen verwiesen wird, auch z. B. bei S c h r ö d e r N J W 1959 1517; M ü l l e r N J W 1963 2061). b) Divergenzausgleichsmaßnahmen. Um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zwischen den obersten Bundesgerichten, den höchsten Gerichten der verschiedenen Gerichtsbarkeitszweige (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof und Bundessozialgericht) zu wahren, ist gemäß Art. 95 Abs. 3 G G durch Ges. vom 19. 6. 1968 (BGBl. I 661) ein Gemeinsamer Senat gebildet worden (dazu S c h m i d t R ä n t s c h DRiZ 1968 325). Um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung innerhalb des einzelnen obersten Bundesgerichts, also zwischen den verschiedenen Senaten des gleichen Gerichts, zu wahren, ordnet, soweit es sich um den Bundesgerichtshof als das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit handelt, § 136 G V G die Pflicht zur Anrufung der großen Senate für Zivil- oder Strafsachen oder der Vereinigten Großen Senate an, wenn die Senate in einer Rechtsfrage voneinander abweichen wollen. Entsprechende Vorschriften bestehen für die übrigen obersten Bundesgerichte (vgl. Anm. 3 zu § 136). Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zwischen den verschiedenen Oberlandesgerichten, wenn sie in Strafsachen letztinstanzlich entscheiden, und zwar untereinander und zwischen dem Bundesgerichtshof, zu gewährleisten, ist der Zweck des § 121 Abs. 2. In gleicher Weise ist Vorsorge zur Erhaltung einheitlicher Gesetzesauslegung getroffen, wenn die Oberlandesgerichte auf dem dem Kriminalunrecht aufs engste verwandten Gebiet des Ordnungswidrigkeitsrechts letztinstanzlich auf Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren zur Entscheidung berufen sind (vgl. unten Anm. 31). Außerhalb des Strafverfahrens (im engeren Sinn) und des Bußgeldverfahrens finden sich Vorschriften, die durch Begründung einer Pflicht zur Vorlegung oder Zulassung der (sonst nicht gegebenen) Revision eine Abweichung des entscheidenden Oberlandesgerichts von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte oder wenigstens des Bundesgerichtshofs ausschließen wollen, in § 27 des Deutschen Auslieferungsgesetzes vom 23. 12. 1929 (RGBl. I 239), in § 29 E G G V G — betr. Auslegungsstreit bei gerichtlicher Nachprüfung von Justizverwaltungsakten in § 28 F G G , § 79 Abs. 2 GBO, § 546 Abs. 2 ZPO, § 2 1 b Abs. 6 Satz 4 G V G i. V. m. § 28 F G G . c) Wegen der Wahrung einheitlicher Rechtsprechung auf anderen Rechtsprechungsgebieten vgl. u. a. § 219 Abs. 2 BEG, § 132 VwGO, § 73 GWB, § 69 A r b G G , § 145 Abs. 2 BRAO und für die Verfassungsgerichtsbarkeit Art. 100 Abs. 3 G G . d) Auch zur Herbeiführung einheitlicher Auslegung supranationalen Rechts bestehen Vorkehrungen, vgl. insoweit wegen des Rechts der europäischen Gemeinschaften (EWGVertrag, Montanvertrag, Euratom) R u n g e NJW 1963 748, E h l e N J W 1963 933. S. auch P a e t o w M D R 1972 1004. c ) D i e Ausformungen des gesetzgeberischen Willens in den einzelnen Vorschriften des nationalen Rechts weisen, namentlich in der Formulierung, Unterschiede auf, die in der Sache nicht begründet sind. Die Bemühungen des Schrifttums (vgl. die Angaben vor Anm. 14) sind darauf gerichtet, aus einer Gesamtschau einheitliche Auslegungsmaßstäbe zu gewinnen, die eine möglichst gleichförmige Handhabung der Vorschriften über den Divergenzausgleich in seinen verschiedenen Erscheinungsformen und innerhalb der einzelnen Gerichtsbarkeitszweige bezwecken. Im Sinne dieser Bemühungen liegt auch eine möglichst übereinstimmende Handhabung der Vorlegungspflicht nach § 121 Abs. 2 und der Anrufungspflicht nach § 136, sofern nicht durch die Sache gebotene Unterschiede dem entgegenstehen. 15. Ausdrückliche gesetzliche Vorschriften zur Gewährleistung einer einheitlichen Gesetzesauslegung innerhalb desselben Oberlandesgerichts, also bei Abweichungen zwischen seinen verschiedenen Senaten (sog. Innendivergenz) kennt das G V G nicht. Der Landesgesetzgebung ist es allerdings überlassen, im Rahmen des § 9 E G G V G bei Errichtung eines obersten Landesgerichts nach dem Vorbild des § 136 G V G die Einrichtung Großer Senate vorzusehen. Für die übrigen Oberlandesgerichte entsprechende Bindungen vorzuschreiben, 2834

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 121 Anm. 16, 17

würde einen die Befugnisse des Landesgesetzgebers überschreitenden Eingriff in die bundesrechtlich geregelte Materie des GVG bedeuten. Eine andere Frage ist, ob nicht bereits § 121 Abs. 2 unmittelbar auch den Fall erfaßt, daß bei einem Oberlandesgericht mehrere Strafsenate bestehen und einer von dem anderen abweichen will, ohne daß darin (bei einer vom Bundesgerichtshof noch nicht behandelten Rechtsfrage) zugleich eine Abweichung vom Bundesgerichtshof läge (vgl. unten Anm. 20 b). 16. a) Beschränkungen der Vorlegungspflicht. § 121 Abs. 2 hat die Vorlegungspflicht auf den Fall beschränkt, daß ein Oberlandesgericht von einer Entscheidung des BGH oder von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts, die dieses als Revisionsgericht erlassen hat, abweichen will (vgl. Anm. 18 a, 22 b). Nach dem den § 121 Abs. 2 erweiternden § 18 Abs. 2 des Ges. vom 19. 6. 1968, BGBl. I 661 (abgedr. oben im Anschluß an den Text des § 121) besteht die Vorlegungspflicht an den BGH auch dann, wenn ein OLG von einer Entscheidung des durch das genannte Gesetz gebildeten Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweichen will. Den weitergehenden Schritt, die Vorlegungspflicht auch da einzuführen, wo ein Oberlandesgericht als letztinstanzliches Beschwerdegericht von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts als Revisions- oder Beschwerdegerichts abweichen will, hat das Gesetz nicht getan. Dem liegt offenbar der Gedanke zugrunde, die Entscheidungsfreiheit der Oberlandesgerichte nicht weiter einzuschränken, als es zur Wahrung der Rechtsprechungseinheit unerläßlich ist (BGH MDR 1955 754), aber auch die Erwägung, daß schon die in aller Regel bestehende Eilbedürftigkeit bei Beschwerdeentscheidungen Verzögerungen durch Vorlegung ausschließt und daß sich aus praktischen Gründen die Beschränkung auf die Revisionsentscheidungen empfiehlt, die auf einer umfassenden und vertieften rechtlichen Prüfung beruhen. Das Gesetz kennt auch nicht die Möglichkeit, daß sich ein Amts- oder Landgericht, wenn eine Rechtsfrage zwischen verschiedenen Oberlandesgerichten streitig ist, der ihm obliegenden Entscheidung enthält und die Sache dem Oberlandesgericht vorlegt (vgl. dazu den Fall BGHSt. 13 303 = NJW 1960 207). Allerdings würde es dem Gedanken der Sicherung einer einheitlichen Rechtsauslegung entsprechen, daß — etwa wenn ein neues Gesetz tiefgehende Auslegungsstreitigkeiten im Schrifttum und in der Rechtsprechung der Instanzgerichte hervorruft — schon in einem frühen Stadium die Möglichkeit einer verbindlichen Kontroversenbereinigung ohne Durchlaufung des zeitraubenden Instanzenzugs bestünde. Auf diesem Gedanken beruht § 18 Abs. 4 Satz 1 der WehrbeschwerdeO, wonach das Truppendienstgericht dem BVerwG (Wehrdienstsenat) Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vorlegen kann, wenn dies nach seiner Auffassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Eine ähnliche Vorschrift enthält § 80 OWiG, wonach das OLG eine Rechtsbeschwerde auf Antrag zuläßt, wenn es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (vgl. dazu BGHSt. 24 15, 21; D e m u t h und S c h n e i d e r NJW 1970 1999). S. dazu weiter auch § 27 Abs. 2 DAG, der dem Generalbundesanwalt und dem Generalstaatsanwalt das Recht gibt, in einer Auslieferungssache den BGH zur Klärung einer Rechtsfrage anzurufen, ohne daß ein OLG mit der Frage befaßt ist oder gewesen ist und nach irgendeiner Richtung rechtliche Bedenken zu erkennen gegeben hat (vgl. BGHSt. 20 152). In verallgemeinerter Form hätte ein solches Verfahren aber auch gewichtige Nachteile: Die Kontroverse würde zwar im Keim erstickt, aber zu einer Zeit, in der es noch an genügend praktischen Erfahrungen fehlt, um einigermaßen abschließend die Auswirkungen in diesem oder jenem Sinn zu übersehen, und es wäre sehr die Frage, ob die erste kontroversenbereinigende Entscheidung auf die Dauer Bestand hätte. b) Über die Bedeutung des § 121 Abs. 2 für die Frage, wie sich streitige Rechtsfragen auf die Verfolgungspflicht der Staatsanwaltschaft auswirken, vgl. Vorbem. 5 a vor § 141. 17. Kritische Einwendungen gegen die in § 121 Abs. 2 getroffene Regelung werden jetzt nur noch in geringem Umfang erhoben. a) Grundsätzliche Bedenken: Nach P e t e r s , Festschrift für E b S c h m i d t (1961) 497 birgt die Vorlegungspflicht die Gefahr in sich, daß abstrakte Rechtssätze aufgestellt werden, 2835

§ 121

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 18 die den konkreten Sachverhalt, aus dem die Rechtsfrage erwachsen ist, nicht genügend berücksichtigen. Sie widerspreche der Würde des Vorlegungspflichtigen Richters, jeder Richter müsse sein Urteil selbst verantworten. Eine Vorlegungspflicht solle nur in den seltenen Fällen einer grundsätzlichen Abweichung in strafrechtlichen Hauptfragen in Betracht kommen. Darauf ist nur zu erwidern, daß die gleichen Bedenken auch gegen die Anrufungspflicht nach § 136, aber auch gegen die Revision in ihrer heutigen Gestalt erhoben werden Könnten. Nach S a r s t e d t , Revision 36 ist die Vorlagepflicht eine „Übertreibung". Vor ihrer Einführung seien ernste Mißstände in langen Jahrzehnten nicht hervorgetreten. Sie entmutige das Suchen nach eigenen Lösungen und begünstige einen gedankenlosen Leitsatzkult. Sie bedeute eine im deutschen Verfahrensrecht systemwidrige Einschränkung des Grundsatzes richterlicher Entscheidungsfreiheit. Es wäre besser, wenn der B G H die Oberlandesgerichte durch das Gewicht seiner Gründe überzeugte. Auch dieser Kritik kann nicht zugestimmt werden. Schon die Begründung zu Art. 68 Ziff. 30 E G S t G B 1930 wies auf häufige Abweichungen der Oberlandesgerichte von der Rechtsprechung des Reichsgerichts oder anderer Oberlandesgerichte hin. Wie es heute aussähe, wenn die Vorlegungsfrist nicht bestünde, zeigt ein Blick in die Amtl. Sammlung der Entscheidungen des B G H , die zum großen Teil Entscheidungen enthält, die auf Vorlegung nach § 121 Abs. 2 ergangen sind. Ferner könnte der B G H die Oberlandesgerichte nicht in Rechtsfragen „überzeugen", zu denen er (ohne die Vorlegungspflicht) nur selten (Übertretungen) oder überhaupt nicht (Bußgeldverfahren) Gelegenheit zu Entscheidungen hat. Auch lassen sich die Oberlandesgerichte nicht immer durch Entscheidungen des B G H „überzeugen"; von den etwa 188 Vorlegungen in der Zeit von 1950 bis Ende 1961 entfallt etwa ein knappes Drittel auf beabsichtigte Abweichungen von der Rechtsprechung des B G H ( H a n a c k 43; vgl. auch S a r s t e d t D R i Z 1960 352). Außerdem gibt es Kontroversen — und gerade sie sind die zählebigsten —, bei denen gleichgute Gründe für die eine wie für die andere Auffassung sprechen und wirklich überzeugende Gründe für ein Übergewicht der einen gegenüber der anderen Auslegung kaum zu finden sind. Hier bleibt gar nichts übrig, als die Kontroverse durch ein „Machtwort" zu beseitigen, das rascher vom ranghöchsten Revisionsgericht als vom Gesetzgeber gesprochen wird. Schließlich kann von einem systemwidrigen Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Oberlandesgerichte nicht gesprochen werden, nachdem der Ausgleich divergierender letztinstanzlicher Entscheidungen der obersten Gerichte zu einem tragenden Grundsatz des modernen Verfahrensrechts auf allen bedeutsamen Rechtsprechungsgebieten erhoben und das Divergenzausgleichungsprinzip hier fast lückenlos durchgeführt worden ist (vgl. oben Anm. 14 und Anm. 3 zu § 136). Der Weg des § 121 Abs. 2 ist endlich nicht nur viel rascher, sondern auch viel elastischer als eine Inanspruchnahme des Gesetzgebers zur Bereinigung von Kontroversen: ermöglicht er doch, durch erneutes Beschreiten dieses Wegs wiederum rasch Abhilfe zu schaffen, wenn die praktische Erprobung der Auslegung des B G H oder veränderte Umstände zu erneuter Überprüfung Veranlassung geben. Gegen S a r s t e d t auch H a n a c k 353ff., 362ff. b) Technische Mängel des § 121 Abs. 2 sieht S a r s t e d t Revision S. 37 („technisch nicht zu Ende gedacht") und ihm folgend E b S c h m i d t Anm. 13, 14 („unvollkommene gesetzgeberische Leistung") darin, daß § 121 Abs. 2 zwar eine Vorlegung bei jeder beabsichtigten Abweichung fordere, praktisch aber die Vorlegungspflicht — in Ermangelung einer amtlichen Sammlung — von dem Zufall abhänge, ob die Vorentscheidung überhaupt veröffentlicht worden sei. Diese Kritik ist unberechtigt. Das Vereinheitlichungsgesetz v. 12. 9. 1950 fand als Vorbilder die bereits seit Jahrzehnten bestehenden und durchaus bewährten § § 2 8 F G G , § § 7 9 G B O vor und tat klug daran, sie unverändert zu übernehmen (ebenso H a n a c k 380, der auch darauf hinweist, daß bei Schaffung der § § 2 8 F G G , § § 7 9 G B O die gleichen Einwendungen erhoben wurden wie jetzt von S a r s t e d t und E b S c h m i d t gegenüber § 121 Abs. 2). Die Erfahrung zeigt übrigens, daß alle bedeutsameren Entscheidungen auf diesem oder jenem Weg veröffentlicht werden. Damit ist dem praktischen Bedürfnis, sichtbar gewordene Kontroversen im Interesse einer einheitlichen Rechtsauslegung rasch und elastisch zu bereinigen, vollauf Genüge getan. Perfektionismus anzustreben, wäre verfehlt und hieße Wohltat in Plage verwandeln. 18. a) Die Vorlegungspflicht besteht für das O L G nur, wenn es bei der Entscheidung über die Revision, also bei einer die Revisionsinstanz abschließenden Entscheidung abwei2836

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 121

Anm. 19 chen will. Soweit das O L G als Beschwerdeinstanz tätig wird (Absatz 1 Nr. 2) oder andere ihm nach der StPO obliegende Aufgaben erfüllt (z. B. nach § 172 StPO oder als gemeinschaftliches oberes Gericht nach §§ 14, 19 StPO) entfallt schon nach dem Wortlaut des Absatzes 2 die Pflicht zur Vorlegung. Dies gilt auch im Fall des § 305 a Abs. 2 StPO (ebenso M ü l l e r - S a x 2 a , aa; E b S c h m i d t 17; a. M. H a n a c k 223). Sie ist aber auch dann nicht gegeben, wenn das Revisionsgericht nicht über die Revision, sondern über ein Gesuch um Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist (§ 46 Abs. 1 StPO) entscheidet (BayObLGSt. 1950/51 556 = JR 1952 207; St. 1966 10, 12; G A 1971 115 [GrSenf.Strafs.]; M ü l l e r - S a x 2a, aa; E b S c h m i d t 17; a. M. H a n a c k 222 unter Hinweis auf BGHZ. 8 310). Uber eine A u s n a h m e s. unten Anm. 22c. Das gleiche gilt, wenn das Revisionsgericht darüber zu befinden hat. ob für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeverfahrens das Revisionsgericht oder der letzte Tatrichter zuständig ist (OLG Köln NJW 1963 546), oder wenn es eine Ungebührstrafe verhängt (§ 176 GVG). Dagegen ist es für das Vorliegen einer Entscheidung „über die Revision" ohne Bedeutung, ob über die Zulässigkeit oder die Begründetheit des Rechtsmittels entschieden wird, ob das O L G nach durchgeführter Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden oder außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß, z. B. gemäß § 349 Abs. 1 StPO oder gemäß § 346 Abs. 2 StPO die Revisionsinstanz abschließen will (BGHSt. 11 152; 15 203, 204; 22 213, 215). Hierher gehören auch Beschlüsse gemäß § 2 0 6 a StPO (h. M.; vgl. auch B G H N J W 1971 106; zur Bejahung neigend auch BGHSt. 12 213, 216; offen gelassen von O L G Celle N J W 1970 720), denn da die Vorlegungspflicht bei beabsichtigter Einstellung des Verfahrens durch Urteil wegen eines Verfahrenshindernisses besteht, kann ein entsprechender Beschluß außerhalb der Hauptverhandlung, soweit er zulässig ist, nicht anders behandelt werden. Dabei ist es gleichgültig, ob das Verfahrenshindernis, das zur Beendigung der Revisionsinstanz zwingt, schon vor Erlaß des angefochtenen Urteils oder — wie eine Amnestie oder eine erst in der Revisionsinstanz eingetretene Verjährung — erst nach diesem Zeitpunkt entstanden ist; in beiden Fällen ist der Einstellungsbeschluß eine Entscheidung über die Revision, d. h. eine die Revisionsinstanz abschließende Entscheidung (a. M. E b S c h m i d t 18). b) Vorzulegen hat das Oberlandesgericht auch, wenn die zu bescheidende Revision eine Sprungrevision (§ 335 Abs. 1 StPO) ist. Dieser Fall ist zwar in Absatz 2 nicht erwähnt, weil schon der Zuständigkeitskatalog des Absatzes 1 Nr. 1 unvollständig ist (vgl. oben Anm. 4). Es kann aber nicht zweifelhaft sein, daß es sich hier um eine offensichtlich ungenaue Fassung handelt und daß nach Sinn und Zweck des Absatzes 2 die Vorlegungspflicht, wenn statt der Berufung Revision eingelegt ist, genau so besteht, wie wenn nach vorgängigem Berufungsverfahren Revision eingelegt ist (BGHSt. 2 63; 13 388, 389; 17 280, 283, 401). c) Keine Vorlegungspflicht besteht im Fall des Absatzes 1 Nr. 1 c, auch wenn die Entscheidung über die ausschließlich auf die Verletzung von Landesrecht gestützte Revision unter Anwendung von Bundesrecht ergeht und dabei eine Abweichung von früheren oberstgerichtlichen Entscheidungen zur gleichen Rechtsfrage erfolgt. Uber die Gründe für diese Beschränkung der Vorlegungspflicht ist aus der Begründung nichts zu entnehmen. Möglicherweise liegt ihr der Gedanke zugrunde, daß es sich in solchen Fällen um Nebenpunkte handele und daß es nicht angebracht sei, den Abschluß des Verfahrens durch die Klärung von Rechtsfragen zu verzögern, die meist für den Bestand des erstinstanzlichen Urteils im übrigen von geringerer Bedeutung sein dürften. Jedenfalls kann der Grund der Beschränkung nicht darin liegen, daß der Bundesgerichtshof nicht zur Bescheidung von Streitfragen, die auf dem Boden des Landesrechts erwachsen sind, herangezogen werden solle, denn in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 a und b ist die Vorlegungspflicht unabhängig davon, ob die beabsichtigte Abweichung Bundes- oder Landesrecht betrifft (vgl. unten Anm. 21 a). 19. Beabsichtigte Abweichung von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs a) Die Vorlegungspflicht besteht nicht, wenn das Oberlandesgericht von einer nach dem 1.4. 1950 ergangenen Entscheidung des früheren Obersten Gerichtshofs für die britische Zone oder des früheren Deutschen Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet abweichen will, aber auch nicht bei beabsichtigter Abweichung von der Entscheidung des 2837

§ 121

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 20 obersten Bundesgerichts eines anderen Gerichtsbarkeitszweiges (der Verwaltungsgerichtsbarkeit usw.). Sie besteht dagegen auch, wenn der Senat des Bundesgerichtshofs, der die Entscheidung erlassen hat, nicht mehr besteht, denn dadurch hat die Entscheidung ihre Bedeutung für die Rechtsauslegung nicht verloren (BGHSt. 13 46, 48; 17 360 = N J W 1962 1685 = M D R 1962 918; BGHSt. 24 209 = N J W 1971 2273; E b S c h m i d t 24; a. M. O L G Neustadt M D R 1958 538). Das gleiche gilt, wenn es sich um die Entscheidung eines Feriensenats handelt. b) Gutachtliche Stellungnahmen des Bundesgerichtshofs, die er früher abgab, wenn ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 G G in Verb, mit § 80 a. F. BVerfGG einholte, sind keine Entscheidungen i. S. des § 121 Abs. 2 G V G (BGHSt. 17 369, 371). c) Wenn zu der Rechtsfrage, mit der sich das Oberlandesgericht zu befassen hat, unter sich voneinander abweichende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vorliegen, so kann, falls sie von dem gleichen Senat des Bundesgerichtshofs stammen, das Oberlandesgericht, auch wenn dies in der zuletzt ergangenen Entscheidung nicht ausdrücklich hervorgehoben wird, sich darauf verlassen, daß der betreffende Senat des Bundesgerichtshofs seine frühere Rechtsprechung damit aufgegeben hat. Liegen abweichende Entscheidungen verschiedener Senate des Bundesgerichtshofs vor, so ist die Vorlagepflicht selbstverständlich, wenn das Oberlandesgericht von beiden abweichen und sich zu einer dritten Meinung bekennen will. Aber auch wenn es sich einer der Auffassungen des Bundesgerichtshofs anschließen und damit von der anderen abweichen will, ist das Oberlandesgericht zur Vorlegung verpflichtet, auch wenn beim Bundesgerichtshof die Anrufung des großen Senats unterblieben ist (BGHSt. 5 136 = N J W 1954 202). Denn die Vorlegung zwingt nunmehr den zur Entscheidung nach § 1 2 1 Abs. 2 zuständigen Senat des Bundesgerichtshofs, erforderlichenfalls seinerseits den großen Senat nach § 136 anzurufen. Die frühere Auffassung, daß beim Bundesgerichtshof die Abweichung von einer Entscheidung keine Anrufung nach § 136 erforderlich mache, wenn diese Entscheidung ihrerseits von einer früher ergangenen abweicht und der zuletzt erkennende Senat sich der ersten Entscheidung anschließt (vgl. Anm. 7 zu § 136), ist inzwischen aufgegeben worden (BGHSt. 10 94 = N J W 1956 351). Damit sind die Bedenken weggefallen, die bei Zugrundelegung der früheren Auffassung mit Recht gegen die Vorlegungspflicht nach § 121 Abs. 2 erhoben wurden (vgl. Anm. 16 c der 20. Aufl.), daß nämlich in diesen Fällen die Vorlegung durch das Oberlandesgericht ihren Zweck verfehle, eine einheitliche Rechtsauslegung herbeizuführen, wenn nicht zugleich die Kontroverse innerhalb des Bundesgerichtshofs bereinigt werde. 20. Beabsichtigte Abweichung von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts. a) Dazu gehört auch das BayObLG, das auf seinem Zuständigkeitsgebiet die Aufgaben wahrnimmt, die sonst den bayerischen Oberlandesgerichten zuständen (§ 9 EGGVG). Entsprechend dem Zweck der Vorschrift, die einheitliche Rechtsauslegung im Geltungsbereich des § 121 Abs. 2 zu gewährleisten, kommen nur die in diesem Gebiet bestehenden Oberlandesgerichte in Betracht, also nicht ein dem Oberlandesgericht entsprechendes Gericht der D D R (ebenso O L G Hamm N J W 1954 724 betr. § 28 FGG). b) Ob auch ein anderer Senat des gleichen Oberlandesgerichts ein „anderes" Oberlandesgericht ist, wird für andere Gesetze, die eine ähnliche Vorlegungspflicht begründen (vgl. Anm. 14) vielfach verneint (z. B. von O G H Z 1 13 = N J W 1947/48 554 = M D R 1948 408; B a u r JZ 1953 327 Anm. 12; s. ferner K e i d e l - W i n k l e r Rdn. 21 zu § 2 8 FGG). Die Frage wurde offengelassen von BVerwG 1954 852 betr. die Oberverwaltungsgerichte; s. dazu jetzt § 12 VwGO. Weitere Nachweise über die Behandlung der Frage in anderen Gerichtsbarkeitszweigen bei H a n a c k 29 Fußn. 20, 21. Für § 121 Abs. 2 aber wird die Frage bejahend beantwortet werden müssen (ebenso K e r n , ZStrW 71 434; GV Recht 161; N ü s e JR 1956 437 und DRiZ 1968 87; S c h r ö d e r N J W 1959 1520 Fußn. 30; H a n a c k 311 f.; s. auch die Glosse N J W 1958 51; a. M. Kl [30] 6; E b S c h m i d t 12; M ü l l e r - S a x 4; D a l c k e - F . - S c h . 5; S a r s t e d t 38). Denn die Folgen einer ungleichmäßigen Rechtsauslegung zwischen zwei Strafsenaten des gleichen O L G sind mindestens so bedenklich, ja noch bedenklicher als die Abweichung zwischen verschiedenen Oberlandesgerichten: der Zufall, ob der Angeklagte vor den einen oder den anderen Strafsenat des gleichen Gerichts 2838

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 121

Anm. 21 kommt, könnte für die Entscheidung ausschlaggebend sein, was gewiß dem Rechtsgefühl widerstreitet und nicht verstanden würde. Auch muß ohnehin ein anderes Oberlandesgericht, das demnächst von der einen oder anderen Entscheidung des gleichen OLG abweichen will, den Weg des § 121 Abs. 2 beschreiten (BGHSt. 10 109, 111; 18 268, 269; 22 321, 323). Auch gilt hier die in BGHSt. 17 360, 363 (in anderem Zusammenhang) angestellte Erwägung, daß der Senat, der von der Entscheidung eines anderen Senats des gleichen Oberlandesgerichts abweichen will, damit rechnen muß, daß sich inzwischen andere Oberlandesgerichte in nicht veröffentlichten Entscheidungen der vorangegangenen Entscheidung angeschlossen haben. Der Wortlaut des § 121 Abs. 2 steht einer seinem Sinn entsprechenden Auslegung nicht entgegen; ohne Zwang können die Worte „Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts" im Sinne von „anderen oberlandesgerichtlichen Entscheidungen" verstanden werden. Wenn ein solcher Wortlaut nicht gewählt wurde, so doch wohl deshalb, weil sie eine (nicht gewollte) Bindung des entscheidenden Senats an seine eigenen früheren Entscheidungen bedeutet hätte. Nach E b S c h m i d t Anm. 12 ist eine solche Umdeutung unzulässig, weil sie den Inhalt des nur auf Bereinigung der Außendivergenz gerichteten Rechtssatzes verändere. In Wirklichkeit handelt es sich aber nur um die Schließung einer „seltsamen Lücke" ( S a r s t e d t Revision 37), eines „eklatanten und krassen Widerspruchs" zu dem Zweck des § 121 Abs. 2 ( H a n a c k 312) durch eine zulässige berichtigende Auslegung des unvollkommenen Gesetzeswortlauts in Übereinstimmung mit der gesetzgeberischen Grundtendenz. Daß auch die Bereinigung der Innendivergenz den Divergenzausgleichsbestrebungen des Gesetzgebers entspricht, zeigt Art. 68 Nr. 30 Entw. EGStGB 1930. Dort war über die vorgeschlagene Vorlegungspflicht (oben Anm. 14) hinaus ein § 122 d GVG vorgesehen, wonach die §§ 136, 138 GVG entsprechende Anwendung finden sollten, wenn in einer Rechtsfrage des Landesstrafrechts, Landesstrafprozeßrechts oder Landesgerichtsverfassungsrechts die Strafsenate desselben Oberlandesgerichts voneinander abweichen wollten. Auch von dem hier vertretenen Standpunkt aus besteht keine Vorlegungspflicht, wenn bei einer Verteilung der Senatszuständigkeit nach Materien (Verkehrsdelikte, Rechtsbeschwerden im Bußgeldverfahren usw.) die Zuständigkeit zwischen mehreren Strafsenaten gewechselt hat und der jetzt zuständige Senat von einer Entscheidung seines Vorgängers in der Zuständigkeit abweichen will; dieser Fall liegt nicht anders, als wenn ein Senat seine eigene Rechtsprechung ändert. c)Auch die nach 1.4.1950 ergangene Entscheidung eines nicht mehr bestehenden Oberlandesgerichts — seidem sind die Oberlandesgerichte Tübingen und Freiburg aufgehoben worden — ist zu beachten, denn die Entscheidungen haben auch nach Wegfall der Gerichte für die Auslegung des Gesetzes ihre Bedeutung behalten (ebenso E b S c h m i d t 23 und M D R 1958 815; H a n a c k 294; Kl 5; a. M. N ü s e JR 1956 437 und S a r s t e d t 38), wie denn ja auch Entscheidungen eines nicht mehr bestehenden BGH-Senats vorlegungsbedeutsam bleiben (oben Anm. 19 a). Anders liegt es nur, wenn das Oberlandesgericht, das territorial die Nachfolge des aufgehobenen Oberlandesgerichts übernommen hat, sich von der Rechtsansicht des aufgehobenen OLG abkehrt; das entspricht dann der im vorhergehenden Absatz (a. E.) erörterten Rechtslage. Ganz unproblematisch ist die Rechtslage, wenn das OLG lediglich seinen Sitz gewechselt hat (wie das OLG Neustadt nach Zweibrücken). 21. Wegfall der Vorlegungspflicht, a) Die Vorlegungspflicht entfällt, wenn das andere Oberlandesgericht seine Rechtsprechung aufgegeben hat. Das gleiche gilt, wenn es auf Anfrage (des OLG, das abweichen will, oder des BGH, dem vorgelegt ist) erklärt, daß es an seiner früheren Entscheidung nicht mehr festhalte. Die Übernahme dieser im Fall des § 136 GVG (vgl. dort Anm. 6) geübten Praxis hat sich nach den bisherigen Erfahrungen bewährt und widerspricht weder dem Wortlaut noch dem Sinn des § 121 Abs. 2 (so auch BGHSt. 14 319, 401; 18 268, 269 und die Praxis der Oberlandesgerichte - vgl. z. B. BGHSt. 17 399; OLG Schleswig NJW 1963 1935; KG NJW 1972 1531 - ; S c h r ö d e r NJW 1959 1520; D a l c k e - F . - S c h . 5; a. M. Kl 5; K l e i n k n e c h t JZ 1959 182; E b S c h m i d t 25; H a n a c k 309ff.). Der Fall, daß ein OLG beim BGH anfragt, ob er an seiner Rechtsprechung festhalte (dazu K l e i n k n e c h t aaO.), ist unpraktisch und bedarf keiner Erörterung. b) Eine zur Vorlage zwingende Abweichung von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts liegt nicht vor, wenn nach dieser eine abweichende Entscheidung des Bundes2839

§ 121

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 22 gerichtshofs — gleichviel, ob eines Straf- oder eines Zivil- oder sonstigen Senats (BGHSt. 13 373 = N J W 1960 302) — ergangen ist und das jetzt entscheidende Oberlandesgericht sich dem Bundesgerichtshof anschließt; mit dem Ergehen einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs verlieren die zeitlich vorangegangenen Entscheidungen der Oberlandesgerichte zu der gleichen Rechtsfrage ihre Bedeutung für die Frage der Vorlegungspflicht (ebenso BGHSt. 13 149, 373; 21 314). Das muß aber auch gelten, wenn nach dem Ergehen einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs — auch einer unveröffentlichten (BGHSt. 19 387) — ein Oberlandesgericht (in Unkenntnis dieser Entscheidung oder Übersehung der Vorlegungspflicht) abweichend entschieden hat; ein anderes Oberlandesgericht, das sich dem Bundesgerichtshof anschließen und damit von dem anderen Oberlandesgericht abweichen will, braucht nicht vorzulegen. Denn die Bedeutung einer oberlandesgerichtlichen Entscheidung gegenüber einer solchen des Bundesgerichtshofs in Ansehung der Vorlegungspflicht kann nicht gut verschieden sein, je nachdem sie vor oder nach Ergehen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs erlassen worden ist (so auch BGHSt. 13 149 = N J W 1959 1450; BGHSt. 17 360, 362; B a y O b L G 1957 388 und - zu § 28 F G G - B G H Z 15 151 = N J W 1955 105). Auch das Schrifttum ( M ü l l e r - S a x 2 c, cc; E b S c h m i d t 28; K l 5; D a l c k e - F . - S c h . 6) vertritt überwiegend diese Auffassung. Dagegen besteht nach D a l i i n g e r M D R 1959 529, 530 Vorlegungspflicht, denn die abweichende OLG-Entscheidung könne neue Gesichtspunkte bringen, die in der vorangegangenen Entscheidung des B G H noch nicht gewürdigt seien. Dem B G H müsse deshalb Gelegenheit gegeben werden, sich mit diesen neuen Argumenten auseinanderzusetzen, also das nachzuholen, was infolge der früheren Nichtvorlegung unterblieben sei. Indessen läßt sich mit dieser Erwägung eine generelle Vorlegungspflicht nicht rechtfertigen, sie wäre auf den Fall zu beschränken, daß die abweichende Entscheidung neue, bisher nicht gewürdigte Argumente enthält. Aber dem praktischen Bedürfnis ist genügt, wenn das jetzt zur Entscheidung berufene O L G das Gewicht dieser neuen Gesichtspunkte prüft und zur Vorlegung verpflichtet ist, falls sie ihm so überzeugend erscheinen, daß es von der Entscheidung des B G H abweichen möchte. Liegt eine Entscheidung des B G H vor und beruft sich das später entscheidende O L G A auf diese Entscheidung, so darf das demnächst entscheidende O L G B nicht deshalb, ohne vorzulegen, von A abweichen, weil dieses nach Meinung von B die Entscheidung des BGH falsch verstanden hat, während B das richtige Verständnis für sich in Anspruch nimmt; bei solchen Zweifeln ist nach dem Sinn des § 121 Abs. 2 nur der B G H berufen, die zweifelhafte Bedeutung seiner Entscheidung zu klären (a. M. O L G Oldenburg N J W 1964 1333). c) Dagegen entfällt die Vorlegungspflicht des später entscheidenden O L G nicht deshalb, weil ein Oberlandesgericht von der vorher ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abgewichen ist, ohne die Vorlegungspflicht zu erkennen oder zu beachten. Vielmehr ist jedes Oberlandesgericht, das von neuem über die Rechtsfrage zu entscheiden hat, zur Vorlegung verpflichtet, gleichviel, ob es sich der einen oder der anderen der vorausgegangenen Entscheidungen anschließen will (BGHSt. 9 272, 274; 13 149, 152). Auch das Oberlandesgericht, das zuerst entschieden hat, muß vorlegen, wenn es bei seiner Auffassung beharren und damit von der zeitlich späteren Entscheidung des anderen Oberlandesgerichts abweichen will. Es gilt hier nichts anderes, als wenn ein Senat des B G H , ohne nach § 136 zu verfahren, von der Entscheidung eines anderen BGH-Senats abgewichen ist (vgl. Anm. 7 zu § 136). Wegen der früher bestehenden Zweifel vgl. Anm. 16 f. der 20. Aufl. 22. Vorlegungspflichtbegründende Vorentscheidungen, a) Für die Frage, ob eine Abweichung von einer vorangegangen Entscheidung des BGH vorliegt, ist ohne Bedeutung, ob die frühere Entscheidung die eines Straf- oder eines Zivil- oder eines anderen Senats des B G H ist (vgl. BGHSt. 13 373 [= N J W 1960 302]; 16 7, 9, 19, 21), ob die Entscheidung als Urteil oder Beschluß ergangen ist und ob die beabsichtigte Abweichung sich auf die Auslegung einer strafrechtlichen N o r m oder einer irgendeinem anderen Rechtsgebiet angehörenden Vorschrift bezieht. Bedeutungslos ist auch, ob die beabsichtigte Abweichung von einer Entscheidung des B G H die Auslegung von Bundes- oder von Landesrecht betrifft (BGHSt. 4 138; 11 228, 229; 21 292, 293; 23 370, 372; N J W 1963 1214 [Leitsatz]). Denn der B G H entscheidet, von dem Ausnahmefall des § 121 Abs. 1 Nr. 1 c abgesehen, als Revisionsgericht auch über Verletzung von Landesrecht, so daß der Grundgedanke des § 121 Abs. 2, Auslegungsdifferenzen zwischen dem B G H und den Oberlandesgerichten (oder zwischen meh2840

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 121 Anm. 22 reren Oberlandesgerichten untereinander) zu vermeiden, auch bei Abweichungen, die Landesrecht betreffen, uneingeschränkt zutrifft. Das muß auch schon deshalb gelten, weil die Auslegung des Landesrechts für die des Bundesrechts bedeutsam sein kann, z. B. wenn das Landesrecht auf Bundesrecht verweist (vgl. BGHSt. 11 228. 229) oder Begriffe verwendet, die sich mit gleichem Sinn im Bundesrecht finden. b) Abweichend von a) zwingt die beabsichtigte Abweichung von der Entscheidung eines anderen OLG nur dann zur Vorlegung, wenn letzteres in einer Revisionssache im Sinn von § 121 Abs. 1 Nr. 1 a oder 1 b entschieden hat (ebenso BGHSt. 9 272, 274; MDR 1955 754; OLG Hamburg NJW 1955 1729; E b S c h m i d t 22; a. M. früher OLG Braunschweig NJW 1954 344). Auch hier (vgl. oben Anm. 18) kommt es aber nicht darauf an, ob die Entscheidung in der Revisionssache als Urteil oder als Beschluß ergangen ist (BGHSt. 11 152; 12 213, 216; 13 388, 390). Der Wortlaut des § 121 Abs. 2 enthält zwar eine solche Einschränkung nicht. Aber wenn ein OLG bei Beschlüssen nach § 121 Abs. 1 Nr. 2 nicht an Urteile eines anderen OLG gebunden ist, so kann umgekehrt ein OLG bei einer Revisionssache nicht an Beschlüsse eines anderen OLG, die dieses gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 2 erlassen hat, und noch weniger an Urteile oder Beschlüsse eines anderen OLG gebunden sein, die außerhalb eines Strafverfahrens ergangen sind. In gleicher Weise beschränken § 28 FGG, § 79 GBO die Vorlegungspflicht des zur Entscheidung über eine weitere Beschwerde (Rechtsbeschwerde) berufenen OLG auf den Fall, daß es von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen OLG abweichen will; eine entsprechende Beschränkung enthält auch § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG. c) Eine Ausnahme von dem Grundsatz zu b) muß aber gelten, d. h. die zu erlassende Entscheidung steht einer Revisionsentscheidung nach § 121 Abs. 1 Nr. 1 a und 1 b gleich aa)wenn der Streit darum geht, ob das Rechtsmittel der Revision und nicht ein anderes, zur Entscheidungszuständigkeit eines anderen Gerichts gehörendes Rechtsmittel gegeben ist (BGHSt. 9 272, 274 = NJW 1956 1449; s. auch BGHSt. 13 388. 389). bb)'wenn das andere OLG vor der Entscheidung über die Revision zu einer Rechtsfrage durch Beschluß in einer Weise Stellung genommen hat, daß dadurch die sonst in der späteren Entscheidung über die Revision erforderliche Stellungnahme vorweggenommen wurde, z. B. wenn das Revisionsgericht über die Rechtzeitigkeit der Revision vorweg dadurch entschied, daß es den wegen vermeintlicher Verspätung gestellten Wiedereinsetzungsantrag für gegenstandslos erklärte (BGHSt. 14 233, 235). d) Auslegungsdivergenz betr. Landesrecht. Auch bei beabsichtigter Abweichung von der Entscheidung eines anderen OLG besteht Vorlegungspflicht nicht nur, wenn die Auslegungsdivergenz Bundesrecht betrifft. Zunächst genügt es, wenn ein OLG bei Auslegung einer landesrechtlichen Vorschrift, die einer bundesrechtlichen Vorschrift nachgebildet ist, von der Entscheidung eines anderen OLG zu dieser bundesrechtlichen Vorschrift abweichen will. Es genügt ferner, daß Oberlandesgerichte desselben Landes in der Auslegung der gleichen Vorschrift ihres Landes voneinander abweichen, denn der Fall kann nicht anders behandelt werden als eine Auslegungsdivergenz zwischen dem BGH und einem OLG bei Auslegung der gleichen landesrechtlichen Vorschrift (s. oben zu a). Vorlegungspflicht besteht aber auch bei einem Streit zwischen Oberlandesgerichten verschiedener Länder über die Auslegung inhaltlich oder gar wörtlich übereinstimmender Landesgesetze (BGHSt. 23 370, 372 = NJW 1971 62; BGH bei H e r l a n GA 1959 49). Denn es kann, wenn es sich etwa um einen in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes (Art. 74 GG) fallenden Gegenstand handelt, für das Interesse an der Erhaltung oder Herbeiführung einheitlicher Rechtsanwendung keinen Unterschied machen, ob der Bund von seiner Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch macht oder sich dies dadurch erübrigt hat, daß die Länder inhaltlich übereinstimmende Vorschriften erließen. Es bedarf also in diesen Fällen nicht einer auf Art. 99 G G gestützten, die Vorlegungspflicht erst begründenden Anordnung des Landesgesetzgebers. Von diesem Grundsatz weicht — betr. die Vorlegungspflicht nach § 29 EGGVG — BGHSt. 18 324 = NJW 1963 1214 ohne überzeugende Gründe ab. Es ist nicht einzusehen, weshalb für § 2 9 EGGVG andere Grundsätze gelten sollten als für § 121 Abs. 2 GVG (gegen BGHSt. 18 324 auch A l t e n h a i n NJW 1963 1463; s. auch die Anm. zu § 29 EG GVG). 2841

§ 121

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 23, 24 e) Zu der Frage, ob auch beabsichtigte Abweichung in der Auslegung ausländischen Rechts vorlegungspflichtig macht, vgl. S c h r ö d e r NJW 1959 1517, 1519. f) Keine Vorlegungspflicht besteht, wenn die streitige Rechtsfrage die Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes betrifft. Wenn also das Oberlandesgericht eine Vorschrift als grundgesetzwidrig ansieht und damit von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts abweichen will, in der das Gesetz als grundgesetzgemäß angesehen worden ist, so muß es selbst nach Art. 100 Abs. 1 G G verfahren (vgl. BVerfGE 6 222 = N J W 1957 625; BGHSt. 14 175; 15 297, 305). Entsprechendes gilt, wenn es sich um die Vereinbarkeit von Landesrecht mit der Landesverfassung handelt oder um die Weitergeltung von altem Recht als Bundesrecht, Art. 126 G G , § 86 BVerfGG (BGHSt. 7 44). Wenn aber die Vereinbarkeit vorkonstitutionellen Rechts mit Grundgesetz oder Landesverfassung oder die Verfassungsmäßigkeit von Verordnungen in Frage steht, so ist, da hier das negative Entscheidungsmonopol der Verfassungsgerichte entfallt, bei Abweichungen nach § 121 Abs. 2 zu verfahren (vgl. BGHSt. 1 1 3 1 , 3 5 ; 16 282; 18 279). 23. Ergehen einer Entscheidung. § 121 Abs. 2 setzt lediglich voraus, daß die frühere Entscheidung „ergangen" ist. Veröffentlicht braucht sie nicht zu sein. In der Regel sind freilich Entscheidungen nur durch Veröffentlichung bekannt. Doch sind auch unveröffentlichte Entscheidungen, gleichviel auf welchem Wege sie dem zur Entscheidung berufenen Revisionsgericht bekannt geworden sind (z. B. durch Mitteilung eines Verfahrensbeteiligten, durch Anfrage bei dem anderen OLG), zu beachten ( K o h l h a a s NJW 1959 398; H a n a c k 134ff., s. auch BGHSt. 19 387). Zuverlässige Zeitungsnachrichten über vorangegangene Entscheidungen müssen daher, wenn sie dienstlich bekannt werden und eine abweichende Auffassung genügend deutlich erkennbar machen, den jetzt entscheidenden Strafsenat zur Einforderung einer Abschrift der Entscheidung veranlassen. Erst recht gilt dies, wenn Teilabdruck in einer Fachzeitschrift die Abweichung wahrscheinlich macht, aber nicht zweifelsfrei erkennen läßt (ebenso S c h r ö d e r N J W 1959 1520; K o h l h a a s N J W 1959 397). Bedeutungslos ist, ob die frühere Entscheidung im Einzelfall hinfällig geworden ist (etwa durch Wiederaufnahme des Verfahrens oder dadurch, daß der Angeklagte, dem Revisionsgericht unbekannt, vor Erlaß des Revisionsurteils verstorben ist — vgl. den Fall BGHSt. 13 5, 6). Denn bei einer veröffentlichten Entscheidung bleiben solche Mängel Dritten unbekannt, und andere Oberlandesgerichte können sich ihm in nicht veröffentlichten Entscheidungen angeschlossen haben. 24. Begriff der Abweichung a) Die beabsichtigte Abweichung muß sich, da die Oberlandesgerichte als Revisionsgerichte nur über Rechtsfragen zu entscheiden haben (§ 337 StPO), auf eine Rechtsfrage beziehen, und zwar auf eine die zu treffende Entscheidung tragende Rechtsfrage. Dazu gehört z. B. die Frage der Anwendbarkeit des § 264 StPO auf das gleiche Tatgeschehen (BGHSt. 23 141, 144). Eine nur anläßlich eines Verfahrens aufgetretene, für die vom O L G in dem bestimmten Fall zu treffende Entscheidung aber nicht entscheidungserhebliche Rechtsfrage kann auch dann nicht Gegenstand einer Vorlegung sein, wenn im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, des Verkehrsbedürfnisses und der Rechtssicherheit eine alsbaldige Entscheidung des B G H dringend erwünscht wäre (BGH NJW 1961 1487). Da zu den Rechtsnormen im revisionsrechtlichen Sinn auch die festen Erfahrungsgrundsätze gehören, ist ein Vorlegungsfall auch gegeben, wenn ein Gericht von einem anderen in der Frage, ob ein fester Erfahrungsgrundsatz besteht, abweichen will (BGH JZ 1963 645 betr. absolute Fahruntüchtigkeit bei einem bestimmten Blutalkoholgehalt; BGHSt. 23 156 betr. die Frage, ob bei einem Kraftfahrer ein starker Ermüdungszustand plötzlich und für ihn unvorhersehbar eintreten kann; s. auch BGHSt. 23 213 betr. Verwertbarkeit der Aussage eines Polizeibeamten, der sich an den angezeigten Vorfall nicht erinnert). Eine Divergenz in einer Rechtsfrage liegt auch vor bei unterschiedlicher Beantwortung, ob bei gleicher tatsächlicher Sachlage der Rechtsbegriff der „konkreten Gefahrdung" verwirklicht ist (BGHSt. 22 341, 343; s. dazu auch BGHSt. 22 192). § 121 Abs. 2 ist dagegen, da es sich nicht um die Abweichung in einer Rechtsfrage handelt, z. B. unanwendbar, wenn in Fällen fahrlässiger Tötung, die in tatsächlicher Hinsicht ähnlich gelagert ist, zwei Oberlandesgerichte zwar den Rechtsbegriff der Fahrlässigkeit in gleicher Weise 2842

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 121 Anm. 24

verstehen, aber darin abweichen, mit welchen Umständen der Angeklagte bei gehöriger Aufmerksamkeit habe rechnen müssen; die Frage, ob der Erfolg bei gehöriger Aufmerksamkeit voraussehbar und vermeidbar war, ist keine allgemein beantwortbare Rechtsfrage i. S. des § 1 2 1 Abs. 2, sondern hat die Würdigung des Einzelfalles nach Maßgabe seiner tatsächlichen Umstände und Besonderheiten zum Gegenstand (BGHSt. 1 358; E b S c h m i d t 30; a. M. H a n a c k 149). Eine Abweichung von entscheidungstragender Bedeutung liegt z. B. auch vor, wenn streitig ist, ob das Gesetz ein Verfahrenshindernis oder ein dem sachlichen Strafrecht zuzurechnendes Merkmal aufstellt und es davon abhängt, ob das Revisionsgericht im Wege des Freibeweises selbst den Sachverhalt aufklären und abschließend entscheiden kann oder das Urteil aufheben und zur Nachholung fehlender tatsächlicher Feststellungen zurückverweisen muß (vgl. BGHSt. 16 399). Dagegen ist eine entscheidungstragende Abweichung nicht gegeben, wenn sich die Abweichung nicht auf das Ergebnis, sondern nur auf die Begründung einer Auslegung bezieht, wenn also das Revisionsgericht zwar die Erwägungen, mit denen der Bundesgerichtshof oder ein anderes Oberlandesgericht ihre Auslegung der Vorschrift begründen, verwirft, aber aus anderen Gründen zu der gleichen Auslegung kommt. Ebensowenig besteht Vorlagepflicht, wenn das Revisionsgericht bei einer Aufhebung aus anderen Gründen lediglich in (rechtlich unverbindlichen) Empfehlungen für die weitere Behandlung durch das Untergericht sich mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts in Widerspruch setzt; auch hier fehlt es an einer Abweichung in den die aufhebende Entscheidung tragenden Gründen (BGHSt. 3 234 = N J W 1953 36; B G H N J W 1954 1933 - letztere zu § 28 F G G - ) . b) Veränderung der Grundlage der früheren Entscheidung. Die Vorlagepflicht entfällt ferner, wenn das Revisionsgericht zwar von einer anderen Entscheidung abweichen will, aber nur deshalb, weil eine spätere Änderung der Gesetzgebung oder eine allgemeine Änderung der Rechtsprechung eine neue Lage geschaffen hat, dergestalt, daß dadurch die tragende Grundlage der früheren abweichenden Entscheidung weggefallen ist, und keine Zweifel bestehen, daß zwangsläufig das andere Gericht, heute zur Entscheidung berufen, anders entscheiden müßte (vgl. BGHSt. 21 125, 130; 23 377, 378). D a ß bei der Annahme dieser Voraussetzungen Vorsicht geboten ist, zeigt BGHSt. 15 361, 363. Dagegen erübrigt sich die Vorlegung nicht deshalb, weil — ohne daß eine solche wesentliche Änderung der maßgeblichen Verhältnisse eingetreten wäre — das Oberlandesgericht seine abweichende Auffassung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützen will, den die frühere Entscheidung nicht gewürdigt hat (so auch BGHSt. 1 31, 34, im Ergebnis auch H a n a c k 269; E b S c h m i d t 37; a. M. O L G Köln N J W 1953 1156). Wollte man § 121 Abs. 2 auf die Fälle beschränken, in denen sich das später entscheidende Gericht lediglich mit den bereits in der früheren Entscheidung gewürdigten Gesichtspunkten auseinandersetzt, ohne neue, nach seiner Meinung maßgebliche und bisher nicht gewürdigte Gesichtspunkte für seine abweichende Meinung ins Feld zu führen, so würde das das Anwendungsgebiet des § 121 Abs. 2 in einem M a ß e einengen, wie es den gesetzgeberischen Absichten nicht entspricht, denn über die Tragweite eines neuen Gesichtspunktes — soweit er nicht in einer wesentlichen, die Grundlage der bisherigen Auslegung aufhebenden Änderung der Rechtslage besteht — läßt sich oft streiten. c) Die Vorlegungspflicht ist auch gegeben, wenn das Oberlandesgericht das angegriffene Urteil zwar nicht aus dem von der Revision geltend gemachten rechtlichen Gesichtspunkt, sondern ohnehin (d. h. aus einem anderen rechtlichen Grund, der mit der Vorlegungsfrage unmittelbar nichts zu tun hat) aufheben und zurückverweisen will, dabei aber die strittige Rechtsfrage in Beantwortung des Revisionsvorbringens mitentscheiden muß (BGHSt. 17 205 = N J W 1962 1211; B G H N J W 1963 1628; JZ 1963 645; BGHSt. 22 129, 131; 24 115, 117). Rügt also z. B. die Revision der Staatsanwaltschaft, daß der wegen Diebstahls verurteilte Angeklagte nicht auch wegen Betruges bestraft sei, und will das Oberlandesgericht aufheben, weil es zwar Betrug — in Abweichung von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts — verneinen will, aber die Verurteilung wegen Diebstahls für fehlerhaft hält, so wird zwar die zunächst zu treffende Entscheidung (die Aufhebung des angefochtenen Urteils) als solche nicht durch die Abweichung in der streitigen Rechtsfrage beeinflußt. Im praktischen Ergebnis entspricht aber auch die Aufhebung, soweit der Revisionsangriff für unbegründet erklärt wird, einer Bestätigung 2843

Gerichtsverfassungsgesetz § 121 Anm. 24 des Urteils in diesem-Punkt, und auch dies begründet nach dem Sinn und Zweck des § 121 Abs. 2 die Vorlegungspflicht. Für die Vorlegungspflicht genügt also, daß auch die Rechtsansicht des anderen Oberlandesgerichts zur Aufhebung des Urteils führen müßte. d) Es ist nicht erforderlich, daß das Gericht, von dem das Oberlandesgericht abweichen will, sich ausdrücklich mit der Rechtsfrage auseinandergesetzt hat. Es genügt, wenn es stillschweigend („mittelbar"), aber als Prämisse erkennbar von einer bestimmten Rechtsansicht über diese Frage ausgegangen ist (BGHSt. 11311 = NJW 1958 70; BGHSt. 13 66, 68; 17 21, 27). Läßt der Wortlaut der Entscheidung nicht erkennen, ob die verallgemeinert geäußerte Rechtsauffassung eine bestimmte tatsächliche Lage mitumfaßt, so ist die Vorlegungspflicht gegeben, wenn dem Gericht, das abweichen will, durch Beziehung der Sachakten oder auf andere Weise bekannt ist, daß gerade diese Fallgestaltung der früheren Entscheidung zugrundelag (BGHSt. 11 335, 336 f.). e) Eine Gesetzesänderung, die die Rechtsfrage für die Zukunft erledigt, macht eine Vorlegung und, wenn sie nach Vorlegung eintritt, eine Entscheidung des BGH nicht entbehrlich, wenn in dem zu entscheidenden Fall das bisherige Recht trotz seines Außerkrafttretens noch anzuwenden ist (BGHSt. 17 76, 77; 18 279, 281; 21 125). f)Der Begriff der Abweichung in einer Rechtsfrage ist der gleiche wie in § 136 (vgl. dort Anm. 4 und S c h r ö d e r MDR 1960 309). Eine Abweichung setzt also nicht voraus, daß der Streit um die Auslegung ein und derselben Norm geht und ihre Anwendung auf den gleichen Sachverhalt betrifft. Vielmehr genügt ein Streit über einen Rechtsbegriff, der in verschiedenen Vorschriften eines Gesetzes, aber mit gleichem Sinn verwendet wird (BGHSt. 6 42), z. B. über das Merkmal der Geringwertigkeit in §§ 248a, 264a StGB. Es genügt ferner eine Divergenz über die Auslegung inhaltsgleicher Vorschriften verschiedener Gesetze (BGHSt. 15 47, 48; 24 144) und ihre Auswirkung auf ähnliche Sachverhalte (vgl. BGHSt. 16 343, 345). Darüber hinaus genügt eine Divergenz über den gleichen, in verschiedenen Gesetzen ausgeprägten Rechtsgrundsatz; dies gilt auch für Rechtsgrundsätze, die zu inzwischen abgeänderten Gesetzen herausgebildet sind, wenn sie durch die Änderung nicht überholt sind (BGHSt. 24 222, 224 = NJW 1971 2235). Die Identität der Rechtsfrage ist immer schon dann zu bejahen, wenn wegen Gleichheit des Problems die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Fälle oder der anwendbaren Vorschriften nur einheitlich ergehen kann (BGHSt. 13 5, 6; 18 279, 281; 24 6, 8). Vgl. auch unten Anm. 29b g) Entscheidungserheblichkeit. Obiter dicta.*) Die Rechtsfrage, von der das OLG abweichen will, muß zwar für seine eigene Entscheidung entscheidungstragend sein. Dagegen ist es nicht erforderlich, daß ihr die gleiche Bedeutung auch in der vorangegangenen Entscheidung zukommt, von der das OLG abweichen will (ebenso S c h r ö d e r NJW 1959 1521; H a n a c k 266; a. M. die herrschende Meinung, insbes. BGHSt. 7 314; 11 31, 34; 15 78, 81; BGH NJW 1961 218; BGHSt. 18 324 = NJW 1963 1214; BayObLG NJW 1969 1936; 1972 302; OLG Oldenburg NJW 1971 820; E b S c h m i d t 31; M ü l l e r - S a x 2c, 3; Kl 7). Die hier abgelehnte Auffassung führt z. B. dazu, daß eine Vorlegungspflicht entfallt, wenn das andere OLG mit dem Vorderrichter den äußeren Tatbestand des Betrugs bejahte und wegen der inneren Tatseite aufhob und das jetzt entscheidende OLG im Gegensatz dazu die äußeren Merkmale verneinen will (vgl. BGH NJW 1961 2184). Zwar wird bei der Anrufungspflicht nach § 136 verlangt, daß die Rechtsfrage, in der zwei Senate des Bundesgerichtshofs voneinander abweichen wollen, für die frühere wie für die neue Entscheidung den tragenden Entscheidungsgrund bilde (vgl. Anm. 5 zu § 136), und das gleiche gilt für diö Einholungspflicht in der Verfassungsgerichtsbarkeit nach Art. 100 Abs. 3 G G (BVerfG NJW 1954 505). Dieser Gedanke kann aber auf die Vorlegungspflicht nach § 121 Abs. 2 nicht ohne weiteres übertragen werden. Beim Bundesgerichtshof ist jeder Senat ohne weiteres in der Lage, sich Kenntnis vom vollen Wortlaut der früheren Entscheidungen zu verschaffen und die Bedeutung der Rechtsfrage für diese Entscheidung zu überblicken, auch gegebenenfalls durch Anfrage bei dem betreffenden Senat sich darüber Gewißheit zu verschaffen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ohne Not vor der Zeit durch eine Entscheidung des Großen Senats festzulegen, vielmehr in Fällen, in denen zwar in einer vorangegangenen Entscheidung eine abweichende Rechtsauffassung ver*) Lit.: S c h l ü t e r , Das Obiter Dictum, Beck 1973

2844

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 121

Anm. 24 treten wurde, die Entscheidung aber nicht darauf beruhte, zu ermöglichen, daß neue Revisionsfälle zu erneuter Durchdenkung der Frage führen. Es ist j a gerade die Aufgabe eines höchsten Gerichts, einmal ausgesprochene Rechtsansichten an Hand neuer praktischer Fälle auf ihre Richtigkeit zu prüfen, sie schrittweise auszubauen, die Auswirkung neuer Verhältnisse zu klären usw. und eben diese langsam sich vollziehende Entwicklung darf nicht — das ist der Sinn der oben erwähnten Auslegung des § 136 — ohne zwingende Veranlassung durch eine Festlegung, wie sie eine Entscheidung des Großen Senats mehr oder weniger bewirken würde, ausgeschlossen werden (vgl. dazu S a r s t e d t LM Nr. 10 zu § 121). Wesentlich anders liegt es, wenn ein Oberlandesgericht vom B G H oder einem anderen O L G abweichen will. Zunächst könnte es in vielen Fällen gar nicht übersehen, ob die Rechtsfrage für die andere Entscheidung entscheidungstragende Bedeutung hatte, denn namentlich oberlandesgerichtliche Entscheidungen werden in Fachzeitschriften meist in mehr oder weniger gekürzter F o r m abgedruckt, so daß aus den Ausführungen zu der betreffenden Rechtsfrage nicht ohne weiteres die Bedeutung der behandelten Rechtsfrage für die zu treffende Entscheidung erkennbar ist. Aber abgesehen davon: der Sinn des § 121 Abs. 2 ist, daß, wenn einmal eine Streitfrage hervortritt, sie alsbald vor den Bundesgerichtshof gebracht wird, um auszuschließen, daß für einen mehr oder weniger langen Zeitraum die Revisionsgerichte voneinander abweichen. Die hier abgelehnte Auffassung zwingt die Oberlandesgerichte zu mühsamen Untersuchungen über die Bedeutung der von ihnen abgelehnten Rechtsauffassung im Rahmen der vorangegangenen Entscheidung, während doch BGHSt. 13 46, 50 die Oberlandesgerichte geradezu mahnt, zwecks baldiger Kontroversenbereinigung lieber vorzulegen als durch „unnütze Spitzfindigkeiten" der Vorlegung auszuweichen, und auch sonst Klagen über Umgehung der Vorlegungspflicht laut werden (vgl. K o h l h a a s N J W 1959 397; S c h a l c h a M D R 1959 90). Das ist selbstverständlich nicht so zu verstehen, als ob nun alle — auch die ganz beiläufig eingeflossenen und nicht begründeten — obiter dicta und alle (per nefas) verallgemeinernden Formulierungen eine Vorlegungspflicht begründeten. Durchaus zuzustimmen ist BGHSt. 18 324 = N J W 1963 1214 = M D R 1963 697, soweit dort ausgeführt wird, daß eine Frage, die in dem entschiedenen Fall gar nicht zur Erörterung stand, nicht deshalb mitbeantwortet ist, weil verallgemeinernde Wendungen der Entscheidungsgründe auch sie zu umfassen scheinen. Auch mag, wo verschiedenen Vorschriften der gleiche Rechtsgedanke zugrunde liegt (z. B. § 329 StPO gegenüber § 4 1 2 StPO), Zurückhaltung bei der Annahme einer Vorlegungspflicht geboten sein, wenn es sich darum handelt, ob alle Folgerungen, die aus der einen Vorschrift gezogen sind, zwangsläufig auf die andere Vorschrift übertragen werden müssen (vgl. den Fall B G H N J W 1963 2085 = M D R 1963 1024). Bei ausführlichen und sorgfältig begründeten Erwägungen, die auch als obiter dicta die Rechtsprechung beeinflussen, sollte aber der Grundsatz gelten: in dubio pro Vorlegungspflicht*). Dem B G H bleibt es dann überlassen, die Vorlegungspflicht zu verneinen und bei der Rückgabe die Gründe darzulegen, weshalb eine Abweichung nicht vorliegt. Auch eine solche Bereinigung von Zweifeln über die Bedeutung einer vorausgegangenen Entscheidung ist ein Gewinn und dient der Erhaltung einer einheitlichen Rechtsprechung. Es kann deshalb B G H N J W 1963 2085 = M D R 1963 1024 nicht darin zugestimmt werden, wenn die Entscheidung — doch wohl über die Bedürfnisse des entschiedenen Vorlegungsfalls hinausgehend — verallgemeinernd ausspricht, die Anrufungspflicht nach § 136 reiche bei der Frage nach der Identität der Rechtsfrage (des Vorliegens des gleichen Rechtsgrundsatzes) weiter als die Vorlegungspflicht nach § 121 Abs. 2, und es solle ein O L G nicht in weiterem Umfang vorlegen, „als es zur Wahrung der Rechtseinheit unbedingt unerläßtlich ist". Über die „unbedingte Unerläßlichkeit" können die Meinungen sehr auseinandergehen. h) Ist somit die Vorlegungspflicht auch nicht davon abhängig, daß die Rechtsfrage für die andere Entscheidung entscheidungstragend war, so muß andrerseits doch erkennbar sein, daß es sich um eine feste, endgültige Stellungnahme des anderen Gerichts zu der Rechtsfrage handelt. Das ist nicht der Fall, wenn das andere Gericht nur zu einer Auffassung „neigt" oder zwar die Gründe für eine bestimmte Auffassung darlegt, aber erklärt, daß *) Vgl. auch drastisch zu den Folgen, die sich für die Oberlandesgerichte ergeben, wenn verschiedene Senate des B G H jeweils in eingehend begründeten obiter dicta voneinander abweichen, D r e h e r NJW 1972 1641.

2845

§ 121

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 2 5 - 2 8 „abschließend" dazu nicht Stellung genommen zu werden brauche oder es „nicht entscheidend darauf ankomme", weil die Entscheidung sich aus anderen Erwägungen rechtfertige. Denn mit solchen Wendungen gibt das Gericht zu erkennen, daß es eine endgültige Stellungnahme, die es zur Grundlage seiner Entscheidung machen würde, noch nicht bezogen hat. Dagegen wird die Vorlegungspflicht nicht dadurch berührt, daß das andere Gericht seine Entscheidung auf verschiedene Erwägungen stützt, also sowohl auf eine bestimmte Auslegung einer Vorschrift als auch auf eine andere Vorschrift (etwa: „Unabhängig davon rechtfertigt sich die Entscheidung aus folgendem Grunde"); und wenn es gar diese Unabhängigkeit in der Weise zum Ausdruck bringt, die Entscheidung müsse aus einem anderen Grunde im gleichen Sinn ergehen, wenn man der von ihm vertretenen Auslegung nicht folge (ebenso H a n a c k 262f.). i) Ein über die entschiedene Rechtsfrage hinausgehender verallgemeinernder Leitsatz bindet auch dann nicht i. S. des § 121 Abs. 2, wenn er von dem erkennenden Gericht selbst der Entscheidung vorangestellt und in einer „amtlichen Sammlung" veröffentlicht ist (BayObLG NJW 1972 302, 303). 25. Keine Vorlegungspflicht besteht nach h. M. (s. aber Anm. 4 zu § 358 StPO und BVerwG E 7 159 = N J W 1958 184, S c h r ö d e r , Festschrift für Nikisch 214, 224; S c h m i t t JZ 1959 22), wenn das Oberlandesgericht an seine abweichende Auffassung verfahrensrechtlich gebunden ist. Hat also ein Oberlandesgericht, ohne die Abweichung zu erkennen oder zu beachten, auf Revision aufgehoben und zurückverwiesen, so ist es bei erneuter Revision an seine Rechtsauffassung gebunden, auch wenn es jetzt erst die Abweichung erkennt. Diese Bindung an die frühere Auffassung, die eine Vorlegung ausschließt, besteht auch dann, wenn zwischen der Aufhebung und der zweiten Revisionsentscheidung eine abweichende Entscheidung eines anderen Gerichts ergangen ist (BGH NJW 1954 1445 — zu § 28 FGG). S. Anm. 28. 26. Eine Vorlegung kann das Oberlandesgericht zurücknehmen, wenn es nachträglich erkennt, daß die vorbezeichneten Voraussetzungen der Vorlegung nicht gegeben sind. Das bedarf keiner weiteren Begründung. Die Zurücknahme ist aber auch möglich, wenn es sich nachträglich, z. B. bei erneuter Befassung mit der gleichen Rechtsfrage in einer anderen Sache, entschließt, von seiner abweichenden Auffassung abzugehen. Denn die Vorlegung (der „Vorlagebeschluß") ist keine Sachentscheidung, an die das vorlegende Gericht gebunden wäre. Man kann auch nicht sagen, daß durch die (zulässige) Vorlegung die Zuständigkeit einer höheren Instanz begründet wäre, in die nicht mehr eingegriffen werden könnte. Der Bundesgerichtshof kann zwar nach erfolgter Vorlegung an Stelle des Oberlandesgerichts über die Revision selbst entscheiden; er braucht sich nicht auf die Beantwortung der Rechtsfrage zu beschränken (vgl. unten Anm. 29 c). Aber es handelt sich, wenn er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, lediglich um eine aus Zweckmäßigkeitsgründen erfolgende Verfahrensvereinfachung und, solange er die Entscheidung in der Sache selbst nicht an sich gezogen hat, bleibt die Sache beim Oberlandesgericht anhängig (sie wird ja auch nicht „zurückverwiesen"). Im übrigen besteht kein Bedürfnis für eine Entscheidung zur Herbeiführung einheitlicher Gesetzesauslegung, wenn ein Streit über die Auslegung nicht mehr besteht. 27. Legt ein Oberlandesgericht wegen beabsichtigter Abweichung von einem anderen Oberlandesgericht vor und ergeht nach erfolgter Vorlegung, aber unabhängig von ihr eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, so erledigt sich die Vorlage ohne Entscheidung (ebenso M ü l l e r - S a x 3b, bb; H a n a c k 327; vgl. Anm. 29c). Soweit in dem Vorlegungsbeschluß Argumente enthalten sind, mit denen sich die Entscheidung des B G H noch nicht befaßt hatte, wird der zur Entscheidung über die Vorlegung zuständige Senat sich bei der Rückgabe der Sache an das O L G mit dessen Begründung zusätzlich auseinandersetzen, da andernfalls die Gefahr besteht, daß das OLG, von den Gründen der BGH-Entscheidung nicht überzeugt, von neuem wegen beabsichtigter Abweichung von der BGH-Entscheidung vorlegt. 28. Ergeht eine Revisionsentscheidung, ohne daß § 121 Abs. 2 beachtet wurde, so wird ihre Wirksamkeit dadurch nicht beeinträchtigt. Die Nichtvorlegung ist ein Verfahrensverstoß, der keine weitergehende Wirkung haben kann als jeder andere Gesetzesverstoß in 2846

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 121

Anm. 29 einem letztinstanzlichen Verfahren. Insbesondere ist bei einer Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Tatrichter ebenso an die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts gebunden (§ 358 StPO), wie er es ist, wenn ein Senat des Bundesgerichtshofs bei der Aufhebung und Zurückverweisung von der Rechtsauffassung eines anderen Senats abweicht, ohne nach § 136 zu verfahren (ebenso S a r s t e d t N J W 1955 1629; a. M. B e c k e r N J W 1955 1262). Auch der Umstand, daß ein später entscheidendes Oberlandesgericht nunmehr vorlegt und der B G H die Rechtsfrage anders beantwortet als das Oberlandesgericht, das ohne Vorlegung entschieden hat, kann nur dazu führen, daß die Gnadeninstanz zu Maßnahmen Veranlassung findet, wenn ein verurteilendes Erkenntnis auf der vom Bundesgerichtshof abgelehnten Rechtsauffassung beruht. Von einer Wiederaufnahme des Verfahrens kann keine Rede sein (vgl. Anm. 6 a vor § 359 StPO); ein Ausnahmefall wie der des § 79 Abs. 1 BVerfGG liegt nicht vor, vielmehr hat das Revisionsgericht aufgrund eines gültigen Gesetzes entschieden und lediglich einen Verfahrensverstoß begangen, der, wie jeder andere, durch die Rechtskraft geheilt wird. Eine willkürliche Verletzung der Vorlegungspflicht begründet aber, da zur Entscheidung über die streitige Rechtsfrage nicht das O L G , sondern der B G H zuständig war, wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters — Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G - die Verfassungsbeschwerde (§ 90 BVerfGG); vgl. BVerfG D R i Z 1965 237; S t r e e N J W 1959 2051; S c h r ö d e r N J W 1959 1521; R i n c k N J W 1964 1651; Anm. III 4 bis 6 zu § 16 GVG. 29. Vorlegungsverfahren a) Die Vorlegung, über deren Förmlichkeiten das Gesetz schweigt, erfolgt durch einen Vorlagebeschluß, in dem das Gericht die zur Entscheidung gestellte Rechtsfrage formuliert (vgl. BGHSt. 12 166, 168) und in dem es, der Natur der Sache entsprechend, die Gründe darzulegen hat, aus denen es abweichen will. Hat das Gericht die ausdrückliche Formulierung der Streitfrage unterlassen, so übernimmt der B G H diese Aufgabe (vgl. BGHSt. 20 259; 21 197; 23 167, 169). Dieser Beschluß setzt, da das Revisionsgericht grundsätzlich seine Rechtsansicht nur als Ergebnis einer Hauptverhandlung schöpfen kann (§ 349 Abs. 2, 4 StPO scheidet ja aus), die Durchführung der Hauptverhandlung voraus (a. M. N ü s e J R 1956 437). Der Angeklagte ist auf eine beabsichtigte Vorlegung hinzuweisen; der Vorlegungsbeschluß ist ihm bekanntzugeben ( § 3 5 StPO). Der Bundesgerichtshof prüft, ob die in den vorangegangenen Anm. dargelegten Voraussetzungen der Vorlegung gegeben sind. Verneinendenfalls gibt er die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurück. b) Bei Prüfung der Vorlegungsvoraussetzungen hat der B G H in der Regel die Auffassung des O L G , die zur Vorlegung geführt hat, hinzunehmen (BGHSt. 22 94. 100). So reicht es zur Bejahung der Vorlegungsvoraussetzungen aus, wenn die Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts, es weiche bei der von ihm beabsichtigten Entscheidung von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts ab, vertretbar, wenn auch nicht zwingend ist (BGHSt. 9 390, 392; 16 166, 168; 22 180, 182), z. B. wenn die Entscheidung des anderen Gerichts nach den Folgerungen, die sich daraus ergeben, zwar so verstanden werden kann, aber nicht so verstanden werden muß, wie das vorlegende Gericht sie auffaßt (BGHSt. 17 194, 197), namentlich wenn die Entscheidung auch schon von einem anderen Gericht so verstanden worden ist (vgl. BGHSt. 17 309, 310; 18 393, 394). Schon dann sind die Vorlegungsvoraussetzungen zu bejahen, wenn Zweifel vorliegen, ob der beabsichtigten Entscheidung eine vom B G H oder von einem anderen Oberlandesgericht erlassene Entscheidung entgegensteht (BGHSt. 13 129, 133; 16 321, 324, s. aber oben Anm. 24 g). Der Bundesgerichtshof muß die Vorlegungsvoraussetzungen auch dann als gegeben ansehen, wenn die Entscheidungserheblichkeit der gestellten Rechtsfrage nur auf der Grundlage einer Rechtsauffassung verneint werden kann, die bei seiner Revisionsentscheidung zu übernehmen das vorlegende Gericht nicht verpflichtet wäre (BGHSt. 16 99, 101). Legt z. B. das Oberlandesgericht vor, weil es in der Auslegung des Begriffs der Zueignung beim Diebstahl (§ 242 StGB) abweichen will, so kann der Bundesgerichtshof die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Frage nicht deshalb verneinen, weil nach seiner Auffassung das vorlegende O L G zu Unrecht das Merkmal der Fremdheit der Sache als rechtlich gegeben ansieht, denn diese Rechtsauffassung wäre als außerhalb der Vorlegungs2847

§ 121

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 29 frage liegend für den vorlegenden Senat nicht verbindlich (und zwar auch nicht in dem Sinn, daß das Oberlandesgericht nach Freigabe der Entscheidung gemäß § 121 Abs. 2 vorlegen müßte, wenn es von der die Vorlegungsvoraussetzungen verneinenden Rechtsauffassung abweichen wollte). Oder: wenn die Vorlegungsfrage nur für den Fall eines gutgläubigen Erwerbs praktisch wird, so kann sich der BGH nicht über die Auffassung des Oberlandesgerichts, der Tatrichter habe Gutgläubigkeit rechtlich einwandfrei festgestellt, hinwegsetzen und die Vorlegungsvoraussetzungen verneinen, weil Bösgläubigkeit anzunehmen sei (BGHSt. 15 83, 85). Hält das O L G die Revision für zulässig, so kann der BGH die Sache nicht deshalb zurückgeben, weil er sie für unzulässig hält, denn das O L G wäre daran nicht gebunden; der BGH kann dann aber, indem er die Sachentscheidung übernimmt (s. unten), die Revision selbst als unzulässig verwerfen, ohne auf die ihm vorgelegte materiellrechtliche Frage einzugehen (BGHSt. 19 242 = M D R 1964 4 3 2 = N J W 1964 781). Es kommt also nur darauf an, ob die Streitfrage von dem (im übrigen eingenommenen) rechtlichen Standpunkt des vorlegenden Gerichts aus gesehen entscheidungswesentlich ist (BGHSt. 16 343, 345). Anders liegt es, wenn die Vorlegungsfrage einen untrennbaren Bestandteil eines umfassenden Tatbestandsmerkmals betrifft. Besagt also z. B. die Vorschrift, daß Fahrzeuge nur auf der rechten Straßenseite halten dürfen, und betrifft der Streit die Frage, was „auf der rechten Seite" bedeutet, so prüft der Bundesgerichtshof auch, ob das festgestellte Verhalten rechtlich überhaupt ein „Halten" darstellt (vgl. BGHSt. 14 149). Oder: steht zur Entscheidung, ob ein bestimmtes Verhalten rechtlich als Verübung groben Unfugs (§ 360 Abs. 1 Nr. 11 StGB) zu bewerten ist, und legt das Oberlandesgericht vor, weil es in der Beurteilung des Teilmerkmals der unmittelbaren Gefährdung des Publikums durch die Handlungsweise von einem anderen Oberlandesgericht abweichen will, so ist Raum zum Eingehen auf die Vorlegungsfrage erst, wenn rechtlich einwandfrei feststeht, daß die Handlungsweise das weitere Teilmerkmal erfüllt, nämlich grob ungebührlich ist (vgl. BGHSt. 13 242). Ob die tatsächlichen Feststellungen des Tatrichters, von denen die rechtliche Auffassung des vorlegenden O L G ausgeht, eine ausreichende Grundlage für die beabsichtigte Entscheidung bilden, hat der BGH grundsätzlich nicht zu prüfen; es genügt, daß die Auffassung des OLG hierüber jedenfalls vertretbar ist (BGHSt. 22 385, 386; NJW 1971 1096). Ausnahmsweise gibt der BGH die Sache ohne Bescheidung dem vorlegenden O L G zurück, wenn er dessen Auffassung, die zur Vorlegung führt, für schlechthin unvertretbar hält (BGHSt. 22 94, 100). In gleicher Weise verfährt der BGH, wenn er die Auffassung des OLG in einer verfassungsrechtlichen Frage (vgl. dazu oben Anm. 2 2 0 für verfehlt hält, insbes. wenn die Bejahung der Vorlegungsvoraussetzungen zu einer Entscheidung führen könnte, die nach Auffassung des BGH nur noch im Wege einer Verfassungsbeschwerde zu berichtigen wäre (BGH aaO.). c) Die weitere Behandlung der Sache nach Bejahung der Vorlegungsvoraussetzungen überläßt § 121 Abs. 2 stillschweigend dem Ermessen des Bundesgerichtshofs, der nach den Erfordernissen der Prozeßökonomie und unter Berücksichtigung der Belange des Angeklagten an einer raschen, durch das Vorlegungsverfahren nicht mehr als notwendig verzögerten Erledigung des Strafverfahrens verfahrt ( H a n a c k JR 1972 472). Der Bundesgerichtshof kann dem Oberlandesgericht, von dem das vorlegende Oberlandesgericht abweichen will, Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Gibt letzteres seine bisherige Auffassung auf, so erübrigt sich eine Entscheidung (vgl. BGHSt. 14 319; 17 188, 189; s. oben Anm. 21a). Der Bundesgerichtshof kann sich auf die Beantwortung der Rechtsfrage beschränken und entscheidet darüber in Beschlußform. Dabei beantwortet er die vorgelegte Rechtsfrage nur in dem Umfang, als es zur Entscheidung des Falles, der zur Vorlegung führte, notwendig ist (BGHSt. 17 194, 200). Der Generalbundesanwalt ist zu hören. Für die Anhörung des Angeklagten, der von dem Vorlegungsbeschluß nach § 35 StPO Kenntnis erhält, gilt das in Anm. l c zu § 138 Ausgeführte entsprechend. Der Bundesgerichtshof kann aber auch selbst an Stelle des Oberlandesgerichts die Revisionsentscheidung treffen (BGHSt. 2 63 [= JZ 1952 149]; 3 72; 4 33; 13 241, 243, 245; 17 14, 18 114, 123; 22 180, 182; 23 141, 144; s. auch 24 6, 10, 316; J a g u s c h N J W 1962 1647; E b S c h m i d t JR 1962 290; H a n a c k JR 1972 472). Auch hierbei braucht er die Vorlegungsfrage nicht allgemein zu beantworten (BGHSt. 17 14, 17; 24 315, 316). A. M. einerseits B a u r JZ 1953 326; 1964 596, wonach der BGH stets selbst in der Sache entscheiden muß, weil er nach der Vorlage wieder „seine" 2848

Achter Titel. Oberlandesgerichte (Schäfer)

§ 121 Anm. 30, 31

Revisionszuständigkeit wahrnehme, die nur zu seiner Entlastung auf die Oberlandesgerichte übertragen worden sei (aber die Teilung der Revisionszuständigkeit hat nichts mit einer „Entlastung" von den Aufgaben des B G H nach § 135 zu tun), andererseits J e s c h e c k G A 1956 116, der in der abschließenden Entscheidung des B G H einen Eingriff in die Gerichtsbarkeit des vorlegenden Oberlandesgerichts sieht (aber § 354 Abs. 1 StPO zeigt, daß dem Gesetz der Gedanke eines solchen „Eingriffs" aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht fremd ist). Der Bundesgerichtshof kann daher auch selbst das Urteil des Tatrichters aufheben und an ihn zurückverweisen (vgl. BGHSt. 13 242). Hat das O L G die Revision stillschweigend als zulässig angesehen und der B G H diese Auffassung bei Prüfung der Vorlegungsvoraussetzungen zugrunde gelegt (oben zu a) und b), so kann er die Revision selbst als unzulässig verwerfen, wenn sich ergibt, daß diese nicht ordnungsmäßig eingelegt ist (vgl. BGHSt. 19 242; oben zu a). Erledigt die völlige oder teilweise Beantwortung der Vorlegungsfrage die Revision in vollem Umfang, so verwirft sie der B G H selbst, denn die Rückgabe der Sache an das O L G , das keine andere Entscheidung treffen könnte, wäre eine vermeidbare Verzögerung. Bleiben nach Beantwortung der Vorlegungsfrage noch weitere Revisionsangriffe zu bescheiden, oder sind von Amts wegen noch Verfahrenshindernisse zu berücksichtigen, so übernimmt der B G H im Interesse der Verfahrensbeschleunigung diese Aufgabe, wenn insoweit die Voraussetzungen des § 349 Abs. 2, 4 StPO gegeben sind (H a n a c k J R 1972 473). d) Beschränkt der B G H sich auf die Bescheidung der Rechtsfrage, so richtet sich das weitere Verfahren des O L G nach den allgemeinen Vorschriften (grundsätzlich Entscheidung durch Urteil auf G r u n d neuer Hauptverhandlung). Eine Bindung des Oberlandesgerichts an die Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs spricht § 121 Abs. 2 nicht ausdrücklich aus. Sie entspricht aber der Natur der Sache — davon geht auch BGHSt. 17 205, 208 aus — und ergäbe sich unabhängig davon auch daraus, daß das Oberlandesgericht, wenn es abweichen wollte, erneut vorlegen müßte. e) Eine Entscheidung des B G H erübrigt sich — abgesehen von dem Fall, daß das Oberlandesgericht, von dem das vorlegende Oberlandesgericht abweichen will, auf Anfrage des Bundesgerichtshofs erklärt, es halte an seiner früheren Auffassung nicht fest (Anm. 2 1 a ) — , wenn sich durch eine nach der Vorlegung erfolgende Gesetzesänderung die Streitfrage erledigt (BGH N J W 1955 304 zu § 79 Abs. 2 GBO); von einer solchen Erledigung kann aber nur die Rede sein, wenn Fälle, die nach bisherigem Recht zu beurteilen sind, künftig nicht in Betracht kommen, also auch in bereits anhängigen Fällen (wie dem vorgelegten) nach neuem Recht zu entscheiden ist (oben 24 e). Eine Entscheidung des B G H erübrigt sich auch, wenn — dem vorlegenden Oberlandesgericht unbekannt — der zur Entscheidung über die Vorlage zuständige Senat des B G H schon vor der Vorlage über die Rechtsfrage aufgrund der früheren Vorlage eines anderen O L G entschieden hatte (BGH LM Nr. 11) oder wenn die Entscheidung eines anderen Senats des B G H ergangen war, dem der zur Entscheidung über die Vorlage zuständige Senat beitritt. (Wegen des Falles, daß nach der Vorlage eine Entscheidung des B G H ergeht, vgl. Anm. 2 1 b und 27). Die Rechtslage ist dann die gleiche, wie wenn der B G H erst auf die Vorlegung hin die Rechtsfrage entschieden hätte, und es gelten für die weitere Behandlung der Revision die oben in Anm. 29 c Abs. 2, d, dargestellten Grundsätze (vgl. auch B G H LM Nr. 3 zu § 121 m. zust. Anm. J a g u s c h ; teilw. abw. Anm. 2 9 e in der Vorauflage). 30. Solange über eine Vorlegung nicht entschieden ist, ist ein mit der gleichen Rechtsfrage befaßtes drittes O L G rechtlich nicht gehindert, sich der Entscheidung des B G H oder O L G , von der das vorlegende O L G abweichen will, trotz Kenntnis der Vorlegung anzuschließen, denn der Vorlegungsbeschluß ist als Zwischenmaßnahme keine die Revisionsinstanz abschließende Entscheidung i. S. des § 121 Abs. 2. ( O L G H a m m N J W 1970 1936, 1937). Eine andere Frage ist, ob es zweckmäßig ist, verfahrensabschließende Entscheidungen zu treffen, solange der Ausgang des Vorlegungsverfahrens offen ist. 31. § 7 9 Abs. 3 des Ges. über Ordnungswidrigkeiten vom 2 4 . 5 . 1968 (BGBl. I 481) erklärt für die Rechtsbeschwerde die Vorschriften des G V G über die Revision und damit auch den § 121 Abs. 2 G V G für entsprechend anwendbar. D a n a c h ist das O L G als Rechts2849

§ 1 2 2 Anm. 1 , 2

Gerichtsverfassungsgesetz

Vor § 123 Anm. 1 beschwerdegericht in gleicher Weise vorlegungspflichtig wie als Revisionsgericht in Strafsachen (eine entsprechende Vorschrift enthielt bereits § 56 Abs. 4 O W i G vom 25. 3. 1952). Es ist dabei nicht nur vorlegungspflichtig, wenn es von einer Entscheidung abweichen will, die ein anderes Oberlandesgericht als Rechtsbeschwerdeinstanz oder der Bundesgerichtshof nach Vorlegung gemäß § 79 Abs. 3 OWiG, § 121 Abs. 2 G V G erlassen hat. vielmehr löst, in gleicher Weise wie bei dem Oberlandesgericht als Revisionsgericht in Strafsachen (vgl. oben Anm. 22), jede beabsichtigte Abweichung von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts als Revisionsgericht in Strafsachen oder des Bundesgerichtshofs, gleichviel welches Rechtsgebiet sie betrifft, die Vorlegungspflicht aus (BGHSt. 9 272, 274; N J W 1971 1278). Auch hier kann der B G H . wenn nach Bescheidung der Vorlegungsfrage die Rechtsbeschwerde entscheidungsreif ist, selbst über die Rechtsbeschwerde entscheiden (vgl. BGHSt. 18 156, 160; N J W 1964 781). § 79 Abs. 3 gilt sinngemäß auch für Entscheidungen im Zulassungsverfahren (§ 80 OWiG); sie betreffen mittelbar die Rechtsbeschwerde, soweit es darum geht, ob der Antrag auf deren Zulassung möglicherweise verworfen werden muß (BGHSt. 23 366 = N J W 1971 106; a. M. O L G Celle N J W 1970 720; H a m m N J W 1970 2040).

§ 122 ( 1 ) D i e Senate der Oberlandesgerichte entscheiden, soweit nicht nach den Vorschriften der Prozeßgesetze an Stelle des Senats der Einzelrichter zu entscheiden hat, in der Besetzung von drei Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. (2) Die Strafsenate sind in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges mit fünf Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden zu besetzen. Im ersten Rechtszug entscheiden sie in dieser Besetzung auch darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder der Angeklagte außer Verfolgung zu setzen oder das Verfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens wegen eines Verfolgungshindernisses einzustellen ist. Entstehungsgeschichte: Das 1. Strafrechtsänderungsges. vom 30. 8. 1951 (BGBl. I 739) Art. 3 Nr. 4 hat den Satz 2 des Abs. 2 angefügt (in Berlin übernommen durch Ges. vom 30. 10. 1951, GVB1. 994). 1. Die Einschränkung in Absatz 1 („soweit nicht. . . hat") gilt für den Strafsenat nicht. 2. Absatz 2 Satz 2 schreibt die gleiche Besetzung wie in der Hauptverhandlung für solche außerhalb der Hauptverhandlung ergehenden Beschlüsse vor, die für den Beschuldigten von besonders schwerwiegender Bedeutung sind (Eröffnungsbeschluß einschl. der gleichzeitig zu treffenden Entscheidung nach § 207 Abs. 3 StPO) oder das Verfahren abschließen (Außerverfolgungssetzung nach Voruntersuchung, § 178 StPO, Verfahrenseinstellung nach § 206 a StPO). Wegen der Besetzung des B G H als Beschwerdegericht in diesen Fällen vgl. § 139 Abs. 2 Satz 2. § 122 Abs. 2 Satz 2 ist entsprechend anwendbar im Wiederaufnahmeverfahren auf den Beschluß nach § 370, da auch diesem Beschluß eine gleiche besondere Bedeutung zukommt wie den im Satz 2 genannten Entscheidungen (vgl. W e b e r JZ 1967 351). Eine entsprechende Anwendung des Satzes 2 in weiterem Umfang, etwa auf Beschlüsse nach § 441 Abs. 2 , 4 4 2 ist jedoch nicht möglich (a. M. O L G Celle NdsRpfl. 1954 175).

NEUNTER TITEL Bundesgerichtshof 1. Nach dem Zusammenbruch 1945 wurde dem Reichsgericht seine Rechtsprechungsbefugnis durch Anordnung der Besatzungsbehörden (Art. I Abs. 2 des MilRegGes. Nr. 2) entzogen; mit dem Kontrollratsges. Nr. 4 traten die §§ 123 ff. a. F. G V G außer Kraft. An

2850

Neunter Titel. Bundesgerichtshof (Schäfer)

V o r § 1 2 3 Anm. 2, 3 § § 1 2 3 ; 1 2 4 Anm. 1

die Stelle des Reichsgerichts ist das nach Art. 95 G G für das Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu errichtende oberste Bundesgericht getreten, das durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 die Bezeichnung Bundesgerichtshof erhalten hat. 2. Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs in Strafsachen wird durch §§ 135 in Verbindung mit einzelnen Vorschriften der Prozeßordnungen (s. z. B. StPO § 4 Abs. 2, § 12 Abs. 2, § 13 Abs. 2, 3, § 13 a, §§ 14, 15, 19, § 27 Abs. 4, §§ 121 Abs. 4 Satz 2, 122 Abs. 7) bestimmt. Außerdem regelt sich der Geschäftskreis der Strafsenate des B G H noch durch eine Anzahl von Vorschriften, die teils die Zuständigkeit erweitern, teils ihm einige besondere, außerhalb der Strafrechtspflege liegende Geschäfte zuweisen. Als solche Vorschriften sind z. B. anzuführen § 2 1 b Abs. 6 Satz 2, § 159 Abs. 1, § 121 Abs. 2 G V G ; §§ 3 Abs. 2, 29 E G G V G ; Art. 99 G G ; § 19 des Zuständigkeitsergänzungsges. vom 7. 8. 1952 (BGBl. I 407); § 79 Abs. 3 O W i G i. Verb. m. § 121 Abs. 2 G V G ; § 27 des Deutschen Auslieferungsges. vom 23. 12. 1929 (RGBl. I 239), §§ 83, 95 des Ges. gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. vom 3. 1. 1966 (BGBl. I 37). Nach Art. 8 III Nr. 88 des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 (BGBl. 455) ist, wo in gesetzlichen Vorschriften dem Reichsgericht oder dem Obersten Gerichtshof für die Britische Zone Aufgaben zugewiesen worden sind, an deren Stelle der Bundesgerichtshof getreten. Gleichzeitig ist in Nr. 88 Abs. 2 aaO. vorgesehen, daß der Bundesgerichtshof ferner zuständig ist, wenn ihm durch eine Gesetzgebung außerhalb des Geltungsbereichs des Vereinheitlichungsges. Zuständigkeiten in Übereinstimmung mit diesem Gesetz übertragen werden. Dies ist durch das Berliner Gesetz vom 9. 1. 1951 (VOB1. S. 99) geschehen. 3. Wegen der Staatsanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof s. § 142 Abs. 1 Nr. 1 und Anm. 3 das. Wegen der Urkundsbeamten der Geschäftsstellen s. § 153, wegen der Gerichtsvollzieher § 154. Wegen der Rechtsanwälte bei dem Bundesgerichtshof s. §§ 162 ff. B R A O .

§ 123 Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe. Entstehungsgeschichte: Entw. § 97. § 123 a. F. besagte, daß der Sitz des Reichsgerichts durch besonderes Gesetz bestimmt werde. § 2 des Ges. über den Sitz des Reichsgerichts vom 11. 4. 1877 (RGBl. 415) legte Leipzig als Sitz fest. Die jetzige Fassung beruht auf dem Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950.

§ 124 Der Bundesgerichtshof wird mit einem Präsidenten sowie mit Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern besetzt. Entstehungsgeschichte: Entw. § 98. Ursprünglicher Text: „ . . . Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von Senatspräsidenten und Räten besetzt." Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 ersetzte das Wort „ R ä t e n " durch „Bundesrichter", Art. II Nr. 37 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) die Worte „und der erforderlichen Zahl von Senatspräsidenten und Bundesrichtern" durch die Worte „sowie mit Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern". 1. Die Verwendung von Hilfsrichtern (abgeordneten Richtern) ist beim Bundesgerichtshof nicht zulässig. D a s ist zwar weder im G V G noch im D R i G ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich aber daraus, daß nach Art. 95 Abs. 2 G G , § 1 des Richterwahlges. vom 25. 8. 1950 (BGBl. 368) bei den obersten Bundesgerichten nur Richter mitwirken, die vom zuständigen Bundesminister gemeinsam mit dem Richterwahlausschuß berufen und vom 2851

§§ 1 2 5 ; 126 bis 129 Gerichtsverfassungsgesetz § 130 Anm. 1 Bundespräsidenten ernannt sind. Wegen der Verwendung von Hilfsrichtern beim früheren Reichsgericht vgl. Anm. 1 der 20. Aufl. Nicht zu verwechseln mit der Einrichtung der Hilfsrichter ist die der beim Bundesgerichtshof verwendeten Hilfskräfte (jüngerer planmäßig angestellter Landesrichter). Sie nehmen keine richterlichen Aufgaben wahr, sondern unterstützen die Bundesrichter lediglich durch vorbereitende Tätigkeit (vgl. dazu Anm. 4 c zu § 193).

§ 125 (1) Die Mitglieder des Bundesgerichtshofes werden durch den Bundesminister der Justiz gemeinsam mit dem Richterwahlausschuß gemäß dem Richterwahlgesetz berufen und vom Bundespräsidenten ernannt. (2) Zum Mitglied des Bundesgerichtshofes kann nur berufen werden, wer das funfunddreißigste Lebensjahr vollendet hat. Entstehungsgeschichte: Durch Ges. vom 27. 3. 1923 Art. I Nr. 4 (RGBl. 1218) wurde ein Absatz 3 eingefügt, der das Dienstalter der Mitglieder des Reichsgerichts regelte. Durch Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 314) wurde § 125 Abs. 1 neugefaßt. Absatz 3 wurde durch §28 der VO vom 28.2. 1939 (RGBl. I 359) aufgehoben. Durch das Vereinheitlichungsgesetz vom 12. 9. 1950 wurden die Absätze 1 und 2 neu gefaßt. Absatz 1 gibt den Rechtszustand wieder, der sich aus Art. 60, 95 Abs. 2 GG ergibt. Absatz 2, der bis dahin lautete: „ . . . nur berufen werden, wer die Fähigkeit zum Richteramt in einem deutschen Land erlangt und das fünfundreißigste Lebensjahr vollendet hat", erhielt die jetzige Fassung durch § 85 Nr. 11 DRiG 1961; die weggefallenen Worte waren durch § 6 Abs. 2 DRiG entbehrlich geworden. Vgl. im übrigen das Richterwahlgesetz vom 25. 8. 1950 (BGBl. 368).

§§ 126 bis 129 (weggefallen) 1. Die früheren §§ 126—129 regelten abschließend die beamtenrechtlichen Verhältnisse der Mitglieder des Reichsgerichts; diese privilegierenden Vorschriften wurden durch das Deutsche Beamtenges, vom 26. 1. 1937 (RGBl. I 39) aufgehoben und die Mitglieder des Reichsgerichts den allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften in Verbindung mit den allgemein für Richter geltenden Vorschriften des GVG unterstellt. Art. 98 Abs. 1 GG ordnet an, daß die Rechtsstellung der Bundesrichter durch besonderes Bundesges. zu regeln ist. Das ist durch das DRiG 1961 geschehen. Wegen der in Art. 98 Abs. 2 GG geregelten Richteranklage gegen Bundesrichter vor dem Bundesverfassungsgericht vgl. Anm. 5 zu § 30 DRiG.

130 (1) Bei dem Bundesgerichtshof werden Zivil- und Strafsenate gebildet und Ermittlungsrichter bestellt. Ihre Zahl bestimmt der Bundesminister der Justiz. (2) Der Bundesminister der Justiz wird ermächtigt, Zivil- und Strafsenate auch außerhalb des Sitzes des Bundesgerichtshofes zu bilden und die Dienstsitze für Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes zu bestimmen. Entstehungsgeschichte: Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 fügte den Absatz 2 hinzu. Durch Art. II Nr. 38 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) wurden dem Absatz 1 Satz 1 die Worte „und Ermittlungsrichter bestellt", durch Ges. vom 8.9. 1969 (BGBl. I 1582) dem Absatz 2 die Worte „und die Dienstsitze . . . zu bestimmen" hinzugefügt. 1. Zu Absatz 1. a) Beim BGH bestehen nicht nur Zivil- und Strafsenate, vielmehr sind im Lauf der Zeit eine Reihe von Spezialsenaten hinzugetreten, z. B. der Kartellsenat gemäß § 95 GWB,der Senat für Anwaltssachen gemäß § 106 BRAO, der besondere Senat, der die Aufgaben des Dienstgerichts des Bundes für die Richter im Bundesdienst wahrnimmt, gemäß § 61 DRiG usw. Vgl. dazu Anm. 1 b zu § 136. 2852

Neunter Titel. Bundesgerichtshof (Schäfer)

§ 130 Anm. 2 §§ 1 3 1 ; 1 3 1 a ; 1 3 2

b) Die Ermittlungsrichter beim BGH (vgl. § 168 a Abs. 1 Satz 2 StPO) bestellt das Präsidium des BGH (§ 21 e Abs. 1) aus der Zahl der Mitglieder des BGH. Dagegen ist die Bestimmung der Zahl der Ermittlungsrichter Sache des BJM, nicht des Präsidiums; die Ermittlungsrichter werden insoweit wie Spruchkörper behandelt (vgl. dazu auch Anm. 3 zu § 116). 2. Zu Absatz 2. Die Errichtung und Aufhebung auswärtiger Senate erfolgt durch Verwaltungsanordnung des Bundesjustizministers, also anders als die Errichtung auswärtiger Strafkammern und auswärtiger Senate eines OLG (vgl. die Anm. zu §§ 78, 116), da hier die Bezirksgrenzen des BGH nicht berührt werden. Z. Z. besteht ein detachierter Strafsenat in Berlin; dies steht mit dem „Berlin-Vorbehalt" der Westmächte, nach dem Berlin nicht durch den Bund „regiert" werden darf, und dem Viermächteabkommen 1971 nicht in Widerspruch (vgl. DRiZ 1972 138). Die Besetzung des detachierten Senats ist Sache des Präsidiums; über die Verschiebbarkeit der Mitglieder des BGH zwischen Karlsruhe und Berlin s. Anm. 2 zu § 30 DRiG. Wegen der Beteiligung des Richterrats bei Anordnungen nach Absatz 2 vgl. Anm. 1 zu § 52 DRiG.

§ 131 (weggefallen) § 131, der die §§62 bis 69 a. F. für entsprechend anwendbar erklärte und die Zusammensetzung des Präsidiums beim BGH regelte, wurde durch Art. II Nr. 39 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) aufgehoben, da er durch die neu eingefügten §§ 21a ff. gegenstandslos wurde.

§ 131a (weggefallen) § 131a, eingefügt durch Ges. vom 28. 6. 1935 (RGBl. I 844), enthielt die Vorschriften über die Großen Senate und die Vereinigten Großen Senate (jetzt § 132).

§ 132 (1) Beim Bundesgerichtshof wird ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. (2) Jeder Große Senat besteht aus dem Präsidenten und acht Mitgliedern. . (3) Die Mitglieder und ihre Vertreter werden, durch das Präsidium des Bundesgerichtshofs für die Dauer von zwei Geschäftsjahren bestellt. (4) Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und sämtlichen Mitgliedern der Großen Senate. (5) Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident des Bundesgerichtshofes, im Falle seiner Verhinderung sein Vertreter. In den Fällen des § 136 können die Vorsitzenden Richter der beteiligten Senate, in den Fällen des § 137 der Vorsitzende Richter des erkennenden Senats oder ein von ihnen bestimmtes Mitglied ihres Senats an den Sitzungen des Großen Senats oder der Vereinigten Großen Senate mit den Befugnissen eines Mitgliedes teilnehmen. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Entstehungsgeschichte: Vgl. dazu die Darstellung in Anm. 1. Durch Art. II Nr. 40 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) wurde in Absatz 5 Satz 2 das Wort „Präsident(en)" durch „Vorsitzende(n) Richter" ersetzt. Literatur: H a n a c k , Der Ausgleich divergierender Entscheidungen in der oberen Gerichtsbarkeit (1962) S. 27ff; G e l h a a r , Die Besetzung der Großen Senate bei den Oberen Bundesgerichten, DRiZ 1965 73; M a e t z e l , Prozessuale Fragen zum Verfahren vor dem „Großen Senat", MDR 1966 453; S a r s t e d t , Revision 4ff. 2853

§ 1 3 2 Anm. 1—3

Gerichtsverfassungsgesetz

§ 133 1. Entwicklungsgeschichte. § 136 a. F. G V G (i. d. F. des Ges. vom 17. 3. 1886, RGBl. 61) sah zur Erhaltung einer einheitlichen Rechtsprechung innerhalb des Reichsgerichts folgende Regelung vor: wollte ein Zivilsenat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Zivilsenats abweichen, so hatte er die Entscheidung der vereinigten Zivilsenate und in gleicher Weise ein Strafsenat, der von der Entscheidung eines anderen Strafsenats abweichen wollte, die Entscheidung der vereinigten Strafsenate einzuholen. Das Plenum des Reichsgerichts war zur Entscheidung berufen, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat (oder umgekehrt) abweichen wollte. Dieser infolge der Vielzahl der mitwirkenden Personen schwerfällige Apparat zeitigte den vielgenannten horror pleni, d. h. das Bestreben, im Wege der Auslegung die Voraussetzungen für die Einholung einer Entscheidung der Plenargremien weitgehend einzuengen. In der Zeit von 1879 bis 1935 haben die vereinigten Strafsenate nur 31 Entscheidungen erlassen (vgl. B u s c h D R i Z 1960 347). Das Ges. vom 2 8 . 6 . 1 9 3 5 (RGBl. I 844) brachte, an ältere Reformvorschläge anknüpfend (vgl. H a n a c k 31), eine Vereinfachung in der Weise, daß an die Stelle der vereinigten Zivilsenate und der vereinigten Strafsenate ein Großer Senat für Zivilsachen und ein G r o ß e r Senat für Strafsachen trat, während die Aufgaben des Plenums den Vereinigten Großen Senaten zufiel. Die Zusammensetzung dieser drei Spruchkörper wurde in dem neu eingestellten § 131 a geregelt; Aufgabenbereich und Verfahren ergaben sich aus den durch das gleiche Gesetz neugefaßten §§ 136—138 D a s Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950 behielt im wesentlichen diese Regelung bei und gab dem bisherigen § 131a die Paragraphenzahl 132. Die Abweichung des § 132 von § 131a a. F. bestand darin, daß die Mitglieder des Großen Senats nicht von der Justizverwaltung, sondern vom Präsidium (§ 21 e Abs. 1) bestellt werden; ferner bestand früher jeder Große Senat aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und 7 Mitgliedern, während jetzt außer dem Präsidenten je 8 Mitglieder dem Großen Senat angehören. Die Vereinfachung des Apparates hatte zur Folge, daß beim B G H der Weg der §§ 136, 137 viel häufiger beschritten wird als beim R G (vor 1935). So weisen allein die Bände 1 bis 15 der Amtl. Sammlung in Strafsachen für die Zeit vom 1. 10. 1950 bis 1. 10. 1960 21 Anrufungen des Großen Senats für Strafsachen auf (vgl. dazu B u s c h aaO.). 2. Die vom Präsidium zu bestellenden Mitglieder und Vertreter wählt das Präsidium nach freiem Ermessen aus der Zahl der Vorsitzenden Richter (bisher: Senatspräsidenten) und der „Richter am Bundesgerichtshof' (bisher: Bundesrichter). D a ß die Mitglieder des Großen Zivilsenats aus der Zahl der Mitglieder der Zivilsenate (und entsprechend für den Großen Strafsenat) zu entnehmen seien, ist nicht vorgeschrieben. Fällt während der zweijährigen Bestellperiode ein Mitglied weg oder ist es dauern verhindert, so tritt der bestellte Vertreter an seine Stelle; für ihn ist für den Rest der Bestellungsperiode ein Vertreter zu bestellen. 3. Die Zahl der im Einzelfall an der Entscheidung Beteiligten ist insofern unbestimmt, als es im Ermessen der in Abs. 5 Satz 2 bezeichneten Vorsitzenden Richter steht, ob sie an der Sitzung (einschl. der Abstimmung) selbst teilnehmen oder ein Senatsmitglied teilnehmen lassen wollen. Gegen die Grundgesetzmäßigkeit oder wenigstens die Rechtsstaatlichkeit der Vorschrift werden — nicht ohne Grund — unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Richters Bedenken insoweit erhoben, als es im Ermessen des Senatsvorsitzenden steht, das teilnahmeberechtigte Senatsmitglied zu bestimmen (vgl. G e l h a a r D R i Z 1965 73, 75; M a e t z e l M D R 1966 453, 454), während die unbestimmte Zahl der mitwirkenden Richter mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G vereinbar ist (BVerfG M D R 1965 975). D a die Entscheidung mit einfacher Stimmehrheit getroffen wird, mußte der Fall geregelt werden, daß bei einer geraden Zahl von Teilnehmern sich Stimmengleichheit ergibt. Die §§ 22 ff. StPO über Ausschließung und Ablehnung sind auf die Mitglieder des Großen Senats anwendbar, da das Zwischenverfahren, mag es auch die Entscheidung einer von dem Einzelfall losgelösten Rechtsfrage zum Gegenstand haben, doch auch zugleich einen Bestandteil des anhängigen Verfahrens bildet, das zur Angehung des Großen Senats geführt hat (ebenso L o b e , Arch. R. Philos. 20 209; E b S c h m i d t 3; K l 2: a. M. Anm. 3 der 20. Aufl.).

§ 133 (betr. Zuständigkeit in Zivilsachen)

2854

Neunter Titel. Bundesgerichtshof (Schäfer)

§§ 134 u n d 134 a

§ 135 Anm.

1,2

§§ 134 und 134a (aufgehoben durch Ges. vom 8. 9. 1969, BGBl. I 1582).

§ 135 (1) In Strafsachen ist der Bundesgerichtshof zuständig zur Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Revision gegen die Urteile der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug sowie gegen die Urteile der Schwurgerichte und gegen die Urteile der großen Strafkammern im ersten Rechtszug, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist. (2) Der Bundesgerichtshof entscheidet ferner über Beschwerden gegen Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte in den in § 304 Abs. 4 Satz 2 und § 310 Abs. 1 der Strafprozeßordnung bezeichneten Fällen sowie über die Beschwerde gegen eine Verfügung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes (§ 168 a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung). Entstehungsgeschichte: Die Fassung des § 135 beruht auf dem Ges. vom 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582) zur allgemeinen Einführung eines 2. Rechtszuges in Staatsschutzstrafsachen (Einfügung der Worte „gegen die Urteile der O L G e im 1. Rechtszug" in Absatz 1 und Anfügung des Absatzes 2). 1. Z u Absatz 1. Über die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs für Revisionen in Strafsachen vgl. die Anm. zu § 121. Der B G H ist ferner nach Art. 96 Abs. 3 G G oberstes Bundesgericht (i. S. des Art. 95 Abs. 1 G G ) für die Wehrstrafgerichte, die der Bund für Angehörige der Bundeswehr unter den in Art. 96 Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen als Bundesgerichte errichten kann (bisher nicht geschehen). 2. Zu Absatz 2. Die Verweisung auf § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO bezieht sich auf die dort in Satz 2 Halbsatz 2 unter Nr. 1 bis 5 aufgeführten Fälle. Die weitere Beschwerde ( § 3 1 0 Abs. 1 StPO) an den B G H findet nur dann statt, wenn das O L G nach § 120 Abs. 3 G V G über die Beschwerde betreffend Verhaftung oder einstweilige Unterbringung entschieden hat; dagegen kommt weitere Beschwerde nicht in Betracht, wenn das O L G eine Beschwerdeentscheidung im Rahmen seiner Zuständigkeit nach § 120 Abs. 4 G V G getroffen hat. z. B. wenn der Haftbefehl von der Staatsschutzkammer (§ 74 a) erlassen war, weil gegen entsprechende oberlandesgerichtliche Entscheidungen in allgemeinen Strafsachen eine weitere Beschwerde ebenfalls nicht gegeben ist. Die Zuständigkeit des B G H zur Entscheidung über Beschwerden gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des B G H ist nur solange gegeben, als der Generalbundesanwalt nach § 142 a Abs. 1 G V G das Amt der Staatsanwaltschaft ausübt. Gibt dieser eine Sache nach § 142 a Abs. 2 an die Landesstaatsanwaltschaft ab, so entfallt die Zuständigkeit des B G H als Beschwerdegericht. D a nach § 168 a Abs. 1 Satz 2 StPO der Ermittlungsrichter des B G H nur solange an Stelle des Ermittlungsrichters des O L G zuständig ist. als der GBA die Ermittlungen führt, wird vom Zeitpunkt der Abgabe der Sache an die Landesstaatsanwaltschaft ab die vorher getroffene Verfügung des Ermittlungsrichters des B G H wie eine Verfügung des Ermittlungsrichters des O L G behandelt, und über die vom B G H noch nicht beschiedene Beschwerde gegen die Verfügung des Ermittlungsrichters des B G H entscheidet nunmehr das O L G nach § 120 Abs. 3 Satz 2; das gilt auch, wenn die Beschwerde vor der Abgabe dem B G H vorlag, aber im Zeitpunkt der Abgabe noch nicht beschieden war (BGH vom 26. 10. 1972 N J W 1973 477 = M D R 1973 329).*) Entsprechendes gilt für Beschwerden gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des B G H , die dieser in der Zeit nach Übernahme einer Sache gemäß § 74 a Abs. 2, § 120 Abs. 2 bis zur Rückgabe an die Landesstaatsanwaltschaft gemäß § 142 a Abs. 4 getroffen hat; von der Rückgabe ab werden die noch nicht vom B G H beschiedenen Beschwerden gegen *) Hat der Ermittlungsrichter des BGH den Haftbefehl erlassen, so kann er auch nach Abgabe der Sache durch den G B A die Zuständigkeit für die weiteren Haftentscheidungen entsprechend § 126 Abs. 1 Satz 3 StPO übertragen; ohne solche Übertragung kann auf Antrag der StA der Amtsrichter in entsprechender Anwendung des § 125 Abs. 1 StPO die weiteren Haftentscheidungen übernehmen (BGH NJW 1973 475"= M D R 1973 328).

2855

§ 13 5 Anm. 3 § 1 3 6 Anm. 1 , 2

Gerichtsverfassungsgesetz

Verfügungen des Ermittlungsrichters des BGH wie solche des Amtsrichters im vorbereitenden Verfahren (vgl. § 168 a Abs. 1 Satz 1 StPO) behandelt, und über die Beschwerde entscheidet nach § 73 Abs. 1 Halbsatz 2, § 74 a Abs. 3 die Staatsschutzstrafkammer. Eine entsprechende Anwendung der §§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO, § 135 Abs. 2 G V G auf andere Beschlüsse, die das O L G erstinstanzlich erlassen hat, z. B. auf einen Auslieferungshaftbefehl (§ 11 DAG), kommt nicht in Betracht (BGH G A 1973 26). Wegen der Bedeutung des § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StPO vgl. auch BGH N J W 1973 664. 3. Wegen weiterer Zuständigkeiten des BGH vgl. Vorbem. 2 vor § 123.

§ 136 (1) Will in einer Rechtsfrage ein Zivilsenat von der Entscheidung eines anderen Zivilsenats oder des Großen Senats für Zivilsachen oder ein Strafsenat von der Entscheidung eines anderen Strafsenats oder des Großen Senats für Strafsachen abweichen, so entscheidet im ersten Fall der Große Senat für Zivilsachen, im zweiten Fall der Große Senat für Strafsachen. (2) Die vereinigten Großen Senate entscheiden, wenn ein Zivilsenat von der Entscheidung eines Strafsenats oder des Großen Senats für Strafsachen oder ein Strafsenat von der Entscheidung eines Zivilsenats oder des Großen Senats für Zivilsachen oder ein Senat von der früher eingeholten Entscheidung der Vereinigten Großen Senate abweichen will. Literatur: Die Schrifttumsangaben vor Anm. 14 zu § 121, insbesondere H a n a c k . Der Ausgleich divergierender Entscheidungen in der oberen Gerichtsbarkeit 1962; L a u t e r j u n g , Die Einheit der Rechtsprechung innerhalb der höchsten Gerichte, Breslau 1932 (Strafrechtl. Abhandl. Nr. 300); E b S c h m i d t , Zur Auslegung des § 1 3 6 GVG, M D R 1958 815; S c h a l s c h a , Die Aushöhlung der Vorlegungspflicht nach §§ 121, 136 G V G . M D R 1959 90; H e u ß n e r , Das Anfrageverfahren des Großen Senats, DRiZ 1972 119. Über die Rechtsfortbildung durch die Rechtspr. der Großen Senate im Verhältnis zur Rechtsfortbildung durch Einzelentscheidungen s. DRiZ 1962 271. 1. Entstehungsgeschichte. Wie in Anm. 1 zu § 132 dargelegt, hat das Ges. vom 28. 6. 1935 den § 136 a. F. dahin abgeändert, daß es die Vereinigten Zivilsenate, die Vereinigten Strafsenate und das Plenum, die bis dahin zur Entscheidung des Streites über eine Rechtsfrage zwischen verschiedenen Senaten berufen waren, durch den Großen Senat für Zivilsachen, den Großen Senat für Strafsachen und die Vereinigten Großen Senate ersetzt und deren Zusammensetzung sowie das Stimmenverhältnis in § 132 regelte. Bezüglich der Frage, wann eine Entscheidung dieser Spruchkörper herbeizuführen war. beließ es das Ges. vom 28. 6. 1935 — abgesehen davon, daß es eine Abweichung von Entscheidungen, die vor dem 1. 9. 1935 ergangen waren, frei zuließ —beim bisher geltenden Recht, und diese Regelung bildet jetzt den Inhalt des § 136. Während aber früher eine Anrufung des Großen Senats erst in Betracht kam, wenn bereits ein Senat des Reichsgerichts über eine Rechtsfrage entschieden hatte und ein anderer Senat davon abweichen wollte, sah das Gesetz vom 28. 6. 1935 als wesentliche Neuerung eine Anrufung der Großen Senate auch für den Fall vor, daß eine aktuelle Abweichung zwischen zwei Senaten nicht in Frage stand, sondern, auch ohne daß das Reichsgericht bisher entschieden hätte, eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vorlag, bei der die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Großen Senats wünschenswert machte, um der Rechtsprechung die Bahn zu weisen. Diese Vorschrift wurde als § 137 eingefügt. Die bisherigen Absätze 2 bis 5 wurden aus § 136 ausgeschieden und als § 138 eingefügt. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat — abgesehen von einer bei § 137 zu erörternden Abweichung — diese Regelung unverändert übernommen. 2. Strafsenat. Nach § 95 Abs. 2 des Ges. gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. vom 3. 1. 1966 (BGBl. I 37) gilt der nach diesem Gesetz (§ 95 Abs. 1) beim BGH gebildete Kartellsenat in Bußgeldsachen als Strafsenat i. S. der §§ 132, 136 GVG. Das gleiche gilt nach § 61 Abs. 4 DRiG für den besonderen Senat des BGH. der als Dienstgericht des Bundes für die Richter im Bundesdienst gebildet ist, soweit er in Disziplinarsachen entscheidet, und nach § 106 BRAO für den Senat für Anwaltssachen beim BGH. soweit für das Verfahren die Vorschriften der StPO entsprechend gelten. 2856

Neunter Titel. Bundesgerichtshof (Schäfer)

§ 136 Anm. 3—5

3. Eine dem § 136 entsprechende Regelung ist auch für das Bundesverfassungsgericht (§ 16 BVerfGG)*) und für die obersten Bundesgerichte getroffen; vgl. für den Bundesfinanzhof § 11 FGO, für das Bundesverwaltungsgericht § 11 VwGO, für das Bundesarbeitsgericht § 45 AGG, für das Bundessozialgericht §§ 42—44 des Sozialgerichtsges. (wegen der hier im Hinblick auf die Beteiligung ehrenamtlicher Beisitzer entstehenden Fragen vgl. M e i l w i t z NJW 1962 1143), für die Disziplinarsenate beim BVerwG § 55 BDO. Auch bei den Oberverwaltungsgerichten gilt eine entsprechende Regelung, soweit sie letztinstanzlich über Fragen des Landesrechts entscheiden (§ 12 VwGO). Wegen weiterer Maßnahmen zur Erhaltung einer einheitlichen Rechtsprechung vgl. die Anm. zu § 121 Abs. 2 GVG. 4. Anwendungsgebiet — Voraussetzung für die Anwendung des § 136 ist lediglich, daß in einer Rechtsfrage ein Senat des Bundesgerichtshofs von der Entscheidung (über diesen Begriff vgl. Vorbem. 3 vor § 33 StPO) eines anderen abweichen will. Ohne Bedeutung ist es, welchem Rechtsgebiet die Rechtsfrage angehört, ohne Bedeutung aber auch, ob die vorangegangene oder die jetzt von dem anrufenden Senat zu treffende Entscheidung eine Revisionsoder eine Beschwerdeentscheidung (§ 135) oder eine auf Vorlegung (§ 121 Abs. 2, § 79 Abs. 3 OWiG, § 27 DAG, § 28 FGG usw.) getroffene oder zu treffende Entscheidung ist, ob sie als Urteil oder in der Form des Beschlusses ergangen ist oder zu ergehen hat. Unanwendbar ist aber § 136 (außer bei vorkonstitutionellem Recht), wenn die Abweichung die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes betrifft (vgl. Anm. 22 f. zu § 121). Es muß also der Senat, der Verfassungswidrigkeit annimmt, selbst das BVerfG anrufen (BVerfG NJW 1962 459). 5. Eine Abweichung von einer Entscheidung in einer Rechtsfrage (über diesen Begriff vgl. ergänzend Anm. 23 zu § 121) liegt nur vor, wenn die Auslegung in diesem oder jenem Sinn die Grundlage der jetzt in Aussicht genommenen wie die der früheren Entscheidung bildet, wenn also bei Zugrundelegung der jetzt beabsichtigten Auslegung die frühere Entscheidung nicht so hätte ergehen können, und wenn bei Zugrundelegung der früheren Auslegung die jetzt in Aussicht genommene Entscheidung nicht so ergehen kann (BGHSt. 7 314). Die Anrufung nach § 136 ist also nicht erforderlich, wenn die frühere Entscheidung nicht von der in Frage stehenden Rechtsansicht getragen wurde, diese vielmehr nur beiläufig in den Gründen geäußert wurde (ein obiter dictum bildet),**) oder nur eine zusätzliche Erwägung darstellt, wenn die Rechtsansicht über die Bedürfnisse des entschiedenen Falles hinaus verallgemeinert aufgestellt wurde, oder wenn es sich um Hinweise für den Tatrichter bei Zurückverweisung handelt, die auch diesen nicht binden (RGSt. 58 219; 60 66, 269; 61 79, 242, 366; 62 91; 65 434; BGHSt. 9 24, 29; 11 152, 162, 322; 12 14, 17; 13 219, 223; 14 159, 161; 16 271, 278; 17 157, 158; 18 156, 159, 176, 179; NJW 1970 1741; 1971 561, 564). Das gilt auch, wenn die Rechtsansicht in einem der Entscheidung vorangestellten Leitsatz zum Ausdruck gebracht war oder wenn dieser in seiner Allgemeinheit mehr besagte, als zu entscheiden war (BGHSt. 21 57, 58; NJW 1970 2120; GA 1971 209). Auch ist der jetzt entscheidende Senat zur Anrufung nicht verpflichtet, wenn er trotz einer von der früheren Entscheidung abweichenden Auslegung zum gleichen Ergebnis kommt (RGSt. 58 19, 24; 65 85, 88; BGHSt. 6 41, 46; 16 271, 278; NJW 1954 969; a. M. H a n a c k 285). Freilich läßt sich gegen diese Praxis das Bedenken aufwerfen, daß eine saubere Trennung, welche Erwägung tragend und welche nicht tragend war, oft nicht möglich ist ( H a n a c k 243ff., 250, 261, 266; S c h r ö d e r MDR 1960 809; s. auch E b S c h m i d t JZ 1959 518) - es sind zuweilen recht gewaltsame Interpretationen, mit denen der abweichungsbereite Senat der von ihm nicht gebilligten Rechtsauffassung des früheren Urteils die entscheidungstragende Bedeutung abspricht (vgl. H a n a c k 183; s. auch etwa die Erwägungen in BGHSt. 19 141, weshalb trotz Abweichung von BGHSt. 19 88 eine Anrufung des Großen Senats nicht erforderlich sei) — und daß auch die mitunter sehr ausführlichen obiter dicta für das Rechtsleben richtungweisende Bedeutung gewonnen haben ( H a n a c k 187, 253; S c h r ö d e r NJW 1959 1519; M i e b a c h NJW 1972 71 m. w. Nachw.). Auf der anderen Seite aber würde eine uneingeschränkte Anrufungspflicht zu einer unerträglichen Erschwerung und Verlangsamung *) Jedoch kann ein Senat des BVerfG ohne Anrufung des Plenums von der Rechtsauffassung abweichen, die in der Entscheidung des Vorprüfungsausschusses (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) eines anderen Senats enthalten ist (BVerfG NJW 1968 982 m. Anm. A r n d t ) . **) hierzu allgemein: S c h l ü t e r , D a s Obiter Dictum, Beck, 1973

2857

§ 136

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 6 der Rechtsprechung bei den obersten Bundesgerichten führen; die Großen Senate müßten in Permanenz tagen. Die nicht zu unterschätzenden Bedenken gegen den Grundsatz von der Bedeutungslosigkeit nichtentscheidungstragender Divergenzen können also nicht zu seiner Preisgabe führen, zumal er in einzelnen Verfahrensordnungen inzwischen gesetzlich anerkannt ist. Sie verlieren auch, wenn es sich um Abweichungen innerhalb der einzelnen Senate des gleichen obersten Bundesgerichts handelt, an Gewicht, weil dort zwischen den beteiligten Senaten auf Anfrage (unten Anm. 6) eine Verständigung darüber, wie weit die frühere Entscheidung auf einer geäußerten Rechtsauslegung beruht, leichter möglich ist.; Die Bedenken gegen den fraglichen Grundsatz müssen vielmehr für die Revisionssenate Veranlassung sein, nach besten Kräften entbehrliche Zwischensätze und durch die Bedürfnisse des zur Entscheidung stehenden Falles nicht gebotene Verallgemeinerungen zu vermeiden. Wenn es sich aber — bei Beurteilung der Vorlegungspflicht nach § 121 Abs. 2 — um Divergenzen zwischen dem B G H und einem O L G oder zwischen mehreren Oberlandesgerichten handelt, erscheint eine Übertragung des oben genannten Grundsatzes nicht angemessen (vgl. Anm. 24 g zu § 121). 6. Anfrageverfahren a) Schon das R G hatte den Grundsatz aufgestellt, daß eine Anrufung nach § 136 sich erübrige, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage erklärt, daß er an dieser Entscheidung nicht mehr festhalte (RGZ 93 142, 144; RGSt. 48 400; 53 81, 89; 55 13, 230, 261; 57 60, 349; 63 144; 65 265). D a die Anrufung entfung entfalle, wenn ein Senat die Rechtsauffassung, von der jezt ein anderer Senat abweichen will, inzwischen selbst wieder aufgegeben hat (RGSt. 49 137, 53 190), müsse es auch genügen, wenn er jetzt (auf Anfrage) die frühere Auffassung aufgebe. Der B G H hat diesen Grundsatz übernommen (BGHSt. 4 319; 12 217, 219; 13 345, 351; 16 175, 178, 335, 337; 18 274, 275, 291; 20 34, 37; 23 241, 244; N J W 1963 1116). Im Schrifttum rief diese Praxis zunächst erheblichen Widerspruch hervor (vgl. J o u r d a i n JW 1925 924; L o b e - Senatspräsident am R G - ArchR Philos. 20 212; F r i e d l ä n d e r LZ 1927 206; F u c h s LZ 1927 86; O e t k e r JW 1928 2226; K o e h l e r in „RG-Praxis im deutschen Rechtsleben" V 166). Auch heute sind die kritischen Stimmen nicht ganz verstummt, weil das intern betriebene Anfrageverfahren die Rechte der Parteien beeinträchtige, ihnen insbesondere das rechtliche Gehör nicht gewähre (vgl. H a n a c k 302ff„ 307; S c h u l t z M D R 1972 755). Die Praxis nimmt dies unter dem Gesichtspunkt eines Vorranges des Interesses an einer Beschleunigung des Verfahrens hin. Das Anfrageverfahren ist auch nicht nur in den Geschäftsordnungen der obersten Bundesgerichte (§ 15 der G O des BGH, § 7 der G O des BAG) ausdrücklich vorgesehen, sondern hat bereits die förmliche Anerkennung des Gesetzgebers gefunden (§ 66 a. F. RAbgO, § 42 BDO, sowie für den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes in § 14 des Ges. vom 19. 6. 1968, BGBl. I 661 - hier allerdings in formalisierter Weise —). Auch ohne gesetzliche Grundlage ist das Verfahren jetzt als gewohnheitsrechtlich zulässig anzusehen ( H e u ß n e r DRiZ 1972 119). b) Da die Erklärung des befragten Senats, er halte an der früheren Auffassung nicht mehr fest (seine „Zustimmungserklärung"), die gleiche Bedeutung hat wie ein Revisionsurteil, in dem er seine frühere Auffassung aufgibt, muß die Zustimmungserklärung, was die Zahl der zustimmenden Richter und das Mehrheitsverhältnis anlangt, den gleichen Anforderungen entsprechen wie ein Revisionsurteil (so auch H a n a c k 307). Das gilt auch, wenn der Senat „überbesetzt" (mit mehr als 5 Richtern besetzt) ist (ebenso H e u ß n e r DRiZ 1972 119, 121); naturgemäß müssen die an der Zustimmungserklärung nicht beteiligten Richter intern an der Aussprache beteiligt werden, um einen alsbaldigen Meinungsumschwung bei einer anderen personellen Zusammensetzung des Senats auszuschließen (a. M. M e l i w i t z N J W 1962 1143, der bei einer Überbesetzung die Mitwirkung sämtlicher Senatsmitglieder bei der Zustimmungserklärung verlangt). Entsprechende Grundsätze gelten für den anfragenden Senat ( H e u ß n e r 121). Die Zustimmung wird nach außen dadurch verlautbart, daß der abweichende Senat sie in seiner Entscheidung ausdrücklich hervorhebt. Der entscheidungsgleiche Charakter der Zustimmung bewirkt, daß der abweichende Senat nicht mehr frei seine eigene Auffassung aufgeben kann (ebenso H e u ß n e r 122). Er muß, wenn er dies beabsichtigt, auch dazu die Zustimmung des früher zustimmenden Senats einholen oder den Weg des

2858

Neunter Titel. Bundesgerichtshof (Schäfer)

§ 136 Anm. 7 - 9

§ 136 beschreiten. Unterließe er dies, so würde dies den zustimmenden Senat nicht berechtigen. auch seinerseits frei zu seiner ursprünglichen Auffassung zurückzukehren (s. Anm. 7). 7. In der Zeit des horror pleni hatte das R G ferner den Grundsatz entwickelt, die Anrufungspflicht entfalle, wenn ein Senat — bewußt oder unbewußt — von der Entscheidung eines anderen Senats abgewichen ist, ohne nach § 136 zu verfahren, und der jetzt entscheidende Senat sich der früheren Entscheidung anschließen will (RGSt. 45 97; 49 180; 55 45, 184; 57 85, 95, 136; 58 19, 24; 60 269; 61 242; 64 202; 65 411). Dieser Auffassung hatte sich zunächst auch der B G H angeschlossen (BGHSt. 4 35; 5 136; 8 226, 234). Sie ist aber mit dem Grundsatz des § 136, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in der Spitze der Gerichtsorganisation zu gewährleisten, schlechthin unvereinbar und unter keinem Gesichtspunkt zu rechtfertigen. Der Große Sen. für Strafs. des B G H (BGHSt. 10 94; s. ferner BGHSt. 13 149, 153) hat sie deshalb mit Recht aufgegeben. 8. Ebenfalls aus den Zeiten des horror pleni stammt der vom R G aufgestellte Grundsatz, § 136 sei unanwendbar, wenn ein Senat von der Entscheidung eines Feriensenats oder eines nicht mehr oder als Revisionssenat nicht mehr bestehenden Senats abweichen will (so RGSt. 58 383, 425; 60 178, 411; 61 79, 341. 367; 63 250; 65 338, 358; R G Z 108 58 u. a. m.). Der B G H hat ihn übernommen (vgl. z. B. - betr. Feriensenat - BGHSt. 13 209. 219; 17 280, 285 und - betr. nicht mehr bestehenden Senat - BGHSt. 11 15, 17; 12 14, 362, 332; 13 209, 219; 17 361, 362; 18 200, 204; 20 77, 79. 81; 22 113; 24 208. 210 = N J W 1971 2273). Dieser auch früher schon im Schrifttum ( F u c h s LZ 1927 88; L o b e , ArchRPhilos. 20 206) bekämpfte Grundsatz hat heute keine Daseinsberechtigung mehr; er steht mit dem Grundgedanken des Divergenzausgleichsprinzips in unvereinbarem Widerspruch (ebenso H a n a c k 290ff.; E b S c h m i d t M D R 1958 815; Anm. 4 zu § 1 3 6 ; S c h a l s c h a M D R 1959 90; S c h a p e r N J W 1963 1885; M ü l l e r - S a x 2 f ; a. M. K l e i n k n e c h t JZ 1959 182; K l 3 C). Allerdings entfallt hier für den zur Abweichung entschlossenen Senat die Möglichkeit, die Divergenz durch Anfrage bei dem Senat, der die frühere Entscheidung erlassen hat, zu bereinigen. Damit entfällt aber nicht die Anrufungspflicht nach § 136. denn sie kann nur vermieden werden, wenn der früheren Entscheidung durch einen actus contrarius — eben die Zustimmung zur beabsichtigten Abweichung — ihre richtungweisende Bedeutung für das Rechtsleben entzogen wird, andernfalls bleibt die Streitfrage unausgeglichen bestehen. Nachdem auch in der Rechtsprechung des B G H für den § 121 Abs. 2 anerkannt ist (vgl. Anm. 19a zu § 121), daß ein Oberlandesgericht vorlegungspflichtig ist wenn es von der Entscheidung eines Feriensenats oder eines nicht mehr bestehenden e.Jentlichen Senats des B G H abweichen will, sind keine Gründe erfindlich, die es rechtfertigen könnten, bei der Innendivergenz anders zu verfahren als bei der Außendivergenz. 9. Von seinen eigenen Entscheidungen darf jeder Senat abweichen (natürlich nur, soweit diese nicht von anderen Senaten in einer die Entscheidung tragenden Weise übernommen sind und der abweichungsbereite Senat dadurch von den anderen Senaten abweichen würde; B G H JZ 1972 663). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet, die Verfahrensbeteiligten auf die beabsichtigte Abweichung hinzuweisen (vgl. M ü l l e r N J W 1963 2061). Entsprechend liegt es, wenn bei bestimmten Rechtsgebieten (z.B. politischen und Verkehrsstrafsachen) nach der Geschäftsverteilung ein Senat ausschließlich zuständig ist und die Zuständigkeit für diese Spezialgebiete auf einen anderen Senat übergeht. Dann kann der „Rechtsnachfolger" bindungsfrei von den nur die Spezialmaterie betreffenden, die übrigen Senate also nicht berührenden Entscheidungen (vgl. B G H Z 9 179. 181) des vorher zuständigen Senats ebenso abweichen, wie er die von ihm selbst erlassenen Entscheidungen aufgeben kann. In gleicher Weise wird auch die Frage bejahend zu entscheiden sein, ob der Spezialsenat nach seiner Bildung frei von den Entscheidungen abweichen darf, die die einzelnen Senate auf dem betreffenden Rechtsgebiet erlassen haben, als die einschlägigen Strafsachen'noch nach regionalen Gesichtspunkten verteilt waren (vgl. zu diesen Fragen BGHSt. 7 109; 8 59. 66, 203; 11 199, 205 [= JZ 1958 mit Anm. H a r t u n g l ; 12 75. 79, 84; 13 169, 171; 19 177, 184; B G H Z 28 16 = N J W 1958 1133). In der Rechtsprechung des B G H wird freilich nicht immer reinlich getrennt zwischen Rechtsfragen, die nur der Entscheidung des Spezialsenats unterliegen und solchen, die in seinem Aufgabenbereich entstehen, aber allgemeiner Natur sind und auch die übrigen Senate berühren (gegen diese Ausdehnung mit Recht H a n a c k 297f.; S c h a l s c h a M D R 1959 90). 2&59

§ 1 3 6 Anm. 10, 11 Gerichtsverfassungsgesetz § 137 Anm. 1 10. Die Identität einer Rechtsfrage ist nicht auf den Fall beschränkt, daß der Auslegungsstreit die gleiche Norm betrifft. Vielmehr genügt, daß die Abweichung einen Rechtsbegriff betrifft, der mit gleichem sachlichen Inhalt in mehreren Vorschriften vorkommt, oder daß sie den gleichen Rechtsgrundsatz betrifft (BGHSt. 6 42; 10 344 = LM Nr. 3 zu Art. 12 G G m. Anm. J a g u s c h ; BGHSt. 18 279; BGHZ 9 179). Es bemißt sich die Identität also nach den gleichen Grundsätzen wie im Fall des § 121 Abs. 2, vgl. dort Anm. 24 f. (ebenso BGH NJW 1963 2085, wo aber zu Unrecht ausgeführt wird, die Anrufungspflicht nach §136 reiche weiter als die Vorlegungspflicht nach § 121 Abs. 2). Die Identität entfallt daher nicht schon deshalb, weil die frühere Entscheidung zu einer Vorschrift erging, die inzwischen aufgehoben, aber durch eine inhaltsgleiche Vorschrift ersetzt ist (BGHZ 19 355; BGHSt. 21 125, 130). Das gilt an sich auch bei Kondifikationen und bei Neufassungen oder bei Übernahme von Landesrecht als Bundesrecht, wenn die Änderungen und Neuerungen die inhaltlich oder gar im Wortlaut unverändert übernommene Vorschrift nicht berühren. Anders kann es bei grundlegenden Reformen liegen — etwa bei der Schaffung eines neuen Strafgesetzbuchs —, bei denen auch mehr oder weniger unverändert übernommene Einzelvorschriften des bisherigen Rechts einer durch Anrufungs- und Vorlegungspflichten nicht gehemmten Überprüfung bedürfen, ob sich ihr Sinngehalt nicht im Licht der Grundgedanken des neuen Rechts gewandelt hat. Daß aber auch hier die Frage der Gebundenheit — soweit nicht der Gesetzgeber selbst die Bindung aufhebt — nicht generell unter dem Gesichtspunkt der völligen Veränderung der Rechtslage verneint werden kann, sondern von Fall zu Fall entschieden werden muß, ergibt sich schon aus der Überlegung, daß bei langdauernden Reformarbeiten häufig schon vor Abschluß des Gesamtwerks bestimmte Vorschläge und Grundgedanken der bisher vorliegenden Entwürfe im Wege der Novellengesetzgebung zu geltendem Recht erhoben werden. Bei den Entscheidungen, die zu solchen vorweggenommenen Teilen der Reform gehören, kann jedenfalls nicht generell gesagt werden, daß sie mit dem Inkrafttreten der Gesamtreform i. S. des § 136 ihre bindende Bedeutung verlören. Im einzelnen bestehen zu der Frage der Bedeutung einer Gesetzesänderung für die Identität der Rechtsfrage beträchtliche Meinungsverschiedenheiten, vgl. dazu eingehend mit Nachw. aus Rechtsprechung und Schrifttum H a n a c k 169ff. 11. Wegen der Folgen der Nichtbeachtung des § 136 s. Anm. 28 zu § 121.

§ 137 Der erkennende Senat kann in einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung die Entscheidung des Großen Senats herbeiführen, wenn nach seiner Auffassung die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung es erfordert. Literatur: M ü l l e r , Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Festschrift f. Herschel (1955) 159; R a m m JZ 1964 498 (Übersicht über die Rechtsprechung des BAG zu dem dem § 137 GVG entsprechenden § 45 Abs. 2 Satz 2 ArbGG); S c h e f o l d , Zweifel des erkennenden Gerichts, Berlin 1971. 1. a) Entstehungsgeschichte: § 137 i. d. F. der Bek. v. 22. 3. 1924 (RGBl. 1315) (= § 138 der ursprüngl. Fassung des GVG) wurde aufgehoben durch Art. II des Ges. vom 31. 3. 1926 (RGBl. I S. 190). Die so entstandene Lücke wurde ausgefüllt durch § 137 i. d. F. des Ges. vom 28. 6. 1935 (RGBl. I S. 844). Die auf dem Rechtsvereinheitlichungsges. v. 12. 9. 1950 beruhende Fassung entspricht dem § 137 Abs. 1 i. d. F. von 1935. Absatz 2 der Fassung von 1935 bestimmte, daß, wenn in einer Strafsache der Oberreichsanwalt die Entscheidung durch den Großen Senat für erforderlich hielt, auf seinen Antrag der erkennende Senat die Verweisung vor den Großen Senat auszusprechen hatte. Diese Vorschrift hat das Vereinheitlichungsges. v. 12.9. 1950 ersatzlos weggelassen; F r ä n k e l DRiZ 1960 354 hält ihre Wiederherstellung für erwünscht; auch bei den Verhandlungen des 45. Deutschen Juristentages (1964) ist diese Forderung erhoben worden (vgl. JZ 1964 726). b)Dem § 137 entsprechende Vorschriften enthalten § 4 5 Abs. 2 ArbGG, § 11 Abs. 4 VwGO, § 43 SGG usw. Über Fälle, in denen außerhalb des § 137 GVG und der ihm entsprechenden Vorschriften für die obersten Gerichtshöfe der übrigen Gerichtszweige und in

2860

Neunter Titel. Bundesgerichtshof (Schäfer)

§ 137 Anm. 2

Anlehnung an diese Vorschriften Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung in einem früheren Stadium zur Fortbildung der Rechtsprechung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zum Gegenstand einer obergerichtlichen Entscheidung gemacht werden können, vgl. Anm. 16 a zu § 121. 2. Frage von grundsätzlicher Bedeutung a) Während § 136 den Fall regelt, daß zu einer Rechtsfrage bereits eine Entscheidung eines Senats des BGH vorliegt, der erkennende Senat aber davon abweichen will, ermöglicht §137, den Großen Senat alsbald anzurufen, insbes. wenn der BGH erstmalig zu einer Rechtsfrage Stellung zu nehmen hat oder wenn zwar eine frühere Entscheidung vorliegt, die darin geäußerte Rechtsauffassung aber die ergangene Entscheidung nicht trägt (vgl. Anm. 5 zu § 136). Und zwar muß es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handeln, d. h. um eine Rechtsfrage, die voraussichtlich auch künftig häufig auftauchen wird, so daß die ergehende Entscheidung für die Rechtsanwendung von erheblicher präjudizieller Bedeutung ist; jede Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sich ein gleicher Fall jederzeit wieder ereignen kann (BGHSt. 22 58, 61 betr. § 27 D A G ; s. auch M a e t z e l MDR 1968 797, 799; S c h r ö d e r NJW 1959 1517, 1519). Eine weitergehende Einschränkung liegt nicht in dem Erfordernis der grundsätzlichen Bedeutung. Ähnlich die Rechtspr. des BAG (Übersicht bei R a m m JZ 1964 498), wo darauf abgestellt wird, daß die gleiche Frage bei allen Senaten auftauchen kann (BAGE 6 65), daß von ihr eine für das Arbeitsleben wichtige Entscheidung abhängt (BAGE 8 316), daß eine bisher noch nicht hinreichend geklärte Frage allgemein von praktischer Tragweite für das Arbeitsleben ist (BAGE 12 15), daß die Entscheidung über den Einzelfall hinaus für eine Vielzahl gleich oder ähnlich liegender Fälle richtungweisend ist (BAGE 13 1). Ebenso wohl auch die Umschreibung des Begriffs der grundsätzlichen Bedeutung in BVerwG 1962 218: „wenn die Rechtssache eine... Rechtsfrage von grundsätzlicher, das heißt allgemeiner Bedeutung aufwirft". Enger dagegen M ü l l e r - S a x 2 a : die Rechtsfrage müsse sich „auf die weitere Rechtsentwicklung nachhaltig auswirken", z. B. weil „sie ihren Niederschlag in der Anwendung einer Mehrzahl von gesetzlichen Bestimmungen finden wird"; noch anders E b S c h m i d t 5: die Beantwortung der Rechtsfrage müsse den Umkreis der von dem Rechtssatz betroffenen Fälle oder den strukturellen Aufbau des Rechtssatzes oder der den Rechtsgüterschutz betreffenden Grundgedanken wesentlich betreffen. Zur Frage der grundsätzlichen Bedeutung s. auch H a n a c k 94ff. Seltsam der Leitsatz BGHSt. 17 21, 27: grundsätzliche Bedeutung haben nur Rechtsfragen, deren Beantwortung nicht selbstverständlich ist[!]. Zur grundsätzlichen Bedeutung hinzukommen muß, daß entweder die Fortbildung des Rechts (s. unten b) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (unten c) die Vorlage erfordert. Die Vorlegung ist nicht erforderlich, wenn in einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung der erkennende Senat bei allen übrigen Strafsenaten anfragt, ob sie seiner Auffassung zustimmen und diese es bejahen (vgl. BGHSt. 16 351, 353). Unanwendbar ist § 137, wenn die Rechtsfrage die Verfassungsmäßigkeit eines (nicht vorkonstitutionellen) Gesetzes zum Gegenstand hat (vgl. BVerfGE 6 222; BGH NJW 1960 1115 und Anm. 4 zu § 136). b) Die Fortbildung des Rechts bedeutet selbstverständlich nicht, daß der gesetzesgebundene Richter (Art. 97 GG) an Stelle des Gesetzgebers änderungsbedürftiges Recht durch neues ersetzen könnte, sondern gemeint ist lediglich die Rechtsfortbildung durch geläuterte Auslegung im Rahmen und auf der Grundlage des gesetzten Rechts. Sie geschieht durch die Aufstellung von Leitsätzen für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts, ggf. durch die rechtsschöpferische Ausfüllung von Gesetzeslücken, zu denen der Einzelfall Veranlassung gibt (BGHSt. 24 15, 21 zu § 80 OWiG). Daß eine solche Rechtsfortbildung, wie sie § 137 im Auge hat, keine grundgesetzwidrige Verlagerung gesetzgeberischer Aufgaben auf den Richter bedeutet, ergibt sich schon aus der Erwägung, daß Gesetz und Recht keine Gegensätze sind (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG.: „... die Rechtsprechung ist an Gesetz und Recht gebunden"), sondern daß unter „Recht" in diesem Sinn die Summe der Rechtsgrundsätze zu verstehen ist, die bei richtiger Auslegung dem Gesetz zu entnehmen ist; die Fortbildung des Rechts durch Fortentwicklung der Auslegung aber gehört zu den vornehmsten Aufgaben, die der Gesetzgeber dem gesetzesgebundenen

2861

§ 13 7

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 3 , 4 Richter anvertraut hat (vgl. B G H J R 1952 105). Eine Fortbildung des Rechts kommt insbesondere in Betracht, wenn es sich darum handelt, mit einer hergebrachten Rechtsauslegung zu brechen (Beispiele: die Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung zum Verbotsirrtum, BGHSt. 2 292, zum Begriff des umschlossenen Raumes in § 243 Nr. 1 StGB; BGHSt. 1 158. zum Begriff der Heimtücke in § 211 StGB, BGHSt. 9 385). Vgl. noch Anm. III 2. 3 zu § 1. c) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist die Vorlegung erforderlich, wenn vermieden werden soll, daß schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen (BGHSt. 24 15, 22), z. B. wegen bereits in der Rechtsprechung nachgeordneter Gerichte oder im Schrifttum geäußerter abweichender Auffassungen oder wegen des Zweifels, ob die beabsichtigte Rechtsprechung des Senats die Zustimmung der übrigen Senate finden wird. Es kommt dabei auch darauf an. welche Bedeutung abweichende Auffassungen für die Rechtsprechung im ganzen haben; die Vorlegungsvoraussetzungen sind z. B. gegeben, wenn ein Gericht in einer bestimmten Rechtsfrage in einer auf dem Weg des § 121 Abs. 2 nicht zu bereinigenden Weise ständig von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht, während eine in einem Einzelfall getroffene offensichtliche Fehlentscheidung ein Vorlegungsbedürfnis nicht entstehen läßt (vgl. B G H aaO.). d) Die Entscheidung darüber, ob die Vorlagevoraussetzungen gegeben sind, steht im Ermessen des erkennenden Senats. Die amtl. Begr. zu dem Ges. vom'28. 6. 1935. das den § 137 eingefügt hat (Amtl. Sonderveröffentl. der Deutschen Justiz Nr. 10) bemerkt dazu: „Die Auffassung des erkennenden Senats darüber, ob die Voraussetzungen für die Anrufung des Großen Senats gegeben sind, b i n d e t . . . den Großen Senat; diesem selbst steht insoweit eine Nachprüfung nicht zu." Dieser Auffassung ist zuzustimmen (ebenso K o h l r a u s c h 2; E b S c h m i d t 6; a. M. B A G E 13 1 und M ü l l e r - S a x 2c, wonach der G r o ß e Senat entscheidet, ob die Frage grundsätzliche Bedeutung hat, während er an die Auffassung des vorlegenden Senats gebunden ist. daß die Rechtsfortbildung usw. die Entscheidung erfordert). Ein Antrag des Generalbundesanwalts, die Rechtsfrage dem Großen Senat vorzulegen, hat nur die Bedeutung einer Anregung für den erkennenden Senat; eine dem § 136 Abs. 2 i. d. F. von 1935 entsprechende Bestimmung, die auf einen Antrag des Oberreichsanwalts hin den erkennenden Senat zur Vorlegung verpflichtete, hat das Rechtsvereinheitlichungsges. v. 12. 9. 1950 nicht übernommen (s. oben Anm. 1 a). 3. Auch wenn es in § 137 nicht ausdrücklich ausgesprochen ist, setzt aber die Vorlegung voraus, daß die betreffende Rechtsfrage für den erkennenden Senat von sachentscheidender Bedeutung ist, daß also die Entscheidung des Senats in der vorliegenden Sache von der Beantwortung der Rechtsfrage abhängt (vgl. BGHSt. 17 21, 27, h. M.). Das ergibt sich aus § 138 Abs. 3 (auch B G H N J W 1954 1073 geht offensichtlich davon aus, daß der vorlegende Senat die Rechtsfrage als entscheidungserheblich ansehen muß). § 137 ermöglicht nicht die Herbeiführung einer Entscheidung über Fragen theoretischer Art. Ein Senat ist also nicht berechtigt, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorzulegen, wenn diese zwar im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Entscheidung auftaucht, die Entscheidung aber nicht von der Beantwortung der Frage abhängt. In solchen Fällen kann der G r o ß e Senat die Entscheidung ablehnen (vgl. § 9 der GeschäftsO des B G H , Anm. 3 zu § 138). Dagegen ist er an die Auffassung des vorlegenden Senats gebunden, daß die Rechtsfrage für seine Entscheidung tragend sei (ebenso B A G E 13 1). Ohne Bedeutung ist es, ob der vorlegende Senat als Revisions-, Beschwerde- oder Vorlagegericht ( § 1 2 1 Abs. 2, § 79 Abs. 3 O W i G , § 27 D A G usw.) zur Entscheidung berufen ist. 4. D a die Vorlegung im Ermessen des erkennenden Senats steht, ist er, solange eine Entscheidung des Großen Senats nicht ergangen ist. berechtigt, die Vorlegung zurückzunehmen, sei es, daß neu hervorgetretene Gesichtspunkte (z. B. eine Gesetzesänderung) die Entscheidung des Großen Senats entbehrlich machen, sei es. daß er bei nochmaliger Würdigung das Bedürfnis für eine Entscheidung des Großen Senats verneint (ebenso H a n a c k 332; offen gelassen in B G H N J W 1954 1073).

2862

Neunter Titel. Bundesgerichtshof (Schäfer)

§ 138 Anm. 1

§ 138 (1)Die Großen Senate und die Vereinigten Großen Senate entscheiden ohne mündliche Verhandlung nur über die Rechtsfrage. (2) Vor der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen oder der Vereinigten Großen Senate sowie in Ehe- und Entmündigungssachen und in Rechtsstreitigkeiten, welche die Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern oder die Anfechtung einer Todeserklärung zum Gegenstand haben, ist der Generalbundesanwalt zu hören. Der Generalbundesanwalt kann auch in der Sitzung seine Auffassung darlegen. (3) Die Entscheidung ist in der vorliegenden Sache für den erkennenden Senat bindend. (4) Erfordert die Entscheidung der Sache eine erneute mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Senat, so sind die Beteiligten unter Mitteilung der ergangenen Entscheidung der Rechtsfrage zu der Verhandlung zu laden. Schrifttum: M a e t z e l , Prozessuale Fragen zum Verfahren vor dem „Großen Senat", MDR 1966 453; derselbe: Bemerkungen zum Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe. MDR 1968 797. Entstehungsgeschichte: § 138 beruht auf dem Ges. vom 28. 6. 1935 (RGBl. I S. 844); das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat die Vorschrift unverändert beibehalten. § 138 enthält die Bestimmungen, die früher in den Abs. 3—5 des § 136 a. F. enthalten waren. Der damalige Absatz 4 (jetzt Absatz 2) war durch Ges. vom 17. 8. 1898 eingefügt worden; er sah nur eine schriftliche Anhörung des Oberreichsanwalts vor, während jetzt der Generalbundesanwalt auch Gelegenheit zu mündlicher Darlegung seiner Auffassung in der Sitzung des Großen Senats oder der Vereinigten Großen Senate hat. 1. In Ergänzung des § 132 regelt § 138 das Verfahren vor den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten. a) Rechtsnatur des Verfahrens. Der Große Senat wird nur tätig, wenn er nach §§ 136, 137 angerufen wird. Die Anrufung (Verweisung, Vorlegung) kann, soweit es sich nicht um eine Anrufung im Verfahren nach § 121 Abs. 2 handelt, nur nach vorangegangener Hauptverhandlung beschlossen werden ( S a r s t e d t , Revision 39). Mit der Verweisung durch den erkennenden Senat wird vor dem Großen Senat ein Zwischenverfahren anhängig, das der Rechtshängigkeit bei einer höheren Instanz vergleichbar ist (BGHZ 13 265 = NJW 1954 1073). b) Anhörung des Generalbundesanwalts. In dem Verfahren, das nur die Entscheidung der vorgelegten Rechtsfrage zum Gegenstand hat (Absatz 1), ist in Strafsachen. Bußgeldsachen (§ 46 Abs. 1 OWiG) und in den außerstrafrechtlichen Angelegenheiten des Absatzes 2, in denen die Staatsanwaltschaft zur Mitwirkung berufen ist (vgl. §§ 607, 632, 634. 646 ZPO usw.), die Anhörung des Generalbundesanwalts zwingend vorgeschrieben, d. h. es ist ihm Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung zu geben. § 138 geht davon aus, daß eine Beratungssitzung stattfindet; in dieser kann der Generalbundesanwalt, gleichviel ob er vorher eine schriftliche Stellungnahme abgegeben hat oder nicht, seine Auffassung darlegen. c) Eine Anhörung des Angekl. ist nicht vorgesehen. Eine Anhörungspflicht ergibt sich auch nicht unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG, denn das rechtliche Gehör ist ihm bereits dadurch gewährt, daß der Angeklagte Gelegenheit hatte, seine Rechtsauffassung zu der Rechtsfrage in der Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht darzulegen (ebenso J a g u s c h NJW 1959 265; H a m a n n AnwBl. 1958 145; M a u n z = D ü r i g = H e r z o g 87 zu Art. 103 GG; S a r s t e d t , Revision 40; E b S c h m i d t 5, a. M. M ü l l e r NJW 1957 1016, A r n d t NJW 1959 6; M a e t z e l MDR 1966 453, 455; S c h u l t z MDR 1972 755), und es bleibt ihm auch unbenommen, nach der Anrufung des Großen Senats, von der er gemäß § 35 StPO Kenntnis erhält, weitere schriftliche Ausführungen zur Rechtsfrage zu machen, die der Große Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigt (s. auch § 349 Abs. 3 StPO). Rechtspolitisch ist dieses Ergebnis freilich unbefriedigend, wenn man erwägt, daß die Großen Senate nur beim BGH und beim BAG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, die neue2863

§ 138

Gerichtsverfassungsgesetz

A n m . 2—4 ren Verfahrensvorschriften für B S G , B V e r w G , B F H und den G e m e i n s a m e n Senat der obersten Gerichtshöfe (§ 15 des Ges. v. 15. 6. 1968, BGBl. I 661) dagegen eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung vorsehen, und ein überzeugender G r u n d für diese unterschiedliche Verhandlung nicht besteht ( H a n a c k 367). Vgl. dazu auch N J W Nr. 15/ 1970 Umschl. S. II, w o n a c h der G r o ß e Senat des B A G den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung der Frage angerufen hat, ob er a u f g r u n d mündlicher A n h ö r u n g der Parteien entscheiden kann.*) Jedenfalls wird m a n a n z u n e h m e n haben, daß d a n n , wenn der Generalbundesanwalt sich nicht auf eine schriftliche Erklärung beschränkt, sondern seine A u f f a s s u n g in der Sitzung mündlich darlegt, aus Art. 3 Abs. 1 G G und d e m G r u n d s a t z der Waffengleichheit zu folgern ist, d a ß a u c h der Verteidiger des Ausgangsverfahrens zu laden ist (so auch M a e t z e l M D R 1965 4 5 5 ; K l 2). U n d soweit für die rechtliche Beurteilung wesentliche neue Rechtstatsachen eintreten, wie z. B. bei einer Gesetzesänderung, erfordert — wie in Zivilrechtsstreitigkeiten; vgl. B G H Z 13 265 = N J W 1954 1073 — der G r u n d s a t z des rechtlichen G e h ö r s , d a ß auch der Angeklagte bzw. sein Verteidiger Gelegenheit zu schriftlicher Ä u ß e r u n g erhält; die Möglichkeit zu A u s f ü h r u n g e n vor dem erkennenden Senat ( § 3 5 1 S t P O ) m a c h t im Hinblick auf die bindende W i r k u n g der Entscheidung des G r o ß e n Senats (§ 138 Abs. 3) eine solche A n h ö r u n g durch den G r o ß e n Senat nicht entbehrlich. 2. Die Entscheidung des G r o ß e n Senats erübrigt sich, wenn der erkennende Senat seine Vorlage z u r ü c k n i m m t ( A n m . 4 zu § 137). Dagegen ist der G r o ß e Senat nicht befugt, bei Gesetzesänderungen, die eine neue Rechtslage schaffen, sich der Entscheidung zu enthalten und die Sache dem vorlegenden Senat zurückzugeben; er hat vielmehr selbst zu prüfen, welche Folgerungen sich d a r a u s für die ihm vorgelegte Rechtsfrage ergeben ( B G H Z 13 265 = N J W 1954 1073 = J Z 1954 489). 3. Ergänzende Vorschriften über das Verfahren des G r o ß e n Senats und der Vereinigten G r o ß e n Senate enthält § 9 der G e s c h ä f t s o r d n u n g des Bundesgerichtshofs v o m 3. 3. 1952 (Bundesanz. Nr. 83). Hervorzuheben ist, d a ß nach § 9 Abs. 6 der Beschluß auch dahin lauten k a n n , d a ß die Entscheidung der R e c h t s f r a g e mangels der Voraussetzungen der §§ 136, 137 G V G abgelehnt werde (vgl. dazu A n m . 2 d . 3 zu § 137). 4. a) Die Entscheidung des G r o ß e n Senats ist in der vorliegenden Sache für den erkennenden Senat bindend (wegen der Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit Art. 97 G G vgl. B G H J R 1952 105 und A n m . VII zu § 1). D a r a u s folgt, daß der G r o ß e Senat nur insoweit zu der grundsätzlichen F r a g e (§ 137) Stellung zu nehmen hat, als es erforderlich ist, um dem erkennenden Senat die notwendige Richtschnur für die Entscheidung in der ihm vorliegenden Sache zu geben. F ü r den G r o ß e n Senat gilt wie für jedes andere Gericht der G r u n d s a t z , d a ß er nicht aus Anlaß eines Einzelfalles allgemeine G r u n d s ä t z e aufstellen darf, die über das in der zu entscheidenden Sache Notwendige hinausgreifen und deren Tragweite an H a n d des Einzelfalles vielleicht nicht voll übersehbar ist ( R G S t . 72 94). Greift die d e m GrSen. vorgelegte Rechtsfrage inhaltlich über die Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Senaten hinaus, so beschränkt sich der GrSen. auf den Bereich der eigentlichen Streitfrage u n d läßt die damit verknüpften weiteren Rechtsfragen unberücksichtigt, bei denen eine Bindung durch Entscheidungen anderer Senate nicht besteht ( B G H S t . 19 206, 209). N a c h der Entscheidung des G r o ß e n Senats m u ß der erkennende Senat grundsätzlich eine erneute H a u p t verhandlung a n b e r a u m e n (s. § 138 Abs. 4). Sie w ä r e nur entbehrlich, wenn die erste H a u p t verhandlung mit A n b e r a u m u n g eines Verkündungstermins abgeschlossen w o r d e n w ä r e ( S a r s t e d t , Revision 40). Die Bindung nach Absatz 3 schließt nicht aus. d a ß der erkennende Senat erneut den G r o ß e n Senat a n r u f t , wenn die erneute H a u p t v e r h a n d l u n g neue, erhebliche, im Beschluß des G r o ß e n Senats nicht gewürdigte rechtliche U m s t ä n d e erbringt ( E b S c h m i d t 5). Eine Entscheidung des G r o ß e n Senats k a n n nicht unmittelbar mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden, vielmehr nur die v o m erkennenden Senat getroffene Endentscheidung, soweit sie auf der Entscheidung des G r o ß e n Senats beruht ( B V e r f G E 31 55 = N J W 1971 1212). *) s. dazu auch BAG (GrS) AP § 45 ArbGG Nr. 1 m. Krit. Anm. B a u m g ä r t e l = SAE 1971 Nr. 2 m. Krit Anm. B o t t i c h er 2864

Neunter Titel. Bundesgerichtshof (Schäfer)

§ 139 Anm. 1, 2

§ 1 4 0 Anm. 1 b) Die Bedeutung der Entscheidung des Großen Senats für andere Sachen als die vorliegende besteht darin, daß ein Senat, der abzuweichen beabsichtigt, nach § 136 erneut den Großen Senat anrufen muß. Diese Bindungswirkung besteht aber nur, soweit der Große Senat über die seinerzeit vorgelegte Rechtsfrage entschieden hat; sie gilt nicht für die in der Begründung angestellten Erwägungen und ihre Auswirkung auf andere Rechtsfragen (BGHSt. 17 210).

§ 139 (1) Die Senate des Bundesgerichtshofes entscheiden in der Besetzung von fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. (2) Die Strafsenate entscheiden über Beschwerden in der Besetzung von drei Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden. Dies gilt nicht für die Entscheidung über Beschwerden gegen Beschlüsse, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, der Angeschuldigte außer Verfolgung gesetzt oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt wird. Entstehungsgeschichte: Entw. §111. Spätere Änderungen: Ges. vom 27. 3. 1923 Art. I Nr. 7 (RGBl. 1218). Ges. vom 31. 3. 1926 (RGBl. I 190) Art. II. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 strich den früheren, durch das Ges. vom 27. 3. 1923 eingefügten Satz 2, der die Besetzung der damaligen erstinstanzlichen Strafsenate außerhalb der Hauptverhandlung regelte. Art. 3 des 1. Strafrechtsänderungsges. vom 30. 8. 1951 (BGBl. I 739) stellte den früheren Satz 2 des § 139 als Absatz 2 wieder ein, schränkte aber den früheren Grundsatz, daß die erstinstanzlichen Strafsenate außerhalb der Hauptverhandlung mit drei Mitgliedern besetzt sind, ein. Die jetzige Fassung des Absatzes 2 beruht auf Art. 1 Nr. 7 des Ges. v. 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582); sie zieht die Folgerungen aus der Übertragung der bis dahin bestehenden erstinstanzlichen Zuständigkeit des BGH in Staatsschutzstrafsachen auf die in § 120 bezeichneten Oberlandesgerichte und der Neuordnung der Zuständigkeit des BGH als Revisions- und Beschwerdegericht (§ 135). 1. Die Revisionssenate entscheiden nach Absatz 1 in wie außerhalb der Hauptverhandlung (§§ 206 a, 349 StPO) in der Besetzung mit 5 Mitgliedern. Als Beschwerdegericht (§ 135 Abs. 2) entscheidet der BGH in den in § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 bezeichneten Fällen in der Besetzung mit 5, im übrigen in der Besetzung mit 3 Mitgliedern. Der Sinn des § 139 Abs. 2 Satz 2 ist, daß wegen der besonderen Bedeutung der hier in Frage stehenden Entscheidungen das Beschwerdegericht in gleicher Weise besetzt sein soll wie das erstinstanzliche OLG nach § 122 Abs. 2. 2. Abweichende Vorschriften über die Besetzung der Senate des BGH finden sich in § 2 Abs. 2 des Ges. v. 21.7. 1953, BGBl. I 667 - Senat für Landwirtschaftssachen - , § 106 BRAO - Senat für Anwaltssachen §§ 77, 78 BNotarO v. 16. 2. 1961, BGBl. I 77 - Notarsenat - , § 61 Abs. 2 DRiG - Richterdienstgericht beim BGH - .

§ 140 Der Geschäftsgang wird durch eine Geschäftsordnung geregelt, die das Plenum beschließt; sie bedarf der Bestätigung durch den Bundesrat. Entstehungsgeschichte: Entw. § 112. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat die Vorschrift den staatsrechtlichen Verhältnissen angepaßt. 1. Bekanntmachung der Geschäftsordnung des Bundesgerichtshofs v. 3.3. 1952 (Bundesanz. Nr. 83 v. 30.4. 1952; abgedr. auch DRiZ 1963 152) mit Änderungen durch Bek. v. 15. 4. 1970 (BAnz. Nr. 74) und v. 21. 6. 1971 (BAnz. Nr. 114). Es handelt sich hier um den einzigen Fall, in dem dem Plenum des Bundesgerichtshofs gesetzlich eine Aufgabe zugewiesen ist. Die Geschäftsordnung stellt eine autonom getroffene Verwaltungsanordnung über die innere Arbeitsweise des Gerichts ohne Rechtscharakter dar (vgl. M e i l w i t z NJW 1962 778). Über die Geschäftsordnungen der Obersten Bundesgerichte der anderen Gerichts2865

Vor § 141

Gerichtsverfassungsgesetz

barkeitszweige, die nach den maßgeblichen Vorschriften (§ 44 A G G , § 50 BSG; für BVerfG, BVerwG und B F H fehlt es an gesetzlichen Vorschriften) teils durch das Plenum, teils durch das Präsidium erlassen werden, s. M e l i w i t z aaO.

ZEHNTER TITEL Staatsanwaltschaft Aus dem umfangreichen Schrifttum sei etwa hervorgehoben: W. M i t t e r m a i e r . Die Parteistellung der StA im reformierten deutschen Strafprozeß, 1897; W u l f f e n , Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei in Deutschland 1908; E l l i n g , Die Einführung der Staatsanwaltschaft in Deutschland (Strafrechtliche Abh., Heft 131) 1911; O t t o , Die preußische Staatsanwaltschaft 1899; v o n M a r e k und K l o ß - S c h w e d e r s k y , Die Staatsanwaltschaft bei den Land- und Amtsgerichten in Preußen 3. Aufl. (1913); L a b a n d 3 440; F r i e d e r s d o r f f , Einführung in die staatsanwaltschaftliche Praxis 1927; Vorträge, gehalten auf der Tagung der Vereinigung preuß. Staatsanwälte zu Essen (Berlin 1929), insbesondere W e r n e r Staatsanwalt und Öffentlichkeit, G r a f z u D o h n a , Die Stellung der Staatsanwaltschaft zu Gericht, Polizei und Regierung, G r i m m , Die Stellung des öffentlichen Anklägers im deutschen und französischen Recht; D e h l e r , Die Stellung der Polizei zu Staatsanwaltschaft und Untersuchungsrichter (Lübeck 1930); C a r s t e n , Geschichte der Staatsanwaltschaft in Deutschland (Strafrechtl. Abhandl. Heft 299) 1932; F l o e g e l , Zur Geschichte der Staatsanwaltschaft in Deutschland, D R i Z 1935 166; D o e h r i n g . Die deutsche Staatsanwaltschaft und ihre geschichtliche Entwicklung, D R i Z 1958 282; B e c k e r , Legalität und Opportunität, DJ 1936 1159 ff.; derselbe. Das Verhältnis der Staatsanwaltschaft zur Kriminalpolizei, D S t R 1938 167ff.; D a h m , Legalität und Opportunität, Z S t W 54 401 ff.; E x n e r u. H e n k e l , Ergebnisse der Aussprache der Strafrechtslehrer-Tagung, ZStW 54 1 ff., 35ff.; Grunau, Staatsanwalt, Untersuchungsführer oder Anklagevertreter, D J Z 1936 794ff.; H e g l e r , Z u r Strafprozeßerneuerung, Stuttgart 1936; K l a i b e r , Staatsanwalt und Kriminalpolizei, GerS 106 158ff., 110 301 ff.; O e t k e r . Die Stellung des Staatsanwalts im kommenden Strafverfahren, Jahrb. der A k D R 1936 80ff.; P e t e r s , Zur Neuordnung des Strafverfahrens, Z S t W 56 34ff.; S c h n e i d e n b a c h . Staatsanwalt und Kriminalpolizei, GerS 106 50ff.; E b S c h m i d t , Staatsanwalt und Gericht, Festschrift für Kohlrausch 1944; derselbe, Die Rechtsstellung der Staatsanwaltschaft M D R 1951 1 ff. und Lehrkommentar Teil I Rdn. 92 ff.; derselbe: Die Rechtsstellung der Staatsanwälte im Rahmen der rechtsprechenden Gewalt und ihre Einbeziehung in das Richtergesetz D R i Z 1957 273; derselbe: Zur Rechtsstellung und Funktion der Staatsanwaltschaft als Justizbehörde, M D R 1964 629, 713; B ö r k e r , Über 100 Jahre Staatsanwaltschaft im einstigen Preußen JR 1953 237; K e r n , Gerichtsverfassungsrecht 108; H e n k e l , Strafverfahrensrecht 132; P e t e r s , Strafprozeß 127ff.; K e r n , Die beamtenrechtliche Stellung der Staatsanwälte DRiZ 1951 119; A m e l u n x e n , Die Staatsanwaltschaft als Symbol des Gerechtigkeitswillens des Staates DRiZ 1955 92; H o f m e i s t e r , Über die Stellung des Staatsanwalts, NdsRpfl. 1958 61; L e v e r e n z , Die heutige Situation der Staatsanwaltschaft, SchlHA 1963 177; S c h n e i d e r , Das Amt des Staatsanwalts, D R i Z 1964 153; B u r c h a r d i - K l e m p a h n , Der Staatsanwalt und sein Arbeitsgebiet, 2. Aufl. 1956; K o h l h a a s . Die Stellung der Staatsanwaltschaft als Teil der rechtsprechenden Gewalt, Verlag Luchterhand 1963; F u h r m a n n , Die Stellung der StA im System der Gewaltenteilung, J R 1964 418; F r ä n k e l , Über Aufgaben und Arbeitsweise der Bundesanwaltschaft, D R i Z 1960 353; K i l l , Die Stellung der Staatsanwaltschaft im französischen Strafverfahren, D R i Z 1961 174; v. K o p p e n f e l s , Die Bindung der StA an die herrschende Rechtsprechung, Diss. Münster 1969; R o x i n . Rechtsstellung und Zukunftsaufgaben der StA, DRiZ 1969 385; K r a u s e , Die Stellung der StA im heutigen Strafprozeß, SchlHA 1969 105; K a l s b a c h , Die gerichtliche Nachprüfung von Maßnahmen der StA im Strafverfahren, 1967; B l o m e y e r , Die Stellung der StA. G A 1970 160; R i n k e n , Gesetz und Weisungsgebundenheit, 1969; G a u l , Bedarf die Stellung der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Justizministerium und im Strafverfahren einer Reform?, Sehl

2866

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

Vor § 141 Anm. 1—3

H A 1969 85; H e n n , Z u m ministeriellen Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft, D R i Z 1972 152; S t e f f e n , H a f t u n g für Amtspflichtverletzungen des Staatsanwalts, D R i Z 1972 153; H e i m e s h o f f , Die Stellung von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verb r e c h e n s b e k ä m p f u n g , D R i Z 1972 164; B r ü c k n e r . Z u r künftigen Organisation und Führung der Staatsanwaltschaft, D R i Z 1972 4 0 7 ; M a a s , D e r Staatsanwalt — H e r r des Ermittlungsverfahrens? D R i Z 1967 7. S. auch die Schrifttumsnachweise zu §§ 146, 152. 1 . D e r 10. Titel regelt hauptsächlich die Einrichtung der Staatsanwaltschaft, jedoch — abgesehen von der Bundesanwaltschaft — nur „ f r a g m e n t a r i s c h " , so d a ß die Bestimmungen in m e h r f a c h e r Richtung der E r g ä n z u n g bedürfen. D a s N ä h e r e s. bei §§ 142, 148. 2. Uber den Aufgabenbereich der Staatsanwaltschaft enthält der 10. Titel in § 151 nur eine negative Vorschrift. Von einzelnen Vorschriften des G V G im übrigen (vgl. z. B. §§ 24, 25, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 56, § 7 4 a Abs. 2, § 84, § 120 Abs. 2, § 138 Abs. 2, 142a) abgesehen, ist vielmehr der Wirkungskreis der Staatsanwaltschaft in den Verfahrensvorschriften geregelt. N a c h § 4 E G G V G kann die Landesgesetzgebung bestimmen, ob und welche Tätigkeit a u ß e r h a l b des Gebietes der P r o z e ß o r d n u n g e n der Staatsanwaltschaft zu übertragen, insbesondere auch, ob ihr eine Mitwirkung bei der Justizverwaltung und der Dienstaufsicht, bei Dienststrafsachen und bei der A u s ü b u n g der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit zuzuweisen sei. a) Auf dem Gebiete der Strafrechtspflege ist die Staatsanwaltschaft das Organ, das die Strafverfolgung betreibt; das N ä h e r e hierüber s. Einleitung S. 63 und die A n m . zu §§ 152, 155 S t P O ; sie ist in der Regel auch die Vollstreckungsbehörde (StPO §§ 36, 4 5 1 ; vgl. auch § 214); sie wirkt nach M a ß g a b e des Ges. über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen v o m 2. 5. 1953 (BGBl. I 161) — §§ 2, 4 — mit bei der G e w ä h r u n g von Rechtsund Amtshilfe zugunsten der Gerichte und Behörden der D D R . b) N u r beschränkt ist ihre Mitwirkung bei der Verfolgung des Ordnungsunrechts nach dem O W i G . Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist die StA für die Verfolgung der Tat auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zuständig (§§ 4 0 . 4 1 ) . Sie kann ferner die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit übernehmen, wenn sie eine Straftat verfolgt, die mit einer Ordnungswidrigkeit z u s a m m e n h ä n g t (§§ 4 2 , 4 3 ) . An die Entschließ u n g der StA, ob eine Tat als Straftat verfolgt wird oder nicht, ist die Verwaltungsbehörde gebunden (§ 44). I m übrigen wirkt sie im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde nicht mit; hier gehen die A u f g a b e n der Verfolgungsbehörde erst auf die StA über, wenn der Betroffene gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde Einspruch einlegt und die Akten der Verwaltungsbehörde bei der StA eingehen (§ 69); die Mitwirkung der StA in dem weiteren gerichtlichen Verfahren richtet sich dann grundsätzlich nach den Vorschriften der S t P O , die nach zulässigem Einspruch gegen einen Strafbefehl gelten ( § § 7 1 ff.). c) Sie wirkt nach M a ß g a b e der Bestimmungen des Deutschen Auslieferungsges. v o m 23. 12. 1929 (RGBl. I 239) im Auslieferungsverfahren und bei sonstigen Rechtshilfemaßn a h m e n zugunsten des Auslands mit (§§ 8, 17, 21 ff., 30, 3 1 , 3 3 , 37. 39, 41. 42). d)*) A u c h a u ß e r h a l b der Strafrechtspflege (im weiteren Sinn) sind der Staatsanwaltschaft als der Vertreterin des öffentlichen Interesses eine Reihe von A u f g a b e n zugewiesen, von denen die Mitwirkung in den in § 138 Abs. 2 bezeichneten Angelegenheiten hervorzuheben ist. D a s Ges. vom 15. 7. 1941 (RGBl. I 383). das eine allgemeine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft an Prozessen jeglicher Art vorsah, wurde durch Art. 8 Nr. 20 des Vereinheitlichungsges. v o m 12. 9. 1950 aufgehoben. 3. Wegen der Ausschließung u n d Ablehnung staatsanwaltschaftlicher Beamter in einzelnen Strafsachen und der Anfechtbarkeit eines Urteils wegen Mitwirkung eines „ausgeschlossenen" oder „wegen Befangenheit abgelehnten" Staatsanwalts s. die Vorbem. 4 vor § 22 S t P O , Vorbem. 4 d vor § 48 S t P O ; s. auch § 7 N d s A G G V G v o m 5. 4. 1963, GVB1. 225 = SaBl. 485 betr. Ausschluß des Staatsanwalts von A m t s h a n d l u n g e n und ergänzend K o f f k a Z S t r W 84 6 7 0 ; B r u n s in Festschrift für G r ü t z n e r ; J e s c h e c k Z S t r W 84 833 sowie A n m . 1 d zu § 145. *) Literatur: K a i s e r , Der Staatsanwalt im Statusverfahren, GA 1970 80. 2867

Vor § 141 Anm. 4, 5

Gerichtsverfassungsgesetz

4. Z u m Sprachgebrauch des Gesetzes ist folgendes zu bemerken. Der Ausdruck „Staatsanwaltschaft", wird im G V G und in der StPO regelmäßig im allgemeinen Sinne gebraucht, so daß er die ganze Einrichtung einschließlich der Bundesanwaltschaft und der Amtsanwaltschaft (vgl. z. B. G V G §§ 53, 56) umfaßt. Z u m Teil verwendet die Gesetzessprache aber statt des Ausdrucks „die Staatsanwaltschaft" den Ausdruck „der Staatsanwalt" (so schon § 9 D A G 1929). Die Gesetzgebung der Jahre 1933—1945 war allgemein dazu übergegangen, von „dem Staatsanwalt" zu sprechen, worunter nicht etwa ein Beamter der Staatsanwaltschaft mit der Amtsbezeichnung „Staatsanwalt" oder ein Beamter der Staatsanwaltschaft beim Landgericht oder einem höheren Gericht zu verstehen war, sondern jeder Amtsträger, der die Funktionen der Staatsanwaltschaft in dem betreffenden Verfahren zu versehen hatte. Das Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950 ist zwar zu der früheren Terminologie zurückgekehrt, doch spricht das J G G wieder von „dem Staatsanwalt" (vgl. §§ 42, 44, 45, 62). Der gleiche Ausdruck wird allgemein auch in den RiStBV gebraucht (vgl. z. B. Nr. 1, 106, 108, 119 usw.). Dem entspricht es, daß das J G G nicht mehr von „dem Gericht", sondern von „dem Richter" spricht (vgl. z. B. §§ 20ff.). Dagegen verwendet der 10. Titel des G V G den Begriff „Staatsanwalt" in einem anderen Sinn, nämlich zur Kennzeichnung eines mit der Befähigung zum Richteramt ausgestatteten Beamten der Staatsanwaltschaft, im Gegensatz zu den Amtsanwälten (§ 142, 145, 148). 5. Rechtliche Stellung, a) Die Staatsanwaltschaft bildet organisatorisch eine selbständige Behörde neben dem Gericht. Infolgedessen ist sie in ihren Amtsverrichtungen von dem Gericht unabhängig ( G V G § 150 Anm. 2); sie steht zwar unter der Sitzungspolizei, aber nicht unter der Ordnungsstrafgewalt des Gerichts ( G V G § 176 Anm. 5 a, § 178 Anm. II 1). Damit ist aber ihre rechtliche Stellung nur unzureichend gekennzeichnet. Nach ihrem gesetzlichen Aufgabenbereich ist die Staatsanwaltschaft dazu berufen, als selbständiges Organ der staatlichen Strafverfolgung zwar mit anderer Rolle, aber an das Gesetz gebunden und objektiv in gleicher Weise wie das Gericht auf die Ermittlung der Wahrheit und die Findung eines gerechten Urteils hinzuwirken (Einleitung S. 63). Andererseits fehlt ihr die Unabhängigkeit, die das G G (Art. 97) nur den Richtern zuspricht, und § 146 G V G verpflichtet den einzelnen Staatsanwalt zum Gehorsam gegenüber den (gesetzmäßigen) Weisungen seiner Vorgesetzen und unterstellt die Staatsanwaltschaft als Behörde der Aufsicht und Leitung der obersten Justizverwaltungsbehörde (§ 147). Der Gegensatz zwischen Gesetzesunterworfenheit und Weisungsgebundenheit, zwischen Koordinierung von Staatsanwalt und Richter im Aufgabenbereich und Unterscheidung von Staatsanwalt und Richter durch das Merkmal der Unabhängigkeit, der früher als unproblematisch empfunden wurde, ist 'in neuerer Zeit unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, namentlich unter der Herrschaft des G G zum Problem geworden, dessen praktische Bedeutung insbesondere bei drei Einzelfragen hervortritt: bei der Frage nach dem Umfang und den Grenzen des Weisungsrechts und der Befolgungspflicht, bei der Frage nach der Bedeutung einer ständigen Rechtsprechung für die Verfolgungspflicht der Staatsanwaltschaft und bei der Frage der Einbeziehung der Staatsanwälte in die vom G G (Art. 98 Abs. 1, 3) geforderten Gesetze, die die Rechtsstellung der Richter in Bund und Ländern regeln. Wegen der ersten Frage wird auf die Erläuterungen zu § 146 verwiesen. Die zweite — mehr dogmatisch als praktisch bedeutsame — Frage ist auf S. 141 ff. der Einleitung erörtert*). Wegen der dritten Frage wird auf die Erläuterungen zu § 148 Bezug genommen. Wegen der funktionell-rechtlichen Eingruppierung der staatsanwaltlichen Tätigkeit (Verwaltungstätigkeit eigener Art, die durch die Verklammerung mit der Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte und die Herauslösung der StA aus der allgemeinen Verwaltungsorganisation gekennzeichnet ist) s. Einleitung S. 63; vgl. ferner etwa BVerwG N J W 1961 1496. 1497; BVerfG N J W 1971 1308 und das vor § 141 angeführte weitere Schrifttum aus neuerer Zeit. b) Problematisch ist auch, wie die Stellung der Staatsanwaltschaft im Verfahren rechtlich zu charakterisieren ist, und zwar nach zwei Richtungen. Einmal fragt sich, ob und inwieweit die Besonderheit der staatsanwaltlichen Tätigkeit, neben dem Richter an der Erfüllung der Rechtsgewährungspflicht des Staates mitzuwirken, ihr die Eigenschaft als *) In Ergänzung der dortigen Schrifttumsnachw. vgl. noch v. K o p p e n f e l s , Die Bindung der StA an die h. M„ Diss. Münster 1969.

2868

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

Vor § 141 Anm. 6

Justizverwaltungstätigkeit i. S. der § § 2 3 ff. EGGVG entzieht. Insoweit wird auf die Ausführungen zu § 23 EGGVG und in der Einleitung S. 63.66 verwiesen. Zum anderen erhebt sich die Frage, ob die Staatsanwaltschaft, wie dies mitunter*) behauptet wird, eine „Partei"Stellung innehat. Das muß verneint werden. Unbestritten ist, daß die Staatsanwaltschaft in allen Abschnitten des Verfahrens eine Amtsstellung hat (vgl. Anm. 4 zu § 155 StPO). Bestritten ist, ob sie in einzelnen Verfahrensabschnitten gleichzeitig eine Parteistellung hat. Sachlich ist die Staatsanwaltschaft niemals Partei, da sie keine besondere Rechtspersönlichkeit bildet und daher eigene Rechte überhaupt nicht haben kann ( S a u e r . Grundlagen 302, 309, G r a f z u D o h n a 4, 48; BGHSt. 15 155). Der Form nach nimmt die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung in gewissem Umfang eine Parteistellung insofern ein, als nach einer Reihe von Vorschriften Staatsanwaltschaft und Angeklagter gleichberechtigt sind (vgl. Vorbem. 5 d vor § 226 StPO). Auch in anderen Verfahrensabschnitten finden sich Vorschriften, die eine förmliche Gleichberechtigung aussprechen und damit zu der Vorstellung einer wenigstens formellen Parteieigenschaft der Staatsanwaltschaft Veranlassung gegeben haben, so § 193 StPO für die Voruntersuchung, soweit es sich um eine vorweggenommene Beweisaufnahme handelt und § 169 Abs. 2 StPO für das vorbereitende Verfahren, wenn der Beschuldigte richterlich vernommen worden ist oder sich in Untersuchungshaft befindet. Der in diesem Umfang ausgesprochene Grundsatz der Waffengleichheit nötigt sogar dazu, die „Gleichberechtigung" über die gesetzlichen Vorschriften hinaus in gewissem Umfang auszudehnen (vgl. Anm. 1 zu § 193 StPO). Diese „Waffengleichheit", die auszubauen das Anliegen der Reformarbeiten ist (vgl. Einleitung S. 50ff.; s. auch Art. 6 Menschenrechtskonvention), rechtfertigt aber nicht die Vorstellung, als sei hier die Staatsanwaltschaft „formell" Partei. „Von Parteien läßt sich nur sprechen, wo die vor dem Gericht erscheinenden Rechtnehmenden Interessen vertreten, die, vom Staat aus gesehen, auf gleicher Wertebene liegen" ( E b S c h m i d t , Lehrkommentar I Rdn. 107). Das ist im Strafprozeß in keinem Stadium der Fall (vgl. H e n k e l 106; K r a u s e SchlHA 1968 107: Kl Vorbem. 3 vor § 141). Denn den Staatsanwalt trifft stets die Amtspflicht, auf die Erforschung der materiellen Wahrheit hinzuwirken (Einleitung S. 147), dem sich verteidigenden Angeklagten liegt eine solche Pflicht (verständlicherweise) nicht ob. Da die Frage, ob die Staatsanwaltschaft Partei sei, de lege lata wissenschaftlich wie praktisch gleich unergiebig ist („ziemlich müßig", so von L i l i e n t h a l . StrafprozeßR 20; „Scheinproblem ohne alle sachliche Bedeutung", so E b S c h m i d t aaO. Rdn. 106; „nur ein terminologischer Streit", so H e n k e l 112; a. M. H. M a y e r in Festschrift für EbSchmidt 639 ff.), sollte man, schon wegen der Gefahr der Irreführung bei schlagwortartiger Verwendung des Begriffs, im Strafprozeß überhaupt nicht von Parteien, sondern nur von Beteiligten sprechen. 6. Die Amtsstellung der Staatsanwaltschaft findet äußerlich ihren Ausdruck in dem Platz, den der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung einnimmt. Die aus der „Waffengleichheit" abgeleitete Forderung, ihm einen Platz zuzuweisen, der dem des Verteidigers entspricht (so z. B. S a u e r NJW 1947/48 683; P r e i s s l e r NJW 1949 417; B r a n g s c h NJW 1951 59 und die von OLG Köln NJW 1961 1127 angeführte Rundverfg. des JustizMin. von Nordrh.-Westf. vom 15. 3. 1951), widerspricht der Verschiedenheit der Aufgaben des Staatsanwalts als des „Wächters des Gesetzes" und des Verteidigers als des Beistandes des Beschuldigten (so auch P e t e r s , Strafproz. 129; M ü l l e r - S a x 3 zu § 141; K o h l h a a s , Stellung der StA 94; Stellungnahme der Kommission für die Angelegenheiten der Staatsanwälte im DRiB, DRiZ 1969 406; E b S c h m i d t , Lehrk. I Rdn. 111 Fußn. 207; s. auch S t r u n k NJW 1949 416; B a d e r NJW 1949 737). Daß andererseits die Platzzuweisung so zu wählen ist, daß sie die Selbständigkeit des Gerichts gegenüber der Staatsanwaltschaft deutlich erkennen läßt, ist selbstverständlich und entspricht den Empfehlungen der 21. Justizministerkonferenz vom 7. 7. 1953 (vgl. DRiZ 1961 95).

*) So z . B . neuestens B l o m e y e r G A 1970 161, 172, demzufolge die abweichende Auffassung auf einem „unglückseligen Mißverständnis" des Parteibegriffs beruht, weil sie „als Folge einer bedauernswerten Isolierung des Strafprozesses vom zögernden Beginn einer allgemeinen Verfahrenslehre" nicht beachte, daß sich der zivilprozessuale Parteibegriff seit Schaffung der modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu einem allgemeinen fortentwickelt habe, der auf jeden Prozeß und damit auch auf den Strafprozeß passe. Ähnliche Gedankengänge schon bei R. v. H i p p e l . Lehrb. 297.

2869

V o r § 1 4 1 Anm. 7—9 § 1 4 1 Anm. 1

Gerichtsverfassungsgesetz

7. Nach § 36 J G G werden für Verfahren, die zur Zuständigkeit der Jugendgerichte gehören, besondere Jugendstaatsanwälte bestellt, die erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein sollen (§ 37). Vgl. Anm. 5 a zu § 142. 8. Wegen der Bezeichnung der staatsanwaltschaftlichen Behörden und Beamten vgl. Anm. 2 zu § 142. 9. Zur Entstehungsgeschichte der StA vgl. K r a u s e SchlHA 1969 105; E b S c h m i d t , Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege 330ff. Wegen rechtspolitischer Forderungen vgl. Stellungnahme der Kommission für Angelegenheiten der Staatsanwälte im Deutschen Richterbund, D R i Z 1970 186; R o x i n D R i Z 1969 387.

§ 141 Bei jedem Gericht soll eine Staatsanwaltschaft bestehen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 113. 1. Bei jedem Gericht, a) Der Sinn des § 141 ist nicht, daß bei jedem Gericht eine organisatorisch selbständige staatsanwaltschaftliche Behörde einzurichten ist, sondern daß ein oder mehrere Beamte vorhanden sein sollen, denen es obliegt, die der Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht obliegenden Aufgaben wahrzunehmen. Es kann deshalb für mehrere Gerichte (derselben oder verschiedener Ordnung) eine gemeinsame staatsanwaltschaftliche Behörde bestellt werden (vgl. RGSt. 58 105). Dies ist von besonderer Bedeutung für die Organisation der Staatsanwaltschaft bei den Amtsgerichten (§ 142 Abs. 1 Nr. 3). Hier ist es dem Landesrecht überlassen, ob die staatsanwaltschaftlichen Aufgaben bei dem Amtsgericht von der Staatsanwaltschaft des übergeordneten Landgerichts wahrgenommen oder ob bei einem Amtsgericht für dessen Bezirk oder für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte Zweigstellen der Staatsanwaltschaft des L G eingerichtet werden (vgl. z. B. Art. 26 B a y A G G V G vom 17. 11. 1956, GVB1. 249 und BayVO über Sitze und Bezirke der staatsanwaltschaftlichen Zweigstellen vom 20. 1. 1959, GVB1. 54 i. d. F. vom 2. 12. 1969. GVB1. 404). Statt dessen können auch selbständige Amtsanwaltschaften, sei es für ein Amtsgericht oder für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte (Bezirksamtsanwaltschaften) oder Zweigstellen einer selbständigen Amtsanwaltschaft eingerichtet werden. Auch können — wenn nur die Vertretung der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vor dem Amtsrichter als Einzelrichter oder als Jugendrichter in Betracht kommt — nur örtliche Sitzungsvertreter bestellt werden, falls bei dem Amtsgericht weder ein Staats- noch ein Amtsanwalt seinen Dienstsitz hat (vgl. z. B. Hess.Ges. über die Bestellung von örtlichen Sitzungsvertretern der Amtsanwaltschaft vom 22. 2. 1966, GVB1. 32; Rheinl.-Pf.Ges. über die Bestellung von örtlichen Sitzungsvertretern der Staatsanwaltschaft vom 18. 12. 1967. GVB1. 321; Art. 28 B a y A G G V G nebst VO vom 1 6 . 5 . 1 9 5 7 , GVB1. 119, i. d. F. vom 1 8 . 6 . 1 9 7 0 , GVB1. 296; § 8 N d s . A G G V G ; SchlH Ges. vom 20. 11. 1967, GVB1. 265). Es kann auch ein Staatsanwalt zugleich bei der Staatsanwaltschaft des Landgerichts und bei einer Amtsanwaltschaft verwendet werden. Nach der bundeseinheitlich vereinbarten „Anordnung über Organisation und Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaft (OrgStA)" i. d. F. vom 2 5 . 3 . 1970 — abgedr. z. B. in JMB1. N R W 1970 88; NdsRpfl. 1970 78 - bestehen Staatsanwaltschaften als selbständige Behörden am Sitz aller Oberlandesgerichte und aller Landgerichte, während die Organisation der Staatsanwaltschaft bei den Amtsgerichten dem Landesrecht überlassen ist. Ist durch Anordnung nach § 58 ein Amtsgericht mit Strafsachen überhaupt nicht mehr befaßt, so kann („soll") von der Bestellung einer Staatsanwaltschaft abgesehen werden. D a s wollte Art. 68 Ziff. 33 Entw. E G S t G B 1930 förmlich aussprechen. b) Bei den Schwurgerichten werden die staatsanwaltschaftlichen Geschäfte durch die Staatsanwaltschaft des Landgerichts versehen, bei denen diese Gerichte zusammentreten. c) Bei den auswärtigen Strafkammern (§ 78) werden die staatsanwaltschaftlichen Geschäfte von der Staatsanwaltschaft des Landgerichts oder — nach Maßgabe des Landesrechts — von der am Sitz des Amtsgerichts errichteten Zweigstelle der landgerichtlichen 2870

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 142

Anm. 1 Staatsanwaltschaft wahrgenommen. Der Leiter einer solchen Zweigstelle hat bei Unterordnung unter den Oberstaatsanwalt des Landgerichts die Stellung eines Abteilungsvorstehers der landgerichtlichen Staatsanwaltschaft (Nr. 6 OrgStA). d) Wegen der Wahrnehmung des Amtes der Staatsanwaltschaft bei den erstinstanzlich zuständigen Oberlandesgerichten vgl. §§ 120 Abs. 6, 142a Abs. 1.

§ 142 (1) D a s Amt der Staatsanwaltschaft wird ausgeübt: 1. bei dem Bundesgerichtshof durch einen Generalbundesanwalt und durch einen oder mehrere Bundesanwälte; 2. bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten durch einen oder mehrere Staatsanwälte; 3. bei den Amtsgerichten durch einen oder mehrere Staatsanwälte oder Amtsanwälte. (2) Die Zuständigkeit der Amtsanwälte erstreckt sich nicht auf das amtsrichterliche Verfahren zur Vorbereitung der öffentlichen Klage in den Strafsachen, die zur Zuständigkeit anderer Gerichte als der Amtsgerichte gehören. (3) Referendaren kann die Wahrnehmung der Aufgaben eines Amtsanwalts und im Einzelfall die Wahrnehmung der Aufgaben eines Staatsanwalts unter dessen Aufsicht übertragen werden. Entstehungsgeschichte: Entw. § 1 1 4 . Spätere Änderungen: Bek. vom 2 2 . 3 . 1 9 2 4 (RGBl. I 316). Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat — abgesehen von der Anpassung des Absatzes 1 Nr. 1 an die veränderten Verhältnisse — in Nr. 2 die hinter „Landgerichten" folgenden Worte „und den Schwurgerichten" und in Nr. 3 die hinter „Amtsgerichten" folgenden Worte „und den Schöffengerichten" gestrichen (keine sachliche Änderungen, da das Schwurgericht ein Teil des Landgerichts, das Schöffengericht ein Teil des Amtsgerichts ist). Absatz 3 wurde eingefügt durch Ges. vom 10. 9. 1971 (BGBl. I 1557). 1. Zu Absatz 1. Die Gliederung der Staatsanwaltschaft schließt sich an die der ordentlichen Gerichte an; wie bei diesen, so gibt es auch bei den Beamten der Staatsanwaltschaft eine sachliche und eine örtliche Zuständigkeit (§ 142 und § 143). Demgemäß teilt sich die Staatsanwaltschaft — wenigstens beim BGH, den Oberlandes- und Landgerichten — in eine der Zahl der Gerichte etwa ( § 1 4 1 Anm. 1 a) entsprechende Anzahl selbständiger Behörden. Die Selbständigkeit ist aber insofern beschränkt, als die Staatsanwaltschaft in gewissem Maße wiederum einen einheitlichen Körper bildet, dessen Haupt die oberste Justizverwaltungsstelle ist. Die Auffassung des französischen Rechts von der Einheit und Unteilbarkeit der Staatsanwaltschaft („le ministère public est un et indivisible") war, wenngleich mit Einschränkungen, schon vor dem G V G in die Mehrzahl der deutschen Landesgesetze übergegangen und liegt, gleichfalls in eingeschränkter Weise, auch dem G V G zugrunde. Im einzelnen ist folgendes hervorzuheben: a) Mit Rücksicht auf die Justizhoheit der deutschen Länder kommt der Grundsatz der Einheit der Staatsanwaltschaft nur innerhalb des einzelnen Landes, nicht für das gesamte Bundesgebiet zur Geltung. — b) Innerhalb des einzelnen Landes steht der Landesjustizverwaltung und den vorgesetzten staatsanwaltschaftlichen Behörden (§ 147) das Recht der Aufsicht und Leitung in der Art zu, daß sie jederzeit durch Anweisung in die Tätigkeit der ihnen unterstellten Behörden eingreifen dürfen (§ 146 und Anm. 3 das.). — c) Innerhalb desselben Oberlandesgerichtsbezirks und Landgerichtsbezirks steht der vorgesetzten Behörde das sog. „Dévolutions- und Substitutionsrecht' zu; das Nähere s. zu § 145 (dessen Abs. 2 eine Einschränkung dieses Rechtes enthält). — d) Aus den vorbezeichneten Befugnissen (b, c) ist indes nicht die Auffassung herzuleiten, als seien die unteren Behörden nur als Vertreter der vorgesetzten tätig; vielmehr sind sie überall krajt eigenen Rechts zur Ausübung ihres Amtes berufen; und sie sind nach außen hin, insbesondere den Gerichten gegenüber, völlig selbständig; vgl. § 146 Anm. 4. — e) Besteht eine staatsanwaltschaftliche Behörde aus mehreren Beamten, so ist der erste Beamte allein der Träger des Amts, und die ihm beigegebenen Beamten handeln überall nur als seine Vertreter (§ 144). — 0 Im Verhältnis der staatsanwaltschaftlichen Behörden verschiedener Bezirke zueinander greift der Gesichtspunkt der Einheit der Staatsanwaltschaft im allgemeinen nicht Platz (§ 143). Der

2871

§ 142

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 2 Staatsanwalt beim Landgericht A kann daher beim Landgericht B kein Rechtsmittel einlegen ( B a y O b L G S t . 1 223 = A l s b e r g O L G E S t r P r o z . 1 Nr. 9) und die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht A kann nicht g e m ä ß § 377 S t P O ein Privatklageverfahren übernehmen, das beim Amtsgericht B anhängig ist ( B G H S t . 11 56, 59). Die eine Behörde kann die Geschäfte der anderen nur aufgrund einer „Substitution" (§ 145 Abs. 1) sowie dann wahrnehmen. wenn bei einer A m t s h a n d l u n g G e f a h r im Verzuge ist (§ 143 Abs. 2). Auch kann die Landesjustizverwaltung einen Beamten der Staatsanwaltschaft zur Erledigung oder Beendigung bestimmter G e s c h ä f t e einer anderen Staatsanwaltschaft überweisen (RGSt. 4 4 78). Sie kann sogar denselben Staatsanwalt bei mehreren Gerichten derselben oder verschiedener O r d n u n g bestellen und diese Bestellung jederzeit wieder ändern. Die Bestellung k a n n für den ganzen U m f a n g oder nur für einen Teil der zur Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft gehörigen Dienstgeschäfte ausgesprochen werden ( R G S t . 58 105). Dagegen können die Generalstaatsanwälte benachbarter Bezirke desselben Landes nicht ohne Beteiligung der Landesjustizverwaltung vereinbaren, d a ß ein Staatsanwalt des einen Bezirks die Anklage vor einem Gericht des anderen Bezirks vertrete; doch liegt, wenn es gleichwohl geschieht, kein absoluter Revisionsgrund vor, da es, um § 388 Nr. 5 S t P O auszuschließen, genügt, d a ß überhaupt ein Staatsanwalt mitwirkt (RGSt. 73 86: S c h n e i d e r - N e u e n b u r g D S t r R 1936 316). Über die „Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen" vgl. S c h ü 1 e J Z 1962 241. 2. Amtsbezeichnungen. D a s G V G regelte bei seinem Inkrafttreten nur die Amtsbezeichnungen der bei der Staatsanwaltschaft beim Reichsgericht tätigen Beamten (Oberreichsanwalt und Reichsanwalt). Im übrigen überließ es die Festsetzung von Amtsbezeichnungen für die Beamten der Staatsanwaltschaft den L ä n d e r n ; im G V G erhielten sie die Sammelbezeichnung „Staatsanwalt". N u r für die „ A m t s a n w ä l t e " bei den Amtsgerichten w u r d e eine besondere Benennung gewählt. Die in m a n c h e r Hinsicht eigenartige Stellung dieser Beamten machte einige besondere Bestimmungen (§ 142 Abs. 2. § 145 Abs. 2 G V G , § 451 Abs. 2 StPO) nötig. Seither sind folgende Ä n d e r u n g e n eingetreten: a) Bei der Bundesanwaltschaft. Der Oberbundesanwalt erhielt durch das Bundesbesoldungsges. vom 27. 9. 1957 (BGBl. I S. 1040) die Amtsbezeichnung Generalbundesanwalt (Der Oberbundesanwalt beim BVerwG. dem nach §§ 3 5 ff. V w G die Vertretung des öffentlichen Interesses im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obliegt, ist kein Bundesanwalt i. S. des § 142 G V G ) . Neben die Reichsanwälte traten schon im J a h r e 1923 durch Vorschriften des Haushaltsplans geschaffene planmäßig angestellte Beamte zur W a h r n e h m u n g der der Reichsanwaltschaft obliegenden A u f g a b e n mit der Amtsbezeichnung „ O b e r s t a a t s a n w a l t " . Auch beim B G H gibt es neben dem Generalbundesanwalt und den die Amtsbezeichnung „ B u n d e s a n w a l t " führenden Beamten planmäßig im Bundesjustizdienst angestellte, aber niedriger als die „Bundesanwälte" besoldete „ O b e r s t a a t s a n w ä l t e " (beim B G H ) , die dem B G H gegenüber in gleicher Weise wie die „Bundesanwälte" als Vertreter der Bundesanwaltschaft fungieren (vgl. W a g n e r J Z 1962 430). D u r c h diese außerhalb des Wortlauts des G V G vollzogene Ä n d e r u n g hat § 142 Abs. 1 Nr. 1 seine ursprüngliche Bedeutung, die Amtsbezeichnung der planmäßigen Beamten der Bundesanwaltschaft festzulegen, verloren. „ B u n d e s a n w a l t " (wie schon seit 1923 die Bezeichnung „Reichsanwalt") ist jetzt nur eine Funktionsbezeichnung für die zur W a h r n e h m u n g der staatsanwaltschaftlichen A u f g a b e n bei der Bundesanwaltschaft berufenen Beamten im Gegensatz zu den „ S t a a t s a n w ä l t e n bei den Gerichten der Länder (ebenso K l 2). D e m g e m ä ß ist es — in Ermangelung entgegenstehender gesetzlicher Vorschriften — auch zulässig, d a ß die W a h r n e h m u n g der bundesanwaltlichen A u f g a b e n durch Hilfsarbeiter (Staatsanwälte der Länder oder andere Personen, sofern sie die Voraussetzungen des § 122 Abs. 1 D R i G erfüllen) vorübergehend erfolgt, die der Generalbundesanwalt g e m ä ß § 145 beauftragt, wie dies auch bei der Bundesanwaltschaft geschieht (vgl. W a g n e r a a O . A n m . 9). Unstimmigkeiten ergeben sich freilich daraus, d a ß § 149 G V G für die Ernennung der „Bundesanwälte" die Z u s t i m m u n g des Bundesrats erfordert, die bei den „ O b e r s t a a t s a n w ä l t e n " nicht eingeholt wird (vgl. W a g n e r aaO.). Dies ist aber — gegen W a g n e r a a O . — gerechtfertigt, da der Begriff „Bund e s a n w a l t " in § 149 seine ursprüngliche Bedeutung (nämlich die im Haushaltsplan mit der

2872

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 142 Anm. 3

Amtsbezeichnung „Bundesanwalt" ausgewiesenen Beamten umfassend) behalten hat. Die inhaltliche Änderung, die § 142 Abs. 1 Nr. 1 erfuhr, hat die ursprüngliche Bedeutung des § 149 unberührt gelassen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die W a g n e r aaO. aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 G G gegen die unterschiedliche Besoldung der Bundesanwälte gegenüber den Oberstaatsanwälten herleitet, sind nicht begründet. Denn es gibt keinen absolut geltenden Grundsatz, daß die Wahrnehmung gleicher Aufgaben zur gleichen Besoldung führt (Beispiel: ob ein Referent im Ministerium Ministerialrat. Regierungsdirektor oder Oberregierungsrat ist, hängt von der Zahl der im Haushaltsplan vorhandenen Stellen ab). b) An dem Recht der Länder, die Amtsbezeichnungen der Landesstaatsanwälte zu regeln, hat das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 nichts geändert. Nach dem Übergang der Justizhoheit der Länder auf das Reich i. J. 1935 waren die weitgehend übereinstimmenden, in Einzelheiten aber z. T. voneinander abweichenden landesrechtlichen Vorschriften durch einheitliche Bestimmungen über die Organisation, die Bezeichnung der Behördenleiter und der staatsanwaltschaftlichen Beamten ersetzt worden. § 14 der VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403) legte die Bezeichnung „Generalstaatsanwalt" und „Oberstaatsanwalt" für die Leiter der Staatsanwaltschaften bei den Oberlandes- und Landgerichten gesetzlich fest. Die Reichsbesoldungsordnung vom 9. 12. 1937 (RGBl. I 1355, 1361, 1362) brachte die gesetzliche Festlegung einheitlicher Amtsbezeichnungen für die übrigen Beamten der Staatsanwaltschaft („Oberstaatsanwalt" für den ständigen Vertreter des Generalstaatsanwalts, „Erster Staatsanwalt" für die Staatsanwälte bei den Oberlandesgerichten, die Abteilungsvorsteher bei größeren Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten und Leiter größerer Anwaltschaften. „Staatsanwalt" für die übrigen planmäßig angestellten Beamten der Staatsanwaltschaft mit der Befähigung zum Richteramt). Nach dem Rückfall der Justizhoheit auf die Länder nach 1945 beließen es die Länder zunächst bei diesem Zustand. Das Ges. über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. 5. 1953 (BGBl. I 161) hat daraus die Folgerung gezogen, indem es nur noch von dem ..Generalstaatsanwalt" spricht (vgl. §§ 3 ff.), während z. B. das D A G 1929 noch, dem Sprachgebrauch des G V G entsprechend, dieselbe Behörde mit „Staatsanwalt bei__dem Oberlandesgericht" bezeichnete (§ 8). Inzwischen hat die Landesgesetzgebung aber Änderungen der Amtsbezeichnungen gebracht, so die Bezeichnung „Leitender Oberstaatsanwalt" für die Leiter großer Staatsanwaltschaften und „Oberstaatsanwälte" für die Vertreter der Leitenden Oberstaatsanwälte sowie nach Maßgabe des Haushaltsplans auch für einen Teil der bisherigen „Ersten Staatsanwälte". Eine Ausnahme macht Hessen, wo (Ges. vom 4. 3. 1970, GVB1.1 201) die Amtsbezeichnungen „Generalstaatsanwalt". „Oberstaatsanwalt" und „Erster Staatsanwalt" beseitigt und statt dessen die einheitliche Bezeichnung Staatsanwalt mit einem die funktionelle Amtsstellung kennzeichnenden Zusatz eingeführt wurde (z. B. statt „Generalstaatsanwalt" „Staatsanwalt als Leiter der Staatsanwaltschaft beim O L G " , statt „Oberstaatsanwalt" „Staatsanwalt als Leiter der Staatsanwaltschaft beim L G " , statt „Erster Staatsanwalt" „Staatsanwalt als Abteilungsleiter bei einer Staatsanwaltschaft bei dem L G " usw.). Außer den planmäßig (auf Lebenszeit) angestellten Staatsanwälten werden Richter auf Probe und kraft Auftrags bei den Staatsanwaltschaften der Oberlandesgerichte und Landgerichte nach Bedarf verwendet (§§ 13, 16 Abs. 2 D R i G , Nr. 2 OrgStA). Neben Richtern auf Probe können aber auch Beamte auf Probe (Staatsanwaltsassessoren) tätig werden ( S c h m i d t - R ä n t s c h D R i Z 1961 349). Richter auf Probe führen bei Verwendung im staatsanwaltschaftlichen Dienst die Bezeichnung „Staatsanwalt" (§ 19 a Abs. 3 DRiG). 3. Z u Nr. 1. Die Tätigkeit der Bundesanwaltschaft umfaßt: a) die staatsanwaltschaftlichen Verrichtungen in den an den Bundesgerichtshof gelangenden Strafsachen (§§ 121 Abs. 2, 135, 138 Abs. 2); b) die Bestimmung der zuständigen Staatsanwaltschaft im Falle des § 143 Abs. 3; — c) die staatsanwaltschaftlichen Verrichtungen in den an den Bundesgerichtshof gelangenden, zu einer Mitwirkung der Staatsanwaltschaft geeigneten Zivilsachen ( § 1 3 8 Abs. 2); — d) die Mitwirkung in bestimmten strafverfahrensähnlichen Verfahren, mit denen der Bundesgerichtshof befaßt wird (§ 27 Abs. 2 D A G , § 79 Abs. 3 O W i G i. Verb. m. § 121 Abs. 2 G V G ; § 63 Abs. 3 D R i G ; — e) die Führung des Bundeszentralregisters. — f) Ergänzt wird die Nr. 1 durch § 142 a Abs. 1. Über die Arbeitsweise der Bundesanwaltschaft vgl. F r ä n k e l D R i Z 1960 253. 2873

§ 142 Anm. 4, 5

Gerichtsverfassungsgesetz

4. Zu Nr. 2. Aufbau und Gliederung der Staatsanwaltschaften bei den Oberlandesgerichten (wegen der Staatsanwaltschaft beim B a y O b L G vgl. Art. 25 B a y A G G V G vom 17. 11. 1956, GVB1. 249) und Landgerichten zu regeln ist Sache der Länder. An die Stelle der reichseinheitlichen Regelung in der AV des R J M zur Vereinheitlichung der Staatsanwaltschaft vom 18. 12. 1934 (Deutsche Justiz 1608) ist jetzt die von den Landesjustizverwaltungen bundeseinheitlich vereinbarte „Anordnung über Organisation und Diestbetrieb der Staatsanwaltschaften" (OrgStA) (vgl. Anm. l a zu § 141) getreten. Sie regelt u . a . die Bildung von Abteilungen, die Aufgaben des Behördenleiters und der Abteilungsleiter, die Vertretung des Behördenleiters, die Zeichnungsbefugnis der einzelnen Beamten und die Vertretung der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung. Bzgl. der Verteilung der Geschäfte unter die einzelnen Beamten ist hervorzuheben, daß — eine Art Gegenstück zur Geschäftsverteilung bei den Gerichten — der Behördenleiter nach Beratung mit den Abteilungsleitern und Dezernenten einen Geschäftsverteilungsplan aufzustellen hat und daß die Geschäfte grundsätzlich nach allgemeinen Gesichtspunkten verteilt werden (Nr. 8 OrgStA); jedoch hat diese Geschäfts Verteilung nur innerdienstlich Bedeutung. Vgl. auch § 144. 5. Zu Nr. 3. a) „Bei den Amtsgerichten": Zu den „Amtsgerichten" gehören selbstverständlich auch die Schöffengerichte, auch wenn sie abweichend von der früher geltenden Fassung nicht mehr besonders erwähnt sind, da Amtsgericht (vgl. § 24) stets auch das Schöffengericht ist ( O L G Oldenburg N J W 1952 1230). Über die Organisation der Amtsanwaltschaft vgl. Anm. l a zu § 141. Ferner gehören zu den Amtsgerichten auch der Jugendrichter und das JugendschöfFengericht. — § 36 J G G , der die Bestellung von Jugendstaatsanwälten anordnet, schließt an sich nicht aus, daß auch in Jugendstrafsachen Amtsanwälte in den vor den Jugendrichter und das JugendschöfFengericht gehörenden Sachen tätig werden ( O L G H a m m JMB1. N R W 1962 112). Doch sind durch die landesrechtlichen Vorschriften Jugendsachen den Amtsanwälten nur in sehr engem Umfang zugewiesen (vgl. Nr. 22 Ziff. 1 OrgStA). b) Amtsanwälte sind — im Gegensatz zu den Staatsanwälten, die nach § 122 D R i G die Befähigung zum Richteramt besitzen müssen — Beamte ohne diese Befähigung. Sie werden in der Regel planmäßig hauptamtlich bestellt nach Durchlaufen einer bestimmten Ausbildung (AV d. R J M vom 20. 1. 1940, DJust. 179, an deren Stelle z. T. neue landesrechtliche Vorschriften getreten sind; vgl. R e i ß , Die Rechts- und Dienstverhältnisse der Amtsanwälte, Rpflegerbl. 1964 17). Es können aber auch zur Wahrnehmung der Aufgaben des Amtsanwalts bei Bedarf Beamte des gehobenen Dienstes herangezogen werden (Nr. 2 OrgStA, Art. 28 B a y A G G V G . § 8 Nds. A G G V G ) . Wegen der Verwendung von Referendaren s. § 142 Abs. 3 und unten Anm. 8. Schließlich können für bestimmte Arten von Strafsachen Beamte der Verwaltungsbereiche, die davon berührt werden, nebenamtlich mit den Aufgaben des Amtsanwalts betraut werden (vgl. die früher für Preußen ergangene Gemeinschaftl. Verfügung vom 2 . 4 . 1937, DJ 532 über die Bestellung von Forstverwaltungsbeamten zu Forstamtsanwälten zur Bearbeitung von Zuwiderhandlungen gegen das pr. Forstdiebstahlsges.). c) § 142 Abs. 1 Nr. 3 besagt, daß bei den Amtsgerichten das Amt der Staatsanwaltschaft sowohl von Staatsanwälten wie auch von Amtsanwälten ausgeübt werden kann. „Bei den Amtsgerichten" bedeutet, daß die Amtsanwälte bei den nach § 24 in die Zuständigkeit der Amtsgerichte fallenden Strafsachen (auch bei Verbrechen, O L G Hamm JMB1NRW 1962 112) die staatsanwaltschaftlichen Verrichtungen wahrnehmen können, und zwar sowohl in der Hauptverhandlung wie auch nach § 142 Abs. 2 im vorbereitenden Verfahren. § 145 Abs. 2 stellt klar, daß auch bei einer Substitution Amtsanwälte das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten versehen können. Das Landesrecht hat aber die hiernach kraft Bundesrechts infolge der beweglichen Zuständigkeit bestehenden weitgehenden Möglichkeiten der Verwendung eines Amtsanwalts an Stelle eines Staatsanwalts nicht voll ausgeschöpft. Nach Nr. 20 ff. OrgStA beschränkt sich die Zuständigkeit des Amtsanwalts auf die Sachen, in denen der Amtsrichter nach §§ 24, 25 G V G als Einzelrichter entscheiden kann. Und zwar sind den Amtsanwälten außerhalb der Hauptverhandlung nach Nr. 20 zur Bearbeitung übertragen alle Übertretungen, die Vergehen, die mit keiner höheren Strafe als Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedroht sind, sowie

2874

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 142 Anm. 6, 7

bestimmte im einzelnen aufgezählte (leichtere) Vergehen ohne Einschränkung, ferner weitere bestimmte (häufige) gegen das Eigentum oder Vermögen gerichtete Vergehen (Diebstahl, Unterschlagung, Hehlerei, Betrug usw.), soweit der Wert des Gestohlenen, Unterschlagenen oder des Schadens 1000,— D M nicht übersteigt. Ausgenommen von der Übertragung sind Vergehen und Verbrechen von Jugendlichen und Heranwachsenden, militärische Straftaten sowie politische und Pressestrafsachen (Nr. 22). Im Einzelfall können dem Amtsanwalt auch andere in die Zuständigkeit des Einzelrichters fallende Strafsachen übertragen werden (Nr. 24 Abs. 1). Unberührt bleibt die Befugnis des Leiters der landgerichtlichen Staatsanwaltschaft, gemäß § 145 einen Staatsanwalt mit der Bearbeitung zu beauftragen. In der Hauptverhandlung darf ein Amtsanwalt die Anklage nur vor dem Amtsrichter als Einzelrichter oder als Jugendrichter vertreten (Nr. 26). Auch den nach Maßgabe des Landesrechts bestellten örtlichen Sitzungsvertretern (Anm. 1 a zu § 141) kann (allgemein oder im Einzelfall) die Vertretung der Staatsanwaltschaft nur in der Hauptverhandlung vor dem Amtsrichter als Einzelrichter oder Jugendrichter übertrafen werden.. d) Ist jemand zum Amtsanwalt, d. h. zur Wahrnehmung der Aufgaben eines Amtsanwalts beim Amtsgericht bestellt, so ist er nach außen (dem Gericht gegenüber) nach dem Grundsatz des § 144 zur Wahrnehmung aller der Staatsanwaltschaft zustehenden Befugnisse berufen, soweit sie nach § 142 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 von einem Amtsanwalt gesetzlich wahrgenommen werden können. Es ist also bedeutungslos, ob er Amtsanwalt im Hauptoder Nebenamt oder örtlicher Sitzungsvertreter ist und ob er interne Justizverwaltungsanordnungen, durch die allgemein (in der OrgStA) oder im Einzelfall seine Vertretungsbefugnis beschränkt ist, unbeachtet läßt. Es liegt also eine wirksame Vertretung der Staatsanwaltschaft vor, wenn vor dem Schöffengericht ein Amtsanwalt die Anklage vertritt (vgl. BayObLGSt. 1958 140, 144). Die von einem Amtsanwalt eingelegte Berufung ist auch wirksam, wenn sie in einer Strafsache eingelegt wurde, deren Bearbeitung den Amtsanwälten nach Nr. 22 OrgStA nicht übertragen ist (OLGe. Oldenburg N J W 1952 1230; Celle M D R 1957 311). Anders liegt es, wenn solche Beschränkungen nicht durch bloße Verwaltungsanordnung, sondern zulässigerweise durch Landesgesetz oder RechtsVO aufgrund eines Landesgesetzes mit Wirkung nach außen erfolgt sind. Bestimmt etwa ein Landesgesetz oder eine aufgrund eines Landesgesetzes ergangene RechtsVO, daß der örtliche Sitzungsvertreter Berufung nur einlegen kann, wenn er die Anklage in der Hauptverhandlung vertreten hat (vgl. z. B. die aufgrund des Art. 28 BayAG G V G vom 17. 11. 1956, BayBS III 5, ergangene VO vom 16. 5. 1957, GVB1. 119 i. d. F. vom 18. 6. 1970, GVB1. 296), so ist eine unter Überschreitung der gesetzlichen Befugnisse eingelegte Berufung unzulässig und wirkungslos (BayObLGSt. 1961 75). Vgl. dazu noch B a y O b L G Rpfleger 1962 62 (der örtliche Sitzungsvertreter ist nicht befugt, nach Einspruch gegen den Strafbefehl Antrag auf Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter, § 25 Nr. 2 c, zu stellen). 6. Zu Absatz 2. Für die sachliche Zuständigkeit der Beamten der Staatsanwaltschaft sind grundsätzlich die Bestimmungen maßgebend, die die sachliche Zuständigkeit der erkennenden Gerichte regeln (Begr. 79). Daher steht in den Sachen, die im Hauptverfahren zur erstinstanzlichen Zuständigkeit der Strafkammer, des Schwurgerichts oder des Oberlandesgerichts (§ 120) gehören, die Strafverfolgung von Anfang an, also auch während des Verfahrens zur Vorbereitung der öffentlichen Klage (§§ 158ff. StPO), nur der landgerichtlichen Staatsanwaltschaft, der Bundesanwaltschaft (§ 142 a Abs. 1) oder der Staatsanwaltschaft des Oberlandesgerichts (§ 142 a Abs. 2, 4), nicht aber der Amtsanwaltschaft zu. Bei den in die Zuständigkeit der Amtsgerichte fallenden Sachen (§§ 24, 25) steht es nach § 142 Abs. 1 Nr. 3 im Ermessen der Länder, inwieweit sie die Aufgaben der Staatsanwaltschaft der Amtsanwaltschaft oder der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht oder dem Staatsanwalt als Leiter einer Amtsanwaltschaft (vgl. oben 5 c) zuweisen wollen. Wird der Amtsanwaltschaft eine strafbare Handlung angezeigt, zu deren Verfolgung sie sachlich nicht zuständig ist, so hat sie die Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft abzugeben; bei Gefahr im Verzug ist die Sache an den Amtsrichter zu leiten, damit dieser nötigenfalls von Amts wegen (§ 165 StPO) einschreiten kann. 7. Wegen der Strafvollstreckung durch Amtsanwälte vgl. § 451 StPO. 2875

§ 1 4 2 Anm. 8

Gerichtsverfassungsgesetz

§ 142a 8. Zu Absatz 3. Inwieweit Referendare das Amt der Staatsanwaltschaft wahrnehmen können, war bisher landesrechtlich geregelt (vgl. z. B. Art. 29 B a y A G G V G , § 20 H a m b u r g A G G V G , § 63 P r A G G V G ; O L G Düsseldorf JMB1. N R W 1965 103). Der durch das Ges. vom 10. 9. 1971 eingeführte Absatz 3 bringt — in Ergänzung des § 10 — eine bundesrechtliche Klarstellung, inwieweit Referendare mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines Staatsanwalts oder Amtsanwalts betraut werden können. Danach können durch die nach Landesrecht zuständige Stelle die Aufgaben eines Amtsanwalts uneingeschränkt einem Referendar zur selbständigen Wahrnehmung übertragen werden.*) Dagegen können einem Referendar die Aufgaben eines Staatsanwalts nur im Einzelfall und nur unter Aufsicht eines Staatsanwalts übertragen werden. Soweit eine solche Übertragung stattfindet, handelt auch hier — wie bei der Übertragung richterlicher Aufgaben nach § 10 (vgl. dort Anm. 2 b) — der Referendar selbständig. Er kann also z. B. im Ermittlungsverfahren im Rahmen des Zeichnungsrechts des aufsichtführenden Staatsanwalts selbständig Einstellungsverfügungen und nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens Anklageschriften unterzeichnen. Die Aufsicht des Staatsanwalts besteht dann darin, daß er die Art der Erledigung überprüft und sein Einverständnis aktenkundig macht. Auch in der Hauptverhandlung handelt der Referendar als Vertreter der Anklagebehörde selbständig. Die Aufsicht des Staatsanwalts besteht aber hier darin, daß er neben dem Referendar anwesend ist, berichtigend und ergänzend eingreift und notfalls, wenn sich der Referendar der Aufgabe nicht gewachsen zeigt oder von der Auffassung des Staatsanwalts abweicht, die Übertragung widerruft und nunmehr selbst die Aufgaben des Staatsanwalts wahrnimmt. Im Protokoll (§§ 226, 272 StPO) und im Urteilskopf ist etwa zu vermerken, daß als Beamter der Staatsanwaltschaft „Referendar X unter Aufsicht des Staatsanwalts Y" fungiert habe. Wegen der Anwendbarkeit des Absatzes 3 auf Teilnehmer an einer einstufigen Ausbildung vgl. § 5 b Abs. 2 D R i G (im Anhang A).

§ 142 a (1) Der Generalbundesanwalt übt in den zur Zuständigkeit von Oberlandesgerichten im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2) das Amt der Staatsanwaltschaft auch bei diesen Gerichten aus. (2) Er gibt das Verfahren vor Einreichung einer Anklageschrift oder einer Antragsschrift (§ 4 4 0 der Strafprozeßordnung) an die Landesstaatsanwaltschaft ab, 1. wenn es folgende Straftaten zum Gegenstand hat: a) Verbrechen oder Vergehen nach den §§ 82, 83 Abs. 2, §§ 98, 99 oder 102 des Strafgesetzbuches, b) Verbrechen oder Vergehen nach den § § 1 0 5 oder 106 des Strafgesetzbuches, wenn die Tat sich gegen ein Organ eines Landes oder gegen ein Mitglied eines solchen Organs richtet, c) Vergehen nach § 138 des Strafgesetzbuches in Verbindung mit einer der in Buchstabe a bezeichneten Strafvorschriften oder d) Vergehen nach § 3 0 c Abs. 2 des Patentgesetzes oder § 3 a Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes in Verbindung mit § 3 0 c Abs. 2 des Patentgesetzes; 2. in Sachen von minderer Bedeutung. (3) Eine Abgabe an die Landesstaatsanwaltschaft unterbleibt, 1. wenn die Tat die Interessen des Bundes in besonderem M a ß e berührt oder 2. wenn es im Interesse der Rechtseinheit geboten ist, daß der Generalbundesanwalt die Tat verfolgt. (4) Der Generalbundesanwalt gibt eine Sache, die er nach § 74 a Abs. 2 übernommen hat, wieder an die Landesstaatsanwaltschaft ab, wenn eine besondere Bedeutung des Falles nicht mehr vorliegt. Entstehungsgeschichte. § 142 a ist eingefügt durch Ges. vom 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582). Absatz 1 ist neu; Die Absätze 2 bis 4 ersetzen den bisherigen § 134 a. *) vgl. dazu § 8 Abs. 2 Saarl. A G G V G v. 4. 10. 1972 (ABl. 601): Der Leiter der StA beim LG kann mit Zustimmung des LGPräs. Referendare bei den Amtsgerichten beauftragen, nebenamtl. die Vertretung der StA in der Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter wahrzunehmen. Vgl. auch K l (Nachtr. 1973) 1 zu § 142.

2876

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 142 a Anm. 11, 2; II 1 , 2

I. Zu Absatz 1 1 . D i e Konstruktion der Organleihe (vgl. Anm. VI zu § 120) ermöglicht es, daß der Generalbundesanwalt (GBA) — über die Mitwirkung der Bundesanwaltschaft beim B G H als Revisions- und Beschwerdegericht (§§ 135, 142 Abs. I Nr. 1) hinaus — in Staatsschutzstrafsachen auch Strafverfolgungsbehörde und Vertreter der Anklage in Strafverfahren wegen Straftaten sein kann, die in die Zuständigkeit der Landesgerichte fallen, wenn diese „Gerichtsbarkeit des Bundes" ausüben. Absatz 1 stellt den Grundsatz auf, daß der G B A das Amt der Staatsanwaltschaft in den nach § 120 Abs. 1 und 2 in die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte fallenden Staatsschutzstrafsachen ausübt. Damit wird sichergestellt, daß durch die Einführung eines 2. Rechtszuges in Staatsschutzstrafsachen (Ges. vom 8. 9. 1969) die zentrale Ermittlungstätigkeit der Bundesanwaltschaft, wie sie bis dahin bestand, nicht beeinträchtigt wird und daß der GBA durch seine Mitwirkung im Hauptverfahren auf eine möglichst einheitliche Rechtshandhabung hinwirken kann. Da aber bei einer uneingeschränkten Geltung des Absatzes 1 die Bundesanwaltschaft überlastet würde, sehen Absätze 2, 4 Ausnahmen von dem Grundsatz des Absatzes 1 vor, indem sie unter den dort bestimmten Voraussetzungen den G B A verpflichten, das Verfahren an die Landesstaatsanwaltschaft abzugeben und damit die Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes zu beenden. 2. Die „Ausübung des Amtes der Staatsanwaltschaft" nach Absatz 1 umfaßt die Führung und Einstellung des Ermittlungsverfahrens, die Stellung des Antrags auf gerichtliche Voruntersuchung bei dem Untersuchungsrichter des O L G (§ 186 StPO). den Antrag auf Außerverfolgungsetzung (§ 198 Abs. 1 StPO), die Einreichung der Anklageschrift (wenn eine Voruntersuchung nicht stattgefunden hat, nach § 170 Abs. 1, nach durchgeführter Voruntersuchung gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 StPO). die Vertretung der Anklage in der Hauptverhandlung, die Einlegung von Rechtsmitteln und schließlich die Strafvollstreckung (§ 451 Abs. 1 StPO) sowie die nach Rechtskraft der Staatsanwaltschaft (auch als Vollstrekkungsbehörde) obliegenden Antrags- und Mitwirkungsaufgaben (vgl. z. B. §§ 365 [betr. Wiederaufnahmeantrag]. 462 Abs. 2, 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 StPO). II. Zu Absatz 2 1. Die in Absatz 2 vorgeschriebene („gibt ab") Abgabe an die Landesstaatsanwaltschaft berührt nicht die Zuständigkeit des O L G nach § 120 Abs. 1, sondern hat lediglich zur Folge, daß die Verfolgung von dem GBA auf die Landesstaatsanwaltschaft, d. h. (§ 142 Abs. 1 Nr. 2) auf die Staatsanwaltschaft (Generalstaatsanwalt) bei dem nach § 120 Abs. 1 zuständigen O L G übergeht. Damit endet die „Organleihe". Das O L G übt nunmehr, da nicht mehr i. S. des § 120 Abs. 6 für die Verfolgung die Zuständigkeit des Bundes begründet ist, nicht mehr „Gerichtsbarkeit des Bundes nach Art. 96 Abs. 5 G G " , sondern Landesgerichtsbarkeit aus. Damit endet auch die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des B G H (§ 168 a Abs. 1 Satz 2 StPO), und an seine Stelle tritt der Ermittlungsrichter des O L G . D a s Begnadigungsrecht steht für die von dem O L G erstinstanzlich erkannten Strafen dann nach § 452 StPO dem Land zu. Ein Erstattungsanspruch des Landes gegen den Bund gemäß Art. 3 des Ges. vom 8. 9. 1969 entfallt, soweit nunmehr Verfahrenskosten, Auslagenerstattungs- und Entschädigungsansprüche von Verfahrensbeteiligten aus Maßnahmen und Entscheidungen der Landesjustizorgane entstehen. 2. Zeitliche Beschränkung der Abgabe. Die Abgabe, die die Zuständigkeit der Landesstaatsanwaltschaft für die weiteren der Staatsanwaltschaft obliegenden Aufgaben begründet, ist nur zulässig vor Einreichung einer Anklageschrift oder einer Antragsschrift nach § 440 StPO. Sie entfällt also, sobald der GBA Anklage durch Einreichung einer Anklageschrift nach § 170 Abs. 1 StPO erhoben oder — nach Durchführung einer Voruntersuchung — gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 StPO Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens durch Einreichung einer Anklageschrift gestellt hat. Dagegen ist die Abgabe auch während der vom G B A beantragten Voruntersuchung und im Stadium nach deren Abschluß und vor Stellung eines Eröffnungsantrags noch zulässig; der Landesstaatsanwaltschaft obliegt dann die Stel2877

§ 142 a Anm. II 3 - 7

Gerichtsverfassungsgesetz

lung der Anträge nach § 198 StPO. Die Erwähnung der Antragsschrift nach § 440 StPO (s. auch § 442 StPO) dient lediglich der Klarstellung; an sich ist eine solche Antragsschrift lediglich eine besondere Form einer Anklageschrift (vgl. § 440 Abs. 2). 3. Zeitpunkt der Abgabe. Mit den Worten „vor Einreichung . . . " ist lediglich der Endzeitpunkt einer zulässigen Abgabe bestimmt. Die Vorschrift besagt nicht etwa, daß der GBA das Verfahren erst abgeben dürfe (und müsse), wenn nach seiner Auffassung die Sache abschließend soweit geklärt ist, daß über die Anklageerhebung entschieden werden kann (so aber K l 2 A). Vielmehr entstehen Abgaberecht und -pflicht bereits, sobald nach dem Stand der Ermittlungen der G B A zu dem Ergebnis kommt, daß die Voraussetzungen des Absatzes 2 gegeben seien und Abgabeausschließungsgründe i. S. des Absatzes 3 nicht vorlägen. Diese Voraussetzungen müssen jedoch nicht „abschließend" geklärt sein (so aber K l aaO.). Vielmehr ist eine Abgabe schon zulässig, wenn nach dem derzeitigen Ermittlungsstand die Frage der Abgabefähigkeit hinreichend geklärt erscheint, auch wenn die Möglichkeit einer Änderung der Sachlage noch nicht auszuschließen ist. Die hier vertretene Auffassung ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 142 a. Nach dem RegEntw. (BT-Drucks. V/4086 vom 14.4. 1969) sollten die Eingangsworte des Absatzes 2 lauten: „Er gibt das Verfahren zur weiteren Verfolgung an die Landesstaatsanwaltschaft ab . . . " Nach der Begr. des Entw. (S. 8 der genannten Drucksache) sollte die Wendung „zur weiteren Verfolgung" verdeutlichen, daß die Abgabe (erst) erfolge, wenn deren Voraussetzungen abschließend geklärt sind. Die Gesetz gewordene Fassung beruht auf den Vorschlägen des Bundesrats (Anl. 2 zu BT-Drucks. V/4086 und Bericht des BT-Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucks. V/4269 vom 2. 6. 1969 S. 3); die gegenüber dem RegEntw. geänderte Fassung sollte danach einen „bestimmten Endzeitpunkt für die Abgabe des Verfahrens" zum Ausdruck bringen. Von einer Abgabe im „frühen Ermittlungsstadium" — also vor abschließender Klärung — ging auch der BT-Sonderausschuß aus (s. unten Anm. 7). 4. Daraus folgt aber, daß die Abgabe nicht endgültig ist und eine Rückübernahme des Ermittlungsverfahrens durch den G B A nicht ausschließt. Sollte sich bei Fortsetzung des Ermittlungsverfahrens durch die Landesstaatsanwaltschaft herausstellen, daß — entgegen der auf dem früheren Stand der Ermittlungen beruhenden Annahme des GBA — das Verfahren weitere (über § 142 a Abs. 2 Nr. 1 hinausgehende) Straftaten i. S. des § 120 Abs. 1 zum Gegenstand hat, daß die Sache nicht von minderer Bedeutung ist (§ 142 a Abs. 2 Nr. 2) oder daß die Nichtabgabegrüride des Absatzes 3 vorliegen, so müßte, solange nicht eine Anklage (Antrags)schrift eingereicht ist. die Landesstaatsanwaltschaft die weitere Verfolgung dem G B A wieder überlassen und dieser sie übernehmen. Bedenken aus dem Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G ) ergeben sich dabei nicht, da es sich nicht um eine Änderung der örtlichen oder sachlichen Gerichtszuständigkeit, sondern lediglich um eine Frage der internen Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Staatsanwaltschaft handelt. 5. Aus den vorgenannten Gründen findet auch eine gerichtliche Nachprüfung, ob der GBA mit Recht die Abgabevoraussetzungen angenommen hat, nicht statt. Eine Bindung der Landesstaatsanwaltschaft an die Abgabeverfügung des GBA ist im Gesetz nicht ausgesprochen, wie ja auch im übrigen dem GBA aus § 142 a keine Weisungsbefugnisse gegenüber der Landesstaatsanwaltschaft erwachsen. Die letztere wird aber in aller Regel keine Veranlassung haben, einer Abgabe zu widersprechen. Treten ausnahmsweise Zweifel und Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundes- und Landesstaatsanwaltschaft über die funktionale Zuständigkeit hervor, so müßten sie im Aufsichtsweg (§ 147 Nr. 1, 2) geklärt werden. 6. Die Frage, ob Abgabe oder Nichtabgabe des Verfahrens zu erfolgen hat, ist nicht in das Ermessen des GBA gestellt, sondern durch zwingende Vorschrift („gibt a b " = muß abgeben; „eine Abgabe unterbleibt" = darf nicht erfolgen) geregelt. Ihm verbleibt aber der Beurteilungsspielraum, ob es sich nach dem Stand der Ermittlungen um eine Sache von minderer Bedeutung handelt (Absatz 2 Nr. 2) oder das Verfahren nur die in Absatz 2 Nr. 1 bezeichneten Straftaten zum Gegenstand hat. 7. Sachliche Beschränkungen der Abgabe. Der G B A ist primär als Strafverfolgungsbehörde zuständig bei allen in § 120 Abs. 1 aufgeführten Straftaten; sie unterliegen zunächst 2878

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 142 a Anm. I I I - V

uneingeschränkt der Gerichtsbarkeit des Bundes. Gerichtsbarkeit des Landes entsteht erst durch die Abgabe an die Landesstaatsanwaltschaft nach Absatz 2. Die Abgabe muß aber — vorbehaltlich des Absatzes 3 — erfolgen a) wenn sich ergibt, daß das Verfahren nur die in Nr. 1 bezeichneten Verbrechen oder Vergehen zum Gegenstand hat, b) bei den übrigen im Zuständigkeitskatalog des § 120 Abs. 1 angeführten Straftaten, wenn sich ergibt, daß sie von minderer Bedeutung sind. Der unbestimmte Rechtsbegriff der minderen Bedeutung gehört dem Prozeßrecht an (vgl. dazu auch Anm. 5 b zu § 25) und ist mit dem materiellrechtlichen Begriff des minder schweren Falles (vgl. z. B. § 81 Abs. 2 StGB) nicht identisch. Z u der Abgabevoraussetzung der Nr. l a ist zu bemerken: Nach dem RegEntw. sollte sich die Abgabe auch erstrecken auf Straftaten nach § 96 Abs. 2, § 97 b i. Verb. m. § 96 Abs. 2. Dieser Vorschlag ist nicht Gesetz geworden, weil „es im frühen Ermittlungsstadium oft erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann, aufgrund der subjektiven Tatseite abzugrenzen, ob ein Ausspähungsfall nach § 96 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB vorliegt"; es sollte deshalb bei der Zuständigkeit des G B A für die genannten Straftaten bleiben, der in Sachen von minderer Bedeutung nach Absatz 2 Nr. 2 abgeben könne (Bericht des BT-Sonderausschusses BT-Drucks V/4269 S. 3). III. Zu Absatz 3. Das Abgabeverbot bezweckt, die Wahrung der in besonderem Maß berührten Bundesinteressen und der Erfordernisse der Rechtseinheit dadurch sicherzustellen, daß die Vertretung der Anklage in der Hauptverhandlung und die Einlegung von Rechtsmitteln in der Hand des G B A verbleibt; diese Einwirkungsmöglichkeiten würden entfallen, wenn an die Stelle des G B A die Landesstaatsanwaltschaft träte, der gegenüber der G B A kein Weisungsrecht hat. Ob das Abgabeverbot Platz greift, unterliegt ausschließlich der Beurteilung des G B A ; eine gerichtliche Nachprüfung kommt nicht in Betracht. IV. Z u Absatz 4. Hat der G B A die Verfolgung einer in die Zuständigkeit der Staatsschutzstrafkammer fallenden Tat wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernommen, so entfällt nach § 74 a Abs. 2 die Zuständigkeit der Strafkammer und es beginnt mit der Zuständigkeit des O L G das Stadium der „Gerichtsbarkeit des Bundes". Dieses endet aber, wenn, wie dies § 74 a Abs. 2 vorsieht, die Zuständigkeit der Staatsschutzkammer „durch Abgabe nach § 142 a Abs. 4 (wieder) begründet wird". § 142 a Abs. 4 regelt, unter welchen Voraussetzungen die Zuständigkeit der Strafkammer wieder auflebt, indem er — darin besteht die Bedeutung der Vorschrift und ihre Abweichung von § 134 a Abs. 2 a. F.. der nur eine „Kann"-Vorschrift enthielt — in Wahrung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G ) dem G B A die Pflicht auferlegt („gibt wieder ab"), die Sache an die Landesstaatsanwaltschaft zurückzugeben, wenn eine besondere Bedeutung nicht mehr vorliegt. Zeitlich ist die Abgabe nach Absatz 4 in gleicher Weise beschränkt wie die Abgabe nach Absatz 2 (oben Anm. II 2); nach § 120 Abs. 2 Satz 2 verweist aber das O L G bei der Eröffnung des Hauptverfahrens die Sache an das L G , wenn eine besondere Bedeutung nach seiner Auffassung nicht vorliegt, auch wenn diese erst nach Einreichung der Anklageschrift weggefallen ist. Klagt nach Rückgabe der Sache die Staatsanwaltschaft bei der Staatsschutzkammer an. so kann diese ihre Zuständigkeit nicht mit der Begründung verneinen, daß der Sache — entgegen der Auffassung des GBA — besondere Bedeutung zukomme, da die Übernahme der Verfolgung durch den G B A nach § 120 Abs. 2 Voraussetzung für die sachliche Zuständigkeit des O L G ist. Demgemäß ist in § 209 Abs. 2 StPO, auf den Absatz 3 Satz 2 aaO. verweist, § 74 a Abs. 2 G V G nicht angeführt. V. Gestaltung des Ermittlungsverfahrens. Die Staatsanwaltschaften der Länder haben, sobald sie von einer Straftat Kenntnis erhalten, die die Zuständigkeit des O L G begründet oder (§ 120 Abs. 2) begründen könnte, dem GBA Bericht zu erstatten, zugleich aber die Amtshandlungen vorzunehmen, die nicht ohne Gefahr aufgeschoben werden können (Nr. 216, 218 RiStBV), insbes. also, wenn es auf schleunige Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen ankommt, die erforderlichen Anträge nach Möglichkeit bei dem Ermittlungsrichter des B G H , notfalls bei dem zuständigen Amtsrichter (§ 162 StPO) zu stellen (vgl. III zu § 120). Der G B A kann bei seiner Ermittlungstätigkeit neben den allgemeinen Polizeibehörden der Länder auch das Bundeskriminalamt zu polizeilichen Strafverfolgungsaufgaben in Anspruch nehmen, das auch dem Untersuchungsrichter des O L G , solange der GBA die Ermittlungen führt, zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 2 c des Ges. über das Bundes2879

§ 143

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 1—3 kriminalamt v. 8. 3. 1951, BGBl. I 165, i. d. F. v. 19. 9. 1969, BGBl. I 1717). Die Zusammenarbeit mit den Ämtern für Verfassungsschutz und den übrigen Nachrichtendiensten der B R D regelt Nr. 220 RiStBV. Nach Abgabe des Verfahrens an die Landesstaatsanwaltschaft gemäß § 142 a Abs. 2 kann das Bundeskriminalamt die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung wahrnehmen, wenn die zuständige Landesbehörde darum ersucht oder der BMdlnnern es aus schwerwiegenden Gründen anordnet (§ 4 Abs. 2 a und b des Bundeskriminalamtsges.). Die mit einem schriftlichen Ermittlungsauftrag ausgestatteten Vollzugsbeamten des Bundes und der Länder können im ganzen Bundesgebiet Amtshandlungen vornehmen; sie sind insoweit Hilfsbeamte des G B A oder der Landesstaatsanwaltschaft (§ 5).

§ 143 ( 1 ) D i e örtliche Zuständigkeit der Beamten der Staatsanwaltschaft wird durch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts bestimmt, für das sie bestellt sind. (2) Ein unzuständiger Beamter der Staatsanwaltschaft hat sich den innerhalb seines Bezirkes vorzunehmenden Amtshandlungen zu unterziehen, bei denen Gefahr im Verzug ist. (3) Können die Beamten der Staatsanwaltschaft verschiedener Länder sich nicht darüber einigen, wer von ihnen die Verfolgung zu übernehmen hat, so entscheidet der ihnen gemeinsam vorgesetzte Beamte der Staatsanwaltschaft, sonst der Generalbundesanwalt. Entstehungsgeschichte: Entw. § 115. Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. 1316). Literatur: H ä r t u n g , Amtshandlungen der Staatsanwaltschaft außerhalb ihres Bezirks JR 1925 1163. 1. Z u Absatz 1. (Örtliche Zuständigkeit.) Die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft (über deren Bedeutung vgl. Anm. 1 zu 0 zu § 142) richtet sich grundsätzlich nach der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts (§§ 7 ff. StPO), bei dem sie besteht. Im Ermittlungsverfahren kann die zunächst befaßte örtlich unzuständige Staatsanwaltschaft das Verfahren formlos an die zuständige abgeben. Auch bei mehrfacher örtlicher Zuständigkeit (§ 12 Abs. 1 StPO) erfolgt eine Einigung unter den beteiligten Staatsanwaltschaften formlos nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. Sobald jedoch die gerichtliche Untersuchung eröffnet ist, gilt § 12 Abs. 2 StPO (BGHSt. 14 179, 184 = N J W 1960 1069). In den Fällen des § 13 a StPO liegt in der Gerichtsstandsbestimmung, die regelmäßig bereits im Ermittlungsverfahren erfolgt, zugleich die Bestimmung der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft (BGHSt. 18 19, 20). Geht eine Strafsache von einem Gericht auf ein anderes über (vgl. z. B. §§ 15, 354 Abs. 2 StPO), so gehen ohne weiteres auch die staatsanwaltschaftlichen Verrichtungen auf die Staatsanwaltschaft des neuen Gerichts über. 2. Der örtliche zuständige Staatsanwalt ist bei der Ausübung seiner Amtsobliegenheiten nicht an seinen Bezirk und auch nicht an die Grenzen seines Landes gebunden; er kann innerhalb des ganzen Bundesgebiets die Amtshandlungen vornehmen, die ihm zur Verfolgung notwendig erscheinen. Es besteht für ihn, wenn er außerhalb seines Bezirks tätig wird, keine Vorschrift nach Art des § 166 ( H ä r t u n g J R 1925 1163, allg. Meinung). Der Entw. E G S t G B (Art. 68 Ziff. 34) wollte diesen Zustand ändern. 3. Z u Absatz 2. Notzuständigkeit, a) Absatz 2 hat nach der Stellung der Vorschrift den örtlich unzuständigen Staatsanwalt im Auge (vgl. § 21 StPO). Jedoch gilt Absatz 2 — mindestens entsprechend — auch bei sachlicher Unzuständigkeit; so hat z. B. bei Gefahr im Verzug die landgerichtliche Staatsanwaltschaft (innerhalb ihres Bezirks) auch Beschlagnahmen und Durchsuchungen in Sachen anzuordnen, die nach § 210 Abs. 1 zur Zuständigkeit des O L G im 1. Rechtszug gehören (vgl. M ü l l e r - S a x 2 b ; K l 2; Nr. 216 Abs. 3 RiStBV). Im allgemeinen wird sich aber die „Amtshandlung" des sachlich unzuständigen StA auf die Verständigung des sachlich zuständigen Staatsanwalts und, soweit richterliche M a ß n a h m e n alsbald geboten erscheinen, auf deren Beantragung beschränken (vgl. Nr. 216 RiStBV). Theoretisch könnte die Amtshandlung des örtlich unzuständigen Staatsanwalts auch in der Vertretung der Anklage in der Hauptverhandlung bestehen (vgl. RGSt. 73 86), doch ist hier die Voraussetzung einer Gefahr im Verzug kaum denkbar. Vgl. auch Anm. 6 a. E. zu § 142.

2880

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 1 4 3 Anm. 4—7

§ 144 b) Unter Amtshandlungen sind hier insbesondere auch die Anträge zu verstehen, die bei dem Amtsrichter zu stellen sind, falls es auf schleunige Vornahme einer gerichtlichen Untersuchungshandlung ankommt (StPO § 162) ( O L G Hamburg in A l s b e r g OLGEStrProz. 1 Nr. 265). 4. Zu Absatz 3. Streit über die örtliche Zuständigkeit. Die Worte „der ihnen gemeinsam vorgesetzte Beamte" haben den Fall im Auge, daß Teile verschiedener deutscher Länder zu einem Landgerichtsbezirk oder zu einem Oberlandesgerichtsbezirk vereinigt und demzufolge einem oberen Beamten der Staatsanwaltschaft Beamte verschiedener Länder untergeordnet sind. 5. Der Fall der Nichteinigung unter Beamten desselben deutschen Landes ist nicht ausdrücklich vorgesehen, weil es sich nach § 147 von selbst versteht, daß in diesem Falle die Entscheidung dem gemeinsam vorgesetzten Beamten (Oberstaatsanwalt, Generalstaatsanwalt) und beim Fehlen eines solchen der Landesjustizverwaltung zusteht. 6. a) Bei einem positiven Zuständigkeitsstreit wird bis zum Ergehen der in Absatz 3 bezeichneten Entscheidung der zeitlich später mit der Sache befaßte Beamte dem zuerst damit befaßten die Behandlung der Sache einstweilen zu überlassen haben. Bei einem negativen Zuständigkeitsstreit hat sich der zuerst befaßte Beamte der Bearbeitung der Sache einstweilen, soweit erforderlich, zu unterziehen; für den später befaßten Beamten ist einstweilen § 143 Abs. 2 maßgebend. b) Eine solche Meinungsverschiedenheit kann nicht nur zwischen gleichgeordneten Beamten, sondern auch zwischen einem landgerichtlichen Staatsanwalt und einem dem Bezirk eines anderen Landgerichts angehörigen Amtsanwalt bestehen, nämlich dann, wenn eine Straftat, für die in zwei Landgerichtsbezirken ein Gerichtsstand begründet ist, in beiden zur Anzeige gelangt, jedoch unter verschiedener Kennzeichnung der Tat (z. B. als Raub und als Diebstahl), so daß in dem einen Bezirk der Staatsanwalt, in dem anderen ein Amtsanwalt in der Sache tätig wird. D a hier der Amtsanwalt dem Staatsanwalt nicht untergeordnet und somit an dessen Ansicht nicht gebunden ist, würde ein Streit durch den gemeinsam vorgesetzten Beamten zu entscheiden sein. Es wird sich indes für den Amtsanwalt regelmäßig empfehlen, sich der Ansicht des Staatsanwalts unterzuordnen, mindestens, wenn dieser die Zuständigkeit zur Verfolgung für sich in Anspruch nimmt. — Hat die eine staatsanwaltschaftliche Behörde bereits die öffentliche Klage erhoben, so ist wegen der Rechtshängigkeit der Sache eine Verfolgung durch die andere Behörde unstatthaft. Wegen des Falles, daß dennoch eine Sache mehrfach, und zwar bei Gerichten verschiedener Ordnung, anhängig geworden ist, s. Einleitung S. 97 f. c) Zwischen einem Amtsanwalt und dem ihm vorgesetzten Staatsanwalt kann angesichts des § 146 kein Streit wie zu b entstehen. Die Anweisung des Staatsanwalts, die Verfolgung eines Straffalles zu übernehmen oder sie zu unterlassen, und die dieser Anweisung zugrunde liegende Auffassung der Sache ist für den Amtsanwalt bindend. 7. Besteht die Meinungsverschiedenheit darüber, bei welchem von mehreren zuständigen Gerichten eine Sache anhängig zu machen ist, oder darüber, ob zusammenhängende Sachen zu verbinden oder bei welchem Gericht sie im Falle der Verbindung anhängig zu machen sind, so wird durch den Mangel der Einigung eine Entscheidung der gemeinsam vorgesetzten Instanz noch nicht unbedingt erforderlich (vgl. hierzu Anm. II 4 zu § 12, Anm. II 3 zu § 13 StPO). Wegen der Bereinigung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Frage, wieweit die Führung einheitlicher Ermittlungen als Sammelverfahren (Nr. 27 a RiStBV) bei einer Mehrzahl von Einzelverfahren, die bei verschiedenen Staatsanwaltschaften anhängig sind, geboten ist, vgl. Nr. 27 c Abs. 3 RiStBV.

§ 144 Besteht die Staatsanwaltschaft eines Gerichts aus mehreren Beamten, so handeln die dem ersten Beamten beigeordneten Personen als dessen Vertreter; sie sind, wenn sie für ihn

2881

§ 1 4 4 Anm. 1—3 § 145 Anm. 1

Gerichts Verfassungsgesetz

auftreten, zu allen Amtsverrichtungen desselben ohne den Nachweis eines besonderen Auftrags berechtigt. Entstehungsgeschichte: Entw. § 116. 1. Nach § 144 ist die Staatsanwaltschaft „bürokratisch" (hierarchisch) organisiert. Die Kollegialverfassung ist der Einrichtung der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft ihrem Wesen nach fremd. 2. Die dem Behördenleiter zugewiesenen Beamten handeln als dessen Vertreter, bedeutet: ihre Handlungen werden hinsichtlich ihrer rechtlichen Wirksamkeit als Handlungen des ersten Beamten angesehen, wobei die Wirksamkeit der Amtshandlung nach außen unabhängig davon ist, ob sie den für den inneren Dienst der Staatsanwaltschaft getroffenen Anordnungen, insbesondere über die Zeichnungsbefugnisse, zuwiderläuft (vgl. Anm. 5d zu § 142; BayObLG JR 1962 467 mit zust. Anm. D ü n n e b i e r ) . Es ist also z. B. die von dem Sitzungsvertreter in der Hauptverhandlung erklärte Zustimmung zur Einstellung nach § 153 Abs. 3 StPO oder ein Rechtsmittelverzicht wirksam, auch wenn er entgegen einer ausdrücklichen Weisung des Behördenleiters handelt (BGHSt. 19 377, 382). 3. Wegen der Zeichnungsbefugnisse der Beamten der Staatsanwaltschaft vgl. Nr. 13 ff., 25 OrgStA.

§ 145 (1)Die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten sind befugt, bei allen Gerichten ihres Bezirkes die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft selbst zu übernehmen oder mit ihrer Wahrnehmung einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten zu beauftragen. (2) Amtsanwälte können das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten versehen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 117. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 316). Das Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950 hat in Absatz 3 die Worte ..und den Schöffengerichten" hinter „Amtsgerichten" (ohne sachliche Änderung, da das Schöffengericht ein Teil des Amtsgerichts ist) gestrichen. 1. Zu Absatz 1. a) Der § 145 behandelt das auf dem Gedanken der Einheit der Staatsanwaltschaft (vgl. § 142 Anm. 1) beruhende sog. „Devolutions- und Substitutionsrecht" der oberen staatsanwaltschaftlichen Beamten. Vermöge dieses Rechtes kann (mit der in Absatz 2 bestimmten Einschränkung) innerhalb desselben Oberlandesgerichtsbezirks oder Landgerichtsbezirks jeder dem Bezirk angehörige Beamte der Staatsanwaltschaft kraft Auftrags die staatsanwaltschaftlichen Geschäfte bei jedem Gericht des Bezirks versehen. In gemeinschaftlichen Gerichtsbezirken, die sich aus Gebietsteilen verschiedener deutscher Länder zusammensetzen, kann die Substitution ohne Rücksicht auf die Landesangehörigkeit des zu beauftragenden Beamten erfolgen (RGRspr. 8 369). Auch der Generalbundesanwalt kann andere Personen als Bundesanwälte mit der Wahrnehmung staatsanwaltlicher Verrichtungen beim BGH beauftragen (vgl. Anm. 2 a zu § 142). b) § 145 spricht nur von den ersten Beamten der Staatsanwaltschaft des Landgerichts und des Oberlandesgerichts. Die übergeordneten Zentralbehörden haben im Hinblick auf § 142 kein Devolutionsrecht. Sie können also z. B. nicht selbst Rechtsmittel einlegen, sondern nur gemäß §§ 146, 147 die Staatsanwaltschaft anweisen, Rechtsmittel einzulegen. Dagegen können sie kraft ihres Leitungsrechts (§ 147) und angesichts des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Staatsanwaltschaft anordnen, daß ein Staatsanwalt eine bestimmte amtliche Verrichtung auch bei einer Staatsanwaltschaft ausübe, bei der er nicht angestellt ist (RGSt. 73 86). Ein solcher Auftrag hat die Wirkung, daß der Staatsanwalt, solange und soweit es die Ausführung des Auftrags erfordert, als zu dieser Staatsanwaltschaft gehörig anzusehen ist (RG v. 24. 6. 1931 II 636/30 zu B III; vgl. RGSt. 44 75, 58 105 und Anm. 1 zu § 142; E b S c h m i d t 9; M ü l l e r - S a x 3). Die Auffassung von v. H i p p e l , Strafprozeß 2882

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 145 Anm. 2—6

(1941) 241, nur im Einzelfall, nicht für bestimmte Gruppen von Strafsachen könne das auf dem Leitungsrecht beruhende Substitutionsrecht der Landesjustizverwaltung ausgeübt werden, findet in § 145 keine Stützte. Der § 145 a des früher in der amerik. Besatzungszone geltenden Strafgerichtsverfassungsges. 1946 bestimmte ausdrücklich, daß der Minister der Justiz einen Beauftragten mit der Befugnis bestellen könne, bei allen Gerichten des Landes die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft zu übernehmen; diese Vorschrift ist von dem Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 nicht übernommen worden, weil sie nach der amtl. Begründung überflüssig erschien. c) D a s Substitutionsrecht steht den Behördenleitern nur bei den Gerichten ihres Bezirks zu. Es kann also, wenn eine Strafkammer des L G A eine Hauptverhandlung außerhalb des Gerichtssitzes im LG-Bezirk B durchführt, weder der Oberstaatsanwalt von A noch der von B (oder beide gemeinschaftlich) einen bei der StA B angestellten Staatsanwalt zum Sitzungsvertreter bestellen (etwa weil er aus früherer Tätigkeit bei der StA in A mit dem Sachverhalt besonders vertraut ist); nur der Generalstaatsanwalt, wenn beide Gerichte dem gleichen OLG-Bezirk angehören, sonst nur die Landesjustizverwaltung (bei Zugehörigkeit beider Gerichte zum gleichen Land) könnte eine solche Bestellung aussprechen (RGSt. 73 86). d) Wegen des Verhältnisses der Bundesanwaltschaft zu den Staatsanwaltschaften der Länder vgl. Anm. 5 zu § 146; § 145 gilt dafür nicht. e) „sind befugt". § 145 räumt den Behördenleitern das Recht der Devolution und Substitution ein, und zwar im Interesse einer sachgemäßen und geordneten Durchführung der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit, also im Interesse der Allgemeinheit. Er begründet aber kein Recht eines Prozeßbeteiligten, daß der erste Beamte seine Befugnis in einem bestimmten Sinn ausübe. Es unterliegt daher nicht der gerichtlichen Nachprüfung nach § § 2 3 ff. E G G V G , wenn der erste Beamte das Verlangen eines Angeklagten, den in der Sache tätigen Staatsanwalt wegen Befangenheit abzulösen und ihn durch einen anderen zu ersetzen, ablehnt ( O L G H a m m N J W 1969 808; a. M. B u c k e r t N J W 1970 847). S. dazu auch Vorbem. 3 vor § 1 4 1 . 2. Die ersten Beamten. Die ihnen beigelegten Befugnisse stehen im Falle einer Verhinderung auch dem Vertreter im Amt, nicht den „beigeordneten Personen" zu, die kraft Gesetzes (§ 144) als seine Vertreter handeln (ebenso E b S c h m i d t 11; a. M. M ü l l e r - S a x l b ) . 3. zu übernehmen. In der Befugnis der oberen Behörde, die Amtsverrichtungen der unteren zu übernehmen, ist insbesondere die Berechtigung enthalten, die dieser Behörde zustehenden Rechtsmittel zu ergreifen und die von der unteren Behörde abgegebenen Erklärungen (Anträge usw.) zurückzunehmen, soweit eine solche Zurücknahme überhaupt statthaft ist. Vgl. dazu Nr. 167 RiStBV (Rücknahme der Revision durch den Generalstaatsanwalt, wenn er sie nicht für angebracht hält oder sich von ihr keinen Erfolg verspricht). 4. selbst zu übernehmen. Hat der obere Beamte die Amtsverrichtungen einer ihm untergeordneten Behörde (z. B. der Generalstaatsanwalt des Oberlandesgerichts die des Oberstaatsanwalts bei dem Landgericht oder die eines Amtsanwalts) übernommen, so kann er die fraglichen Verrichtungen durch die ihm beigeordneten Personen ausüben lassen, ohne daß es einer besonderen Beauftragung bedarf. Das Wort „selbst" bezieht sich nur auf den Gegensatz zwischen den verschiedenen Behörden, nicht auf den zwischen den verschiedenen Beamten derselben Behörde. 5. Zeit der Übernahme. Die Ausübung dieser Befugnisse ist in jeder Lage der Sache und zu jedem Zeitpunkt zulässig. Sie kann selbst im Laufe einer Hauptverhandlung stattfinden, ohne daß jedoch hierdurch etwas an dem Gange der Verhandlung geändert werden darf. Vgl. § 227 StPO. 6. zu beauftragen. Der Generalstaatsanwalt kann die eigenen Geschäfte bei diesem Gericht einem bei einem Landgericht tätigen Staatsanwalt auftragen. Ein Beamter, der in einer früheren Instanz die Geschäfte der Staatsanwaltschaft versehen hat, kann sie in höherer Instanz abermals wahrnehmen.

2883

§ 1 4 5 Anm. 7, 8 §§ 145 a; 146 A n m .

Gerichtsverfassungsgesetz

1-3

7. Die Beauftragung eines örtlich nicht zuständigen Beamten (§ 143) muß dem Gericht gegenüber nachgewiesen werden; vgl. Anm. 3 a zu § 143 ( M ü l l e r - S a x 2; E b S c h m i d t 8). 8. Zu Absatz 2 (Amtsanwälte). Absatz 2 enthält eine Beschränkung des Beauftragungsrechts. Sie beruht darauf, daß zu Amtsanwälten in der Regel Personen ohne die Befähigung zum Richteramt (früher § 148 Abs. 2 G V G , jetzt § 122 D R i G ) bestellt werden (Begr. 80). — Besitzt ein Amtsanwalt die Befähigung zum Richteramt, so kann er nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften mit der einstweiligen Wahrnehmung von Geschäften der Staatsanwaltschaft bei einem Landgericht beauftragt werden (RGSt. 51 222; a. M. K l 1). Zu den „Amtsgerichten" gehören auch die Schöffengerichte und die Jugendrichter und Jugendschöffengerichte (unbeschadet des § 36 J G G über die Bestellung besonderer ..Jugendstaatsanwälte" bei den Jugendgerichten). Vgl. § 142 Abs. 2 und dort Anm. 5 a.

§ 145 a (weggefallen; vgl. Anm. 1 b zu § 145)

§ 146 Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen. Entstehungsgeschichte: Der frühere Absatz 2 des § 146 lautete: „In Sachen, für welche das Reichsgericht in erster und letzter Instanz zuständig ist, haben alle Beamten der Staatsanwaltschaft den Anweisungen des Oberreichsanwalts Folge zu leisten." Durch Ges. vom 28. 6. 1935 (RGBl. I 844) wurde folgender Satz 2 eingefügt: „In Sachen, in denen das Reichsgericht als Revisionsgericht entscheidet, kann nach eingelegter Revision der Oberreichsanwalt die Beamten der Staatsanwaltschaft unmittelbar mit Weisungen versehen." Das Vereinheitlichungsges. v. 12.9. 1950 hat den Absatz 2 gestrichen; damit sollte klargestellt werden, daß dem Generalbundesanwalt ein Anweisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaften der Länder nicht zusteht. Literatur: S p a e t h , Die Gehorsamspflicht des Staatsanwalts nach § 146 GVG, Freib. Diss. 1934; G ü d e , Die Stellung des Staatsanwalts im heutigen Recht, „Die Justiz" 1957 297; derselbe: Der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung und sein Plädoyer, „Die Justiz" 1958 222; D ü n n e b i e r , Dje Grenzen der Dienstaufsicht gegenüber der Staatsanwaltschaft JZ 1958 417; L e v e r e n z . Über die Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft. SchlHA 1961 36; A r n d t , Umstrittene Staatsanwaltschaft N J W 1961 1616; G ö r c k e , Weisungsgebundenheit und Grundgesetz. ZStrW 73 561; derselbe: Weisungsgebundenheit des deutschen Staatsanwalts und Unabhängigkeit der Rechtsprechung, D R i Z 1964 50; W a g n e r , Zur Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte, N J W 1963 8; K o h l h a a s , Die Stellung der StA als Teil der rechtsprechenden Gewalt (1963) 46ff.; derselbe: Minister und Staatsanwalt, D R i Z 1967 264; derselbe: Die Exmittierung der Staatsanwaltschaft, D R i Z 1972 166; K i l l , Die Weisungsgebundenheit des Staatsanwalts im französischen und deutschen Strafverfahren, D R i Z 1963 391; E b S c h m i d t , Z u r Rechtsstellung und Funktion der StA als Justizbehörde, M D R 1964 629, 713; S a r s t e d t , Gebundene Staatsanwaltschaft? N J W 1964 1752; R o x i n , Rechtsstellung und Zukunftsaufgaben der StA, D R i Z 1969 385; B r ü c k n e r , Zur künftigen Organisation und Führung der Staatsanwaltschaft, D R i Z 1972 407; B l o m e y e r , Die Stellung der Staatsanwaltschaft, G A 1970 160; H e n n , Z u m ministeriellen Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft. DRiZ 1972 152; W a x , Der unabhängige Staatsanwalt, D R i Z 1972 163. S. auch die Schrifttumsnachweise vor § 141. 1. Vgl. die Bemerkungen über die Einheit der Staatsanwaltschaft in § 142 Anm. 1. 2. Der Begriff des „Vorgesetzten" ergibt sich aus § 147 in Verbindung mit § 144. Vgl. auch § 145 Anm. 1 b. 3. a) Unter „dienstlichen Anweisungen" sind nicht nur allgemeine Anordnungen, insbes. die RiStBV. sondern auch Verfügungen zu verstehen, die die Behandlung der einzelnen

2884

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 146 Anm. 3 Sachen betreffen (RGSt. 44 77). Insbesondere gilt die Bestimmung auch für den Gebrauch (Einlegung und Zurücknahme) von Rechtsmitteln. Nr. 147 Abs. 2 RiStBV verbietet der Staatsanwaltschaft, in einer Rechtsmittelschrift zum Ausdruck zu bringen, daß das Rechtsmittel auf Weisung eingelegt werde. Zu den dienstlichen Weisungen „ihrer Vorgesetzten" gehören auch die Weisungen des Justizministers an die Staatsanwaltschaft (§ 147 Nr. 1, 2). Dieser hat aber gegenüber den Behörden der Staatsanwaltschaft kein weitergehendes Anweisungsrecht als etwa der Generalstaatsanwalt gegenüber dem Oberstaatsanwalt oder der Behördenleiter gegenüber den „beigeordneten Personen" i. S. des § 144. Die Justizverwaltung unterliegt also, wie heute ganz unstreitig ist, insbes. wenn es sich um Weisungen betr. die Erhebung der öffentlichen Klage handelt, in gleicher Weise dem Legalitätsprinzip wie die Staatsanwaltschaft (vgl. statt aller BGHSt. 15 155, 161; OLG Celle NJW 1971 1375; BJustMin. N e u m a y e r und B u c h e r DRiZ 1956 133; 1963 169; R e c k e n DRiZ 1967 347; Anm. 7 zu § 152 StPO; zu der Frage, inwieweit bei zweifelhaften Rechtsfragen der Legalitätsgrundsatz die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung zwingt, s. Anm. 5 a vor § 141). Die Bindung an das Legalitätsprinzip schließt es aus, daß sich die Landesjustizverwaltung bei ihrer Aufsichts- und Leitungsbefugnis von anderen als „justizgemäßen" Erwägungen leiten läßt (vgl. BVerfGE 9 223, 228 = NJW 1959 872). Die Weisungsgebundenheit bedeutet danach lediglich, daß, wo Meinungsverschiedenheiten bei Ermessens-, Zweifels- und Auslegungsfragen möglich sind, die Auffassung des in der Stufenordnung Höheren, also letztlich die Auffassung des Justizministers als des Chefs der Staatsanwaltschaft, den Ausschlag gibt (so die herrschende Meinung). Wo aber keine Meinungsverschiedenheit bestehen kann, sondern eine Weisung rechtswidrig ist, ist sie für den Weisenden strafbar (§§ 344, 346 StGB), für den Angewiesenen unverbindlich ( L ü t t g e r GA 1957 216). b) Die Befolgungspflicht des angewiesenen Staatsanwalts ist in gleicher Weise begrenzt wie das Weisungsrecht des Vorgesetzten. Als Beamten (vgl. § 148) trifft ihn, wenn er die Weisung für gesetzwidrig hält, die Remonstrationspflicht nach § 56 Abs. 2 BBG, § 38 BRRG. Auch eine trotz seiner Vorstellungen aufrecht erhaltene Weisung darf er nicht befolgen, wenn er überzeugt ist, sich durch ihre Befolgung nach §§ 344—346 StGB strafbar zu machen (vgl. Anm. 7 zu § 152 StPO). Der Weisende muß dann, wenn er die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Weisung nicht teilt, nach § 145 verfahren und mit der Durchführung des Auftrags einen Staatsanwalt beauftragen, der seinerseits gegen die Rechtmäßigkeit der Weisung keine Bedenken hat. Es fragt sich, ob der angewiesene Staatsanwalt schon nach geltendem Recht (vgl. auch die Reformvorschläge unten c) eine Möglichkeit hat, über die Rechtmäßigkeit seiner Weigerung eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, etwa wenn er angewiesen wird. Anklage nicht zu erheben, weil der Beschuldigte nicht hinreichend verdächtig sei, während er ihn als überführt ansieht. In Frage käme nur eine Anrufung des OLG nach §§ 23 ff. EGGVG. Die Weisung des Vorgesetzten ließe sich wohl als Verwaltungsakt einer Justizbehörde (Einleitung S. 63) zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiete der Strafrechtspflege ansehen. Zweifelhaft wäre aber schon, ob der angewiesene Staatsanwalt „in seinen Rechten" verletzt sein kann. Jedenfalls entspricht die Einbeziehung behördeninterner Vorgänge nicht den mit der Schaffung der §§ 23 ff. verfolgten Absichten (vgl. Anm. 6 c zu § 23 EGGVG). Rechtspolitisch wäre freilich zu erwägen, dem Staatsanwalt, der sich in seiner Aufgabe, das Recht zu wahren, durch Maßnahmen der Justizverwaltung beeinträchtigt glaubt, in gleicher Weise den Weg gerichtlicher Nachprüfung zu eröffnen wie dem Richter, der sich durch Maßnahmen der Dienstaufsicht in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt — also durch die Justizverwaltung in seiner Rechtsstellung verletzt — fühlt (§§ 26 Abs. 3, 62 Abs. 1 Nr. 4 e, 78 Nr. 4 e DRiG). c) Reformwünsche. In neuerer Zeit mehren sich die Stimmen, die aus rechtsstaatlichen Erwägungen — über die allgemein erhobene Forderung hinaus, daß die Weisungsgewalt der Justizverwaltung sich auf das unumgänglich notwendige Maß beschränke — für eine Einschränkung der Weisungsgebundenheit des Staatsanwalts eintreten, sei es im Sinne einer gesetzlichen Festlegung der Grenzen der Weisungsgebundenheit, sei es in dem Sinn, daß dem Staatsanwalt gegen Weisungen, die er für gesetzwidrig hält, förmlich die Anrufung einer richterlichen Stelle eröffnet werde (vgl. die Vorschläge des Deutschen Richterbundes DRiZ 2885

§ 146 Anm. 3

Gerichtsverfassungsgesetz

1962 292 [dazu kritisch K o h l h a a s , Stellung der StA 65]; H o b e r g , Die Unabhängigkeit des Staatsanwalts DRiZ 1953 136; H a u s s m a n n DRiZ 1954 193; B a d e r N J W 1949 737 und DRiZ 1954 238; K i l l DRiZ 1963 394; vgl. auch den Entw. einer Neufassung des 10. Titels des G V G , erarbeitet von der Kommission für die Angelegenheiten der Staatsanwälte im Deutschen Richterbund, DRiZ 1970 187 [dazu kritisch S c h o r e i t DRiZ 1970 226] und R o x i n DRiZ 1969 388). Noch weiter geht die Forderung nach dem „unabhängigen Staatsanwalt", der völlig weisungsfrei sein soll, weil der Staatsanwalt in gleicher Weise wie der Richter „zur rechtsprechenden Gewalt gehöre" und seine Funktionen „durchaus richterlicher Art" seien. Diese auch heute noch erhobene Forderung wurde namentlich im Entstehungsstadium des DRiG 1961 laut, verbunden mit dem Verlangen, sie im D R i G zu verwirklichen (vgl. Einleitung S. 63 Fußnote 35). Der Gesetzgeber des D R i G hat sich ihr damals mit Recht versagt. Sie verkennt die schon in der Funktionsbezeichnung zum Ausdruck kommende Aufgabe des Staatsanwalts, den „Rechtswillen" — nicht den politischen Machtwillen ( E b S c h m i d t 5) — des Staates (letztlich also der Regierung) vor dem unabhängigen Richter zu vertreten (vgl. K e r n DRiZ 1951 122; s. auch DRiZ 1954 207), den Mittler zu bilden zwischen Exekutive und Rechtsprechung und durch diese „Brückenfunktion" die Realisierung des Verfassungsgrundsatzes von der parlamentarischen Verantwortung der Regierung auch im Bereich der Strafrechtspflege zu ermöglichen (Kl Vorbem. 2 vor § 141). Neben dem unabhängigen Richter hätte ein ihm wesensgleicher unabhängiger Staatsanwalt keinen abgrenzbaren und sinnvollen Aufgabenbereich (so auch G ö r c k e DRiZ 1964 50; B l o m e y e r G A 1970 170). Im praktischen Ergebnis liefe die Bekleidung des Staatsanwalts mit richterlicher Unabhängigkeit auf die Preisgabe des Anklageprozesses und die Wiederherstellung des Inquisitionsprozesses hinaus ( B l o m e y e r 171. 178). Daß früher dem Oberreichsanwalt von der Reichsjustizverwaltung und später dem Generalbundesanwalt vom BJM keine Weisungen erteilt wurden (so G ü d e DRiZ 1958 4; K i r c h n e r DRiZ 1958 108), beweist nichts für die Frage der Notwendigkeit eines Weisungsrechts in den unteren Bereichen (etwa zur Herbeiführung einer gleichmäßigen Anklagepraxis bei neuen Vorschriften, solange sich eine feste Rechtsprechung noch nicht gebildet hat); s. dazu S a r s t e d t N J W 1964 1752, 1755; S t r ä t e r DRiZ 1965 60 und O L G Saarbrücken JB1. Saar 1964 208. d) Schließlich wird die Auffassung vertreten (so G ö r c k e ZStrW 73 561; DRiZ 1964 50; W a g n e r N J W 1963 8; K o h l h a a s , Stellung der StA [1963] 45, 4 9 f f „ 66; DRiZ 1967 264; s. auch H e n n DRiZ 1972 152), daß trotz formeller Aufrechterhaltung des § 147 Nr. 1, 2 schon nach geltendem Recht ein (politischen Einflüssen unterworfenes) Weisungsrecht der Justizverwaltung (§ 147 Nr. 1, 2) gegenüber der Staatsanwaltschaft nicht mehr bestehe, sondern nur ein Weisungsrecht innerhalb der Staatsanwaltschaft, also des Generalstaatsanwalts gegenüber dem Oberstaatsanwalt usw. (§ 146, § 147 Nr. 3). Ein Weisungsrecht der Landesjustizverwaltung sei mit dem G G unvereinbar, weil der Staatsanwalt, wenn auch nicht zur richterlichen Gewalt, so doch zu den Organen der rechtsprechenden Gewalt i. S. des Art. 92 G G gehöre und an deren Unabhängigkeit gegenüber Einwirkungen politischer Stellen teilhabe, aber auch weil eine wirkliche Unabhängigkeit des Richters nicht denkbar sei, wenn er bei seiner Tätigkeit an einen politisch gelenkten „Streitgenossen gekoppelt" wäre ( W a g n e r ) . Aber Art. 92 G G hat nur den Richtern die Rechtsprechung anvertraut — aus diesem Grunde gegen die „Richtergleichheit" des Staatsanwalts auch E b S c h m i d t M D R 1964 716; N ü s e JR 1964 283; B l o m e y e r G A 1970 162; H e n k e l 142 —, und Art. 97. G G garantiert nun einmal nur den Richtern die Unabhängigkeit im Sinne jeglicher Weisungsfreiheit und sieht darin eine genügende Gewähr für den unparteiischen Spruch. Nach R o x i n DRiZ 1969 386 besteht sogar schon nach geltendem Recht grundsätzlich auch innerhalb der Staatsanwaltschaft kein Weisungsrecht (des Behördenleiters gegenüber dem Staatsanwalt) mehr. Danach ist zwar der Staatsanwalt kein Richter, aber sein Tun entspreche dem des Richters „qualitativ insoweit, als es in derselben Weise am Rechtswert orientiert ist". Er könne deshalb nicht „Sprachrohr fremder Meinungen" sein, denn „der Akt der Rechtsfindung ist nicht vertretbar und deshalb zwar argumentierender Beratung, aber keiner die eigne Überzeugung ausschaltenden Weisung zugänglich"; ein „Erkenntnisvorgang", um den es sich bei der Beurteilung von Rechtsfällen handele, „entzieht sich den Kategorien von Befehl und Gehorsam". Aber die Mitwirkung des Staats-

2886

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 146 Anm. 3

anwalts ist gar kein „Akt der Rechtsfindung" — diese steht nur dem Richter zu —, sondern ein Akt der Mitwirkung zur richterlichen Rechtsfindung, und dieser Akt ist auch nicht „unvertretbar", denn R o x i n verweist selbst auf den Ausweg, daß durch Devolution und Substitution der Behördenleiter seine Rechtsüberzeugung — die ja auch Respektierung verdient — verwirklicht. Mit R o x i n stimmt im Ergebnis E b S c h m i d t Anm. 6 und M D R 1964 716 überein. Er lehnt zwar eine aus der „Richtergleichheit" hergeleitete Weisungsfreiheit ab. Nach ihm ergibt sich aber aus der Amtspflicht des Staatsanwalts, mit dem Richter nach Wahrheit und Gerechtigkeit zu streben, daß er nur seiner Uberzeugung folgen darf und deshalb auch Weisungen innerhalb der Staatsanwaltschaft, auch in Ermessensfragen, überall unstatthaft sind, „wo der Staatsanwalt mit seinem Antrag und seinen Gründen eine richterliche Entscheidung zur Tat- und Rechtsfrage erwirken will". N u r bei Ermessensentscheidungen im Bereich des Opportunitätsprinzips und bzgl. aller technischen Fragen seien bindende Weisungen zulässig (so R o x i n aaO.; E b S c h m i d t Anm. 11 bis 14). Ahnlich B r ü g g e m a n n , Rechtsprechende Gewalt [1962] 165, der Weisungsgebundenheit aber auch bei zweifelhaften Rechtsfragen annimmt. Alle diese Überlegungen und Unterscheidungen verlassen den Boden des geltenden Rechts. Insbesondere läßt sich eine unterschiedliche Behandlung der Bereiche des Legalitäts- und des Opportunitätsprinzips nicht rechtfertigen, denn auch hier handelt es sich nicht um rechtsfreien Raum, sondern um Rechtsanwendung, sei es, daß es sich um die Prüfung von Inhalt und Tragweite unbestimmter Rechtsbegriffe oder doch wenigstens um die Einhaltung der Grenzen der Ermessensfreiheit handelt (so zutreffend B l o m e y e r G A 1970 165). e) Anweisungen für die Hauptverhandlung. Die R T K hatte in den § 147 folgende Bestimmung eingeschaltet: „Bei den Ausführungen und Anträgen nach dem Schlüsse der Beweisaufnahme sind die Beamten der Staatsanwaltschaft an dienstliche Anweisungen ihrer Vorgesetzten nicht gebunden" ( H a h n Mat. z. G V G 1 637). Die Bestimmung wurde indes auf Widerspruch der Regierungsvertreter wieder gestrichen (Prot, der 170. Sitzung S. 14). Die damals abgelehnten Forderungen nach Weisungsfreiheit des Staatsanwalts beim Schlußvortrag wurden aber weiterhin und werden auch heute noch in dieser oder jener F o r m erhoben. So wurde in früheren Auflagen dieses Kommentars die Auffassung vertreten, nach der „Natur der Sache" müsse ein Unterschied zwischen den tatsächlichen und den rechtlichen Ausführungen der Staatsanwaltschaft gemacht werden. Für die rechtlichen Ausführungen könnten die Vorgesetzten auf Grund der Akten bindende Anweisungen erteilen. Für die tatsächlichen Ausführungen sei dagegen ausschließlich das Ergebnis der Hauptverhandlung maßgebend (§ 261 StPO). Eine Ausnahme sollte nur für den Fall gelten, daß in derselben Hauptverhandlung mehrere Beamte der Staatsanwaltschaft mitwirken (§ 227 StPO), weil in diesem Fall die Anträge und Ausführungen übereinstimmen müßten. Mit § 146 ist auch diese einschränkende Auffassung (Weisungsfreiheit nur hinsichtlich der Tatfrage) nicht in Einklang zu bringen. Aus der „Natur der Sache" ergibt sich lediglich, daß es nicht zulässig ist, dem Sitzungsvertreter im voraus Weisungen zur Tatfrage zu erteilen, die er ohne Rücksicht auf das Ergebnis der Beweisaufnahme zu vertreten habe. Denn so gut das Gericht nur nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung urteilen darf (§ 261 StPO), darf auch die Staatsanwaltschaft, deren Aufgabe in der Mitwirkung bei der Ermittlung der Wahrheit und der Findung eines gerechten Urteils besteht, kraft des Legalitätsprinzips nur Ausführungen machen und Anträge stellen, die sie als nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gerechtfertigt ansieht (vgl. D ü n n e b i e r JZ 1958 417, 421). Jede vor der Hauptverhandlung erteilte Weisung gilt nur (und ist auch nur mit diesem Vorbehalt als erteilt anzusehen) soweit, als die Hauptverhandlung keine wesentlichen Änderungen des Sachverhalts ergeben hat, von dem der Weisende ausging (so mit Recht H e n k e l 143; s. auch P e t e r s 13, K e r n D R i Z 1951 122, M ü l l e r - S a x 2 c , 3). Andernfalls erhält der Sitzungsvertreter Handlungsfreiheit, soweit ihm nicht neue, der veränderten Sachlage Rechnung tragende Weisungen erteilt werden. Dagegen läßt sich nicht vertreten, daß — so z. B. K l 2; s. auch A r n d t N J W 1961 1616 — für die Beweiswürdigung in der Hauptverhandlung dem Sitzungsvertreter „von einem nicht teilnehmenden Vorgesetzten" grundsätzlich keine Weisungen erteilt werden könnten und ein solcher Vorgesetzter darauf beschränkt sei, Weisung zur Anfechtung des Urteils zu geben. Namentlich bei sog. Monstreprozessen können die Ermittlungen im Vorverfahren und in der Voruntersuchung so sorgfältig geführt sein, daß sie eine ausreichende Grundlage für Weisungen an den Sitzungsvertreter geben; warum sollte

2887

§ 146 Anm. 4 , 5

Gerichtsverfassungsgesetz

dann (immer unter dem Vorbehalt, daß sich das Bild nicht durch die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung wesentlich ändert) die Verbindlichkeit der Weisung davon abhängen, ob der weisende Vorgesetzte auch persönlich an der Hauptverhandlung teilnimmt? Auch für die Verbindlichkeit von Weisungen, die während der Hauptverhandlung erteilt werden, kann es nicht darauf ankommen, ob der Weisende persönlich im Sitzungssaal anwesend war (ebenso D ü n n e b i e r JZ 1958 417, 421). Es muß genügen, wenn er sich die tatsächlichen Grundlagen für die Beurteilung, ob und welche Weisungen notwendig und angemessen sind, in anderer zuverlässiger Form verschafft, etwa durch den Vortrag des Sitzungsvertreters selbst oder eines anderen Staatsanwalts, den er zur Beobachtung der Vorgänge in den Sitzungssaal entsandt hat (ebenso R G BayZ 1933 243, 245; v o n L i s z t DJZ 1901 180; G e r l a n d 110; M ü l l e r - S a x 2c, 3; D a l c k e - F u h r m a n n - S c h ä f e r 1; v. H i p p e l , Lehrb. 236 Anm. 2; H e n k e l 143; B u r c h a r d i - K l e m p a h n S. 2; K i l l DRiZ 1963 393; wegen weiterer Nachweise für das ältere Schrifttum s. Anm. 3 b der 20. Aufl.). — Nach den im Stadium der Schaffung des D R i G gemachten Vorschlägen des Deutschen Richterbundes sollte in das D R i G eine Vorschrift eingefügt werden: „Im Rahmen der Hauptverhandlung (§§ 226 ff. StPO) ist der Staatsanwalt in der Würdigung der erhobenen Beweise sowie in der Beurteilung der Rechts- und Straffrage nur seiner pflichtgemäßen Überzeugung unterworfen" (vgl. DRiZ 1961 22). Das entspricht dem französischen Recht (Code de procédure pénale 1959; vgl. K i l l DRiZ 1963 391, 392). Der Gesetzgeber des D R i G ist dem Vorschlag aber nicht gefolgt. Für eine Reform des G V G schlägt wiederum die Kommission für die Angelegenheit der Staatsanwälte im DRiB in ihrem Entwurf einer Neugestaltung des 10. Titels (DRiZ 1970 187) — der im übrigen das Weisungsrecht zwar beschränken, aber (innerhalb der Staatsanwaltschaft) nicht ausschließen will — eine Vorschrift vor: „In der Hauptverhandlung ist der Staatsanwalt von jeder Weisung frei". Daß diese de lege ferenda erhobene Forderung bereits geltendes Recht darstelle (so insbesondere E b S c h m i d t 7 — vgl. oben d —; B a d e r JZ 1956 4, 6; B r ü g g e m a n n , Die rechtsprechende Gewalt [1962] 165), kann nicht anerkannt werden, wenn auch in der Praxis Weisungen weitgehend nicht üblich sind ( D ü n n e b i e r aaO.). Zu der Frage, ob sich der Staatsanwalt eines Schluß Vortrags in der Hauptverhandlung enthalten darf, vgl. O L G Düsseldorf NJW 1963 1167 und die abl. Stellungnahme von S c h ü t z und S e i b e r t N J W 1963 1589, 1590. 4. Wirkung der Anweisung. Die Anweisung ist lediglich eine innere Angelegenheit der Staatsanwaltschaft; dem Gericht gegenüber ist sie ohne Bedeutung. Demzufolge hängt die rechtliche Wirksamkeit der Handlungen oder Unterlassungen eines Staatsanwalts nicht davon ab, ob sein Verhalten der an ihn ergangenen Anweisung entspricht oder nicht; sie sind wirksam, auch wenn er gegen die ihm gegebene Anweisung gehandelt hat (vgl. Anm. 2 zu § 144). — Auch die Rechtzeitigkeit einer auf Anweisung vorgenommenen Handlung der Staatsanwaltschaft ist stets nur nach dem Zeitpunkt der Vornahme, nicht nach dem der Anweisung zu beurteilen. 5. Der Generalbundesanwalt hat nach § 146 ein Weisungsrecht nur gegenüber den Beamten der Bundesanwaltschaft. Er kann zwar mit bindender Wirkung für die Landesstaatsanwaltschaft Entscheidungen nach § 143 Abs. 3 treffen und kann ihr in den Fällen des § 74 a Abs. 2 die Verfolgung entziehen und sie ihr in den Fällen des § 142 a Abs. 2, 4 übertragen. Im übrigen hat er — nach Aufhebung des früheren § 146 Abs. 2 durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 (vgl. vor Anm. 1) — weder in den zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des O L G gehörigen Strafsachen, in denen er das Amt der StA ausübt (§ 142 a Abs. 1, § 74 a Abs. 2), noch in Revisionssachen ein Weisungsrecht gegenüber der Landesstaatsanwaltschaft; er kann also weder die Zurücknahme einer Revision anordnen noch sie selbst zurücknehmen. Er ist aber selbstverständlich nicht gehindert, nach eingelegter Revision den Generalstaatsanwalt auf Bedenken hinzuweisen, ebensowenig, wie er gehindert ist, die Verwerfung einer Revision zu beantragen, die er für unbegründet hält ( K o h l h a a s N J W 1951 179). Wegen der Behandlung der unter §§ 74 a, 120 fallenden Strafsachen durch die Landesstaatsanwaltschaften vgl. Nr. 216—218 RiStBV. Einen Zuständigkeitsstreit zwischen dem Generalbundesanwalt und einer Landesstaatsanwaltschaft, ob eine bestimmte Sache zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des O L G in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes gehört, kann es nach den S. 98 unter 3 b der Einleitung dargelegten Grundsätzen trotz Fehlens einer dem früheren § 146 Abs. 2 entsprechenden Vorschrift nicht geben.

2888

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 1 4 6 Anm. 6 § 147 Anm. 1 - 5 6. Nach Art. 25 Abs. 2 BayAG GVG vom 17. 11. 1956 (GVB1. 249) hat der Generalstaatsanwalt bei dem BayObLG gegenüber den übrigen bayer. Landesstaatsanwaltschaften Weisungsbefugnis in den Sachen, in denen das BayObLG gemäß § 120 GVG im ersten Rechtszug zuständig ist.

§ 147 Das Recht der Aufsicht und Leitung steht zu: 1. dem Bundesminister der Justiz hinsichtlich des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte; 2. der Landesjustizverwaltung hinsichtlich aller staatsanwaltschafUichen Beamten des betreffenden Landes; 4. dem ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten hinsichtlich aller Beamten der Staatsanwaltschaft ihres Bezirks. Entstehungsgeschichte: Entw. § 119. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 316). Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat nur Nr. 1 dem bestehenden Rechtszustand redaktionell angepaßt. 1. Während die Aufsicht über die Gerichte, von §§22 Abs. 3, 151 abgesehen, im GVG nicht geregelt wurde, ist wegen der Aufsicht über die Staatsanwaltschaft im GVG selbst Bestimmung getroffen worden, weil hier das Aufsichtsrecht im engsten Zusammenhang mit dem Recht der Leitung steht und dieses von großer Bedeutung für das Verfahren ist. In der Dienstaufsicht liegt die Befugnis, die ordnungswidrige Ausfuhrung eines Amtsgeschäfts zu rügen und zu seiner sachgemäßen Erledigung zu ermahnen (§ 16 der VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 — RGBl. I 403 —). Das Recht der Leitung enthält namentlich die Befugnis, durch Anweisungen an die nachgeordneten Organe unmittelbar in den Betrieb der einzelnen Sachen einzugreifen; vgl. Anm. 3 zu § 146. 2. In dem Recht der Aufsicht und Leitung ist auch das Recht enthalten, über Aufsichtsbeschwerden zu entscheiden, die gegen die Verfügungen oder gegen das Verfahren der Staatsanwaltschaft erhoben werden. Der Zahl der Instanzen sind bei der Aufsichtsbeschwerde im allgemeinen keine Schranken gesetzt; es ist z. B. dem, der sich über den Amtsanwalt bei dem Oberstaatsanwalt des Landgerichts erfolglos beschwert hat, nicht verwehrt, die Beschwerde noch an den Generalstaatsanwalt des Oberlandesgerichts und an die Landesjustizverwaltung zu bringen. S. im übrigen § 17 der VO vom 20. 3. 1935. Wegen der gerichtlichen Nachprüfung von Maßnahmen der Staatsanwaltschaft — über die in Einzelvorschriften (§ 172 StPO, § 5 des Ges. über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. 5. 1953 — BGBl. I 161) vorgesehenen Möglichkeiten hinaüs — s. Einleitung S. 66f. und die Anm. zu §§ 23 ff. EGGVG. 3. Zu Nr. 1. Das Recht des Bundesministers der Justiz zur Aufsicht und Leitung beschränkt sich auf den Generalbundesanwalt, dessen Vorgesetzter i. S. des § 196 StGB er ist (RGSt. 57 420) und auf die Bundesanwälte. Den Landesjustizverwaltungen und den Staatsanwaltschaften der Länder gegenüber hat er kein Aufsichts- und Leitungsrecht; es fließt auch nicht aus Art. 84 Abs. 3, 4 G G betr. Bundesaufsicht der Bundesregierung über die Länder bei Ausführung der Bundesgesetze (OVG Münster JMB1. NRW 1968 23). Der Generalbundesanwalt ist in § 147 als Inhaber des Rechts der Aufsicht und Leitung bzgl. der ihm unterstellten Behörde nicht ausdrücklich erwähnt; diese Lücke ist durch § 14 Abs. 1 Nr. 5 der VO vom 20. 3. 1935 geschlossen. 4. Zu Nr. 2. Wegen des Aufsichts- und Leitungsrechts der Landesjustizverwaltung vgl. Anm. 3 zu § 146. Wegen des Verhältnisses der §§ 146, 147 zu § 145 vgl. Anm. 1 b zu § 145. 5. Zu Nr. 3. Dem Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht sind untergeordnet die ihm beigeordneten Beamten (§ 144), die sämtlichen Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Landgerichten und die sämtlichen Amtsanwälte des Oberlandesgerichtsbezirks. Dem Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht sind untergeordnet die ihm beigeordneten Beamten ein2889

§ 148 Anm. 1

Gerichtsverfassungsgesetz

schließlich der bei einer auswärtigen Strafkammer tätigen (§ 141 Anm. 1 c) und die sämtlichen Amtsanwälte des Landgerichtsbezirks. In Ergänzung des § 147 bestimmt § 14 Abs. 1 Nr. 7 der VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403), daß bei der Amtsanwaltschaft deren Leiter die Dienstaufsicht ausübt; sie beschränkt sich aber, sofern er nicht Oberstaatsanwalt ist. auf die nicht dem höheren oder dem Amtsanwaltdienst angehörigen Beamten.

§ 148 Der Generalbundesanwalt und die Bundesanwälte sind Beamte. Entstehungsgeschichte: Entw. § 120. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 316). VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403). §§ 9. 19 Abs. 2. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 brachte keine sachlichen Änderungen. In dem bis dahin geltenden Text des Absatzes 1 ( „ D e r . . . sind nichtrichterliche Beamte") wurde durch § 85 Nr. 12 D R i G 1961 das Wort „nichtrichterliche" und durch § 85 Nr. 13 D R i G 1961 der bisherige Abs. 2 („Zu diesen Ämtern sowie zu dem Amt eines Staatsanwalts können nur zum Richteramt befähigte Beamte ernannt werden") ge strichen. Literatur: K e r n . Die beamtenrechtliche Stellung der Staatsanwälte, DRiZ 1951 119. 1. Entwicklungsgeschichte a) Bei Schaffung des G V G boten sich für die Besetzung der Stelle eines Staatsanwalts — d. h. des bei allen Gerichten verwendbaren Beamten der Staatsanwaltschaft, im Gegensatz zu den nur bei den Amtsgerichten verwendbaren Amtsanwälten, §§ 142, 145 — zwei Möglichkeiten: entweder die widerrufliche Beauftragung von Richtern mit den Aufgaben des Staatsanwalts oder die Besetzung mit ständigen Beamten. Im letzteren Falle bestand die Möglichkeit, die beamtenrechtliche Stellung der Staatsanwälte der Rechtsstellung der Richter in der Weise anzugleichen, daß zwar — angesichts der Weisungsgebundenheit (§ 146) — die sachliche Unabhängigkeit (§ 1) bei der Amtsausübung entfiel, ihnen aber die die Amtsstellung des Richters kennzeichnenden Merkmale der Ernennung auf Lebenszeit und der Unabsetzbarkeit beigelegt wurden. Das G V G traf eine Entscheidung nur für die Beamten der Reichsanwaltschaft (Oberreichsanwalt und Reichsanwälte), indem es in § 148 Abs. 1 aussprach, sie seien nichtrichterliche Beamte. Damit war klargestellt, daß diese Stellen mit ständigen Beamten zu besetzen waren und daß ihre beamtenrechtliche Stellung nicht denen der Richter entspreche; ergänzende Vorschriften traf § 149 a. F. (betr. Versetzung des Oberreichsanwalts und der Reichsanwälte in den Ruhestand, ihr Ruhegehalt und die jederzeitige Versetzbarkeit in den einstweiligen Ruhestand mit Wartegeld). Dagegen überließ es das G V G den Ländern, die beamtenrechtliche Stellung der Beamten der Landesstaatsanwaltschaften zu regeln, mit der einzigen Einschränkung, daß zu dem Amt des Staatsanwalts nur Personen mit der Befähigung zum Richteramt ernannt werden konnten (§ 148 Abs. 2 a. F.). Bei dieser Regelung beließ es — dem Wortlaut nach — das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950, indem es lediglich den Abs. 1 den veränderten Verhältnissen anpaßte und den § 149 durch eine andere Vorschrift ersetzte, den § 148 Abs. 2 aber sachlich unverändert ließ. Indessen war eine einheitliche Regelung auch für die Staatsanwälte bei den dem Reichsgericht nachgeordneten Gerichten bereits durch die VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403) erfolgt, deren § 9 bestimmt: „Die Beamten der Staatsanwaltschaft sind nichtrichterliche Beamte". In Verfolg dieser Vorschrift bestimmte § 19 Abs. 2 der VO, daß, soweit in Ländern das Amt eines Staatsanwalts von Richtern aufgrund eines Auftrags ausgeübt wurde, diese Beamten mit Ablauf des 20.4. 1935 endgültig zur Staatsanwaltschaft überträten. § 9 der VO vom 20. 3. 1935 ist durch das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 nicht berührt worden (vgl. Art. 8 II Nr. 8 dieses Ges.); er ergänzt also den § 148 dahin, daß die gleiche Regelung auch für die Staatsanwälte bei den Landesstaatsanwaltschaften gilt und läßt insoweit keinen Raum für abweichende landesrechtliche Vorschriften. Vgl. Anm. 1 zu § 149. b) Die Änderungen des § 148 durch das DRiG (vgl. vor Anm. 1) sind rechtstechnischer Natur ohne sachliche Änderungen. Die bisherige Fassung „nichtrichterliche" Beamte entsprach der früheren Unterscheidung zwischen richterlichen und nichtrichterlichen Beamten. 2890

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 1 4 8 Anm. 2 - 4 § 1 4 9 Anm. 1

Nach der Herausnahme der Richter aus dem Beamtenbegriff (vgl. Vorbem. 2 c vor § 1) mußte das Wort „nichtrichterliche" entfallen. Absatz 2 wurde entbehrlich, da § 122 D R i G die Befähigung zum Richteramt als Voraussetzung der Ernennung zum Staatsanwalt verlangt. Der in der Reformliteratur (vgl. Anm. 3 b zu § 146) erhobenen Forderung, den Status eines Beamten für die Staatsanwälte aufzugeben und ihre rechtliche Stellung als „zur rechtsprechenden Gewalt gehörend" dadurch zu kennzeichnen, daß sie umfassend und in Angleichung an die Rechtsstellung der Richter geregelt werde, ist der Gesetzgeber des Jahres 1961 nicht gefolgt, sondern hat sich damit begnügt, durch Aufnahme des § 122 D R i G , der in Abs. 2—4 nur sehr bescheidene Angleichungen enthält, die „ N ä h e " des staatsanwaltlichen Amts zum Richteramt zu betonen (vgl. Einleitung S. 60). In der Reformliteratur wird weiterhin die Forderung nach Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit des Staatsanwalts erhoben (vgl. R o x i n D R i Z 1969 387). S. noch Anm. 1 zu § 149. 2. Nach § 122 Abs. 1 D R i G können nur Personen mit der Befähigung zum Richteramt als Staatsanwalt verwendet werden. Referendaren kann nach § 142 Abs. 3 die Wahrnehmung der Aufgaben eines Amtsanwalts übertragen werden; das Amt eines Staatsanwalts können sie selbständig nur kraft Beauftragung im Einzelfall und nur unter Aufsicht eines Staatsanwalts wahrnehmen; auch nach früherem Recht war ihr Auftreten in der Sitzung (zu Ausbildungszwecken) in der F o r m , daß sich der anwesende Staatsanwalt ihre Ausführungen — auch stillschweigend — zu eigen machte, nicht unzulässig (RGSt. 48 237). Wirkt beim Landgericht und den höheren Gerichten als Staatsanwalt eine Person mit, die nicht die Befähigung zum Richteramt hat, so ist dies ein absoluter Revisionsgrund gem. § 338 Nr. 5 StPO (RGSt. 20 40). Die abw. Entscheidung des K G Berlin HESt. 1 205 = J R 1948 168 trug wohl den besonderen Verhältnissen Rechnung, die vorübergehend in der Zeit nach dem 8. 5. 1945 herrschten, als es bei dem Mangel ausreichender Unterlagen nicht zuverlässig möglich war, die gesetzliche Qualifikation eines Bewerbers nachzuprüfen. 3. Richter als Staatsanwalt. Ein auf Lebenszeit angestellter Richter kann mit seiner Zustimmung vorübergehend zur Staatsanwaltschaft abgeordnet werden ( § 3 7 D R i G ) ; selbstverständlich kann er in dieser Zeit keine richterlichen Aufgaben wahnehmen (§ 4 Abs. 2 D R i G ; vgl. aber § 4 5 1 Abs. 3 StPO). Richter auf Probe und kraft Auftrags können auch ohne ihre Zustimmung bei der Staatsanwaltschaft verwendet werden ( § § 1 3 , 16 Abs. 2 DRiG), auch hier selbstverständlich nur in der Weise, daß eine gleichzeitige richterliche Betätigung ausgeschlossen ist. Richter auf Probe führen im staatsanwc liehen Dienst die Bezeichnung „Staatsanwalt" (§ 19 a Abs. 3 DRiG). 4. Für die Amtsanwälte stellt das G V G keine Befahigungsvoraussetzungen auf; es überläßt die Regelung dem Landesrecht (vgl. Anm. 5 zu § 142).

§ 149 Der Generalbundesanwalt und die Bundesanwälte werden auf Vorschlag des Bundesministers der Justiz, der der Zustimmung des Bundesrates bedarf, vom Bundespräsidenten ernannt. Entstehungsgeschichte: Entw. § 121. Spätere Änderungen: Ges. vom 11. 3. 1921 Art. I Nr. 9 (RGBl. 230). Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 316). Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat den früheren Satz 2 des Absatzes 1 („Für die Versetzung in den Ruhestand und das zu gewährende Ruhegehalt finden die Vorschriften des § 128 entsprechende Anwendung") und den früheren Absatz 2 („Der Oberreichsanwalt und die Reichsanwälte können durch Verfügung des Reichspräsidenten jederzeit mit Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes einstweilig in den Ruhestand versetzt werden") weggelassen. 1. Die beamtenrechtlichen Verhältnisse des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte regelt — von § 122 D R i G abgesehen — das Bundesbeamtenges. Nach dessen § 36 Nr. 5 kann der Bundespräsident den Generalbundesanwalt als „politischen Beamten" (aber, abweichend vom früheren Recht, nicht mehr die Bundesanwälte) jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen. F ü r die Generalstaatsanwälte und die Leiter der landgerichtlichen 2891

§ 1 4 9 Anm. 2

Gerichtsverfassungsgesetz

§§ 1 5 0 ; 1 5 1 Staatsanwaltschaft enthält das Landesrecht z. T. entsprechende Vorschriften. Vgl. dazu K e r n DRiZ 1951 119fT. 2. Die bei der Bundesanwaltschaft beim BGH planmäßig angestellten Oberstaatsanwälte sind keine Bundesanwälte i. S. des § 149 (vgl. Anm. 2 a zu § 142).

§ 150 Die Staatsanwaltschaft ist in ihren amtlichen Verrichtungen von den Gerichten unabhängig. Entstehungsgeschichte: Entw. § 122. 1. „Unabhängigkeit". Die Vorschrift soll besagen, daß die Staatsanwaltschaft eine selbständige Behörde neben dem Gericht mit einem gesetzlich festgelegten Aufgabenkreis sei. „Unabhängig von den Gerichten" bringt zum Ausdruck, daß die Staatsanwaltschaft ihre Aufgaben und Befugnisse unmittelbar aus dem Gesetz herleitet (KG JR 1966 230), im Gegensatz zu dem der heutigen Staatsanwaltschaft ähnlichen Fiscalat des 18. Jahrhunderts, das weitgehend auf gerichtlichen Auftrag tätig wurde (Eb S c h m i d t 2). Insofern besagt die Vorschrift etwas Selbstverständliches, denn dies alles ergibt sich aus den übrigen Vorschriften des 10. Titels und aus der Regelung des Aufgabenbereichs der Staatsanwaltschaft in der StPO. Im übrigen ist die Fassung des § 150 mißglückt. Wenn § 150 besagt, daß die Staatsanwaltschaft in ihren amtlichen Verrichtungen von den Gerichten unabhängig sei, so ist der Satz in dieser Allgemeinheit nach der StPO nicht richtig. Denn danach ist die Staatsanwaltschaft in ihren Amtsverrichtungen von den Gerichten in mehrfacher Beziehung abhängig. Sie ist das namentlich in der wichtigsten ihrer Tätigkeiten, der Erhebung der öffentlichen Klage (StPO §§ 172, 175). Vgl. ferner u. a. StPO § 208, § 458 Abs. 2, 3). In der vielerörterten Frage, inwieweit die Staatsanwaltschaft an eine feste höchstrichterliche Rechtsprechung „gebunden" ist, lassen sich aus § 150 keine entscheidenden Argumente gewinnen (vgl. Vorbem. 5 b vor § 141). 2. Die Gerichte einerseits und die Staatsanwaltschaft andererseits bilden zwei selbständige Zweige der Rechtspflege, die zueinander in dem Verhältnis gleichgeordneter Behörden stehen. Dieser Gesichtspunkt ist in dem gesamten Verkehr zwischen beiden Behörden festzuhalten, und zwar auch da, wo die Staatsanwaltschaft in ihren Amtsverrichtungen von dem Gericht abhängig ist (Anm. 1). Demzufolge hat das Gericht der Staatsanwaltschaft weder „Anweisungen" zu erteilen, noch „Auflagen" zu machen; auch wäre es nicht angemessen, die Staatsanwaltschaft bei Mitteilung einer Entscheidung ausdrücklich zu etwas „aufzufordern", was sie schon kraft gesetzlicher Vorschrift zu tun verpflichtet ist. Insbesondere ist die Staatsanwaltschaft zu Hauptverhandlungen und sonstigen Terminen nicht „vorzuladen"; vielmehr ist sie davon einfach in Kenntnis zu setzen. Aus § 150 ergibt sich z. B., daß die StA zwar auch nach Erhebung der öffentlichen Klage berechtigt ist, unabhängig von dem Gericht weitere Ermittlungen anzustellen, daß sie aber nicht verpflichtet ist, für das Gericht Beweise zu erheben. Beschließt also das Gericht vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 202 Abs. 1 StPO) oder in der Hauptverhandlung die Erhebung weiterer Beweise, so kann es die StA zwar bitten, die erforderlichen Ermittlungen anzustellen, die StA handelt aber, wenn sie dem entspricht, nicht in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht, sondern es liegt ein Akt freiwilliger Unterstützung des Gerichts vor (vgl. dazu K G JR 1966 230; 1967 69; N ü s e DRiZ 1968 85, 88; F u h r m a n JR 1965 253). 3. Inwieweit die Beamten der Staatsanwaltschaft der Sitzungspolizei der Gerichte unterworfen sind, darüber s. § 176 Anm. 5 a.

§ 151 Die Staatsanwälte dürfen richterliche Geschäfte nicht wahrnehmen. Auch darf ihnen eine Dienstaufsicht über die Richter nicht übertragen werden. 2892

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 1 5 1 Anm. 1,2

§ 152 1. § 151 Satz 1 hat heute keine selbständige Bedeutung mehr. Nach Art. 92 G G wird Rechtsprechung („richterliche Geschäfte") nur durch Richter ausgeübt. Der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) verbietet grundsätzlich eine gleichzeitige Tätigkeit als unabhängiger Richter und weisungsgebundenes Organ der Verwaltung. Nur in den Grenzen des § 4 DRiG kann neben der rechtsprechenden Tätigkeit eine nichtrichterliche Aufgabe wahrgenommen werden. Die Unvereinbarkeit von richterlicher und staatsanwaltlicher Tätigkeit schließt auch aus, daß ein Staatsanwalt richterlich tätig wird, wenn er (etwa infolge Beurlaubung) sein Amt als Staatsanwalt nicht ausübt (vgl. für den früheren Rechtszustand RGSt. 60 25, A l s b e r g NJW 1926 1299, aber auch M e n g e s JW 1926 1228). Dagegen ist es rechtlich zulässig (wenn schon kaum praktisch), daß ein auf Lebenszeit angestellter Staatsanwalt unter Aufrechterhaltung seines allgemeinen Beamtenstatus zum Richter kraft Auftrags ernannt wird (§§ 14, 15 DRiG). Ein bei der Staatsanwaltschaft verwendeter Richter auf Probe (§§12 Abs. 1,13 DRiG) kann richterliche Aufgaben erst wahrnehmen, wenn seine Verwendung bei der Staatsanwaltschaft beendet ist. Daß im übrigen ein Staatsanwalt unter Ausscheiden aus seinem Amt zum Richter ernannt werden kann, ist selbstverständlich. Wegen der Verwendung von Richtern bei der Staatsanwaltschaft vgl. Anm. 3 zu § 148. 2. Satz 2 hindert nicht, daß der Amtsrichter, soweit er als Vollstreckungsbehörde (§ 451 Abs. 3 StPO) oder als Leiter eines Gerichtsgefängnisses im Nebenamt Justizverwaltungsaufgaben wahrnimmt, der Dienstaufsicht der Staatsanwaltschaft als höherer Vollstreckungsoder Vollzugsbehörde untersteht (vgl. Anm. IV 4 zu § 451 StPO). Denn § 151 Abs. 2 verbietet nur, Staatsanwälten die allgemeine Dienstaufsicht über Richter zu übertragen (a. M. S c h o r n GA 1963 268; s. dazu auch BVerfG MDR 1964 387).

§ 152 (1) Die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft sind in dieser Eigenschaft verpflichtet, den Anordnungen der Staatsanwaltschaft ihres Bezirks und der dieser vorgesetzten Beamten Folge zu leisten. (2) Die Landesregierung bezeichnet im Einvernehmen mit der Landesjustizverwaltung die Beamtenklassen, auf die diese Vorschrift anzuwenden ist. Entstehungsgeschichte: Entw. § 123. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 317). § 152 Abs. 1 lautete ursprünglich im Eingang: „Die Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes sind Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft und sind in dieser Eigenschaft verpflichtet, den Anordnungen der Staatsanwälte ihres Bezirkes und der . . . Folge zu leisten". Absatz 2 lautetete: „Die nähere Bezeichnung der Beamtenklassen, auf welche diese Bestimmung Anwendung findet, erfolgt durch die Landesregierungen." Das Ges. vom 13. 12. 1934 (RGBl. I 1233) ersetzte in Absatz 2 das Wort „Landesregierungen" durch „Reichsregierung". Die jetzige Fassung beruht auf dem Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 (BGBl. 455). Literatur: M ü l l e r , Die Disziplinargewalt über die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft (KrimMonH 1931 169); derselbe, Die Befehlsgewalt über die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft (KrimMonH 1932 126); K. S c h ä f e r , Preuß. Justiz 1933 568; E. K a u f m a n n (u. a.), Der polizeiliche Eingriff in Freiheiten und Rechte (1951), 35ff.; N e r z , Die Zusammenarbeit von StA und Kriminalpolizei, „Die Justiz" 1958 228, P e i s k e r , StA und Polizei, „Die Justiz" 1958 233; K o h l h a a s , Die Stellung der StA als Teil der rechtsprechenden Gewalt (1963) 67ff.; F u h r m a n n , Die StA und ihre Hilfsorgane, JR 1964 218; W e n z k y , Die Unterstellung der Kriminalpolizei unter die Staatsanwaltschaft als wiederauflebendes Reformproblem zum Strafprozeß, ZStW 75 (1963) 266; K o h l h a a s , Stellung der StA 75; H i r s c h , Probleme des Polizeieinsatzes durch den Staatsanwalt, Z R P 1971 206; K r e y , Grenzen des staatsanwaltlichen Weisungsrechts gegenüber der Polizei, Z R P 1971 224; H e r t w e c k , Staatsanwalt und Schießbefehl, DRiZ 1971 304; K a i s e r , Zuständigkeitsprobleme zwischen Staatsanwaltschaft und Polizeibehörde bei der Verbrechensbekämpfung, NJW 1972 14; S c h r o e d e r , Polizei und Geiseln,'Der Münchener Bankraub, de Gruyter 1972; H o l l a n d , Landespolizeibeamte — zugleich Hilfsbeamte des Generalbundesanwalts, MDR 1973 376. 2893

§ 152

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 1 1. Entstehungsgeschichte und allgemeine Bedeutung der Vorschrift, a) Die Staatsanwaltschaft als „Herrin des vorbereitenden Verfahrens" und als die zur Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen berufene Behörde (§36 StPO) entbehrt eines eigenen Vollzugsapparates. Sie ist in weitestem Umfang darauf angewiesen, zur Durchführung von Vernehmungen, zur Vollstreckung von Haftbefehlen oder der Anordnungen einer vorläufigen Festnahme, einer Durchsuchung oder Beschlagnahme usw. die Mitwirkung anderer staatlicher Organe in Anspruch zu nehmen. Das wichtigste dieser Organe ist die Polizei. Deren aus dem Polizeirecht sich ergebende Aufgabe beschränkt sich auf die Vzrbrzch&cisverhütung. Um sie zur Verbrechensverfolgung heranzuziehen und ihr Verhältnis zur Staatsanwaltschaft zu regeln, boten sich hauptsächlich zwei Möglichkeiten an: entweder die organisatorische Selbständigkeit der Polizeibehörden zu erhalten und sie der Staatsanwaltschaft gegenüber für amtshilfepflichtig zu erklären oder aber die einzelnen Beamten der Polizei in der Weise in die Staatsanwaltschaft einzugliedern, daß sie — ohne Inanspruchnahme der Polizeibehörde, der sie angehören — unmittelbar der Staatsanwaltschaft unterstellt werden und von dieser ihre Weisungen empfangen (sog. „richterliche Polizei", wie sie der Code d'instr. crim. kennt). Vor dem Inkrafttreten des GVG i. J. 1879 bestand innerhalb Deutschlands eine eigene Einrichtung der gerichtlichen Polizei nur in dem Geltungsgebiet des französischen Rechts und in Braunschweig; in beschränkterer Weise war ein Anordnungsrecht der Staatsanwaltschaft gegenüber der Polizei auch in einigen anderen deutschen Ländern anerkannt. In den meisten Ländern aber, insbesondere auch in Preußen (ausschließlich des Bezirks von Köln), durfte die Staatsanwaltschaft nur mittels Ersuchens die Mitwirkung der Polizeibehörde in Anspruch nehmen. — StPO und GVG trafen eine Regelung, in der die beiden vorbezeichneten Möglichkeiten kombiniert sind: nach § 161 StPO (s. auch § 189 StPO) ist die Polizei behörde grundsätzlich amtshilfepflichtig; sie hat die an sie ergehenden „Ersuchen" der Staatsanwaltschaft durch ihre Beamten ausführen zu lassen, und auch ohne Ersuchen obliegen der Polizeibehörde und ihren Beamten die Aufgaben des „ersten Angriffs" (§ 163 StPO). Darüber hinaus aber schuf — in Übernahme des Gedankens der gerichtlichen Polizei — das GVG die Einrichtung der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft, die mit der Staatsanwaltschaft in gewisser Weise organisatorisch verbunden wurden. § 152 GVG in seiner ursprünglichen Fassung sah vor, daß bestimmte Klassen von „Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes", dies das Landesrecht zu bestimmen hatte, als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft den Anordnungen der Staatsanwälte ihres Bezirkes Folge zu leisten hätten. Diesen Hilfsbeamten konnten also — unbeschadet ihres Verbleibs im polizeilichen Bereich und der Unterstellung unter ihre polizeilichen Vorgesetzten im übrigen — unmittelbar Weisungen („Aufträge" i. S. des § 161 StPO) erteilt werden. Sie waren für deren Ausführung unmittelbar der Staatsanwaltschaft verantwortlich und konnten nach Maßgabe des Landesrechts durch die Staatsanwaltschaft zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten angehalten werden. Diesen „Hilfsbeamten" verlieh die StPO gleichzeitig Befugnisse, die über die der Polizei und ihren Beamten allgemein bei der Mitwirkung zur Verbrechensverfolgung zustehenden Rechte hinausgehen: wo bei Gefahr im Verzug eine sonst nur dem Richter zustehende Untersuchungshandlung in Form der Anordnung eines Zwangseingriffs auch der Staatsanwaltschaft zu treffen erlaubt ist, wurde diese Erlaubnis auch auf die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft erstreckt (vgl. §§ 81 a, 81c, 98, 101a, 105, 132 StPO). Sie umfaßt auch die Befugnis, die getroffenen Anordnungen durch unmittelbaren Zwang durchzusetzen (BayObLG MDR 1964 253 = JR 1964 149). Die nähere Regelung des Verhältnisses der Hilfsbeamten zur Staatsanwaltschaft überließ das GVG dem Landesrecht (für Preußen vgl. §§ 80, 81 AGGVG und GV vom 17. 10. 1933, PrJust. 528 = MBliV 1327 = K r u g - S c h ä f e r - S t o l z e n b u r g , Strafrechtl. Verwaltungsvorschriften 3. Aufl. S. 1070; vgl. dazu K. S c h ä f e r , PrJust. 1933, 568). Da § 152 nur die Ernennung von „Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes" zuließ, bedurfte es, um die Beamten aus anderen Verwaltungszweigen und Nichtbeamte zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft zu bestellen, grundsätzlich ihrer Bestellung zu Hilfspolizeibeamten nach Maßgabe des Landesrechts, soweit nicht Sondergesetze ihnen diese Stellung unmittelbar zuerkannten. b) Dieser Rechtszustand erfuhr im Lauf der Zeit folgende Veränderungen: Nach dem Übergang der Justizhoheit auf das Reich i. J. 1934 wurde durch Ges. vom 13. 12. 1934 (RGBl. I 1233) der Absatz 2 des § 152 dahin geändert, daß die Bezeichnung der Beamtenklassen der Reichsregierung zustand. Gleichzeitig erließ zur Vereinheitlichung der in den Ländern bestehenden Vorschriften der Reichsjustizminister aufgrund ihm erteilter Ermäch2894

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 152

Anm. 2 tigung Vorschriften, durch die allgemein die Rechtsstellung der Hilfsbeamten geregelt und Bestimmung getroffen wurde, in welchem Umfang bisheriges Landesrecht weitergelte (§§ 3 2 - 3 4 der AV vom 18. 12. 1934, Deutsche Justiz S. 1608). Nach dem Rückfall der Justizhoheit auf die Länder durch die Ereignisse des Jahres 1945 änderten die in der brit. und amerik. Besatzungszone geltenden Fassungen des G V G den § 152 in unterschiedlicher Weise. In der amerik. Zone wurde lediglich Absatz 2 dahin geändert, daß die Bezeichnung der Beamtenklassen dem Ministerpräsidenten zustehe. In der brit. Zone dagegen wurde die Beschränkung auf „Beamtenklassen" fallen gelassen (also auch die Bestellung einzelner für ihre Person ausdrücklich zugelassen), ferner neben den Beamten auch Angestellte und neben den Beamten und Angestellten der Polizei auch die anderer Verwaltungen als bestellungsfahig bezeichnet, dem Leiter der Staatsanwaltschaft die Dienstaufsicht über die Hilfsbeamten zuerkannt und die Bestellung dem Zentraljustizamt für die brit. Zone übertragen. Im übrigen galten im allgemeinen in den Ländern die bisherigen reichsrechtlichen Vorschriften als Landesrecht weiter; diese beschränkten sich darauf, z. T. die „Beamtenklassen" neu zu bezeichnen (vgl. z. B. die Zusammenstellung bei E. K a u f m a n n u. a. S. 50 Anm. 8 und 9). D a s Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat (obwohl die amtl. Begr. zu Nr. 61 des RegEntw. meint, es werde lediglich der Rechtszustand vor dem 1. 1. 1933 wiederhergestellt) Gedanken des früheren Rechts und des Rechts der brit. Besatzungszone für die neue Regelung verwendet. Aus dem früheren Recht wurde beibehalten die Beschränkung des bestellungsfähigen Personenkreises auf Beamte; fallen gelassen wurde aber in Übereinstimmung mit dem Recht der brit. Besatzungszone die Beschränkung der Bestellbarkeit auf Polizei- und Sicherheitsbeamte. Die Änderung in Absatz 1 von „Anordnungen der Staatsanwälte" in „Anordnungen der Staatsanwaltschaft" hat eine Unterstellung der Hilfsbeamten auch unter die Amtsanwaltschaft zur Folge (vgl. Anm. 3 a). Schließlich ist zwar die Bezeichnung der Beamtenklassen wieder Sache der Landesregierung, die aber nur im Einvernehmen mit der Landesjustizverwaltung Anordnungen treffen kann (vgl. dazu Anm. 4). Im übrigen bleibt wie früher die nähere Ausgestaltung der Unterstellung der Hilfsbeamten der Regelung der Länder überlassen. Sie haben zwar die „Beamtenklassen" inzwischen wiederholt neu bezeichnet, aber soweit ersichtlich, neue allgemeine, über die Bezeichnung der Beamtenklassen hinausgehende Vorschriften bisher nicht erlassen, so daß das frühere Recht insoweit weitergilt. In Bayern sind zwar durch VO vom 22. 9. 1955, GVB1. 183 und in Baden-Württemberg durch VO vom 29. 9. 1958, GBl. 199 = SaBl. 1379 die §§ 3 2 - 3 4 der AV aufgehoben worden, neue Vorschriften aber nicht ergangen. — Außerhalb des § 152 sind (vgl. Anm. 5) bundesgesetzlich Personengruppen zu Hilfsbeamten bestellt oder ihnen deren Befugnisse beigelegt.

2. Bedeutung der Bestellung, a) Wenn die bestellten Beamten in ihrem Hauptamt Polizeibeamte i. S. des § 163 StPO sind oder mit der Bestellung zum Hilfsbeamten der StA gleichzeitig zu Hilfspolizeibeamten bestellt werden, so unterliegen sie dem Legalitätsprinzip nach § 163 StPO. D a s gleiche gilt, wenn Bundesrecht bestimmten Beamten die Befugnisse eines Hilfsbeamten bei der StA beilegt und sie hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten Polizeibeamten gleichstellt (vgl. § 437 R A b g O betr. Finanzamt), oder wenn Landesrecht allgemein den zu Hilfsbeamten der StA Bestellten zur Erfüllung ihrer besonderen Dienstaufgaben die Rechte und Pflichten von Polizeibeamten zuspricht (so Art. 60 Bay. Polizeiaufgabenges. i. d. F. vom 3. 4. 1963, GVB1. 95 = SaBl. 637). Werden dagegen Beamte, die nicht Polizeibeamte sind, ohne Ernennung zu Hilfspolizeibeamten oder Beilegung der Pflichten eines Polizeibeamten zu Hilfsbeamten der StA bestellt, so erlangen sie zwar dadurch neben den besonderen Zwangsbefugnissen der Hilfsbeamten zugleich die allgemeinen, jedem Polizeibeamten bei der Verbrechensverfolgung zustehenden Zwangsbefugnisse. Eine Unterstellung unter das Legalitätsprinzip, soweit es sich um das Einschreiten aus eigener Initiative handelt, erfolgt dadurch aber nicht, denn sie werden mit der Bestellung nicht Polizeibeamte, und als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft trifft sie nur die Pflicht, Weisungen der StA Folge zu leisten. Ob sie zum Einschreiten von Amts wegen verpflichtet sind, richtet sich vielmehr nach den Obliegenheiten, die sich aus ihrem Hauptamt ergeben. Sind sie aber aus eigener Initiative eingeschritten, so ist § 163 Abs. 2 StPO, der Natur der Sache gemäß, entsprechend anwendbar. Uber das Verhältnis des Weisungsrechts der StA zu dem Weisungsrecht des Dienstvorgesetzten des Hilfsbeamten vgl. unten Anm. 8. 2895

§152

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 3 b) Indem der Dienstherr die Beamten z u r Bestellung zu Hilfsbeamten der StA z u r Verfügung stellt, liegt darin grundsätzlich die Entbindung gegenüber der StA u n d dem Gericht von der aus dem H a u p t a m t sich ergebenden Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (§ 54 StPO). Die Genehmigung k a n n aber im Einzelfall z u r ü c k g e n o m m e n werden, auch bleibt § 96 S t P O unberührt ( K l 3). 3. Einzelfragen, a) Unterstellung unter Amtsanwälte. Unter der H e r r s c h a f t des § 152 a. F. w u r d e unter Berufung auf den Wortlaut ( „ A n o r d n u n g e n der Staatsanwälte") allgemein die A u f f a s s u n g vertreten, d a ß die Leitung der „gerichtlichen Polizei" nur den Staatsanwälten u n d den ihnen vorgesetzten Stellen, dagegen nicht den Amtsanwälten zustehe. Z u einer solchen U n t e r o r d n u n g , meinte die 19. Aufl. ( A n m . 2), fehle ein Bedürfnis; auch w ü r d e ihr der U m s t a n d entgegenstehen, daß zu A m t s a n w ä l t e n vielfach Verwaltungsbeamte von geringerer Rangstellung bestellt werden müßten (so auch jetzt noch E. K a u f m a n n u. a. S. 38). Mit dem neuen Wortlaut („Anordnungen der Staatsanwaltschaft") ist diese A u f f a s s u n g nicht mehr vereinbar (ebenso M ü l l e r - S a x l a ) ; im übrigen bestehen die erwähnten Bedenken bei der heutigen Organisation der A m t s a n w a l t s c h a f t auch k a u m mehr. b) Unterstellung unter den Generalbundesanwalt. Bei Verfolgung der früher zur Zuständigkeit des Reichsgerichts in erster Instanz gehörigen Verbrechen (§ 134 a. F.) wurden die zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft bestellten Polizei- und Sicherheitsbeamten in allen Teilen Deutschlands zugleich als Hilfsbeamte des Oberreichsanwalts angesehen. „Es folgt dies daraus, d a ß in diesen Strafsachen nach § 147 Abs. 2 alle Beamten der Staatsanwaltschaft den Anweisungen des Oberreichsanwalts Folge zu leisten haben, der Oberreichsanwalt also in dieser Beziehung Vorgesetzter der Staatsanwälte bei allen Landgerichten ist" (Begr. 83). Mit dem Wegfall eines Weisungsrechts des Generalbundesanwalts gegenüber den Landesstaatsanwaltschaften in den zur erstinstanzlichen Zständigkeit des O L G gehörigen Strafsachen (§ 120 Abs. 1, 2), in denen er nach § 1 4 2 a Abs. 1 das A m t der StA w a h r n i m m t (vgl. A n m . 5 zu § 146), ist auch die Unterstellung der Hilfsbeamten der (Landes-)Staatsanwaltschaft unter den G B A entfallen. D a r a u s , d a ß nach § 152 Abs. 1 die Hilfsbeamten gegenüber der StA „ihres Bezirks" folgepflichtig sind u n d der Bezirk des G B A , soweit er das A m t der S t A bei einem L a n d e s O L G w a h r n i m m t , sich auf das ganze Bundesgebiet erstreckt, kann nichts Gegenteiliges gefolgert werden, denn die in § 152 Abs. 2 bezeichneten Landesbehörden bestellen die Beamten zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaften ihres L a n d e s (ebenso M ü l l e r - S a x l a ; a. M. K l 2)*). Jedoch nimmt das Bundeskriminalamt die polizeilichen A u f g a b e n auf dem Gebiet der Strafverfolgung w a h r , wenn der G B A oder der Untersuchungsrichter des O L G in Sachen, in denen der G B A die Ermittlungen führt, d a r u m ersucht oder einen A u f t r a g erteilt ( § 4 Abs. 2 c des Bundeskriminalamtsges. i. d. F. vom 19. 9. 1969, BGBl. I 1717); dann können Vollzugsbeamte des Bundes und der L ä n d e r mit schriftlichem Ermittlungsauftrag im ganzen Bundesgebiet A m t s h a n d l u n g e n vornehmen und sind insoweit Hilfsbeamte der StA (§ 5 aaO.). D a s Recht des Generalbundesanwalts z u r Ina n s p r u c h n a h m e der Polizei im gesamten Bundesgebiet ( § 1 6 1 S t P O ) bleibt u n b e r ü h r t ; auch stehen hier die besonderen Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs z u r Verfügung (§§ 162, 165, 168 a StPO). c) Sachliche und örtliche Zuständigkeit der Hilfsbeamten. Soweit die Hilfsbeamten auf Anweisung der Staatsanwaltschaft tätig werden, wird ihre örtliche und sachliche Zuständigkeit durch die der Auftraggeberin bestimmt (vgl. § 142 A n m . 6, § 143 A n m . 2; a. M . E. K a u f m a n n u. a. S. 4 2 ; M ü l l e r - S a x l c ; K l 3; ferner E b S c h m i d t 9, aber doch wohl im Widerspruch mit A n m . 8 zu § 143). Soweit sie aus eigener Entschließtung handeln (§§ 81 a, 8 1 c , 98, 1 0 1 a , 105, 132 StPO) wird ihre örtiiche und sachliche Zuständigkeit dagegen durch die Zuständigkeit in ihrem H a u p t a m t begrenzt ( B a y O b L G N J W 1954 362). D e n n nur für dieses A m t und innerhalb dieses A m t s sind sie nach § 32 Abs. 2 der AV d. R J M v o m 18. 12. 1934 (Deutsche Justiz 1608) zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft bestellt; vgl. unten A n m . 4 (so richtig schon R G S t . 66 339. 340). In einzelnen älteren Entscheidungen ( R G S t . 37 32, 38 218) hatte das R G z w a r (ohne d a ß die Entscheidungen darauf beruhen) die Meinung vertreten, d a ß auch bei selbständigem Auftreten die Zuständigkeit der Hilfs*) Wie K l e i n k n e c h t auch H o l l a n d MDR 1973 376, weil Bedürfnisse der Strafrechtspflege erforderten, daß die Hilfsbeamten der Landes-StA dem GBA zur Verfügung stehen (s. dazu auch den Entw. eines 2. Änderungsges. zum Bundeskriminalamtsges. in DRiZ 1973 172). 2896

Z e h n t e r Titel. S t a a t s a n w a l t s c h a f t ( S c h ä f e r )

§

152

Anm. 3 beamten durch die Zuständigkeit der örtlichen Staatsanwaltschaft bestimmt werde. Dem war schon für die Zeit vor der AV vom 18. 12. 1934 nicht beizustimmen (gl. M AV d. pr. JM vom 17. 10. 1933, pr. Justiz 528 zu III; S c h ä f e r , pr. Justiz 1933 568 — mit eingehender Begründung —.) — Unterstellt sind die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft „ihres Bezirks", d. h. der Amtsanwaltschaft, Staatsanwaltschaft des Landgerichts oder der Landgerichte sowie des Oberlandesgerichts, zu deren örtlichem Bereich der Bezirk des Hauptamts des Hilfsbeamten gehört; auf den Dienstsitz als solchen kommt es nicht an. d) Die Unterstellung bewirkt, daß der Staatsanwalt einem bestimmten Hilfsbeamten unmittelbar Weisungen erteilen kann (OVG Hamburg NJW 1970 1700; str.; vgl. Anm. 6 zu § 1 6 1 StPO). Im Verwaltungswege kann ein solches Anweisungsrecht aber eingeschränkt werden; so bestimmt Abschn. IV der preuß. GV vom 17. 10. 1933, daß eine unmittelbare Beanspruchung nur bei Gefahr im Verzug zulässig sei, während im übrigen die Aufträge an die Polizeibehörde zu richten seien, gegebenenfalls mit dem Ersuchen, einen bestimmten Beamten mit der Ausführung zu betrauen (vgl. dazu F u h r m a n n JR 1964 218). e) Zusammentreffen von Aufgaben der Verbrechensverhütung und der Strafverfolgung. Ein aufsehenerregender Fall i. J. 1971*) hat zu der Frage geführt, wieweit das Weisungsrecht der StA gegenüber den Hilfsbeamten der StA reicht, wenn Polizeibeamte zugleich zur Verbrechensverhütung (im konkreten Fall: zur Verhinderung der Vollendung oder tatsächlichen Beendigung der Straftat, der Tötung von Geiseln) wie auch zur Strafverfolgung (hier: zur Verhinderung der Flucht und Festnahme) eingesetzt sind. Grundsätzlich — mag auch im Einzelfall die Abgrenzung Schwierigkeiten bereiten — gilt, daß die StA gegenüber der Polizei und gegenüber Hilfsbeamten der StA nur insoweit weisungsberechtigt ist, als es sich um Strafverfolgungsmaßnahmen handelt, nicht aber, soweit die präventivpolizeiliche Aufgabe der Polizei in Frage steht, denn die StA ist nur zur Strafverfolgung berufen, und nur in diesem Rahmen stehen ihr die Beamten der Polizei auch in ihrer Eigenschaft als Hilfsbeamte der StA zur Verfügung. Abzulehnen ist daher die Auffassung, daß die StA „kraft Sachzusammenhanges" für den gesamten Einsatz, also auch bzgl. der präventivpolizeilichen Seite, aus § 152 (oder aus § 161 StPO) weisungsberechtigt sei (so auch H i r s c h Z R P 1971 206; K r e y Z R P 1971 224; H e r t w e c k DRiZ 1971 308; s. dazu auch Anm. 2d, dd zu § 23 EGGVG). Soweit hiernach die Befugnis der StA zu „Anordnungen" reicht, können diese sich auch an sich auf die zu ergreifenden gesetzlich zulässigen Zwangsmittel beziehen, mithin auch den Schußwaffengebrauch betreffen, soweit er nach den die polizeilichen Zwangsmittel regelnden gesetzlichen Vorschriften zur Ergreifung des der Festnahme sich entziehenden Täters nach den Umständen des Falles zulässig ist (vgl. dazu § 127 Abs. 1, 2 StPO und dort Anm. II 9 Abs. 2 und 4 und III 4). Die Auffassung von K r e y ZRP 1971 225f, daß schlechthin das Weisungsrecht den (zulässigen) Gebrauch der Schußwaffe nicht umfasse, läßt sich nicht überzeugend begründen. Jedoch wird die Staatsanwaltschaft selbst da, wo sich ein von ihr erteilter „Schießbefehl" unter dem Gesichtspunkt einer Strafverfolgungsmaßnahme rechtfertigen ließe, sich größte Zurückhaltung aufzuerlegen haben, da es sich bei der Frage, ob, wann, von wem, mit welcher Waffe geschossen werden soll, um Fragen des technisch und taktisch richtigen polizeilichen Verhaltens handelt, für die sie nicht geschult ist. Der Staatsanwalt sollte sich „nicht mit Verantwortung in Bereichen belasten, für die er sie nicht zu tragen vermag" ( K a i s e r NJW 1972 15); dies gilt erst recht, wenn ihre Auffassung im Widerspruch steht zu der des polizeilichen Vorgesetzten, der die Frage des Waffengebrauchs unter präventivpolizeilichen Gesichtspunkten und des Schutzes Tatunbeteiligter anders beurteilt. *) In München hatten Bankräuber eine Bank überfallen, Bankangestellte und anwesende Kunden als Geiseln festgenommen und mit Gewaltanwendung gegen diese gedroht, wenn ihnen nicht ein Lösegeld gezahlt, ein Kraftfahrzeug zur Flucht zur Verfügung gestellt und freies Geleit erteilt würde. An den stundenlangen Verhandlungen, die mit den Bankräubern geführt wurden, waren der örtliche Polizeipräsident und der Leiter der StA beteiligt. Die Behörden gingen (zum Schein) auf die Forderungen ein, die Polizei eröffnete aber das Feuer, als einer der Räuber, von einer Geisel begleitet, den Fluchtwagen besteigen wollte. Die Geisel wurde dabei (von dem Räuber) getötet. Soweit in dem aus Anlaß des Falles entstandenen Schrifttum (vgl. die Literaturnachw. vor Anm. 1 am Ende) die Rechtmäßigkeit des den Polizeibeamten erteilten Schießbefehls unter Gesichtspunkten des materiellen Strafrechts erörtert wird, ist darauf an dieser Stelle nicht einzugehen.

2897

§ 152 Gerichtsverfassungsgesetz Anm. 4, 5 4. Nähere Bezeichnung der Beamtenklassen. Das GVG hat sich darauf beschränkt, die Einrichtung der „gerichtlichen Polizei" im Grundsatz aufzunehmen; der Aiifbau im einzelnen ist den Ländern überlassen worden. Die Bezeichnung erfolgt durch RechtsVO der Landesregierung. Da dem Bundesgesetzgeber aber daran lag, daß auf jeden Fall die Belange der Justiz gewahrt würden, erfordert § 152 Abs. 2 zu einer Regelung das Einvernehmen (= Einverständnis) der Landesjustizverwaltung (= des Justizministers). Die Zustimmung der Landesjustizverwaltung braucht in der RechtsVO nicht erkennbar gemacht zu werden; es genügt, daß sie tatsächlich vorlag (BGHSt. 12 277, 278). Bestellbar sind (abweichend von dem vor dem Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 geltenden Recht) nicht nur Polizeibeamte, sondern alle Klassen von Beamten, von denen nach Tätigkeitsbereich und allgemeiner Eignung eine sachgemäße Mitwirkung bei der Verbrechensverfolgung erwartet werden kann, z. B. die Forstbeamten bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften zum Schutz des Forstes, die Fischereibeamten bei Fischereizuwiderhandlungen usw.; es bedarf bei ihnen nicht (wie nach dem vor dem Vereinheitlichungsges. geltenden Recht) der vorgängigen Bestellung zu Hilfspolizeibeamten. Bestellbar sind schließlich auch nicht nur Beamte des eigenen Landes, sondern, soweit eine Ausübung ihres Amtes in dem bestellenden Land in Betracht kommt, auch solche anderer Länder und des Bundes (vgl. dazu L a n g e JR 1962 168; unbegründet die Bedenken von F r a n z NJW 1963 1910; selbstverständlich erfolgt eine solche Bestellung nur mit Zustimmung des Dienstherrn). Die Bezeichnung von Beamtenklassen bedeutet ein Dreifaches: a) es muß sich um Beamte handeln, so daß (Behörden )Angestellte nicht bestellbar sind, sofern sie nicht zu Hilfspolizeibeamten ernannt werden, b) die Bestellung einzelner Beamter für ihre Person findet grundsätzlich nicht statt, vielmehr werden regelmäßig nur die Angehörigen bestimmter Klassen oder Gruppen von Beamten allgemein zu Hilfsbeamten bestellt (vgl. § 32 der AV d. RJM zur Vereinheitlichung der Staatsanwaltschaft vom 18. 12. 1934, Deutsche Justiz 1608), c) die Bestellung ist verbunden mit dem Hauptamt, das der Bestellte bekleidet (§ 32 der genannten AV). Die in den Ländern erlassenen Bestellungsvorschriften stimmen inhaltlich im wesentlichen überein. Es gelten zur Zeit in Bad.-Württemb. VO vom 25. 11. 1969 (GBl. 284) Bayern VO vom 23. 10. 1969 (GVB1. 349, 367) Berlin VO vom 28. 12. 1955, mehrfach geändert, zuletzt durch VO vom 6.4. 1970 (GVB1. 602) Bremen VO vom 30. 9. 1969 (GBl. 111) i. d. F. vom 20. 6. 1972 (GBl. 143) Hamburg VO vom 4. 5. 1962 (GVB1. 121), mehrfach geändert, zuletzt durch VO vom 6. 7. 1971 (GVB1. 157) Hessen VC vom 9. 10. 1969 (GVB1. I 189) Niedersachsen VO vom 30. 12. 1969 (GVB1. 260) i. d. F. vom 21. 7. 1972 (GVB1. 392) Nordrh.-W. VO vom 7. 8. 1972 (GVB1. 250) Rheinl.-Pf. VO vom 14. 11. 1972 (GVB1. 352) Saarland VO vom 1. 12. 1969 (ABl. 798) Schleswig-H. VO vom 7. 3. 1970 (GVOB1. 74) 5. Sondervorschriften. § 152 wird durch eine Reihe von Vorschriften ergänzt, die entweder die Bestellung zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft unmittelbar aussprechen oder bestimmten Stellen die Rechte der StA oder die Befugnisse von Hilfsbeamten beilegen. Eine gesetzliche Zuerkennung der Hilfsbeamteneigenschaft ist ausgesprochen 1. in § 25 Abs. 2 des Bundesjagdges. i. d. F. vom 20. 3. 1961 (BGBl. I 304): „Die bestätigten Jagdaufseher haben innerhalb ihres Dienstbezirkes in Angelegenheiten des Jagdschutzes die Rechte und Pflichten der Polizeibeamten und sind Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft, sofern sie Berufsjäger oder forstlich ausgebildet sind", 2. in § 5 des Ges. über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes vom 8. 3. 1951 (BGBl. I 165) i. d. F. des Ges. vom 19. 9. 1969 (BGBl. I 1717): „Vollzugsbeamte des Bundes und der Länder, die einen schriftlichen Ermittlungsauftrag besitzen, können in den Fällen des § 4 Abs. 2 und des § 4 b im ganzen Bundesgebiet Amtshandlungen vornehmen; sie sind insoweit Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft" (vgl. dazu BGHSt. 18 214, 216 und oben Anm. 3b); 3. in §§ 433, 437, 439 RAbgO betr. die Beamten der Finanzämter, der Zollfahndungsstellen und des Steuerfahndungsdienstes, 4. in § 4 2 des Außenwirtschaftsges. vom 28.4. 1961 (BGBl. I 481) betr. die Beamten der 2898

Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (Schäfer)

§ 152 Anm. 6—8

Hauptzollämter und der Zollfahndungsstellen bei der Verfolgung von Verstößen gegen das Außenwirtschaftsges., 5. in Art. 5 Abs. 4 des A H K Ges. Nr. 33 über die Devisenbewirtschaftung vom 2. 8. 1950 (soweit nicht das Außenwirtschaftsgesetz gilt) betr. die Bediensteten des Zollfahndungs- und des Zollgrenzdienstes bei der Verfolgung von Verstößen gegen die Devisenbewirtschaftungsgesetze, 6. in § 10 des Ges. z. vorläufigen Regelung der Rechte am Festlandsockel vom 24. 7. 1964 betr. die Vollzugsbeamten des Bundes, die den Festlandsockel überwachen, 7. Schließlich hat nach § 46 Abs. 2 bis 4 O W i G die Verwaltungsbehörde als Verfolgungsbehörde bei Ordnungswidrigkeiten im Bußgeldverfahren (mit Einschränkungen) die Rechte wie die StA bei der Verfolgung von Straftaten, und nach § 63 Abs. 1 Satz 2 OWiG kann, wenn die StA die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit übernommen hat, die sonst im Bußgeldverfahren zuständige Verwaltungsbehörde-Beschlagnahmen, Notveräußerungen, Durchsuchungen und Untersuchungen nach den für Hilfsbeamte der StA geltenden Vorschriften der StPO anordnen. 6. Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Hilfsbeamten. Wird ein Hilfsbeamter im Auftrag der Staatsanwaltschaft tätig oder trifft er aus eigner Initiative eine Maßnahme, die er nur in seiner Eigenschaft als Hilfsbeamter treffen kann (vgl. oben Anm. 1), so handelt er nicht in Erfüllung einer Obliegenheit seines Hauptamts, sondern als Organ der Staatsanwaltschaft. § 4 0 Abs. 2 des preuß. Polizeiverwaltungsges. vom 1.6. 1931 (GS 77) bringt einen allgemeinen Rechtsgedanken zum Ausdrruck, wenn er bestimmt, daß solche Maßnahmen eines Polizeibeamten nicht als polizeiliche Verfügung anfechtbar sind. Vielmehr kommt, soweit es sich um die Sachbearbeitung handelt, die (von der Dienstaufsichtsbeschwerde zu unterscheidende) Sachbeschwerde an die Staatsanwaltschaft in Betracht (OVG Hamburg N J W 1970 1699; a. M. M ü l l e r - S a x 1 a, 3 für den Fall, daß der Hilfsbeamte aus eigner Initiative handelt) und eine Nachprüfung durch die ordentlichen Gerichte in dem Umfang wie eine entsprechende Maßnahme des Staatsanwalts selbst (vgl. dazu Anm. 2 c, d zu § 23 EGGVG), während über Dienstaufsichtsbeschwerden, die das persönliche Verhalten des Hilfsbeamten bei der Amtshandlung betreffen, der Dienstvorgesetzte des Hauptamtes entscheidet. 7. Erzwingungsmaßnahmen. Aus der Unterordnung des Hilfsbeamten unter die Staatsanwaltschaft ergibt sich ohne weiteres deren Befugnis, die ordnungswidrige Ausführung eines Amtsgeschäfts zu rügen und zu seiner sachgemäßen Erledigung zu ermahnen (unbeschadet der Unterstellung des Hilfsbeamten unter die Disziplinargewalt der Behörde, der er angehört). Landesrecht sah darüber hinaus z. T. vor, daß der Leiter der Staatsanwaltschaft befugt ist, gegen den Hilfsbeamten Ordnungsstrafen zu verhängen (vgl. oben Anm. 1). Von dieser Befugnis durfte er nach § 34 der AV d. RJM zur Vereinheitlichung der Staatsanwaltschaft vom 18. 12. 1934 (Deutsche Justiz 1608) erst Gebrauch machen, wenn er die dem Hilfsbeamten im Hauptamt vorgesetzte Dienststelle erfolglos um Abhilfe ersucht hatte. Aus § 16 Abs. 2 der VO z. einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20.3. 1935 (RGBl. I 403) ergibt sich, daß die Dienstaufsicht die Befugnis zum Erlaß von Erzwingungsstrafen nicht umfaßt. 8. Weisungsbefugnisse des Dienstvorgesetzten im Hauptamt. Die Dienst vorgesetzten, die nicht selbst Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft sind, dürfen Beschlagnahmen, Haussuchungen usw. weder selbst anordnen, noch den Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft.befehlen (vgl. H a g e m a n n DJZ 1927 451; E b S c h m i d t 7; a. M. F e l d m a n n VerwArch. 62 [1971] 175; S c h e n k e VerwArch. 60 [ 1969] 341, die ein Weisungsrecht des Dienstvorgesetzten annehmen, soweit es nicht mit Anordnungen der StA in Widerspruch tritt). Ihre Anweisungen haben nur die rechtliche Natur von Anregungen oder Vorschlägen. Die selbständige Prüfungspflicht und Verantwortlichkeit der Hilfsbeamten bleibt trotz der Anweisung durch die polizeilichen Vorgesetzten bestehen (vgl. K G I vom 11. 12. 1925 und F a l c k ,,Polizei" 1926 208, 210, L a s s a r Allgemeines Polizeirecht [1927] 117). Keinesfalls dürfen die polizeilichen Vorgesetzten den Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft Handlungen verbieten, deren Vornahme die Staatsanwaltschaft angeordnet hat ( F i n g e r GS 93 95).

2899

§ 153

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 1, 2

ELFTER TITEL Geschäftstelle § 153 Bei jedem Gericht wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die mit der erforderlichen Zahl von Urkundsbeamten besetzt wird. Die Geschäftseinrichtung bei dem Bundesgerichtshof wird durch den Bundesminister der Justiz, bei den Landesgerichten durch die Landesjustizverwaltung bestimmt. Entstehungsgeschichte: Entw. § 124. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. 1317). Durch das Ges. vom 9. 7. 1927 (RGBl. I 175; dazu VO vom 30. 11. 1927, RGBl. I 334) wurde die bisherige Bezeichnung „Gerichtsschreiberei" durch „Geschäftsstelle" ersetzt und die Funktionsbezeichnung des „Urkundsbeamten der Geschäftsstelle" geschaffen. Die Folgerungen aus dem Übergang der Justizhoheit auf das Reich zog für den Satz 2 des § 153 der § 12 der VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403): „Der Reichsminister der Justiz erläßt die allgemeinen Anordnungen für die Geschäftsstellen der Gerichte und der Staatsanwaltschaften und für die Gerichtsvollzieher". Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat die seit dem Ges. vom 9. 7. 1927 geltende Fassung wieder (unter Anpassung des Satz 2 an den jetzigen Rechtszustand) übernommen. 1. Bei jedem Gericht muß eine Geschäftsstelle eingerichtet werden. Geschäftsstelle i. S. des § 153 ist auch die bei einem Gericht eingerichtete Rechtsantragsstelle (OLG Hamm Rpfleger 1960 214). „Bei" jedem Gericht bedeutet nicht, daß die Geschäftsstelle in enger oder unmittelbarer räumlicher Verbindung zu dem Gericht stehen muß (OLG Schleswig SchlHA 1963 276 betr. die Ermächtigung, Beamte des JustMin. zu Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des OLG und mit der Aufgabe zu bestellen, Rechtsmittelschriften entgegenzunehmen). Die Einrichtung von Geschäftsstellen bei den Staatsanwaltschaften ist im GVG nicht geregelt; sie fällt in die Organisationsgewalt des Landesrechts (vgl. z. B. § 11 des Saarl. AGGVG v. 4. 10. 1972, ABl. 601) und der Justizverwaltungen. Der Entw. des 1. Strafverfahrensreformges. (BT-Drucks. VI/3478 v. 7. 6. 1972) sieht vor, daß künftig staatsanwaltschaftliche Vernehmungen des Beschuldigten, der Zeugen und Sachverständigen im Ermittlungsverfahren möglichst nach den für richterliche Untersuchungshandlungen geltenden Vorschriften protokolliert werden sollen, also unter Zuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle; zur Durchführung dieses Vorschlags soll § 153 GVG dahin ergänzt werden, daß auch bei jeder Staatsanwaltschaft eine Geschäftsstelle eingerichtet wird (§ 168 b StPO gemäß Art. 1 Nr. 46 des Entw., § 153 GVG gemäß Art. 2 Nr. 25 des Entw.). 2. Der Geschäftskreis der Urkundsbeamten in Strafsachen, soweit er verfahrensrechtliche Bedeutung hat, ergibt sich aus der StPO und einzelnen Bestimmungen des GVG. Er umfaßt a) die hauptsächlich in der Führung des Protokolls bestehende Mitwirkung bei den gerichtlichen Verhandlungen (StPO §§ 168, 187, 188. 226, 271; GVG §§ 45, 51); b) die Aufnahme von Erklärungen (Anträgen, Rechtsmitteln usw.) der Prozeßbeteiligten außerhalb der gerichtlichen Verhandlungen; c) die Mitwirkung bei Ladungen und Zustellungen (StPO § 37, § 385 Abs. 2, § 390 Abs. 3; GVG § 161); d) die Beglaubigung und Erteilung von Ausfertigungen und Abschriften gerichtlicher Entscheidungen und von Auszügen aus ihnen (StPO § 275 Abs. 4, § 406 b Satz 1, § 451 Abs. 1); e) den Dolmetscherdienst (§ 190 GVG); f) die Festsetzung der erstattungspflichtigen Kosten und Auslagen ( § 4 6 4 b StPO); g) das Kosten- und Rechnungswesen. Einzelheiten des Geschäftsstellenbetriebes sind in Vorschriften der Länder geregelt (vgl. z. B. für Bayern die aufgrund des Art. 30 BayAG GVG v. 17. 11. 1956, GVB1. 249, ergangene VO über die Geschäftsstellen der Gerichte und Staatsanwaltschaften v. 12. 12. 1956, GVB1. 352 = Bay. BS III 37 = SaBl. 1957 150 i. d. F. v. 2. 4. 1962, GVB1. 76; §§ 9 bis 11 Saarl. AG GVG v. 4. 10. 1972, ABl. 601). Die Landesjustizverwaltungen haben bundeseinheitliche Dienstordnungen für die Geschäftsstellen erlassen (vgl. z. B. Baden-Württ. AV v. 1. 10. 1965 Die Justiz S. 298). Urkundsbeamte der Geschäftsstelle sind die Beamten des gehobenen (Rechtspfleger) und des mittleren Justizdienstes; auch Referendare und Angestellte können dazu bei Bedarf als Vertreter bestellt

2900

Zwölfter Titel. Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte (Schäfer)

§ 1 5 3 Anm. 3 § 1 5 4 Anm. 1— 3

werden. Ein Rechtspfleger oder ein Referendar (§ 2 Abs. 4 Rechtspflegerges.) m u ß zur Protokollierung prozessualer Erklärungen hinzugezogen werden, bei denen Abgabe in gewöhnlicher Schriftform nicht genügt, sondern eine von einem Rechtsanwalt (Verteidiger) unterzeichnete Schrift oder Einlegung zur Niederschrift eines Urkundsbeamten gefordert wird, wie z. B. in §§ 345 Abs. 2, 366 Abs. 2 StPO (vgl. § 24 Rechtspflegerges.). Wegen der Wirkung der Nichtbeachtung einer solchen Vorschrift auf die Gültigkeit der Erklärung vgl. O L G Stuttgart JVB1. 1969 252 und Anm. 3 d zu § 345 StPO. Wegen der Bestellung von Justizangestellten zu UrkBeamten der Geschäftsstelle vgl. O L G Celle G A 1969 123 = NdsRpfl. 1969 22 = VRS 36 209. Der Urkundsbeamte übt in seinem gesetzlichen Aufgabenbereich selbständige staatliche Verrichtungen aus (vgl. dazu RGSt. 56 100). Bei der Befassung mit Zustellungsmaßnahmen nehmen die UrkBeamten der Geschäftsstelle nicht Aufgaben der Gerichtsverwaltung wahr, sondern sie handeln als Organe des Gerichts im Rahmen seiner Rechtsprechungsaufgabe (BVerwG DRiZ 1970 27). Wegen der Rechtsbehelfe gegen M a ß n a h m e n des UrkBeamten bei Ausstellung der Vollstreckungsbescheinigung (§ 451 Abs. 1 StPO) vgl. Anm. I X 1 zu §451). 3. Wegen der Ausschließung oder Ablehnung eines Urkundsbeamten in Strafsachen s. § 31 StPO.

ZWÖLFTER TITEL Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte

§ 154 Die Dienst- und Geschäftsverhältnisse der mit den Zustellungen, Ladungen und Vollstreckungen zu betrauenden Beamten (Gerichtsvollzieher) werden bei dem Bundesgerichtshof durch den Bundesminister der Justiz, bei den Landesgerichten durch die Landesjustizverwaltung bestimmt. Entstehungsgeschichte: Entw. § 125. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. 1317). Nachdem die in § 12 der VO vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403) dem Reichsjustizminister erteilte Ermächtigung, allgemeine Anordnungen für die Gerichtsvollzieher zu erlassen (vgl. vor Anm. 1 zu § 153), durch den Rückfall der Justizhoheit auf die Länder gegenstandslos geworden ist, hat das Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950 den § 154 a. F. unter Anpassung an den jetzigen Rechtszustand beibehalten. 1. Der Ausdruck „Gerichtsvollzieher" bezeichnet hier wie in den Prozeßordnungen keine bestimmte Klasse von Beamten, sondern wird als Tätigkeitsbezeichnung gebraucht, so daß er alle Personen umfaßt, die die Justizverwaltung mit Gerichtsvollziehergeschäften betraut. 2. Die Bestimmungen, die § 154 im Auge hat, werden im allgemeinen im Verwaltungsweg erlassen, doch kann auch der Weg einer Rechts VO (der Landesregierung oder der von der Landesregierung ermächtigten Landesjustizverwaltung — vgl. Anm. 1 c zu § 58 —) gewählt werden (BayVerfGH Rpfleger 1961 285). Und zwar gelten von den Landesjustizverwaltungen und dem Bundesjustizminister bundeseinheitlich vereinbarte Dienstvorschriften (Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher [GVGA] und Gerichtsvollzieherordnung [GVO]), abgedr. in der Neufassung 1968 mit späteren Änderungen und mit landesrechtlichen Ergänzungsvorschriften bei P i l l e r - H e r m a n n , Justizverwaltungsvorschriften unter 9 c und 9d. Vgl. dazu H o l z w e g N J W 1955 12. Die Beitreibung von Ansprüchen der Staatskasse in Justizangelegenheiten erfolgt durch besondere Vollziehungsbeamte (Justizvollstreckungsassistenten), für deren Tätigkeit im Rahmen einer besonderen Dienstordnung die Vorschriften der G V O z. T. entsprechend gelten. 3. Im Strafverfahren wird der Gerichtsvollzieher bei der unmittelbaren Ladung (§ 38 StPO) tätig. Er handelt dabei (trotz des Ausdrucks „beauftragen") nicht kraft privatrechtlichen Dienst- oder Werkvertrags, sondern stets als Beamter in Erfüllung seiner amtlichen 2901

§ 154 Anm. 4 § 155 Anm. 1 - 3

Gerichtsverfassungsgesetz

Aufgaben (allg. Meinung, insbes. RGZ 82 85). Er wirkt ferner mit bei der Vollstreckung von Geldstrafen und Einziehung usw. (§§ 48, 57, 61, 64 StVollstrO). 4. Im GVG nicht geregelt sind die Rechtsverhältnisse der Justizwachtmeister, denen — neben anderen Aufgaben — die Mitwirkung bei der Aufrechterhaltung der Ordnung im Gerichtssaal obliegt. Sie sind ausschließlich Gegenstand landesrechtlicher Regelung (vgl. dazu z. B. das Nds. Ges. über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Bedienstete der Justizverwaltung v. 3. 6. 1958. GVB1. 135 = SaBl. 785).

§ 155 Der Gerichtsvollzieher ist von der Ausübung seines Amtes kraft Gesetzes ausgeschlossen: I. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten: 1. wenn er selbst Partei oder gesetzlicher Vertreter einer Partei ist oder zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Schadensersatzpflichtigen steht; 2. wenn sein Ehegatte Partei ist, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 3. wenn eine Person Partei ist, mit welcher er in gerader Linie verwandt, verschwägert oder durch Annahme an Kindes Statt verbunden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht; II. in Strafsachen: 1. wenn er selbst durch die strafbare Handlung verletzt ist; 2. wenn er der Ehegatte des Beschuldigten oder Verletzten ist oder gewesen ist; 3. wenn er mit dem Beschuldigten oder Verletzten in dem vorstehend unter Nr. I 3 bezeichneten Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnisse steht. Entstehungsgeschichte: Entw. § 126. Spätere Änderungen: G. vom 11. 7. 1922 (RGBl. I 573) Art. I Nr. 2, II Nr. 2. Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. 1317). 1. § 155 II ist dem § 22 Nr. 1 bis 3 StPO nachgebildet; dabei weicht § 155 II Nr. 2 von § 22 Nr. 2 StPO insofern ab, als in ihr die Worte „oder Vormund" fehlen. Eine Ablehnung des Gerichtsvollziehers wegen Befangenheit kennt das Gesetz nicht. An die Stelle eines nach § 155 II ausgeschlossenen Gerichtsvollziehers tritt der zuständige Vertreter. 2. Ein Verstoß gegen § 155 hat die Ungültigkeit (Nichtigkeit, Unbeachtlichkeit) der Amtshandlung (Ladung) zur Folge (h. M.; a. M. E b S c h m i d t 3 mit weiteren Nachweisen). 3. Nach Maßgabe des Landesrechts gilt § 155 auch in den in dieser Vorschrift nicht geregelten Angelegenheiten entsprechend (vgl. z. B. § 12 Saarl. AGGVG v. 4. 10. 1972, ABl. 601).

DREIZEHNTER TITEL Rechtshilfe Vorbemerkung 1. Die neuere Gesetzessprache verwendet die Begriffe Rechtshilfe und Amtshilfe. Rechtshilfe ist dabei — im Gegensatz zur Amtshilfe — die Unterstützung, die ein Gericht einem anderen Gericht auf dessen Ersuchen bei Ausübung seiner Rechtspflegeaufgaben leistet, Amtshilfe dagegen diejenige Unterstützung, die a) ein Gericht einer Verwaltungsbehörde oder einer anderen Stelle oder die b) eine Verwaltungsbehörde einem Gericht oder c) eine Verwaltungsbehörde einer anderen Verwaltungsbehörde bei der Erfüllung ihrer Amtsobliegenheiten auf deren Ersuchen leistet. Das Wesen der Amtshilfe, die ein Gericht leistet, besteht in der Regel darin, daß es eine Amtshandlung vornimmt, zu deren eigner Vornahme die ersuchende Stelle nicht zuständig wäre. Doch ist der Sprachgebrauch — selbst im GVG (vgl. Anm. 4 zu § 10) — nicht einheitlich. Mitunter wird jede von einem Gericht geleistete 2902

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

Vor § 156 Anm. 2, 3

Hilfe als Rechtshilfe bezeichnet, auch wenn sie einer Verwaltungsbehörde oder einer anderen Stelle zuteil wird; so haben z. B. nach Art. 44 Abs. 3 G G einem Untersuchungsausschuß des Bundestags — also einer Stelle, die weder Gericht noch Verwaltungsbehörde ist — die Gerichte „Rechtshilfe" und die Verwaltungsbehörden Amtshilfe zu leisten. Auch bzgl. der Ausdrücke „Amts- und Rechtshilfe" in Art. 35 G G (unten Anm. 2) gehen die Auffassungen auseinander. So bezeichnen v. M a n g o l d t - K l e i n S. 844 die von Gericht zu Gericht geleistete Hilfe als Rechtshilfe; nach M a u n z - D ü r i n g - H e r z o g 3 und H a m a n n 4 zu Art. 35 ist jede von Gerichten geleistete Hilfe Rechtshilfe, die von Verwaltungsbehörden geleistete Hilfe Amtshilfe. BVerfG NJW 1971 308 bezeichnet auch die „richterliche Untersuchungshandlung" des § 162 StPO, die der Staatsanwalt beantragt hat, als Erscheinungsform der Amtshilfe i. S. des Art. 35. Aber auch die von Gericht zu Gericht geleistete Hilfe ist nicht stets Rechtshilfe. Rechtshilfe im eigentlichen Sinn liegt vielmehr nur vor, wenn die ersuchende Behörde die Amtshandlung ihrer sachlichen Zuständigkeit nach selbst vornehmen könnte und nur Zweckmäßigkeitsgründe (z. B. weite Entfernung) für die Vornahme durch die ersuchte sprechen (RG DR 1940 695). Amtshilfe dagegen kommt in Betracht, wenn das ersuchte Gericht darüber hinaus die Erreichung der Zwecke des ersuchenden Gerichts unterstützen soll. Amtshilfe — nicht Rechtshilfe — steht also z. B. in Frage, wenn ein Gericht ein anderes Gericht, an dessen Sitz es eine Vernehmung selbst durchführen will, ersucht, ihm ein Amtszimmer zur Verfügung zu stellen und einen Protokollführer zu gesteilen (RG Recht 1927 1257). Uber die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Rechts- und Amtshilfe s. unten Anm. 3 c, d. 2. Art. 35 Abs. 1 GG*) bestimmt: „Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe". Diese Vorschrift begründet eine allgemeine gegenseitige Unterstützungspflicht aller Behörden — dazu gehören auch die Gerichte aller Gerichtsbarkeitszweige — innerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes. Nicht nur die Unterstützungspflicht im Verhältnis von Bund und Land und im Verhältnis der Länder untereinander, sondern auch die Hilfepflicht der Bundesbehörden untereinander und der Behörden innerhalb desselben Landes untereinander spricht Art. 35 G G aus (v. M a n g o l d t - K l e i n S. 842, H a m a n n 3). Daß zu den „Behörden der Länder" auch die Gemeindebehörden gehören, kann nach dem Sinn der Vorschrift nicht zweifelhaft sein (vgl. Bonner Komm. z. G G Anm. 3 zu Art. 35) Zu den „Behörden" gehören auch bundes- und landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts, die öffentliche Aufgaben erfüllen (BVerwG JZ 1972 278). Diese Pflicht jeder Behörde, im Rahmen ihrer eigenen Befugnisse einer anderen zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben Beistand zu leisten, gilt auf allen Gebieten und „in weitestmöglichem Umfang" (von M a n g o l d t-Kl aaO.).Zum Begriff der Hilfe gehört auch hier, daß die Beistandsleistung auf generelles oder besonderes Ersuchen der unterstützungsbedürftigen Behörde wahrzunehmen ist; eine Hilfeleistung aus eigenem Antrieb fallt nicht unter Art. 35 GG (BGHZ 34 187). Art. 35 GG ist zwar unmittelbar geltendes Recht, setzt aber die Rechts- und Amtshilfepflicht nur als Rahmenvorschrift fest; Verfahren und Umfang der Hilfepflicht sind den jeweiligen Verfahrensvorschriften zu entnehmen (OLG Düsseldorf NJW 1957 1037, h. M.). Die zahlreichen bundes- und landesrechtlichen Vorschriften, die für bestimmte Behörden und für bestimmte Gebiete die Berechtigung und Verpflichtung zur Rechts- und Amtshilfe aussprechen, die Voraussetzungen, die Zuständigkeiten und das Verfahren regeln, haben gegenüber der allgemeinen Vorschrift des Art. 35 G G die Bedeutung von rahmenausfüllenden Ausführungsvorschriften. Über grundsätzliche Einschränkungen der Pflicht zur Amtshilfe durch die Pflicht zur Wahrung der privaten Geheimsphäre unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vgl. BVerfG NJW 1970 555 (betr. Ubersendung der Akten eines Ehescheidungsprozesses an den Untersuchungsführer in einem Disziplinarverfahren) und B e c k e r NJW 1970 1075. Über gesetzgeberische Pläne, den Umfang der Amtshilfepflicht zu konkretisieren, vgl. S c h m i t t - L e r m a n n JZ 1964 402, 407. 3. a) Die §§ 156ff. GVG regeln nur die Rechtshilfe, die sich die Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen gegenseitig zu leisten haben (§ 2 EGGVG, § 156 GVG; RGZ 102 368). Die Rechtshilfepflicht der Justizgerichte *) Schrifttum: D r e h e r , Die Amtshilfe. Göttingen 1959; A r n d t N J W 1963 26; Helmut S c h n e i d e r , Die Pflicht der Behörden zur Aktenvorlage im Strafprozeß. Berlin 1970.

2903

Vor § 156 Anm. 3

Gerichtsverfassungsgesetz

in den ihnen bundesgesetzlich übertragenen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit regelt § 2 F G G (s. auch §§ 1, 194 FGG). Für die Rechtshilfe in Angelegenheiten der streitigen Gerichtsbarkeit der Sondergerichte gilt das Rechtshilfeges. vom 21. 6. 1869 (BGBl. 305). Die Rechts- und Amtshilfepflicht gegenüber dem Bundesverfassungsgericht regeln die §§ 26, 27 BVerfGG. Die Rechtshilfe im Bereich der übrigen Gerichtsbarkeitszweige bestimmt sich nach deren Verfahrensordnungen, z. B. bei den Arbeitsgerichten nach § 13 ArbGG, bei den allgemeinen Verwaltungsgerichten nach § 14 VwGO, bei den Sozialgerichten nach § 5 SGG. Zahlreiche Vorschriften regeln die Rechtshilfepflicht der ordentlichen Gerichte gegenüber berufsständischen Ehrengerichten, so z. B. bei den Ehrengerichten der Rechtsanwälte § 99 BRAO. Ein Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit kann das ordentliche Gericht nicht um Rechtshilfe angehen, wenn es selbst am Sitz des Amtsgerichts, das für die Rechtshilfe zuständig ist. Gerichtstage abhalten kann (OLG Hamm JMB1. NRW 1964 53). b) Besondere ausdrückliche Vorschriften über die Amtshilfepflicht der Justizgerichte gegenüber Verwaltungsbehörden finden sich, abgesehen von den vorgenannten Vorschriften, z. B. zugunsten der nach dem Bundesbauges. vom 23. 6. 1960 (BGBl. I 341) zuständigen Behörden in § 152 aaO., zugunsten der Jugendämter in § 10 Jugendwohlfahrtsges. i. d. F. vom 6. 10. 1970 (BGBl. I 1197). Vorschriften, die die Verwaltungsbehörden ermächtigen, in einem anhängigen Verwaltungsverfahren die Gerichte um die eidliche Vernehmung von Zeugen zu ersuchen, verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (BVerfGE 7 183). Nur in dem Umfang, als solche ermächtigenden Vorschriften bestehen, können Verwaltungsbehörden die Gerichte um eidliche Vernehmungen von Zeugen unter Zeugniszwang ersuchen (OLG Düsseldorl NJW 1957 1037). c) Wird in einer Angelegenheit der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit die Gewährung von Rechtshilfe verweigert, so kann das ersuchende Gericht auf dem Weg des § 159 GVG um Abhilfe nachsuchen. Das gleiche gilt, wenn bei Rechtshilfeersuchen anderer Gerichte (der Gerichte anderer Gerichtsbarkeitszweige) die Vorschriften des 13. Titels des GVG für entsprechend anwendbar erklärt sind (so z. B. § 13 des Arbeitsgerichtsges., § 5 des Sozialgerichtsges.). Aber auch da, wo es an einer ausdrücklichen Vorschrift fehlt, die die Rechtshilfevorschriften des GVG für entsprechend anwendbar erklärt, ist eine Vorschrift, daß die Gerichte Rechtshilfe zu leisten hätten, im allgemeinen so zu verstehen, daß die Rechtshilfe in gleicher Weise zu leisten sei, als ob ein Justizgericht in einer Angelegenheit der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit um Rechtshilfe ersuche, und es ergibt sich daraus die entsprechende Anwendbarkeit des § 159 GVG. d) Die Rechtsbehelfe gegen Verweigerung der Amtshilfe durch ein Gericht regeln sich zunächst nach Bundesrecht. Die Zuständigkeit des OLG kann sich hier auch daraus ergeben, daß den Gerichten gegenüber den Verwaltungsbehörden in gesetzlichen Vorschriften die Leistung von „Rechtshilfe"' unter Verweisung auf §§ 156 ff. GVG auferlegt und damit auf die entsprechend anwendbaren §§ 158, 159 verwiesen ist (OLG Hamm JMB1. NRW 1964 4). Im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde finden zwar nach § 46 Abs. 1 OWiG die Vorschriften des GVG entsprechende Anwendung; aus § 46 Abs. 2 OWiG ergibt sich aber, daß Ersuchen der Verwaltungsbehörde um Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen nach § 162 StPO zu behandeln sind, so daß gegen die ablehnenden Entscheidungen die Beschwerde nach § 304 an das LG gegeben ist; im gerichtlichen Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten gelten dagegen die §§ 156 ff. GVG so, als wären die Bußgeldsachen Strafsachen ( G ö h l e r 9 vor § 67). Wenn bundesrechtliche Vorschriften fehlen, kann Landesrecht an die Stelle treten. In den früheren preuß. Gebietsteilen gilt § 87 Abs. 2 des PrAG GVG vom 24. 4. 1878 (GS S. 230) i. d. F. vom 21. 9. 1899 (GS S. 249). in Hessen i. d. F. des Art. 108 Hess. F G G vom 12. 4. 1954 (GVB1. S. 59), in Niedersachsen § 4 AG GVG vom 5. 4. 1963 (GVB1. 225), wonach über Beschwerden anderer als gerichtlicher Behörden wegen einer vom Gericht verweigerten Beistandsleistung die Oberlandesgerichte entscheiden. Wo es aber an solchen Vorschriften fehlt, oder wo es sich nicht um Beistandsleistung durch Vornahme einer richterlichen Handlung (z. B. Vernehmung von Zeugen), sondern um Beistandsleistung anderer verwaltungsmäßiger Art (z. B. Zuverfügungstellung eines Amtsraumes, Gestellung eines Protokollführers) handelt, führt die Verweigerung nur zur Dienstaufsichtsbeschwerde. (OLG Frankfurt VersR 1970 653). Eine vom Gericht verweigerte Beistandsleistung i. S. des

2904

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

Vor § 156 Anm. 4, 5; I

§ 87 Abs. 2 Pr. AG GVG steht auch nicht in Frage, wenn eine Justizverwaltungsbehörde die gerichtliche Beistandsleistung von einer vorherigen Kostenzahlung abhängig macht; auch dagegen gibt es nur Dienstaufsichtsbeschwerde (OLG Hamm JVB1. 1970 179). 4. Rechts- und Amtshilfe ist von den Gerichten und Staatsanwaltschaften des Bundesgebiets in Strafsachen zugunsten von Gerichten und Behörden der D D R nur unter den Einschränkung zu leisten, die das Ges. über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. 5. 1953 (BGBl. I 1 6 1 ) - dazu DVO vom 23. 12. 1953 (BGBl. I 1569) — vorsieht. S. die Erläuterungen zu dem Ges. im Anhang unter C. 5. Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in Strafsachen (Kurzer Überblick). Literatur: J e s c h e c k . Die internationale Rechtshilfe in Strafsachen in Europa, ZStrW 66 (1954 518ff.; G r ü t z n e r , Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, R. v. Deckers Verlag (Loseblattsammlung); G r ü t z n e r in DRiZ 1958 16, ferner in S t r u p p S c h l o c h a u e r , Wörterbuch des Völkerrechts. 2. Aufl. Art. „Auslieferung"; G r ü t z n e r , Der Auslieferungsverkehr der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ausland, Beilage zum BAnz. Nr. 199/1963; L ü t t g e r . Internationale Rechtshilfe in Staatsschutzsachen. GA 1960 3 3 ; F a b r y . Z u r Rechtsnatur der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, DRiZ 1966 119; v. W e b e r , Internationale Rechtshilfe zur Beweisaufnahme im Strafverfahren, Festschrift f. H. Mayer (1966) 518ff.; VoglerrÄuslieferungsrecht und Grundgesetz, Berlin 1970. I. Die Gewährung von Rechtshilfe gegenüber dem Ausland, d. h. die Unterstützung ausländischer Strafverfolgungs- oder Strafvollstreckungsbehörden, erfolgt nach den Vorschriften des Deutschen Auslieferungsges. (DAG) vom 23. 12. 1929 (RGBl. I 239). Sie darf, soweit es sich um Auslieferungen handelt, im Rahmen des Art. 16 G G nur gewährt werden, wenn materiellrechtlich die Tat nach deutschem Recht ein Verbrechen oder Vergehen ist (vgl. dazu M ö r s b e r g e r . Das Prinzip der identischen Strafrechtsnorm im Auslieferungsrecht. Kölner Diss. 1969). und wenn das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk der Verfolgte ergriffen oder ermittelt wird, sie für rechtlich zulässig oder der Verfolgte sich mit ihr einverstanden erklärt (§ 7). Bei anderen Rechtshilfemaßnahmen (Durchlieferung, Herausgabe von Gegenständen, behördliche Auskünfte, insbes. aus dem Bundeszentralregister, Vernehmung von Beschuldigten. Zeugen und Sachverständigen usw.) bedarf es keiner sie für rechtlich zulässig erklärenden Entscheidung des Oberlandesgerichts; auf Antrag der Staatsanwaltschaft (bei Herausgabe von Gegenständen auch auf Antrag eines Beteiligten, d. h. jemandes, der an dem Gegenstand ein Recht geltend macht) hat aber das Oberlandesgericht zu entscheiden. ob die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtshilfe vorliegen, und deren Leistung ist unzulässig, wenn das Gericht sie für unzulässig erklärt (§§ 33, 37. 41). Die (politische) Entscheidung, ob einem ausländischen Ersuchen um rechtlich zulässige Rechtshilfe stattzugeben ist, trifft die Bundesregierung (§ 44). die ihre Befugnisse z. T. auf die Länder übertragen hat (Zuständigkeitsvereinbarung vom 20.2. 1952 i. d. F. vom 4. 11. 1954, Bundesanz. Nr. 78/52 und Nr. 215/54). Auf die Einzelheiten ist hier nicht einzugehen; es sei auf das einschlägige Schrifttum, insbes. M e t t g e n b e r g - D ö r n e r , Komm. z. DAG, 3. Auflage und die unten zu II erwähnten „Richtlinien"' verwiesen. Hervorzuheben ist lediglich folgendes: Deutsche dürfen weder ausgeliefert (Art. 16 GG) noch durchgeliefert (§33 DAG) werden (wegen der Rücklieferung eines Deutschen, den eine ausländische Gewahrsamsmacht vorübergehend den deutschen Behörden überstellt hatte, vgl. BGHSt. 22 58; wegen der Rücklieferung, wenn irrtümlich die Durchlieferung eines Deutschen bewilligt war, vgl. BGHSt. 12 262). Bei politischen Taten (vgl. über den Begriff L ü t t g e r GA 1960 33; P ö t z GA 1971 193) ist Auslieferung (§ 3 DAG), Durchlieferung (§ 33) und Herausgabe von Gegenständen (§ 34 Abs. 2) unzulässig. Das Auslieferungsverbot des § 3 DAG ist durch § 16 Abs. 2 Satz 2 G G ergänzt, wonach politisch Verfolgte Asyl genießen (vgl. dazu AsylVO vom 6. 1. 1953, BGBl. I 3, und über den Begriff des politsch Verfolgten BVerfGE 9 174; NJW 1959 763; MDR 1963 192; BGHSt. 3 392; 8 59, 63; 15 297). Der Auslieferungsverkehr mit dem Ausland erfolgt z. T. auf der Grundlage zwischenstaatlicher Rechtshilfeverträge, z. T. ohne solche. Maßgebend ist der auch für die Auslieferungsverträge geltende allgemeine Grundsatz, daß eine Auslieferung nur bewilligt wird, wenn die Gegenseitigkeit verbürgt ist (BGHSt. 20 91. 156; 23 151. 155 = NJW 1970 393). Durch das D A G sind

2905

Vor § 156 Anm. II; III

Gerichtsverfassungsgesetz

die früher abgeschlossenen Auslieferungsverträge, soweit sie noch oder — nach Suspendierung durch den 2. Weltkrieg — wieder gelten, nicht berührt worden ( R G D R Z 1932 Nr. 161); sie gehen dem D A G vor (RGSt. 70 286). Später abgeschlossene Auslieferungsverträge gehen als lex posterior den abweichenden Bestimmungen des D A G vor. wenn sie innerdeutsches Recht geworden sind (BGHSt. 10 227, 228; 20 91: G r ü t z n e r DRiZ 1964 379). Wegen der z. Z. geltenden Auslieferungsverträge vgl. das oben angeführte Schrifttum. Unter dem 13. 12. 1957 ist ein europäisches Auslieferungsübereinkommen abgeschlossen worden (vgl. Ges. vom 3. 11. 1964. BGBl. II 1369). Vgl. dazu V o g l e r , Die Europäischen Übereinkommen über die Auslieferung und die sonstige Rechtshilfe in Strafsachen, ZStrW 80 [19681480. Besondere vertragliche Bestimmungen regeln die Unterstützung der ausländischen Militärgerichte bei Ausübung der Strafgerichtsbarkeit über die in Deutschland stationierten fremden Truppen durch die deutschen Behörden und die Unterstützung der deutschen Gerichte durch die Behörden der Entsendestaaten, soweit deutsche Gerichte die Strafgerichtsbarkeit in diesen Fällen ausüben (Gesetz zum Nato-Truppenstatut vom 18. 8. 1961, BGBl. II 1183. Zusatzabkommen zum Truppenstatut vom 3 . 8 . 1959, BGBl. 1961 II 1218, Unterzeichnungsprotokoll zum Zusatzabkommen vom 3. 8. 1959, BGBl. 1961 II 1313. in Kraft seit 1. 7. 1963). Vgl. W i t z s c h , Deutsche Strafgerichtsbarkeit über die Mitglieder der USStreitkräfte und deren begleitende Zivilpersonen. Karlsruhe 1971. II. Rechtshilfeverkehr, wenn in deutschen Strafverfahren Rechtshilfe des Auslands begehrt wird, erfolgt (ebenso wie zu I) teils vertraglich, teils vertragslos. Die früheren, durch den 2. Weltkrieg suspendierten und noch nicht wieder in Kraft gesetzten Abkommen werden aber, soweit sie nicht durch neue Verträge ersetzt sind, von den meisten Staaten auch jetzt schon berücksichtigt; deshalb ist nach ihnen zu verfahren, soweit sie nicht Regelungen über den Beförderungsweg enthalten (RdErl. d. Hess. JustMin. vom 20. 10. 1951 i. d. F. vom 5. 3. 1954 JMB1. 105, 27). Z u m Teil ist unmittelbarer Rechtshilfeverkehr (also ohne Inanspruchnahme des diplomatischen Weges) vereinbart, und zwar teils allgemein, teils nur in dringenden Fällen. Z. T. läßt das Ausland auch eine Rechtshilfe durch Tätigkeit der deutschen Konsuln zu. teilweise sogar die Vernehmung von Zeugen nichtdeutscher Staatsangehörigkeit, wenn sie damit einverstanden sind. Für den Rechtshilfeverkehr gelten die von der Bundesregierung und den Ländern vereinbarten „Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt.)" vom 15. 1. 1959 mit späteren Änderungen und Ergänzungen (nach dem Stand vom 1.9. 1972 abgedr. bei P i l l e r - H e r m a n n . Justizverwaltungsvorschriften unter 2f). Vgl. weiter aus den RiStBV Nr. 209 (deutsche Strafgerichtsbarkeit kann regelmäßig nur innerhalb der Grenzen Deutschlands ausgeübt werden; jede amtliche Betätigung außerhalb dieser Grenzen setzt das Einverständnis des ausländischen Hoheitsträgers voraus. Die Justizbehörden dürfen daher, abgesehen von den in Nr. 213—215 RiStBV genannten Fällen, weder Maßnahmen im Ausland vornehmen noch Anordnungen treffen, die in das Ausland hinüberwirken sollen). Nr. 2 12 (für die Inanspruchnahme deutscher Vertretungen im Ausland zur Unterstützung eines deutschen Strafverfahrens gelten die Vorschriften über den innerdeutschen Rechtshilfeverkehr; die Nr. 170—178 RiVASt. sind zu beachten); Nr. 213 (für die Entsendung von Richtern und Beamten ins Ausland gelten die Nr. 189—192 RiVASt.); Nr. 214 (verweist wegen des Postverkehrs mit Personen, die im Ausland wohnen, auf Nr. 160 RiVASt.); Nr. 215 (Beachtung der Nr. 195—197 RiVASt., wenn eine ausländische Regierung ersucht werden soll, gegen einen Ausländer wegen einer in der Bundesrepublik verfolgbaren Handlung ein Strafverfahren einzuleiten). Unter dem 2 0 . 4 . 1959 ist ein europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen abgeschlossen worden (vgl. Ges. vom 3. 11. 1964, BGBl. II 1369). III. Verfahren nach Auslieferung. a) Die Frage, wegen welcher Delikte eine von einer ausländischen Macht ausgelieferte Person verurteilt werden darf, läßt sich nicht aufgrund einer allgemeinen Regel für alle Fälle gleichmäßig beantworten. In erster Linie sind die Erklärungen maßgebend, die der ausliefernde Staat im einzelnen Falle abgibt. Lehnt er die Auslieferung wegen eines bestimmten Delikts ab. so darf eine Strafverfolgung wegen dieses Delikts nicht stattfinden. In zweiter Linie kommt es auf den Inhalt des Auslieferungsvertrages an (RGSt. 31 235, 34 195). In

2906

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

Vor § 156 Anm. III

dritter Linie endlich kommt der völkerrechtliche Grundsatz der sog. „Spezialität" (vgl. § 6 D A G ) zur Anwendung (RGSt. 29 289. 31 235, 55 285; BGHSt. 15 125; 20 109: 22 307, 318; G r e t h l e i n NJW 1963 945). Diese allgemeine Regel, die nach Art. 25 G G zugleich einen Bestandteil des Bundesrechts bildet, besagt, daß regelmäßig ein Ausgelieferter ohne Einverständnis der ausliefernden Regierung wegen anderer als der Handlungen, derentwegen die Auslieferung bewilligt wurde, nicht zur Verantwortung gezogen werden darf, auch nicht in der Form einer strafschärfenden Berücksichtigung dieser Taten (BGHSt. 22 318). Dieser Grundsatz hat aber in den Auslieferungsverträgen eine unterschiedliche Ausprägung gefunden. Die Auslieferungsverträge lassen sich hierzu in zwei Gruppen teilen. Nach den Verträgen der ersten Gruppe darf nur die Gesetzesverletzung abgeurteilt werden, für die die Auslieferung ausdrücklich bewilligt ist. Eine Klageänderung wegen einer tateinheitlich zusammentreffenden weiteren Gesetzesverletzung ist zulässig, sofern letztere gleichfalls zu den Auslieferungsdelikten gehört und der Vertrag keine abweichende Bestimmung enthält (vgl. RGSt. 31 429; 32 425; 34 68, 196 199; 45 275: BGH N J W 1964 212). Dagegen darf wegen einer anderen Tat ohne Einwilligung des ausliefernden Staates keine Verurteilung ausgesprochen werden. Nach den Verträgen der zweiten Gruppe ist nicht nur eine Klageänderung in dem vorstehend dargelegten Sinn zulässig, sondern auch die Aburteilung wegen eines mit der Auslieferungstat in Tatmehrheit zusammentreffenden Delikts, vorausgesetzt, daß dieses Delikt als auslieferungsfähig gleichfalls im Auslieferungsvertrag vorgesehen ist (vgl. RGSt. 66 172); ebenso sind dann auch solche Teilakte einer fortgesetzten Handlung verfolgbar. die bei Bewilligung der Auslieferung noch nicht bekannt waren (BGHSt. 15 125). Eine Änderung in der Gesetzgebung des ausliefernden Staates hat auf seine vertragsmäßigen Pflichten keinen Einfluß (RGSt. 21 181, 36 348, 54 109. 66 87; a. M. M e t t g e n b e r g , Zeitschrift für internationales Privat- u. öffentl. Recht 18 418). Der Spezialitätsgrundsatz bewirkt, daß beim Fehlen der Voraussetzungen für eine Aburteilung das Verfahren insoweit wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt werden muß (Einleitung S. 128; BGH NJW 1964 212). Bei rechtskräftiger Verurteilung unter Verletzung des Spezialitätsgrundsatzes ist das Urteil nicht nichtig (RGSt. 72 78; O L G Hamm NJW 1956 1936; G r e t h l e i n N J W 1963 945; vgl. Einleitung S. 128. 186). Auch wirkt das gegenstandslos gewordene Verfahrenshindernis nicht als Vollstreckungshindernis weiter (ebenso O L G Hamm aaO.; a. M. P o h l m a n n , Komm. z. StVollstrO Anm. IV zu § 2 StVollstrO). Zur Frage der Gesamtstrafenbildung im Hinblick auf den Grundsatz der Spezialität vgl. G r e t h l e i n und P o h l m a n n aaO. b) In den Verträgen wird die Auslieferung wegen eines politischen Delikts regelmäßig für unzulässig erklärt, auch die sonstige (d. h. nicht in Auslieferung bestehende) Rechtshilfe in Strafsachen wird nach den Verträgen häufig nur bei nichtpolitischen Delikten gewährt. Der Begriff des politischen Delikts ist sehr bestritten. Vgl. im einzelnen das Schrifttum zu § 3 D A G und RGSt. 67 150; BGHSt. 18 218, 221 = JZ 1963 515 mit Anm. v. W e b e r . Es ist Sache des um die Auslieferung ersuchten Staates, sich vor seiner Entschließung über die politische oder unpolitische Natur der Straftat zu entscheiden. Liefert er aus, so kann der Angekl. nicht geltend machen, er sei zu Unrecht ausgeliefert worden (BGH aaO., s. unten d). Stellt sich erst nach der Auslieferung heraus, daß es sich um ein politisches Delikt handelt, so hindert dieser Umstand nicht die Fortsetzung des Verfahrens, soweit nicht durch Vereinbarung oder einseitigen Vorbehalt des ersuchten Staates das Gegenteil bestimmt ist (RGSt. 60 202). c) Verzicht des Ausgelieferten. Die Auslieferungsverträge sind Normen des öffentlichen Rechts. Die Person, die ausgeliefert werden soll oder ausgeliefert worden ist, kann auf Beobachtung der vertraglichen Bestimmungen nicht verzichten (RGSt. 34 199. 41 274,45 278, RMilG 4 75. 6 300; Str.). d) Prüfung der Gesetzmäßigkeit. Der Ausgelieferte kann sich nicht darauf berufen, daß er zu Unrecht ausgeliefert worden sei. Die Auslieferungsverträge begründen lediglich Rechte und Pflichten zwischen den beteiligten Regierungen. Ob die Auslieferung zu bewilligen war, beurteilt allein der ausliefernde Staat. Den Gerichten steht keine Nachprüfung zu, ob die Auslieferung den Bestimmungen eines Staatsvertrages entspricht (RGSt. 29 24. 64, 290; 33 101; 42 311; 59 313; 70 286; BGHSt. 18 218 = N J W 1963 823; BGHSt. 22 307, 309 mit Schrifttumsnachweisen). Dagegen haben die Gerichte entsprechend den oben zu a dar2907

Vor § 1 5 6 Gerichtsverfassungsgesetz Anm. 6 gelegten Grundsätzen zu prüfen, ob sich die Bewilligung der Auslieferung auch auf die Straftat erstreckt, die Gegenstand der Anklage ist. Die Verurteilung wegen einer anderen Straftat würde die Verletzung eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes enthalten, der gemäß Art. 25 G G bindender Bestandteil des Bundesrechts ist (vgl. RGSt. 60 202). — Die Gerichte können auch nicht den Einwand beachten, daß die Förmlichkeiten der Auslieferung durch einfache Abschiebung des Beschuldigten über die Grenze umgangen worden seien (RG JW 1922 1588). Selbst außervertragliche Auslieferungen kann der Ausgelieferte nicht beanstanden (RGSt. 42 309; vgl. auch RGSt. 59 313 und RG BayZ 1926 391). e) Neues Strafverfahren. Der vertragsmäßige oder völkerrechtliche Grundsatz der „Spezialität" kommt nicht zur Anwendung, wenn es der Ausgelieferte versäumt, innerhalb einer bestimmten oder angemessenen Frist das Land zu verlassen (RGSt. 38 116, 41 275, RG Recht 1915 Nr. 2210; vgl. § 6 Halbsatz 2 DAG). Die Frist beginnt erst mit der endgültigen Erledigung des Verfahrens, wegen dessen die Auslieferung bewilligt ist (RGSt. 38 116; K G LZ 1918 1342; G r ü t z n e r DRiZ 1964 380). Des Fristablaufs bedarf es nicht, wenn der Ausgelieferte selbst erklärt, er wolle nicht in den ausliefernden Staat zurückkehren, sondern dauernd in dem Staate bleiben, an den er ausgeliefert worden ist (RGSt. 32 430). f) Relative Rechtskraft der im ersten Verfahren ergangenen Entscheidung. Soweit die Vorschriften des Auslieferungsvertrages einer Klageänderung entgegenstehen, kommt der Grundsatz ne bis in idem nicht zur Anwendung; vielmehr ist nach Beendigung des Strafverfahrens ein neues Strafverfahren unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt zulässig (RGSt. 37 91,38 118,41 275). 6. Die Rechtshilfe nach dem GVG. a) Sachliche Zuständigkeit des ersuchenden Gerichts. — Unter „Rechtshilfe" versteht das GVG — abgesehen von den Sonderbestimmungen der §§ 162, 163, wo es sich in Wirklichkeit um Amtshilfe handelt, die das GVG (s. insbes. § 164) aber als Rechtshilfe bezeichnet und gewertet wissen will, und von § 165 (vgl. dort Anm. 1) — die Hilfe, die ein Gericht dem anderen leistet, wenn es dieser Hilfe bedarf. Und zwar ist Gegenstand der Rechtshilfe eine Amtshandlung (Prozeßhandlung), die an sich in den Aufgabenbereich des ersuchenden Gerichts fällt, also zu dessen sachlicher Zuständigkeit gehört, die es aber, weil die eigene Vornahme Schwierigkeiten bereitet, aus Zweckmäßigkeitsgründen dem ersuchten Gericht zur selbständigen Erledigung überträgt (RGSt. 20 103; 46 172; 52 21; OLG Köln JMB1. NRW 1962 99). Eine Beistandsbedürftigkeit ergibt sich aber nicht schon daraus, daß die Entscheidung eines Gerichts außerhalb seines Bezirks zu vollstrecken ist. Denn aus dem Grundgedanken des einheitlichen Rechtspflegegebiets (vgl. Vorbem. II vor § 12) folgt, daß die Entscheidung eines deutschen Gerichts, auch wenn die zugrundeliegende Norm auf Landesrecht beruht (OLG Karlsruhe NJW 1969 1546), ohne Rücksicht auf Bezirks- und Landesgrenzen in der ganzen Bundesrepublik vollstreckbar ist (vgl. §§ 160, 161). Die von einem deutschen Gericht oder einer deutschen Staatsanwaltschaft erlassenen Gebote oder Verbote haben auch da, wo keine Vollstreckung in Frage steht, im ganzen Bundesgebiet dieselbe rechtliche Wirkung; sie müssen somit, ihre sonstige Rechtsverbindlichkeit vorausgesetzt, auch von denjenigen der durch sie betroffenen Personen befolgt werden, die sich außerhalb des Bezirks der gebietenden oder verbietenden Behörde aufhalten. Es bedarf keiner besonderen Anordnung der Behörde des Aufenthaltsortes oder sonstiger Mitwirkung dieser Behörde, gleichviel, ob die verschiedenen Gerichtsbezirke demselben deutschen Land oder verschiedenen Ländern angehören. Das gilt z. B. von Beschlagnahmeanordnungen. Es ist nicht notwendig, daß die erbetene Handlung von dem ersuchten Richter persönlich vorzunehmen ist. Das Ersuchen um Rechtshilfe kann sich auch auf Handlungen beziehen, die zur Zuständigkeit des Urkundsbeamten gehören, wie etwa die Befragung des Beschuldigten, ob er gemäß § 233 StPO einen Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung stellen wolle (RGSt. 46 176; OLG München BayZ 1916 233; Eb. S c h m i d t Vorbem. 5). — Wird ein Gericht von einem anderen Gericht um eine Amtshandlung ersucht, die nicht zur sachlichen Zuständgkeit des ersuchenden Gerichts, sondern zur eigenen Zuständigkeit des ersuchten Gerichts gehört, so liegt kein Ersuchen um Rechtshilfe, sondern eine Anregung vor, über die das ersuchte Gericht nach seinem Ermessen befinden kann (RG JW 1913 215. OLG Celle OLGRspr. 12 184). - Über den Fall, daß die vorzu

2908

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

Vor § 156 Anm. 7

nehmende Handlung nicht zum Geschäftskreis des ei suchten Gerichts gehört, vgl. § 158 Anm. 5. Kein Ersuchen um Rechtshilfe, sondern ein (nicht unter §§ 165 ff. fallendes) Ersuchen um Amtshilfe liegt vor, wenn um Unterstützung durch nichtrichterliche Maßnahmen ersucht wird. z. B. um Hergabe eines Zimmers oder Abordnung eines Protokollführers zur Wahrnehmung eines Termins (RG vom 15. 2. 1927 1 TB 14/27). Die Bestimmungen des GVG über Rechtshilfe gelten auch nicht für die von der Staatsanwaltschaft bei den Gerichten gestellten Anträge (unten Anm. 8). b) Sondervorschriften. Neben der Übertragung einer bestimmten einzelnen richterlichen Handlung im Wege der Rechtshilfe auf das ersuchte Gericht, während das Verfahren im übrigen bei dem ersuchenden Gericht verbleibt, kennen die Prozeßordnungen auch in engen Grenzen die Übertragung der Zuständigkeit zum Erlaß der erforderlichen, im einzelnen aber noch nicht übersehbaren Entscheidungen, nämlich zu den weiteren die Untersuchungshaft betreffenden richterlichen Entscheidungen und Maßnahmen gemäß § 126 Abs. 1 Satz 3 StPO, zu den nachträglichen Entscheidungen nach Aussetzung der Strafe oder Reststrafe zur Bewährung (§ 453 Abs. 2, § 454 Abs. 3 StPO) sowie im Jugendstrafverfahren zu den nachträglichen Entscheidungen über Weisungen und Pflichten (§§ 65, 109 Abs. 2 JGG) und bei Aussetzung der Jugendstrafe (§ 58) und Entlassung zur Bewährung (§ 88 Abs. 5, § 89 Abs. 2. § 110 J G G ; vgl. ferner § 85 Abs. 3 JGG). Um Rechtshilfe im techn. Sinn der §§ 156 ff. GVG handelt es sich bei dieser Zuständigkeitsübertragung nicht, sondern um die Aufgabe der Zuständigkeit und ihre Übertragung auf ein anderes Gericht. Das angegangene Gericht kann nach § 453 Abs. 2 StPO und den ihm nachgebildeten Vorschriften auch aus anderen als den in § 158 Abs. 2 GVG bezeichneten Gründen Bedenken gegen die Übernahme äußern, und es entscheidet dann nicht das in § 159 Abs. 1 bezeichnete Oberlandesgericht, sondern das gemeinschaftliche obere Gericht. c) Örtliche Zuständigkeit des ersuchten Gerichts. (Vgl. § 158 Anm. 4). — Die StPO sieht zwar an verschiedenen Stellen (z. B. in §§ 166. 173, 185, 223, 233. 453 a) die Mitwirkung eines ersuchten Gerichts ausdrücklich vor; sie hat aber keine allgemeine Vorschrift darüber aufgestellt, unter welchen Voraussetzungen die Übertragung einer Untersuchungshandlung von dem zuständigen Gericht auf ein anderes statthaft sein soll. Sie betrachtet es als selbstverständlich. daß das mit der Sache befaßte Gericht in der Regel auch alle einzelnen in dieser Sache erforderlichen Untersuchungshandlungen vorzunehmen hat. Die Übertragung einer Untersuchungshandlung auf ein anderes Gericht enthält eine Abweichung von der Regel und darf demgemäß, soweit sie nicht überhaupt durch die Mündlichkeit des Hauptverfahrens (vgl. §§ 250. 251, 332 StPO) ausgeschlossen ist, nur aus erheblichen Gründen stattfinden, also nur, wenn die Vornahme der Handlung durch das zuständige Gericht selbst mit einer unnötigen Erschwerung des Verfahrens oder mit einer unnötigen Vermehrung der Kosten verbunden sein würde (RGZ 67 419). Der Grund der Übertragung wird in den meisten Fällen der sein, daß die Handlung außerhalb des Bezirks des Gerichts vorzunehmen ist. Indes ist der Fall, daß ein Gericht eine Handlung dem Gericht eines anderen Bezirkes überträgt, nicht der einzige Fall der Rechtshilfe; vielmehr haben die Amtsgerichte auch den im Instanzenzuge vorgesetzten Gerichten Rechtshilfe zu leisten (vgl. z. B. §§ 223, 225 StPO). — Unangemessen ist es. wenn das Landgericht eine Beweisaufnahme dem an demselben Ort befindlichen Amtsgericht überträgt, statt sie durch eins der eigenen Mitglieder zu bewirken. Für ein solches Verfahren fehlt jeder sachliche Grund; es führt zu einer unnötigen Vermehrung der Arbeit, da sich der ersuchte Richter, um die Beweisaufnahme vornehmen zu können, über die Sache erst unterrichten muß. Insoweit enthält § 185 Satz 2 StPO einen Grundsatz von allgemeiner Bedeutung. 7. Zum Sprachgebrauch der StPO ist zu bemerken: a) Die Aufforderung zur Leistung der Rechtshilfe bezeichnet § 157 als „Ersuchen", auch wenn sie von einem vorgesetzten Gericht ausgeht (anders aber § 173 Abs. 3 StPO; vgl. dazu dort Anm. 4). b) Die StPO unterscheidet zwischen dem „ersuchten Richter" und dem „beauftragten Richter" (vgl. z. B. § 233 Abs. 2). Unter dem „ersuchten Richter" wird überall das Gericht verstanden, das einem anderen (nämlich dem mit der Sache befaßten) Gericht die Rechtshilfe

2909

V o r § 156 Anm. 8 , 9 § 1 5 6 Anm. 1

Gerichtsverfassungsgesetz

leisten und an Stelle dieses Gerichts eine Untersuchungshandlung vornehmen soll. Dagegen bezieht sich der Ausdruck „beauftragter Richter" lediglich auf den Fall, daß eine Untersuchungshandlung statt von dem mit der Sache befaßten Gericht selbst (dem „Kollegium") von einem einzelnen Mitglied dieses Gerichts in seinem Auftrag vorgenommen wird (BGHSt. 2 1). Wie sich hieraus ergibt, sind zwar die Ausdrücke „ersuchtes Gericht" und „ersuchter Richter" gleichbedeutend; dagegen kann statt „beauftragter Richter" nicht „beauftragtes Gericht" gesagt werden. 8. Ersuchen der Staatsanwaltschaft fallen nicht unter den Begriff und die Regeln der Rechtshilfe; nur für die Strafvollstreckung (§§ 162, 163) gilt eine Ausnahme (Begr. 90 und oben Anm. 6 a). Vgl. §§ 160, 161 und die Anm. das. Hier ist noch hervorzuheben: a) Die Anträge, die die Staatsanwaltschaft im Vorbereitungsverfahren bei den Amtsgerichten stellt (§ 162 StPO), sind nicht Ersuchen um Rechtshilfe, sondern um Amtshilfe (vgl. BVerfG NJW 1971 1308); wegen der Prüfungspflicht des Amtsrichters nach § 162 Abs. 2 StPO vgl. auch dort Anm. 8 ff. Dasselbe gilt in Steuerstrafsachen für die Ersuchen des Finanzamts (§ 421 Abs. 2 RAbgO) an das Amtsgericht, da hier das Finanzamt nach § 433 Abs. 1 RAbgO an die Stelle der Staatsanwaltschaft tritt. Wegen der Ersuchen der Verwaltungsbehörden an den Amtsrichter um Vornahme einer richterlichen Untersuchungshandlung im Bußgeldverfahren vgl. oben Anm. 3 d — Amtshilfeersuchen von Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft, abgesehen von dem besonders geregelten Falle der Strafvollstreckung (§§ 162, 163 GVG), sind nicht ausgeschlossen; die Begr. (90) bemerkt hierüber: „Ist der ersuchte Beamte dem ersuchenden untergeordnet, so entscheiden die allgemeinen Grundsätze über das Recht der Aufsicht und Leitung (§ 147). In allen anderen Fällen hat die ersuchte Staatsanwaltschaft selbständig ihre Zuständigkeit und die Gesetzmäßigkeit der verlangten Maßregel zu prüfen und, falls sie auf das Ersuchen eingeht, auch die Verantwortlichkeit für die Handlung zu übernehmen." Bei unbegründeter Ablehnung des Ersuchens ist die Beschwerde im Aufsichtsweg gegeben, nicht etwa Anfechtbarkeit nach §§ 23 ff. EGGVG. Es wird sich z. B. die eine Staatsanwaltschaft an die andere wenden können, wenn es sich um eine in einem anderen Bezirk polizeilich auszuführende Maßregel handelt und es darauf ankommt, daß ein besonders geeigneter Beamter mit der Ausführung betraut wird; hier kann die Rücksicht auf die zu treffende Auswahl für die ersuchende Staatsanwaltschaft ein Anlaß sein, statt unmittelbaren Ersuchens an die Polizeibehörde (§161 StPO) die Hilfe der Staatsanwaltschaft des Bezirks in Anspruch zu nehmen (vgl. dazu Anm. 3 zu § 164). 9. Wegen des Falles, daß ein Amtsgericht als Strafvollstreckungsbehörde (§ 451 Abs. 3 StPO) an ein anderes Amtsgericht ein Ersuchen richtet, s. Anm. 4 a zu § 159, Anm. 3 zu § 163.

§ 156 Die Gerichte haben sich in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in Strafsachen Rechtshilfe zu leisten. Entstehungsgeschichte: Entw. § 127. Schrifttum: S c h n e i d e r , Die Rechtshilfe gemäß §§ 156 bis 159 GVG in der Rechtsprechung, JVB1. 1969 241. 1. Umfang der Rechtshilfepflicht, a) § 156 regelt nur die Rechtshilfe zwischen deutschen Gerichten der BRD, und zwar die Rechtshilfe zwischen Gerichten der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit (vgl. Vorbem. 3 a, 6). b) § 156 gilt für Strafsachen nicht nur innerhalb der gerichtlichen Untersuchungen, sondern auch im Vorbereitungsverfahren (vgl. StPO § 166 Abs. 2). Zulässig (und nach § 158 nicht ablehnbar) ist auch das Ersuchen des Privatklagerichters, vor seiner Entscheidung nach § 383 Abs. 1 StPO den Beschuldigten oder Zeugen richterlich zu vernehmen (OLG Zweibrücken MDR 1966 353 = NJW 1966 385). Eine Zuständigkeitskonzentration nach § 58 schließt die Rechtshilfepflicht des Amtsgerichts, dem insoweit die Zuständigkeit entzogen ist, gegenüber dem Gericht des erweiterten Zuständigkeitsbereich nicht aus (OLG Düsseldorf JMB1. NRW 1968 115). 2910

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

§ 156 Anm. 2, 3

§§ 1 5 7 ; 1 5 8 2. Es macht keinen Unterschied, ob das Ersuchen von einem Gericht oder von einem einzelnen Richter, z. B. dem Untersuchungsrichter, ausgeht. 3. Zwangsbefugnisse, a) Bei Erledigung des Ersuchens stehen dem ersuchten Richter im allgemeinen dieselben Zwangsbefugnisse zu, die dem ersuchenden zugestanden haben würden, wenn dieser selbst in seinem Amtsbezirk die Handlung vorgenommen hätte (KG GA 59 474). Ausdrückliche Bestimmungen hierüber s. in § 51 Abs. 3, § 70 Abs. 3 StPO. Ein vom Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundener Zeuge, der vor dem ersuchten Richter nicht zur Vernehmung erscheint, kann auf Verlangen des Prozeßgerichts festgenommen und dem ersuchten Richter vorgeführt werden (BGH NJW 1973 204; OLG Hamburg GA 1968 375; Anm. 7 c zu § 233; weitere Nachw. aus älterer Zeit in Anm. 3 a der Vorauf].) b) Wenn die ordentlichen Gerichte verpflichtet sind, auf Ersuchen anderer Behörden (Vorbem. 2, 3 b) Zeugen zu vernehmen, steht ihnen Zeugniszwang nur zu, wenn die ersuchende Behörde selbst solche Zwangsbefugnisse hat oder dessen Ausübung durch das um Rechtshilfe ersuchte Gericht im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist (OLG Düsseldorf NJW 1957 1037).

§ 157 Das Ersuchen um Rechtshilfe ist an das Amtsgericht zu richten, in dessen Bezirk die Amtshandlung vorgenommen werden soll. Entstehungsgeschichte: Entw. § 128. Hierzu: VO d. RPräs. zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. 12. 1930 (RGBl. 1 517, 604) neunter Teil § 4; abgedr. zu § 58. 1. Amtsgericht. — Die Leistung der Rechtshilfe gehört stets ausschließlich zu dem Geschäftskreise der Amtsgerichte. 2. Wegen der örtlichen Zuständigkeit vgl. § 158 Anm. 4 sowie Vorbem. 6c vor § 156. 3. Aufgrund des neunten Teils § 4 der VO vom 1.12. 1930 wurde in Hamburg durch AV vom 1. 7. 1952 die Vernehmung mehrerer Personen in derselben Rechtssache dem AG Hamburg übertragen (vgl. RdErl. d. Hess. JustMin. vom 27. 3. 1952, JMB1. 59); im Bezirk des LG Berlin ist für die Erledigung von Rechtshilfeersuchen in Strafsachen das AG Tiergarten zuständig (§ 6 Berl. VO vom 4. 12. 1972, GVB1. 2301).

§ 158 (1) Das Ersuchen darf nicht abgelehnt werden. (2) Das Ersuchen eines nicht im Rechtszuge vorgesetzten Gerichts ist jedoch abzulehnen, wenn die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist. Ist das ersuchte Gericht örtlich nicht zuständig, so gibt es das Ersuchen an das zuständige Gericht ab. Entstehungsgeschichte: Entw. §129. Spätere Änderungen: § 158 Abs. 2 lautete ursprünglich: „ . . . ist jedoch abzulehnen, wenn dem ersuchten Gericht die örtliche Zuständigkeit mangelt oder die vorzunehmende Handlung . . . " Die in der Zeit nach 1945 in der britischen und amerikanischen Besatzungszone geltende Fassung des § 158 Abs. 2 sah im Anschluß an § 17 der 2. KriegsmaßnahmenVO vom 27. 9. 1944 (RGBl. I 229) bei örtlicher Unzuständigkeit aus Vereinfachungsgründen nicht die Ablehnung, sondern die Abgabe des Ersuchens an das zuständige Gericht vor. Diese Regelung hat das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 übernommen. 1. § 158 kennt, im Gegensatz zum früheren Recht (vgl. vor Anm. 1) nur noch einen förmlichen Ablehnungsgrund, nämlich „wenn die vorzunehmende Handlung nach dem 2911

Gerichtsverfassungsgesetz § 158 Anm. 1 Recht des ersuchten Gerichts verboten ist". Bei örtlicher Unzuständigkeit des ersuchten Gerichts erfolgt nicht mehr Ablehnung, sondern Abgabe des Ersuchens an das örtlich zuständige Gericht. a) Absatz 2 setzt nicht voraus, daß für die vorzunehmende Handlung in dem Bezirk des ersuchten Gerichts ein anderes Recht als in dem Bezirk des ersuchenden besteht. Vielmehr ist unter dem „Recht des ersuchten Gerichts" auch das Recht zu verstehen, das sowohl in dem Bezirk des einen wie in dem des anderen Gerichts gilt. Daher ist auch eine Ablehnung des Ersuchens aufgrund einer ¿««desrechtlichen Bestimmung, wenn diese von dem ersuchten Gericht anders als von dem ersuchenden aufgefaßt wird, möglich (OLG Dresden in A l s b e r g OLGE StProz. 1 Nr. 12; allgemeine Meinung). b) Verboten ist eine Handlung nicht nur dann, wenn ihre Vornahme im Gesetz ausdrücklich untersagt ist, sondern auch, wenn sie nach dem Sinn der gesetzlichen Bestimmungen unzulässig ist (RGZ 162 316; OLGe. Dresden HRR 1928 Nr. 2155; Frankfurt M D R 1952 499, Freiburg NJW 1953 834; vgl. auch BGH JZ 1952 230). Demgemäß ist z. B. die Vernehmung eines Beschuldigten als Zeugen oder die Beeidigung des Diebes in dem Verfahren gegen den Hehler verboten (OLG Dresden aaO.). Unzulässig ist, sofern nicht eine Zuständigkeitsübertragung nach § 126 Abs. 1 Satz 3 StPO erfolgt ist, das an das Amtsgericht des Haftorts gerichtete Ersuchen, eine vom Beschuldigten im Haftprüfungsverfahren beantragte mündliche Verhandlung im Weg der Rechtshilfe durchzuführen (OLG München MDR 1958 181; KG HRR 1964 267). Unzulässig ist ein Rechtshilfeersuchen, das seinem sachlichen Inhalt nach dem ersuchten Richter die Beurteilung von Fragen überträgt, die der Klärung durch einen Sachverständigen bedürfen oder deren Entscheidung allein dem Prozeßgericht obliegt (OLG Stuttgart, Die Justiz 1964 231). Die Ausführung eines Ersuchens nach § 223 StPO ist unzulässig, wenn die nach § 224 vorgeschriebene Benachrichtigung der Beteiligten nicht durchführbar ist, außer bei Gefahr im Verzug (OLG Dresden HRR 1928 Nr. 2155). Unzulässig ist (nach Eröffnung des Hauptverfahrens) das Rechtshilfeersuchen um Anordnung der Vorführung des Angeklagten, damit er eine Erklärung darüber abgebe, ob er von dem Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden wolle (KG GA 74 213, 306; OLG Hamburg M D R 1972 1050 = NJW 1972 2322; BGH NJW 1973 204). Justizverwaltungsanordnungen enthalten keine Verbote im Sinn des § 158, da sie keine Rechtsnormen sind (RGZ 69 375; LZ 1909 146). — Hält das ersuchte Gericht die nachgesuchte Handlung nur zum Teil für verboten, so berechtigt dies nicht zur Ablehnung des ganzen Ersuchens (OLG München NJW 1966 2125). c) Eine Ablehnung des Ersuchens ist aber nach h. M. nur statthaft, wenn die Handlung „schlechthin" (in abstracto) aus Rechtsgründen unzulässig ist. Ob sie in concreto zulässig ist, d. h. ob die gerichtlichen Voraussetzungen zu ihrer Vornahme im einzelnen Fall zutreffen, hat nur das ersuchende Gericht zu entscheiden (BGH LM Nr. 2 = JZ 1953 230 m. Anm. S c h w o e r e r ; OLGe. Dresden LZ 1927 1169; Celle NdsRpfl. 1956 171 = GA 1956 299; MDR 1966 781; München MDR 1966 852"; Frankfurt NJW 1957 29; Düsseldorf JMB1. NRW 1957 34; NJW 1959 299; Bremen GA 1962 344; Köln JMB1. N R W 1962 7; 1968 281; D a l c k e - F u h r m a n n - S c h ä f e r 2; Kl 2; B e r g MDR 1962 787). Gegenüber dieser h. M. werden verschieden weitgehend abweichende Meinungen vertreten. Nach E b S c h m i d t 12ff. besteht ein Prüfungsrecht des ersuchten Richters bei Ersuchen um eine mit Anwendung prozessualen Zwangs verbundene Handlung; s. dazu auch OLG Hamburg GA 1968 375 betr. Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Nach M ü l l e r S a x 4 b prüft er in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht selbständig, wenn von ihm der Erlaß einer Entscheidung, z. B. der Erlaß eines Durchführungs- oder Haftbefehls verlangt wird; wird er nur um die Ausführung einer Entscheidung des ersuchenden Richters angegangen, so ist er an dessen tatsächliche Annahmen, aber nicht an dessen Rechtsauffassung gebunden. Nach F r ö s s l e r NJW 1972 517 verstößt eine Bindung des ersuchten Richters gegen Art. 97 GG, wenn er eine Entscheidung treffen soll; gebunden ist er, wenn er nur eine Entscheidung des ersuchenden Richters ausführen soll. Demgegenüber ist an der h. M. festzuhalten. Denn der ersuchte Richter ist nur der „verlängerte Arm" des ersuchenden Gerichts (BGH JZ 1953 230; OLG Köln JMB1. NRW 1962 7) und befindet sich in der gleichen Lage wie der beauftragte Richter als Mitglied des Kollegialgerichts, der, nachdem das Kollegium beschlossen

2912

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

§ 158 Anm. 2

hat, bei der A u s f ü h r u n g des Auftrags seine eigenen Bedenken und Zweifel zurückstellen m u ß , solange nicht ein offensichtlicher Gesetzesverstoß vorliegt. W e n n demgegenüber geltend gemacht wird, der ersuchte Richter h a b e nicht anders wie der ersuchende in richterlicher Unabhängigkeit ausschließlich dem Recht zu folgen, Art. 97 G G könne durch § 158 nicht eingeschränkt werden, so trifft das nicht zu: die Bindung eines Gerichts an die Vorabentscheidung eines anderen Gerichts verstößt nicht gegen die richterliche Unabhängigkeit (vgl. A n m . VII zu § 1). D e r ersuchte Richter h a t auch weder das Recht noch die Pflicht, die tatsächlichen Voraussetzungen der von ihm begehrten Hilfeleistungen n a c h z u p r ü f e n , diese P r ü f u n g ist Sache des ersuchenden Richters ( O L G H a m m JMB1. N R W 1959 150). W e n n der ersuchte Richter Zweifel hat, o b der ersuchende Richter die Bedenken, die sich ihm (dem ersuchten) aufdrängen, erkannt und gewürdigt hat, so ist es ihm nicht verwehrt, j a sogar durch die Amtspflicht geboten, das ersuchende Gericht auf diese Bedenken hinzuweisen, namentlich, wenn sie auf U m s t ä n d e n beruhen, die erst nach Stellung des Rechtshilfeersuchens hervorgetreten sind. Beharrt dann aber das ersuchende Gericht auf der D u r c h f ü h r u n g des Ersuchens und übernimmt es damit die Verantwortung f ü r seine Gesetzmäßigkeit, so kann es dem ersuchten Richter — sofern nicht ein rechtliches Verbotensein der H a n d l u n g in dem vorerörterten Sinn vorliegt — nicht gestattet sein, seine A u f f a s s u n g über den Sachverhalt an die Stelle derjenigen des örtlich und sachlich z u r Entscheidung des Straffalles berufenen Gerichts zu setzen. d) Einzelfalle. Es darf z. B. das ersuchte Gericht ein Rechtshilfeersuchen nicht ablehnen, weil nach seiner A u f f a s s u n g die verfolgte H a n d l u n g unter ein Straffreiheitsgesetz fällt ( K G G A 67 460), oder weil ein als Zeuge zu vernehmender Beamter einer Aussagegenehmigung bedürfe ( O L G Schleswig S c h l H A 1968 168), weil ein zu vernehmender Sachverständiger mit Recht wegen Befangenheit abgelehnt werde ( A G Göttingen N d s R p f l . 1967 24); es darf die A n w e n d u n g der Z w a n g s h a f t gegen einen das Zeugnis verweigernden Zeugen nicht deshalb ablehnen, weil es, abweichend von der Ansicht des ersuchenden Gerichts, die Weigerung des Zeugen für gesetzlich begründet hält (vgl. § 70 S t P O A n m . 8 c ; L G N ü r n b e r g BayZ 1915 2 4 7 ; O L G K o l m a r ElsLothZ 41 4 1 8 ; S t e n g l e i n 4 ; von K r i e s 179; J o u r d a n L Z 1925 540; s. auch O L G Celle N d s R p f l . 1953 30; a. M. G l a s e r 2 2 7 8 ; D a l c k e in G A 45 4 0 7 ff.); erst recht nicht deshalb, weil es glaubt, der zu vernehmende Zeuge k ö n n e seine A u s s a g e verweigern ( O L G Dresden L Z 1927 1169). Ein Ersuchen um Beeidigung eines Zeugen kann der ersuchte Richter nicht ablehnen, weil er ihn im Gegensatz zu der A u f f a s s u n g des ersuchenden Gerichts als der Mittäterschaft verdächtig ansieht ( M ü l l e r - S a x 4 c ) . D e r g e m ä ß § 233 S t P O u m Vernehmung des Angeklagten oder nach § 223 um V e r n e h m u n g eines Zeugen ersuchte Richter darf die G e w ä h r u n g der Rechtshilfe nicht ablehnen, weil seiner Meinung die Voraussetzungen einer kommissarischen Vernehmung nicht vorliegen ( O L G e . Dresden J W 1930 2815; Celle G A 1956 2 9 9 ; Bremen G A 1962 344). D a s Ersuchen, den Angeschuldigten vor der Entscheidung über die E r ö f f n u n g des H a u p t v e r f a h r e n s zu hören (§ 202 Abs. 1 StPO), darf das ersuchte Gericht nicht deshalb ablehnen, weil nach seiner A u f f a s s u n g zuvor die Anklageschrift nach § 2 0 1 hätte mitgeteilt werden müssen ( O L G Celle M D R 1966 781). Ausnahmsweise soll eine generell (in abstracto) zulässige M a ß n a h m e „verboten" sein, wenn das Ersuchen um ihre V o r n a h m e ganz offensichtlich auf einer rechtsfehlerhaften Ermessensausübung des ersuchenden Richters beruhe (so O L G K ö l n G A 1953 186). A b e r eine solche N a c h p r ü f u n g überschreitet die bewußt eng gehaltenen G r e n z e n des § 158 Abs. 2 (ebenso O L G Celle G A 1956 2 9 9 ; M ü l l e r - S a x 4 c ; offengelassen von O L G H a m m JMB1. N R W 1964 4). D a s gilt auch für die noch weiter gehende A u f f a s s u n g einzelner O L G e . , ein Rechtshilfeersuchen sei unzulässig, weil die H a n d l u n g „ n a c h den Umständen des konkreten Falles" offensichtlich verboten sei (vgl. O L G M ü n c h e n N J W 1966 2 1 2 6 ; Rpfleger 1973 19; weitere N a c h w . bei S c h n e i d e r JVB1. 1969 241, 243)*). - D a ß ein „verboten sein" einer Zeugenvernehmung nicht schon deshalb a n g e n o m m e n werden k a n n , weil die den Gegenstand der Vernehmung bildende T a t nach d e m Recht des ersuchten Gerichts nicht s t r a f b a r ist, ist selbstverständlich (vgl. H e l b e r D J Z 1905 732). 2. a) „Nicht abgelehnt" werden darf das Ersuchen, wenn es von einem vorgesetzten Gericht ausgeht. M a n hielt es, wie die Begr. (91) bemerkt, nicht für angemessen, das vorge*)Zur Verwertung dieses Gedankens im Fall des § 115a StPO vgl. S e e t z e n NJW 1972 1889; E n z i a n NJW 1973 840.

2913

§ 158

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 3 , 4 setzte Gericht gegenüber dem ersuchten Amtsrichter auf den Beschwerdeweg zu verweisen (vgl. § 159 Anm. 6). Wie sich hieraus ergibt, ist die Ablehnung des Ersuchens nicht nur unzulässig, wenn das vorgesetzte Gericht in seiner Eigenschaft als Rechtsmittelgericht das Ersuchen stellt, wenn also die Sache bei ihm im Verfahren höherer Instanz anhängig ist, sondern auch, wenn das ersuchende Gericht (das Landgericht und in den Fällen des § 120 das Oberlandesgericht) als Gericht erster Instanz mit der Sache befaßt ist. Im Widerspruch zu Wortlaut und Sinn des Gesetzes ist aber nach E b S c h m i d t 29, 30 und — mit Einschränkungen — nach M ü l l e r - S a x 5 auch hier (vgl. Anm. 1 c) der ersuchte Richter nicht schlechthin zur Ausführung des Rechtshilfeersuchens verpflichtet, sondern ablehnungsberechtigt, wenn er bei einem Ersuchen um Anordnung oder Ausführung von Zwangsmaßnahmen die gesetzlichen (tatsächlichen oder rechtlichen) Voraussetzungen für die Rechtshilfehandlung nicht als gegeben ansieht. b) „Im Rechtszuge vorgesetzt" ist, außer dem Bundesgerichtshof, nur das Oberlandesgericht und Landgericht, zu dessen Bezirk das ersuchte Amtsgericht gehört (h. M.); die Bestimmung ist nicht etwa, wie sie früher vereinzelt ausgelegt wurde ( v o n S c h w a r z e 90) so aufzufassen, als ob jedes deutsche Oberlandesgericht oder Landgericht jedem deutschen Amtsgericht vorgesetzt wäre. — Vgl. noch Anm. 6. 3. Ablehnung aus anderen Gründen. Aus einem anderen als dem in § 158 bezeichneten Grund darf das Ersuchen nicht abgelehnt werden, also namentlich nicht, weil das ersuchte Gericht die Handlung für überflüssig oder unzweckmäßig hält oder ihre Übertragung als unstatthaft oder ungehörig ansieht und der Ansicht ist, daß sie von dem ersuchenden Gericht selbst oder von einem beauftragten Richter vorgenommen werden müsse (vgl. z. B. R G Z 67 419, 420, 69 274 a. E.. 95 288, K G LZ 1918 342, OLG Stuttgart in A l s b e r g O L G E StrProz. 1 Nr. 11, O L G MünchenSt. 9 85, M D R 1966 852. O L G Jena H R R 1930 Nr. 56 = JW 1930 81; OLGe. Celle Nds. Rpfl. 1952 151; 1953 30; Düsseldorf M D R 1955 426; JMB1NRW 1968 115; Hamm JMB1NRW 1962 204; Hamburg G A 1968 375). Ist z. B. im Fall des § 45 J G G der örtlich und sachlich zuständige Jugendrichter bereit, einer Anregung des Staatsanwalts entsprechend eine Ermahnung auszusprechen, und ersucht er den Jugendrichter des Bezirks, in dem sich der Jugendliche aufhält, im Wege der Rechtshilfe, die Ermahnung mündlich auszusprechen, so kann dieser das Ersuchen nicht mit dem Hinweis auf die Möglichkeit einer schriftlichen Erteilung der Ermahnung ablehnen ( O L G Hamm G A 1969 251). Auch Überlastung des ersuchten Gerichts ist kein Ablehnungsgrund ( O L G Hamm M D R 1971 69), ebenfalls nicht die Befürchtung, daß bei Vernehmung eines kranken Zeugen die Vernehmungspersonen angesteckt werden könnten (OLG Nürnberg M D R 1968 946). Ein Rechtshilfeersuchen um Vernehmung soll aber nach O L G Schleswig M D R 1955 298 abgelehnt werden können, wenn es nur die Aufklärung völlig neben der Sache liegender Tatsachen bezweckt. Aber das läuft (vgl. das Anm. 1 d am Ende Ausgeführte) auf eine Nachprüfung des Ermessens des ersuchenden Gerichts hinaus, die § 158 Abs. 2 gerade grundsätzlich ausschließen will (ebenso E b S c h m i d t 22). Das ersuchte Gericht ist nicht dazu da, das ersuchende Gericht zu belehren, wenn dieses Tatsachen für erheblich hält, die nach Auffassung des ersuchten Gerichts für die Sachentscheidung unerheblich sind. 4. a) Das ersuchte Gericht ist örtlich nicht zuständig, wenn der Ort, der für die Vornahme der Rechtshilfehandlung bestimmend ist, nicht im Bezirk des ersuchten Gerichts liegt. Gewisse Handlungen, wie die Einnahme eines Augenscheins und die Durchsuchung, aber auch eine Vernehmung „an Ort und Stelle" sind ihrer Natur nach an einen bestimmten Ort gebunden. Betrifft das Ersuchen die Vernehmung einer Person, so ist regelmäßig der Wohnort (RG J W 1912 305), daneben aber auch der — nicht notwendig dauernde, sondern auch vorübergehende — Aufenthaltsort maßgebend, z. B. wenn ein Zeuge tagsüber außerhalb seines Wohnorts im Bezirk des ersuchten Gerichts beschäftigt ist, wenn er sich im Krankenhaus aufhält, oder wenn ein sonst auf Fahrt befindlicher Schiffer vorübergehend einen bestimmten Hafen anläuft (OLG Hamm MDR 1957 437). Ist das Ersuchen auf Gegenüberstellung oder eine aus anderen Gründen zweckmäßig gleichzeitige Vernehmung mehrerer Personen gerichtet, die sich nicht sämtlich im Bezirk des ersuchten Gerichts befinden, so muß dieses auch die außerhalb seines Bezirks befindlichen vor sich laden (OLG Hamm JMB1. N R W 1959 150). Stets muß jedoch ein „besonderer" Grund vorhanden sein, der die Vernehmung der 2914

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

§ 158 Anm. 4

sich außerhalb des Gerichtsbezirks aufhaltenden Personen durch das zuständige Gericht rechtfertigt ( R G J W 1912 305). So kann z. B. bei Zeugen, die im Ausland wohnen, ausnahmsweise zur Vermeidung eines verzögerlichen oder sonst mit erheblichen Schwierigkeiten verbundenen Rechtshilfeverkehrs mit dem Ausland ein grenznahes Amtsgericht um Vernehmung solcher Zeugen ersucht werden, die bereit sind, sich bei ihm einzufinden ( O L G München N J W 1962 56). Ein „besonderer" G r u n d soll aber nach R G J W 1912 305 nicht schon darin liegen, daß die zu vernehmenden Personen zu dem ersuchten Gericht eine günstigere Verkehrsverbindung (kürzere, bequemere oder billigere Eisenbahnfahrt usw.) haben als zu einem anderen Gericht. Diese Auffassung ist mit den heutigen Vorstellungen über die gebotene Rücksichtnahme auf den Zeugen und seine Zeitversäumnis nicht vereinbar (ebenso M ü l l e r - S a x 2 zu § 157; E b S c h m i d t 28). Vgl. zu der Frage der Zuständigkeit bei Rechtshilfeersuchen um Vernehmung von Auskunftspersonen noch das ausführliche Gutachten des K G vom 17. 7. 1925 (pr. JMB1. 391 = J W 1925 2494) sowie § 162 StPO Anm. 4; s. auch K G H R R 1929 Nr. 1976). b) Unter mehreren örtlich zuständigen Amtsgerichten hat das ersuchende Gericht die Wahl. Das ersuchte A G kann dann das Ersuchen nicht ablehnen oder an ein anderes, ebenfalls örtlich zuständiges A G abgeben, weil die Erledigung durch dieses zweckmäßiger geschehen könne ( O L G H a m m N J W 1956 1446; E b S c h m i d t 27). c) Gibt das ersuchte Gericht das Ersuchen wegen örtlicher Unzuständigkeit ab (Absatz 2 Satz 2), so ist das Gericht, an das abgegeben wird, an die Auffassung des abgebenden Gerichts nicht gebunden. Es kann seine eigene örtliche Zuständigkeit verneinen, und wenn es ein drittes Gericht für zuständig hält, das Ersuchen an dieses abgeben; es kann auch, wenn es der Meinung ist, daß das ersuchte Gericht seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht verneint habe, das Ersuchen an dieses zurückgeben. Die letztere Handhabung ist aber, da negative Zuständigkeitsstreitigkeiten unerfreulich sind und das Verfahren verzögern, nur angezeigt, wenn die örtliche Zuständigkeit des abgebenden und die Unzuständigkeit des zweiten Gerichts außer Zweifel sind; bloße Bedenken sollte das zweite Gericht im Interesse der Sache unterdrücken. Erfolgt aber eine Rückgabe, so muß nunmehr der zuerst ersuchte Amtsrichter, da eine Abgabe nach Absatz 2 Satz 2 sich als nicht möglich erwiesen hat, nach Absatz 1 aber eine Ablehnung des Ersuchens (außer im Fall des Absatzes 2 Satz 1) nicht möglich ist, dem Ersuchen entsprechen (a. M. M ü l l e r - S a x 6 a . die eine Ablehnung zulassen wollen, wenn das ersuchende Gericht auf seinem Ersuchen und der ersuchte 1. Richter bei seiner Auffassung, er sei unzuständig, beharrt). Das Ersuchen eines im Rechtszug vorgesetzten Gerichts darf das Amtsgericht — anders als nach dem früher geltenden Recht, wo es dem Ersuchen grundsätzlich entsprechen mußte und allenfalls Gegenvorstellungen erheben konnte — bei örtlicher Unzuständigkeit ebenfalls abgeben (a. M. M ü l l e r - S a x 6c, E b S c h m i d t 29). Eine solche Abgabe wird sich aber auf die Fälle beschränken müssen, in denen das vorgesetzte Gericht irrtümlich, insbes. in Unkenntnis von Umständen, die eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit bewirkten, sein Ersuchen an das betreffende Amtsgericht gerichtet hat. Hat das vorgesetzte Gericht in Kenntnis der für die örtliche Zuständigkeit maßgeblichen Umstände das ersuchte Gericht als zuständig angesehen, so entspricht eine Abgabe wegen örtlicher Unzuständigkeit an ein anderes Gericht, weil das ersuchte Amtsgericht entgegen der Auffassung des vorgesetzten Gerichts seine örtliche Zuständigkeit verneint, nicht den Absichten des Gesetzgebers, die zu der Änderung des § 158 Abs. 2 geführt haben. Wie die amtl. Begr. zu Art. I Nr. 66 des Entw. des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 ergibt, war lediglich an eine Vereinfachung des früheren Rechts gedacht: „Das Rechtshilfeersuchen darf von dem örtlich unzuständigen ersuchten Gericht nicht mehr wie früher kurzer H a n d abgelehnt werden, sondern muß an das zuständige Gericht abgegeben werden." Eine Ablehnung „kurzer H a n d " wegen örtlicher Unzuständigkeit war aber früher nur bei Ersuchen des nicht im Rechtszug vorgesetzten Gerichts möglich; demnach sollte die Änderung des Absatzes 2 sich grundsätzlich nur auf Ersuchen eines solchen Gerichts beziehen. D a s ist zwar in der Gesetz gewordenen Fassung nicht zum Ausdruck gebracht. Wenn aber das ersuchte Gericht sogar eine Handlung vornehmen muß, die es als „verboten" ansieht, falls das im Rechtszug vorgesetzte Gericht darum ersucht, so ergibt sich a maiore ad minus, daß es auch der Auffassung des vorgesetzten Gerichts über die örtliche Zuständigkeit (falls sie nicht erkennbar auf einem Irrtum über die für die örtliche Zuständigkeit maßgeblichen Umstände beruht) Rechnung tragen muß.

2915

§ 1 5 8 Anm. 5 , 6 § 1 5 9 Anm. 1

Gerichtsverfassungsgesetz

5. Ersuchen um andere Handlungen — Wird die Mitwirkung eines Gerichts für eine Handlung in Anspruch genommen, die überhaupt nicht in den Bereich der Rechtshilfe fallt (vgl. oben Vorbem. 6 a vor § 156) und für die also jene Mitwirkung überflüssig ist, so würde das ersuchte Gericht sie allerdings abzulehnen befugt sein; indes wird sich selbst in derartigen Fällen die Bereitwilligkeit zur Hilfeleistung, wo sie aus verständlichen Gründen erbeten wird, unter dem Gesichtspunkt der Amtshilfe, die sich alle Behörden gegenseitig zu leisten haben (vgl. Vorbem. 1 vor § 156), empfehlen. — Zu diesen Fällen gehört das Ersuchen um Vollstreckung eines Haftbefehls im Hinblick auf § 160 (RGSt. 26 338) sowie um Zuführung eines Verhafteten vor das verhandelnde Gericht (SächsOLG 24 293, F e i s e n b e r g e r 128), um mündliche Bekanntgabe eines Strafaufschubs (KG DStrZ 4 437, OLG Kiel ZStW 46 234) oder dessen Ablehnung (KG DJZ 1919 941), um Erledigung einer Zustellung (OLG Dresden in A l s b e r g OLGE StrProz. 1 Nr. 17), um die Auswahl eines Pflegers aus den im Bezirks des ersuchten Gerichts wohnhaften Personen (OLG Jena RsprOLG 5 261); um die Weiterleitung von Akten (OLG Köln JMB1. NRW 1962 99) und das Ersuchen, einen Urkungsbeamten und Zimmer zur Vornahme von Vernehmungen zur Verfügung zu stellen (OLG Hamburg V ZS Beschl. vom 2. 2. 1927; RG Beschl. vom 15. 2. 1972 1 TB 14/27). Dagegen gehört nicht hierher das Ersuchen, eine Durchsuchung richterlich auszuführen; denn auch die Ausführung dieser Maßregel gehört in den Kreis der richterlichen Handlungen, wenngleich bei ihr die Mitwirkung des Richters nicht notwendig ist (vgl. § 105 StPO und die Anm. das.). Ob die richterliche Ausführung erforderlich ist, ist Sache des Ermessens im einzelnen Falle, und dieses Ermessen steht nur dem ersuchenden Gericht zu. Daher darf das Ersuchen nicht deshalb abgelehnt werden, weil nach Ansicht des ersuchten Gerichts die Mitwirkung des Richters im vorliegenden Falle nicht erforderlich sei. 6. Für die Voruntersuchung wird § 158 durch § 185 Satz 2 StPO eingeschränkt; s. dort Anm. 11.

§ 159 (1) Wird das Ersuchen abgelehnt oder wird der Vorschrift des § 158 Abs. 2 zuwider dem Ersuchen stattgegeben, so entscheidet das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das ersuchte Gericht gehört. Die Entscheidung ist nur anfechtbar, wenn sie die Rechtshilfe für unzulässig erklärt und das ersuchende und das ersuchte Gericht den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte angehören. Über die Beschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof. (2) Die Entscheidungen ergehen auf Antrag der Beteiligten oder des ersuchenden Gerichts ohne mündliche Verhandlung. Entstehungsgeschichte: Entw. § 130. 1. Zu Absatz 1. Satz 1 handelt nur von der Anfechtung der Entschließung, die das ersuchte Gericht über die rechtliche Zulässigkeit der beanspruchten Rechtshilfe faßt. Lehnt das ersuchte Gericht, ohne die rechtliche Zuständigkeit zu bezweifeln, aus anderen Gründen ab, z. B. wegen Überlastung oder weil die Vernehmung eines Tbc-Kranken Zeugen mit Ansteckungsgefahr für den Richter und Urkundsbeamten verbunden und ausreichende Sicherungsvorkehrungen nicht möglich seien, so bleibt nur der Weg der Dienstaufsichtsbeschwer de (OLG Nürnberg MDR 1968 946 = JVB1. 1968 234). Aus dem Wortlaut des Satzes („so entscheidet") ist nicht zu folgern, daß die Entscheidung des Oberlandesgerichts auch ohne Anfechtung einzuholen ist. Wenn dem Ersuchen stattgegeben wird, versteht sich von selbst, daß die Nachprüfung nur mittels ausdrücklicher Anfechtung erreicht werden kann; dasselbe gilt aber auch bei Ablehnung des Ersuchens. — Die Anfechtung geschieht mittels Beschwerde; aus welchem Grund der Gesetzgeber die Bezeichnung „Beschwerde" nur für die Anfechtung der Entscheidung des Oberlandesgerichts anwendet, ist nicht ersichtlich, da zwischen dem einen und dem anderen Fall der Anfechtung kein sachlicher Unterschied besteht. Übrigens handelt es sich hier nur um eine Beschwerde im weiteren Sinn, nicht um eine Prozeßbeschwerde im Sinn der Prozeßordnungen (h. M.; vgl. RGZ 64 180; Begr. 91; H a h n , Materialien zum GVG 170; E b S c h m i d t 4; B a u m b . - L . 1; S t ö b e r Rpfleger 1973 83, 86. Abw. Meinungen früher bei F e r d i n a n d , Das Rechtsmittel der Beschwerde im heutigen 2916

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

§ 159 Anm. 2—4

deutschen Strafprozeß 1908 (Freib. Abh. Heft 15) 29 Text und Anm. 68, 68a; von K r i e s , Lehrbuch 694 Anm. 3). 2. Die „Ablehnung des Ersuchens" umfaßt auch den Fall, daß über die Ausführung des Ersuchens Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Gerichten besteht; denn eine „dem Ersuchen nicht völlig entsprechende Ausführung enthält eine teilweise Ablehnung" (Begr. 91; BGH NJW 1958 1310; OLGe. Darmstadt H R R 1932 Nr. 1106; Naumburg DJ 1943 142). Eine Ablehnung liegt also z. B. vor bei unzureichender Erledigung eines Antrags auf Vernehmung eines Sachverständigen (KG Recht 1929 Nr. 839). Die Weitergabe des Rechtshilfeersuchens an ein anderes Gericht wurde unter der Herrschaft des § 158 Abs. 2 a. F. als Ablehnung angesehen (KG HRR 1929 Nr. 1976). Das muß auch heute gelten, wenn das ersuchte Gericht das Ersuchen gemäß § 158 Abs. 2 Satz 2 abgibt, denn das ersuchende Gericht kann z. B. im Einzelfall ein Interesse daran haben, daß die Vernehmung eines Zeugen vor einem bestimmten Gericht stattfindet (vgl. Anm. 4 a zu § 158). Jedenfalls liegt aber eine Ablehnung i. S. des § 159 vor, wenn das ersuchte Gericht entgegen der Auffassung des im Rechtszug vorgesetzten Gerichts seine örtliche Zuständigkeit verneint, und ebenso, wenn der ersuchte Richter sich auf örtliche Unzuständigkeit beruft, eine Abgabe nach § 158 Abs. 2 Satz 2 aber am Widerspruch des Gerichts, an das abgegeben werden sollte, gescheitert ist (vgl. Anm. 4 c zu § 158). Eine Teilablehnung liegt auch vor, wenn über die Pflicht zur Tragung der Kosten Streit entsteht, z. B. das ersuchte Gericht zwar dem Ersuchen um Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen entspricht, aber die Tragung der Kosten ganz oder teilweise verweigert oder zwar anerkennt, daß es nach § 164 zur Tragung der Kosten verpflichtet ist, aber (zu Unrecht) glaubt, daß die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung nach § 16 ZuSEG nicht mehr in den Bereich der zu leistenden Rechtshilfe falle (vgl. RGSt. 24 1; BGH NJW 1958 1310 = Rpfleger 1958 312). Dagegen liegt keine Teilablehnung vor, wenn nur ein Streit über die Höhe der durch die Ausführung des Ersuchens entstandenen Auslagen (soweit solche überhaupt zu erstatten sind) besteht (OLG Hamm JMB1. NRW 1955 139). Jedenfalls muß ersichtlich sein, daß das ersuchte Amtsgericht dem Ersuchen ganz oder teilweise nicht entsprechen will. Eine Bitte oder ein Vorschlag wegen einer anderweitigen Erledigung genügt nicht, um die Beschwerden zu begründen (OLG Kolmar in A l s b e r g OLGE StrProz. 1 Nr. 20). — Abhilfe gegen Verzögerungen oder sonstige Unregelmäßigkeiten ist nicht auf dem Wege des § 159, sondern durch Anrufung der dem ersuchten Gericht vorgesetzten Aufsichtsbehörde herbeizuführen. 3. Eine Beschwerde darüber, daß dem § 158 Abs. 2 zuwider dem Ersuchen stattgegeben worden sei, war im Entwurf nicht vorgesehen; dieser ging davon aus, daß eine solche Beschwerde das Gebiet der Rechtshilfe nicht berühre, sich vielmehr in Wahrheit gegen die Anordnung des ersuchenden Gerichts wende und daß deshalb das diesem Gericht vorgesetzte Gericht zur Entscheidung über sie berufen sei. Dieser Auffassung ist die RTK nicht beigetreten. Die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen die Anordnung des ersuchenden Gerichts wird aber von § 159 nicht berührt. Vgl. Anm. III 3 zu § 304 StPO. Solange sie nicht durch Rechtsmittel beseitigt ist, ist die verbotswidrig vorgenommene Handlung wirksam ( S c h n e i d e r JVB1. 1969 242). 4. a) Der hier bestimmte Rechtsmittelzug ist insofern außergewöhnlich, als die Beschwerde über das Amtsgericht nicht an das Landgericht (§ 73), sondern an das Oberlandesgericht geht, und als unter gewissen Voraussetzungen noch eine weitere Beschwerde an den Bundesgerichtshof (vgl. § 139) zugelassen ist. Dieser Rechtsmittelzug greift aber nur in den Fällen der §§ 156, 157, d. h. nur dann Platz, wenn es sich um ein innerhalb der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit von Gericht zu Gericht ergangenes Ersuchen handelt (vgl. oben Vorbem. 3 a, 6 a, 9 vor § 156) oder wo in anderen Fällen § 159 für (entsprechend) anwendbar erklärt ist, wie z. B. in § 39 Abs. 2, § 42 Satz 2 des Deutschen Auslieferungsges. bei der Rechtshilfe in Strafsachen gegenüber dem Ausland, in § 13 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsges. betr. Rechtshilfepflicht der Amtsgerichte gegenüber den Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit, § 5 Abs. 3 des Sozialgerichtsges. betr. Rechtshilfepflicht der Amtsgerichte gegenüber den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in § 317 Lastenausgleichsges. betr. Ersuchen der Lastenausgleichsbehörden oder ihrer Ausschüsse um eidliche Vernehmung von Zeugen durch die Amtsgerichte (KG NJW 1957 1239; OLG Hamm JMB1. NRW 1964 4; s. Vor2917

§ 159 Anm. 5—7

Gerichtsverfassungsgesetz

bem. 3d vor § 156). Außerhalb dieser Fälle ist die unmittelbare Anrufung des Oberlandesgerichts und insbesondere die Anrufung des Bundesgerichtshofs unstatthaft (h. M.; z. B. OLG MünchenSt. 8 284, RGZ 102 369, OLG Dresden DRZ 1932 Nr. 774; OLG Hamm vom 19. 11. 1954 DRspr. IV 478 Bl. 81; für das Ersuchen der - nach früherem Recht mit einem Verwaltungsstrafverfahren befaßten Finanzbehörde RGSt. 19 438, K G HRR 1930 Nr. 1566). Landesrecht enthält mitunter eine dem § 159 entsprechende Regelung, daß über die Beschwerde anderer als gerichtlicher Behörden wegen einer vom Gericht verweigerten Beistandsleistung (Amtshilfe) das Oberlandesgericht entscheidet (vgl. Vorbem. 3 d vor § 156), so z. B. § 87 Abs. 2 preuß. AGGVG i. d. F. des Art. 130 preuß. F G G (vgl. dazu OLG Köln HRR 1932 Nr. 1580). Streitig ist, ob solche Vorschriften auch gelten, wenn es sich um eine bundesgesetzlich geregelte Angelegenheit handelt und die Verpflichtung des Amtsgerichts zur Amtshilfe im Rahmen dieser Regelung durch Bundesgesetz begründet ist (Übersicht über den Stand der Meinungen bei OLG Hamm vom 19. 11. 1954 DRspr. IV 478 Bl. 81 und bei OLG Düsseldorf NJW 1957 1037); die Frage ist mit OLG Hamm JVB1. 1970 179 zu bejahen (s. auch Vorbem. 3d vor § 156). Unanwendbar ist § 159 insbesondere auch, wenn ein Amtsgericht als Strafvollstreckungsbehörde (§ 451 Abs. 3 StPO) an ein anderes Amtsgericht ein Ersuchen um Strafvollstreckung gerichtet hat (GVG § 163 Anm. 3); hier ist, ebenso wie in dem Fall eines an die Staatsanwaltschaft gerichteten Ersuchens (§ 163 Anm. 6), nur die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde statthaft (RGSt. 20 101; RGZ 33 426; RG BayZ 1927 124; R G Beschl. vom 26. 10. 1926 10 TB 77/26; K G GA 56 344, DJZ 1919 941; BayObLGSt. 13 107; OLGe Kiel in A l s b e r g OLGeE StrProz. 1 Nr. 14b; Breslau ZStW 47 Beil. 35; Celle LZ 1929 137 = GA 73 274; Düsseldorf DRZ 1934 Nr. 427). b) Andere Rechtsbehelie. Die vorbezeichnete (a) Abweichung von dem sonstigen Rechtsmittelzug beschränkt sich auf die beiden im § 159 vorgesehenen Fälle. Wird z. B. von einer durch die Verfügung des Amtsgerichts betroffenen Person darüber Beschwerde geführt, daß das Gericht bei der (zulässigen und deshalb an sich nicht angefochtenen) Erledigung des Ersuchens eine ungesetzliche Anordnung erlassen habe, so bewendet es bei § 73 GVG; die Beschwerde geht an das Landgericht. 5. Die Beschwerde an den Bundesgerichtshof findet nur statt, wenn die beiden in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen, Ablehnung des Ersuchens und Verschiedenheit des Oberlandesgerichtsbezirks, zusammentreffen (RGZ 33 426). Wo die Verpflichtung der Gerichte zur Leistung der Rechtshilfe nicht auf § 156 ff. GVG, sondern auf Landesrecht beruht, gibt es gegen ablehnende Beschlüsse der OLG keine Beschwerde an den Bundesgerichtshof (RG vom 17. Juni 1933 1. TB 49/33, BayZ 1934 210; OLG Köln HRR 1932 Nr. 1580), es sei denn, daß Landesrecht gemäß § 99 G G den Weg zum BGH eröffnete. 6. Geht das Ersuchen von einem im Rechtszug vorgesetzten Gericht aus, so kann, da die Ablehnung des Ersuchens unstatthaft ist, auch keine Beschwerde darüber erhoben werden, daß dem Ersuchen stattgegeben worden sei. Sollte aber das Ersuchen abgelehnt werden, weil der Amtsrichter sich trotz des Gesetzeswortlauts dazu für befugt erachtet (vgl. Anm. 2 a zu § 158), so ist auch hier der Beschwerdeweg nach § 159 gegeben. Die früher vertretene Auffassung, daß solche Fälle nur im Aufsichtsweg zu erledigen seien (vgl. Nachweise in Anm. 6 der 20. Aufl. und jetzt noch M ü l l e r - S a x 5) entspricht nicht der heutigen Rechtslage (vgl. § 26 Abs. 1 DRiG). Ebenso liegt es, wenn das Rechtshilfeersuchen des vorgesetzten Gerichts wegen örtlicher Unzuständigkeit abgegeben wird, da hier — abweichend von dem früheren Recht — eine Bindung des ersuchten Gerichts an das Rechtshilfeersuchen nicht mehr ausdrücklich vorgeschrieben ist (vgl. Anm. 4 c zu § 158, Anm. 2 zu § 159). 7. Zu Absatz 2. Beschwerdeberechtigter Beteiligter ist bei gesetzwidriger Stattgabe jeder beschwerte Prozeßbeteiligte (Staatsanwalt, Beschuldigter usw., nicht aber das ersuchende Gericht). Bei Ablehnung des Ersuchens sahen frühere Auflagen (vgl. Anm. 7 der 20. Aufl.) nur das ersuchende Gericht als beschwerdeberechtigt an, doch sollten die „Beteiligten", wenn das ersuchende Gericht die Erhebung der Beschwerde unterläßt, geeignetenfalls wegen dieser Unterlassung über das ersuchende Gericht Beschwerde führen können. Mit Recht ist dagegen eingewendet worden, daß ein solcher Umweg nicht sinnvoll sei. Es ist daher außer dem ersuchenden Gericht auch hier jeder sonstige Prozeßbeteiligte, der durch die Nichtaus2918

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

§ 160 Anm. 1—4

führung des Ersuchens beschwert ist, insbesondere wenn er durch entsprechende Anträge auf den Erlaß des Rechtshilfeersuchens hingewirkt hat, als beschwerdeberechtigt anzusehen (so M ü l l e r - S a x 2b; wohl auch Kl 1; einschränkend E b S c h m i d t 8). Ein Zeuge, der vernommen werden sollte, ist aber nicht deshalb beschwerdeberechtigt nach Absatz 2, weil er nach Ablehnung des Rechtshilfeersuchens mit seiner Vernehmung vor dem Prozeßgericht zu rechnen hat. Vgl. noch § 39 Abs. 2, § 42 Satz 2 DAG, wonach bei ausländischen Ersuchen um Rechtshilfe durch Herausgabe von Gegenständen und in anderer Weise als durch Aus- und Durchlieferung die Entscheidungen nach § 159 GVG auf Antrag des Generalstaatsanwalts erfolgen. — Nach einer in der Praxis verbreiteten Meinung (OLG Hamburg DStrZ 4 374, KG HRR 1929 Nr. 1976) soll auch das ersuchte Gericht, das das Ersuchen nicht ausführen will, zuständig sein, die Entscheidung des Oberlandesgerichts anzurufen. Diese Auslegung steht mit dem Wortlaut des Gesetzes in Widerspruch. Auch ist für eine solche Befugnis des ersuchten Gerichts kein praktisches Bedürfnis ersichtlich (ebenso E b S c h m i d t 10).

§ 160 Vollstreckungen, Ladungen und Zustellungen werden nach Vorschrift der Prozeßordnungen bewirkt ohne Rücksicht darauf, ob sie in dem Land, dem das Prozeßgericht angehört, oder in einem anderen deutschen Land vorzunehmen sind. Entstehungsgeschichte: Entw. § 131. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. 1318). 1. Grundgedanke. § 160 enthält eine besondere Anwendung der allgemeinen Grundsätze, auf denen das GVG und die Prozeßordnungen beruhen (vgl. oben Vorbem. 6 a vor § 156); er spricht aus, daß zur Bewirkung der hier bezeichneten Handlungen regelmäßig keine Mitwirkung des Gerichts, in dessen Bezirk sie vorgenommen werden sollen, erforderlich ist. „Eine ausdrückliche Bestimmung in dieser Beziehung erschien zweckmäßig, um dem bisher geltenden Rechts gegenüber (§§3—12, 20, 40 des Rechtshilfeges. vom 21. 6. 1869) jeden Zweifel darüber zu beseitigen, daß es bei Ladungen, Zustellungen und Vollstreckungen des Ersuchens um Rechtshilfe nicht bedarf' Begr. 92). Das ersuchte Gericht ist daher in solchen Fällen zur Ablehnung des Ersuchens berechtigt (RGSt. 26 338, OLG München BayZ 1916 233, 234; s. aber Anm. 5 zu § 158). 2. Überall, wo eine Tätigkeit des Gerichtsvollziehers erforderlich ist, hat sie das mit der Sache befaßte Gericht, die Staatsanwaltschaft oder der Prozeßbeteiligte (vgl. StPO § 220 Abs. 1, § 386 Abs. 2) durch unmittelbaren Auftrag zu veranlassen, ohne Rücksicht darauf, ob das Gericht oder die Staatsanwaltschaft und der Gerichtsvollzieher demselben deutschen Land angehören oder nicht. Wegen der Mitwirkung des Urkundsbeamten s. § 161. 3. a) Der Ausdruck „Vollstreckungen" umfaßt Vollstreckungen jeder Art mit Ausnahme derjenigen von Freiheitsstrafen; für diese sind in den §§ 162, 163 besondere Bestimmungen getroffen. In Strafsachen ist § 160 insbesondere bei der Vollstreckung von Geldstrafen anwendbar. b) Ist ein Haft- oder Vorführungsbefehl gegen eine Person zu vollstrecken, die sich in einem anderen Gerichtsbezirk aufhält, so kann das Gericht oder die Staatsanwaltschaft die Polizeibehörde des Aufenthaltsortes unmittelbar um die Vollstreckung ersuchen, auch wenn dieser Ort nicht in dem Land der ersuchenden Behörde liegt. Es bedarf dazu keiner Mitwirkung des Gerichtes des Aufenthaltsortes. Dasselbe gilt, wenn es sich um eine in einem anderen Gerichtsbezirk vorzunehmende Beschlagnahme oder Durchsuchung handelt; vgl. aber Anm. 5 zu § 158. 4. Wird in den vorstehend (Anm. 2, 3 b) behandelten Fällen die Erledigung des Auftrages oder Ersuchens verweigert, so kann dagegen Dienstaufsichtsbeschwerde bei der der ersuchten Behörde oder dem ersuchten Beamten vorgesetzten Dienstaufsichtsbehörde, nicht aber Beschwerde bei dem Gericht (als solchem) eingelegt werden.

2919

§ 1 6 0 Anm. 5

Gerichtsverfassungsgesetz

§§ 1 6 1 ; 1 6 2 5. Jeder, der sich in der BRD aufhält, hat jeder Ladung vor ein deutsches Gericht nachzukommen. gleichviel in welchem deutschen Land er sich befindet.

§ 161 Gerichte, Staatsanwaltschaften und Geschäftsstellen der Gerichte können wegen Erteilung eines Auftrags an einen Gerichtsvollzieher die Mitwirkung der Geschäftsstelle des Amtsgerichts in Anspruch nehmen, in dessen Bezirk der Auftrag ausgeführt werden soll. Der von der Geschäftsstelle beauftragte Gerichtsvollzieher gilt als unmittelbar beauftragt. Entstehungsgeschichte: Entw. § 132. Spätere Änderungen: Ges. vom 9. 7. 1927 (RGBl. I 175) Art. 2; VO vom 30. 11. 1927 (RGBl. I 334). 1. § 161 bezweckt, den Geschäftsverkehr zu erleichtern, und will dem Umstand Rechnung tragen, daß in vielen Fällen der Name des zu beauftragenden Gerichtsvollziehers der mit der Sache befaßten Behörde unbekannt ist und die zulässige unmittelbare Inanspruchnahme des Gerichtsvollziehers dadurch auf Schwierigkeiten stößt (Begr. 92).

§ 162 Hält sich ein zu einer Freiheitsstrafe Verurteilter außerhalb des Bezirks der Strafvollstreckungsbehörde auf, so kann diese Behörde die Staatsanwaltschaft des Landgerichts, in dessen Bezirk sich der Verurteilte befindet, um die Vollstreckung der Strafe ersuchen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 133. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 318). Ges. vom 13. 12. 1934 (RGBl. I 1233). Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat § 162 unverändert i. d. F. des Ges. vom 13. 12. 34 übernommen. 1. Entwicklungsgeschichte, a) bis 1935. § 162 in seiner ursprünglichen Fassung bestimmte: „Eine Freiheitsstrafe, welche die Dauer von sechs Wochen nicht übersteigt, ist in dem Lande zu vollstrecken, in welchem der Verurteilte sich befindet." Danach regelte § 162 die Rechtshilfe bei der Vollstreckung von Freiheitsstrafen in den Fällen, in denen der von einem Gericht des Landes A Verurteilte bei Einleitung der Strafvollstreckung sich in einem anderen deutschen Land aufhielt. Es sollte dann bei kürzeren Strafen (d. h. von nicht mehr als 6 Wochen Dauer) die Vollstreckungshilfe in der Form geleistet werden, daß die für den Aufenthaltsort örtlich zuständige Staatsanwaltschaft auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörde des anderen Landes die Vollstreckung übernahm, während bei längeren Strafen (d. h. von mehr als 6 Wochen Dauer) die Vollstreckung in dem Land zu erfolgen hatte, dem das erkennende Gericht angehörte und die Vollstreckungshilfe der Staatsanwaltschaft des Aufenthaltsortes darin bestand, daß sie auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörde den Verurteilten ergriff und an die ersuchende Behörde ablieferte (§ 163 GVG). Diese Regelung hatte ihren Grund darin, daß nach den bei Schaffung des GVG bestehenden Vorstellungen „die Vollstreckung von längeren Freiheitsstrafen eine Last ist, deren Übernahme einem Staate aufgrund eines in einem anderen Staate ergangenen Straferkenntnisses nicht zugemutet werden kann" (Begr.). Im Laufe der Zeit stellte sich das Bedürfnis heraus, zur Ersparung von Transportkosten und Verwaltungsarbeit, aber auch mit Rücksicht auf die Belange des Verurteilten, kürzere Freiheitsstrafen in weiterem Umfang im Lande des Aufenthaltsorts zu vollstrecken; in Erweiterung des § 162 wurde deshalb durch Vereinbarung der deutschen Länder (Bek. d. RJM vom 7. 1. 1925, RMB1. 11, pr. JMB1. 56) bestimmt, daß Freiheitsstrafen von 6 Wochen bis zu 3 Monaten sowie Restfreiheitsstrafen, die die Dauer von 3 Monaten nicht übersteigen, auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörde in dem Lande vollstreckt werden, in dem sich der Verurteilte dauernd aufhält. Diese Vereinbarung wurde später (Bek. d. RJM vom 7. 7. 1928, RMB1. 393, pr. JMB1. 375) auf Freiheitsstrafen und Restfreiheitsstrafen erweitert, die die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. Ferner war, um zu vermeiden, daß Gesamtstrafen (§ 76 StGB, § 460 StPO), deren Einzelstrafen von Gerichten verschiedener Länder ausgesprochen waren, stückweise in den Anstalten verschiedener Länder vollstreckt werden müßten, durch Beschluß des Bundesrats vom 11. 6. 1885 (RZB1. 270, pr. JMB1. 309) bestimmt worden, daß grundsätzlich die Vollstreckung der Ge2920

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

§ 162 Anm. 2

samtstrafe von dem Land zu bewirken sei, dessen Gericht sie festgesetzt hatte und daß auf Ersuchen der zuständigen Behörde dieses Landes das Land die Vollstreckung zu übernehmen habe, das nach dem Verhältnis der von seinen Gerichten erkannten Einzelstrafen am höchsten an der Gesamtstrafe beteiligt war. Dieser Beschluß ist durch spätere Vereinbarungen der Landesjustizverwaltungen nach mehreren Richtungen ergänzt worden (wegen der Einzelheiten vgl. die 19. Aufl. Anm. 9 z u § 162 u. G r a u - S c h ä f e r , Strafvollstreckung, 2. Aufl. 1932 S. 76 (f.). b) Mit dem Übergang der Justizhoheit der Länder auf das Reich mit Wirkung vom 1. 1. 1935 entfiel der Gesichtspunkt, der bisher für die Unterscheidung zwischen längeren und kürzeren Freiheitsstrafen und die daran anknüpfende Verschiedenartigkeit der Vollstreckungshilfe maßgebend war. Durch das Ges. vom 13. 12. 1934 (RGBl. I 1233) erhielt § 162 folgende Fassung: ..Hält sich ein zu Freiheitsstrafe Verurteilter außerhalb des Bezirkes der Strafvollstreckungsbehörde auf, so kann diese Behörde die Staatsanwaltschaft des Landgerichts, in dessen Bezirk sich der Verurteilte befindet, um die Vollstreckung der Strafe ersuchen." Danach hatte die Staatsanwaltschaft des Aufenthaltsorts stets auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörde Vollstreckungshilfe durch Vollstreckungsübernahme zu leisten, unabhängig von der Höhe der Strafe und unabhängig davon, ob der Aufenthaltsort des Verurteilten in demselben Land oder in einem anderen Land lag als dem, in dem die Vollstrekkungsbehörde ihren Sitz hatte. Damit war freilich dem Wortlaut nach die Pflicht der Vollstreckungsbehörde — und insoweit hatte der Verurteilte einen entsprechenden Rechtsanspruch —, kleinere Strafen im Aufenthaltsland vollstrecken zu lassen, beseitigt, denn § 162 n. F. stellte es („kann") in das Ermessen der Vollstreckungsbehörde, sich der Vollstreckungshilfe zu bedienen. Es lag aber keinesfalls im Sinne der neuen Vorschrift, den Verurteilten zur Vollstreckung aus dem Bereich seines Aufenthaltsorts zu entfernen,, denn sie wollte ja die Möglichkeit, außerhalb des Bezirks der Vollstreckungsbehörde zu vollstrecken, über die durch § 162 und die erweiternden Ländervereinbarungen gezogenen engen Grenzen hinaus erweitern und eine solche Vollstreckung allgemein zulassen; die Vollstreckung im Bereich des Aufenthaltsorts sollte vielmehr die Regel bilden. In folgerichtiger Fortführung dieses Gedankens bestimmte demnächst die StVollstrO vom 7. 12. 1935 (Deutsche Justiz 1800), daß im ganzen Reichsgebeit für die einzelnen Gerichtsbezirke Vollstreckungspläne aufzustellen seien, die die Vollzugsanstalten bezeichneten, in denen die Strafen bestimmter Art und Höhe zu vollziehen waren (§ 12). Für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit einer Vollzugsanstalt war grundsätzlich der Gerichtsbezirk maßgebend, in dem der Verurteilte (bei Einleitung der Strafvollstreckung) wohnte oder sich aufhielt (§ 12 b). In diese örtlich zuständige Vollzugsanstalt hatte nach § 13 die Vollstreckungsbehörde einen im Reichsgebiet auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten unmittelbar (also ohne Inanspruchnahme der Amtshilfe einer anderen Vollstreckungsbehörde) zum Strafantritt zu laden. Kam der Verurteilte der Ladung nicht nach, so hatte nach § 16 die Vollstreckungsbehörde einen Vorführungs- oder Haftbefehl (§ 457 Abs. 1 StPO) zu erlassen, um dessen Ausführung die Polizeibehörden ersucht werden konnten. Mit dieser Regelung hatten die §§ 162, 163 GVG ihre praktische Bedeutung im wesentlichen verloren. Sie behielten sie, da die StVollstrO sich nur auf die Vollstreckung strafgerichtlich erkannter Kriminalstrafen bezieht, für die Fälle, in denen nicht eine kriminelle Freiheitsstrafe, sondern eine Freiheitsstrafe anderer Art zu vollstrecken war (vgl. Anm. 2). c) Das Vereinheitlichungsgesetz vom 12. 9. 1950 hat unverändert den § 162 i. d. F. des Ges. vom 13. 12. 1934 und den § 163 in seiner ursprünglichen Fassung übernommen. Mit dem Rückfall der Justizhoheit auf die Länder haben sie auch ihre praktische Bedeutung wiedererlangt. Der aus §§ 162, 163 sich ergebende Rechtszustand ist aber beeinflußt durch die Weisungen, die in der an die Stelle der StVollstrO 1935 getretenen StVollstrO 1956 (vgl. Vorbem. III 1 vor § 449 StPO) den Strafvollstreckungsbehörden bzgl. der Handhabung der §§ 162, 163 erteilt sind und die Vorschriften der StVollstrO sind ihrerseits weitgehend überholt durch die Ländervereinbarung zur Vereinfachung und Beschleunigung der Strafvollstreckung vom 13. 1. 1965. Das Nähere ist in Anm. VII zu § 451 StPO ausgeführt, auf die verwiesen wird. 2. a) Die §§ 162, 163 gelten ohne Unterschied für alle Freiheitsstrafen, mithin auch für die Ordnungsstrafen (vgl. z.B. §§51, 70 StPO, § 178 GVG). Die Ausdrücke „Strafvoll2921

§ 1 6 2 Anm. 3 , 4 § 1 6 3 Anm. 1

Gerichtsverfassungsgesetz

streckungsbehörde" und „Verurteilter" sind demgemäß hier in einem weiteren Sinne zu verstehen. Wegen der Vollstreckungshilfe bei der Vollstreckung der mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung vgl. Anm. VII 2 b zu § 4 5 1 StPO. — Für die Vollstreckung von Jugendstrafe und Jugendarrest gelten §§ 84, 85, 110 J G G (vgl. dazu Anm. VII 2 f. zu § 451 StPO). b) Die §§ 162, 163 gelten nicht, wenn der Generalbundesanwalt Vollstreckungsbehörde für die vom O L G im ersten Rechtszug in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes erlassenen Entscheidungen ist, da sein Bezirk als Strafvollstreckungsbehörde das ganze Bundesgebiet ist (vgl. dazu Anm. VII 2 e zu § 451 StPO). 3. Rechtshilfe. Zur Leistung der Vollstreckungshilfe ist jede Staatsanwaltschaft verpflichtet, in deren Bezirk sich der Verurteilte zur Zeit, wenn auch nur vorübergehend, „aufhält"; auf die Staatsangehörigkeit, den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthaltsort („sich befindet") kommt es nicht an. Somit liegt im Falle eines Steckbriefes (§ 457 Abs. 2 StPO) die Pflicht zur Vollstreckungshilfe der Staatsanwaltschaft ob, in deren Bezirk der Verurteilte betroffen wird. Um die Vollstreckungshilfe ist stets die landgerichtliche Staatsanwaltschaft zu ersuchen, nicht der Amtsrichter, wenn er für eine Strafe der in Frage stehenden Art Vollstreckungsbehörde wäre. 4. Wegen der Vollstreckungshilfe bei Ersuchen von Behörden der D D R vgl. das Ges. über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. 5. 1953 (BGBl. I 161), abgedr. im Anhang unter C.

§ 163 Soll eine Freiheitsstrafe in dem Bezirk eines anderen Gerichts vollstreckt oder ein in dem Bezirk eines anderen Gerichts befindlicher Verurteilter zum Zwecke der Strafverbüßung ergriffen und abgeliefert werden, so ist die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht des Bezirks um die Ausführung zu ersuchen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 134. 1. Bedeutung der Vorschrift. Es sind hier die Bemerkungen zu § 162 zu vergleichen. Die Änderung, die § 162 durch das Ges. vom 13. 12. 1934 erfuhr und die das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 aufrechterhalten hat (vgl. Anm. 1 zu § 162), hat auch auf die Bedeutung des § 163 eingewirkt. Solange § 162 bestimmte, daß Freiheitsstrafen von nicht mehr als 6 Wochen in dem Land zu vollstrecken seien, in dem der Verurteilte sich befinde, wies § 163 den Weg, den die Strafvollstreckungsbehörde zu beschreiten hatte, um die Vollstrekkung in dem anderen Land, in dem der Verurteilte sich befand, herbeizuführen. Darüber hinaus regelte § 163 den Fall, daß der Verurteilte sich zwar in dem Land des erkennenden Gerichts befand, die Vollstreckung aber in einem anderen Gerichtsbezirk erfolgen sollte. Schließlich betraf § 163 den Fall, daß die Vollstreckung im Bezirk des erkennenden Gerichts durchgeführt werden sollte und es hierzu einer Ergreifung und Ablieferung am Aufenthaltsort bedurfte. Wenn jetzt § 162 bestimmt, daß die zuständige Strafvollstreckungsbehörde die Staatsanwaltschaft des Aufenthaltsorts um Vollstreckung ersuchen kann, so spricht § 163 in seiner ersten Alternative etwas aus, was sich bereits aus § 162 ergibt. Im übrigen ist in Anm. VII 2 a zu § 451 StPO bereits ausgeführt, daß es in den Fällen, in denen sich der Verurteilte in dem gleichen Land wie die Vollstreckungsbehörde befindet und die Strafe in einer Vollzugsanstalt dieses Landes vollstreckt werden soll, nach den Vorschriften der St VollstrO zur Vollstreckung außerhalb des Bezirks der Strafvollstreckungsbehörde einer Rechtshilfe der Staatsanwaltschaft der Aufenthaltsort nicht bedarf, die Vollstreckungsbehörde vielmehr unmittelbar den Verurteilten zum Strafantritt in die zuständige Vollzugsanstalt lädt und, wenn er sich auf diese Ladung nicht stellt, die Polizeidienststellen des Landes unmittelbar um Vollziehung des Haft- oder Vorführungsbefehls (§ 457 StPO) ersucht. § 163 steht diesem Verfahren nicht entgegen. Denn trotz seines Wortlauts „ i s t . . . zu ersuchen", will § 163 nicht besagen, daß stets Vollstreckungshilfe in Anspruch zu nehmen sei, auch wenn unmittelbare und staatsrechtlich zulässige Maßnahmen der Vollstreckungsbe2922

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

§ 163 Anm. 2 - 8

hörde ausreichen, sondern will nur den Weg festlegen, wie eine erforderliche Vollstreckungshilfe herbeizuführen ist. Er will auch nicht besagen, daß Gestellungszwang nur im Wege des Vollstreckungshilfeersuchens an die Staatsanwaltschaft des fremden Bezirks zulässig sei, vielmehr bleiben die unmittelbaren Zwangsbefugnisse der Vollstreckungsbehörde aus § 457 StPO unberührt. Über die Vorschriften der StVollstrO hinaus sind durch die Ländervereinbarung vom 13. 1. 1965 (vgl. Anm. 1 c zu § 162) die Vollstreckungsbehörden ermächtigt, den Verurteilten, der sich außerhalb ihres Landes auf freiem Fuß befindet, unmittelbar zum Strafantritt in eine Vollzugsanstalt des Aufenthaltslandes zu laden und unmittelbar die Polizeidienststellen dieses Landes um Vollstreckung eines Haft- oder Vorführungsbefehls zu ersuchen (vgl. Anm. V I I 2 a zu § 451 StPO). Die Bedeutung des § 163 beschränkt sich hiernach auf die Fälle, in denen ein Land seine Teilnahme an der Ländervereinbarung vom 13. 1. 1965 aufkündigt und ein außerhalb des Landes der Vollstreckungsbehörde befindlicher Verurteilter die Strafe in einer Anstalt des Aufenthaltslandes oder eines dritten Landes verbüßen soll oder wenn Zwangsmaßnahmen gegen ihn erforderlich sind, um den Strafvollzug in einer Vollzugsanstalt des Landes der Vollstreckungsbehörde herbeizuführen. 2. Ist eine Ablieferung erforderlich, so ist nach § 163 zu verfahren, ohne Unterschied, ob der Verurteilte an die ersuchende Behörde oder anderswohin, z. B. an eine in einem dritten Gerichtsbezirk befindliche Strafanstalt, abgeliefert werden soll. 3. Die (landgerichtliche) Staatsanwaltschaft ist zum Organ der Rechtshilfe bei der Vollstreckung von Freiheitsstrafen bestellt, ohne Unterschied, ob im einzelnen Falle eine Staatsanwaltschaft oder ein Gericht die Behörde ist, die die Strafvollstreckung betreibt und die Rechtshilfe nachsucht (vgl. § 451 StPO, § 179 G V G ) . Die Begr. (92) bemerkt hierüber: „Es empfiehlt sich, bei Regelung der Rechtshilfe nur ein bestimmtes Organ als dasjenige zu bezeichnen, an welches alle die Rechtshilfe zum Zweck der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe betreffenden Ersuchen zu richten sind. Jede Unterscheidung, welche in dieser Beziehung das Gesetz treffen wollte, würde in der Praxis in vielen Fällen zu Schwierigkeiten führen, z. B. wenn der ersuchenden Behörde nicht bekannt ist, ob in einem anderen Bundesstaate der Amtsrichter zur Vollstreckung der Urteile der Schöffengerichte berufen ist." - § 163 schließt aber nicht aus, daß die Justizverwaltung die Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde ( § 4 5 1 , Abs. 3 StPO) anweist, Vollstreckungshilfeersuchen anderer Amtsgerichte auszuführen. 4. Dem Ersuchen um Vollstreckung oder um Ablieferung ist eine mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehene beglaubigte Abschrift der Urteilsforme; beizufügen; vgl. § 451 StPO Abs. 1. Der Beifügung sonstiger Urkunden bedarf es nicht. 5. Die ersuchte Staatsanwaltschaft hat lediglich die Zulässigkeit des gestellten Ersuchens und die Erfüllung der Formerfordernisse zu prüfen; besteht in diesen Beziehungen kein Anstand, so muß sie dem Ersuchen stattgeben. — Gesuche um Aufschub der Strafvollstrekkung. die bei der ersuchten Staatsanwaltschaft angebracht werden, unterliegen der Entscheidung der ersuchenden Behörde und sind daher an diese abzugeben; doch ist die ersuchte Behörde in den geeigneten Fällen befugt und verpflichtet, eine vorläufige Anordnung zu treffen. 6. Lehnt die ersuchte Staatsanwaltschaft das Ersuchen ab, so ist die Aufsichtsbeschwerde an den vorgesetzten Generalstaatsanwalt zulässig; dessen ablehnender Bescheid kann wiederum durch Beschwerde bei der Landesjustizverwaltung angefochten werden; vgl. § 147 Anm. 2. Eine Mitwirkung der Gerichte findet auch in diesen Fällen nicht statt, auch nicht eine Nachprüfung nach § 23 ff. E G G V G (ebenso P o h l m a n n IV zu § 9 StVollstrO). Die Begr. (92) sagt: „Ein Bedürfnis, unter Durchbrechung der Organisation der Staatsanwaltschaft die Entscheidung über solche Beschwerden den Gerichten zu überweisen, kann nicht anerkannt werden." Vgl. auch § 159 Anm. 4 a a. E. 7. Wegen des Falles, daß der Verurteilte flüchtig ist oder sich verborgen hält, s. § 457 StPO Abs. 2, 3. Vgl. § 162 Anm. 3 G V G . 8. Die Vollstreckung von Geld- und anderen Vermögensstrafen ist in § 163 nicht erwähnt, weil die Vollstreckung außerhalb des Bezirks des erkennenden Gerichts keine Rechts2923

§ 164

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 1 hilfe im Sinne des G V G (vgl. oben Vorbem. 6 vor § 156) erfordert. Vielmehr hat die Vollstreckungsbehörde die erforderlichen Vollstreckungsmaßnahmen unmittelbar selbst zu betreiben (vgl. § 463 StPO und §§ 48, 57 StVollstrO, die auf die bundeseinheitlich vereinbarte Anordnung über die Einforderung und Beitreibung von Vermögensstrafen und Verfahrenskosten vom 12. 2. 1956 verweisen). Danach stehen (vgl. §§ 4ff., 11) Vermögensstrafen und Verfahrenskosten dem Land zu, dessen Gericht auf Strafe erkannt hat. Die auf Grund eines Vollstreckungsersuchens eingezogenen Vermögensstrafen und Verfahrenskosten sind von dem Vollstreckungsbeamten an die für die ersuchende Vollstreckungsbehörde zuständige Gerichtskasse abzuführen, wenn die ersuchende Vollstreckungsbehörde einem anderen Land angehört als der Vollstreckungsbeamte. Dies gilt auch im Verhältnis zwischen den Ländern und dem Bund. Vgl. dazu noch Anm. 3 zu § 164.

§ 164 (1) Kosten und Auslagen der Rechtshilfe werden von der ersuchenden Behörde nicht erstattet. (2) Gebühren oder andere öffentliche Abgaben, denen die von der ersuchenden Behörde übersendeten Schriftstücke (Urkunden, Protokolle) nach dem Recht der ersuchten Behörde unterliegen, bleiben außer Ansatz. Entstehungsgeschichte: Entw. § 135. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 318). Danach lautete § 164: „(1) Im Falle der Rechtshilfe unter den Behörden verschiedener deutscher Länder sind die baren Auslagen, welche durch eine Ablieferung oder Strafvollstreckung entstehen, der ersuchten Behörde von der ersuchenden zu erstatten. (2) Im übrigen werden Kosten der Rechtshilfe von der ersuchenden Behörde nicht erstattet. (3) Ist eine zahlungspflichtige Partei vorhanden, so sind die Kosten von ihr durch die ersuchende Behörde einzuziehen und der eingezogene Betrag der ersuchten Behörde zu übersenden. (4) Stempel, Einregistrierungsgebühren oder andere öffentliche Abgaben, denen die von der ersuchenden Behörde übersendeten Schriftstücke (Urkunden, Protokolle) nach dem Rechte der ersuchten Behörde unterliegen, bleiben außer Ansatz." Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat die früheren Absätze 1 und 3 gestrichen und die früheren Absätze 2 und 4 in geänderter Fassung übernommen. 1. Entwicklungsgeschichte. Die frühere Fassung des § 164 regelte den Fall, daß bei der Inanspruchnahme von Rechtshilfe i. S. der §§ 156, 161 — 163 die ersuchende und die ersuchte Behörde verschiedenen Ländern angehörten. In diesem Falle waren nur die durch eine Ablieferung oder Strafvollstreckung (§§ 162, 163) der ersuchten Behörde entstehenden baren Auslagen zu ersetzen. Im übrigen bestand keine Erstattungspflicht der Länder untereinander; soweit jedoch eine kostenpflichtige Partei vorhanden war, waren die Kosten von ihr durch die ersuchende Behörde einzuziehen und der ersuchten Behörde zu übersenden. Wegen der Einzelheiten bestanden Ländervereinbarungen; vgl. darüber die 19. Aufl. Anm. 2. § 164 regelte nicht die Erstattungspflicht im Verhältnis des Reichs zu den Ländern. Über den Kostenausgleich zwischen dem Reich und den Ländern in den zur Zuständigkeit des Reichsgerichts gehörenden Strafsachen bestanden ebenfalls Vereinbarungen (RMB1. 1925 1278); vgl. ferner die Vereinbarung zwischen dem Reich und den Ländern über den Kostenausgleich in der Strafrechtspflege vom 2 2 . 8 . 1925 (RMB1. 371, pr. JMB1. 276). Schließlich regelte § 164 nicht die Kosten des Rechtshilfe zwischen Behörden des gleichen Landes; insoweit galt Landesrecht. Mit dem Übergang der Justizhoheit auf das Reich zum 1. 1. 1935 verlor § 164 seine Bedeutung; eine Erstattungspflicht der Behörden aus den Bereichen der verschiedenen ehemaligen Landesjustizverwaltungen untereinander kam der Natur der Sache nach, im übrigen aber auch deshalb nicht mehr in Betracht, weil die §§ 162, 163 bedeutungslos wurden (vgl. die Anm. zu §§ 162, 163). Diesen Rechtszustand hat trotz des nach 1945 erfolgten Rückfalls der Justizhoheit an die Länder das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 beibehalten, und zwar gibt es nach § 164 nicht nur keinerlei Erstattungspflicht im Verhältnis der Länder untereinander, sondern auch nicht im Verhältnis des Bundes zu den Ländern. Ebenso ist jede Erstattung der Rechtshilfekosten innerhalb eines Landes ausgeschlossen und abwei2924

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

§ 164 Anm. 2, 3

chendes Landesrecht nicht möglich. Schließlich ist die Verpflichtung, die von einer zahlungspflichtigen Partei eingezogenen Kosten an die ersuchte Behörde eines anderen Landes abzuliefern, weggefallen. 2. § 164 Abs. 1 gilt nur für die Kosten und Auslagen der Rechtshilfe i. S. des GVG. Hierher gehören insbes. die Zeugengebühren bei Vernehmungen durch den ersuchten Richter. Keine Rechtshilfe, sondern Amtshilfe (vgl. Anm. 3) liegt dagegen z. B. vor, wenn ein Gericht ein anderes lediglich um die Entgegennahme und Ubersendung eines Gutachtens ersucht. Dann hat das ersuchende Gericht die Kosten für das Gutachten zu tragen (RGSt. 24 1). Bei Rechtshilfe der ordentlichen Gerichte zugunsten der Gerichte anderer Gerichtsbarkeitszweige gilt § 164 nur, wenn er für entsprechend anwendbar erklärt ist, sei es generell durch Verweisung auf die Vorschriften des GVG schlechthin, wie z. B. in § 173 VwGO, sei es durch Verweisung auf die Vorschriften des GVG über die Rechtshilfe wie z. B. in § 13 des Arbeitsgerichtsges. und § 5 Abs. 3 des Sozialgerichtsges. 3. § 164 bezieht sich nicht auf die Kosten und Auslagen der Amtshilfe zwischen Justizbehörden, soweit sie nicht vom GVG (§§ 162, 163) als Rechtshilfe angesehen wird. a) Infolgedessen ist § 164 nicht anwendbar auf die Kosten eines Vollstreckungsbeamten (Gebühren und Auslagen), die anläßlich der Ausführung von Vollstreckungs- und Zustellungsaufträgen der Justizbehörden eines anderen Landes oder von entsprechenden Aufträgen des Bundesgerichtshofs entstehen, aber beim Schuldner nicht eingezogen werden können. Nach § 8 des Gerichtsvollzieherkostenges, und § 11 GerichtsvollzieherkostenO werden aber solche Kosten dem auftraggebenden Land (dem Bund) nicht in Rechnung gestellt und auf ihre Erstattung verzichtet. b) Ebenso gilt § 164 nicht, wenn die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen nicht im Wege der Rechtshilfe von Gericht zu Gericht (§ 156), sondern im Wege der Amtshilfe auf Ersuchen eines Richters oder Staatsanwalts durch die Justizbehörde eines anderen Landes durchgeführt wird. Insoweit haben die Landesjustizverwaltungen in Erweiterung des Grundgedankens des § 164 die nachstehende Verzichtsvereinbarung (mitgeteilt z. B. Hess. JMB1. 1958, 97) getroffen: „1. Nimmt ein Richter oder Staatsanwalt die Amtshilfe einer Justizbehörde eines anderen Landes bei der Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen in Anspruch, so zahlt die in Anspruch genommene Justizbehörde auf sein Ersuchen die den Zeugen oder Sachverständigen zu gewährenden Entschädigungen aus und teilt die Zahlung unverzüglich zu den Sachakten mit. Es genügt die Ubersendung einer Durchschrift der Auszahlungsanordnung. Auf der Urschrift der Auszahlungsanordnung ist zu bescheinigen, daß die Anzeige zu den Sachakten erstattet ist. 2. Die Länder verzichten gegenseitig auf die Erstattung der Ausgaben, die nach Nr. 1 geleistet werden." c) § 164 wäre ferner unanwendbar, wenn aufgrund der Ländervereinbarung zur Vereinfachung und Beschleunigung der Strafvollstreckung vom 13. 1. 1965 die Vollstreckungsbehörde Verurteilte, die sich in einem anderen Land befinden, unmittelbar in die nach dem Vollstreckungsplan dieses Landes zuständige Vollzugsanstalt einweist und sie, wenn der Verurteilte sich nicht auf Ladung in die Anstalt stellt, zur Ausführung von Vorführungsund Haftbefehlen zwecks Strafvollstreckung unmittelbar die Hilfe der Polizeidienststellen des anderen Landes in Anspruch nimmt (vgl. Anm. VII 2 a zu § 451 StPO). Jedoch werden nach I Abs. 3 dieser Ländervereinbarung die durch die genannten Maßnahmen den ersuchten Strafvollzugsbehörden und Polizeidienststellen des anderen Landes entstandenen Kosten nicht erstattet. d) § 164 ist weiterhin unanwendbar, wenn der Generalbundesanwalt als Vollstrekkungsbehörde zum Vollzug von Freiheitsstrafen die Vollzugseinrichtungen der Länder in Anspruch nimmt (vgl. Anm. VII 2e zu § 451 StPO), denn da hier die §§ 162, 163 nicht anwendbar sind (vgl. Anm. 2 b zu § 162), liegt nicht eine Rechtshilfe i. S. des GVG, sondern Amtshilfe vor. Ganz allgemein ergibt sich aus dem Grundgedanken des Art. 3 des Ges. zur

2925

§ 1 6 4 Anm. 4, 5 §§ 1 6 5 ; 1 6 6

Gerichtsverfassungsgesetz

allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen vom 8. 9. 1969, BGBl. I 1582 (vgl. Anm. VI zu § 120), daß die Länder dem Bund gegenüber erstattungsberechtigt sein sollen hinsichtlich der Kosten und Auslagen, die ihnen aus Verfahren erwachsen, in denen Gerichtsbarkeit des Bundes ausgeübt wird. Demgemäß ist insoweit die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über den Kostenausgleich in Strafsachen, die (früher) zur Zuständigkeit des BGH im ersten Rechtszug gehörten (mitgeteilt z.B. Hess. JMB1. 1958 109; NdsRpfl. 1958 199), bei Bestand geblieben (ebenso P o h l m a n n III 1 zu § 9 StVollstrO). Danach erstattet der Bund den Ländern die Kosten des Vollzugs von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln, der Untersuchungshaft und des Transports der Beschuldigten und Verurteilten. e) § 164 ist schließlich unanwendbar auf die Kosten der Amtshilfe zwischen Justiz- und anderen Behörden, insbes. der Amtshilfe, die in einem Strafverfahren auf Ersuchen des Gerichts oder des Staatsanwalts von der Polizei des eignen oder eines anderen Landes oder des Bundes geleistet wird. Die Erstattung polizeilicher Ermittlungskosten der Bahnpolizei und des Fahndungsdienstes der Deutschen Bundesbahn durch die Justizbehörden ist bundeseinheitlich durch eine Vereinbarung vom 20. 1. 1961 (mitgeteilt z. B. Hess. JMB1. 1961, 29) geregelt. 4. §464 gilt in gleichem Umfang wie die §§ 162, 163 (vgl. Anm. 1 zu § 463a StPO) sinngemäß auch für die Kosten des Vollzugs einer strafgerichtlich angeordneten freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung und Besserung, die im Land der gemäß § 9 StVollstrO um Vollstreckungshilfe ersuchten Staatsanwaltschaft entstehen. Durch Vereinbarung der Länder vom 19. 11. 1964 (mitgeteilt z. B. Hess. JMB1. 1965 68) ist auch ein gegenseitiger Verzicht ausgesprochen hinsichtlich der Kosten einer strafgerichtlich gemäß §§ 42 b und c StGB ausgesprochenen Unterbringung, die in einem anderen Land als dem der Vollstrekkungsbehörde in Einrichtungen der Sozialhilfe vollzogen wird (näheres bei P o h l m a n n II 2b zu § 53 StVollstrO). Die Ländervereinbarung vom 13. 1. 1965 (oben 3c) gilt nicht für Maßregeln der Sicherung und Besserung. 5. Absatz 2 (Absatz 4 a. F.), der mit Rücksicht auf in Elsaß-Lothringen bestehende Vorschriften eingefügt war (vgl. dazu die 19. Aufl. Anm. 9), ist z. Z. ohne Bedeutung.

§ 165 § 165 betr. die Höhe der den geladenen Zeugen und Sachverständigen gebührenden Beträge wurde aufgehoben durch das Ges. z. Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26. 7. 1957 (BGBl. I 861).

§ 166 (1)Ein Gericht darf Amtshandlungen außerhalb seines Bezirks ohne Zustimmung des Amtsgerichts des Ortes nur vornehmen, wenn Gefahr im Verzug ist. In diesem Falle ist dem Amtsgericht des Ortes Anzeige zu machen. (2) Dies gilt nicht für die Untersuchungsrichter der Oberlandesgerichte sowie für die Ermittlungsrichter (§ 168 a der Strafprozeßordnung). Entstehungsgeschichte: Entw. § 137. Absatz 2 ist eingefügt durch Ges. vom 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582). I. Zu Absatz 1. 1. Amtshandlungen außerhalb des Bezirks" sind die richterlichen Handlungen, zu deren Vornahme sich der mit der Sache befaßte Richter selbst in einen fremden Gerichtsbezirk (des eigenen oder eines anderen Landes) begibt, z. B. zur Einnahme des Augenscheins. — Aus dem allgemeinen Grundsatz, daß die Gerichtsgewalt der ordentlichen Gerichte über ganz Deutschland wirkt, ergibt sich, daß das Gericht aus besonderen Gründen auch eine Hauptverhandlung außerhalb seines Bezirks, ja auch in einem anderen deutschen Land abhalten darf (BGHSt. 22 250, 254; K. S c h ä f e r JR 1927 553; B r e e t z k e JR 1928 66; 2926

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

§ 166 Anm. I 2 - 4 ; II

E b S c h m i d t 2; D a l c k e - F u h r m a n n - S c h ä f e r 2; vgl. auch H ä r t u n g JR 1925 1163). Es ist — mag auch das Gesetz vorzugsweise diesen Fall im Auge haben — nicht der Sinn des § 166, daß gerichtliche Amtshandlungen nur insoweit außerhalb der Grenzen des Gerichtsbezirks vorgenommen werden könnten, als sie Gegenstand einer Rechtshilfe sein können. Der Entw. EGStGB (Art. 68 Ziff. 40) wollte das ausdrücklich klarstellen. Zweifelhaft kann nur sein, ob auch in solchen Fällen § 166 GVG anwendbar ist, ob es also einer Zustimmung des Amtsrichters des Ortes bedarf. Dagegen könnte eingewendet werden, daß § 166 nach seiner Stellung im 13. Titel nur solche Prozeßakte zustimmungspflichtig machen wolle, um deren Vornahme im Wege der Rechtshilfe der Amtsrichter ersucht werden könne. Für die bejahende Antwort (vgl. S c h ä f e r u. B r e e t z k e aaO., M ü l l e r - S a x 1; a. M. Kl 1) spricht aber nicht nur der Wortlaut der Vorschrift, sondern auch die Erwägung, daß es aus Gründen der äußeren Ordnung sinnvoll ist, den Richter, dem die Rechtspflegeausübung im Bezirk zusteht, allgemein (durch Einholung seiner Zustimmung) zu beteiligen. Vgl. noch Anm. l b zu § 91 u. Anm. 2 zu § 143. 2. Ob die Gerichtsbezirke demselben Land oder verschiedenen Ländern angehören, ist gleichgültig. — Die Vorschrift findet keine Anwendung, wenn ein Schöffengericht, dessen Bezirk mehrere Amtsgerichte umfaßt, eine Amtshandlung an einem Ort vornehmen will, der zwar im Bezirk des Schöffengerichts, aber nicht im Bezirk des Amtsgerichts liegt, bei dem das Schöffengericht errichtet ist ( B u c h e r JR 1926 397). Liegt der Sitz eines Gerichts außerhalb seines Bezirks (so beim LG München II, das seinen Sitz in München, also im Bezirk des LG München I hat), so ist § 166 unanwendbar bei Amtshandlungen im Gerichtsgebäude (Kl 3). 3. Rechtsbehelfe bei verweigerter Zustimmung. Das Erfordernis einer Zustimmung des Amtsrichters soll offenbar sicherstellen, daß dieser als Repräsentant der Justiz in seinem Bezirk, gewissermaßen als „Hausherr" aus Gründen der äußeren Ordnung zuverlässig vorher Kenntnis von der beabsichtigten Tätigkeit eines fremden Gerichts in seinem Bezirk erhält, zumal eine solche Tätigkeit vielfach mit dem Ersuchen um Zurverfügungstellung von Amtsraum und Protokollführer verbunden ist. Unmöglich kann dem Amtsrichter eine materielle Prüfungsbefugnis zustehen, ob die Tätigkeit des fremden Gerichts prozeßordnungsgemäß notwendig oder zweckmäßig ist. So gesehen ist der Amtsrichter nur als Organ der Justizverwaltung tätig, so daß, wenn er die Zustimmung verweigern sollte, dagegen mit der Dienstaufsichtsbeschwerde vorgegangen werden kann, wie heute ganz allgemein anerkannt ist (vgl. M ü l l e r - S a x 4; E b S c h m i d t 4; Kl 2; D a l c k e - F . - S c h . 3; B a u m b a c h - L a u t e r b a c h 1; K G Rspr. OLG 12 189 und überwiegend auch das ältere Schrifttum — Nachweise in Anm. 3 der 20. Aufl.). Eine Anfechtung der Zustimmungsverweigerung beim O L G in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 159 (so früher OLG Kiel und Köln Rspr. OLG 5 267, 17 43; Dresden LZ 1916 1068 und jetzt noch W i e c z o r e k B) entfällt schon deshalb, weil die Zustimmung kein Akt der Rechtshilfe ist — es soll ja gerade keine Rechtshilfe in Anspruch genommen werden (OLG Celle GA 1967 26 = MDR 1966 695 = NJW 1966 1473). Auch eine Beschwerde nach § 304 StPO (so F e i s e n b e r g e r 79 Anm. 11) kommt nicht in Betracht, da es sich nicht um eine richterliche (in Ausübung der Rechtsprechung ergangene) Entscheidung handelt. Unanwendbar sind auch die §§23 ff. EG GVG, da das um Zustimmung ersuchende Gericht kein Gewaltunterworfener i. S. des Art. 19 Abs. 4 G G ist (OLG Celle aaO.). 4. Ein Fall der Gefahr im Verzug liegt z. B. vor, wenn sich der Richter zur Vornahme einer Leichenschau oder Leichenöffnung an Ort und Stelle begeben hat, die Leiche aber inzwischen auf einen Begräbnisplatz geschafft worden ist, der in einem anderen Gerichtsbezirk liegt. Die Vornahme der Amtshandlung ohne die erforderliche Zustimmung hat — ebenso wie die Unterlassung der Anzeige des Absatzes 1 Satz 2 — keine verfahrensrechtlichen Folgen, da § 166 keine Beschränkung der Gerichtsbarkeit enthält, sondern nur die äußere Ordnung betrifft. II. Zu Absatz 2. Die Untersuchungsrichter des OLG (vgl. bisher § 186 StPO, der durch Art. IV Nr. 4 des Ges. vom 26. 5. 1972, BGBl. I 841, aufgehoben wurde, jetzt § 178 Abs. 1 Satz 1 StPO, §§ 21 e Abs. 1 Satz 1, 120 GVG) und die Ermittlungsrichter des OLG und des BGH (§ 168 a Abs. 1, 2 StPO i. d. F. von Art. IV Nr. 2 des Ges. vom 26. 5. 1972) können

2927

§ 167

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 1,2 Amtshandlungen stets überall — auch wenn keine Gefahr im Verzug ist — ohne Zustimmung des örtlichen Amtsgerichts und ohne Anzeigepflicht vornehmen; das ist der Sinn des Absatzes 2 (vgl. M a r t i n NJW 1969 713, 716). Die Vorschrift geht von der Vorstellung aus, daß sich die örtliche Zuständigkeit dieser Richter auf das ganze Bundesgebiet erstreckt (vgl. § 168 a Abs. 2 StPO). Für die übrigen Untersuchungsrichter und den um Vornahme einzelner richterlicher Untersuchungshandlungen ersuchten Amtsrichter (§§ 162. 185 StPO) gilt Absatz 2 nicht. Für die Staatsanwaltschaft ist § 166 ohne Bedeutung (vgl. Anm. 2 zu § 143).

§ 167 (1)Die Polizeibeamten eines deutschen Landes sind ermächtigt, die Verfolgung eines Flüchtigen auf das Gebiet eines anderen deutschen Landes fortzusetzen und den Flüchtigen dort zu ergreifen. (2) Der Ergriffene ist unverzüglich an das nächste Gericht oder die nächste Polizeibehörde des Landes, in dem er ergriffen wurde, abzuführen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 138. Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 318). Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat im Eingang des Absatzes 1 das Wort „Sicherheitsbeamten" durch „Polizeibeamten" ersetzt. 1. § 167, der die Nacheile regelt, zieht die Folgerung daraus, daß die Polizeihoheit den Ländern zusteht und die Polizeigewalt eines einzelnen Landes nicht über die Landesgrenzen hinaus reicht. Es bedurfte deshalb einer ausdrücklichen bundesrechtlichen Vorschrift, die den Polizeibeamten, wenn sie bei der Verfolgung strafbarer Handlungen (im weitesten Sinn; vgl. unten Anm. 3, 4b) mitwirken, ein Tätigwerden außerhalb der Landesgrenzen ermöglicht. Als nach 1933 die Länderhoheitsrechte auf das Reich übergegangen waren, verlor § 167 praktisch seine Bedeutung; RGSt. 71 122 erklärte demgemäß eine außerhalb des eignen Landes vorgenommene polizeiliche Amtshandlung auch dann für rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen des § 167 nicht vorlagen. Mit dem Rückfall der Polizeihoheitsrechte an die Länder im Jahre 1945 gewann § 167 seine alte Bedeutung wieder und verlor RGSt. 71 122 seine Bedeutung. 2. a ) § 1 6 7 regelt das Verfolgungsrecht der Polizeibeamten. § 1 6 7 a. F. sprach von „Sicherheitsbeamten". Wenn das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 diesen Ausdruck durch „Polizeibeamten" ersetzte, so war damit, wie sich aus der amtl. Begr. zu Art. 1 Nr. 70, 71 des Entw. dieses Gesetzes ergibt, keine sachliche Änderung, sondern lediglich eine Anpassung an den Sprachgebrauch der StPO (vgl. § 163 StPO n. F.: „Behörden und Beamten des Polizeidienstes" gegenüber § 163 a. F.: „Behörden und Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes") bezweckt. Zu den „Polizeibeamten" gehören deshalb nicht nur die polizeilichen Vollzugsbeamten im engeren Sinn (einschl. der Kriminalpolizeibeamten), sondern auch die kraft ihres Amtes mit den Aufgaben der Verhütung und Verfolgung strafbarer Handlungen und der Vollstreckung von Strafen betrauten Beamten anderer Verwaltungen, gleichviel, ob sie zu Hilfpolizeibeamten oder zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft (§ 152) bestellt sind oder nicht. Polizeibeamte sind z. B. die Forstschutzbeamten (RGRspr. 8 835) und die Strafanstaltsbeamten, wenn es sich um die Verfolgung eines aus einer Strafanstalt Entwichenen handelt (Begr. 14). b) § 167 spricht nur von den Landespolizeibeamten, weil die Verfolgung strafbarer Handlungen grundsätzlich Sache der Länder ist und § 167 sich nur mit den Auswirkungen beschäftigt, die sich im Verhältnis der Länder aus deren Justiz- und Polizeihoheit ergeben. Polizeiorgane des Bundes sind, soweit sie zur Mitwirkung bei der Verbrechensverfolgung berufen sind, an Landesgrenzen nicht gebunden. So können bei einem Tätigwerden des Bundeskriminalamts auf dem Gebiet der Strafverfolgung nach den Vorschriften des Bundeskriminalamtsges. vom 8. 3. 1951 i. d. F. des Ges. vom 19. 9. 1969 (BGBl. I 1717; vgl. dazu Anm. V zu § 142 a) Vollzugsbeamte des Bundes und der Länder mit schriftlichem Ermittlungsauftrag im ganzen Bundesgebiet Amtshandlungen ohne Rücksicht auf Landesgrenzen vornehmen (§ 5 aaO.). Zu den Landespolizeibeamten gehören aber auch die zu Hilfsbeamten der StA bestellten Bundesbeamten (vgl. Anm. 4, 5 zu § 152). 2928

Dreizehnter Titel. Rechtshilfe (Schäfer)

§ 167 Anm. 3, 4

c) Soweit Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft nicht aus eigener Iniative, sondern auf ausdrückliche Weisung der Staatsanwaltschaft tätig werden, ist § 167 unanwendbar, denn sie können dann, ebenso wie der Staatsanwalt selbst im Rahmen seiner örtlichen und sachlichen Zuständigkeit, Amtshandlungen an allen Orten im Geltungsbereich von StPO und GVG vornehmen (vgl. Anm. 2 zu § 143, Anm. 2 a zu § 152). 3. Flüchtiger ist nicht nur, wer sich einer drohenden Bestrafung entziehen will, sondern auch der Verurteilte, der sich der Strafverbüßung entzieht (Begr. 93). Flüchtiger ist ferner nicht nur, wer sich im eigentlichen Sinne auf der Flucht befindet, sondern auch, wer auf frischer Tat oder unmittelbar nachher betroffen ist, sich jedoch der Festnahme tatsächlich entzogen hat (vgl. Auth. Interpret, der Beschlüsse der RTK Anl. J zum Prot, der 184. Sitzung S. 15). Wer nach Verübung einer in einem deutschen Land begangenen strafbaren Handlung unbehelligt und unverfolgt an seinen in einem anderen Land gelegenen Wohnort zurückkehrt, ist nicht mehr flüchtig im Sinn des § 167 GVG (OLG München bei A l s b e r g OLGEStrProz. 1 Nr. 279). 4. a) Der Begriff der Verfolgung ist nicht auf ein Folgen auf Sicht oder Gehör zwecks Einholens zu beschränken, sondern umfaßt alle Maßregeln, die auf die Ergreifung des Flüchtigen abzielen, also insbesondere z. B. auch ein Vorauseilen zur Besetzung von Wegen, die der Verfolgte voraussichtlich einschlagen wird (h. M.; vgl. RGSt. 30 386; Anm. 3 a zu § 104 StPO und Anm. II 3 zu § 127 StPO). b) § 167 ist auch anwendbar, wenn die Verfolgung nur die Ergreifung zwecks Feststellung der Person bezweckt und durch diese die Festnahme überflüssig wird (RGRspr. 8 735). Bei Ordnungswidrigkeiten i. S. des OWiG sind bei Verfolgung des Täters auf frischer Tat, wenn seine Person nicht sofort festgestellt werden kann, nach § 54 aaO. die Beamten des Polizeidienstes (nach Maßgabe des § 54 Abs. 1 Satz 2 auch Angehörige der Verwaltungsbehörde) zur Festnahme befugt; da nach § 46 Abs. 1 OWiG für das Bußgeldverfahren die Vorschriften des GVG sinngemäß gelten, ist bei der Verfolgung auch § 167 GVG sinngemäß anwendbar. Im gerichtlichen Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten gilt § 167 GVG so, als wäre die Bußgeldsache eine Strafsache ( G ö h l e r 8 vor § 67 OWiG). c) Die Befugnis zur Nacheile ist weder auf eine bestimmte Entfernung jenseits der Landesgrenze noch auf das Gebiet des zunächst angrenzenden Landes beschränkt; vielmehr darf sich die Verfolgung nötigenfalls auf die Gebiete mehrerer Länder erstrecken (Prot. 13, 14). Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 167 GVG ist aber stets, daß die Verfolgung in dem Land begonnen hat, dem der Polizeibeamte angehört. Ohne diese Voraussetzung dürfen Polizeibeamte in dem Gebiet eines anderen Landes nur tätig werden, wenn letzteres, sei es einseitig, sei es aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Ländern, fremden Polizeibeamten das Einschreiten gestattet (OLG Hamm NJW 1954 206). Eine einseitige Gestattung enthalten z. B. § 14 des Polizeiges. von Nordrh.-Westf. i. d. F. vom 28. 10. 1969 (GVB1. 740), § 71 des Polizeiverwaltungsges. von Rheinl.-Pf. vom 26.3. 1954 (GVB1. 31 = SaBl. 504), § 79 des Hess. Polizeiges. vom 17. 12. 1964 (GVB1. 209 = SaBl. 1965, 81), wonach Polizeivollzugsbeamte eines angrenzenden Landes oder des Bundes auf fremdem Gebiet tätig werden dürfen, wenn ein örtlich zuständiger Polizeivollzugsbeamter des eigenen Landes nicht oder nicht rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen treffen kann. Eine Ländervereinbarung, daß unabhängig von den Voraussetzungen des § 167 GVG Polizeibeamte in Eilfallen zur Verfolgung strafbarer Handlungen in einem anderen Land zuständig sind, besteht z. B. zwischen Niedersachsen und Nordrh.-Westf. (vgl. GVB1. NRW 1953 S. 431; GVB1. Nds. 1953 S. 85). Ein Recht zur Verfolgung über die Landesgrenzen hinaus kann sich auch aus dem Länderabkommen über die erweiterte Zuständigkeit der Polizei der Bundesländer bei der Strafverfolgung vom 6. 11. 1969 (abgedr. z. B. BayGVBl. 1970 125) ergeben (dazu die Zustimmungsgesetze von Bremen vom 24.2.1970, GVB1. 29; Hamburg vom 16.2.1970, GVB1. 53; Niedersachsen vom 19.3.1970, GVB1. 61; Nordrh.-W. vom 18.3. 1970, GVB1. 243; Saarland vom 17. 12. 1969, ABl. 1970 33; Schlesw.-H. vom 24. 2. 1970, GVB1. 37; Berlin vom 15. 6. 1972/7. 11. 1972, GVB1. 1042, 2140). d) § 167 regelt nicht, inwieweit Polizeibeamte zur Verhinderung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten oder aus sonstigen polizeilichen Gründen in einem anderen Land 2929

§ 1 6 7 Anm. 5—9 § 1 6 8 Anm. 1

Gerichtsverfassungsgesetz

einschreiten dürfen. Auch hier gilt der Grundsatz, daß die Amtsbefugnisse eines Polizeibeamten an der Grenze seines Landes enden (vgl. BGHSt. 4, 110), soweit nicht die Polizeigesetze der Länder (vgl. vorstehend zu c) oder andere Vorschriften das Tätigwerden von Polizeibeamten anderer Länder zulassen. 5. Zur Befolgung des Absatzes 2 sind die verfolgenden Polizeibeamten unter allen Umständen verpflichtet; sie dürfen den Ergriffenen selbst dann nicht ohne weiteres mit sich nehmen, wenn dieser auf die Abführung an die Behörde des Landes, in dem er ergriffen worden ist, ausdrücklich verzichtet. 6. Gericht oder Polizeibehörde. An welche dieser beiden Behörden der Ergriffene abzuführen sei, unterliegt dem Ermessen des Beamten, der die Ergreifung bewirkt. Sofern nicht das Gericht leichter erreichbar ist, wird sich die Abführung an die Polizeibehörde empfehlen. 7. Das Verfahren der Behörde, an die der Ergriffene abgeführt wird, richtet sich, da nichts Besonderes vorgeschrieben ist, nach den Bestimmungen der StPO; es wird also auf die Lage der Sache und den Anlaß der Verfolgung ankommen; der Umstand, daß bei der Nacheile eine Landesgrenze überschritten worden ist, hat keinen weiteren als den in Anm. 5 bezeichneten Einfluß. — Ist der Ergriffene an die Polizeibehörde abgeführt worden und liegt eine Festnahme im Sinn der §§ 127ff. StPO vor. so muß die Polizeibehörde den Gefangenen notwendig dem Amtsrichter vorführen (§ 128 StPO). Liegt der Ergreifung ein Haftbefehl oder Steckbrief zugrunde, so greifen §§ 115, 115a und § 131 Abs. 4 StPO ein. Ist kein Grund zur Vorführung vorhanden, so hat die Polizeibehörde den Ergriffenen dem verfolgenden Beamten wieder zu überantworten, der nunmehr befugt ist. ihn mitzunehmen und der zuständigen Behörde zu überliefern. Die Befugnis, den Ergriffenen wider den Willen des verfolgenden Beamten in Freiheit zu setzen, ist der Polizeibehörde nicht zuzugestehen. — Wird der Ergriffene vor den Amtsrichter geführt, so hat dieser, gleichviel ob dies unmittelbar durch den verfolgenden Beamten oder durch die Polizeibehörde geschehen ist, nach Maßgabe der angezogenen Gesetzesbestimmungen zu prüfen, ob ein Haftbefehl (§ 128) zu erlassen oder etwa die Freilassung (§§ 115, 115 a, 128 StPO) zu verfügen ist; kommt keine dieser Maßnahmen in Betracht, so ist der Ergriffene dem verfolgenden Beamten zu überantworten. Ein Fall dieser Art liegt z. JB. vor, wenn ein aus einer Strafanstalt Entflohener (vgl. Anm. 3) alsbald verfolgt und nach Überschreitung einer Landesgrenze ergriffen wird. 8. Die Überschreitung der Landesgrenzen ist nach § 167 GVG nur zwecks Ergreifung des Flüchtigen, nicht auch zur Vornahme sonstiger Verfolgungsmaßnahmen zulässig, insbesondere nicht zur Durchsuchung einer Person nach Sachen oder zur Beschlagnahme von in ihrem Besitz befindlichen Sachen (RGSt. 26 211). Selbstverständlich ist aber für die Befugnis, einen Ergriffenen auch zu durchsuchen, der Ort der Ergreifung ohne Bedeutung. 9. Für die Nachteile und die sonstige Entsendung von Beamten ins Ausland gelten Nr. 189—192 der „Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten" (vgl. Vorbem. 5 II 1 vor § 156 u. RiStBV Nr. 213).

§ 168 Die in einem deutschen Land bestehenden Vorschriften über die Mitteilung von Akten einer öffentlichen Behörde an ein Gericht dieses Landes sind auch dann anzuwenden, wenn das ersuchende Gericht einem anderen deutschen Land angehört. Entstehungsgeschichte: Entw. — Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 318). 1. Entstehungsgeschichte und Geltungsgebiet. § 168, der erst von der RTK aufgenommen wurde, betrifft nicht einen Akt der Rechtshilfe, sondern der Amtshilfe, da es sich um die Unterstützung des Gerichts durch eine andere Behörde als ein Gericht handelt. § 168 besagt, daß eine solche Behörde die Gerichte anderer Länder in gleichem Umfang nach Maßgabe für die Behörde geltenden landesrechtlichen Vorschriften durch Mitteilung von Akten zu unterstützen hat wie die Gerichte des eigenen Landes. Im Strafverfahren ist die 2930

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

y

§ 1 6 8 Anm. 2 , 3 § 1 6 9 Anm. 1

o r

Pflicht der Behörden, die Gerichte durch Mitteilung ihrer Akten zu unterstützen, durch § 96 StPO bundesrechtlich geregelt; insoweit bleibt, insbesondere angesichts der allgemeinen Amtshilfepflicht nach Art. 35 GG, wenig Raum für landesrechtliche Regelungen, bei denen der Gesichtspunkt der amtshilferechtlichen Gleichberechtigung der übrigen deutschen Gerichte zu beachten wäre (vgl. Anm. 7 zu § 96 StPO). Über die Behandlung der mitgeteilten Akten bei Gewährung des Einsichtsrechts in die gerichtlichen Akten vgl. Nr. 192 Satz 2 RiStBV. 2. Den umgekehrten Fall der Amtshilfe, die Unterstützung anderer Behörden durch Mitteilung gerichtlicher Akten, hat § 168 nicht geregelt. Insoweit gilt Art. 35 G G (vgl. Vorbem. 2 vor § 156) und Nr. 190 RiStBV. 3. Bei Verweigerung der Amtshilfe gibt es nur Dienstaufsichtsbeschwerde (vgl. Anm. 6 zu § 96 StPO).

VIERZEHNTER TITEL Öffentlichkeit und Sitzungspolizei Vorbemerkung 1. Der 14. Titel des GVG regelt zwei Angelegenheiten, die das Verfahren betreffen und mit der Gerichtsverfassung an sich nichts zu tun haben, die Öffentlichkeit und die Sitzungspolizei. a) § 169, der den Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht aufstellt, gilt gemäß § 2 E G GVG zwar nur für die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit, also für die ordentlichen Gerichte bei Ausübung der Zivil- und Strafrechtspflege. Es handelt sich aber um einen aus den politischen Forderungen des 19. Jahrhunderts (zur Entstehungsgeschichte vgl. E b S c h m i d t , Lehrkomm. I Nr. 401) erwachsenen Grundsatz, der zu den kennzeichnenden Merkmalen der modernen Rechtsprechung überhaupt gehört, soweit die das Verfahren abschließende Entscheidung aufgrund einer mündlichen Verhandlung erfolgt und soweit die Öffentlichkeit an der Durchführung solcher Verfahren besonderen Anteil nimmt (vgl. BVerfG NJW 1955 18; BGHSt. 9 280). Der Öffentlichkeitsgrundsatz findet sich daher nicht nur auch in den Verfahrensvorschriften der stonstigen Gerichtsbarkeitszweige, die im allgemeinen die Vorschriften des 14. Titels des GVG für entsprechend anwendbar erklären (vgl. § 17 BVerfGG, § 52 Arbeitsgerichtsges., §§ 55, 133 Nr. 4 VwGO; § 52 FinGO; § 202 Sozialgerichtsges.), sondern ist auch z. T. in den Landesverfassungen niedergelegt (z. B. BayVerf. Art. 90) und gilt auch für das gerichtsähnliche Verfahren der Untersuchungsausschüsse des Bundestags (Art. 44 Abs. 1 GG). Die Öffentlichkeit ist „eine wesentliche Bedingung des öffentlichen Vertrauens zur Rechtsprechung der Gerichte"; sie verhindert, daß „die gesamte Tätigkeit des Gerichts hinter verschlossenen Türen in ein Dunkel gehüllt und dadurch Mißdeutungen und Argwohn ausgesetzt" wird (RGSt. 70 112; BGHSt. 9 280). — Grundsätzlich ausgeschlossen ist die Öffentlichkeit insbes. im Verfahren gegen Jugendliche (§ 48 JGG) aus erzieherischen Gründen, ferner im Disziplinarverfahren gegen Richter (§ 63 DRiG) und gegen Beamte (§ 73 BundesdisziplinarO) und in ehrengerichtlichen Verfahren gegen Angehörige von Berufsständen (z. B. § 135 BundesrechtsanwaltsO), und zwar teils im Interesse des Beschuldigten, teils wegen der geringeren Bedeutung des Verfahrens für die Öffentlichkeit. Das Vorliegen eines echten gerichtlichen Verfahrens wird hier durch den Ausschluß der Öffentlichkeit nicht in Frage gestellt (BVerfG NJW 1955 18). b) Mittelbare Öffentlichkeit. Das GVG versteht unter Öffentlichkeit nur die sog. unmittelbare Öffentlichkeit, die darin besteht, daß jedermann der Zugang zum Verhandlungsraum, die körperlich-räumliche Anwesenheit offenstehen muß. Das Problem der sog. mittelbaren Öffentlichkeit, der Frage, ob und inwieweit es zulässig ist oder gar ein Recht darauf besteht, 2931

V o r § 1 6 9 Anni. 2, 3

Gerichtsverfassungsgesetz

§ 169 die Verhandlungsvorgänge einer weiteren (nicht körperlich anwesenden) Öffentlichkeit durch Ton- und Femseh-Rundfunkaufnahmen zugänglich zu machen, ist im StPÄG vom 19. 12. 1964 durch Einfügung des § 169 Satz 2 geregelt worden. c) Die Sitzungspolizei umfaßt nicht nur die (teils dem Gericht, teils dem Vorsitzenden zustehenden) Befugnisse zur Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Sitzung, sondern die Wahrung der Ordnung bei der Vornahme richterlicher Amtshandlungen überhaupt (vgl. § 180).

2. Nach Art. 6 Abs. 1 der Menschenrechtskonvention (vgl. Vorbem. vor § 184) hat jedermann Anspruch darauf, daß „seine S a c h e . . . öffentlich.. ; gehört w i r d . . . . Das Urteil muß öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat ausgeschlossen werden oder wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozeßparteien es verlangen oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung die Interessen der Gerechtigkeit beeinträchtigen würde, in diesem Falle jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang". Mit diesen Grundsätzen befindet sich die Regelung der §§ 169 ff. und der Vorschriften des J G G (vgl. zu § 169) in Einklang (v. W e b e r ZStrW 65 338; J e s c h e c k NJW 1954 785; S c h o r n DRiZ 1963 340; E b S c h m i d t Vorbem. 2; MDR 1955 386; s. aber auch derselbe JZ 1970 35 und dazu Anm. 1 d zu § 172). 3. Literatur: D e l i u s Die sitzungspolizeilichen Befugnisse der Behörden (1893); L e v i n Richterliche Prozeßleitung und Sitzungspolizei (1913); E n g e l e r Die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung im Reichsstrafprozeß (1912); S c h u c k e r t , Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im Deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, Freib. Diss. 1936; B e e s e Die Grundsätze der Öffentlichkeit im deutschen Strafprozeß, Münch. Diss. 1938; E b S c h m i d t Öffentlichkeit oder Publicity in Festschrift für W. Schmidt (1959); Justiz und Publizistik 1968; B o c k e l m a n n , Öffentlichkeit und Strafrechtspflege NJW 1960 217; G ü d e NJW 1960 519; M a u l , Bild- und Rundfunkberichterstattung im Strafverfahren, MDR 1970 286; K o h l h a a s Die mangelnde Durchsetzbarkeit des § 169 Satz 2 GVG, NJW 1970 600; Seib e r t , Die Öffentlichkeit in großen Strafverfahren, NJW 1970 1535; W e i d e m a n n , Öffentlichkeitsgrundsatz und ,Justizkampagne", DRiZ 1970 114; S c h m i t t , Öffentlichkeit der Sitzung und Ausweiskontrolle, DRiZ 1971 20. S. auch die Lit. Angaben zu §§ 172, 176,178.

§ 169 Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig. Entstehungsgeschichte: Entw. § 139. Spätere Änderungen: Satz 2 ist durch das StPAG vom 19. 12. 1964 (BGBl. I 1067) eingefügt worden. Hierzu aus dem JGG: a) § 48: „(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Entscheidungen ist nicht öffentlich. (2) Neben den am Verfahren Beteiligten ist dem Verletzten, den Beamten der Kriminalpolizei und, falls der Angeklagte unter Bewährungsaufsicht steht oder für ihn ein Erziehungsbeistand bestellt ist, dem Helfer und dem Erziehungsbeistand die Anwesenheit gestattet. Andere Personen kann der Vorsitzende aus besonderen Gründen, namentlich zu Ausbildungszwecken zulassen. (3) Sind in dem Verfahren auch Heranwachsende oder Erwachsene angeklagt, so ist die Verhandlung öffentlich. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Erziehung jugendlicher Angeklagter geboten ist." 2932

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 169 Anm. 1—3

b) § 104 Abs. 2. wonach im Verfahren gegen Jugendliche vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten in den Fällen der §§ 102, 103 (nämlich vor dem Oberlandesgericht im 1. Rechtszug [§ 120] und vor der Staatsschutzkammer [§ 74a GVG] sowie bei Verbindung von Strafsachen gegen Jugendliche und Erwachsene) die Anwendung derjenigen Verfahrensvorschriften des JGG, die § 104 Abs. 1 nicht vorschreibt, im Ermessen des Richters steht; dazu gehört auch § 48. c) § 109 Abs. 1 Satz 2 (betr. Verfahren gegen Heranwachsende): „Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Erziehung des Angeklagten geboten ist." Vgl. dazu die von den Landesjustizverwaltungen vereinbarten „Richtlinien zum J G G " zu § 48. 1. Die StPO (vgl. Buch 2 Abschn. 5, 6) nennt die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht „Hauptverhandlung". Sie beginnt mit dem Aufruf der Zeugen und Sachverständigen und endet mit der Verkündung des Urteils (§§ 243, 260 StPO). § 338 Nr. 6 StPO verwendet bei der Regelung der Folgen, die sich aus der Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit ergeben, den Begriff der „mündlichen Verhandlung". Darunter ist aber nicht etwa der Teil der Hauptverhandlung zu verstehen, der der Urteilsverkündung vorausgeht, sondern, wie § 173 GVG ergibt, die Hauptverhandlung in ihrem ganzen Umfang (BGHSt. 4 280). 2. Der Grundsatz des § 169 gilt gleichmäßig für alle Rechtszüge. 3. Auswirkung des Grundsatzes der Öffentlichkeit. Der Grundsatz der Öffentlichkeit verlangt, daß die Hauptverhandlungen in Räumen stattfinden, zu denen während der Dauer der Verhandlung grundsätzlich jedermann der Zutritt und die Wahrnehmung der Verhandlungsvorgänge offen steht (RG JW 1938 1019). Der Öffentlichkeitsgrundsatz findet aber seine natürliche Grenze in der tatsächlichen Unmöglichkeit, ihn zu befolgen (RGSt. 52 137; BGHSt. 5 75, 83; 21 72, 73). Er ist z. B. nicht verletzt, wenn es bei Aufrechterhaltung der erforderlichen Ordnung nicht möglich ist, daß die Zuhörer auch die im Sitzungssaal vorgeführten Lichtbilder wahrnehmen (BGH GA 1963 101). Muß die Hauptverhandlung bei beengtem Raum durchgeführt werden, so ist die Öffentlichkeit auch dann gewahrt, wenn Zuhörer nur in sehr begrenzter Zahl die Möglichkeit des Zutritts haben. Dagegen ist die Öffentlichkeit grundsätzlich (Ausnahme bei Augenscheinseinnahme, s. u.) gesetzwidrig beschränkt, wenn der Raum so eng oder der Zugang zu ihm so erschwert ist, daß Zuhörer nicht teilnehmen können (BGH NJW 1954 283 = BGHSt. 5 75; S e i b e r t NJW 1970 1536). Es gehört jedoch nicht zur Öffentlichkeit, daß jedermann aus dem Publikum weiß, wann und wo eine Hauptverhandlung stattfindet. Es genügt, daß jeder Beliebige die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeiten davon Kenntnis zu verschaffen, und ihm der Zutritt offensteht (BayObLG GA 1970 242). Unter dieser Voraussetzung ist z. B. eine zu nächtlicher Stunde als Teil der Hauptverhandlung an entlegener Stelle vorgenommene Augenscheinseinnahme nicht deshalb nichtöffentlich, weil niemand aus dem Publikum Zutritt begehrt (OLG Düsseldorf JMB1. NRW 1963 215). Finden öffentliche Verhandlungen außerhalb des Gerichtsgebäudes oder in einem Raum des Gerichtsgebäudes statt, der üblicherweise nicht als Sitzungsraum dient (z. B. im Dienstzimmer eines Richters, in der Wohnung eines erkrankten Schöffen), so muß dies grundsätzlich äußerlich für jedermann wahrnehmbar kundgegeben werden, z. B. durch Aushang einer Tafel mit der Bezeichnung „Öffentliche Sitzung" oder Aushang des Terminzettels mit entsprechendem Hinweis (vgl. OLGe. Hamm NJW 1960 785; Hamburg GA 1964 27 = VRS 24 437). Dagegen genügt es bei Verlegung der Verhandlung in einen anderen Sitzungsraum, wenn an dem ursprünglichen Sitzungsraum ein entsprechender deutlicher Hinweis angebracht wird (OLGe. Neustadt M D R 1964 778; Zweibrücken VRS 30 205). Ist aber bei einer Verlegung des Verhandlungsraüms weder an dem ursprünglichen noch an dem neuen Verhandlungsort ein die öffentliche Verhandlung kennzeichnender Hinweis angebracht, so ist § 169 Satz 1 verletzt (BGH bei D a l l i n g e r MDR 1970 560). Im einzelnen gilt folgendes: a) Zulässige Beschränkungen. Schon mit Rücksicht auf die Raumverhältnisse der Gerichtszimmer hat nicht jeder, der einer Verhandlung beizuwohnen wünscht, einen unbedingten Anspruch auf Einlaß in das Gerichtszimmer. Maßregeln, die darauf gerichtet sind, eine Überfiillung des für die Zuhörer bestimmten Raumes zu verhindern, sind statthaft; insbe2933

§ 169 Anm. 3

Gerichtsverfassungsgesetz

sondere liegt keine unzulässige Beschränkung der Öffentlichkeit vor, wenn die Türen des Sitzungszimmers geschlossen werden, nachdem so viele Personen Einlaß gefunden haben, als der Raum gestattet (RGRspr. 2 360; BGHSt. 21 72, 73). Dasselbe gilt von der Anordnung, daß der Zutritt zum Zuhörerraum auf eine begrenzte Anzahl von Personen beschränkt wird (RG LZ 1924 703). Ein Rechtssatz, daß von dem Zuhörerraum stets bis nahe an die Grenzen der Uberfullung Gebrauch zu machen sei, ist nicht anzuerkennen (RG vom 6. 5. 1924 IV 416/24). Ob der Raum noch Platz für weitere Zuhörer bietet, hat der Vorsitzende zu ermessen (RG vom 8. 9. 1930 III 772/30). Auch die Anordnung, daß bei zu erwartendem sehr großen Andrang oder wegen beschränkter Raumverhältnisse Einlaß nur mit Einlaßkarten gewährt wird, ist nur eine die Öffentlichkeit ordnende Maßregel, nicht eine unzulässige Beschränkung der Öffentlichkeit, vorausgesetzt, daß die Erlangung der Einlaßkarten für jeden in derselben Weise möglich ist (RG GA 36 408, 53 443, 69 89; RGSt. 54 225; RG Recht 1922 691; JW 1930 3404; H R R 1931 Nr. 169; BayZ 1932 174; E b . S c h m i d t 7); der Öffentlichkeitsgrundsatz ist aber verletzt, wenn der Zutritt auf bestimmte Personengruppen beschränkt wird, z. B. nur auf Pressevertreter (BGH bei D a l l i n g e r MDR 1970 561). Die Öffentlichkeit wird ferner nicht durch geringfügige Erschwerungen des Zugangs zur Hauptverhandlung ausgeschlossen, also z. B. nicht dadurch, daß bei Wechsel des Verhandlungsraums es u. U. einer gewissen Erkundigung beim Pförtner oder Wachtmeister bedarf, um den neuen Zugang leicht zu finden (OLG Bremen MDR 1955 757; E b S c h m i d t 11). Sie wird auch nicht dadurch aufgehoben, daß die Türen des Sitzungssaales vorübergehend geschlossen werden, um die Flucht einer im Zuschauerraum befindlichen Person zu verhindern, vorausgesetzt, daß andere Personen, die sich außerhalb des Saales an den geschlossenen Türen melden, der Eintritt gestattet wird (RG Recht 1912 Nr. 3514). War von mehreren Türen des Sitzungssaales die zum Zuschauerraum führende aus Versehen kurze Zeit geschlossen, so hebt dies die Öffentlichkeit nicht auf, wenn der Zutritt zum Sitzungssaal durch die andere Türe jedermann freistand (RG LZ 1916 1433). Zur Öffentlichkeit soll schon ausreichen, daß die Vorgänge in dem durch die Prozeßbeteiligten ausgefüllten Sitzungssaal von den Unbeteiligten durch die nicht verschlossene Tür wahrgenommen werden können (RG vom 17. 6. 1907 I 360/07). Daß ein zum Sitzungssaal gehöriger Nebenraum (Galerie, Loge) der Allgemeinheit nicht zugänglich ist, bedeutet keine unzulässige Beschränkung der Öffentlichkeit (RG GA 69 89, H R R 1926 Nr. 880; BGH DRiZ 1971 206). und noch weniger liegt sie vor, wenn der Vorsitzende einen Pressevertreter nicht in den der Presse vorbehaltenen Teil des Sitzungssaales einläßt, sofern ihm nur im übrigen der Zutritt zum Sitzungsraum offensteht (BGH bei D a l l i n g e r MDR 1972 753). Das gleiche gilt von der (zur Vermeidung von Störungen der Verhandlung getroffenen) Anordnung des Vorsitzenden, die vorübergehend das Betreten und Verlassen des Zuhörerraums während einzelner Verfahrensakte. wie z. B. der Vernehmung des Angeklagten oder von Zeugen oder Verkündigung der Urteilsgründe, verbietet, im übrigen aber den Einlaß von Zuhörern unbeschränkt zuläßt (RG Recht 1929 Nr. 2453; BGH MDR 1952 410 mit Anm. D a l l i n g e r ; BGHSt. 24 73). Die Öffentlichkeit der Verhandlung, die in einer Strafanstalt stattfindet, ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Zuhörer den Verschluß der Anstalt durchschreiten müssen (RG vom 4. 4. 1927 III 110/27; RG JW 1930 3404). Ebenso ist es auf die Öffentlichkeit ohne Einfluß, wenn die Polizeibehörde zum Schutz gegen Unruhen und drohende Störungen den Zugang zum Gerichtsgebäude oder der Justizwachtmeister den Zugang zum Sitzungssaal nur Personen gestattet, die sich über ihre Persönlichkeit gegenüber den Polizei- und Justizbeamten ausweisen (RGSt. 54 225), der Zutritt aber den Personen, die Einlaß verlangen, nach Prüfung ihrer Ausweise ohne Beschränkung gestattet wird (RG LZ 1922 167; S c h m i t t DRiZ 1971 20), oder wenn aus dem gleichen Grunde die Zutritt Begehrenden durchsucht werden, ob sie unberechtigt Waffen fuhren, und Personen zurückgewiesen werden, die die Durchsuchung ablehnen oder im Besitz von Waffen befunden werden und sich weigern, sie abzuliefern und bis zum Verlassen des Gerichtsgebäudes verwahren zu lassen (vgl. S c h m i t t DRiZ 1971 20). Dagegen könnte nicht verlangt werden, daß nach Prüfung der Personalausweise deren Inhaber sie abgeben und bis zum Ende der Sitzung in Verwahrung belassen, um zu verhindern, daß sie sich der Bestrafung wegen etwa begangener Ungebührhandlungen unerkannt entziehen (a. M. S t e i n b r e n n e r „Die Justiz" 1968 236). Wegen der Fernhaltung von Personen, die erkennbar beabsichtigen, die Sitzung zu stören, vgl. Anm. 3 zu § 175. Der 2934

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 169 Anm. 4 Grundsatz der Öffentlichkeit hindert auch nicht, daß der Vorsitzende bei Einnahme eines richterlichen Augenscheins unbeteiligten Zuschauern zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung (§ 176) den Eintritt in die zu besichtigenden Räume untersagt, wenn für sie neben den unmittelbar Beteiligten kein ausreichender Platz ist (RGSt. 47 322; RG JW 1937 3100 Nr. 29; BGHSt. 5 83 = N J W 1954 283). b) Eine unzulässige Beschränkung der Öffentlichkeit liegt auch vor, wenn nur einzelnen oder auch nur einer einzelnen Person der Zutritt oder die weitere Anwesenheit im Verhandlungsraum ohne gesetzlichen Grund rsagt wird (BGHSt. 18 179, 180 = NJW 1963 599 = JR 1963 307 m. Anm. E b S c h m i d t ) . Eine Anregung des Vorsitzenden zum freiwilligen Verlassen des Sitzungsraums, der der Zuhörer aus freiem Entschluß entspricht, verletzt den Öffentlichkeitsgrundsatz nicht. Eine Entfernung des Zuhörers gegen seinen Willen kann aber auch vorliegen, wenn eine als Anregung zum freiwilligen Verlassen gedachte Äußerung des Vorsitzenden wegen der Autorität, die ihr zukommt, vom Zuhörer dahin mißgedeutet werden kann, und mißverstanden wird, das Gericht wünsche seine Entfernung (BGH N J W 1963 166= M D R 1963 150). c) Gesetzliche Ausschließungsgriinde ergeben sich aber nicht nur aus §§ 171—175, 177; die abweichende Auffassung RGSt. 64 385 ist vereinzelt geblieben und vom R G in anderen Entscheidungen - 3 D 462/31 vom 9. 11. 1931 und 2 D 408/40 vom 13. 3. 1941 - nicht geteilt worden. Weitere gesetzl. Gründe, einzelne Personen von der Teilnahme auszuschließen, regeln §§ 58 Abs. 1, 243 Abs. 4 StPO. Aus § 58 Abs. 1 StPO (Vernehmung eines Zeugen in Abwesenheit der später zu Hörenden) ergibt sich, daß es zulässig ist. wenn ein Zuhörer zum Verlassen des Sitzungssaals aufgefordert wird, weil er als Zeuge vernommen werden soll, ja schon dann, wenn mit der Möglichkeit zu rechnen ist. daß er als Zeuge in Betracht kommt, insbes. wenn ein Prozeßbeteiligter die Absicht kundgibt, sich auf den Zuhörer als Zeugen zu berufen (BGHSt. 3 386). Ebenso ist es zulässig, einen Zuhörer, gegen den aufgrund der den Gegenstand der Hauptverhandlung bildenden Vorgänge ein Ermittlungsverfahren wegen Teilnahme, Hehlerei oder Begünstigung schwebt, des Raumes zu verweisen, denn die Hauptverhandlung ist praktisch ein Bestandteil des gegen den Zuhörer gerichteten nichtöffentlichen Ermittlungsverfahrens, in dem er als Beschuldigter kein Recht darauf hat, der Vernehmung von Zeugen oder Mitbeschuldigten beizuwohnen (BGHSt. 3 3 8 6 ; M ü l l e r - S a x l b 2 ; E b . S c h m i d t 12). Schließlich kann der Vorsitzende Personen, die die Ordnung in krasser Weise stören, aufgeben, sich aus dem Sitzungsraum zu entfernen, und durch Gerichtsbeschluß können sie zwangsweise entfernt werden (vgl. Anm. 3 a zu § 176). d) Keine Beschränkung der Öffentlichkeit, die schon durch die Möglichkeit des Zutritts überhaupt gewahrt ist, stellt es dar, wenn einem Presseberichterstatter wegen Nichterfüllung der ihm auferlegten Bedingungen die Vergünstigung eines besonderen Arbeitsplatzes (vgl. Absatz 4) entzogen wird (RG vom 9. 11. 1931 - III 462/31 - ; Hachenburg D J Z 1927 651; BGH bei D a l l i n g e r M D R 1972 753; oben 3 a). 4. Tatsächlicher Ausschluß der Öffentlichkeit. Wird die Öffentlichkeit (der Zugang am Zutritt interessierter Personen), ohne daß ein die Öffentlichkeit ausschließender Gerichtsbeschluß vorliegt, tatsächlich ausgeschlossen oder beschränkt, sei es durch Zufall (die Tür zum Gerichtsgebäude oder Sitzungsraum fällt ohne Zutun ins Schloß und versperrt den Zugang), sei es durch Irrtum, Eigenmächtigkeit oder Versehen des Justizwachmeisters oder des Urkundsbeamten — z. B. er verneint zu Unrecht die Frage, ob die Sitzung öffentlich sei; er hängt ein Schild mit der Aufschrift: „Sitzung! Bitte nicht stören" aus (vgl. O L G Bremen M D R 1966 864) oder der Justizwachtmeister verwehrt einzelnen Personen den Zutritt in der Annahme, der Zuschauerraum sei voll besetzt, der Urkundsbeamte schaltet versehentlicht statt der Leuchtnachricht „Öffentliche Sitzung" die andere „Nichtöffentliche Sitzung" ein — so begründet dies nach der Rechtsprechung des R G die Revision aus § 338 Nr. 6 StPO nur, wenn der tatsächliche Ausschluß ohne Zutun oder Kenntnis des Gerichts oder des Vorsitzenden erfolgte (RGSt. 43 188; 71 377; weitere Nachweise in BGHSt. 22 297 = N J W 1969 756 = M D R 1969 324). Dem folgten nach dem Kriege zunächst überwiegend Rechtsprechung und Schrifttum (Nachw. in Anm. 3 c der Vorauflage); nur vereinzelt wurde (Eb. S c h m i d t Rdn. 13; B e c k NJW 1966 1976) und wird (vgl. D a h s , Revision in Strafsachen 2935

§ 169

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 5 - 1 0 RZ 159) geltend gemacht, daß es für die rechtliche Beurteilung keinen Unterschied mache, ob der tatsächliche Ausschluß auf das Verhalten des Gerichts oder nur des Justizwachtmeisters usw. zurückzuführen sei. Die neuere Rechtsprechung schließt sich an die Rechtsprechung des R G an, aber — mit Recht — mit der Einschränkung, daß die Revision nicht nur bei Kenntnis des Gerichts oder des Vorsitzenden von dem tatsächlichen Ausschluß, sondern auch dann gegeben ist, wenn das Gericht (der Vorsitzende) bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt und Umsicht die Beschränkung der Öffentlichkeit hätte bemerken oder beseitigen können (BGHSt. 21 72 = NJW 1966 1570 = M D R 1966 772 = LM Nr. 8 m. Anm. W i l l m s ; BGHSt. 22 297 = N J W 1969 756; OLGe. H a m m N J W 1960 785; 1970 72; Bremen M D R 1966 864: BayObLG G A 1970 242; M ü l l e r - S a x 7d zu § 338 StPO; S a r s t e d t Revision 151; W i l l m s LM Nr. 8 zu § 169; a. M. K l 3 zu § 174). Jedoch dürfen die Anforderungen an die Beobachtungspflicht des Gerichts und inbes. des Vorsitzenden, der durch die Leitung der Verhandlung in Anspruch genommen ist, nicht überspannt werden (BGHSt. 22 297, 302). Wird z. B. über längere Zeit hindurch für Verhandlungen ein Raum außerhalb des Gerichtsgebäudes benutzt, der durch Hinweisschilder deutlich bezeichnet ist, so gehört es nicht zu den Aufgaben des Gerichts (Vorsitzenden), jeweils am Sitzungstag zu überprüfen, ob die Schilder auch noch angebracht sind (BayObLG G A 1970 242). Der vorgenannte Grundsatz beschränkt sich nicht auf Fälle tatsächlichen Ausschlusses durch Fehlhandlungen von Justizangehörigen, sondern gilt auch bei entsprechendem Verhalten anderer Personen. So hat O L G Düsseldorf JMB1NRW 1966 23 in einem Fall, wo eine Verhandlung im Nebenraum einer Gaststätte stattfand, mit Recht eine Verletzung des § 169 verneint, als das Bedienungspersonal Personen, die nach seiner Auffassung nur die Gaststätte besuchen wollten und an der Verhandlung nicht interessiert waren, vom Eintritt in den Verhandlungsraum abhielt, weil dort keine Bedienungsmöglichkeit bestehe. Entsprechendes muß folgerichtig auch gelten bei Fehlverhalten anderer Außenstehender, z. B. der Polizei, die bei drohenden Unruhen das Gerichtsgebäude bewacht und einzelnen Personen in Verkennung der tatsächlichen Sachlage den Zutritt verwehrt (a. M. S t ü r n e r JZ 1972 666 betr. Fehlverhalten des Hausrechtsinhabers — Gerichtspräsident usw. — im Gerichtsgebäude). 5. Wegen der Beratung und Abstimmung s. § 193. wegen der Verkündung der Entscheidungen § 173. 6. Wegen der Beurkundung betr. die Öffentlichkeit durch das Protokoll s. §§ 272 Nr. 5, 274 StPO. Ein lückenhaftes oder widersprüchliches Protokoll (z. B. es vermerkt für den ersten Verhandlungstag den Ausschluß der Öffentlichkeit, während laut Protokoll die Verhandlung am zweiten Tag „in öffentlicher Sitzung" fortgesetzt sein soll, oder es enthält einen Vermerk über die Wiederherstellung der Öffentlichkeit, aber keinen Vermerk über den die Öffentlichkeit ausschließenden Gerichtsbeschluß) hat nicht die Beweiskraft des § 274 StPO. Das Revisionsgericht kann es im Wege freier Beweiswürdigung ergänzen (BGHSt. 16 306. 308; 17 220, s. auch BGH NJW 1958 711). 7. Zu der Frage der Anfechtbarkeit eines Urteils wegen Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit s. § 338 Nr. 6, § 328 Abs. 2 StPO, oben Anm. 4, Anm. 1 f und 5 zu § 172 sowie K e r n JZ 1962 564. 8. NichtÖffentlichkeit. Parteiöffentlichkeit. Indem § 169 für die Hauptverhandlung die Öffentlichkeit vorschreibt, spricht er zugleich aus, daß alle übrigen gerichtlichen Verhandlungen, insbesondere also die der Voruntersuchung, nicht öffentlich sind. Das gilt selbst von den Verhandlungen, die nach Eröffnung des Hauptverfahrens statt vor dem erkennenden Gericht selbst vor einem ersuchten oder beauftragten Richter stattfinden; für sie gilt nur der Grundsatz der Parteien-Öffentlichkeit (§§ 192 Abs. 2; 2 2 3 - 2 2 5 , 233 Abs. 2; 369 Abs. 3 StPO). 9. Wegen der Öffentlichkeit von Gerichtssitzungen, die nicht zum Zweck einer Hauptverhandlung stattfinden, s. noch G V G § 45 Abs. 2, § 84 Abs. 1. 10. In Jugendsachen gelten die Vorschriften des J G G (vgl. vor Anm. 1) über den Ausschluß der Öffentlichkeit auch für die Berufungs- und Revisionsinstanz (RGSt. 59 374, O L G 2936

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 169 Anm. 1 1 , 1 2

Königsberg Z S t W 47 HöchstRR 148, D a l i i n g e r - L a c k n e r Anm. 1 zu § 48 J G G ) . Wird jemand wegen Taten angeklagt, die er teils als Jugendlicher, teils als Heranwachsender begangen hat. so findet die Hauptverhandlung, sofern nicht gleichzeitig gegen heranwachsende oder erwachsene Täter verhandelt wird, unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt (BGHSt. 22 21, 24 = M D R 1968 339; BGHSt. 23 176, 178). In Jugendschutzsachen (§§ 26, 7 4 b GVG), in denen sich die Hauptverhandlung ausschließlich gegen Erwachsene richtet, gelten auch für die Verhandlungen der Jugendgerichte die allgemeinen Vorschriften der §§ 169 ff. G V G über die Öffentlichkeit (BGH M D R 1955 246). 11. Indemnität. Eine Vorschrift, wie sie Art. 42 Abs. 3 G G , § 12 StGB für die Verhandlungen der Volksvertretungen kennt, besteht für öffentliche Gerichtsverhandlungen nicht. Die Wiedergabe von Teilen der Verhandlung macht, wenn sie den Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt, den Mitteilenden strafbar (RGSt. 62 145). 12. Zu Satz 2 (mittelbare Öffentlichkeit). Der durch das S t P Ä G 1964 eingefügte Satz 2 regelt einen Ausschnitt aus dem Problem der sog. mittelbaren Öffentlichkeit (vgl. Vorbem. 1 b vor § 169). Der Grundgedanke der Vorschrift ist, daß ein etwaiges Recht auf zeitgemäße Information der Allgemeinheit (der mittelbaren Öffentlichkeit) zurücktreten muß. weil bei Zulassung der in Satz 2 bezeichneten Aufnahmen während des Ganges der Hauptverhandlung für die Verfahrensbeteiligten durch die Vorstellung, einer erweiterten Öffentlichkeit dargestellt zu werden, den Blicken und der Kritik einer unübersehbaren namenlosen Menge ausgesetzt zu sein, die Gefahr besteht, daß sie in ihren Äußerungen gehemmt oder zu einem anderen als dem sonst angenommenen Verhalten veranlaßt werden und daß auf diese Weise die Wahrheitsermittlung beeinträchtigt wird. Das jetzt ausdrücklich ausgesprochene Verbot des Satzes 2 war schon z. T. durch die Rechtsprechung ausgebildet worden (vgl. BGHSt. 16 111 = N J W 1961 1781); eine Erweiterung des Verbots liegt darin, daß es auch für die Aufnahmen während der Urteilsverkündung gilt. Im einzelnen ist die Entwicklung bis zur Schaffung des Satzes 2 in Anm. 4 zu § 176 in der Vorauflage und auf S. 163 der Einleitung der vorliegenden Auflage dargestellt; darauf kann hier verwiesen werden. Erläuternd ist auszuführen: a) Das in Satz 2 ausgesprochene Verbot erstreckt sich zeitlich auf die Verhandlung, die mit dem Aufruf der Sache beginnt (§ 243 Abs. 1 StPO) und mit der Beendigung der amtlichen Tätigkeit des Gerichts nach Verkündigung des Urteils und Bekanntgabe der Urteilsgründe endet. Zwar schließt nach § 260 Abs. 1 StPO die Hauptverhandlung mit der Verkündung des Urteils einschl. der Eröffnung der Urteilsgründe (auf diesen Zeitpunkt scheint BGHSt. 22 83 = N J W 1968 804 m. Anm. E b S c h m i d t = M D R 1968 434 abzustellen). Da sich aber an die Urteilsverkündung die Verkündurig von Nebenentscheidungen (vgl. §§ 268 a und b StPO) und Belehrungen (Rechtsmittelbelehrung, § 35 a StPO, §§ 268 a und 268c) anschließen oder anschließen können, und diese Akte nicht einen Teil der Urteilsverkündung, wohl aber einen Teil der Hauptverhandlung bilden, bleibt das Verbot des Satzes 2 auch nach der Urteilsverkündung bis zur Beendigung der dem Gericht weiterhin obliegenden Aufgaben bestehen. Ohne Bedeutung ist es. ob das Gericht oder ein betroffener Beteiligter sich mit den verbotswidrigen Aufnahmen ausdrücklich oder stillschweigend einverstanden erklärt oder sie sogar gewünscht hat (BGHSt. 22 83). b) Das Verbot gilt nur während des Ganges der Hauptverhandlung, daher nicht während einer Verhandlungspause einschließlich der Beratungspause (BGHSt. 23 123 = N J W 1970 63 = J Z 1970 108); es gilt auch nicht in der Zeit vor Beginn und nach Beendigung der Hauptverhandlung (oben a), obwohl es auch dann namentlich für die Angeklagten peinlich sein kann, einem Ansturm der Reporter ausgesetzt zu sein. Das mag man bedauern (vgl. E b . S c h m i d t JZ 1967 383; DRiZ 1968 95: Justiz und Publizistik [1968] 38; K o h l h a a s N J W 1970 600); eine zeitliche Ausdehnung des Verbots läßt sich aber angesichts der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. B G H aaO.) nicht im Wege erweiternder Auslegung gewinnen, sondern ist Sache des Gesetzgebers. Abhilfe gegen Auswüchse kann aber schon auf dem Boden des geltenden Rechts geschaffen werden, wenn der Vorsitzende, dessen Sitzungspolizeigewalt zeitlich weiter reicht (vgl. Anm. 2 b zu § 176), und im übrigen — außerhalb des Bereichs der Sitzungspolizei — im Gerichtsgebäude der Inhaber des Hausrechts

2937

§§ 170; 171 § 1 7 1 a Anm. 1

Gerichtsverfassungsgesetz

publizistischen Auswüchsen mit dem Verbot von Ton-. Film- und Bildaufnahmen entgegentreten (vgl. dazu Nr. 125 Abs. 3 bis 5 RiStBV und BGHSt. 23 123, 125 f)- Der Vorsitzende und der Hausrechtsinhaber werden bei der Entschließung über den Gebrauch ihrer Rechte ein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit (Art. 5 G G ) gegenüber den schutzwürdigen Persönlichkeitsbelangen der Beteiligten abzuwägen haben. Bei Widerspruch eines Verfahrensbeteiligten gegen Aufnahmen aus dem Recht am eignen Bild — soweit sie nicht Personen der Zeitgeschichte sind (§§ 22, 23 K U G ) — gebietet es die gerichtliche Fürsorgepflicht, daß der Vorsitzende seine sitzungspolizeilichen Befugnisse zur Abwehr unerwünschter Aufnahmen einsetzt (vgl. dazu E b S c h m i d t D R i Z 1968 95 und eingehend M a u l M D R 1970 287). Das gilt entsprechend für einfache fotografische Aufnahmen, die nicht unter § 169 Satz 2 fallen (vgl. B G H bei D a l l i n g e r M D R 1971 188). c) Tonbandaufnahmen für justizinterne Zwecke. Verboten sind nach Satz 2 nur die dort bezeichneten Aufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts. Nicht unter Satz 2 fallen Tonbandaufnahmen, die für das Gericht (oder die Verteidigung) bei langdauernden Verhandlungen lediglich intern zur Gedächtnisstütze erfolgen. Inwieweit solche ohne Einwilligung der Beteiligten zulässig sind, richtet sich danach, ob die Grundsätze über die Wahrung des Persönlichkeitsrechts der Beteiligten und die Wahrheitserforschungspflicht (§ 244 Abs. 2) nicht entgegenstehen: nicht § 169 Satz 2, sondern allenfalls die bei Schaffung dieser Vorschrift gepflogenen parlamentarischen Erörterungen bieten Material für die Beantwortung dieser Frage (vgl. zu dieser Frage, die demgemäß an dieser Stelle nicht weiter zu erörtern ist, Anm. 3 d zu § 261; K l 5 zu § 169 m. w. Nachw.; B G H 1 StR 81/68 vom 2. 4. 1968 bei D a l l i n g e r M D R 1968 729; S c h m i d t - L e i c h n e r N J W 1965 1313; K l e i n k n e c h t N J W 1966 1541; H a n a c k JZ 1971 170). d) Revision. Ob ein Verstoß gegen § 169 Satz 2 einen zwingenden Revisionsgrund i. S. des § 338 Nr. 6 StPO bildet (so E b S c h m i d t N J W 1968 804; JZ 1969 317), läßt BGHSt. 22 83 = N J W 1968 804 = M D R 1968 434 = LM Nr. 9 m. Anm. P e l c h e n = J Z 1968 803 m. Anm. R o x i n ) offen; die Entscheidung kommt aber praktisch weitgehend auf die Bejahung mit der Erwägung hinaus, daß sich kaum Fälle vorstellen ließen, in denen sich — auch wenn die Aufnahme erst während der Urteilsverkündung erfolgt — einwandfrei sagen ließe, daß das Urteil auf der Zulassung der Aufnahme nicht beruhen könne (§ 337). Dem ist zuzustimmen.

§ 170 (betr. Verhandlung in Ehe- und Kindschaftssachen).

§ 171 (betr. Entmündigungssachen).

§ 171 a Die Öffentlichkeit kann f ü r die Hauptverhandlung oder für einen Teil davon ausgeschlossen werden, wenn das Verfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einer Heil- oder Pflegeanstalt neben einer Strafe oder ausschließlich zum Gegenstand hat. Entstehungsgeschichte: § 171 a 24. 11. 1933 (RGBl. I 1000).

ist eingefügt durch

Art. 1 Ziff. 2 des

Ges.

vom

1. Grundgedanke. § 171 ermöglicht den Ausschluß der Öffentlichkeit bei Klagen wegen Anfechtung oder Wiederaufhebung der Entmündigung einer Person wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche. Die Gründe, die in diesen Fällen den Ausschluß der Öffentlichkeit rechtfertigen — die Rücksichtnahme auf die Persönlichkeit — treffen auch zu, wenn es sich um die Unterbringung eines Zurechungsunfähigen oder vermindert Zurechnungsfähigen in einer Heil- oder Pflegeanstalt handelt. § 171 a ermächtigt daher das Gericht, den Ausschluß der Öffentlichkeit anzuordnen, wenn das Verfahren die Unterbringung des Beschuldigten in 2938

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 172 Anm. 1

einer Heil- oder Pflegeanstalt neben einer Strafe oder ausschließlich zum Gegenstand hat, ohne daß es einer weiteren Begründung bedarf. In Betracht kommt sowohl das subjektive Strafverfahren ( § 4 2 b Abs. 2 StGB) wie das Sicherungsverfahren (§§ 4 2 9 a ff. StPO). S. dazu auch Anm. 1 d zu § 172. 2. Das Verfahren hat die Unterbringung neben einer Strafe „zum Gegenstand", wenn deswegen Erörterungen gemacht werden, insbes. wenn mit der Unterbringung zu rechnen ist, auch wenn später ein Antrag nicht gestellt wird (vgl. § 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO und dort Anm. II 3 sowie § 246 a StPO). Vorbemerkungen zu §§ 172—175 1. Die §§ 1 7 2 - 1 7 5 sind durch Art. I des Ges. vom 5. 4. 1888 (RGBl. 133) und durch die VO vom 9. 3. 1932 (RGBl. I 121, 124) zweiter Teil Art. II Nr. 1 abgeändert worden. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat sie in dieser Fassung (mit geringfügigen stilistischen Änderungen) übernommen. 2. Die Art. II—IV des Ges. vom 5. 4. 1888 enthalten Strafvorschriften. Sie lauten in der jetzt geltenden Fassung (vgl. BGBl. III 453-1). A r t i k e l II Wer die nach § 174 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes ihm auferlegte Pflicht der Geheimhaltung durch unbefugte Mitteilung verletzt, wird mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten bestraft. A r t i k e l III (1) Soweit bei einer Gerichtsverhandlung die Öffentlichkeit wegen Gefahrdung der Staatssicherheit oder eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses ausgeschlossen war, dürfen Berichte über die Verhandlung durch die Presse nicht veröffentlicht werden. Das gleiche gilt auch nach der Beendigung des Verfahrens in betreff der Veröffentlichung der Anklageschrift oder anderer amtlicher Schriftstücke des Prozesses. (2) Zuwiderhandlungen unterliegen der im Art. II bestimmten Strafe. A r t i k e l IV (Die Vorschrift bildet in der Fassung des Ges. betr. Änderungen und Ergänzungen des StGB vom 25. 6. 1900 RGBl. 300 den § 184b StGB).

§ 172 In allen Sachen kann durch das Gericht für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn sie eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, insbesondere der Staatssicherheit, eine Gefahrdung der Sittlichkeit oder die Gefährdung eines wichtigen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses besorgen läßt. Entstehungsgeschichte: Entw. § 140 Abs. 1. Spätere Änderungen: Ges. vom 5 . 4 . 1888 (RGBl. 133). Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 318). VO vom 9. 3. 1932 (RGBl. I 121, 124) zweiter Teil Art. II Nr. 1. D a s Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat die Vorschrift nur (unwesentlich) stilistisch geändert. Schrifttum: W i t t k ä m p e r , D a s Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis des Zeugen im Strafprozeß, BB 1963 1160; S c h w e l i n g , Der Ausschluß der Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Sittlichkeit, D R i Z 1970 1354; derselbe: Der Ausschluß der Öffentlichkeit wegen Gefahrdung der Rechtsfindung in Verhandlungen von Sittlichkeitsdelikten, D R i Z 1970 385. 1. Ausschließungsgründe, a) Der Fall, daß die Öffentlichkeit eine Gefährdung der Staatssicherheit besorgen läßt, ist besonders hervorgehoben, weil in diesem Fall mit der Aus2939

§ 172 Anm. 1

Gerichtsverfassungsgesetz

Schließung der Öffentlichkeit besondere rechtliche Wirkungen verbunden sind (§ 174 Abs. 2 und Art. II. III des Ges. vom 5. 4. 1888). Die Ausdrucksweise „Gefährdung der öffentlichen Ordnung, insbesondere der Staatssicherheit" ist aber nicht ganz zutreffend, da eine Gefährdung der Staatssicherheit (z. B. durch Bekanntwerden von Plänen von Befestigungsanlagen u. dgl.) auch möglich ist, ohne daß von einer Gefahrdung der öffentlichen Ordnung die Rede sein kann. Das Gesetz will aber jede Gefährdung der Staatssicherheit treffen (so auch K o h l r a u s c h 3; E b S c h m i d t 1: vgl. R G G A 46 383). „Staatswohl" ist nicht gleichbedeutend mit „Staatssicherheit" ( R G G A 47 383); eine Gefahrdung der Staatssicherheit liegt also z. B. nicht vor. wenn der Ruf einer im öffentlichen Leben an bedeutsamer Stelle stehenden Persönlichkeit angegriffen ist. — § 172 G V G ist entsprechend anzuwenden, wenn in Verhandlungen vor deutschen Gerichten eine Gefahrdung der Sicherheit der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikpakts und ihrer in der Bundesrepublik stationierten Truppen zu besorgen ist (Art. 38 Abs. 2 des Zusatzabkommens zum Truppenstatut. BGBl. 1961 II 1218). b) Der Fall, daß die Öffentlichkeit zu einer Störung der Verhandlung oder zu einer Erschwerung der Wahrheitsermittlung führt, ist nicht besonders hervorgehoben, weil darin eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung liegen kann (Begr. 93). So rechtfertigt z. B. fortwährende Störung des Ganges der Hauptverhandlung durch die Zuhörer den Ausschluß der Öffentlichkeit wegen Gefahrdung der öfFentl. Ordnung. (OLG Düsseldorf HESt. 1, 206; B e y e r DRiZ 1972 285 m. w. Nachw.; vgl. dazu auch Anm. 4 zu § 177). Bei der Frage, welchem Grundsatz der Vorrang gebührt, wenn die Wahrheitserforschung durch die Öffentlichkeit beeinträchtigt erscheint, muß die hohe politische und rechtsstaatliche Bedeutung der Öffentlichkeit (vgl. Vorbem. l a vor § 169) gerade im Strafverfahren maßgeblich berücksichtigt werden. Die bloße Erwartung, daß der Angeklagte bei Ausschluß der Öffentlichkeit eher geneigt sein werde, ihn belastende Umstände zuzugeben, rechtfertigt den Ausschluß der Öffentlichkeit nicht (BGHSt. 9 280 = JZ 1957 185 mit Anm. K e r n = NJW 1956 1646), wohl aber, wenn ein Kind sich weigert, in Gegenwart vieler Zuhörer Angaben zu machen (BGH v. 8. 7. 1969, 1 StR 116/69; s. dazu unten Anm. 7). Auch liegt eine den Öffentlichkeitsgrundsatz zurückdrängende Erschwerung der Wahrheitsermittlung noch nicht vor, wenn dem Zeugen oder Angekl. durch wahrheitsgemäße Angaben in öffentlicher Verhandlung bloße Unannehmlichkeiten oder leichtere Nachteile drohen, vor denen ihn die öffentliche Gewalt schützen kann. Der Öfientlichkeitsgrundsatz muß aber zurücktreten, wenn dem Zeugen Gefahr für Leib und Leben seiner selbst oder naher Angehöriger durch den Angeklagten oder dessen Anhang droht, wobei es genügt, daß Personen, die der öffentl. Verhandlung als Beteiligte oder Zuhörer beiwohnen, Dritten die Kenntnis der Aussage vermitteln können, von denen die Gefährdung des Zeugen ausgehen kann (BGHSt. 3 344 = NJW 1953 3 15; BGHSt. 16 11, 113). Er muß ferner zurücktreten, wenn der zur Angabe der Wahrheit bereite Angeklagte aus begründeter Besorgnis vor ernsten und schwerwiegenden Angriffen von dritter Seite bei Offenbarung der Wahrheit mit seinen Angaben zurückhält (BGHSt. 9 280) oder schweigt, weil er sonst Personen, die in einem unter Gewalt- und Willkürherrschaft stehenden Gebiet wohnen, der Gefahr rechtswidriger Verfolgung durch die dortigen Machthaber aussetzen würde (Kl 3). Vgl. dazu noch RGSt. 30 244, R G Recht 1930 Nr. 2271 = BayZ 1931 140, H e l l w i g JR 1931 259, F e i s e n b e r g e r DJZ 1932 452, M e y e r JR 1932 138; vgl. auch R G JW 1896 511, G A 47 290. c) Die Besorgnis einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung ist auch begründet, wenn die Gefahr besteht, daß (nicht allgemein bekannte) Maßnahmen und Einrichtungen der Polizei und anderer Stellen, die der Verhütung oder Aufklärung strafbarer Handlungen dienen, durch ihre Erörterung in öffentl. Verhandlung allgemein oder bestimmten Täterkreisen bekannt werden und dadurch an Wirksamkeit verlieren (z. B. bei der Vernehmung eines Fingerabdrucksachverständigen [BGH M D R 1954, 400]) oder daß durch die Erörterung von Einzelheiten über neue oder eigenartige Begehungsformen von Straftaten Zuhörer zur Nachahmung angeregt werden; s. dazu Nr. 129 RiStBV. Besonders gilt das für Münzstrafsachen (RiStBV Nr. 235). d) Der Begriff des Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses ist aus § 17 U W G zu entnehmen (vgl. die Kommentare dazu). Die Ausdehnung der Vorschriften über den Ausschluß 2940

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 172 Anm. 1

der Öffentlichkeit auf die Gefahrdung von Betriebsgeheimnissen in der VO vom 9. 3. 1932 steht in engem Zusammenhang mit den in dieser VO an dem U W G vorgenommenen Änderungen, die den Zweck verfolgen, den bis dahin recht mangelhaften Schutz der Geschäftsund Betriebsgeheimnisse im volkswirtschaftlichen Interesse zu verbessern. Geschäftsgeheimnisse sind die kaufmännischen Geheimnisse, die sich auf den Vertrieb der Ware beziehen (z. B. Bilanzen, Kundenlisten, Absatzplanungen), Betriebsgeheimnisse die technischen Geheimnisse, die die Herstellung, Veredelung und Verarbeitung der Waren zum Gegenstand haben. Unter Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ist jede nicht offenkundige. Unberufenen jedenfalls unbekannte Tatsache zu verstehen, an deren Geheimhaltung der Geschäftsinhaber ein verständiges Interesse hat und die geheimzuhalten er auch gewillt ist (RGSt. 38 108, 40 406, 42 394, 48 12, R G v. 9. 7.1931 III 1016/30 u. a.). Es müssen also die („objektive") Geheimniseigenschaft und der Geheimhaltungswille des Geheimnisinhabers zusammentreffen. Im Gegensatz zu § 384 Nr. 3 Z P O hat der Geschäftsinhaber als Zeuge im Strafprozeß zwar kein Zeugnisverweigerungsrecht bei Fragen, deren Beantwortung die Offenbarung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses in sich schließt. Er kann aber den Ausschluß der Öffentlichkeit mindestens anregen. Noch richtiger erscheint es. ihn für das Verfahren über die Ausschließung der Öffentlichkeit wegen des drohenden Eingriffs in seine Rechtssphäre als Beteiligten i. S. des § 174 Abs. 1 Satz 1 anzusehen (vgl. W i t t k ä m p e r , BB 1963 1160). Über Ausschluß der Öffentlichkeit wegen Gefährdung des Steuergeheimnisses in Steuerstrafsachen vgl. S e i t m a n n N J W 1968 869, 870 und unten Anm. 7. e) Gefahrdung der Sittlichkeit. aa) Die Gefahren, die der heranwachsenden Jugend drohen, wenn in der Presse über den Hergang von Verhandlungen, die auf dem geschlechtlichen Gebiete liegende Straftaten zum Gegenstand haben, in „sensationeller" Weise berichtet wird, haben in dem Entw. E G StGB 1930 (Art. 68 Ziff. 43 ff.) zu Vorschlägen geführt, die daraufhinauslaufen, den Ausschluß der Öffentlichkeit wegen Gefahrdung der Sittlichkeit (unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes) zu erleichtern. Im Sinne dieser Bestrebungen liegt es. wenn RiStBV Nr. 128 darauf hinweist, der Ausschluß der Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Sittlichkeit könne schon dann gerechtfertigt sein, wenn die heranwachsende Jugend durch die öffentliche Erörterung sittlicher Verfehlungen erheblich gefährdet würde. Auch wenn die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen wird, kann der Gesichtspunkt des Jugendschutzes dazu führen, unerwachsenen Personen den Zutritt zur Verhandlung gem. § 175 Abs. 1 zu untersagen. bb) Bedeutungswandel. Nach S c h w e l i n g D R i Z 1970 354 hat der in neuerer Zeit eingetretene „tiefgreifende Wandel der Anschauungen der Allgemeinheit über die Zulässigkeit des öffentlich Aussprechbaren intimer sexueller Vorgänge" zur Folge, daß — von den vorstehend erörterten Fällen des Jugendschutzes abgesehen — ein Ausschluß der Öffentlichkeit wegen Gefahrdung der Sittlichkeit „praktisch nur noch in ganz seltenen Fällen zulässig ist"'. Da aber trotz dieses Wandels auch heute noch — wie S c h w e l i n g nicht verkennt — weitgehend eine „aus natürlicher Scham geborene, der Tradition verhaftete" Scheu besteht, vor der Öffentlichkeit über sexuelle Dinge zu sprechen, an denen die eigene Person des Sprechenden beteiligt ist, ergibt sich aus der von ihm angenommenen Verengerung des Ausschlußgrundes der Gefahrdung der Sittlichkeit gegenüber den gesetzgeberischen Intentionen bei Schaffung der Vorschrift die Gefahr, daß der Angeklagte und Zeugen bei der Erörterung sie persönlich betreffender sexueller Geschehnisse bei Verhandlungen von Sittlichkeitsdelikten mit der Wahrheit zurückhalten, wenn diese Geschehnisse vor der Öffentlichkeit ausgebreitet würden. Dieser Gefahr müßte dann begegnet werden, indem in geeigneten Fällen an die Stelle des speziellen Ausschlußgrundes der Gefährdung der Sittlichkeit der allgemeine Ausschlußgrund der Gefährdung der öffentlichen Ordnung — unter dem Gesichtspunkt der Erschwerung der Wahrheitsfindung (oben Anm. 1 b) — tritt (so auch S c h w e l i n g D R i Z 1970 385). Wegen der weiterreichenden Frage, inwieweit schon der Schutz der Intimsphäre von Angeklagtem und Zeugen einen Grund für die Ausschließung der Öffentlichkeit bietet, vgl. unten f und Anm. 7. cc) Ausschluß der Öffentlichkeit wegen Gefährdung „der guten Sitten" oder „im Interesse" der guten Sitten ist regelmäßig als Ausschluß wegen „Gefahrdung der Sittlichkeit" zu verstehen ( R G v. 18. 1. 1916 II 708/15).

2941

§ 172 Anm. 2, 3

Gerichtsverfassungsgesetz

f) Schutz der Intimsphäre. Soweit nicht die Voraussetzungen der §§ 171a, 172 gegeben sind, ist nach dem GVG eine Beeinträchtigung der Intimsphäre eines am Verfahren beteiligten Erwachsenen durch die Erörterung von Umständen aus seinem persönlichen Lebensbereich in öffentlicher Verhandlung kein Grund, der das Gericht dazu berechtigt oder gar zwingt, die Öffentlichkeit ganz oder für einen Teil der Verhandlung auszuschließen. Eine andere Frage ist, ob sich insoweit aus Art. 6 Abs. 1 Satz 2 MRK über die Vorschriften des GVG hinaus ein Ausschlußgrund entnehmen läßt. Nach dieser Vorschrift „kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn der Schutz des Privatlebens der Prozeßparteien es verlangt". Über die Bedeutung dieser Vorschrift werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. BGHSt. 23 82 = NJW 1969 2107 = JZ 1970 34 m. Anm. E b S c h m i d t = MDR 1969 1024 = LM Nr. 10 a zu § 169 m. Anm. M a r t i n (betr. Vernehmung des Sachverständigen über die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten) läßt — zur Verneinung neigend — offen, ob Art. 6 MRK, auch im Zusammenhang mit Art. 1, 2 GG, überhaupt einen über die Vorschriften des GVG hinausgehenden Ausschlußgrund enthalte. Jedenfalls handele es sich dann nicht um einen zwingenden Ausschlußgrund („kann") mit der Folge der Anwendbarkeit des § 338 Nr. 6 StPO. Denn der unbedingte Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 solle die unverbrüchliche Beachtung des Öffentlichkeitsgrundsatzes verbürgen; er diene dem Interesse der Allgemeinheit, nicht dem Schutz des Angeklagten gegen Bloßstellung oder sonstige Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit durch die öffentliche Gerichtsverhandlung und liege daher nach h. M. (unten Anm. 5) nur vor, wenn die Öffentlichkeit ungesetzlich beschränkt oder die für die Ausschließung vorgesehenen Förmlichkeiten nicht beachtet würden, nicht aber, wenn öffentlich verhandelt wurde, obwohl die Öffentlichkeit hätte ausgeschlossen werden können oder der Ausschluß nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Diese h. M. findet ihren Grund darin, daß durch eine Wiederholung der Hauptverhandlung unter Ausschluß der Öffentlichkeit die einmal erfolgte Beinträchtigung der Inteessen nicht beseitigt werden kann. Nach H e r b s t NJW 1969 546 stellt Art. 6 MRK als lex posterior eine Erweiterung der Ausschlußgründe des GVG dar, und zwar enthält er einen zwingenden Ausschlußgrund, der es verbietet, daß ärztliche und psychologische Sachverständigengutachten, die sich konkret mit der Person des Angeklagten befassen, in öffentlicher Verhandlung erstattet werden; der Nichtausschluß der Öffentlichkeit sei Verfahrensverstoß nach § 338 Nr. 6 StPO. Auch nach K ü h n e NJW 1971 224 gebieten Art. 6 MRK. Art. 1, 2 G G zwingend den Ausschluß der Öffentlichkeit während der Vernehmung medizinischer oder psychologischer Sachverständiger im Strafverfahren; der Nichtausschluß ist aber auch nach K ü h n e , da eine Wiederholung der Hauptverhandlung unter Ausschluß der Öffentlichkeit eine Beeinträchtigung nicht ungeschehen machen könnte, weder nach § 338 Nr. 6 noch nach § 337 StPO ein Revisionsgrund; der Angeklagte habe allenfalls zivilrechtliche Schadensersatzansprüche wegen Persönlichkeitsverletzung. Schließlich erweitert nach E b S c h m i d t JZ 1970 35 Art. 6 MRK zwar die Ausschließungsgründe des GVG; der Ausschluß sei aber fakultativ, es müsse zw ischen den Belangen des Angeklagten am Ausschluß der Öffentlichkeit und denen der Allgemeinheit an öffentlicher Durchführung der Hauptverhandlung abgewogen werden. Indessen ist die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 MRK auf die in Frage stehenden Fälle sehr zweifelhaft. Die unbestimmte, mehr programmatische, im übrigen auch unvollkommene Fassung der Vorschrift („Privatleben der Prozeßparteien": darunter würden die Zeugen nicht fallen) ist schwer verträglich mit der bisherigen h. M., daß — als Ergebnis sorgfaltiger Nachprüfung durch den Bundesgesetzgeber — die Vorschriften des GVG mit denen des Art. 6 MRK im Einklang stehen. Eine — rechtspolitisch allerdings wünschens- oder mindestens erwägenswerte — Erweiterung des § 172 (s. dazu auch N e u m a n n - D u e s b e r g JZ 1970 564, 567) muß dem Gesetzgeber überlassen werden (vgl. unten Anm. 7). 2. Ob die Besorgnis einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung usw. begründet ist, unterliegt dem Ermessen des Gerichts; die Anträge und Erklärungen der Prozeßbeteiligten sind dabei nach keiner Richtung hin maßgebend (RGSt. 26 396, 66 113, RG vom 16. 4. 1929 I 310/29). Vgl. § 174 Anm 2 3. für die Verhandlung oder für einen Teil davon. Die Ausschließung der Öffentlichkeit kann sowohl bei Beginn der Verhandlung wie auch zu jedem Zeitpunkt in deren Verlauf und ebensowohl für die ganze Verhandlung wie für einen Teil ausgesprochen werden: im Zwei2942

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 172 Anm. 3

fei ist sie als für die ganze noch folgende Verhandlung beschlossen anzusehen. Zulässig ist auch die Ausschließung „bis auf weiteres", d. h. bis dem Gericht die Wiederherstellung der Öffentlichkeit angezeigt erscheint (RG J W 1928 1940). Ist die Öffentlichkeit für die ganze Dauer der Verhandlung ausgeschlossen, aber ohne Anordnung des Vorsitzenden durch ein Versehen wiederhergestellt worden, so bedarf es keines Gerichtsbeschlusses, um den Ausschluß der Öffentlichkeit wieder in Kraft treten zu lassen ( R G v. 10. ,5. 1926 II 236/26). Abgesehen von den in § 173 bezeichneten Verfahrensakten kann die Öffentlichkeit für jeden Verfahrensabschnitt ausgeschlossen werden: insbes. besteht keine Vorschrift, daß der Anklagesatz öffentlich verlesen werden muß ( R G v. 13. 5. 1927 I 392/27). Ist die Öffentlichkeit durch Beschluß für einen bestimmten Verfahrensabschnitt ausgeschlossen, so bedeutet es einen Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit, wenn ohne Änderung oder Ergänzung des Beschlusses und ohne Verkündung des Ergänzungsbeschlusses (§ 174) die Öffentlichkeit für weitere Verfahrensabschnitte ausgeschlossen bleibt, wenn also der lediglich für die Dauer der Vernehmung des Angekl. beschlossene Ausschluß der Öffentlichkeit ohne weiteres auf die Vernehmung eines oder mehrerer Zeugen erstreckt wird ( R G J W 1926 820; BGHSt. I 334; 4 279, 7 218 = N J W 1955 759) oder wenn die nur für die Dauer der Vernehmung des Angekl. und der Zeugen ausgeschlossene Öffentlichkeit vom Vorsitzenden erst nach den Schlußvorträgen wiederhergestellt wird ( R G JR 1935 822). Nach BGHSt. 7 218 ist auch dann die Öffentlichkeit gesetzwidrig beschränkt, wenn nach Beendigung des Verfahrensabschnitts, für den die Öffentlichkeit ausgeschlossen war. das Gericht einer Person nach § 175 Abs. 2 die Anwesenheit gestattet und damit die Absicht zu erkennen gibt, weiterhin nichtöffentlich zu verhandeln, ohne daß förmlich über weiteren Ausschluß der Öffentlichkeit beschlossen wird (ebenso E b S c h m i d t 11). Dagegen bedarf es, wenn der Beschluß auf Ausschluß der Öffentlichkeit während der Vernehmung eines bestimmten Zeugen lautet, nach R G DJ 1934 1059 keines erneuten Gerichtsbeschlusses über die Ausschließung, wenn der Zeuge im Laufe der Verhandlung ein zweites und drittes Mal vernommen wird; der Beschluß wird auch nicht dadurch unwirksam, daß eine Zwischenvernehmung des Zeugen in öffentlicher Sitzung vor sich gegangen ist. Entsprechendes gilt, wenn im Anschluß an die unter Ausschluß der Öffentlichkeit erfolgte Vernehmung eines Zeugen ein schon früher vernommener Zeuge seine Aussage berichtigt (BGH bei D a l l i n g e r M D R 1957 142). Im übrigen ist ein Ausschließungsbeschluß der Auslegung fähig. So kann z. B. der Ausschluß der Öffentlichkeit „für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen" dahin ausgelegt werden, daß der Ausschluß sich grundsätzlich auch auf alle Erklärungen, Anträge der Verfahrensbeteiligten und alle Entscheidungen des Gerichts erstreckt, die sich aus der Zeugenvernehmung unmittelbar ergeben und mit ihr in unmittelbarem Zusammenhang stehen (BGH G A 1972 184; s. dazu auch RGSt. 43 367; 70 110; H R R 1939 Nr. 449; BGHSt. 7 218), z . B . auf die gemäß § 247 Abs. 1 Satz 3 StPO dem Angeklagten zu machende Mitteilung (RGSt. 60 164; vgl. auch R G Recht 1930 Nr. 2154). E b S c h m i d t 10 will diesen Grundsatz eng begrenzt wissen. Ist die Öffentlichkeit „für die Verhandlung" ausgeschlossen,so handelt der Gerichtswachtmeister gesetzmäßig, wenn er vor der Urteilverkündung ohne förmliche Anordnung des Gerichts die Türen des Sitzungssaals wieder öffnet (RGSt. 53 271). Ist durch Gerichtsbeschluß bestimmt worden, daß die Öffentlichkeit „bis zur Urteilsverkündung" ausgeschlossen werde, so tritt die Öffentlichkeit mit der Urteilsverkündung von selbst wieder ein. Es bedarf in diesem Fall nicht der Verkündung eines besonderen Beschlusses oder einer besonderen Anordnung des Vorsitzenden (RG J W 1926 2762 Nr. 10); vgl. Anm. 6. Muß nach Unterbrechung einer Hauptverhandlung das Verfahren von neuem beginnen — auch innerhalb der Frist des § 229 StPO, aber bei Wechsel der Richterbesetzung —, so wird ein bereits gefaßter Beschluß über Ausschließung der Öffentlichkeit wirkungslos (RGSt. 62 198). Wird mit einer Strafsache, die nicht öffentlich verhandelt wird, im Lauf der Verhandlung eine andere Strafsache verbunden, so bedarf es, wenn auch diese unter Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt werden soll, eines besonderen Beschlusses ( R G v. 17. 6. 1905 II 5902/04). Der Beschluß über Ausschließung der Öffentlichkeit wirkt nicht nur für die Erklärungen und Vorgänge, die als solche die befürchtete Gefährdung in sich schließen, sondern für den ganzen Verfahrensabschnitt, in dem Erörterungen der fraglichen Art erwartet werden ( R G vom 24. 8. 1917 V 596/17: vgl. RGSt. 43 367). 2943

§ 172 Anm. 4—7

Gerichtsverfassungsgesetz

4. Änderung des Beschlusses. D a s Gericht kann seinen die Öffentlichkeit betreffenden Beschluß, gleichviel ob er die Ausschließung oder die Ablehnung eines Antrages auf Ausschließung ausgesprochen hat, ändern, wenn die Verhandlung hierzu Veranlassung bietet. 5. Anfechtung a) des Urteils. D a die Ausschließung der Öffentlichkeit eine in das Ermessen des Gerichts gestellte M a ß n a h m e ist (vgl. oben Anm. 2), kann das aufgrund der Verhandlung ergehende Urteil nicht mit der Begründung angefochten werden, daß ein Fall, der die Ausschließung der Öffentlichkeit gerechtfertigt hätte, zu Unrecht angenommen worden sei, es sei denn, daß der Beschluß des Gerichts erkennbar durch einen Rechtsirrtum (z. B. Verkennen des Begriffs der öffentlichen Ordnung, der Sittlichkeit) beeinflußt gewesen ist. Die .M'cAiausschließung der Öffentlichkeit ist, da das Gesetz in der Öffentlichkeit eine Gewähr für die Richtigkeit der Entscheidung findet und der Angeklagte keinen Anspruch auf Ausschließung hat, im übrigen auch durch eine Wiederholung der Hauptverhandlung unter Ausschluß der Öffentlichkeit die Interessenbeeinträchtigung, zu deren Schutz das Gesetz den Ausschluß der Öffentlichkeit zuläßt, nicht mehr beseitigt werden könnte, kein Anfechtungsgrund i. S. des § 338 Nr. 6 StPO ( R G H R R 1 9 3 9 Nr. 278; BGHSt. 23 82, 85 = N J W 1969 2107; B G H M D R 1953 1 4 9 ; K G J R 1950 119; M ü l l e r - S a x 4; S a r s t e d t , Revision 149; a. M. E b S c h m i d t . 5 zu § 174; Justiz und Publizistik 39, 42ff.; JZ 1969 317; 1970 35; R o x i n N J W 1968 803). Jedoch kann im Einzelfall bei Gefahrdung der Wahrheitsermittlung in der Nichtausschließung ein Revisionsgrund gemäß § 337 StPO liegen (Anm. 14 Abs. 3 zu § 338). Wegen der grundsätzlichen Unanfechtbarkeit ist eine Anfechtung auch nicht darauf zu gründen, daß, entgegen einem die Ausschließung anordnenden Beschluß, ein Teil der Verhandlung dennoch öffentlich stattgefunden habe (vgl. Anm. 14 zu § 338 StPO; B G H bei H e r l a n G A 1963 102). Auch im Jugendstrafverfahren ist ein Verstoß gegen die durch § 48 Abs. 1 J G G vorgeschriebene NichtÖffentlichkeit kein absoluter Revisionsgrund i. S. des § 338 Nr. 6 StPO, kann aber dort mit Rücksicht auf die mit dem Grundsatz der NichtÖffentlichkeit verfolgten Zwecke ein relativer Revisionsgrund (§ 337 StPO) sein (BGHSt. 22 21, 24; 23 176, 178). Wird in einem Verfahren gegen einen Jugendlichen und zugleich gegen einen Erwachsenen die Öffentlichkeit ausgeschlossen, ohne daß geprüft wird, ob dies im Interesse der Erziehung des Jugendlichen erforderlich ist (vgl. § 48 Abs. 3 J G G ) , und ohne daß über die Ausschließung der Öffentlichkeit verhandelt worden ist, so kann der Jugendliche die Revision nicht darauf stützen, weil er dadurch nicht beschwert ist (BGHSt. 10 1 1 9 = JZ 1957 389). b ) d e s die Ausschließung anordnenden oder ablehnenden Beschlusses: s. Anm. 6 zu § 174. 6. Zur Wiederherstellung der Öffentlichkeit (zur Verkündung des Urteils, wenn die Öffentlichkeit für die ganze Hauptverhandlung ausgeschlossen war, oder nach Erledigung des Verhandlungsteils, auf den der Beschluß begrenzt war) ist keine ausdrückliche Anordnung des Gerichts nötig (RGSt. 53 271; vgl. Anm. 3), sie muß aber im Protokoll vermerkt werden (BGHSt. 4 280; E b S c h m i d t 13; S e i b e r t D R i Z 1964 195). Ergeht ein Wiederherstellungsbeschluß, so gehört zu den wesentlichen Förmlichkeiten, für die die Beweiskraft des § 274 StPO gilt, nicht nur der Beschluß, sondern auch dessen Ausführung (BGH bei H e r l a n G A 1971 34). 7. Reformbestrebungen. Art. 20 Nr. 7 des RegEntw. eines E G StGB (BT-Drucks. Nr. VI/3250 v. 4. 4. 1972) schlägt folgende Neufassung des § 172 vor: ,,Das Gericht kann für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit ausschließen, wenn 1. eine Gefahrdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen ist, 2. Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozeßbeteiligten oder Zeugen oder ein wichtiges Geschäfts-, Betriebs-, Erfmdungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommen, durch deren öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interesse verletzt würden, 3. ein privates Geheimnis erörtert wird, dessen unbefugte Offenbarung durch den Zeugen oder Sachverständigen nach . . . mit Strafe bedroht ist, 4. ein Kind unter vierzehn Jahren vernommen wird". Nach der amtl. Begr. (BT-Drucks. VI/3250 S. 307) ist in Nr. 2 der Schutz der Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozeßbeteiligten oder Zeugen „völlig neu". „Das Bedürfnis für eine derartige Vorschrift ist u. a. in jüngerer Vergangenheit in mehreren Strafverfahren deutlich geworden, in denen Zeuginnen in öffentlicher Verhandlung und im Blickfeld der Öffentlichkeit über intime Vorgänge aussagen mußten". 2944

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 173 Anm. 1

Die Abwägungsklausel soll dem Gericht ermöglichen, „im Einzelfall eine Abwägung zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit und dem Einzelinteresse vorzunehmen, die in besonderen Fällen dazu führen kann, dem Interesse der Öffentlichkeit den Vorzug zu geben" (Begr. aaO.). Zu dem Reformvorschlag vgl. kritisch D e n c k e r JZ 1973 147 Fußn. 20.

§ 173 (1) Die Verkündung des Urteils erfolgt in jedem Falle öffentlich. (2) Durch einen besonderen Beschluß des Gerichts kann unter den Voraussetzungen des § 1 7 2 auch für die Verkündung der Urteilsgründe oder eines Teiles davon die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Entstehungsgeschichte: Entw. § —. Spätere Änderungen: Ges. vom 5.4. 1888 (RGBl. 13). Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 319). VO vom 9. 3. 1932 (RGBl. I 121, 124) zweiter Teil Art. II Nr. 2. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat keine Änderungen gebracht. 1. Zu Absatz 1. a) Die Urteilsformel ist stets öffentlich zu verkünden. War die Öffentlichkeit im Lauf der Verhandlung ausgeschlossen, so muß die Wiederherstellung aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich sein (vgl. BGH bei H e r l a n G A 1971 34; Anm. 6 zu § 172). Bis zum Schluß der Hauptverhandlung kann eine fehlerhafte Verkündung abgebrochen und nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit wiederholt werden ( M ü l l e r - S a x 3 c ; Eb. S c h m i d t 6). b) Über die Bedeutung eines Verstoßes gegen § 173 Abs. 1 besteht Streit; es fragt sich, ob er lediglich einen Revisionsgrund nach § 337 oder einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 6 StPO begründet. Nach RGSt. 1 90; 60 279; OGHSt. 3 83; BGHSt. 4 279; O L G Hamburg G A 1964 27; E b S c h m i d t 2; S a r s t e d t . Revision 150 liegt ein absoluter Revisionsgrund; dagegen nach RGSt. 69 175; 71 377; O L G Köln HESt. 1 207; P o p pe NJW 1955 6; M ü l l e r - S a x 3 b nur ein Revisionsgrund nach § 377 vor. Käme nur ein Revisionsgrund nach § 377 StPO in Betracht, so wäre, wie BGHSt. 4 282 meint, der Nachweis, daß das Urteil auf dem Gesetzesverstoß beruht, ohne Verletzung des Beratungsgeheimnisses nicht zu führen und eine Verletzung des § 173 G V G damit praktisch unrügbar. Dieser Auffassung ist P o p p e NJW 1955 6 mit gewichtigen Gründen entgegengetreten. In der Tat läßt sich bezweifeln, ob wirklich eine offensichtlich versehentliche Unterlassung, die während der Verhandlung ausgeschlossene Öffentlichkeit vor der Urteilsverkündung wiederherzustellen, es stets geboten erscheinen läßt, das Urteil aufzuheben und das Verfahren zu wiederholen. Auch wenn man die Rücksichtnahme auf das Vertrauen der Öffentlichkeit (vgl. Vorbem. l a vor § 169) noch so nachdrücklich betont, so ist doch zu bedenken, daß es schwerlich dem Vertrauen in die Rechtspflege dient, wenn ein Versehen (bewußte Verstöße sind praktisch nicht vorstellbar), das auf den Inhalt des Urteils keinerlei Einfluß gewinnen konnte, zur Wiederholung der Verhandlung unter großem Zeit- und Kostenaufwand führen müßte. Die Erwägung des BGH, daß bei Annahme eines einfachen Revisionsgrundes eine Revisionsrüge im Hinblick auf das Beratungsgeheimnis ausgeschlossen und damit ein Verstoß gegen § 173 praktisch unrügbar sei, verliert ihr Gewicht, wenn man mit den Ausführungen in den Anm. zu § 43 D R i G annimmt, daß bei konkreter Behauptung eines Zusammenhangs zwischen der Beratung oder ihrem Ergebnis und dem Ausschluß der Öffentlichkeit eine Anhörung der beteiligten Richter möglich ist. Im übrigen würde auch eine aus eigner Initiative erfolgende dienstliche Erklärung der Richter, daß die NichtWiederherstellung der Öffentlichkeit lediglich auf einem Versehen beruhe, schon nach ihrem Inhalt keine Preisgabe eines Beratungsgeheimnisses darstellen. Auch bei solcher Betrachtung wird § 173 Abs. 1 keineswegs ohne weiteres zur lex imperfecta, denn wo nicht eindeutig feststeht, daß lediglich ein für den Inhalt der Entscheidung bedeutungsloses Versehen vorliegt, muß das Revisionsgericht aufheben ( P o p p e aaO.). Gegen P o p p e aber S a r s t e d t , Revision 150 (s. auch S c h m i d t JZ 1969 764): versehentliche Verstöße dulden, heiße bewußte Verstöße herausfordern, ob aber ein Verstoß bewußt begangen ist, wäre eine probatio diabolica. Das ist m. E. nicht überzeugend. Hält man § 338 Nr. 6 für anwendbar, so fragt sich, ob es stets geboten

2945

§ 1 7 3 Anm. 2 , 3 § 174 Anm. 1 1

Gerichtsverfassungsgesetz

ist, auch die tatsächlichen Feststellungen des Urteils aufzuheben (verneinend P o p p e aaO.; Anm. II 2 zu § 353; vgl. RGSt. 55 103; offen gelassen von O L G Hamburg G A 1964 27; bejahend S a r s t e d t aaO.; M ü l l e r - S a x 5 a zu § 353). 2. Z u Absatz 2. Die Urteilsgründe, die nach der ursprünglichen Fassung der Vorschrift gleichfalls stets öffentlich zu verkünden waren, dürfen unter Ausschluß der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden, wenn einer der Gründe des § 172 vorliegt. Der Beschluß, der für die Verhandlung oder einen Teil davon die Öffentlichkeit ausgeschlossen hat, rechtfertigt nicht die nichtöffentliche Verkündung der Urteilsgründe; vielmehr bedarf es hierfür stets eines besonderen, ausdrücklich darauf gerichteten und gemäß § 174 Abs. 1 Satz 3 begründeten Beschlusses (RGSt. 20 383). Auch bedarf es für diesen Beschluß einer besonderen Verhandlung (§ 174 Anm. 2. RGSt. 35 103; 60 280), die naturgemäß frühestens am Schluß der Beweisaufnahme stattfinden kann (RGSt. 60 279. 69 175; BGHSt. 4 280). Die Verhandlung ist auch noch zulässig, wenn mit der Verkündung des Urteils bereits begonnen worden ist und die Verlesung der Urteilsformel bereits stattgefunden hat ( R G Recht 1922 Nr. 911). - Auch die Verletzung des § 173 Abs. 2 stellt - ebenso wie die des Abs. 1, vgl. Anm. 1 — nach BGHSt. 4. 279 einen absoluten Revisionsgrund (§ 338 Nr. 6 StPO) dar. 3. Im jugendgerichtlichen Verfahren erfolgt, abweichend von § 173, auch die Verkündung des Urteils grundsätzlich in nichtöffentlicher Verhandlung (§ 48 J G G ) ; vgl. dazu Anm. 10 zu § 169, Anm. 5 zu § 172). Im Verfahren gegen einen Heranwachsenden kann nach § 109 Abs. 1 Satz 2 J G G die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Erziehung des Angeklagten geboten ist. Geschieht dies, so kann auch das Urteil in nichtöffentlicher Verhandlung verkündet werden, arg. § 48 Abs. 3 J G G (OLGe. Oldenburg N J W 1959 1506; Düsseldorf N J W 1961 1547).

§ 174 (1) Über die Ausschließung der Öffentlichkeit ist in nicht öffentlicher Sitzung zu verhandeln, wenn ein Beteiligter es beantragt oder das Gericht für angemessen erachtet. Der Beschluß, der die Öffentlichkeit ausschließt, m u ß öffentlich verkündet werden. Bei der Verkündung ist in den Fällen der §§ 172, 173 anzugeben, aus welchem G r u n d die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist. (2) Ist die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder eines Geschäftsoder Betriebsgeheimnisses ausgeschlossen, so kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheimhaltung vonTatsachen, die durch die Verhandlung, durch die Anklageschrift oder durch andere amtliche Schriftstücke des Prozesses zu ihrer Kenntnis gelangen, zur Pflicht machen. Der Beschluß ist in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. Er ist anfechtbar. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Entstehungsgeschichte: Entw. § 141. Spätere Änderungen: Ges. vom 5. 4. 1888 (RGBl. 133). Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 319). VO vom 9. 3. 1932 (RGBl. I 121, 124) zweiter Teil Art. II Nr. 3. D a s Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 hat § 174 nur stilistisch geändert. Literatur: K ä c k e l l Der Schweigebefehl (1920). I. Zu Absatz 1 (Beschluß über die Ausschließung) 1. Über die Ausschließung der Öffentlichkeit ist auf Antrag oder von Amts wegen zu entscheiden. Es ist Sache der Staatsanwaltschaft, in den Fällen, in denen sie die Ausschließung für angemessen hält, einen Antrag zu stellen (RiStBV Nr. 127). Auf jeden Antrag, auch wenn er von einem Schöffen, dem Beschuldigten oder von dem Privatkläger oder dem Nebenkläger gestellt ist, hat das Gericht eine ausdrückliche Entscheidung zu fallen. Eine Anregung zum Ausschluß der Öffentlichkeit kann auch von einem Zeugen oder Sachverständigen gegeben werden. Indessen sind diese Personen grundsätzlich (s. aber Anm. 1 d zu § 172) nicht zu den Beteiligten zu rechnen, die über den Ausschluß zu verhandeln haben (s. Anm. 6 b ; a. M. E b S c h m i d t 3, 4, 8; H u m b o r g J R 1966 448, 450). Auch bei mehrmaliger Aus2946

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 174 Anm. I 2, 3

Schließung der Öffentlichkeit ist jeweils gem. § 174 zu verfahren. Über Fälle, in denen es keines erneuten Ausschließungsbeschlusses bedarf, vgl. Anm. 4 zu § 169. Der Beschluß, für einen bestimmten Teil der Verhandlung die Öffentlichkeit auszuschließen, kann erlassen werden, ohne daß ihm dieser Verhandlungsteil sofort folgt; es kann dem Vorsitzenden überlassen werden, die Zeit der Ausführung des Beschlusses zu bestimmen. 2. Verhandlung über die Ausschließung. Bevor die Ausschließung der Öffentlichkeit beschlossen werden kann, muß über sie verhandelt, d. h. es muß der Staatsanwaltschaft und dem (anwesenden) Angeklagten, von mehreren Angeklagten jedem einzelnen, und der Verteidigung (RG G A 48 133) Gelegenheit zur Abgabe von Erklärungen gegeben werden. Ist die Anhörung unterblieben, so ist auch hier streitig, ob ein absoluter Revisionsgrund (§ 338 Nr. 6 StPO) vorliegt - so die ältere Rechtsprechung des R G (RGSt. 35 103, RGSt. 57 26, 264, 60 280. R G JW 1928 2146 und JW 1934 1365) sowie O L G Düsseldorf HESt. 1 206 oder nur ein Revisionsgrund nach § 337 StPO - so RGSt. 69 175, 401; RG H R R 1939. Nr. 1567; BGH LM Nr. 2 zu § 33; B G H bei H e r l a n G A 1963 102 - ; den Vorzug verdient die letztere Auffassung (vgl. auch Anm. 1 zu § 173; a. M. E b S c h m i d t 11). Wird die Öffentlichkeit in weiterem Unfang ausgeschlossen, als bei der Verhandlung angegeben war, so gilt die Verhandlung als nicht geschehen (RG H R R 1926 Nr. 1211). Der Umstand, daß der Angeklagte aufgrund des § 247 StPO zeitweise aus dem Sitzungszimmer entfernt war, macht seine Anhörung nicht entbehrlich; vielmehr muß ihn das Gericht, um ihn zu hören, wieder in den Sitzungssaal führen lassen; es genügt nicht, daß in seiner Abwesenheit sein Verteidiger gehört ist (RGSt. 18 138; vgl. auch R G v. 18. 1. 1906 I 1732/05). Auch der Nebenkläger oder sein Vertreter ist zu hören (StPO § 397; R G G A 43 242. RGSt. 35 103, R G JW 1931 2505); desgleichen im Privatklageverfahren der Privatkläger (StPO § 385), ferner ein Einziehungsbeteiligter (§ 433 StPO). Doch kann der Angeklagte keine Verfahrensrüge darauf stützen, daß der Privatkläger oder der Nebenkläger nicht gehört worden sei (OLG Braunschweig H R R 1929 Nr. 1180). Daß jeder einzelne der Beteiligten ausdrücklich zu einer Erklärung aufgefordert werden müsse (wie R G G A 43 242 angenommen hatte) ist nicht erforderlich; es genügt, daß den Beteiligten allgemein Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt wird (RGSt. 37 437; 47 343; R G JW 1934 1365; OGHSt. 2 113; BGH JZ 1951 655 = LM Nr. 2). Nötig ist stets auch die Anhörung des Verteidigers (RG SeuffBl. 71 448; BayZ 1909 211; JW 1931 2505; a. M. R G v. 16. 2. 1906 IV 40/06 und v. 26.2. 1931 III 61/31 — bedenklich —). Dem Erfordernis, daß über die Ausschließung verhandelt werden muß, ist genügt. wenn der Staatsanwalt die Ausschließung beantragt und der Verteidiger ihm widersprochen hat (OLG Dresden JW 1932 3657); desgl.. wenn sich aus dem Protokoll ergibt, daß der Vorsitzende die Ausschließung der Öffentlichkeit angeregt, aber niemand von den Beteiligten widersprochen hat (RG v. 18. 5. 1912 III 448/12). Auf jeden Fall muß aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich sein, daß den Prozeßbeteiligten Gelegenheit gegeben worden ist, sich über die beabsichtigte oder beantragte Maßregel des Ausschlusses der Öffentlichkeit zu äußern (RGSt. 1 50; RGRspr. 2 480; RGSt. 10 92: 20 21. 52; 57 26; RG v. 10. 12. 1917 I 470/17). Fehlt eine Beurkundung hierüber im Protokoll, so gilt die Förmlichkeit als nicht erfüllt (RG Recht 1918 460, RG J W 1934 1365). Wenn in dem Sitzungsprotokoll beurkundet ist, daß der Verteidiger zu der beabsichtigten Ausschließung eine Erklärung abgegeben hat, so muß in der Regel angenommen werden, daß auch der Angekl. Gelegenheit gehabt hat, eine Erklärung abzugeben (RG v. 19.3. 1901 II 549/01, v. 30.4. 1903 I 474/03, vom 12. 2. 1926 I 40/26). — Daß der zur Erklärung Aufgeforderte der Aufforderung nachkommt und eine Erklärung abgibt, ist nicht erforderlich (BGH M D R 1951 539; OGHSt. 2 113). Eine Beweiserhebung, die zur Frage der Ausschließung der Öffentlichkeit nötig wird, ist nicht an die Formen der Beweisaufnahme zur Schuld- und Straffrage gebunden, sondern kann formlos (Freibeweis) geschehen (RGSt. 66 113). 3. Öffentlichkeit der Verhandlung. Über die Ausschließung wird öffentlich verhandelt, sofern nicht die geheime Verhandlung von einem Prozeßbeteiligten beantragt oder von dem Gericht für angemessen erachtet wird. Einem derartigen Antrag muß das Gericht Folge geben. § 175 Abs. 2 gilt auch hier (RGSt. 33 311). (Nach der ursprünglichen Fassung der Vorschrift mußte über die Ausschließung der Öffentlichkeit stets in nichtöffentlicher Sitzung verhandelt werden, was meistens eine unnötige Weiterung enthielt.) 2947

§ 174 Gerichtsverfassungsgesetz Anm. I 4—6 4. Verkündung des Beschlusses. Der Beschluß, der die Öffentlichkeit ausschließt, muß seinem ganzen Inhalt (Anm. 5) nach öfjentlich verkündet und der Beschluß sowie die Tatsache seiner öffentlichen Verkündung (§ 272 NR. 5 StPO) in das Protokoll aufgenommen werden (RG GA 38 195. Recht 1918 Nr. 46;.BGH bei H e r l a n MDR 1955 653). Es muß also, wenn zunächst nach Abs. 1 Satz 1 die Öffentlichkeit zur Verhandlung über die Ausschließung ausgeschlossen war, zur Verkündung des die Öffentlichkeit weiterhin ausschließenden Beschlusses die Öffentlichkeit wieder hergestellt werden und dies deutlich aus dem Protokoll ersichtlich sein (BGH bei D a l i i n g e r MDR 1972 926). Die Notwendigkeit öffentlicher Verkündung gilt auch für den Beschluß nach § 173 Abs. 2 (RG GA 51 399). Unzulänglich ist eine Beurkundung im Protokoll: „Auf allseitigen Wunsch wurde die Öffentlichkeit wegen . . . ausgeschlossen"; sie läßt nicht zweifelsfrei erkennen, ob die Öffentlichkeit durch das Gericht und nicht nur durch den Vorsitzenden ausgeschlossen wurde (BGH MDR 1955 653). — War die Öffentlichkeit zunächst nur für einen Teil der Verhandlung ausgeschlossen und beschließt das Gericht demnächst, sie noch weiter auszuschließen, so gilt das Vorbemerkte auch für den neuen Beschluß (KG HRR 1932 Nr. 693; RG HRR 1939 Nr. 1567; RGSt. 70 109). Dieselbe Regel ist anzuwenden, wenn die Öffentlichkeit im Lauf der Verhandlung wieder hergestellt wurde, demnächst aber von neuem ausgeschlossen werden soll (RG Recht 1911 Nr. 3789). Der Beschluß über Wiederherstellung der Öffentlichkeit braucht nicht in öffentlicher Sitzung verkündet zu werden (RG vom 23. 7. 1900 2683— 00). Ist die Öffentlichkeit bereits wegen Gefährdung der Sittlichkeit ausgeschlossen und wird dann weiter beschlossen, sie auch wegen Gefährdung der Staatssicherheit auszuschließen (oder umgekehrt), so braucht der Beschluß hierüber nicht öffentlich verkündet zu werden; denn durch ihn kann keine weitere Beschränkung der Öffentlichkeit mehr eintreten: die Ausschließung, die aufgrund des ersten Beschlusses besteht, gilt für alle Prozeßhandlungen, die während der Ausschließung vorzunehmen sind, auch für den hier fraglichen Beschluß (RG HRR 1935 Nr. 1283 = JW 1935 2496 Nr. 11). 5. Einer Begründung bedarf der Beschluß nur insofern, als er die Angabe enthalten muß, aus welchem der im Gesetz bezeichneten Gründe die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird; eine weitere Begründung ist nicht vorgeschrieben (RGSt. 26 396; BGHSt. 1 334) Das Fehlen jener Angabe begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO (RGSt. 70 112; BGH St. 2 56; RGZ 128 216). Das gilt auch dann, wenn sich der Grund aus der Natur der zu verhandelnden Sache oder aus dem Sachzusammenhang (z. B. aus einem dem Beschluß vorangegangenen begründeten Antrag, auch einem solchen des Angekl. oder seines Verteidigers) erkennen läßt (RGSt. 25 248, RGZ 128 216; BGHSt. 1 334: 2 56; BGH bei H e r l a n GA 1971 34; VRS 37 62; OLG Saarbrücken JB1. Saar 1960 233). Notwendig ist die Angabe auch deshalb, weil die rechtlichen Wirkungen des Beschlusses verschieden sind, je nachdem er auf den einen oder auf den anderen Ausschließungsgrund gestützt wird; vgl. § 174 Abs. 2, sowie Art. III des Ges. v. 5. 4. 1888. 6. Anfechtung a) Der Beschluß, der die Öffentlichkeit ausschließt, ist als solcher nicht anfechtbar (§ 305 Satz 1 StPO; wegen der Anfechtung des Urteils vgl. Anm. 5 zu § 172). Auch dritte Personen, die nicht das Urteil anfechten können (Zeugen, Sachverständige oder gar Zuhörer), haben kein Beschwerderecht, denn sie werden durch die Ausschließung nicht im Sinn des § 305 Satz 2 StPO in ihren Rechten betroffen (ebenso OLG Nürnberg MDR 1961 508; E b S c h m i d t 7). b) Ein die Ausschließung ablehnender Beschluß ist ebenfalls für Beteiligte, denen gegen das Urteil die Revision zusteht, nach § 305 Satz 1 StPO unanfechtbar (wegen der Anfechtung des Urteils vgl Anm. 5 zu § 172). Soweit dritte Personen an der Ausschließung der Öffentlichkeit unmittelbar interessiert sind (z. B. der als Zeuge beteiligte Unternehmer, der die Gefährdung eines ihm zustehenden wichtigen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses besorgt; vgl. Anm. 1 d zu § 172), können sie nach E b S c h m i d t 6, W i t t k ä m p e r BB. 1963 1162 als Betroffene i. S. des § 305 Satz 2 StPO den ablehnenden Beschluß mit der Beschwerde anfechten. Doch kann nach E b S c h m i d t aaO. das Beschwerdegericht die Ermessensausübung grundsätzlich nicht nachprüfen, sondern ist auf eine Nachprüfung unter revisionsähnlichen Gesichtspunkten beschränkt. Auch mit dieser Beschränkung wäre ein Beschwerderecht nur sinnvoll, wenn das Gericht verpflichtet wäre, mit der Fortsetzung des Ver2948

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 174 Anm. I 7; II 1—5; III

fahrens bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts innezuhalten, wie dies in der Tat W i t t k ä m p e r aaO. annimmt, da andernfalls durch Fortsetzung der öffentlichen Hauptverhandlung die Ausschließungsfrage gegenstandslos würde. D a n n aber bestünde im Hinblick auf § 229 StPO die Gefahr erheblicher Verzögerungen des Verfahrens, die durch Prozeßzwecke nicht gerechtfertigt sind. 7. Heilung von Verstößen. Ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit kann durch eine ordnungsgemäße Wiederholung des in Betracht kommenden Teiles der Verhandlung geheilt werden (RGSt. 35 353; vgl. auch RGSt. 62 198). II. Zu Absatz 2 (Schweigebefehl) 1. Abs. 2 ist durch das Ges. vom 5. 4. 1888 eingefügt worden. Zulässig ist der Befehl nur, wenn die Ausschließung der Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses beschlossen wird (vgl. § 172 Anm. 1). Er richtet sich an alle bei der Verhandlung Anwesenden, auch an die Richter und den Staatsanwalt. Er ergeht in F o r m eines in der Hauptverhandlung zu verkündenden Gerichtsbeschlusses. Doch wird das Gericht, ggf. auch der Vorsitzende, z. B. bei Zustellung der Anklageschrift gemäß § 201 Abs. 1 StPO, eine entsprechende Anordnung schon vor der Hauptverhandlung treffen können ( M ü l l e r - S a x 4 b ; K l 4; L o e s d a u M D R 1962 773; a. M. E b S c h m i d t 19); nach L o e s d a u aaO. (unter Berufung auf B G H v. 27 3. 1954 - StE 91/52 - ) soll ein Schweigebefehl auch nach der Hauptverhandlung zulässig sein (nachträgl. Sekretur eines Urteils; vgl. dazu DRiZ 1959 93). Der Schweigebefehl wird nicht dadurch gegenstandslos, daß die Tatsachen, die er umfaßt, in den schriftlichen Urteilsgründen dargestellt werden, außer wenn die Tatsachen bei der öffentlichen Verkündung der Urteilsgründe bekannt gegeben werden ( E b . S c h m i d t 21). — Der Schweigebefehl bedarf keiner Begründung. Es empfiehlt sich, ihn mit einem Hinweis auf die Strafbarkeit einer Verletzung des Schweigegebots (vgl. Vorbem. 2 vor §§ 172—175) zu verbinden (RiStBV Nr. 127). — Ist Berichterstattern von Presse und Rundfunk die Anwesenheit gestattet und ist zu befürchten, daß geheimzuhaltende Tatsachen über den Kreis der Zeugen und Zuhörer hinaus durch Presse und Rundfunk verbreitet werden, so sollen, wenn das Gericht von einem Schweigegebot absieht, Vorsitzender und Staatsanwalt die Berichterstatter zu einer freiwilligen Beschränkung in ihrem Bericht veranlassen (RiStBV Nr. 127). 2. Eine ins einzelne gehende Bezeichnung der geheimzuhaltenden Tatsachen ist nicht erforderlich; vielmehr können sie in dem Beschluß unter einer Gesamtbezeichnung (z. B. „die auf die Anlagen in A. bezüglichen Tatsachen") zusammengefaßt werden (vgl. Ber. der IX. Komm, des R T vom 18. 2. 1888 S. 7). 3. Inkrafttreten. Der Schweigebefehl tritt mit der Verkündung in Kraft. Fehlende Protokollierung beeinträchtigt seine Wirksamkeit nicht, denn die Protokollierung dient nur Beweiszwecken (ebenso K l 4; a. M. B a u m b a c h - L a u t e r b a c h 2 ) . 4. Aufhebung. Das Gericht kann den Schweigebefehl jederzeit, auch außerhalb der Hauptverhandlung, zurücknehmen (h. M.; vgl L o e s d a u M D R 1962 777). 5. Die Anfechtung mit der Beschwerde setzt voraus, daß der Schweigebefehl von einem Gericht erlassen worden ist, dessen Beschlüsse nach § 304 StPO überhaupt der Beschwerde unterliegen; gegen einen von dem Bundesgerichtshof oder von einem Oberlandesgericht erlassenen Schweigebefehl findet daher keine Beschwerde statt. — Die Beschwerde ist fristlos. Sie steht den Prozeßbeteiligten sowie jedem zu, der von dem Schweigebefehl betroffen ist. III. Reformbestrebungen. Art. 20 Nr. 8 des Entw. E G StGB (BT-Drucks. VI/3250 v. 4. 4. 1972) sieht die Einfügung eines neuen Absatzes 2 („Soweit die Öffentlichkeit wegen Gefahrdung der Staatssicherheit ausgeschlossen wird, dürfen Presse, Rundfunk und Fernsehen keine Berichte über die Verhandlung und den Inhalt eines die Sache betreffenden amtlichen Schriftstücks veröffentlichen") und Änderungen des jetzigen Absatzes 2 Satz 1 (künftig Absatz 3 Satz 1) vor („Ist die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder eines privaten Geheimnisses ausgeschlossen, so kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheimhaltung von Tatsachen, die durch die Verhandlung oder durch ein die Sache betreffen2949

§ 175

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. I 1—4 des amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen, zur Pflicht machen"). Ferner soll ein neuer § 353 d („Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen") in das StGB eingefügt werden (Art. 18 Nr. 183 des Entw.). Dadurch sollen u. a. die Art. II. III des Ges. v. 5 . 4 . 1888 (vgl. Vorbem. vor § 172) ersetzt werden. § 353 d Nr. 3 StGB i. d. F. des Entw. übernimmt in erweiterter Form das früher in § 17 des Reichspresseges. und später in der Mehrzahl der Landespressegesetze niedergelegte strafbewehrte Verbot, die Anklageschrift oder andere Schriftstücke eines Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahrens öffentlich mitzuteilen, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.

§ 175 (1) Der Zutritt zu öffentlichen Verhandlungen kann unerwachsenen und solchen Personen versagt werden, die in einer der Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise erscheinen. (2) Zu nicht öffentlichen Verhandlungen kann der Zutritt einzelnen Personen vom Gericht gestattet werden. Einer Anhörung der Beteiligten bedarf es nicht. (3) Die Ausschließung der Öffentlichkeit steht der Anwesenheit der die Dienstaufsicht führenden Beamten der Justizverwaltung bei den Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht nicht entgegen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 142. Spätere Änderungen: Ges. vom 5. 4. 1888 (RGBl. S. 133). Durch Art. 10 Nr. 6 des 1. S t r R G v. 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) wurden in Absatz 1 die Worte ..die sich nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden" gestrichen. I. Zu Abs. 1 (Versagung des Zutritts) 1. Personenkreis. § 175 bezieht sich nur auf solche Personen, die bei der Verhandlung selbst nicht beteiligt sind. Wann einer bei der Verhandlung beteiligten Person wegen dieser Beteiligung der Zutritt zu dem Sitzungszimmer versagt werden darf, darüber s. §§ 58, 243 Abs. 4 StPO und Anm. 3 b zu § 169. — Im übrigen sind die Gründe, aus denen einzelnen Personen der Zutritt verwehrt werden kann, hier nicht erschöpfend angegeben (vgl. Anm. 3 c zu § 169; Anm. 3 a zu § 176). 2. Unerwachsen. Entscheidend ist kein bestimmtes Lebensalter, sondern der G r a d der körperlichen Entwicklung, die äußere Erscheinung (RGSt. 47 375). Die Versagungsmöglichkeit beruht einmal auf der Erwägung, daß die Anwesenheit von Personen, die nach dem Grad ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung die Bedeutung und den Ernst einer Strafverhandlung nicht erfassen können, nicht der Würde des Gerichts und eines gerichtlichen Verfahrens entspricht, zum anderen auf der Erwägung, daß auch dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Ausschluß der Öffentlichkeit nicht gegeben sind, der Unerwachsene durch Teilnahme an der Verhandlung gefährdet werden kann (vgl. Anm. 1 e zu § 172 u. H e i n e n D R i Z 1951 197). Volljährige sind nie, Heranwachsende (18- bis 20jährige) grundsätzlich nicht unerwachsen (so auch O L G H a m m N J W 1967 1289; M ü l l e r - S a x l a ; E b S c h m i d t 3). Einem unter Polizeiaufsicht Stehenden darf der Zutritt nicht versagt werden. 3. Unter Personen, die in einer der Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise erscheinen, sind namentlich angetrunkene oder betrunkene oder anstößig gekleidete, aber auch geisteskranke oder geistesschwache Personen zu verstehen. Hierher können aber auch in sinngemäßer Fortentwicklung des Grundgedankens (Fernhaltung drohender Störungen) Personen .gerechnet werden, die erkennbar beabsichtigen, die Verhandlung zu stören (ebenso S t ü r n e r J Z 1972 666; vgl. auch Anm. 3 a zu § 169 betr. Waffenkontrolle). Hier kann nicht gut verlangt werden, daß sie zunächst in den Sitzungssaal einzulassen seien und erst auf Beschluß des Gerichts (§ 177) hin zwangsweise entfernt werden dürften, wenn sie — womöglich gleich bei Betreten des Sitzungssaals — erwartungsgemäß zu Störungen übergegangen sind. 4. kann — versagt werden. Die Befugnis, den hier bezeichneten Personen den Zutritt zu dem Sitzungszimmer zu versagen oder sie wieder hinauszuweisen, ist von dem mit der Bewachung des Zuhörerraumes betrauten Justizwachtmeister als Organ des Vorsitzenden auszuüben (Nr. 124 Abs. 3 RiStBV). sofern nicht dieser selbst, von Amts wegen oder auf Antrag

2950

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 175 Anm. II 1—3; III 1, 2

gemäß § 176 eine Anordnung tritft. Das Gericht kann gegenüber Anordnungen des Vorsitzenden nicht angerufen werden ( M ü l l e r - S a x l c ; E b S c h m i d t 2: a. M. F e i s e n b e r g e r 82 Anm. 6). II. Zu Absatz 2 (Zutritt zu nichtöffentlichen Verhandlungen). 1. N u r einzelnen Personen darf der Zutritt gestattet werden. Es verstößt gegen den Sinn und die Absicht des Gesetzes und kommt einer Aufhebung des Ausschlusses der Öffentlichkeit gleich, wenn einer größeren Zahl von Personen der Zutritt gewährt wird; doch kann auf einen solchen Verstoß, da er j a keine ungesetzliche Beschränkung der Öffentlichkeit bedeutet, die Revision nicht gestützt werden (RGSt. 77 186; vgl. unten Anm. II 2. IV). — Nach Art. 105 Abs. 5 des Genfer Abkommens vom 12. 8. 1949 (BGBl. II 1954, 838) über die Behandlung der Kriegsgefangenen (vgl. Ges. vom 21. 8. 1954, BGBl. II 781, gem. Bek. vom 4. 11. 19547 BGBl. II 1133 in Kraft seit dem 3. 3. 1955) haben die Vertreter einer Schutzmacht das Recht, den Verhandlungen gegen Kriegsgefangene beizuwohnen, sofern diese nicht ausnahmsweise im Interesse der Staatssicherheit unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden müssen. — Nach Art. 25 des Zusatzabkommens zum Truppenstatut (BGBl. 1961 II 1218) sind die deutschen Gerichte bei Verhandlungen wegen strafbarer Handlungen gegen die Mitglieder der in der Bundesrepublik stationierten ausländischen Streitkräfte und ihre Angehörigen verpflichtet, den Vertretern der zuständigen ausländischen Behörden zu ge,statten, der Hauptverhandlung beizuwohnen. Aus der Pflicht des Gerichts, auf Antrag den Ehegatten eines Angeklagten als Beistand zuzulassen und auf Verlangen zu hören (§ 149 StPO), läßt sich nicht herleiten, daß um so mehr das bloße Zuhören bei Ausschluß der Öffentlichkeit gestattet werden müsse; die Rechte aus § 149 hat der Ehegatte nur in seiner Eigenschaft als Beistand, um an der Verteidigung mitwirken zu können (BGH bei D a l l i n g e r M D R 1966 384). 2. Vom Gericht. Durch das Ges. vom 5. 4. 1888 ist die ursprüngliche Bestimmung dahin abgeändert worden, daß die Gestattung des Zutritts nicht mehr dem Vorsitzenden, sondern dem Gericht zusteht, weil sich die Gestattung als eine Teilabänderung des vom Gericht beschlossenen Ausschlusses der Öffentlichkeit darstellt. Die Gestattung erfolgt also in Form eines Beschlusses. Ein solcher kann jedoch ausnahmsweise auch stillschweigend in der Weise ergehen, daß das Gericht gegen das Verbleiben einzelner Personen keinen Widerspruch erhebt, wie dies in Zivilprozessen bei den auf die nächsten anstehenden Sachen wartenden Anwälten in der Praxis üblich ist, oder daß der Vorsitzende ohne Widerspruch von anderer Seite die Anwesenheit gestattet (so R G v. 12. 6. 1906 I 743/06; R G H R R 1934 Nr. 999; a. M. E b S c h m i d t 9). Der Vorsitzende kann kraft des § 176 Personen, denen die Anwesenheit gemäß § 175 Abs. 2 gestattet worden war, nachträglich befehlen, sich aus dem Sitzungszimmer zu entfernen; darin liegt keine Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit ( R G G A 50 119). Übrigens würde der Umstand daß jemand unbefugt der Verhandlung beigewohnt hat, die Rechtsbeständigkeit des Verfahrens nicht berühren (vgl. § 172 Anm. 5). 3. Einer Anhörung der Beteiligten bedarf es nicht (Abs 2 Satz 2). Widerspricht aber der Verteidiger bei Zulassung der Presse zur nichtöffentlichen Verhandlung der Zulassung eines bestimmten Vertreters, weil von ihm eine unsachliche Berichterstattung zu befürchten und der Verteidiger dadurch in der Wahrnehmung seiner Aufgaben beschränkt sei, so hat das Gericht zu prüfen, ob die Befürchtung begründet erscheint. Bejahendenfalls geht das Recht des Angekl. auf ungehinderte Verteidigung dem „Anspruch" der Öffentlichkeit auf Information über Gerichtsverhandlungen vor (BGH J R 1964 388). III. Zu Absatz 3. 1. Zu den „Beamten der Justizverwaltung", die die Dienstaufsicht über die am Verfahren beteiligten Richter. Staatsanwälte oder Urkundsbeamten führen, gehören auch die mit der Dienstaufsicht als Aufgabe der Gerichtsverwaltung (§ 4 DRiG) beträuten Richter (Präsidenten, aufsichtführende Richter). Diesem Personenkreis steht der Zutritt zu nichtöffentlichen Verhandlungen unbedingt offen; Absatz 2 findet auf sie keine Anwendung. 2. F ü r das Jugendgerichtsverfahren gilt § 48 Abs. 2 J G G . Die Dienstaufsichtsbeamten sind hier — anders als nach § 23 Abs 3 J G G 1923 — nicht mehr besonders erwähnt; ihr Anwesenheitsrecht ergibt sich aber unmittelbar aus § 169 Abs. 3 GVG. Über die Zulassung anderer Personen (§ 48 Abs. 2 Satz 2) entscheidet hier, abweichend von § 175 Abs. 2 G V G ,

2951

§ 1 7 5 Anm. III 2; IV Gerichtsverfassungsgesetz § 1 7 6 Anm. 1,2 der Vorsitzende (nicht das Gericht); seine diesbezüglichen Maßnahmen sind unanfechtbar ( D a l i i n g e r - L a c k n e r Anm. 23 zu § 48 JGG). IV. Anfechtung. Auf eine Verweigerung des Zutritts (Abs. 1) kann die Revision wegen Verletzung des § 338 Nr. 6 StPO nur gestützt werden, wenn die Anordnung auf einem Rechtsfehler beruht. Die Ermessensausübung als solche ist nicht revisibel. Der Nichtgebrauch des Abs. 1 und die Gestattung nach Abs. 2 sind grundsätzlich nicht revisibel (vgl. Anm. 5 zu § 172 und oben Anm II 3).

§ 176 Die Aufrechthaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden. Schrifttum: W i l d , Die Sitzungspolizei in Strafsachen, Diss. 1933; H o f m a n n , S i t z u n g s polizei im Strafprozeß, Diss. Frankfurt 1971; Will m s , Sitzungspolizei und Öffentlichkeit der Verhandlung, JZ 1972 653; S e i b e r t , Maßnahmen gegen Sitzungsstörer, NJW 1973 127; L e i n i u s , Zum Verhältnis von Sitzungspolizei, Hausrecht, Polizeigewalt, Amts- und Vollzugshilfe, NJW 1973 448. 1. Begriff der Sitzungspolizei. Das GVG (vgl. die Uberschrift des Titels) faßt (im Ausdruck nicht einwandfrei) alle Befugnisse und Maßnahmen, die zur Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung in der Sitzung dienen, unter der Bezeichnung „Sitzungspolizei" zusammen. Ihre Handhabung steht teils dem Vorsitzenden (§§ 175 Abs. 1, 176, 179), teils dem Gericht (§§ 177, 178) zu. Dem Gericht ist die Verhängung von Ungebührstrafen und die Entfernung, eines Störers vorbehalten (s. dazu unten Anm. 3 a), während die Ausübung der Sitzungsgewalt im übrigen Sache des Vorsitzenden ist. Mit der Ausübung polizeilicher Gewalt im technischen Sinne hat die Sitzungspolizei nichts zu tun. Dem Vorsitzenden und dem Gericht sind nicht etwa die Aufgaben der vollziehenden Gewalt, auch nicht Aufgaben der (reinen) Justizverwaltung übertragen (ebenso E b S c h m i d t 5; a. M. K n i e s t e d t MDR 1960 197; 1961 25, der die sitzungspolizeilichen Befugnisse aus dem „Hausrecht in Verbindung mit der Polizeigewalt" herleitet, mit der unmöglichen Folgerung, daß bei Festsetzung einer Haftstrafe — § 178 — der Richter i. S. des Art. 104 Abs. 2 G G ein anderer sei als der die Ordnungsstrafe verhängende Richter). Die Sitzungspolizei dient vielmehr, indem sie den störungsfreien äußeren Verlauf der „Sitzung" ermöglicht, letztlich auch der Erreichung des Prozeßzwecks, der Wahrheitsfindung; gerade deshalb ist die dem Vorsitzenden und dem Gericht als emz Aufgabe der richterlichen Gewalt unter richterlicher Unabhängigkeit anvertraut (BGHSt. 17 201, 204 = NJW 1962 1260; 24 329; OLG Köln NJW 1963 1508; S t ü r n e r JZ 1972 665; h. M.). Andererseits hebt sich die Ausübung der Sitzungspolizei von den unmittelbaren Rechtfindungsmaßnahmen, zu denen auch die Verhandlungsleitung gehört (unten 2 c), ab. Sie wird deshalb „justizförmige" Verwaltungstätigkeit (Einleitung S. 65) zu charakterisieren sein, freilich als eine solche eigener Art, da sie im Hinblick auf ein konkretes Verfahren entfaltet wird (vgl. auch R e h b i n d e r MDR 1963 641). Über andere Charakterisierungen (etwa „Prozeßleitung im weitesten Sinn", E b S c h m i d t 5 vor § 176, „äußere Verhandlungsführung im weiteren Sinn", H e n k e l [1] 382), vgl. E b S c h m i d t 5 vor § 176. 2. in der Sitzung. a) Unter Sitzung ist die Verhandlung zu verstehen, gleichviel an welchem Ort sie stattfindet (RGSt. 47 322). Demgemäß erstrecken sich auch die hier bestimmten Befugnisse des Gerichts und des Vorsitzenden auf alle für die Verhandlung erforderlichen Räumlichkeiten, mit Einschluß der Beratungszimmer des Gerichts und der unmittelbar daran grenzenden Vorräume (Flur, Korridor). Findet im Rahmen einer Hauptverhandlung eine Augenscheinseinnahme auf öffentlicher Straße statt, so ist der Vorsitzende — über § 164 StPO hinaus — befugt, die Öffentlichkeit durch Absperrung und sonstige Regelung des allgemeinen Verkehrs auf der Straße einzuschränken, soweit dies zur Sicherung der geordneten Vornahme des Augenscheins erforderlich ist (RG HRR 1938 Nr. 715). Im übrigen erstreckt sich die Sitzungspolizeigewalt des Vorsitzenden nicht auf Störungen, die außerhalb des Sitzungsraumes, z. B. im Treppenhaus oder in der Eingangshalle des Gerichtsgebäudes oder außerhalb des Gebäudes auf der Straße stattfinden. Die Abwehr von Störungen im Gerichtsgebäude außerhalb des Sitzungsraumes obliegt dem Inhaber des Hausrechts, der dabei dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung Rechnung tragen muß (dazu eingehend 2952

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 176 Anm. 3

S t ü r n e r J Z 1972 665). Mit Art. 97 Abs. 1 G G ist es nicht vereinbar, wenn in Sicht- und Hörweite des Gerichtsgebäudes Veranstaltungen stattfinden, die das Ziel haben, auf eine Gerichtsverhandlung einzuwirken; insoweit ist das Versammlungsrecht — Art. 8 Abs. 2 G G — beschränkt (VerwG M ü n c h e n D R i Z 1968 285). Wegen der H e r b e i f ü h r u n g polizeilichen Einsatzes z u m Schutz ungestörter Verfahrensdurchfiihrung vgl. S t e i n b r e n n e r Die Justiz 1968 235*). Wegen des Bannkreises u m das Bundesverfassungsgericht vgl. § 106 a StGB. b) Die §§ 176 ff. gelten w ä h r e n d der D a u e r der Sitzung. Die Sitzung beginnt nicht erst, wie die Hauptverhandlung, mit d e m Z e u g e n a u f r u f (§ 243 StPO), sondern mit der bevorstehenden Bereitschaft zur amtlichen Tätigkeit, also praktisch mit der Ö f f n u n g des Gerichtssaales und dem Eintreten der ersten Verfahrensbeteiligten, während sich die Richter noch im Beratungszimmer aufhalten ( M a u l M D R 1970 286). Sie endet nicht schon mit der Erklärung des Vorsitzenden, die Sitzung sei geschlossen, vielmehr gehört z u r Sitzung auch die Zeit, die das Gericht b r a u c h t , um ohne H a s t die mit der endgültigen Abwicklung der verhandelten Sache zusammenhängenden Verrichtungen vorzunehmen und in R u h e den Sitzungssaal zu verlassen ( O L G H a m m N J W 1956 1452; 1960 1049). Die Sitzung u m f a ß t auch die Zeit zwischen der Verkündung einer Entscheidung und dem A u f r u f der nächsten Sache ( O L G e . M ü n c h e n Rspr. 27 6; H a m m Rpfleger 1951 135). Z u r Sitzung gehören nicht längere P a u s e n , die im Lauf einer Sitzung gemacht werden. Die Beratungen des Gerichts bilden Bestandteile der Sitzung; die Zeit, während der das Gericht sich zu einer Beschlußfassung im Beratungszimmer befindet, ist keine Pause ( O L G e . M ü n c h e n St. 4 4 4 6 : Dresden Sächs. O L G 23 289; Stuttgart bei A l s b e r g O L G E 1 Nr. 26). c) Sitzungspolizei und Verhandlungsleitung. Die Sitzungspolizeigewalt ist dem Vorsitzenden zwar zugleich mit der Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. I S t P O ) anvertraut, von ihr aber noch nach Zweck und Wesen verschieden. K r a f t dieser Gewalt hat der Vorsitzende zunächst allein und nach pflichtmäßigem Ermessen darüber zu befinden, ob hinreichender A n l a ß zu einem sitzungspolizeilichen Einschreiten zur Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung gegeben ist. Verneint er das, so hat es hierbei sein Bewenden. N u r gegen die zur Sachleitung gehörigen A n o r d n u n g e n des Vorsitzenden, nicht gegen seine sitzungspolizeilichen M a ß n a h m e n , kann die Entscheidung des Gerichts angerufen werden (§ 238 Abs. 2 StPO) ( R G D R Z 1927 Nr. 829 = D J Z 1927 1694; O L G H a m m G A 1972 315 und die bisher h. M.; s. d a z u aber kritisch F u h r m a n n G A 1963 65, 69; W . S c h m i d in Festschrift f. H. M a y e r S. 558 und A n m . 4 b Abs. 5 zu § 238 StPO). Soweit es sich lediglich u m die Aufrechterhaltung der O r d n u n g in der Sitzung handelt, k a n n auch auf M a ß n a h m e n , die der Vorsitzende innerhalb seiner Polizeigewalt ergreift oder unterläßt, die Revision grundsätzlich nicht gestützt werden. Eine A u s n a h m e gilt nur, wenn durch die Unterlassung gebotenen Einschreitens (z. B. die Zulassung von Tumultszenen) oder die Ergreifung von M a ß n a h m e n über das zulässige und gebotene M a ß hinaus die Ermittlung der Wahrheit gefährdet, der Angeklagte in seiner Verteidigung unzulässig beschränkt oder die G r u n d s ä t z e über die Öffentlichkeit verletzt werden ( B G H S t . 17 201, 202; N J W 1957 271; 1962 260). Dasselbe gilt für die A u s ü b u n g sitzungspolizeilicher Befugnisse d u r c h das Gericht, das zu einer Mitwirkung nur n a c h §§ 177ff. berufen ist ( R G D R Z 1927 N r . 829; dort auch A u s f ü h r u n g e n über die Grenzen zwischen Sachleitung und Sitzungspolizei). 3. Inhalt und Grenzen der sitzungspolizeilichen Befugnisse. a) Entfernung aus dem Sitzungsraum. Die bisher zweifelhafte, auch in der Rechtsprechung nicht eindeutig beantwortete F r a g e , o b die A n o r d n u n g von Z w a n g s m a ß n a h m e n gegen die Person, soweit sie in deren Entfernung aus dem Sitzungssaal bestehen, wenn anders die O r d n u n g nicht herzustellen ist, zu den sitzungspolizeilichen Befugnissen des Vorsitzenden gehört oder ob sie nur als Ungehorsamsfolge nach § 177 zulässig ist und nur dem Gericht zusteht, ist mit B G H S t . 24 329 = N J W 1972 1144 = L M Nr. 4 m. A n m . W i l l m s = J Z 1972 663 m. A n m . S t ü r n e r (s. dazu auch B e y e r D R i Z 1972 284) dahin zu beantworten: In Fällen tiefgreifender Störungen durch nicht selbst gewalttätig werdende Z u h ö r e r steht dem Vorsitzenden als äußerstes Machtmittel aus § 176 das Recht zu, ihnen zu befehlen, *) Die Polizei leistet grundsätzlich nur auf Ersuchen Amts- oder Vollzugshilfe; aus eigner Gefahrenabwehrzuständigkeit kann sie im Gerichtssaal nur tätig werden, wenn der Vorsitzende oder das Gericht ihre Funktionen nicht mehr wahrnehmen können (L e i n i u s NJW 1973 448).

2953

§ 176 Anm. 3

Gerichtsverfassungsgesetz

den Sitzungssaal zu verlassen; in solchen Fällen gröbster Ordnungsverstöße, z. B. bei Ausstoßen drohender Zurufe, Verursachung von Lärm, der die geordnete Durchführung der Verhandlung unmöglich macht, braucht der Vorsitzende für diese Maßnahme nicht erst den immerhin u. U. schwerfalligen Apparat einer Beschlußfassung durch das ganze Gericht in Gang zu setzen (so schon BGHSt. 17 201, 204 = LM Nr. 1 m. Anm. G e i e r = N J W 1962 1260 = JZ 1962 564 m. zust. Anm. K e r n ; BGHSt. 18 179, 180 = N J W 1963 590 = LM Nr. 7 zu § 169 m. Anm. J a g u s c h ) . Gehorchen aber die Störer dem Befehl zum Verlassen des Sitzungssaales nicht und bedarf es, um weitere Störungen auszuschließen, ihrer zwangsweisen Entfernung, so muß diese vom Gericht nach § 177 beschlossen werden; an dieser Vorschrift finden die Befugnisse des Vorsitzenden ihre Grenze (BGHSt. 24 329). Jedoch genügt es, wenn der Vorsitzende zunächst allein die Entfernung anordnet und das Gericht seine Maßnahme anschließend billigt (BGH 5 StR 682/71 vom 11.4. 1972, auszugsweise wiedergegeben bei S e i b e r t NJW 1973 127; B e y e r DRiZ 1972 654; S t ü r n e r J Z 1972 666). Sinnvollerweise wird eine solche Heilung durch Billigung — mit W i 11 m s gegen S t ü r n e r aaO. — auch noch zuzulassen sein, wenn schon mit der Fortsetzung der Verhandlung begonnen ist, aber noch ein genügender zeitlicher Zusammenhang mit der vorangegangenen Entfernung besteht. Ob es grundsätzlich eines Gerichtsbeschlusses auch „in besonders gelagerten Fällen" bedarf, z. B. wenn Zuhörer über Lärmen usw. hinaus zu Gewalttätigkeiten übergehen, läßt BGHSt. 24 329 ausdrücklich offen. Diese Frage muß verneint werden. Wenn § 177 dem Gericht die Befugnis vorbehält, über die Entfernung aus dem Sitzungszimmer zu beschließen, so ist dieser Vorbehalt begrenzt auf die Fälle, in denen nach der Sachlage eine Beschlußfassung des Gerichts noch möglich ist. Wenn aber etwa in der Schwurgerichtsverhandlung Zuhörer dazu übergehen, Rauch- oder Stinkbombem zu werfen, einen Brand zu legen usw.*), auch gegen die Mitglieder des Gerichts tätlich werden, um in der eingetretenen Verwirrung den Angeklagten zu befreien, so kann dem Vorsitzenden in einer Lage, in der jede verzögerte Sekunde Gefahr bedeutet, nicht zugemutet werden, erst eine Beschlußfassung des neunköpfigen Spruchkörpers herbeizuführen; dann muß er selbständig in der Lage sein, die Entfernung der Störer anzuordnen und die Ordnungskräfte mit den erforderlichen Weisungen zu versehen, und es bedarf nicht einer nachträglichen „Heilung" seiner Maßnahme durch einen billigenden Gerichtsbeschluß, der unter diesen Umständen doch nur eine bloße Formalie wäre (a. M. W i l l m s in LM Nr. 4 und JZ 1972 653; S t ü r n e r JZ 1972 666)**). In solchen Fällen einer Lahmlegung der Ordnungsgewalt des Gerichts und eines Übergriffs in den Hausfrieden des Gerichtsgebäudes im allgemeinen würde übrigens auch der Inhaber des Haus rechts — trotz der diesem durch den Grundsatz der Öffentlichkeit gezogenen Grenzen (unten b) — zum Eingreifen befugt (und verpflichtet) sein (so auch S t ü r n e r aaO. 665). Sicherlich ist zur Vermeidung von Bedenken gegen den Bestand des Urteils dem Vorsitzenden dringend zu empfehlen, daß er, wo nur irgend möglich, den sicheren Weg geht und vorher einen Gerichtsbeschluß über die zwangsweise Entfernung herbeiführt, in jedem Fall aber vor Fortsetzung der Verhandlung seine eigene Maßnahme durch Gerichtsbeschluß bestätigen läßt. b) Sitzungspolizei und Hausrecht. Wenn es zur Entfernung einer Person aus dem Sitzungsraum nach § 177 eines Gerichtsbeschlusses bedarf, kann der Vorsitzende eine Befugnis, selbständig die Entfernung anzuordnen, nicht darauf stützen, daß ihm von dem zuständigen Organ der Justizverwaltung (aufsichtführender Richter, Gerichtspräsident) ausdrücklich die Ausübung des Hausrechts übertragen worden sei, oder daß er als stillschweigend ermächtigt anzusehen sei, für den Hausrechtsinhaber zu handeln. Denn ohne daß hier *) Vgl. dazu aus dem Bericht einer Tageszeitung über Tumultszenen vor einem Schöffengericht vom 3. 2. 1973: „Während das Gericht [nach vorausgegangenen schweren Störungen durch die eindeutig aus Sympathisanten des Angeklagten zusammengesetzte Zuhörerschaft] über die Verhängung der Ordnungsstrafen beriet, platzte im Saal wieder einmal ein Feuerwerkskörper. Auf ihrer Flucht vor dem daraufhin beginnenden Polizeieinsatz überrannten die Demonstranten ein junges Mädchen, das dabei zu Fall kam und über das sie rücksichtslos hinwegtrampelten." **) Zu dem Entw. eines 1. StVRG vom 2. 5. 1973 (BT-Drucks. VII/551) hat der Bundesrat (Nr. 33 seiner Stellungnahme, S. 150) angeregt, die Befugnis zur Entfernung einzelner verhandlungsunbeteiligter Personen aus dem Sitzungssaal (§ 177) allgemein auch dem Vorsitzenden zu übertragen, weil die Herbeiführung eines Gerichtsbeschlusses eine zusätzliche Störung der Verhandlung bedeute, bei versehentlicher Versäumung oder Nichtprotokollierung eines Gerichtsbeschlusses auch die Gefahr einer Aufhebung des Urteils bestehe.

2954

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 176 Anm. 3

näher auf die unterschiedlichen Auffassungen über Rechtsnatur, Zweck und Grenzen des Hausrechts bei Dienstgebäuden im Eigentum oder im Besitz der öffentlichen Hand, die nicht lediglich fiskalischer Tätigkeit dienen, einzugehen wäre (vgl. dazu S c h ä f e r in LK Rz. 30 ff zu § 123 StGB), ergibt sich bei Gerichtsgebäuden die Beschränkung des Hausrechts der Justizverwaltung aus den Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlung. Aus den §§ 175 ff. folgt aber, daß — von Ausnahmefällen, oben a), abgesehen — während der öffentlichen Sitzung nicht das Hausrecht, sondern nur die sitzungspolizeilichen Befugnisse des Vorsitzenden und des Gerichts die Rechtsgrundlage bilden, die Ordnung innerhalb des Sitzungsraumes aufrecht zu erhalten und zu diesem Zweck Personen vom Zutritt zum Sitzungssaal fernzuhalten (§ 175) oder aus ihm zu entfernen - § 177 - (BGHSt. 24 329). Eine andere, hier nicht zu vertiefende Frage ist, ob nicht nach anderer Richtung dem Hausrecht Bedeutung zukommt, wenn dem Vorsitzenden ausdrücklich oder stillschweigend die Wahrung des Hausrechts übertragen ist und er Maßnahmen sitzungspolizeilichen Inhalts nur oder auch auf das Hausrecht stützt. Nach BGHSt. 24 329 „geht die Sitzungspolizei des Gerichts dem Hausrecht der Justizverwaltung vor". Diese neutrale Wendung läßt nicht erkennen, ob nach Auffassung des BGH das Hausrecht im Sitzungssaal während der öffentlichen Sitzung endet, ob es rechtlich solange nicht besteht oder ob es unterschwellig fortbesteht. Nach W i l l m s JZ 1972 654 ist die Frage im Sinne der 2. Alternative zu beantworten: das Hausrecht bleibt „nach außen hin überlagernd wirksam und bedeutungsvoll". Das bedeutet nach W i l l m s aaO., daß zwar der Vorsitzende, der, statt den nach § 177 erforderlichen Gerichtsbeschluß herbeizuführen, selbst die Entfernung anordnet, verfahrensmäßig falsch handelt, daß aber der betroffene Störer, da hinter dem Vorsitzenden zugleich das Hausrecht steht, sich nicht auf Notwehr berufen kann, wenn er sich der zwangsweisen Entfernung tätlich widersetzt. D e m kann — mit S t ü r n e r J Z 1972 665 — nicht gefolgt werden, denn solange nicht ein die Entfernung anordnender Gerichtsbeschluß vorliegt, ist der Betroffene kraft öffentlichen Rechts zur Anwesenheit befugt; auch insoweit geht dem Hausrecht die Sitzungspolizei vor. Wenn freilich der verfahrensmäßig einwandfrei zwangsweise Entfernte, den jetzt die Justizverwaltung kraft des Hausrechts auch aus dem Gerichtsgebäude entfernen könnte (so auch S t ü r n e r J Z 1972 665), alsbald den Sitzungsraum wieder betritt („widerrechtlich eindringt" i. S. des § 123 StGB), so ist allerdings anzunehmen, daß sich eine staatliche Reaktion nicht auf die Folgen der §§ 177, 178 beschränkt, sondern das zunächst zurückgedrängte Hausrecht, das dem Vorsitzenden zur Wahrnehmung übertragen war, wieder auflebt und auch eine Strafverfolgung nach § 123 StGB ermö dicht. c) Sitzungspolizeiliche Befugnisse gegenüber Rechtsanwälten. Verteidiger (Rechtsanwälte) unterliegen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht der gerichtlichen Sitzungspolizei und Ordnungsstrafgewalt nach § 177 (vgl. dort Anm. 2) und § 178 (vgl. dort Anm. II 1). Ein Verteidiger kann zwar in bestimmtem Umfang wegen „Unfähigkeit zur Verteidigung" von der Verteidigung ausgeschlossen werden (vgl. dazu B G H NJW 1972 2 1 4 0 = AnwBl. 1972 323; K G N J W 1972 2144; W u t t k e N J W 1972 1884; S e e b o d e N J W 1972 2 2 5 7 ; JA 1972 StR S. 180; 1973 StR S. 1 und Anm. III zu § 138 StPO)*). Bei wirksamem Ausschluß ist der bisherige Verteidiger, wenn er in der Verhandlung auftritt, lediglich Zuhörer, und ihm gegenüber bestehen uneingeschränkt die Befugnisse nach §§ 176 und 178. Solange ein Rechtsanwalt aber Verteidiger oder Prozeßbevollmächtigter (Vertreter des Privat- oder Nebenklägers oder eines Nebenbeteiligten, §§ 434, 4 4 2 StPO) ist, bestehen ihm gegenüber nach dem Gesetzeswortlaut keine sitzungspolizeilichen Befugnisse des Gerichts aus § 177; das Gericht kann seine Entfernung aus dem Sitzungszimmer nicht beschließen. Das hat zu der Frage geführt, ob nicht — in ganz besonders liegenden Ausnahmefallen — der Vorsitzende aus § 176 zur Anordnung der Entfernung befugt sei. aa)T>ie Streitfrage ist aus Anlaß eines Sonderfalls in zurückliegender Zeit (1925) lebhaft erörtert worden, in dem der Vorsitzende einen Wahlverteidiger, der sich seinen Anordnungen nicht fügte, mit Gewalt aus dem Sitzungssaal entfernen ließ. D a s Verfahren des Vorsitzenden wurde damals theoretisch für zulässig erklärt von dem Reichtsjustizminister F r e n k e n in der Reichtstagssitzung vom 1 1 . 4 . 1925 [StenBer. 1017], ferner von K e r n JW 1925 900 u. GVerfR 321 („Notwehrmaßnahme"), B a u m b a c h DJZ 1925 466, K l e e G A *) S. dazu aber neuestens BVerfG NJW 1973 696: Solange eine ausdrücklich die Entziehung der Verteidigungsbefugnis wegen Teilnahmeverdachts zulassende Vorschrift nicht erlassen sei, sei die Entziehung weder durch Gesetz noch durch Gewohnheitsrecht gedeckt. 2955

§ 176

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 3 69 269, M a h n D R Z 1925 424. M e z g e r ZStW 46 170, sowie von dem Verfasser des namenlosen Aufsatzes „Verteidiger und Sitzungspolizei" in der J R 1925 264; ebenso auch S c h l e g e l b e r g e r - N a g e l § 177 Anm. 5, G e r l a n d Stpr. 280 Anm. 12 und R G in dem DJ 1934 1121 erörterten Fall. Dagen wurde und wird die Zulässigkeit des von dem Vorsitzenden eingeschlagenen Verfahrens bestritten von D r u c k e r , B e n d i x , G r a f P e s t a l o z z a JW 1925 901, 909 R o s e n b e r g D R Z 1925 427; E b S c h m i d t , Vorbem. 10 vor § 137 St PO; M ü l l e r - S a x 2 b ; Kl 2 zu § 177; S c h o r n DRiZ 1964 1 5 5 ; D a h s Anw. Bl. 1959 177; vgl. auch K G JW 1933 484; G r a f z u D o h n a JW 1932 3673; H a g e m a n n DRiZ 1932 293; A n s c h ü t z , Entziehung der Verteidigungsbefugnis (1959) 43; pr. OVG DJZ 1928 946. In Anm. 3 a der Vorauflage ist angenommen worden, daß auch hier in äußersten Fällen — aber auch nur in diesen — die Justiz nicht vor dem verantwortungslos renitenten Verteidiger zu kapitulieren brauche und daß die Polizeigewalt, die nach § 176 dem Vorsitzenden zur Durchführung der Verhandlung zusteht, ihm dann auch das Recht gebt Jedes Hindernis, das der geordneten Abwicklung der Verhandlung entgegentritt, nötigenfalls mit Gewalt zu beseitigen (vgl. den Aufsatz JR 1925 264). Der darin liegende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 GG) sei durch das Gesetz (§ 176) gedeckt; er stehe im übrigen auch nicht außer Verhältnis zum Anlaß (vgl. dazu BVerfG JZ 1963 363). Solche Fälle seien sehr selten. In weniger krassen Fällen bleibe der Weg, die Sitzung zu unterbrechen und nach § 145 Abs. 4 StPO zu verfahren und standesrechtliche Maßnahmen herbeizuführen (vgl. R o s e n b e r g D R Z 1925 429). bb) In neuester Zeit ist das Problem der Ordnungsbefugnisse des Gerichts gegenüber dem Rechtsanwalt als Verteidiger (Prozeßbevollmächtigter) in veränderter Gestalt im „Streit um die Robe" praktisch geworden, als sich Anwälte aus „prinzipiellen" Gründen weigerten, in der Verhandlung die Robe zu tragen. In BVerfGE 28 21 = N J W 1970 851 = JZ 1970 320 (dazu ablehnend S ä l z e r JZ 1970 572) hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde eines Rechtsanwalts gegen den Beschluß einer landgerichtlichen Zivilkammer, der ihn als Prozeßbevollmächtigten für die Dauer seiner Weigerung, in Amtstracht aufzutreten, „in dieser Sache ausschloß, als Anwalt aufzutreten", als unbegründet zurückgewiesen. Die Verpflichtung, die Robe in Gerichtsverhandlungen zu tragen, sei, soweit sie nicht auf Landesgesetz beruhe (vgl. insoweit die Übersicht S. 29), gewohnheitsrechtlich begründet (S. 30) und mit der Verfassung, insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vereinbar (S. 30 f.). Ein „ m i t . . . Bestimmtheit präzisierter Satz des Gewohnheitsrechts, mit welchen Reaktionen das Prozeßgericht einer Nichtbefolgung dieses Gebots [die Robe zu tragen] zu begegnen hat", lasse sich zwar nicht feststellen (S. 35). Die Berechtigung des für die Dauer der Weigerung für die einzelne Sache ausgesprochenen „Ausschlusses, als Anwalt aufzutreten", wird aber vom BVerfG aaO. damit begründet: das Gericht habe „das unter den gegebenen Umständen im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs am wenigsten schwerwiegende Mittel gewählt. Die Berufsausübung des Beschwerdeführers in dieser Sache außerhalb der Gerichtssitzung wurde nicht berührt; es blieb ihm im übrigen unbenommen, durch Änderung seines Verhaltens jede weitere Maßnahme dieser Art entbehrlich zu machen. Es ist nicht zu erkennen, daß dem Landgericht ein anderes, weniger schwerwiegendes Mittel zu Gebote gestanden hätte. Da ihm aufgetragen ist, einen dem geltenden Recht entsprechenden Ablauf der Gerichtsverhandlung sicherzustellen, war es rechtlich nicht verpflichtet, das Verhalten des Beschwerdeführers . . . reaktionslos hinzunehmen. Es ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht davon abgesehen hat, die Verhandlung zu vertagen, um die Einleitung und Durchführung standesrechtlicher Maßnahmen abzuwarten. Das Gericht konnte davon ausgehen, daß einer Vertagung andere gewichtigere Interessen, die den Vorrang vor den Belangen des Beschwerdeführers verdienten, entgegenstünden . . . " In gleicher Weise wie das BVerfG haben BayVerfGH AnwBl. 1972 228 und K G NJW 1970 482 entschieden; diese Rechtsprechung ist „Verfassungswirklichkeit" geworden. Sucht man nach einer exakten gesetzlichen Grundlage für den „Ausschluß, [in dieser Sache für die Dauer der Weigerung] als Anwalt aufzutreten", so können die — rechtlich freilich einigermaßen unbestimmten — Ausführungen des BVerfG, daß es einerseits an einem „präzisierten Satz des Gewohnheitsrechts" bzgl. der gerichtlichen Reaktion fehle, andererseits das mit der Sicherstellung eines „dem geltenden Recht" entsprechenden Ablaufs der Gerichtsverhandlung beauftragte Gericht nicht verpflichtet sei, das Verhalten des Anwalts reaktionslos hinzunehmen, in ihrem positivrechtlichen Gehalt kaum anders gekenn-

2956

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 176 Anm. 3

zeichnet werden, als daß, wo es einer Reaktion unbedingt bedürfe, die geltende Rechtsordnung eine solche auch ermögliche. Zur Verwirklichung dieses Satzes bieten sich konstruktiv zwei Wege an: Der erste Weg wäre, die Grundlage für den Ausschluß, als Anwalt aufzutreten, und notfalls die Entfernung des sich weigernden Anwalts anzuordnen, in den §§ 176 ff. zu suchen und, wenn deren Wortlaut die gedachte Reaktion nicht deckt, diese Vorschriften ausdehnend auszulegen (vgl. oben aa). In solchen Gedankengängen bewegt sich der BayVerfGH AnwBl. 1972 228. Er bezeichnet im Anschluß an BVerfGE 28 21 den Beschluß eines Gerichts („RA X wird für diesen Termin als Prozeßbevollmächtigter des Bekl. zurückgewiesen, weil er aus prinzipiellen Gründen ohne Robe auftritt") als auch mit der BayVerfassung vereinbar, erklärt weiterhin das Gericht, „das einen dem geltenden Recht entsprechenden Ablauf der Verhandlung sicherzustellen hat", nicht nur für berechtigt, sondern für verpflichtet, das Verhalten des Anwalts „nicht reaktionslos" hinzunehmen und sieht — unter Hinweis u. a. auf Anm. 3 a zu § 176 der Vorauflage dieses Kommentars — die Zurückweisung als durch § 176 gedeckt ansieht. Der andere Weg ist, in dem Ausschluß wegen Nichttragens der Robe eine Fortentwicklung der in Schrifttum und Rechtsprechung ausgebildeten — einer gesetzlichen Grundlage aber noch bedürftigen (vgl. Fußnote S. 2955) — Lehre vom Ausschluß des Verteidigers wegen „Unfähigkeit zur Verteidigung" (bei Teilnahmeverdacht usw.) zu sehen. Dies führt dazu, auf den ausgeschlossenen Anwalt unmittelbar die §§ 176 ff. anzuwenden. Denn wenn der RA „als Prozeßbevollmächtigter zurückgewiesen" oder „ausgeschlossen wird, als Anwalt aufzutreten", so ist er von diesem Augenblick an in die Rolle eines bloßen Zuhörers versetzt; er ist jetzt im Sinne der §§177 und 178 eine „bei der Verhandlung nicht beteiligte Person", die bei Störungen der Verhandlung (durch weiteres Auftreten als Verteidiger, durch Wortmeldungen oder Dazwischenreden) nach § 178 mit Ordnungsstrafe belegt, notfalls nach § 177 aus dem Sitzungszimmer entfernt werden kann. Auf diesen Erwägungen beruht K G NJW 1970 482, 484. Diese Konstruktion verdient den Vorzug. Mit dieser Entwicklung aber haben die oben aa) dargestellten Erörterungen aus Anlaß des Sonderfalles, der sich i. J. 1925 vor dem RG abspielte, ihre Bedeutung insoweit verloren, als sie davon ausgingen, daß § 177 unanwendbar sei und eine Grundlage für Maßnahmen zu einer gesetzmäßigen Durchführung der Hauptverhandlung nur in § 176 gefunden werden könne. Liegen nicht die Voraussetzungen einer „Unfähigkeit zur Verteidigung" durch „Verrenssabotage" (vgl. Anm. III 9 zu § 138 StPO) vor, so kann sich das Recht und die Pflicht des Gerichts, den dem Recht entsprechenden Ablauf der Verhandlung sicherzustellen, und ein dem widersprechendes Verhalten des RA nicht reaktionslos hinzunehmen, nicht auf die Verletzung des Robenzwangs beschränken, sondern muß sich auf gröblichste Dauerstörungen des geordneten Ablaufs der Verhandlung anderer Art durch ständige Zwischenrufe, Uberschreien des Vorsitzenden usw. — erstrecken. Auch hier gilt, daß das vorrangige Interesse an rascher Durchführung des Verfahrens es nicht zuläßt, die Hauptverhandlung auszusetzen (§ 145 Abs. 4 StPO) und abzuwarten, ob ein Ehrengerichtsverfahren den Anwalt zu einer Änderung seines Verhaltens veranlaßt (vgl. dazu KG NJW 1970 482, 483 = JR 1970 148). Den Anwalt äußerstenfalls vom weiteren Auftreten in der Verhandlung „auszuschließen" kann aber nicht Sache des Vorsitzenden, sondern nur Sache des Gerichts (§ 177) sein. d) Der Inhalt der Befugnisse des Vorsitzenden im übrigen läßt sich nicht durch einen einzigen Ausdruck bezeichnen. Dem Vorsitzenden steht die Ergreifung aller Maßnahmen zu, die nicht die Natur einer Strafe haben und nicht die Öffentlichkeit der Verhandlung berühren. Er hat zunächst alle zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe erforderlichen Anordnungen zu treffen. Hierher gehört auch die Anordnung, daß zur Unterstützung des Justizwachtmeisters bei der Aufrechterhaltung der Ordnung (Nr. 124 Abs. 3 RiStBV) ein bewaffneter uniformierter Polizeibeamter im Sitzungssaal anwesend ist (OLG Hamm NJW 1972 1246 = GA 1972 315), die Anordnung, den Angeklagten, Zeugen oder Zuhörer auf den Besitz von Waffen zu untersuchen und ihnen die Waffen abnehmen zu lassen ( H ä r t u n g JR 1925 626; s. auch Anm. 3a zu § 169, Anm. 3 zu § 175) und die Anordnung, Personen, die aus dem Zuhörerraum heraus fotografieren, erforderlichenfalls bis zum Sitzungsschluß die Geräte wegzunehmen (vgl. OLG Koblenz HESt. 3 59). Er hat ferner das Recht und die Pflicht, den Ordnungswidrigkeiten entgegenzutreten, deren sich jemand durch sein Betragen 2957

§ 176 Gerichtsverfassungsgesetz Anm. 4 oder durch seine Ausdrucksweise schuldig macht; insbesondere darf er die vor dem Gericht sprechenden Personen zur Ruhe und Mäßigung ermahnen, sie in ihren Auslassungen unterbrechen, unangemessene Ausdrücke sowie ein unpassendes, die Ordnung in der Sitzung störendes Verhalten rügen (Entsch. des Ehrengerichtshofs für RA 3 307). Er darf auch den Verteidiger beim Schlußvortrag unterbrechen und ermahnen, ihm unter Umständen auch das Wort entziehen (RG JW 1938 3161). Die zur Vermeidung von Störungen getroffene Anordnung, den Zuhörerraum während bestimmter wichtiger Verfahrensakte, etwa während der Vernehmung des Angeklagten oder der Bekanntgabe der Urteilsgründe nicht zu betreten oder zu verlassen und zu diesem Zweck vorübergehend die Tür zum Gerichtssaal zu verschließen, ist eine zulässige Maßnahme der Sitzungspolizei und enthält keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit (vgl. BGHSt. 24 73 = NJW 1971 715 = MDR 1971 407 = LM Nr. 12 m. Anm. F a l l e r und Anm. 3a zu § 169). Die Anweisung des Vorsitzenden an den Angeklagten, auf der umfriedeten Anklagebank Platz zu nehmen (die nur getroffen werden sollte, wenn besondere Umstände vorliegen, RiStBV Nr. 121) ist gleichfalls eine sitzungspolizeiliche Maßnahme (BayObLG DRZ 1931 Nr. 373). Vgl. Anm. II 3b zu § 178. Der Vorsitzende darf auch Maßregeln androhen, zu deren Verhängung ein Gerichtsbeschluß erforderlich ist (RG JW 1913 161; BGHSt. 24 3 29; oben Anm. 3 a). Dagegen kann der Vorsitzende dem Angeklagten aufgrund seiner sitzungspolizeilichen Befugnisse nicht verbieten, sich Aufzeichnungen über die Vorgänge in der Sitzung zu machen, gleichviel, ob sie den Zwecken der Verhandlung selbst oder einer späteren Verbreitung von Nachrichten über die Verhandlung dienen sollen, auch wenn er sich dadurch in seiner Verhandlungsführung gestört fühlt; er kann auch nicht die Wegnahme solcher Aufzeichnungen anordnen (RGSt. 54 113; BGH bei H e r l a n GA 1963 102). Anders liegt es, wenn dadurch nur die Aufmerksamkeit des Angekl. von dem Gang der Hauptverhandlung abgelenkt wird, ohne ihm die Verteidigung zu erleichtern; dann kann der Vorsitzende aufgrund seiner verfahrensrechtlichen Sachleitungsbefugnis solche Aufzeichnungen untersagen (BGHSt. 1 322 = JZ 1952 42 mit abl. Anm. von E b S c h m i d t ) . Aufzeichnungen über Verhandlungsvorgänge durch einen Zuhörer kann er grundsätzlich nicht unterbinden, und noch weniger den Zuhörer, um die Aufzeichnungen zu verhindern, aus dem Saal entfernen (BGHSt. 18 179 = NJW 1963 599 = JR 1963 307 mit Anm. E b S c h m i d t ) . Ausnahmsweise kann er dies aber dann, wenn der Verdacht besteht, daß der Zuhörer sie zur Unterrichtung noch nicht vernommener Zeugen verwenden will (vgl. RiStBV Nr. 124 Abs. 2). Nach OLG Hamm NJW 1967 1289 ist es bei einer länger dauernden Verhandlung auch zulässig, den Berichterstatter einer Zeitung wegen gröblich unsachlicher oder entstellender Berichte über die bisherige Verhandlung von der weiteren Teilnahme an der Verhandlung auszuschließen, wenn es wegen Fruchtlosigkeit vorangegangener ernster Ermahnungen erforderlich ist, um die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens und das Recht des Angeklagten auf ungehinderte Verteidigung zu gewährleisten (vgl. auch Anm. II 3 zu § 175). Falls kein anderes Mittel ausreicht, verbleibt dem Vorsitzenden schließlich noch die Aufhebung der Sitzung (vgl. RGZ 32 390). Wegen der Befugnis zur Entziehung des Wortes und zur Zurückweisung ungeeigneter Fragen s. § 258 und § 241 StPO sowie die dort. Anm., wegen der Befugnis, in äußersten Fällen Personen aus dem Sitzungssaal zu verweisen und gegebenenfalls mit Gewalt entfernen zulassen, s. oben Anm. 3 a. 4. Rechtsbehelfe. Gegen die sitzungspolizeilichen Maßnahmen des Vorsitzenden gibt es keine Anrufung des Gerichts (s. oben 2 c und Anm. I 4 zu § 175). Sie sind auch der verfahrensrechtlichen Beschwerde entzogen, denn unter „Verfügungen des Vorsitzenden" i. S. des § 304 Abs. 1 StPO sind nur solche zu verstehen, die der Vorsitzende bei der Erfüllung von Rechtsprechungsaufgaben trifft (vgl. Anm. 2 zu § 305 StPO), während hier der Vorsitzende ,justizförmige Verwaltung" ausübt (vgl. Anm. 1 zu § 176). Der Ausschluß der Beschwerde ergibt sich ferner aus § 181 (so auch im Ergebnis die h. M.; vgl. OLGe. Dresden GA 39 377; Koblenz HESt. 3 59; Hamm NJW 1972 1246 = GA 1972 315; E b S c h m i d t 13; M ü l l e r S a x 3b; Nachweise über das ältere Schrifttum in Anm. 2d der 20. Aufl.). Es besteht auch kein Bedürfnis für eine Beschwerde, da sitzungspolizeiliche Maßnahmen keine über die Dauer der Sitzung hinausgehende Wirkung haben, also z. B. weggenommene Sachen am Ende der Sitzung zurückgegeben werden müssen. Wegen der auf sitzungspolizeiliche Maßnahmen oder deren Unterlassung gestützten Revision vgl. oben 2 c. 2958

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 176 Anm.5 § 177 Anm. 1 - 3

5. Personen, auf die sich die Sitzungspolizei erstreckt — Der Sitzungspolizei sind alle im Sitzungszimmer anwesenden Personen, jedoch in verschiedenem Maße, unterworfen. Es ist hier zwischen den Befugnissen des Vorsitzenden und den Befugnissen des Gerichts zu unterscheiden. a) Die Befugnisse des Vorsitzenden (vgl. Anm. 3) greifen gegenüber allen Personen gleichmäßig Platz. Insbesondere hat der Staatsanwalt in dieser Beziehung keine Ausnahmestellung; das ist auch in der RTK (Prot. 37 ff.; Anl. J z. Prot, der 164. Sitzung) ausdrücklich anerkannt worden und heute unstreitig (vgl. RGSt. 11 1 3 5 ; M ü l l e r - S a x 2d; E b S c h m i d t 12; Kl 3; B a u m . - L a u t e r b a c h 3; D a l c k e - F . - S c h . 1; Nachweise über das ältere Schrifttum in Anm. 3 a der 20. Aufl.). Selbstverständlich wird jedoch der Vorsitzende stets zu beachten haben, daß der Staatsanwalt der Vertreter einer gleichgeordneten Behörde ist; sein Verhalten gegenüber dem Staatsanwalt ist wesentlich eine Sache des richtigen Taktes. Eine. Ausschreitung des Staatsanwalts würde unter Umständen eine Vertagung der Verhandlung und eine Anzeige bei seinem Vorgesetzten nötig machen (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1963 1167; S e i b e r t NJW 1963 1590). - Sollte sich eine der Gerichtspersonen (Richter, Schöffen, Geschworene, Urkundsbeamte) einer Ordnungswidrigkeit schuldig machen, so hat zwar der Vorsitzende für deren Abstellung Sorge zu tragen; er hat dabei aber selbstverständlich jede das Ansehen des Gerichts schädigende öffentliche Erörterung zu vermeiden. b) Befugnisse des Gerichts. Bei den Maßregeln, deren Verhängung dem Gericht zusteht, unterscheidet das Gesetz: gegen die bei der Verhandlung amtlich beteiligten Personen, zu denen insbesondere der Staatsanwalt gehört ( H a h n , Mat. z. GVG 1 175, Begr. zu § 145 Entw.), gibt es keine Strafmaßregeln. Bei Ordnungswidrigkeiten von Schöffen gilt insofern eine Ausnahme, als § 56 (vgl. § 84) anwendbar wird, wenn die Ordnungswidrigkeit derart ist, daß sich der Schöffe durch sie zugleich „seinen Obliegenheiten entzieht"; wegen der übrigen bei der Verhandlung beiteiligten sowie der nicht beteiligten Personen s. bei §§ 177, 178. — Die Schöjfen wirken auch bei den die Handhabung der Sitzungspolizei betreffenden Entscheidungen mit (§§ 30, 82). Findet die Hauptverhandlung vor dem Amtsrichter allein statt, so gebührt ihm auch die Ausübung aller in den §§ 177—179 dem Gericht zugewiesenen Strafbefugnisse. Vgl. § 180.

§ 177 Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung erlassenen Befehlen nicht gehorchen, können auf Beschluß des Gerichts aus dem Sitzungszimmer entfernt, auch zur Haft abgeführt und während einer in dem Beschluß zu bestimmenden Zeit, die vierundzwanzig Stunden nicht übersteigen darf, festgehalten werden. Entstehungsgeschichte: Entw. § 144. 1. Die in § 177 bezeichneten Befugnisse stehen dem Gericht zu, das seine Entscheidung durch Beschluß trifft. Wegen der Abgrenzung der Befugnisse des Gerichts gegenüber denjenigen des Vorsitzenden vgl. Anm. 1, 2 c, 3 a, c zu § 176. 2. Zu den Parteien gehören auch der Privat- und Nebenkläger und ein Einziehungsbeteiligter. Dagegen ist der Verteidiger nicht Partei; gegen ihn ist § 177 nicht anwendbar (vgl. § 176 Anm. 3 c, § 178 Anm. II). Andere Parteivertreter, die nicht Rechtsanwälte oder Verteidiger sind, ebenso Beistände von Parteien, sind den Parteien gleich zu achten (OLG Darmstadt JW 1935 2073). Der Staatsanwalt ist niemals Partei. 3. Der Beschuldigte (Angeklagte) ist besonders erwähnt, weil im Verfahren auf öffentliche Klage der Ausdruck „Partei" nicht auf ihn paßt. Die StPO schließt eine zwangsweise Entfernung des Beschuldigten aus der Hauptverhandlung nicht aus; sie setzt vielmehr in § 247 Abs. 2 die Anwendbarkeit des § 177 auch auf den Beschuldigten voraus. Auch der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) wird durch eine zwangsweise Entfernung nicht verletzt; der Beschuldigte hat dann die an sich gegebene Gelegenheit, sich zu äußem, durch sein eigenes Verhalten verloren (BGH NJW 1968 354, 355). Allerdings wird im Inter-

2959

§177 Anm. 4—6

Gerichtsverfassungsgesetz

esse der Wahrheitsermittlung und mit Rücksicht auf das Verteidigungsrecht von der Befugnis, den Beschuldigten aus der Sitzung zu entfernen, nur im Notfall Gebrauch zu machen sein; auch ist aus § 247 Abs. 2 StPO in Verbindung mit Abs. 1 zu folgern, daß das Gericht die beschlossene Maßregel sobald als tunlich wieder aufheben, also wenigstens versuchen soll, ob sich der Beschuldigte demnächst ordnungsmäßig beträgt. Dies gilt insbesondere, wenn ihm sonst das letzte Wort (§ 258 Abs. 3 StPO) abgeschnitten würde (BGHSt. 9 77). Ist das nach Lage der Sache aber ausgeschlossen, so kann die Verhandlung auch ohne den Beschuldigten zu Ende geführt werden (RGSt. 35 433; RG JW 1933 964; BGHSt. 9 77; OLG Darmstadt HRR 1931 Nr. 2004; G e r l a n d Stpr. 280, 348). In der Begründung des Beschlusses, durch den die Entfernung des Angekl. angeordnet wird, und in der Sitzungsniederschrift (§ 182), muß im einzelnen genau angegeben werden, aufgrund welcher Tatsachen und Umstände das Gericht die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer angeordnet hat (RG HRR 1939 Nr. 450; BGHSt. 9 77). Wegen der Bekanntmachung des Urteils vgl. die Anm. zu StPO § 268. — Beschließt das Gericht die Entfernung des Beschuldigten, so wird es regelmäßig angemessen sein, ihn auch zur Haft abführen zu lassen, damit das Gericht jederzeit in der Lage bleibt, sein Wiedererscheinen in der Sitzung herbeizuführen. 4. Bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen sind die Zuhörer. Wegen der Befugnis des Gerichts, die Entfernung aller Zuhörer, also die Räumung des Sitzungszimmers, anzuordnen, s. § 172 Anm. 1 a. Will das Gericht, obwohl es zu dieser Maßregel schreitet, die Öffentlichkeit aufrecht erhalten, so muß es nach der Räumung die Zuhörer von neuem einlassen, kann aber die ausschließen, die einer Störung der Ordnung verdächtig sind (vgl. RGRspr. 4 152, RGSt. 30 104, RG GA 47 290, LZ 1916 309; Anm. 3 zu § 175). Wegen der Entfernung einzelner Zuhörer aus anderen Gründen als denen des § 177 vgl. Anm. 3 b zu § 169. 5. Ein „Nichtgehorchen" gegenüber einem zur Aufrechterhaltung der Ordnung erlassenen Befehl liegt vor, sobald jemand diesen Befehl kennt und ihm bewußt und mit Willen zuwiderhandelt. Der Ungehorsam erfordert also ein vorsätzliches Handeln (ebenso M ü l l e r S a x l a ; B a u m b . - L a u t e r b a c h 1; a. M. v. H i p p e l 344; E b S c h m i d t 6). Enthält der Ungehorsam gleichzeitig eine Ungebühr, so kann neben der Entfernung oder Abführung zur Haft auch noch eine Ordnungsstrafe wegen Ungebühr verhängt werden (OLG Dresden bei Alsberg OLGESt. 1 Nr. 40; E b S c h m i d t 6). 6. a) Die Haft besteht in einfacher Freiheitsentziehung, die (insbes. wenn am Gerichtsort keine Vollzugsanstalt ist) auch in einem verschlossenen Raum des Gerichtsgebäudes vollstreckt werden kann. Über das Wesen der Haft besteht Streit: teils wird sie — wie die Haft nach § 178 — als Ordnungsstrafe, teils — wie die Entfernung — als Sicherungsmaßnahme charakterisiert (vgl. zu dieser Streitfrage eingehend E b S c h m i d t 12 mit Nachweisen). In BGHSt. 4 309 wird sie zwar als Ordnungsstrafe bezeichnet, jedoch ist darin nach dem Zusammenhang wohl keine Stellungnahme zu der Streitfrage beabsichtigt. Man wird sie als Sicherungsmaßnahme aufzufassen haben, die für die Fälle zur Verfügung steht, in denen eine bloße Entfernung nicht genügt, weil mit weiteren Störungen zu rechnen ist. b) während einer zu bestimmenden Zeit festgehalten. Nach überwiegend vertretener Auffassung (vgl. u.a. K e r n 3 2 2 ; E b S c h m i d t 11; Kl 1; M ü l l e r - S a x l c ; B a u m a n n , Festschrift für E b S c h m i d t [1961] 454; R e h b i n d e r MDR 1963 641) darf die Haft, da sie nur den Schutz der Sitzung von Störungen bezwecke, nicht über die geschätzte Dauer der Sitzung hinaus angeordnet werden. Bei Schluß der Sitzung sei sie stets aufzuheben. Für die Gegenmeinung ( B a u m b . - L a u t e r b a c h 2 A b ; D a l c k e - F . - S c h . 5: S y d o w - B u s c h 4) spricht aber, daß es praktisch keine Sitzung (= Versammlung an der Gerichtsstelle) gibt, die 24 Stunden und länger dauert. Die vorgesehene Höchstdauer von 24 Stunden wäre dann auch unter dem Gesichtspunkt einer „Vorsichtsmaßnahme mit großem Sicherheitskoeffizienten" ( E b S c h m i d t ) ohne Sinn. Auch wenn man in der Haft keine Ordnungsstrafe, sondern nur eine Sicherungsmaßnahme sieht, kann das Bedürfnis bestehen, eine Haft ausnahmsweise auch über das Ende der Sitzung andauern zu lassen, etwa um nach dem Verhalten des Betroffenen zu erwartende Belästigungen der Gerichtspersonen oder der Zeugen, die sich noch im Gerichtsgebäude aufhalten, zu verhindern. Vgl. noch Anm.

2960

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 1 7 7 Anm. 7 - 1 0 § 1 7 8 Anm. I

3 a zu § 176. F ü r die Praxis hat übrigens die Streitfrage offenbar keine Bedeutung. Wenn überhaupt die Verhängung der Haft in Frage kommt, werden in aller Regel die Voraussetzungen des § 178 gegeben sein. 7. Einschreiten von Amts wegen. Die in § 177 zugelassenen Maßregeln sind vom Gericht von Amts wegen zu treffen. Doch ist die Staatsanwaltschaft entsprechend ihrer Stellung im Strafverfahren (vgl. Anm. 1 Abs. 2 zu § 152 StPO) befugt, unter Umständen sogar verpflichtet, eine Ordnungsstrafe anzuregen (vgl. Nr. 124 Abs. 1 RiStBV). Über einen solchen „Antrag" muß das Gericht jedenfalls Beschluß fassen (a. M.: K a l l m a n n D R Z 1911 795). 8. Anhörung. Vor der Entscheidung ist der Betroffene grundsätzlich zu hören (Art. 101 Abs. 1 GG). Es gilt hier das gleiche wie im Fall des § 178 (vgl. dort Anm. IV 4). 9. Verfahrensrechtliches. Der Beschluß ist sofort vollstreckbar (§ 179). Gegen ihn ist keine verfahrensrechtliche Beschwerde zulässig; das ergibt sich aus § 181 ( R G Z 43 427; OLGe. München St. 3 581; Köln N J W 1963 1508; Nürnberg M D R 1969 600; Schleswig N J W 1971 1321, 1322; W i e c z o r e k C.; E b S c h m i d t 9; D a l c k e - F . - S c h . 2; F e i s e n b e r g e r 84, StPO Anm. 2; M ü l l e r - S a x 2 c ; vgl. auch den Bericht der Reichsjustizkommission bei H a h n , Mat. z. G V G 2 982; a. M. B a u m b a c h - L a u t e r b a c h 2 C , wonach § 181 entsprechend anwendbar ist, außer wo eine bei der Verhandlung nicht beteiligte Person entfernt wird; Bedenken auch bei v. H i p p e l 345: „offenbar unbillige Regelung'"). Bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts wäre ja auch in aller Regel die angeordnete M a ß n a h m e längst erledigt. Die Zulassung einer Beschwerde wäre allenfalls erwägenswert, wenn der Betroffene trotz der Erledigung der angeordneten M a ß n a h m e (Haft) berechtigtes Interesse an der Feststellung seiner Unschuld hätte, am Entschädigung wegen unschuldig erlittener Haft zu erlangen (vgl. O L G Köln aaO.). Aber das StrEG v. 8. 3. 1871 (BGBl. I 157), das die Entschädigung bei unschuldig erlittenen Maßnahmen abschließend regelt, sieht bei sitzungspolizeilichen Maßnahmen keine Entschädigung vor ( S c h ä t z l e r 4 zu § 2 StrEG). D a s Gericht ist befugt, den Beschluß wieder zurückzunehmen oder die Vollstrekkung auszusetzen oder zu unterbrechen, z. B. wenn der Ungehorsame bei der Verhandlung beteiligt ist und seine Anwesenheit dabei wieder erforderlich wird; vgl. Anm. 3. 10. Die Revision kann bei sitzungspolizeilichen Maßnahmen, die das Gericht innerhalb der Grenzen seines Ermessens ergreift oder unterläßt, nicht gestützt werden. Vgl. dazu Anm. 5 zu § 176.

§ 178 Das Gericht kann gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung, eine Ordnungsstrafe in Geld oder bis zu drei Tagen Haft festsetzen und sofort vollstrecken lassen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 145. Spätere Änderungen:'Ges. vom 11.3. 1921 (RGBl. 230). Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 319). Literatur: L e v i n Richterliche Prozeßleitung und Sitzungspolizei (1913). K e r n Ungebühr im schriftlichen Verkehr mit den Gerichten (GerS 103 317; R e h b i n d e r , Das Ordnungsstrafverfahren wegen Ungebühr vor Gericht, M D R 1963 640; K n i e s t e d t und T i l l m a n n , Rechtliches Gehör und Sitzungspolizei N D R 1960 197, 640; 1961 25. S t e i n b r e n n e r , Sitzungspolizeiliche Fragen, insbes. im Zusammenhang mit Strafverfahren gegen Demonstranten, Die Justiz 1968 235; B a u r , Die Würde des Gerichts, JZ 1970 247; in der B e e c k und W u t t k e . Wahrheitsfindung und G V G , N J W 1969 284; S a r s t e d t (Zum Begriff „Würde des Gerichts") Anm. zu O L G Nürnberg J Z 1969 152; S c h w i n d , „Ungebührliches" Verhalten vor Gericht und Ordnungsstrafe, J R 1973 133. I. Der Ausdruck Gericht bezeichnet den Richter, dem gegenüber die Ungebühr begangen worden ist. Nur dieser kann die Ungebührstrafe verhängen (OLGe. Hamburg DStrZ. 4 95; Dresden bei A l s b e r g OLGEStrProz. 1 22; Darmstadt J W 1934 780). Auch der 2961

§ 178 Anm. II 1, 2

Gerichtsverfassungsgesetz

bereits abgelehnte Richter kann eine Ungebührstrafe festsetzen, da es sich nicht um einen die anhängige Untersuchung betreffenden Akt handelt ( O L G Hamburg G A 70 54). S. auch unten Anm III 5. II. Täterkreis. 1. Parteien. § 178 gilt nicht für den Staatsanwalt (vgl. aber Anm. 5 a zu § 176). Er gilt auch nicht für den Rechtsanwalt oder Verteidiger, gegen die bis zum Erlaß des Ges. vom 11. 3. 1921 die Sondervorschrift des § 180 (der alten Fassung des G V G ) bestand ( K G J W 1925 80; J R 1925 264; R G D J 1934 1121; O L G Köln N J W 1968 307). Die bei Aufhebung des § 180 a. F. gehegte Erwartung, die Ehrengerichtsbarkeit über die Rechtsanwälte böte in allen Fällen einen genügenden Ausgleich für die fehlende Ordnungsstrafgewalt des Gerichts, hat sich, wie manche Vorfälle, insbes. aus jüngster Zeit zeigen, als nicht unbedenklich erwiesen. Wegen der Befugnis des Gerichts, als ultima ratio in gröbsten Fällen den Rechtsanwalt von einem weiteren Auftreten in einer einzelnen Sache auszuschließen, so daß er nunmehr eine an der Verhandlung nicht beteiligte Person i. S. der §§ 177, 178 ist, vgl. Anm. 3 c zu § 176. Ob Vertreter am Verfahren beteiligter Behörden, z. B. in den Fällen des § 441 RAbgO. und des § 76 O W i G , wegen Ungebühr bestraft werden können (wie dies früher O L G Kolmar ElsLoth. Z. 33 174 annahm), erscheint zweifelhaft, denn auch sie unterliegen einer öffentlich-rechtl. Disziplinarstrafgewalt und können nicht gut anders behandelt werden als der Staatsanwalt oder der Rechtsanwalt; L S G München N J W 1964 1874 will sogar (im sozialgerichtlichen Verfahren) Prozeßbevollmächtigte der Körperschaften des öffentl. Rechts und vertretungsberechtigter Behörden, wenn sie als Staatsbeamte einer Disziplinargewalt unterliegen, von der Anwendung des § 178 ausnehmen. Auf alle übrigen Parteivertreter ist § 178 anwendbar ( O L G Darmstadt J W 1935 2073), z. B. auch auf den für einen Rechtsanwalt auftretenden Referendar ( O L G München BayZ 1929 229). 2. Abgeordnete, a) Macht sich ein Bundestagsabgeordneter einer Ungebühr schuldig, so fragt es sich, ob die Immunität nach Art. 46 Abs. 2, 3 G G einer Bestrafung entgegensteht. Nach Abs. 2 darf ein Abgeordneter „wegen einer mit Strafe bedrohren Handlung" nur mit Genehmigung des Bundestags „zur Verantwortung gezogen" oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei Begehung der „Tat" . . . „festgenommen" wird; nach Abs. 3 ist „bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit" eines Abgeordneten die Genehmigung des Bundestages erforderlich. Die Anwendbarkeit des Art. 46 G G bei Verhängung von Ungebührstrafen wird teils bejaht (so M ü l l e r - S a x 1 a; E b S c h m i d t 2; R e h b i n d e r M D R 1963 642), teils verneint, und zwar mit der Begründung, es liege kein „Zur-Verantwortung-ziehen" vor (so B o c k e l m a n n , Die Unverfolgbarkeit der Abgeordneten nach deutschem Immunitätsrecht 1951 43), oder es liege keine mit Strafe bedrohte Handlung vor, weil dieser Begriff disziplinare Maßnahmen nicht umfasse, oder Art. 46 beziehe sich nicht auf Maßnahmen, die ohne vorgängige Untersuchung verhängt werden können (so H e r l a n J R 1951 326; v. M a n g o l d t - K l e i n II 6; M a u n z - D ü r i g - H e r z o g 40 je zu Art. 46 G G ; W i e c z o r e k Anm. C). Verneinend auch K l 1 und B a u m b a c h - L a u t e r b a c h 2, letztere unter Berufung auf K G J 41 358 (v. 4. 7. 1911). Diese letztere Entscheidung befaßt sich mit der Frage, ob die Belegung eines Rechtsanwalts, der Abgeordneter war, mit einer Ungebührstrafe in Geld aus dem (heute nicht mehr geltenden; vgl. Anm. 1 b) § 180 a. F. an der mit Art. 31 Abs. 1 Reichsverf. 1871 inhaltlich übereinstimmenden Vorschrift des Art. 84 Abs. 2 PreußVerf. 1850 scheitere. D a s wird verneint, weil ein Abgeordneter, der als Rechtsanwalt auftrete, damit zu erkennen gebe, daß er zur Zeit sein Abgeordnetenmandat nicht ausüben wolle. Auch werde er durch die Verhängung einer Ordnungsstrafe nicht in eine „Untersuchung" (= Maßnahmen zur Aufdeckung einer Straftat) verwickelt, da die Ordnungsstrafe ohne vorgängige Untersuchung „auf dem Fleck" verhängt werde und die Aufdeckung einer strafbaren Handlung nicht in Frage stehe. Diese Entscheidung geht also von einem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften aus, wie er heute nicht mehr gilt, und kann deshalb für die Auslegung des Art. 46 G G nicht ohne weiteres in Anspruch genommen werden. Im übrigen waren schon unter der Herrschaft der Reichsverf. 1871 die Auffassungen, ob aus dem heutigen § 178 eine Ungebührstrafe verhängt werden könne, geteilt (vgl. die Nachweise in K G J 41 358 und in Anm. l c der 19. Aufl.). Unter der Herrschaft des Art. 37 WeimVerf. wurde die Verhängung einer Ungebührstrafe in Geld für zulässig erklärt, da es sich nicht um ein „zur Untersuchung Ziehen" handele, und die 2962

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 178 Anm. II 3; III 1

Verhängung einer Ungebühr/w/Cstrafe insoweit, als die Ausübung des Abgeordnetenberufs nicht beeinträchtigt wurde (vgl. Anm. 1 c der 19. Auf.). b) Unzweifelhaft ist heute die sofortige Vollstreckung einer festgesetzten Haftstrafe ebenso unzulässig wie die spätere ungenehmigte Vollstreckung einer Haft- oder Ersatzhaftstrafe (vgl. Anm. V 2). Denn sie enthält eine Beschränkung der persönlichen Freiheit i. S. des Art. 46 Abs. 3 G G ; darauf, ob dadurch die Ausübung des Abgeordnetenberufs beeinträchtigt wird, kommt es — im Gegensatz zu Art. 37 Abs. 2 WeimVerf. — nicht mehr an. Die Frage kann nur sein, ob die Verhängung einer UngebührgeWstrafe und die Festsetzung einer Haftstrafe (ohne Vollstreckung) ein „zur Verantwortung Ziehen" wegen einer „mit Strafe bedrohten Handlung" darstellt. D a ß die Verhängung einer Strafe ein „zur Verantwortung Ziehen" bedeutet, kann nicht zweifelhaft sein; dieser Begriff ist weiter als der des „zur Untersuchung Ziehen" im Sinn der früheren Immunitätsvorschriften (a. M. B o c k e l m a n n 42) und umfaßt auch eine Bestrafung „auf dem Fleck" wie etwa eine Bestrafung im beschleunigten Verfahren ( § 2 1 2 StPO) wegen einer Verkehrszuwiderhandlung an Ort und Stelle durch ein „fliegendes" Verkehrsgericht. Es kann sich demnach nur fragen, ob eine Ungebühr eine „mit Strafe bedrohte Handlung" darstellt. D a s ist aus zwingenden praktischen Gründen zu verneinen, und auch diejenigen, die den Begriff der „mit Strafe bedrohten Handlung" in einem weiteren, auch Ordnungswidrigkeiten nach dem O W i G sowie dienststrafoder ehrengerichtlich ahndbare Verfehlungen umfassenden Sinn verstehen, sehen (im Ergebnis) die Ungebühr nach § 178 als nicht unter diesen Begriff fallend "an (vgl. z. B. M a u n z D ü r i g - H e r z o g 40 zu Art. 46). Denn eine Ungebührstrafe kann nur in der Sitzung, in der die Ungebühr begangen wurde, verhängt werden (vgl. Anm. IV 3). Während also sonst bei den „mit Strafe bedrohten Handlungen" die fehlende Genehmigung des Parlaments nur zu einem Aufschub der Verfolgung bis längstens zur Beendigung des Abgeordnetenmandats führt, würde das Erfordernis der Genehmigung bei Ungebührstrafen dazu führen, daß Abgeordnete für ihre Ungebühr überhaupt nicht bestraft werden könnten. D a s kann nicht rechtens sein; d a r a u f h a t schon K G J 41 358 hingewiesen, und insofern hat die Entscheidung — trotz der im übrigen veränderten Rechtslage — ihre Bedeutung behalten. c) Entsprechendes gilt für Landtagsabgeordnete (vgl. § 152a StPO). Die in D R i Z 1964 163 mitgeteilten „Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten" der Präsidenten der deutschen Landtage zählen unter Nr. 12 als unzulässige Beschränkung „ H a f t als Ordnungsstrafe (§ 178 G V G ) " auf. Es ist daraus nicht zu erkennen, ob damit nur die Vollstreckung oder auch die (bloße) Verhängung gemeint ist. 3. F ü r Jugendliche und Heranwachsende gilt nichts Besonderes. Die Grundgedanken der § § 1 , 3 J G G , § 7 OWiG, daß Kinder (noch nicht 14 Jahre alte Personen) strafunmündig und Jugendliche (noch nicht 18 Jahre alte Personen) relativ strafmündig sind, gelten aber entsprechend auch hier (vgl. O L G Neustadt N J W 1961 885; s. auch Anm. 5 zu § 177). III. Ungebühr. 1. Begriffsbestimmung. Ungebühr ist nach herkömmlicher Umschreibung ein Verhalten, das geeignet ist, die Würde des Gerichts (§ 175 Abs. 1) erheblich zu verletzen oder die Ruhe und Ordnung einer gerichtlichen Verhandlung gröblich zu stören (vgl. z. B. OLGe. Darmstadt J W 1934 705; H a m m N J W 1963 1791; 1969 1919; Nürnberg JZ 1969 152 = DRiZ 1968 386). Daran ist festzuhalten. Versuche, das geschützte Rechtsgut schärfer zu umgrenzen oder anders zu bestimmen, haben nicht zu einheitlichen Ergebnissen geführt. Z. T. wird dabei lediglich auf die Verletzung der Würde des Gerichts, z.T. nur auf die Sicherung einer ungestörten Rechtsfindung abgestellt. So ist z.B. nach E b S c h m i d t 3 Ungebühr nur Verletzung der dem Gericht geschuldeten Achtung, und auch gröbliche Störungen der Ordnung genügen nicht, wenn sie nicht zugleich eine Mißachtungskundgebung gegen das Gericht enthalten. Andererseits wird der Ausdruck „Verletzung der Würde des Gerichts" beanstandet, weil er im Sinn der Verletzung einer Ehrerbietung gegenüber dem Gericht (den Richtern) mißverstanden werden könne (vgl. zu diesen Bedenken aber auch BVerfG v. 3. 8. 1966 — 1 B R 441/66 — in D R i Z 1966 356 betr. Verfassungsbeschwerde gegen die Ankündigung einer Ordnungsstrafe nach § 178: „Den Richtern, die nach der Verfassung im N a m e n des Volkes die rechtsprechende Gewalt ausüben (Art. 92 GG), ist von jedermann die schuldige 2963

§ 178 Anm. III 2 - 4

Gerichtsverfassungsgesetz

Achtung zu erweisen"). „Ungebühr" wird deshalb definiert als die bewußte Mißachtung der dem Gericht gestellten Rechtsprechungsaufgabe, vor allem des mit der Erfüllung dieser Aufgaben notwendigen verbundenen Ernstes (so B a u r JZ 1970 247, 248); ähnlich OLG Stuttgart NJW 1969 627: „gebührend" ist danach ein dem Ernst des staatlichen Hoheitsaktes der Verhandlung sich anpassendes Verhalten, „Ungebühr" also ein dem widersprechendes Verhalten. Ob solche Umschreibungen im praktischen Ergebnis zu anderen Folgerungen führen als die an die Spitze gestellte herkömmliche Begriffsbestimmung läßt sich bezweifeln. Nach S a r s t e d t JZ 1969 152 sollte man den Begriff „Verletzung der Würde des Gerichts" überhaupt fallenlassen, denn diese Würde könne nur durch die Richter selbst verletzt werden; dem kann aber nicht zugestimmt werden (gegen S a r s t e d t auch B a u r aaO.). „Verletzung der Würde" läßt sich zwanglos und sinnvoll umschreiben als Verletzung der Achtung („Autorität"), deren der Richter zur Erfüllung seiner Aufgabe bedarf ( S c h w i n d JR 1973 134). 2. Zur vollendeten Ungebühr ist der Eintritt eines bestimmten Erfolgs nicht notwendig, auch Vorsatz ist — mag vorsätzliches Handeln auch die Regel bilden — nicht erforderlich (KG GA 58 230; OLGe. Darmstadt JW 1935 2072; Hamm Rpfleger 1951 135; MDR 1966 72 F e i s e n b e r g e r 2; M ü l l e r - S a x l c ; E b S c h m i d t 7; R e h b i n d e r MDR 1963 643; S c h o r n , Schutz der Menschenwürde im Strafverf. 102; a. M. BayObLG DRZ 1930 Nr. 432; OLGe. München HRR 1937 186; Schleswig. SchlHA 1962 84; 1967 152; K e r n 322; R o s e n b e r g Lehrb. 100; B a u m b . = L 2 B; S c h w i n d JR 1973 135; W i e c z o r e k B; Kl 2). Am Verschulden fehlt es, wenn der Angeklagte in trunkenem Zustand (s. unten zu 4 a) nicht freiwillig erscheint, sondern zur Hauptverhandlung, der er fernbleiben wollte, vorgeführt wird (OLG Hamm MDR 1966 72). Im allgemeinen wird Zurückhaltung in der Annahme einer Ungebühr am Platz sein und ein Eingreifen mit Strafe vielfach erst in Betracht kommen, wenn der Beteiligte nach Zurechtweisung durch den Vorsitzenden (§ 176) bei seinem Verhalten beharrt (vgl. OLG Schleswig SchlHA 1962 84). 3. Formen der Ungebühr. Ob die Handlung gegen das Gericht, eine Partei, einen Zeugen oder eine unbeteiligte Person gerichtet ist, ist belanglos (KG GA 58 230; OLG Hamburg HansRGZ 1928 588). Grobe Beleidigungen, etwa einer Partei durch die Gegenpartei, eines Zeugen durch eine Partei oder den Beschuldigten, des Verteidigers durch einen Zeugen, des Prozeßbevollmächtigten durch die gegnerische Partei — insbesondere durch Gebrauch grober Schimpfworte („Gauner", „Lump", „Betrüger", „Rechtsverdreher") verletzen in der Regel die Würde des Gerichts, oder zumindest stören sie Ruhe und Ordnung der Verhandlung, den „Gerichtsfrieden" (OLGe. Darmstadt JW 1935 2073; Hamburg GA 72 235; Hamm JMB1. NRW 1954 60; NJW 1963 1791). Jedoch ist nicht jede beleidigende Äußerung eine Ungebühr. Begreifliche Erregung oder die nervliche Anspannung durch eine längere Verhandlung können einer einmaligen Entgleisung den Charakter der Ungebühr nehmen (vgl. OLG Bremen NJW 1959 952). Auch ein Fehlgreifen im Ausdruck enthält noch keine Ungebühr (KG B u s c h s Z . 12 237; OLG Bamberg BayZ 1930 288; BayObLG HRR 1933 Nr. 141.1), und die Grenzen einer zulässigen Verteidigung dürfen nicht zu eng gezogen werden. Unter diesen Gesichtspunkten sind insbesondere die Vorwürfe der „Lüge" oder des „Meineids" zu würdigen. Die zur Verteidigung vorgebrachte Behauptung des Angeklagten, der Zeuge habe einen falschen Eid geschworen, kann ohne Hinzutritt besonderer Umstände nicht als Ungebühr angesehen werden (OLG Hamburg bei A l s b e r g , OLGEStrProz. 1 Nr. 32), desgl. nicht der Vorwurf des Angeklagten, der das Vorgehen der Polizeibehörden gegen ihn als „Schikane" bezeichnet hat (BayObLG DJZ 1933 1380). Erklärt eine wegen Beleidigung angeklagte Person, daß sie den Beleidigten nicht anders bezeichnen könne, als sie getan habe, so behauptet sie die Rechtsmäßigkeit ihre Verhaltens, und es ist auch hierin keine Ungebühr zu finden (OLG Hamburg LZ 1917 356). - Tätlichkeiten, die eine Partei gegenüber der anderen oder gegenüber einem Zeugen verübt, sind im allgemeinen Ungebühr (OLG München Rspr.-OLG 27 6; LG Saarbrücken NJW 1968 1686). 4. Andere Verhaltensweisen. a) gegenüber dem Gericht. Ungebühr (Verletzung der Würde des Gerichts) liegt vor, wenn der Beschuldigte oder ein Zeuge stark angetrunken zum Termin erscheint (OLGe. Nürnberg MDR 1961 62; Koblenz VRS 42 296; Hamm MDR 1966 72; s. auch BGH NJW 1970 2253. 2255). Dagegen liegt im Erscheinen in salopper Kleidung, z. B. im Sportdreß, allein 2964

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 178 Anm. III 4

noch keine Ungebühr, man bedenke die heute namentlich bei jüngeren Menschen weit verbreitete Formlosigkeit in Bekleidungsfragen; überholt ist daher die abweichende ältere Rechtsprechung (vgl. z.B. BayObLGSt. 30 134 = JW 1930 3431). Entsprechendes gilt für das Erscheinen in extravaganter, outrierter, aber noch der Mode oder dem Zeitgeist entsprechender Kleidung, Haar- und Barttracht, z. B. im superkurzen Minirock oder mit wallender Beatlefrisur (KG JR 1966 73; OLG München NJW 1966 1935; E c k s t e i n DRiZ 1968 179; N ü s e DRiZ 1968 88; einschränkend S t e i n b r e n n e r Die Justiz 1968 237 betr. Erscheinen in Shorts). Ungebühr ist aber das Erscheinen in betont verwahrlostem Aufzug, auch in typischer, womöglich gar verschmutzter Arbeitskleidung (vgl. BVerfG DRiZ 1966 356 betr. Erscheinen des Angeklagten „im Sporthemd ohne Binder und mit einem Berufskittel bekleidet"), wenn es nicht durch die Eile des Erscheinens entschuldigt ist (OLG Hamm NJW 1969 1919) und selbstverständlich das Auftreten in maskeradehaftem Aufzug (OLG Hamm aaO.; S t e i n b r e n n e r aaO. 237; B a u r JZ 1970 248). Ungebühr kann weiterhin vorliegen in auffälligem oder störendem Essen, Trinken oder Zeitunglesen, in Zwischenrufen, lauter Unterhaltung, in schamlosen Entblößungen (Zuhörerinnen entkleiden sich, um das Gericht zu „verunsichern"). Ungebühr ist ferner demonstratives Sitzenbleiben bei Eintreten des Gerichts zu Sitzungsbeginn, bei Beeidigungen und Urteilsverkündung (vgl. OLGe. Stuttgart NJW 1969 627; Nürnberg DRiZ 1968 386 = JZ 1969 150 m. Anm. S a r s t e d t ) . Früher war es auch, von alten, gebrechlichen und kranken Personen abgesehen, üblich („gebührlich"), daß Angeklagte und Zeugen während der Vernehmung und bei Abgabe von Erklärungen standen oder wenigstens bei Beginn aufstanden. Nach Nr. 120 Abs. 2 Satz 3 RiStBV soll es dagegen — von den oben erwähnten Fällen des Aufstehens bei Eintreten des Gerichts usw. abgesehen — „allen am Prozeß Beteiligten freistehen, ob sie bei der Abgabe von Erklärungen und bei Vernehmungen sitzen bleiben oder aufstehen". Nach in der Beeck und W u t t k e NJW 1969 284 können sogar vom ärztlichen Standpunkt aus gegen die Abgabe von Erklärungen und Bekundungen im Stehen Bedenken obwalten. Unter diesen Umständen kann es — gegen OLG Nürnberg aaO. — nicht mehr als Ungebühr angesehen werden, daß ein Beteiligter nicht aufsteht, wenn er vom Richter angesprochen oder vernommen wird (ebenso S a r s t e d t JZ 1969 152; S c h w i n d JR 1973 137). Die Anrede eines Richters mit „Richter X" (Familiennamen) kann man heute nach der Umgestaltung der Amtsbezeichnung (§ 19a DRiZG i. d. F. des Ges. vom 26. 5. 1972, BGBl. I 841) nicht mehr als Ungebühr ansehen, auch wenn ihm vollständige oder andere Bezeichnungen („Vorsitzender Richter am . . . " , „Präsident" beigelegt sind; die Entscheidung OLG Nürnberg JZ 1969 150 („Richter Meier") ist insoweit überholt (die Weglassung von „Herr" wäre selbstverständlich Ungebühr). Auch Kritik an der Entscheidung des Gerichts ist nicht ohne weiteres Ungebühr, jedenfalls nicht die Erklärung nach der Urteilsverkündung (vgl. § 35 a StPO), sofort Berufung einlegen zu wollen (OLG Kolmar ElsLothZ 33 374; vgl. auch BayObLG ZStW 47 Beil. 224 und DRZ 1933 Nr. 207). Dagegen liegt eine Ungebühr vor, wenn der Angekl. in unangemessener Weise das Verhalten des Richters kritisiert (z. B. als „muffig" bezeichnet; vgl. OLG Nürnberg aaO.), oder die Belehrung, er habe mit einer Ordnungsstrafe zu rechnen, mit „Dann erhalten Sie ein Disziplinarverfahren" beantwortet (OLG Hamm NJW 1969 856), oder wenn er seine Verurteilung als Justizirrtum bezeichnet, die er sich nicht gefallen lassen werde (OLG Hamm Rpfleger 1951 135). b) Prozessualer Ungehorsam ist im allgemeinen keine Ungebühr. Das gilt z. B. für die Weigerung eines der deutschen Sprache mächtigen Ausländers, in der deutschen Gerichtssprache zu verhandeln (OLG Kolmar ElsLothZ 28 583), wenn der Angeklagte bei der Vernehmung über seine persönlichen Verhältnisse (§ 243 Abs. 2 StPO) beharrlich schweigt, ein Zeuge die ihm gestellten Fragen nicht beantwortet (anders, wenn er die Weigerung damit begründet, daß das Gericht ihn nur „fangen" wolle. BGH JZ 1951 791) oder wenn sich der Angeklagte in einer Pause vor der Urteilsverkündung (OLGe. München MDR 1956 503; Braunschweig DAR 1960 22) oder ein geladener und erschienener Zeuge vor oder nach Beginn seiner Vernehmung ohne Erlaubnis des Gerichts entfernt (KG DJZ 1908 484). Aufname eines Lichtbildes von einem schwörenden Zeugen ist noch keine Ungebühr (KG JW 1933 1604), wohl aber die heimliche Aufnahme einer Zeugenvernehmung auf Tonband als Eingriff in die Persönlichkeitssphäre (OLG Schleswig SchlHA 1962 84). c) Ungehorsam gegenüber Anordnungen gemäß § 176 kann Ungebühr sein, so die wiederholte Weigerung eines Angeklagten, seinen Platz auf der Anklagebank (vgl. Nr. 121 2965

§ 178 Anm. III 5; IV 1,2

Gerichtsverfassurigsgesetz

Absatz 2 RiStBV) einzunehmen (OLG Hamburg bei A l s b e r g O L G E StrProz. 1 Nr. 29, BayObLG D R Z 1931 Nr. 373; S c h w i n d JR 1973 139), ebenso das Dazwischenreden trotz wiederholter Vermahnung ( O L G Stuttgart bei A l s b e r g O L G E StrProz. 1 Nr. 37). Vgl. Anm. 3 d zu § 176. d) Eine an sich zulässige Äußerung kann durch das Hinzutreten besonderer Umstände ungebührlich werden (KG BuschsZ 12 237; BayObLG H R R 1933 Nr. 1471). So können hartnäckige, trotz Abmahnung in gereiztem Tone gegen den Vorsitzenden geführte Widerreden eine Ungebühr darstellen (OLG München Recht 1917 Nr. 708). Die Wahrnehmung berechtigter Interessen schützt zwar vor der Bestrafung wegen Beleidigung, aber nicht vor der Bestrafung wegen Ungebühr (KG G A 58 230; OLGe. Düsseldorf M D R 1953 555; Hamm JMB1. N R W 1954 60 - s. aber oben 3) - ; a. M. O L G Schleswig SchlHA 1967 152; B a u m b . - L a u t e r b a c h 2 B; E b S c h m i d t 4; W i e c z o r e k B; M ü l l e r - S a x 1 c; R e h b i n d e r M D R 1963 643). e) Kundgebungen des Beifalls und des Mißfallens sind Ungebühr, jedenfalls dann, wenn sie -den geordneten Gang des Verfahrens stören, wenn sie eine Mißachtung des Gerichts (etwa eine Mißbilligung seines Verhaltens) zum Ausdruck bringen, wenn sie als Parteinahme auf die Unbefangenheit des Gerichts einzuwirken geeignet sind oder darauf abzielen, und stets, wenn sie trotz Abmahnung fortgesetzt oder wiederholt werden (vgl. O L G Düsseldorf G A 57 241; A r n d t N J W 1961 1615; R e h b i n d e r M D R 1963 643). Eine einmalige spontane Beifallskundgebung, etwa Klatschen nach dem Schlußvortrag des Verteidigers, wird für sich allein in der Regel noch keine Ungebühr sein (vgl. O L G Saarbrücken N J W 1961 890; dagegen kritisch H ä n d e l N J W 1961 1176; S c h w i n d JR 1973 136). 5. Bei Beleidigung eines Richters ist § 22 Nr. 1 StPO unanwendbar, der Beleidigte ist von der Mitwirkung bei dem die Ordnungsstrafe verhängenden Beschluß nicht ausgeschlossen. Denn da nur das Gericht (der Richter), demgegenüber die Ungebühr begangen ist, die Strafe verhängen kann (Anm. I), muß die Anwendbarkeit der § 22 StPO notwendig ausgeschlossen sein (so schon Begr. S. 94, h. M. vgl. R e h b i n d e r M D R 1963 641). Beleidigungen des Staatsanwalts kann dieser zum Anlaß nehmen, eine Ordnungsstrafe anzuregen; eine bestimmte Maßnahme soll er grundsätzlich nicht anregen und, wenn die Ungebühr auf Ungewandtheit, Unerfahrenheit oder verständliche Erregung zurückzuführen ist, so soll er sogar ggf. darauf hinwirken, daß von einer Ordnungsstrafe abgesehen wird (Nr. 124 Abs. 1 RiStBV). IV. Verfahrensrecht. 1. „In der Sitzung": über Beginn und Ende der Sitzung vgl. Anm. 2 b zu § 176. An einer Sitzung fehlt es, wenn sich der Angeklagte weigert, seine Wohnung (vgl. Art. 13 G G ) zur Abhaltung einer ohne seine Einwilligung nach dort anberaumten Verhandlung zur Verfügung zu stellen (OLG Düsseldorf M D R 1969 689). Ungebühr auf der Geschäftsstelle fällt nicht unter § 178 (OLG Schleswig SchlHA 1967 162). Dagegen ist § 178 auch anwendbar, wenn die Handlung verübt wird, während sich das Gericht zur Beratung zurückgezogen hat. — Einl verhängte Ungebührstrafe wird nicht dadurch hinfallig, daß der Teil der Verhandlung. während dessen sie verhängt wurde, wegen eines Mangels wiederholt werden muß. 2. „kann". Das Gericht kann die Ordnungsstrafe verhängen; „kann" bedeutet: nach pflichtmäßigem Ermessen (h. M.). Der abweichenden Auffassung von B a u r JZ 1970 247, „kann" bringe die Berechtigung des Gerichts zum Ausdruck, von der es bei zweifellos vorliegender Ungebühr Gebrauch machen müsse, kann nicht gefolgt werden: bei Ordnungsunrecht, wozu auch die „Ungebühr" zählt, gilt grundsätzlich nicht das Legalitäts-, sondern das Opportunitätsprinzip (vgl. § 47 OWiG). Das Gericht kann sich auch darauf beschränken, die Entfernung des Schuldigen (§ 177) anzuordnen; dies ist auch neben der Ordnungsstrafe statthaft. Es kann auch bei unbedeutendem Verschulden in entsprechender Anwendung des § 153 StPO von einer Bestrafung absehen (OLG Neustadt NJW 1962 602), insbesondere wenn der Täter sich entschuldigt oder wenn etwa eine gerichtliche Verwarnung ausreicht. „Die Ungebührstrafe sollte nur das äußerste Mittel sein, ein verletztes Ansehen des Gerichts wieder herzustellen" (OLG Schleswig SchlHA 1962 84). Das Gericht kann auch die Entscheidung über die Verhängung einer Ungebührstrafe bis zum Schluß der Verhandlung zurückstellen; es ist jedenfalls nicht unzulässig, die Verkündung des die Ordnungsstrafe ver2966

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 178 Anm. IV 3 , 4 ; V 1

hängenden Beschlusses mit dem am Schluß der Verhandlung ergehenden Urteil zu verbinden (OLG Dresden Sachs Ann. 39 7; vgl. auch OLG Hamburg bei A l s b e r g OLGE StrProz. 1 Nr. 25). 3. Wird die Ordnungsstrafe verhängt, so muß der Beschluß noch während der Sitzung verkündet werden (BayObLGSt. 8 58; BayObLGZ 1924 181; OLGe. München HRR 1937 Nr. 186; Stuttgart NJW 1969 628; Schleswig NJW 1971 1321; h. M.). Mit dem Schluß der Sitzung endet die Ordnungsgewalt des Gerichts in gleicher Weise wie die sie begründende Dingpflicht, das besondere Verhältnis der Unterordnung unter die Sitzungspolizei, in dem die in § 178 genannten Personen zu dem Gericht stehen (OLGe. Stuttgart, Die Justiz 1960 252; Saarbrücken NJW 1961 890; Karlsruhe, Die Justiz 1964 290). 4. Ob dem zu Bestrafenden vor Verhängung der Ordnungsstrafe rechtliches Gehör gewährt werden muß, war früher streitig (vgl. die Nachweise in Anm. 5 c der 20. Aufl.). Angesichts der Bedeutung, die dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) als einem eigenständigen, über die in den Prozeßordnungen vorgesehenen Anhörungspflichten hinausreichenden Fundamentalgrundsatz des Verfahrensrechts allgemein zukommt (vgl. Einleitung S. 159), ist heute allgemein anerkannt, daß rechtliches Gehör grundsätzlich gewährt werden muß (vgl. u.a. OLGe. München BayJMBl. 1954 17; Celle MDR 1958 265; Bremen NJW 1959 61; Saarbrücken NJW 1961 890; JB1. Saar 1963 171; Neustadt NJW 1961 2320; Hamm DRiZ 1970 27; Schleswig SchlHA 1967 152; OVG Lüneburg OVG E 15 452; W o e s n e r NJW 1959 866; T i l l m a n n MDR 1960 640; R ö h l NJW 1964 275; M ü l l e r - S a x 2 a ; E b S c h m i d t 8; W i e c z o r e k C; M a u n z - D ü r i g - H e r z o g 86 zu Art. 103 GG). Denn der Anspruch auf Gehör besteht für jedermann „vor Gericht", also überall da, wo in Ausübung richterlicher Gewalt (vgl. Anm. 1 zu § 176) nachteilig in seine Rechtsstellung eingegriffen wird. Die Anhörung kann schon für die Feststellung des äußeren Tathergangs, vor allem aber kann sie für die Würdigung der subjektiven Seite und gegebenenfalls für die Bemessung von Art und Höhe der Strafe von Bedeutung sein. Sie kann z. B. klären, ob das Verhalten des Täters mißdeutet worden ist, ob er sich durch vorangegangene Äußerungen gereizt gefühlt hat, ob er eine in der Erregung begangene Ungebühr bedauert und durch Entschuldigung eine Ehrenkränkung auszugleichen und den Gerichtsfrieden wieder herzustellen bereit ist (vgl. OLG Neustadt NJW 1961 2320). Eine Anhörung erübrigt sich jedoch ausnahmsweise, wenn der äußere Tathergang und auch der Ungebührwille außer jedem Zweifel steht, etwa bei Roheitsausschreitungen und gröbsten unflätigen Beleidigungen, und eine Anhörung nicht nur nichts zur Klärung des Falles beitragen kann, sondern nach dem bisherigen Verhalten des Täters bei Gewährung des rechtlichen Gehörs mit weiteren groben Ausfällen gerechnet werden muß; sie erübrigt sich ferner, wenn der Täter überhaupt nicht ansprechbar ist, z. B. wegen hemmungslosen Verhaltens oder angetrunkenen Zustandes (BGH vom 2. 12. 1958, StR 520/58; OLGe. Neustadt NJW 1961 2320; Stuttgart, Die Justiz 1962 185; Hamm DRiZ 1970 27; E b S c h m i d t 8; M ü l l e r S a x 2a; Kl 1 C; M a u n z - D ü r i n g - H e r z o g 86 zu Art. 103 G G ; R e h b i n d e r MDR 1963 644; R ö h l NJW 1964 275). Eine Anhörung ist insbesondere überflüssig, wenn der zu Bestrafende bereits wiederholt verwarnt, mit Ordnungsstrafe bedroht oder (s. unten V 3) bereits bestraft worden ist (OLG Saarbrücken JB1. Saar 1963 171). Der Angeklagte braucht bei Bestrafung anderer Personen nicht gehört zu werden (vgl. R G D J Z 1908 251, GA 56 214). Wegen der Anhörung der Staatsanwaltschaft vgl. Anm. II 2 zu § 33 StPO; RiStBV Nr. 124 Abs. 1 und dazu OLG Nürnberg JZ 1969 150, 151. V. Die Strafmittel. Geldstrafe und Haft sind nichtkriminelle Ordnungsmittel. Der RegEntw. des EG StGB (BT-Drucks. VI/3250 vom 4. 4. 1972) Art. 20 Nr. 9 bis 13 will dies dadurch verdeutlichen, daß in §§ 177 bis 179, 181, 182 die Worte „Ordnungsstrafe" durch „Ordnungsmittel", „Ordnungsstrafe in Geld" durch „Ordnungsgeld" und „Haft" durch „Ordnungshaft" ersetzt werden sollen. 1. Ordnungsstrafe in Geld. Sie beträgt nach Art. II Abs. 2 der VO über Vermögensstrafen und Bußen vom 6. 2. 1924 (RGBl. I 45) 1 bis 1000 DM. 2967

§ 178 Gerichtsverfassungsgesetz Anm. V 2 , 3 ; VI; VII 1,2 2. Haft. Sie kann nur (ebenso wie die Ersatzhaft, s. unten) nach vollen Tagen bemessen werden (OLG Hamm NJW 1960 2305). Geldstrafe und Haft sind wahlweise angedroht. Da hier die Haft überhaupt zugelassen ist, ist auch eine Ersatzhaftstrafe (im Höchstbetrag von drei Tagen) für den Fall zulässig, daß die Geldstrafe nicht beizutreiben ist. Das war früher nicht unstreitig (vgl. die Nachweise in Anm. 6 b zu § 178 der 20. Aufl.), ist aber heute in Rechtspr. und Schrifttum nicht mehr zweifelhaft (vgl. KG Rpfleger 1952 599; BayObLG St. 25 209; OLGe. Hamburg GA 70 54; Hamm NJW 1956 1453; Neustadt NJW 1961 885; B a u m b . - L a u t e r b a c h 3b; D a l c k e - F . - S c h . 7; M ü l l e r - S a x 3 a ; Kl 4; Eb. S c h m i d t 12; W i e c z o r e k C I; R e h b i n d e r MDR 1963 645). Frühere Reformentwürfe zum GVG sahen die Umwandlung der Geldstrafe in Haftstrafe ausdrücklich vor (vgl. NE I § 179, Begr. 186; II § 179, Begr. 54)*). Nach Art. II Abs. 4 der VO über Vermögensstrafen und Bußen vom 6. 2. 1924 (RGBl. I 45) darf die Ersatzstrafe bei Ordnungsstrafe nur nach vollen Tagen bemessen werden. — Auch gegen Jugendliche ist die Verhängung von Ersatzhaftstrafen ohne Einschränkung zulässig ( D a l l i n g e r - L a c k n e r Anm. 31 zu § 1 J G G ; s. auch oben Anm. II 3). 3. Begeht der Bestrafte in der gleichen Sitzung erneut eine Ungebühr, so kann emeut eine Ungebührstrafe bis zum gesetzlichen Höchstbetrag, also auch wiederholt je drei Tage Haft, festgesetzt werden (OLGe. Hamm JMB1. NRW 1952 86; Bremen NJW 1953 5"98, 1956 113; h. M.). VI. Vollstreckung — Ob die verhängte Freiheitsstrafe sofort zu vollstrecken oder ob aus einem besonderen Grunde von der Vollstreckung einstweilen abzusehen ist. unterliegt dem Ermessen des Gerichts ( P ü s c h e l DJZ 1911 1554). Dagegen ist die sofortige Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe nicht gerechtfertigt. Um die sofortige Vollstreckung zu ermöglichen, kann der zu Bestrafende bis zu der Entscheidung über die Ungebührstrafe im Sitzungssaal festgehalten werden (OLG Königsberg GA 70 253). Vgl. im übrigen § 179. VII. „Vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung." 1. Bedeutung. Damit ist der an sich selbständige Grundsatz ausgesprochen, daß die Ahndung eines Verhaltens als Ungebühr die strafgerichtliche Verfolgung nicht hindert, wenn das ungebührliche Verhalten zugleich den Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt, z. B. der Beleidigung oder der Körperverletzung (vgl. dazu § 183); der Satz ne bis in idem (Art. 103 Abs. 3 GG) gilt insoweit nicht (BayObLGSt. 25 107); es bedarf selbstverständlich auch keines „Vorbehalts" der strafgerichtlichen Verfolgung im Strafbeschluß nach § 178. Die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. BVerfGE 21 378, 384, 391. 407 sowie NJW 1970 507; dazu Einleitung S. 62), wonach bei Soldaten die disziplinarische Ahndung einer Tat mit Arrest bei der nachfolgenden strafgerichtlichen Verurteilung zu berücksichtigen ist (s. dazu jetzt § 39 der WehrdisziplinarO i. d. F. vom 4. 9. 1972, BGBl. I 1666), führt aber folgerichtig dazu, daß eine wegen Ungebühr verhängte und vollstreckte Haft bei der Strafzumessung im späteren strafgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen ist; zum mindesten muß der Angriff auf die Würde des Gerichts als erschwerender Strafzumessungsgrund ausgeklammert werden (vgl. LG Saarbrücken NJW 1968 1686). 2. Ungebühr von Untersuchungs- und Strafgefangenen. Nach vielfach vertretener Ansicht dürfen gegen einen Untersuchungsgefangenen, der sich vor Gericht einer Ungebühr schuldig macht, neben der Strafe des § 178 keine anderen Disziplinarstrafen (Hausstrafen i. S. der Nr. 68 UVollzO; dazu Anm. 6ff. zu § 119 StPO) mehr verhängt werden (KG GA 56 98, BayObLG DRZ 1927 Nr. 970, O L G Breslau GA 58 468; G r e f f r a t h DJZ 1904 1034; F e i s e n b e r g e r 84 Anm. 17, StPO Anm. 5; Kl 1 B). Diese Ansicht entspricht nicht dem praktischen Bedürfnis. Das Gericht hat in diesem Fall kein Machtmittel, um seine Stellung gegenüber einem Untersuchungsgefangenen zu wahren, der eine längere Freiheitsstrafe zu erwarten hat. Es muß für zulässig angesehen werden, wegen des Verhaltens, das zur Bestrafung nach § 178 GVG geführt hat, zusätzlich Hausstrafen (als Ordnungsmittel) zu verhängen, wenn und soweit dies zur Sicherung des Zweckes der Haft oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Vollzugsanstalt (§119 Abs. 3 StPO) erforderlich ist (ebenso P a d e DJZ 1904 853; E i s n e r DJZ 1909 1438; R e h b i n d e r MDR 1963 644; M ü l l e r - S a x 4; *) An der Zulässigkeit der Ersatzhaftstrafe hat sich durch Art. 7 des 1. StrRG nichts geändert (H a a s e NJW 1973 744).

2968

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§

1 7 8

Anm

- VIII-X § 179

D a l c k e - F . - S c h . 8). Wird die Ungebühr in der Anstalt während einer richterlichen Vernehmung begangen, so ist eine Hausstrafe zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Anstalt zulässig, denn es müßte auf die Anstaltsdisziplin ungünstig einwirken, wenn die Mitgefangenen erkennen könnten, daß die Strafmöglichkeiten aus § 178 G V G dem Ungebühr Verübenden gegenüber wirkungslos bleiben. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt aber auch die Zulässigkeit einer Hausstrafe, wenn die Ungebühr im Gerichtssaal erfolgt. Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Anstalt setzen nicht voraus, daß der Verstoß innerhalb der Anstalt begangen worden ist; entscheidend ist vielmehr, ob ein außerhalb der Anstalt begangener Verstoß Rückwirkungen für die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Anstalt äußern kann (vgl. O L G Düsseldorf JMB1. N R W 1955 9 betr. Fluchtversuch eines Untersuchungsgefangenen während einer Ausführung aus der Anstalt). Diese Voraussetzung kann aber in gleicher Weise wie bei einer Ungebühr in der Anstalt bei einer solchen in einer Verhandlung außerhalb der Anstalt gegeben sein. Entsprechendes muß gelten, wenn sich ein Strafgefangener einer Ungebühr vor Gericht schuldig macht. Hier entfallt der Gesichtspunkt einer unzulässigen Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 G G ) schon deshalb, weil Arrest keine weitere Freiheitsentziehung, sondern lediglich eine zusätzliche stärkere Unannehmlichkeit während einer bereits bestehenden Freiheitsentziehung ist (vgl. OLGe. Celle JZ 1964 524 m. Anm. A l t e n h a i n ; H a m m JMB1. N R W 1971 258; B a u m a n n in Festschrift f. E b S c h m i d t S. 532). VIII. Verjährung. Das Gesetz enthält weder für die Verfolgung der Ungebühr noch für die Vollstreckung von Ungebührstrafen Verjährungsvorschriften. Die Frage der Verfolgungsverjährung wird nur praktisch, wenn der Bestrafte sofortige Beschwerde eingelegt hat (§ 181) und die Vorgänge erst nach längerer Zeit dem Beschwerdegericht vorgelegt werden. Die Lücke wird durch entsprechende Anwendung des § 27 Abs. 2 Nr. 4 O W i G (Verjährung in 6 Monaten) auszufüllen sein (vgl. O L G Stuttgart N J W 1972 967 = Die Justiz 1972 204; a. M. O L G H a m m N J W 1969 856 - keine Verjährung - ; noch anders O L G H a m m M D R 1971 1027 (Leitsatz): Verjährung eigner Art. in 1. Linie auch bei nicht rechtskräftigen Strafen entsprechende Anwendung der Vorschriften des O W i G über die Vollstreckungsverjährung). Dem entsprechend wird auch für die Vollstreckungsverjährung § 30 O W i G sinngemäß anzuwenden sein (a. M. S a r s t e d t J Z 1969 152: „dreißig Jahre wirksam"; K l 2 zu § 179). Über Erörterungen im älteren Schrifttum vgl. die Nachweise in Anm. 9 der 20. Auflage. IX. Rechtsmittelbelehrung. Nach § 3 5 a StPO ist der Bestrafte über die Beschwerdemöglichkeit nach § 181 zu belehren (anders als bei einer Bestrafung wegen Ungebühr im Zivilprozeß; vgl. O L G Köln N J W 1960 2294), denn § 35 a gilt auch für solche im Lauf eines Strafverfahrens ergehenden Entscheidungen, die nicht unmittelbar den Gegenstand des Strafverfahrens betreffen ( O L G H a m m N J W 1963 1791; K l l c zu § 181). Dem O L G Schleswig N J W 1971 1321, das die Notwendigkeit einer Belehrung verneint, ist zuzugeben, daß sie gegenüber einem erregten Betroffenen untunlich sein kann, wenn zu erwarten ist, daß sie ihn zu weiteren Ausfällen veranlassen kann (als Parallele oben Anm. IV 4). Das ändert aber nichts daran, daß er die Wiedereinsetzung nach § 44 StPO beanspruchen kann, wenn aus verständlichen Gründen die Belehrung unterblieben ist. X . § 178 bezieht sich nur auf Ungebühr bei der Verhandlung, nicht auf Ungebühr im schriftlichen Verkehr gegenüber den Gerichten (s. K e r n GerS 103 317).

§ 179 Die Vollstreckung der vorstehend bezeichneten Ordnungsstrafen hat der Vorsitzende unmittelbar zu veranlassen. Entstehungsgeschichte: Entw. § 146. „unmittelbar" - d . h . ohne Vermittlung der Staatsanwaltschaft (RGSt. 15 230). Vgl. dazu Vorbem. VI vor § 449 StPO. 2969

§ 1 8 0 Anm. 1—4 § 181 Anm. I 1,2

Gerichtsverfassungsgesetz

§ 180 Die in den §§176 bis 179 bezeichneten Befugnisse stehen auch einem einzelnen Richter bei der Vornahme von Amtshandlungen außerhalb der Sitzung zu. Entstehungsgeschichte: Entw. § 147. Ges. vom 11.3. 1921 (RGBl. 230) Art. I Nr. 10 (Aufhebung des früheren § 180, der die Verhängung von Ordnungsstrafen gegen Rechtsanwälte und Verteidiger betraf). 1. § 180 gilt für die Amtshandlungen, die ein Richter außerhalb einer Sitzung (d. h. einer Verhandlung vor dem erkennenden Gericht i. S. des § 169) vornimmt, also für die Termine, in denen Zeugen, Sachverständige oder Beschuldigte vernommen werden, für Augenscheinseinnahme, Haussuchungen usw. § 180 ist also unanwendbar, wenn der Amtsrichter in der Sitzung als Einzelrichter tätig wird; eine Beschwerde hat dann keine aufschiebende Wirkung (§181 Abs. 2). Immer aber wird eine (einer Sitzung des erkennenden Gerichts vergleichbare richterliche) Verhandlung vorausgesetzt. Ein gelegentlicher mündlicher Verkehr zwischen dem Richter und einem zum Strafantritt erschienenen Verurteilten ist keine Amtshandlung im Sinne des § 180 (OLG Stuttgart A l s b e r g OLGE StrProz. 1 Nr. 27; OLG Darmstadt HRR 1934 Nr. 920). 2. „Einzelner Richter" ist der Untersuchungsrichter, der Amtsrichter, der Ermittlungsrichter-des OLG und des BGH (§ 168a StPO) und der beauftragte Richter (vgl. Vorbem. 7 b vor § 156). Wegen der Befugnisse von Referendaren bei Erledigung von Rechtshilfeersuchen in Strafsachen vgl. Anm. 6 zu § 10. 3. Wegen der Vollstreckbarkeit der von einem einzelnen Richter außerhalb der Sitzung verhängten Ordnungsstrafen s. § 181 Abs. 2 und dort Anm. II. 4. Wegen des Verhältnisses des § 180 zu § 164 StPO vgl. Anm. 2 zu § 164.

§ 181 (1) Ist in den Fällen der §§ 178, 180 eine Ordnungsstrafe festgesetzt, so kann gegen die Entscheidung binnen der Frist von einer Woche nach ihrer Bekanntmachung Beschwerde eingelegt werden, sofern sie nicht von dem Bundesgerichtshof oder einem Oberlandesgericht getroffen ist. (2) Die Beschwerde hat in dem Falle des § 178 keine aufschiebende Wirkung, in dem Falle des § 180 aufschiebende Wirkung. (3) Über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Entstehungsgeschichte: § 1« der 2. KriegsmaßnahmenVO vom 27.9. 1944 (RGBl. I 229). Das Vereinheitlichungsges. hat die Änderung durch den vorgenannten § 18 beseitigt und im übrigen nur stilistische Änderungen vorgenommen. I. Zu Absatz 1. 1. „festgesetzt". Voraussetzung der Beschwerde ist die Festsetzung einer Ordnungsstrafe. Ggegen die Ablehnung eines Antrags auf Bestrafung ist keine Beschwerde zulässig (OLG Jena DJZ 1907 832; h. M.; s. auch Anm. 3). 2. „Beschwerde". a) Rechtsnatur. Das in § 181 gewährte fristgebundene Rechtsmittel ist eine sofortige Beschwerde im Sinn der Prozeßgesetze (§ 577 ZPO, §311 StPO). Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte, denn die ausdrückliche Bezeichnung als sofortige Beschwerde ist nur deshalb unterblieben, weil die Frist für diese Beschwerde im Strafprozeß anders bemessen ist als im Zivilprozeß (StPO §311, ZPO § 577) (vgl. H a h n Materialien z. GVG I 19 [Entw. § 145 Abs. 2], 338, 339, 345, 348, 837, 838. Gl. A BayObLGSt. 2970

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 181 Anm. I 3 , 4

1 97, 2 140; KGJ 38 C 9; OLGe. Hamm JZ 1954 171 = MDR 1954 179; NJW 1963 1791; 1967 1281; Frankfurt JR 1967 302; Schleswig NJW 1971 1321; München NJW 1968 308; E b S c h m i d t 1; M ü l l e r - S a x 1; Kl 1). A. M. (Rechtsmittel eigner Art, auf das die Vorschriften von ZPO und StPO keine Anwendung finden) KG DJZ 1900 397; OLG Dresden JW 1930 734; B a u m b . - L a u t e r b a c h ZPO 2 B; W i e c z o r e k A IV; R e h b i n d e r MDR 1963 645; offen gelassen von OLG Hamm NJW 1960 2305. b) Folgerungen. Aus dieser rechtlichen Natur des Rechtsmittels folgt, daß das Gericht, das die Ordnungsstrafe verhängt hat, seine Entscheidung nach Einlegung der Beschwerde nur im Rahmen des § 311 Abs. 3 StPO auflieben oder ändern kann (KGJ 38 C 9; OLG München RsprOLG 23 317, BayZ 1919 62; Kl 1; D a l c k e - F . - S c h . 1). OLG Neustadt MDR 1953 555, das die Frage der Rechtsnatur der Beschwerde offen läßt, kommt zum gleichen Ergebnis, weil nach allgemeinen verfahrensrechtl. Grundsätzen eine der Rechtskraft fähige Bestrafung der Abänderung durch den verhängenden Richter entzogen sei (ebenso R e h b i n d e r MDR 1963 645) und nach OLG Hamm NJW 1960 2305 ist die Änderung jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn mit der Vollstreckung bereits begonnen ist und ihr durch die Änderung der Boden entzogen würde. A. M. (Abänderbarkeit durch den iudex a quo) OLG Dresden JW 1930 734; D e l i u s DJZ 1913 678; W i e c z o r e k Anm. A IV; vgl. auch OLG Königsberg HRR 1932 Nr. 1179. c) Die Beschwerde wird nicht gegenstandslos, wenn die Ordnungsstrafe bereits vollstreckt ist (BayObLGSt. 23 15; HRR 1935 Nr. 823; OLGe. Königsberg DJZ 1927 1046, HRR 1928 Nr. 4, Nr. 393 Hamm bei A l s b e r g OLGE StrProz. 1 Nr. 47; E b S c h m i d t 4; Kl 1 b mit zutreffendem Hinweis auf den eine ähnliche Lage regelnden § 28 Abs. 1 EGGVG; a. M. frühere Auflage dieses Komm, und F e i s e n b e r g e r StPO Anm. 3). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Frist ist nach allgemeinen Grundsätzen trotz Schweigens des Gesetzeswortlauts zulässig (OLGe. Hamm JZ 1954 171 = MDR 1954 179; NJW 1963 1791; Nürnberg MDR 1961 62; Frankfurt NJW 1967 1281). 3. Beschwerdeberechtigter. Die Beschwerde gegen eine Ordnungsstrafe steht nur dem Bestraften zu. Die Staatsanwatlschaft hat kein Beschwerderecht, denn es kann keinen Unterschied machen, ob die Bestrafung in einem Strafverfahren oder in einem Zivilprozeß, an dem die Staatsanwaltschaft nicht beteiligt ist, erfolgt (BayObLGSt. 13 307). 4. Verfahren. a) Für die Einlegung der Beschwerde gelten mangels besonderer Vorschriften die Prozeßordnungen. In Strafsachen beginnt die Beschwerdefrist mit der Yerkündung, wenn die Entscheidung in Anwesenheit der betroffenen Person ergangen ist, in anderen Fällen mit der Zustellung (§§35, 311 StPO). Der Abwesenheit steht es gleich, wenn der körperlich anwesende Bestrafte infolge geistiger oder körperlicher Gebrechen oder Übererregung die Tatsache der Bestrafung nicht wahrgenommen hat (OLG Nürnberg BayJMBl. 1963 344). § 298 StPO gilt auch für einen Bestraften, der nicht Beschuldigter ist (OLG Neustadt NJW 1961 885). In Privatklagesachen ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt (§ 378 StPO) nicht notwendig (OLG Hamburg LZ 1920 583). Die Frist für die Anfechtung nach Berichtigung des Beschlusses über Festsetzung der Ordnungsstrafe rechnet von dem berichtigten (nicht von dem berichtigenden) Beschluß an (OLG Königsberg HRR 1932 Nr. 1179 = DRZ 1932 Nr. 306). - Im Zivilprozeß kann auch ein bestrafter Minderjähriger selbst — also ohne Mitwirkung seines gesetzl. Vertreters — (OLG Neustadt NJW 1961 885), und es kann der Prozeßbevollmächtigte einer Partei für diese Beschwerde einlegen (OLG München RsprOLG 27 6). Die Enlegung bei dem Beschwerdegericht ist zulässig, aber nicht notwendig (KG RsprOLG 21 191; OLGe. Düsseldorf GA 57 241; München RsprOLG 25 276; a. M. OLG Naumburg Recht 1910 Nr. 378). b) Die Grundlage der Entscheidung des Beschwerdegerichts bildet die Darstellung des Sachverhalts im Protokoll (§ 182) in Verb, mit den Gründen des Strafbeschlusses (Anm. 4 zu § 182). Die Darstellung muß so genau sein, daß das Rechtsmittelgericht aus ihr entnehmen kann, worin im einzelnen der 1. Richter die Ungebühr gesehen hat; es genügt z. B. nicht die Angabe, der Beschwerdeführer habe Fragen des Richters „in herausfordernder 2971

§ 181 Anm. I 5; II

Gerichtsverfassungsgesetz

Weise und in lautem aggressiven Ton" beantwortet, sondern es muß im einzelnen festgehalten werden, in welcher Weise und mit welchen Äußerungen dies geschehen ist (OLG Schlesw. SchlHA 1967 152). Darüber, inwieweit in der Beschwerdeinstanz eine weitere Sachaufklärung möglich ist, vgl. Anm. 3 zu § 182. Das Beschwerdegericht trifft als Tatsachengericht eine selbständige eigene Ermessensentscheidung. Es kann die Bestrafung aufheben, weil es an einer ausreichenden Feststellung des Sachverhalts fehlt (Anm. 3 zu § 182), oder weil der festgestellte Sachverhalt die Annahme einer Ungebühr nicht rechtfertigt. Die Nachprüfung des Beschwerdegerichts erstreckt sich auch auf das Strafmaß (OLG Saarbrücken JB1. Saar 1963 171). Es kann die Strafe mildern, in entsprechender Anwendung des § 153 StPO bei unbedeutendem Verschulden auch von Strafe absehen (OLG Neustadt NJW 1962 602), dagegen die Strafe nicht verschärfen, da das Verbot der reformatio in pejus sinngemäß auch hier gilt (OLG Hamm NJW 1960 2305). Ausgeschlossen ist eine Aufhebung und Zurückverweisung zu erneuter Entscheidung an die Vorinstanz, da deren Strafgewalt nach Beendigung der Sitzung nicht mehr besteht (Anm. IV 3 zu § 178; OLGe. Koblenz NJW 1955 349; Stuttgart, Die Justiz 1960 252; Saarbrücken NJW 1961 890; M ü l l e r - S a x 4; E b S c h m i d t 8). Bei Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs in der Vorinstanz (Anm. IV 4 zu § 178) kommt eine Zurückverweisung zur Nachholung des rechtlichen Gehörs aus dem gleichen Grunde nicht in Betracht. Auch eine nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs durch das Beschwerdegericht selbst scheidet grundsätzlich aus, da die Entscheidung des ersten Richters weitgehend auf dessen persönlichem Eindruck und auf Umständen beruht, die im Protokoll keinen Ausdruck finden können (z. B. Gestik des Betroffenen, die ganze Atmosphäre im Gerichtssaal). Es bleibt daher im Regelfall nichts übrig, als den Strafbeschluß aufzuheben (OLGe. Saarbrücken NJW 1961 890; Neustadt NJW 1961 2320; Stuttgart, Die Justiz 1962 185; Hamm DRiZ 1970 27; a. M. M ü l l e r - S a x 3 zu § 182; Kl 1 d). Jedoch sind Ausnahmen möglich, etwa wenn der Beschwerdeführer das Vorliegen einer Ungebühr nicht in Zweifel zieht und sich nur gegen die Höhe der Geldstrafe unter Berufung auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse wendet. c) Wird der Strafbeschluß vom Beschwerdegericht aufgehoben, so kommt eine Entschädigung aus der Staatskasse nicht in Betracht. OLG Nürnberg MDR 1960 500 wollte bei Aufhebung des Strafbeschlusses nach Verbüßung einer Haftstrafe die Vorschriften des Ges. betr. Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren Freigesprochenen vom 20. 5. 1898 entsprechend anwenden. Das an die Stelle dieses Gesetzes getretene StrEG vom 8. 3. 1971 (BGBl. I 157), das die Entschädigungsvoraussetzungen enumerativ und abschließend regelt, sieht aber — beabsichtigtermaßen — bei Aufhebung einer Ungebührstrafe in der Beschwerdeinstanz eine Entschädigung nicht vor (vgl. S c h ä t z l e r 10 zu § 1 StrEG). Bei Aufhebung einer Haftstrafe nach ihrer Vollstreckung kommt nur Übernahme der Kosten und notwendigen Auslagen des Verfahrens auf die Staatskasse nach den allgemeinen Vorschriften in Betracht; eine etwa schon vollstreckte Geldstrafe ist nach Wegfall des Titels zurückzuzahlen. 5. Kosten. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf die Beschwerde ist gebührenfrei. § 85 G K G bezieht sich nur auf Strafsachen, wie sich schon aus einer Stellung im 5. Abschnitt dieses Gesetzes ergibt; in § 1 G K G ist das GVG nicht genannt (vgl. OLGe. München BayZ 1917 228, 1919 62; Hamm RsprOLG 40 174; Nürnberg BayZ 1930 133; Neustadt NJW 1962 602; K G Rpfleger 1964 352; Frankfurt NJW 1967 1282 = JR 1967 302; a. M. — Kosten nach Maßgabe der zivil- oder strafprozessualen Kosten Vorschriften OLGe. Köln JW 1929 520, München BayZ 1931 314, Darmstadt JW 1935 2073; Neustadt NJW 1961 885). Jedoch ist davon auszugehen, daß die Behandlung der notwendigen Auslagen des ganz oder teilweise erfolgreichen Beschwerdeführers sich nach § 473 StPO richtet; das muß dann folgerichtig — trotz der Gebührenfreiheit — bei Erfolglosigkeit der Beschwerde hinsichtlich der Auslagen der Staatskasse (§ 464a Abs. 1 StPO) gelten (so auch Kl 4). II. Zu Absatz 2 (aufschiebende Wirkung). Absatz 2 stellt für den einzelnen Richter, der außerhalb einer Hauptverhandlung tätig wird (vgl. § 180), eine Ausnahmebestimmung auf; er schließt die sofortige Vollstreckbarkeit der von einem solchen Richter verhängten Ordnungsstrafen in allen Fällen aus. 2972

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 1 8 1 Anm. III 1, 2 § 1 8 2 Anm. 1 - 3

III. Rechtsmittelzug (zu Absatz 3). 1. Sonderregelung. Für die Fälle, in denen Ordnungsstrafe von einem Schöffengericht, einem Amtsrichter oder einem Untersuchungsrichter beim L G verhängt worden ist, weicht der in Absatz 3 bestimmte Rechtsmittelzug von der Regel des § 73 ab. Die Gründe dieser (von der R T K beschlossenen) Abweichung sind aus den Materialien nicht ersichtlich; offenbar war, wie in anderen ähnlichen Fällen (vgl. z. B. § 159), der Gedanke einer möglichst einheitlichen Rechtskontrolle bei Festsetzung von Ungebührstrafen maßgebend. Die Abweichung kann zu eigentümlichen Ergebnissen führen. Hat z. B. das Schöffengericht den Beschuldigten in der Hauptsache zu Freiheitsstrafe verurteilt und daneben gegen ihn wegen einer Ungebühr eine Geldstrafe festgesetzt, so hat über die in der Hauptsache eingelegte Berufung die Strafkammer des Landgerichts, dagegen über die die geringfügige Ordnungsstrafe betreffende Beschwerde das Oberlandesgericht zu entscheiden. — Ist die Ordnungsstrafe von einem beauftragten Richter des Landgerichts oder des Oberlandesgerichts verhängt worden, so geht die Beschwerde gleichfalls an das Oberlandesgericht ( D e l i u s DJZ 1913 679). Hat ein beauftragter Richter oder ein Ermittlungsrichter (§ 168a StPO) des Bundesgerichtshofs die Ordnungsstrafe ausgesprochen, so ist nach § 135 Abs. 2 der Bundesgerichtshof zuständig (vgl. dazu dort Anm. 2). Für die Entscheidung über Beschwerden gegen die Art und Weise der Vollstreckung einer vom Amtsgericht rechtskräftig festgesetzten Ordnungsgeldstrafe ist gemäß § 463 StPO, §§ 766, 793 Z P O nicht das Oberlandesgericht, sondern das Landgericht zuständig (OLG Frankfurt JZ 1953 243). 2. „das Oberlandesgericht", d. h. der Zivil- oder Strafsenat, der nach der Geschäftsverteilung zuständig ist. Zuständig ist das Oberlandesgericht, das dem bestrafenden Gericht im Instanzenzug übergeordnet ist, bei Bestrafung durch den ersuchten Richter also das diesem übergeordnete, nicht also das dem ersuchenden Gericht übergeordnete O L G (OLG Schleswig SchlHA 1962 84). — Auch in Bayern entscheidet nicht das BayObLG. sondern das O L G (Art. 22 BayAG G V G vom 17. 11. 1956, GVB1. 249). Unberührt bleibt die Zuständigkeit des Staatsschutz-OLG nach § 120 Abs. 3, 4.

§ 182 Ist eine Ordnungsstrafe wegen Ungebühr festgesetzt oder eine Person zur Haft abgeführt oder eine bei der Verhandlung beteiligte Person entfernt worden, so ist der Beschluß des Gerichts und dessen Veranlassung in das Protokoll aufzunehmen. 1. Geltungsgebiet. § 182 gilt für die Hauptverhandlungen eines einzelnen Richters außerhalb einer solchen (§ 180).

wie für die Amtshandlungen

2. Die in den §§ 177 bis 180 bezeichneten Maßregeln sind sämtlich durch das Protokoll zu beurkunden; eine Ausnahme gilt nur, wenn eine unbeteiligte Person aus dem Sitzungszimmer entfernt wird, ohne zugleich zur Haft abgeführt zu werden (§ 177). 3. Veranlassung des Beschlusses. Wenn § 182 außer der Aufnahme des (nach § 34 StPO grundsätzlich zu begründenden) Beschlusses auch noch besonders die Aufnahme der Veranlassung in das Protokoll fordert, so bezweckt dies, daß der gesamte Geschehensablauf, der zu dem Beschluß geführt hat, unter dem unmittelbaren frischen Eindruck des Geschehens von dem Vorsitzenden und dem Protokollführer schriftlich niedergelegt wird, um dem Beschwerdegericht (§ 181) ein möglichst objektives, von Erinnerungsfehlern freies und so umfassendes Bild des Vorgangs zu geben, daß es Grund und Höhe der Bestrafung in der Regel ohne weitere Ermittlungen nachprüfen kann. Es genügt danach nicht, daß die Veranlassung der Bestrafung in den Gründen des Beschlusses erwähnt und dieser Beschluß in das Protokoll aufgenommen wird, denn damit wäre nur die Darstellung des bestrafenden Richters über den Hergang, nicht auch die des Protokollführers niedergelegt. Das Protokoll muß also eine gesonderte Darstellung der Vorgeschichte (die „Veranlassung") und den Beschluß selbst enthalten. Fehlt die gesamte Feststellung der Veranlassung im Protokoll oder weist 2973

§ 182

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 4 sie wesentliche Lücken auf, so muß der Beschluß auf Beschwerde hin aufgehoben werden; die fehlende Darstellung kann auch wegen der Unzuverlässigkeit der Erinnerung nicht durch nachträgliche dienstliche Erklärungen des Vorsitzenden und des Urkundsbeamten ersetzt werden. Zu dieser Auffassung bekennt sich die herrschende Meinung: OLGe. Hamm JMB1. NRW 1955 139; 1956 8 = Rpfleger 1956 14 m. Anm. K e i d e l ; NJW 1963 1791; 1969 1920; Celle NdsRpfl. 1957 124; 1958 57; Köln JR 1952 484; Koblenz NJW 1955 348; Stuttgart Justiz 1962 185: Karlsruhe Justiz 1964 290; Stuttgart NJW 1969 627; Düsseldorf JMB1. NRW 1971 222; weitere ältere Rechtspr. Nachw. in Anm. 3 der Voraufl.; Eb. S c h m i d t 3; M ü l l e r - S a x 2b, c; Kl 1). Die Gegenmeinung (OLGe. Kolmar DJZ 1915 1142; Bremen JR 1951 693; Hamburg NJW 1952 59; Stuttgart MDR 1955 364; von S t a f f , DStrafrZ 1914 39. 206; S t u m p f , GerS 73 331; B a u m b a c h - L a u t e r b a c h 1) macht geltend, daß die h. M. dem Protokoll eine übertriebene Bedeutung beimesse, schon weil die Darstellung des Sachverhalts im Protokoll für das Beschwerdegericht nicht bindend sei (so OLG Bremen aaO.) und weil der Gesichtspunkt einer übereinstimmenden Darstellung des Sachverhalts durch Vorsitzenden und Urkundsbeamten entfalle, wenn im Zivilprozeß gem. § 163 Abs. 3 ZPO von der Zuziehung eines Protokollführers abgesehen werde (so OLG Stuttgart MDR 1955 364). Ob in diesem letzteren Fall die besondere Darstellung der Veranlassung im Protokoll bei entsprechender Darstellung in dem Beschluß verzichtbar ist, kann hier unerörtert bleiben. Denn im Strafverfahren kann auf die Zuziehung eines Protokollführers nicht verzichtet werden (§§ 168, 187, 188, 226 StPO), und auch im Zivilprozeß bildet die Zuziehung eines Protokollführers die Regel, und die Behandlung des Regelfalls kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Ausnahmefall etwa anders zu beurteilen ist. Richtig ist, daß die Darstellung des Sachverhalts im Protokoll für das Beschwerdegericht nicht bindend ist; § 274 StPO, § 164 ZPO sind weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden (h. M.). Indessen wird — und darauf kommt es nach den gesetzgeberischen Absichten entscheidend an — eine Ergänzung der tatsächlichen Grundlagen der Bestrafung durch das Beschwerdegericht die seltene Ausnahme bilden, wenn eine umfassende, von der übereinstimmenden Bekundung beider Urkundspersonen getragene Darstellung der „Veranlassung" im Protokoll vorliegt. Wo freilich in einem Ausnahmefall eine weitere Sachaufklärung nötig erscheint, ist sie auch — und zwar formlos — zulässig (OLG Bremen JR 1951 693 mit zustimmender Anmerkung von D a l l i n g e r ; OLG Hamm JMB1. NRW 1952 86; Kl 1). Es ist daher auch zulässig, daß Vorsitzender und Protokollführer die Darstellung des Protokolls in bestimmten Einzelheiten im Hinblick auf die Ausführungen des beschwerdeführenden Bestraften ergänzen (OLGe. Hamm aaO.; Celle M D R 1958 265). An dem Grundsatz, daß eine völlig fehlende oder in wesentlichen Punkten lückenhafte Darstellung des Sachverhalts im Protokoll zur Aufhebung des Beschlusses führen muß, wird dadurch nichts geändert. A. M. OLG Hamm JMB1. NRW 1955 139, wonach jede nachträgliche Aufklärung ausgeschlossen sein soll, weil sie dem Zweck des § 182 — schleunige Erledigung des gesamten Vorgangs — widerspreche, selbst wenn dadurch eine Ungebühr ungeahndet bliebe; aber eine so weit gehende Absicht läßt sich dem § 182 nicht entnehmen. Aus dem Zweck der Vorschrift, durch die Darstellung des Sachverhalts im Protokoll eine Beweisaufnahme in der Beschwerdeinstanz grundsätzlich auszuschließen, ergibt sich, daß das Fehlen der Sachdarstellung im Protokoll unschädlich ist, wenn der Vorgang selbst von dem Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt wird (dieser sich vielmehr z. B. nur darauf beruft, daß er in krankheitsbedingter nervöser Überreizung gehandelt habe) und die Darstellung in den Gründen des Beschlusses zur Bescheidung der Beschwerde ausreicht (OLG Hamm NJW 1963 1791). 4. Beschluß des Gerichts. Der Beschluß kann nur von dem Richter erlassen werden, der den Termin wahrgenommen hat. Es darf nicht an seiner Stelle ein anderer Richter die Ungebührstrafe verhängen (OLG Hamburg LZ 1917 149). Vorgänge, die der Wahrnehmung durch die beteiligten Urkundspersonen entzogen waren, können nicht mit einer Ungebührstrafe geahndet werden (OLG Dresden GA 64 569). Der Beschluß ist zu begründen (§ 34 StPO) und mit den Gründen in das Protokoll aufzunehmen (BayObLG BayZ 1933 251 = JR 1933 Nr. 1471). Das Fehlen einer Begründung und ihre Ersetzung durch eine ausdrückliche oder stillschweigende Bezugnahme auf den Protokollvermerk über die Veranlassung ist nur dann unschädlich, wenn nach der Darstellung im Protokoll die Gründe der Entschei2974

Vierzehnter Titel. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (Schäfer)

§ 183 Anm. 1—7

dung für den Bestraften außer Zweifel und auch für das Beschwerdegericht voll erkennbar sind (OLG Celle M D R 1958 265 m. Nachw. = G A 1959 125; E b S c h m i d t 4; Kl 2). Der Beschwerde muß auch stattgegeben werden, wenn der Beschluß nur in einem Nachtrag zum Sitzungsprotokoll steht und von dem Richter allein unterschrieben ist (OLG Kolmar Recht 1910 Nr. 767).

§ 183 Wird eine strafbare Handlung in der Sitzung begangen, so hat das Gericht den Tatbestand festzustellen und der zuständigen Behörde das darüber aufgenommene Protokoll mitzuteilen. In geeigneten Fällen ist die vorläufige Festnahme des Täters zu verfügen. 1. „in der Sitzung". Hierzu vgl. § 176 Anm. 2. Bei Amtshandlungen außerhalb der Sitzung (§ 180) besteht keine Pflicht, nach § 183 Satz 1 zu verfahren, wohl aber ein Recht hierzu (h. M.). Ein allgemeiner Grundsatz des Inhalts, daß ein Gericht, wenn es bei Wahrnehmung seiner Aufgaben Kenntnis von strafrechtlichen Verfehlungen erhält, davon der Strafverfolgungsbehörde Mitteilung zu machen habe, ist aus § 183 nicht abzuleiten (vgl. BayObLG N J W 1968 56). 2. das Gericht. § 183 gilt für die Sitzungen der Strafgerichte (RGSt. 73, 335; K a i s e r G A 1970 80, 83).

wie die der Z/v;7gerichte

3. Auf eine von einem Angeklagten in der Sitzung begangene strafbare Handlung würde § 266 StPO seinem Wortlaut nach anwendbar sein; indes wäre es schwerlich angemessen, ihn in einem solchen Falle über seine Zustimmung zur sofortigen Aburteilung zu befragen. Möglich wäre die sofortige Aburteilung nach § 212 StPO, soweit seine Voraussetzungen vorliegen. 4. Trotz seiner Stellung hinter den Bestimmungen über die Sitzungspolizei bezieht sich § 183 nicht nur auf strafbare Handlungen, die sich als Störung der Ordnung in der Sitzung darstellen, sondern auf alle strafbaren Handlungen. Insbesondere kann gegen einen Zeugen, der eines in der Verhandlung begangenen Meineides oder seiner falschen uneidlichen Aussage hinreichend verdächtig ist, gemäß § 183 verfahren werden. Für etwaige in der Sitzung begangene nach dem OWiG ahnbare Ordnungswidrigkeiten gilt § 183 nicht. Die in § 183 dem Gericht auferlegte Aufgabe ist der des Notstaatsanwalts (§ 165 StPO) vergleichbar und ein Ausfluß des Legalitätsprinzips, das bei Ordnungswidrigkeiten nicht gilt ( § 4 7 Abs. 1 OWiG). Aus § 46 OWiG ergibt sich nichts Gegenteiliges. Andererseits wäre das Gericht aber auch durch keine Vorschrift gehindert, nach Satz 1 zu verfahren. 5. In welcher Weise das Gericht „den Tatbestand festzustellen" hat, hängt von den besonderen Umständen des Falles ab. Wenn die Mitglieder des Gerichts die strafbare Handlung selbst gesehen und gehört haben, so bedarf es keiner weiteren Beweiserhebung. Es genügt die Darstellung des Vorgangs im Sitzungsprotokoll. Ist die strafbare Handlung nicht von dem Vorsitzenden, sondern von einzelnen Beisitzern oder anderen Personen beobachtet worden, so sind die Erklärungen der Tatzeugen und des Täters in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. In manchen Fällen kann auch die Durchsuchung verdächtiger Personen sowie die Einnahme des richterlichen Augenscheins zweckmäßig sein. 6. Feststellung von Amts wegen. Das Einschreiten des Gerichts ist nicht von einem Antrag der Staatsanwaltschaft abhängig. Unberührt bleibt Recht und Pflicht der Staatsanwaltschaft, geeignete Anträge zu stellen, insbes. bei begründetem Verdacht einer Eidesverletzung oder falscher uneidlicher Aussagen die Niederschrift der beanstandeten Aussage zu beantragen (Nr. 133 Abs. 2 RiStBV). 7. Die zuständige Behörde, der das Protokoll mitzuteilen ist, ist regelmäßig die Staatsanwaltschaft. Befindet sich indes die (sachlich zuständige) Staatsanwaltschaft (vgl. § 142 Abs. 2) nicht am Ort, und ist die schleunige Vornahme gerichtlicher Untersuchungshandlungen erforderlich, so ist das Protokoll dem Amtsrichter mitzuteilen (vgl. § 163 Abs. 2 StPO); 2975

§ 1 8 3 Anm. 8, 9

Vor § 184

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 1 - 3

dieser hat sodann gemäß § 165 StPO zu verfahren. Dem Amtsrichter ist das Protokoll auch mitzuteilen, wenn ihm der festgenommene Täter vorgeführt wird; vgl. Anm. 8. 8. Während § 127 StPO unter der vorläufigen Festnahme eine Ergreifung ohne vorgängigen richterlichen Befehl versteht, wird hier mit diesem Ausdruck eine richterlich angeordnete Ergreifung bezeichnet. Der Sache nach handelt es sich aber um eine vorläufige Festnahme i. S. des § 127 Abs. 2 StPO, zu der § 183 das Gericht ermächtigt, nicht um eine Verhaftung. Z u m Erlaß eines Haftbefehls ist das die Festnahme verfügende Gericht als solches nicht zuständig, sondern nur, wenn es dazu nach den allgemeinen Vorschriften zuständig und befugt ist (vgl. R G vom 2 9 . 3 . 1927 I 247/27, OLGe. Kolmar G A 38 379; Jena A l s b e r g , OLGEStrProz. 1 Nr. 261; München St. 9 378; H a m m N J W 1949 191; E b S c h m i d t 4; M ü l l e r - S a x 4), da j a die Ergreifung auch in der Sitzung eines Zivilgerichts geschehen kann, das zum Erlaß eines Haftbefehls nicht befugt ist. Eine Festnahme in der Sitzung hat die gleiche Wirkung wie eine außergerichtliche Festnahme; es muß also gemäß § 128 StPO verfahren werden. Der Amtsrichter hat nach seinem freien Ermessen, unabhängig von der Ansicht des Gerichts, das die Festnahme beschlossen hat. darüber zu entscheiden, ob genügender Grund zum Erlaß eines Haftbefehls vorliegt. In dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhaftung und vorläufige Festnahme in einem bürgerlichen Rechtsstreit (z. B. gegen den des Meineids Verdächtigen) bedeutet die Einleitung einer Untersuchung gemäß §§ 158, 163 Abs. 2 StPO (RGSt. 73 335). 9. Darüber, daß eine in der Sitzung begangene strafbare Handlung u. U. auch als Ungebühr geahndet werden kann, s. § 178 Anm. III 3.

FÜNFZEHNTER TITEL Gerichtssprache Vorbemerkung 1. Geltungsbereich. Die Bestimmungen dieses Titels gelten für den Bereich der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit ( E G G V G § 2 Anm. 2). In den Gerichtsverfassungs- oder Verfahrensvorschriften der übrigen Gerichtsbarkeitszweige gelten entsprechende Vorschriften; vielfach wird auf die §§ 184 ff. G V G verwiesen (vgl. z. B. § 55 V w G O § 61 SGG). 2. Zweck. Die Vorschriften des 15. Titels dienen der Wahrheitserforschung. Sie bezwecken, daß der Prozeßstoff ohne Behinderung durch mangelnde Sprachkenntnisse und mangelndes Sprachvermögen der Beteiligten ausgebreitet und erörtert wird. Sie verwirklichen ferner den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (vgl. M a u n z - D ü r i g - H e r z o g 79 zu Art. 103 GG). Eine Verhandlung ohne die gebotene Zuziehung eines Dolmetschers beeinträchtigt das rechtliche Gehör des Beschuldigten, wenn er, weil er selbst der deutschen Sprache nicht mächtig, taub oder stumm ist, sich nicht angemessen verteidigen kann, oder wenn seine Verteidigung deshalb beschränkt ist, weil er selbst zwar der deutschen Sprache mächtig, aber die Aussage von Zeugen usw. in fremder Sprache nicht versteht. Sie tragen schließlich dem Verbot des Art. 3 Abs. 3 G G Rechnung, daß niemand wegen seiner Sprache benachteiligt werden darf. 3. Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der die Bundesrepublik durch Ges. vom 7. 8. 1952 (BGBl. II 685, 953) zugestimmt hat und die gemäß Bek. vom 15. 12. 1953 (BGBl. 1954 II 14) in Kraft getreten ist, bestimmt, daß jeder Festgenommene unverzüglich und in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme und über die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen unterrichtet werden muß (Art. 5 Abs. 2), und daß jeder Angeklagte das Recht hat, unverzüglich in einer für ihn ver-

2976

Fünfzehnter Titel. Gerichtssprache (Schäfer)

§ 184 Anm. 1 , 2

ständlichen Sprache über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden und die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn er die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann (Art. 6 Abs. 3 a, e). Diesen Anforderungen entsprechen die Vorschriften des 15. Titels des G V G (vgl. J e s c h e c k N J W 1954 785), deren Handhabung aber den Vorschriften der M R K angepaßt werden muß (vgl. Anm. 2 zu § 184). Zu der Frage, ob das Recht auf unentgeltliche Beiziehung den verurteilten Angeklagten von der Verpflichtung, die durch die Inanspruchnahme des Dolmetschers entstandenen Auslagen zu tragen, freistellt, vgl. Anm. I 5 zu § 465 StPO. Dagegen geht Art. 105 Abs. 4 des Genfer Abkommens vom 12. 8. 1949 (BGBL II 1954, 838) über die Behandlung der Kriegsgefangenen (vgl. Ges. vom 21.8. 1954, BGBl. II 781, gem. Bek. vom 4. 11. 1954, BGBl. II 1133 in Kraft seit dem 3.3. 1955), wonach im Verfahren gegen Kriegsgefangene die Anklageschrift und sonstige bekanntzugebende Schriftstücke in einer dem Beschuldigten verständlichen Sprache zugestellt werden müssen, über § 184 GVG hinaus ( J e s c h e c k , ZStrW 65, „Mitteilungsblatt' 1 , 130). — Nach § 11 des Ges. über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer vom 25. 4. 1951 (BGBl. I 269) sind heimatlose Ausländer (über diesen Begriff s. § 1 aaO.) im Verfahren vor allen deutschen Gerichten den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt; es gelten also für sie die allgemeinen Vorschriften. — Nach Art. VII Abs. 9f. des Nato-Truppenstatuts (BGBl. 1961 II 1190) haben Mitglieder der in der Bundesrepublik stationierten ausländischen Truppen und ihres zivilen Gefolges sowie deren Angehörige bei strafrechtlicher Verfolgung durch die deutsche Gerichtsbarkeit „das Recht, falls er es für nötig hält, auf die Dienste eines befähigten Dolmetschers".

§ 184 Die Gerichtssprache ist deutsch. 1. „Deutsche Sprache" umfaßt alle Mundarten. § 185 findet auf deutsche Dialekte keine Anwendung; vielmehr steht es im Ermessen des Gerichts, ob es zu deren Verständnis einen Dolmetscher zuziehen will (RGRspr. 8 160, O L G Oldenburg H R R 1928 Nr. 392; R a s c h , Recht 1916 8; ebenso zu der gleichlautenden Vorschrift in § 115 der alten MStGO R M G DJZ 1916 344). Die Übertragung eines in Jiddischer" Sprache verfaßten, jedoch mit hebräischen Schriftzeichen geschriebenen Schriftstücks ist dagegen eine Übersetzung aus einer fremden Sprache (RG v. 7. 9. 1901 3346/01). 2. Gerichtssprache a) Gerichtssprache bedeutet, daß die „offizielle" Sprache, in der das Gericht spricht, der Staatsanwalt sich äußert, das Urteil verkündet und niedergelegt wird usw., die deutsche Sprache ist. Das Gesetz berücksichtigt den Umstand, daß jemand der deutschen Sprache nicht mächtig ist, nur bei gerichtlichen Verhandlungen; vgl. §§ 185. 188. Hieraus und aus § 184 wurde früher gefolgert, daß es den Prozeßbeteiligten nicht gestattet sei, schriftliche Erklärungen in einer anderen Sprache abzugeben und daß in fremder Sprache abgefaßte Eingaben, durch die Rechtsmittel eingelegt werden oder Fristen gewahrt werden sollen, unwirksam seien (RGZ 31 428; 162 288; OLG München H R R 1941 Nr. 46; R M G DJZ 1916 344, 1170; S t e n g l e i n 1; v o n K r i e s 280; B e n . - B e l i n g 285; R a s c h , Recht 1916 8). Das kann heute — im Zeichen verstärkter internationaler Zusammenarbeit, wachsenden internationalen Reiseverkehrs und des Aufenthalts zahlloser ausländischer Gastarbeiter und der Angehörigen fremdländischer Nato-Truppen auf deutschem Boden, vor allem aber im Hinblick auf die Vorschriften des Art. 3 Abs. 3 G G und der Menschenrechtskonvention (Vorbem. 3 vor § 184) uneingeschränkt nur für den Fall gelten, daß der Prozeßbeteiligte der deutschen Sprache mächtig ist. Ist das nicht der Fall, so muß ihm, solange ihm nicht ein Verteidiger von Amts wegen bestellt ist (§ 140 Abs. 2 StPO, Art. 6 Abs. 3 c der Menschenrechtskonvention), auch gestattet sein, sich in der ihm allein geläufigen Sprache zu verteidigen, insbesondere schriftliche Haftbeschwerde einzulegen (ebenso Kl 2, E b . S c h m i d t Vorbem. 4 vor § 184). Die sinngemäße Auslegung des Art. 6 Abs. 3 e der Menschenrechtskonvention führt in solchen Fällen dazu, daß eine Übersetzung veran-

2977

§ 1 8 4 Anm. 3

Gerichtsverfassungsgesetz

§ 1 8 5 Anm. I 1 laßt werden muß, eine etwaige Frist aber schon durch den Eingang des Schriftstücks in fremder Sprache gewahrt wird (LG Berlin JR 1961 384). Das entspricht übrigens auch den richtig verstandenen Vorschriften des G V G . Denn wenn das Gericht nach § 185 trotz des § 184 den mündlichen Vortrag eines Prozeßbeteiligten in fremder Sprache zulassen darf (vgl. H a h n . Mat. z. G V G 1 178), so muß es auch befugt sein, eine schriftliche Erklärung in f-emder Sprache entgegenzunehmen (vgl. R G Z 9 430, 436, B a y O b L G SeuffA 46 Nr. 75). — Die Vorlegung fremdsprachiger Urkunden als Beweismittel und die Zustellung fremdsprachiger Schriftstücke im Wege der zwischenstaatlichen Rechtshilfe in Strafsachen wird durch § 184 nicht gehindert (RGSt. 67 221). b) Auch schriftliche Erklärungen und Entscheidungen des Gerichts ergehen grundsätzlich in deutscher Sprache, auch wenn der Enpfänger Ausländer ist. Die ursprüngliche Auslegung des § 184 ging dahin, daß es nach dem Grundgedanken der Vorschrift Sache des Empfangers sei, sich über den Inhalt zu unterrichten. So wurde früher aus § 184 gefolgert, daß auch bei einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten den Vorschriften der § § 2 0 0 , 201 StPO durch Zustellung einer deutschsprachigen Anklageschrift genügt sei; es bedürfe nicht der Beifügung einer Ubersetzung ( R G D R Z 1930 Nr. 21). Aus Art. 6 Abs. 3 a der Menschenrechtskonvention (s. Vorbem. 3 vor § 184) ergibt sich jedoch, daß der Angeschuldigte das Recht hat, eine Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache (also nicht notwendig in seiner Muttersprache) zu verlangen, wenn er die deutsche Sprache nicht versteht (LG Essen N J W 1966 1624). Nr. 184 Abs. 2 RiStBV schreibt demgemäß vor, daß Ladungen, Haftbefehle, Eröffnungsbeschlüsse und sonstige gerichtliche Sachentscheidungen einem Ausländer, der die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrscht, mit einer Übersetzung in eine ihm verständliche Sprache bekanntzumachen sind. Dies gilt z. B. auch für die Rechtsmittelbelehrung in einem Strafbefehl (LG München II N J W 1972 405). 3. § 184 ist zwingender Natur und jeder Verfügungsbefugnis der Beteiligten entzogen (RGSt. 67 223). § 184 schließt aber nicht aus, daß der Vorsitzende im Rahmen der in deutscher Sprache geführten Verhandlung sich mit dem Angekl. teilweise in einer beiden geläufigen fremden Sprache unterhält, wenn Frage und Antwort vom Vorsitzenden ins Deutsche übertragen werden ( K G H R R 1935 Nr. 991; vgl. § 185 Abs. 2).

§ 185 ( 1 ) W i r d unter Beteiligung von Personen verhandelt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so ist ein Dolmetscher zuzuziehen. Ein Nebenprotokoll in der fremden Sprache wird nicht geführt; jedoch sollen Aussagen und Erklärungen in fremder Sprache, wenn und soweit der Richter dies mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Sache für erforderlich erachtet, auch in der fremden Sprache in das Protokoll oder in eine Anlage niedergeschrieben werden. In den dazu geeigneten Fällen soll dem Protokoll eine durch den Dolmetscher zu beglaubigende Übersetzung beigefügt werden. (2) Die Zuziehung eines Dolmetschers kann unterbleiben, wenn die beteiligten Personen sämtlich der fremden Sprache mächtig sind. Entstehungsgeschichte: Entw. § 151. Literatur: S o m m e r , Der Dolmetscher im Strafprozeß (GerS 70 99); K a l l e e , Der Übersetzer im Strafprozeß (Strafrechtliche Abhandlungen, herausgegeben von Lilienthal Heft 130) 1911. I. Z u Absatz 1. 1. Jemand ist der deutschen Sprache ,»nicht mächtig", wenn er ihrer überhaupt nicht mächtig ist, d. h. sie nicht oder so wenig versteht, daß er der Verhandlung nicht folgen kann; nur in diesem Fall ist die Anwesenheit eines Dolmetschers für die ganze Dauer der Hauptverhandlung erforderlich (s. Anm. 3 c). Ist der Beteiligte, wenn auch nicht voll, so doch in 2978

Fünfzehnter Titel. Gerichtssprache (Schäfer)

§ 185 Anm. I 2, 3

dem Umfang der deutschen Sprache kundig, daß eine Verständigung möglich ist, so unterliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, in welchem Umfang er unter oder ohne Mitwirkung eines Dolmetschers verhandeln will ( R G G A 47 384; 50 394; BGHSt. 3 285). Er wird aber auf die Mitwirkung eines Dolmetschers nur für solche Verhandlungsteile verzichten dürfen, die, weil sprachlich einfach, von dem Angekl. mit Bestimmtheit verstanden werden (BGH G A 1963 148). D a s Gericht ist nicht an die Erklärungen des Beteiligten über seine Sprachkenntnis gebunden ( R G vom 14. 9. 1918 III 332/1918; vgl. R G vom 6. 7. 1903 III 2525/03, G A 47 384, 50 394). Auch der Umstand, daß der zu Vernehmende Ausländer ist, ist nicht entscheidend (RGSt. 1 137). Dem Revisionsgericht ist die Nachprüfung dieser rein tatsächlichen Ermessensfrage entzogen. — Ist jemand außerstande, sich verständlich deutsch auszudrücken, während er das deutsch Gesprochene genügend versteht, so ist es statthaft, ihn nur für s^inc eigenen Erklärungen als der deutschen Sprache nicht mächtig zu behandeln, die Mitwirkung des Dolmetschers also auf die Übertragung dieser Erklärungen zu beschränken. Insoweit ist die Zuziehung eines Dolmetschers aber auch dann erforderlich, wenn der Beteiligte durch eine mitgebrachte, beider Sprachen kundige Vertrauensperson (z. B. seine Ehefrau) seine Erklärungen abgeben will; ggf. muß die Vertrauensperson als Dolmetscher zugezogen und (§ 189) beeidigt werden ( O L G Frankfurt N J W 1952 1310). Ob es der Zuziehung eines Dolmetschers bedarf, ist von Amts wegen zu prüfen; es soll dies schon bei der ersten verantwortlichen Vernehmung eines Ausländers im Vorverfahren geschehen (Nr. 184 Abs. 1 RiStBV). Bei Personen mit fremder Muttersprache ist der Richter zu einer solchen Prüfung verpflichtet, wenn nicht ausnahmsweise nach den Besonderheiten des Einzelfalles von vornherein kein Zweifel an der Sprachkundigkeit des Beteiligten besteht (BSG N J W 1957 1087). Die Ablehnung des Antrags auf Zuziehung eines Dolmetschers ist nicht mit Beschwerde anfechtbar (§ 305 StPO; vgl. auch O L G Stuttgart N J W 1962 540). 2. Verhandlung ist jeder gerichtliche Termin, an dem der Beteiligte teilnahmeberechtigt ist und teilnimmt ( O L G Stuttgart N J W 1967 509). Die bei den Verhandlungen in Strafsachen beteiligten Personen, die hier in Betracht kommen, sind der Beschuldigte und die sonstigen von der Strafverfolgung betroffenen Personen, z. B. Einziehungsbeteiligter (§ 431 StPO), der Privatkläger und der Nebenkläger, die Zeugen, die Sachverständigen, die aufgrund des § 149 StPO zugelassenen Beistände des Beschuldigten und die Verteidiger, die als solche nur mit Genehmigung des Gerichts auftreten können (§ 138 Abs. 2 StPO; übrigens darf das Gericht unbedenklich gerade daraus, daß der zum Verteidiger Gewählte der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Anlaß zur Versagung der Genehmigung entnehmen). Außerdem sind hier die Schöffen zu nennen, da das G V G (§§ 31—35, 84) Deutsche, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind (Rückkehrer aus dem Ausland) nicht grundsätzlich von der Berufung zum Schöffenamt ausschließt. 3. a) In der Hauptverhandlung müssen, wenn eine der beteiligten Personen, abgesehen von den Zeugen und Sachverständigen, der deutschen Sprache nicht mächtig ist. alle wesentlichen Verhandlungsakte, die in Gegenwart der Person in deutscher Sprache vorgenommen werden, in die fremde Sprache übertragen werden (RGSt. 43 443). Das gilt insbesondere von der Verlesung des Eröffnungsbeschlusses (§ 243 Abs. 2 StPO), von der Vernehmung der Mitbeschuldigten, der Zeugen und der Sachverständigen (vgl. jedoch R G G A 43 253 = J W 1895 572, wo die Übertragung der Begründung eines Gutachtens nur bei Verlangen eines Beteiligten für notwendig erklärt wird), von der Verlesung von Schriftstücken, der Stellung von Anträgen (vgl. R G G A 47 384 = J W 1900 782). der Verkündung der Entscheidungen usw. (RGSt. 43 443), in der Berufungsverhandlung von der Verlesung des Urteils erster Instanz ( O L G Dresden J W 1931 1640), falls es dem Beteiligten nicht schon bekannt ist. Dagegen ist es nicht notwendig, daß jede Äußerung eines Zeugen oder Sachverständigen wörtlich übertragen wird ( R G Recht 1913 Nr. 1836). Wird bei einer längeren Urteilsbegründung mit Beweis- und rechtlicher Würdigung diese dem Angekl. nur in abgekürzter Form übertragen, so kann darauf in der Regel das Urteil nicht beruhen (BGH G A 1963 148). Nach der Ansicht von R a s c h (Recht 1915 595) soll die Mitteilung der Angaben über die Person von Zeugen und Sachverständigen nur erforderlich sein, wenn sie für die Sache von irgendwelcher Bedeutung sind. Allein ob dies der Fall ist. kann das Gericht häufig noch 2979

§ 185

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 1 4 - 8 gar nicht beurteilen. Richtiger wird es daher sein, diese Angaben der Zeugen und Sachverständigen in allen Fällen zu übertragen. Für die Schlußvorträge der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers enthält § 259 StPO eine Einschränkung. Eine Übertragung des Eideswortlauts ins Deutsche ist nicht erforderlich (Anm. 2 zu § 188). b) Der der deutschen Sprache nicht Mächtige kann auf die nach dem Vorstehenden (a) notwendige Übertragung nicht verzichten ( M ü l l e r - S a x 2; B e n . - B e l i n g 286 Anm. 12; a. M. G l a s e r 1 429). c) Der Dolmetscher gehört, hnter der Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1, zu den Personen, „deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt" (§ 338 Nr. 5 StPO). Wird ohne Dolmetscher verhandelt, so ist das ein unbedingter Revisionsgrund (BGHSt. 3 285). D a s gilt, wenn sich die Tatsache, daß der Beteiligte der deutschen Sprache nicht mächtig ist, erst im Lauf der Hauptverhandlung herausstellt, auch für die früheren Abschnitte der Hauptverhandlung ( R G G A 47 384). Ein Rechtsmittelverzicht, den ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Angeklagter ohne Zuziehung eines Dolmetschers z. H. eines Strafanstaltsbeamten erklärt, ist wirkungslos (RG vom 6. 2. 1902 III 5328/01). 4. Es genügt stets die Zuziehung eines Dolmetschers. D a s Gericht kann zwar, auf Antrag oder von Amts wegen, die Zuziehung mehrerer Dolmetscher beschließen, wenn es hierzu besondere Veranlassung findet; ein Anspruch hierauf steht indes keinem der Prozeßbeteiligten zu. 5. Die Auswahl des Dolmetschers steht dem Gericht zu (vgl. § 191 Anm. 3); es hat nach freiem, nicht revisiblem Ermessen darüber zu befinden, ob jemand befähigt ist, den Dienst des Dolmetschers der fremden Sprache wahrzunehmen (RG G A 68 348; RGSt. 76 177; a. M. bzgl. der Revisibilität E b S c h m i d t 11). D a s Vorliegen dieser Befähigung braucht nicht durch das Sitzungsprotokoll festgestellt zu werden (RGSt. 1 397). Ist bei dem Gericht ein für die Sprache im allgemeinen verpflichteter Dolmetscher vorhanden, so wird regelmäßig dieser zuzuziehen sein (vgl. § 189 G V G Anm. 4, § 191 Anm. 3 § 73 Abs. 2 StPO). Über den Vorsitzenden als Dolmetscher s. Anm. 3 zu § 184. 6. Übersetzung von Schriftstücken. Die Zuziehung eines Dolmetschers ist nach Absatz 1 nur erforderlich, wenn unter Beteiligung von Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, verhandelt wird; die Aufgabe des Dolmetschers besteht also darin, den Prozeßverkehr des Gerichts mit den der Gerichtssprache unkundigen anderen Prozeßbeteiligten durch Übertragung der schriftlichen oder mündlichen zum Prozeß abgegebenen Erklärungen zu ermöglichen. Dagegen ist die Zuziehung eines nach § 189 vereidigten Dolmetschers nicht erforderlich, wenn lediglich der Sinn einer außerhalb des Prozeßverkehrs abgegebenen und als Beweismittel verwendeten fremdsprachigen Erklärung zu ermitteln ist. Bedarf es zur Ermittlung des Sinnes einer zulässigerweise verlesbaren fremdsprachigen Urkunde in Ermangelung eigner Sprachkunde des Gerichts der Zuziehung eines Sprachkundigen in der Hauptverhandlung und überträgt dieser sie erst in der Hauptverhandlung oder verliest er eine vorher angefertigte Übersetzung in der Hauptverhandlung, so wird er als Sachverständiger tätig und seine Beeidigung richtet sich nach den für Sachverständige geltenden Vorschriften (§ 79 StPO). Wie hier BGHSt. 1 4 = J R 1951 90; B G H N J W 1965 643 = M D R 1965 313; a. M. RGSt. 27 268 und die 19. Aufl. (mit weiteren Nachweisen über die Streitfrage). Wegen der Verlesung einer vorher angefertigten Übersetzung in der Hauptverhandlung ohne Beteiligung des Übersetzers vgl. Anm. 8 zu § 249 StPO. Zulässig ist es jedenfalls, eine amtlich angefertigte Übersetzung in die deutsche Sprache zu verlesen, die ein auswärtiger Staat, der um Zeugenvernehmung ersucht worden war, den in der fremden Sprache aufgenommenen Protokollen beigefügt hatte (RGSt. 36 371). 7. Dem Dolmetscher sind erforderlichenfalls Fragen über Umstände vorzulegen, die seine Unbefangenheit (Glaubwürdigkeit) in der vorliegenden Sache betreffen; vgl. §§ 72, 68 StPO. 8. Die Zuziehung des Dolmetschers und die Veranlassung dazu muß durch das Protokoll beurkundet werden. Ergibt dieses, daß die Zuziehung des Dolmetschers für die ganze Verhandlung (vgl. Anm. 3 a) angeordnet worden ist, so ist es nicht erforderlich, bei jedem ein2980

Fünfzehnter Titel. Gerichtssprache (Schäfer)

§ 1 8 5 Anm. 1 9 ; II § 1 8 6 Anm. 1

zelnen Verhandlungsakt die Mitwirkung des Dolmetschers noch besonders zu erwähnen (RGSt. 1 397, 43 442; R a s c h Recht 1916 12). Das gilt auch für § 259 StPO ( R G J W 1890 270). 9. in der fremden Sprache niedergeschrieben a) Ob eine Aussage oder Erklärung außer in der deutschen auch in der fremden Sprache niederzuschreiben ist, entscheidet das Ermessen des Richters; das gilt auch von der Beifügung einer Übersetzung. In der Hauptverhandlung steht nach Maßgabe des § 238 StPO die Entscheidung zunächst dem Vorsitzenden und nur gegebenenfalls dem Gericht zu (ebenso S t e n g l e i n Anm. 7). — Die R T K hat einen Antrag abgelehnt, nach dem ein nicht in der Sprache des Beschuldigten aufgenommenes Protokoll zum Beweis eines Geständnisses nicht sollte benutzt werden dürfen (Prot. 45). b) Wird Niederschrift in der fremden Sprache angeordnet, so liegt diese, gleichviel ob sie in das Protokoll selbst oder in eine Anlage aufgenommen wird, dem Dolmetscher ob, dem Urkundsbeamten aJso nur, wenn er zugleich als Dolmetscher tätig ist (§ 192; so auch M ü l l e r - S a x 4 a ; a. M. S t e n g l e i n 7; vgl. auch B e n . - B e l i n g Anm. 27). II. Zu Absatz 2 (Geltungsgebiet) — Der (in der Begr. nicht weiter erläuterte) Absatz 2 ist hauptsächlich für das Vorverfahren und für die sonstigen Vernehmungen außerhalb der Hauptverhandlung von Bedeutung. In der Hauptverhandlung wird er im allgemeinen nur die Bedeutung haben, daß einzelne Aussagen in einer fremden Sprache der Verdolmetschung nicht bedürfen, falls alle bei der Verhandlung beteiligten Personen der fremden Sprache mächtig sind. Im Regelfall kann, auch wenn alle Verfahrensbeteiligte die in Betracht kommenden Fremdsprachen beherrschen, auf die Mitwirkung eines mit den Verhältnissen des Herkunftslandes des Angeklagten vertrauten Dolmetschers (oder Sachverständigen) nicht verzichtet werden; die bloße Kenntnis der Fremdsprache bei allen Beteiligten genügt im allgemeinen deshalb nicht, da bei der Verhandlung auch die besondere Mentalität, die Lebensgewohnheiten und die Religion des Angeklagten von Bedeutung sind, deren Kenntnis und richtige Würdigung für die Tat die bloße Kenntnis der Fremdsprache nicht gewährleistet (vgl. D R i Z 1972 429). Unzulässig wäre es, eine Hauptverhandlung vollständig in der von dem Beschuldigten gesprochenen fremden Sprache zu' führen, sollten auch alle mitwirkenden Gerichtspersonen und sonstigen Beteiligten dieser Sprache mächtig sein; die Leitung der Verhandlungen, die Verkündung der Entscheidungen, die Vorträge der Staatsanwaltschaft und der Rechtsanwälte müssen in deutscher Sprache stattfinden (ebenso M ü l l e r - S a x 6; E b S c h m i d t 10; S t e n g l e i n Anm. 9; a. M. B e n . - B e l i n g 285 Anm. 10). Sonst aber kann — wenigstens theoretisch — die ganze Verhandlung, ja selbst die ganze Hauptverhandlung, fremdsprachig geführt werden ( G e r l a n d Stpr. 179). Das das Protokoll stets in der deutschen Sprache geführt werden muß, ist selbstverständlich.

§ 186 Zur Verhandlung mit tauben oder stummen Personen ist, sofern nicht eine schriftliche Verständigung erfolgt, eine Person als Dolmetscher zuzuziehen, mit deren Hilfe die Verständigung in anderer Weise erfolgen kann. Literatur: R a s c h Recht 1915 593. 1. Taub ist eine Person, deren Gehör für immer oder zeitweise vollständig aufgehoben ist ( R G vom 7. 1. 1915 III 1090/14); stumm ist eine Person, deren Fähigkeit zu sprechen für immer oder zeitweise vollständig aufgehoben ist ( R G , G A 59 337; BGHSt. 13 366 = N J W 1960 584). § 186 gilt nicht für Personen, die nur. wenn auch hochgradig, schwerhörig sind (BGH JZ 1952 730) oder deren Sprechfähigkeit nur beeinträchtigt ist. Auch in solchen Fällen hat der Vorsitzende — bei Beanstandung seiner Anordnungen das Gericht — die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um dem Angeklagten das Verständnis der Verhandlung oder die Verständigung mit den Beteiligten zu ermöglichen; die hierzu erforderlichen Maß2981

§ 1 8 6 Anm. 2—6

Gerichtsverfassungsgesetz

§ 187 nahmen unterliegen jedoch dem richterlichen Ermessen (RGSt. 15 172; R G Recht 1910 Nr. 4224; R G vom 17. 10. 1935 - 3 D 678/35 - ; O L G Freiburg JZ 1951 23). Verständigung mittels eines Hörapparates kann als derartige M a ß n a h m e in Frage kommen ( O L G Freiburg aaO.), ferner die Vermittlung der Verständigung durch eine im Umgang mit Schwerhörigen vertraute Person, z. B. einem Angehörigen (BGH JZ 1952 730). Wird das Verständnis durch Zuziehung einer anderen Person vermittelt, so ist es zulässig (nicht geboten), sie durch den Dolmetschereid zu verpflichten (RGSt. 33 181; B G H JZ 1952 730) — Nr. 24 RiStBV empfiehlt bei Verhandlungen mit Schwerhörigen, sie aufzufordern, das, was sie von Fragen, Zeugenaussagen oder mündl. Erörterungen verstanden haben, zu wiederholen. 2. Zur schriftlichen Verständigung im Sinn des § 186 gehört nicht, daß sie sich beiderseits schriftlich, also durch Niederschreiben der Fragen und der Antworten vollzieht, vielmehr genügt auch eine einseitige schriftliche Verhandlung, also z. B. die Vorlegung schriftlicher Fragen an eine taube, aber des Sprechens fähige Person oder die schriftliche Beantwortung mündlich gestellter Fragen durch eine stumme, aber hörfähige Person (RGSt. 31 313). Es ist auch nicht erforderlich, daß der hörfahige Stumme alle Fragen schriftlich beantwortet. Es genügt z. B., daß er einfache Fragen, die nur mit Ja oder Nein zu beantworten sind, in einer jeden Zweifel an der Bedeutung seines Verhaltens ausschließenden Weise durch Kopfnicken oder Kopfschütteln beantwortet und die schriftliche Äußerung nur zu solchen Fragen erfolgt, die er nicht mit einem bloßen Ja oder Nein 'beantworten will oder kann (BGHSt. 13 366 = N J W 1960 584 = M D R 1960 332). Ist keine solche Verständigung möglich, so darf nicht von der Zuziehung eines Dolmetschers abgesehen werden; ist sie möglich, so hängt es von dem Ermessen des Gerichts ab, ob es in der einen oder in der anderen Art mit der tauben oder stummen Person verhandeln will ( R a s c h , Recht 1915 594). Auch eine Verbindung beider Verhandlungsarten ist statthaft. So kann z. B. dem tauben Angekl. der Eröffnungsbeschluß zum Durchlesen vorgelegt werden, während ihm die Aussagen der Zeugen und sonstige wesentliche Vorgänge der Verhandlung (z. B. Fragen des Gerichts) durch Vermittlung eines Taubstummenlehrers oder eines Angehörigen schriftlich ihrem wesentlichen Inhalt nach zur Kenntnis gebracht und seine eignen mündlichen Äußerungen von den Mittelspersonen entgegengenommen und weitergegeben werden ( R G H R R 1939 Nr. 298). In der Regel empfiehlt sich die Zuziehung eines Sachverständigen (Dolmetschers), um dem tauben Angekl. die erforderliche Kenntnis von allen für die Schuld- und Straffrage wesentlichen Vorgängen zu geben (RiStBV Nr. 24 Absatz 2). Ein Verzicht des Tauben, gegen den ohne Dolmetscher verhandelt wird, auf schriftliche Mitteilung aller wesentlichen Vorgänge ist unzulässig ( R G J W 1904 21. R a s c h 595). 3. Verständigung „in anderer Weise" ist nicht nur eine Verständigung durch Zeichensprache; es gibt sehr viele Personen, die, obwohl taub, doch imstande sind, anderen Personen die Worte von den Lippen abzulesen (vgl. dazu R G G A 68 348). Auf der Vermittlung dieser Fähigkeit beruht der ganze moderne Taubstummenunterricht. Hiernach sind unter Dolmetschern im Sinne des § 186 nicht lediglich der Zeichensprache Kundige, sondern in erster Linie Taubstummenlehrer zu verstehen. 4. Das zu § 185 in Anm. 3, 4, 5, 7, 8 Bemerkte gilt entsprechend für die Zuziehung der in § 186 genannten Dolmetscher (vgl. auch RGSt. 36 355). 5. Wegen der Beeidigung stummer oder tauber Personen s. § 66 d StPO. 6. Ist eine Verständigung mit den Tauben oder Stummen auch bei Zuziehung eines Dolmetschers nicht möglich, so liegt keine „Verhandlung" vor; wegen der Verwertbarkeit des tatsächlichen Verhaltens vgl. RGSt. 33 403.

§ 187 (betr. den Zivilprozeß)

2982

Fünfzehnter Titel. Gerichtssprache (Schäfer)

§ 1 8 8 Anm. 1, 2 § 189 Anm. 1 - 4

§ 188 Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, leisten Eide in der ihnen geläufigen Sprache. Entstehungsgeschichte: Entw. § 154. 1. Wegen der Eidesnorm s. §§ 66 c, 79 StPO. 2. Eine Übertragung des von einem Zeugen oder Sachverständigen in fremder Sprache geleisteten Eides in die deutsche Sprache ist nicht erforderlich (RGSt. 45 304).

§ 189 (1) Der Dolmetscher hat einen Eid dahin zu leisten: daß er treu und gewissenhaft übertragen werde. (2) Ist der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art im allgemeinen beeidigt, so genügt die Berufung auf den geleisteten Eid. Entstehungsgeschichte: Entw. § 155. Literatur: R a s c h , Recht 1916 11; M e y e r C o l l i n g s , KrimMH 1934 106. 1. Notwendigkeit der Beeidigung. Die Übertragung bedarf stets der eidlichen Bekräftigung in der einen (Absatz 1) oder anderen (Absatz 2) Form; einzige Ausnahme: § 190; vgl. dort Anm. 3. Ein Verzicht der Prozeßbeteiligten auf die Beeidigung ist in Strafsachen nicht statthaft (RGSt. 75 332; BGHSt. 22 118", 120; h. M.). Vgl. aber § 185 Anm. I 6. Wer nicht beeidigt werden kann, darfauch nicht als Dolmetscher tätig sein ( R a s c h Recht 1916 12). Über die Bedeutung der unterlassenen Beeidigung als Revisionsgrund vgl. RGSt. 75 332; OLG Karlsruhe GA 1971 214, 216. Wegen der Verwertbarkeit der Niederschrift von Vernehmungen im Hinblick auf § 251 StPO, wenn die Vereidigung des Dolmetschers unterblieben ist, vgl. BGHSt. 22 118 = MDR 1968 600). 2. Beeidigung in jeder einzelnen Sache. Die eidliche Bekräftigung der Übertragung (nach Absatz 1 oder Absatz 2) bildet, da nichts Entgegenstehendes vorgeschrieben ist, gleich der Beeidigung eines Gutachtens einen Bestandteil der einzelnen Verhandlung; mithin muß sie, wenn in einer Sitzung mehrere die Zuziehung des Dolmetschers erfordernde Sachen zur Verhandlung kommen, in jeder besonders abgegeben werden. Das ist allerdings ein Übelstand, wenn ein Gerichtsbeamter als Dolmetscher tätig und als solcher im allgemeinen beeidigt ist; es wäre angemessener, die eidliche Bekräftigung in diesem Falle für entbehrlich zu erklären. Vgl. Anm. 3. 3. Beeidigung in derselben Sache. Der Fall, daß der Dolmetscher bei einer späteren Verhandlung in derselben Sache abermals zugezogen wird, ist im Gesetz nicht geregelt. Mangels einer ausdrücklichen Bestimmung ist die einmal abgegebene eidliche Bekräftigung nicht auch für alle folgenden Verhandlungen in derselben Sache wirksam. Daher muß sich der Dolmetscher, wenn er im allgemeinen beeidigt ist, in der späteren Verhandlung von neuem auf den allgemeinen Eid berufen. War er bei der ersten Zuziehung gemäß Absatz 1 besonders beeidigt worden und wird er dann in demselben Vorverfahren oder in demselben Hauptverfahren abermals zugezogen, so genügt, wie bei Zeugen und Sachverständigen (vgl. §§ 67, 72 StPO), die Versicherung unter Berufung auf den früher geleisteten Eid (RG DJZ 1921 204; h. M.). Wird der Dolmetscher im Hauptverfahren erneut zugezogen, während er früher im Vorverfahren tätig war, so ist die nochmalige Beeidigung erforderlich, wenn er nicht allgemein beeidet war. Vgl. Anm. 2. 4. a) Wegen der Beeidigung im allgemeinen vgl. StPO § 79 Abs. 3 und dort Anm. 6 c. Für die ehemals preuß. Gebietsteile s. die Dolmetscherordnung vom 15.2. 1928 (JMB1. 100), 11. 6. 1930 (JMB1. 198), an deren Stelle z. T. neue Vorschriften getreten sind (vgl. z. B. § 6 Saarl. AGGVG vom 4. 10. 1972, Abi. 601). 2983

§ 1 8 9 Anm. 5, 6 § 190 Anm. 1 - 3

Gerichtsverfassungsgesetz

b) Die Worte „der betreffenden Art" beziehen sich zunächst auf die Verschiedenheit der in § 185 und der in § 186 behandelten Fälle. Außerdem besagen sie, daß die Berufung auf den allgemeinen Eid unstatthaft ist, wenn es sich um eine andere fremde Sprache handelt als um die, für die der Dolmetscher im allgemeinen beeidigt ist. 5. Der Dolmetschereid nach Absatz 1 ist — im Gegensatz zu § 59 StPO — als Voreid zu leisten („daß er . . . übertragen werde"; vgl. BGH MDR 1970 778); doch kann ein Urteil regelmäßig nicht darauf beruhen, wenn der Dolmetscher erst nach Beendigung seiner Tätigkeit beeidigt wird (RG H R R 1939 Nr. 1117). Wegen der Formel des vom Dolmetscher nach Absatz 1 zu leistenden Eides und wegen der Art der Ableistung sind für Strafsachen die Vorschriften des § 66c StPO maßgebend. Vgl. § 191 Anm. 3, § 72 StPO. - Der Eid des Dolmetschers bezieht sich nicht nur auf die eigentliche Übertragung; er deckt die gesamte Aussage, die der Dolmetscher bei Erfüllung seiner Aufgaben zu machen hat. Infolgedessen umfaßt er auch die Erklärung, daß der Zeuge nach der Uberzeugung des Dolmetschers von dem Wesen des Eides keine Vorstellung habe (RG LZ 1921 694). — Der Dolmetscher, der bewußt unrichtig überträgt, begeht — wie der Sachverständige, der bewußt ein unrichtiges Gutachten erstattet (vgl. § 191) - einen nach § 154 StGB zu beurteilenden Meineid (BGHSt. 4 154). 6. Die Berufung auf den im allgemeinen geleisteten Eid erfordert eine ausdrückliche Erklärung des Dolmetschers selbst (RGRspr. 7 426, RG HRR 1933 Nr. 1153); eine Verweisung durch das Gericht genügt nicht; vgl. Anm. 6 c zu § 79 StPO. Die Form der Bezugnahme muß deutlich erkennen lassen, daß der Dolmetscher gerade durch den Eid zu treuer und gewissenhafter Übertragung verbunden ist; eine bloße Versicherung treuer und gewissenhafter Übertragung genügt deshalb den Anforderungen nicht (RGSt. 75 332). Auch die Berufung hat, wie der Eid nach Absatz 1, vor Beginn der Tätigkeit des Dolmetschers zu erfolgen.

§ 190 Der Dienst des Dolmetschers kann von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wahrgenommen werden. Einer besonderen Beeidigung bedarf es nicht. Entstehungsgeschichte: Entw. § 156. Änderung des Satzes 1 („dem" statt früher „einem") durch Ges. vom 12. 9. 1950. 1. Nur der Urkundsbeamte (vgl. Anm. 2 zu § 153), nicht aber der Richter, darf in einer Verhandlung, in der er sein Amt ausübt, zugleich als Dolmetscher tätig sein (OLG Karlsruhe, Die Justiz 1962 93 und h. M. in Schrifttum; a. M. KG JR 1935 991; vgl. Anm. 3 zu § 184). Auch mit der Tätigkeit des Staatsanwalts und des Verteidigers ist die des Dolmetschers unvereinbar. Vgl. § 191 Anm. 2. 2. kann. Ob der Urkundsbeamte fähig ist, die Aufgabe des Dolmetschers in der fremden Sprache zu erfüllen, muß selbstverständlich bei ihm wie bei anderen Personen geprüft werden (vgl. § 185 Anm. 5). 3. Beeidigung. Die Begr. (95) bemerkt: „Indem der Paragraph den Urkundsbeamten von besonderer Leistung des Dolmetschereides entbindet, erklärt er für den Fall der Heranziehung des Urkundsbeamten zum Dolmetscherdienst die treue und gewissenhafte Übertragung für eine Amtspflicht." Wie sich hieraus ergibt, ist nicht nur die „besondere" Beeidigung des Urkundsbeamten als Dolmetscher (§ 189 Abs. 1) entbehrlich, sondern er braucht auch nicht „im allgemeinen" (§ 189 Abs. 2) als Dolmetscher beeidigt zu sein (RGSt. 1 397). — Satz 2 bezieht sich nur auf den Urkundsbeamten, der als solcher in der Verhandlung mitwirkt. Wird ein anderer Urkundsbeamter als Dolmetscher zugezogen, so findet auf ihn § 189 Anwendung (RGSt. 2 372); das wird durch die neue Fassung („dem" statt früher „einem" Urkundsbeamten) verdeutlicht (ebenso M ü l l e r - S a x 1;K1 l ; a . M. E b S c h m i d t 1). 2984

§ 191 Anm. 1 - 4 Vor § 192 Auf den Dolmetscher sind die Vorschriften über Ausschließung und Ablehnung der Sachverständigen entsprechend anzuwenden. Es entscheidet das Gericht oder der Richter, von dem der Dolmetscher zugezogen ist. Entstehungsgeschichte: Entw. § 157. 1. Satz 1 verweist auf § 74 StPO und § 406 Z P O . Beide Prozeßordnungen kennen nur die Ablehnung, keine Ausschließung von Sachverständigen; Tatsachen, aufgrund deren ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, sind bei einem Sachverständigen nur geeignet, die Ablehnung zu begründen; vgl. § 74 Abs. 1, § 24 Abs. 1 StPO. Soweit § 191 die Ausschließungsvorschriften für anwendbar erklärt, liegt also ein Redaktionsversehen vor (h. M.). 2. Ein Dolmetscher kann zugleich Zeuge und Sachverständiger sein und dann seine Aussagen selbst übertragen (RGSt. 45 304). 3. Entsprechende Anwendung. Ob der Dolmetscher begrifflich zu den Sachverständigen gehört, war früher streitig (vgl. die Nachweise in Anm. 4 der 20. Aufl.). Das Reichsgericht hatte diese Frage verschieden beantwortet. In einigen Entscheidungen wurde ausgeführt, daß der Dolmetscher auf dem Gebiet des Strafverfahrens die Stellung eines Sachverständigen habe (RGSt. 9 53; 25 354; 45 304; R G J W 1924 707), in anderen dagegen wurde der Dolmetscher als Sachverständiger im weiteren Sinn, nicht im juristisch-technischen Sinn bezeichnet ( R G Rspr. 8 97; R G LZ 1921 693). Im Anschluß an BGHSt. 4 154 wird jetzt allgemein angenommen, daß die Stellung des Dolmetschers der eines Sachverständigen nur „in vielem ähnlich" ist. D a s Gemeinsame ist, daß sie kraft ihrer besonderen Fachkenntnisse Gehilfen der Richter sind (vgl. E b S c h m i d t 1 zu § 185, 1 zu § 191, M ü l l e r - S a x 2 zu § 191; K l 3 zu § 185). D a s entspricht dem § 191, da nur einzelne Bestimmungen „entsprechende" Anwendung finden sollen (RGRspr. 8 203; R a s c h Recht 1916 11; G e r l a n d Stpr. 180; K e r n GVerfR 142). F ü r diese Ansicht spricht auch § 189, der eine besondere Eidesformel aufstellt und die Beeidigung — im Gegensatz zu dem für den Sachverständigen geltenden § 79 StPO — zwingend vorschreibt ( R G J W 1936 464). Demgemäß gelten für den Dolmetscher ausschließlich die Vorschriften des G V G , für den Sachverständigen dagegen die Vorschriften der Prozeßordnungen. § 68 StPO findet auf Dolmetscher keine Anwendung; die Vorlegung der Fragen nach der Person unterliegt dem richterlichen Ermessen (RGRspr. 8 203). Aus § 75 StPO kann keine Pflicht zur Übernahme des Amtes eines Dolmetschers hergeleitet werden ( B e n . - B e l i n g 287, G e r l a n d Stpr. 180), was nicht ausschließt, daß durch Verwaltungsanordnung eine solche Pflicht für bestimmte Klassen der Justizbeamten eingeführt wird (vgl. § 190). Auch § 245 ist nicht auf Dolmetscher anwendbar (RGRspr. 8 97). Die in § 274 geregelte Beweiskraft des Sitzungsprotokolls bezieht sich nicht auf die Tätigkeit des Dolmetschers (RGSt. 43 442). § 22 Nr. 5 StPO gilt zwar für Sachverständige, aber nicht für Dolmetscher (vgl. Anm. II 6 zu § 22 StPO). Zu den entsprechend anwendbaren Vorschriften gehören die §§ 67, 72 StPO (vgl. § 189 Anm. 3). Dolmetscher i. S. des 15. Titels ist aber nur ein Sprachkundiger, der den Verkehr der Beteiligten mit dem Gericht vermittelt. Dagegen liegt Sachverständigentätigkeit vor, wenn es sich um die Vermittlung des Sinns einer außerhalb des Prozeßverkehrs abgegebenen fremdsprachigen Äußerung handelt (vgl. Anm. 1 6 zu § 185). 4. Zu Satz 2. Die Schöffen nehmen an der Entscheidung über die Ablehnung teil (§§ 30, 77, 82 GVG).

SECHZEHNTER TITEL Beratung und Abstimmung Zu diesem Titel sind die Vorbemerkungen vor § 33 StPO und die Anm. zu §§ 33, 34 StPO zu vergleichen, die sich auf Erlaß. Begründung und Benennung der strafgerichtlichen Entscheidungen beziehen. 2985

§ 192

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. I 1,2; II 1 - 4

§ 192 (1) Bei Entscheidungen dürfen Richter nur in der gesetzlich bestimmten Anzahl mitwirken. (2) Bei Verhandlungen von längerer Dauer kann der Vorsitzende die Zuziehung von Ergänzungsrichtem anordnen, die der Verhandlung beizuwohnen und im Falle der Verhinderung eines Richters für ihn einzutreten haben. (3) Diese Vorschriften sind auch auf Schöffen anzuwenden. Entstehungsgeschichte: Entw. § 158. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 320). Durch Art. II Nr. 41 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) wurde in Absatz 3 „und Geschworene" hinter „Schöffen" gestrichen. I. Zu Absatz 1 (gesetzlich bestimmte Richterzahl). 1. Gesetzlich bestimmt. Durch Absatz 1 in Verb, mit Absatz 3 ist zunächst ausgesprochen, daß die Zahl der bei der Entscheidung mitwirkenden Gerichtspersonen nur die im Gesetz bestimmte (keine größere und keine geringere) sein darf. Für die mit Schöffen besetzten Spruchkörper ist damit ferner bestimmt, daß innerhalb dieser Spruchkörper die Zahl der Schöffen nur die im Gesetz bestimmte sein darf; ein Schöffe kann nicht durch einen Richter, ein Richter nicht durch einen Schöffen ersetzt werden. Trifft ein Gericht eine Entscheidung in einer vom Gesetz abweichenden Besetzung, so stellt dies auch eine Amtspflichtverletzung gegenüber den Prozeßbeteiligten (den Parteien des Zivilprozesses, dem Beschuldigten im Strafprozeß) dar (vgl. B G H Z 36 144, 151 = N J W 1962 583, 585). 2. Die Bestimmungen über die Anzahl der Richter und Schöffen siiid in den §§ 22, 29, 76, 81, 122, 132, 139 G V G enthalten. Für Entscheidungen der Großen Senate und der Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs ist nur die Mindest- und Höchstzahl der mitwirkenden Richter bestimmt (§ 132). Das widerspricht nicht dem Grundsatz des gesetzlichen Richters — Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G - (vgl. BVerfGE 19 52). Wegen der Jugendgerichte vgl. § 33 J G G . II. Zu Absatz 2 (Ergänzungsrichter). 1. Grundgedanke. Nach dem Grundsatz der Mündlichkeit dürfen bei einer aufgrund einer Hauptverhandlung zu erlassenden Entscheidung nur die Richter und Schöffen mitwirken, die an der ganzen Hauptverhandlung ununterbrochen teilgenommen haben (vgl. § 226 StPO). Hieraus folgt, daß, wenn im Lauf der Verhandlung eine dieser Gerichtspersonen durch Erkrankung oder in anderer Weise an der ferneren Mitwirkung verhindert wird, die bisherige Verhandlung wiederholt werden muß (vgl. RGSt. 62 198). Der danach bestehenden Gefahr, eine Verhandlung von längerer Dauer wegen nachträglich eintretender Verhinderung eines Richters oder Schöffen wiederholen zu müssen, will das Gesetz nach Möglichkeit dadurch vorbeugen, daß es die Zuziehung von Ergänzungsrichtern und -Schöffen gestattet. 2. kann. Die Zuziehung von Ergänzungspersonen ist in das Ermessen des Vorsitzenden des verhandelnden Gerichts, nicht des Gerichtsvorstandes (Landgerichtspräsidenten usw.) gestellt (RGSt. 56 138). 3. „Ergänzungsrichter" und „Ergänzungsschöffe" ist nicht gleichbedeutend mit „Hilfsrichter" (vgl. Anm. 5 zu § 22) oder „Hilfsschöffe" (§§ 42, 84). 4. Zahl und Art. Der Vorsitzende kann die Zuziehung von Ergänzungspersonen der einen Art (z. B. der Schöffen) anordnen, ohne daß es deshalb für eine andere Art (Richter) derselben Maßregel bedarf. Ebenso ist die Zahl der zuzuziehenden Ergänzungspersonen in das Ermessen des Vorsitzenden gestellt. In der Regel wird für jede der verschiedenen Arten von Gerichtspersonen eine Ergänzungsperson genügen, und jedenfalls wird die Zahl zwei nur ausnahmsweise bei Verhandlungen von voraussichtlich sehr langer Dauer zu überschreiten sein. 2986

Sechzehnter Titel. Beratung und Abstimmung (Schäfer)

§ 192 Anm. II 5, 6

5. Ausnahme. Es ist nicht statthaft, den einzigen in einer Verhandlung mitwirkenden Berufsrichter (Amtsrichter als Einzelrichter, Vorsitzender des einfachen Schöffengerichts oder der kleinen Strafkammer) durch einen Ergänzungsrichter zu ersetzen (ebenso E b S c h m i d t 8; Kl 2; a. M. M ü l l e r - S a x 4a). Die Zuziehung eines Ergänzungs- (berufs)richters ist nur bei den mit einer Mehrzahl von Berufsrichtern besetzten Gerichten möglich, daher auch beim erweiterten Schöffengericht. 6. Ausführung der Anordnung des Vorsitzenden, a) In welcher Weise die Anordnung des Vorsitzenden auszuführen ist, welche Stelle also die Person des oder der Ergänzungsrichter bestimmt, ist, soweit es sich um die Berufsrichter handelt, im G V G nicht geregelt. Die Meinungen gehen auseinander. Nach Auffassung der Motive (Begr. S. 96) bleibt die Regelung dem Landesrecht überlassen (so auch noch Kl 3). Tatsächlich ist eine solche aber nicht erfolgt; sie wäre auch bedenklich (von K r i e s 150). Nach anderer Meinung ist die Benennung des Ergänzungsrichters Sache der Justizverwaltung (so von K r i e s S. 147 und die 20. Aufl. Anm. 8). Aber das widerspricht dem Prinzip der gerichtlichen Selbstverwaltung. Dem Grundgedanken des Präsidialsystems, aber auch der Regelung in § 83 Abs. 3 entspricht es vielmehr, das Präsidium für zuständig zu erklären (so schon z. T. das ältere Schrifttum, z. B. S t e n g l e i n 4, K e l l e r 228). Nur wenn dessen Beschluß nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, trifft die Bestimmung gemäß § 21 i Abs. 2 der LG-Präsident oder (beim erweiterten Schöffengericht) der aufsichtführende Richter (aber als Vorsitzender des Präsidiums, also in richterlicher Unabhängigkeit, nicht als Organ der Justizverwaltung). Die unter der Herrschaft des § 67 a. F. vertretene Auffassung (so E b S c h m i d t 11; M ü l l e r S a x 2 a), daß — in entsprechender Anwendung des § 67 a. F. — stets nur der LGPräsident die Bestimmung treffe, ist mit der Aufhebung des § 67 und seiner Ersetzung durch § 21 i Abs. 2 hinfällig geworden. Der Ergänzungsrichter braucht nicht der regelmäßige oder zeitweilige Vertreter eines der mitwirkenden Richter, er muß aber Mitglied des Landgerichts usw. sein (RGSt. 59 20). b) Die Ergänzungsschöffen sind nach Maßgabe der §§ 49, 84 einzuberufen, d. h. es ist der im Zeitpunkt der Anordnung des Vorsitzenden anstehende Hilfsschöffe heranzuziehen (BGH JZ 1963 766). Streitig ist die Behandlung des Falles, daß der Vorsitzende die Heranziehung eines Ergänzungsschöffen angeordnet hat und vor Beginn der Sitzung ein Schöffe ausfällt. Nach BGHSt. 18 349 = NJW 1963 1511 = JZ 1963 766; BGHSt. 22 289, 293 übernimmt der Ergänzungsschöffe die Rolle eines Hilfsschöffen und tr kraft Gesetzes an die Stelle des ausgefallenen Hauptschöffen. Dem kann nicht beigestimmt werden, vielmehr muß an Stelle des Hauptschöffen der an bereiter Stelle der Liste stehende Hilfsschöffe einberufen werden (ebenso K e r n JZ 1963 766). Der BGH meint, das Gesetz wolle zwar mit der Zulassung von Ergänzungsrichtern in erster Linie der Gefahr vorbeugen, daß bei Ausfall eines Schöffen während der Verhandlung diese in neuer Besetzung vollständig wiederholt werden müsse. Dem Wortlaut des Gesetzes sei aber nicht zu entnehmen, daß es den Eintritt des Ergänzungsschöffen auf diesen Fall beschränken und seinen Eintritt bei einem Wegfall eines Hauptschöffen vor Beginn der Hauptverhandlung ausschließen wolle. Ob der Wortlaut des § 192 mit einer solchen Auslegung vereinbar ist, kann offen bleiben; jedenfalls steht ihr die ratio legis entgegen. Denn wenn der Hauptschöffe schon vor Beginn der Hauptverhandlung wegfällt, der Gesichtspunkt der Erhaltung bereits geleisteter Arbeit also gar nicht in Betracht kommt, weil noch keine Arbeit geleistet ist, sondern diese erst bevorsteht, so ist nicht einzusehen, was dazu berechtigen könnte, von den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften über die Ersetzung eines ausfallenden Richters abzuweichen. Freilich ist es bequemer, beipi Wegfall eines Hauptschöffen etwa kurz vor der Hauptverhandlung auf den zur Verfügung stehenden Ergänzungsschöffen zurückzugreifen, wenn aus der Heranziehung eines Hilfsschöffen Verzögerungen drohen. Aber solche Gesichtspunkte rechtfertigen kein Abweichen von der gesetzlichen Ordnung, die der Durchsetzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters gilt (vgl. Anm. 4 zu § 49). Auf RGSt. 61 307 kann sich, wie K e r n aaO. mit Recht hervorhebt, der B G H nicht berufen, denn in dem dort entschiedenen Fall war der Ergänzungsschöffe zugleich der an bereiter Stelle stehende Hilfsschöffe. c) Die Anordnung der Heranziehung eines Ergänzungsrichters kann der Vorsitzende jederzeit nach freiem Ermessen zurücknehmen (RGSt. 56 138; 61 307), wenn sich auch 2987

§192 Anm. II 7, 8

Gerichtsverfassungsgesetz

eine Zurücknahme vor Schluß der Beweisaufnahme nicht empfehlen wird (vgl. RGSt. 14 211). Nach K e r n JZ 1963 766 ist dagegen die Zurücknahme nur bei Wegfall des sachlichen Bedürfnisses nach einem Ergänzungsrichter zulässig. Indessen wird durch die Möglichkeit jederzeitiger Zurücknahme nach freiem Ermessen der Grundsatz des gesetzlichen Richters nicht berührt. Denn bei etwaiger späterer Verhinderung eines mitwirkenden Richters wirkt in der von neuem begonnenen Hauptverhandlung wieder ein im voraus bestimmter Richter mit, so daß Willkürmanipulationen ausscheiden. Mit dem Eintritt des Verhinderungsfalles während der Sitzung ist selbstverständlich eine Aufhebung der Heranziehung ausgeschlossen. Aber auch vor Beginn der Verhandlung ist eine Zurücknahme dann ausgeschlossen, wenn für einen ausgefallenen Hauptschöffen bereits ein Hilfsschöffe einberufen war und die Zurücknahme bezweckt, den Ergänzungsschöffen für die Tätigkeit als Hilfsschöffen frei zu machen. Denn dann stünde es im Belieben des Vorsitzenden, ob der als Ergänzungsschöffe oder der als Hilfsschöffe Einberufene in das Gericht eintritt (BGH St. 18 349; a. M. RGSt. 61 307)*). 7. der Verhandlung beizuwohnen, a) Nur wer aufgrund der Anordnung des Vorsitzenden, also in der amtlichen Eigenschaft als Ergänzungsrichter usw., der Verhandlung von Anfang an ununterbrochen beigewohnt hat, kann für einen verhinderten Richter eintreten, nicht dagegen ein Richter usw., der zwar ununterbrochen, jedoch nur als Zuhörer in der Verhandlung anwesend war. Vgl. Anm. 8. b) Die Ergänzungspersonen haben der Verhandlung auf bestimmten, ihrer amtlichen Eigenschaft entsprechenden Plätzen beizuwohnen. Es dürfte am angemessensten sein, den Ergänzungsrichtern und -Schöffen Plätze an oder neben dem Richtertisch anzuweisen. c) Solange die Ergänzungsperson noch keine Gerichtsperson ersetzt hat, ist sie nur berufen, der Verhandlung beizuwohnen, d. h. in der Hauptverhandlung anwesend und darauf vorbereitet zu sein, jederzeit den Platz der Gerichtsperson einzunehmen, die sie ggf. ersetzen soll. Sie muß deshalb der Hauptverhandlung so folgen und folgen können, als ob sie an der Beratung und Beschlußfassung des Urteils teilnehmen müsse (BVerfGE 30 149, 156 = NJW 1971 1029 = JZ 1971 327). Da sie aber, solange der Verhinderungsfall nicht eingetreten ist, nicht an den Entscheidungen teilzunehmen hat, darf sie auch nicht bei der Beratung im Beratungszimmer zugegen sein (§ 193; vgl. RGSt. 65 40; JW 1926 1227; BGHSt. 18 331 = NJW 1963 1463 und wegen der Bedeutung eines Verstoßes dagegen Anm. 5 zu § 193). Der Verhandlung wohnt sie aber als Richter und nicht als bloßer Zuhörer bei. Daraus folgt, daß sie sich an der Beweisaufnahme zu beteiligen hat und daß ihr gemäß § 240 Abs. 1 StPO zu gestatten ist, an Zeugen und Sachverständige Fragen zu stellen, an einer Augenscheinseinnahme teilzunehmen usw. (RGSt. 27 172; 67 227; BVerfGE 30 149, 156). Die Beiwohnung als Ergänzungsrichter stellt keine die Ausschließung begründende „Mitwirkung bei einer Entscheidung" i. S. des § 23 StPO dar (BVerfG aaO.; dazu A r z t NJW 1971 1112. 1115). 8. Der Eintritt der Ergänzungsperson in das Richterkollegium setzt einen Gerichtsbeschluß voraus, an dem bereits der Ergänzungsrichter an Stelle des verhinderten Richters mitwirkt. Der Beschluß kann außerhalb der Hauptverhandlung ergehen (RGSt. 65 322), aber auch hier nur nach Anhörung der Beteiligten (§ 33 StPO, Art. 103 Abs. 1 GG). Nur bei wirklicher Verhinderung — der Begriff ist der gleiche wie in §§ 21 e Abs. 1, 21 f. Abs. 2 — einer Gerichtsperson ist ihre Ersetzung durch die Ergänzungsperson statthaft; der Umstand, daß eine Gerichtsperson aus irgendwelchem Grund, z. B. wegen eines Gewissenszweifels, aus der Verhandlung auszuscheiden wünscht, kann die Ersetzung nicht begründen. Im übrigen aber entscheidet das Gericht nach pflichtmäßigem Ermessen. So kann z. B. darin, daß ein Richter oder Schöffe nach Unterbrechung einer Sitzung bei Wiederbeginn der Verhandlung nicht anwesend ist, eine Verhinderung gefunden werden (RGSt. 30 227). Auch eine rechtliche Verhinderung, z. B. das nachträgliche Bekanntwerden eines Ausschließungsgrundes, kann die Ersetzung veranlassen (RGSt. 35 372). Die Notwendigkeit der Ersetzung ist genügend dargetan, wenn das Gericht die Entbindung der verhinderten Person von ihrer *) Darüber, daß der Ergänzungsschöffe nach seiner „Zuziehung" während der D a u e r des betreffenden Verfahrens nicht durch Heranziehung zu anderen Verfahren (als Hauptschöffe) seiner Tätigkeit als Ergänzungsschöffe entzogen werden darf ( B G H N J W 1973 476 = M D R 1973 331) vgl. 3 zu § 77.

2988

Sechzehnter Titel. Beratung und Abstimmung (Schäfer)

§ 192 Anm II 9 , 1 0 § 193 Anm. 1 , 2

Tätigkeit mit Rücksicht auf den von ihr geltend gemachten Verhinderungsgrund ausdrücklich beschlossen hat (RGSt. 7 284). Eine Nachprüfung nach der Richtung, ob das Gericht von seinem Ermessen den richtigen Gebrauch gemacht hat, findet in der Revisionsinstanz nicht statt ( R G H R R 1931 Nr. 1995). Nachprüfbar ist nur, ob der Rechtsbegriff der Verhinderung verkannt ist (vgl. Anm. II 4 d zu § 21 f). Die Entscheidung darüber, ob der Fall einer Verhinderung vorliegt und die Ersetzung stattzufinden hat, steht nicht dem Vorsitzenden, sondern dem Gericht zu (so RGSt. 13 191, E b S c h m i d t 12ff.; K l 4; a. M. RGSt. 38 43; M ü l l e r - S a x 4b). Bei Verhinderung des Vorsitzenden übernimmt, wenn sich unter den Beisitzern der ihm zum regelmäßigen Vertreter bestimmte Richter ( § § 2 1 f. Abs. 2, 83 Abs. 2), befindet dieser, sonst der älteste der anwesenden Beisitzer den Vorsitz (BGHSt. 21 108 = M D R 1966 858 = N J W 1966 2072 = LM Nr. 3 m. Anm. M a r t i n ) . Kennt nur der Berichterstatter die Akten genügend, um die Verhandlung führen zu können, so kann er den Vorsitz übernehmen (RGSt. 56 63; BGHSt. 21 108, 111), falls er bei dem betreffenden Gericht angestellter Richter auf Lebenszeit ist (§ 28 DRiG). Vgl. § 21 f. 9. Nach Eintritt des Ergänzungsrichters wird die Verhandlung in dem bisher erreichten Stadium fortgesetzt. Das Gericht ist also nicht verpflichtet, nach dem Eintritt der Ergänzungsperson vor dem Urteil von neuem über einen Gegenstand zu entscheiden, über den eine Entscheidung in der Hauptverhandlung unter Mitwirkung des ausgeschiedenen Richters ergangen ist (RGSt. 67 276), sofern nicht eine besondere Veranlassung zur nochmaligen Nachprüfung besteht ( E b S c h m i d t 20 ff., M ü 11 e r - S a x 5). 10. Werden mehrere Ergänzungsrichter oder mehrere Ergänzungsschöffen (vgl. Anm. II 4) zugezogen, so muß bei ihrer Zuziehung zugleich die Reihenfolge festgesetzt werden, in der sie einzutreten haben (h. M.). Ist das nicht ausdrücklich geschehen, so ist die Reihenfolge, in der sie in der Verfügung aufgeführt sind, und bei nicht gleichzeitiger Berufung deren Zeit maßgebend. Jedenfalls ist eine Abänderung der Reihenfolge nur bis zum Beginn der Verhandlung statthaft.

§ 193 Bei der Beratung und Abstimmung dürfen außer den zur Entscheidung berufenen Richtern nur die bei demselben Gericht zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigten Personen zugegen sein, soweit der Vorsitzende deren Anwesenheit gestattet. Entstehungsgeschichte: Seine jetzige Fassung erhielt § 193 durch Ges. vom 5 . 4 . 1888 (RGBl. 133). Schrifttum: B i c h e l m e i r , Der juristische Hilfsarbeiter an den obersten deutschen Gerichten, Heymanns Verlag 1970; D a m r a u . Dürfen wissenschaftliche Hilfsarbeiter an Beratungen teilnehmen (§ 193 GVG)? N J W 1968 633; H e r r , Abordnung von Richtern an die obersten Gerichte, D R i Z 1962 228 (mit weiteren Schrifttumsnachweisen); S c h n e i d e r , Die Teilnahme Dritter, insbesondere der Referendare an der Beratung. M D R 1968 973. 1. Grundgedanke — Nach § 192 Abs. 1 dürfen Richter bei Entscheidungen nur in der gesetzlich bestimmten Zahl mitwirken. Darüber hinaus verbietet § 193, daß — mit der dort vorgesehenen Ausnahme — andere Personen als die zur Entscheidung berufenen Richter bei der Beratung und Abstimmung zugegen sind. Damit soll ausgeschlossen werden, daß andere Personen, auch wenn sie nicht i. S. des § 192 Abs. 1 „mitwirken", durch ihr Verhalten oder auch schon durch ihre bloße Gegenwart beeinträchtigend auf die Unabhängigkeit und freie Entschließung der Richter einwirken; auch wäre die Wahrung des Beratungsgeheimnisses (§ 43 DRiG) nicht gesichert. Diese Erwägungen müssen aber gegenüber den bei dem Gericht zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigten Personen zurücktreten, da zu deren Ausbildung auch gehört, zu erlernen, wie sich die Willensbildung des Gerichts bei Beratung und Abstimmung vollzieht und einen dem Beratungsergebnis entsprechenden Entwurf der Entscheidung zu fertigen. 2. Geltungsbereich, a) Schon die Nebeneinanderstellung von „Beratung und Abstimmung" zeigt, daß § 193 nur beim Kollegialgericht in Betracht kommt, also nicht beim Ein2989

§ 193

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. 3 zelrichter. Der Einzelrichter geht wohl, volkstümlich gesprochen, mit sich „zu Rate", aber er kann — gegen BGHSt. 11 74, 79 — im technischen Sinn nicht „mit sich selbst beraten", denn Beratung bedeutet schon dem Wortsinn nach Aussprache zwischen mehreren Richtern. Der der Beratung und Abstimmung beim Kollegialgericht entsprechende Vorgang tritt bei ihm nicht äußerlich, sondern nur innerlich in Erscheinung, indem er das Ergebnis der Hauptverhandlung abwägt und sich zu einer Entscheidung entschließt (wegen der aus diesem Unterschied sich ergebenden Folgerungen vgl. unten Anm. 4 e). Wie das Kollegialgericht (vgl. Anm. 3 b), so kann auch der Einzelrichter diesen Vorgang schon während der Hauptverhandlung vorbereiten, auch — als Entwurf — die Urteilsformel schon während der Schlußvorträge der Beteiligten niederschreiben. Seinen endgültigen Entschluß darf auch er erst nach dem letzten Wort des Angeklagten treffen. Doch ist es nicht erforderlich, daß er dieses Stadium abschließender Überlegung und Fassung des endgültigen Entschlusses äußerlich erkennbar macht (BGHSt. 11 74). b) § 193 gilt für die Beratung sowohl der Urteile wie der Beschlüsse des Gerichts. 3. Beratung a) Eine Beratung liegt nur vor, wenn das Gericht als solches eine Aussprache mit dem Ziel einer gerichtlichen Willensbildung abhält. Ein Kennzeichen dafür, daß eine Beratung i. S. des § 193 stattgefunden hat, ist regelmäßig darin zu erblicken, daß aufgrund der Aussprache eine Entscheidung erlassen wird ( R G H R R 1940 Nr. 50). Die Beratung ist beendigt, wenn der Zweck der Aussprache erreicht ist, also z. B. bei Beratung eines Urteils mit der Willensbildung über den Inhalt des Urteils. Es liegt deshalb kein Verstoß gegen § 193 vor, wenn eine irrtümlich niedergeschriebene Urteilsformel, nachdem die Verkündung des Urteils unterbrochen worden ist, in Gegenwart des Urkundsbeamten (vgl. Anm. 4 a) mit der zuvor schon beschlossenen Entscheidung in Einklang gebracht wird, ohne daß eine neue Beratung und Abstimmung stattfindet (RG H R R 1940 Nr. 51; vgl. RGSt. 43 51; 46 374; 64 167). b) § 193 erfordert nicht, daß sich das Gericht bei Erlaß einer jeden Entscheidung in das Beratungszimmer zurückziehen müßte; es ist vielmehr, und zwar selbst bei Anwesenheit von Zuhörern, statthaft, daß sich die Mitglieder des Gerichts im Sitzungszimmer mit leiser Stimme über die Entscheidung verständigen; nur dürfen, zwecks Wahrung des Beratungsgeheimnisses, ihre Worte nicht für andere hörbar sein (RGSt. 22 396, 30 2 3 0 , 4 2 86, 46 374; H R R 1939 Nr. 361; OGHSt. 2 193; BGHSt. 19 156 = N J W 1964 308). Im allgemeinen kommt ein solches Verfahren nur bei Beschlüssen in Betracht, bei denen es sich um einfach liegende Fragen handelt. Bei Urteilen ist es zur Verhütung vom Übereilungen und Irrungen, aber auch wegen des Eindrucks auf den Angeklagten und den Verteidiger stets angemessen, die Beratung und Abstimmung im Beratungszimmer vorzunehmen. Ausnahmsweise kann auch bei Urteilen nach Beratung und anschließendem Wiedereintritt in die Verhandlung die abschließende Beratung in der vorerwähnten abgekürzten Form im Sitzungsraum stattfinden, wenn es nur noch einer Vergewisserung bedarf, daß es bei dem Ergebnis der bisherigen Beratung bleiben soll, weil sich keine neuen belangvollen Umstände ergeben haben. Doch ist auch hier größte Zurückhaltung am Platz (BGHSt. 24 170 = N J W 1971 2082), und es muß der Vorsitzende insbesondere darauf achten, daß die Laienrichter voll beteiligt werden (BGH N J W 1964 308). RiStV 1935 Nr. 218 empfahl auch dem Einzelrichter, im Interesse des Ansehens der Rechtspflege das Urteil nicht unmittelbar nach dem letzten Wort des Angekl. zu verkünden, sondern sich zur Würdigung des Verhandlungsergebnisses und zur Niederschrift der Urteilsformel in das Beratungszimmer zu begeben. c) Vorberatung. Es ist nicht unzulässig, daß die Richter schon vor dem Schluß der Hauptverhandlung über die zu treffende Entscheidung vorberaten, d. h. die bisherigen Ergebnisse der Hauptverhandlung vorbereitend besprechen und für die endgültige Beratung schriftlich (in Form von Notizen) festhalten. Ein solches Verfahren ist z. B. bei Monstreprozessen von monatelanger Dauer und einer Vielzahl von Angeklagten und Anklagepunkten unentbehrlich, wenn nicht das Gericht jeden Überblick verlieren will. Auf jeden Fall muß aber noch eine endgültige, den gesamten Gegenstand der Verhandlung umfassende und nicht bloß formale Beratung nach dem letzten Wort des Angeklagten stattfinden. Denn aus 2990

Sechzehnter Titel. Beratung und Abstimmung (Schäfer)

§ 193 Anm. 4

§ 261 St PO und Art. 103 Abs. 1 G G ergibt sich, daß der Richter das letzte Wort des Angeklagten anhören und bei der Urteilsfindung berücksichtigen muß und sich vorher keine endgültige Überzeugung bilden darf (vgl. RGSt. 42 86, 43 51, 46 437; J W 1930 55; OGHSt. 2 191; BGHSt. 11 74, 79; 17 337, 339 = N J W 1962 1873; K l 1; a. M. - Unzulässigkeit von „Vorberatungen" - A r n d t N J W 1963 848; s. auch C r o i s s a n t N J W 1963 1711). Fehlt es an einer solchen endgültigen Beratung, so ist in der Regel anzunehmen, daß das Urteil auf dem Gesetzesverstoß beruht (§ 337 StPO). Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn sich nach Wiedereintritt in die Verhandlung kein neuer ProzeßstofT ergeben hat und die Entscheidung durch eine nochmalige Beratung nicht beeinflußt werden konnte, wie z. B. wenn nach einem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts die Prozeßbeteiligten weder neue Erklärungen abgeben noch neue Anträge stellen (BGHSt. 24 170), oder wenn der Angekl. bei nochmaliger Befragung eine ganz unerhebliche Erklärung abgibt, z. B. daß er das Urteil nicht anerkenne ( R G LZ 1921 509), oder wenn die weitere Verhandlung nur zur Nachholung versäumter Prozeßhandlungen diente ( B G H N J W 1951 206), z. B. zur nachträglichen Beeidigung eines Zeugen, mit der das Gericht bei der Beratung bereits gerechnet hatte ( R G D J Z 1922 558; Recht 1928 Nr. 128). d) Beratung und Abstimmung sind, selbst wenn sie im Sitzungssaal in Gegenwart der am Verfahren Beteiligten stattfinden, nicht im Protokoll zu beurkunden; zu ihrem Nachweis ist daher Raum für freie Beweiswürdigung (§ 274 StPO gilt nicht) (RGSt. 27 2; O G H S t . 3 121; BGHSt. 5 294). 4. Die zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigten Personen. Die ursprüngliche Fassung der Vorschrift gab zu Zweifeln Veranlassung, insbesondere darüber, ob ein Aufsichtsbeamter (vgl. § 175 Abs. 3), und ob der Urkundsbeamte (vgl. RGSt. 64 167) der Beratung und Abstimmung beiwohnen dürfe; das ist durch die spätere Fassung verneinend entschieden worden. a) „Zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigt" sind die Referendare, an die allein der Gesetzgeber bei Schaffung der Vorschrift offenbar gedacht hat. Die Anwesenheit eines zu seiner Ausbildung bei Gericht beschäftigten Referendars bei der Beratung wird nicht dadurch unzulässig, daß er in der Sitzung als Urkundsbeamter tätig wird (RGSt. 18 161, R G Recht 1916 Nr. 604, H R R 1928 Nr. 291, OGHSt. 2 62). Dagegen d a r f e i n Referendar der Beratung nicht beiwohnen, wenn er über die Anwesenheit als Zuhörer zu Ausbildungszwecken hinaus an der Hauptverhandlung beteiligt war und deshalb (der Idee nach) in die Beratung Erkenntnisse hineintragen kann, die er als Verfahrensbeteiligter gewonnen hat, z. B. wenn er in der Sache als Zeuge vernommen wurde (RGSt. 66 252) oder anstelle des auf kurze Zeit abwesenden Verteidigers zum Verteidiger bestellt war, auch wenn er sich in dieser Eigenschaft lediglich zuhörend betätigte und seine Ausbildungstätigkeit sich sonst nicht auf die Sache erstreckte ( R G H R R 1937 Nr. 538; BGHSt. 18 165 = N J W 1963 549). D a s gleiche gilt für einen der Berufungskammer zugewiesenen Referendar, der im 1. Rechtszug den Angekl. verteidigt hatte; auch hier ist die Möglichkeit einer unzulässigen Beeinflussung des Gerichts durch Anwesenheit bei der Beratung nicht ausgeschlossen ( O L G H a m b u r g N J W 1955 1938). Bei demselben Gericht (nicht notwendig bei demselben Spruchkörper) ist ein Referendar solange beschäftigt, bis seine Ausbildung bei diesem Gericht ganz abgeschlossen ist, auch wenn er schon vorwiegend im nächsten Ausbildungsabschnitt beschäftigt wird ( B G H G A 1965 93). Inwieweit Teilnehmer an einer einstufigen Ausbildung (§ 5 b D R i G ) nach Erreichung eines entsprechenden Ausbildungsstandes zu den bei dem Gericht zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigten Personen i. S. des § 193 rechnen, bedarf der in § 5 b Abs. 2 Satz 2 vorgesehenen landesrechtlichen Regelung. b) § 193 läßt zu, daß Referendare bei Beratung und Abstimmung „zugegen sind". Darunter versteht P e t e r s 415 ein völlig passives Verhalten. D e m kann nicht gefolgt werden. Es widerspräche eine solche Forderung nicht nur der allgemeinen Übung der Praxis, sondern auch dem Ausbildungszweck, dem § 193 dienen will: der Referendar soll j a lernen, seine Auffassung in der Beratung zu äußern, sein Votum vorzutragen und gegen Einwendungen zu verteidigen usw. (so auch B A G E 19 285; BSG M D R 1971 522; S c h n e i d e r M D R 1968 973, 975; K o f f k a ZStrW 81 962). 2991

§ 193 Gerichtsverfassungsgesetz Anm. 4 c) Auch Personen mit der Befähigung zum Richteramt können zur juristischen Ausbildung beschäftigt" sein, wenn sie einem Gericht nicht zur Erledigung von Rechtsprechungsaufgaben, sondern lediglich zur Einarbeitung zugewiesen sind; deshalb hat RGSt. 76 322 zutreffend einen zum Hilfsrichter bestellten Volksdeutschen, dem zwar die Befähigung zum Richteramt zuerkannt war, der aber dem Landgericht nur zur Einarbeitung in das deutsche Recht zugewiesen war, als zur juristischen Ausbildung beschäftigt angesehen. Zweifel bestehen, ob die beim BVerfG, bei obersten Bundesgerichten (auch beim Bundesgerichtshof) oder auch bei anderen Obergerichten als Hilfskräfte, als „wissenschaftliche Hilfsarbeiter" (nicht als Hilfsrichter) verwendeten abgeordneten Richter (§ 37 DRiG) anderer Gerichte, die den einzelnen Senaten zur Unterstützung der Richter bei der Vorbereitung der Sitzung und bei der Absetzung von Entscheidungen zugewiesen sind (vgl. Anm. 1 zu § 124), an der Beratung teilnehmen dürfen (kritisch zur Frage der Verwendung solcher Hilfskräfte A r n d t NJW 1963 648, der aber in seinen Folgerungen zu weit geht; gegen ihn mit Recht S c h i i g e n NJW 1963 1588). Die Frage wird überwiegend unter restriktiver• Auslegung des Begriffs „Ausbildung" verneint (vgl. BVerwGE 5 85 = JR 1957 473 = DRiZ 1958 28; BSGE 13 147 = MDR 1961 265; BAG NJW 1967 1581; OVG Berlin DÖV 1954 568; A r n d t NJW 1963 848; E b S c h m i d t 11; B u c h h o l z DRiZ 1959 46; 1961 17). Diese Auffassung ist aber abzulehnen (ebenso S c h i i g e n NJW 1963 1588; D a m r a u NJW 1968 633; H e r r DRiZ 1972 228; M a t t e r n JZ 1970 557). Sie trägt der seit Schaffung des § 193 eingetretenen Veränderung der Lage nicht Rechnung, nach der auch die Weiterbildung nach Abschluß eines Grundexamens noch „Ausbildung" ist. Einen Anhaltspunkt, wie der heutige Gesetzgeber die Lage würdigt, bildet § 52 FinGO vom 6. 10. 1965, wonach bei der Beratung und Abstimmung auch die zur steuerlichen Ausbildung beschäftigten Personen, die die Befähigung zum Richteramt haben, zugegen sein dürfen, wenn der Vorsitzende ihre Anwesenheit gestattet*. Beim BGH wird die Anwesenheit der wissenschaftlichen Hilfsarbeiter bei der Beratung des Senats, dem sie zugeteilt sind, allgemein zugelassen (vgl. H e r r DRiZ 1972 228). Eine Teilnahme der Hilfsarbeiter an der Beratung ist nicht nur sinnvoll, wenn die Hilfsperson den Richter bei der Absetzung des Urteils wirksam unterstützen soll, sondern dient auch der „Ausbildung" für höhere Richterstellen. d) Ferner ist zweifelhaft, ob Rechtsstudenten, die nach den landesrechtlichen Ausbildungsordnungen während der Zeit des juristischen Studiums mehrere Wochen zu ihrer Ausbildung bei einem Amtsgericht tätig sein müssen (als Voraussetzung der Zulassung zum Referendarexamen), bei der Beratung des Schöffengerichts zugegen sein dürfen. Wenn eine auf gesetzlicher Grundlage beruhende Ausbildungsordnung (RechtsVO) diese Beschäftigung formlich als „Ausbildungsdienst" bezeichnet und eine Schweigepflicht auferlegt, deren Verletzung Disziplinarmaßnahmen der Universität nach sich zieht (vgl. K o h n l e JZ 1965 207, 209), so dürften nach dem Wortlaut des § 193 der Zulassung als „stiller Zuhörer" zur Beratung des Schöffengerichts keine Bedenken entgegenstehen (ebenso K e r n GVGR 137; W i e c z o r e k A II). Anders liegt es, wenn die Tätigkeit beim Amtsgericht nicht förmlich als „Ausbildungsdienst" vorgeschrieben, sondern nur als Informationsmöglichkeit freigestellt ist. Die überwiegend vertretene Auffassung lehnt aber die Anwendbarkeit des § 193 auf Rechtsstudenten ohne Unterscheidung ab (vgl. KG JW 1935 1256; OLGe. Bremen NJW 1959 1145; Karlsruhe NJW 1969 628 m. abl. Anm. K r e f t NJW 1969 1784; Eb. S c h m i d t 10; Kl 2; M ü l l e r - S a x 2c, S c h n e i d e r MDR 1968 974). Die „einstufige Ausbildung" (§ 5 b DRiG) könnte Veranlassung geben, einschlägige Fragen gesetzlich zu beantworten. e) Wenn der Amtsrichter als Einzelrichter vor der Urteilsverkündung im Beratungszimmer oder in dem von den Prozeßbeteiligten und den Zuhörern geräumten Sitzungssaal die dem Amtsgericht zur Ausbildung zugewiesenen Rechtsstudenten über den Fall belehrt, so liegt — unabhängig von der Frage, ob diese als „zur juristischen Ausbildung" beschäftigt anzusehen sind — ein Verstoß gegen § 193 schon deshalb nicht vor, weil keine Beratung, d. h. kein Meinungsaustausch eines Kollegiums (vgl. Anm. 1) stattfindet (ebenso K G HRR 1935 Nr. 1107; E b S c h m i d t 10: Kl 2). Eine solche belehrende Erörterung wäre auch gar *) Vgl. dazu auch die Vorschläge der Ausbildungskommission des Deutschen Richterbundes DRiZ 1973 32, wonach Richter auf Probe den Gerichten zunächst nur zur „Weiterbildung" (und ohne Zuteilung zu einem Spruchkörper als richterliche Kraft) überwiesen werden sollten.

2992

Sechzehnter Titel. Beratung und Abstimmung (Schäfer)

§ 193 Anm. 5, 6

nicht geeignet, Einfluß auf die Urteilsbildung des Amtsrichters auszuüben (so mit Recht K G aaO.). Aus dem gleichen Grunde (fehlende Beratung) ist es auch ohne Bedeutung, wenn im geräumten Sitzungszimmer auch der Urkundsbeamte, der nicht Referendar ist, zurückbleibt, während der Amtsrichter die zu erlassende Entscheidung überlegt und die Urteilsformel zu Papier bringt (ebenso OLGe. Neustadt N J W 1963 2085 = M D R 1963 1028; Saarbrücken J Z 1968 308; Koblenz VRS 38 56). Dagegen soll nach O L G Schleswig SchlHA 1957 164 = G A 1958 252; D A R 1964 139 (s. auch O L G H a m m M D R 1961 170) auch hier § 193 anwendbar sein, weil er jede mittelbare Beeinflussung des entscheidenden Richters durch bloße Anwesenheit oder gar Mittätigkeit nicht an der Urteilsbildung beteiligter Personen ausschließen wolle. Ein Revisionsgrund gemäß § 337 StPO (s. Anm. 5) kann nach dieser Auffassung nur durch dienstliche Erklärungen des Richters und des Urkundsbeamten, daß keine „Beratung" stattgefunden habe, ausgeräumt werden (s. dazu auch K G VRS 37 206, wo die Frage, ob § 193 auf den Einzelrichter Anwendung findet, offen gelassen, ein Revisionsgrund i. S. des § 337 StPO aber verneint wird, wenn der Richter dienstlich erklärt, er habe nicht mit dem Protokollführer über die zu treffende Entscheidung gesprochen). D a ß aber die der Urteilsverkündung vorausgehende Überlegung- und Entschließung des Einzelrichters keine „Beratung" darstellt, wird deutlich, wenn er — etwa um sich eine schwierige Rechtsfrage in Ruhe zu überlegen — die Verkündung der Entscheidung aussetzt (§ 268 Abs. 2 StPO): hier müßte j a — nach der abgelehnten Auffassung — jede Minute, die er innerhalb der drei Tage dem Überlegen und der Fassung eines Entschlusses widmet, eine Beratung darstellen und jede Anwesenheit Dritter während dieser Zeit (des Wachtmeisters, der Akten bringt, des Kollegen, der mit ihm das gleiche Dienstzimmer teilt) gegen § 193 verstoßen. Anders liegt es freilich, wenn der Einzelrichter in der Pause zwischen dem letzten Wort des Angekl. und der Urteilsverkündung den Prozeßstoff mit dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erörtert; das widerspricht dem Grundgedanken des § 193 (vgl. O L G Schleswig D A R 1964 139). S. auch O L G H a m m N J W 1958 74; Verletzung des § 261 StPO, wenn der Amtsrichter in einer Verkehrsstrafsache während der „Beratung" sich seine Überzeugung durch Befragung eines in Kraftfahrzeugsachen erfahrenen Kollegen verschafft. S. dazu auch S c h n e i d e r M D R 1968 975. 0 Wegen der Teilnahme des Ergänzungsrichters an der Beratung s. Anm. 7 c zu § 192. 5. Ein Verstoß gegen § 193 bildet keinen unbedingten Revisionsgrund im Sinne des § 338 StPO. Vielmehr ist das Urteil nur aufzuheben, wenn es auf dem Verstoß beruht (§ 337), d. h. wenn nicht auszuschließen ist, daß die Anwesenheit der dazu nicht berechtigten Person auf die Entscheidung Einfluß gehabt hat (RGSt. 46 374, R G J W 1925 1227 = H R R 1926 Nr. 340, H R R 1926 Nr. 643; BGHSt. 18 165, 166, 331; OLGe. Schleswig SchlHA 1957 164; Bremen N J W 1959 1145; Karlsruhe N J W 1969 628). D a s wird allerdings in solchen Fällen schwer auszuschließen sein (vgl. RGSt. 64 167; BGHSt. 18 331; B G H N J W 1972 2083). Die Entscheidung beruht nicht auf der Anwesenheit, wenn Personen außerhalb des Beratungsraums ohne Wissen der Gerichtspersonen mithören (vgl. R G D R Z 1927 500); die Mithörenden sind dann überhaupt nicht „zugegen" i. S. des § 193 (BGH bei H e r l a n G A 1964 134). Dagegen hat B G H bei D a l i i n g e r M D R 1955 272 das Urteil als auf der Verletzung des § 193 beruhend in einem Fall angesehen, in dem der Vorsitzende den Staatsanwalt ins Beratungszimmer rufen ließ und ihn zur Aufklärung von Zweifeln über den Inhalt seines Strafantrags vor den übrigen Mitgliedern des Gerichts befragte, und hat ausgesprochen. daß bei den zu stellenden strengen Anforderungen für den Nachweis der Wirkungslosigkeit eines Verstoßes gegen § 193 auf das Urteil durch erst längere Zeit nach der Hauptverhandlung abgegebene dienstliche Äußerungen angesichts der Unzulänglichkeit der menschlichen Erinnerung nicht mit Sicherheit auszuschließen sei, daß der Staatsanwalt nicht auch gleichzeitig seinen Antrag begründet und dies nachteilig für den Angeklagten auf die Meinungsbildung des Gerichts eingewirkt habe. 6. Im Beratüngszimmer darf kein Akt der Beweisaufnahme stattfinden, insbesondere auch keine nochmalige Befragung eines in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen oder Sachverständigen; ein Verstoß hiergegen begründet die Revision gemäß § 338 Nr. 5 StPO (RGSt. 17 287). Deshalb ist es auch unzulässig, daß das Gericht die Beratung am 2993

§ 1 9 3 Anm. 7

Gerichtsverfassungsgesetz

§ 194

Anm. I; II 1,2 Tatort abhält, um auf diese Weise den Eindruck einer vorangegangenen Aügenscheinseinnahme festzuhalten (RGSt. 66 28; BGHSt. 3 187). Dagegen ist es nicht unzulässig, daß das Gericht in der Beratung einfache technische Versuche anstellt, um sich ein Urteil darüber zu bilden, ob es eines Sachverständigen bedürfe ( R G H R R 1930 Nr. 851 = G A 74 200), oder daß es Uberführungsstücke und andere Augenscheinsgegenstände in das Beratungszimmer mitnimmt ( R G BayZ 1930 370). Vgl. im einzelnen StPO § 2 6 1 Anm. 3d. Vgl. auch RGSt. 67 279 (Privatgespräch eines Geschworenen mit einem vernommenen Sachverständigen vor Beginn der Beratung). 7. Über den Hergang bei der Beratung und Abstimmung haben die beteiligten Richter, auch die beteiligten Schöffen, Stillschweigen zu bewahren (§§ 43, 45 Abs. 3 DRiG). Über die Bedeutung der Vorschrift und über Ausnahmen s. die Erläuterungen zu § 43 D R i G (im Anhang unter A).

§ 194 (1) Der Vorsitzende leitet die Beratung, stellt die Fragen und sammelt die Stimmen. (2) Meinungsverschiedenheiten über den Gegenstand, die Fassung und die Reihenfolge der Fragen oder über das Ergebnis der Abstimmung entscheidet das Gericht. Entstehungsgeschichte. Entw. § 159 Schrifttum: P a p s t h a r t , Ü b e r d i e F o r m der Beratungim Kollegialgericht,DRiZ 1971 18. I. Verteilung der Aufgaben. Soweit über den Gegenstand, die Fassung und die Reihenfolge der vom Gericht zu entscheidenden Fragen keine Meinungsverschiedenheit besteht, ist ihre Aufstellung lediglich Aufgabe des Vorsitzenden. Anders verhält es sich bei Meinungsverschiedenheiten; sie können nur durch Beschluß des Gerichts selbst erledigt werden, da schon „die Aufstellung der Fragen unter Umständen in die Sachentscheidung selbst hineingreift und für sie präjudizierlich sein kann" (Begr. 98). Hier hat die Fragestellung des Vorsitzenden nur die Bedeutung „eines von dem Gericht zu genehmigenden oder zu berichtigenden Vorschlages". Auch eine Meinungsverschiedenheit darüber, was als das Ergebnis der Abstimmung anzusehen ist, kann nur von dem Gericht selbst entschieden werden. II. Art der Abstimmung. Abstimmung nach Gründen oder nach dem Endergebnis? 1. Über die Art (den Inhalt) der Abstimmungen enthält das Gesetz keine Vorschrift, insbesondere hat es nicht die ehemals sehr streitige Frage berührt, ob in den Spruchkörperschaften nach Gründen oder nach dem Endergebnis, für das sich die einzelnen Mitglieder entscheiden, abzustimmen ist. Die Begr. (96) sagt dazu, es sei nicht Sache des Gesetzes, „in diesen theoretischen Streit durch positive Bestimmungen einzugreifen". Demgegenüber wurde in der R T K von verschiedenen Seiten die Notwendigkeit geltend gemacht, die Streitfrage im Gesetz zu lösen; die dahin gerichteten Anträge wurden indes nach längerer Beratung (Prot. 47 ff.) abgelehnt. (Eine Übersicht des die Streitfrage behandelnden Schrifttums s. Z a c k e , Über Beschlußfassungen in Versammlungen und Richterkollegien 60ff. Außerdem s. besonders v o n B a r , Z u r Lehre von der Abstimmung in den Richterkollegien KrVJSchr. 10 467fF.; B i n d i n g , Grundr. 171 ff., Abh. 2 140; G l a s e r 2 165ff.; v o n K r i e s 439 ff.; B i r k m e y e r 471 ff.; B e l i n g , Lehrb. 2 4 5 f f ; B e l i n g Z S t W 37 365, 42 599ff., G A 67 141 ff.; R o s e n f e l d § 49; S t e n g l e i n Anm. 1, 2 zu § 262; G r a f z u D o h n a 77; G e r l a n d , Lehrb. 284ff.; H e n k e l 253; M ü l l e r - S a x 1; E b S c h m i d t 1 ff. (sehr ausführlich); B r e e t z k e , Abstimmung, Spruch, Gründe, DRiZ 1962 5; P e t e r s 415; H e i n e m a n n ZStW 15 l f f . ; Z e i l e r Z S t W 41 528; F e i s e n b e r g e r 1 6 8 - 1 7 5 ; endlich noch gegen die Streitfrage als solche F a c i l i d e s Z S t W 16 790ff.). 2. Wenn eine Entscheidung von der Beantwortung mehrerer rechtlicher oder tatsächlicher Fragen abhängt, so kann die im älteren Schrifttum z. T. empfohlene Methode einer Abstimmung nach Gründen „heute als überwunden gelten" ( E b S c h m i d t 11). Wenn nämlich 2994

Sechzehnter Titel. Beratung und Abstimmung (Schäfer)

§ 194 Anm. III 1

zwar alle 5 Mitglieder der großen Strafkammer für Freispruch sind, aber A, weil er den Angeklagten für nicht überführt ansieht, B, weil der Angeklagte zur Tatzeit zurechnungsunfähig gewesen sei, C, weil er in entschuldigtem Verbotsirrtum gehandelt habe, D, weil er durch Notwehr gerechtfertigt und E, weil er durch Notstand entschuldigt sei, so müßte „eigentlich", weil keiner der Freisprechungsgründe eine Mehrheit findet, Verurteilung erfolgen, obwohl keiner der Richter Verurteilung wünscht ( E b S c h m i d t 12). Andererseits ist aber auch der richtige Gegensatz zu einer Abstimmung nach Gründen nicht die Abstimmung nach dem Endergebnis, sondern nach Teilen. Denn auch eine Abstimmung lediglich nach dem Endergebnis würde Entscheidungen hervorrufen können, für die sich gar kein von dem Gericht als solchem, d. h. von der Mehrheit, gebilligter Grund anführen ließe. Beispiel: Die Revision gegen ein Urteil der großen Strafkammer ist auf zwei Anfechtungsgründe gestützt; die Richter A, B halten nur den ersten, die Richter C, D nur den zweiten für zutreffend, während der Richter E beide für unzutreffend hält. Hier muß die Revision verworfen werden, obwohl im Ergebnis vier Stimmen die Aufhebung des Urteils wollen. Denn da jeder der beiden Anfechtungsgründe mit drei gegen zwei Stimmen verworfen wird, so ist das Revisionsgericht außerstande, eine Aufhebung des Urteils zu begründen (ebenso B r e e t z k e DRiZ 1962 6). Selbstverständlich wäre es unzulässig und geradezu sinnlos, das Urteil aufzuheben und beide Anfechtungsgründe für zutreffend zu erklären. Denn das Revisionsgericht würde auf diese Weise dahin gelangen, Rechtsansichten auszusprechen, die es in seiner Mehrheit für unrichtig hält und die es vielleicht unmittelbar darauf in einer anderen Sache, in der es sich nur um einen der beiden Anfechtungsgründe handelt, verwerfen würde. Freilich ergeben sich auch bei Anerkennung des Grundsatzes der Abstimmung nach Teilen Zweifel. Wenn etwa von den 5 Richtern der großen Strafkammer aus Gründen, die jeweils auf tatsächlichem Gebiet liegen (Zweifel über den Zeitpunkt der Tatbegehung usw.), zwei fehlenden Strafantrag, zwei Verjährung und einer Niederschlagung durch Straffreiheitsgesetz annehmen, so soll nach einer verbreiteten Meinung (vgl. E b S c h m i d t 14 mit Nachweisen) hier eine Totalabstimmung erforderlich, also die Einstellung des Verfahrens auszusprechen sein, weil alle 5 Richter für Einstellung stimmen. Aber wie soll ein solches Urteil begründet werden, wenn sich für keinen der drei in Frage stehenden Sachverhalte eine Mehrheit findet? Hier bleibt nichts übrig, als die Voraussetzungen einer Einstellung zu verneinen (ebenso M ü l l e r - S a x 1 b). In welcher Reihenfolge die einzelnen Teilfragen zu stellen sind, über die getrennt abgestimmt werden muß, kann nicht für alle Fälle einheitlich bestimmt werden. Maßgebend sind die Gesichtspunkte der Folgerichtigkeit und der Zweckmäßigkeit. Aus beiden Gesichtspunkten folgt, daß zunächst die Fragen zu erledigen sind, die Prozeßvoraussetzungen und Prozeßhindernisse betreffen (Einleitung S. 78 ff.). Nach dem aufgestellten Grundsatz versteht es sich insbesondere, daß bei der Beratung über das Strafurteil die Schuldfrage und die Straffrage (vgl. 3, 4 zu § 263 StPO) gesondert zu entscheiden sind und nicht miteinander vermischt werden dürfen (Beling ZStW 37 367); erst nach der Entscheidung der ersten kann die zweite Gegenstand der Beratung und Abstimmung sein. III. 1. Eine wesentliche Ausnahme von dem Grundsatz, daß über einzelne Teilfragen abzustimmen ist, gilt jedoch bei der Entscheidung der Schuldfrage (eine Einschränkung s. unter IV). Die Schuldfrage (ist der Beschuldigte der ihm zur Last gelegten strafbaren Handlung schuldig?) setzt sich zusammen aus der Beweisfrage (ist die Tat und die Täterschaft erwiesen?) und aus der Frage der Gesetzesanwendung (erfüllen die erwiesenen Tatsachen den im Strafgesetz bezeichneten Tatbestand?); zu diesen beiden Fragen kann die dritte hinzutreten, ob ein die Schuld oder die Rechtswidrigkeit ausschließender Umstand vorliegt. Bei der Abstimmung über die Schuldfrage, d. h. über die Frage, ob der Beschuldigte schuldhaft und rechtswidrig den gesetzlichen Tatbestand einer bestimmten strafbaren Handlung verwirklicht hat, ist jede der drei Unterfragen von gleichwertiger Bedeutung. Dem muß bei der Entscheidung über die Schuldfrage dadurch Rechnung getragen werden, daß über die Schuldfrage ungeteilt abgestimmt wird. Ergibt sich für die Schuldigerklärung nicht die erforderliche Mehrheit der Stimmen, gleichviel, welches Element der Schuldigerklärung verneint wird, so muß der Beschuldigte für nichtschuldig erklärt werden, sollten auch die einzelnen für das Nichtschuldig stimmenden Mitglieder in ihren Gründen auseinandergehen. Eine Abstimmung lediglich nach Teilen oder Gründen, d. h. über die vorbezeichneten Unterfragen, würde auf eine künstliche, dem Wesen der Sache widerstreitende Zergliederung der „Tat" hinauslaufen und dahin fuhren können, daß jemand verurteilt würde, den die Mehrheit 2995

§ 194

Gerichtsverfassungsgesetz

Anm. III 2, 3 nicht für schuldig hält und freisprechen will. Eine solche Verurteilung aber wäre mit dem obersten Grundsatz des Strafprozesses unvereinbar; sie würde die Verurteilung eines Nichtschuldigen sein. Beispiel: Von den 9 Mitgliedern des Schwurgerichts wollen drei freisprechen, weil der Beschuldigte zur Zeit der Tat unzurechnungsfähig gewesen sei; drei wollen freisprechen, weil er in Notwehr gehandelt habe; drei wollen verurteilen. Hier muß freigesprochen werden, obwohl eine 2 / 3 Mehrheit des Kollegiums (nämlich je sechs Stimmen) annimmt, daß der Beschuldigte zurechnungsfähig gewesen sei und daß er nicht in Notwehr gehandelt habe. Entscheidend ist, daß sich nicht die in § 263 StPO geforderte Mehrheit des Kollegiums gefunden hat, die eine schuldhafte rechtswidrige Tatbestandsverwirklichung bejaht. Dies Ergebnis entspricht der durchaus herrschenden Meinung (vgl. aus der älteren Rechtsprechung RGSt. 2 379, 8 218; R G Rspr. 3 797 und die Nachw. über das ältere Schrifttum in Anm. 3 c der 20. Aufl.; aus neuerer Zeit s. etwa v o n L i l i e n t h a l 53, 59, G r a f z u D o h n a 82; R o s e n f e l d , Strafprozeßrecht 1 32, F e i s e n b e r g e r 171 S t P O Anm. 4, B e l i n g Z S t W 37 365ff.,376, 42 599ff., G A 67 152, G e r l a n d Stpr. 11927] 285; H e n k e l [1] 302, P e t e r s 422; M ü l l e r - S a x l b , bb; E b S c h m i d t aaO.). Die abweichende Auffassung von B i n d i n g Abh. 2 155, daß diese Art der Urteilsfindung auf der allertiefsten Stufe richterlicher Gründlichkeit stehe und daher nur in ganz einfachen, durchsichtigen Fällen angewendet werden dürfe, hat keinen Widerhall gefunden. In solchen Ausnahmefallen ist es dann freilich unvermeidlich, daß in der Urteilsbegründung wahrheitsgemäß das Abstimmungsergebnis dargestellt wird. Das ist mit dem richtig verstandenen Sinn des Beratungsgeheimnisses (§ 43 D R i G ) nicht unverträglich (vgl. Anm. 6 a zu § 43 D R i G — im Anhang A E b S c h m i d t 3 4 - 3 6 zu § 194; B a u m a n n N J W 1957 1017f.; B r e e t z k e D R i Z 1962 5; S c h m i d t - R ä n t s c h 7 zu § 43 D R i G ; s. auch O L G H a m m JMB1. N R W 1964 7). Wird der Beschuldigte von der erforderlichen Mehrheit für schuldig befunden, so ist selbstverständlich auch bei jeder der einzelnen Unterfragen, aus denen sich die Schuldfrage zusammensetzt, die erforderliche Mehrheit für die dem Beschuldigten ungünstig Beantwortung vorhanden, da kein Richter für das Schuldig stimmen kann, der auch nur eine dieser Unterfragen zugunsten des Beschuldigten beantwortet. Eine Abstimmung über die einzelnen Unterfragen hat daher nur die Bedeutung einer näheren Prüfung, ob sich die auf schuldig lautende Stimmabgabe der einzelnen Mitglieder wirklich begründen und rechtfertigen läßt. 2. Die Notwendigkeit einheitlicher Erledigung der gesamten Schuldfrage besteht auch, wenn die Tat im Beweisergebnis (nicht wegen verschiedener Auslegung des Strafgesetzes) eine verschiedene rechtliche Beurteilung zuläßt und daher die Meinungen in der strafrechtlichen Einordnung der Tat auseinandergehen. Beispiel: von fünf Richtern halten zwei den Beschuldigten des Raubversuchs, zwei ihn des Notzuchtversuchs, einer ihn für nicht schuldig. Hier muß, wenn keine Mehrheit zu erzielen ist, wegen der Unmöglichkeit, das Schuldig durch einen Mehrheitsbeschluß zu begründen, das Nichtschuldig ausgesprochen werden (ebenso H e n k e l I i ] 302; M ü l l e r - S a x 1 b, bb; B r e e t z k e D R i Z 1962 8). Denn die Schuldfrage kann nur für ein bestimmtes Strafgesetz gestellt werden; es ist nicht statthaft, zunächst darüber abzustimmen, ob der Beschuldigte überhaupt einer strafbaren Handlung schuldig sei, und sodann darüber, welches Strafgesetz er verletzt habe. Ein Streit über die rechtliche Einordnung der Tat kann vielmehr nur in der Art zum Austrag gebracht werden, daß zunächst über den einen Tatbestand (z. B. den des Raubversuchs) und sodann, falls hier nicht die erforderliche Mehrheit für das Schuldig vorhanden ist, über den anderen Tatbestand (z. B. den des Notzuchtversuchs) abgestimmt wird. Eine Einschränkung gilt aber, wenn die Tat lediglich durch das Hinzutreten eines straferhöhenden oder strafmindernden Nebenumstandes eine besondere strafrechtliche Würdigung erfährt; vgl. unten Anm. IV 2. Eine weitere Einschränkung muß gelten, wenn sich die in Frage stehenden rechtlichen Würdigungen der Tat lediglich wie Mehr und Weniger zueinander verhalten; in diesen Fällen enthält die Bejahung des Mehr auch die Bejahung des Weniger, z. B. wenn ein Teil des Gerichts Raub oder schweren Diebstahl, ein anderer Teil einfachen Diebstahl annimmt (vgl. B i n d i n g , Grundr. 173, 174, Abh. 2 146, S t e n g l e i n Anm. 2 zu § 262 StPO, v o n K r i e s 446, v. H i p p e l 356, einschränkend P e t e r s 418; s. aber auch über den Abstimmungshergang E b S c h m i d t 18). 3. Bei Wahlfeststellung muß zunächst über die einzelnen in Frage stehenden Straftatbestände, sodann über die Wahlfeststellung abgestimmt werden ( M ü l l e r - S a x l b , bb, 2996

Sechzehnter Titel. Beratung und Abstimmung (Schäfer)

§ 194 Anm. III 4, 5; IV 1

2, E b S c h m i d t 24). Kommt z. B. Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei in Betracht, und bejahen von 5 Richtern 3 nur Diebstahl unter Verneinung der Möglichkeit einer Hehlerei, während der 4. Richter für Wahlfeststellung von Diebstahl oder Hehlerei und der 5. für Freispruch stimmt, so ist der Angeld., obwohl 4 Richter ihn als schuldig ansehen, freizusprechen, da sich weder für eine Verurteilung nur wegen Diebstahls noch für eine Wahlfeststellung eine genügende Mehrheit findet (OLG Hamm JMB1. NRW 1964 7). 4. Schuldgrade. Wird bei der Anklage wegen eines vorsätzlichen Delikts der Vorsatz nicht mit der erforderlichen Stimmenzahl bejaht, so besteht kein rechtliches Hindernis, denselben geschichtlichen Vorgang auch unter dem Gesichtspunkt der Fahrlässigkeit zu prüfen (RGSt. 59 83). In diesem Falle handelt es sich nicht um eine andere Tat, sondern nur um eine andere Schuldform derselben Tat. Die in der Minderheit gebliebenen, den Vorsatz bejahenden Stimmen sind aber nicht ohne weiteres den die Fahrlässigkeit bejahenden hinzuzurechnen, vielmehr kann nach Lage des Falles erneute Abstimmung über die Fahrlässigkeit geboten sein ( E b S c h m i d t 22; P e t e r s 418). Geht es darum, ob eine Tat mit bedingtem Vorsatz oder mit bewußter Fahrlässigkeit begangen ist, ob also der Angekl. den voraussehbaren Erfolg für den Fall seines Eintritts innerlich billigte oder ablehnte, so ist abstimmungsmäßig die bewußte Fahrlässigkeit nicht ein aliud, sondern ein minus gegenüber dem bedingten Vorsatz. Aus der Natur des mehrgliedrigen Gerichtskörpers folgt, daß ein Richter, der bei der Abstimmung über einen höheren Schuldgrad in der Minderheit geblieben ist, diese Frage als durch die Entscheidung des Gerichts erledigt betrachten muß. Wenn jedes Mitglied eines Gerichts ohne Rücksicht auf frühere Abstimmungen an seiner Ansicht über die Schuldform oder den Schuldgrad festhalten dürfte, so wäre es nur in ganz einfachen Sachen möglich, einen brauchbaren Gerichtsbeschluß herbeizuführen (RGRspr. 4 203, RG JW 1902 301, RGSt. 41 391; vgl. § 195 Anm. 1 b). Der überstimmte Richter befindet sich in solchen Fällen in keiner anderen Lage als der, der bei Beantwortung der Schuldfrage überstimmt ist und später über das Strafmaß mitbeschließen muß ( G r a f zu D o h n a 83, G e r l a n d Stpr. 286, H e n k e l 302). 5. Beweisfrage. Da die Schuldfrage die Beweisfrage mit umfaßt, ergibt sich, daß, um zur Entscheidung zu gelangen, auch keine vorherige besondere Abstimmung über die einzelnen Beweisgründe stattzufinden hat. Würde die Beantwortung der Beweisfrage und damit der Schuldfrage überhaupt von der Abstimmung über die einzelnen Beweisgründe abhängig gemacht, so würde dies dem ersten Grundsatz des geltenden Beweisrechts widersprechen (a. M. S a c h s e ZStW 49 306). Denn indem das Gesetz für die Entscheidung der Beweisfrage den Richter lediglich auf seine Überzeugung verweist, ohne ihn an Beweisregeln zu binden, gestattet es zugleich, daß sich diese Überzeugung bei den verschiedenen Richtern in verschiedener Weise bildet. Eine Übereinstimmung der Mehrheit ist daher nur darüber erforderlich, daß alle wesentlichen Merkmale der strafbaren Handlung sowie die Täterschaft des Beschuldigten erwiesen sind oder daß der etwa in Rede stehende Schuld- oder Rechtswidrigkeitsausschließungsgrund nicht erwiesen ist. Besteht darin Übereinstimmung, so kommt es nicht weiter darauf an. ob über die einzelnen Beweistatsachen und Beweismittel, z. B. die Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder den Wert eines Belastungsgrundes oder über die Frage, ob die als Belastungsgrund zu verwertende Tatsache überhaupt erwiesen ist, die Meinungen auseinandergehen. Vgl. hierzu für die schriftliche Abfassung der Urteilsgründe § 267 StPO und die Anm. daselbst. Eine andere Frage ist, inwieweit im Einzelfall das den einzelnen Beweisgründen zugrunde liegende Stimmenverhältnis in den Urteilsgründen zu offenbaren angezeigt ist, weil mit Revisionsangriffen gegen die Verwertung bestimmter Beweismittel gerechnet werden kann, und nur solche Offenlegung eine sichere Nachprüfung durch die Rechtsmittelinstanz ermöglicht (vgl. dazu Anm. 6 b zu § 43 DRiG und S p e n d e l ZStrW 65 411 f.). IV. Der Satz, daß über die Schuldfrage doppelte Einschränkung:

ungeteilt abzustimmen ist, erfahrt aber eine

1. für die Strafaufhebungsgründe, d. h. die Umstände, die nach Begehung einer strafbaren Handlung eintreten und die Wirkung haben, den bereits entstandenen Strafanspruch zu vernichten. Die Abstimmung über diese Umstände ist von der Abstimmung über die Schuldfrage zu trennen (ebenso v o n K ri.es 447, Bin d i n g 175, O e t k e r Verfahren § 26 2997

§ 194 Anm. IV 2; V - V I I I

Gerichtsverfassungsgesetz

S. 210, F e i s e n b e r g e r 172/173, StPO 4 b ; K l 1B; a. M. H e i n e m a n n aaO. 69ff., B e n . B e l i n g 359. B e l i n g ZStW 42 614 Anm., R o s e n f e l d § 49; M ü l l e r - S a x l b , bb. 3; H e n k e l [1] 302; E b S c h m i d t 21). Strafaufhebungsgründe sind z. B. die Fälle der §§ 46, 4 9 a Abs. 3, 4, 4 9 b Abs. 3, 129 Abs. 6, 163 Abs. 2, 310 StGB. Nicht zu den Strafaufhebungsgründen in diesem Sinn gehört die Gewährung von Straffreiheit durch ein Amnestiegesetz; sie ist vielmehr abstimmungsmäßig unter dem Gesichtspunkt eines Verfolgungshindernisses (s. Anm. II 2) vorweg zu prüfen. Ebenso ist die Verjährung, auch wenn man ihr materielle Bedeutung zuspricht, abstimmungsmäßig nur als Prozeßhindernis zu werten (§ 263 Abs. 3 StPO). 2. für die im Strafgesetz besonders hervorgehobenen Umstände, die die Strafbarkeit erhöhen oder vermindern (§ 263 Abs. 2, § 265 Abs. 2, § 267 Abs. 2 StPO). Ihnen stehen die Umstände gleich, die es nach den materiellrechtlichen Strafvorschriften dem Gericht gestatten, unter Schuldigsprechung von Strafe abzusehen (vgl. § 260 Abs. 4 StPO). Diese Umstände gehören allerdings zur Schuldfrage; sie betreffen aber nicht die Frage, ob der Angeklagte schuldig ist, sondern die Frage, in welchem Umfang er schuldig ist. Ihre Feststellung wird erst erforderlich, wenn das Gericht beschlossen hat, die Schuldfrage (den Grundtatbestand) zu bejahen. Zulässig ist in diesen Fällen sowohl die Gesamtabstimmung als auch die Teilabstimmung. So kann etwa, wenn die Frage: einfacher oder schwerer Fall eines Diebstahls? zur Entscheidung steht, zunächst über den Grundtatbestand, dann über die Qualifizierung abgestimmt werden, aber auch die Abstimmung sogleich auf den „Mehr"Tatbestand gerichtet werden. Welches Verfahren den Vorzug verdient, hängt yon den Umständen des Falles ab. Entscheidend ist der Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit. Die Frage ist jedoch bestritten (vgl. die Übersicht bei E b S c h m i d t 15, 16, der darin, daß zu dieser Frage nur spärlich Entscheidungen ergangen sind — vgl. z. B. RGSt. 5 404 —, mit Recht ein Zeichen dafür sjeht, „daß die praktische Bedeutung der ganzen Problematik nicht überschätzt werden d a r f ) . V. Mehrere Abstimmungen. Darüber, wie ein bei der einen Abstimmung in der Minderheit gebliebenes Mitglied bei den ferneren Abstimmungen zu stimmen hat, s. § 195 Anm. 1. VI. Über Abstimmungen in der Berufungsinstanz vgl. § 323 Anm. 6 StPO; in der Revisionsinstanz vgl. § 352 Anm. 4 StPO, in den Großen Senaten und in den Vereinigten Großen Senaten des Bundesgerichtshofes vgl. Anm. 3 zu § 132 G V G . VII. Änderung der Stimmabgabe. Ein Mitglied kann seine Stimmabgabe in der Zeit zwischen der Feststellung des Abstimmungsergebnisses und der Urteilsverkündung jedenfalls dann ändern, wenn das Gericht eine nochmalige Beratung und Abstimmung beschließt; denn bis zur Verkündung stellt das beschlossene Urteil nur einen Entwurf dar, an den das Gericht nicht gebunden ist (RGSt. 3 117, 27 118). Das zuletzt genannte Urteil geht aber wohl zu weit, wenn es auch den einzelnen Richtern die Befugnis einräumt, von ihrer früheren Stimmabgabe zurückzutreten. Wäre das zulässig, so könnte jedes Mitglied bis zur Verkündung des Urteils die übrigen zwingen, auf bereits erledigte Punkte zurückzukommen ( O e t k e r GerS 65 439; K l 2; a. M. M ü l l e r - S a x 2; E b S c h m i d t 6). In der Praxis wird sich aber schwerlich ein Kollegium dem Wunsch eines Mitglieds versagen, nochmals in die von diesem gewünschte Beratung einzutreten. VIII. Umlaufsverfahren. Bei Beschlüssen, die ohne mündliche Verhandlung ergehen, kann sich in einfach liegenden Sachen eine förmliche mündliche Beratung erübrigen; die Beschlußfassung geschieht dadurch, daß die beteiligten Richter im Umlaufsweg den Beschlußentwurf des Berichterstatters oder des Vorsitzenden unterzeichnen; die Beratung erfolgt gewissermaßen schriftlich, indem sich die beteiligten Richter durch die Gründe des Entwurfs überzeugen lassen und durch die Unterzeichnung zustimmen. § 194 steht einem solchen Verfahren nicht entgegen (a. M. P a p s t h a r t D R i Z 1971 18). Rechtlich ist auch dann nach § 194 die Herbeiführung der Zustimmung, das „Sammeln der Stimmen", Sache des Vorsitzenden (vgl. BSG M D R 1971 960). In solchen Fällen kann, auch wenn die beschlossene Entscheidung schon von allen beteiligten Richtern unterschrieben, aber noch nicht nach außen kundgegeben ist, jedes Mitglied eine erneute Beratung verlangen, wenn nachträglich hervorgetretene neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte (z. B. nach 2998

Sechzehnter Titel. Beratung und Abstimmung (Schäfer)

§ 1 9 5 Anm. 1 , 2

der Beschlußfassung bekannt gewordene abweichende höchstrichterliche Entscheidungen) Bedenken gegen die bisher beschlossene Entscheidung erwecken. Eine erneute Beschlußfassung ist dann nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Besetzung des Kollegiums nach der ersten Beschlußfassung gewechselt hat; den neuen Beschluß faßt das Kollegium dann in seiner jetzigen geschäftsplanmäßigen Besetzung ( B F H N J W 1964 1591).

§ 195 Kein Richter oder Schöffe darf die Abstimmung über eine Frage verweigern, weil er bei der Abstimmung über eine vorhergegangene Frage in der Minderheit geblieben ist. Entstehungsgeschichte: Entw. § 160. Der frühere Wortlaut („kein Richter, Schöffe oder Geschworener") wurde durch Art. II Nr. 42 des Ges. vom 2 6 . 5 . 1 9 7 2 (BGBl. I 841) geändert. Literatur: S e i b e r t , Der überstimmte Richter, M D R 1957 597. 1. Verpflichtung zur Abstimmung. § 195 schreibt vor, daß auch der Überstimmte an den ferneren Abstimmungen teilnehmen muß, gibt aber keine Vorschrift darüber, wie er demnächst zu stimmen hat. Die Begr. (96) bemerkt hierüber: „Die vielerörterte Frage, ob das bei einer Vorfrage überstimmte Mitglied des Kollegiums sich bei den ferneren Abstimmungen auf den Standpunkt der früheren Mehrheit zu stellen hat oder berechtigt ist, den eigenen früheren Standpunkt festzuhalten, läßt sich durch positive gesetzliche Vorschriften nicht beantworten und wird nach logischen Grundsätzen in Gemäßheit der Verschiedenheit der Fälle verschieden beantwortet werden müssen." Vgl. § 194 Anm. II 2. III 4. 2. Verbindlichkeit des Mehrheitsbeschlusses. Für Strafsachen ist bei Beantwortung der vorstehend zu a) gestellten Frage zunächst daran zu erinnern, daß nach Anm. III 1 ungeteilt abzustimmen ist und nur die unter IV bezu § 194 über die Schuldfrage zeichneten Tatsachen eine Ausnahme machen; danach kann, von diesen Ausnahmen abgesehen, nicht davon die Rede sein, daß ein Richter durch den Verlauf der Abstimmung genötigt werden könnte, über die Schuldfrage in einem nicht von ihm gewollten Sinne abzustimmen. Unter dieser Voraussetzung folgt aus dem Wesen des mehrgliedrigen Gerichts allerdings, daß sich der bei der einen Abstimmung Überstimmte bei den ferneren Abstimmungen auf den Standpunkt der Mehrheit stellen, also das von dieser Beschlossene als maßgebend anerkennen muß (durchaus h. M.). Abzulehnen ist die Auffassung P e t e r s 416, der überstimmte Richter brauche bei einer mit seiner Auffassung unvereinbaren Frage wegen des Gewissenskonfliktes und aus Gründen der Logik nicht mehr mitzuwirken (vgl. dazu Anm. IV zu § 1), und seine Stimme sei dann bei den weiteren Abstimmungen der für den Beschuldigten günstigsten Meinung zuzuzählen; es bedeutet eben keinen Gewissenskonflikt, sondern ergibt sich aus dem Grundgedanken des Kollegialgerichts, daß der Überstimmte die Auffassung der Mehrheit des Kollegiums respektieren muß (so auch im Ergebnis, in der Begründung abweichend, E b S c h m i d t 2). Er darf sich sonach bei den ferneren Abstimmungen nicht lediglich von dem Bestreben leiten lassen, eine Entscheidung herbeizuführen, die der von ihm ursprünglich gewollten im Ergebnis am nächsten kommt; ein derartiges Verhalten des Überstimmten würde mit dem Erfordernis einer folgerichtigen Begründung der Gerichtsentscheidung im Widerspruch stehen (obwohl regelmäßig der Fehler in den Entscheidungsgründen nicht erkennbar sein würde). A m deutlichsten zeigt sich das bei der Abmessung der Strafe; der bei der Entscheidung der Schuldfrage Überstimmte darf nicht lediglich deshalb, weil er den Beschuldigten für nicht schuldig hält, für eine milde Strafe oder gar für das gesetzliche Mindestmaß stimmen; denn das würde, wie v o n B a r (KrVJSchr. 10 489) treffend sagt, mittelbar zur Verhängung von Verdachtsstrafen führen (ebenso B i n d i n g 176; H e n k e l [2] 254; M ü l l e r - S a x 1; Eb. S c h m i d t 4; B r e e t z k e DRiZ 1962 6; a. M. G e y e r Lb. 611; G l a s e r 2 269; v o n 2999

§ 1 9 5 Anm. 3—5 Gerichtsverfassungsgesetz § 196 K r i e s 448; B e l i n g Lehrb. 253; G r a f zu D o h n a 82.) Derselbe Gesichtspunkt ist bei der Abstimmung über das Vorliegen mildernder Umstände oder eines bestimmten Strafmilderungsgrundes und das Absehen von Strafe maßgebend; auch hier wird der, der für Nichtschuldig gestimmt hat, die dem Beschuldigten günstige Ansicht nur aus Gründen vertreten dürfen, deren Geltendmachung auch vom Standpunkt der Mehrheit aus möglich ist. Ebenso verhält es sich mit der Abstimmung über die die Straßarkeit erhöhenden Tatsachen; es wäre z. B. nicht folgerichtig, wenn der bei der Schuldfrage Überstimmte, der den des Diebstahls Beschuldigten für nicht überführt hält, lediglich deshalb auch die zweifelsfrei ermittelte Tatsache, daß der Diebstahl mittels Einsteigens begangen worden ist, für nicht erwiesen erklären wollte (a. M. von B a r KrVJSchr. 10 499; B i n d i n g 174; v o n K r i e s 444). Der aufgestellte Satz gilt ferner auch für die Abstimmung über Tatsachen, die die an sich begründete Straßarkeit wieder aufheben; so darf z. B. der bei der Schuldfrage Überstimmte, der den des fahrlässigen Falscheides Beschuldigten für nicht überführt hält, nicht lediglich aus diesem Grund die Frage bejahen, ob der Beschuldigte seine Aussage rechtzeitig berichtigt habe. — Anders liegt es, wenn eine „Vorfrage" bereits die Schuldfrage zum Gegenstand hat. Entsteht z. B. bei der Beratung des Urteils die Vorfrage, ob es zur Aufklärung der Sache noch einer weiteren Beweiserhebung bedürfe und wird diese Vorfrage von der Mehrheit verneint, weil der Sachverhalt bereits völlig aufgeklärt sei, so muß der, der für die Beweiserhebung gestimmt hat, demnächst zwar in der Hauptsache, also über die Schuld des Beschuldigten, abstimmen; er ist aber selbstverständlich nicht an die Gründe der Mehrheit, die den Beschuldigten als überführt ansah, gebunden, vielmehr berechtigt und verpflichtet, für Nichtschuldig zu stimmen (ebenso E b S c h m i d t 3). 3. Nicht in den Bereich der hier erörterten Frage gehört streng genommen der Fall, daß nach Verneinung der ersten Schuldfrage darüber abzustimmen ist, ob nicht die Tat des Beschuldigten unter einen anderen strafrechtlichen Gesichtspunkt fällt, z. B. ob der des Mordes für nichtschuldig erklärte Beschuldigte einer vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 226 StGB) schuldig ist. Denn die Verneinung der ersten Schuldfrage hat eben keine andere Bedeutung als die einer Verneinung; die Gründe für das Nichtschuldig können bei den verschiedenen Abstimmenden ganz verschieden gewesen sein; über die Verneinung hinaus ist von einem „Standpunkt der Mehrheit" überhaupt nicht, wenigstens nicht in abstracto, die Rede. Ob der, der die erste Schuldfrage bejaht hat, demnächst für die Bejahung oder aber für die Verneinung der zweiten Schuldfrage zu stimmen haben wird, hängt davon ab, ob in dem von ihm in erster Linie angenommenen Tatbestand der in der zweiten Schuldfrage bezeichnete mitenthalten ist oder nicht. In dem Beispielsfall wird, wer für schuldig wegen Mordes gestimmt hat, die zweite Schuldfrage unbedenklich zu bejahen haben. Ebenso verhält es sich, wenn die erste Schuldfrage die vorsätzliche, die zweite Schuldfrage dagegen die fahrlässige Begehung der Tat zum Gegenstand hat (RGRspr. 4 198, RGSt. 59 83, von B a r aaO. 494). 4. Dem Gebot des § 195 entspricht es, daß der überstimmte Richter als Berichterstatter bei der Begründung des Urteils unter Ausschaltung seiner eigenen Bedenken sich bemühen muß, die Gründe, die für den Mehrheitsbeschluß maßgebend waren, loyal und so überzeugend darzustellen, als ob er selbst der Mehrheit angehört habe. Insbesondere muß der im Schöffengericht überstimmte Berufsrichter der „Stimme des Volkes" den rechten rechtlichen Ausdruck zu geben sich bemühen und darf, von krassen Fehlern eines handgreiflichen Fehlurteils abgesehen (vgl. Anm. 6a zu §43 DRiG) nicht der Versuchung unterliegen, seinem Unmut (unter Verletzung des Beratungsgeheimnisses, § 43 DRiG) durch entsprechende Fassung der Urteilsbegründung Raum zu geben ( S e i b e r t 1957 597). 5. Wegen des „Sondervotums" des überstimmten Richters s. Anm. 5 zu § 43 DRiG.

§ 196 (1) Das Gericht entscheidet, soweit das Gesetz nicht ein anderes bestimmt, mit der absoluten Mehrheit der Stimmen. (2) Bilden sich in Beziehung auf Summen, über die zu entscheiden ist, mehr als zwei Meinungen, deren keine die Mehrheit für sich hat, so werden die für die größte Summe ab3000

Sechzehnter Titel. Beratung und Abstimmung (Schäfer)

§ 1 9 6 Anm. 1 - 4

gegebenen Stimmen den für die zunächst geringere abgegebenen solange hinzugerechnet, bis sich eine Mehrheit ergibt. (3) Bilden sich in einer Strafsache, von der Schuldfrage abgesehen, mehr als zwei Meinungen, deren keine die erforderliche Mehrheit für sich hat, so werden die dem Beschuldigten nachteiligsten Stimmen den zunächst minder nachteiligen so lange hinzugerechnet, bis sich die erforderliche Mehrheit ergibt. Bilden sich in der Straffrage zwei Meinungen, ohne daß eine die erforderliche Mehrheit für sich hat, so gilt die mildere Meinung. (4) Ergibt sich in dem mit zwei Richtern und zwei Schöffen besetzten Schöffengericht in einer Frage, über die mit einfacher Mehrheit zu entscheiden ist, Stimmengleichheit, so gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Entstehungsgeschichte: Entw. § 161. Spätere Änderungen: Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 320). Mit der Aufhebung des erweiterten Schöffengerichts durch VO d. RPräs. vom 14. 6. 1932 (RGBl. I 285) erster Teil Kap. I Art. 1 § 1 Nr. 3 wurde Abs. 3 Satz 3, der die Abstimmung beim erweiterten Schöffengericht regelte, gegenstandslos; er wurde demgemäß in der auf dem Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 beruhenden Fassung des § 196 weggelassen; im übrigen änderte das genannte Gesetz die Fassung nur (unwesentlich) stilistisch. Bei der Wiedereinführung des erweiterten Schöffengerichts durch das 3. Strafrechtsänderungsges. vom 4. 8. 1953 (BGBl. I 735) wurde der frühere Absatz 3 Satz 3 als neuer Absatz 4 eingefügt. Dabei ist die frühere Fassung: „Ergibt sich . . . besetzten Schöffengericht, von der Schuld- und Straffrage abgesehen, Stimmengleichheit", in Anpassung an § 263 Abs. 1 StPO in der Weise abgeändert, daß die Stimme des Vorsitzenden bei Stimmengleichheit nur den Ausschlag bei Fragen gibt, über die mit einfacher Mehrheit zu entscheiden ist. 1. absolute Mehrheit (zu Absatz 1). Darüber, wann der Grundsatz des Absatzes 1 gilt, also einfache Mehrheit genügt, vgl. Anm. 5 zu § 263 StPO; s. auch Anm. VI zu § 194. Als Fall einer Abstimmung mit einfacher Mehrheit ist noch die Frage der eigenen Sachkunde (RG HRR 1925 Nr. 546) zu erwähnen. Über das Erfordernis einer qualifizierten Stimmenmehrheit s. § 263 Abs. 1, 2 StPO und die dort. Anm. 2. Summen (zu Absatz 2). Die Vorschrift gilt auch in Strafsachen, in denen über die Höhe einer zuerkannten Entschädigung oder Buße entschieden wird (§§ 403 ff., 406d, 436 Abs. 3 Satz 2 StPO). 3. Stimmenverschiedenheit (zu Absatz 3). Über den Begriff der Schuldfrage s. § 194 GVG Anm. III 1, § 263 StPO Anm. 2, 3. Auch innerhalb der Strafffrage können mehrere Abstimmungen erforderlich werden; so ist bei wahlweiser Androhung verschiedener Strafarten zunächst über die Strafart und erst dann über die Höhe der durch die vorangegangene Abstimmung ermittelten Strafart abzustimmen. Die Abstimmung über die zu § 263 Anm. 3 unter b—d bezeichneten Punkte darf nicht mit der Abstimmung über die Strafe vermischt werden; § 196 Abs. 3 bezieht sich nur auf die Abstimmung über die Strafe (vgl. Anm. 3 d, 4 zu § 263 StPO). Kommen außer der Hauptstrafe noch Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßregeln der Sicherung und Besserung in Betracht, so ist zunächst über jene und sodann in besonderen Abstimmungen über diese zu entscheiden. — Eine Verurteilung ist nur möglich, wenn im (gewöhnl.) Schöffengericht, im Jugendschöffengericht und in der kleinen Strafkammer zwei, im erweiterten Schöffengericht drei, in der großen Strafkammer und in der Jugendkammer, in den Strafsenaten des Oberlandesgerichts (bei erstinstanzlichen Sachen, § 120) vier und im Schwurgericht sechs Mitglieder die Schuldfrage bejahen. Die gleiche Mehrheit muß in der Straffrage bei jeder Abstimmung vorhanden sein. Stimmen also von den 5 Mitgliedern der großen Strafkammer zwei für ein Jahr Freiheitsstrafe, zwei für 8 Monate und einer für 6 Monate, so ist auf 8 Monate erkannt; stimmen drei Mitglieder für 9 Monate und zwei für 6 Monate, so lautet die Strafe auf 6 Monate. 4. Zu Absatz 4. Diese durch praktische Notwendigkeiten erforderte Regelung ist nicht verfassungswidrig. Es gibt keinen Verfassungsgrundsatz, daß im Kollegialgericht kein Richter mehr Stimmrecht als die übrigen Richter haben dürfe ( K e r n JZ 1959 320; s. dazu auch K ü h n e DRiZ 1960 391). — Über die Streitfrage, wie zu verfahren ist, wenn sich die beiden im erweiterten Schöffengericht zusammenwirkenden Berufsrichter über die Fassung 3001

§§197;198

Gerichtsverfassungsgesetz

der Urteilsgründe nicht einigen können, vgl. Anm. II 3 zu § 30. Vgl. noch § 132 Abs. 5 letzter Satz.

§ 197 Die Richter stimmen nach dem Dienstalter, bei gleichem Dienstalter nach dem Lebensalter, ehrenamtliche Richter und Schöffen nach dem Lebensalter; der jüngere stimmt vor dem älteren. Die Schöffen stimmen vor den Richtern. Wenn ein Berichterstatter ernannt ist, so stimmt er zuerst. Zuletzt stimmt der Vorsitzende. Entstehungsgeschichte: Entw. § 162. Spätere Änderungen: VO vom 4. 1. 1924 § 20 Abs. 1 (RGBl. I 18). Bek. vom 22. 3. 1924 (RGBl. 321). Durch Art. II Nr. 43 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) ist in Satz 1 „Handelsrichter" durch „ehrenamtliche Richter" ersetzt und die Bezeichnung „und Geschworene(n)" in Satz 1, 2 gestrichen worden. Literatur: K e r n , Die Reihenfolge der Abstimmung im Ratsgericht ZAkadDR 1939 562. 1. § 197 regelt nur die Abstimmung. Über die Reihenfolge, in der die Mitglieder bei der Beratung ihre Meinung äußern, bestimmt der Vorsitzende (§ 194). 2. Über Dienstalter der Berufsrichter s. §§ 20, 144 DRiG Lebensalter: Sind zwei Schöffen an demselben Tag des gleichen Jahres geboren, so muß das Los über die Reihenfolge der Abstimmung entscheiden ( H ü m m e r LZ 1918 33; E b S c h m i d t 1; M ü l l e r - S a x 1). 3. „Berichterstatter" im Sinne des § 197 ist nur der Richter, der aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift (vgl. §§ 324, 351 StPO) zu dieser Tätigkeit bestellt worden ist (vgl. Ber. der RTK von 1910, N. KommB 3152), nicht der beim erstinstanzlichen Kollegialgericht als künftiger Verfasser des Urteilsentwurfs zum „Berichterstatter" bestellte Richter (a. M. K e r n ZAkadDR 1939 564 und GVerfR 141; E b S c h m i d t 3). Das RG (RGSt. 40 155) hat nur die Frage entschieden, ob ein aus Zweckmäßigkeitsrücksichten ernannter Berichterstatter bei der Beratung zuerst seine Ansicht äußern darf. Dagegen ist die Frage, ob er zuerst stimmberechtigt ist, nicht beantwortet worden.

§ 198 § 198 betr. Verpflichtung der Schöffen und Geschworenen zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses wurde durch § 85 Nr. 13 DRiG 1961 aufgehoben. Vgl. jetzt §§ 43, 45 Abs. 3 DRiG und die Anm. dazu.

SIEBZEHNTER TITEL Gerichtsferien Vorbemerkung: Die Gerichtsferien wurden durch Ges. vom 7. 3. 1935 (RGBl. I S. 352) abgeschafft, durch Art. 1 Ziff. 79 des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 aber wieder eingeführt. Die Zweckmäßigkeit der Gerichtsferien ist umstritten (vgl. M ü l l e r DRiZ 1954 69; S c h m i d t NJW 1961 767). Bei den übrigen Gerichtsbarkeitszweigen (Verwaltungsgerichtsbarkeit usw.) gibt es keine Gerichtsferien (vgl. BSG NJW 1959 910; M e l l w i t z NJW 1954 781 betr. Sozialgerichtsbarkeit und BVerwG MDR 1972 170 betr. Verwaltungsgerichtsstreit verfahren). Reformbestrebungen richten sich auf eine Verlegung der Gerichtsferien in die Zeit vom 1. 7. bis 31. 8. (vgl. Vorschläge der 40. Justizministerkonferenz 1971, DRiZ 1971417). 3002

Siebzehnter Titel. Gerichtsferien (Schäfer)

§ 1 9 9 Anm. 1 § § 2 0 0 ; 201; 202

§ 199 Die Gerichtsferien beginnen am 15. Juli und enden am 15. September. Entstehungsgeschichte: Entw. § 164. 1. Der 15. 9. fällt noch in die Gerichtsferien (RG JW 1916 52).

§ 200 (1) Während der Ferien werden nur in Feriensachen Termine abgehalten und Entscheidungen erlassen. (2) Feriensachen sind: 1. Strafsachen; (2. bis 8. und Absatz 3, 4 betrifft Zivilsachen). 1. Da alle Strafsachen Feriensachen sind, haben die Gerichtsferien für das Strafverfahren vor den ordentlichen Gerichten keine weitere Bedeutung als die, daß sie wegen der Beurlaubung eines Teiles der Richter und der Abwesenheit eines Teils der Bevölkerung auf Urlaubsreisen unter Umständen ein spärlicheres Anberaumen der Hauptverhandlungen rechtfertigen können und daß an die Stelle der regelmäßigen Kammern und Senate die Ferienkammern und Feriensenate (§ 201) treten (vgl. RGSt. 56 144). Auf den Beginn und den Lauf der Fristen im Strafverfahren haben die Ferien keinerlei Einfluß. Zu den Strafsachen i. S. des Absatzes 2 Nr. 1 gehören auch die gerichtlichen Bußgeldsachen nach dem OWiG (§ 46 aaO.).

§201 Zur Erledigung der Feriensachen können bei den Landgerichten Ferienkammern, bei den Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof Feriensenate gebildet werden. 1. Zur Bildung der Ferienkammern und -Senate ist eine Anordnung des Präsidiums erforderlich (vgl. Anm. II 3 zu § 60). Da es sich bei der Bildung dieser Spruchkörper um eine Maßnahme nach § 21 e Abs. 3 handelt, finden die allgemeinen Vorschriften über die Besetzung des Spruchkörpers und die Zuweisung der Geschäfte sinngemäß Anwendung (RGSt. 37 59; 40 85; 54 253). Entsprechend der bisherigen Auslegung des § 62 Abs. 1 Satz 1 a. F. darf von der Anwendung des § 21 f Abs. 1 während der Gerichtsferien ausnahmsweise abgesehen werden, wenn die Geschäftsverhältnisse die Befolgung dieser Vorschrift nicht gestatten (RGSt. 56 143; BGHSt. 12 104, 108; 17 223, 224; 18 176, 178; OLG Celle NJW 1969 808). Jedoch muß der Vorsitzende mindestens ein ständiges Mitglied des Gerichts sein (vgl. § 21 f. Abs. 2 GVG; § 28 Abs. 2 DRiG). Im Feriengeschäftsverteilungsplan kann — entsprechend der bisherigen Handhabung — ein bestimmter Richter ausdrücklich zum Vorsitzenden bestellt werden. Es kann aber davon abgesehen werden, wenn das Präsidium dem Ferienspruchkörper für jeden Tag der Gerichtsferien die zu Entscheidungen erforderliche Zahl von Mitgliedern (vgl. § 29 DRiG) zuteilt; dann ergibt sich der Vorsitzende aus dem entsprechend anwendbaren § 21 f Abs. 2 Satz 2 (vgl. BGHSt. 17 223). Wegen der Tagung des Ferienspruchkörpers in seiner bisherigen Zusammensetzung nach dem Ende der Gerichtsferien vgl. Anm. 2 a zu § 21 e. 2. Hilfsrichter. Ist nicht die erforderliche Zahl von Mitgliedern des Land- oder Oberlandesgerichts vorhanden, so muß nach § § 7 0 Abs. 1, 117 die Zuziehung von Hilfsrichtern zur Bildung der Ferienstrafkammern und -Senate herbeigeführt werden (RGSt. 40 85).

§ 202 Auf das Kostenfestsetzungsverfahren, das Mahnverfahren, das Zwangsvollstreckungsverfahren, das Konkursverfahren und das Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses sind die Ferien ohne Einfluß. 3003

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Vom 27. Januar 1877 (RGBl. 77 ff.)

In der Fassung der Ges. vom 11.4. 1877 (RGBl. 415) (Änd. des § 8); vom 12. 6. 1889 (RGBl. 95); 17. 5. 1898 (RGBl. 254) Art. II, III (Änd. der §§ 5, 9, 10); 22. 5. 1910 (RGBl. 767) Art. II (Änd. des § 8); 20. 2. 1911 (RGBl. 59) (Änd. des § 8); 12. 9. 1950 (BGBl. 455) (Aufhebung des § 6, Änd. der §§ 8, 9, 10); vom 21. 1. 1960 (BGBl. I 17) (Einfügung der §§ 23 ff.); 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582) Art. 4 Nr. 1 (Ergänzung des § 9); 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) (Änderung des § 10). In Berlin i. d. F. von Art. 2 Nr. 1 - 4 des Ges. vom 9. 1. 1951 (VOB1. 99).

§1 (betr. Inkrafttreten am 1. 10. 1879)

§2 Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes finden nur auf die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit und deren Ausübung Anwendung. 1. Ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. a) Die streitige Gerichtsbarkeit ist die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in Strafsachen; die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit ist die Gerichtsbarkeit, die von den ordentlichen Gerichten in diesen Rechtssachen ausgeübt wird (Begr. 13, 97). Wegen des Begriffes „Strafsache" vgl. EGStPO § 3, wegen desjenigen der „ordentlichen Gerichte" GVG § 12. b) Soweit die Gerichtsbarkeit in den Sachen, für die Sondergerichte zugelassen sind (§§ 13, 14 GVG), den ordentlichen Gerichten übertragen ist (§ 3 Abs. 1 Anm. 2 das.), fällt auch sie unter den Begriff der ordentlichen Gerichtsbarkeit. c) Außer in Strafsachen im technischen Sinn, die die Verfolgung eines staatlichen Strafanspruchs zum Gegenstand haben, findet das GVG auch in Verfahren Anwendung, in denen es sich nicht um die den deutschen Strafverfolgungsbehörden zustehende Verfolgung einer Kriminalstraftat, sondern um Angelegenheiten handelt, die wegen ihrer inneren Verwandtschaft mit Strafsachen einer straf]ustizförmigen Behandlung bedürfen. Hierher gehören insbesondere die Entscheidung über die Zulässigkeit von Rechtshilfemaßnahmen gegenüber dem Ausland nach Maßgabe des Deutschen Auslieferungsges. vom 23. 12. 1929 (RGBl. I 239) und das Verfahren wegen (nichtkrimineller) Ordnungswidrigkeiten vor der Verwaltungsbehörde, der Staatsanwaltschaft und dem Strafgericht nach Maßgabe des Ges. über Ordnungswidrigkeiten vom 24. 5. 1968 (BGBl. I 481). § 47 des ersteren Gesetzes erklärt allgemein die Vorschriften des GVG auf das Verfahren der Gerichte für anwendbar, soweit es nicht selbst abweichendes bestimmt. Eine entsprechende, auch für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde geltende Vorschrift enthält § 46 Abs. 1 OWiG. Bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten auf dem Gebiet der Strafrechtspflege nach §§ 23 ff. des 3005

§2 Anm. 2—4

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

vorliegenden Gesetzes ergibt sich die Anwendbarkeit des GVG daraus, daß § 29 Abs. 2 die Vorschriften der StPO über das Beschwerdeverfahren für sinngemäß anwendbar erklärt und damit zugleich die Vorschriften des GVG. 2. Geltungsgebiet. a) Das GVG hatte von vornherein, wie die Begr. (14) es ausdrückt, einen „fragmentarischen" Charakter; seine Aufgabe war lediglich, die gemeinsamen Grundlagen für die gleichmäßige Anwendung der Prozeßordnungen (StPO, ZPO, KO usw.) zu schaffen. Diese aber regeln nur das Verfahren, das vor den ordentlichen Gerichten stattfindet, und demgemäß behandelt auch das GVG nur die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit (Anm. 1). Außerhalb des sachlichen Geltungsbereiches des GVG liegen sonach: a) die streitige Gerichtsbarkeit der Sondergerichte; b) die gesamte nichtstreitige Gerichtsbarkeit (das Vormundschaftswesen, das Grundbuchwesen usw.), soweit nicht, wie durch das F G G vom 17. 5. 1898 (RGBl. 189; n. F. 369, 771) §§ 2, 8 seine Bestimmungen besonders für anwendbar erklärt worden sind; c) die Angelegenheiten der Justizverwaltung nebst dem Kassen- und Hinterlegungswesen; d) die Gerichtsbarkeit der sonstigen neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestehenden Gerichtsbarkeitszweige (der Arbeits-, der allgemeinen und besonderen Verwaltungs- IFinanz-, Sozial-], der Disziplinar- und der Verfassungsgerichte sowie des Bundespatentgerichts). Auch die Gesetze, die die Gerichtsverfassung dieser Gerichte regeln, verweisen aber in gewissem Umfang auf das GVG, indem sie dessen Vorschriften allgemein subsidiär für entsprechend anwendbar erklären, so z. B. § 173 VwGO, § 202 des Sozialgerichtsges. oder wenigsten dessen Vorschriften über bestimmte Materien, z. B. die Rechtshilfe (vgl. Vorbem. 3 a vor § 156 GVG) und über die Öffentlichkeit, die Sitzungspolizei, die Gerichtssprache und die Abstimmung (vgl. z. B. § 17 des Ges. über das Bundesverfassungsgericht vom 12.3.1951, BGBl. I 243; § 3 6 g des Patentges. i. d. F. 2. 1. 1968, BGBl. I 2; § 55 VwGO). Allgemein sind (z.T. mit gewissen Modifikationen) durch das Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) in den Verfahrensordnungen der Gerichte anderer Gerichtsbarkeitszweige die Vorschriften des 2. Titels des GVG (§§ 21a ff.) über die Präsidialverfassung für entsprechend anwendbar erklärt. Das Ziel der Reformforderungen ist die Schaffung eines für alle Gerichtsbarkeitszweige geltenden einheitlichen Gerichtsverfassungsgesetzes. Ein bedeutsamer Schritt auf diesem Wege ist die Herausnahme der bisher im GVG enthaltenen Vorschriften über das Richteramt und ihre Überführung in das DRiG 1961, das die Rechtsverhältnisse der Richter aller Gerichtsbarkeitszweige regelt. b) Das GVG läßt (abgesehen von § 151) die Frage offen, durch welche Organe die Dienstaufsicht über die Gerichte auszuüben ist (vgl. dazu Anm. 3 zu § 4). 3. Die Frage nach dem Verhältnis des GVG zu den vor seinem Inkrafttreten (1879) erlassenen Reichs- und Bundesgesetzen ist heute nicht mehr von Interesse. Wegen des Rechtshilfeges. vom 21. 6. 1869 vgl. Vorbem. 3 a vor § 156 GVG. Spätere Gesetze enthalten z. T. Einschränkungen des Anwendungsbereichs des GVG: insbes. im jugendgerichtlichen Verfahren haben die Vorschriften des GVG nur Geltung, soweit nicht das J G G selbst Bestimmungen trifft (§ 2 JGG); ähnlich § 47 DAG. 4. Verhältnis des GVG zu den Landesgesetzen. Die Begr. S." 97 (zu § 1 des EG) bemerkt, daß wegen des „fragmentarischen" Charakters des GVG die Landesgesetzgebung berufen sei, das Reichsrecht in erheblichem Umfange zu ergänzen. Das gilt nur für Gegenstände, die im GVG entweder überhaupt nicht (Anm. 2) oder doch nur in großen Zügen, d. h. in der Art geregelt sind, daß die Bestimmungen des GVG nur einen von der Landesgesetzgebung auszufüllenden Rahmen darstellen; das ist z. B. der Fall bei den Bestimmungen über das Amt der Staatsanwaltschaft (vgl. Tit. 10 Vorbem. 1, 2). Im übrigen aber hat die Landesgesetzgebung die Befugnis, das GVG zu ergänzen, nur insoweit, als sie ihr ausdrücklich beigelegt ist (vgl. z. B. § 34 Abs. 2). Das gilt namentlich von allen Bestimmungen, die, wie Tit. 14—17, keinen eigentlich „organisatorischen", sondern einen verfahrensrechtlichen Inhalt haben und nur aus Gründen der Zweckmäßigkeit aus den Prozeßordnungen ausgeschieden worden sind. Diese rein äußerliche Abtrennung verfahrensrechtlicher Gegenstände von dem übrigen Prozeßrecht kann sachlich keinen Unterschied begründen; vielmehr sind für das Verhältnis des Bundesrechts zum Landesrecht die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des GVG mit den Vorschriften der Prozeßordnungen auf eine Linie zu stellen; mithin gilt auch 3006

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§ 2 Anm. 5, 6 § 3 Anm. 1 —4

für sie der Grundsatz des § 6 des EGStPO. — Auch ist selbstverständlich, daß Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten, zu denen die Bestimmungen des GVG Anlaß geben, nicht durch die Landesgesetzgebung entschieden werden können. 5. Besondere Vorschriften. Vereinzelt ist der Landesgesetzgebung eine Abweichung von den Vorschriften des GVG ausdrücklich gestattet; vgl. § 17a GVG. 6. Die vor dem Inkrafttreten des GVG von dem Reich, von dem Norddeutschen Bund oder von einzelnen deutschen Ländern mit auswärtigen Staaten abgeschlossenen Staatsverträge sind durch das GVG nicht berührt worden (Begr. 100).

§3 (1) Die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, für welche besondere Gerichte zugelassen sind, kann den ordentlichen Landesgerichten durch die Landesgesetzgebung übertragen werden. Die Übertragung darf nach anderen als den durch das Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Zuständigkeitsnormen erfolgen. (2) Auch kann die Gerichtsbarkeit letzter Instanz in den vorerwähnten Sachen auf Antrag des betreffenden Bundesstaates mit Zustimmung des Bundesrats durch Kaiserliche Verordnung dem Reichsgerichte übertragen werden. (3) Insoweit für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten ein von den Vorschriften der Zivilprozeßordnung abweichendes Verfahren gestattet ist, kann die Zuständigkeit der ordentlichen Landesgerichte durch die Landesgesetzgebung nach anderen als den durch das Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Normen bestimmt werden. 1. Zu Absatz 1. „Strafsachen, für welche besondere Gerichte zugelassen sind" — hierüber s. §§ 13, 14 GVG. 2. Von einer Übertragung der hier fraglichen Gerichtsbarkeit auf die ordentlichen Landesgerichte kann streng genommen nur da die Rede sein, wo bisher die eine oder die andere Art von Sondergerichten bestanden hat und durch die Landesgesetzgebung aufgehoben wird. Daraus, daß die Einsetzung der Sondergerichte nur zugelassen (nicht angeordnet) ist, folgt ohne weiteres, daß die Landesgesetzgebung auch befugt ist, die Gerichtsbarkeit in den fraglichen Sachen den ordentlichen Gerichten zu belassen. Eine ausdrückliche Anordnung der Landesgesetzgebung ist hierzu nicht erforderlich. Auch die Begr. (26) sagt: „Wird von der Zulassung der besonderen Gerichte nicht Gebrauch gemacht, so gehören die betreffenden Sachen nach der allgemeinen Regel vor die ordentlichen Gerichte, ohne daß es einer besonderen landesgesetzlichen Bestimmung hierüber bedarf." Ebenso Begr. 988. Hiernach ist die Fassung des Absatzes 1 nicht ganz sachgemäß. Klarer läßt sich sein Inhalt dahin umschreiben: Die Landesgesetzgebung darf, wenn sie die fraglichen Sachen den ordentlichen Gerichten beläßt oder überträgt, für sie besondere Zuständigkeitsvorschriften aufstellen. 3. Die Bestimmung über die Zuständigkeitsvorschriften findet für Strafsachen ihre Ergänzung in § 3 Abs. 2 EGStPO; danach kann die Landesgesetzgebung für die in Rede stehenden Sachen ein von der StPO abweichendes Verfahren gestatten. Nach dieser Vorschrift können auch für die örtliche Zuständigkeit abweichende Bestimmungen getroffen werden, während hier nur von der sachlichen Zuständigkeit die Rede ist. 4. den ordentlichen Gerichten. Wie sich aus dem in Anm. 2 Bemerkten („belassen") ergibt, behandelt Absatz 1 lediglich den Fall, daß die Gerichtsbarkeit in den fraglichen Rechtssachen den ordentlichen Gerichten als solchen, d. h. in ihrer Gesamtheit, übertragen wird. Verschieden hiervon ist der Fall, daß die Gerichtsbarkeit einem einzelnen ordentlichen Gericht oder mehreren besonders bestimmten ordentlichen Gerichten, mit Ausschluß der übrigen, übertragen wird, oder m. a. W. der Fall, daß ordentliche Gerichte zugleich zu Sondergerichten für gewisse Rechtssachen bestellt werden. Wegen dieses Falles s. GVG § 13 Anmerkung 7. 3007

§ 3 Anm. 5, 6 Einführungsgesetz zum § 4 Anm. 1, 2 Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer) 5. Zu Absatz 2 — Übertragung der Gerichtsbarkeit letzter Instanz auf das Reichsgericht (jetzt: den Bundesgerichtshof; vgl. Art. 8 III Nr. 88 des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950, BGBl. S. 455) - betrifft den Fall, daß die zugelassenen Sondergerichte wirklich bestellt sind. Sind die zugelassenen Sondergerichte nicht bestellt, die fraglichen Sachen vielmehr den ordentlichen Gerichten übertragen (Anm. 2), so ist der Bundesgerichtshof schon kraft des Gesetzes Gericht letzter Instanz, soweit nicht nach den Vorschriften über den Instanzenzug das Oberlandesgericht die letzte Instanz bildet (Begr. S. 98). Im übrigen ist § 3 Abs. 2 für die Strafgerichtsbarkeit ohne praktische Bedeutung, da es bundesgesetzlich zugelassene und landesrechtlich bestellte Sondergerichte in Strafsachen nicht mehr gibt. 6. Ergänzend bestimmt Art. 8 III Nr. 88 Abs. 2 des Rechtsvereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 (BGBl. S. 455): „Der Bundesgerichtshof ist ferner zuständig, wenn ihm durch eine Gesetzgebung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes Zuständigkeiten in Übereinstimmung mit diesem Gesetz übertragen sind". Vgl. ferner Art. 99 GG, wonach durch Landesgesetz den obersten Bundesgerichten, also auch dem Bundesgerichtshof, die Entscheidung in solchen Sachen zugewiesen werden kann, bei denen es sich um die Anwendung von Landesrecht handelt. Der Landesgesetzgeber kann nunmehr z. B. bestimmen, daß auch in den Fällen des § 121 Abs. 1 Nr. l c GVG über die ausschließlich auf die Verletzung von Landesrecht gestützte Revision der Bundesgerichtshof entscheidet (vgl. BAG JZ 1958 252), und — betr. landesrechtliche Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit — BHG NJW 1962 2348 = JZ 1963 359 mit Anm. B e i t z k e ) . Übrigens ergibt sich aus Art. 99 G G nicht, daß die letztinstanzliche Entscheidungszuständigkeit bei der Anwendung von Landesrecht nur durch den Landesgesetzgeber begründet werden könnte. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiet des Gerichtsverfassungsrechts (Art. 74 Nr. 1 GG) umfaßt auch das Recht, durch Bundesgesetz Bundesgerichten die Nachprüfung von Landesrecht zu übertragen. Die Bedeutung des Art. 99 G G besteht darin, daß eine solche Befugnis auch dem Landesgesetzgeber zugesprochen wird (vgl. BVerfGE 10 285; BGHZ 6 152; BAG JZ 1958 252).

§4 Durch die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Zuständigkeit der Behörden wird die Landesgesetzgebung nicht gehindert, den betreffenden Landesbehörden jede andere Art der Gerichtsbarkeit, sowie Geschäfte der Justizverwaltung zu übertragen. Andere Gegenstände der Verwaltung dürfen den ordentlichen Gerichten nicht übertragen werden. 1. § 4 hat eine doppelte Bedeutung: er stellt zunächst klar, daß die Regelung des GVG über Zuständigkeit und Aufgabenbereich der ordentlichen Gerichte und der Staatsanwaltschaft (der „betreffenden Landesbehörden") keine abschließende ist, sondern der Landesgesetzgebung Raum läßt, den ordentlichen Gerichten weitere (aus dem Landesrecht sich ergebende) Rechtssprechungsaufgaben (,jede andere Art der Gerichtsbarkeit") zu übertragen. Insoweit ist die Bedeutung der Vorschrift heute gering, nachdem in der seit dem Inkrafttreten des GVG verstrichenen Zeit der Reichs- und Bundesgesetzgeber (letzterer in Ausübung seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und des gerichtlichen Verfahrens, Art. 74 Nr. 1 GG) für alle praktisch bedeutsamen Gebiete Rechtswegvorschriften erlassen hat. Ferner besagt § 4, daß es dem Landesrecht freistehe, den Gerichten und Staatsanwaltschaften Justizverwaltungsgeschäfte zu übertragen. Gleichzeitig verbietet er dem Landesrecht die Übertragung anderer Verwaltungsgeschäfte auf die ordentlichen Gerichte, untersagt also, daß die ordentlichen Gerichte gleichzeitig als Verwaltungsbehörden tätig werden. Das ergibt sich heute auch für den Bundesgesetzgeber aus dem Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 G G „ . . . durch besondere Organe . . . der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung"), so daß § 4 seine Bedeutung insoweit verloren hat. 2. Das die Bundesgesetzgebung den ordentlichen Gerichten jede Art von Gerichtsbarkeit übertragen kann, ist selbstverständlich. Jedoch findet das Bundesrecht eine Begrenzung seiner Befugnis, durch einfaches Bundesgesetz den ordentlichen Gerichten Aufgaben der Ge-

3008

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§ 4 Anm. 3—5 §§5,6

richtsbarkeit zu übertragen, darin, daß nach Art. 95 Abs. 1 G G für die Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Soziälgerichtsbarkeit oberste Bundesgerichte zu errichten sind, deren letztinstanzliche Entscheidungszuständigkeit durch einfaches Bundesgesetz nicht ausgeschlossen werden kann. — Nach Art. 19 Abs. 4 G G steht dem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt,wird, der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit — durch Bundes- oder Landesrecht — nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg zulässig. 3. Uber den Begriff der Justizverwaltung und die Abgrenzung der Justizverwaltung gegenüber der Rechtsprechung („der Gerichtsbarkeit" i. S. des § 4 E G G V G ) vgl. Einleitung S. 62 ff. Die Justizverwaltung zerfallt in die Gerichtsverwaltung i. S. des § 4 Abs. 2 Nr. 1 D R i G , d. h. die Verwaltungstätigkeit, die die Gerichte selbst betrifft, wie z. B. die Behand lung der Personalangelegenheiten, das juristische Ausbildungs- und Prüfungswesen, und die Justizverwaltung im übrigen, d. h. die die Rechtspflege angehende Tätigkeit, die nicht die Tätigkeit der Gerichte selbst betrifft (vgl. Vorbem. 2 a vor § 1 G V G , ferner die Anm. zu § 23 E G G V G und zu § 4 DRiG). 4. Durch § 4 werden z. B. die Verwaltungsvorschriften (Gnadenordnungen) gerechtfertigt, durch die den Gerichten bestimmte Betätigungen bei der Ausübung des Gnadenrechts übertragen worden sind (z. B. die Stellungnahme zu Gnadengesuchen usw.). Auch die Verwaltung der Strafanstalten gehört nach der neueren Rechtsentwicklung ebenso wie der Strafvollzug zu den Geschäften der Justizverwaltung (RGSt. 21 428, 31 78; L u c a s in der Festgabe für O t t o M a y e r 1916 234). Einen wesentlichen Bestandteil der Justizverwaltung bildet ferner die Dienstaufsicht über die Gerichte und die Richter (vgl. Anm. VIII zu § 1 G V G und § 14 der VO vom 20. 3. 1935 — im Anhang unter B —). Auch die Erstattung von gutachtlichen Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen, von Rechtsgutachten über zweifelhafte Rechtsfragen, die, solange nicht gerichtliche Entscheidungen vorliegen, die Grundlage für das Verhalten der Justiz Verwaltungsorgane bilden sollen, auf Erfordern der Landesjustizverwaltung u. dgl. sind Justizverwaltungsgeschäfte, die den Gerichten übertragen werden können. Vgl. noch die Anm. zu § 23 E G G V G . 5. Nicht geregelt ist in § 4, inwieweit der einzelne Richter außer seiner Rechtsprechungstätigkeit Verwaltungsaufgaben wahrnehmen darf (Begr. S. 98; a. M. von K r i e s 113). Die Regelung dieser Frage sollte dem Landesrecht überlassen bleiben. Diese Lücke ist heute bundesrechtlich durch § 4 D R i G ausgefüllt. N a c h § 4 Abs. 1 D R i G darf ein Richter nicht zugleich Rechtsprechungs- und Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. In Durchbrechung dieses Grundsatzes läßt § 4 Abs. 2 D R i G aber zu, daß — abgesehen von Aufgaben, die aufgrund eines Gesetzes Gerichten oder Richtern zugewiesen sind (wie z. B. die den Amtsrichtern nach § 451 Abs. 3 StPO übertragene Strafvollstreckung, vgl. Anm. IV zu § 451) und von einer Lehrtätigkeit an öffentlichen Unterrichtsanstalten oder amtlichen Unterrichtseinrichtungen — ein Richter neben Rechtsprechungsaufgaben Aufgaben der Gerichtsverwaltung und Prüfungsaufgaben übernimmt. Zu einer über Rechtsprechungsaufgaben hinausgehenden Tätigkeit in Rechtspflege und Gerichtsverwaltung ist ein Richter nach § 42 D R i G nur im Umfang einer Afeientätigkeit (Nebenamt, Nebenbeschäftigung) verpflichtet und kann eine weitergehende Heranziehung durch Anrufung des Dienstgerichts anfechten (§§ 62 Abs. 1 Nr. 4 d , 78 Nr. 4 d DRiG). Wegen der Zuständigkeit zur Ausübung der Dienstaufsicht und der Heranziehung zu Justizverwaltungsgeschäften vgl. §§ 13 ff. der VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 2 0 . 3 . 1935, RGBl. I 403 (abgedr. Anhang B).

§5 (gegenstandslos)

§6 (aufgehoben durch Art. 1 Nr. 8 des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950, BGBl. S. 455.) 3009

§ 7 Anm. 1 § 8 § 9 Anm. 1, 2 D i e Militärgerichtsbarkeit

sowie das landesgesetzlich den Standesherren gewährte Recht auf Austräge

werden durch das Gerichtsverfassungsgesetz nicht berührt. 1. Die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit über Soldaten richtet sich z. Z. nach den allgemeinen Vorschriften. Von der Ermächtigung nach Art. 96 Abs. 2 G G (Errichtung von Wehrstrafgerichten für den Verteidigungsfall und für Angehörige der Streitkräfte, die in das Ausland entsandt oder an Bord von Kriegsschiffen eingeschifft sind) hat der Bund bisher keinen Gebrauch gemacht. Wegen des früher geltenden Rechtszustandes ist auf die eingehende Darstellung der 19. Aufl. zu verweisen. — Wegen der Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Urteile der früheren Wehrmachtgerichte vgl. §§ 18, 19 des Zuständigkeitsergänzungsges. vom 7. 8. 1952 (BGBl. I 407) und wegen der Ausübung des Gnadenrechts Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 b der Anordnung des Bundespräsidenten über die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes vom 5. 10. 1965 (BGBl. I 1573).

§8 (betr. bürgerliche Rechtsstreitigkeiten.)

§9 Durch die Gesetzgebung eines Landes, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet werden, können die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehörenden Entscheidungen in Strafsachen ausschließlich einem der mehreren Oberlandesgerichte oder an Stelle eines solchen Oberlandesgerichts dem Obersten Landesgericht zugewiesen werden. Dem Obersten Landesgericht können auch die zur Zuständigkeit eines Oberlandesgerichts nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes gehörenden Entscheidungen zugewiesen werden. Entstehungsgeschichte: Art. II, III Ges. vom 17. 5. 1898 (RGBl. 252) (aufgehoben durch § 21 Abs. 2 Nr. 3 DVO vom 13. 3. 1940 [RGBl. I 489] zur ZuständigkeitsVO vom 21. 2. 1940 [RGBl. I 405]). Gegenwärtige Fassung des Satzes 1: Art. 1 II Nr. 82 des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 (BGBl. 455). Satz 2 ist angefügt durch Art. 4 Nr. 1 des Ges. vom 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582). 1. Die Worte „oder an Stelle eines solchen Oberlandesgerichts dem obersten Landesgericht" sind durch Art. III des Ges. vom 17. 5. 1898 (RGBl. 255) eingefügt worden. Durch die in § 9 zugelassene Zusammenfassung der Rechtsprechung soll deren Einheit, namentlich für das Landesstrafrecht, gefördert werden (Begr. 99). Ein oberstes Landesgericht bestand und besteht nur in Bayern. Das BayObLG wurde durch Art. 42 AG GVG vom 23. 2. 1879 (GVB1. Beil. 64 § 1), VO vom 2. 4. 1879 (GVB1. 356) errichtet, durch VO vom 19. 3. 1935 (RGBl. I 383) aufgehoben und durch BayGes. vom 11. 5. 1948 (GVB1. 83) i. d. F. vom 23. 11. 1953 (GVB1. 191 = SaBl. 1852) wiedererrichtet. Seine Organisation und Zuständigkeit ist in Art. 1 8 - 2 4 BayAGGVG vom 17. 11. 1956 (GVB1. 249 = BayBS III 3) geregelt. Vgl. dazu W e h r m a n n , „Das BayObLG in Vergangenheit und Gegenwart", DRiZ 1961 309. Das Oberste Landesgericht ist nicht den anderen Oberlandesgerichten übergeordnet (anders als im Fall des § 8 EGGVG, vgl. BGHZ 17 176, 179), sondern steht neben diesen und tritt nur in bestimmten Fällen an ihre Stelle, kann also nur solche Aufgaben wahrnehmen, für die nach Bundesrecht die Zuständigkeit eines Oberlandesgerichts begründet ist (BGHSt. 11 80). 2. Umfang der Zuweisung. a) Strafsachen. Zu den „Strafsachen" i. S. des § 9 gehören auch die Bußgeldsachen; sie sind zwar keine Strafsachen im technischen Sinn, da nicht die Aburteilung von Straftaten (§ 1 StGB) in Frage steht, müssen aber, da sie sich historisch aus den Strafsachen entwickelt haben, diesen bei Anwendung der Gesetze aus früherer Zeit, die von der herkömmlichen Betrachtungsweise aller staatlich geahndeten Gesetzesverletzungen als „Straftaten" ausgehen, gleichgeachtet werden (vgl. BayObLG NJW 1961 186 Nr. 19). 3010

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§9 Anm. 3 , 4

Demgemäß kann auch die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde (§ 79 OWiG) gemäß § 9 zugewiesen werden. Für Kartellordnungswidrigkeiten gilt § 93 GWB, der eine dem § 9 entsprechende Zuweisung durch RechtsVO zuläßt. b) Entscheidungen in Strafsachen. In der ursprünglichen Fassung sprach § 9 nur von der Verhandlung und Entscheidung über „Revisionen und Beschwerden". Daraus wurde gefolgert (vgl. die Rechtsprechungsnachweise in der 19. Aufl. dieses Werkes Anm. 2 zu § 9), daß die Möglichkeit einer Zuweisung bei den sonstigen durch GVG und StPO den Oberlandesgerichten zufallenden Entscheidungen ausgeschlossen sei. Um eine solche Zuweisung zu ermöglichen, ist durch Art. 1 II Nr. 81 des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 der Wortlaut des § 9 dahin geändert worde, daß auch diese Entscheidungen zuweisungsfähig sind. Es handelt sich z. B. um a) die in §§ 4 Abs. 2, 12 Abs. 2, 13 Abs. 2, 14, 15, 19, 27 Abs. 4, 453 Abs. 2 Satz 3 StPO bezeichneten Verrichtungen des oberen Gerichts. Jedoch ist die Zuweisung der Bestimmung des zuständigen Gerichts auch dann nicht möglich, wenn die mehreren in Betracht kommenden Gerichte verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken des gleichen Landes angehören. Denn in diesem Fall ist nicht das Oberlandesgericht und mithin auch nicht ein Oberlandesgericht oder das Oberste Landesgericht an Stelle der anderen Oberlandesgerichte, sondern der Bundesgerichtshof zuständig (BGHSt. 11 80, BayObLG NJW 1957 1566). Dagegen ist im gerichtlichen Bußgeldverfahren das BayObLG nach Art. 22 Nr. 3 BayAG GVG (s. Anm. 3 a) gemeinschaftliches oberes Gericht über mehrere bayr. Amtsgerichte, die verschiedenen bay. Oberlandesgerichten angehören, da hier eine verfahrensrechtliche Zuständigkeit des BGH nicht gegeben ist (BayObLG NJW 1957 1810); b) die auf den Antrag des Verletzten über die Erhebung der öffentlichen Klage zu erlassende Entscheidung (StPO § 172 Abs. 3); c) die in § 159 GVG bezeichnete, die Rechtshilfe betreffende Entscheidung; d) die Entscheidungen in erstinstanzlichen Strafsachen (§ 120 GVG). 3. Zuweisung. a) Bayern. Durch Art. 22 Bay. AG GVG vom 17. 11. 1956 (GVB1. 239 = BayBS III 3) sind dem BayObLG in Strafsachen die folgenden nach Bundesrecht den Oberlandesgerichten obliegenden Aufgaben zugewiesen: 1. die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug in den in § 120 GVG bezeichneten Strafsachen; 2. die Verhandlung und Entscheidung über die Revisionen; 3. die Entscheidung über die Rechtsbeschwerden aufgrund des Wirtschaftsstrafgesetzes, des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten oder einer anderen Vorschrift, die hinsichtlich des Verfahrens auf die Bestimmungen dieser Gesetze verweist. b) Im früheren Preußen war durch Art. 50 PrAG GVG vom 24. 4. 1878 i. d. F. des Ges. vom 5. 11. 1925 (GS S. 155) in gewissem Umfang die allgemeine Revisionszuständigkeit des Kammergerichts 1= Oberlandesgericht Berlin] begründet, um die Einheit der Rechtsprechung auf dem Gebiet des preuß. Landesstrafrechts sicherzustellen. Hierüber eingehend in der 19. Aufl. dieses Werkes Anm. 3 - 1 2 zu § 9 EGGVG. In Art. III Nr. 40 des Berliner RechtsvereinheitlichungsGes. vom 9. 1. 1951 (VOB1. I S. 99) heißt es: „Berlin behält sich vor, falls sich herausstellen sollte, daß in Angelegenheiten . . . des Landesstrafrechts . . . ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Rechtsprechung besteht, für das Kammergericht diejenigen Zuständigkeiten zu beanspruchen, die diesem aufgrund . . . und anderen Vorschriften zustehen". 4. Ergänzende Vorschriften. Für Auslieferungssachen enthält § 49 des Deutschen Auslieferungsgesetzes vom 23. 12. 1929 (RGBl. I 239) und für gerichtliche Nachprüfung von Justizverwaltungsakten § 25 Abs. 2 EGGVG eine dem § 9 EGGVG entsprechende Ermächtigung zugunsten der Landesgesetzgebung. Vgl. ferner § 4 Abs. 2 des Ges. über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen (Anm. 1 zu § 14 GVG).

3011

§ 1 0 Anm. 1 , 2

Einführungsgesetz

§ 1 1 Anm. 1 , 2

zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§ 10 (1) Die allgemeinen sowie die in § 116 Abs. 1 Satz 2, §§ 124, 130 Abs. 1 und 181 Abs. 1 enthaltenen besonderen Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes finden auf die obersten Landesgerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit entsprechende Anwendung; ferner sind die Vorschriften der §§ 132, 136 bis 138 des Gerichtsverfassungsgesetzes mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, daß durch Landesgesetz die Bildung eines einzigen Großen Senats angeordnet werden kann, der aus dem Präsidenten und mindestens acht Mitgliedern zu bestehen hat und an die Stelle der Großen Senate für Zivilsachen und für Strafsachen sowie der Vereinigten Großen Senate tritt. (2) Die Besetzung der Senate bestimmt sich in Strafsachen, in Grundbuchsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach den Vorschriften über die Oberlandesgerichte, im übrigen nach den Vorschriften über den Bundesgerichtshof. Entstehungsgeschichte: Art. I, III Ges. vom 17. 5. 1898 (RGBl. 252). Die jetzt geltende Fassung des Absatzes 1 Halbsatz 1 beruht auf Art. III des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841), die Fassung des § 10 im übrigen beruht auf Art. 1 II Nr. 83 des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 (BGBl. 455). 1. Z u Absatz 1: D a s Oberste Landesgericht tritt in dem ihm nach §§ 8. 9 zugewiesenen Aufgabenbereich an die Stelle des Bundesgerichtshofs oder des Oberlandesgerichts. Nur insoweit ist es „Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit". B a y O b L G G A 1971 116 läßt offen, ob eine Anrufung des GrSen. beim B a y O b L G ausgeschlossen ist, wenn die Voraussetzungen für eine Vorlegung der Sache nach § 121 Abs. 2 G V G an den B G H gegeben sind. 2. Z u Absatz 2: Es gilt also in Strafsachen § 122 G V G .

•§ 1 1 ( 1 ) D i e landesgesetzlichen Bestimmungen, durch welche die strafrechtliche oder zivilrechtliche Verfolgung öffentlicher Beamter wegen der in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung ihres Amts vorgenommenen Handlungen an besondere Voraussetzungen gebunden ist, treten außer Kraft. (2) Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, durch welche die Verfolgung der Beamten entweder im Falle des Verlangens einer vorgesetzten Behörde oder unbedingt an die Vorentscheidung einer besonderen Behörde gebunden ist, mit der Maßgabe: 1. daß die Vorentscheidung auf die Feststellung beschränkt ist, ob der Beamte sich einer Überschreitung seiner Amtsbefugnisse oder der Unterlassung einer ihm obliegenden Amtshandlung schuldig gemacht habe; 2. daß in den Bundesstaaten, in welchen ein oberster Verwaltungsgerichtshof besteht, die Vorentscheidung diesem, in den anderen Bundesstaaten dem Reichsgerichte zusteht. 1. Entstehungsgeschichte und Geltungsbereich. Die Vorschrift behandelt die Frage, ob die strafrechtliche oder zivilrechtliche Verfolgung öffentlicher Beamter wegen der in Ausübung ihres Amtes vorgenommenen Handlungen an besondere Voraussetzungen gebunden werden darf. Nach dem Entw. des E G StPO § 6 sollten die darüber bestehenden landesrechtlichen Bestimmungen in Kraft bleiben, während die R T K sie beseitigen wollte. Der Reichstag trat in zweiter Lesung dem Beschlüsse der R T K bei; indes wurde in dritter Lesung die Bestimmung in ihrer jetzigen Fassung angenommen (StenB S. 851, 862. 870, 878—880, 925—936). — D a landesrechtliche Bestimmungen nur die Verfolgung der der Landesgesetzgebung unterliegenden Beamten zum Gegenstand haben können, gilt die Vorschrift nur für

Landesbeamte.

2. Die Vorschrift hat keine praktische Bedeutung mehr (über ihre frühere Bedeutung und zur Rechtsentwicklung im einzelnen vgl. Anm. 3 der Vorauflage). 3012

Einführungsgesetz §§ 12—22 zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer) V o r § § 2 3 — 3 0 Anm. 1 a) Für zivilrechtliche Ansprüche ist sie gegenstandslos, da nach Art. 34 G G bei Amtspflichtverletzungen in Ausübung eines öffentlichen Amtes für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. Diese Vorschrift hat alle entgegenstehenden Vorschriften gemäß Art. 31 G G außer Kraft gesetzt (von M a n g o l d t - K l e i n Komm. z. G G Anm. 2 zu Art. 34). b) Die Zulässigkeit von Vorschriften der hier fraglichen Art für Strafsachen wird zwar durch Art. 34 G G nicht berührt. Gleichwohl hat auch sie keine praktische Bedeutung. Die die Reichsbeamten betreffende Vorschrift in § 13 des Reichsbeamtenges. vom 18. 5. 1907 (RGBl. 247): „Jeder Reichsbeamte ist für die Gesetzmäßigkeit seiner amtlichen Handlungen verantwortlich" wurde zutreffend in Rechtsprechung und Schrifttum dahin ausgelegt, daß damit für diese alle landesgesetzlich bestehenden Schranken der Verfolgbarkeit aufgehoben seien (RGSt. 32 322; vgl. auch pr. O V G 11 403, F e i s e n b e r g e r 14 Anm. 6, E G G V G Anm. 2). Eine entsprechende Bestimmung traf für alle Beamten und unter Aufhebung entgegenstehenden Landesrechts § 7 Abs. 1 des Deutschen Beamtenges, vom 26. 1. 1937 („Der Beamte ist für die Gesetzmäßigkeit seiner Amtshandlungen verantwortlich"). Noch weitergehend bestimmt jetzt für die Bundesbeamten § 56 Abs. 1 BBG: „Der Beamte trägt für die Rechtsmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung." Entsprechendes gilt gemäß § 38 B R R G für die Landesbeamten. Danach könnte § 11 Abs. 2 E G G V G nur Bedeutung gewinnen, wenn — bei entsprechender Änderung des Bundesrechts — Landesrecht in Zukunft Vorbescheide auf strafrechtlichem Gebiet einführen dürfte (ebenso E b S c h m i d t 3). Über die Bedeutung, die der Vorschrift dann zukäme, vgl. die Anm. 3—5 der 20. Aufl.

§ 12 (Aufgehoben durch § 1 Ges. vom 12. 6. 1889, RGBl. 95) §§ 13 bis 16 (gegenstandslos)

§ 1 7 (für Strafsachen ohne Bedeutung) § § 1 8 bis 22 (bedeutungslos gewordene Übergangsvorschriften) Vorbemerkungen zu §§ 23 bis 30 1. Allgemeine Bedeutung. Art. 19 Abs. 4 G G bestimmt: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben." Die „öffentliche Gewalt" i. S. dieser Vorschrift umfaßt nicht die Tätigkeit, die von Gerichten (Richtern) unter richterlicher Unabhängigkeit ausgeübt wird, denn der Sinn des Art. 19 Abs. 4 ist es, gegen nichtrichterliche Handlungen von Staatsorganen in Ausübung öffentlicher Gewalt den Weg der richterlichen Nachprüfung zu eröffenen, aber nicht der, gegen den Richter einen zusätzlichen Rechtsschutz durch Anrufung eines anderen Richters zu gewähren (vgl. Anm. VII zu § 21 e GVG). Demgemäß ist Art. 19 Abs. 4 nicht nur unanwendbar, wenn es sich um Akte der Rechtsprechung (im eigentlichen Sinn) — vgl. Vorbem. 2 a vor § 1 G V G — handelt, sondern auch bei den sog. justizformigen Verwaltungsakten, d. h. von Akten der Rechtspflegetätigkeit, die von Gerichten (Richtern) unter richterlicher Unabhängigkeit vorgenommen werden (vgl. Anm. VII zu § 21 e GVG). Der Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 4 G G beschränkt sich also, sieht man von der hier nicht interessierenden Tätigkeit der Legislative ab, auf die Tätigkeit der vollziehenden Gewalt i. S. des Art. 20 Abs. 2, 3 G G , im Bereich der Rechtspflege also auf die sog. Justizverwaltungsakte. Unter welchen Voraussetzungen im einzelnen, vor welchem Gerichtsbarkeitszweig und in welchen prozessualen Formen die durch Art. 19 Abs. 4 im Grundgesetz gewährleistete gerichtliche Nachprüfung von Justizverwaltungsakten durchzuführen sei, war aber Gegenstand mancherlei Zweifel. Im allgemeinen wären, soweit nicht bundes- oder landesrechtliche Vorschriften einen anderen 3013

Vor §§ 2 3 - 3 0 Anm. 2, 3

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

Rechtsweg eröffneten, die Verwaltungsgerichte zur Nachprüfung berufen gewesen, obwohl der Sachzusammenhang, aus dem die behördliche Maßnahme erwachsen war, Gründe der Sachvertrautheit und Zweckmäßigkeit, für eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte sprachen. Bei Strafvollzugsmaßnahmen sah bereits BVerwG M D R 1960 249 den Verwaltungsrechtsweg nicht als gegeben an und verwies in erweiternder Auslegung des § 462 StPO die angefallenen Sachen gemäß § 81 BVwGG an die Strafgerichte des 1. Rechtszugs. Auch die ordentlichen Gerichte erklärten z. T. die §§ 458, 462 StPO für entsprechend anwendbar (vgl. O L G Hamm vom 5. 2. 1962 — 1 VAs. 28/61 —). Die bundesrechtliche Ordnung des Verwaltungsgerichtsverfahrens durch die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO vom 21.1. 1960, BGBl. 1 1 7 ) gab die Veranlassung, auch die gerichtliche Nachprüfung von Justizverwaltungsakten einheitlich zu regeln. Durch § 179 VwGO wurden die § § 2 3 bis 30 in das E G G V G eingefügt. Diese Vorschriften stellen sich also als ein Ausführungsgesetz zu Art. 19 Abs. 4 dar. Ihre Bedeutung besteht nicht darin, daß sie die gerichtliche Nachprüfung von Justizverwaltungsakten zulassen — das war ja bereits durch Art. 19 Abs. 4 geschehen —, sondern darin, daß sie für die in § 23 E G G V G bezeichneten Fälle die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte begründen, die Nachprüfungsvoraussetzungen umgrenzen und das Verfahren regeln. Damit ist der Verwaltungsrechtsweg, soweit er bis dahin als gegeben anzusehen war, i. S. des § 40 Abs. 1 VwGO ausdrücklich durch Bundesgesetz verschlossen, und es sind — wie in Auslieferungssachen nach dem D A G oder wie bei der Anfechtung von Entscheidungen und Maßnahmen der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren nach dem OWiG — den ordentlichen Gerichten wegen des inneren Zusammenhangs mit der Strafrechtspflege Aufgaben zugewiesen, die materiell dem Gebiet der Verwaltungsrechtsprechung angehören. 2. Die Besonderheit des in §§ 23 ff. E G G V G geregelten Verfahrens gegenüber der Nachprüfung anderer Verwaltungsakte durch die allgemeinen Verwaltungsgerichte nach den §§ 40ff. VwGO besteht darin, daß - von § 29 Abs. 1 Satz 2, 3 abgesehen - das O L G im ersten und letzten Rechtszug entscheidet ( § 2 9 Abs. 1 Satz 1). Für die im Zuge der Strafvollstreckung und des Strafvollzugs (bei Freiheitsstrafen, Jugendarrest und freiheitsentziehenden Maßnahmen der Sicherung und Besserung) erforderlich werdenden gerichtlichen Entscheidungen ist damit neben das Gericht des ersten Rechtszugs (§ 462 StPO) das O L G getreten. Ein innerer Grund, die sachliche Zuständigkeit in verschiedenen Ebenen zu regeln, ist nicht einzusehen; es ist schwer verständlich, warum über die Frage, ob überhaupt aus einem Vollstreckungstitel ein Vollzug zulässig ist (§ 458 StPO). das Gericht des ersten Rechtszugs entscheidet, das OLG also nur als Beschwerdegericht gegen erstinstanzliche Beschlüsse der Strafkammer zur Entscheidung berufen ist, während für die in der Regel weniger bedeutungsvollen Fragen, die die Art und Weise des Vollzugs betreffen, das O L G zuständig ist. Eine gewisse Berechtigung der Regelung mochte für eine Übergangszeit darin liegen, daß es sich um juristisches Neuland handelt und durch die Verlagerung in eine höhere sachliche Zuständigkeit in Verbindung mit der Vorlegungspflicht nach § 2 9 Abs. 1, Satz 2, 3 am ehesten eine gleichmäßige Praxis bei der Anwendung der neuen Vorschriften gewährleistet ist. Jedenfalls vermag die mitunter angeführte Erwägung, es sei unangemessen, daß ein Gericht niederer Ordnung (also etwa der Amtsrichter, wenn erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges der Einzelrichter oder das Schöffengericht war), die Entscheidung fälle, nachdem vorher im Vorschaltverfahren (§ 24 Abs. 2) oder auf Dienstaufsichtsbeschwerde hin der Generalstaatsanwalt oder die Ministerialinstanz eine von dem Betroffenen angegriffene Vollzugsmaßnahme gebilligt hat, die Regelung in § 25 E G G V G als Dauereinrichtung nicht zu rechtfertigen. Die Begründung der erstinstanzlichen Zuständigkeit des O L G im Deutschen Auslieferungsgesetz oder im Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe v. 2. 5. 1953 beruht auf Überlegungen, die bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten nicht zutreffen. Nach dem derzeitigen Stand der Arbeiten an einem Strafvollzugsgesetz ist zu erwarten, daß bei der Anfechtung von Vollzugsmaßnahmen künftig nicht mehr erstinstanzlich das O L G entscheidet (vgl. Anm. 13 zu § 23). 3. Übergangscharakter der Regelung. Die Regelung in §§ 23 ff. E G G V G war im Reg.Entwurf der VwGO noch nicht vorgesehen. Sie ist erst auf Vorschlag des Bundesrats von dem mit dem Entwurf der VwGO befaßten Rechtsausschuß des Bundestags aufgenommen worden (vgl. DRiZ 1958 55). Nach der Auffassung dieses Ausschusses (vgl. den Ausschuß3014

Einführungsgesetz V o r § § 2 3 — 3 0 Anm. 4 zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer) § 23 Bericht BT-Drucks. Nr. 1094 der 3. Wahlp. v. 12. 5. 1959) sollen die §§ 23 ff. nur eine Übergangslösung darstellen; es „müsse Aufgabe des Bundesgesetzgebers sein, in den Einzelgesetzen den Rechtsweg und das Verfahren bei der Anfechtung der sog. Justizverwaltungsakte so zu regeln, daß etwaige Unklarheiten, die bei der jetzt gewählten Generalklausel unvermeidlich sind, ausgeschlossen werden". In den seither vergangenen Jahren hat die Rechtsprechung in verdienstvoller Weise sich um rechtsstaatliche Konturen der Generalklausel bemüht und insbes. einen Beitrag zur ausstehenden gesetzlichen Regelung des Strafvollzugsrechts geliefert (vgl. R o t t h a u s N J W 1966 1351; G r u n a u , Komm. z. DVollzO [ 1972] 4 vor Nr. 196). Aber manche Fragen sind offen geblieben, und einzelne Kontroversen sind so verhärtet, auch — bedauerlicherweise — auf dem Weg einer Vorlegung nach § 29 Abs. 1 nicht zu bereinigen, daß nunmehr ein Eingreifen des Gesetzgebers an der Zeit scheint. Dies um so mehr, als bei Verwirklichung des Reformbestrebens. die gerichtliche Nachprüfung von Vollzugsmaßnahmen durch Spezialvorschriften zu regeln (vorstehend zu 2 a. E.), der Gesetzgeber wird entscheiden müssen, ob bei der Anfechtung der verbliebenen Justizverwaltungsakte auf dem Gebiet der Strafrechtspflege noch ein innerer Grund besteht, die erstinstanzliche Zuständigkeit des O L G aufrechtzuerhalten. 4. Schrifttum. A l t e n h a i n , Der Rechtsschutz gegen Verwaltungsmaßnahmen der Strafjustiz- und Vollzugsbehörden, JVB1. 1960 193; 1961 173; 1962 196; derselbe: Die Rechtsprechung der Strafsenate zum Rechtsschutz gegen Justizverwaltungsakte auf dem Gebiet des Strafrechts, DRiZ 1963 8; 1964 297; 1966 361; 1970 105; Die Rechtsnatur der Beschwerde nach § 21 StVollstrO, Rpfleger 1963 370; Die strafgerichtliche Rechtsprechung zum Rechtsschutz gegen Justizverwaltungsakte, JZ 1965 756; 1966 16; R ö h l , Der Rechtsweg gegen Strafvollzugsmaßnahmen N J W 1960 413; S c h m i d t , Anfechtung von Justizverwaltungsakten nach §§ 23ff. E G G V G , SchlHA 1962 73; D a n e , ZfStrafvollzug 1961 184ff.; S t i c h , D Ö V 1960 368; L ü k e , JuS 1961 205; K a l s b a c h , Die gerichtliche Nachprüfung von Maßnahmen der StA im Strafverfahren, de Gruyter, Berlin 1967; G e n z e l , Zulässigkeit des Rechtsweges gegen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft nach § 8 1 a StPO, N J W 1969 1562; G e i g e r , Verwaltungsgerichtlicher Schutz gegen Polizeiexzesse, Festschrift für den 45. Deutschen Juristentag S. 61 ff.; R o t t h a u s . Erfahrungen mit dem Rechtsweg in Strafvollzugssachen, N J W 1966 1351; P f e u f f e r , Die innerhalb von Strafvollstreckung und Strafvollzug gemäß den §§ 458, 462 StPO und §§ 23ff. E G G V G anfechtbaren Maßnahmen und die zukünftige Regelung ihrer Überprüfbarkeit in einem Bundesstrafvollzugsgesetz, Diss. Hamburg 1969; M e y e r , Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Polizei im Strafermittlungsverfahren JuS 1971 294; H e n k e l , Die Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichtes auf dem Gebiet der Strafrechtspflege nach den §§ 23 ff. E G G V G , Diss. Hamburg 1969; B a l t e s , Der Rechtsweg bei Gnadenentscheidungen DVB1. 1972 562; S c h e n k e , Rechtsschutz gegen Strafverfolgungsmaßnahmen der Polizei, Verw. Arch. 60 [1969] 332; v. F e l d m a n n und S c h e n k e , Nochmals Rechtsschutz gegen Strafverfolgungsmaßnahmen der Polizei, VerwArch. 62 [1971] 169; S t r u b e l und S p r e n g e r , Die gerichtliche Nachprüfbarkeit staatsanwaltschaftlicher Verfügungen, N J W 1972 1734.

§23 (1) Über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahman, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf d£n Gebieten des Bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege getroffen werden, entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte. Das gleiche gilt für Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen der Vollzugsbehörden im Vollzug der Freiheitsstrafen, der Maßregeln der Sicherung und Besserung, des Jugendarrests und der Untersuchungshaft. (2) Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann auch die Verpflichtung der Justiz- oder Vollzugsbehörde zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt werden. (3) Soweit die ordentlichen Gerichte bereits auf Grund anderer Vorschriften angerufen werden können, behält es hierbei sein Bewenden. 3015

§23

Einfiihrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer) Übersicht

1. Verhältnis der M a ß n a h m e n der Vollzugsbehörden zu den M a ß n a h m e n der Justizbehörden 2. Justizbehörde a) Begriff; mehrfache Bedeutungsmöglichkeit. Abgrenzung gegen rechtsprechende Tätigkeit b) Anordnungen eines Behördenangehörigen sind nur Anordnungen der Behörde, wenn er die Behörde repräsentiert c) Die Staatsanwaltschaft als Justizbehörde d) Polizei und Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft als Organe der Strafverfolgung. Abgrenzung gegen präventiv-polizeiliche M a ß n a h m e n aa) Tätigwerden auf Ersuchen (Auftrag) der Staatsanwaltschaft (des Untersuchungsrichters) bb) Tätigwerden des Hilfsbeamten der StA aus eigener Initiative bei M a ß n a h m e n , die er nur als Hilfsbeamter treffen kann cc) Tätigwerden der Polizeibeamten ohne Hilfsbeamteneigenschaft aus eigner Initiative dd) Tätigwerden der Polizei gleichzeitig zur Strafverfolgung wie auch präventivpolizeilich ee) Polizeiliche Verwarnung mit Verwarnungsgeld bei Übertretungen e) Strafverfolgungsmaßnahmen des Finanzamts im Ermittlungsverfahren wegen Steuerzuwiderhandlungen f) Bewilligung der Auslieferung ist kein Justizverwaltungsakt 3. Das Gebiet der Strafrechtspflege a) Im allgemeinen. Einzelbeispiele b) Bundeszentralregisterentscheidungen c) Ordnungsstrafen des Schiedsmanns d) Gnadenentscheidungen e) Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen 4. M a ß n a h m e n „im Vollzug" von Freiheitsstrafen usw. 5. ,.Zui Regelung einzelner Angelegenheiten" 6. Anordnungen, Verfügungen oder sonstige M a ß n a h m e n a) Begriff der „ M a ß n a h m e " . Verhältnis des (Justiz)Verwaltungsakts (§ 23 Abs. 2) z u m Verwaltungsakt i. S. des § 42 V w G O . Beispiele regelnder M a ß n a h m e n und des Fehlens einer „Regelung"

3016

b) „Wissenserklärungen" c) Behördeninterne Vorgänge d) Prozeßhandlungen (Verfahrenshandlungen) der Staatsanwaltschaft aa) Z u r These, daß alle Prozeßhandlungen der StA wegen „Rechtsprechungsbezogenheit" nicht unter § 23 fallen bb) Vermittelnde Auffassungen cc) Vollstreckungsmaßnahmen. Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen dd) Unselbständige Einzelmaßnahmen e) Gegenstand der gerichtlichen N a c h p r ü f u n g , wenn gegen den Verwaltungsakt Dienstaufsichtsbeschwerde, förmliche Beschwerde oder Gegenvorstellung erhoben worden ist 7. Der Verpflichtungsantrag (§ 23 Abs. 2) 8. Zu Absatz 3 a) Subsidiarität des § 23 gegenüber Vorschriften, die eine andere Entscheidungszuständigkeit vorsehen b) Ausschluß des § 23 durch die Vorschriften über das Klageerzwingungsverfahren c) Verhältnis des § 23 zu § 4 5 8 S t P O d) Herausgabe von Asservaten 9. Bedeutung des Absatzes 3 für Prozeß handlungen der Staatsanwaltschaft a) Die Unanwendbarkeit des § 23 Abs. 1 ergibt sich nicht schon aus dem Wesen der Prozeßhandlung. Justizverwaltungsakt und Prozeßhandlung sind keine sich ausschließenden Begriffe b) Bei Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft ergibt sich die Unanwendbarkeit des § 23 aus der Regelung des Klageerzwingungsverfahrens c) Staatsanwaltschaftliche Rechtshilfehandlungen zugunsten des Auslands d) Erhebung der Anklage und die prozeßgestaltenden Akte der StA im Lauf des Hauptverfahrens aa) Erwirkungshandlungen bb) Bewirkungshandlungen cc) Entschließungen der Staatsanwaltschaft, von prozessualen Einwirkungsmöglichkeiten keinen G e b r a u c h zu machen e) Folgerungen f) Untätigkeit der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren 10. Sonderfälle (doppelfunktionale M a ß n a h m e n der Staatsanwaltschaft

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer) im Ermittlungsverfahren). Darstellung der verschiedenen Auffassungen betr. a) Durchsuchung b) Beschlagnahme c) Körperliche Untersuchung (§ 81 a StPO) d) Eigne Stellungnahme

§23 Anm. 1 , 2

11. Kasuistik 12. Maßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft 13. Reformbestrebungen

1. Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung sind Maßnahmen der Justizbehörden auf .dem Gebiet der Strafrechtspflege sowie Maßnahmen der Vollzugsbehörden im Vollzug der Freiheitsstrafen, der Maßregeln der Sicherung und Besserung, des Jugendarrests und der Untersuchungshaft. Begrifflich sind auch die genannten Vollzugsmaßnahmen „Maßnahmen auf dem Gebiet der Strafrechtspflege" (vgl. Anm. 3 zu § 4 EGGVG). Da aber der Vollzug nicht notwendig in eignen Anstalten der Justizverwaltung erfolgt — die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt nach § 42 b Abs. 1, 2 StGB oder in einer Trinkerheil- oder Entziehungsanstalt nach § 42 c StGB kann auch in Anstalten vollzogen werden, die nicht der Justizverwaltung unterstehen und gewissermaßen im Weg der Amtshilfe tätig werden —, sind die Maßnahmen der Vollzugsbehörden besonders genannt, um in die gerichtliche Nachprüfung nach §§ 23 ff. E G G V G auch solche Vollzugsmaßnahmen einzubeziehen, die von Vollzugsbehörden ausgehen, die nicht Justizbehörden im engeren Sinn sind (vgl. OLGe. Oldenburg Rpfleger 1964 112 mit Anm. P o h l m a n n ; Celle JVB1. 1968 70); es handelt sich hier um einen Fall, in dem kraft Gesetzes der Begriff Justizbehörde im funktionellen Sinn zu verstehen ist. Auch bestimmte Freiheitsstrafen an Soldaten der Bundeswehr werden nicht in Justizvollzugsanstalten, sondern von Behörden der Bundeswehr vollzogen (vgl. Vorbem. X vor § 449 StPO); insoweit enthält aber § 11 der RechtsVO v. 25. 8. 1958 (BGBl. I 647) eine Sondervorschrift über die gerichtliche Anfechtung von Vollzugsmaßnahmen. Falls in den Vollzugsbestimmungen für bestimmte, dem Vollzug zuzurechnende Maßnahmen die Vollstreckungsbehörde für zuständig erklärt ist (z. B. für die Genehmigung der Ausführung des Gefangenen zur Wahrnehmung eines Termins), stehen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde entsprechenden Maßnahmen der Vollzugsbehörde gleich ( K G v. 19. 4. 1961 - 1 Ws. 118/61 - ) ; nach § 165 Abs. 2 DVollzO v. 1.12. 1961 ist jetzt die Genehmigung von Ausführungen Sache des Anstaltsleiters, ist also Vollzugsmaßnahme. Zu den Freiheitsstrajen i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 2 gehören auch die von den ordentlichen Gerichten verhängten Ungebühr-, Ordnungs- und Erzwingungshaftstrafen, auch wenn sie nicht in einem Strafverfahren, sondern in einem anderen Verfahren gerichtlich festgesetzt sind (vgl. dazu Vorbem. VI vor § 449 StPO). Zu den freiheitsentziehenden Maßregeln der Sicherung und Besserung gehören nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur diejenigen i. S. des § 42 a StGB. 2. Justizbehörde a) Begriff. Hierunter fallt jede Behörde, die (auch) Aufgaben der Justizverwaltung wahrnimmt, also Aufgaben, deren Erfüllung im Wege der Dienstaufsicht durch Justizbehörden überwacht und durch Maßnahmen der Justizdienstaufsichtsbehörde beeinflußt werden können. Der Begriff Justizbehörde umfaßt zunächst alle Behörden, die organisations(ressort-)rechtlich in den Justizapparat eingegliedert sind; ob der Begriff darüber hinaus im funktionalen Sinn zu verstehen ist, ist unten zu d zu erörtern. Im vorliegenden Zusammenhang hat der Ausdruck „Justizbehörde" die negative Funktion, daß er aus dem Bereich des § 23 jede Tätigkeit ausklammert, die von Richtern unter richterlicher Unabhängigkeit ausgeübt wird, mag es sich um Rechtsprechung im engeren Sinn oder um sog. justizformige Verwaltungstätigkeit handeln (vgl. Vorbem. 1 vor § 23). Einer gerichtlichen Nachprüfung nach §§ 23ff. unterliegen also z.B. nicht die Beschlüsse des Präsidiums (vgl. Anm. VII zu § 21 e GVG). Unzulässig ist der Antrag des Angeklagten, den Amtsrichter zu verpflichten (§ 24 Abs. 2), die seit langem ausstehende schriftliche Absetzung des verkündeten Urteils zu vollziehen, da die schriftliche Begründung ein Akt der Rechtsprechung ist (OLG Hamm v. 23. 10. 1961 — 1 VAs. 17/61 —); hier bleibt der Weg der Dienstaufsichtsbeschwerde. Unzulässig ist der Antrag, das Tonband, auf dem im Verfahren eine Zeugenaussage aufgenommen wurde, herauszugeben und seine Verwertung in einem Meineidsverfah3017

§23 Anm. 2

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

ren gegen den Zeugen zu untersagen, weil über die Verwendung des Tonbands in einem gerichtlichen Verfahren demnächst das Gericht entscheidet ( O L G München M D R 1961 436). Das gleiche gilt für den Antrag eines Prozeßbeteiligten, Briefe Dritter, die er zu den Verfahrensakten eingereicht und die das Gericht zu Aktenbestandteilen gemacht hat. während des Verfahrens aus den Akten zu entfernen ( O L G Köln N J W 1966 1761). Ein dem § 23 entzogener Rechtsprechungsakt ist die Entscheidung des Gerichts über die von einem Dritten begehrte Einsicht in die Akten des laufenden Verfahrens (OLGe. Düsseldorf N J W 1965 1033; H a m m N J W 1968 169: anfechtbar nach § 304 StPO; a. M. Altenhain D R i Z 1970 107) und die Entscheidung über den Antrag des mittellosen Angeklagten auf Bewilligung eines Vorschusses für die notwendigen Kosten der Reise zur Hauptverhandlung ( O L G Bremen N J W 1965 1617: ebenfalls anfechtbar nach § 304 StPO).*) Soweit dagegen Gerichte und Richter dienstlich außerhalb dieses Bereichs tätig werden, sind auch sie Justizbehörden, gleichviel, ob sie zu dieser Tätigkeit kraft allgemeiner Ermächtigung durch Anordnung der Justizverwaltung herangezogen werden (§ 13 der VO v. 20. 3. 1935. RGBl. I 403; § 42 DRiG), oder ob es sich um eine ausdrücklich im Gesetz vorgesehene oder zugelassene Tätigkeit handelt, wie die des Amtsrichters als Strafvollstreckungsbehörde (§ 451 Abs. 3 StPO) oder des Gerichtsvorstandes bei der Entscheidung über die von Dritten begehrte Einsicht in die Prozeßakten nach § 299 Z P O ( O L G Karlsruhe AnwBl. 1962 224). Es ist also nicht richtig, den Begriff Justizbehörde mit Justiz Verwaltungsbehörde gleichzusetzen und damit die Tätigkeit der Gerichte (Richter) schlechthin aus dem Bereich des § 23 auszuklammern (so aber K G JVB1. 1961 165); vielmehr kommt es darauf an, in welcher Eigenschaft die Behörde (das Gericht) handelt (ebenso A l t e n h a i n D R i Z 1963 9; JZ 1965, 757). Mitunter kann freilich zweifelhaft sein, ob weisungsfreie richterliche Tätigkeit oder weisungsgebundene Verwaltungstätigkeit vorliegt. Fragen dieser Art tauchen namentlich bei der Behandlung unzulässiger Rechtsmittel auf, so, wenn das Beschwerdegericht es ablehnt, eine unzulässige weitere Beschwerde dem Oberlandesgericht vorzulegen (vgl. den Fall K G JVB1. 1961 165) oder wenn umgekehrt der Amtsrichter formlose bei ihm eingehende ..Berufungen" gegen amtsgerichtliche Zivilprozeßurteile dem L G vorlegt. Man wird solche Entschließungen des angegangenen Gerichts als Maßnahmen der Rechtsprechung im weiteren Sinn anzusehen haben (so auch im Ergebnis K G aaO.; vgl. ferner Anm. I 1 zu § 1 GVG). Solche Fragen sind gegebenenfalls auf dem in § 26 Abs. 3 D R i G gewiesenen Wege zu klären. Außerhalb des Bereichs des § 23 liegen außerdienstliche, d. h. nicht in die Amtspflicht eines Richters fallende Verhaltensweisen. In K G v. 29. 10. 1962 — 1 Ws. 278/62 — hatte der Verurteilte den damaligen (inzwischen bei einem anderen Gericht tätigen) Vorsitzenden des erkennenden Gerichts um die Beantwortung einiger Fragen gebeten, die mit dem Strafverfahren im Zusammenhang standen; der Richter lehnte eine Beantwortung ab und gab auf die Frage des Verurteilten nach den Gründen der Ablehnung keine Antwort. Der Antrag des Verurteilten aus § 23 ging auf die Angabe von Gründen der Ablehnung. Das K G wies mit Recht den Antrag u. a. mit der Begründung zurück, daß die Anfrage sich nicht an eine Justizbehörde gerichtet habe; die Beantwortung war weder eine dem Richter obliegende, die Fürsorgepflicht mitumfassende richterliche noch eine ihm obliegende Justizverwaltungsaufgabe. In O L G Bamberg JVB1. 1963 175 hatte sich der in Strafhaft befindliche Verurteilte an den Strafkammervorsitzenden gewandt, ihm zu erlauben, daß er sich mit Journalisten zwecks Vorbereitung eines Wiederaufnahmeantrags in Verbindung setze. In der — mit dem Antrag aus § 23 angegriffenen — Mitteilung des Vorsitzenden, daß es dazu keiner besonderen Erlaubnis des Gerichts bedürfe, sieht O L G Bamberg eine richterliche Handlung, deren Anfechtbarkeit sich nach der StPO beurteile. Darüber läßt sich aber wohl streiten (vgl. A l t e n h a i n D R i Z 1964 297; natürlich liegt, wenn man ein solches Handeln als Justizverwaltungshandeln ansieht, in einer solchen Belehrung keine regelnde M a ß n a h m e i. S. des § 23; s. unten 6 a). Keine der Anfechtung nach § 23 entzogenen richterlichen Entscheidungen sind solche des Gerichtsvorsitzenden (Nr. 196 RiStBV) über den Antrag des Verurteilten, die Strafakten zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeantrags einzusehen (so richtig A l t e n h a i n JZ 1965 757 gegen O L G Karlsruhe Die Justiz 1963 36). *) Richterl. Tätigkeit ist auch die Mitwirkung bei einem das Privatklageverfahren beendigenden Vergleich durch Entgegennahme der Erklärungen der Parteien und deren Beurkundung im Protokoll (OLG Koblenz M D R 1973 521).

3018

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§23 Anm. 2

b) Die Anordnung eines Behördenangehörigen ist nur dann Anordnung der Behörde, wenn er die Behörde repräsentiert. So ist gegen die Anordnung eines Einzelbeamten im Vollzug im allgemeinen nur die Aufsichtsbeschwerde an den Leiter der Vollzugsbehörde möglich; erst gegen dessen Entscheidung kann Antrag nach § 23 gestellt werden (OLGe. Schleswig v. 26. 11. 1963 - 2 VAs. 20/63 Stuttgart JVB1. 1971 114). Dagegen gelten die in eigner Verantwortung getroffenen Anordnungen des Anstaltsarztes als Anordnungen der Vollzugsbehörde, wenn sie dem Gefangenen Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit auferlegen, z. B. aus gesundheitlichen Gründen ein Rauchverbot aussprechen ( O L G Bremen N J W 1964 1194). c) Justizbehörde ist vor allem die Staatsanwaltschaft, und zwar sowohl, wenn sie als Strafverfolgungsbehörde (im Ermittlungsverfahren oder im Hauptverfahren; vgl. Einleitung S. 62 ff.), wie auch, wenn sie als Vollstreckungsbehörde (§ 36 StPO) oder als Strafvollstrekkungsbehörde (§ 451 StPO) oder als Zentralregisterbehörde (unten Anm. 3 b) tätig wird. Jedoch sind die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde in der Mehrzahl der Fälle einer Anfechtung nach §§ 23 ff. entzogen, und zwar teils, weil § 23 Abs. 3 Platz greift (dazu unten Anm. 9), teils weil eine Verletzung des Betroffenen in seinen Rechten (§ 24 Abs. 1 ) ausscheidet. d) Polizei, Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft. Umstritten ist, wie rechtlich die Tätigkeit der Polizei auf dem Gebiet der Strafverfolgung (§§ 127 Abs. 2, 131 Abs. 2 Satz 2, 161, 163, 189 StPO) und die der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft (§ 152 G V G ) zu bewerten ist (vgl. dazu auch die Übersicht über den Stand der Meinungen bei S c h e n k e VerwArch. 60 11969] 332, 334 f.). Soweit die Polizei rein präventiv-polizeilich (zur Verhinderung strafbarer Handlungen) tätig wird, findet § 23 naturgemäß keine Anwendung. Dies gilt insbesondere für erkennungsdienstliche Maßnahmen (§ 81 b StPO), die nicht einem gegenwärtigen Ermittlungsverfahren, sondern künftiger Täterermittlung dienen; sie sind nach der V w G O anfechtbar (vgl. BVerfGE 16 89 = N J W 1963 1819; BVerwGE 11 181 = N J W 1961 571; 26 169; O L G Düsseldorf N J W 1959 1790; VG Neustadt N J W 1965 1934; O V G Münster JZ 1973 97; H o l l a n d JuS 1968 559). aa) Soweit die Polizeibehörden und -beamten und die Hilfsbeamten der StA im Rahmen eines anhängigen Ermittlungsverfahrens auf Ersuchen oder im Auftrag der Staatsanwaltschaft (oder des Untersuchungsrichters während einer Voruntersuchung) tätig werden ( § § 1 6 1 , 189 StPO, § 1 5 2 G V G , § 4 Abs. 2c, Abs. 3, § 5 Bundeskriminalamtsgesetz — Anm. V zu § 142 a G V G —) besteht heute wohl Einigkeit, daß der Ausdruck „Justizbehörde" im funktionellen Sinn zu verstehen ist (vgl. OVGe. Hamburg N J W 1970 1699; Berlin N J W 1971 637; OLGe. H a m m vom 13. 2. 1969 - 1 VAs. 141/68 - ; H a m b u r g N J W 1970 1811 = M D R 1970 865; V G H Freiburg DVB1. 1965 575; S c h e n k e VerwArch. 60 333ff; M e y e r JuS 1971 295; v. F e l d m a n n VerwArch. 62 169). Denn in diesem Fall ist die Polizei (der Hilfsbeamte) nur der „verlängerte A r m " der Staatsanwaltschaft, und diese trägt daher die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des Ersuchens und der in Ausführung des Ersuchens ergriffenen Maßnahmen. Die M a ß n a h m e der Polizei (des Hilfsbeamten) ist also wie eine solche der Staatsanwaltschaft anzusehen und unterliegt der Nachprüfung nach § § 2 3 ff in dem Umfang, als entsprechende von der Staatsanwaltschaft selbst ergriffene Maßnahmen unter § 23 fallen, wie es denn j a auch dem Sinn des § 23 widerspräache, wenn über die Maßnahmen der StA das O L G nach § 23, über die auftragsgemäß vollzogenen Maßnahmen der Polizei das Verwaltungsgericht entschiede. Noch deutlicher liegt es bei Ersuchen des Untersuchungsrichters (§ 189 StPO): wenn das Ersuchen des Untersuchungsrichters an die Polizei als Rechtsprechungsmaßnahme aus dem Bereich des § 23 ausscheidet, kann die dem Ersuchen gemäß vollzogene M a ß n a h m e nicht anders behandelt werden (so auch O L G Frankfurt vom 18. 7. 1961 - 1 VAs. 9/61 - ) . bb) Das muß sinngemäß auch gelten, wenn ein Polizeibeamter, der Hilfsbeamter der StA ist, aus eigener Initiative (also ohne Auftrag von StA oder Untersuchungsrichter) eine Maßnahme trifft, die er nur in seiner Eigenschaft als Hilfsbeamter treffen kann (vgl. Anm. 1 zu § 152). Denn hier übernimmt er wegen Gefahr im Verzug als Hilfsorgan des Staatsanwalts (gewissermaßen als dessen Notvertreter) eine Aufgabe, die sonst nur dem Richter vorbehalten 3019

Einführungsgesetz §23 zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer) Anm. 2 ist. In diesem Sinn bestimmt auch § 40 Abs. 2 PreußPolVerwGes. vom 1. 6. 1931, der insoweit einen Grundsatz von allgemeiner Bedeutung enthält, daß Anordnungen oder sonstige Maßnahmen, die die Polizeibehörden und -beamten auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft treffen, sowie diejenigen Maßnahmen, die Polizeibeamte — gleichviel ob sie auf Ersuchen oder aus eigener Initiative handeln — nur in ihrer Eigenschaft als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft treffen können, keine polizeilichen Verfügungen i. S. der PrPVG sind, also nicht der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegen (ebenso im Ergebnis A l t e n h a i n JZ 1965 759; DRiZ 1970 107, der von einer Art „Prozeßstandschaft" des Hilfsbeamten für die Staatsanwaltschaft spricht; S c h e n k e 341; BayVGH BayVBl. 1967 97 m. Anm. S a m p e r ; a. M. M e y e r JuS 1971 295; E y e r m a n n - F r ö h l e r Rdn. 3 zu § 179 VwGO). cc) Umstritten und problematisch ist dagegen, ob die funktionelle Betrachtungsweise auch Platz greifen kann, wenn Polizeibehörden und Polizeibeamte, die nicht Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft sind, aus eigener Initiative (gemäß § 163 StPO) auf dem Gebiet der Strafverfolgung tätig werden. Die verneinende Auffassung, soweit sie nicht überhaupt „Justizbehörde" im streng organisatorischen Sinn versteht, stützt sich dabei hauptsächlich auf § 40 Abs. 2 PrPVG (oben zu bb) und entsprechende Vorschriften, die z. T. in den neuen Landespolizeigesetzen enthalten sind (vgl. D r e w s - W a c k e , Allg. Polizeirecht 113; G e i g e r , Verwaltungsgerichtlicher Schutz gegen Polizeiexzesse 61 ff., 72; von F e l d m a n n VerwArch. 62 170; OLG Hamburg JVB1. 1962 181; offen gelassen von OVG Berlin NJW 1971 637). Ein überzeugendes Argument von allgemein gültiger Bedeutung kann indessen dieser Vorschrift des PrPVG, die vor langer Zeit unter anderen Verhältnissen geschaffen wurde, insoweit nicht entnommen werden, wobei überdies unerörtert bleiben kann, ob solche landesrechtlichen Vorschriften mit dem Bundesrecht vereinbar sind (vgl. S c h e n k e 344). Für die funktionale Betrachtungsweise (so BayVGH BayVBl. 196797= VRsp. 18969 = DRspr. IV 480 Bl. 78; S c h e n k e 339; A l t e n h a i n DRiZ 1970 107; M e y e r Jus 1971 294, 297) oder — wenn diese abgelehnt wird — wenigstens für eine entsprechende Anwendung der §§ 23ff. (so S c h e n k e 340) spricht, daß die Polizei in den Fällen der §§ 127 Abs. 2, 131 Abs. 2 Satz 2, 163 StPO materiell Strafverfolgungsaufgaben übernimmt, und zwar unter Umständen, daß Gefahr im Verzug wäre, wenn das Eingreifen des Staatsanwalts (des Richters nach § 165 StPO) abgewartet werden müßte; die Polizei ist auch hier gewissermaßen Notvertreter der justitiellen Strafverfolgungsorgane. Es läßt sich für diese Auffassung auch geltend machen, daß es meist rein vom Zufall abhängt, ob die Polizei aus eigener Initiative oder auf Ersuchen (Auftrag) der Staatsanwaltschaft tätig wird (so auch z. B. S c h e n k e 339; A l t e n h a i n DRiZ 1970 107). Kein Gegenargument bildet, daß die Polizei bei diesem ihrem Vorgehen nicht unmittelbar von der StA gelenkt werde, denn auch die Stellung eines Ersuchens (Erteilung eines Auftrags) nach § 161 Satz 2 StPO beschränkt sich häufig nicht auf bestimmte Ermittlungen, sondern geschieht in allgemeiner Form („mit dem Ersuchen um [weitere] Ermittlungen", z. B. wenn eine Strafanzeige unmittelbar bei der StA eingeht) und läßt der Polizei mehr oder weniger freie Hand. Schließlich ist zu bedenken, daß hier die polizeiliche Tätigkeit vorübergehender Natur ist (§ 163 Abs. 3 StPO), und daß materiell die polizeiliche Maßnahme, sobald die Sache in die Verfügungsgewalt der Staatsanwaltschaft gelangt ist, in eine solche der Staatsanwaltschaft übergeht, wenn diese sich die Ergebnisse polizeilicher Maßnahmen zu eigen macht oder nicht Abhilfe schafft. Dieser Gesichtspunkt läßt es als untunlich und dem Sinn des § 23 widersprechend erscheinen, das als einheitliches Ganzes aufzufassende strafrechtliche Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Frage des Rechtsweges bei der gerichtlichen Nachprüfung aufzuspalten. dd) Doppelfunktionelles Handeln. Wird die Polizei, die aus eigner Initiative handelt, zugleich auj dem Gebiet der Strafverfolgung wie auch präventivpolizeilich tätig (Beispiel: polizeiliche Festnahme einer Person, die sowohl auf den Gesichtspunkt einer vorläufigen Festnahme — § 127 StPO — wie auf den der präventivpolizeilichen Festnahme eines Störers gegründet werden kann; vgl. OVG Berlin NJW 1970 637 m. Anm. O l s c h e w s k i NJW 1971 1195; dazu auch W e b e r JuS 1971 323; v. F e l d m a n n VerwArch. 62 173), so würde vom Standpunkt der funktionellen Betrachtungsweise theoretisch der Rechtsweg sowohl nach § 23 zum OLG wie zu den Verwaltungsgerichten eröffnet, die jeweils den optisch und sachlich einheitlichen Gesamtvorgang unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen hätten. Das wäre aber prozeßökonomisch unbefriedigend. Die Frage der 3020

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§23 Anm. 2

Rechtswegzuständigkeit wird daher dahin zu beantworten sein, daß für den Rechtsweg bestimmend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns nach der Richtung der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr liegt (vgl. OVG Berlin aaO.). ee) Polizeiliche Verwarnung mit Verwarnungsgeld bei Übertretungen. Entsprechend dem § 163 StPO werden nach § 53 OWiG die Behörden und Beamten des Polizeidienstes als Hilfsorgan der Verfolgungsbehörde bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten tätig. Nach § 57 Abs. 2 OWiG können unter den Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 OWiG hierzu ermächtigte Polizeibeamte bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten den Betroffenen unter Erhebung eines Verwarnungsgeldes verwarnen. Nach § 56 Abs. 4 OWiG hat eine wirksame Verwarnung eine beschränkte Verzehrwirkung, indem die Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann. Macht der Betroffene geltend, daß die Verwarnung nicht wirksam erfolgt sei (wegen fehlender Belehrung über sein Weigerungsrecht, wegen fehlenden oder unter der Einwirkung von Täuschung, Zwang oder Drohung abgegebenen Einverständnisses), so ist die Verwarnung anfechtbar. Unter der Herrschaft des § 22 StVG wurde angenommen, daß für die Anfechtung nicht der Weg des § 23, sondern der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei (BVerwGE 24 8 = NJW 1966 1426). Die Anfechtung einer Verwarnung nach §§ 56, 57 OWiG erfolgt dagegen nach h. M. (vgl. G ö h l e r 8 zu § 56; 3 C zu § 62 OWiG m. Nachw.) jetzt durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Strafrichters nach § 62 OWiG. Die polizeiliche Verwarnung mit Verwarnungsgeld bei Übertretungen ist der polizeilichen Verwarnung bei Ordnungswidrigkeiten nachgebildet; auch sie hat, wenn wirksam erteilt, beschränkte strafanspruchverzehrende Wirkung, indem sie die weitere Verfolgung der Tat als Übertretung ausschließt (vgl. Einleitung S. 61). Die Verzehrwirkung kennzeichnet die Tätigkeit der Polizei bei der Erteilung der Verwarnung als eine der Strafverfolgung vergleichbare Tätigkeit; sie kann, entgegen der früheren Betrachtungsweise (OVG Koblenz NJW 1965 1781; BVerwGE 24 9, 11) nicht mehr als vorwiegend präventivpolizeilich, nämlich verkehrserzieherischen Zwecken dienend, angesehen werden, und die Parallele zur Anfechtbarkeit der Verwarnung bei Ordnungswidrigkeiten führt dazu, daß für die Anfechtung der Verwarnung bei Übertretungen jetzt der Weg des § 23 als der gegebene anzusehen ist. e) Strafverfolgungsmaßnahme des Finanzamts. Führt das Finanzamt gemäß § 421 Abs. 2 RAbgO selbständig das Ermittlungsverfahren wegen Steuerzuwiderhandlungen durch, so ist es Justizbehörde i. S. des § 23 Abs. 1 EGGVG (ebenso OLG Stuttgart NJW 1972 2146; VGH München VerwRspr. 18 909; A l t e n h a i n DRiZ 1970 105; M e y e r JuS 1971 294; a. M. BFHE 104 187; DStBl. 1972 243). Denn in diesem Fall nimmt nach § 433 Abs. 1 RAbgO das Finanzamt „die Rechte und Pflichten wahr, die der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zustehen", d. h. das Finanzamt ist Vertreter der Staatsanwaltschaft. Dies kommt auch hierin zum Ausdruck, daß das Finanzamt die sonst der Staatsanwaltschaft vorbehaltenen Befugnisse ausüben kann, einen Strafbefehl beim Amtsgericht zu beantragen (§§ 435, 440 RAbgO) und den Antrag auf Einziehung einer Sache oder des Wertersatzes im selbständigen (objektiven) Verfahren zu stellen (§ 436). Auch bei einer Zuständigkeitskonzentration (§ 422 Abs. 2 RAbgO) bleibt das Recht der übrigen Finanzämter unberührt, bei Verdacht eines Steuervergehens den Sachverhalt zu erforschen und alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten; ihre Beamten sind daher kraft Gesetzes Hilfsbeamte der StA (§ 433 Abs. 2 RAbgO); insoweit sind diese Finanzämter aber nicht Vertreter, sondern — wie die Polizei — Hilfsorgane der StA. „Herrin" des Ermittlungsverfahrens bleibt in jedem Fall die Staatsanwaltschaft. Das kommt darin zum Ausdruck, daß auch das zu selbständiger Durchführung des Ermittlungsverfahrens befugte Finanzamt das Ermittlungsverfahren jederzeit an die Staatsanwaltschaft abgeben und diese es jederzeit an sich ziehen kann (§421 Abs. 4 RAbgO). Wenn und solange das Finanzamt widerruflich als Vertreter der StA tätig wird, müssen seine Maßnahmen in gleichem Umfang nach § 23 anfechtbar sein, wie solche der StA selbst. Wenn demgegenüber der BFH aaO. geltend macht, das Finanzamt sei der StA gegenüber nicht weisungsgebunden und übe deshalb keine Hilfstätigkeit für eine organisatorische Justizbehörde aus, so trifft dies nicht den Kern der Sache; entscheidend ist nicht, ob Weisungsgebundenheit besteht, sondern daß das Finanzamt konstruktiv als widerruflicher gesetzlicher Vertreter der StA tätig wird (so auch OLG Stutggart aaO.). Führt die Staatsan3021

§23 Anm. 3

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

waltschaft das Ermittlungsverfahren durch, so hat nach § 437 R A b g O das Finanzamt die Rechte und Pflichten wie die Polizeibehörden nach der StPO und die Befugnisse eines Hilfsbeamten der StA. In diesem Fall müssen für die Anfechtung der Maßnahmen des Fianzamts die gleichen Grundsätze maßgebend sein, die gelten, wenn die Polizei und die sonstigen Hilfsbeamten der StA auf dem Gebiet der Strafverfolgung tätig werden. f) Die Bewilligung der Auslieferung durch die Bundesregierung ist zwar ein Verwaltungsakt, aber kein Justizverwaltungsakt (OVG Münster DVB1. 1963 731). 3. Das Gebiet der Strafrechtspflege. a) Es umfaßt nicht nur die Durchführung von Strafverfahren (und von Bußgeldverfahren, soweit eine Mitwirkung der Justizbehörden in Betracht kommt) sowie die Vollstreckung von Entscheidungen der Strafgerichte und den Vollzug von Freiheitsentziehungen, sondern auch die damit im inneren Zusammenhang stehenden allgemeinen und besonderen Maßnahmen der Justizbehörden zur Ermöglichung und geordneten Durchführung der Strafverfolgungsund Strafvollstreckungstätigkeit, wie etwa die Führung der Schöffenlisten und die Verwaltung der Akten. Eine M a ß n a h m e auf dem Gebiet der Strafrechtspflege liegt daher z. B. vor, wenn dem Verteidiger, der unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts rügen will, der Einblick in die Schöffenlisten versagt wird (vgl. BVerwG N J W 1961 1989; Anm. 6 zu § 45 GVG), wenn das Ersuchen eines rechtlich interessierten Dritten um Einsicht in die Akten eines eingestellten Ermittlungsverfahrens (Nr. 193 RiStBV) durch die Staatsanwaltschaft oder in die Akten eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens durch die die Akten verwaltende Justizverwaltungsbehörde (vgl. Nr. 195 RiStBV) abgelehnt wird ( K G JVB1. 1961 140; O L G Bamberg JVB1. 1964 198; 1965 142; A l t e n h a i n DRiZ 1966 362), oder wenn Akteneinsicht entgegen den Einwendungen eines Betroffenen gewährt wird (vgl. BVerfG N J W 1970 555). Doch entfällt nach § 23 Abs. 3 der Weg des § 23, wenn eine gerichtliche Anfechtbarkeit der M a ß n a h m e bereits durch andere Vorschriften gewährleistet ist. So ist nach O L G Karlsruhe, Die Justiz 1963 36 gegen die Versagung der Akteneinsicht durch das Gericht die Beschwerde nach § 304 StPO gegeben, wenn die Einsicht dem Verteidiger dazu dienen soll, ein Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vorzubereiten (vgl. Nr. 196 RiStBV); a. M. A l t e n h a i n DRiZ 1964 297f. und O L G Bremen N J W 1964 2175. An der organisatorischen Verknüpfung der M a ß n a h m e mit der Strafrechtspflege fehlt es. wenn der aufsichtführende Richter es ablehnt, einem Schiedsmann die Genehmigung zur Aussage (§ 54 StPO) als Zeuge in einem Strafverfahren über Vorgänge in einem Sühnetermin (§ 380 StPO) zu erteilen; hier ist der Weg zu den Verwaltungsgerichten zu beschreiten (BVerwG N J W 1964 1088; O L G H a m m N J W 1968 1440). b) Zur Strafrechtspflege gehört auch das Bundeszentral- und Erziehungsregisterwesen, das auch den Zwecken der Strafverfolgung und der Findung eines gerechten Urteils dient. Bei der Entscheidung über die in §§ 37, 47, 58 Abs. 3 des Bundeszentralregisterges. vom 18.3. 1971 (BGBl. I 243) zugelassenen begünstigenden Maßnahmen sind dem Ermessen des registerführenden Generalbundesanwalts einerseits durch den Resozialisierungszweck der Maßnahme, andererseits durch die Rücksichtnahme auf ein entgegenstehendes öffentliches Interesse Grenzen gezogen. Durch diese „Verrechtlichung" der registerlichen Entschließungen fallen sie aus dem Gebiet der einer Anfechtung entzogenen Gnadenentschließungen (s. unten d) heraus. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 ist daher zulässig, wenn ein Gesuch um die genannten Anordnungen abgelehnt wird, wie dies bereits für die entsprechende Rechtslage nach dem früheren Recht (Straftilgungsges. 1920) allgemein anerkannt war (BGHSt. 20 205; OLGe. Saarbrücken JVB1. 1961 129, 166; München vom 15. 12. 1961 - VAs. 10/61 - ; H a m m vom 28. 11. 1962 - 1 VAs. 48/62 - ; Frankfurt N J W 1966 465; Stuttgart N J W 1 9 6 9 6 7 1 ; K G JVB1. 1961 215; H ä r t u n g . Strafregister 7 zu § 8; A l t e n h a i n DRiZ 1963 11; 1964 269; G ö t z N J W 1963 1815; K a i s e r N J W 1970 271). § 23 ist auch anwendbar bei einem Streit etwa über die Berechnung der gesetzlichen Fristen oder darüber, ob kraft eines Straffreiheitsgesetzes der Strafvermerk im Register zu tilgen ist (BVerwG N J W 1960 1924). Wegen des Vorschaltverfahrens bei Ablehnung eines Antrags auf begünstigende Anordnungen s. Anm. 6 d zu § 24; wegen der örtlichen Zuständigkeit des O L G s. Anm. 2 zu § 25. 3022

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§23 Anm. 4 , 5

c) Eine Maßnahme einer Justizbehörde auf dem Gebiet der Strafrechtspflege liegt ferner vor, wenn der Schiedsmann (nach § 39 der Preuß. SchiedsmannsO und entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften) gegen den zum Sühnetermin (§ 380 StPO) unentschuldigt ausgebliebenen Beschuldigten Ordnungsstrafe verhängt. Die in § 39 Abs. 4 aaO. vorgesehene Beschwerde im Aufsichtsweg ist eine förmliche Beschwerde i. S. des § 24 Abs. 2 EGGVG (KG vom 6. 3. 1961 - 1 Ws. 396/60; OLGe. Hamm vom 14. 2. 1962 - 1 VAs 8/62 Celle JVB1. 1970 42). d) Zum Gebiet der Strafrechtspflege gehört an sich auch das Gnadenwesen. Gnadenentscheidungen sind aber grundsätzlich nicht justiziabel (vgl. Vorbem. IV 5 vor § 12 GVG). Daran hat sich durch die Einführung der §§ 23 ff. EGGVG nichts geändert (OLGe. Frankfurt vom 4. 10. 1960 - 1 VAs. 7/60 - ; München vom 13. 6. 1961 - VAs. 4/61 - ; Hamm vom 4. 5. 1962 - 1 VAs. 15/62 Neustadt NJW 1964 681; Hamburg MDR 1973 70).*) e) Das Gebiet der Entschädigung für unschuldig erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen war früher nur z. T. gesetzlich geregelt (Ges. betr. Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen vom 20. 5. 1898 und betr. Entschädigung für unschuldig erlittene Strafhaft vom 14. 7. 1904). Vorschriften über eine weitergehende Entschädigung nach Billigkeit waren im Verwaltungsweg getroffen (bundeseinheitlich vereinbarte Allg. Verfügung über die Entschädigung für unschuldig erlittene U-Haft vom 15. 12. 1956, BAnz. Nr. 247). Die Ablehnung eines Entschädigungsantrags aufgrund dieser Verwaltungsvorschriften war nach der Rechtsprechung ein Justizverwaltungsakt i. S. des § 23 (BGHSt. 21 316 = NJW 1967 2368; NJW 1972 781). Diese Rechtsprechung hat nach dem Inkrafttreten des Ges. über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8.3. 1971, BGBl. I 157) ihre Bedeutung nur für die Fälle behalten, in denen die Entschädigungsvoraussetzungen der Allg. Verfg. vor Inkrafttreten des genannten Gesetzes eingetreten sind (§ 16 des Ges.; BGH NJW 1972 781). 4. Maßnahmen der Vollzugsbehörden unterliegen der Nachprüfung nach §§ 23 ff. nur insoweit, als sie im Vollzug von Freiheitsstrafen usw. getroffen sind. Es kann also der Gefangene, der sich von einem Anstaltsbeamten vorschriftswidrig behandelt fühlt, nicht gemäß § 23 Abs. 2 die Verpflichtung der Vollzugsbehörde zu dienststrafrechtlichem Vorgehen gegen den Beamten begehren; die Ablehnung dienststrafrechtlicher Maßnahmen durch die Vollzugsbehörde ist keine „im Vollzug" gegen den Gefangenen getroffene Maßnahme (OLG Frankfurt v. 2. 6. 1961 - VAs. 3/61 - ). 5. Der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen nur solche Maßnahmen der Justiz- und Vollzugsbehörden, die zur Regelung einzelner Angelegenheiten getroffen sind. Nur bestimmte konkrete Maßnahmen sind Gegenstand der Nachprüfung. Nicht zulässig ist also die Anrufung des Gerichts gegen generelle behördeninterne Verwaltungsanordnungen. Der Weg des § 23 ist aber eröffnet, sobald in Anwendung einer solchen Anordnung auf einen konkreten Einzelfall eine Verletzung des Betroffenen „in seinen Rechten" (§ 24 Abs. 1) in Betracht kommt (vgl. BVerwG MDR 1957 185). So kann z. B., wenn die Aufsichtsbehörde die Vollzugsbehörde allgemein anweist, Eingaben von Gefangenen an bestimmte Stellen und Organisationen nicht unmittelbar an diese weiterzuleiten, sondern sie der Aufsichtsbehörde vorzulegen, nicht diese allgemeine Weisung nach § 23 angefochten werden, sondern nur die Vorlegung, die im Einzelfall die Vollzugsbehörde auf die Weisung hin vornimmt (KG v. 16. 6. 1961 — 1 Ws. 149/61 —). Der Anwendung einer generellen Anordnung im Einzelfall steht es jedoch gleich, wenn die Anordnung allein schon durch ihre Existenz unmittelbar in die Rechte des einzelnen eingreift und sich für diesen nachteilig auswirkt (KG NJW 1971 476, 477). Unter § 23 fallen vor allem nicht allgemeine Beschwerden über Verhältnisse, z. B. nicht über angebliche Mißstände in der Strafanstalt, solange der Antragsteller nicht einen konkreten Fall geltend macht, in dem er durch die behaupteten Mißstände persönlich in seinen Rechten verletzt sei (OLG Schleswig v. 17. 10. 1962 - 2 VAs. 4/62 - ) . Schließlich ist nur *) Der Widerruf eines Gnadenerweises ist nach § 23 anfechtbar, wenn der Inhaber des Gnadenrechts seine Befugnisse auf den JustMin. delegiert hat (OLG Stuttgart v. 21. 4. 1971 - 2 VAs. 97/70 - ) . Dagegen ist nach OLG Hamburg GA 1973 52 das Verwaltungsgericht nach § 40 VwGO zuständig, wenn die widerrufende Justizbehörde nicht Delegator, sondern Mandätor des Gnadenrechtsinhabers ist.

3023

§23 Anm. 6

Einfiihrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

eine in der Vergangenheit bereits getroffene, nicht eine in Zukunft zu erwartende Maßnahme Gegenstand der Nachprüfung. Unzulässig ist daher, wenn ein Gefangener mehrfach mit Hausarrest bestraft wurde, weil er die Verrichtung bestimmter Arbeiten wegen angeblicher Krankheit ablehnte, sein Antrag, der Vollzugsbehörde die Verhängung weiterer Hausstrafen aus gleichem Anlaß zu untersagen (OLG Schleswig v. 29. 11. 1961 — 2 VAs. 19/63 —). Gerichtlich nachprüfbar sind dagegen Allgemeinverfügungen, d. h. Maßnahmen, die einen konkreten Sachverhalt für einen größeren, aber bestimmbaren Personenkreis regeln, derart, daß-jeder, den es angeht, erkennen kann, daß die Maßnahme gegen ihn gerichtet ist (vgl. E y e r m a n n - F r ö h l e r 31 zu § 42 VwGO). Die Erteilung von Rechtsauskünften, auf die kein Anspruch besteht, kann mit dem Antrag aus § 23 nicht bezweckt werden (OLG Schlesw. G A 1964 185). 6. Gegenstand der Nachprüfung sind „Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen", wenn sie (vgl. § 24 Abs. 1) geeignet sind, den Betroffenen in seinen Rechten zu verletzen. a) Begriff der Maßnahme. Nach § 42 VwGO kann beim Verwaltungsgericht durch Anfechtungsklage die Aufhebung eines Verwaltungsakts, durch Verpflichtungsklage die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt werden. Dem ist § 23 E G G V G nachgebildet. Der Anfechtungsklage entspricht der Antrag nach § 23 Abs. 1, über die Rechtmäßigkeit von Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen zu entscheiden (vgl. dazu § 28 Abs. 1), der Verpflichtungsklage der Antrag nach § 23 Abs. 2, die Verpflichtung der Justiz- oder Vollzugsbehörde zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes auszusprechen (vgl. § 28 Abs. 2). § 23 Abs. 1 bezeichnet aber — anders als Absatz 2, der von einem abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakt spricht — als Gegenstand des Antrags auf Entscheidung über die Rechtmäßigkeit nicht (wie § 42 Abs. 1 VwGO) einen (Justiz-)Verwaltungsakt, sondern löst diesen Begriff auf in „Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen". Die unterschiedliche Terminologie des § 23, der einerseits in Absatz 1 den Oberbegriff der „Maßnahme" verwendet, andererseits in Absatz 2 von „Verwaltungsakt" spricht — der letztere Ausdruck kehrt in §§ 24 ff. nicht mehr wieder —, hat zu Auslegungszweifeln geführt. Z. T. wird Absatz 2 dahin verstanden, daß er gewissermaßen eine Legaldefinition in dem Sinn enthalte, es müsse sich bei der „Maßnahme" des Absatzes 1 um einen Verwaltungsakt im technischen Sinn des § 42 VwGO handeln, d. h. um eine in Ausübung öffentlicher Gewalt (hoheitlich) getroffene behördliche Maßnahme, von der unmittelbar rechtliche Wirkungen ausgehen, Lebensverhältnisse bestimmend geordnet werden und damit in die Rechts- und Lebensverhältnisse des Betroffenen gestaltend eingegriffen wird (so z. B. OLGe. Hamm JVB1. 1962 41; N J W 1972 2145; Hamburg N J W 1965 776; Karlsruhe N J W 1965 1545; OVG Münster JMB1NRW 1968 23; A l t e n h a i n JZ 1966 16). Indessen besteht bereits über den Begriff des Verwaltungsakts im Sinn des § 42 VwGO Streit (vgl. E y e r m a n n - F r ö h l e r 12ff. zu § 42 VwGO)*). Schon deshalb erscheint es sinnvoller, den Begriff der „Maßnahme" nicht durch Rückgriff auf § 42 VwGO zu gewinnen, sondern im Gebrauch des Wortes „Verwaltungsakt" in Absatz 2 lediglich eine vereinfachende Zusammenfassung von „Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen" zu erblicken und den Begriff der Maßnahme unmittelbar aus Wortlaut, Sinn und Zweck des § 23 zu entwickeln. Danach gehört aber zur „Maßnahme" nicht mehr, als daß es sich um ein behördliches Vorgehen handelt, das — auch im Fall des Absatzes 1 Satz 2 — der Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf den in § 23 bezeichneten Gebieten dient und das geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten zu verletzen (§ 24 Abs. 1). „Maßnahme" i. S. des § 23 kann danach auch ein schlicht hoheitliches Handeln, auch eine rein tatsächliche Handlung (Realakt) — z. B. eine Vernehmung, die Anrede eines Heranwachsenden im Jugendstrafvollzug mit „ D u " (vgl. O L G Hamm M D R 1969 600) - sein (ebenso O V G Hamburg NJW 1970 1699; V G H Mannheim N J W 1969 1319; 1973 214; VG Freiburg DVB1. 1965 575 m. Anm. F i n k e l n b u r g ; S c h e n k e VerwArch. 60 332, 345; offen gelassen von OLGe. Stuttgart NJW 1972 2146, 2147; Köln N J W 1966 1761). Dem entspricht es, daß der unten in Anm. 13 genannte Entw. eines Strafvollzugsges. einerseits in dem dem § 23 Abs. 2 E G G V G entsprechenden § 97 Abs. 1 Satz 2 nicht mehr von der Verpflichtung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts, sondern von der Ver*) S. auch „Abschied vom Begriff des Verwaltungsaktes" in JA 1973, ÖR S. 21 [S. 113],

3024

Einfiihrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§23 Anm. 6

pflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme spricht, andererseits aber § 97 Abs. 1 Satz 1 auch im Wortlaut ausdrücklich zum Ausdruck bringt, daß Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung nur eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs ist. Zum Wesen der Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten aber gehört, daß sie irgendwie unmittelbar auf die Sachlage gestaltend wirkt und dadurch in die Rechte des Betroffenen verletzend einzugreifen geeignet ist. Häufige, den Gegenstand gerichtlicher Nachprüfung bildende Vollzugsmaßnahmen sind z. B. die Verhängung von Hausstrafen (dazu A l t e n h a i n G A 1966 110), die Unterbringung in einer Beruhigungszelle (OLG Schleswig SchlHA 1961 249), die Beschränkung des Briefverkehrs des Gefangenen, die Ablehnung von Gesuchen um Verlegung in eine andere Anstalt, um Ausführung zur Teilnahme an Beerdigungen oder Terminen oder zur Erledigung sonstiger dringender persönlicher Angelegenheiten (vgl. die Kasuistik bei G r u n a u , Erläuterungen zur DVollzO, Rdn. 7 zu Nr. 196 und K ü h l i n g ZfStVo 1964 362ff.; 1966 99ff.; 1967 296ff.; 1970 106ff.; 1972 288ff.). An dem Zweck, einzelne Angelegenheiten zu regeln, fehlt es z. B. bei Belehrungen oder Feststellungen, insbes. darüber, daß nicht die angegangene, sondern eine andere Stelle zuständig sei (OLG Bamberg JVB1. 1963 175; s. auch BVerfG NJW 1963 1819); bei Hinweisen auf bestehende Vorschriften, insbes. auf die Bestimmungen der DVollzO (OLG Hamm v. 9 . 4 . 1962 — 1 V As. 1/62 —), bei Warnungen der Öffentlichkeit vor Betrügern (OLG Karlsruhe N J W 1965 1545), bei Mahnungen zu einwandfreiem Verhalten und bei der Inaussichtstellung künftiger Maßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen (OLG Stuttgart JVB1. 1971 114). Da zum Begriff der Maßnahme ein Handeln in Ausübung öffentlicher Gewalt (ein hoheitliches Handeln) gehört, ist § 23 unanwendbar im Verkehr zwischen Behörden, also z. B. bei Verweigerung der Amtshilfe (vgl. dazu Vorbem. 3d, 8 vor § 156 GVG) oder wenn der Amtsrichter die Zustimmung zur Vornahme von Amtshandlungen eines fremden Gerichts in seinem Bezirk nicht erteilt (vgl. Anm. 3 zu § 166 GVG); der durch seine Behörden repräsentierte Staat kann nicht klageberechtigt i. S. des Art. 19 Abs. 4 G G und damit nicht antragsberechtigt nach § 23 E G G V G sein, da er nicht als Gewaltunterworfener im Bann der machtüberlegenen Obrigkeit steht (OLG Celle N J W 1966 1473 = G A 1967 26; M ü l l e r DRiZ 1962 83, 85). Bloßen Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft zu einem Antrag oder Gesuch fehlt der regelnde Charakter ( A l t e n h a i n DRiZ 1964 298; JZ 1965 759 m. Nachw.). b) Wissenserklärungen. Den Charakter einer regelnden Maßnahme verneint die Rechtsprechung bei der Abgabe behördlicher Wissenserklärungen (Mitteilungen) über bestimmte Umstände an eine andere Stelle, deren Verwertung dem Ermessen des Empfängers der Erklärung überlassen ist (vgl. OLGe. Hamm JVB1. 1962 41; N J W 1972 2145; Karlsruhe N J W 1965 1545). Als Wissenserklärungen werden z. B. angesehen Presseinformationen durch die Staatsanwaltschaft (OLGe. Karlsruhe aaO.; Nürnberg vom 25. 4. 1968 - V As. 47/67 - ; a. M. S t r u b e l und S p r e n g e r N J W 1972 1738: fehlerhafte Abwägung zwischen dem Recht der Presse auf Information und dem Schutz des Persönlichkeitsrechts begründe zwar nicht den Weg des § 23 E G G V G , aber den des § 40 VwGO), oder Mitteilungen der Strafvollstreckungsbehörde über die strafgerichtliche Verurteilung eines Beamten an dessen vorgesetzte Dienststelle nach den Vorschriften der Mistra ( O L G Hamm N J W 1972 2145). Offenbar unter diesem Gesichtspunkt hat O L G Nürnberg vom 30. 9. 1961 — VAs. 9/60 — das Vorliegen eines Verwaltungsakts in einem Fall verneint, in dem ein Gefangener bei der Anstaltsverwaltung Anzeige gegen Mitgefangene wegen Verstoßes gegen Vollzugsvorschriften erstattet hatte und bei den daraufhin angestellten Ermittlungen die Anzeigeerstattung den Mitgefangenen bekannt wurde, was den Anzeiger zu dem Antrag auf Nachprüfung seiner „Diffamierung als Verräter" veranlaßte. c) Der Maßnahmecharakter fehlt auch bei rein behördeninternen Vorgängen, von denen keine unmittelbaren rechtlichen Wirkungen ausgehen. So verneint O L G Hamm vom 8.5. 1961 — 1 VAs. 9/61 — den Maßnahmecharakter, wenn die Staatsanwaltschaft das Begehren des Beschuldigten ablehnt, bestimmte Unterlagen als ihm abträglich aus den Ermittlungsakten zu entfernen, weil das Aufbewahren von Aktenteilen als interne Maßnahme der Staatsanwaltschaft im Zuge des Betreibens der Ermittlungen keinen Justizverwaltungsakt darstelle. Interne Weisungen einer Justizbehörde an eine andere Justizbehörde fallen nicht unter § 23, weil nicht die Weisung, sondern erst die Maßnahme der angewiesenen Behörde regelnden 3025

§23 Anm. 6

Einfuhrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

Charakter hat (OVG Münster JMB1. NRW 1968 23; s. auch oben Anm. 5). Erst recht sind bloße Bitten einer Behörde an eine andere Behörde, in bestimmter Weise zu verfahren, keine Anordnungen (OLG Koblenz MDR 1972 169). d) Prozeßhandlungen (Verfahrenshandlungen) der Staatsanwaltschaft ad) Nach einer verbreiteten Auffassung sind Verfahrenshandlungen der StA, d. h. Maßnahmen, die sie als Rechtspflegeorgan zur Einleitung, Durchführung und Beendigung eines Strafverfahrens trifft (vgl. Einleitung S. 69 ff), generell (von gewissen Einschränkungen abgesehen) keine Justizverwaltungsakte i. S. des § 23. Sie werden vielmehr wegen ihrer funktionalen Bedeutung für das Strafverfahren, wegen ihres auf die Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte ausgerichteten Ziels, materiell dem Bereich der nicht unter § 23 fallenden Rechtsprechungstätigkeit zugerechnet (vgl. u. a. OLGe. Hamm NJW 1965 1241; 1966 684; 1969 808; JVB1. 1966 118, 119; Stuttgart NJW 1972 2146; Hamburg NJW 1972 1586; Bamberg JVB1. 1966 239; München vom 21. 9. 1968 - VAs. 18/68 - ; Nürnberg GA 1968 59; S c h m i d t SchlHA 1962 73; L ü k e JuS 1961 208; A l t e n h a i n DRiZ 1966 361; 1970 105; Kl 1 A; offen gelassen von KG NJW 1972 169, 170; grundsätzlich ablehnend S c h e n k e 346f; S t r u b e l und S p r e n g e r NJW 1972 1734). Der Charakter als nach § 23 nicht anfechtbarer Prozeßhandlung wird dabei auch den Maßnahmen der StA im Ermittlungsverfahren beigelegt, und zwar unter Berufung auf die untrennbare Einheit zwischen dem Ermittlungsverfahren und dem gerichtlichen Eröffnungsund Hauptverfahren. Indessen betreibt die StA als „Herrin" des Ermittlungsverfahrens dieses nicht mit dem Ziel, ein Hauptverfahren herbeizuführen, sondern um selbst eine Entscheidung zu treffen, ob das Ermittlungsverfahren einzustellen oder Anklage zu erheben ist. Kommt es zur Einstellung des Verfahrens, so fehlt es an der Verknüpfung von Ermittlungs- und gerichtlichem Verfahren; die Einstellung verhindert gerade, daß es zu einer Rechtsprechungstätigkeit im Hauptverfahren kommt. Wegen der gegen die ganze Lehre bestehenden grundsätzlichen Bedenken s. unten Anm. 9. bb) Eine andere Betrachtungsweise lehnt zwar die Lehre ab, daß generell „Prozeßhandlungen" der StA nicht unter § 23 fielen, kommt aber zur Herausnahme eines Teils der Verfahrenshandlungen der StA aus dem Bereich des § 23 durch die Unterscheidung zwischen Bewirkungshandlungen und Erwirkungshandlungen — s. Einleitung S. 70 — (so die interessante Entscheidung OLG Frankfurt vom 11. 2. 1971 — 3 VAs. 61/70 —). Als zusätzliche Begründung wird diese Unterscheidung z. T. auch von Anhängern der unter aa dargestellten Lehre verwendet (vgl. z.B. OLG Hamm NJW 1965 1241). Danach sind Erwirkungshandlungen wie z. B. der Antrag auf Erlaß eines Haftbefehls im Ermittlungsverfahren, die Erhebung der Anklage oder die Einlegung eines Rechtsmittels gegen eine gerichtliche Entscheidung keine „Justizverwaltungsakte", weil sie keine „Regelung" enthielten; es fehle an einer unmittelbaren rechtsgestaltenden Wirkung, weil sie lediglich darauf abzielten, daß ein bestimmter Sachverhalt durch den Strafrichter geregelt werde. Dagegen seien Bewirkungshandlungen wie z. B. die Einstellung des Ermittlungsverfahrens, Rechtsmittelverzicht und -zurücknähme wegen ihrer unmittelbaren Gestaltungswirkung Justizverwaltungsakte und nach § 23 angreifbar, soweit die Anfechtbarkeit nicht durch § 23 Abs. 3 entzogen ist oder eine Rechtsbeeinträchtigung (§ 24) nicht in Frage steht. Auch diese an sich bestechende Betrachtungsweise stößt — von grundsätzlichen Einwendungen (unten Anm. 9) abgesehen — auf dogmatische Bedenken. Zunächst sind die Grenzen zwischen Erwirkungs- und Bewirkungshandlungen mitunter fließend. So ist z. B. die Erhebung der Anklage Erwirkungshandlung, weil sie den Sachverhalt der richterlichen Entscheidung unterbreitet; sie ist aber auch Bewirkungshandlung, weil sie Rechtshängigkeit im weiteren Sinn bewirkt und den Beschuldigten in den Status des Angeschuldigten versetzt. Wesentlich erscheint aber, daß i. S. des § 23 Abs. 1 auch sonst Erwirkungshandlungen regelnden, d. h. auf die Rechtslage unmittelbar einwirkenden Charakter haben. So besteht z. B. die unmittelbare gestaltende Wirkung der Einlegung eines Rechtsmittels darin, daß sie den Eintritt der Rechtskraft verhindert und das Verfahren in eine höhere Instanz bringt. Die Unterscheidung zwischen Bewirkungs- und Erwirkungshandlungen erscheint deshalb kein Weg, der an der Frage vorbeiführt, ob generell die funktionale Bedeutung von Verfahrenshandlungen der StA ihrer Nachprüfung nach § 23 entgegensteht. Diese Frage muß unter anderen Gesichtspunkten gewürdigt werden (unten Anm. 9). 3026

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§23 Anm. 6

cc) Vollstreckungsmaßnahmen. Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen. Schon an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß auch unter den Anhängern der zu aa dargestellten Auffassung heute — nach anfänglichem Schwanken — weithin anerkannt ist, daß sie jedenfalls nach zwei Richtungen eingeschränkt werden muß. Einmal sind Maßnahmen der StA zur Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (§ 36 StPO) nach § 23 anfechtbar, obwohl sie der Durchführung des Strafverfahrens dienen (vgl. A l t e n h a i n DRiZ 1970 106; wegen der von der StA ergriffenen Maßnahmen zum Vollzug gerichtlicher Anordnungen nach §§81, 81a, 105 StPO s. OLG Koblenz JVB1. 1961 237; BayVerfGH NJW 1969 229; OLG Stuttgart NJW 1972 2146 [a. M. aber noch OLG Hamm JVB1. 196-6 119]; wegen des Fahndungsersuchens der StA zur Vollstreckung eines Untersuchungshaftbefehls s. OLG Stuttgart NJW 1972 2324; s. ferner unten Anm. 10a u. c). Ferner erweist sich eine besondere Prüfung als erforderlich bei den sog. doppelfunktionellen Prozeßhandlungen (Einleitung S. 71), die die StA während des Ermittlungsverfahrens ergreift, wie bei der Anordnung einer körperlichen Untersuchung ( § 8 1 a Abs. 2 StPO) oder einer Durchsuchung (§ 105 StPO); vgl. dazu unten Anm. 10. dd) Unselbständige Einzelmaßnahmen. Unabhängig von dem Meinungsstreit, ob und inwieweit Maßnahmen der StA wegen ihrer Eigenschaft als Prozeßhandlungen einer Anfechtung nach § 23 entzogen sind, besteht Übereinstimmung, daß die üblichen Einzelvorgänge, aus denen sich der Betrieb eines Ermittlungsverfahrens zusammensetzt, wie die Vernehmung des Beschuldigten oder von Zeugen, die Einholung eines Sachverständigengutachtens, die Beiziehung eines Zentralregisterauszugs usw. keine Justizverwaltungsakte sind, sondern erst der die Schlußfolgerung ziehende, das Ergebnis zusammenfassende Akt, die Anklageerhebung oder Verfahrenseinstellung gestaltend auf die Rechtsverhältnisse des Beschuldigten einwirkt, indem er ihn in die Rechtsstellung des Angeschuldigten versetzt oder ihn aus dem Verfahren entläßt. Es wäre ja auch praktisch — wegen der damit verbundenen Verzögerung des Verfahrens — unerträglich, wenn der Beschuldigte nach §§ 23 ff. beantragen könnte, den Staatsanwalt zu verpflichten, bestimmte Zeugen zu hören, einen Sachverständigen zuzuziehen usw., oder wenn er umgekehrt beantragen könnte, der StA den Beginn und Betrieb eines Ermittlungsverfahrens, die Vernehmung von Zeugen usw. zu untersagen (so auch OLGe. Hamm NJW 1966 684 = JVB1. 1966 118; Stuttgart NJW 1972 2147; Frankfurt vom 11.2. 1971 - 3 VAs. 61 - ; LG Saarbrücken NJW 1966 1038 m. Anm. H o h e n e s t e r NJW 1966 1983 = JB1. Saar 1965 48; im Ergebnis auch - betr. polizeiliche Maßnahmen gem. § 163 StPO — S c h e n k e VerwArch. 60 349). Einen gesetzlichen Niederschlag findet diese Auffassung in § 62 Abs. 1 Satz 2 OWiG, wonach die Anrufung des Strafrichters gegen Maßnahmen der Verwaltungsbehörden als Verfolgungsbehörde im Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten (§ 62 Abs. 1 Satz 2) ausgeschlossen ist bei Maßnahmen, die nur zur Vorbereitung der Entscheidung getroffen werden, ob ein Bußgeldbescheid erlassen oder das Verfahren eingestellt wird, und die keine selbständige Bedeutung haben. Der Gesichtspunkt der Unanfechtbarkeit bloßer Einzelvorgänge schließt es z. B. auch aus, daß der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren beantragen könnte, einen ihm nicht genehmen Staatsanwalt wegen Besorgnis der Befangenheit durch einen anderen zu ersetzen (OLG Hamm NJW 1969 808; a. M. B u c k e r t NJW 1970 847; dazu Anm. l e z u § 145 GVG). Grundsätzlich abweichend S t r u b e l und S p r e n g e r NJW 1972 1734, 1736, wonach die Art und Weise der Ermittlungstätigkeit nach § 23 angreifbar ist, wenn sie den Beschuldigten beeinträchtige, z. B. wenn die Polizei auf Anweisung der StA den Beschuldigten am Arbeitsplatz aufsuche, ohne daß dringliche Gesichtspunkte der Strafverfolgung dies notwendig machten (Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Die naheliegende Befürchtung, daß die Funktionsfähigkeit der StA bei einer solchen Ausdehnung der Anfechtbarkeit nach § 23 bis zu einem gewissen Grad „gelähmt" werden könnte, soll keine Rolle spielen, weil die Erhaltung der Funktionsfahigkeit nicht „auf dem Rücken des Betroffenen durchgesetzt werden dürfe" (S. 1739). Dieser Überbetonung des Individualinteresses gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Aufklärung und Verfolgung strafbarer Handlungen kann nicht zugestimmt werden. e) Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung ist grundsätzlich, wenn der Verwaltungsakt nur der formlosen Dienstaufsichtsbeschwerde unterliegt, der Verwaltungsakt in seiner ursprünglichen Gestalt. Das gilt jedenfalls dann, wenn die formlose Beschwerde erfolglos 3027

§23 Anm. 7, 8

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

geblieben ist. Denn die Zurückweisung der Dienstaufsichtsbeschwerde ist selbst kein Verwaltungsakt, sondern besagt nur. daß die Dienstaufsichtsbehörde keinen Anlaß zum Einschreiten gefunden hat (BGHZ 42 390; OLGe. Celle M D R 1961 251; Hamm JVB1. 1970 238). Gegen den ablehnenden Bescheid der Dienstaufsichtsbehörde als solchen gibt es also keinen Antrag nach § 23 (OLGe. Celle NdsRpfl. 1960 259; Hamm vom 14. 11. 1960 - 1 VerwS 1/60 - und vom 31. 5. 1961 - 1 VAs. 4/61 Schleswig vom 17. 10. 1962 - VAs. 3/62 - ; Stuttgart vom 13. 11. 1963 - 2 VAs. 25/63; Frankfurt vom 13. 4. 1964 - 3 VAs. 2 / 6 4 - ; K G vom 7. 6. 1961 - 1 Ws. 61/61 - Hamburg JVB1. 1964 190; Frankfurt vom 11. 2. 1971 - 3 VAs. 61/70 - ; weitere Nachw. bei A l t e n h a i n DRiZ 1966 363). Etwas anderes könnte nur gelten, soweit der Beschwerdebescheid durch eine neue zusätzliche Belastung einen neuen selbständigen Anfechtungsgrund aus § 23 schaffte (KG aaO.; O L G Stuttgart N J W 1964 1382); dann wäre insoweit der Bescheid der höheren Behörde Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung auf entsprechenden Antrag. Ist ein förmliches Beschwerdeverfahren (Vorschaltverfahren) i. S. des § 24 Abs. 2 vorausgegangen, so ist Gegenstand der Nachprüfung der ursprüngliche Akt in der Gestalt, die er im Vorschaltverfahren angenommen hat; der Beschwerdebescheid könnte auch hier nur dann selbständiger Anfechtungsgegenstand sein, wenn er den Antragsteller über die Beschwer aus dem ursprünglichen Akt hinaus zusätzlich und selbständig beschwerte (OLG H a m m vom 14. 11. 1960 — 1 VerwS 1/60 —). Lehnt die Verwaltungsbehörde auf Gegenvorstellungen des Betroffenen hin eine Änderung des Aktes ab, so ist grundsätzlich (wie bei Anfechtung mit formloser Dienstaufsichtsbeschwerde) der erste Akt (nicht die Ablehnung der Änderung) Nachprüfungsgegenstand. Der sog. „Zweitbescheid" ist aber dann ein selbständig anfechtbarer (neuer) Verwaltungsakt, wenn er nicht lediglich auf die Regelung des Erstbescheides verweist, sondern eine neue, wenn auch im Ergebnis mit dem Erstbescheid übereinstimmende Regelung trifft, indem er neue Ermittlungsergebnisse oder bisher nicht erörterte Gesichtspunkte rechtlicher oder tatsächlicher Art berücksichtigt (OLG Hamm vom 19. 12. 1960 — 1 VerwS 3/60 — unter Bezugnahme auf H a u e i s e n N J W 1959 2137; s. auch H a u e i s e n NJW 1965 561). 7. Der Verpflichtungsantrag (Absatz 2) setzt, wie § 27, voraus, daß zunächst bei der zuständigen Behörde ein Antrag auf Erlaß des begehrten Verwaltungsakts gestellt worden ist (KG N J W 1968 609). Der Antrag kann nur auf die Verpflichtung der Behörde zum Erlaß eines Akts in dem konkreten Einzelfall gerichtet werden, nicht auf die Verpflichtung zu einem generellen Verhalten in der Zukunft (OLG Hamburg vom 28. 3. 1961 - VAs. 7/61 - ) . Die Klageformen einer vorbeugenden Unterlassungs- oder einer allgemeinen Feststellungsklage gibt es hier nicht (OLG Stuttgart JVB1. 1971 115). Unzulässig ist daher z. B. das Begehren eines Sicherungsverwahrten, in Zukunft an allen hohen Festtagen ein Paket empfangen zu dürfen (OLG Hamburg vom 20. 9. 1963 - VAs. 24/63 - ) . Eine Rechtsbelehrung ist kein Verwaltungsakt und daher nicht Gegenstand eines Verpflichtungsantrags (OLG Hamm vom 2. 10. 1962 - 1 VAs. 55/62 - ) . S. im übrigen § 28 Abs. 2 und Anm. 2 zu § 24. 8. Zu Absatz 3 (Subsidiarität des § 23). a) Die Vorschrift besagt zunächst, daß da, wo die ordentlichen Gerichte nach anderen Vorschriften zur Nachprüfung von Justizverwaltungsakten zuständig sind, die Nachprüfung nur nach Maßgabe dieser Vorschriften stattfindet und der Weg der §§ 23ff. verschlossen ist. Die §§ 23 ff. haben also nur subsidiäre Bedeutung. Eine Entscheidung nach § 23 entfallt aber — der Wortlaut des Absatzes 3 ist insoweit ungenau — naturgemäß auch da, wo es sich um Streit über Fragen handelt, über die die Gerichte anderer Gerichtsbarkeitszweige zu entscheiden haben (OLGe. Bremen M D R 1966 867; Hamm N J W 1966 607 betr. Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit). b) Klageerzwingungsverfahren. Hat der Verletzte erfolglos das Klageerzwingungsverfahren betrieben, so kann er nicht dadurch eine weitere gerichtliche Nachprüfung über § 23 herbeiführen, daß er unter Anführung neuer Tatsachen bei der Staatsanwaltschaft die Wiederaufnahme der Ermittlungen beantragt und bei erneuter Einstellung oder Ablehnung weiterer Ermittlungen Antrag nach § 23 stellt; er muß vielmehr erneut nach § 172 StPO vorgehen (vgl. Anm. 3 und

3028

Einfuhrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§23 Anm. 9

9 b zu § 172; 6 zu § 174 StPO). Diese Rechtslage ändert sich auch dann nicht, wenn die Staatsanwaltschaft nach immer wieder (querulatorisch) erneuten Anträgen dem Antragsteller eröffnet, daß er in Zukunft keinen Bescheid mehr erhalte, oder wenn sie wortlos die weitere Bearbeitung unterläßt. Denn eine solche Untätigkeit steht einer erneuten Einstellung gleich, die nur der Anfechtung nach Maßgabe der §§ 172 ff. StPO unterliegt (OLG Frankfurt vom 10. 3. 1964 - 3 VAs. 2/64 - ) . c) Was § 458 StPO anlangt, so ist in einigen Fällen streitig, ob in entsprechender Anwendung oder in erweiternder Auslegung der Vorschrift das Vollstreckungsgericht (§ 462 StPO) um Nachprüfung angegangen werden kann oder (nur) der Weg der § § 23 ff. zur Verfügung steht, oder ob nicht eine Maßnahme den Charakter einer Gnadenentscheidung hat, der sie einer Anfechtung entzieht (vgl. Anm. X 1 b zu § 451; I 2, II zu § 455; 1 b und 8 zu § 456; 5 a zu § 456b; VI zu § 457; 1 zu § 458, 6 zu § 461). Allgemein gilt, daß nach Schaffung der §§ 23ff. im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit stets da, wo § 458 StPO nicht schon nach seinem Wortlaut anwendbar ist, sondern die Frage einer erweiternden Auslegung oder entsprechenden Anwendung des § 458 StPO in Frage steht, der Weg der §§ 23ff., zu beschreiten ist, wenn dessen Voraussetzungen gegeben sind (vgl. BGH NJW 1964 780). Daß Gnadenakte grundsätzlich nicht justitiabel sind, soll nach S t r u b e l und S p r e n g e r NJW 1972 1738 den Weg des § 23 EGGVG in den Fällen nicht ausschließen, in denen in den oben bezeichneten Fällen eine gerichtliche Nachprüfbarkeit von Vollstreckungsentscheidungen mit der Begründung verneint wird, es liege eine Gnadenentscheidung vor, weil diese Gnadenentscheidungen „gewissermaßen zu kleiner Münze verrechtlicht" worden seien und deshalb justitiabel sein müßten. Dieses im Zusammenhang mit der Frage der Justitiabilität von Gnadenentscheidungen häufig vorgebrachte Argument richtet sich in Wahrheit gegen die Grundsatzentscheidung des BVerfG (oben 3 d). d) Lehnt die Staatsanwaltschaft die Herausgabe von Asservaten ab, so liegt darin zwar ein Justizverwaltungsakt; ein Antrag nach § 23 ist aber nach § 23 Abs. 3 unzulässig, weil für Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung der Zivilprozeßweg nach § 40 VwGO zur Verfügung steht (OLG Hamm JVB1. 1963 10; A l t e n h a i n JZ 1966 16). 9. Bedeutung des § 23 Abs. 3 für „Prozeßhandlungen" der Staatsanwaltschaft a) Verhältnis der Begriffe Justizverwaltungsakt und Prozeßhandlung zueinander. Wie oben (Anm. 6 d) ausgeführt, wird vielfach angenommen, daß Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, die der Einleitung, Durchführung und Beendigung des Strafverfahrens dienen, schon wegen ihrer funktionellen Bedeutung für das Strafverfahren materiell der Rechtsprechung zuzuordnen und darum einer Anfechtung nach § 23 entzogen seien. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die „funktionale Betrachtungsweise", wie sie bei dem Begriff der „Justizbehörde" zwecks Einbeziehung solcher Behörden geübt wird, die neben der Staatsanwaltschaft und ohne Justizbehörden im organisationsmäßigen Sinn zu sein, Aufgaben der Strafverfolgung wahrnehmen (oben 2 d, e), wird also hier verwendet, um Prozeßhandlungen der Staatsanwaltschaft denen des Gerichts gleichzustellen und auf diese _Weise zu einer Einengung des Anwendungsbereichs des § 23 Abs. 1 zu gelangen. Diese Übertragung der funktionalen Betrachtungsweise stößt aber auf grundsätzliche Bedenken (so auch S t r u b e l und S p r e n g e r NJW 1972 1734; den von ihnen gezogenen Folgerungen, daß Maßnahmen der StA voll justitiabel seien und es nur darauf ankomme, ob der Antragsteller eine Verletzung in seinen Rechten geltend mache, kann allerdings, wie nachstehend darzulegen, nicht zugestimmt werden). Richterliche Prozeßhandlungen fallen aus dem Bereich des Art. 19 Abs. 4 G G und damit aus dem Bereich des § 23 Abs. 1, der der Ausgestaltung des Art. 19 Abs. 4 dient (Vorbem. 1 vor § 23), weil Art. 19 Abs. 4 „Rechtsschutz durch den Richter, aber nicht Rechtsschutz gegen den Richter" gewährt (vgl. Anm. VII zu § 21 e). Art. 19 Abs. 4 GG gestattet es zwar ohne weiteres, den Rechtsweg des § 23 auf Strafverfolgungsmaßnahmen solcher (Verwaltungs-)Behörden auszudehnen, die nicht Justizbehörden im engeren (organisatorischen) Sinn sind, denn bei dieser Frage handelt es sich nicht darum, die Anfechtbarkeit einzuengen, sondern den Gerichtsbarkeitszweig zu bestimmen, dessen Gerichten die Nachprüfung der Maßnahmen obliegt. Die Übertragung der funktionalen Betrachtungsweise auf Maßnahmen der Staatsanwaltschaft und andere auf dem Gebiet der 3029

§23 Anm. 9

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

Strafverfolgung tätige Verwaltungsbehörden im Sinn einer Gleichsetzung ihrer „Prozeßhandlungen" mit richterlichen Prozeßhandlungen führt indessen zu einer Einschränkung des Bereichs des § 23, ohne daß die Nachprüfung durch einen anderen Gerichtsbarkeitszweig eröffnet werden soll; das widerstreitet aber dem Art. 19 Abs. 4 GG, weil es eine Einschränkung der dort ausgesprochenen Rechtsweggarantie bedeutet. Daraus allein, daß eine Maßnahme der Staatsanwaltschaft (ihrer Hilfsorgane und -beamten) zugleich eine Prozeßhandlung ist, kann also nicht gefolgert werden, daß sie nicht nach § 23 anfechtbar sei; Prozeßhandlung und Justizverwaltungsakt sind keine sich ausschließenden Begriffe.*) Unter diesem Gesichtspunkt bestehen auch grundsätzliche Bedenken gegen die differenzierende Betrachtungsweise (oben 6d, bb), die lediglich den Erwirkungshandlungen die Qualität als Justizverwaltungsakt abspricht. Die Anfechtbarkeit nach § 23 entfallt vielmehr auch bei Prozeßhandlungen der StA nur dann, wenn § 23 Abs. 3 sie ausschließt. Diese Vorschrift ist allerdings in weitem Sinn auszulegen (vgl. Einleitung S. 66). So ist z. B. bei Ablehnung der beantragten Gewährung des Schlußgehörs (§ 169b StPO) eine Anfechtung nach § 23 ausgeschlossen, weil der Beschuldigte die Möglichkeit hat, in seinem Antrag nach § 201 StPO das fehlende Schlußgehör geltend zu machen ( K o h l h a a s NJW 1968 26). Daher mag es sein, daß im praktischen Ergebnis zwischen der Lehre von der Unanfechtbarkeit staatsanwaltlicher Prozeßhandlungen und der hier vertretenen Auffassung keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Die hier vertretene Auffassung verschließt aber den vereinfachenden Weg, schlicht mit der Zauberformel von der Prozeßhandlungseigenschaft die Nachprüfbarkeit zu verneinen, und nötigt zu einer Prüfung, inwieweit im Hinblick auf § 23 Abs. 3 der Antrag unzulässig ist. b) Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft. Hat das Gesetz die gerichtliche Nachprüfbarkeit von Maßnahmen der StA so geregelt, daß sie nur in beschränktem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung zugeführt werden können, im übrigen aber unanfechtbar sind, so erhebt sich die Frage, ob diese Regelung in complexu weitergilt, es hierbei i. S. des § 23 Abs. 3 „seine Bewenden behält", oder ob, soweit eine prozessuale Anfechtbarkeit bewußt ausgeschlossen ist, der Weg der §§ 23 ff. beschritten werden kann. Diese Frage ist von besonderer Bedeutung für die Anfechtbarkeit der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft. Nach §§ 172 ff. StPO kann bei einer Einstellung des Verfahrens nur der Verletzte das Klageerzwingungsverfahren betreiben; es entfallt in den in § 172 Abs. 2 Satz 3 StPO bezeichneten Fällen, darüber hinaus aber nach der Rechtsprechung auch dann, wenn der Verletzte den Beschuldigten nicht in erkennbarer Weise bezeichnen kann (vgl. Anm. 10 a zu § 172). Solche Beschränkungen sind mit Art. 19 Abs. 4 G G vereinbar (vgl. Anm. 15 a zu § 172; K a i s e r NJW 1961 200). Die Frage ist nun, ob etwa diese Schranken der Anfechtbarkeit mit der Einführung der §§23 ff. gefallen sind. Wenn z. B. jemand eine Strafanzeige erstattet, ohne Verletzer i. S. des § 172 StPO zu sein, kann er dann gegen die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 23 oder gegen eine Verzögerung des Abschlusses gemäß § 27 angehen: etwa mit der Begründung, er sei in seinen Rechten verletzt, weil durch die falsche Behandlung ihm ein Verfahren nach § 164 StGB oder eine Kostenbelastung nach § 469 StPO drohe? Ist der Antrag a limine unzulässig, weil aus § 172 StPO zu entnehmen ist, daß dem nichtverletzten Anzeiger ein Recht auf gerichtliche Nachprüfung nicht zustehen soll, oder bedarf es einer Prüfung, ob er „wirklich in seinen Rechten" verletzt ist? Kann der Beschuldigte nach §§ 23 ff. vorgehen, wenn die Staatsanwaltschaft mangels Beweises eingestellt hat und es ablehnt, weitere Ermittlungen anzustellen, aufgrund deren der Beschuldigte eine Einstellung des Verfahrens wegen erwiesener Unschuld herbeizuführen hofft, oder wenn die Einstellung aus subjektiven Gründen erfolgte, der Beschuldigte aber erst festgestellt wissen möchte, daß schon objektiv ein Straftatbestand nicht erfüllt sei? Oder dann, wenn die Staatsanwaltschaft nach Einspruch gegen den Strafbefehl die Klage fallen läßt, während der Beschuldigte das Hauptverfahren zwecks rehabilitierender Freisprechung durchgeführt wissen will?

*) Vgl. auch BVerfG NJW 1971 1308; der Staatsanwalt, der im Ermittlungsverfahren gemäß § 162 StPO eine richterliche Untersuchungshandlung beantragt, „erfüllt damit selbst Aufgaben der vollziehenden Gewalt", obwohl prozessual eine Erwirkungshandlung vorliegt.

3030

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§23 Anm. 9

Die Antwort muß verneinend lauten. Die Einstellung des Verfahrens ist zwar, weil sie dem Strafverfahren ein Ende bereitet, eine Prozeßhandlung, aber sie ist auch gleichzeitig eine regelnde Maßnahme, ein Justizverwaltungsakt i. S. des § 23 Abs. 1 (ebenso OVG Lüneburg NJW 1972 74). Sie ist indessen durch § 23 Abs. 3 einer Anfechtung entzogen. Aus § 172 StPO ergibt sich, daß nach dem Willen des Gesetzes nur der Verletzte (und auch dieser nur mit Einschränkungen) eine gerichtliche Nachprüfung der Einstellung herbeiführen kann, dem Beschuldigten und dem Anzeigeerstatter, der nicht Verletzter ist, ein solches Recht aber nicht zustehen soll (ebenso OLG Hamm JVB1. 1966 118). Die Belange des Beschuldigten sieht das Gesetz dadurch als gewährt an, daß ihm bei einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich seiner notwendigen Auslagen unter den in § 467 a StPO bestimmten Voraussetzungen und wegen anderer durch Strafverfolgungsmaßnahmen erlittener Nachteile nach den Vorschriften des Entschädigungsges. vom 8. 3. 1972 (BGBl. I 157) Ersatz oder Entschädigung aus der Staatskasse gewährt wird. Darüber entscheidet das Gericht. Dieses entscheidet auch bei einer Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme durch Erteilung seiner Zustimmung. Ob der Anzeigeerstatter bei Einstellung des von ihm veranlaßten Ermittlungsverfahrens mit Kosten und Auslagen des Beschuldigten belastet werden kann, entscheidet ebenfalls nach § 469 StPO das Gericht. Es entscheidet auch, wenn der Anzeigende Verletzter ist, bei einer Einstellung in Lockerung des Legalitätsprinzips nach § 153 Abs. 2 StPO aber das Klageerzwingungsverfahren ausgeschlossen ist, über seine berechtigten Belange durch das Erfordernis der gerichtlichen Zustimmung zur Einstellung. Damit ist erkennbar abschließend geregelt, inwieweit über die Rechtmäßigkeit einer Einstellung das ordentliche Gericht entscheidet (und in diesem Sinn „angerufen werden kann"). Bei dieser Regelung „behält es sein Bewenden", und es können zur gerichtlichen Nachprüfung in weiterem Umfang weder das OLG nach § 23 noch die Verwaltungsgerichte nach § 40 VwGO angerufen werden (OVG Lüneburg NJW 1972 74). Daß die während des Ermittlungsverfahrens erfolgten Einzelmaßnahmen wie Vernehmungen usw. — von den doppelfunktionellen abgesehen (Anm. 10) — einer Anfechtung entzogen sind, ist bereits oben (Anm. 6 d, dd) ausgeführt; auch dabei behält es nach der Einstellung sein Bewenden (OLG Stuttgart NJW 1972 2147). Mit dem Ausschluß der Anfechtbarkeit nach § 23 Abs. 3, die einen Antrag aus § 23 unzulässig macht, erübrigt sich demgemäß eine weitere Zulässigkeitsprüfung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Antragstellers in seinen Rechten (§ 24 Abs. 1). Es ist also fehlsam, wenn auch im Interesse einer Belehrung des Antragstellers, daß ihm kein Unrecht geschehe, verständlich, wenn, wie es mitunter geschieht oder in der Vergangenheit geschehen ist, das OLG die Frage, ob der Antrag des Beschuldigten auf Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Einstellung nicht schon aus § 23 Abs. 3 unzulässig sei, offen läßt und etwa dartut, der Antragsteller sei nicht in seinen Rechten verletzt, weil ein Beschuldigter kein Recht auf Fortführung eines an sich abschlußreifen Verfahrens bis zum Beweis seiner Unschuld habe, oder weil es der Staatsanwaltschaft verwehrt sei, ein Ermittlungsverfahren fortzusetzen, sobald sich ergibt, daß die Ermittlungen keinen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten. Gegenüber der vorgetragenen Auffassung über diese Bedeutung des § 23 Abs. 3 kann nicht geltend gemacht werden, es entspreche dem Sinn des Art. 19 Abs. 4 G G und damit auch der §§ 23 ff, in möglichst weitem Umfang den Rechtsweg gegen Maßnahmen zu eröffnen, die nicht Rechtsprechungsakte im eigentlichen Sinn sind; gerade eine solche umfassende Rechtsweggarantie gewähre § 23 Abs. 1 durch seine generalklauselmäßige Fassung; das nötige zu einer restriktiven Auslegung des § 23 Abs. 3. Die Entstehungsgeschichte der §§ 23 ff. (vgl. dazu Vorbem. 3 vor § 23) ergibt, daß der Gesetzgeber sich in einem späten Stadium zu einer generalklauselmäßigen Lösung des Problems der Anfechtung von Justizverwaltungsakten entschloß, deren Unvollkommenheit er wohl erkannte und deren Ablösung durch eingehende Regelungen in den Einzelgesetzen, in denen das Problem jeweils auftaucht, ihm erforderlich erschien. Es kann danach nicht der Sinn des § 23 sein, wohlerwogene Einzelregelungen, die der Gesetzgeber unter Berücksichtigung des Art. 19 Abs. 4 G G getroffen oder aufrecht erhalten hat, durch eine Generalklausel beiseite zu schieben (ebenso OVG Lüneburg NJW 1972 74). Aus solchen Erwägungen hat denn auch OLG Hamm vom 17. 10. 1962 — 1 VAs. 60/62 — mit Recht ausgeführt, die Versagung des Reisekostenvorschusses an einen Zeugen möge ein Justizverwaltungsakt sein, er sei aber nach den §§14 Abs. 3, 16 ZuSEG gerichtlich anfechtbar und mithin gemäß § 23 Abs. 3 EGGVG einer An3031

Einführungsgesetz §23 zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer) Anm. 9 fechtung nach § 23 auch dann entzogen, wenn im Einzelfall der Beschwerdewert von mehr als 50 DM nicht erreicht sei und deshalb eine Anfechtbarkeit nach dem ZuSEG entfalle. c) Das gleiche Problem wie bei der Anfechtung der Einstellungsverfügung erhebt sich bei staatsanwaltschaftlichen Rechtshilfehandlungen zugunsten des Auslands. Hat z. B. die Staatsanwaltschaft im Weg der Rechtshilfe einem Beschuldigten im Inland den Eröffnungsbeschluß und die Ladung zum Termin vor einem ausländischen Gericht zugestellt, so ist der Antrag des Betroffenen auf Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zustellung unzulässig, weil bei Rechtshilfe durch Zustellung nach § 41 Abs. 2, § 42 Satz 2 DAG nur der Staatsanwalt, nicht der Betroffene gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Rechtshilfe beantragen kann und die Fälle, in denen im übrigen auch dem Betroffenen ein solches Recht zusteht, im DAG abschließend geregelt sind. Wenn Spezialregelungen für eine Reihe bestimmter Fälle des von ihr erfaßten Sachbereichs den Rechtsschutz gewähren, sind die übrigen Maßnahmen in diesem Sachbereich ohne die Möglichkeit gerichtlicher Anfechtung hinzunehmen (vgl. KG vom 27. 10. 1961 - 1 Ws 100/61; KG GA 1963 151; A l t e n h a i n DRiZ 1964 298). d) Auch die Erhebung der Anklage und die im Lauf des Verfahrens abgegebenen prozeßgestaltenden Erklärungen der Staatsanwaltschaft, wie die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens nach § 153 Abs. 3 StPO, die Einlegung und Zurücknahme eines Rechtsmittels und der Verzicht auf Rechtsmittel sind Prozeßhandlungen, ohne daß sie allein deshalb und wegen ihrer hier evident zutage tretenden Verklammerung und Verzahnung mit gerichtlichen Prozeßhandlungen ihre Eigenschaft als „Justizverwaltungsakte" verlieren. Auch hier ergibt aber der Ausschluß einer selbständigen Nachprüfung nach §§ 23 ff. aus § 23 Abs. 3. aa) Bei den Erwirkungshandlungen (oben 6d, bb) liegt dies auf der Hand. Denn die Entscheidung über die „Rechtmäßigkeit" der Anklage oder der Einlegung eines Rechtsmittels ist dem Gericht nach den Vorschriften der StPO übertragen. Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß diese Maßnahmen nicht Gegenstand selbständiger Nachprüfungen außerhalb des Strafverfahrens sein können. Es ist also nicht denkbar, daß der Beschuldigte durch Antrag nach § 23 Abs. 2 eine Verpflichtung der Staatsanwaltschaft zur Zurücknahme der erhobenen Anklage (in den Grenzen des § 156 StPO) oder eines eingelegten Rechtsmittels herbeiführen könnte (OLG Hamm NJW 1965 1241*). Unanfechtbar ist auch die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung gemäß § 232 StGB. Denn wenn die Erhebung der Anklage einer selbständigen Anfechtung entzogen ist, können die dieser Maßnahme zugrundeliegenden Erwägungen nicht selbständig anfechtbar sein (ebenso im Ergebnis BGHSt. 16 225 = NJW 1961 2120; a. M. S t r u b e l und S p r e n g e r NJW 1972 1737). Verschlossen ist auch der Weg des § 23 gegen eine Anweisung des Oberstaatsanwalts an den Sitzungsvertreter, einer Einstellung nach § 153 Abs. 3 StPO nicht zuzustimmen. Denn § 172 Abs. 2 Satz 3 StPO zeigt, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die Ermessensentschließung des Staatsanwalts, ob er von der Lockerung des Verfolgungszwangs Gebrauch machen will oder nicht, der gerichtlichen Nachprüfung nicht unterliegt (ebenso im Ergebnis OLG Hamm vom 13. 10. 1961 — 1 VAs. 25/61 — unter Berufung auf BGHSt. 16 225 und die dort verwendete Begründung, der Beschuldigte sei nicht in seinen Rechten verletzt, weil die Einschränkung des Legalitätsgrundsatzes nur die Entlastung von Gericht und Staatsanwaltschaft bezwecke und Interessen des Beschuldigten nicht im Spiel seien). bb) Bewirkungshandlungen wie der Rechtsmittelverzicht der Staatsanwaltschaft und die Zurücknahme eines von ihr eingelegten Rechtsmittels unterliegen zwar nach der StPO keiner *) A. M. S t r u b e l und S p r e n g e r NJW 1972 1737: werde bei einer Mehrzahl von Beschuldigten, die in gleicher Weise sich vergangen haben, nur gegen einen „aus sachfremden Motiven", Anklage erhoben, während bzgl. der übrigen Verfahrenseinstellung aus § 153 Abs. 1 erfolge, so sei der Angeschuldigte in seinem Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 G G ) verletzt; ihm stehe der Weg des § 23 offen. D a s gleiche soll gelten (S. 1738), wenn die StA, nach deren Antrag das Gericht im 1. Rechtszug entschieden hat, nur deshalb Berufung einlegt, weil auch der Angekl. Berufung einlegte und die StA dadurch das Verbot der reformatio in peius „leerlaufen läßt". Alle dem kann nicht gefolgt werden.

3032

Einfuhrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§23 Anm 10

gerichtlichen Nachprüfung. Wenn aber die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht nach § 23 anfechtbar ist (oben b), muß dies auch für eine Maßnahme der Staatsanwaltschaft gelten, die dem gerichtlichen Verfahren und damit einer weiteren Tätigkeit der StA im Verfahren ein Ende setzt; es muß um so mehr gelten, als solche Maßnahmen der Staatsanwaltschaft andere Prozeßbeteiligte nicht hindern, ihre Rechte selbständig wahrzunehmen. cc) Unanfechtbar sind schließlich Entschließungen der StA, von ihr zustehenden prozessualen Befugnissen keinen Gebrauch zu machen, z. B. Rechtsmittel nicht einzulegen, einen Rechtsmittelverzicht, eine Zustimmung zu einer Einstellung des Verfahrens (§ 153 Abs. 3 StPO) nicht auszusprechen. Ob ein solches Untätigbleiben (z. B. die Nichteinlegung eines Rechtsmittels) eine „Prozeßhandlung" ist, kann zweifelhaft sein, jedoch sehen §§23 Abs. 2, 28 Abs. 2 auch die Ablehnung oder Nichtvornahme des von einem Beteiligten begehrten Tätigkeitsaktes als „Maßnahme" i. S. des § 23 an. Unabhängig davon kann es aber für die Anfechtbarkeit nach § 23 keinen Unterschied machen, ob die StA eine Prozeßhandlung vornimmt oder sich einer solchen enthält: wenn die Einlegung eines Rechtsmittels unanfechtbar ist, kann für die Nichtanfechtung nichts anderes gelten. Denn auch hier handelt es sich letztlich um eine Folgerung aus dem Grundgedanken des § 172 StPO: soweit die Entschließung der StA, ein gerichtliches Verfahren nicht herbeizuführen (d. h. keine Anklage zu erheben, sondern das Ermittlungsverfahren einzustellen) mit den in der StPO vorgesehenen Rechtsbehelfen nicht angreifbar und deshalb auch nicht nach § 23 anfechtbar ist, muß dies folgerichtig auch für die Entschließungen der StA gelten, von Maßnahmen abzusehen, die auf Fortsetzung eines schon anhängigen gerichtlichen Verfahrens gerichtet sind (kein Rechtsmittel einzulegen oder ein eingelegtes Rechtsmittel zurückzunehmen usw.) e) Im praktischen Ergebnis erweist sich danach — sieht man von den oben (Anm. 6 d, cc) genannten Einschränkungen ab — der Satz als richtig, daß Prozeßhandlungen der StA einer Anfechtung nach § 23 entzogen sind. Wenn dies für die gestaltenden Maßnahmen (Einstellung des Verfahrens, Erhebung der Anklage, Einlegung und Zurücknahme eines Rechtsmittels usw.) gilt, so gilt es erst recht für andere gewöhnliche Maßnahmen der StA in der Hauptverhandlung, wie die Stellung von Anträgen zur Beweisaufnahme, den Schlußvortrag, § 258 StPO, Stellungnahme zu Anträgen anderer Prozeßbeteiligter usw.; solche unselbständigen Einzelvorgänge sind überdies keine „regelnden" Maßnahmen (vgl. die Parallele oben 6 d, dd). f) Ob aus dem Gedanken der Spezialregelung in § 172 StPO auch folgt, daß Untätigkeit der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren nicht Gegenstand einer „Untätigkeitsklage" (§ 27 EGGVG) sein könne - so die von A l t e n h a i n DRiZ 1963 9; 1970 106 angeführten Beschlüsse des OLG Hamm, z. B. betr. verzögerliche Bearbeitung.der Einstellungsbeschwerde durch den Generalstaatsanwalt, und K a i s e r NJW 1963 1190 betr. Zurückstellung der Entschließung über Einstellung oder Anklageerhebung bis zum Ausgang eines anderen präjudiziellen Verfahrens — erscheint zweifelhaft. Wenn grundlose Nichterledigung einer anhängigen Sache durch das Gericht Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein kann (vgl. Anm. III 4 zu § 16 GVG), ist schwer einzusehen, warum, entsprechende Untätigkeit der Staatsanwaltschaft einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen sein soll. S. dazu auch OLG Bamberg JVB1. 1965 262 betr. Unterlassung der Bescheidung des Anzeigeerstatters bei Einstellung des Ermittlungsverfahrens (§171 StPO). 10. Sonderfälle (doppelfunktionelle Maßnahmen im Ermittlungsverfahren). a) Durchsuchung. Gegen die Anordnung einer Durchsuchung durch die StA oder ihre Hilfsbeamten (§ 105 Abs. 1 StPO) ist nach allg. Meinung (vgl. Anm. 7 a zu § 105) der Antrag auf richterliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig; insoweit ist § 23 gemäß seinem Abs. 3 unanwendbar (grundsätzlich a. M. S c h e n k e Verw. Arch. 60 348: beide Rechtsbehelfe seien gleichzeitig gegeben, für den Antrag nach § 23 fehle es aber im allgemeinen an einem Rechtsschutzbedürfnis). Dieser Rechtsbehelf soll aber (vgl. Anm. 7 b aaO.) nur solange gegeben sein, als durch die richterliche Entscheidung die Durchsuchung noch aufgehalten werden kann. Ist die Durchsuchung durchgeführt, ohne daß ein Antrag auf richterliche Entscheidung rechtzeitig gestellt werden konnte, so fragt sich, ob dann noch eine Anfechtung nach § 23 mit dem Ziel eines Ausspruchs über die Rechtswidrig3033

§23 Anm. 10

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

keit der Maßnahme nach § 28 Abs. 1 Satz 4 zulässig ist. Die Meinungen gehen weit auseinander. Nach der einen Auffassung ist § 23 ohne weiteres anwendbar (so S c h e n k e aaO. 347); anscheinend auch O L G Hamburg vom 6. 12. 1966 — VAs. 87/66). Nach anderer Auffassung handelt es sich bei der Anordnung der Durchsuchung durch den Staatsanwalt (Hilfsbeamten) um eine „prozeßgestaltende Handlung" (s. oben Anm. 6d, aa), die einer Nachprüfung nach § 23 entzogen sei (so z. B. O L G Stuttgart N J W 1972 2146; A l t e n h a i n DRiZ 1970 106). Die Eigenschaft als prozeßgestaltende Maßnahme wird aber (mit Recht, s. oben 6d, cc) verneint, wenn die Staatsanwaltschaft gemäß § 36 StPO eine richterliche Durchsuchungsanordnung vollstreckt, denn eine gestaltende Wirkung auf den Gang des Verfahrens komme nur der Anordnung zu, während es sich bei der Durchführung der Anordnung nur um deren tatsächliche Verwirklichung durch Exekutivorgane handele, und die Art und Weise der Vollstreckung unterliege der Nachprüfung nach § 23, wenn der Betroffene geltend mache, durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein ( O L G Stuttgart aaO.). Nach der funktionalen Betrachtungsweise (oben 2d, bb) muß diese Unterscheidung folgerichtig auch Platz greifen, wenn die Staatsanwaltschaft (der Hilfsbeamte) die Durchsuchungsanordnung trifft; dann ist zwar die Anordnung, nicht aber die Art und Weise der Durchführung der Nachprüfung nach §§ 23, 28 entzogen (so auch A l t e n h a i n DRiZ 1970 106). K G N J W 1972 169 = JR 1972 300 (m. Anm. P e t e r s ) läßt offen, ob im allgemeinen Prozeßhandlungen der StA Rechtsprechungsakte im funktionellen Sinn seien, die außerhalb des Strafverfahrens nicht gerichtlich nachprüfbar seien, bejaht aber die Anfechtbarkeit einer staatsanwaltlichen Durchsuchungsanordnung (und anderer Prozeßhandlungen der StA) nach § 23 jedenfalls dann, wenn sie sich gegen Personen richtet, die am Strafverfahren nicht beteiligt sind, weil diese Personen im weiteren Verlauf des Verfahrens keine Möglichkeit hätten, das Gericht zu einer Uberprüfung der staatsanwaltschaftlichen Maßnahmen zu veranlassen, § 23 aber in Ausgestaltung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 G G eine möglichst lückenlose Nachprüfung solcher hoheitlicher Maßnahmen ermöglichen solle, die selbständige Rechtswirkungen äußern und sonst gerichtlich nicht angefochten werden können. Schließlich ist nach P e t e r s J R 1972 300 die Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft zwar funktionell eine Rechtsprechungsmaßnahme, weil der Staatsanwalt Notvertreter des Richters sei, der zur Anordnung primär zuständig ist. Die Beschränkung der Anrufung des Richters auf den Fall, daß die Anordnung noch nicht vollständig durchgeführt ist, sei aber zu eng, weil trotz äußerlicher Beendigung der Durchsuchung sie insofern als ein „rechtsbeständiger Akt weiterwirke", als der schutzwürdige Persönlichkeitsbereich beeinträchtigt worden sei, ein Gedanke, der auch in § 28 Abs. 1 Satz 4 E G G V G zum Ausdruck gekommen sei. Den hier vorgeschlagenen Weg einer erweiternden Auslegung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO hat auch K G aaO. erwogen, aber mit m. E. zutreffenden Gründen als nicht gangbar bezeichnet*) (s. auch S c h e n k e 347, der an sich wegen der Verschiedenheit des Prüfungsgegenstandes den Weg des § 23 auch dann für gangbar hält, wenn § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO Platz greift, und im Regelfall lediglich das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag aus § 23 verneint). b) Bei Anordnung einer Beschlagnahme scheiden solche Überlegungen aus, sofern sie aufrecht erhalten wird, denn hier ist eine richterliche Nachprüfung durch § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO (s. auch §§ 431 ff. StPO) eröffnet. Zweifel können sich nur erheben, wenn sie, ohne daß es zu einer Anrufung des Richters nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO gekommen ist, noch im Verlauf des Ermittlungsverfahrens wieder aufgehoben wird; die Rechtslage ist dann die gleiche wie zu a). c) Anordnung der körperlichen Untersuchung (§ 8 1 a StPO). Ordnet das Gericht eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten an und überläßt es die Vollstreckung der Staatsanwaltschaft ( § 3 6 StPO), so wird die Staatsanwaltschaft lediglich als Vollstreckungsbehörde tätig. Gegen Rechtsverletzungen, die bei dieser Tätigkeit begangen werden, ist ohne weiteres der Weg des § 23 gegeben (vgl. BayVerfGH N J W 1969 229 betr. Erlaß eines Vorführungsbefehls zur ärztlichen Untersuchung ohne vorangegangene Ladung; O L G München vom 12. 3. 1969 - VAs. 27/68 - ; G e n z e l N J W 1969 1562, 1565; A l t e n h a i n J Z 1965 756, 758; DRiZ 1970 106). Ordnet aber die Staatsanwaltschaft oder ein Hilfsbeamter die *) gegen P e t e r s auch OLG Celle N J W 1973 863 (zur Frage der Zulässigkeit der Beschwerde gegen Durchsuchungsanordnungen nach Beendigung der Durchsuchung).

3034

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§23 Anm. 11

Untersuchung an, so kann nach Kl 12 zu § 81 a in entsprechender Anwendung der §§98 Abs.. 2 Satz 2, 132 Abs. 3 Satz 2 StPO der Richter angerufen werden, solange die Anordnung noch nicht oder noch nicht vollständig durchgeführt ist. Nach G e n z e l aaO. ist dieser Weg nicht gangbar, vielmehr Anfechtbarkeit nach § 23 EGGVG gegeben; ebenso S t r u b e l und S p r e n g e r NJW 1972 1734, 1736 und S a r s t e d t im vorliegenden Kommentar Anm. 10b zu § 81 a, der als „Ungereimtheit, die in Kauf genommen werden muß", bezeichnet, daß eine gerichtliche Entscheidung unter anderen Gesichtspunkten und von einer anderen Instanz nachgeprüft wird; ferner G e e r d s GA 1965 325. Dagegen handelt es sich nach A l t e n h a i n DRiZ 1970 106 Fußn. 20 bei der Anordnung des Staatsanwalts nach § 81a Abs. 2 um eine der Anfechtung nach § 23 nicht zugängliche „Prozeßhandlung". Von diesem Standpunkt aus müßte dasselbe gelten wie bei der Durchsuchung (oben a), nämlich daß zwar nicht die Anordnung, wohl aber die Art und Weise ihrer Durchführung einer Nachprüfung nach § 23 unterliegt. d) Eigene Stellungnahme. Bei den unter a bis c erörterten Fällen ist die Problemlage im wesentlichen die gleiche; innere Gründe, die eine verschiedenartige Behandlung rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Ist § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO bei der Durchsuchung des § 105 entsprechend anwendbar, so ist nicht einzusehen, warum dies im Fall des § 81 a ausgeschlossen sein sollte; die Subsidiarität des Rechtsweges nach §§ 23 ff. verbietet es, diesen Weg zu beschreiten, solange richterliche Nachprüfung nach den unmittelbar oder entsprechend anwendbaren Vorschriften der StPO möglich ist. Ist, wie mit guten Gründen (vgl. K G NJW 1972 169) anzunehmen ist, die Reichweite des (unmittelbar oder entsprechend anwendbaren) § 98 Abs. 2 Satz 2 beschränkt auf die Fälle, in denen die angeordnete Maßnahme noch nicht vollständig erledigt ist, so beginnt nach vollständiger Durchführung der Anwendungsbereich der §§23 ff. In den genannten 3 Fällen handelt der Staatsanwalt (Hilfsbeamte) bei der Anordnung der Maßnahme als Justizbehörde i. S. des § 23 Abs. 1 (oben 2d). Ob seine Anordnung nach §§23 ff. anfechtbar ist, richtet sich von dem hier (oben Anm. 9) eingenommenen Standpunkt aus nicht danach, ob diese „Prozeßhandlung" ist, sondern ob sie nach § 23 Abs. 3 einer Anfechtung entzogen ist. Endet das Ermittlungsverfahren mit Einstellung oder ist nach Anklageerhebung der Betroffene nicht am nachfolgenden gerichtlichen Verfahren beteiligt, so daß er eine gerichtliche Nachprüfung der staatsanwaltlichen Maßnahme im gerichtlichen Verfahren nicht herbeiführen kann, so entspricht es allerdings, wie mit K G NJW 1972 169 anzunehmen ist, dem Sinn und Zweck der §§ 23 ff, 28, die Nachprüfung nach diesen Vorschriften zuzulassen. Dieser Weg steht, wie bereits ausgeführt, auch allgemein offen, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 36 StPO gerichtliche Anordnungen vollstreckt und die Rechtmäßigkeit der Art und Weise der Vollstreckung angegriffen wird. Zur Stützung dieser Auffassung kann auf den schon in anderem Zusammenhang (oben Anm. 6 d, dd) angeführten § 62 Abs. 1 Satz 2 OWiG zurückgegriffen werden, wonach in dem dem strafprozessualen Ermittlungsverfahren entsprechenden Stadium des Bußgeldverfahrens die gerichtliche Entscheidung gegen solche Maßnahmen der Verwaltungsbehörde beantragt werden kann, die selbständige Bedeutung haben. 11. Kasuistik. Als unzulässig angesehen ist: der Antrag eines erstinstanzlich Abgeurteilten, die Staatsanwaltschaft für verpflichtet zu erklären, eine zu seinen Ungunsten eingelegte Berufung zurückzunehmen, weil sie ihm zugesagt habe, das Urteil nicht anzufechten, da die Einlegung und Zurücknahme eines Rechtsmittels nicht Gegenstand der Nachprüfung nach § 23 ist (OLG Hamm NJW 1965 1241 mit problematischer Begründung; s. A l t e n h a i n JZ 1965 7590; der Antrag auf Nachprüfung der Ablehnung des Begehrens, die Erklärungsfrist gemäß § 169 a StPO (OLG Nürnberg GA 1968 59) oder die Frist für das Schlußgehör gemäß § 169 b StPO (OLG Hamm NJW 1966 684 = JVB1. 1966 118) zu verlängern, weil es sich im Fall der Einstellung um einen Einzelvorgang im Betrieb des Ermittlungsverfahrens handelt, bei Anklageerhebung aber § 201 StPO eingreift (oben Anm. 9); der Antrag des Beschuldigten, die Staatsanwaltschaft (nach erfolgter Mitteilung gemäß § 169 a StPO) für verpflichtet zu erklären, mitzuteilen, welchen „konkreten Lebensvorgang" sie anklagen wolle, weil die Erhebung der Anklage und die davor liegenden Erklärungen der StA durch § 23 Abs. 3 einer Nachprüfung entzogen sind (OLG Frankfurt NJW 1966 363 = JVB1. 1966 117); der Antrag auf Gewährung der von der StA (§ 147 Abs. 2, 5 StPO) verweigerten Einsicht in die Ermittlungsakten (OLG Koblenz 1 VAs. 24/67 bei K a i s e r NJW 3035

§23 Anm. 12,13

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

1968 778; streitig, jedenfalls reicht nicht aus die Begründung, daß es sich um eine von vornherein dem § 23 entzogene Prozeßhandlung handele, sondern die Unanfechtbarkeit könnte nur darauf gestützt werden, daß ein Einzelvorgang im Betrieb des Ermittlungsverfahrens — oben 6d, dd — vorliege; s. auch dazu OLG Hamburg NJW 1972 1586 und, die Anfechtbarkeit mit Einschränkungen bejahend, S t r u b e l und S p r e n g e r NJW 1972 1736). Zulässig ist der Antrag gegen die ablehnende Entscheidung der StA, Einsicht in die Akten eines eingestellten Ermittlungsverfahrens oder eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens zu gewähren (vgl. die Übersicht über die Rechtsprechung bei A l t e n h a i n JZ 1965 758) oder eine begehrte Auskunft zu erteilen (OLG Hamburg NJW 1965 776 = MDR 1965 224 = JR 1965 189 m. Anm. K o h l h a a s ; VGH Mannheim NJW 1969 1319). 12. Maßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft. „Untersuchungshaft" umfaßt hier sinngemäß die einstweilige Unterbringung nach § 126 a StPO (OLG Hamm NJW 1967 693) und die Auslieferungshaft (§ 22 D A G ; OLG Frankfurt GA 1966 57). Der Ausschluß des Antrags aus § 23 Abs. 1 durch die Vorschrift des Abs. 3 läßt für Nachprüfungsanträge beim Vollzug der Untersuchungshaft wenig Raum ( A l t e n h a i n JZ 1966 17); sie kommen nur in Betracht, wo nicht die Zuständigkeit des Richters nach § 119 Abs. 3, 6 StPO gegeben ist (OLG Hamm aaO.). Insbesondere ist zur Verhängung von Hausstrafen nur der Richter zuständig. Eine gesetzwidrig durch den Anstaltsvorstand verhängte Hausstrafe ist nach § 23 anfechtbar und ist auch dann als rechtswidrig aufzuheben, wenn der bisherige Untersuchungsgefangene z. Zt. der Entscheidung in Strafhaft überführt ist (OLG Bremen vom 20. 1. 1961 — II AR 149/60). Weigert sich dagegen der Anstaltsvorstand, eine im Rahmen des § 119 StPO getroffene richterliche Anordnung durchzuführen, so ist nicht der Antrag aus §23, sondern nur die Dienstaufsichtsbeschwerde gegeben (OLG Hamm NJW 1965 1544 m. Anm. B r o r s ) . § 23 ist anwendbar, wenn es sich nicht um Beschränkungen i. S. des § 119, sondern um den Streit über eine von dem UH-Gefangenen begehrte und von der Behörde abgelehnte Leistung handelt (OLG Hamburg NJW 1967 168). So entscheidet über das Verlangen eines Untersuchungsgefangenen, eine nach seiner Meinung erforderliche ärztliche Versorgung zu erhalten, der Richter nach § 119 StPO, wenn die Versorgung durch einen Arzt außerhalb der Gefängnis Verwaltung erfolgen soll, da es sich hier um den Verkehr mit der Außenwelt handelt, Dagegen ist nicht § 119 StPO, sondern § 23 EGGVG anwendbar, wenn der Untersuchungsgefangene eine ihm versagte ärztliche Versorgung innerhalb des Bereiches der Anstaltsverwaltung begehrt, da er sich dann nicht gegen eine Freiheitsbeschränkung wendet, sondern eine Leistung begehrt (OLGe. Hamburg NJW 1962 1930; 1963 2388 = GA 1963 95; 1964 87; Frankfurt GA 1966 57; a. M. Röhl NJW 1960 416). Vgl. im übrigen Anm. 2 b zu § 24. § 23 ist auch anwendbar bei Maßnahmen, die sich nicht gegen den Untersuchungsgefangenen, sondern gegen Dritte (Besucher) richten, da insoweit eine gerichtliche Zuständigkeit nach § 119 StPO nicht besteht, sofern die Maßnahme in deren Rechte eingreift (vgl. KG NJW 1971 476 m. Anm. S c h m i d t - L e i c h n e r und Erwiderung K r ü g e r NJW 1971 1024 betr. Anordnung der Vollzugsbehörde, daß wegen drohender Befreiungsversuche auch Rechtsanwälten der Zutritt zur Untersuchungshaftanstalt nur gestattet ist, wenn sie sich einer Leibesvisitation auf den Besitz von Waffen, Sprengmitteln und dergl., unterziehen). 13. Reformbestrebungen. Der am 5.7. 1972 vom Bundeskabinett beschlossene Entw. eines Strafvollzugsges. (vgl. Vor'bem. V 1 vor § 449 StPO) sieht vor, daß gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges gerichtliche Entscheidung beantragt und mit dem Antrag auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden kann; der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 97). Über den Antrag entscheidet die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die Vollzugsbehörde ihren Sitz hat (§ 98; vgl. dazu Anm. VI zu § 461 StPO). Gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen; die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe (§ 104). Zuständig zur Entscheidung ist ein Strafsenat des OLG, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 105). Die hiernach beabsichtigte 3036

Einfuhrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§24 Anm. 1,2

Regelung der gerichtlichen Nachprüfung von Vollzugsmaßnahmen für den Bereich des Vollzugs von Freiheitsstrafen und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung im Justizvollzug führt zu einer entsprechenden Einschränkung des § 23 Abs. 1 Satz 2 EGGVG; er soll (§ 166 des Entw.) folgende Fassung erhalten: „Das gleiche gilt für Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen der Vollzugsbehörden im Vollzug der Jugendstrafe, des Jugendarrestes, der Untersuchungshaft sowie der Maßregeln der Besserung und Sicherung außerhalb des Justizvollzugs". §24 (1)Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. (2) Soweit Maßnahmen der Justiz- oder Vollzugsbehörden der Beschwerde oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren unterliegen, kann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst nach vorausgegangenem Beschwerdeverfahren gestellt werden. 1. Nach Absatz 1 ist Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrags, daß der Antragsteller eine Verletzung „in seinen Rechten" geltend macht. Diesem Erfordernis ist genügt, wenn der Antragsteller Tatsachen (einen Sachverhalt) vorträgt, die, wenn sie zutreffen, ergeben, daß er in seinen Rechten verletzt ist (KG vom 27. 10. 1961 - 1 Ws. 400/61; OLG Bremen RPfleger 1960 307 und vom 5. 8. 1961 — VAs. 5/61). Mindestens muß er einen Sachverhalt vortragen, nach dem eine solche Verletzung in Betracht kommen könnte (OLG Saarbrücken JB1. Saar 1961 129; R ö h l NJW 1960 414). Wenn er auch keine Rechtsausführungen zu machen braucht, so muß er doch die Umstände bezeichnen, aus denen sich ergibt, daß ihm mindestens unter einem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt die von ihm beanspruchten Rechte zustehen und die Behörde diese Rechte verletzt hat (OLG Hamburg vom 14. 2. 1963 — VAs. 54/62 —). Fehlt es an einer solchen, eine Schlüssigkeitsprüfung ermöglichenden Sachdarstellung, so ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen. Ein unsubstantiierter, in allgemeinen Wendungen sich ergehender Vortrag etwa: „die wohlerworbenen Rechte als deutscher Staatsbürger seien verletzt", genügt nicht (KG vom 27. 10. 1961 — 1 Ws. 400/61 —). Als unzulässig ist auch ein Antrag zu verwerfen, der kein in sachlicher Form gehaltenes Vorbringen, sondern vorwiegend Verunglimpfungen und Beleidigungen des Antraggegners enthält, weil darin das Eingeständnis liegt, daß sich sachlich gegen die beanstandeten Maßnahmen nichts einwenden läßt, sondern die Beschimpfung des Antraggegners der wesentliche Zweck des Antrags ist (KG NJW 1969 151 = JR 1968 471 = JZ 1969 268 m. Anm. E b S c h m i d t ) . 2. Rechtsverletzung. a) Sie liegt vor, wenn ungerechtfertigt in die durch das Grundgesetz oder einen anderen Rechtssatz geschützte Rechtssphäre eingegriffen wird. Eine in ihrer Wirkung rechtssatzgleiche Regelung liegt auch vor, wenn ein bisher durch förmliche Rechtssätze nicht erfaßter Lebensraum durch allgemeine Verwaltungsanordnungen geregelt ist; der Betroffene hat dann einen aus dem Gleichheitsgrundsatz sich ergebenden Anspruch darauf, nach Maßgabe der allgemeinen Verwaltungsregelung behandelt zu werden (OLG Bremen NJW 1964 2175; BGHSt. 21 316 = NJW 1967 2368; vgl. dazu auch unten Anm. 6b, c und Vorbem. V 3b vor §449 StPO). Bei einer Ermessensentscheidung liegt eine Rechtsverletzung auch in Ermessenswillkür und Ermessensmißbrauch (§ 28 Abs. 3). Bei Gefangenen ist zwar die Freiheitssphäre bereits durch das Urteil beschränkt, aber auch im Vollzug bleiben die nicht beschränkbaren Grundrechte bestehen (vgl. Vorbem. V 3d vor § 449 StPO) und im übrigen liegt auch bei den im Verwaltungsweg erlassenen Vollzugsvorschriften eine Verletzung des Gefangenen in seinen Rechten vor, wenn die Vollzugsbehörde die Vollzugsvorschriften nicht einhält oder nicht richtig anwendet und dadurch gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) verstößt. Räumen die Vollzugsvorschriften kein Recht auf bestimmte Maßnahmen ein, sind diese nur dem Ermessen der Vollzugsbehörden überlassen oder in den Bestimmungen nicht vorgesehen, aber auch nach dem Straf- und Vollzugszweck nicht unzulässig, so ist die Unterlassung der Maßnahme oder Ablehnung eines Antrags auf eine Maßnahme nur dann eine Rechtsverletzung, wenn sie auf Ermessensmißbrauch oder -willkür beruht. Der bloße Umstand, daß durch eine (beabsichtigte oder durchgeführte) 3037

§24 Anm. 3—5

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

Maßnahme die Interessenlage des Betroffenen nachteilig berührt wird, begründet keine Rechtsverletzung, wenn nicht ein Rechtsanspruch auf Unterlassung der Maßnahme besteht. So fehlt es an einer Rechtsverletzung, wenn die Strafvollstreckungsbehörde von der Bestrafung eines Beamten seiner vorgesetzten Dienststelle (nach den Verwaltungsvorschriften der Mistra) Mitteilung macht (vgl. Anm. 6 b zu § 23), denn der Betroffene hat keinen Rechtsanspruch auf Unterlassung der Mitteilung, vielmehr besteht ein berechtigtes Interesse an der Mitteilung (OLG Hamm NJW 1972 2145). Ebenso ist die Ablehnung einer erbetenen Auskunft nur Rechtsverletzung, wenn auf die Erteilung ein Rechtsanspruch besteht (OLG Hamburg MDR 1965 224). Bloßes „unkorrektes" Verhalten wie Unhöflichkeit, barsches Wesen und dgl. ist noch keine Rechtsverletzung und kann nur Gegenstand einer Dienstaufsichtsbeschwerde sein (OLGe. Frankfurt vom 19. 9. 1 9 6 2 - 2 VAs. 14/62 - ; Stuttgart NJW 1972 2146, 2147). Übersicht über die bisherige Rechtsprechung, welche Maßnahmen im Strafvollzug eine Rechtsverletzung darstellen, in DRspr. IV 480, Bl. 19 ff. (nach dem Stand von 1971); s. auch G r u n a u Erl. z. DVollzO [1972] Rdn. 7 zu Nr. 196; K ü h l i n g ZfStVo. 1964 362; 1966 99; 1967 296; 1970 106; 1972 288. b) Anträge aus §§ 23 ff. betreffen häufig die ärztliche Versorgung im Vollzug (vgl. dazu Anm. 12 zu § 23). Der Gefangene hat Anspruch auf sachgerechte Heilfürsorge, aber nicht Anspruch auf eine bestimmte oder von ihm gewünschte Behandlungsmaßnahme, etwa eine Operation (OLGe. Bremen NJW 1960 2261, Frankfurt GA 1966 57 m. w. Nachw.). Fragen des ärztlichen Ermessens entziehen sich dabei grundsätzlich der gerichtlichen Nachprüfung; in seinen Rechten ist der Gefangene daher nur verletzt, wenn die vom Arzt gewählte Behandlungsmethode unter keinem sachlichen Gesichtspunkt zu rechtfertigen ist, also wenn Mißbrauch des ärztlichen Ermessens vorliegt (OLGe. Bremen NJW 1960 2261; 1964 1194). S. zu diesem Fragenkreis auch OLG Hamburg G A 1968 88. 3. Der Antragsteller muß geltend machen, in seinen Rechten verletzt zu sein, muß also einen Sachverhalt vortragen, der, wenn er zuträfe, ergäbe, daß unmittelbar in seine Rechtsphäre eingegriffen ist (Ausschluß der „Popularklage"). Daran fehlt es z. B. — unabhängig von der Frage, ob nicht schon § 23 Abs. 3 einen solchen Antrag unzulässig macht (vgl. Anm. 9 zu § 23) —, wenn jemand, ohne Verletzter zu sein, Strafanzeige erstattet und sich gegen die Einstellung des Verfahrens wendet, denn die Strafverfolgung ist allein Sache des Staates (OLG Hamm JVB1. 1966 118). Zu der Frage, inwieweit Dritte (= Personen, die nicht Adressaten des Verwaltungsakts sind) deshalb anfechtungsberechtigt sein können, weil der Verwaltungsakt in ihre Interessensphäre eingreift, vgl. B e r n h a r d t JZ 1963 302; Seilm a n n NJW 1964 1545. Jedenfalls genügt nicht ein Eingriff in sog. Reflexrechte; von solchen spricht man, wenn Normen, die ausschließlich den öffentlichen Interessen dienen sollen, tatsächlich in ihrer Auswirkung dem Individualinteresse zugute kommen, ohne daß diese Begünstigung vom Zweck der Norm umfaßt wird (vgl. E y e r m a n n - F r ö h l e r Rdn. 96 zu § 42 VwGO). 4. Zu der Frage, welcher Akt Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist, wenn der Betroffene formlose Dienstaufsichtsbeschwerde oder eine förmliche Beschwerde eingelegt hatte oder ein „Zweitbescheid" erteilt wurde, vgl. Anm. 6ezu § 23. 5. Nach Absatz 2 ist, wenn die angegriffene Maßnahme der Beschwerde oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren unterliegt, die Durchlaufung dieses Vorschaltverfahrens Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung. Ist diese von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung nicht gegeben, so muß der Antrag als unzulässig verworfen werden (vgl. OLGe. Hamm vom 19. 12. 1960 — 1 VerwS 3/60 —; Schleswig SchlHA 1961 249). Der Antrag ist auch unzulässig, wenn die im Vorschaltverfahren vorgesehene Beschwerdefrist versäumt wurde (OLGe. Oldenburg NdsRpfl. 1968 234; Celle NJW 1969 522; Stuttgart NJW 1970 718 = JVB1. 1970 95), und zwar auch dann, wenn die zur Bescheidung im Vorschaltverfahren zuständige Behörde ungeachtet der Verspätung eine Sachentscheidung getroffen und Rechtsmittelbelehrung erteilt hat (so Stuttgart gegen Celle aaO.). Jedoch ist ein Antrag, der vor dem Vorschaltverfahren gestellt ist, nicht als unzulässig zu verwerfen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag das Vorschaltverfahren durchlaufen ist und nicht zu einer Änderung der Maßnahme

3038

Einfiihrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§24 Anm. 6

gefuhrt hat; dann ist der ursprüngliche Verfahrensmangei geheilt (OLGe. Hamburg Rpfleger 1964 217; Bremen vom 5. 8. 1961 - VAs. 5/61 - ) . 6. Bei der Beschwerde muß es sich um eine förmliche Beschwerde handeln, da hier die Beschwerde als Hauptfall eines förmlichen Rechtsbehelfs („oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf') angeführt ist. Streitig ist aber, was unter einer „förmlichen Beschwerde im Verwaltungsverfahren" zu verstehen ist. Eine förmliche Beschwerde liegt jedenfalls dann vor, wenn sie in einem Gesetz oder einer RechtsVO ausdrücklich (im Einzelfall oder generell) als Rechtsbehelf vorgesehen und die Stelle bezeichnet ist, die darüber entscheidet. Andererseits ist eine jederzeit auch ohne besondere Zulassung zulässige formlose Dienstaufsichtsbeschwerde, die in der formlosen Anrufung der vorgesetzten Behörde mit der Bitte um Abhilfe im Wege der Dienstaufsicht besteht, ebensowenig eine förmliche Beschwerde wie eine formlose Gegenvorstellung, mit der die Behörde, die die Maßnahme getroffen hat, um Überprüfung und Abänderung gebeten wjrd (ganz allgemeine Meinung; vgl. statt vieler Zitate z. B. OLGe. Celle NdsRpfl. 1960 259; Hamm NJW 1961 693). Streitig ist dagegen, ob eine förmliche Beschwerde nur gegeben ist, wenn sie auf einem Rechtssatz beruht, oder ob sie auch dann vorliegt, wenn sie in einer generellen veröffentlichten Verwaltungsanordnung förmlich als Behelf gegen Verwaltungsmaßnahmen vorgesehen ist. Die Auffassung, die im letzteren Fall eine förmliche Beschwerde bejaht, entnimmt ihre Argumente hauptsächlich dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung (s. unten zu c), kraft deren dem Bürger, der von der vorgesehenen Beschwerde Gebrauch macht, eine qualitativ gleiche Rechtsstellung erwächst wie bei Ergreifung einer Beschwerde, die auf Gesetz oder RechtsVO beruht. Die Gegenmeinung (s. insbes. KG NJW 1967 1870; dort auch Übersicht über den Stand der Streitfrage) wird u. a. damit begründet, das Verwaltungsrecht habe seit jeher unter einem förmlichen Rechtsbehelf ein subjektiv öffentliches Recht auf materielle und formelle Nachprüfung, das auf Gesetz oder RechtsVO zurückzuführen ist, verstanden und diese Begriffsbestimmung des Verwaltungsrechts sei für die Auslegung des § 24 Abs. 2 maßgeblich, da bei der Schaffung dieser Vorschrift der Gesetzgeber von verwaltungsrechtlichen Begriffsvorstellungen ausgegangen sei. Auch könne die Verwaltung den in einer Verwaltungsanordnung gesetzten „Rechtsweg" jederzeit durch Verwaltungsanordnung wieder abschaffen; es liege also in der Hand der Verwaltung, ob sie den vom Gesetz (§ 23) zugelassenen Rechtsweg sofort eröffnen oder verzögern wolle. „Das kann nicht Rechtens sein;" Der Streit geht vor allem um die Beschwerde des Gefangenen gegen Maßnahmen und Entscheidungen des Anstaltsvorstands im Strafvollzug und um die in § 21 StVollstrO vorgesehenen „Einwendungen" gegen Entscheidungen oder andere Maßnahmen der Strafvollstreckungsbehörde (vgl. dazu Vorbem. IV vor § 449 StPO). a) Beschwerde gegen Vollzugsmaßnahmen. Die DVollzO vom 1. 12. 1961 bestimmt in Nr. 194 Abs. 2, daß der Gefangene sich gegen die Entscheidung des Anstaltsleiters im Dienstaufsichtsweg beschweren könne, und in Nr. 196 Abs. 1, daß ihm unabhängig von der Dienstaufsichtsbeschwerde das Recht zustehe, Antrag auf gerichtliche Entscheidungen nach § § 23 ff. EGGVG zu stellen. Nr. 196 Abs. 2 besagt: „Ob dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung ein Verfahren über einen förmlichen Rechtsbehelf vorauszugehen hat, richtet sich nach Landesrecht". Landesrechtlich ist ein förmliches Vorschaltverfahren in einer Reihe von Ländern eingeführt worden (vgl. Hamb. Ges. vom 29.3. 1960, GVB1. 291; § 2 6 Brem. AGGVG vom 11. 10. 1960, GVB1. 123; § 9 Nds. AGGVG vom 5.4. 1963, GVB1. 125; Bad.-Württ. Gefangenenbeschwerdeges. vom 8.2. 1966, GBl. 13; § 13 Saarl. AG GVG vom 4. 10. 1972, ABl. 601, ferner in Nordrhein W. und Schlesw. H.). In der Zeit vor dem Inkrafttreten der DVollzO (am 1. 7. 1962) hatten die Oberlandesgerichte der Länder, in denen ein förmliches Vorschaltverfahren nicht eingeführt war, allgemein und mit dem überwiegenden Teil des Schrifttums (vgl. die Nachw. in Anm. 6 a der Voraufl.) das durch die Vollzugsvorschriften eröffnete Beschwerdeverfahren als Vorschaltverfahren i. S. des § 24 Abs. 2 angesehen; a. M. A l t e n h a i n JVB1. 1960 193; 1962 55; OLG Nürnberg vom 8. 3. 1961 — VAs. 2/60 —, wonach in Bayern die Vollzugsbeschwerde nur eine Dienstaufsichtsbeschwerde darstelle. Ausführlich hatte OLG Hamm aaO. diese Auffassung damit begründet, daß zwar eine förmliche Beschwerde nur vorliege, wenn sie auf einem Rechtssatz beruhe. Nach neuerer Lehre komme aber auch abstrakten und generellen Verwaltungsanordnungen zur Regelung besonderer Gewaltverhältnisse Rechtssatzcharakter zu, falls eine aus-

3039

§24 Anm. 6

Einfuhrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

reichende Ermächtigung der Verwaltung zur Rechtsetzung und zur Bekanntgabe an den Kreis der Beteiligten vorliege. Das sei bei der Vollzugsbeschwerde der Fall: auf dem weitgehend einer gesetzlichen Regelung entbehrenden Gebiet des Strafvollzugs sei gewohnheitsrechtlich der Staat zu liickenausfüllenden Regelungen ermächtigt; letzlich beruhe das Beschwerderecht aber auch auf der insoweit noch fortgeltenden RechtsVO vom 14. 5. 1934 (RGBl. I 383), an der im Verwaltungsweg getroffene Regelungen nichts hätten ändern können (zur Frage der Fortgeltung der VO vgl. auch T i e d e m a n n NJW 1967 87). Die die Vorschalteigenschaft der Vollzugsbeschwerde bejahende Auffassung wurde auch mit praktischen Erwägungen begründet: bei den Maßnahmen der Vollzugsbehörden handele es sich vielfach um solche tatsächlicher Art, bei denen der Natur der Sache nach dem betroffenen Gefangenen kein schriftlicher Bescheid ausgehändigt werden könne,, so daß erst der auf die Beschwerde ergehende schriftliche ünd mit Gründen versehene Beschwerdebescheid dem Gericht eine Grundlage für die Entscheidung über den Antrag nach §§ 23 ff. biete (ebenso R ö h l NJW 1960 414 und E b S c h m i d t 3 zu § 24). Nach Schaffung des förmlichen Vorschaltverfahrens in einer Reihe von Ländern stellten sich die Oberlandesgerichte der Länder, in denen solche Vorschriften nicht bestanden, aber nunmehr in der Mehrzahl auf den Standpunkt, daß nach dem in ihrem Land geltenden Rechtszustand, wie er sich aus der DVollzO ergebe, der Gefangene Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen, aber auch sofort den Weg des § 23 beschreiten könne (vgl. die Nachw. in Anm. 6 a der Voraufl.). Selbstverständlich wird dabei der Fristlauf des § 26 nicht dadurch gehemmt, daß der Gefangene zunächst Dienstaufsichtsbeschwerde einlegt. Dagegen hielt OLG Hamm NJW 1963 1465 = JMB1. NRW 1963 216; NJW 1966 607 an seinem bisherigen Standpunkt fest, nachdem auf seinen auf § 29 Abs. 1 EGGVG gestützten Vorlegungsbeschluß NJW 1963 224 hin BGH NJW 1963 1214 eine Entscheidung abgelehnt und die Sache dem OLG zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückgegeben hatte (vgl. Anm. 2 a zu § 29). b) Bei den „Einwendungen" gegen Vollstreckungsmaßnahmen nach § 21 StVollstrO (also bei Vollstreckungsbeschwerde) wird in der Praxis wohl überwiegend angenommen, daß ein Vorschaltverfahren i. S. des § 24 Abs. 2 vorliege (so O L G Frankfurt vom 21. 10. 1963 - 3 VAs. 4/63 - ; vom 31. 10. 1963 - 3 VAs. 6/63 - ; 14.4. 1964 - 3 VAs. 10/64 - ; OLGe. Hamburg Rpfl. 1964 217 = JVB1. 1964 193; Oldenburg M D R 1968 782 = NdsRpfl. 1968 163; Bamberg JVB1. 1963 175 und vom 6. 3. 1968 - VAs. 2/68 - ; Koblenz vom 15. 6. 1967 - 1 VAs. 16/67 - ; München vom 28. 2. 1969 - VAs. 7/69 - ; P o h l m a n n Rpfleger 1963 4; L o r e n z NJW 1963 702; S c h w e i c h e l DRiZ 1964 367; a. M. A l t e n h a i n DRiZ 1964 301; 1970 109; OLGe. Schleswig vom 24. 6. 1963 - VAs. 11/63 - ; Celle MDR 1964 697 = NdsRpfl. 1964 160; NJW 1967 692 = MDR 1967 63; Hamm NJW 1969 672; K G NJW 1967 1870). Die Rechtsprechung, soweit sie im Beschwerdeverfahren nach § 21 StVollstrO ein Vorschaltverfahren i. S. des § 24 Abs. 2 sieht, hat dabei keinen Anstoß daran genommen, daß auch die StVollstrO nur eine generelle Verwaltungsanordnung darstellt (vgl. Vorbem. III 1 vor § 449 StPO). Es ist zutreffend, wenn A l t e n h a i n Rpfleger 1963 370; JVB1. 1963 175; JZ 1966 17 (der nur eine Dienstaufsichtsbeschwerde als gegeben ansieht) darauf hinweist, daß die vielfach übliche, in einem Hinweis auf die Rechtsprechung des OLG Hamm zur Fo/feugsbeschwerde bestehende Begründung insofern nicht ausreicht, als es hier an einer gesetzlichen Regelung, wie sie OLG Hamm in der VO vom 14. 5. 1934 gesehen hatte, fehlt. Gleichwohl ist der Auffassung zu folgen, daß die Vollstreckungsbeschwerde eine förmliche Beschwerde i. S. des § 24 Abs. 2 darstelle, und zwar ergibt sich dies aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung — s. sogleich zu c - (so auch OLG Oldenburg MDR 1968 782). c) Es kann nicht anerkannt werden, daß ein,förmlicher Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren" nur ein solcher sei, der auf einem Rechtssatz beruht. Es muß vielmehr unterschieden werden zwischen der „gewöhnlichen" Dienstaufsichtsbeschwerde und einer Sachbeschwerde, die zwar nur im Verwaltungsweg, aber in genereller Form einem Betroffenen eingeräumt und förmlich gleichbleibend behandelt wird. Das Wesen der „gewöhnlichen" Dienstaufsichtsbeschwerde besteht in der Bitte an die Aufsichtsbehörde, an Hand der vorgetragenen Einwendungen zu prüfen, ob nicht gegen die Maßnahme der nachgeordneten Behörde mit Mitteln der Dienstaufsicht einzuschreiten sei, weil sie sachlich unangemessen oder fehlerhaft 3040

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§24 Anm. 6

sei. Kommt ein solcher Sachverhalt in Betracht, so muß die Aufsichtsbehörde, gleichviel auf welchem Wege sie davon Kenntnis erhält, bereits von Amts wegen einschreiten; die gewöhnliche Dienstaufsichtsbeschwerde ist also lediglich eine Anregung, von Amts wegen vorzugehen. Die Aufsichtsbehörde ist aber nicht verpflichtet, den Sachverhalt — etwa in der Art wie ein Beschwerdegericht — von neuem nach allen Richtungen zu prüfen und schon einzugreifen, wenn sie, wäre sie an Stelle der nachgeordneten Behörde zur ersten Entschließung über die zu ergreifende Maßnahme berufen gewesen, eine andere Entschließung getroffen hätte. Sondern sie kann sich damit begnügen, den Sachverhalt an Hand der vorgetragenen Einwendungen nur nach der Richtung zu prüfen, ob die Maßnahme so unzweckmäßig oder fehlerhaft, so unsachgemäß und unvertretbar erscheint, daß sie einer Änderung bedarf. Findet sie bei einer so beschränkten Prüfung keinen Anlaß zum Eingreifen, so kann sie den Beschwerdeführer ohne weitere Begründung dahin bescheiden, daß sie keinen Anlaß zu Maßnahmen im Dienstaufsichtsweg gefunden habe. Anders liegt es aber, wenn die vorgesetzte Zentralbehörde zwar nur im Verwaltungsweg, aber in allgemeiner, auch zur Kenntnis der Öffentlichkeit oder wenigstens aller Beteüigten bestimmten Form, eine Beschwerde an eine höhere Behörde förmlich (ausdrücklich) vorsieht und damit diese Beschwerdeinstanz anweist, den Sachverhalt von neuem zy prüfen und selbst die Entschließung zu treffen, die sie für die richtige ansieht. Ist nach der generellen Verwaltungsanordnung Beschwerdeinstanz die Zentralbehörde selbst, so liegt darin die generelle Ankündigung der Zentralbehörde an die Öffentlichkeit, daß sie selbst eine solche Prüfung vornehmen würde; die Zentralbehörde hat sich dann selbst an ihre Anordnung gebunden. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVenvG NJW 1970 675 m. Nachw.) ist anerkannt, daß Verwaltungsvorschriften über die ihnen zunächst nur innewohnende interne Bindung der angewiesenen Behörden hinaus im Wege der sog. Selbstbindung der Verwaltung auch eine anspruchsbegründendende Außenwirkung im Verhältnis der Behörde zum Bürger begründen können. Das ist der Fall, wenn die objektive Rechtsordnung, indem sie sich einer Einzelregelung enthält, die Verwaltung ermächtigt, den ungeregelt gebliebenen Raum im Rahmen der gesetzlichen Regelung nach Ermessen auszufüllen und die generellen Verwaltungsanordnungen bezwecken, bei gleichliegenden Sachverhalten eine gleichmäßige Anwendung des Ermessens sicherzustellen. Die Selbstbindung der Verwaltung beruht dabei nicht auf einer normativen Allgemeinverbindlichkeit, die ihnen im Gegensatz zu Gesetz und RechtsVO als Quellen des objektiven Rechts nicht zukommt, sondern auf dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG, der verlangt, daß die Verwaltung ihr Ermessen gleichmäßig ausübt. „Dem entspricht auf Seiten des Bürgers, daß auch in seinem Fall n i c h t . . . von der üblichen Ermessenshandhabung abgewichen wird" (BVerwG aaO.), d. h. die Selbstbindung der Verwaltung bewirkt als bewußt geschaffene begünstigende Reflexwirkung eine Rechtsposition des Bürgers, die praktisch einer auf Gesetz oder RechtsVO beruhenden Rechtsposition entspricht. Das gilt auch für ein Beschwerderecht, das auf einer solchen generellen Verwaltungsanweisung beruht. Der dem gegenüber erhobene Einwand, daß ein solches Beschwerderecht qualitativ hinter einer auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Beschwerde zurückbleibe (so z. B. K G NJW 1967 1870; A l t e n h a i n DRiZ 1970 109), schlägt dem gegenüber nicht durch: schließlich kann auch eine auf einer bloßen RechtsVO beruhende Beschwerderegelung jederzeit durch die verordnungsberechtigte Verwaltungsbehörde geändert werden. Die hier vertretene Auffassung entspricht auch der Rechtsprechung des BGH. BGHZ 46 354 = NJW 1967 927 (betr. Entscheidung nach § 23 Abs. 1 EGGVG über die Verweigerung der Zulassung als Prozeßagent) sieht in der durch Allgemeine Verfügung (also Verwaltungsanordnung) des Reichsjustizministers vom 23. 3. 1935 (DJ 486) geregelten Beschwerde einen förmlichen Rechtsbehelf i. S. des § 24 Abs. 2, weil sich die AV mit der Zulassung der Beschwerde als Sachbeschwerde an den abgewiesenen Bewerber „wende" (S. 359), und es müsse [dies zu den Bedenken der Abänderbarkeit der Regelung im Verwaltungsweg] die Rechtsförmlichkeit der Sachbeschwerde solange anerkannt werden, als sie in Anwendung der AV ausnahmslos gewährt werde (S. 364). „Eine zu enge Auslegung dieses Begriffs [des förmlichen Rechtsbehelfs] im Rahmen des § 24 EG GVG würde dazu führen, daß der Justizverwaltungsakt . . . der Nachprüfung in einem einfachen, schnellen und vor allen Dingen sämtliche Ermessensgrundlagen der Entscheidung mitergreifenden behördlichen Bescherdeverfahren entzogen wird" (BGHZ 46 364). Auf entsprechenden Erwägungen beruht auch BGHSt. 21 316 = NJW 1967 2368 = MDR 1968 64 betr. Nachprüfbarkeit nach § 23 der (früher) nur in 3041

§ 2 4 Anm. 7 § 2 5 Anm. 1

zum

Einführungsgesetz Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

einer Verwaltungsanordnung (Allg. Verfügung) geregelten Entscheidung über die Gewährung einer Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft nach Billigkeit. Das alles gilt auch für die Vollstreckungsbeschwerde des § 21 StVollstrO*). Sie ist auch ein förmlicher Rechtsbehelf „im Verwaltungsve^/ö/iren", sofern mit dem Wort „Verfahren" das Erfordernis eines bestimmten Verfahrensganges gemeint ist; er bringt die Sache in eine höhere Instanz mit der bezeichneten Nachprüfungspflicht. Mehr ist zum Begriff des Verwaltungsverfahrens nicht erforderlich. Es geht auch nicht an, den Charakter als förmliche Beschwerde davon abhängig zu machen, ob sie in den Verwaltungsvorschriften an eine besondere Form oder Frist gebunden ist, denn auch bei der auf einem Rechtssatz beruhenden Beschwerde ist für ihre Eigenschaft als förmliche Beschwerde ohne Bedeutung, ob sie formund fristlos zulässig oder an eine Form gebunden ist (a. M. G ö t z NJW 1963 1815). Ist die Vollstreckungsbeschwerde des § 21 StVollstrO aber eine förmliche Beschwerde, so ergibt sich daraus die grundsätzliche Verpflichtung der Beschwerdeinstanz, ihre zurückweisende Entscheidung, wenn auch in Kürze, zu begründen. d) Ablehnung begünstigender Anordnungen betr. Bundeszentral- und Erziehungsregister. Ob die früher im Justizverwaltungsweg vorgesehene Beschwerde gegen die Ablehnung eines Gesuchs um vorzeitige Anordnung der Auskunftsbeschränkung im Strafregister oder um vorzeitige Straftilgung (§ 8 Strafregisterges. 1920) eine förmliche Beschwerde i. S. des § 24 Abs. 2 sei, war streitig (vgl. Anm. 6d der Voraufl. und KG NJW 1967 1870). Bei Ablehnung beantragter Maßnahmen nach §§ 37, 47, 58 Abs. 3 Bundeszentralregisterges. vom 18. 3. 1971 (BGBl. I 243) ist die Streitfrage ohne Bedeutung, da jetzt im Gesetz gegen ablehnende Entscheidungen die fristgebundene Beschwerde vorgesehen ist (§§37 Abs. 3, 47 Abs. 3, 58 Abs. 3 Satz 2). e) Ein Vorschaltverfahren ist bei Anordnungen nach § 92 Abs. 2 J G G nicht vorgesehen (OLG Hamm NJW 1967 1976). Eine „förmliche" Beschwerde ist die Beschwerde gegen Ordnungsstrafen des Schiedsmanns nach § 22 Abs. 2 PrSchiedmannsO, über die nach § 22 Abs. 3 aaO. „im Aufsichtsweg" entschieden wird (KG vom 6. 3. 1961 — 1 Ws. 396/60 —). 7. § 24 Abs. 2 ist unanwendbar im Fall des § 28 Abs. 1 Satz 4, in dem eine Beschwerde rechtlich nicht mehr möglich ist. §25 (1) Über den Antrag entscheidet ein Zivilsenat oder, wenn der Antrag eine Angelegenheit der Strafrechtspflege oder des Vollzugs betrifft, ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Justiz- oder Vollzugsbehörde ihren Sitz hat. Ist ein Beschwerdeverfahren (§ 24 Abs. 2) vorausgegangen, so ist das Oberlandesgericht zuständig, in dessen Bezirk die Beschwerdebehörde ihren Sitz hat. (2) Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Gesetz die nach Absatz 1 zur Zuständigkeit des Zivilsenats oder des Strafsenats gehörenden Entscheidungen ausschließlich einem der Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen. 1. Zuständigkeit. Bei Maßnahmen auf dem Gebiet der Strafrechtspflege oder des Vollzugs ist sachlich stets das OLG zuständig, auch wenn es sich um die Maßnahme einer Bundesbehörde handelt. Wegen des Verfahrens bei örtlicher Unzuständigkeit vgl. Anm. 2 zu § 28. Unter mehreren Strafsenaten des OLG ist der durch die Geschäftsverteilung bestimmte zuständig. Daß ein Senat nach § 25 Abs. 1 Satz 1 zu entscheiden hat, bedeutet — wie bei der entsprechenden Ausdrucksweise in § 74a Abs. 1 GVG: ,JEine S t r a f k a m m e r . . . " — nicht, daß ausnahmslos alle Nachprüfungsanträge nur ein und demselben Strafsenat zugewiesen werden müßten (vgl. Anm. 1 zu § 74 a GVG).

*) Für die Vollzugsbeschwerde der Nr. 194 Absatz 2 DVollzO gilt dies aber nicht; sie ist schon durch Nr. 194 Absatz 3 als „gewöhnliche" Dienstaufsichtsbeschwerde gekennzeichnet und in Nr. 196 Absatz 2 mit Recht in Gegensatz zu einem Förmlichen Rechtsbehelf gestellt.

3042

Einfiihrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§ 2 5 Anm. 2, 3 § 2 6 Anm. 1—3

2. Bei Ablehnung von Straflöschungsgesuchen, die das Bundeszentral- oder Erziehungsregister, betreffen (vgl. Anm. 3 b zu § 23), ist örtlich zuständig das OLG Karlsruhe, da das Bundesstrafregister zwar in Berlin, aber von dem Generalbundesanwalt geführt wird, dessen Behörde ihren Sitz in Karlsruhe hat ( G ö t z NJW 1963 1815). 3. Eine Zuständigkeitskonzentration gemäß Absatz 2 ist in Nordrh.-Westf. durch Ges. vom 8. 11. 1960 (GVB1. 352) erfolgt (Zuweisung der den Strafsenaten obliegenden Tätigkeit an das OLG Hamm).

§26 (1) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß innerhalb eines Monats nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe des Bescheids, oder, soweit ein Beschwerdeverfahren (§ 24 Abs. 2) vorausgegangen ist, nach Zustellung des Beschwerdebescheides schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts oder eines Amtsgerichts gestellt werden. (2) War der Antragsteller ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (3) Der Antrag auf Widereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. (4) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. 1. Die Antragsfrist von einem Monat beginnt mit der Zustellung oder der schriftlichen Bekanntgabe des Bescheids, d. h. der schriftlich verkörperten Maßnahme (vgl. Anm. 6 e zu § 23). Ein Realakt (Anm. 6 a zu § 23), eine nur mündlich getroffene oder zwar schriftlich getroffene, aber nur mündlich bekanntgegebene Maßnahme setzt die Antragsfrist nicht in Lauf (BGH NJW 1963 1789; S c h e n k Verw. Arch. 60 332, 350 m. w. Nachw.); der Betroffene ist aber, sofern kein Vorschaltverfahren (§ 24 Abs. 2) stattfindet, nicht gehindert, die Entscheidung des OLG alsbald anzurufen. Die Zustellung, d. h. die formstrenge Übersensendung des Schriftstücks unter urkundlicher Festlegung des Zeitpunkts der Übergabe oder eines Ubergabeersatzes erfolgt in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der ZPO (vgl. auch § 37 StPO; § 132 BGB). Zum Iniaufsetzen der Antragsfrist genügt aber auch eine schriftliche Bekanntgabe. Sie erfolgt gegenüber Anwesenden durch Ubergabe eines den Bescheid enthaltenden Schriftstücks. Gegenüber Abwesenden ist der Bescheid aber nicht schon mit dem (in der Regel aus den Akten nachweisbaren) Zeitpunkt der Absendung, sondern erst mit dessen Zugang an den Betroffenen bekanntgegen (vgl. § 130 BGB), also mit dem Zeitpunkt, in dem sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, daß bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen war, daß er von ihr Kenntnis nehmen konnte. Ist ein Vorschaltverfahren vorausgegangen, so beginnt der Fristlauf mit der Zustellung des Beschwerdebescheids; eine schriftliche Bekanntgabe ist hier nicht ausreichend. Wegen der Bedeutung einer Fristversäumnis im Vorschaltverfahren vgl. Anm. 5 zu § 24. 2. Bei nichtigen Verwaltungsakten, die keinerlei Rechtswirkung entfalten können, kann die Nichtigkeit zu jeder Zeit, auch nach Ablauf der Monatsfrist geltend gemacht werden (Kl 1). Zur Frage der Verwirkung des Antragsrechts, wenn der Antragsteller erst nach langer Zeit einen Bescheid der Behörde herbeigeführt hat, vgl. OLG Bremen MDR 1966 867 und allgemein zur Verwirkung des Anrufungsrechts nach Art. 19 Abs. 4 G G durch Zeitablauf BVerfG MDR 1972 395. 3. Wird eine wegen Fristablaufs unanfechtbar gewordene Anordnung durch eine Maßnahme i. S. des § 23 vollzogen, so können nach § 23 grundsätzlich nur Mängel des Vollziehungsakts, nicht aber sachliche Einwendungen gegen den zugrunde liegenden Verwal-

3043

§26 Anm. 4—7

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

tungsakt geltend gemacht werden (OLG Hamm vom 30. 7. 1962 — 1 VAs. 24/62 — unter Berufung auf H a u e i s e n NJW 1956 1457, 1460). 4. Eine Rechtsbehelfsbelehrung bei der Zustellung oder schriftlichen Bekanntgabe des Bescheids ist im Gesetz nicht vorgeschrieben. Sie läßt sich weder aus § 59 VwGO herleiten, der nur im Anwendungsbereich der VwGO gilt (a. M. nur OLG Düsseldorf JMB1NRW 1965 24), noch aus § 35 a StPO, der nur für gerichtliche Entscheidungen gilt (arg. § 171 Satz 2 StPO), noch aus § 35 a StPO in Verb, mit § 29 Abs. 2 EGGVG, die erst anwendbar sind, wenn das Verfahren vor dem Strafsenat des OLG begonnen hat (OLGe. Hamburg vom 24. 10. 1961 - VAs. 48/61 - ; NJW 1968 854; Hamm G A 1968 310; H o r n i g Nds. Rpfl. 1960 52; Kl Vorbem. 5 vor § 23 EGGVG; G ö t z NJW 1963 1815; A l t e n h a i n JZ 1966 16, 18). Wegen der Folgen des Fehlens oder einer unrichtigen oder unvollständigen Rechtsbehelfsbelehrung s. unten Anm. 7 a. 5. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist formgebunden. Er kann gestellt werden: entweder schriftlich beim OLG (vgl. Anm. 3 b zu § 306 StPO) oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle (vgl. Anm. 3 a zu § 306 StPO), und zwar der Geschäftsstelle des nach § 25 örtlich zuständigen OLG oder der Geschäftsstelle eines (also irgendeines) Amtsgerichts. Auch der auf freiem Fuß befindliche Antragsteller kann den Antrag bei jedem beliebigen Amtsgericht stellen (anders § 299 StPO). Wegen der inhaltlichen Erfordernisse des Antrags vgl. die Anm. zu § 24 Abs. 1. Die Frist des § 26 wird auch gewahrt durch Stellung eines Armenrechtsgesuchs (§ 29 Abs. 3), das den formellen und inhaltlichen Erfordernissen eines Antrags genügt (OLG Celle vom 8. 8. 1960 - 3 WVs. 1/60 - ) . Dagegen wahrt ein Antrag des Gefangenen bei der Anstalt, den Antrag anbringen zu dürfen, die Frist nicht (OLG Schleswig SchlHA 1961 146). 6. Die persönlichen Eigenschaften, denen der Antragsteller genügen muß, damit ein wirksamer Antrag vorliegt, können keine anderen sein, als sie bei einem entsprechenden Beschuldigten zur wirksamen Einlegung von Rechsmitteln oder bei einem entsprechenden Verurteilten zu wirksamen Einwendungen gegen die Vollstreckung nach § 458 StPO vorliegen müssen. Das ergibt sich auch aus § 29 Abs. 2 Halbsatz 2, wonach auf das Verfahren vor dem Strafsenat die Vorschriften der StPO über das Beschwerdeverfahren sinngemäß gelten. Es genügt also Verhandlungsfähigkeit — vgl. Einleitung S. 121 unter 6b — (ebenso O L G Frankfurt JR 1964 393 und, trotz mißverständlicher Ausdrucksweise, auch Kl 2 A zu § 29). Auch ein gemäß § 42 b StGB untergebrachter Geisteskranker kann — Verhandlungsfähigkeit vorausgesetzt — gegen Vollzugsmaßnahmen den Antrag stellen. Aber auch der gesetzliche Vertreter und bei Jugendlichen die Erziehungsberechtigten (§ 298 StPO, § 67 Abs. 3 JGG) sind als berechtigt anzusehen, selbständig den Antrag zu stellen (vgl. Anm. 4 zu § 458 StPO). 7. Die die Wiedereinsetzung betreffenden Absätze 2 bis 4 sind — zum größten Teil wörtlich — den Abs. 1 bis 3 des § 60 VwGO nachgebildet. Von der Regelung der Wiedereinsetzung in §§ 44 ff. StPO unterscheidet sich die hier getroffene dadurch, daß unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 Satz 4 die Wiedereinsetzung auch von Amts wegen gewährt werden kann, daß eine dem § 44 Satz 2 StPO entsprechende Vorschrift fehlt, daß die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag von einer Woche (§ 45 StPO) auf 2 Wochen erhöht ist und daß andererseits — entsprechend § 234 Abs. 3 ZPO — eine in der StPO fehlende Ausschlußfrist von einem Jahr eingefügt ist (§ 26 Abs. 4), deren Strenge aber wieder in engen Grenzen durch eine Härteklausel gemildert ist. Ein wesentlicher Unterschied besteht ferner darin, daß § 44 Satz 1 StPO als Wiedereinsetzungsgrund eine Verhinderung an der Einhaltung der Frist durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufalle fordert, während § 26 Abs. 2 EGGVG eine Verhinderung ohne Verschulden genügen läßt. Wenn auch die Praxis die strengeren Voraussetzungen des § 44 StPO im Wege der Auslegung weitgehend abgemildert hat (vgl. Anm. II 1 und Fußn. 6 zu § 44), so erscheint es doch mit Rücksicht auf die entstehungsgeschichtliche Herkunft der Absätze 2 bis 4 des § 26 aus der VwGO und mit Rücksicht auf die materielle Verschiedenheit des Strafverfahrens gegenüber dem Verfahren nach §§ 23 ff. zulässig und geboten, die Auslegung des § 26 Abs. 2 an der des § 60 VwGO, nicht an § 44 StPO auszurichten (OLG Hamm G A 1968 310; die abw. Auffassung in Anm. 7 a der Vorauflage wird nicht aufrecht erhalten). Danach liegt ein Ver3044

Einfiihrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§ 2 6 Anm. 8 § 2 7 Anm. 1

schulden nicht vor, wenn der Antragsteller die für einen gewissenhaften Beteiligten gebotene und nach den gesamten Umständen zumutbare Sorgfalt beobachtet hat (vgl. E y e r m a n n F r ö h l e r Rdn. 5 zu § 60 VwGO; OLG Hamm aaO.). Die Orientierung der Auslegung an § 60 VwGO gilt insbesondere für die Frage, ob das Verschulden eines beauftragten oder im Armenrecht (§ 29 Abs. 3) bestellten Rechtsanwalts — namentlich des in einem vorausgegangenen Strafverfahren tätig gewesenen Verteidigers — dem Antragsteller zuzurechnen ist. Das ist im Einklang mit der Auslegung des § 60 Abs. 1 VwGO (vgl. E y e r m a n n - F r ö h l e r Rdn. 8 zu § 60) zu bejahen; der für die abweichende Auslegung des § 44 StPO tragende Gesichtspunkt daß ein Angeklagter nicht durch eine Fristversäumnis seines Verteidigers in die Gefahr einer möglicherweise ungerechtfertigten Bestrafung geraten dürfe, kommt für das Verfahren nach §§ 23ff. nicht in Betracht (ebenso OLGe. Oldenburg vom 10. 3. 1966 — 3 VAs. 1/66; Hamburg NJW 1968 854). Dabei ist unterstützend darauf hinzuweisen, daß beim Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO), das mit dem Verfahren nach §§ 23 ff. eine gewisse Verwandtschaft aufweist, und beim Privat- und Nebenkläger weitgehend die Auffassung vertreten wird, das Verschulden des Vertreters sei dem Antragsteller usw. zuzurechnen (vgl. II 7 zu § 44 StPO). Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung (oben Anm. 4) ist — abweichend von § 44 Satz 2 StPO — allein noch kein Wiedereinsetzungsgrund; es kommt darauf an, ob dem Antragsteller, wenn er keine Kenntnis von der Notwendigkeit der Fristwahrung hatte, nach den Umständen eine Erkundigung möglich und zumutbar war. Eine unverschuldete Unkenntnis liegt jedenfalls vor, wenn bei einem Gefangenen oder Verwahrten die ihm bekannt gegebenen Verhaltens- und Vollzugsvorschriften unvollständig und dadurch geeignet sind, unrichtige Vorstellungen über die Rechtslage hervorzurufen, z. B. wenn sie lediglich aussprechen, daß der Betroffene einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen kann, ohne auf das Erfordernis einer Wahrung der Antragsfrist hinzuweisen (OLG Hamm GA 1968 310). Im übrigen ist die Rechtsprechung bei fehlender Rechtsbehelfsbelehrung weitgehend geneigt, die Zumutbarkeit einer Erkundigungspflicht zu verneinen und die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 als gegeben anzusehen (OLGe. Bremen vom 14. 7. 1961 — VAs. 8/61 - ; Hamburg vom 24. 10. 1961 - VAs. 48/61 - ; NJW 1967 692; weitere Nachweise bei A l t e n h a i n DRiZ 1966 365; vgl. auch S t i c h DÖV 1960 370). 8. Höhere Gewalt i. S. des Absatzes 4 ist ein außergewöhnliches Verhältnis, das unter den gegebenen Umständen auch durch äußerste, nach Lage der Sache vom Betroffenen zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann; geringstes eigenes Verschulden schließt höhere Gewalt aus (vgl. P a l a n d t - D a n c k e l m a n n 1 zu § 203 BGB). §27 (1) Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann auch gestellt werden, wenn über einen Antrag, eine Maßnahme zu treffen, oder über eine Beschwerde oder einen anderen förmlichen Rechtsbehelf ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von drei Monaten entschieden ist. Das Gericht kann vor Ablauf dieser Frist angerufen werden, wenn dies wegen besonderer Umstände des Falles geboten ist. (2) Liegt ein ausreichender Grund dafür vor, daß über die Beschwerde oder den förmlichen Rechtsbehelf noch nicht entschieden oder die beantragte Maßnahme noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird der Beschwerde innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben, oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären. (3) Der Antrag nach Absatz 1 ist nur bis zum Ablauf eines Jahres seit der Einlegung der Beschwerde oder seit der Stellung des Antrags auf Vornahme der Maßnahme zulässig, außer wenn die Antragstellung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder unter den besonderen Verhältnissen unterblieben ist. 1. Die sog. Untätigkeitsklage des § 27 ist den §§ 75, 76 VwGO nachgebildet. Der Untätigkeitsantrag setzt voraus, daß über den Antrag, eine Maßnahme i. S. des § 23 Abs. 1 zu treffen, oder über eine Beschwerde oder einen anderen förmlichen Rechtsbehelf gegen eine solche Maßnahme im Vorschaltverfahren (§ 24 Abs. 2) ohne zureichenden Grund nicht binnen 3 Monaten (seit Stellung des Antrags oder Ergreifung des Rechtsbehelfs) entschieden 3045

§27 Anm. 2, 3

zum

Einführungsgesetz Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

ist. Selbstverständlich ist der Antrag ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 gegeben sind (OLG Hamm vom 15. 1. 1962 - 1 VAs. 32/61 - ) . Der Antrag ist grundsätzlich nur zulässig, wenn beide Voraussetzungen, das Fehlen eines zureichenden Grundes und der Ablauf der Mindestfrist von 3 Monaten vorliegen. Darüber, inwieweit ein Untätigkeitsantrag gegen die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zulässig ist, vgl. Anm. 9f zu § 23. a) Beschwerde ist („oder einen anderen förmlichen Rechtsbehelf') nur eine förmliche Beschwerde i. S. des § 24 Abs. 2; die formlose Dienstaufsichtsbeschwerde fallt nicht darunter (OLG Hamm vom 8. 5. 1961 - 1 VAs. 9/61 - ) . b) Ob ein zureichender Grund dafür, daß Antrag oder Beschwerde nicht binnen 3 Monaten beschieden sind, vorliegt, hängt von der Geschäftsbelastung der Behörde, von den zur Findung einer richtigen Entscheidung ergriffenen Aufklärungs- und Ermittlungsmaßnahmen, aber auch von dem mehr oder weniger dringenden Interesse des Antragstellers oder Beschwerdeführers an einer richtigen Entscheidung ab. Auch das Abwarten des Ausgangs eines Musterprozesses oder eines anderen Präzedenzfalles kann den Aufschub der Entscheidung rechtfertigen, falls dessen Ausgang in absehbarer Zeit zu erwarten ist ( E y e r m a n n - F r ö h l e r 2 a zu § 75 VwGO). c) Eine Entscheidung über Antrag oder Beschwerde ist (vgl. auch § 75 VwGO: „sachlich nicht entschieden ist") eine Entscheidung zur Hauptsache, gleichviel, ob mit materieller oder formeller Begründung. d) Ein Untätigkeitsantrag ist nach Absatz 1 Satz 2 ausnahmsweise vor Ablauf der Dreimonatsfrist zulässig, wenn dies wegen besonderer Umstände des Falles geboten ist, z. B. weil die Entscheidung eilbedürftig ist und bei Durchlaufung des Vorschaltverfahrens die gerichtliche Entscheidung zu spät käme (vgl. OLG Hamburg JVB1. 1964 47 betr. das von der Vollzugsbehörde abgelehnte Ansuchen, zur Teilnahme an einer Beerdigung ausgeführt zu werden) oder weil eine Verzögerung dem Betroffenen unverhältnismäßige Nachteile bringt. 2. Stellt der Betroffene den Untätigkeitsantrag nach Ablauf der drei Monate (oder in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 vorher) und erweist sich, daß die Entscheidung aus zureichendem Grund noch nicht getroffen war, so fehlt es zwar an einer der beiden Zulässigkeitsvoraussetzungen des Absatzes 1. Da aber für den Betroffenen vielfach schwer übersehbar ist, ob die Verzögerung der Entscheidung auf einem zureichenden Grund beruht, erfolgt in diesem Fall nicht Verwerfung des Antrags als unzulässig, sondern das Gericht setzt das Verfahren auf bestimmte Zeit aus. Ist nach Ablauf der Frist, die — auch wiederholt — verlängert werden kann, die Verzögerung der Entscheidung nicht mehr ausreichend begründet, so entscheidet das OLG selbst nach Maßgabe des § 28 Abs. 2 über den Antrag, eine Maßnahme zu treffen. Soweit förmliche Beschwerde im Vorschaltverfahren eingelegt war, trifft es selbst die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des mit der Beschwerde angegriffenen Verwaltungsakts, so, als lautete die grundlos unterbliebene Beschwerdeentscheidung auf Zurückweisung der Beschwerde. Wird innerhalb der vom OLG gesetzten Frist der Beschwerde stattgegeben oder der Verwaltungsakt von der Justiz- oder Vollzugsbehörde entsprechend dem Antrag erlassen, so erklärt das OLG die Hauptsache für erledigt. Lehnt aber die Verwaltungsbehörde den Erlaß des Verwaltungsakts innerhalb der gesetzten Frist ab oder wird die Vorschaltbeschwerde zurückgewiesen, so ist nunmehr Gegenstand der Nachprüfung das Begehren des Antragstellers in der Sache selbst (OLG Hamburg GA 1963 316). 3. Die Jahresfrist des Absatzes 3 ist eine Ausschlußfrist, gegen deren Versäumung es eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gibt. Vielmehr läßt das Gesetz ausnahmsweise trotz Fristablaufs eine nachträgliche Stellung des Antrags zu, wenn der Antragsteller infolge höherer Gewalt an der Wahrung der Frist verhindert war (vgl. dazu Anm. 8 zu § 26) oder die rechtzeitige Antragstellung unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles unterblieben ist, z. B. weil ofFentsichtlich war, daß es der Behörde nicht möglich war, innerhalb der Jahresfrist die Entscheidung zu treffen. Bei Fristverhinderung durch höhere Gewalt ist der Antrag in entsprechender Anwendung des § 26 Abs. 3 binnen 2 Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen ( E y e r m a n n - F r ö h l e r 1 3 z u § 76 VwGO).

3046

Einfuhrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§28 Anm. 1—3

§28 (1) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme und, soweit ein Beschwerdeverfahren (§ 24 Abs. 2) vorausgegangen ist, den Beschwerdebescheid auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Justiz- oder Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. (2) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Justiz- oder Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. (3) Soweit die Justiz- oder Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. 1. § 28 ist den §§ 113, 114 VwGO nachgebildet. 2. Das OLG entscheidet über die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahmen (§ 23), und zwar bei Ermessensentscheidungen nach Maßgabe des Absatzes 4. Anders als etwa im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem OWiG (§ 79 Abs. 3) entscheidet das OLG aber nicht als Rechtsrügegericht unter Bindung an die tatsächlichen Feststellungen der Beschwerdeentscheidung im Vorschaltverfahren (§ 24 Abs. 2) oder an die Feststellungen, die die Verwaltungsbehörde getroffen hat und die sie in der Begründung des Verwaltungsakts oder in einer nachträglichen dienstlichen Stellungnahme zu dem Nachprüfungsantrag anführt. Vielmehr hat das OLG den Sachverhalt auch in tatsächlicher Hinsicht daraufhin zu prüfen, ob die Maßnahme rechtmäßig ist (BVerfGE 21 191, 194 = NJW 1967 923; BGHSt. 24 290). Und zwar ist in der Regel beim Anfechtungsantrag (§ 23 Abs. 1, § 28 Abs. 1) die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts*), beim Verpflichtungsantrag (§ 23 Abs. 2, § 28 Abs. 2) dagegen die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des OLG der Beurteilung zugrunde zu legen (vgl. dazu Ey er m a n n - F r ö h l e r Rdn. lff. zu §113 VwGO). Das Verfahren nach §§ 23 ff. dient nicht dazu, über die Begründetheit und Höhe streitiger zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche des Landes gegen einen Gefangenen zu entscheiden (OLG Stuttgart NJW 1970 1563). Das Gesetz kennt nicht den allgemeinen Leistungsantrag auf Verurteilung zu rein tatsächlichen Leistungen, auch nicht die Möglichkeit einstweiliger Anordnungen und der Verweisung an das örtlich zuständige Gericht (Rechtsprechungsnachw. bei A l t e n h a i n DRiZ 1966 365; JZ 1966 16, 18; a. M. - betr. Zulässigkeit des allgemeinen Leistungsantrags und einstw. Anordnungen — S c h e n k e VerwArch. 60 351 f). 3. Entscheidung (Absatz 1). a) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das OLG nach Satz 1 die Maßnahme und den im Vorschaltverfahren ergangenen Beschwerdebescheid auf, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Maßnahme inzwischen — vor Stellung des Antrags oder nach Anhäijgigkeit des Verfahrens vor dem OLG — vollzogen ist oder nicht, und auch ohne Rücksicht darauf, ob eine etwaige Vollziehung rückgängig gemacht werden kann oder nicht (OLG Saarbrücken JVB1. 1964 40; BayVerfGH NJW 1969 229; a. M. KG NJW 1972 171, das bei Unmöglichkeit der Rückgängigmachung Satz 4 entsprechend anwendet). Ist die Maßnahme im Zeitpunkt der Entscheidung des OLG schon vollzogen, so kann nach Satz 2, 3 das Gericht auf Antrag (Folgebeseitigungsantrag) auch (also neben der Aufhebung nach § 28 Abs. 1 Satz 1; OLG Hamburg NJW 1970 1811) aussprechen, daß und wie die Vollziehung rückgängig zu machen ist. *) anders bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung (KG G A 1973 49).

3047

Einfiihrungsgesetz §28 zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer) Anm. 4 Ein solcher Ausspruch aber kommt nur in Betracht, wenn die Folgenbeseitigung tatsächlich und rechtlich möglich ist, und zwar aus eigner Machtvollkommenheit der Behörde (OLG Karlsruhe JVB1. 1972 165). Verneinendenfalls bleiben dem Antragsteller gegebenenfalls Ansprüche aus § 839 BGB und Art. 34 GG. Der Folgenbeseitigungsanspruch setzt weiter voraus, daß die Frage spruchreif ist; verneinendenfalls muß der Antragsteller ein neues Verfahren nach § 23 Abs. 2 betreiben. b) Hat sich die Maßnahme vor der Entscheidung durch Zurücknahme oder Ersetzung des Verwaltungsakts oder anders (z. B. durch Zeitablauf, bei Vollzugsbeschwerden auch durch Beendigung des Vollzugs der Strafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung und Besserung; Vollzug der Maßnahme dagegen gehört nicht hierher) erledigt, so tritt nach Absatz 1 Satz 4 an die Stelle eines Ausspruchs nach Satz 1, 2 auf Antrag der Ausspruch, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen sei. Der Antrag braucht nicht ausdrücklich gestellt zu werden; es genügt, wenn sich aus den Umständen ergibt, daß der Antragsteller nach Änderung der Sachlage sein Begehren in veränderter Form weiter verfolgt (OLG Saarbrücken vom 7. 8. 1962 — VAs. 1/62 —). Dieser Ausspruch setzt aber voraus, daß der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Entscheidung hat. Nach den in Rechtsprechung und Schrifttum herausgebildeten Grundsätzen (vgl. dazu B e c k e r MDR 1972 920) kommt ein berechtigtes Interesse namentlich in Betracht a) bei Wiederholungsgefahr (vgl. dazu KG NJW 1972 170); b) wegen des noch in der Gegenwart fortwirkenden diskriminierenden Charakters der Maßnahme (BVerwG MDR 1967 425; DVB1. 1971 277; Schenke VerwArch. 60 355; Becker MDR 1972 921); c) bei beabsichtigter Erhebung von Ansprüchen aus Amtspflichtverletzung im Zivilprozeß (Art. 34 GG; § 839 BGB). Im letzteren Fall ist aber nach h. M. das Feststellungsinteresse nur zu bejahren, wenn der Zivilprozeß nicht offensichtlich aussichtslos ist*); z. T. wird auch verlangt, daß die Feststellung geeignet sein müsse, die Rechtsposition des Antragstellers im Zivilprozeß zu verbessern oder zu erleichtern (vgl. dazu und gegen diese Einschränkungen E y e r m a n n - F r ö h l e r Rdn. 12 zu § 43; Rdn. 41 zu § 113 VwGO; Becker aaO.). Im einzelnen bestehen nach manchen Richtungen Zweifel. Nach VGH Kassel NJW 1964 1638 (zu § 113 VwGO) fehlt es an dem Feststellungsinteresse, wenn die Rechtswidrigkeit umstritten ist und der Betroffene einen Amtshaftungsprozeß beabsichtigt, in dem ohnedies die öffentlich-rechtliche Vorfrage der Rechtswidrigkeit geklärt werden muß (s. zu dieser in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilten Frage M e n g e r VerwArch. 1965 93 und die Nachw. bei OLG Frankfurt NJW 1965 2315). Der Feststellungsantrag nach Absatz 1 Satz 4 ist auch zulässig, wenn sich die Maßnahme bereits vor Stellung des Antrags erledigt hatte; er setzt die Durchlaufung eines Vorschaltverfahrens nicht voraus (OLGe. Bremen vom 20. 1. 1961 - II AR 149/60 - ; Frankfurt NJW 1965 2315; KG NJW 1972 169, 170 m. w. Nachw.). Bei Erledigung der Maßnahme vor Stellung des Antrags fehlt es nach OLG Frankfurt aaO. aber am Rechtsschutzinteresse für die begehrte Feststellung, wenn damit nur die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses bezweckt wird. 4. Absatz 2 behandelt den Fall, daß der rechtswidrige und den Antragsteller in seinen Rechten verletzende Akt in der Ablehnung oder Unterlassung einer Maßnahme besteht, z. B. wenn der Generalbundesanwalt es ablehnt, dem Antrag eines Verurteilten entsprechend anzuordnen, daß eine Verurteilung nicht in das Führungszeugnis aufgenommen wird, und die dagegen eingelegte Beschwerde an den BMdJust. erfolglos bleibt, der Antragsteller aber geltend macht, daß der angeführte Ablehnungsgrund, das entgegenstehende öffentliche Interesse, die Ablehnung nicht rechtfertigt (vgl. § 37 BZRG). Ist die Sache spruchreif, d. h. sind weitere Erhebungen nicht mehr erforderlich, um eine endgültige Entscheidung fällen zu können, so wird der ablehnende Bescheid nicht aufgehoben, vielmehr wird die Verpflichtung der Justiz- oder Vollzugsbehörde ausgesprochen, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen. Grundsätzlich ist das Gericht verpflichtet, die fehlende Spruchreife selbst herbeizuführen ( E y e r m a n n - F r ö h l e r Rdn. 62 zu § 113 VwGO). Dies gilt indessen nicht, wenn das Gericht damit in unangemessener Weise die Funktion der zuständigen Behörde ausüben müßte ( E y e r m a n n - F r ö h l e r Rdn. 62a zu § 113). Insbesondere verbietet die Beschränkung der Nachprüfung von Ermessensentscheidungen der Behörde (§ 28 Abs. 3), daß das Gericht sein Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzt, so daß hier Spruchreife, *) So neuestens wieder BVerwG NJW 1973 1014.

3048

EinfTihrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§ 2 8 Anm. 5 § 2 9 Anm. 1

die einen Verpflichtungsausspruch rechtfertigt, nur vorliegt, wenn das Ermessen fehlerfrei nur noch, dem Antrag entsprechend, in einer einzigen Richtung ausgeübt werden kann, nicht aber, wenn mehrere rechtlich zulässige Ermessensentscheidungen möglich sind oder die Justiz- oder Vollzugsbehörde ihr Ermessen noch nicht ausgeübt hat ( E y e r m a n n - F r ö h l e r Rd. 62 b). Fehlt die Spruchreife, so ist der Antragsgegner zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung zu bescheiden, d. h. ihm anstelle des früheren Bescheids einen neuen Bescheid zu erteilen, der der in den Gründen der Entscheidung des Gerichts niedergelegten Rechtsauffassung entspricht. 5. Ermessensentscheidungen prüft nach Absatz 3 das Gericht nicht unter dem Gesichtspunkt, wie es selbst das Ermessen ausgeübt hätte, wenn es an Stelle der Verwaltungsbehörde zu entscheiden gehabt hätte, vielmehr beschränkt sich die Nachprüfung darauf, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens innegehalten hat, ob sie nicht sachwidrig entschieden hat, d. h. in einer Weise, durch die der mit der Ermessensermächtigung erstrebte Zweck vereitelt oder ernstlich gefährdet wird (OLG Hamm NJW 1966 607,609; 1969 857), sondern Erwägungen angestellt hat, die dem Zweck der Vorschrift entsprechen ( P o h l m a n n , Rpfleger 1964 145), ob sie nicht willkürlich, sondern pflichtgemäß verfahren ist, d. h. bei ihrer Entschließung die in Betracht kommenden Gesichtspunkte erwogen und abgewogen hat, und ob sie ihr Ermessen nicht mißbraucht, d. h. sich nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten oder beeinflussen lassen (vgl. dazu Anm. B II 4 a zu § 337 StPO). Die Nachprüfung unter dem Gesichtspunkt einer Ermessensentscheidung bezieht sich aber nicht auf die Feststellung des Sachverhalts, auf dem die Ermessensentscheidung beruht; dieser unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung (BVerfGE 21 191, 195 = NJW 1967 923; BGHSt. 24 292 = NJW 1972 781 = MDR 1972 532; s. oben Anm. 2), wobei für die Art und Weise der Nachprüfung § 29 Abs. 2 Halbsatz 2 maßgebend ist (KG NJW 1968 608). Sind für das Verwaltungshandeln unbestimmte Rechtsbegriffe maßgebend, wie z. B. „wichtiger Grund", „entgegenstehendes öffentliches Interesse" (§ 37 BZRG), so liegt an sich insoweit keine Ermessensentscheidung vor, sondern es entscheidet das Gericht in vollem Umfang, ob die Voraussetzungen des unbestimmten RechtsbegrifFs gegeben sind (OLGe. Oldenburg NJW 1968 1440; Hamburg MDR 1972 971). Jedoch kommt hier ein dem Ermessensspielraum entsprechender Beurteilungsspielraum in Betracht. Um die gerichtliche Nachprüfung des Ermessens (des Beurteilungsspielraums bei unbestimmten Rechtsbegriffen) zu ermöglichen, muß eine ablehnende Entscheidung grundsätzlich begründet sein, es sei denn, die Ablehnungsgründe liegen so auf der Hand, daß sie jeder Beteiligte ohne nähere Erörterung erkennen kann (OLGe. Bamberg JVB1. 1964 148; Frankfurt NJW 1966 465; Stuttgart NJW 1969 671 betr. Ablehnung zentralregisterlicher Maßnahmen; s. dazu A l t e n h a i n DRiZ 1970 108). Bei fehlender Begründung muß Aufhebung erfolgen. Ein „Nachschieben von Gründen" im gerichtlichen Verfahren ist nicht möglich (OLG Hamm NJW 1967 1976). §29 (1) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist endgültig. Will ein Oberlandesgericht jedoch von einer auf Grund des § 23 ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so legt es die Sache diesem vor. Der Bundesgerichtshof entscheidet an Stelle des Oberlandesgerichts. (2) Im übrigen sind auf das Verfahren vor dem Zivilsenat die Vorschriften des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit über das Beschwerdeverfahren, auf das Verfahren vor dem Strafsenat die Vorschriften der Strafprozeßordnung über das Beschwerdeverfahren sinngemäß anzuwenden. (3) Auf die Bewilligung des Armenrechts sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. 1. Wenn § 29 Abs. 1 Satz 1 bestimmt, die Entscheidung des OLG sei endgültig, so bedeutet das zunächst, daß die Entscheidung unanfechtbar ist. Das ist hervorgehoben worden, weil § 304 Abs. 4 StPO keine unmittelbare Anwendung findet und immerhin zweifelhaft sein könnte, ob § 29 Abs. 2 (sinngemäße Anwendbarkeit der Vorschriften der StPO über das Beschwerdeverfahren) auch die sinngemäße Anwendbarkeit des § 304 Abs. 4 mitumfaßt. Die zur Sache ergehende Entscheidung des OLG hat auch materielle'Rechtskraftwirkung, indem

3049

Einfuhrungsgesetz §29 zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer) Anm. 2 sie den Anspruch des Betroffenen auf Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der bestimmten, den Gegenstand des Verfahrens bildenden Maßnahme verzehrt und das OLG an seine Entscheidung bindet (OLG Hamburg Rpfleger 1965 45). Diese Rechtskraftwirkung kann der Antragsteller nicht dadurch zerstören, daß er nach Ergehen der Entscheidung seinen Antrag aus § 23 oder seinen die Grundlage des Verfahrens bildenden Antrag an die Justiz- oder Vollzugsbehörde zurücknimmt (OLG Hamburg aaO.). Eine weitergehende Rechtskraftwirkung hat die Entscheidung nicht. Sie hindert den Antragsteller nicht, mit der Behauptung, daß sich die für die Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage inzwischen geändert habe, bei der Behörde eine neue Regelung zu beantragen und gegen die ablehnende Entscheidung das OLG anzurufen. Die Endgültigkeit schließt eine Berichtigung des Beschlusses wegen offensichtlichen Versehens nicht aus (OLG Schleswig vom 10. 9. 1963 — VAs. 11/63 —), wohl aber eine Änderung des Beschlusses auf Gegenvorstellung, da auch das OLG an seine endgültige Entscheidung gebunden ist. Ob das OLG seinen den Antrag aus formellen Gründen (§ 26 Abs. 1) als unzulässig verwerfenden Beschluß wegen unrichtiger tatsächlicher Annahmen auf Gegenvorstellung oder von Amts wegen zurücknehmen kann, richtet sich nach den zu § 349 Abs. 1 StPO herausgebildeten Grundsätzen. 2. Vorlegungspflicht. a) § 29 Abs. 1 Satz 2 ist ein weiterer Fall des Prinzips des Divergenzausgleichs (vgl. Anm. 14 zu § 121 GVG). Die zu § 121 Abs. 2 GVG entwickelten Grundsätze gelten im allgemeinen auch hier. Die Vorlegungspflicht setzt voraus, daß das gemäß § 23 angerufene OLG in einer Rechtsfrage von einer Entscheidung abweichen will, die ein anderes OLG im Verfahren nach § § 23 ff. EGGVG oder die der BGH auf Vorlegung gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 erlassen hat. Und zwar ist die Vorlegungspflicht nicht auf den Fall beschränkt, daß ein Strafsenat von der Entscheidung eines anderen Strafsenats abweichen will oder daß es sich um die gleiche Materie (Strafrechtspflege usw.) handelt. Die Vorlegungspflicht besteht vielmehr z. B. auch, wenn ein Strafsenat in einer Strafvollzugsangelegenheit von der Entscheidung eines Zivilsenats auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts abweichen will, immer vorausgesetzt, daß es sich um die gleiche Rechtsfrage handelt (über diesen Begriff vgl. Anm. 24 zu § 121 GVG). Divergenzen in der Auslegung des § 30 EGGVG und der Vorschriften der Kostenordnung, deren sinngemäße Anwendung dort vorgeschrieben ist, führen nicht zur Vorlegung, da es sich dabei nicht um Entscheidungen „aufgrund des § 23", d. h. nicht um Entscheidungen über den Antrag selbst handelt (OLG Hamm vom 6. 11. 1963 - 1 VAs. 42/63 - ) . Nach den zu § 121 Abs. 2 GVG entwickelten Grundsätzen spielt es keine Rolle, ob die Rechtsfrage die Auslegung von Bundesrecht oder Landesrecht betrifft (vgl. Anm. 22 zu § 121). Das soll nach BGH NJW 1963 1214 = MDR 1963 696; BGHSt. 19 240, 241 im Fall des vorliegenden § 29 Abs. 1 für Fragen des Vollzugsrechts nicht gelten, hier vielmehr die Entscheidungszuständigkeit des BGH und damit die Vorlegungspflicht des OLG auf Auslegungsdivergenzen beschränkt sein, die Bundesrecht betreffen. Das läßt sich aber weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift herleiten (ebenso A l t e n h a i n NJW 1963 1463; JVB1. 1964 66; Kl 3; K r e u z e r GA 1970 65, 68). OLG Stuttgart NJW 1970 718 folgert aus BGH NJW 1963 1214, daß auch die Divergenz über die Bedeutung der Versäumnis einer Beschwerdefrist im Vorschaltverfahren (§ 24 Abs. 2 und dort Anm. 5) keine Vorlegungspflicht begründe. — Über die Bedeutung einer nach § 23 ergangenen Entscheidung für die Vorlegungspflicht nach § 28 Abs. 2 FGG vgl. BGH NJW 1966 1811m. Anm. D r ä g e r und J e s s e n NJW 1968 352. b) Die Sachentscheidung des BGH. § 121 Abs. 2 GVG enthält keine Vorschrift darüber, in welchem Umfang im Falle einer zulässigen Vorlegung der BGH zur Entscheidung berufen ist. Nach den in der Rechtsprechung des BGH ausgebildeten Grundsätzen kann der BGH nach Zweckmäßigkeit verfahren und sich auf die Entscheidung der Rechtsfrage beschränken, aber auch über die Revision abschließend entscheiden (vgl. Anm. 29 zu § 121 GVG). Demgegenüber hat nach § 29 Abs. 1 Satz 3, der den § 28 Abs. 3 FGG, § 78 Abs. 3 GBO nachgebildet ist, der BGH grundsätzlich an Stelle des vorlegenden OLG die sonst diesem obliegende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Justizverwaltungsakts zu treffen. BGH NJW 1963 1789; 1964 166 hat sich aber in restriktiver Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 3 auf den Standpunkt gestellt, daß jedenfalls dann, wenn die streitige Rechtsfrage nicht die Entscheidung in der Sache selbst, sondern nur die Vorfrage der Zulässigkeit des Antrags

3050

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§29 Anm. 3 , 4

auf gerichtliche Nachprüfung betrifft (z. B. ob ein Antrag überhaupt gestellt werden kann, oder ob ein an sich zulässiger Antrag rechtzeitig gestellt ist), der BGH nur über die Zulässigkeitsfrage entscheide und bei Bejahung der Zulässigkeit dem OLG die weitere Sachentscheidung über die Begründetheit des Antrags überlasse. In gleicher Weise überläßt BGHSt. 24 290, 293 die Sachentscheidung dem OLG, wenn die streitige Rechtsfrage darin besteht, ob der angefochtene Bescheid nur unter dem Gesichtspunkt einer Ermessensentscheidung oder ob der Sachverhalt in vollem Umfang der Nachprüfung unterliege. 3. Verfahren (Absatz 2). a) Die Vorschrift, wonach auf das Verfahren vor dem Strafsenat die Vorschriften der StPO über das Beschwerdeverfahren sinngemäß Anwendung finden, verweist auf die §§ 307 bis 309 StPO. Beteiligt an dem Verfahren sind der Antragsteller und als Antragsgegner i. S. des § 308 Abs. 1 die Justiz- oder Vollzugsbehörde, deren Maßnahme den Gegenstand der Nachprüfung bildet, oder die Aufsichtsbehörde, die diese Behörden im Verfahren vertritt. Nach § 309 Abs. 1 Halbsatz 2 StPO wird „in geeigneten Fällen" auch der Generalstaatsanwalt gehört. Diese Vorschrift wird von den Oberlandesgerichten allgemein so ausgelegt, daß grundsätzlich alle Fälle „geeignet" sind und eine Anhörung ausnahmsweise nur unterbleibt, wenn eine sofortige Entscheidung erforderlich ist (z. B. nach § 307 Abs. 2 StPO), oder wenn die Stellungnahme der StA feststeht oder sonst bekannt ist. b) Weitere Bedeutung der Verweisung. Ein allgemeiner Grundsatz, daß im Verfahren vor dem Strafsenat die Vorschriften der StPO und des GVG lückenausfüllend Anwendung finden, ist nicht ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich aber durch die Verweisung auf die Vorschriften der StPO über das Beschwerdeverfahren (vgl. dazu M ü l l e r MDR 1964 361). Diese Verweisung muß so verstanden werden, daß sie sich nicht auf die besonderen Vorschriften über das Beschwerdeverfahren bezieht, sondern auch auf die allgemeinen Verfahrensgrundsätze, soweit sie für das Beschwerdeverfahren Bedeutung haben (OLG Bremen JVB1. 1963 12), z. B. auch auf § 137 StPO (vgl. dazu G r e i f f e n h a g e n GA 1964 238) und auf die Vorschriften über Ausschließung und Ablehnung der Richter (KG NJW 1961 2363). Der Antragsteller ist hinsichtlich des Ablehnungsrechts (§ 24 Abs. 3 StPO) einem Beschuldigten im Strafverfahren gleichzuachten (KG NJW 1961 2363). Ein Richter, der beim Erlaß der angefochtenen Maßnahme beteiligt war (z. B. ein Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde, § 451 Abs. 3 StPO), ist gemäß § 23 Abs. 1 StPO ausgeschlossen (vgl. M ü l l e r NJW 1961 102; BGH FamRZ 1963 556). Wie die Beschwerde kann der Antrag (bis zum Ergehen einer Entscheidung, oben Anm. 1) zurückgenommen werden; das entspricht einem Verzicht, so daß der Antrag auch innerhalb der Antragsfrist nicht erneuert werden kann (OLG Frankfurt vom 14. 8. 1964 - 3 VAs. 11/64 - und vom 14. 10. 1965 - 3 VAs. 66/165 - ) . c) Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Mündliche Verhandlung findet nicht statt (OLG Hamburg vom 8. 7. 1963 - VAs. 67/62 - ; K G NJW 1968 608). Für die Art einer erforderlichen Beweiserhebung ist § 308 Abs. 2 StPO maßgebend; nimmt das Gericht die Ermittlungen nicht selbst vor, so kann es sich zu deren Vornahme eines ersuchten Richters, der Staatsanwaltschaft oder Polizei, bei Anfechtung von Vollzugsmaßnahmen auch des Anstaltsvorstands bedienen (KG aaO.). Liegt einer Maßnahme der Vollzug'sbehörde hausordnungswidriges Verhalten des Antragstellers zugrunde, so brauchen ihm die Namen der Mitgefangenen, auf deren Angaben die Maßnahme sich stützt, nicht mitgeteilt zu werden, wenn diese Repressalien befüchten müssen (OLG Bremen vom 15.9. 1967 — VAs. 22/67 —). Eine Zurückverweisung kommt der Natur der Sache nach nicht in Betracht. Wegen der Verfahrenskosten vgl. § 30; die Verweisung auf das Beschwerdeverfahren bedeutet nicht etwa zugleich eine Verweisung auf § 473 StPO (a. M. OLG Hamburg NJW 1968 854; 1972 1586). 4. Die Bewilligung des Armenrechts (Absatz 3) richtet sich nach §§ 114ff. ZPO; vor seiner Bewilligung muß die am Verfahren beteiligte Justiz- oder Vollzugsbehörde gehört werden. Vgl. im übrigen Anm. 12 zu § 172 StPO. Bei der Prüfung der Armut wird eine dem Gefangenen zustehende Arbeitsbelohnung außer Betracht zu bleiben haben, denn sie ist zweckgebunden, auch hat der Gefangene — vgl. Nr. 96 Abs. 5 DVollzO, dessen Rechtsbeständigkeit in der Rechtspr. anerkannt ist (vgl. OLG Koblenz MDR 1972 169 m. Nachw.) — keinen 3051

§ 30 Einfuhrungsgesetz zum Anm. 1,2 Gerichts Verfassungsgesetz (Schäfer) Rechtsanspruch darauf (vgl. OLG Hamm vom 6. 11. 1963 - 1 VAs. 42/63 - ) . Die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung des Armenrechts ist gebührenfrei (OLG Schleswig vom 29. 11. 1963 - 2 VAs. 11/63-). §30 (1) Für die Kosten des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht gelten die Vorschriften der Kostenordnung entsprechend. Abweichend von § 130 der Kostenordnung wird jedoch ohne Begrenzung durch einen Höchstbetrag bei Zurückweisung das Doppelte der vollen Gebühr, bei Zurücknahme des Antrags eine volle Gebühr erhoben. (2) Das Oberlandesgericht kann nach billigem Ermessen bestimmen, daß die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise aus der Staatskasse zu erstatten sind. Die Vorschriften des §91 Abs. 1 Satz 2 und der §§ 102*) bis 107 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts kann nicht angefochten werden. (3) Der Geschäftswert bestimmt sich nach § 130 der Kostenordnung. Er wird von dem Oberlandesgericht durch unanfechtbaren Beschluß festgesetzt. 1. Gerichtskosten. a) Für die Gebühren und Auslagen des Verfahrens vor dem Strafsenat gelten nach Absatz 1 nicht die Vorschriften der StPO (§§ 464 fT.) in Verb, mit den Vorschriften des GKG, sondern lediglich sinngemäß die Vorschriften der Kostenordnung vom 26. 7. 1957 (BGBl. I 960). Nach § 130 KostO werden Gebühren nur bei (vollständiger oder teilweiser) Zurücknahme und Zurückweisung (als unbegründet oder unzulässig) des Antrags erhoben. Die Erklärung der Hauptsache für erledigt im Fall des § 27 Abs. 2 Satz 2 ist gebührenfrei. Das gleiche gilt, wenn sich eine Maßnahme „andere" als durch Zurücknahme des Antrags erledigt hat und ein besonderer Antrag nach § 28 Abs. 1 Satz 4 nicht gestellt ist. Wird einem Verpflichtungsantrag nach § 28 Abs. 2 Satz 2 stattgegeben, so erreicht der Antragsteller zwar weniger als er mit dem Antrag aus § 23 Abs. 2 erstrebte; darin liegt aber keine Teilzurückweisung i. S. des § 130 Abs. 4 KostO, da der Antragsteller gezwungen war, den uneingeschränkten Antrag nach § 23 Abs. 2 zu stellen, um auch nur eine Entscheidung in der beschränkten Form herbeizuführen (OLG Hamburg vom 8. 1. 1962 — VAs. 48/61 —). Eines besonderen Kostenausspruchs im Beschluß des OLG bedarf es — anders als nach § 464 StPO — nicht. Die Kostentragungspflicht ergibt sich vielmehr unmittelbar aus den in Betracht kommenden Vorschriften der KostO. Jedoch ist ein entsprechender (deklaratorischer) Ausspruch im Beschluß weitgehend üblich. Streitigkeiten über den Umfang der Kostentragungspflicht werden im Kostenansatzverfahren (§ 14 KostO) ausgetragen. Nach OLGe. Nürnberg vom 26. 9. 1962 - VAs. 17/62 - ; Koblenz MDR 1972 169 können die bei Zurücknahme oder Zurückweisung des Antrags anfallenden Kosten aus der Arbeitsbelohnung des Gefangenen bestritten werden; zweifelnd aber OLG Hamm vom 6. 11. 1963 - 1 VAs. 42/63 - (vgl. Anm. 4 zu § 28). b) Ob die Einforderung eines Kostenvorschusses (§ 30 EGGVG, § 8 KostO) in Betracht kommt, ist streitig (verneinend OLG Hamm JVB1. 1964 36; bejahend OLG Hamburg Rpfleger 1966 27; B a u m b a c h - L a u t e r b a c h 1 zu § 30 EGGVG). 2. Absatz 2 betrifft die außergerichtlichen Kosten (z. B. durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten; vgl. § 6 6 a BRAGebO), die einem Antragsteller erwachsen sind, der mit seinem Antrag ganz oder teilweise Erfolg gehabt hat. Sie werden dem Antragsteller nur (aus der Staatskasse) erstattet, wenn und soweit das OLG dies (in dem Beschluß über den Antrag oder in einem nachträglichen Beschluß) ausdrücklich angeordnet. Die Entscheidung trifft das OLG von Amts wegen; es entscheidet nach billigem Ermessen. Die Belastung der Staatskasse bildet dabei nicht die Regel, sondern die Ausnahme, die einer besonderen Rechtfertigung durch die Lage des Einzelfalles bedarf; zur Frage der Berücksichtigung der mutmaßlichen Erfolgsaussicht als Billigkeitsgrund vgl. OLG Hamm JVB1. *) § 102 Z P O ist durch Ges. vom 27. 11. 1964 (BGBl. I 933) aufgehoben.

3052

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (Schäfer)

§30 Anm. 3

1970 238. Ordnet das O L G eine Erstattung an, so erfolgt die Festsetzung nach dem für anwendbar erklärten § 104 ZPO i. Verb. m. § 21 Rechtspflegerges. 1969 durch den Rechtspfleger beim OLG. Er entscheidet darüber, welche Auslagen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, soweit nicht bereits das OLG („teilweise") die Erstattung auf bestimmte Auslagen beschränkt oder die Erstattung bestimmter Auslagen angeordnet hat. Da nur § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO für entsprechend anwendbar erklärt ist, ist über die Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts nach Lage des Einzelfalles zu entscheiden. Uber Erinnerungen gegen den Festsetzungsbeschluß des Urkundsbeamten entscheidet abschließend das OLG (§ 104 ZPO). Stirbt der Antragsteller vor Abschluß des Verfahrens, so sind nach OLG Hamm NJW 1971 209 = MDR 1970 786 die §§ 628, 91 a ZPO (Entscheidung über die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes) entsprechend anzuwenden. 3. Der für die Höhe der Gebühren nach Absatz 1 maßgebliche Geschäftswert bestimmt sich gemäß Abs. 3 nach § 30 KostO. Nach dieser Vorschrift wird der Geschäftswert nach freiem Ermessen bestimmt. Und zwar ist er in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung regelmäßig auf 3 000 DM anzunehmen, kann jedoch nach Lage des Falles niedriger (nicht unter 200 DM) oder höher (nicht über 1 Million DM) angenommen werden. Nach der dem § 30 KostO entsprechenden Vorschrift des § 14 G K G sind bei der Ermessensausübung alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Umfang des Verfahrens und die Bedeutung der Sache, vor allem aber die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, zu berücksichtigen. Diese Vorschrift ist ergänzend zur Auslegung des § 30 Abs. 2 KostO heranzuziehen. Danach wird es bei Anträgen, die Vollzugsmaßnahmen betreffen — sie stellen nach den bisherigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Strafrechtspflege die Hauptmasse der Anträge aus § 23 dar — außer auf die Bedeutung der Sache und den Umfang, den das Nachprüfungsverfahren angenommen hat, hauptsächlich auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Antragstellers ankommen und angesichts der in den meisten Fällen bestehenden Armut der Antragsteller im allgemeinen nicht der Regelwert, sondern ein an der unteren Grenze (200 DM) liegender Geschäftswert angemessen sein (vgl. F o t h JR 1962 417). Wegen der Kostendeckung aus der Arbeitsbelohnung des Gefangenen s. oben 1 a.

3053

Anhang

A. Deutsches Richtergesetz vom 8. 9. 1961 (BGBl. I 1665) i. d. F. der Bekanntm. vom 19.4. 1972 (BGBl. I 713) mit späteren Änderungen (Auszug). Vorbemerkung 1. Grundgedanke. Nach Art. 98 Abs. 1 G G ist die Rechtsstellung der Richter des Bundes durch besonderes Bundesgesetz zu regeln. In gleicher Weise ist nach Art. 98 Abs. 3 G G die Rechtsstellung der Richter in den Ländern durch besondere Landesgesetze zu regeln; der Bund kann Rahmenvorschriften für die Landesgesetze erlassen, soweit Art. 74 a Abs. 4 G G (betr. Besoldung und Versorgung der Landesrichter) nichts anderes bestimmt. Diese Vorschriften bezwecken, daß die Rechtsstellung der Richter ihrer besonderen Eigenart als Repräsentanten der rechtsprechenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) entsprechend organisch gestaltet wird, während bis dahin, von den besonderen gerichtsverfassungsrechtlichen Vorschriften und Einzelvorschriften des Grundgesetzes und der Landesverfassungen abgesehen, die Rechtsstellung der Richter vorwiegend durch die Beamtengesetze des Bundes und der Länder geregelt war (vgl. Vorbem. 2 c vor § 1 GVG). Die in Art. 98 G G dem Bund und den Ländern übertragene Aufgabe hat nach langen Vorarbeiten (vgl. dazu S c h m i d t - R ä n t s c h Einleitung unter III S. 3 7 f.) zunächst der Bund durch das DRiG 1961 erfüllt, das gemäß § 126 am 1. 7. 1962 in Kraft trat. Es befaßt sich im allgemeinen nur mit den Berufsrichtern (§ 2), für die ehrenamtlichen Richter enthält es wenige grundsätzliche Vorschriften in §§ 44, 45, 45 a. Bei der Normierung der Rechtsstellung der Berufsrichter im Bundesdienst ist der Bundesgesetzgeber, obwohl ihm soweit die volle Gesetzgebungszuständigkeit zukam, nicht so verfahren, daß er eine vollständige, von den Vorschriften der Beamtengesetze unabhängige Regelung vorgenommen hätte. Vielmehr hat er sich damit begnügt, die Rechtsstellung der Richter des Bundes in ihren Grundzügen zu regeln, die charakteristischen, aus der richterlichen Unabhängigkeit sich ergebenden Merkmale zu betonen und die daraus folgenden Abweichungen vom Beamtenrecht zu fixieren. Hier ist insbesondere auch auf die Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit durch Schaffung einer gerichtlichen Kontrolle gegenüber Maßnahmen der Dienstaufsicht hinzuweisen, durch die sich der Richter in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt fühlt (§ 26 Abs. 3). Im übrigen hat das DRiG, soweit für die Richter im Bundesdienst Abweichungen von dem für Bundesbeamte geltenden Recht nicht in Betracht kamen, insbesondere bei den mehr technischen Fragen des Besoldungs-, Versorgungs-, Reise- und Umzugskostenrechts, soweit solche Vorschriften nicht ohnedies als gemeinsam für Beamten wie für Richter geltend erlassen sind, in § 46 „bis zu einer besonderen Regelung" die für Bundesbeamte geltenden Vorschriften für entsprechend anwendbar erklärt. Bei den Richtern der Länder standen dem Bundesgesetzgeber vier Normierungsgrundlagen zur Verfügung: das Recht, Rahmenvorschriften für die Landesrichtergesetze zu erlassen (Art. 98 Abs. 3 GG; vgl. dazu M ü l l e r , Zur Problematik der Rahmenvorschriften nach dem GG, DÖV 1964 332) und die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und des gerichtlichen Verfahrens (Art. 74 Nr. 1 GG), sowie auf dem Gebiet der Besoldung und Versorgung im öffentlichen Dienst (Art. 74 a GG). In Ausübung dieser Gesetzgebungszuständigkeiten hat das DRiG eine Reihe von Vorschriften erlassen, die für die Richter des Bundes und der Länder gemeinsam gelten. Im übrigen gab es den Landesgesetzgebern auf, die Rechtsverhältnisse der Landesrichter teils im Anschluß an bestimmte Vorschriften für die Richter des Bundes, teils auf der Grundlage des Beamtenrechtsrahmengesetzes zu regeln (§71) und überließ die weitere Ausgestaltung dem Landesrecht. Abweichend davon gelten nach § 71a DRiG die unmittelbar für den Bereich der Länder geltenden Vorschriften des Versorgungsrechts der Bundesbeamten auch für die Richter im Landesdienst. Der 1. Teil des DRiG ( § § 1 bis 43) enthält die Vorschriften, die für die Richter des Bundes und der Länder gemeinsam gelten. Teil 2 (§§ 46 bis 70) enthält Vorschriften für die Richter im Bundesdienst, Teil 3 (§§71 bis 84 mit Ausnahme des unmittelbar geltenden § 71a) Rahmenvorschriften für die Richter der Länder. 3057

Vor § 1

Anhang (Schäfer) Anm. 2—5 2. Landesrichtergesetze. Es gelten in Baden-Württemberg: Landesrichterges. i. d. F. vom 19. 7. 1972 (GBl. 432); Bayern: Richterges. vom 26. 2. 1965 (GVB1. 13), mehrfach geändert, zuletzt durch Ges. vom 27. 7. 1970 (GVB1. 327); Berlin: Richterges. i. d. F. vom 27. 4. 1970 (GVB1. 642, 1638); Bremen: Richterges. vom 15. 12. 1964 (GBl. 187), mehrfach geändert, zuletzt durch Ges. vom 11. 7. 1972 (GBl. 148); Hamburg: Richterges. vom 15. 6. 1964 (GVB1. 109), mehrfach geändert, zuletzt durch Ges. vom 8. 7. 1971 (GVB1. 133); Hessen: Richterges. vom 19. 10. 1962 (GVB1.1 455), mehrfach geändert, zuletzt durch Ges. vom 9. 3. 1971 (GVB1.1 57); Niedersachsen: Richterges. vom 14. 12. 1962 (GVB1. 265), mehrfach geändert, zuletzt durch Ges. vom 3. 7. 1972 (GVB1. 365); Nordrhein-Westfalen: Landesrichterges. vom 29. 3. 1966 (GVB1. 217), mehrfach geändert, zuletzt durch Ges. vom 30. 5. 1972 (GVB1. 146); Rheinland-Pfalz: Landesrichterges. vom 29. 10. 1962 (GVB1. 159), geändert durch Ges. vom 26. 2. 1970 (GVB1. 75); Saarland: Richterges. vom 15.5. 1968 (ABl. 338), geändert durch Ges. vom 13.3. und 29. 4. 1970 (ABl. 267,460); Schleswig-Holstein: Landesrichterges. i. d. F. vom 21. 5. 1971 (GVOB1. 300, 354). 3. Das Hauptanliegen des DRiG war, aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes und, soweit die Beschränkung der Gesetzgebung des Bundes auf die Aufstellung von Rahmenvorschriften für die Rechtsverhältnisse der Richter im Dienst der Länder (Art. 98 Abs. 3 Satz 2, 75 Nr. 1 GG) es gestattete, möglichst einheitlich geltendes Recht für die Richter aller Gerichtszweige zu schaffen und dabei die Folgerungen aus dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit voll durchzuführen. Im Rahmen der Vereinheitlichung des Rechts war es sein weiteres Anliegen, den Gedanken der richterlichen Selbstverwaltung, der im bisherigen Recht im wesentlichen nur in den Instituten der Gerichtspräsidien Gestalt gewonnen hatte, zur Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit durch Schaffung von Richtervertretungen (Richterräte und Präsidialräte) auszubauen. Jedoch haben nach dieser Richtung die z. T. hochgespannten Erwartungen von richterlicher Seite nur in z.T. verhältnismäßig bescheidenem Umfang Verwirklichung gefunden (vgl. dazu A r n d t und S c h u m a c h e r DRiZ 1961 198; 1962 86). Auch die Wünsche, daß die Stellung der Staatsanwälte im Hinblick auf die Bedeutung der Staatsanwaltschaft bei der Erfüllung der staatlichen Justizgewährungspflicht im DRiG umfassend geregelt werde, sind in der Hauptsache unerfüllt geblieben; nur die Aufnahme des § 122 soll die „Nähe" des staatsanwaltlichen Amts zum Richteramt zum Ausdruck bringen. 4. Das DRiG ist in Berlin übernommen durch Berliner Ges. vom 29. 9. 1961 (GVB1. 1407). 5. Für die Auslegung des Gesetzes wichtige Materialien sind der RegEntw. 1958 mit Begründung (BT-Drucksache Nr. 216 der 3. Wahlperiode) und der Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags (BT-Drucksache Nr. 2785, auszugsweise auch abgedr. DRZ 1961 224,261).

3058

A. Deutsches Richtergesetz

§ 1 Anm. 1; § 2 Anm. 1—3 § 3 Anm. 1, 2

ERSTER TEIL Richteramt in Bund und Ländern ERSTER ABSCHNITT Einleitende Vorschriften § 1. Berufsrichter und ehrenamtliche Richter Die rechtsprechende Gewalt wird durch Berufsrichter und durch ehrenamtliche Richter ausgeübt. 1. Nach Art. 92 GG ist „die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut" (vgl. dazu Vorbem. 2 vor § 1 GVG und Anm. 2 zu § 13 GVG). § 1 DRiG knüpft an diese Vorschrift an. Er stellt klar, daß Richter i. S. der Art. 92 GG sowohl die Berufsrichter wie die ehrenamtlichen Richter (§§ 44 bis 45 a DRiG) sind. Gemeinderichter (§ 14 Nr. 2 GVG) fallen aber nicht unter das DRiG (§ 119). Ehrenamtliche Richter werden grundsätzlich nur als Beisitzer verwendet, als Vorsitzende können sie nicht tätig sein (§ 28 Abs. 2 Satz 1 DRiG; Ausnahme bei der Besetzung der Berufsgerichte für Rechtsanwälte, §§94 Abs. 1, 101 Abs. 3 BRAO, § 123 DRiG). § 2. Geltung für Berufsrichter Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nur für die Berufsrichter. 1. Berufsrichter sind die in § 8 bezeichneten Richter. Zum Begriff des Berufsrichters gehört nicht, daß die Ausübung des Richteramts die einzige Berufstätigkeit darstelle; es kann z. B. einem Hochschullehrer (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3) ein Berufsrichteramt i. S. des § 2 übertragen werden, das ihn nur zu einem Teil seiner Arbeitskraft in Anspruch nimmt. Jedoch darf ein Richter neben Rechtsprechungsaufgaben nur die in § 4 Abs. 2 bezeichneten Aufgaben der vollziehenden Gewalt wahrnehmen. Für Richter im Ruhestand gelten nur die §§62 Abs. 1 Nr. 1, 78 Nr. 1; im übrigen richtet sich ihre Rechtsstellung nach den Vorschriften der Beamtengesetze (§§46, 71, 71a). Nur beschränkt gelten die Vorschriften des DRiG für die Richter des Bundesverfassungsgerichts (§§ 69, 70); sie sind unanwendbar auf Gemeinderichter (§ 119). Für die Richter der Landesverfassungsgerichte gelten sie nur, soweit Landesrecht es bestimmt (§ 84). 2. Vorschriften für die ehrenamtlichen Richter enthalten die §§44 bis 45 a. 3. Bestimmte Vorschriften des DRiG sind ausgedehnt auf die Staatsanwälte (§ 122). § 3. Dienstherr Die Richter stehen im Dienst des Bundes oder eines Landes. 1. Nach Art. 92 GG wird die rechtsprechende Gewalt durch die im GG (Art. 93, 95, 96) vorgesehenen Gerichte des Bundes, im übrigen durch die Gerichte der Länder ausgeübt. Die Richter stehen demgemäß im Dienst des Bundes oder der Länder. Art. 92 GG schließt allerdings nicht aus, daß im hergebrachten Umfang Gerichtsbarkeit auch durch Gerichte der Gemeinden (§ 14 Nr. 2 GVG) ausgeübt wird (BVerfGE 10 200); die bei diesen Gerichten tätigen Richter unterliegen aber nicht den Vorschriften des DRiG (§ 119). § 3 besagt nicht, daß ein Richter nur im Dienst entweder des Bundes oder eines bestimmten Landes stehen könne. Soweit es nach § 27 Abs. 2 zulässig ist, einem Richter mehrere Richterämter zu übertragen, ist es möglich, daß ein Richter sowohl im Dienst des Bundes als auch eines Landes oder daß er im Dienst verschiedener Länder steht. 2. Richter, die gemäß § 37 DRiG an das Gericht eines anderen Dienstherrn abgeordnet werden, behalten als Dienstherrn denjenigen des Stammgerichts. 3059

§4

Anhang (Schäfer)

Anm. 1—3 § 4. Unvereinbare Aufgaben (1) Ein Richter darf Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt und Aufgaben der gesetzgebenden oder der vollziehenden Gewalt nicht zugleich wahrnehmen. (2) Außer Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt darf ein Richter jedoch wahrnehmen 1. Aufgaben der Gerichtsverwaltung, 2. andere Aufgaben, die auf Grund eines Gesetzes Gerichten oder Richtern zugewiesen sind, 3. Aufgaben der Forschung und Lehre an einer wissenschaftlichen Hochschule, öffentlichen Unterrichtsanstalt oder amtlichen Unterrichtseinrichtung, 4. Prüfungsangelegenheiten. 1. Zu Absatz 1. Art. 20 Abs. 2 G G bestimmt, daß die Funktionen der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung jeweils durch besondere Organe ausgeübt werden. Die reinliche Durchführung dieses Grundsatzes verlangt, daß die Richter, denen das Rechtsprechungsmonopol übertragen ist (Art. 92 GG), sich grundsätzlich einer gleichzeitigen Mitwirkung bei Ausübung der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt enthalten. Auch mit dem Gedanken der richterlichen Unabhängigkeit ist es schwer verträglich, wenn dieselbe Person gleichzeitig Rechtsprechungsaufgaben in richterlicher Unabhängigkeit und daneben weisungsgebundene Aufgaben der vollziehenden Gewalt wahrnimmt (vgl. Vorbem. 2 b vor § 1 GVG). § 4 Abs. 1 DRiG, stellt deshalb den Grundsatz der Unvereinbarkeit von Aufgaben der rechtsprechenden und der gesetzgebenden oder vollziehenden Gewalt auf. Das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) wird dadurch nicht verletzt (BVerwGE 25 210 = MDR 1967 327). Dabei ist unter Wahrnehmung von Aufgaben der gesetzgebenden Gewalt die Tätigkeit als Abgeordneter in den gesetzgebenden Körperschaften, unter Aufgaben der vollziehenden Gewalt jede staatliche Tätigkeit (im unmittelbaren oder mittelbaren Bundes- oder Landesdienst), die nicht Gesetzgebung oder Rechtsprechung ist, zu verstehen. Zur Rechtsprechung dagegen zählen alle Tätigkeiten, die von Richtern unter richterlicher Unabhängigkeit wahrgenommen werden, auch wenn es sich dabei nicht um Rechtsprechung im engeren Sinn (vgl. Vorbem. 2 b vor § 1 GVG), sondern um Aufgaben handelt, die materiell dem Gebiet der Verwaltung (der gerichtlichen Selbstverwaltung oder des gerichtlichen Organisationsrechts) angehören, also dem Gebiet, das man zusammenfassend als justizförmige Verwaltungstätigkeit zu bezeichnen pflegt (vgl. Anm. I 1 zu § 1 GVG). Jedoch läßt sich dieser Grundsatz nicht in voller Strenge durchführen, da im gewissen Umfang die Heranziehung von Richtern neben ihrer Rechtsprechungstätigkeit zu Verwaltungsaufgaben unentbehrlich ist. Dies gilt namentlich für die Gerichtspräsidenten, die sich an der Rechtsprechung beteiligen müssen (§ 21 e Abs. 1 Satz 3 GVG), deren Haupttätigkeit aber auf dem Gebiet der Gerichtsverwaltung liegt. In gewissem Umfang ist auch eine Beteiligung von amtierenden Richtern selbst bei der Rechtsetzung nicht nur unschädlich, sondern — unbeschadet des § 39 DRiG — sogar erwünscht (s. unten Anm. 3bb und Anm. 1 zu § 3 6 betr. Mitgliedschaft zu kommunalen Vertretungskörperschaften). § 4 Abs. 2 DRiG lockert daher den Grundsatz des Abs. 1 auf. Das ist mit dem G G vereinbar, weil der Grundsatz der Gewaltenteilung gewisse Überschneidungen nicht ausschließt (BVerfGE 4 331, 346). § 4 Abs. 2 wird ergänzt durch § 36, der den Grundsatz der Unvereinbarkeit von rechtsprechender und legislatorischer Betätigung näher ausführt. 2. § 4 befaßt sich nur mit dem Fall, daß ein Richter gleichzeitig Aufgaben der Rechtsprechung und solche der gesetzgebenden oder vollziehenden Gewalt wahrnimmt. Er greift also nicht Platz, wenn ein Richter keine Rechtsprechungstätigkeit ausübt, sondern nur Aufgaben der vollziehenden Gewalt wahrnimmt, z. B. nur zu Aufgaben der Gerichtsverwaltung herangezogen oder zu einer Verwaltungsbehörde abgeordnet wird ( § 3 7 DRiG). Inwieweit es zu einer solchen Herausnahme aus der rechtsprechenden Tätigkeit seiner Zustimmung bedarf, ergibt sich aus §§ 13, 16 Abs. 2, 37,42 DRiG. 3. § 4 Abs. 2, der eine abschließende Aufzählung der Ausnahmegründe darstellt, läßt neben rechtsprechender Tätigkeit zu die Wahrnehmung a) von Aufgaben der Gerichtsverwaltung (Nr. 1). Gerichtsverwaltung ist ein Ausschnitt aus dem weiteren Bereich der in Weisungsgebundenheit ausgeübten Justizverwaltung (vgl. 3060

A . Deutsches Richtergesetz

§4 Anm. 3

A n m . 3 zu § 4 E G G V G und Anm. I 2 zu § 1 G V G ) und umfaßt diejenigen Aufgaben, die die herkömmlicherweise durch Richter oder unter ihrer Mitwirkung erfolgende Verwaltung der Gerichte selbst betreffen. Z u r Gerichtsverwaltung gehört die Schaffung der sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Erfüllung der Rechtsprechungsaufgaben, insbesondere auch die Dienstaufsicht, soweit sie von Richtern ausgeübt wird, ferner die Betreuung des Haushalts- und Kassenwesens und die Betreuung des juristischen Nachwuchses im Vorbereitungsdienst. D a ß die Tätigkeit der Gerichte — unter richterlicher Unabhängigkeit — auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit und die gerichtliche Selbstverwaltung (oben Anm. 1) nicht zur Gerichtsverwaltung i. S. der Nr. 1 gehört, versteht sich von selbst (vgl. B a u r J Z 1 9 6 2 7 8 3 ; J a n s e n N J W 1 9 6 3 1594). Eine Begrenzung des Umfangs, den die Wahrnehmung von Gerichtsverwaltungsaufgaben neben der rechtsprechenden Tätigkeit annehmen darf, enthält Abs. 2 nicht. Aus § 4 2 D R i G ergibt sich lediglich, daß Richter ohne ihre Zustimmung zu Aufgaben der Gerichtsverwaltung nur im Umfang einer Nebentätigkeit herangezogen werden können. Mit ihrer Zustimmung können sie solche Aufgaben in einem Umfang wahrnehmen, der der rechtsprechenden Tätigkeit keinen oder nur geringen R a u m läßt (vgl. im übrigen die Anm. zu § 4 2 ) . aa) Aufgaben, die außerhalb des Bereichs der Gerichtsverwaltung liegen, mögen sie dem Gebiet der Justizverwaltung im weiteren Sinn, die vorzugsweise der Landesjustizverwaltung obliegt, oder dem Gebiet anderer Verwaltungszweige angehören, dürfen Richter neben rechtsprechender Tätigkeit nicht wahrnehmen, soweit sie nicht durch Gesetz Richtern oder Gerichten zugewiesen sind und damit unter Nr. 2 fallen, oder in den Anwendungsbereich der Nr. 3 , 4 fallen. Aufgabe der vollziehenden Gewalt und gemäß § 4 Abs. 1 mit der gleichzeitigen Ausübung des Richteramts unvereinbar ist dabei jede Tätigkeit innerhalb der Organisation der Exekutive, einerlei, ob sie hoheitlich, nur allgemein beratend, schlicht hoheitlich oder nur fiskalisch ist ( V G Braunschweig DVB1. 1 9 6 3 560). G e m ä ß § 4 Abs. 1 unzulässig und nicht unter die Ausnahmen des § 4 Abs. 2 fallend ist daher z. B. die (auch unentgeltlich geleistete) Tätigkeit als Justitiar einer Behörde (z. B . einer Landeszentralbank)*), weil der Justitiar in die Behördenorganisation eingegliedert ist und seine rechtlichen Stellungnahmen die Grundlage für die Entschließung des Behördenvorstands bilden ( S c h m i d t - R ä n t s c h 11 zu § 4 ; V G Braunschweig aaO.). Unzulässig ist ferner die Tätigkeit in Umlegungsausschüssen ( § 4 6 des Bundesbaugesetzes vom 2 3 . 6 . 1 9 6 0 ) und den oberen Umlegungsausschüssen der Länder (vgl. die Stellungnahme des B J - M i n . in D R i Z 1 9 6 2 2 1 2 ) . Ein hauptamtlicher Richter kann auch nicht im Nebenamt Vorsitzender des Berufungsausschusses für Zahnärzte (§ 3 6 8 b R V O ) sein, weil ein solcher Ausschuß wegen der jederzeitigen Abberufbarkeit seiner Mitglieder kein Gericht, sondern eine Verwaltungsbehörde darstellt ( O V G Münster JMB1. N R W 1 9 6 4 3 5 = D R i Z 1 9 6 4 55 = DVB1. 1 9 6 4 7 9 ; B V e r w G M D R 1 9 6 7 327). Unzulässig ist auch die Mitwirkung in Schieds-, Vergleichs- und Gütestellen bei Verwaltungsbehörden, z. B. in den Einigungsstellen nach § 2 7 a U W G und in den Ausschüssen für Lehrlingsstreitigkeiten nach § 111 Abs. 2 A r b G G . Streitig ist, ob ein Gericht dienstlich erforderte Rechtsgutachten erstatten darf, soweit nicht ein Gesetz (§ 4 Abs. 2 Nr. 2) die Erstattung von Rechtsgutachten durch Gerichte vorsieht (vgl. S c h m i d t - R ä n t s c h 5 zu § 4 1 , s. dazu auch (bejahend) M ü l l e r D Ö V 1 9 6 1 3 3 4 ) . Eine Mitwirkung in der kirchlichen Verwaltung fällt dagegen nicht unter § 4 Abs. 1, da sie außerhalb des staatlichen Bereichs liegt. bb) Zulässig ist eine beratende Tätigkeit von Richtern für eine Behörde, wenn sie nicht in die Behörde, sei es auch nur durch Privatdienstvertrag, eingegliedert sind, sondern die beratende Tätigkeit sich etwa im R a h m e n einer Kommission aus sachkundigen Persönlichkeiten vollzieht, die bei einem Ministerium zur Vorbereitung eines Gesetzentwurfs gebildet ist (vgl. S c h m i d t - R ä n t s c h 9). Eine solche Tätigkeit steht etwa der privaten (außerdienstlichen) Einreichung einer Denkschrift mit Gesetzesvorschlägen gleich, die nicht unter § 4 1 D R i G fällt, und ist für den Dienstherrn des Richters nur unter dem Gesichtspunkt einer genehmigungsbedürftigen Nebenbeschäftigung oder unter dem Gesichtspunkt bedeutsam, ob nicht durch die zeitliche Inanspruchnahme des Richters für die Kommissionstätigkeit die ordnungsgemäße Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben gefährdet erscheint. Aus den *) ebenso die Tätigkeit als ehrenamtl. Mitglied des Verwaltungsrats einer öfifentlichrechtl. Sparkasse (BVerwG MDR 1973 524). 3061

§ 4 Anm.3

Anhang (Schäfer)

§5 gleichen Erwägungen liegt auch keine Unvereinbarkeit von gesetzgeberischer oder vollziehender und richterlicher Tätigkeit vor, wenn ein Parlamentausschuß bei der Beratung eines Gesetzentwurfs gutachtlich Richter zu Fragen ihres Erfahrungsbereichs anhört. b) von anderen Aufgaben, die aufgrund eines Gesetzes Gerichten oder Richtern zugewiesen sind (Nr. 2). Gemeint sind hier Aufgaben, die nicht bereits dadurch zu Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt gehören, daß sie von Richtern unter richterlicher Unabhängigkeit auszuführen sind, wie z. B. die Leistung von Amtshilfe für Verwaltungsbehörden durch eidliche Vernehmung von Zeugen (vgl. Vorbem. 2, 3 d vor § 156 GVG). Das zuweisende Gesetz kann ein Bundes- oder Landesgesetz, ein förmliches Gesetz oder eine RechtsVO sein. Zur „Zuweisung" ist nicht erforderlich, daß das Gesetz selbst die Aufgaben überträgt, es genügt, daß es die Übertragung zuläßt. In Betracht kommt z. B. § 451 Abs. 3 StPO, wonach den Amtsrichtern in amtsgerichtlichen Sachen die Strafvollstreckung übertragen werden kann. Die nebenamtliche Leitung eines Gerichtsgefängnisses durch einen Richter (vgl. Vorbem. II 2 a vor § 449 StPO), soweit sie nicht — wie z. B. gemäß § 79 Hess. RiG — durch Gesetz vorgesehen ist und damit unter § 4 Abs. 2 Nr. 2 DRiG fallt, ist nach der Auffassung der Justizverwaltungen Gerichtsverwaltung i. S. des § 4 Abs. 2 Nr. 1. Nr. 2 fordert nicht, daß eine gesetzlich zur Wahrnehmung durch Richter vorgesehene Aufgabe ausschließlich den Richtern vorbehalten ist. Daher können im Disziplinarsachen gegen Beamte Richter Untersuchungsführer sein, wenn nach Landesrecht ein Beamter oder ein Richter zum Untersuchungsführer bestellt werden kann (vgl. RdErl. d. Hess. Just.-Min. vom 14. 2. 1963 — 3110 I a 965). Die durch Gesetz Richtern zugewiesene Aufgabe braucht auch nicht dem Gebiet der Rechtspflege (vgl. Vorbem. 2 a vor § 1 GVG) anzugehören; daher kann ein Vormundschafts- oder Jugendrichter Mitglied des Jugendwohlfahrtsausschusses (§ 14 Abs. 1 Nr. 7 JWG i. d. F. vom 6.8. 1970 BGBl. I 1197), ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts Mitglied einer Wahlkreiskommission sein (§ 3 Abs. 1 des Bundeswahlges. i. d. F. vom 7. 7. 1972 (BGBl. I 1101). Auch Nr. 2 regelt nur die Frage, inwieweit eine gleichzeitige Wahrnehmung von Rechtsprechungs- und anderen Aufgaben zulässig ist. Die Frage, ob und in welchem Umfang der Richter zu einer nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 zulässigen Tätigkeit verpflichtet ist, beantwortet sich nach §§ 13, 16 Abs. 2, 37, 42 DRiG. c) von Forschungs- und Lehraufgaben der in Nr. 3 bezeichneten Art. Gleichgültig ist das Fachgebiet. Amtliche Unterrichtseinrichtungen sind behördliche Veranstaltungen ohne selbständigen organisatorischen Charakter, die der Aus- und Fortbildung dienen; hierher gehört z. B. die Tätigkeit als Leiter einer Referendararbeitsgemeinschaft (die aber auch zu den Aufgaben der Gerichtsverwaltung, Nr. 1, gezählt werden könnte) oder als Vortragender bei Fortbildungskursen für Beamte. Eine Tätigkeit an rein privaten Anstalten und Veranstaltungen gehört nicht hierher, weil keine Betätigung in Wahrnehmung von Aufgaben der vollziehenden Gewalt in Frage steht; sie unterliegt lediglich als Nebenbeschäftigung der dienstrechtlichen Genehmigung nach Maßgabe der beamtenrechtlichen Vorschriften. Nicht hierher gehört auch die Tätigkeit des einzelnen Richters als Ausbilder des ihm zugewiesenen Referendars; sie bildet einen untrennbaren Teil der aus dem Hauptamt sich ergebenden Dienstpflichten ( S c h m i d t - R ä n t s c h 7 zu § 42). d) von Prüfungsangelegenheiten (Nr. 4). Und zwar beschränkt sich die Vorschrift nicht auf die Mitwirkung bei juristischen Prüfungen, sondern sie erstreckt sich auf Prüfungen jeder Art im Bereich der vollziehenden Gewalt. ZWEITER ABSCHNITT Befähigung zum Richteramt § 5. Erwerb der Befähigung zum Richteramt (1)Die Befähigung zum Richteramt wird durch das Bestehen zweier Prüfungen erworben. (2) Der ersten Prüfung muß ein Studium der Rechtswissenschaft von mindestens dreieinhalb Jahren an einer Universität vorangehen. Davon sind mindestens vier Halbjahre dem Studium an einer Universität im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu widmen. 3062

A. Deutsches Richtergesetz

§5 Anm. 1—3

Entstehungsgeschichte: § 5 enthielt ursprünglich einen Abs. 3, der die Dauer und Gestaltung des Vorbereitungsdienstes zwischen der 1. und der 2. Prüfung regelte. Durch Ges. vom 18. 8. 1965 (BGBl. I 891) wurde ein Absatz 4 hinzugefügt, der auf Antrag eine ergänzende Ausbildung bei einer vom Antragsteller gewählten Stelle unter entsprechender Verlängerung des Vorbereitungsdienstes vorsah. Durch Ges. v. 10.9. 1971 (BGBl. 1 1557) wurden (mit Wirkung v. 16. 6. 1972) die Absätze 3 und 4 aufgehoben. An ihre Stelle traten die §§ 5 a bis d. 1. Entwicklungsgeschichte. Das G G enthält keine Vorschriften über die Voraussetzungen, unter denen jemand zum Berufsrichter der verschiedenen Gerichtszweige berufen werden kann. Solche Vorschriften zu treffen überläßt es den die Gerichtsverfassung der betreffenden Gerichte regelnden Vorschriften. Das GVG enthielt in den §§ 2—5 (zuletzt i. d. F. des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950) die Vorschriften für die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Auf diese Vorschriften verwiesen im allgemeinen die gerichtsverfassungsrechtlichen Vorschriften der übrigen Gerichtszweige. Die §§ 5—7 DRiG enthalten jetzt die Vorschriften, die einheitlich für die Berufsrichter aller Gerichtszweige gelten. Dadurch wurden die §§ 2—5 GVG und die entsprechenden gerichtsverfassungsrechtlichen Vorschriften für die übrigen Gerichtszweige entbehrlich; sie wurden durch die §§ 85—92 DRiG aufgehoben. 2. Wie früher das GVG bekennt sich auch das DRiG zu dem Prinzip des „rechtsgelehrten Richters", der die Befähigung zum Richteramt besitzen muß, die grundsätzlich durch mehrjähriges rechtswissenschaftliches Studium, mehrjährige praktische juristische Ausbildung (§ 5 a) und die Ablegung zweier Prüfungen, des Referendarexamens als Abschluß des Studiums und Voraussetzung für den Zugang zur praktischen Ausbildung, und des Assessorexamens („Große Staatsprüfung") als Abschluß der praktischen Ausbildung erworben wird. Ausnahmevorschriften enthalten § 7 DRiG, wonach ohne Durchlaufung des in § 5 geforderten Ausbildungsgangs und die dort vorgeschriebenen beiden Prüfungen jeder ordentliche Professor der Rechte an einer innerdeutschen Universität die Befähigung zum Richteramt kraft Gesetzes besitzt, und § 120 DRiG, der für die technischen Mitglieder des Bundespatentgerichts eine besondere „Befähigung zum Richteramt bei dem Bundespatentgericht" vorsieht, die eine technische Ausbildung voraussetzt. Dagegen schafft die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst — unbeschadet der Übergangsvorschrift in § 110 DRiG — nicht mehr wie früher die Befähigung, ein Richteramt in der Verfassungs-, Verwaltungs-, Finanz-, Sozial und Disziplinargerichtsbarkeit zu erlangen. Auch sind — wiederum unbeschadet der Übergangsvorschrift in § 111 und des § 105 Abs. 2 — frühere Vorschriften beseitigt, die ausnahmsweise in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit die Übertragung eines Richteramts an Personen ohne die Befähigung zum Richteramt zuließen. — Ausnahmen von dem Grundsatz der Trennung von Studium und praktischem Vorbereitungsdienst läßt § 5 b zu. Der Erwerb der Befähigung zum Richteramt ist nicht nur Voraussetzung für den Zugang zu einem Berufsrichteramt, sondern auch für das des Richters beim Bundesverfassungsgericht (§ 3 Abs. 2 BVerfGG), für die Ernennung zum Staatsanwalt (§ 122) und für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 4 BRAO). Diese Beschränkung des Zugangs zu Ämtern und Berufen ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) vereinbar (vgl. VG Gelsenkirchen JMB1. NRW 1970 224). 3. Anerkennung ausländischer Prüfungen. Nach der VO vom 8. 12. 1939 (RGBl. I 2390) konnte der Reichsjustizminister Volksdeutschen, die in ihrem Herkunftsland die Befähigung zum Richteramt erlangt hatten, die Fähigkeit zum Richteramt zuerkennen. Diese VO und entsprechende in der Nachkriegszeit in einzelnen Ländern erlassene Vorschriften sind durch § 86 DRiG aufgehoben worden, die so erlangte Fähigkeit ist aber nach § 109 DRiG bei Bestand geblieben. Durch § 112 DRiG ist dagegen § 92 Abs. 2 des Bundesvertriebenenges. für die Zukunft aufrecht erhalten worden, wonach Prüfungen und Befähigungsnachweise, die Vertriebene bis zum 8. 5. 1945 außerhalb Deutschlands abgelegt oder erworben haben, im Inland anerkannt werden, wenn sie entsprechenden deutschen Prüfungen und Befähigungsnachweisen gleichwertig sind. Prüfungen, die heimatlose Ausländer in ihrer früheren Heimat abgelegt haben, können auch noch nach Inkrafttreten des DRiG gemäß § 15 des Ges. über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer vom 25. 4. 1951 (BGBl. I 269) als gleichwertig mit den Prüfungen i. S. des § 5 DRiG anerkannt werden (BVerwG AnwBl. 1970 100). 3063

§ 5 Anm. 4, 5 Anhang (Schäfer) § 5a Anm. 1 4. Weitere Voraussetzungen fiir den Zugang zum Richteramt. Außer der Befähigung zum Richteramt wird in einzelnen Vorschriften des Bundes- und Landesrechts als Voraussetzung der Übertragung eines bestimmten Richteramts die Erreichung eines bestimmten Mindestalters gefordert (so die Vollendung des 40. Lebensjahres bei den Richtern des BVerfG, § 3 BVerfGG, und die Vollendung des 35. Lebensjahres bei den Richtern der obersten Bundesgerichte, z. B. § 125 GVG, § 15 VwGO, § 42 ArbGG; vgl. dazu Anm. 1 a zu § 18, 2 a zu § 19). Dagegen sind Vorschriften, die für Richter außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem von ihnen wahrzunehmenden Rechtsgebiet forderten (so z.B. § 18 a. F. ArbGG, der für die Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf den Gebieten des Arbeitsrechts und des Arbeitslebens forderte), als mit dem Gedanken der Gleichwertigkeit der Richter aller Gerichtszweige unvereinbar durch das DRiG beseitigt worden (vgl. §§ 88, 92). 5. Die nach früherem Recht erworbene Befähigung zum Richteramt hat auch nach Inkrafttreten des DRiG ihren Bestand beibehalten (§ 109). § 5 a Vorbereitungsdienst (1) Zwischen der ersten und der zweiten Prüfung muß ein Vorbereitungsdienst von zwei Jahren liegen. Die Ausbildungszeit ist zu verwenden zum Dienst 1. bei einem ordentlichen Gericht in Zivilsachen, 2. bei einem Gericht in Strafsachen oder einer Staatsanwaltschaft, 3. bei einer Verwaltungsbehörde, 4. bei einem Rechtsanwalt, 5. nach Wahl des Referendars a) zusätzlich bei den in den Nummern 1 bis 4 genannten Stellen, b) bei einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes, c) bei einem Gericht der Verwaltungs-, der Finanz-, der Arbeits- und der Sozialgerichtsbarkeit, d) bei einem Notar, e) bei einer Gewerkschaft, einem Arbeitgeberverband oder einer Körperschaft wirtschaftlicher, sozialer und beruflicher Selbstverwaltung, f) bei einem Wirtschaftsunternehmen, g) bei einer überstaatlichen, zwischenstaatlichen oder ausländischen Stelle oder bei einem ausländischen Rechtsanwalt, h) bei einer sonstigen Stelle, bei der eine sachgerechte Ausbildung gewährleistet ist. (2) Der Vorbereitungsdienst bei einer Stelle dauert mindestens drei Monate; er soll bei höchstens fünf Stellen abgeleistet werden. Eine Ausbildung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften kann auf die Ausbildung nach Nummer 3 oder 5 mit bis zu drei Monaten angerechnet werden. Während des Vorbereitungsdienstes können Ausbildungslehrgänge bis zu einer Gesamtdauer von drei Monaten vorgesehen werden. Der Vorbereitungsdienst kann im Einzelfall aus besonderem Grund verlängert werden. (3) Das Nähere regelt das Landesrecht. Entstehungsgeschichte. Anstelle der aufgehobenen Abs. 3, 4 des § 5 wurde § 5 a eingefügt durch Ges. vom 10. 9. 1971 (BGBl. I 1557), in Kraft ab 16. 6. 1972. Schrifttum: P a l m , Die Neuordnung des juristischen Vorbereitungsdienstes, JVB1. 1972 145; derselbe: Die juristischen Staatsprüfungen im Wandel, JVB1. 1972 265; L o h s e , Die Teilreform der Juristenausbildung, JuS 1973 123. 1. Bundesrechtliche Grundsätze. § 5 a, der bundesrechtlich die — gegenüber dem früheren Recht verkürzte — Dauer des Vorbereitungsdienstes regelt und teils zwingend (Absatz 1 „ist zu verwenden", Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 2 „dauert mindestens"), teils in Form einer Sollvorschrift (Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 2) bundesrechtliche Grundsätze für die Einteilung des Vorbereitungsdienstes aufstellt und die Regelung der Einzelheiten dem Landesrecht überläßt (Absatz 3), ist das Ergebnis einer seit langem und in den letzten Jahren mit zunehmender Intensität geführten Diskussion über die Reform der Juristenausbildung. Diese Diskussion ging Hand in Hand mit Forderungen nach einer Reform der beiden in § 5 geforderten juri-

3064

A. Deutsches Richtergesetz

§ 5 a Anm. 2, 3 § 5 b

stischen Prüfungen, die zur Einfügung des § 5 d geführt haben. Uber die Grundgedanken der Neuregelung des Vorbereitungsdienstes, auf die hier nicht weiter einzugehen ist, unterrichtet P a l m JVB1. 1972 145. 2. An Ländervorschriften über die Juristenausbildung und die Durchführung der beiden Prüfungen gelten z. Zt. in Baden-Württemberg: Ges. über die juristischen Staatsprüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst i. d. F. vom 18. 5. 1971 (GBl. 190); VO über die Ausbildung und Prüfung der Juristen (JAPO) i. d. F. vom 24. 3. 1972 (GBl. 144); Bayern: Ausbildungs- und PrüfungsO für Juristen vom 18.3. 1966 (GVB1. 120), mehrfach geändert, zuletzt durch VO vom 24. 5. 1972 (GVB1. 177); Berlin: Ges. über die juristische Ausbildung i. d. F. vom 9. 6. 1972 (GVB1. 1000), Ausbildungs- und PrüfungsO für Juristen vom 9. 6. 1972 (GVB1. 1004); Bremen: JustizausbildungsO vom 14. 3. 1967 (GVB1. 27), zuletzt geändert durch VO vom 13. 6. 1972 (GBl. 139); Hamburg: JuristenausbildungsO vom 10. 7. 1972 (GVB1. 133); Hessen: Juristische AusbildungO vom 10. 9. 1965 (GVB1. I 193), mehrfach geändert, zuletzt durch VO vom 16. 6. 1972 (GVB1.1 155); Niedersachsen: AusbildungsO für Juristen vom 7. 6. 1972 (GVB1. 275); Nordrhein-Westfalen: Juristenausbildungsges. i. d. F. der Bek. vom 6. 7. 1972 (GVB1. 200), JuristenausbildungsO i. d. F. vom 6. 7. 1972 (GVB1. 206); Rheinland-Pfalz: Ges über die jur. Ausbildung vom 15. 7. 1970 (GVB1. 229) mit Änderung vom 2 0 . 6 . 1 9 7 2 (GVB1. 208), Jur. Ausbildungs- und PrüfungsO vom 21. 12. 1972 (GVB1. 1973,2); Saarland: AusbildungsO für Juristen i. d. F. vom 22. 9. 1972 (ABl. 692); Schleswig-Holstein: VO über die Ausbildung der Juristen i. d. F. vom 25. 5. 1972 (GVOB1. 91). 3. Die Zulassung zum Vorbereitungsdienst erfolgt in der Form der Ernennung zum Referendar (Beamter auf Widerruf)- Wegen der Aufgaben, die einem Referendar zur Wahrnehmung übertragen werden können, vgl. §§ 10, 142 Abs. 3 GVG und Anm. 8 zu § 10 GVG. Wer die 2. Prüfung bestanden hat, darf nach Maßgabe der landesrechtlichen Ausbildungsordnungen (vgl. z. B. § 79 a Abs. 1 Saarl. JAO vom 22. 9. 1972) die Bezeichnung „Assessor" führen. Zur Rechtsstellung der Referendare vgl. noch BVerfG D Ö D 1972 172; VG Münster DVB1. 1972 964. § 5 b. Einstufige Ausbildung. (1)Das Landesrecht kann Studium und praktische Vorbereitung in einer gleichwertigen Ausbildung von mindestens fünfeinhalb Jahren zusammenfassen. Ein Teil der Ausbildung ist bei Gerichten, Verwaltungsbehörden und Rechtsanwälten abzuleisten. Die erste Prüfung kann durch eine Zwischenprüfung oder durch ausbildungsbegleitende Leistungskontrollen ersetzt werden. Die Abschlußprüfung soll in ihren Anforderungen der in § 5 vorgesehenen zweiten Prüfung gleichwertig sein. § 6 Abs. 2 gilt entsprechend. (2) Teilnehmer an einer Ausbildung nach Absatz 1 können die in § 10 Abs l und § 142 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes, § 2 Abs. 4 des Rechtspflegergesetzes, § 53 Abs. 4 Satz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung, § 116 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozeßordnung und § 142 Abs. 2 der Strafprozeßordnung bezeichneten Tätigkeiten wahrnehmen, wenn sie den Ausbildungsstand erreicht haben, der für die jeweilige Tätigkeit erforderlich ist. In Beziehung auf diese Tätigkeit haben sie die Rechte und Pflichten eines Referendars. Das Nähere regelt das Landesrecht. (3) Bei Anwendung des § 4 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte stehen Teilnehmer an einer Ausbildung nach Absatz 1 den Referendaren gleich. (4) Neben einer Ausbildung nach Absatz 1 ist mindestens der Vorbereitungsdienst nach § 5 a zu ermöglichen. Entstehungsgeschichte: § 5b ist eingefügt durch Ges. vom 10. 9. 1971 (BGBl. I 1557). 3065

§ 5 b Anm. 1 Anhang (Schäfer) § 5 C Anm. 1; § 5 d Anm. 1 Schrifttum: W a s s e r m a n n , Einstufige Juristenausbildung, DRiZ 1970 241; B a u m a n n , Änderung des DRiG? JZ 1971 87; L o h s e , Die Teilreform der Juristenausbildung, JuS 1973 123; N i e b i e r , Die einstufige Juristenausbildung in Bayern, DVB1. 1973 114; G ö r i n g , Das Modell Hannover einer einstufigen Juristenausbildung, DVB1. 1973 121. Gesetzesmaterialien: Entw. BT-Drucks. VI/1380 vom 5. 11. 1970. 1. § 5 b (sog. Experimentierklausel) soll die Erprobung einer in der Reformdiskussion (vgl. dazu die Erörterungen und Beschlüsse des 48. Deutschen Juristentages, Mainz 1970, Berichte NJW 1970 2007; JZ 1970 736) geforderten einphasigen Ausbildung ermöglichen, für die verschiedene „Modelle" in Vorschlag gebracht wurden. Seine Geltungsdauer ist begrenzt bis zum 15. 9. 1981. Durch Absatz 4 sind die Länder daran gehindert, nur die einstufige Ausbildung vorzusehen. Uber Maßnahmen und Pläne, die einstufige Ausbildung zu erproben, vgl. auch DRiZ 1973 32. § 5 c. Anrechnung einer Ausbildung für den gehobenen Dienst. (1) Eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung für den gehobenen Justizdienst oder für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst kann auf Antrag bis zur Dauer von 18 Monaten auf eine Ausbildung nach den § § 5 und 5 a angerechnet werden. Auf den Vorbereitungsdienst dürfen jedoch nicht mehr als sechs Monate angerechnet werden. (2) Absatz 1 gilt für eine Ausbildung nach § 5 b entsprechend. (3) Das Nähere regelt das Landesrecht. Entstehungsgeschichte: § 5 c wurde eingeführt durch Ges. vom 10.9. 1971 (BGBl. I 1557). 1. Wegen der Bedeutung der Vorschrift und über ihre Handhabung vgl. P a l m JVB1. 1972 145, 150. § 5 d. Prüfungen. Das Landesrecht kann vorsehen, daß Teile von Prüfungen während der Ausbildungszeit abgelegt werden. Es kann ferner bestimmen, daß bei der Entscheidung über das Ergebnis der zweiten Prüfung Noten für Leistungen im Vorbereitungsdienst bis zu einem Drittel auf die Gesamtnote angerechnet werden. Entstehungsgeschichte: § 5 d wurde eingefügt durch Ges. vom 10.9.1971 (BGBl. I 1557). Schrifttum: P a l m , Die juristischen Staatsprüfungen im Wandel, JVB1. 1972 265. 1. Vorverlegung von Prüfungsteilen (Zu Satz 1). Der bisherigen Handhabung, nach der bei der zweistufigen Ausbildung die in § 5 geforderten zwei Prüfungen jeweils am Ende des Ausbildungsabschnitts — das Referendarexamen nach Beendigung des Studiums, das Assessorexamen nach Beendigung des Vorbereitungsdienstes (§ 5 a) — durchgeführt werden, wurde bei den Reformerörterungen der Gedanke ausbildungsbegleitender Leistungskontrollen (§ 5 b Abs. 1 Satz 3) gegenübergestellt. Vgl. dazu Nr. 11 Satz 2 der Beschlüsse zum Thema „Juristenausbildung" des 48. Deutschen Juristentages (Mainz 1970; vgl. NJW 1970 2007; S e n g l e JZ 1970 736): „Die weitgehende Ersetzung der Prüfung durch ausbildungsbegleitende Leistungskontrollen sollte erprobt werden". Die Befürworter eines solchen Verfahrens erwarten von ihm vor allem eine „Entballung" des Prüfungsverfahrens, eine Verkürzung der Prüfungsdauer, verbunden mit einer psychischen und physischen Entlastung des Prüflings. § 5 d hat den Gedanken in der Form aufgegriffen, daß er es den Ländern überläßt zu bestimmen, daß Teile von Prüfungen in die Ausbildungszeit vorverlegt werden können. Maßgebend für die Schaffung des § 5 d waren auch Reformpläne über den Aufbau von Hochschulen und Studiengängen nach dem „Baukastensystem" mit entsprechenden Teilprüfungen und über die „Abschichtung" von Prüfungsfächern während des Studiums (vgl. P a l m JVB1. 1972 265, 273; dort auch über die grundsätzlichen Bedenken und die praktischen Schwierigkeiten, die gegen die Vorverlegung von Prüfungsteilen geltend gemacht werden). Von der 3066

A. Deutsches Richtergesetz

§ 5 d Anm. 2, 3 § 6 Anm. 1, 2

Möglichkeit, Teile des Referendarexamens in die Zeit des Studiums vorzuverlegen, hat bisher kein Land Gebrauch gemacht. Dagegen ist die Anfertigung von schriftlichen Prüfungsteilen des Assessorexamens während des Vorbereitungsdienstes — in wechselnder Gestalt — in einigen Ländern vorgesehen (näheres bei P a l m aaO.). 2. Anrechnung von Leistungen im Vorbereitungsdienst (zu Satz 2). Schon vor Schaffung des § 5 d war in den Prüfungsordnungen der Mehrzahl der Länder die Anrechnung der Leistungen im Vorbereitungsdienst auf die Gesamtprüfungsnote des Assessorexamens mit einem bestimmten Bruchteil vorgesehen, wobei die „Leistungen" rechnerisch aus den dem Referendar in den einzelnen Stationen und in den Referendargemeinschaften erteilten Zeugnissen ermittelt wurden (wegen der Einzelheiten vgl. P a l m aaO. 277). Die Einfügung des § 5 d dient weniger der bundesgesetzlichen Legalisierung dieses Verfahrens als vielmehr seiner Beschränkung: Durch die Festsetzung einer Höchstanrechnungsquote von einem Drittel soll verhindert werden, daß Länder weitergehenden Anrechnungswünschen bestimmter Interessentengruppen — gefordert wurden z. T. Anrechnungsquoten von 50 % als ein erster Schritt auf dem Weg zur vollständigen Abschaffung der Schlußprüfung; selbst die Grundgesetzmäßigkeit des § 5 wurde bestritten (vgl. dazu VG Gelsenkirchen JMB1. NRW 1970 224) Raum geben (vgl. P a l m aaO.; dort auch über die Anrechnungsquote in den einzelnen Ländern und über auftauchende rechtliche Zweifelsfragen bzgl. der Anfechtbarkeit der einzelnen Zeugnisse als selbständiger Verwaltungsakt). Baden-Württemberg und Bayern kennen keine Anrechnung. 3. § 5 d Satz 2 bezieht sich nur auf die Anrechnung von Leistungen im Vorbereitungsdienst (§ 5 a), nicht auf die Anrechnung von Leistungen während des Studiums (Teilnahme an Übungen und Seminaren) auf die Gesamtnote der ersten Prüfung. § 6. Anerkennung von Prüfungen (1)Die Zulassung zum Vorbereitungsdienst darf einem Bewerber nicht deswegen versagt werden, weil er die erste Prüfung nach § 5 in einem anderen Land im Geltungsbereich dieses Gesetzes abgelegt hat. Die in einem Land im Geltungsbereich dieses Gesetzes auf den Vorbereitungsdienst verwendete Zeit ist in jedem deutschen Land anzurechnen. (2) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Befähigung zum Richteramt nach § 5 erworben hat, ist im Bund und in jedem deutschen Land zum Richteramt befähigt. 1. Absatz 1 entspricht dem früheren durch § 85 Nr. 1 DRiG aufgehobenen § 3 GVG, jedoch mit der Änderung, daß die früheren „kann"-Vorschriften in zwingende Vorschriften umgewandelt wurden. Einen Zulassungszwang spricht § 6 Abs. 1 Satz 1 nicht aus (vgl. Anm. 2). Er besagt nur, daß die Ablegung der Prüfung in einem anderen Bundesland keinen Grund für die Versagung der Zulassung in einem Land bilden darf. Erste Prüfungen, die nicht „nach § 5" — also nach dem Inkrafttreten des DRiG — abgelegt sind, stehen Prüfungen „nach § 5" gleich, wenn sie gemäß § 113 anerkannt sind. Erste Prüfungen, die vor dem Inkrafttreten des DRiG in der D D R abgelegt wurden, können die Länder gemäß § 113 anerkennen. Ist dies nicht geschehen, so befindet die Landesjustizverwaltung im Einzelfall darüber, ob sie einen Bewerber zulassen will. § 6 Abs. 1, der sich nur mit den „im Geltungsbereich dieses Gesetzes" abgelegten Prüfungen befaßt, würde einer solchen Anerkennung nicht entgegenstehen (ebenso S c h m i d t - R ä n t s c h 3). Die „Abschlußprüfung" in der D D R entspricht nicht der 2. juristischen Prüfung des § 5 (BGHZ 49 379). 2. Versagung der Zulassung. Das nach § 5 a bestehende Ausbildungsmonopol der Landesjustizverwaltungen schließt aus, daß diese bei Personen, die das 1. Examen bestanden haben, nach freiem Ermessen über die Zulassung oder Nichtzulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst entscheiden; dem steht Art. 12 Abs. 1 Satz 1 G G entgegen (BVerwGE 6 13 = DOV 1958 227). Andererseits besteht ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in den Vorbereitungsdienst allenfalls nur bei nicht atypischen Fällen (BVerwGE 12 284, 285; VGH Mannheim DÖV 1968 422; OVG Lüneburg NJW 1973 73); der Staat ist nicht verpflichtet, jeden Bewerber ausnahmslos zuzulassen, vielmehr kann er, soweit es im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderlich ist, ungeeignete Bewerber (z. B. solche, die sich durch verfassungsfeindliche Betätigung, schlechte Führung oder erhebliche Vorstrafen als unge3067

§ 6 Anm. 3 , 4 Anhang (Schäfer) § 7 Anm. 1 eignet erweisen) nach bestimmten Grundsätzen zurückweisen (vgl. OVG Lüneburg NJW 1973 73; H i r s c h m a n n DRiZ 1962 81; BVerwG DÖV 1958 227). Auch könnte eine Ernennung zurückgestellt werden, solange in dem Gerichtsbezirk, in dem der Bewerber ausgebildet sein möchte, bereits mehr Referendare ernannt sind, als ausgebildet werden können. Jedoch würden Vorschriften in Ausbildungsordnungen, nach denen die Zulassung zum Vorbereitungsdienst nach Erreichung eines bestimmten Lebensalters versagt werden kann, gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen und wären nichtig (BVerwGE 6 13 = JZ 1958 409), ebenso solche, die die Zulassungsversagung nach Ablauf bestimmter Zeit seit Ablegung des Referendarexamens vorsehen (LVG Düsseldorf MDR 1953 382). S. dazu auch M e n z e l JZ 1959 567. 3. Absatz 2 entspricht dem früheren — ebenfalls durch § 85 Nr. 1 DRiG aufgehobenen — § 5 GVG. Der „nach § 5" erworbenen Richteramtsbefahigung steht gemäß § 109 DRiG eine solche gleich, die bei Inkrafttreten des DRiG nach den bisher geltenden Vorschriften erworben war. Die Befähigung erstreckt sich auf die Wahrnehmung des Richteramts in allen Gerichtszweigen, aber naturgemäß die „nach § 5" erworbene Befähigung nicht auf die Wahrnehmung des Richteramts eines technischen Mitglieds des Bundespatentgerichts, das die besondere Befähigung „zum Richteramt bei dem Bundespatentgericht" nach § 120 voraussetzt. Absatz 2 ist nach der Abschlußprüfung der einstufigen Ausbildung entsprechend anwendbar (§ 5 b Abs. 1 Satz 5). 4. Wiederholung von Prüfungen. Zu den Regelungsbefugnissen des Landesrechts, die ihm nach §§ 5, 6 verbleiben, gehört auch die Bestimmung darüber, wie oft eine mißlungene Prüfung wiederholt werden darf. Die Festeilung der Prüfungskommission eines Landes, daß eine Prüfung nicht bestanden sei, ist zwar ein Verwaltungsakt, der auch in jedem anderen Land gilt. Der Umstand, daß nach Nichtbestehen einer Prüfung in einem Land nach der PrüfungsO dieses Landes eine weitere Wiederholung ausgeschlossen ist, hindert aber nicht die Zulassung des Prüflings zur Wiederholung der Prüfung in einem anderen Land, das eine Wiederholung mißlungener Prüfungen in weiterem Umfang als das Ausgangsland zuläßt (BVerwG JZ 1967 359). § 7. Universitätsprofessoren Jeder ordentliche Professor der Rechte an einer Universität im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist zum Richteramt befähigt. 1. Die Vorschrift entspricht dem früheren, durch § 85 Nr. 1 DRiG aufgehobenen § 4 GVG. § 7 bezieht sich nach seiner Entstehungsgeschichte nur auf die ordentlichen Rechtslehrer an Universitäten im herkömmlichen Sinn, nicht auf solche an technischen Hochschulen (auch nicht an solchen mit der Bezeichnung „Technische Universität") oder an anderen Hochschulen für bestimmte Disziplinen (ebenso B a u m b a c h - L a u t e r b a c h 1; a. M. H a n a c k JZ 1967 510, der von einem „materiellen Begriff" der Universität ausgeht, und E y e r m a n n - F r ö h l e r Rdn. 2 zu § 15 VwGO, weil nach § 16 VwGO „ordentliche Professoren des Rechts" [ohne eine dem § 7 DRiG entsprechende Einschränkung] zu Richtern bei den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten im Nebenamt ernannt werden können). Die Befähigung zum Richteramt ist nicht auf die Dauer der Verwendung an einer Universität in der Bundesrepublik beschränkt, die Ernennung zum o. Prof. ist vielmehr ein dauernder Erwerbsgrund. Der Professor kann ein Richteramt neben seinem Lehramt bekleiden (§ 4 Abs. 2 Nr. 3). Er muß dann aber — jedenfalls außerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. Anm. 1 zu § 11 — zum Richter auf Lebenszeit ernannt werden ( K e r n JZ 1961 621). S. noch §41 Abs. 2.

3068

A. Deutsches Richtergesetz

§ 8 Anm. 1 § 9 Anm. 1

DRITTER ABSCHNITT Richterverhältiiis § 8. Rechtsformen des Richterdienstes Richter können nur als Richter auf Lebenszeit, auf Zeit, auf Probe oder kraft Auftrags berufen werden. 1. § 8 legt abschließend die 4 Statusformen fest, in denen allein das Amt eines Berufsrichters ausgeübt werden kann, nämlich als Richter auf Lebenszeit (§ 10), auf Zeit (§ 11) oder als Anwärter auf das Amt eines Richters auf Lebenszeit, d. h. als Richter auf Probe (§§ 11—13) oder als Richter kraft Auftrags (§§ 14—16). Von ihnen haben nur die Richter auf Lebenszeit und auf Zeit die volle Garantie der persönlichen Unabhängigkeit (Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit). Diese Regelung ist mit dem GG vereinbar. Art. 97 Abs. 2 GG betrifft nur die Rechtsstellung der „planmäßig endgültig angestellten" Richter und schließt die Verwendung von Richtern, die nicht „planmäßig endgültig angestellt" sind, nicht aus (vgl. BVerfGE 3 213, 224, NJW 1954 30, BGHZ 10 59, BAG NJW 1955 278). Jedoch stellt die Verwendung solcher Richter die Ausnahme dar, weil der Grundsatz der (sachlichen) Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) nur bei umfassender persönlicher Unabhängigkeit voll gewährleistet ist (vgl. dazu Anm. III 2 zu § 59 GVG und Anm. 1 zu § 10 DRiG). Nicht mehr zulässig ist die Verwendung beauftragter Richter, d. h. von Personen mit der Befähigung zum Richteramt, die vorübergehend mit der Wahrnehmung eines Richteramts beauftragt sind und von Richtern auf Widerruf. Es gibt auch keine Richter im Nebenamt (Personen, die gleichzeitig teils als Richter, teils als Beamte verwendet werden) mehr. Nur soweit nach § 4 Abs. 2, § 27 Abs. 2 DRiG ein Berufsrichter ein anderes (richterliches oder nichtrichterliches) Amt gleichzeitig bekleiden kann, z. B. ein Richter, der gleichzeitig beamteter Professor an einer Hochschule ist, kann noch von einem „Richter im Nebenamt" gesprochen werden (vgl. §§ 16, 18 VwGO), wenn arbeitsmäßig die Tätigkeit in dem anderen Amt überwiegt. Unberührt bleibt die Wahrnehmung bestimmter richterlicher Geschäfte durch Nichtrichter, nämlich durch Referendare (§ 10 GVG) und durch Rechtspfleger nach den Vorschriften des Rechtspflegerges.

§ 9. Voraussetzungen für die Berufungen In das Richterverhältnis darf nur berufen werden, wer 1. Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist, 2. die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt, und 3. die Befähigung zum Richteramt besitzt (§§ 5 bis 7). 1. Weitere nicht in § 9 aufgeführte Berufungsvoraussetzungen sind Geschäftsfähigkeit, Amtsfähigkeit, Würdigkeit und die gesetzlich vorgesehene Beteiligung eines Richterwahlausschusses (vgl. §§18, 19 DRiG). Das Fehlen der in § 9 Nr. 1, 3 bezeichneten Voraussetzungen führt zur Nichtigkeit oder zur Zurücknahme der Ernennung (§ 18 Abs. 2 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 2), der nachträgliche Verlust der Eigenschaft als Deutscher zur Entlassung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1). Das Fehlen der Verfassungstreue i. S. des § 9 Nr. 2 - der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist aus Art. 18, 21 GG übernommen — kann, wenn über ihr Vorhandensein arglistig getäuscht wurde, die Zurücknahme der Ernennung nach § 19 Abs. 1 Nr. 3 begründen. Tritt eine verfassungsfeindliche Einstellung nachträglich hervor, so kann ein Richter auf Probe oder kraft Auftrags nach Maßgabe der §§ 22, 23 wegen mangelnder Eignung entlassen werden. Im übrigen, insbes. bei Richtern auf Lebenszeit, kommt, wenn nicht Verfehlungen nach § 24 (vgl. auch dort Nr. 4) kraft Gesetzes mit der rechtskräftigen Verurteilung zur Beendigung des Richterverhältnisses führen, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens (§§63 ff., 71) oder eines Richteranklageverfahrens (s. Anm. 5 zu § 30) in Betracht. 3069

§ 10

Anhang (Schäfer)

Anm. 1—3 § 10. Ernennung auf Lebenszeit (1) Zum Richter auf Lebenszeit kann ernannt werden, wer nach Erwerb der Befähigung zum Richteramt mindestens drei Jahre im richterlichen Dienst tätig gewesen ist. (2) Auf die Zeit nach Absatz 1 können angerechnet werden Tätigkeiten 1. als Beamter des höheren Dienstes, 2. im deutschen öffentlichen Dienst oder im Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung, wenn die Tätigkeit nach Art und Bedeutung der Tätigkeit in einem Amt des höheren Dienstes entsprochen hat, 3. als habilitierter Lehrer des Rechts an einer deutschen wissenschaftlichen Hochschule, 4. als Rechtsanwalt, Notar oder als Assessor bei einem Rechtsanwalt oder Notar, 5. in anderen Berufen, wenn die Tätigkeit nach Art und Bedeutung wie die unter den Nummern 1 bis 4 genannten Tätigkeiten geeignet war, Kenntnisse und Erfahrungen für die Ausübung des Richteramts zu vermitteln. Die Anrechnung von mehr als zwei Jahren dieser Tätigkeiten setzt besondere Kenntnisse und Erfahrungen des zu Ernennenden voraus. Entstehungsgeschichte: Nr. 5 ist mit Wirkung vom 16. 6. 1972 eingefügt durch Ges. vom 10. 9. 1971 (BGBl. I 1557). 1. Grundsatz der Verwendung von Richtern auf Lebenszeit. Der durch § 85 Nr. 1 DRiG aufgehobene § 6 GVG bestimmte: „Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt". Im Anschluß an diese Vorschrift schrieb Art. 104 Abs. 1 WeimVerf. vor: „Die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit werden auf Lebenszeit ernannt". In diesen Vorschriften kam der Gedanke zum Ausdruck, daß zur Wahrung der vollkommenen sachlichen Unabhängigkeit der Richter die Rechtsprechung grundsätzlich nur durch Richter ausgeübt werden dürfe, bei denen die sachliche Unabhängigkeit (die Weisungsfreiheit) durch das Merkmal der Unabsetzbarkeit („auf Lebenszeit") garantiert ist; neben die Unabsetzbarkeit trat zur Vervollständigung der persönlichen Unabhängigkeit das weitere Merkmal der Unversetzbarkeit (§ 8 GVG, gleichfalls au gehoben durch § 85 Nr. 1 DRiG). Das DRiG enthält zwar einen formlichen, dem § 6 GVG und dem Art. 104 WeimVerf. entsprechenden Ausspruch nicht mehr (vgl. dazu Anm. 1 zu § 8). In der Sache selbst hat sich aber nichts geändert, vielmehr bringt das DRiG den genannten Grundsatz durch eine Reihe von Einzelvorschriften — und zwar der Sache nach in wesentlich schärferer Form als das bisherige Recht — zum Ausdruck. Nach § 28 Abs. 1 DRiG dürfen bei einem Gericht nur Richter auf Lebenszeit tätig werden, soweit nicht das DRiG oder ein anderes Bundesgesetz Ausnahmen zuläßt. Im Kollegialgericht darf nach § 28 Abs. 2 nur ein Richter auf Lebenszeit den Vorsitz führen. Durch § 29 ist die Mitwirkung nicht auf Lebenszeit ernannter Richter zahlenmäßig beschränkt. Die der Ernennung zum Richter auf Lebenszeit vorangehende Probezeit der Anwärter ist der Höchstdauer nach beschränkt (§§12 Abs. 2, 16). Nach den gerichtsverfassungsrechtlichen Vorschriften (vgl. §§ 22 Abs. 5, 59 Abs. 3 GVG, § 18 Abs. 7 ArbGG, § 17 VwGO, § 11 Abs. 3 SGG) können nicht auf Lebenszeit angestellte Richter im allgemeinen nur bei den erstinstanzlichen Gerichten verwendet werden. Schließlich bestehen über diese Vorschriften hinaus aus dem Grundsatz der Unabhängigkeit hergeleitete weitere Beschränkungen des Umfangs, in dem nicht auf Lebenszeit angestellte Richter zu Rechtsprechungsaufgaben verwendet werden können (vgl. Anm. III 2 zu § 59 GVG). 2. Da ein auf Lebenszeit ernannter Richter grundsätzlich unabsetzbar und unversetzbar ist, muß der Ernennung auf Lebenszeit in der Regel (Ausnahme § 10 Abs. 2 letzter Satz) eine Zeit der Erprobung im richterlichen Dienst (d. h. in der Rechtsprechung oder in der Wahrnehmung von Aufgaben, die aufgrund eines Gesetzes Gerichten oder Richtern zugewiesen sind, § 4 Abs. 2 Nr. 2) vorausgehen. Die Mindest- und Höchstdauer dieser Erprobungszeit ergibt sich aus den §§ 10, 12 Abs. 2, 16 Abs. 1. Diese Vorschriften richten sich an die Anstellungsbehörde, ihre Nichtbeachtung berührt die Wirksamkeit der Ernennung nicht. 3. § 10 wird ergänzt durch § 122 Abs. 2, wonach eine staatsanwaltschaftliche Tätigkeit dem richterlichen Dienst i. S. des § 10 Abs. 1 gleichsteht. 3070

A. Deutsches Richtergesetz

§ 11 Anm. 1 —3 § 12 Anm. 1,2

§ 11. Ernennung auf Zeit Eine Ernennung zum Richter auf Zeit ist nur unter den durch Bundesgesetz bestimmten Voraussetzungen und nur für die bundesgesetzlich bestimmten Aufgaben zulässig. 1. Eine Bestellung von Berufsrichtern für eine von vornherein bestimmte Zeit widerspricht dem G G nicht (vgl. Anm. 1 zu § 8). Art. 97 Abs. 2 Satz 1 setzt vielmehr eine solche Gestaltung des Richterverhältnisses als möglich voraus („vor Ablauf ihrer Amtszeit"). Sie bildet aber durchaus die Ausnahme, da nach der in Deutschland lebendigen Rechtsüberzeugung eine wirkliche sachliche Unabhängigkeit nur bei der der Tradition des deutschen Berufsrichtertums entsprechenden Anstellung auf Lebenszeit gewährleistet erscheint und die z. T. abweichenden Regelungen des Auslands auf geschichtlichen Überlieferungen und sozialen und politischen Verhältnissen beruhen, die mit den in Deutschland herrschenden nicht vergleichbar sind. Richter auf Zeit gibt es beim BVerfG (vgl. § 4 BVerfGG und dazu § 69 DRiG). Ob auch die Ernennung eines Professors der Rechte zum nebenamtlichen Richter auf bestimmte Zeit am Oberverwaltungs- und Verwaltungsgericht (§ 16 VwGO) ein Anwendungsfall des §11 ist, ist streitig (bejahend Ey er m a n n - F r öhl er 2 zu § 1 6 VwGO, G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 4 , a. M. S c h m i d t - R ä n t s c h 3 z u § 89). 2. Das DRiG stellt den Richter auf Zeit in allen wesentlichen Beziehungen dem Richter auf Lebenszeit gleich (vgl. §§ 18 Abs. 3, 19 Abs. 3, 21 Abs. 3, 24, 30, 31, 32, 34, 35, 37, 62 Abs. 1 Nr. 3, 78 Nr. 3). 3. Ein Richterverhältnis auf Zeit i. S. des § 11 liegt nicht vor, wenn einem Richter auf Lebenszeit ein weiteres Richteramt auf bestimmte Zeit übertragen wird (vgl. § 27 Abs. 2). § 12. Ernennung auf Probe (1) Wer später als Richter auf Lebenszeit oder als Staatsanwalt verwendet werden soll, kann zum Richter auf Probe ernannt werden. (2) Spätestens fünf Jahre nach seiner Ernennung ist der Richter auf Probe zum Richter auf Lebenszeit oder unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Staatsanwalt zu ernennen. Die Frist verlängert sich um die Zeit einer Beurlaubung ohne Bezüge. Entstehungsgeschichte: Der bisherige Satz 2 des Absatzes 1 (Er führt die Bezeichnung „Gerichtsassessor") ist durch Art. I Nr. 1 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) gestrichen (vgl. jetzt §§ 19 a Abs. 3, 29 Abs. 2 DRiG). Durch das gleiche Gesetz wurde in Absatz 2 Satz 1 „sechs" durch „ f ü n f ' ersetzt und der Satz 2 hinzugefügt. 1. Zu Absatz 1 a). Der Richter auf Probe besitzt, soweit er als Richter verwendet wird, (vgl. § 13), in vollem Umfang sachliche Unabhängigkeit, aber nur beschränkt persönliche Unabhängigkeit. Nach § 22 Abs. 1 kann er während der ersten^ 2 Jahre nach der Ernennung aus jedem sachlich berechtigten Grund, während der folgenden beiden Jahre aus den in § 22 Abs. 2 bezeichneten Gründen und im fünften Jahr (nur) unter den in § 22 Abs. 3 genannten Voraussetzungen entlassen werden. Die Entlassungsverfügung kann beim Dienstgericht angefochten werden (§ 62 Abs. 1 Nr. 4 c, § 78 Nr. 4 c). Er ist ferner während der gesamten Zeit seiner Verwendung als Richter auf Probe ohne Rücksicht auf seine Zustimmung in dem in § 13 bezeichneten Bereich verschiebbar. Eine Begrenzung der freien Verschiebbarkeit ergibt sich aus § 70 Abs. 2 GVG, wonach die Beiordnung eines Richters auf Probe an das Landgericht auf eine bestimmte Zeit auszusprechen ist und vor Ablauf dieser Zeit nicht widerrufen werden darf (vgl. Anm. 4 b zu § 70). Bei der Verwendung von Richtern auf Probe beim Amtsgericht (§ 22 Abs. 5 GVG) und bei den erstinstanzlichen Gerichten der übrigen Gerichtsbarkeitszweige fehlt es an einer dem § 70 Abs. 2 GVG entsprechenden Vorschrift ( S c h m i d t - R ä n t s c h 4 zu § 12, 5 zu § 13), indessen wäre eine Verschiebung, um den Richter auf Probe in bestimmten Sachen nicht tätig werden zu lassen, eine nach Art. 101 GG, § 16 GVG verbotene Richterentziehung. 2 b). Der Richter auf Probe führt nach § 19 a Abs. 3 die Dienstbezeichnung „Richter", und zwar in allen Gerichtszweigen, im staatsanwaltschaftlichen Dienst die Bezeichnung „Staatsanwalt" (§ 19 a Abs. 3). Wegen der Bezeichnung „Assessor" vgl. Anm. 3 zu § 5 a. 3071

§ 12 Anm. 3 Anhang (Schäfer) § 1 3 Anm. 1—4 § 12 schließt nicht aus, daß zur späteren Verwendung als Staatsanwalt Beamte auf Probe eingestellt werden. Als Richter können solche Beamte nur verwendet werden, wenn sie zu Richtern auf Probe ernannt werden (vgl. dazu § 122 Abs. 2). 3. Nach Absatz 2 hat der Richter auf Probe einen (beim Verwaltungsgericht einklagbaren) Anspruch, spätestens zum Ablauf von fünf Jahren seit seiner Ernennung zum Richter auf Lebenszeit oder (nach Wahl des Dienstherrn) zum Staatsanwalt auf Lebenszeit ernannt zu werden. Soweit nach Landesrecht die Ernennung von der Wahl durch einen Richterwahlausschuß abhängig ist, ist der Anspruch auf Ernennung dadurch gesichert, daß ein Richterwahlausschuß nach Ablauf der Vierjahresfrist des § 22 Abs. 2 die Übernahme nicht mehr ablehnen kann. Die oberste Dienstbehörde muß deshalb rechtzeitig vorher (die Landesrichtergesetze sehen z. B. einen bestimmten Zeitpunkt nach der Ernennung zum Richter auf Probe vor) die Sache vor den Wahlausschuß bringen. Die Frist von einem weiteren Jahr ist der Dienstbehörde eingeräumt, weil eine Planstelle u. U. erst einige Zeit nach der Wahl frei werden oder neu geschaffen werden kann. Sollte ausnahmsweise eine Planstelle innerhalb der Fünfjahresfrist nicht zur Verfügung stehen, so müßte die oberste Dienstbehörde den Ernennungsanspruch unter Hinwegsetzung über die haushaltsrechtlichen Vorschriften erfüllen (vgl. Anm. 1 zu § 27). Der Richter auf Probe muß zum Richter auf Lebenszeit bei einem bestimmten Gericht ernannt werden (§ 27); er hat aber keinen Anspruch auf Anstellung bei dem von ihm gewünschten Gericht. Die Voraussetzungen des § 10 müssen erfüllt sein. Die oberste Dienstbehörde muß deshalb, um den Anspruch aus § 12 Abs. 2 nicht zu verkürzen, bei den Verwendungsanordnungen darauf achten, daß die Voraussetzungen des § 10 erfüllt werden. Sollte der Richter, indem er ihm angebotene Planstellen ablehnt, weil er eine bestimmte Stelle erstrebt, es der obersten Dienstbehörde unmöglich machen, den Ernennungsanspruch innerhalb der Fünfjahresfrist zu erfüllen, so verbleibt der Richter in seinem bisherigen Status; eine Entlassung ist nicht möglich (Umkehrschluß aus § 16 Abs. 1 Satz 2, so auch G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 5). Damit erledigen sich die von Eb. S c h m i d t JZ 1963 76 aufgeworfenen Fragen. § 13. Verwendung eines Richters auf Probe Ein Richter auf Probe kann ohne seine Zustimmung nur bei einem Gericht, bei einer Behörde der Gerichtsverwaltung oder bei einer Staatsanwaltschaft verwendet werden. 1. Der Richter auf Probe kann im Bereich seines Dienstherrn (§ 3) ohne seine Zustimmung bei dem Gericht jedes Gerichtszweiges, bei dem eine Verwendung von Richtern auf Probe möglich ist (vgl. Anm. 1 zu § 10), und bei jeder Staatsanwaltschaft i. S. des § 141 GVG verwendet werden. Die „Verwendung bei einem Gericht" erfordert nicht die Zuteilung zu einem Spruchkörper durch das Präsidium zwecks Wahrnehmung von Rechtsprechungsaufgaben (§ 21 e GVG); zulässig ist vielmehr auch zunächst eine Verwendung durch Einarbeitung in den für später vorgesehenen Aufgabenbereich, die außerhalb der rechtsprechenden Tätigkeit liegt, z. B. durch die Betrauung mit der Ausarbeitung von Gutachten und Urteilsentwürfen (vgl. BayDGH DRiZ 1969 292). Behörden der Gerichtsverwaltung (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1) sind nur die Gerichte, nicht die Ministerien ( S c h m i d t - R ä n t s c h 3). Zur Verwendung eines Richters auf Probe in einem Ministerium (auch im Justizministerium) des Bundes oder eines Landes bedarf es also seiner Zustimmung (vgl. § 10 Abs. 2 Nr. 2). Der Zustimmung bedarf es nach §§ 46, 71 DRiG i. Verb, mit § 27 BBG, § 17 BRRG grundsätzlich auch, wenn der Richter auf Probe zu einem Gericht, einer Gerichtsverwaltungsbehörde oder einer Staatsanwaltschaft im Bereich eines anderen Dienstherrn abgeordnet wird. 2. Über weitere Beschränkungen bei der Verwendung eines Richters auf Probe vgl. Anm. 1 zu § 10. Er kann während des ersten Jahres nach seiner Ernennung nicht Vorsitzender des (einfachen) Schöffengerichts sein (§ 29 Abs. 1 Satz 2 GVG). 3. Anfechtbarkeit. Verwendungsanordnungen des Dienstherrn sind, wenn der Richter auf Probe dadurch seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt glaubt, beim Dienstgericht (§§ 26 Abs. 3, 62 Abs. 1 Nr. 4e, 78 Nr. 4e) und, wenn er sie als ermessensmißbräuchlich oder -willkürlich empfindet, beim Verwaltungsgericht anfechtbar. 4. Über das Verhältnis des § 13 zu § 42 vgl. Anm. 1 zu § 42. 3072

A. Deutsches Richtergesetz

§ 14 Anm. 1

§ 15 Anm. 1,2 § 14. Ernennung zum Richter kraft Auftrags Ein Beamter auf Lebenszeit oder auf Zeit kann zum Richter kraft Auftrags ernannt werden, wenn er später als Richter auf Lebenszeit verwendet werden soll. Entstehungsgeschichte: Der bisherige Absatz 2 („Der Richter kraft Auftrags führt im Dienst die Amtsbezeichnung des wahrgenommenen Richteramts") wurde durch Art. I Nr. 1 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) gestrichen. Vgl. jetzt § 19a Abs. 2 DRiG. 1. Die durch das DRiG neu geschaffene Statusform des Richters kraft Auftrags ist nicht zu verwechseln mit der Figur des beauftragten Richters, die das DRiG beseitigt hat (vgl. Anm. 1 zu § 8). Zum Richter kraft Auftrags kann nur ernannt werden, wer — im Besitz der Befähigung zum Richteramt — bereits Beamter auf Lebenszeit ist und auch dieser nur, wenn er später als Richter auf Lebenszeit verwendet werden soll. Andere Personen — etwa ein Rechtsanwalt —, die die Ernennung zum Richter auf Lebenszeit erstreben, müssen grundsätzlich (vgl. § 10) zunächst zum Richter auf Probe ernannt werden. Eine vorübergehende Beauftragung — auch eines Beamten auf Lebenszeit — mit der Wahrnehmung richterlicher Aufgaben, ohne daß eine spätere Verwendung als Richter auf Lebenszeit (oder als Staatsanwalt) beabsichtigt ist, ist nach § 8 nicht möglich. § 14 soll insbes. ermöglichen, daß Verwaltungsbeamte des höheren Dienstes, die Richter auf Lebenszeit in der allgemeinen oder besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit werden wollen, die richterliche Vortätigkeit nach § 10 zurücklegen können, ohne den bereits erworbenen Beamtenstatus aufgeben zu müssen, so daß ihnen vor einer Ernennung zum Richter auf Lebenszeit der Weg der Rückkehr in das bisherige Amt offen bleibt (§ 15 Abs. 1). Der Richter kraft Auftrags steht in zwei öffentlichrechtlichen Dienstverhältnissen: er ist sowohl Richter als auch Beamter, jedoch ruhen während der Dauer des Richterverhältnisses grundsätzlich die Recht und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis ( § 1 5 Abs. 1). Diese Regelung widerspricht nicht dem § 4 DRiG, der nur die gleichzeitige Wahrnehmung von Aufgaben rechtsprechender und vollziehender Gewalt ausschließt. Für die Verwendung der Richter kraft Auftrags und für die Beendigung ihres Dienstverhältnisses gelten die für die Richter auf Probe maßgeblichen Vorschriften entsprechend (§§ 16 Abs. 2, 23); auch gelten die Vorschriften, die die Verwendung nicht auf Lebenszeit ernannter Richter beschränken, gleichmäßig für die Richter auf Probe wie für die Richter kraft Auftrags (vgl. Anm. 1 zu § 10). § 15. Wirkungen auf das Beamtenverhältnis (1) Der Richter kraft Auftrags behält sein bisheriges Amt. Seine Besoldung und Versorgung bestimmen sich nach diesem Amt. Im übrigen ruhen für die Dauer des Richterverhältnisses kraft Auftrags die Rechte und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis mit Ausnahme der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und des Verbots der Annahme von Geschenken. (2) Wird das Richterverhältnis zu einem anderen Dienstherrn begründet, so ist auch dieser zur Zahlung der Dienstbezüge verpflichtet. 1. Über die Bedeutung des Absatzes 1 vgl. Anm. 1 zu § 14. Die in § 15 Abs. 1 Satz 3 bezeichneten Ausnahmen von dem Ruhen der Recht und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis sollen zur Vermeidung von Zweifeln klarstellen, daß der Richter kraft Auftrags in gleicher Weise wie ein aus dem Amt geschiedener Beamter über die ihm bei seiner vorangegangenen Tätigkeit als Beamter bekannt gewordenen Angelegenheiten Stillschweigen zu bewahren hat und Geschenke (einschl. von Belohnungen) in bezug auf die vorangegangene Amtstätigkeit nur mit Genehmigung annehmen darf (vgl. §§ 61, 70 BBG, §§ 39, 43 BRRG). Daß er mit Bezug auf sein Richteramt der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht und dem Verbot ungenehmigter Annahme von Geschenken unterliegt, ergibt sich ohne weiteres aus dem Richterdienstverhältnis (§§ 46, 71 DRiG). 2. Besoldung und Versorgung des Richters kraft Auftrags richten sich gemäß Absatz 1 Satz 2 auch dann nach dem vorher bekleideten Amt, wenn das wahrgenommene Richteramt höher eingestuft wird. Wird das Richterdienstverhältnis zu einem anderen Dienstherrn (§ 3) als dem des Beamtenverhältnisses begründet, so ist nach Absatz 2 der neue Dienstherr neben dem alten zur Zahlung der Dienstbezüge verpflichtet. Wer von beiden Dienstherren im

3073

§ 1 6 Anm. 1,2

Anhang (Schäfer)

§ 17 Innenverhältnis die Bezüge trägt, richtet sich nach den bestehenden haushalts- oder besoldungsrechtlichen Vorschriften oder den besonderen getroffenen Vereinbarungen. § 16. Dauer der Verwendung als Richter kraft Auftrags (1) Spätestens zwei Jahre nach seiner Ernennung ist der Richter kraft Auftrags zum Richter auf Lebenszeit zu ernennen oder einem Richterwahlausschuß zur Wahl vorzuschlagen. Lehnt der Richter die Ernennung ab, so endet das Richterverhältnis kraft Auftrags. (2) Für die Verwendung des Richters kraft Auftrags gelten die Vorschriften für Richter auf Probe entsprechend. 1. Zu Absatz 1. Im Gegensatz zum Richter auf Probe (vgl. § 12 Abs. 2) hat der Richter kraft Auftrags bereits zum Ablauf von 2 Jahren einen klagbaren Anspruch auf Ernennung zum Richter auf Lebenszeit, der — wiederum anders als beim Richter auf Probe — nicht durch Ernennung zum Staatsanwalt abgegolten werden kann (selbstverständlich kann aber der Richter kraft Auftrags mit seinem Einverständnis zum Staatsanwalt auf Lebenszeit ernannt werden). Eine Ausnahme gilt aber in Ländern mit Richterwahlausschüssen (vgl. Anm. l d zu § 17). Hier tritt an die Stelle des Anspruchs auf Ernennung der Anspruch, dem Richterwahlausschuß zur Wahl vorgeschlagen zu werden. Während der Ernennungsanspruch des Richters auf Probe nach Ablauf der Vierjahresfrist auch dann bestehen bleibt, wenn der Richterwahlausschuß ihn nicht wählt (Anm. 3 zu § 12), ist der Anspruch aus § 16 Abs. 1 verbraucht, wenn der Richterwahlausschuß der Ernennung auf Lebenszeit nicht zustimmt. Der Richter kraft Auftrags kann dann, wenn bereits zwei Jahre seit seiner Ernennung verstrichen sind, nur gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2, § 23 zum Ablauf des 3. oder 4. Jahres, im übrigen nur nach §§ 22 Abs. 3, 23 entlassen werden. 2. Zu Absatz 2. Für die Verwendung von Richtern kraft Auftrags gelten die gleichen Grundsätze (§ 13) und Beschränkungen (vgl. Anm. 1 zu § 10) wie für die Richter auf Probe. Eine Abweichung besteht darin, daß nur ein Richter auf Probe, nicht auch ein Richter kraft Auftrags im ersten Jahr nach seiner Ernennung vom Vorsitz im (einfachen) Schöffengericht ausgeschlossen ist (§ 29 Abs. 1 Satz 2 GVG). § 17. Ernennung durch Urkunde (1) Der Richter wird durch Aushändigung einer Urkunde ernannt. (2) Einer Ernennung bedarf es 1. zur Begründung des Richterverhältnisses, 2. zur Umwandlung des Richterverhältnisses in ein solches anderer Art (§ 8), 3. zur Verleihung eines anderen Amtes mit anderem Endgrundgehalt. (3) In der Ernnennungsurkunde müssen bei der Begründung des Richterverhältnisses die Worte „unter Berufung in das Richterverhältnis" mit dem Zusatz „auf Lebenszeit", „auf Zeit", „auf Probe" oder „kraft Auftrags" enthalten sein. Bei der Begründung eines Richterverhältnisses auf Zeit ist die Zeitdauer der Berufung in der Urkunde anzugeben. (4) Bei der Umwandlung eines Richterverhältnisses in ein Richterverhältnis anderer Art müssen in der Ernennungsurkunde die diese Art bestimmenden Worte nach Absatz 2 enthalten sein, bei der ersten Verleihung eines anderen Amtes mit anderem Endgrundgehalt und anderer Amtsbezeichnung muß in der Ernennungsurkunde die Amtsbezeichnung dieses Amtes enthalten sein. Entstehungsgeschichte: Absatz 2 wurde — mit Wirkung vom 16. 6. 1972 — eingefügt durch Ges. vom 10. 9. 1971 (BGBl. I 1557). Literatur: K e r n , Uber die Mitwirkung von Richtern bei der Berufung von Richtern, DRiZ 1958 301; F u r t n e r , Mitwirkung von Richtern bei der Berufung von Richtern, DRiZ 1958 127; W a g n e r , Methoden der Richterernennung, DRiZ 1960 413; B a u r , Richterwahl und Gewaltenteilung, DRiZ 1971 401; I p s e n , Die Richterwahl in Bund und Ländern DÖV 1971 469. Über die Entwicklung der Reformtendenzen zur Frage der Berufung und Beförderung von Richtern vgl. S c h m i d t DRiZ 1972 3. 3074

A. Deutsches Richtergesetz

§ 17 Anm. 1 1. § 17 regelt nur, wann es einer Ernennung bedarf (Abs. 2) und in welcher Form sie erfolgt (Abs. 1, 3, 4). Er besagt nichts über den Begriff der Ernennung, auch nichts darüber, welche Stelle für die Ernennung zuständig ist, und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit sie von ihrem Ernennungsrecht Gebrauch machen darf. a) Die Ernennung ist ein Hoheitsakt des nach den Gesetzen zuständigen Organs der Staatsanwaltschaft. Er bedarf der Einwilligung des zu Ernennenden. Der Zeitpunkt, zu dem die Ernennung wirksam wird, richtet sich bei Richtern des Bundes nach § 46 DRiG, § 10 Abs. 2 BBG, bei den Richtern der Länder nach Landesrecht. b) Wann es einer Ernennung bedarf, ergab sich vor Einfügung des Absatzes 2 für die Richter des Bundes aus § 46 DRiG, § 6 Abs. 1 BBG, für die Landesrichter aus § 71 DRiG, § 5 Abs. 1 BRRG. Durch die Neuregelung der richterlichen Amtsbezeichnungen (§ 19 a) hätten Zweifel entstehen können, in welchem Umfang die beamtenrechtlichen Vorschriften anwendbar sind. Diese Zweifel sollten durch den neuen Absatz 2 beseitigt werden. „Darüber hinaus ist die Frage, in welchen Fällen eine Ernennung erforderlich ist, für das Richterverhältnis von so wesentlicher Bedeutung, daß eine eigenständige Regelung geboten erscheint" (Begr. S. 6 zum Entw. des Ges. vom 10. 9. 1971, BT-Drucks. VI/1380 vom 5. 11. 1970). Aus Absatz 2 ergibt sich, daß eine bloße Versetzung von einem Gericht zu einem anderen ohne Veränderung des Endgrundgehalts und die Übertragung eines weiteren Richteramts bei einem anderen Gericht (§ 27 Abs. 2) keiner Ernennung durch Urkunde i. S. des § 17 bedarf (vgl. die Anm. zu § 27). c) Die Richter im Bundesdienst ernennt der Bundespräsident (Art. 60 GG). Über die Berufung der Richter an den obersten Bundesgerichten entscheidet nach Art. 95 Abs. 2 GG der Bundesfachminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß, der aus den Landesfachministern und einer gleichen Anzahl vom Bundestag gewählter Mitglieder besteht. Die Einzelheiten regelt das Richterwahlges. vom 25. 8. 1950 (BGBl. I 368) i. d. F. der Ges. vom 19. 6. und 30. 7. 1968 (BGBl. I 661, 873). Vor jeder Ernennung oder Wahl eines Richters ist der Präsidialrat des Gerichts zu beteiligen, bei dem der Richter verwendet werden soll; das gleiche gilt, wenn einem Richter ein Richteramt an einem Bundesgericht eines anderen Gerichtszweiges übertragen werden soll (§§ 5 5 ff. DRiG). d) Die Richter im Landesdienst ernennt die nach Landesrecht zuständige Stelle, die zuvor nach Maßgabe des § 75 DRiG und der Landesrichtergesetze (vgl. Anm. 1 zu § 75) den Präsidialrat beteiligen muß. Nach Art. 98 Abs. 4 G G können die Länder bestimmen, daß über die Anstellung der Landesrichter der Landesjustizminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß entscheidet. Danach steht die Einrichtung von Richterwahlausschüssen und die Gestaltung ihres Verfahrens im Belieben der Länder. Art. 98 Abs. 4 G G bindet die Länder, die Richterwahlausschüsse einrichten, nur insofern, als er, um der die Dienstaufsicht führenden Fachzentralbehörde den erforderlichen Einfluß zu sichern, deren Mitwirkung bei der Entscheidung über die Anstellung zwingend vorschreibt. Soweit danach die Mitwirkung des Landesjustizministers auch bei Richtern außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit für Gerichtszweige vorgeschrieben ist, die von einem anderen Fachminister ressortieren, beruht Art. 98 Abs. 4 G G auf einem Redaktionsversehen (h. M.; v. M a n g o l d t 5 zu Art.98GG). Richterwahlausschüsse bestehen in Baden-Württ. (§§ 46 ff. LRiG), Berlin (§§ 9 ff. BerlRiG), Bremen (§§ 7 - 1 7 BremRiG), Hamburg (Art. 63 HambVerf., §§ 7 - 2 1 HambRiG), Hessen (§§ 8ff. HessRiG) und Schleswig-Holstein (§§ 7a bis s RiG). Der Präsidialrat (s. oben) ist zu beteiligen, bevor der Bewerber dem Richterwahlausschuß vorgeschlagen wird. Über die sehr unterschiedlichen Regelungen hinsichtlich der Zusammensetzung der Richterwahlausschüsse, insbes. der Beteiligung von Richtern, ihres Mitwirkungsbereichs (nur bei Erstanstellungen oder auch bei Beförderungen) und des Verfahrens vgl. I p s e n DÖV 1971 469. e) Die Beteiligung von Richterwahlausschüssen, die namentlich im Entstehungsstadium stark umstritten war (vgl. v. M a n g o l d t 4 zu Art. 95 GG, s. auch B e t t e r m a n n , „Grundrechte" III 2 6 0 5 f f ; W e i n k a u f f DRiZ 1960 134),soll die Berufung von allen sachfremden, namentlich parteipolitischen Einflüssen freimachen, wie sie — nach der Auffassung der Befürworter der Richterwahlausschüsse — bei einer Berufung der Richter lediglich durch die 3075

§ 1 7 Anm. 2

Anhang (Schäfer)

§ 18 Regierung zu befürchten sind. Auch wird als Vorzug dieses Berufungsverfahrens angesehen, daß es die Stellung der Richter im Volk, ihr Ansehen und ihre Autorität zu heben geeignet sei. Demgegenüber wird geltend gemacht, daß Richterwahlausschüsse je nach ihrer Besetzung die Gefahr politischer Beeinflussung der Ernennung und eines Zurücktretens des Gesichtspunkts der fachlichen Qualifikation des Anwärters nicht nur nicht bannen, sondern verstärken könnten. Als Gegengewicht wurde, insbes. von seiten der Richterschaft eine stärkere Beteiligung der Richter und der Gerichte bei der Ernennung und Beförderung der Richter gefordert, etwa durch Verstärkung des richterlichen Elements in den Richterwahlausschüssen, die dann in allen Ländern obligatorisch einzurichten seien, oder durch Bildung besonderer, mit Richtern besetzter Beteiligungsgremien. Die noch weitergehenden Reformforderungen einer vollen richterlichen Selbstverwaltung mit selbständigem Recht der Richterzuwahl (vgl. V e r w e y e n DRiZ 1953 154 mit Nachweisen) fanden allerdings wenig Beifall (vgl. die Verhandlungen des 40. Deutschen Juristentags 1953 und die dort gefaßten Entschließungen DRiZ 1953 183f.; s. dazu auch E b S c h m i d t Vorbem. 5 vor § 1 GVG); sie wären mit Art. 20 Abs. 2 G G jedenfalls insoweit nicht zu vereinen, als es sich um die erstmalige Berufung in ein Richteramt handelt (vgl. H e n n i e s DRiZ 1972 410). Im Widerstreit der Meinungen verzichtete das DRiG auf Änderungen der Vorschriften über die Richterwahlausschüsse — soweit sie nicht überhaupt eine Änderung des G G vorausgesetzt hätten —, und bemühte sich, dem Wunsch der Richterschaft nach Beteiligung am Berufungsverfahren in zuückhaltender Form durch Schaffung des Präsidialrats (§§ 55ff., 74 DRiG) Geltung zu verschaffen. Im übrigen ist der Streit um eine grundgesetzmäßige und politisch zweckmäßigste Regelung von Zusammensetzung, Aufgabenbereich und Verfahren der Richterwahlausschüsse nicht beendet. Entgegen der ursprünglich weithin vertretenen Konzeption, daß bei der Richterwahl neben der Exekutive, dem Parlament die Richter (und ggf. auch die Rechtsanwaltschaft) angemessen zu beteiligen seien, ist in neuerer Zeit eine Gegenströmung entstanden, die in einer Zusammensetzung der Richterwahlausschüsse lediglich aus Abgeordneten des Parlaments „die beste Gewähr für eine größtmögliche Transparenz der Entscheidungen" und den Ausschluß der „unkontrollierten Einflußnahme durch andere Kräfte" sieht (so z. B. H e m f l e r DRiZ 1972 94) und sogar bei einer Mitwirkung von Richtern (und Rechtsanwälten) bei der Wahl von einer „fehlenden demokratischen Legitimation" der Gewählten spricht. Solche Auffassungen erscheinen allerdings alles andere als überzeugend (vgl. dazu u.a. H e n n i e s DRiZ 1972 410; B a u r DRiZ 1971 401; I p s e n DÖV 1971 469). 0 Der Beschluß, durch den der Richterwahlausschuß die Eignung eines Bewerbers verneint, ist ein verwaltungsgerichtlich anfechtbarer Verwaltungsakt (OVG Berlin NJW 1955 3 98 = JR 1954 3 93; s. auch OVG Berlin DVB1. 1959 515). 2. Die Vorschriften des § 17 über die Form der Ernennung knüpfen an die entsprechenden Vorschriften der Beamtengesetze über die Form der Ernennung von Beamten an (§ 6 Abs. 2 BBG, § 5 Abs. 2 BRRG). Fehlen die in § 17 Abs. 3, 4 geforderten Worte in der Ernennungsurkunde, so liegt nicht eine nichtige Ernennung (§ 18), sondern es liegt überhaupt keine Ernennung vor (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 3 BBG, § 5 Abs. 3 BRRG in Verb, mit §§ 46, 71 DRiG). Jedoch läßt § 5 Abs. 3 Satz 2 BRRG für Landesbeamte und kraft des § 71 DRiG auch für Landesrichter eine abweichende Regelung der Rechtsfolgen durch die Landesgesetzgebung zu. Davon hat die Landesgesetzgebung z. T. Gebrauch gemacht (vgl. dazu § 12 Abs. 2, 3 Bad.-Württ. RiG, wonach, wenn lediglich die Zusätze „auf Lebenszeit" usw. fehlen, der Richter die Rechtsstellung eines Richters auf Probe hat; anders § 5 Rheinl.-Pfalz RiG, wo ausdrücklich bestimmt ist, daß eine Ernennung nicht vorliegt, wenn sie nicht der Form des § 17 DRiG entspricht). Unklarheiten in der Ernennungsurkunde, die die gesetzlichen Erfordernisse nicht berühren, gehen zu Lasten des Dienstherrn (BGHZ 7 259 = NJW 1952 1373).

§ 18. Nichtigkeit der Ernennung (1) Eine Ernennung ist nichtig, wenn sie von einer sachlich unzuständigen Behörde ausgesprochen wurde. Die Ernennung kann nicht rückwirkend bestätigt werden. 3076

A. Deutsches Richtergesetz

§ 18

Anm. 1—3 (2) Eine Ernennung ist ferner nichtig, wenn der Ernannte im Zeitpunkt der Ernennung 1. nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes war, 2. entmündigt war oder 3. nicht die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter hatte. (3) Die Nichtigkeit einer Ernennung zum Richter auf Lebenszeit oder zum Richter auf Zeit kann erst geltend gemacht werden, nachdem ein Gericht sie rechtskräftig festgestellt hat. 1. a) Im Anschluß an das Beamtenrecht (vgl. § § 1 1 , 1 2 BBG; §§ 8 und 9 BRRG) unterscheidet das DRiG zwischen der Nichtigkeit (§ 18) und der Zuücknahme (§ 19) einer Ernennung. Die Gründe, die eine Ernennung nichtig machen oder zur ihrer Zurücknahme verpflichten (§ 19 Abs. 1) oder berechtigen (§ 19 Abs. 2), sind im DRiG abschließend aufgeführt. Sie können durch die Landegesetzgebung (für die Landesrichter) weder eingeschränkt noch erweitert werden. Sind — wenn auch zwingend — vorgeschriebene Voraussetzungen der Ernennung oder des vorausgegangenen Berufungsverfahrens unbeachtet geblieben, ohne daß dieser Vorstoß nach §§ 18, 19 einen Grund für die Nichtigkeit oder Zurücknahme der Ernennung bildet, so ist der Verstoß für die Wirksamkeit der Ernennung ohne rechtliche Bedeutung, so z. B., wenn jemand zum Richter an einem obersten Bundesgericht ernannt und dabei übersehen wurde, daß er das 35. Lebensjahr nocht nicht vollendet hatte (anders, wenn der Ernannte über sein Alter arglistig getäuscht hatte oder wenn eine Ernennung ohne Beteiligung des Präsidialrats (§§ 55,57 Abs. 3, 75) ausgesprochen wurde. b) Von der Nichtigkeit einer Ernennung i. S. des § 18 ist die Nichtemennung zu unterscheiden. Sie liegt vor, wenn die zur Ernennung erforderliche Einwilligung des Ernannten (vgl. Anm. 1 a zu § 17) nicht erteilt oder wenn sie nichtig ist, wenn die zwingenden Formerfordernisse der Ernennung nicht gewahrt sind (Anm. 2 zu § 17) oder wenn die Ernennung durch eine sachlich absolut unzuständige Stelle, d. h. durch eine Stelle erfolgte, bei der der Gedanke, daß sie unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Ernennung sachlich zuständig sein könnte, überhaupt nicht in Betracht kommt. Im Gegensatz zur nichtigen Ernennung (vgl. Abs. 3) kann die Nichtemennung jederzeit von jedermann formlos geltend gemacht werden. Vgl. dazu Anm. 4 zu § 62. 2. Die einzelnen Nichtigkeitsgründe. a) Ernennung durch eine sachlich unzuständige Behörde. Wegen der sachlichen Zuständigkeit zur Ernennung vgl. Anm. 1 c, d zu § 17. Eine sachliche Unzuständigkeit liegt z. B. vor, wenn bei der Ernennung mehrere Stellen mitwirken müssen — z. B. bei einem gemeinschaftlichen Gericht mehrerer Länder die Justizminister der beteiligten Länder — und die Mitwirkung einer Stelle fehlt. Eine rückwirkende Bestätigung der nichtigen Ernennung ist, abweichend von § 11 Abs. 1 Satz 2 BBG ausdrücklich durch § 18 Abs. 1 Satz 2 ausgeschlossen, um zu verhindern, daß auf die Gesetzlichkeit des Richters (Art. 101 GG) durch Maßnahmen der Exekutive eingewirkt wird. Eine Beseitigung des Mangels ist nur durch erneute Ernennung seitens der zuständigen Behörde möglich, der keine Rückwirkung zukommt (§§ 46,71 DRiG, § 10 Abs. 2 Satz 2 BBG, § 5 Abs. 4 BRRG). b) Fehlen der Eigenschaft als Deutscher. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Ernennung, ein späterer Erwerb beseitigt die Nichtigkeit nicht. c) Entmündigung nach § 6 BGB. Sie liegt vor, wenn im Zeitpunkt der Ernennung der die Entmündigung aussprechende Beschluß des Amtsgerichts nach §§ 661, 683 Abs. 2 ZPO wirksam geworden war. Es genügt nicht, daß nur die Voraussetzungen einer Entmündigung im Zeitpunkt der Ernennung vorlagen. War dies aber der Fall und erfolgt die Entmündigung nachträglich, so kann die Ernennung nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 zurückgenommen werden. d) Fehlen der Amtsfähigkeit. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn im Zeitpunkt der Ernennung der Ernannte kraft rechtskräftigen Strafurteils (§ 31 StGB) oder kraft Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ( § 3 9 Abs. 2 BVerfGG) die Amtsfähigkeit nicht besitzt. S. dazu § 19 Abs. 1 Nr. 4, § 24 DRiG. 3. Zu Absatz 3. a) Nach Art. 97 Abs. 2 Satz 1 G G können „hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellte Richter" (in der Terminologie des DRiG: die Richter auf Lebenszeit oder auf Zeit, §§ 10, 11) wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung entlassen 3077

Anhang (Schäfer) oder ihres Amtes enthoben werden. Eine Entlassung oder Amtsenthebung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch vor, wenn die Ernennung für nichtig erklärt wird. Absatz 3 zieht also die Folgerungen aus dieser Vorschrift des G G , geht aber über die Erfordernisse des Art. 97 Abs. 2 Satz 1 hinaus, indem er bei Richtern auf Lebenszeit oder auf Zeit im Interesse der Rechtssicherheit eine Feststellung der Nichtigkeit durch gerichtliche Entscheidung auch dann verlangt, wenn der Ernannte mit der Feststellung der Nichtigkeit durch die Ernennungsbehörde einverstanden ist, diese Feststellung also nicht „wider seinen Willen" erfolgt. D a ß dies der Sinn des § 18 Abs. 3 ist, ergibt sich daraus, daß in anderen Fällen einer vorzeitigen Beendigung des Amts das D R i G eine schriftliche Zustimmung oder eine gerichtliche Entscheidung fordert ( § 1 9 Abs. 3, § 21 Abs. 3 Satz 1, § 34), während § 18 Abs. 3 eine Zustimmung nicht genügen läßt ( S c h m i d t - R ä n t s c h 23, unentschieden G e r n e r - D e c k e r K a u f f m a n n 7). Die Feststellung der Nichtigkeit ist Sache des Dienstgerichts (§§ 62 Abs. 1 Nr. 3 a, 78 Nr. 3 a). Das Nichtigkeitsfestellungs(Prüfungs-)verfahren wird durch einen Antrag der obersten Dienstbehörde eingeleitet (§§ 66, 83). Während des Verfahrens kann das Dienstgericht dem Betroffenen die Führung der Amtsgeschäfte vorläufig untersagen (§ 35). Das ergehende Urteil stellt deklaratorisch die von Anfang an bestehende Nichtigkeit der Ernennung fest (§ 67 Abs. 1). D a ß nach § 18 Abs. 3 die Nichtigkeit der Ernennung vor Rechtskraft eines solchen Urteils nicht „geltend gemacht" werden kann, betrifft nur das Verhältnis des Ernannten zum Dienstherrn. Die Anfechtbarkeit von Entscheidungen, an denen ein Richter mitgewirkt hat, dessen Ernennung nach § 18 nichtig ist, unter dem Gesichtspunkt einer nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts (§§ 551 Nr. 1, 579 Abs. 1 Nr. 1 Z P O , § 338 Nr. 1 StPO usw.) wird durch § 18 Abs. 3 D R i G nicht berührt, wenn auch im allgemeinen das Rechtsmittelgericht in einem solchen Fall die Entscheidung des Dienstgerichts abwarten wird. Ist die unter Mitwirkung des nichtig ernannten Richters zustande gekommene Entscheidung rechtskräftig geworden, so ist sie, auch wenn förmliche Rechtsbehelfe zu ihrer Beseitigung (wie sie etwa § 579 Abs. 1 Nr. 1 Z P O — nicht aber das Wiederaufnahmerecht der StPO — vorsieht), nicht zur Verfügung stehen, nicht nichtig (Einleitung S. 187). Amtshandlungen, die nicht im Erlaß gerichtlicher Entscheidungen bestehen und die vor einer vorläufigen Untersagung der Amtsausübung vorgenommen wurden, werden durch die Nichtigkeit der Ernennung in ihrer Wirksamkeit nicht beeinträchtigt (vgl. § § 4 6 , 71 D R i G , § 14 BBG). b) Bei Richtern auf Probe und kraft Auftrags wird, da es an einer dem Absatz 3 entsprechenden Beschränkung fehlt, die Nichtigkeit der Ernennung, wie bei Beamten, durch die Dienstbehörde festgestellt, die dem Richter auch die weitere Führung der Dienstgeschäfte untersagen kann (vgl. § 46 D R i G , § 13 Abs. 1 BBG). Eine solche Feststellungsverfügung kann beim Dienstgericht angefochten werden (§§ 62 Abs. 1 Nr. 4 c, 78 Nr. 4 c). Die Bedeutung der Nichtigkeit der Ernennung für die Wirksamkeit der von dem Ernannten vorgenommenen Amtshandlungen ist die gleiche wie bei den auf Lebenszeit oder auf Zeit ernannten Richtern (vorstehend zu a).

§ 19. Rücknahme der Ernennung (1) Eine Ernennung ist zurückzunehmen, 1. wenn der Ernannte nicht die Befähigung zum Richteramt besaß, 2. wenn die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung eines Richterwahlausschusses unterblieben war und der Richterwahlausschuß die nachträgliche Bestätigung abgelehnt hat, 3. wenn die Ernennung durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt wurde oder 4. wenn nicht bekannt war, daß der Ernannte ein Verbrechen oder Vergehen begangen hatte, das ihn der Berufung in das Richterverhältnis unwürdig erscheinen läßt, und er deswegen rechtskräftig zu einer Strafe verurteilt war oder wird. (2) Eine Ernennung kann zurückgenommen werden, 1. wenn bei einem nach seiner Ernennung Entmündigten die Voraussetzungen für die Entmündigung im Zeitpunkt der Ernennung vorlagen oder 3078

A. Deutsches Richtergesetz

§ 19 Anm. 1 , 2

2. wenn nicht bekannt war, daß der Ernannte in einem gerichtlichen Verfahren aus dem Dienst oder Beruf entfernt oder zum Verlust der Versorgungsbezüge verurteilt worden war. (3) Die Ernennung zum Richter auf Lebenszeit oder zum Richter auf Zeit kann ohne schriftliche Zustimmung des Richters nur auf Grund rechtskräftiger richterlicher Entscheidung zurückgenommen werden. 1. Wesen und Wirkung der Rücknahme, a) Während die Nichtigkeit der Ernennung (§ 18) ipso iure eintritt und es nur bei Richtern auf Lebenszeit und auf Zeit einer deklaratorischen gerichtlichen Entscheidung bedarf (§ 18 Abs. 3), erfordert die Rücknahme der Ernennung stets einen konstitutiven Rücknahmeakt der Dienstbehörde, der teils zwingend vorgeschrieben (§ 19 Abs. 1), teils in das Ermessen der Dienstbehörde gestellt ist. Ist diese Zurücknahme wirksam ausgesprochen, so gleicht sie der Nichtigkeit darin, daß sie auf den Zeitpunkt der Ernennung zurückwirkt, d. h. die Ernennung ist rechtlich als nicht erfolgt zu betrachten (Ausnahme: § 14 Satz 2 BBG, § 46 DRiG, wonach dem Richter im Bundesdienst gezahlte Bezüge belassen werden können). Mit Rücksicht auf die Rückwirkung ist die Rücknahme der Ernennung auch dann noch möglich, wenn das Richterverhältnis inzwischen aus anderen Gründen — Tod, Entlassung, Zurruhesetzung — beendet ist. Bei Richtern auf Lebenszeit oder Zeit bedarf es nach § 19 Abs. 3 im Hinblick auf Art. 97 Abs. 2 G G zur Rücknahme ihrer (schriftlichen) Zustimmung — anders § 18 Abs. 3, vgl. Anm. 3 a zu § 18 —, andernfalls einer rechtskräftigen Entscheidung des Dienstgerichts, die die Zulässigkeit der Rücknahme feststellt (§§ 62 Abs. 1 Nr. 3 b, 67 Abs. 2, 78 Nr. 3 b, 83 DRiG). Richter auf Probe oder kraft Auftrags können die Rücknahme beim Dienstgericht anfechten (§§ 62 Abs. 1 Nr. 4 c, 67 Abs. 3, 78 Nr. 4 c, 83). b) Solange die Rücknahme nicht wirksam und endgültig ausgesprochen ist, kann die Anfechtung einer Entscheidung, an der der Richter mitgewirkt hat, nicht darauf gestützt werden, daß in seiner Person Rücknahmegründe vorlägen (vgl. Anm. 3 zu § 18). Dies versteht sich von selbst, wenn es sich um die fakultativen Rücknahmegründe des § 19 Abs. 2 handelt und die Dienstbehörde von ihrem Rücknahmerecht keinen Gebrauch macht oder beim Dienstgericht nicht damit durchdringt. Dies gilt aber auch für die zwingenden Rücknahmegründe (§ 19 Abs. 1), denn auch hier steht ja vor Abschluß des Prüfungsverfahrens nicht fest, ob ein Rücknahmegrund gegeben ist, und für die gerichtliche Feststellung der Rücknahmevoraussetzungen ist letztlich nur das Dienstgericht zuständig. Ist jedoch die Zurücknahme wirksam ausgesprochen, so kann nach Maßgabe der Prozeßordnungen (vgl. Anm. 3 a zu § 18) die nicht ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts gerügt werden. Dagegen wird auch hier die Wirksamkeit von Amtshandlungen, die nicht im Erlaß gerichtlicher Entscheidungen bestehen, durch die Rücknahme der Ernennung nicht berührt (§ 46 DRiG, § 14 BBG). c) Wie die Nichtigkeitsgründe in § 18, sind auch die Rücknahmegründe in § 19 abschließend geregelt. 2. Die obligatorischen Rücknahmegründe ( § 1 9 Abs. 1). a) Fehlen der Befähigung zum Richteramt (Absatz 1 Nr. 1). Über die Erlangung der Befähigung vgl. §§ 5—7; über entsprechende Anwendbarkeit der Vorschrift s. §§ 110 Satz 2, 111 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, 120 Satz 2. Erwirbt der Ernannte die Befähigung nach der Ernennung, so wird dadurch der zwingende Rücknahmegrund nicht beseitigt, jedoch kann (mit Wirkung ex nunc) nunmehr eine erneute Ernennung erfolgen. Das Fehlen gesetzlich bestimmter Altersvoraussetzungen für die Übertragung eines Richteramtes (vgl. Anm. 4 zu § 5) ist rechtlich bedeutungslos (vgl. Anm. 1 a zu § 18). b) Fehlen der gesetzliche vorgeschriebenen Beteiligung eines Richterwahlausschusses (Absatz 1 Nr. 2). Vgl. dazu Anm. 1 c, d zu § 17. Ein Unterbleiben liegt nur vor, wenn, gleichviel aus welchem Grund, dem Wahlausschuß der Fall nicht nach den bestehenden Vorschriften zur Stellungnahme unterbreitet und seine Entschließung nicht abgewartet worden ist (a. M. wohl S c h m i d t - R ä n t s c h 5: „Ob der Richterwahlausschuß, wenn er beteiligt worden war, tätig geworden i s t . . . berührt die W i r k s a m k e i t . . . der Ernennung nicht"). Dagegen ist es bedeutungslos, ob das Verfahren des Wahlausschusses an Mängeln leidet, und ob sich

3079

Anhang (Schäfer) § 19 Anm. 3 die Ernennungsbehörde unzulässigerweise über eine ablehnende Stellungnahme des Richterwahlausschusses hinweggesetzt hat. Die Nichtbeteiligung allein begründet aber die Rücknahme noch nicht. Vielmehr muß die Dienstbehörde den Fall dem Wahlausschuß vorlegen, der nunmehr — in bundesrechtlicher Erweiterung seines sonstigen Aufgabenbereichs — darüber zu befinden hat, ob er die Ernennung nachträglich „bestätigen" will; erst die Ablehnung der Bestätigung schafft den zwingenden Rücknahmegrund. Ein solcher ist aber nicht gegeben, wenn ein Richter auf Probe zum Richter auf Lebenszeit ernannt wurde, der einen Ernennungsanspruch ( § 1 2 Abs. 2) hatte, weil die Beteiligung des Richterwahlausschusses so spät erfolgte, daß eine Entlassung gemäß § 22 Abs. 2 nicht mehr möglich war. Nichtanhörung des Präsidialrats (§§ 55, 75 DRiG) bildet weder einen zwingenden noch einen fakultativen Rücknahmegrund. c) Herbeiführung der Ernennung durch unlautere Mittel (Absatz 1 Nr. 3). Zwang ist sowohl die Entfaltung physischer Kraft wie die Drohung. Bestechung: §§ 331—333 StGB. Der Begriff der arglistigen Täuschung entspricht dem des § 123 BGB. Die arglistige Täuschung muß sich auf einen ernennungserheblichen Umstand beziehen. Es kann sich dabei um Umstände handeln, die nach Gesetz, RechtsVO oder allgemeiner Verwaltungsvorschrift eine Voraussetzung für eine Ernennung (Einstellung, Anstellung oder Beförderung) bilden (vgl. dazu § 468 StGB-Entw. 1962 betr. strafbare Eschleichung eines Amtes) wie auch um Umstände, die zulässigerweise durch ausdrücklichen Hinweis oder ausdrückliches Befragen für den Bewerber erkennbar als im Einzelfall ernennungserheblich gekennzeichnet sind. Die Täuschung, die durch falsche Angaben wie durch Verschweigen von Tatsachen im Bewußtsein ihrer Erheblichkeit begangen sein kann, muß kausal für die Entschließung der Dienstbehörde zur Ernennung gewesen sein („herbeigeführt"). d) Ernennungsunwürdigkeit (Absatz 1 Nr. 4). Sie setzt voraus, daß der Ernannte vor der Ernennung ein Verbrechen oder Vergehen i. S. des § 1 StGB begangen hat und deswegen durch Urteil eines deutschen Gerichts im Geltungsbereich des D R i G (vgl. § 24) vor der Ernennung zu einer Kriminalstrafe rechtskräftig verurteilt war oder nach der Ernennung verurteilt wird. Die nach früherem Recht erfolgte rechtskräftige Festsetzung einer Geldstrafe durch Strafbescheid des Finanzamts wegen eines Steuervergehens ist keine Verurteilung i. S. der Nr. 4 (BVerwGE 12 322 = N J W 1961 2274). Voraussetzung ist, daß Begehung der Straftat und — bei rechtskräftiger Verurteilung vor der Ernennung — auch die Bestrafung der ernennenden Stelle unbekannt war. Wegen der Bedeutung der Tilgung der Eintragung einer Verurteilung in das Bundeszentralregister (oder des Eintritts der Tilgungsreife) vor der Ernennung vgl. §§ 49, 50 Nr. 4 B Z R G (über die streitige Rechtslage unter der Herrschaft des Straftilgungsges. 1920 vgl. Anm. 2 d der Voraufl.). Lag im Zeitpunkt der Ernennung ein die Amtsunfähigkeit bewirkendes Strafurteil vor, so ist die Ernennung nichtig (§ 18 Abs. 2 Nr. 3 DRiG) und § 19 Abs. 1 Nr. 4 unanwendbar. Wenn nach der Ernennung wegen einer vorher begangenen Straftat ein Urteil des in § 24 bezeichneten Inhalts ergeht, endet mit dessen Rechtskraft das Richterverhältnis (mit Wirkung ex nunc) kraft Gesetzes. § 19 Abs. 1 Nr. 4 verpflichtet aber weitergehend in diesem Fall, wenn die Begehung der Straftat der Ernennungsbehörde unbekannt war, dazu, die Ernennung durch Rücknahme mit rückwirkender Kraft zu beseitigen, denn Umstände, die unwürdig machen, im Richterverhältnis zu verbleiben, machen auch unwürdig, in das Richterverhältnis berufen zu werden. In gleicher Weise muß die Ernennung zurückgenommen werden, wenn vorher ein Urteil i. S. des § 24 ergangen war, das nicht Amtsunfähigkeit bewirkte. Darüber hinaus führt auch jede unbekannt gebliebene Vorverurteilung und jede nachträgliche Verurteilung wegen einer unbekannt gebliebenen Vortat, auch wenn es sich um ein fahrlässiges Vergehen handelt und ohne Rücksicht auf Art und Höhe der Strafe, zur Rücknahme, wenn Tat und Strafe den Ernannten unwürdig erscheinen lassen, in das Richterverhältnis berufen zu werden. 3. Die fakultativen Rücknahmegründe ( § 1 9 Abs. 2). a) spätere Entmündigung, wenn die Entmündigungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Ernennung vorlagen (Absatz 2 Nr. 1; vgl. dazu Anm. 2 c zu § 18), b) vorangegangene rechtskräftige disziplinar- oder ehrengerichtliche Verurteilung (§ 19 Abs. 2 Nr. 2). 3080

A. Deutsches Richtergesetz

§ 19 Anm. 4 § 19 a Anm. 1 4. Zu Absatz 3. Über die Bedeutung der Vorschrift vgl. oben Anm. 1. Die Rücknahme muß binnen 6 Monaten nach Erlangung der Kenntnis vom Rücknahmegrund erfolgen (§§13 Abs. 2 BBG, 46 DRiG für Richter im Bundesdienst, § 9 Abs. 3 BRRG, § 71 DRiG für Richter im Landesdienst), d. h. es muß bei Richtern auf Probe und kraft Auftrags sowie bei Richtern auf Lebenszeit oder Zeit, die dem schriftlich zustimmen, binnen dieser Frist die Dienstbehörde die Zurücknahme aussprechen, bei Richtern auf Lebenszeit oder Zeit, die nicht zustimmen, dagegen den Antrag beim Dienstgericht stellen, die Zulässigkeit der Zurücknahme festzustellen (§§ 66 Abs. 3, 83). Bei einer arglistigen Täuschung (Absatz 1 Nr. 3) beginnt die Frist erst zu laufen, wenn die oberste Dienstbehörde sichere Kenntnis von der Täuschungshandlung in objektiver und subjektiver Hinsicht erlangt hat (BVerwGE 13 156 = NJW 1962 605). Im Fall des § 19 Abs. 1 Nr. 2 beginnt die Frist mit der Ablehnung der nachträglichen Bestätigung durch den Richterwahlausschuß. Wegen vorläufiger Untersagung der Amtsgeschäfte vgl. § 35.

§ 19 a. Amtsbezeichnungen (1) Amtsbezeichnungen der Richter auf Lebenszeit und der Richter auf Zeit sind „Richter", „Vorsitzender Richter" oder „Präsident" mit einem das Gericht bezeichnenden Zusatz („Richter am . . . " , „Vorsitzender Richter am . . . " , Präsident des ..."). (2) Richter kraft Auftrags fuhren im Dienst die Bezeichnung „Richter" mit einem das Gericht bezeichnenden Zusatz („Richter am ..."). (3) Richter auf Probe führen die Bezeichnung „Richter", im staatsanwaltschaftlichen Dienst die Bezeichnung „Staatsanwalt". Entstehungsgeschichte. § 19 a wurde eingefügt — mit Wirkung vom 1. 10. 1972 — durch Art. I Nr. 2 des Ges. zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841). Vgl. dazu die Überleitungsvorschrift für die am 1.10. 1972 im Dienst befindlichen Richter in Art. XIII des genannten Gesetzes. 1. Zur Entwicklungsgeschichte. In seiner ursprünglichen Fassung sah das GVG als richterliche Amtsbezeichnungen nur vor die Bezeichnungen „Präsident (beim LG, OLG, RG bzw. BGH), „Direktor" für die ständigen Vorsitzenden beim LG, „Rat" für die Richter (Beisitzer beim OLG und RG) und „Senatspräsident" für die ständigen Vorsitzenden beim OLG und RG bzw. BGH (§§ 59, 115, 124 a. F.). Die Regelung der Amtsbezeichnung der Richter beim Amtsgericht und der Beisitzer beim LG war dem Landesrecht überlassen. So trugen z. B. in Preußen die auf Lebenszeit ernannten Richter zunächst die Bezeichnung „Amtsrichter" bzw. „Landrichter"; die Beilegung der Bezeichnung „Amtsgerichtsrat" und „Landgerichtsrat" im königlichen Preußen war die Beilegung eines bestimmten Ranges („Rang der Räte 4. Klasse"). Die Ablegung der 2. Staatsprüfung führte zur Ernennung zum „Gerichtsassessor". Das Verbot des Art. 109 Abs. 4 WeimVerf., Titel mit Ausnahme von Amts- und Berufsbezeichnungen zu verleihen, führte nach dem 1. Weltkrieg dazu, daß allgemein in den meisten Ländern für die auf Lebenszeit angestellten Richter die Amtsbezeichnungen „Amtsgerichtsrat" und „Landgerichtsrat" eingeführt wurden. Eine Ausnahme machten die Stadtstaaten; die dort beibehaltene Bezeichnung „Richter" entfiel erst nach dem Übergang der Länderjustizhoheit auf das Reich. Zu den ursprünglich im GVG vorgesehenen Amtsbezeichnungen traten im Lauf der Zeit weitere Amtsbezeichnungen wie Amtsgerichtspräsident, Oberamtsrichter, Amtsgerichtsdirektor (§§ 22, 22 a a. F. GVG). Landesrechtlich war z. T. die Bezeichnung „Vizepräsident" für den ständigen Vertreter (§ 66 Abs. 2) des Präsidenten eingeführt. Vorübergehende landesrechtliche Bezeichnungen waren etwa „stellvertretender Landgerichtsdirektor" in Bayern, „Amts- und Landrichter" für die endgültig in den Anwärterdienst übernommenen Assessoren in Preußen. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 beseitigte für die Richter des BGH den „Rat"; dem früheren Reichsgerichtsrat entsprach nunmehr der „Bundesrichter" (§ 124 a. F.). Eine Änderung der Amtsbezeichnungen wurde in der Reformdiskussion seit geraumer Zeit von verschiedenen Seiten gefordert, z. T. unter Berufung auf eine Gleichwertigkeit aller 3081

§ 19a

Anhang (Schäfer)

Anm. 2 richterlicher Tätigkeiten, z. T. mit der Begründung, daß die an die Amtsbezeichnungen der Beamten des höheren Dienstes anklingenden Bezeichnungen „Rat", „Direktor", „Präsident" (hier: „Senatspräsident") der richterlichen Tätigkeit nicht adäquat seien — der „Rat" berate nicht, sondern richte —, oder gar geeignet seien, den Eindruck einer hierarchischen Struktur der Richterschaft zu erwecken, einer Weisungsbefugnis des Präsidenten oder des Direktors gegenüber dem „Rat" usw. Die Auffassungen innerhalb der Richterschaft über die Berechtigung und das Ausmaß solcher Reformwünsche waren aber geteilt; das DRiG 1961 sah deshalb von einer Regelung der Materie ab. § 19 a trägt dagegen solchen Reformwünschen Rechnung. Die Begr. z. Entw. des Ges. vom 26. 5. 1972 (BT-Drucks. VI/557 vom 19. 3. 1970) führt dazu u. a. aus: „In jüngster Zeit wird in verstärktem Maß die Einführung neuer Amtsbezeichnungen gefordert (Leitsätze der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen zur Justizpolitik, Recht und Politik 1967 Heft 4; Leitsätze der Richteramtsrechtskommission des Deutschen Richterbundes DRiZ 1968 S. 221 ff.). Die 36. Justizministerkonferenz vom 20. 9. bis 4. 10. 1968 hat anerkannt, daß die Amtsbezeichnungen der Richter reformbedürftig sind . . . Die Neuregelung hat zum Ziel, die bisherigen über 30 Amtsbezeichnungen der Richter [d. h. der Richter aller Gerichtszweige] zu vereinfachen und zu vereinheitlichen, insbes. die weitgehend an den hierarchischen Aufbau der Verwaltungsbehörden angelehnten Amtsbezeichnungen durch Bezeichnungen zu ersetzen, die die Tätigkeit und Stellung des Richters besser als bisher kennzeichnen . . . Damit wird . . . der Anschein einer Uber- oder Unterordnung vermieden, der etwa in der bisherigen Bezeichnung „ . . . direktor" im Verhältnis zum „ . . . rat" gesehen werden konnte . . . " Die vorgeschlagene Erhaltung der Bezeichnung „Präsident des . . . " wurde damit begründet: „Diese Richter leiten nicht nur die Gerichtsverwaltung, sondern sie vertreten im öffentlichen Leben das Gericht und die rechtsprechende Gewalt." Uber kritische Stimmen zum Entw. vgl. etwa E b S c h m i d t ZStrW 82 330; v. L ü b t o w ZStrW 83 697.

2. Zum Werdegang des Gesetzes. Das äußere Schicksal des Entw. ist bereits in Vorbem. 3 vor § 21 a GVG dargestellt. Auch inhaltlich erfuhr der die Amtsbezeichnungen betreffende Teil des Entw. während seiner parlamentarischen Behandlung ein ähnliches Schicksal wie der die Präsidialverfassung betreffende Teil. Während der RegEntw. im wesentlichen die Regelung vorschlug, die später Gesetz geworden ist, also als Bestandteil der Amtsbezeichnung die Kennzeichnung des Gerichtszweiges und der Gerichtsstufe („Richter am . . . " ) und die Hervorhebung der Vorsitzendeneigenschaft („Vorsitzender Richter a m . . . " ) sowie die Beibehaltung der Bezeichnung „Präsident des . . . " vorsah, entschied sich die aus den Abgeordneten der Regierungskoalition bestehende Mehrheit des Rechtsausschusses für die Einführung der sog. „nackten" Richterbezeichnung, der zufolge alle Richter die einheitliche Bezeichnung „Richter" ohne jeden weiteren Zusatz tragen sollten. Nur zu Präsidenten eines Gerichts ernannte Richter sollten, soweit sie andere als Rechtsprechungsaufgaben wahrnehmen, die Funktionsbezeichnung „Präsident des . . . gerichts" hinzusetzen. Dem folgte die Mehrheit des Plenums in 2. und 3. Lesung. Mit dieser Regelung solle (so Abg. Dr. A r n d t in der 159. Sitzung vom 15. 12. 1972, Prot. S. 9150) „demonstriert" werden, „daß der Richter nicht der Rat eines Monarchen, einer Obrigkeit ist, sondern eigenständiger Träger der rechtsprechenden Gewalt und insoweit gleichberechtigter Partner der Organe, die die anderen Gewalten in diesem Staate tragen": Um zu „unterstreichen", daß „von der Bedeutung her für die Rechtsfindung alle Richterämter gleichwertig" seien, sei, „für alle Richter einheitlich die höchste denkbare und . . . nicht steigerungsfähige Amtsbezeichnung «Richter» gewählt" worden (s. auch A r n d t DRiZ 1972 41). Die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat (vgl. BT-Drucks. VI/3145, auch abgedr. mit Begründung in DRiZ 1972 103) führte dann aber im wesentlichen zu der im RegEntw. vorgeschlagenen Regelung. Der Bundesrat hatte geltend gemacht, die Auffassung, daß alle Richter grundsätzlich ihrem Wesen nach gleichwertige Richterämter bekleideten, leugne die Erfahrung, daß auch im Richterberuf das Gesetz der Unterschiedlichkeit der Eignung und Leistung gelte. Auch der Gesichtspunkt, daß der rechtsprechenden Gewalt eine der Verwaltung entsprechende hierarchische Uber- und Unterordnung fremd sei, rechtfertige die Einebnung der Amtsbezeichnungen nicht. „Ein solches hierarchisches Verhältnis ist der rechtsprechenden Gewalt nach dem GG allerdings fremd. Es wird indessen auch nicht durch die gegenwär-

3082

A. Deutsches Richtergesetz

§ 19a Anm. 3

tigen, einer vergleichsweise langen Tradition entsprechenden Amtsbezeichnungen ausgedrückt; Behauptungen dieser Art entbehren der logisch-wissenschaftlichen Begründung."* 3. § 19 a regelt abschließend die Amtsbezeichnungen der Berufsrichter. Dies gilt nach Art. XIII § 1 des Ges. vom 26. 5. 1972 auch für die bei Inkrafttreten des Gesetzes im Dienst befindlichen Richter. Ersatzlos weggefallen sind in der ordentlichen Gerichtsbarkeit die Amtsbezeichnungen Oberamtsrichter, Amtsgerichtsdirektor, Amtsgerichtsvizepräsident; die bisherige Amtsbezeichnung „Vizepräsident" bei den Kollegialgerichten ist „Vorsitzender Richter am . . . " Von den Amtsbezeichnungen ist die Funktionsbezeichnung zu unterscheiden. „Richter am Amtsgericht" ist die Amtsbezeichnung des Richters auf Lebenszeit, dem ein Richteramt bei einem bestimmten Amtsgericht übertragen ist (§ 27 DRiG). Dagegen ist überall im G V G das bisher verwendete Wort „Amtsrichter", worunter lediglich ein beim Amtsgericht tätiger Richter — gleichviel ob Richter auf Lebenszeit oder auf Probe, oder ob der Präsident des Amtsgerichts, Richter kraft Auftrags oder abgeordneter Richter — zu verstehen ist, durch die Worte „Richter beim Amtsgericht" ersetzt worden (vgl. Art. II Nr. 5, 6 des Ges. vom 26. 5. 1972). Folgerichtig hätte eine entsprechende Änderung aber auch in anderen Gesetzen überall da durchgeführt werden müssen, wo „Amtsrichter" als Funktionsbezeichnung verwendet wird, wie z. B. in der StPO (vgl. §§ 128, 159, 162, 165, 168, 185, 407, 408, 413, 451) oder in § 14 D A G usw. D a s ist nicht geschehen (ergibt sich auch nicht aus der Überleitungsvorschrift in Art. XIII § 2), ohne daß ein Grund erkennbar dafür wäre, im G V G vom „Richter beim Amtsgericht", in anderen Vorschriften vom „Amtsrich-

*) Der Verf. sieht es nicht als die Aufgabe des Kommentars an, über die summarische Darstellung der Entstehungsgeschichte des § 19 a hinaus kritisch — ablehnend oder zustimmend oder gar unter Einbeziehung des weit gestreuten Schrifttums — zu der Neuregelung der Amtsbezeichnungen Stellung zu nehmen. Es ist lediglich in tatsächlicher Hinsicht zu vermerken, daß das Ges. vom 26. 5. 1972 auch in seiner gegenüber den ursprünglichen Parlamentsbeschlüssen gemilderten Form nicht die allgemeine Zustimmung der Richterschaft gefunden hat. So wird von S c h ä f e r (Landesjustizminister) DRiZ 1972 405 ausgeführt, es werde „insbesondere von den Richtern selbst häufig nicht hinreichend gewürdigt", daß es bei Schaffung des § 19 a „nicht darum gegangen sei, einzelne Richter durch die Wegnahme ihres liebgewonnenen Titels zu kränken oder die Richterschaft gegenüber den Beamten herabzusetzen, sondern allein | ?] darum, eine Quelle von Mißverständnissen und Fehleinschätzungen [nämlich daß den Richtern von einer höheren Stelle Weisungen erteilt werden könnten] zu beseitigen. Vgl. ferner A r n d t DRiZ 1973 19 („Nachdem durch eine der größten Reformen des Jahrhunderts die Titelfrage zur Unzufriedenheit vieler Richter gelöst ist . .."); S c h u l t z MDR 1973 195 („Es fehlt [in der Justizl an Aulstiegsmöglichkeiten, was in der Organisation des Justizwesens begründet, aber durch die Einebnung der Richteramtsbezeichnungen zum eignen Nachteil der Justiz noch tendenziell gefördert worden ist") und die Mitteilung einer Tageszeitung vom 1. 2. 1973. der 2. Senat des BVerfG beschäftige sich mit den Verfassungsbeschwerden ..von zahlreichen Richtern unterschiedlicher Ränge, die sich mit ihrer scheinbaren Degradierung zum „Richter ohne Titel" nicht abfinden wollen". Die durch die genannten Verfassungsbeschwerden aufgeworfene Frage, ob § 19 a mit Art. 33 Abs. 5 GG (Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums) vereinbar sei. war übrigens bereits in BVerfGE 32 199 = NJW 1972 25 angeklungen, in dem das BVerfG das Hessische Ges. über die Amtsbezüge der Richter vom 4. 3. 1970 (GVB1. I 201) für unvereinbar mit dem Bundesrecht erklärte, soweit es im Vorgriff auf das Bundesges. vom 26. 5. 1972 eine diesem Gesetz in gewisser Weise entsprechende Regelung der Amtsbezeichnungen (..Richter als ständiger Vorsitzender einer Kammer oder eines Senats" usw.) brachte. Dazu BVerfGE 32 199, 220: „Eine solche Änderung der bisherigen Amtsbezeichnungen [..Richter"' mit einem die Stellung innerhalb des Gerichts verdeutlichenden Zusatz] steht dem Gesetzgeber an sich für die Zukunft frei. Das verfassungsrechtliche Bedenken, ob er dabei in Rücksicht auf einen hergebrachten und zu beachtenden Grundsatz des richterlichen Amtsrechts hinsichtlich einer vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits erworbenen Amtsbezeichnung nicht einen Vorbehalt machen müsse", brauche wegen der Unvereinbarkeit der landesrechtlichen Regelung mit einfachem Bundesrecht (GVG) nicht weiter erörtert zu werden. In den abweichenden Meinungen der dissentierenden Richter wird diese in der Entscheidung offen gelassene Frage nach der Grundgesetzmäßigkeit einer „Einebnung" der Amtsbezeichnungen ohne Rücksicht auf einen erworbenen „Besitzstand" teils verneint (so BVerfGE 32 199, 237: „verfassungswidrige Änderung der herkömmlichen Amtsbezeichnungen"), teils mit ausführlicher Begründung bejaht (so BVerfGE 32 199, 246 ff.). Auf die Frage der Grundgesetzmäßigkeit ist hier nicht weiter einzugehen (s. dazu auch A c k e r m a n n DVB1. 1972 945,947). 3083

§ 19 a Anm. 4 § 20 Anm. 1, 2

Anhang (Schäfer)

ter" zu sprechen**). „Aufsichtführender Richter" (§ 21 a Abs. 2 GVG) ist eine Funktionsbezeichnung; sie kennzeichnet den „Richter am Amtsgericht", dem gemäß § 22 Abs. 3 Satz 2 GVG von der Landesjustizverwaltung die Dienstaufsicht übertragen worden ist. — Richter, die bei Inkrafttreten des § 19a nicht mehr im Dienst waren, werden durch die Neuregelung nicht berührt; Richter im Ruhestand sind grundsätzlich berechtigt, ihre letzte Amtsbezeichnung mit dem Zusatz a. D. zu führen (vgl. für Bundesrichter § 46 DRiG., § 81 BBG). 4. Während der Richter auf Probe nach Absatz 3 in und außer Dienst die Bezeichnung „Richter" bzw. „Staatsanwalt" führt, führt nach Absatz 2 ein Richter kraft Auftrags im Dienst die Amtsbezeichnung, die ein bei dem betreffenden Gericht auf Lebenszeit angestellter Richter führen würde, also je nach seiner Verwendung beim Amts-, Land-, Verwaltungsgericht die Amtsbezeichnung „Richter am Amts-, Land-, Verwaltungsgericht" usw. Würde er die aus seinem Beamtenverhältnis sich ergebende Amtsbezeichnung auch bei seiner richterlichen Tätigkeit führen, so würde dadurch der Anschein erweckt, als spreche ein Nichtrichter Recht; das soll vermieden werden. Da aber nach § 29 Satz 1 bei einer Entscheidung nur ein Richter kraft Auftrags mitwirken darf, sieht § 29 Satz 2 vor, daß er im Geschäftsverteilungsplan als Richter kraft Auftrags kenntlich gemacht wird, und da nach § 21 e Abs. 8 GVG der Geschäftsverteilungsplan zur Einsichtnahme aufzulegen ist, ist es Interessenten möglich festzustellen, ob das Gericht vorschriftsmäßig besetzt (§ 338 Nr. 1 StPO) ist oder war. Außerhalb des Dienstes dagegen führt der Richter kraft Auftrags — und zwar ausschließlich — die aus seinem Beamtenverhältnis sich ergebende Amtsbezeichnung weiter; insoweit ist stillschweigend § 15 Abs. 1 Satz 3 eingeschränkt, wonach grundsätzlich die Rechte und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis ruhen. Nicht geregelt (weil kaum praktisch) ist der Fall, daß der Richter kraft Auftrags bei einer Staatsanwaltschaft verwendet wird (§§ 13, 16 Abs. 2), also kein Richteramt wahrnimmt. Hier wird er sich — entsprechend § 19 a Abs. 3 — im Dienst als Staatsanwalt zu bezeichnen haben. § 20. Allgemeines Dienstalter Das allgemeine Dienstalter eines Richters bestimmt sich nach dem Tag, an dem ihm sein Richteramt übertragen worden ist. Hat der Richter zuvor ein anderes Richteramt oder ein sonstiges Amt mit mindestens dem gleichen Anfangsgrundgehalt bekleidet, so bestimmt sich das allgemeine Dienstalter nach dem Tag der Übertragung dieses Amtes. Literatur: R i c h t e r , Allgemeines Dienstalter der Richter bei Verzögerung ihrer Anstellung durch den Krieg, DRiZ 1963 145; F ä h n d r i c h , Zum richterlichen Dienstalter, DRiZ 1964 36; R i c h t e r , Grundsatzfragen zum allgemeinen Dienstalter der Richter, DRiZ 1966 80. 1. Bedeutung der Vorschrift. In einer Reihe von Vorschriften, insbes. des GVG (vgl. §§ 21 f Abs. 2, 21h, 197), und der entsprechenden Vorschriften für die anderen Gerichtszweige, aber auch in den richterrechtlichen Gesetzen, z. B. in § 54 Abs. 1 Satz 4 DRiG, wird auf das Dienstalter des Richters abgestellt. Dieses allgemeine Dienstalter, das von dem Besoldungs- und Versorgungsdienstalter zu unterscheiden ist, regelt § 20. Die Vorschrift gilt, wie sich aus den Worten „sein Richteramt übertragen worden ist" ergibt, nur für Richter auf Lebenszeit oder Zeit, denn nur diesen wird ein Richteramt übertragen (§ 27), während Richter auf Probe und kraft Auftrags zwar in ein Richterverhältnis berufen werden, während ihrer Verwendung bei einem Gericht (§§ 13, 16 Abs. 2) ein Richteramt aber nur „wahrnehmen". Bei den Richtern auf Probe und kraft Auftrags besteht nach den vorgenannten gerichtsverfassungsrechtlichen Vorschriften kein Bedürfnis für die Feststellung eines allgemeinen Dienstalters. Sollte ein solches Bedürfnis aber ausnahmsweise hervortreten, so bestehen keine Bedenken, die Regeln des § 20 sinngemäß anzuwenden ( S c h m i d t - R ä n t s c h 5). Bei Richtern in Beförderungsstellen (mit anderem Endgrundgehalt und ggf. anderer Amtsbezeichnung) richtet sich das allgemeine Dienstalter nach dem Zeitpunkt der Verleihung dieses Amts. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. die Erläuterungsbücher zum DRiG. 2. Bei zweifelhafter Rechtslage ist eine förmliche Festsetzung des Dienstalters durch Verfügung der Dienstbehörde zulässig, die als Verwaltungsakt der Anfechtung beim Verwal**) Die Ersetzung von „Amtsrichter" in der S t P O durch andere der jeweiligen Funktion entsprechende Bezeichnung ist jetzt im Entw. des 1. S t V R G v. 2. 5. 1973 (BT-Drucks. VII/551) vorgesehen.

3084

A. Deutsches Richtergesetz

§ 2 0 Anm. 3

§ 2 1 Anm. 1 tungsgericht unterliegt (VGH Bad.-Württ. ES VGH 1969 173 = DRiZ 1969 53; G e r n e r D e c k e r - K a u f f m a n n 8; a. M. S c h m i d t - R ä n t s c h 13). Die Feststellung des Dienstrangverhältnisses unter Richtern kann aber auch im Weg der Klage begehrt werden (Schlesw.H VG DRiZ 1971 397). 3. Abweichungen von § 20 läßt § 114 zum Ausgleich bestimmter Härten zu. Vgl. dazu die aufgrund der Ermächtigung erlassene VO vom 22. 6. 1962, BGBl. I 423 (amtl. Begr. in BR-Drucks. 139/62, auch abgedr. bei G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n S. 392). Einzelfragen behandeln VG Braunschw. DVB1. 1964 1034; BVerwG DRiZ 1970 94; VGH Bad.Württ. ES VGH 1969 173; Schlesw.H VG DRiZ 1971 347.

§ 21. Entlassung aus dem Dienstverhältnis (1) Der Richter ist entlassen, 1. wenn er die Eigenschaft als Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes verliert, 2. wenn er ohne Zustimmung der obersten Dienstbehörde seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Ausland nimmt, 3. wenn er in ein öffentlich-rechtliches Dienst- oder Amtsverhältnis zu einem anderen Dienstherrn tritt, sofern gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, oder 4. wenn er zum Berufssoldaten auf Zeit ernannt wird. In den Fällen der Nummer 3 kann die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem neuen Dienstherrn und mit Zustimmung des Richters die Fortdauer des Richterverhältnisses neben dem neuen Dienst- oder Amtsverhältnis anordnen. (2) Der Richter ist zu entlassen, 1. wenn er sich weigert, den Richtereid (§ 38) zu leisten, 2. wenn er zur Zeit der Ernennung Mitglied des Bundestages oder eines Landtages war und nicht innerhalb der von der obersten Dienstbehörde gesetzten angemessenen Frist sein Mandat niederlegt, 3. wenn er nach Erreichen der Altersgrenze berufen worden ist, 4. wenn er seine Entlassung schriftlich verlangt oder 5. wenn er die Altersgrenze erreicht oder dienstunfähig ist und das Dienstverhältnis nicht durch Eintritt in den Ruhestand endet. (3) Ein Richter auf Lebenszeit oder ein Richter auf Zeit kann ohne seine schriftliche Zustimmung nur aufgrund rechtskräftiger richterlicher Entscheidung entlassen werden. Die Entlassung eines Richters auf Lebenszeit oder eines Richters auf Zeit nach Absatz 1 kann erst geltend gemacht werden, nachdem ein Gericht sie rechtskräftig festgestellt hat. 1. Außer der Beendigung des Richterdienstverhältnisses durch Entlassung ( § § 2 1 bis 23) und als Folge der rechtskräftigen Entscheidung eines Strafgerichts (§ 24 Nr. 1—3) oder des Bundesverfassungsgerichts (§ 24 Nr. 4) kennt das D R i G eine Beendigung durch Amtsenthebung nach § 30, durch Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 34 und durch Eintritt in den Ruhestand kraft Gesetzes infolge der Erreichung der Altersgrenze nach §§ 48, 76. Daneben tritt die Beendigung des Rechts und der Pflicht zur Wahrnehmung des Richteramts, wenn ein Richter Parlaments- oder Regierungsmitglied wird (vgl. dazu §§ 36 Abs. 2, 121 DRiG, § 71 D R i G i. Verb, mit § 33 BRRG). Damit ist dem Auftrag des Art. 97 Abs. 2 G G genügt, wonach die Gründe einer Entlassung, Amtsenthebung oder Versetzung in den Ruhestand und die Altersgrenzen für den automatischen Eintritt in den Ruhestand durch Gesetz bestimmt sein müssen. D a der Bund in Ausübung seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung (Art. 74 Nr. 1 G G ) die Gründe für die Beendigung des Richterdienstverhältnisses mit den vorbezeichneten Vorschriften abschließend festgelegt hat, steht dem Landesgesetzgeber ein Recht zur Erweiterung der Beendigungsgründe nicht zu. Mit Art. 97 Abs. 2 G G unvereinbar sind aber auch andere Maßnahmen, die im praktischen Ergebnis auf eine unfreiwillige Amtsenthebung hinauslaufen. Das ist z. B. der Fall, wenn das Präsidium bei der Geschäftsverteilung einen auf Lebenszeit ernannten Richter, weil alle Vorsitzenden der Kammern und Senate erklären, mit ihm nicht auskommen zu können, nicht mehr einer Kammer oder einem Senat 3085

§21 Anm. 2—6

Anhang (Schäfer)

zuteilt (vgl. BVerfG N J W 1964 1019), oder wenn er zwar formell eingeteilt wird, der Vorsitzende aber bei der Verteilung der Geschäfte innerhalb der Kammer oder des Senats (§ 21 g G V G ) ihn praktisch von einer Mitwirkung ausschließt. Der benachteiligte Richter kann sich dieser M a ß n a h m e der öffentlichen Gewalt, die in seine persönliche Rechtsstellung eingreift, gemäß § 90 BVerfGG mit der auf Art. 33 Abs. 5 G G gestützten Verfassungsbeschwerde erwehren (vgl. BVerfG aaO. und N J W 1963 899). 2. § 21, der sowohl für die Richter auf Lebenszeit oder Zeit wie für Richter auf Probe oder kraft Auftrags gilt, unterscheidet zwei Formen der Entlassung: die Entlassung kraft Gesetzes, Absatz 1 („ist entlassen") und die Entlassung durch Verfügung der Dienstbehörde, Absatz 2 („ist zu entlassen"). Diese Regelung knüpft an die entsprechende Regelung des Beamtenrechts (§§ 28, 29 BBG, §§ 22, 23 B R R G ) an. Bei der Entlassung kraft Gesetzes stellt, soweit es sich um Richter auf Probe oder kraft Auftrags handelt, die Dienstbehörde deklaratorisch die Entlassung fest, während es bei der Entlassung nach Absatz 2 einer konstitutiven Anordnung bedarf. Der Richter kann sowohl die Feststellung wie die Entlassungsverfügung beim Dienstgericht anfechten (§§ 62 Abs. 1 Nr. 4 c, 78 Nr. 4 c). D a ß in den vorgenannten Vorschriften die Feststellung der Entlassung kraft Gesetzes nicht ausdrücklich erwähnt ist, ist lediglich ein Redaktionsversehen ( S c h m i d t - R ä n t s c h 12 zu § 62). Für die Richter auf Lebenszeit und auf Zeit sieht Absatz 3 im Hinblick auf Art. 97 Abs. 2 G G abweichende Vorschriften vor (unten Anm. 7). 3. Zu Absatz 1 Nr. 3. Nach § 4 D R i G ist grundsätzlich die gleichzeitige Wahrnehmung von Rechtsprechungsaufgaben neben Aufgaben der gesetzgebenden oder vollziehenden Gewalt unzulässig. An dieser Vorschrift wird durch § 21 Abs. 1 Nr. 3 nichts geändert. Die letztere Vorschrift regelt vielmehr die Wirkungen für den Bestand des Richterdienstverhältnisses, die sich daraus ergeben, daß der Richter in ein öffentlich-rechtliches Dienst- oder Amtsverhältnis zu einem anderen Dienstherrn (Bund, Länder, Gemeinden usw.) tritt. Aus der Erwägung, daß der Richter aus dem Richterdienstverhältnis seine volle Arbeitskraft seinem Dienstherrn (§ 3) schuldet und nicht 2 Amter mit verschiedenen Dienstherren versehen kann — auch wenn eine Unvereinbarkeit der Tätigkeiten i. S. des § 4 nicht in Betracht kommt — zieht Nr. 3 die Folgerung, daß grundsätzlich das Richterdienstverhältnis zu dem bisherigen Dienstherrn nicht mehr aufrechterhalten werden kann und der Richter entlassen ist, sobald er zu einem anderen Dienstherrn in ein neues Dienst- oder Amtsverhältnis tritt. Von diesem Grundsatz bestehen zwei Ausnahmen: a) wenn ein Bundes- oder Landesgesetz anderes bestimmt, z. B. anordnet, daß das Richterverhältnis während der Ausübung des anderen Amtes ruht (so § 18 des Bundesministerges. i. d. F. vom 27. 7. 1971, BGBl. I 1166, und § 101 BVerfGG), b) wenn die oberste Dienstbehörde des Richters im Einvernehmen mit dem neuen Dienstherrn und mit Zustimmung des Richters die Fortdauer des Richterverhältnisses anordnet. Keine Begründung eines neuen Dienst- oder Amtsverhältnisses ist die Abordnung (§ 37) eines Richters in den Bereich eines anderen Dienstherrn. Der Fall des Doppelamts im Bereich des gleichen Dienstherrn ist — abgesehen von §§ 14—16 und von § § 2 1 Abs. 1 Nr. 4, 36 Abs. 2 (Ministeramt) — im D R i G nicht geregelt. Hier liegt es im Ermessen des Dienstherrn, ob er dem Richter noch ein weiteres Amt übertragen will, ohne daß dieser aus dem bisherigen Richterverhältnis ausscheidet. Geschieht dies, so ist § 21 Abs. 1 Nr. 3 unanwendbar, d. h. das Richterverhältnis bleibt bestehen, die Wahrnehmung von Aufgaben der richterlichen Gewalt ist aber gemäß § 4 ausgeschlossen, solange der Richter Aufgaben der vollziehenden Gewalt wahrnimmt. 4. Z u Absatz 2 Nr. 2: wegen des Falles der nachträglichen Annahme eines Abgeordnetenmandats vgl. §§ 36, 121 D R i G , § 71 D R i G i. Verb, mit § 33 B R R G . 5. Zu Absatz 2 Nr. 3: vgl. §§ 48, 76. 6. Zu Absatz 2 Nr. 5: a) Eine Erreichung der Altersgrenze (§§ 48, 76), ohne daß Eintritt in den Ruhestand erfolgt, kommt bei Richtern auf Probe (§ 46 D R i G , § 31 Abs. 5 BBG, § 71 DRiG, § 22 B R R G ) sowie bei solchen Richtern in Betracht, bei denen es an der erforderlichen ruhegehaltsfähigen Dienstzeit fehlt. 3086

A. Deutsches Richtergesetz

§ 21 Anm.7 §22

b) Wann Dienstfahigkeit nicht zur Versetzung in den Ruhestand führt, regelt das Beamtenrecht (für Richter im Bundesdienst vgl. § 46 DRiG, §§ 35, 106 BGG). 7. Zu Absatz 3: Bei Richtern auf Lebenszeit oder Zeit gestaltet sich der Entlassungsvorgang verschieden, je nach dem, ob es sich um eine Entlassung kraft Gesetzes (Absatz 1) oder eine Entlassung nach Absatz 2 handelt. a) Im ersteren Fall bedarf es nach Absatz 3 Satz 2 stets einer rechtskräftigen Feststellung der Entlassung durch das Dienstgericht (§§ 62 Abs. 1 Nr. 3 c, 66 Abs. 3, 67 Abs. 2, 78 Nr. 3c, 83 DRiG). Es genügt — ebenso wie im Fall des § 18 Abs. 3, vgl. dort Anm. 3 a — nicht, daß der Richter förmlich anerkennt, die Entlassung sei kraft Gesetzes eingetreten (BGH DRiZ 1963 440). In solchen Fällen, in denen zwischen dem Dienstherrn und dem Richter völlige Einigkeit über den Eintritt der Entlassung besteht, hat die Einigkeit nur kostenrechtliche Bedeutung. Die Kostenentscheidung ergeht dann in Anwendung des § 66 Abs. 1 DRiG, § 156 VwGO (BGH aaO.). Für den Fall eines Verfahrens vor dem Landesdienstgericht (§ 78) zur Feststellung der Nichtigkeit einer Ernennung nach § 18 Abs. 3, der Entlassung nach § 21 Abs. 3 Satz 2 und im Versetzungsverfahren nach § 31 kann nach den Landesrichtergesetzen (vgl. z. B. § 75 Hess. RiG) das Gericht die Kosten nach billigem Ermessen auch insoweit der Staatskasse auferlegen, als der Richter dem Antrag auf Feststellung oder Versetzung nicht widersprochen hat. Das Verfahren nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 erübrigt sich aber bei einer nach §§ 46, 71 Abs. 3 DRiG, § 123 BRRG zulässigen Versetzung. Danach kann ein Richter im Einverständnis mit dem aufnehmenden Dienstherrn auch über den Bereich des Bundes oder eines Landes hinaus zu einem anderen Dienstherrn versetzt werden. b) Bei einer Entlassung nach § 2 1 Abs. 2 dagegen bedarf es einer dienstgerichtlichen Entscheidung gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 nur, wenn der Richter der Entlassung nicht schriftlich zustimmt, In diesem Fall spricht das Dienstgericht die Zulässigkeit der Entlassung aus (§§ 67 Abs. 2, 83), die nach eingetretener Rechtskraft die Dienstbehörde verfügt. c) Im Fall des § 21 Abs. 1 stellt das Dienstgericht deklaratorisch fest, daß die Entlassung zu dem in der Vergangenheit liegenden maßgeblichen Zeitpunkt eingetreten ist. Wegen der Anfechtbarkeit von Entscheidungen, an denen der Richter in der Zeit vom Eintritt der Entlassung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Dienstgerichts mitgewirkt hat, und wegen der Wirksamkeit sonstiger Amtshandlungen wird auf Anm. 3 a zu § 18 verwiesen. Die Entlassung nach § 21 Abs. 2 äußert verfahrensrechtliche Wirkungen erst, wenn die Entlassungsverfügung ergangen ist.

§ 22. Entlassung eines Richters auf Probe (1)Ein Richter auf Probe kann zum Ablauf des sechsten, zwölften, achtzehnten oder vierundzwanzigsten Monats nach seiner Ernennung entlassen werden. (2) Ein Richter auf Probe kann zum Ablauf des dritten oder vierten Jahres entlassen werden, 1. wenn er für das Richteramt nicht geeignet ist oder 2. wenn ein Richterwahlausschuß seine Übernahme in das Richterverhältnis auf Lebenszeit oder auf Zeit ablehnt. (3) Ein Richter auf Probe kann ferner bei einem Verhalten, das bei Richtern auf Lebenszeit eine im förmlichen Disziplinarverfahren zu verhängende Disziplinarstrafe zur Folge hätte, entlassen werden. (4) Die Fristen der Absätze 1 und 2 verlängern sich um die Zeit einer Beurlaubung ohne Bezüge. (5) In den Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Entlassungsverfugung dem Richter mindestens sechs Wochen vor dem Entlassungstag mitzuteilen. Entstehungsgeschichte: Absatz 4 wurde — mit Wirkung vom 16.6. 1972 — eingefügt durch Ges. vom 10. 9. 1971 (BGBl. I 1557).

3087

§ 2 2 Anm. 1,2 § 2 3 ; § 2 4 Anm. 1

Anhang (Schäfer)

1. Zu Absätzen 1, 2 vgl. Anm. 1, 3 zu § 12. „Ablauf des . . . Monats" (Absatz 1) ist nicht das Ende des maßgeblichen Kalendermonats; maßgebend ist das Ende des Tages des 6. usw. Monats, der durch seine Zahl dem der Ernennung vorhergehenden Tage entspricht (BGHZ 48 273 = DRiZ 1967 430 = MDR 1968 44 = LM Nr. 2 zu § 22 DRiG m. Anm. B a l d u s ) . Eine nicht rechtzeitig zum Ablauf des 24. Monats ausgesprochene Entlassung nach § 22 Abs. 1 kann als Entlassung nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 anzusehen sein (BGH aaO.). Absatz 1 knüpft zwar — anders als Absätze 2, 3 — die Entlassung nicht an das Vorliegen bestimmter Gründe, er läßt aber auch nicht eine Entlassung schlechthin nach freiem Ermessen zu, setzt vielmehr voraus, daß nach pflichtmäßigem Ermessen der Justizverwaltung ein sachlicher Grund gegeben ist (BGH DRiZ 1972 133). Zum Begriff der Nichteignung (Absatz 2 Nr. 1) vgl. BGH MDR 1971 298 = DRiZ 1971 91 = JZ 1971 189 = LM Nr. 3 zu § 22 DRiG. Die richterliche Nachprüfung der Entlassung wegen Nichteignung (§ 62 Abs. 1 Nr. 4 c, § 78 Nr. 4 c) hat sich, da das Gericht nicht seine eigne Beurteilung an die Stelle der Beurteilung des Dienstvorgesetzten setzen darf, darauf zu beschränken, ob der Dienstvorgesetzte den Begriff der Nichteignung verkannt hat. oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (BGH aaO.). 2. Zu Absatz 3: Wegen der Disziplinarstrafen, die bei Richtern auf Lebenszeit nicht durch Disziplinarverfügung, sondern nur in einem förmlichen Disziplinarverfahren verhängt werden können, vgl. §§ 64, 83 DRiG. Absatz 3 ist grundgesetzmäßig, soweit er bei Richtern auf Probe eine Entlassung in weiterem Umfang zuläßt als bei Beamten auf Probe (BGH DRiZ 1967 132 = MDR 1967 490 = LM Nr. 1 zu § 22 DRiG).

§ 23. Entlassung eines Richters kraft Auftrags Für die Beendigung des Richterverhältnisses kraft Auftrags gelten die Vorschriften über die Beendigung des Richterverhältnisses auf Probe entsprechend. 1. Vgl. Anm. 1 zu § 16.

§ 24. Beendigung des Dienstverhältnisses durch richterliche Entscheidung Wird gegen einen Richter durch Urteil eines deutschen Gerichts im Geltungsbereich dieses Gesetzes erkannt auf 1. Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer vorsätzlichen Tat, 2. Freiheitsstrafe wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit strafbar ist, 3. Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter oder 4. Verwirkung eines Grundrechts gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes, so endet das Richterverhältnis mit der Rechtskraft dieses Urteils, ohne daß es einer weiteren gerichtlichen Entscheidung bedarf. 1. Inhalt. Die Vorschrift entspricht den § § 48 BBG, 24 BRRG. Die in § 24 vorgesehene Wirkung des rechtskräftigen Urteils ersetzt aus Gründen der Verfahrensökonomie ein rechtskräftiges, auf Entfernung aus dem Dienst lautendes disziplinargerichtliches Urteil, das zwangsläufig mit diesem Inhalt ergehen müßte, wenn es sich nicht kraft des § 24 erübrigte (vgl. dazu wegen der Wirkung eines im Wiederaufnahmeverfahren ergehenden milderen oder freisprechenden Urteils und wegen der Zulässigkeit eines Erlasses der in § 24 bezeichneten Rechtsfolgen im Gnadenweg Vorbem. IV 4 b, bb vor § 12 GVG). Eine solche Regelung genügt den Anforderungen des Art. 97 Abs. 2 G G (vgl. S c h m i d t - R ä n t s c h 8, G e r n e r D e c k e r - K a u f f m a n n 2). Ergeht ein Urteil i. S. des § 24 gegen einen im Ruhestand befindlichen Richter, so verliert er seine Rechte (auf Versorgung usw.) als Richter im Ruhestand (§§ 46, 71 DRiG, §§162 BBG, 86 BRRG). 3088

A. Deutsches Richtergesetz

§ 2 4 Anm. 2 § 2 5 Anm. 1; § 2 6 Anm. 1 1 , 2

2. Zu Nr. 1: Bei einer Gesamtfreiheitsstrafe wegen tatmehrheitlich zusammentreffender Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten kommt es auf die Höhe der Einzelstrafen für die Vorsatztaten an. VIERTER ABSCHNITT. Unabhängigkeit des Richters § 25. Grundsatz Der Richter ist unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. 1. § 25 wiederholt (aus Gründen des Sachzusammenhangs mit § 26) den Grundsatz des Art. 97 Abs. 1 G G , der seinerseits — trotz abweichender Formulierung — sachlich mit § 1 G V G übereinstimmt. Auf die Anm. zu § 1 G V G wird verwiesen. § 26. Dienstaufsicht (1)Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. (2) Die Dienstaufsicht umfaßt vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. (3) Behauptet der Richter, daß eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige, so entscheidet auf Antrag des Richters ein Gericht nach Maßgabe dieses Gesetzes. Schrifttum: H o e p n e r , Z u r Dienstaufsicht über Richter, DRiZ 1964 6; W e i s t , Die Entwicklung der Dienstaufsicht über Richter, DRiZ 1968 223; G r i m m , Richterliche Unabhängigkeit und Dienstaufsicht in der Rechtsprechung des BGH, Heymanns Verlag 1972. Vgl. auch die Schrifttumsangaben betr. Dienstaufsicht und richterl. Unabhängigkeit zu § 1 GVG. I. Die Bedeutung des § 26 ist im wesentlichen bereits in Anm. VIII zu § 1 G V G erörtert, auf die verwiesen wird. Ergänzend ist zu Absatz 3 zu bemerken: 1. Richter i. S. des Absatzes 3 ist auch das Mitglied des Präsidiums (§ 2 1 a GVG), das eine unzulässige Einflußnahme der Dienstaufsichtsbehörde auf das Präsidium behauptet (BGHZ 46 147 = M D R 1967 211 = LM Nr. 3 zu § 26 D R i G m. Anm. B a l d u s = DRiZ 1967 25 betr. Anregung des Ministeriums, eine im Rahmen der Geschäftsverteilung getroffene Entscheidung bei der nächsten Geschäftsverteilung in einem von dem Ministerium vertretenen Sinn zu überprüfen; vgl. Anm. III 2 zu § 21 e GVG). 2. Zulässigkeit des Antrags. a) Nach Absatz 3 entscheidet das Dienstgericht (§§ 62 Abs. 1 Nr. 4e, 78 Nr. 4e), wenn der antragstellende Richter behauptet, daß eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige. Diese Vorschrift, die dem umfassenden Rechtsschutz sowohl der sachlichen wie der persönlichen Unabhängigkeit dient, beruht auf der Erwägung, daß eine befriedigende gesetzgeberische Abgrenzung der zulässigen gegenüber den aus Gründen der richterlichen Unabhängigkeit unzulässigen Maßnahmen der Dienstaufsicht nicht möglich ist und nur der Weg einer Generalklausel bleibt, daß aber, wenn im Einzelfall Zweifel über die Zulässigkeitsgrenze auftauchen, diese durch eine gerichtliche Entscheidung zu klären sind. Insoweit ist dem Dienstgericht ein Zuständigkeitsmonopol eingeräumt, damit durch die Rechtsprechung der Dienstgerichte die Grenzlinien gezogen werden. Entsprechend dem Zweck des Absatzes 3, den Richtern einen allgemeinen Rechtsschutz gegen unabhängigkeitsbeeinträchtigende Einflußnahmen der Dienstaufsichtsbehörden einzuräumen, ist der Begriff der „Maß3089

§26 Anm. I 2

Anhang (Schäfer)

nähme der Dienstaufsicht" weit auszulegen und dahin zu verstehen, daß er jede Maßnahme umfaßt, die von einer Dienstaufsichtsbehörde ausgegangen ist (BGHZ 42 163; 46 66). Es kommt also für die Zulässigkeit des Antrags nicht auf die Art und den Inhalt der angefochtenen Maßnahme an, insbesondere nicht darauf, ob sie sich als Betätigung der Dienstaufsicht i. S. des § 26 Abs. 1, 2 darstellt (BGHZ 46 66 = NJW 1966 2165 = DRiZ 1966 349 = LM Nr. 2 zu § 26 DRiG m. Anm. B a l d u s ) . Die Richterdienstgerichte sind mithin nicht auf die Überwachung der Dienstaufsichtstätigkeit im engeren Sinn beschränkt, sondern sie haben die umfassende Aufgabe, auf Antrag jede Maßnahme der Dienstaufsichtsbehörde gegenüber einem Richter auf ihre Vereinbarkeit mit der richterlichen Unabhängigkeit zu überprüfen, also z. B. auch Maßnahmen, die Fragen der Besoldung betreffen (Besoldungsbescheide), denn auch die besoldungsmäßige Behandlung eines Richters kann geeignet sein, seine Unabhängigkeit zu beeinträchtigen (BGHZ 46 66; NJW 1969 1302). Es sind weiterhin unter „Maßnahmen der Dienstaufsicht" nicht nur unmittelbare Einflußnahmen auf den Richter zu verstehen, sondern auch solche Einflußnahmen, die sich auf die richterliche Tätigkeit nur mittelbar auswirken (BGHZ 47 275 = NJW 1967 2054 = DRiZ 1967 236). Dies gilt insbesondere für Meinungsäußerungen dienstaufsichtführender Stellen, die sich in irgendeiner Weise kritisch mit dem Verhalten des Richters befassen (BGHZ 57 344). Dabei macht es keinen Unterschied, ob sie die richterliche Tätigkeit im engeren Sinn, die nichtrichterliche dienstliche Tätigkeit oder das außerdienstliche Verhalten betreffen. Denn auch Maßnahmen der Dienstaufsichtsbehörde hinsichtlich des nichtrichterlichen dienstlichen oder des außerdienstlichen Verhaltens können angesichts der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 G G der gerichtlichen Nachprüfung nicht entzogen werden; zur Vermeidung einer mit schwierigen Abgrenzungsfragen belasteten Aufsplitterung der Nachprüfungszuständigkeit ist es aber geboten, daß auch solche Maßnahmen vom Richterdienstgericht in vollem Umfang auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden (BGHZ 51 363 = NJW 1969 1303 = DRiZ 1969 223; BGHZ 52 287 = NJW 1969 2202 = MDR 1969 223 = DRiZ 1969 368; S c h ä f e r DRiZ 1970 74). Es ist demgemäß auch ohne Bedeutung, ob die „Maßnahme der Dienstaufsicht" die Merkmale eines Verwaltungsakts im technischen Sinn (etwa des § 42 VwGO) erfüllt oder tatsächlicher Art ist (amtl. Begr. des Entw. S. 40 zu § 22 Abs. 3), ob der Richter in ihr einen Eingriff in die sachliche oder in die persönliche Unabhängigkeit sieht, denn die Verletzung der persönlichen Unabhängigkeit äußert Rückwirkungen auf die sachliche Unabhängigkeit ( S c h m i d t - R ä n t s c h 28) und ob die Maßnahme sich schon inhaltlich als Eingriff in die Unabhängigkeit darstellt oder nur die „psychologische Seite" der Unabhängigkeit ( S c h m i d t - R ä n t s c h 18) berührt, so z.B. wenn der Richter die Beeinträchtigung seiner Unabhängigkeit durch ungünstige Regelung seines Urlaubs, Zuweisung eines unzulänglichen Dienstzimmers, grundlose Versagung eines erbetenen Gehaltsvorschusses oder der erbetenen Genehmigung einer Nebentätigkeit geltend macht, weil diese Maßnahmen die Reaktion der Dienstaufsichtsbehörde auf seine Rechtsprechungstätigkeit darstellten oder ihn zwingen sollten, seine Versetzung zu beantragen. Dem steht nicht entgegen, daß §§62 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 a bis d, 78 Nr. 2, 3, 4 a bis d eine Reihe von Maßnahmen, die in die persönliche Unabhängigkeit eingreifen, ausdrücklich, aber nur mit den dort bestimmten Beschränkungen, als Gegenstand der Nachprüfung durch das Dienstgericht aufzählt. Denn einmal ergeht in den genannten Fällen eine Entscheidung anderen Inhalts als im Fall der Nr. 4 e, ferner braucht der Anfechtende nur im Fall der Nr. 4 e, nicht auch in den Fällen der Nr. 2, 3, 4 a bis d eine Beeinträchtigung seiner Unabhängigkeit zu behaupten ( H o e p n e r S. 9). Unter § 26 Abs. 3 fallen demgemäß auch unzulässige Eingriffe in die persönliche Unabhängigkeit, die nicht in dem Katalog unter 4 a bis d aufgeführt sind, wie eine Abordnung unter Verletzung des § 37 Abs. 1 DRiG — Nr. 4 b regelt dem Wortlaut nach nur die Anfechtung einer Abordnung nach § 37 Abs. 3 — ( S c h m i d t - R ä n t s c h 28). Diese weite Auslegung des § 26 Abs. 3 ist geboten, weil zur Garantie der richterlichen Unabhängigkeit Weisungsfreiheit, Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit nicht genügen, sondern auch im übrigen der Ausschluß jeder vermeidbaren Einflußnahme der Exekutive auf den Status des einzelnen Richters erforderlich ist (vgl. BVerfGE 12 81, 88 = DRiZ 1962 181), wobei der Begriff des Status weit auszulegen ist ( H o e p n e r S. 10). Im Ergebnis deckt sich diese Auffassung z. T. mit der von G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 7, wenn dort die Nachprüfung bestimmter Maßnahmen, die über § 26 Abs. 2 hinausgehen, im Wege entsprechender Anwendung der §§ 62. 78 der Zuständigkeit des Dienstgerichts zugewiesen wird. 3090

A. Deutsches Richtergesetz

§26 Anm. 1 3 , 4

b) Zu den Maßnahmen i. S. des § 26 Abs. 3 kann auch die nach Auffassung des Richters seine Unabhängigkeit beeinträchtigende Unterlassung einer M a ß n a h m e durch die Dienstaufsichtsbehörde gehören (VerwG Freiburg DRiZ 1963 1 5 5 ; H o e p n e r S . 11). Insbesondere ist an die Unterlassung von Maßnahmen zu denken, deren Vornahme der Richter zur Erfüllung seiner Rechtsprechungsaufgaben für erforderlich hält, z. B. die Nichtbereitstellung kostspieliger Spezialliteratur oder sonstiger sachlicher oder personeller Hilfsmittel für ein schwebendes umfangreiches Verfahren mit schwierigen Rechtsfragen, wenn der Richter sich durch die nach seiner Auffassung ungerechtfertigte Passivität der Behörde in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt glaubt ( H o e p n e r 11). Jedoch ergeben sich hinsichtlich des Kreises der in Betracht kommenden Unterlassungen alsbald Bedenken. Nach § 79 Satz 2 BBG hat der Dienstherr einen Beamten bei seiner amtlichen Tätigkeit und in seiner Stellung als Beamter zu schützen. Aus dieser Vorschrift in Verb, mit § 46 D R i G folgt, daß der Dienstherr den Richter auch in seiner Unabhängigkeit zu schützen hat ( S c h m i d t - R ä n t s c h 4 7 zu § 46). Es würde aber wohl zu weit gehen, daraus herzuleiten, daß ein Richter nach § 26 Abs. 3 gegen die Dienstaufsichtsbehörde beim Dienstgericht vorgehen könne, weil sie es unterlasse, den Richter vor ungerechtfertigter Kritik der Öffentlichkeit an seinen Entscheidungen mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln ihrer Autorität zu schützen, und er sich dadurch für die Entscheidung künftiger Fälle in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt fühle. Denn das liefe darauf hinaus, daß auf einem Umweg das Verhalten der Öffentlichkeit selbst und seine Einwirkung auf die richterliche Unabhängigkeit zum Gegenstand der dienstgerichtlichen Nachprüfung gemacht würde ( H o e p n e r 12, 13). Anders läge es, wenn die Dienstaufsichtsbehörde in die Kritik einstimmte, sie für berechtigt erklärte usw. 3. Begründetheit des Antrags. Während zur Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung lediglich gehört, daß eine M a ß n a h m e einer Dienstaufsichtsbehörde vorliegt und daß der Richter behauptet, sie beeinträchtige seine richterliche Unabhängigkeit ( B G H D R i Z 1963 440; B G H Z 46 66), gehört zur Begründetheit des Antrags, daß objektiv die M a ß n a h m e die Unabhängigkeit beeinträchtigt. D a z u ist weder eine Beeinträchtigungsabsicht der Dienstaufsichtsbehörde erforderlich ( B G H Z 46 66, 71) noch das subjektive Gefühl der Beeinträchtigung bei dem Anfechtenden ausreichend. So ist z. B. das Ersuchen der Landesjustizverwaltung, Abschriften bestimmter Entscheidungen einzureichen oder anderen Stellen zu übersenden, eine Beeinträchtigung der an den Entscheidungen beteiligten Richter, wenn diese M a ß n a h m e dazu dienen soll, den beteiligten Richtern für die Entscheidung künftiger Einzelfälle Empfehlungen zu erteilen oder sie auf bestimmte Rechtsansichten festzulegen. Dagegen liegt keine Beeinträchtigung vor, wenn die Entscheidungen etwa für künftige Reformen ausgewertet oder dazu benutzt werden sollen, die Staatsanwaltschaften über die Auffassung der Landesjustizverwaltung zu unterrichten und sie zu veranlassen, diese Auffassung in späteren Verfahren gegenüber Gerichten zu vertreten, mögen auch die beteiligten Richter erklären, sie fühlten sich durch das Ersuchen in einer Weise überwacht, daß ihre Unabhängigkeit gefährdet sei (BGH D R i Z 1963 40). An der Beziehung zur richterlichen Unabhängigkeit fehlt es grundsätzlich, wenn die Maßnahmen der Dienstaufsicht sich lediglich als die Ausführung einer Ermessensentscheidungen ausschließenden gesetzlichen Vorschrift (z. B. einer Kassen- oder haushaltsrechtlichen Bestimmung) darstellt und der Richter die Auslegung dieser Vorschrift durch die Aufsichtsbehörde für unzureichend hält (vgl. B G H Z 4 6 66, 70). Ein solcher Auslegungsstreit ist nicht vor dem Dienstgericht auszutragen (vgl. §§ 68, 83), es sei denn, daß gerade durch die Handhabung einer solchen Vorschrift im Einzelfall, „etwa durch die Wahl des Zeitpunktes oder die F o r m der Entscheidung" der Richter sich in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt glaubt ( H o e p n e r 12 mit Nachweisen). 4. Kasuistik. D a zu den Maßnahmen der Dienstaufsicht alle Meinungsäußerungen dienstaufsichtführender Stellen gehören, die sich kritisch mit dem Verhalten des Richters befassen oben II 2 a), gehören hierher auch die Dienstleistungszeugnisse des Dienstvorgesetzten, die sog. Beurteilungen ( B G H Z 52 287, 292 = D R i Z 1969 368; B G H Z 57 344 = N J W 1972 364 = M D R 1972 320 = J Z 1972 215 = D R i Z 1972 101 = JVB1. 1972 101)*). Solche *) Schrifttum zur F r a g e des Verhältnisses der Beurteilung des Richters durch den Dienstvorgesetzten zur richterlichen Unabhängigkeit: A r n d t D R i Z 1971 254. 718; L i s k e n D R i Z 1971 3 0 9 ; B l u h m D R i Z 1971 330: B a u r D R i Z 1973 6.

3091

§ 2 6 Anm. II-IV

Anhang (Schäfer)

§27 Zeugnisse, die spezifisch richterliche Fähigkeiten (Rechtskenntnisse, Beherrschung der Rechtsanwendungstechnik, Judiz) werten, beeinträchtigen die richterliche Unabhängigkeit nicht, wenn sie so gefaßt sind, daß sie nicht eine Kritik am Verhalten des Richters im Einzelfall oder in bestimmten Fällen, sondern eine Bewertung seiner richterlichen Fähigkeiten enthalten. Unzulässig wegen Beeinträchtigung der Unabhängigkeit ist dagegen eine Beurteilung, wenn sie ihn veranlassen könnte, Streitfälle künftig anders zu entscheiden, als er sie entschieden hätte, wenn die Beurteilung anders ausgefallen wäre (BGHZ 57 344). Unzulässig wäre z. B. eine Beurteilung, der Richter neige dazu, einen Vergleich der Parteien statt einer Entscheidung anzustreben, weil der Richter in eigner Verantwortung zu entscheiden hat, in welchen Fällen er sich um eine vergleichsweise Regelung bemühen will (BGH aaO.). Im Einklang mit dieser Rechtsprechung hält sich § 5 des Bad.-Württ. Landesrichterges. i. d. F. vom 19. 7. 1972 (GBl. 432), das dienstliche Beurteilungen unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erklärt und als Beurteilungsgegenstand Eignung, Befähigung und fachliche Leistungen des Richters nennt, dabei aber einschränkend darauf hinweist, daß bei der Beurteilung richterlicher Amtsgeschäfte die Schranken des § 26 Abs. 1, 2 DRiG zu beachten und eine Stellungnahme zum Inhalt richterlicher Entscheidungen unzulässig sei. Unzulässige Maßnahmen können ferner sein: die Verfügung zur Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens (LG Düsseldorf DRiZ 1968 103 = DVB1. 1968 86); Anweisungen, ob und in welcher Weise Amtshilfe in einem schwebenden Verfahren zu gewähren sei, z. B. die Verfügung des Gerichtspräsidenten, daß Auskunftsersuchen über den Stand des Verfahrens stattzugeben sei (BGHZ 51 193 = NJW 1969 1302 = LM Nr. 1 zu §§ 25, 26 DRiG m. Anm. B a l d u s ; Nds. D G H DRiZ 1968 422); unzulässig ist dabei auch die Ausschaltung des weisungsfreien Richters, indem Angestellte oder Beamte des Gerichts angewiesen werden, die in die Zuständigkeit des Richters fallende Amtshilfehandlung vorzunehmen (BGH aaO.). Die Entschließung, ob eine Gerichtsentscheidung zuzustellen ist oder nicht, gehört zur Rechtsprechung im engeren Sinn und ist Maßnahmen der Dienstaufsicht entzogen (BVerwG DRiZ 1970 27). Unzulässig ist, über eine an sich nach § 26 Abs. 2 zulässige Vorhaltung oder Ermahnung hinaus eine Meldung über das Veranlaßte zu fordern (BGHZ 51 280 = MDR 1969 479 = DRiZ 1969 124 = LM Nr. 7 zu § 26 DRiG m. Anm. Baldus). Zulässig ist (als Heranziehung zu einer Nebentätigkeit in der Gerichtsverwaltung) die Anweisung der Dienstaufsichtsbehörde an den Richter, sich vor der Festsetzung der Entschädigung von Sachverständigen durch den Kostenbeamten zu äußern, ob gegen die Entschädigung dem Grunde nach Bedenken bestehen (BGH LM Nr. 5 zu § 26 DRiG m. Anm. Baldus). II. Dienstaufsichtsbehörden sind, soweit es sich um die Dienstaufsicht über Richter handelt, im allgemeinen die Gerichtspräsidenten und in der Spitze die Fachminister (vgl. für die ordentlichen Gerichte die VO vom 20. 3. 1935 — im Anhang unter B —). Maßnahmen des Gerichtspräsidenten in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Präsidiums — § 21 a Abs. 2 Satz 1 GVG - sind keine Maßnahmen der Dienstaufsicht (Bay. D G H DRiZ 1968 310). III. Wegen des Prüfungsverfahrens und des Inhalts der Entscheidung vgl. §§66, 67 Abs. 4, 83 und die Anm. zu § 67. IV. U. U. kann der Richter gegen Maßnahmen der Dienstaufsicht Verfassungsbeschwerde einlegen, wenn sie unter Verletzung der hergebrachten Grundsätze des richterlichen Dienstrechts (Art. 33 Abs. 5 GG) seine persönliche Rechtsstellung (und damit seine Unabhängigkeit) gegenüber dem Staat als Dienstherrn berühren (vgl. BVerfG DRiZ 1963 154, NJW 1964 1019). V. Der im Schrifttum (vgl. K e r n DRiZ 1959 142, 144) erhobenen Forderung, dem Richter die Anrufung des Dienstgerichts auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen er sich durch die Art der Geschäftsverteilung des Vorsitzenden (§ 21 g GVG) beschwert fühlt, hat das DRiG nicht entsprochen (vgl. dazu Anm. 1 zu § 52). § 27. Übertragung eines Richteramts ( l ) D e m Richter auf Lebenszeit und dem Richter auf Zeit ist ein Richteramt bei einem bestimmten Gericht zu übertragen. 3092

A. Deutsches Richtergesetz

§27 Anm. 1, 2

(2) Ihm kann ein weiteres Richteramt bei einem anderen Gericht übertragen werden, soweit ein Gesetz dies zuläßt. 1. Zu Absatz 1. Bei der Ernennung eines Richters auf Probe oder kraft Auftrags genügt es, daß er in das Richterverhältnis auf Probe oder kraft Auftrags berufen wird. Seine Amtsbezeichnung und die Art seiner zulässigen Verwendung ergeben sich dann unmittelbar aus dem Gesetz (§§ 19 a, 12—16). Bei den Richtern auf Lebenszeit oder auf Zeit ist eine Ernennung lediglich zum „Richter auf Lebenszeit" oder zum „Richter auf Zeit" nicht denkbar. Eine solche Ernennung wäre, da sie jeder Individualisierung entbehrte, völlig unbestimmt. Die Ernennung etwa zum „Richter am Amtsgericht" bringt zum Ausdruck, daß dem Ernannten ein Richteramt im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit übertragen ist, das bei einem Amtsgericht auszuüben ist. Eine solche Übertragung eines abstrakten Amts genügt aber nicht, um den Grundsatz der Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit (Art. 97 Abs. 2 G G ) durchführen zu können. Hierzu bedarf es vielmehr außerhalb der Ernennungsurkunde der Übertragung eines konkreten Richteramtes, des Richteramtes bei einem bestimmten Gericht, wie dies § 27 Abs. 1 vorschreibt. Unzulässig ist danach die Schaffung sog. fliegender Richter, z. B. die Ernennung zum Richter am Amtsgericht ohne Zuweisung eines konkreten Amtes, um den Richter überall einsetzen zu können, wo Bedarf besteht (vgl. O L G Oldenburg NdsRpfl. 1970 61). Hierfür bleibt nur der Weg des Einsatzes von Richtern auf Probe und kraft Auftrags (§§ 13, 16 Abs. 2), ggf. der Weg der Abordnung (§ 37). Nach den Haushaltsvorschriften (§ 49 BHO) darf ein Richteramt nur verliehen werden, wenn eine besetzbare Planstelle vorhanden ist. Die Nichtbeachtung dieser Vorschriften ist aber auf die Wirksamkeit eines nach § 17 begründeten Richterverhältnisses auf Lebenszeit (vgl. dazu Anm. 3 zu § 12) und die einer Amtsübertragung nach § 27 Abs. 1 ohne Einfluß. Ebenso ist das spätere haushaltsrechtliche Schicksal der Planstelle ohne Bedeutung für den abstrakten und konkreten Status des Richters. Sein Gehaltsanspruch, seine Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit würden z. B. durch die Einziehung seiner Planstelle im Haushaltsplan nicht berührt. 2. Zu Absatz 2. a) Gesetzliche Zulassung. Nach dieser Vorschrift kann einem Richter auf Lebenszeit oder Zeit neben dem nach Absatz 1 übertragenen Richteramt ein weiteres Richteramt bei einem anderen (bestimmten) Gericht übertragen werden, wenn und soweit ein Gesetz (Bundes- oder Landesgesetz) es zuläßt. Diese Zulassung muß nicht ausdrücklich ausgesprochen sein. Es genügt, daß das Gesetz erkennbar von der Zulässigkeit eines Doppelrichteramts ausgeht. Daß es aber zur „Zulassung" genüge, wenn die „gerichtsverfassungsrechtlichen Vorschriften eine Ämterkumulierung nicht ausschließen" (so S c h m i d t R ä n t s c h 15) kann nicht zugegeben werden (ebenso G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 7). Eine solche Auslegung ist nicht nur mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar, sondern widerspricht auch dem Grundgedanken des § 27, daß die Übertragung eines Amtes bei einem bestimmten Gericht die Regel, die Übertragung mehrerer Ämter die einer gesetzlichen Zulassung bedürftige Ausnahme ist. b) Das andere Gericht kann ein Gericht des gleichen Gerichtszweiges in der gleichen Ebene (einem Richter am A G A wird ein weiteres Richteramt beim benachbarten A G B übertragen) oder in verschiedenen Ebenen (beim A G A und beim übergeordneten LG) oder ein Gericht eines anderen Gerichtszweiges sein (ein Richter am O L G wird zum Richter eines Oberverwaltungsgerichts im Nebenamt oder zum Mitglied eines Ehrengerichtshofs für Rechtsanwälte, ein Richter am OVG zum Mitglied des Senats für Baulandsachen ernannt). Bundesrechtliche Vorschriften über die Übertragung eines Doppelamts enthalten z. B. die §§ 22 Abs. 2, 22b, 59 Abs. 2, 78 Abs. 2, 83 Abs. 1, 2 GVG, § 18 Abs. 3 ArbGG, § 16 VwGO, §§ 101 Abs. 1, 102 BRAO, §§ 160, 169 des Bundesbauges. Die Landesrichtergesetze lassen z. T. generell zu, daß den Richtern der Amtsgerichte und der erstinstanzlichen Gerichte der anderen Gerichtszweige ein weiteres Richteramt an einem gleichen Gericht desselben Gerichtszweiges übertragen wird (§ 6 HessRiG, § 11 Bad.-Württ. RiG). Bundesgesetzliche Schranken für eine Zulassung von Doppelämtern durch den Landesgesetzgeber ergeben sich im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit daraus, daß es nach dem erkennbaren Sinn der Regelung im G V G (§ 22 Abs. 2, 59 Abs. 2) nicht möglich ist, einem Richter am Amtsgericht ein weiteres Richteramt am Oberlandesgericht oder — von § 83 Abs. 1 3093

§28 Anm. 1,2

Anhang (Schäfer)

GVG abgesehen — einem Mitglied des Oberlandesgerichts ein weiteres Richteramt an einem Amts- oder Landgericht zu übertragen. Unberührt bleibt die Möglichkeit einer Abordnung nach § 37. c) Das weitere Amt kann, was den Umfang der Inanspruchnahme der Arbeitskraft des Richters anlangt, schon im Gesetz als Nebenamt gekennzeichnet sein (vgl. § 16 VwGO), oder es kann über die Verwendung bei dem anderen Gericht dessen Präsidium Bestimmung treffen (vgl. Anm. 4 b zu § 22 GVG). Eine Zustimmung des Richters zur Übertragung des weiteren Amts ist im Gesetz — entgegen entsprechenden Vorschlägen (vgl. DRiZ 1960 66 Nr. 6) — nicht vorgeschrieben. Aus § 42 (vgl. dort Anm. 1) ergibt sich aber, daß es der Zustimmung des Richters bedarf, wenn bei gleichzeitiger Ausübung beider Ämter die Inanspruchnahme durch das weitere Amt zeitlich oder arbeitsmäßig über den Umfang eines Nebenamtes hinausgeht (ähnlich S c h m i d t - R ä n t s c h 19, G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 11, die aus der Garantie der persönlichen Unabhängigkeit herleiten, daß es der Zustimmung des Richters bedarf, wenn die Tätigkeit in dem weiteren Amt zu einer wesentlichen Beschränkung seiner Tätigkeit in dem ihm nach § 27 Abs. 1 übertragenen Amt führt). Einen allgemein gültigen Gedanken bringen § 6 Hess. RiG, § 11 Bad.-Württ. RiG zum Ausdruck; danach setzt die (ohne Zustimmung des Richters erfolgende) Doppelernennung in dem dort bezeichneten Umfang voraus, daß sie aus dienstlichen Gründen geboten und dem Richter zumutbar ist. d) Einer streng formalisierten Ernennung wie bei der Übertragung eines Richteramts nach § 27 Abs. 1 bedarf es bei der Übertragung des weiteren Amtes nicht (vgl. § 17 Abs. 2). Aus der Natur der Sache ergibt sich, daß die Ernennung (Bestellung) regelmäßig schriftlich erfolgt ( S c h m i d t - R ä n t s c h 11 zu § 17, 20 zu § 27). Ausnahmsweise kann die Übertragung auch im Wege der gerichtlichen Selbstverwaltung (Beschluß des Präsidiums) erfolgen (vgl. § 78 Abs. 2 GVG). e) Die Dauer des weiteren Amts kann schon durch das Gesetz zeitlich begrenzt sein (vgl. § 102 BRAO, § 61 Abs. 3 DRiG). Im übrigen kann die Ernennung für eine (im voraus) bestimmte Zeit ausgesprochen werden (vgl. § 16 VwGO). Für die Dauer der Bestellung steht das Verbleiben in dem weiteren Amt unter den Garantien der persönlichen Unabhängigkeit (§ 30 Abs. 3). Mit dem Hauptamt (§ 27 Abs. 1) endet in der Regel auch ein weiteres Amt (§ 46 DRiG, § 68 BBG). f) Rechtsnatur der Übertragung. Die Übertragung eines weiteren Amts ist Heranziehung zu einer Nebentätigkeit i. S. der §§62 Abs. 1 Nr. 4d, 78 Nr. 4e (vgl. oben c). Nach anderer Auffassung ( G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 12) steht sie einer solchen Heranziehung nur gleich. Diese Ansicht sieht sich zu einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die Zuständigkeit des Dienstgerichts genötigt, die im Hinblick auf die Absicht des Gesetzes, die Zuständigkeit des Dienstgerichts in §§ 62, 78 abschließend festzulegen, bedenklich erscheint (s. auch Anm. 1 zu § 78).

§ 28. Besetzung der Gerichte mit Richtern auf Lebenszeit (1) Als Richter dürfen bei einem Gericht nur Richter auf Lebenszeit tätig werden, soweit nicht ein Bundesgesetz etwas anderes bestimmt. (2) Vorsitzender eines Gerichts darf nur ein Richter sein. Wird ein Gericht in einer Besetzung mit mehreren Richtern tätig, so muß ein Richter auf Lebenszeit den Vorsitz führen. 1. Über die Bedeutung der Vorschrift im allgemeinen vgl. Anm. 1 zu § 8, Anm. 1 zu §10. § 28 gilt für staatliche Gerichte (= Gerichte, die kraft Staatsgewalt Gerichtsbarkeit ausüben, vgl. Vorbem. 2 vor § 1 GVG) jeder Art. Er gilt nicht für die ehrenamtlichen Richter (§ 2) und die Richter der Gemeindegerichte (§ 14 Nr. 2 GVG, § 119 DRiG). 2. Zu Absatz 1. a) Nur durch Bundesgesetz, nicht durch Landesgesetz können Ausnahmen von dem Grundsatz zugelassen werden, daß als Richter nur Richter auf Lebenszeit tätig werden dürfen. Das Bundesgesetz kann zulassen, daß Berufsrichter auf Zeit (vgl. § 4 3094

A. Deutsches Richtergesetz

§28 Anm. 3

BVerfGG) oder Richter auf Probe oder kraft Auftrags (§§ 12, 14) tätig werden (§ 22 Abs. 5, 59 Abs. 3 GVG, § 18 Abs. 7 ArbGG, § 17 VwGO, § 11 Abs. 3 SGG u. a. m.). Die Ausnahme kann aber auch darin bestehen, daß überhaupt keine Berufsrichter, sondern nur ehrenamtliche Richter mitwirken. Dies gilt jedoch nur beim Ehrengericht für Rechtsanwälte, dessen Mitglieder nur aus Rechtsanwälten bestehen (§§ 94, 95 BRAO; § 123 DRiG). Um den gegen die Grundgesetzmäßigkeit oder wenigstens die Rechtsstaatlichkeit dieser Regelung erhobenen Bedenken (vgl. R u p p und Z e z s c h w i t z JZ 1965 399,401) Rechnung zutragen, bestimmt § 95 Abs. 1 Satz 2 (i. d. F. des Ges. vom 13. 1. 1969, BGBl. I 25), daß die Mitglieder des Ehrengerichts „in ihrer Eigenschaft als ehrenamtliche Richter während der Dauer ihres Amtes die Stellung eines Berufsrichters haben". b) § 28 verlangt nicht, daß nur solche auf Lebenszeit ernannte Richter mitwirken, denen gemäß § 27 Abs. 1 ein Richteramt bei diesem Gericht übertragen ist. Daher ist dem § 27 Abs. 1 auch genügt, wenn in einem Gericht abgeordnete Richter (§ 37) tätig werden, soweit nicht die Mitwirkung abgeordneter Richter durch andere Vorschriften beschränkt ist (vgl. § 29 DRiG, § 18 VwGO, s. auch Anm. 1 zu § 124 GVG wegen der Unzulässigkeit der Verwendung von abgeordneten Richtern bei den obersten Bundesgerichten). 3. Zu Absatz 2. Auch wenn ein Bundesgesetz Ausnahmen von Absatz 1 zuläßt, gelten für den Vorsitz in einem Gericht zwei besondere Regeln: a) Wirken in einem Spruchkörper ehrenamtliche Richter mit, so muß der Vorsitzende ein Berufsrichter (i. S. des § 8) sein; ein ehrenamtlicher Richter (§ 44) kann nicht Vorsitzender sein (Absatz 2 Satz 1). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt für die Ehrengerichte und Ehrengerichtshöfe für Rechtsanwälte, in denen Rechtsanwälte als ehrenamtliche Richter den Vorsitz führen (vgl. §§ 94 Abs. 1, 101 Abs. 3, 103 Abs. 2 Satz 1 BRAO, § 123 DRiG und oben Anm. 2 a). § 28 Abs. 2 Satz 1 setzt aber, indem er Berufsrichtereigenschaft verlangt (und genügen läßt), nur die Mindestanforderungen an die Person des Vorsitzenden fest und überläßt es den gerichtsverfassungsrechtlichen Vorschriften der einzelnen Gerichtszweige, strengere Anforderungen zu stellen. So kann nach § 29 Abs. 1 Satz 2 GVG ein Richter auf Probe im ersten Jahr nach seiner Ernennung nicht Vorsitzender des (einfachen) Schöffengerichts sein (wohl aber Einzelrichter in Strafsachen), und ein Richter auf Probe oder kraft Auftrags sowie ein abgeordneter Richter kann auch nicht Vorsitzender der kleinen Strafkammer sein, da nach § 21 f Abs. 1 GVG dieses Amt nur ein Vorsitzender Richter am LG wahrnehmen kann. b) Erhöhte Anforderungen an die Person des Vorsitzenden stellt Absatz 2 Satz 2, wenn ein Gericht in der Besetzung mit mehreren (= mehr als einem) Berufsrichter tätig wird: Vorsitzender kann dann nur ein Richter auf Lebenszeit sein, nicht ein Richter auf Probe oder kraft Auftrags. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob es sich um den ordentlichen Vorsitzenden oder seinen Vertreter im Vorsitz handelt. Richter auf Zeit sind nicht erwähnt; § 15 BVerfGG betr. Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden durch den lebesältesten anwesenden Richter des Senats wird aber gemäß § 69 DRiG nicht berührt. Nach § 28 Abs. 2 Satz 2 könnte auch ein abgeordneter Richter (§37) Vorsitzender im Kollegialgericht sein. Indessen stellt auch Satz 2 nur Mindestanforderungen auf, gerichtsverfassungsrechtliche Vorschriften mit strengeren Anforderungen bleiben unberührt. So muß in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und in der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Vorsitzende einer Kammer des Land- oder Verwaltungsgerichts der Präsident oder ein Vorsitzender Richter am LG (VG), der Vorsitzende eines Senats des Oberlandes- oder Oberverwaltungsgerichts der Präsident oder ein Vorsitzender Richter am OLG (OVG) sein (§ 21 f GVG, § 4 VwGO). Aber auch Vertreter des Vorsitzenden Richters kann nicht ein abgeordneter Richter, sondern nur ein ständiges Mitglied des Gerichts sein (vgl. Anm. II 5 b zu § 21 f. GVG). § 18 VwGO schließt darüber hinaus auch Richter im Nebenamt vom Vorsitz aus. Dagegen kann beim erweiterten Schöffengericht (§ 29 Abs. 2 GVG) auch ein abgeordneter Richter Vorsitzender sein, da er die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Satz 2 DRiG erfüllt. Jedoch muß dann der richterliche Beisitzer ein bei dem betreffenden Amtsgericht auf Lebenszeit ernannter Richter sein (vgl. Anm. 1 a zu § 29). 3095

§29 Anm. 1, 2

Anhang (Schäfer) § 29. Besetzung der Gerichte mit Richtern auf Probe, Richtern kraft Auftrags und abgeordneten Richtern

Bei einer gerichtlichen Entscheidung darf nicht mehr als ein Richter auf Probe oder ein Richter kraft Auftrags oder ein abgeordneter Richter mitwirken. Er muß als solcher in dem Geschäftsverteilungsplan kenntlich gemacht werden. Entstehungsgeschichte: Der bisherige Satz 2 („Er muß als solcher in der Entscheidung erkenntlich sein") erhielt seine jetzige Fassung durch Art. I Nr. 3 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. 1841). 1. a) § 29 Satz 1 regelt nicht, unter welchen Voraussetzungen Richter, die nicht bei dem betreffenden Gericht auf Lebenszeit ernannt sind (Richter auf Probe, § 12, Richter kraft Auftrags § 14 und abgeordnete Richter § 37), überhaupt an diesem Gericht tätig sein und an Entscheidungen dieses Gerichts mitwirken dürfen (vgl. dazu Anm. 2 zu § 28). Er begrenzt vielmehr, um den Grundsätzen der §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 Geltung zu verschaffen, zahlenmäßig den Umfang einer an sich zulässigen Heranziehung von „Hilfsrichtern", indem er bestimmt, daß bei dem Erlaß von Entscheidungen (Urteilen und Beschlüssen) eines Spruchkörpers, der mit mehr als einem Berufsrichter besetzt ist, insgesamt nur ein Hilfsrichter mitwirken darf, der oder die weiteren mitwirkenden Berufsrichter also bei diesem Gericht auf Lebenszeit ernannte Richter sein müssen. Es muß also im erweiterten Schöffengericht (§ 29 Abs. 2 GVG) mindestens ein bei diesem Amtsgericht auf Lebenszeit angestellter Richter, in der Zivil- oder Strafkammer des Landgerichts und im Zivil- oder Strafsenat des Oberlandesgerichts müssen mindestens zwei ständige Mitglieder des Gerichts an der Entscheidung des Kollegiums mitwirken. Eine Kammer in der Besetzung mit 2 Richtern auf Probe als Beisitzern wäre nicht ordnungsmäßig besetzt (§ 338 Nr. 1 StPO). Dagegen enthält § 29 keine entsprechende zahlenmäßige Begrenzung für die Heranziehung der Richter mit Doppelamt (§ 27 Abs. 2). Es kann also eine detachierte Strafkammer (§ 78 Abs. 2 GVG) Entscheidungen in der Besetzung mit 2 „Richtern am Amtsgericht" als Beisitzern erlassen, da diese ja nicht als zum Landgericht abgeordnete Richter, sondern als Mitglieder des Landgerichts tätig werden. § 29 verbietet auch nicht, daß einer („überbesetzten") Kammer mehr als ein Richter auf Probe, einem Senat mehr als ein abgeordneter Richter im Geschäftsverteilungsplan zugewiesen wird, wenn nur in der Verhandlung und bei der Entscheidung nicht mehr als ein Hilfsrichter mitwirkt. Wie § 28, so stellt aber auch § 29 nur Mindestanforderungen an die Besetzung des Spruchgremiums auf und läßt Raum für gerichtsverfassungsrechtliche Vorschriften mit strengeren Anforderungen. So stellt § 18 VwGO die Richter im Nebenamt den Richtern auf Probe, kraft Auftrags und den abgeordneten Richtern gleich und bestimmt, daß von Richtern dieser Art nicht mehr als einer „in einer Kammer (Senat) mitwirken" darf. b) Auch wenn ein Spruchkörper in einer dem § 29 entsprechenden Weise besetzt war, kann die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts gerügt werden, wenn die Mitwirkung des einen Hilfsrichters darauf beruht, daß die Gesamtbesetzung des Gerichts fehlerhaft war, weil zur Bewältigung der Daueraufgaben des Gerichts nicht die nötige Zahl von ständigen Mitgliedern zur Verfügung stand (vgl. Anm. III zu § 59 GVG, E b S c h m i d t J Z 1963 77). 2. Nach § 29 Satz 2 a. F. mußte der mitwirkende Richter auf Probe usw. als solcher in der (schriftlichen) Entscheidung erkenntlich sein, um den Beteiligten und dem Rechtsmittelgericht eine rasche Überprüfung der ordnungsmäßigen Besetzung zu ermöglichen. Nach Satz 2 n. F. soll die Möglichkeit der Überprüfung dadurch gesichert werden, daß der „Hilfsrichter" i. S. des Satzes 1 als solcher in dem Geschäftsverteilungsplan kenntlich zu machen ist, welcher nach § 21 e Abs. 8 G V G zur Einsichtnahme aufzulegen ist. Die Änderung des Satzes 2 beruht auf einem Vorschlag des Rechtsausschusses und war dadurch veranlaßt, daß nach den Vorschlägen des Rechtsausschusses alle Richter einheitlich die Amtsbezeichnung „Richter" (ohne weitere Zusätze, vgl. Anm. 2 zu § 19 a) tragen sollten, sodaß aus der Entscheidung nicht mehr zu ersehen gewesen wäre, ob an ihr ein „Hilfsrichter" mitwirkte (vgl. Bericht des Rechtsausschusses vom 3. 12. 1971, BT-Drucks. VI/2903 S. 3). Mit der Rückkehr zum System abgestufter Amtsbezeichnungen in dem Gesetz gewordenen § 19 a entfiel 3096

A. Deutsches Richtergesetz

§ 30 Anm. 1

der Anlaß zu einer Änderung des § 29 Satz 2; die Änderung wurde aber gleichwohl beibehalten. Aus dieser Entstehungsgeschichte ergibt sich, daß auch der Änderung des Wortlauts — „kenntlich machen" gegenüber dem früheren „erkenntlich sein" — keine sachliche Bedeutung (etwa im Sinn einer gesteigerten Verdeutlichung) zukommt. Eine genügende Kenntlichmachung liegt bereits vor, wenn z. B. im Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts die Planstelleninhaber als „Richter am LG" und die Richter auf Probe als „Richter" bezeichnet sind. Nur beim Richter kraft Auftrags bedarf es dann der besonderen Kenntlichmachung durch einen Zusatz („Richter k. A.") und entsprechend beim abgeordneten Richter nur dann, wenn er nicht bereits durch seine abweichende Bezeichnung („Richter am AG") als zum LG abgeordneter Richter gekennzeichnet ist. Unberührt bleibt im übrigen bei Urteilen die Vorschrift, daß „die Namen" der mitwirkenden Richter anzugeben seien (§ 275 Abs. 3 StPO, §313 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 117 Abs. 2 VwGO usw.); diese Vorschrift wird seit jeher dahin verstanden, daß zum „Namen" des Berufsrichters auch die Angabe seiner Amtsbezeichnung gehört (vgl. Anm. 6 b zu § 275 StPO). Zur Durchführung des § 29 Satz 2 ist erforderlich, daß der nach § 21 e Abs. 8 GVG aufgelegte Geschäftsverteilungsplan hinsichtlich der Kenntlichmachung auf dem Laufenden gehalten, z. B. berichtigt wird, wenn ein Richter auf Probe oder kraft Auftrags zum Richter auf Lebenszeit bei diesem Gericht ernannt, ein abgeordneter Richter zu ihm versetzt wird. Denn andernfalls besteht die Gefahr, daß ein Urteil im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben im Geschäftsverteilungsplan wegen unvorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO) angefochten wird, während der Mangel tatsächlich nicht bestand, z. B. der im Geschäftsverteilungsplan noch als Richter auf Probe gekennzeichnete Richter z. Z. der Entscheidung bereits zum Richter auf Lebenszeit ernannt war. Dem Zweck der §§29 Satz 2 DRiG, § 21 e Abs. 8 GVG entsprechend muß auch bei Änderungen des Geschäftsverteilungsplans in der Form der Bestellung eines zeitweiligen Vertreters bei vorübergehender Verhinderung eines Spruchkörpermitglieds, mag die Bestellung durch Beschluß des Präsidiums (§ 21 e Abs. 3 GVG) oder in Eilfallen durch Anordnung des Präsidenten oder aufsichtführenden Richters (§ 21 i Abs. 2) getroffen werden, die Eigenschaft des Vertreters als Hilfsrichter i. S. des § 29 Satz 1 DRiG in dem schriftlichen Beschluß oder der schriftlichen Anordnung (§ 21 i Abs. 2 Satz 2 GVG) kenntlich gemacht und der Beschluß (die Anordnung) als Bestandteil des Geschäftsverteilungsplans zur Einsicht aufgelegt werden (§ 21 e Abs. 8 GVG). Unterbleibt die Kenntlichmachung, so ist dies für den Bestand der Entscheidung ohne rechtliche Bedeutung, wenn das Gericht vorschriftsmäßig besetzt war.

§ 30. Versetzung und Amtsenthebung (1) Ein Richter auf Lebenszeit oder ein Richter auf Zeit kann ohne seine schriftliche Zustimmung nur 1. im Verfahren über die Richteranklage (Artikel 98 Abs. 2 und 5 des Grundgesetzes), 2. im förmlichen Disziplinarverfahren, 3. im Interesse der Rechtspflege (§31), 4. bei Veränderung der Gerichtsorganisation (§ 32) in ein anderes Amt versetzt oder seines Amtes enthoben werden. (2) Die Versetzung oder Amtsenthebung kann — außer im Fall des Absatzes 1 Nr. 4 — nur auf Grund rechtskräftiger richterlicher Entscheidung ausgesprochen werden. (3) Der Versetzung steht es gleich, wenn ein Richter, der mehrere Richterämter innehat, eines Amtes enthoben wird. 1. a) Neben den §§ 18, 19, 21, 24, 36 dienen §§ 30, 34 der Konkretisierung des Art. 97 Abs. 2 Satz 1, 3 GG, wonach die „hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter", d. h. die Richter auf Lebenszeit oder Zeit, wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden dürfen. § 30 i. Verb, mit §§ 31—33, 34 regelt abschließend die Voraussetzungen, die Formen und die Wirkungen einer unfreiwilligen Versetzung oder Amtsenthebung. Für Richter auf Probe oder kraft Auftrags gelten diese Vorschriften nicht (vgl. §§ 13, 16 Abs. 2, 22, 23). 3097

§30 Anm. 2

Anhang (Schäfer)

b) § 30 läßt die Enthebung aus dem Richteramt nur unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen zu. Eine andere Frage ist, inwieweit sich der Schutz des § 30 auch auf die Belassung in einem Aufgabenbereich nichtrechtsprechender Art bezieht, der einem Richter im Rahmen des § 4 Abs. 2 übertragen worden ist. Es fragt sich insbesondere, ob die Übertragung der Dienstauf sieht an einen Richter durch die oberste Dienstbehörde ohne die Voraussetzungen des § 30 zurücknehmbar ist und ob die Zurücknahme der Anfechtung beim Verwaltungsgericht (vgl. BVerwG DRiZ 1962 421) oder unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 beim Richterdienstgericht unterliegt. Soweit eine solche Übertragung generell durch eine Rechtsvorschrift ausgesprochen ist, wie bei den Präsidenten der Gerichte in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (vgl. § 14 der VO vom 20. 3. 1935, RGBl. I 403), oder gar das die Gerichtsverfassung des Gerichtszweigs regelnde Gesetz von vornherein die Dienstaufsicht bestimmten Richtern zuweist (vgl. § 38 VwGO), kommt eine selbständige Entziehung überhaupt nicht in Betracht. Die Frage kann nur da auftauchen, wo die Übertragung der Dienstaufsicht im Einzelfall durch besondere Anordnung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr ermächtigten Stelle erfolgt (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2 GVG). Mit H o e p n e r DRiZ 1961 238 wird anzunehmen sein, daß der Schutz des § 30 sich auf diese Seite des richterlichen Amtes erstreckt (a. M. BVerwGE 11 195). 2. Versetzung in ein anderes Amt (Art. 97 Abs. 2 GG: „an eine andere Stelle") liegt vor, wenn unter Aufrechterhaltung des Richterdienstverhältnisses das konkrete Richteramt bei einem bestimmten Gericht (§ 27 Abs. 1) beendet und dem Richter ein Richteramt bei einem anderen Gericht übertragen wird. Daß unter dem „anderen Amt" nur ein Richteramt zu verstehen ist, zeigen unzweideutig §§31 Nr. 1, 32. Auch für § 8 a. F. GVG war anerkannt, daß die „andere Stelle" nur ein anderes Gericht sein konnte (RGZ 49 112). Durch den Verlust des bisherigen und die Übertragung eines Richteramts bei einem anderen bestimmten Gericht unterscheidet sich die Versetzung von der Abordnung (§ 37), bei der der Richter lediglich vorübergehend an anderer Stelle verwendet wird, sein Amt bei dem bestimmten Gericht aber beibehält. Erst recht ist der Wechsel der richterlichen Tätigkeit bei dem gleichen Gericht aufgrund von Beschlüssen des Präsidiums nach § 21 e GVG (vgl. dazu § 21 e Abs. 5) keine Versetzung in ein anderes Amt, auch wenn der betroffene Richter noch so lange ein bestimmtes Tätigkeitsgebiet betreut hat und sich gegen eine Veränderung sträubt. Mit den Grundsätzen der Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit hat die interne Aufgabenverteilung kraft gerichtlicher Selbstverwaltung nichts zu tun (vgl. K i s s l i n g DRiZ 1954 181, S c h u l t e DRiZ 1955 112; s. auch Anm. 1 zu § 52). Das gilt auch für die Zuweisung eines Richters durch das Präsidium an einen auswärtigen Spruchkörper dieses Gerichts (an eine detachierte Kammer oder einen detachierten Senat, vgl. §§78 Abs. 2, 116 Abs. 2, 130 Abs. 2 GVG). Indessen kann eine solche Maßnahme bei großräumigen Gerichtsbezirken und weiter Entfernung des Stammsitzes vom Sitz des detachierten Spruchkörpers (so, wenn ein Richter des OLG Frankfurt einem Zivilsenat in Kassel, ein Richter am BGH, der bisher in Karlsruhe tätig war, dem Strafsenat in Berlin zugewiesen wird) in ihrer praktischen Auswirkung einer Versetzung gleichkommen, wenn sie gegen den Willen des betroffenen Richters erfolgt und ihn zu einer mehr oder weniger langdauernden Trennung von seiner am Stammsitz zurückgebliebenen Familie oder zur Verlegung des Wohnsitzes an den neuen Dienstort zwingt, noch dazu, wenn er bei Beginn seines Amtes mit einer solchen „Versetzung" zu rechnen keine Veranlassung hatte. Die Auffassung (vgl. K e r n DRiZ 1958 135, S c h m i d t - R ä n t s c h 5), daß ein derartig tief eingreifender Einschnitt in die bisherigen Lebensverhältnisse des Richters, wenn er die Zuweisung als nach Sachlage nicht erforderlich oder den Beschluß des Organs der gerichtlichen Selbstverwaltung als willkürlich empfindet, jeglicher gerichtlichen Kontrolle entzogen sei, weil er nicht in den Katalog des § 30 fällt und Beschlüsse des Präsidiums unanfechtbar sind (vgl. Anm. IX zu § 21 e GVG), weckt Bedenken (ebenso M ü l l e r NJW 1963 616). Es ist anerkannt, daß ein Beschluß des Präsidiums, der den Richter, indem er ihn keinem Spruchkörper zuteilt, von der richterlichen Tätigkeit ausschließt, praktisch einer Amtsenthebung ohne die in Art. 97 Abs. 2 GG vorgesehenen Voraussetzungen gleichkommt, deren der betroffene Richter sich mit der Verfassungsbeschwerde (Art. 33 Abs. 5, § 90 BVerfGG) erwehren kann (BVerfG NJW 1964 1019). Das gleiche muß dann auch für nicht gebotene und willkürliche Maßnahmen der gerichtlichen Selbstverwaltung gelten, die praktisch einer unfreiwilligen 3098

A. Deutsches Richtergesetz

§30 Anm. 3—5

Versetzung entsprechen. Übrigens haben es die Ernennungsbehörden in der Hand, den erörterten Schwierigkeiten vorzubeugen, indem sie den Richter vor seiner Ernennung in ein Richteramt, bei dem Verschiebung an einen auswärtigen Spruchkörper durch Beschluß des. Präsidiums in Betracht kommt, die Erklärung abgeben lassen, daß er mit einer etwaigen Verschiebung im voraus einverstanden sei. Solche Erklärungen sind zulässig und unwiderruflich. Vgl. noch Anm. 5 a zu § 78 GVG. 3. Den Begriff der Amtsenthebung verwendet § 30 als Oberbegriff. Im Fall des § 30 Abs. 1 Nr. 1 umfaßt er die Versetzung in den Ruhestand und die Entlassung, im Fall des § 30 Abs. 1 Nr. 2 die Entfernung aus dem Dienst, im Fall des § 30 Abs. 1 Nr. 3 die Versetzung in den einstweiligen oder endgültigen Ruhestand (§ 31 Nr. 2, 3). Dagegen wird im Fall des § 30 Abs. 1 Nr. 4 der Begriff der Amtsenthebung in einem engeren Sinn verwendet, nämlich (vgl. § 32 Abs. 2) als Beendigung des konkreten Richteramts ohne Übertragung eines anderen Richteramts, aber unter Aufrechterhaltung des Richterdienstverhältnisses (vgl. auch § 36 Abs. 2). Anders S c h m i d t - R ä n t s c h 9 und G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 6, die dem Begriff der Amtsenthebung in § 30 die gleiche (engere) Bedeutung wie in § 32 Abs. 2 beimessen und deshalb die Verweisung in § 35 auf § 30 als lückenhaft ansehen (vgl. Anm. 1 b zu § 35). Von der Amtsenthebung im engeren Sinn zu unterscheiden ist die vorläufige Untersagung der Amtsgeschäfte nach § 35 D R i G und die vorläufige Dienstenthebung nach § 36 Abs. 2 in Verb, mit den Vorschriften der Disziplinargesetze; hier verbleibt dem Richter sein konkretes Richteramt, und nur seine Ausübung wird ihm vorübergehend entzogen. Von einer Beurlaubung unterscheidet sich die Amtsenthebung weiterhin dadurch, daß ein beurlaubter Richter während des Urlaubs zur Amtsausübung berechtigt bleibt (RGSt. 67 226, 228).

4. Die Worte ohne seine schriftliche Zustimmung in Abs. 1 erhalten ihren Sinn erst durch Absatz 2. Außerhalb der in § 30 Abs. 1 Nr. 1—4 bezeichneten Fälle kann ein Richter mit seiner schriftlichen Zustimmung (in einem schriftlichen Antrag liegt bereits die Zustimmung) jederzeit versetzt werden (§ 46 DRiG, § 26 BBG, § 71 DRiG, § 18 BRRG), während bei einem Richter auf Lebenszeit oder Zeit eine Amtsenthebung im weiteren Sinn kraft Zustimmung nur in den Fällen der §§ 30 Abs. 1 Nr. 4, 34, 36 Abs. 2 und eine Amtsenthebung im engeren Sinn (vgl. Anm. 3) kraft Zustimmung nur im Fall des § 30 Abs. 1 Nr. 4 möglich ist. Soll dagegen eine Versetzung oder eine Amtsenthebung (im weiteren Sinne) aus den Gründen des § 30 Abs. 1 Nr. 1—3 stattfinden, so kann sie ohne Rücksicht auf die Zustimmung des betroffenen Richters nur durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (§ 30 Abs. 1 Nr. 1) oder des Dienstgerichts (§§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 78 Nr. 1) oder erst dann erfolgen, wenn das Dienstgericht die Maßnahme für zulässig erklärt hat (§§ 62 Abs. 1 Nr. 2, 65, 78 Nr. 2, 83). Eine Versetzung oder Amtsenthebung aus den Gründen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 spricht dagegen die Dienstbehörde aus; sie unterliegt, wenn sie ohne schriftliche Zustimmung des betroffenen Richters geschieht, der Anfechtung nach § § 6 2 Abs. 1 Nr. 4 a, 78 Nr. 4 a. 5. Zu Absatz 1 Nr. 1 (Richteranklage). (Literatur: K l e m s , Die Richteranklage im GG., Diss. Heidelberg 1950; E b S c h m i d t , Polit. Rechtsbeugung und Richteranklage; B a u r , Justizaufsicht und richterliche Unabhängigkeit [1954] 3 8 f f . ; B e t t e r m a n n i n „Grundrechte" III 2, 583 ff.). Art. 98 Abs. 2 G G bestimmt: „Wenn ein Bundesrichter im Amte oder außerhalb des Amtes gegen die Grundsätze des Grundgesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung eines Landes verstößt, so kann das Bundesverfassungsgericht mit Zweidrittelmehrheit auf Antrag des Bundestages anordnen, daß der Richter in ein anderes Amt oder in den Ruhestand zu versetzen ist. Im Falle eines vorsätzlichen Verstoßes kann auf Entlassung erkannt werden." Für die Landesrichter bestimmt Abs. 5 aaO.: „Die Länder können für Landesrichter eine Absatz 2 entsprechende Regelung treffen. Geltendes Landesverfassungsrecht bleibt unberührt. Die Entscheidung über eine Richteranklage steht dem Bundesverfassungsgericht zu." a) Die Richteranklage nach Art. 98 Abs. 2 G G bezweckt, die Verfassung gegen Gefahren zu schützen, die ihr aus dem Mißbrauch der richterlichen Gewalt erwachsen können (v. M a n g o l d t 4 zu Art. 98). Sie bringt die gesteigerte Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt 3099

§30 Anm. 5

Anhang (Schäfer)

zum Ausdruck, die ihr das G G beimißt, indem es den einzelnen Richter bzgl. seiner staatsrechtlichen Verantwortung in gewisser Weise dem Staatsoberhaupt (vgl. Art. 61 GG) gleichsetzt. Verfassungsverstöße „außerhalb des Amtes" sind einbezogen als Anzeichen für die dem Fortbestand der verfassungsmäßigen Ordnung bei der Amtsausübung drohenden Gefahren. Die sehr unbestimmte Umschreibung des Verletzungsgegenstandes, die mit Recht im Schrifttum Bedenken hervorgerufen hat, zwingt im Interesse der richterlichen Unabhängigkeit zu einer einschränkenden Auslegung. Nicht jede Verletzung einer Vorschrift des Grundgesetzes oder einer Landesverfassung erfüllt materiell die Voraussetzungen einer Richteranklage, sondern nur die Verletzung von „Grundsätzen" des GG, d. h. von grundlegenden, das Gebäude des Verfassungsrechts tragenden, sein Gesamtgepräge wesentlich und charakteristisch bestimmenden Vorschriften (vgl. v. M a n g o l d t aaO., B a u e r 45). Diese Grundsätze sind identisch mit dem Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung i. S. der Art. 18, 21 GG, den BVerfGE 2 1 erläutert hat ( H a m a n n B 4 zu Art. 98 GG). Der Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnung eines Landes" muß dann aber im gleichen Sinn verstanden werden. Daß der Verfassungsverstoß den äußeren Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt, ist nicht erforderlich; die Richteranklage ist unabhängig von dem Ausgang eines etwa vorangegangenen Strafverfahrens wegen Gesetzesverstoßes (vgl. § 58 Abs. 2 BVerfGG) und hindert, soweit nicht § 60 BVerfGG entgegensteht, nicht die spätere Durchführung eines dienststrafgerichtlichen Verfahrens. Vielfach wird angenommen, daß der Verfassungsverstoß nicht schuldhaft begangen zu sein brauche, also nicht einmal Fahrlässigkeit erforderlich sei (sov. M a n g o l d t aaO., E b S c h m i d t , Lehrkomm. I Nr. 535, R o t b e r g DRZ 1949 387, G e i g e r , Komm. z. B. VerfGG 1952 6 zu § 57; B a u r 45; B e t t e r m a n n 586). Begründet wird dies mit dem Hinweis, daß der Wortlaut des Art. 98 Abs. 2 G G kein Verschulden erfordere und daß dieses nur in Art. 98 Abs. 2 Satz 2 eine Rolle spiele, wonach auf Entlassung nur bei vorsätzlichem Verstoß erkannt werden kann, Fahrlässigkeit also nicht genügt. Aber diese Begründung ist wenig überzeugend: eine Verantwortlichkeit ohne Schuld widerspricht rechtsstaatlichen Vorstellungen, abgesehen davon, daß, was E b S c h m i d t aaO. selbst hervorhebt, ein objektiv rechtswidriger und erheblicher Verstoß eines Bundesrichters gegen einen elementaren Verfassungsgrundsatz — nicht nur eine politisch unerwünschte Einstellung — ohne ein dem Verschulden entsprechendes bewußtes Verhalten eine schwer vollziehbare Vorstellung ist. Nach B a u r 46 haben, wenn nur ein objektiver Verstoß vorliegt, die in Art. 98 bezeichneten Maßnahmen reinen Sicherungscharakter, aber er verkennt nicht, daß es bei einer solchen Würdigung gerechter gewesen wäre, die dem Richter aus der getroffenen Maßnahme erwachsenden wirtschaftlichen Nachteile auszuschließen. Indessen: durch die Verfahrensvorschriften des Art. 98 Abs. 2 (Antrag des Bundestages, Erfordernis der Zweidrittelmehrheit beim Bundesverfassungsgericht für ein verurteilendes Erkenntnis) ist hinreichende Gewähr gegen Mißbrauch der Einrichtung zu politischen Zwecken gegeben; es ist bezeichnend, daß die anfangs so lebhafte Diskussion um die Richteranklage verstummt ist, nachdem bisher kein praktischer Fall hervorgetreten ist. b) Art. 98 Abs. 2 gilt für Richter des Bundes jeder Art, also nicht nur die Richter an den obersten Bundesgerichten, jedoch nicht für die Richter des Bundesverfassungsgerichts. Daß es sich dabei nur um Berufsrichter handelt, ergibt sich ohne weiteres schon daraus, daß bei den ehrenamtlichen Richtern die Versetzung in ein anderes Amt oder in den Ruhestand nicht in Betracht kommt. Die Versetzung kann auch in ein nichtrichterliches Amt erfolgen ( B a u r 50). c) Für Landesrichter läßt Art. 98 Abs. 5 Satz 2, 3 GG die vor Inkrafttreten des G G erlassenen Vorschriften der Landesverfassungen über die Richteranklage mit der Maßgabe bei Bestand, daß die Entscheidung — wie bei Bundesrichtern — dem Bundesverfassungsgericht zusteht; für das Verfahren vor dem BVerfG gelten nach § 62 BVerfGG, soweit Landesverfassungsrecht nichts Abweichendes bestimmt, die für das Verfahren gegen Bundesrichter geltenden Vorschriften. Vorschriften über die Richteranklage finden sich in den Verfassungen von Bremen (Art. 138), Hessen (Art. 127 Abs. 4) und Rheinland-Pfalz (Art. 132). Sie lassen, was die materiellen Voraussetzungen anlangt, die Richteranklage z. T. in erheblich weiterem Umfang zu als Art. 98 Abs. 2 GG, und gerade dagegen sind in der Anfangszeit unter dem Gesichtspunkt einer Gefahrdung der richterlichen Unabhängigkeit von vielen Sei3100

A. Deutsches Richtergesetz

§ 3 0 Anm. 6—8 § 3 1 Anm. 1

ten Bedenken erhoben worden (vgl. E b S c h m i d t , Lehrkomm.I [1] Nr. 432 Fußnote 345), denen das G G (Art. 98 Abs. 5 Satz 3) in gewisser Weise durch die Begründung der Zuständigkeit des BVerfG Rechnung trug. Nach dem Inkrafttreten des G G können gemäß Art. 98 Abs. 5 Satz 1 die Länder eine Richteranklage nur im Rahmen des für Bundesrichter geltenden Absatzes 2 bei Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts vorsehen. Von dieser Möglichkeit haben Baden-Württemb. (Art. 66 Abs. 2), Hamburg (Art. 63 Abs. 3), Niedersachsen (Art. 40), Nordrhein-Westfalen (Art. 73) und Schleswig-Holstein (Art. 36 Abs. 2) Gebrauch gemacht. Fälle von Richteranklage sind auch bei Landesrichtern nicht bekannt geworden (vgl. A r n d t D R i Z 1972 54). 6. Z u Absatz 1 Nr. 2. Nach § 63 Abs. 1 D R i G , § 5 B D O kann gegen einen Richter im Bundesdienst im förmlichen Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Dienst oder auf Versetzung in ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt erkannt werden, gegen Richter bei einem obersten Bundesgericht nach § 64 Abs. 2 aber nur auf Entfernung aus dem Dienst. Wegen der zulässigen Maßnahmen gegen Landesrichter gilt Landesrecht. 7. Zu Absatz 3. Ein Richter, dem neben einem konkreten Richteramt (§ 27 Abs. 1) ein weiteres Richteramt gemäß § 27 Abs. 2 übertragen ist, genießt auch für dieses weitere Amt die Garantien der Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit. D a s ergibt sich unmittelbar aus Abs. 1, 2, die nicht auf den Fall eines Amtes nach § 27 Abs. 1 beschränkt sind, mögen sie diesen Fall auch in erster Linie im Auge haben. Davon geht Absatz 3 aus. Seine wenig klare Fassung soll besagen, daß eine Amtsenthebung aus dem weiteren Amt, die den Bestand des nach § 27 Abs. 1 übertragenen primären Amts unberührt läßt, unter den Voraussetzungen und Formen zulässig ist, unter denen bei Richtern, die nur ein Amt gemäß § 27 Abs. 1 übertragen erhalten haben, eine unfreiwillige Versetzung aus diesem Amt möglich ist (vgl. S c h m i d t - R ä n t s c h 21). Eine Enthebung aus dem primären Hauptamt beendet, da das Bestehen eines konkreten Amtes nach § 27 Abs. 1 Voraussetzung für die Übertragung nach § 27 Abs. 2 bildet, auch das weitere Amt. Inwieweit Versetzungen mit Bezug auf das primäre Amt den Bestand des weiteren Amtes berühren, hängt von der Gestaltung des Falles ab. 8. Zu den Voraussetzungen der persönlichen Unabhängigkeit gehört auch die Garantie einer angemessenen und festen Besoldung, auf deren Gewährung und auf deren Höhe die Exekutive grundsätzlich keinen Einfluß haben darf (vgl. BVerfGE 26 79, 92; 32 199, 213). Das D R i G enthält aber insoweit keine Regelung.

§ 31. Versetzung im Interesse der Rechtspflege Ein Richter auf Lebenszeit oder ein Richter auf Zeit kann 1. in ein anderes Richteramt mit gleichem Endgrundgehalt, 2. in den einstweiligen Ruhestand oder 3. in den Ruhestand versetzt werden, wenn Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden. 1. Das G V G kannte eine dem § 3 1 entsprechende Vorschrift nicht. Nur in einzelnen Ländern bestanden Vorschriften über die Versetzung im Interesse der Rechtspflege (z. B. § 82 der preuß. RichterdienststrafO vom 27. 1. 1932, G S 79). Vorbilder für § 31 finden sich auch im ausländischen Recht (Nachweise bei S c h m i d t - R ä n t s c h 2). Mit Art. 97 Abs. 2 G G ist die Vorschrift vereinbar, da es dort dem Gesetzgeber überlassen wird, die Gründe für eine Amtsenthebung oder Versetzung zu bestimmen. Durch die Beschränkung der Versetzungsgründe auf Tatsachen, die außerhalb der richterlichen Tätigkeit liegen, wird auch eine Kollision mit Art. 97 Abs. 1 G G vermieden. Gegenüber den gleichwohl bestehenden rechtspolitischen Bedenken (vgl. B a u r , Justiz aufsieht 79, V ö g e N J W 1958 1029, E b . S c h m i d t J Z 1963 79) schienen dem Gesetzgeber überwiegende Gründe für die Einführung der Vorschrift zu sprechen, die die Voraussetzungen einer Versetzung im Interesse der Rechtspflege eng umgrenzt („zwingend gebieten", „schwere Beeinträchtigung"). Der Grund3101

§ 3 1 Anm. 2—4 Anhang (Schäfer) §32 satz der richterlichen Unabhängigkeit verlangt auch eine enge Auslegung der einzelnen Merkmale. 2. Nur Tatsachen außerhalb der richterlichen Tätigkeit rechtfertigen eine Maßnahme aus § 31. Zur richterlichen Tätigkeit, die im Hinblick auf Art. 97 Abs. 1 G G außerhalb des Anwendungsbereichs der Vorschrift liegt, gehören alle Maßnahmen, die der Richter unter richterlicher Unabhängigkeit trifft. Außerhalb dieser Tätigkeit liegt die Privatspäre und weisungsgebundene Tätigkeit. Ohne Bedeutung ist, ob an dem Vorliegen der Tatsachen den Richter ein Verschulden trifft oder nicht. Maßgebend ist nur, daß objektiv Umstände vorliegen, die eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege zur Folge haben oder mit Gewißheit zur Folge haben werden, deren Abwendung dringend geboten ist, und daß diese Abwendung nur durch eine Herausnahme des Richters aus dem bisherigen Tätigkeitsbereich möglich ist. Als Anwendungsfalle dieser Vorschrift kommen etwa in Betracht, daß der einzige Anwalt am Sitz des Amtsgerichts die Tochter des dort als einziger Richter amtierenden Amtsrichters heiratet oder daß der Sohn des einzigen Richters am Ort wegen ehrenrühriger Delikte erheblich bestraft wurde und dies weithin bekannt wird (vgl. die amtl. Begründung zu § 27 RegEntw. 1958) oder daß der einzige, auch als Strafrichter in Einzelrichtersachen tätige Richter selbst wegen fahrlässiger Tötung im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall bestraft wird, wenn auch, weil das Maß der Schuld sehr gering ist, im Strafverfahren nur mit einer nicht erheblichen Geldstrafe und ohne daß — eben wegen der geringen Schuld — im Disziplinarverfahren auf Versetzung hätte erkannt werden können. Eine „Pressekampagne", die gegen einen Richter gerade wegen seiner richterlichen Tätigkeit entfesselt wird, wäre keine „Tatsache außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit" (a. M. wohl E b S c h m i d t JZ 1963 79). 3. An die Beispielsfalle zu 2) anknüpfend kann die schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege darin bestehen, daß (im ersten Beispielsfall) der Richter wegen des nahen Verhältnisses zum Prozeßbevollmächtigten der einen Partei vom Gegner häufig wegen Befangenheit abgelehnt werden könnte oder daß der Richter wenigstens seine richterliche Tätigkeit in den Augen der Umwelt, der Rechtsuchenden wie der Rechtsunterworfenen, Verdächtigungen aussetzte, daß er (im zweiten Beispielsfall) trotz eigener Integrität an Autorität und Unbefangenheit verlöre und daß (im dritten Beispielsfall) das im Strafurteil verkörperte ethische Unwerturteil des Staates seine Glaubwürdigkeit einbüßt, wenn der Richter als Repräsentant der staatlichen Strafgewalt selbst begangen hat, was er anderen zum Vorwurf macht. Umgekehrt besteht auch die Gefahr, daß das Erlebnis im eigenen Bereich, das Bewußtsein, selbst versagt zu haben, dem Richter die Unbefangenheit bei der Beurteilung des Verhaltens anderer nähme, zu unangebrachter Nachsicht führte usw. 4. Eine Maßnahme im Sinn des § 3 muß zwingend geboten, d. h. das unabweisbar notwendige und einzige Mittel zur Abwehr einer schweren Beeinträchtigung sein. Genügen andere Mittel, wie Maßnahmen der Geschäftsverteilung, eine vorübergehende Abordnung (§ 37) mit Zustimmung des Richters oder auch eine Versetzung auf Antrag oder mit Zustimmung des Richters aus allgemeinen Gründen (also ohne daß die Voraussetzungen des § 31 festgestellt werden oder auf ihn Bezug genommen wird), so ist § 31 unanwendbar. Ist seine Anwendung unvermeidbar, weil der Richter dauernd in dem bisherigen Amt nicht tragbar erscheint, so kommt das schwerere Abhilfemittel (Nr. 2, 3) nur in Betracht, wenn der leichtere (Nr. 1) nicht ausreicht. Versetzung in den Ruhestand setzt also voraus, daß der Richter vorübergehend (Nr. 2) oder dauernd (Nr. 3) in keinem gleichwertigen Richteramt — auch nicht in dem eines anderen Gerichtszweiges — mehr tragbar erscheint oder ein entsprechendes gleichwertiges Amt, in das er versetzt werden könnte, dem Dienstherrn (§ 3) nicht zur Verfügung steht. Versetzung in den endgültigen Ruhestand hat zur Voraussetzung, daß eine spätere Verwendung im Richteramt ausgeschlossen erscheint (wegen der Verpflichtung des in den einstweiligen Ruhestand Versetzten, einer erneuten Berufung in das Richterverhältnis auf Lebenszeit Folge zu leisten, vgl. §§ 46, 71 DRiG, § 39 BBG, §§ 32, 29 BRRG). § 32. Veränderung der Gerichtsorganisation (1) Bei einer Veränderung in der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke kann "einem auf Lebenszeit oder auf Zeit ernannten Richter dieser Gerichte ein anderes Richteramt 3102

A. Deutsches Richtergesetz

§32 Anm. 1 , 2

übertragen werden. Ist eine Verwendung in einem Richteramt mit gleichem Endgrundgehalt nicht möglich, so kann ihm ein Richteramt mit geringerem Endgrundgehalt übertragen werden. (2) Ist die Übertragung eines anderen Richteramts nicht möglich, so kann der Richter seines Amtes enthoben werden. Ihm kann jederzeit ein neues Richteramt, auch mit geringerem Endgrundgehalt, übertragen werden. (3) Die Übertragung eines anderen Richteramts (Absatz 1) und die Amtsenthebung (Absatz 2 Satz 1) können nicht später als drei Monate nach Inkrafttreten der Veränderung ausgesprochen werden. 1. §§ 32, 33 entsprechen dem durch § 85 Nr. 1 D R i G aufgehobenen § 8 Abs. 3 G V G und dem Art. 104 Abs. 3 WeimVerf. Sie sind verfassungsrechtlich gedeckt durch Art. 97 Abs. 2 Satz 3 G G Lediglich § 32 Abs. 3 stellt eine Neuerung gegenüber dem früheren Recht dar (vgl. Anm. 5). 2. Zu Absatz 1: Eine Veränderung in der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke, die in Durchbrechung des Grundsatzes der Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit dem Dienstherrn das Recht einräumt, einen Richter gegen seinen Willen zu versetzen oder seines Amtes zu entheben, liegt nur vor, wenn die Veränderung den Richterbedarf bei dem Gericht, bei dem er sein konkretes Amt (§ 27) bekleidet, so einschneidend verringert, daß die Belassung des Richters in seinem bisherigen Amt nicht mehr möglich oder dem Dienstherrn nicht zumutbar ist (vgl. R G Z 113 207). a) Eine Veränderung in der Einrichtung der Gerichte kann etwa darin bestehen, daß wesentliche Sachgebiete aus der bisherigen sachlichen Zuständigkeit herausgenommen und Sondergerichten oder den Gerichten anderer Gerichtszweige übertragen werden, daß bisher zulässige Rechtsmittel (etwa durch Erhöhung der Rechtsmittelsumme) einschneidend beschränkt werden, daß die sachliche Zuständigkeit der einzelnen Instanzen grundlegend geändert, etwa die erstinstanzliche Zuständigkeit der Amtsgerichte wesentlich auf Kosten der bisherigen Zuständigkeit der Landgerichte erweitert wird, daß die Besetzung des Kollegialgerichts verringert wird oder an die Stelle eines Kollegiums der Einzelrichter tritt usw. Dagegen genügt nicht eine bloße Verringerung des Geschäftsanfalls (ebenso S c h m i d t R ä n t s c h 3, G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 2, unrichtig Kl 1), die nicht in gesetzlichen Maßnahmen der bezeichneten Art, sondern in anderen Umständen ihre Ursachen hat, auch wenn diese Umstände rechtlich bedingt sind, wie etwa durch Auslaufen von Wiedergutmachungs-, Entschädigungs-, Umstellungs- und Bereinigungsverfahren als Kriegsfolgeerscheinungen, oder durch Änderungen des materiellen Rechts. Es ist daher auch bedeutungslos, ob wegen Verminderung des Geschäftsanfalls die Zahl der Kammern oder Senate durch die Justizverwaltung (Anm. III zu § 60 GVG) verringert wird. Darin allein liegt keine Veränderung in der Einrichtung der Gerichte und auch darin nicht, daß die Zahl der Planstellen im Haushaltsplan verringert wird (vgl. Anm. 1 zu § 2 7 , a. M. Kl 1, G e r n e r - D e c k e r K a u f f m a n n 2). Auch eine grundlegende Reform des materiellen Rechts, die das Verfahrensrecht nicht berührt, aber — namentlich bei den älteren Richtern — ein völliges Umlernen und Umdenken erfordert, ist keine Veränderung in der Einrichtung der Gerichte. b) Eine Veränderung der Gerichtsbezirke kann darin bestehen, daß Gerichte aufgehoben oder mit anderen zusammengelegt werden oder daß der Bezirk eines Gerichts zugunsten eines anderen Gerichts wesentlich verkleinert wird. Eine Bezirksverkleinerung liegt auch vor, wenn durch Maßnahmen nach § 58 Abs. 1 G V G einem Amtsgericht die örtliche Zuständigkeit in Strafsachen ganz oder teilweise entzogen und die Gebietsgrenzen des Gerichts, dem diese Sachen zugelegt werden, über den bisherigen Bereich ausgedehnt werden. Dagegen ist eine Verlegung des Gerichtssitzes an einen anderen Ort innerhalb des bisherigen Bezirks, da sie den Richterbedarf nicht verringert, weder eine Änderung der Bezirke noch eine Veränderung in der Einrichtung der Bezirke; der Richter folgt, ohne daß eine „Versetzung" in Frage steht, seinem Gericht an den neuen Ort. Das gleiche gilt, da die Bezirksgrenzen des Gerichts unverändert bleiben, bei der Errichtung oder Aufhebung oder Verlegung des Sitzes detachierter Kammern und Senate (vgl. Anm. 2 zu § 30). 3103

§ 3 2 Anm. 3—5 Anhang (Schäfer) § 3 3 Anm. 1; § 3 4 Anm. 1 3. Zulässige Maßnahmen sind in erster Linie die Versetzung in ein gleichwertiges Richteramt, auch in einem anderen Gerichtszweig, notfalls in ein Richteramt mit geringerem Endgrundgehalt (vgl. dazu § 33 Abs. 1 und wegen der Befugnis des Richters, neben der neuen Amtsbezeichnung die frühere mit dem Zusatz „a. D." zu führen, § 46 DRiG, § 81 Abs. 2 BBG), letztlich die Amtsenthebung (vgl. Anm. 3 zu § 30). 4. Wegen des Verfahrens vgl. Anm. 4 zu § 30. 5. Zu Absatz 3: Unter der Herrschaft des § 8 Abs. 3 GVG, Art. 104 Abs. 3 WeimVerf. hatte RGZ 113 209 die Auffassung vertreten, daß Versetzung oder Amtsenthebung vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes verfügt und dem Richter bekannt gemacht werden müßten. Dagegen räumt § 3 2 Abs. 3 der obersten Dienstbehörde einen Überlegungszeitraum ein. Sie soll angemessene Zeit haben, die Auswirkungen der Änderung zu prüfen und um eine angemessene Unterbringung der betroffenen Richter sich zu bemühen. Das ist sachlich berechtigt und verfassungsrechtlich unbedenklich. § 33. Belassung des vollen Gehalts (1) In den Fällen des § 32 erhält der Richter sein bisheriges Grundgehalt einschließlich ruhegehaltfahiger oder unwiderruflicher Stellenzulagen und steigt in den Dienstaltersstufen seiner bisherigen Besoldungsgruppe weiter auf. Im übrigen richten sich die Dienstbezüge nach den allgemeinen besoldungsrechtlichen Vorschriften. Soweit ihre Höhe durch den dienstlichen Wohnsitz bestimmt ist, ist bei Amtsenthebung (§ 32 Abs. 2 Satz 1) der letzte dienstliche Wohnsitz maßgebend. (2) Der seines Amtes enthobene Richter gilt für die Anwendung der Vorschriften über das Ruhen der Versorgungsbezüge und über das Zusammentreffen mehrerer Versorgungsbezüge als Richter im Ruhestand. 1. Zu Absatz 2: Die Vorschriften über das Ruhen der Versorgungsbezüge und das Zusammentreffen mehrerer Versorgungsbezüge finden sich in §§ 158—160b BBG, §§ 83—85b BRRG. Die Vorschrift soll verhindern, daß der amtsenthobene Richter infolge anderweitiger Verwendung im öffentlichen Dienst aus öffentlichen Mitteln höhere Bezüge erhält als bei seinem Verbleiben im Amt. Ob diese Regelung mit dem Wortlaut des Art. 97 Abs. 2 Satz 3 GG vereinbar ist, wonach die Amtsenthebung nur unter Belassung des vollen Gehalts zulässig ist, erscheint zweifelhaft (ebenso S c h m i d t - R ä n t s c h 4, während G e r n e r D e c k e r - K a u f f m a n n 3 die Verfassungsmäßigkeit bejahen). § 34. Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit Ein Richter auf Lebenszeit oder ein Richter auf Zeit kann ohne seine schriftliche Zustimmung nur auf Grund rechtskräftiger richterlicher Entscheidung wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden. 1. Dienstunfähigkeit. § 34 stellt sich als eine Ausführungsvorschrift zu Art. 97 Abs. 2 G G dar, wonach Richter auf Lebenszeit oder Zeit wider ihren Willen nur aus gesetzlich bestimmten Gründen und unter gesetzlich bestimmten Formen und nur kraft richterlicher Entscheidung in den Ruhestand versetzt werden können. Die Bedeutung des § 34 besteht darin, daß er als Mindestanforderung einer ohne das Verfahren nach §§62 Abs. 1 Nr. 3d, 78 Nr. 3 d — also im Verwaltungsweg — erfolgenden Versetzung des Richters in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit dessen schriftliche Zustimmung erfordert; es genügt nicht, daß er, wie dies Landesrecht z. T. früher vorsah, lediglich unterläßt, binnen einer bestimmten Frist gegen die ihm bekanntgegebene Absicht der Zurruhesetzung Einwendungen zu erheben (BGHZ 48 280 = MDR 1968 45 = LM Nr. 1 zu § 34 DRiG m. Anm. B a l d u s ) . § 34 beschränkt sich darauf, die Dienstunfähigkeit als Grund für eine Zurruhesetzung ohne schriftliche Zustimmung zu statuieren. Die Festlegung des Begriffs der Dienstunfähigkeit und ihrer Feststellung überläßt das DRiG dem Beamtenrecht (vgl. §§ 46, 71 DRiG, §§ 42ff. BBG, § 26 BRRG). Danach liegt Dienstunfähigkeit vor, wenn der Richter im Bundes- oder Landesdienst infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Dabei 3104

A. Deutsches Richtergesetz

§ 3 4 Anm. 2—5 § 3 5 Anm. 1

genügt, daß er das konkrete ihm übertragene Amt nicht mehr ausüben kann (Hess. VGH DÖV 1964 32). Nach § 42 Abs. 1 Satz 2 BBG, § 46 DRiG kann ein Richter im Bundesdienst auch dann als dienstunfähig angesehen werden, wenn er infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraumes von 6 Monaten mehr als 3 Monate keinen Dienst getan hat und innerhalb weiterer 6 Monate nicht wieder voll dienstfähig wird. Landesrecht enthält z. T. entsprechende Vorschriften für Landesrichter. Bei Wiedereintritt der Dienstfähigkeit kann der in den Ruhestand versetzte Richter erneut in das Richterverhältnis berufen werden (§ 45 BBG, § 46 DRiG, § 29 BRRG, § 71 DRiG). 2. Das gerichtliche Verfahren bei der unfreiwilligen Versetzung in den Ruhestand regeln die §§ 62 Abs. 1 Nr. 3d, 66 Abs. 1, 3, 67 Abs. 2, 78 Nr. 3d, 83. Danach beantragt die oberste Dienstbehörde, wenn der Richter (gegebenenfalls ein für ihn bestellter Pfleger) einer beabsichtigten Zurruhesetzung nicht zustimmt, die Entscheidung des Dienstgerichts. Stellt dieses die Zulässigkeit der Maßnahmen fest, so wird sie von der obersten Dienstbehörde ausgesprochen. Nach Beginn des Ruhestandes kann die Versetzungsverfügung nicht mehr zurückgenommen (widerrufen) werden (OVG Münster DÖV 1964 32). 3. § 34 gilt nur für Richter auf Lebenszeit oder Zeit. Eine Versetzung in den Ruhestand kommt unter den Voraussetzungen des § 46 BBG, § 46 DRiG, § 27 BRRG, § 71 DRiG auch bei Richtern auf Probe, ausnahmsweise (vgl. S c h m i d t - R ä n t s c h 6 zu § 23) auch bei Richtern kraft Auftrags in Betracht. In diesem Fall spricht die oberste Dienstbehörde die Zurruhesetzung aus, die der Richter beim Dienstgericht anfechten kann (§§ 62 Abs. 1 Nr. 4 c, 66, 67 Abs. 3, 78 Nr. 4 c, 83). 4. Über die Mitwirkung eines dienstunfähigen Richters als Revisionsgrund (§§ 338 Nr. 1 StPO) vgl. die Anm. zu § 338 StPO. Zur Frage, ob ein rechtskräftiges Urteil wegen Geisteskrankheit eines mitwirkenden Richters nichtig ist, vgl. Einleitung S. 187. 5. Über Reformvorschläge betr. Schaffung einer besonderen Richterdienstunfähigkeit, die schon dann zur Versetzung in den Ruhestand führen soll, wenn der Richter, ohne dienstunfähig zu sein, infolge Nachlassen seiner geistigen oder körperlichen Kräfte nachhaltig nicht mehr imstande ist, die einem Richter seiner Stellung obliegenden Aufgaben in vollem Umfang und rechtzeitig zu erfüllen, vgl. A r n d t DRiZ 1962 269. § 35. Vorläufige Untersagung der Amtsgeschäfte In einem Verfahren nach § 18 Abs. 3, § 19 Abs. 3, § 21 Abs. 3, §§ 30 und 34 kann das Gericht auf Antrag dem Richter die Führung seiner Amtsgeschäfte vorläufig untersagen. 1. a) Nach § 60 Abs. 1 BBG, § 41 BRRG kann die oberste Dienstbehörde einem Beamten „aus zwingenden dienstlichen Gründen" die Führung seiner Dienstgeschäfte verbieten. Eine solche Möglichkeit kann gegenüber Richtern (auch solchen auf Probe und kraft Auftrags; z.T. a. M. G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 6) nicht in Betracht kommen. Schon der Grundsatz der sachlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) stünde einem solchen Eingriff der Exekutive in die Rechtsprechungstätigkeit entgegen. Der Grundsatz der persönlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 2 GG) gebietet vielmehr, daß während Bestehens eines konkreten Richterverhältnisses (auf Lebenszeit oder Zeit, § 27) nur ein Gericht unter gesetzlich genau umschriebenen Voraussetzungen dem Richter die Befugnis zur Führung seiner Amtsgeschäfte entziehen kann. Auf diesen Erwägungen beruht § 35. Die vorläufige Untersagung kann danach nur als Zwischenentscheidung in einem bereits anhängigen dienstgerichtlichen Verfahren („In einem Verfahren...") ausgesprochen werden, das die Nichtigkeit oder Zurücknahme der Ernennung, die Entlassung nach §21, die Versetzung oder Amtsenthebung unter den Voraussetzungen des § 30 Nr. 3 und die Zurruhesetzung wegen Dienstunfahigkeit zum Gegenstand hat (a. M. G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n 4, die entsprechend § 123 VwGO die Anordnung auch schon zulassen wollen, wenn das Verfahren in der Hauptsache noch nicht beim Dienstgericht anhängig ist). Das Untersagungsverfahren, das nach § 35 einen Antrag der Dienstbehörde voraussetzt, richtet sich nach den für das Verfahren in der Hauptsache geltenden Vorschriften (§§ 62 Abs. 1 Nr. 2, 3, 65, 66, 78 Nr. 2, 3105

§ 3 5 Anm. 2 § 3 6 Anm. 1

Anhang (Schäfer)

3, 83), also nach dem sinngemäß anwendbaren § 123 VwGO. Die Voraussetzungen des §123 Abs. 1 brauchen aber nicht vorzuliegen; gegenüber § 123 Abs. 1 VwGO ist § 35 DRiG lex specialis. b) § 35 findet keine Anwendung im Verfahren über die Richterklage (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 DRiG), da hier das BVerfG bereits nach §§ 58, 62 i. Verb, mit § 53 BVerfGG zu einstweiligen, die Amtsausübung betreffenden Anordnungen befugt ist. Ebenso ist § 35 im förmlichen Disziplinarverfahren (§ 30 Abs. 1 Nr. 2) unanwendbar, da hier vorläufige Dienstenthebung durch das Dienstgericht (§§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 78 Nr. 1) bereits nach §§63 Abs. 2, 83 zulässig ist. Im Fall des § 30 Abs. 1 Nr. 4 bedarf es gemäß § 30 Abs. 2 zur Wirksamkeit der Versetzung oder Amtsenthebung keiner vorgängigen gerichtlichen Entscheidung des Dienstgerichts; daher fehlt hier ein Bedürfnis für vorläufige Anordnungen. Im Bereich des § 30 hat § 35 daher nur für § 30 Abs. 1 Nr. 3 Bedeutung ( S c h m i d t - R ä n t s c h 3). Da der Begriff der Amtsenthebung in § 30 auch die Versetzung in den einstweiligen oder den endgültigen Ruhestand ( § 3 1 Nr. 2, 3) umfaßt (vgl. Anm. 3 zu § 30), besteht — gegen S c h m i d t R ä n t s c h 4 und G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 2 — keine Lücke, die durch ausdehnende Auslegung des § 35 im Sinne einer Verweisung auch auf § 31 Nr. 2, 3 ausgefüllt werden müßte. 2. Die vorläufige Untersagung wird mit der Bekanntgabe an den Richter wirksam. Sie kann, wenn das Dienstgericht eines Landes sie ausgesprochen hat, mit der Beschwerde angefochten werden (§§ 65, 66, 83, 146 VwGO). Diese hat keine aufschiebende Wirkung. Das Beschwerdegericht kann aber die Vollziehung der vorläufigen Untersagung einstweilen aussetzen (§ 149 VwGO). Wirkt ein Richter trotz Untersagung an einer Verhandlung und Entscheidung mit, so ist das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 338 Nr. 1 StPO usw.). Der Mangel fallt auch nicht dadurch rückwirkend weg, daß das auf Versetzung usw. gerichtete Verfahren in der Hauptsache demnächst zugunsten des Richters ausgeht.

§ 36. Mitgliedschaft in einer Volksvertretung oder Regierung (1) Nimmt ein Richter die Aufstellung als Bewerber für die Wahl zum Abgeordneten des Bundestages oder einer gesetzgebenden Körperschaft eines Landes an, so ist er von diesem Tag, frühestens jedoch zwei Monate vor dem Wahltag, bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Wahltag mit vollen Dienstbezügen beurlaubt. (2) Nimmt ein Richter die Wahl in den Deutschen Bundestag oder in die gesetzgebende Körperschaft eines Landes an oder wird ein Richter mit seiner Zustimmung zum Mitglied der Bundesregierung oder der Regierung eines Landes ernannt, so enden das Recht und die Pflicht zur Wahrnehmung des Richteramts ohne gerichtliche Entscheidung nach näherer Bestimmung der Gesetze. Literatur: K i r c h n e r , Oberste Richter und Oberste Staatsanwälte in den Parlamenten des Reichs und der Bundesrepublik, DRiZ 1962 259; T s a t s o s , Die verfassungsrechtliche Problematik der Inkompatibilität von Richteramt und Mandat, DRiZ 1964 251; von M ü n c h h a u s e n , Die Stellung des Richters im politischen Leben, DRiZ 1969 , 3. 1. Nach Art. 137 G G kann die Wählbarkeit von Richtern im Dienst des Bundes und der Länder gesetzlich beschränkt werden. Von dieser Ermächtigung hat zwar die Gesetzgebung keinen Gebrauch gemacht, § 36 zieht aber die Folgerungen aus § 4 Abs. 1 DRiG, wonach ein Richter nicht zugleich Aufgaben der Rechtsprechung und solche der gesetzgebenden oder vollziehenden Gewalt wahrnehmen darf. Die Vorschrift, die vorzugsweise der Erhaltung der Unbefangenheit des Richters dient ( T s a t s o s DRiZ 1964 255), bezieht sich aber, soweit es sich um die Parlamentsmitgliedschaft handelt, nur auf die Mitgliedschaft zum Bundestag oder einem Landtag. Die Mitgliedschaft zu kommunalen Vertretungskörperschaften unterliegt keinen Beschränkungen (h. M., vgl. S c h m i d t - R ä n t s c h 6 zu § 4 , Eb. S c h m i d t JZ 1963 78, T s a t s o s DRiZ 1964 252; von M ü n c h h a u s e n , DRiZ 1969 3; s. auch K e r n JZ 1961 621 unter III 4; a. M. G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 8 zu § 4; H o l t z m a n n DRiZ 1965 63). Dem Vorschlag in § 3 8 Abs. 3 des Reg-Entw. 1958, den Richtern eine solche Betätigung zu verbieten, ist der Bundestag nicht gefolgt; er hat vielmehr 3106

A. Deutsches Richtergesetz

§ 3 6 Anm. 2—5 § 3 7 Anm. 1

die Tätigkeit in kommunalen Vertretungskörperschaften ausdrücklich als erwünscht bezeichnet (vgl. Bericht des Rechtsausschusses S. 15). 2. Nach Absatz 1 ist ein Wahlkandidat während des dort bezeichneten Zeitraums kraft Gesetzes beurlaubt. Dadurch soll ihm nicht nur die Vorbereitung der Wahl ermöglicht werden (vgl. Art. 48 Abs. 1 GG), sondern es soll auch verhindert werden, daß das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit dadurch leide, daß der Richter, wenn auch in den Grenzen des § 39, im Wahlkampf vor der Öffentlichkeit politisch intensiver tätig wird und gleichzeitig Recht spricht. Angesichts dieses Zwecks der Beurlaubung kann der Grundsatz (vgl. Anm. 3 zu § 30), daß der Richter während eines Urlaubs zur Amtsausübung berechtigt bleibt, hier nicht gelten. Bei Mitwirkung eines nach § 36 Abs. 1 beurlaubten Richters ist das Gericht im Sinn der Prozeßgesetze (§ 338 Nr. 1 StPO usw.) nicht ordnungsmäßig besetzt. 3. Nimmt der Richter die Wahl in den Bundestag oder ein Landesparlament an, so enden mit diesem Zeitpunkt nach Absatz 2 kraft Gesetzes Recht und Pflicht zur Wahrnehmung des Richteramtes. Die weitere Ausgestaltung der Rechtsstellung des Richters als Folge der Mandatsübernahme überläßt § 36 Abs. 2 einer gesetzgeberischen Regelung an anderer Stelle. Nach dem Gesetz vom 4. 8. 1953 (BGBl. I 777) i. d. F. vom 21. 8. 1961 (BGBl. I 1557) treten Richter des Bundes und der Länder, die in den Bundestag gewählt werden, kraft Gesetzes in den Ruhestand. Nach § 121 DRiG gilt dies auch, wenn ein Richter im Bundesdienst in ein Landesparlament gewählt wird. Die Rechtsstellung eines Richters im Landesdienst, der in ein Landesparlament gewählt wird, richtet sich nach Landesrecht, das ebenfalls den Eintritt in den Ruhestand vorsehen kann (vgl. für die Richter, die die Wahl zum Mitglied der Volksvertretung des eigenen Landes wahrnehmen, § 71 DRiG, § 33 BRRG und für die Richter, die Mitglied der Volksvertretung eines anderen Landes werden, die entsprechenden Vorschriften der Landesrichtergesetze, z. B. § 10 Bad.-Württ. RiG, § 5 Hamb. RiG, § 7 Rheinl.-Pf. RiG, § 5 Nds. RiG, § 5 Brem. RiG). 4. Ein Abgeordneter, der zum Richter ernannt wird, ist nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 zu entlassen, wenn er nicht innerhalb der von der obersten Dienstbehörde gesetzten Frist sein Mandat niederlegt. 5. Die gleiche Wirkung wie die Mandatsannahme — Beendigung des Rechts und der Pflicht zur Wahrnehmung des Richteramts kraft Gesetzes — hat nach § 36 Abs. 2 die Ernennung zum Mitglied der Bundes- oder einer Landesregierung. Die weitere Ausgestaltung der Rechtsstellung des Richters richtet sich bei Ernennung zum Mitglied der Bundesregierung nach § 18 des Bundesministerges. i. d. F. vom 27. 7. 1971 (BGBl. I 1166), bei der Ernennung eines Richters im Landesdienst zum Mitglied der Regierung seines Landes nach Landesrecht (§ 71 DRiG, § 34 BRRG). Richter im Bundesdienst, die Mitglied einer Landesregierung, und Richter im Landesdienst, die Mitglied der Regierung eines anderen Landes werden, fallen unter § 21 Abs. 1 Nr. 3. § 37. Abordnung (1) Ein Richter auf Lebenszeit oder ein Richter auf Zeit darf nur mit seiner Zustimmung abgeordnet werden. (2) Die Abordnung ist auf eine bestimmte Zeit auszusprechen. (3) Zur Vertretung eines Richters darf ein Richter auf Lebenszeit oder ein Richter auf Zeit ohne seine Zustimmung längstens für zusammen drei Monate innerhalb eines Geschäftsjahres an andere Gerichte desselben Gerichtszweigs abgeordnet werden. 1. § 37 wird ergänzt durch §§ 46, 71 DRiG, § 27 BBG, §§ 17, 123 BRRG. Wegen diese Vorschriften auch keine Legaldefinition des Begriffs der Abordnung enthalten, so kann doch aus den Einzelmerkmalen entnommen werden, daß eine Abordnung vorliegt, wenn ein Richter auf Lebenszeit oder Zeit unter Aufrechterhaltung des Richterverhältnisses und seines konkreten Richteramtes (§ 27 Abs. 1) vorübergehend an einer anderen Stelle im Bereich eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn verwendet wird, ohne daß ihm dort ein Richteramt oder ein anderes Amt übertragen wird (ebenso S c h m i d t - R ä n t s c h 3). Die Abord3107

Anhang (Schäfer) §37 Anm. 2—4 nung kann auch an eine Verwaltungsbehörde, sie kann auch in den Bereich eines anderen Dienstherrn erfolgen (§ 123 BRRG). Die Abordnung spricht die oberste Dienstbehörde des Richters, bei Abordnung in den Bereich eines anderen Dienstherrn im Einvernehmen mit diesem aus. Von der Versetzung unterscheidet sich die Abordnung dadurch, daß der abgeordnete Richter in seinem bisherigen Amt verbleibt, von der Übertragung eines weiteren Richteramtes (§ 27 Abs. 2) dadurch, daß ihm eben ein weiteres Amt (Haupt- oder Nebenamt) nicht übertragen wird. In der Regel wird während der Dauer der Abordnung die Ausübung des Stammamtes aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (bei Abordnung an eine Verwaltungsbehörde folgt dies bereits aus § 4 Abs. 1), unmöglich sein. Zum Begriff der Abordnung gehört jedoch die Nichtausübung des Stammamtes nicht (ebenso G e r n e r - D e c k e r K a u f f m a n n 2 ; a . M. S c h m i d t - R ä n t s c h 4 ) . Es ist rechtlich zulässig, etwa einen Richter am Amtsgericht an das am gleichen Ort oder in der Nähe befindliche Landgericht, das zu Vertretungszwecken vorübergehend zusätzlich nur eine halbe Richterkraft benötigt, mit der Maßgabe abzuordnen, daß er auch beim Amtsgericht weiterhin tätig wird, wenn durch Geschäftsverteilungsmaßnahmen des Präsidiums gewährleistet ist, daß er nach dem Maß seiner Beschäftigung an beiden Gerichten tätig sein kann. Wegen des Anspruchs auf Auslagenerstattung in solchen Fällen vgl. OVG Koblenz DRiZ 1972 134. 2. Da die Abordnung eine (mindestens teilweise) Herausnahme des Richters aus seinem durch § 27 Abs. 1 bestimmten Aufgabenbereich bedeutet, greift der Grundgedanke des Art. 97 Abs. 2 Satz 1 G G Platz, wonach eine solche Herausnahme des Richters, gleichviel in welcher Form, wider seinen Willen nur unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen und nur kraft richterlicher Entscheidung möglich ist. § 37 Abs. 1 macht daher die Abordnung grundsätzlich von der Zustimmung des Richters abhängig. Nur in dem in § 37 Abs. 3 bestimmten Umfang ist eine Abordnung auch ohne seine Zustimmung zulässig. Da er die Abordnungsanordnung nach § § 6 2 Abs. 1 Nr. 4 b, 78 Nr. 4 b beim Dienstgericht anfechten kann, ist dem grundsätzlichen Erfordernis der richterlichen Entscheidung genügt (unter Bedenken zustimmend G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 8). 3. a) Die Abordnung, ob mit oder ohne Zustimmung, ob an ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde, ist nach Absatz 2 — wie nach § 79 Abs. 2 GVG — stets auf eine bestimmte Zeit auszusprechen (vgl. dazu Anm. 4 b zu § 70 GVG). Soweit der Richter an ein Gericht abgeordnet wird, liegt der Vorschrift die gleiche ratio wie dem § 70 Abs. 2 GVG zugrunde. Wird er an eine Verwaltungsbehörde abgeordnet, so kann § 70 Abs. 2 GVG für seinen Vertreter in Betracht kommen, und es könnten sich daraus bei überraschender Rückkehr Kollisionen ergeben. Bei Ablauf der Zeit kann die Abordnung erneut angeordnet werden. Die zulässige Dauer einer Abordnung ist — von Absatz 3 abgesehen — nicht begrenzt. Eine Begrenzung ergibt sich aber daraus, daß zum Wesen der Abordnung die vorübergehende Verwendung an anderer Stelle gehört und demgemäß eine zulässige Abordnung nicht mehr vorliegt, wenn die Verwendung an anderer Stelle so lange andauert, daß nach den Anschauungen des Lebens eine Dauerbeschäftigung vorliegt. §§ 27 BBG, 17 BRRG lassen bei Beamten unter den dort bestimmten Voraussetzungen eine Abordnung ohne ihre Zustimmung auf die Dauer eines Jahres, bei Beamten auf Probe auf die Dauer von 2 Jahren zu. Daraus ergibt sich, daß nach der Auffassung des Gesetzes bei Beamten mit ihrer Zustimmung eine Abordnung auf eine zwei Jahre übersteigende Dauer zulässig ist, ohne daß das Merkmal der vorübergehenden Verwendung an anderer Stelle dadurch in Frage gestellt wird. Im Bereich des § 37 DRiG kann nichts anderes gelten. Vorschläge der Regierungsentwürfe, die Höchstdauer der Abordnung eines Richters an dieselbe Verwaltungsbehörde auf drei Jahre zu begrenzen (§ 20 Entw. 1957, § 35 Reg.-Vorlage 1958), sind nicht Gesetz geworden. b) Die Frage nach der Höchstdauer einer zulässigen Abordnung hat nichts mit der anderen Frage zu tun, welche Zeitdauer eine Abordnung nicht übersteigen darf, damit der abgeordnete Richter im Sinn der gerichtsverfassungsrechtlichen Vorschriften über die Vertretung des verhinderten Vorsitzenden und der übrigen Mitglieder als nur vorübergehend verhindert anzusehen ist (vgl. dazu Anm. II 4 zu § 21 f GVG). 4. Zu Absatz 3: a) Die Abordnung ohne Zustimmung des Richters ist nur zulässig zur Vertretung eines Richters an einem anderen Gericht des gleichen Gerichtszweiges, d. h. 3108

A. Deutsches Richtergesetz

§37 Anm. 5, 6

eines Richters, der an der Wahrnehmung der ihm durch die Geschäftsverteilung zugewiesenen Aufgaben i. S. der gerichtsverfassungsrechtlichen Vorschriften vorübergehend verhindert ist, einschl. des Falles, daß eine durch Ausscheiden eines Richters infolge Todes, Entlassung usw. erledigte Stelle bis zur Wiederbesetzung oder daß eine im Haushaltsplan neu bewilligte Stelle bis zur demnächstigen Ernennung und Dienstantritt des neuen Stelleninhabers vorübergehend verwaltet werden muß (vgl. Anm. II 4 f zu § 21 f GVG; hinsichtlich des letzteren Falles a. M. S c h m i d t - R ä n t s c h 11). Nach §§ 70 Abs. 1, 117 GVG setzt die Zuweisung eines abgeordneten Richters zwecks Vertretung eines vorübergehend verhinderten Mitglieds des Land- oder Oberlandesgerichts einen Antrag des Präsidiums voraus (vgl. dazu die Anm. zu § 70). Entsprechendes gilt für die anderen Gerichtszweige, soweit die für sie maßgeblichen gerichtsverfassungsrechtlichen Vorschriften auf §§70 Abs. 1, 117 GVG verweisen. Bei den obersten Bundesgerichten kommt eine Regelung der Vertretung durch abgeordnete Richter nicht in Betracht (vgl. Anm. 1 zu § 124 GVG). Die in § 22 b GVG vorgesehene Beauftragung eines Richters mit der vorübergehenden Vertretung des Richters eines anderen Gerichts durch das Präsidium des Land- oder großen Amtsgerichts ist keine Abordnung i. S. des § 37, da sie nicht durch den Dienstherrn erfolgt (oben Anm. 1), sondern die Übertragung eines Doppelamts (vgl. Anm. 2 b zu § 27). Wollte man aber den Begriff der Abordnung in einem weiteren, auch Maßnahmen eines Präsidiums umfassenden Sinn verstehen, so wäre § 22b Abs. 2 GVG als eine Modifizierung des § 37 Abs. 3 anzusehen. b) Eine Abordnung von Richtern an andere Gerichte ist nicht nur zur Vertretung vorübergehend verhinderter Richter, sondern auch zur Erprobung des Nachwuchses und zur Bewältigung einer vorübergehend angewachsenen Geschäftslast möglich (vgl. Anm. 4 a zu § 70 GVG). Die Abordnung von Richtern für diese Zwecke bedarf aber — ebenso wie die Abordnung zwecks Richtervertretung an das Gericht eines anderen Gerichtszweiges — nach § 3 7 Abs. 1 der Zustimmung des Richters, auch wenn die Dauer der Abordnung 3 Monate nicht übersteigt. Das gleiche gilt, wenn ein Richter nicht zur Vertretung eines Richters in Rechtsprechungsaufgaben, sondern zur Vertretung in Aufgaben der Gerichtsverwaltung (vgl. § 42) zu einem anderen Gericht seines Gerichtszweiges abgeordnet werden soll. Unberührt bleibt § 70 Abs. 3 GVG. 5. a) Die Verwendung des an ein anderes Gericht abgeordneten Richters unterliegt Beschränkungen, vgl. dazu Anm. 3 b zu § 28 und § 29. b) Der an eine Verwaltungsbehörde abgeordnete Richter unterliegt zwar weiter der aus dem Richterverhältnis sich ergebenden Disziplinargewalt und dem Richterdisziplinarrecht. Auch treffen ihn weiterhin die allgemeinen aus dem Richterverhältnis sich ergebenden Pflichten und Beschränkungen, die nicht durch die Ausübung eines konkreten Richteramtes (§27 Abs. 1) bedingt sind, wie etwa die Beschränkungen der §§40, 41. Bei Ausübung der Verwaltungstätigkeit aber ist er weisungsgebunden, und seine Rechte und Pflichten entsprechen nach allgemeinen dienstlichen Grundsätzen, wie sie sich aus § § 2 7 Abs. 2 BBG, 17 Abs. 2 BRRG ergeben, denjenigen eines abgeordneten Beamten (vgl. S c h m i d t R ä n t s c h 7). 6. § 37 gilt nur für Richter auf Lebenszeit oder Zeit. Richter auf Probe und kraft Auftrags können nach §§ 13, 16 Abs. 2 ohne ihre Zustimmung bei einem Gericht, bei einer Behörde der Gerichtsverwaltung oder bei einer Staatsanwaltschaft beschäftigt werden. Zu einer Verwendung an anderer Stelle im Bereich eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn bedarf es einer Abordnung, die nur mit ihrer Zustimmung zulässig ist. Auch die Verwendung zwar bei einem Gericht, bei einer Behörde der Gerichtsverwaltung oder bei einer Staatsanwaltschaft, aber im Bereich eines anderen Dienstherrn (§ 3) setzt z. T. eine zustimmungsbedürftige Abordnung voraus. Die Einzelheiten ergeben sich aus §§46, 71 DRiG in Verb, mit §§27 BBG, 17, 123 BRRG (dazu S c h m i d t - R ä n t s c h 13).

3109

V o r § 3 8 ; § 3 8 Anm. 1 - 3 § 3 9 Anm. 1

Anhang (Schäfer) FÜNFTER ABSCHNITT Besondere Pflichten des Richters

Vorbemerkung. Der 5. Abschnitt begründet Pflichten, die in dieser Form nur für den Berufsrichter im Bundes- oder Landesdienst gelten (,besondere Pflichten . . .")• Im übrigen entsprechen die aus dem Richterdienstverhältnis sich allgemein ergebenden Pflichten grundsätzlich den Pflichten der Beamten nach den Beamtengesetzen (vgl. §§ 46, 71), soweit nicht das DRiG anderes bestimmt oder sich aus dem Wesen des Richterdienstverhältnisses anderes ergibt (vgl. dazu Anm. 1 zu § 39). § 38. Richtereid (1) Der Richter hat folgenden Eid in öffentlicher Sitzung eines Gerichts zu leisten: „Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe." (2) Der Eid kann ohne die Worte „so wahr mit Gott helfe" geleistet werden. (3) Der Eid kann für Richter im Landesdienst eine Verpflichtung auf die Landesverfassung enthalten und statt vor einem Gericht in anderer Weise öffentlich geleistet werden. 1.Zu Absatz 1: Einen Eid anderen Wortlauts leisten die Richter des BVerfG (§ 11 BVerfGG, § 69 DRiG). Von der Pflicht zur Leistung des Eides nach § 38 ist befreit, wer nach dem 8. 5. 1945 aus Anlaß der Übertragung eines Richteramts einen Eid geleistet hat (§ 105 Abs. 3). Die Verweigerung des Eides ist zwingender Entlassungsgrund (§ 21 Abs. 2 Nr. 1). Der Eid wird in öffentlicher (d. h. jedermann zugänglicher, § 169 GVG) Sitzung eines Gerichts abgeleistet (vgl. dazu Anm. 2 zu § 51 GVG). Die Dienstbehörde beauftragt den Vorsitzenden mit der Entgegennahme des Eides. 2. Zu Absatz 2: Andere Beteuerungsformeln als „Ich schwöre" sind — abweichend von § 11 Abs. 2 BVerfGG, § 51 Abs. 5 GVG, § 58 Abs. 3 BBG - nach dem Gesetzeswortlaut nicht zulässig. Das ist (vgl. die amtl. Begr. zu § 36) bewußt geschehen, weil dem Richter, der selbst Eide in dieser Form abnimmt (vgl. § 66 c StPO usw.), auch zuzumuten sei, den Eid in der Form zu leisten, wie er ihn anderen abverlangt. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Vorschrift vgl. G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 4 und Anm. 3b zu § 5 1 GVG. 3. Zu Absatz 3: Von der Ermächtigung, bei den Richtern im Landesdienst den Eid um eine Verpflichtung auf die Landesverfassung zu erweitern, haben die Landesrichtergesetze meist in der Weise Gebrauch gemacht, daß hinter „Bundesrepublik Deutschland" die Worte „getreu der Verfassung des Landes . . . " eingefügt wurden. Die Zulassung der öffentlichen Leistung des Eides in anderer Weise als vor einem Gericht, z. B. in einer Sitzung der Volksvertretung, soll die Aufrechterhaltung abweichender Traditionen ermöglichen. § 39. Wahrung der Unabhängigkeit Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, daß das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Literatur: H a n a c k , Die politische Betätigung des Richters, in Festschrift für H e r r f a h r d t , 1961; von M ü n c h h a u s e n , Die Stellung des Richters im politischen Leben, DRiZ DRiZ 1969 3. Zu dem Thema „Richter als Mitglieder politischer Parteien" vgl. B e r l i t DRiZ 1965 325; B r a c k DRiZ 1966 254; K l e i n k n e c h t DRiZ 1966 3 4 0 ; H e n n i e s DRiZ 1966 393; W a s s e r m a n n , Politisierung der Justiz? DRiZ 1970 79. 1. Die Amtspflichten des Richters ergeben sich im Kern unmittelbar aus dem Inhalt des Richtereids (§ 38). Die Beamtengesetze enthalten Vorschriften ergänzenden Inhalts, die nach §§ 46, 71 auch für die Richter gelten. Nach § 52 BBG dient der Beamte dem ganzen Volk, 3110

A. Deutsches Richtergesetz

§ 3 9 Anm. 2 §40

nicht einer Partei. Er hat seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen. Er muß sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Nach § 53 BBG hat der Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergeben. § 54 BBG verpflichtet den Beamten, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen und sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten. Sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muß der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Entsprechende Vorschriften gelten für die Landesbeamten (§§ 35, 36 BRRG) und damit für die Landesrichter ( § 7 1 DRiG). Uber die Begrenzung des Rechts der freien Meinungsäußerung durch die Amtspflichten vgl. S c h ä f e r , DRiZ 1964 28; v. M ü n c h h a u s e n DRiZ 1969 4. § 39 betont und verdeutlicht die allgemeine Amtspflicht, das Verhalten so einzurichten, daß es dem Vertrauen gerecht wird, das das Amt erfordert, und bei politischer Betätigung die aus der Rücksicht auf die Pflichten des Amtes sich ergebende Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, mit der Blickrichtung auf die richterliche Unabhängigkeit, die hier als Staats-, Partei- und Gesellschaftsunabhängigkeit zu verstehen ist (vgl. Anm. II 1 zu § 1 GVG). Er legt dem Richter die besondere Pflicht auf, sein dienstliches und privates Verhalten so einzurichten, daß er selbst nicht das Vertrauen der Umwelt, der Rechtsuchenden und Rechtsunterworfenen in seine Unabhängigkeit gefährdet. So kann es z. B. geboten sein, daß der Richter sich von Interessenverbänden, Kreisen oder Veranstaltungen fernhält, in denen er Beeinflussungsversuchen ausgesetzt ist oder sein könnte (Begr. zu § 37). Was insbesondere die politische Betätigung anlangt, so liegt die Bedeutung der Vorschrift fast mehr in der aus Umkehrschluß sich ergebenden negativen als in der positiven Seite der Aussage. Im Anschluß nämlich an vielfach erhobene Forderungen, an Vorbilder des ausländischen Rechts und an ausländische Entwürfe sah § 38 des RegEntw. 1958 ein weitgehendes Verbot partei-politischer Betätigung des Richters vor („Ein Richter darf sich, abgesehen von der bloßen Mitgliedschaft in einer politischen Partei und unbeschadet der Ausübung des aktiven Wahlrechts, nicht parteipolitisch betätigen"). Der Bundestag ist dem nicht gefolgt, weil „offene politische Betätigung in einer Demokratie nicht den Verdacht begründen sollte, daß sie die Unbefangenheit und die Fähigkeit zu sauberer und gerechter Amtsführung beeinträchtige" (Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags S. 15 zu §§ 37, 38). Die Grenzen einer an sich zulässigen politischen, insbes. parteipolitischen Betätigung des Richters in Wort und Schrift ergeben sich danach aus seiner Pflicht, sein Amt politisch neutral als Diener der Gesamtheit auszuüben und im übrigen sein gesamtes Verhalten so einzurichten, sich in der Auseinandersetzung mit politischen Gegnern so viel Zurückhaltung und Mäßigung aufzuerlegen, daß eine Gefahrdung des Vertrauens der Öffentlichkeit in seine Unabhängigkeit, seine Bindung nur an Gesetz und Recht, seine Amtsausübung gemäß den beschworenen Richterpflichten, ausgeschlossen wird. Auf diesen Erwägungen beruht § 36 Abs. 1, der in einer Zeit notwendigerweise gesteigerter politischer Betätigung den Richter kraft Gesetzes von der Amtsausübung fernhält. Aber auch in dieser Zeit und ebenso während der Mitgliedschaft des Richters zu einer kommunalen Vertretungskörperschaft (Anm. 1 zu § 36) muß sich der Richter entsprechend § 39 verhalten. 2. Eine Verletzung der Pflichten aus § 39 unterliegt disziplinarischer Ahndung. Über Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit im Hinblick auf seine politische Einstellung und Betätigung vgl. Anm. 6 zu § 24 StPO. Über die Richterklage s. § 30 Abs. 1 Nr. 1 und Anm. 5 zu § 30. § 40. Schiedsrichter und Schlichter (1)Eine Nebentätigkeit als Schiedsrichter oder Schiedsgutachter darf dem Richter nur genehmigt werden, wenn die Parteien des Schiedsvertrags ihn gemeinsam beauftragen oder wenn er von einer unbeteiligten Stelle benannt ist. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn der Richter zur Zeit der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung mit der Sache befaßt ist oder nach der Geschäftsverteilung befaßt werden kann. (2) Auf eine Nebentätigkeit als Schlichter in Streitigkeiten zwischen Vereinigungen oder zwischen diesen und Dritten ist Absatz 1 entsprechend anzuwenden. 3111

§ 4 1 Anm. 1—3 § 42 Anm. 1

Anhang (Schäfer) § 41. Rechtsgutachten

(1)Ein Richter darf weder außerdienstlich Rechtsgutachten erstatten, noch entgeltlich Rechtsauskünfte erteilen. (2) Ein beamteter Professor der Rechte oder der politischen Wissenschaften, der gleichzeitig Richter ist, darf mit Genehmigung der obersten Dienstbehörde der Gerichtsverwaltung Rechtsgutachten erstatten und Rechtsauskünfte erteilen. Die Genehmigung darf allgemein oder für den Einzelfall nur erteilt werden, wenn die richterliche Tätigkeit des Professors nicht über den Umfang einer Nebentätigkeit hinausgeht und nicht zu besorgen ist, daß dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. 1. Die §§ 40, 41 befassen sich mit zwei Formen einer privaten Nebentätigkeit des Richters (wegen einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst vgl. § 42). § 40 läßt eine (genehmigungsbedürftige) private Betätigung des Richters als Schiedsrichter zu (vgl. dazu BGH NJW 1964 593; BGHZ 55 313 = NJW 1971 755/1458 = MDR 1971 385 zu der - dort offen gelassenen — Frage, welche Bedeutung es für das schiedsgerichtliche Verfahren hat, wenn die Genehmigung entgegen der Vorschrift des § 40 erteilt ist). Aber auch hier darf der Richter im Interesse seines richterlichen Ansehens nicht zum Interessenwalter einer Partei werden, auch nicht in den Verdacht kommen, daß er seine Aufgabe so verstehen könne. Die Genehmigung darf deshalb nur erfolgen, wenn die Parteien ihn gemeinsam beauftragen oder eine am Streit unbeteiligte Stelle ihn benennt. § 41, der für Richter nicht an die Stelle, sondern neben die allgemein geltenden Vorschriften des Rechtsberatungsmißbrauchsges. tritt (OLG Hamm AnwBl. 1965 350), verbietet dem Richter (Ausnahme in Abs. 2) schlechthin die Erstattung von Rechtsgutachten in privatem Auftrag, weil im Interesse des richterlichen Ansehens die auf die Amtsstellung sich gründende Autorität nicht für private Zwecke eingesetzt, der Richter auch dem Verdacht entzogen werden soll, daß finanzielle Vorteile auf seine Meinungsbildung in Rechtsfragen und in der Beurteilung einer Rechtsfrage Einfluß gewinnen könnten. Nicht verboten ist dem Richter eine literarische Stellungnahme zu Rechtsfragen (vgl. dazu auch Anm. 4 zu § 43). Nicht durch Abs. 1 verboten ist auch die unentgeltliche Erteilung von Rechtsauskünften; die Vorschriften des Rechtsberatungsges. werden dadurch aber nicht berührt (LG Essen AnwBl. 1965 153). 2. Im übrigen gelten für private Nebentätigkeiten die §§ 65, 66 BBG sowie § 42 BRRG, die bis zu einer besonderen Regelung kraft der §§ 46, 71 DRiG entsprechend auf die Richter anwendbar sind, ferner die VO über die Nebentätigkeit der Richter im Bundesdienst vom 15.10.1965 (BGBl. I 1719) und entsprechende Landesvorschriften. Streitigkeiten aus der Versagung der Genehmigung einer Nebenbeschäftigung gehören vor die Verwaltungsgerichte, vor das Dienstgericht nur, wenn der Richter eine Beeinträchtigung seiner Unabhängigkeit geltend macht (§§ 62 Abs. 1 Nr. 4e, 78 Nr. 4e; vgl. dazu Anm. 12 zu § 26). 3. Zu Absatz 2: Auch Absatz 2 regelt nur die richterrechtlichen Voraussetzungen der Erstattung von Rechtsgutachten und Erteilung von Rechtsauskünften; die Genehmigung des Absatzes 2 ersetzt nicht die nach dem Rechtsberatungsges. erforderliche Erlaubnis der für deren Erteilung zuständigen Stelle ( C h e m n i t z AnwBl. 1965 154). § 42. Nebentätigkeiten in der Rechtspflege Ein Richter ist zu einer Nebentätigkeit (Nebenamt, Nebenbeschäftigung) nur in der Rechtspflege und in der Gerichtsverwaltung verpflichtet. 1. Nach § 4 darf ein Richter neben Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt andere Aufgaben nur auf den in § 4 Abs. 2 bezeichneten Gebieten wahrnehmen. Nach § 27 kann einem Richter auf Lebenszeit oder Zeit neben dem ihm übertragenen konkreten Richteramt (§ 27 Abs. 1) ein weiteres Richteramt bei einem anderen Gericht übertragen werden, soweit ein Gesetz es zuläßt (§ 27 Abs. 2). Nach § 13 der VO vom 20. 3. 1935 (im Anhang unter B) und den an seine Stelle getretenen landesrechtlichen Vorschriften (z. B. nach § 12 NdsAG GVG vom 5. 4. 1963, GVB1. 225; s. im übrigen Vorbem. 3 vor § 1 der genannten VO) können die Gerichtspräsidenten die ihrer Dienstaufsicht unterstellten Richter zu Geschäften der Justizverwaltung (d. h. der Gerichtsverwaltung) heranziehen. Die Bedeutung des § 42 besteht 3112

A. Deutsches Richtergesetz

§42 Anm. 2

darin, daß er bestimmt, in welchem Umfang ein Richter (auf Lebenszeit, auf Zeit, auf Probe oder kraft Auftrags) Tätigkeiten, die er nach § 4 Abs. 2 neben der Rechtsprechung wahrnehmen darf und zu denen er herangezogen wird, auch wahrnehmen muß, und in welchem Umfang ein Richter auf Lebenszeit oder Zeit neben seinem Hauptamt ein weiteres richterliches Amts übernehmen muß. Für Richter auf Probe oder kraft Auftrags spielt dieser letztere Punkt keine Rolle. Sie haben kein Hauptamt i. S. des § 27 Abs. 1. Es steht daher z. B. nichts im Weg, einen Richter auf Probe gemäß § 13 zur Hälfte seiner Arbeitskraft dem Amtsgericht A und zur anderen Hälfte dem benachbarten Amtsgericht B zuzuweisen. Beide Tätigkeiten bilden dann seine Tätigkeit, und die Frage des Verhältnisses von Hauptzu Nebenbeschäftigung taucht insoweit nicht auf. Richter auf Probe und kraft Auftrags können ferner nach Weisung des Dienstherrn ohne ihre Zustimmung ausschließlich in der Gerichtsverwaltung beschäftigt werden (§§ 13, 16 Abs. 2). Für sie hat also § 42 nur dann Bedeutung, wenn und solange ihnen Rechtsprechungsaufgaben übertragen werden. 2. § 42 spricht aus, daß ein Richter zur Wahrnehmung nach § 4 Abs. 2 zulässiger Aufgaben außerhalb seines Hauptamtes (bei Richtern auf Probe und kraft Auftrags: seiner richterlichen Beschäftigung) gegen seinen Willen („verpflichtet") nur im Umfang einer Nebentätigkeit und nur auf den Gebieten der Rechtspflege und der Gerichtsverwaltung herangezogen werden kann. Vgl. dazu ergänzend die VO über die Nebentätigkeit der Richter im Bundesdienst vom 15. 10. 1965 (BGBl. I 1719). a) Der Begriff Nebentätigkeit i. S. des § 42 umfaßt jede Betätigung im öffentlichen Dienst (private Nebentätigkeiten kommen hier nicht in Betracht). Die Nebentätigkeit kann bestehen in der Ausübung eines Nebenamts oder einer Nebenbeschäftigung. Nebenamt (vgl. die Begriffsbestimmung in § 1 der BundesnebentätigkeitsVO vom 22. 4. 1964, BGBl. I 299) ist ein nicht zu einem Hauptamt gehörender Kreis von Aufgaben (hoheitlicher Art), der aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses wahrgenommen wird. Nebenbeschäftigung ist jede sonstige nicht zu einem Hauptamt gehörende Tätigkeit im öffentlichen Dienst. Schon aus dem Sprachsinn des Wortes Nebentätigkeit, im übrigen aber auch aus § 46 DRiG, § 64 BBG, wonach ein Nebenamt „nicht über Gebühr" in Anspruch nehmen darf, ergibt sich, daß von einer Nebentätigkeit, die der Richter auch gegen seinen Willen zu übernehmen verpflichtet ist, nur gesprochen werden kann, wenn der auf die Nebentätigkeit zu verwendende Anteil der Arbeitskraft des Richters wesentlich geringer ist als der auf die Wahrnehmung des Hauptamts entfallende Anteil (ebenso S c h m i d t - R ä n t s c h 8, G e r n e r D e c k e r - K a u f f m a n n 6). Wegen der Verpflichtung zur Übernahme eines weiteren Richteramts an einem anderen Gericht vgl. Anm. 2 zu § 27. Es ist — bei Wahrung des quantitativen Verhältnisses — nicht unzulässig, daß dem Richter die Wahrnehmung der Nebenbeschäftigung durch entsprechende Verminderung der Arbeitslast des Hauptamts ermöglicht wird. Eine wesentliche Beschränkung der rechtsprechenden Tätigkeit eines Richters, auf Lebenszeit gegen seinen Willen durch Maßnahmen der Geschäftsverteilung, um die Voraussetzungen einer Heranziehung für eine Nebentätigkeit zu schaffen, verstieße aber gegen den Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1, und der Betroffene könnte, unabhängig von der Frage, ob er sich gegen den Beschluß des Präsidiums mit der Verfassungsbeschwerde wenden könnte (vgl. Anm. 2 zu § 27), die Heranziehung zu der Nebenbeschäftigung nach § § 6 2 Abs. 1 Nr. 4d, 78 Nr. 4 d anfechten. b) Über den Begriff der Rechtspflege s. Anm. 2 a vor § 1 GVG, über den der Gerichtsverwaltung Anm. 2 zu § 4. Eine Tätigkeit im Nebenamt in der Rechtspflege ist z. B. die Tätigkeit des Amtsrichters als Strafvollstreckungsbehörde (§ 451 Abs. 3 StPÖ) oder als Leiter eines Gerichtsgefängnisses, eine Nebenbeschäftigung z. B. die Bearbeitung von Dienstaufsichtsbeschwerden oder von Personalsachen. Heranziehung zu einer Nebentätigkeit in der Gerichtsverwaltung liegt auch vor, wenn die Dienstaufsichtsbehörde den Richter verpflichtet, vor der Festsetzung der Entschädigung von Sachverständigen durch den Kostenbeamten sich dazu zu äußern, ob gegen die Entschädigungen dem Grunde nach Bedenken bestehen (BGH LM Nr. 5 zu § 26 DRiG m. Anm. B a l d u s ) . In Betracht kommt im übrigen nur eine Nebenbeschäftigung, die der Vorbildung oder der Berufsausbildung entspricht (§ 46 DRiG, § 64 BBG). Sie muß auch zumutbar sein, sonst geht sie „über Gebühr" (s. oben a). An der Zumutbarkeit fehlt es, vom Übermaß abgesehen, z. B. auch, wenn die Tätigkeit den 3113

§ 42 Anm. 3 - 5 §43

Anhang (Schäfer)

Richter diskriminiert oder ihn der Gefahr aussetzt, bei einer späteren richterlichen Tätigkeit mit Grund wegen der vorangegangenen Nebentätigkeit abgelehnt zu werden (BGH aaO.). 3. Mit Zustimmung des Richters ist eine Tätigkeit auf den in § 4 Abs. 2 bezeichneten Gebieten neben gleichzeitiger Ausübung der Rechtsprechung auch in einem eine Nebenbeschäftigung übersteigenden Umfang zulässig (so ausdrücklich § 12 Nds. A G G V G vom 5. 4. 1963, GVB1. 225). Bestimmte Richterstellungen (der Gerichtspräsidenten und der aufsichtführenden Richter bei den Amtsgerichten) sind herkömmlicherweise in mehr oder weniger großem Umfang mit Aufgaben der Gerichtsverwaltung verbunden. Die Übernahme eines solchen Richteramtes bedeutet die unwiderrufliche Zustimmung zur Übertragung von Aufgaben der Gerichtsverwaltung in herkömmlichem Umfang. § 13 der VO vom 20.3. 1935 — im Anhang unter B — und die an die Stelle dieser Vorschrift getretenen landesrechtlichen Vorschriften (z. B. § 12 Nds. A G G V G vom 5. 4. 1963, GVB1. 225) erklären diese Richter daher mit Recht für verpflichtet, Justizverwaltungsgeschäfte in dem ihnen zugewiesenen Umfang zu erledigen. Darüber, daß Kammern und die Senate nicht vorschriftsmäßig besetzt sind, wenn der Vorsitzende infolge Inanspruchnahme durch Aufgaben der in § 4 Abs. 2 bezeichneten Art außerstande ist, die ihm als Vorsitzendem obliegenden Aufgaben in vollem Umfang ordnungsgemäß zu erfüllen, vgl. Anm. I 3 zu § 21 f GVG. 4. Die Heranziehung eines Richters auf Lebenszeit oder Zeit zur Wahrnehmung von Nebentätigkeiten in der Rechtspflege oder Gerichtsverwaltung an anderer Stelle (z. B. die Heranziehung eines Richters am Amtsgericht zur Bearbeitung von Gerichtsverwaltungsangelegenheiten am Land- oder Oberlandesgericht) ist, auch wenn eine räumliche Entfernung vom Gerichtssitz nicht erforderlich ist, eine Abordnung i. S. des § 37 und bedarf stets seiner Zustimmung. Ebenso ist bei einem Richter auf Probe oder kraft Auftrags seine Zustimmung nötig, wenn er bei einer anderen als den in § 13 bezeichneten Stellen verwendet werden soll. 5. Wegen der Anfechtung der Heranziehung zu einer Nebentätigkeit vgl- §§ 62 Abs. 1 Nr. 4 d , 78 Nr. 4d.

§ 43. Beratungsgeheimnis Der Richter hat über den Hergang bei der Beratung und Abstimmung auch nach Beendigung seines Dienstverhältnisses zu schweigen. Literatur: v o n C o e l l n , Das Beratungsgeheimnis 1931; S e m a r , Das richterliche Beratungsgeheimnis, Freib. Diss. 1937; E b S c h m i d t , Lehrkomm. I Nr. 552, K o h l h a a s N J W 1953 401; S p e n d e l ZStW 65 403; S c h e u e r l e , Richterliches Beratungsgeheimnis und richterliche Meinungsfreiheit, Z Z P 68 (1955) 317; S c h m i d t - R ä n t s c h , Gegenstand, Sinn und Grenzen des Beratungsgeheimnisses, JZ 1958 329. Zur Frage der Bekanntgabe der dissenting opinion: K e i l h o l z , Das Beratungsgeheimnis in der Praxis des angelsächsischen Rechtskreises, N J W 1953 1252; G i l l n e r , Gutachten und namentliche Bekanntgabe der abweichenden Meinung, DOV 1958 106; N a d e l m a n n , Zur Veröffentlichung von Sondervoten, DRiZ 1958 37; derselbe, Das Minderheitsvotum im Kollegialgericht, Arch. öff. R 86 (1961) 39; derselbe: Die Geheimhaltung von Minderheitsvoten in den Verfassungsgerichten Italiens und der Bundesrepublik Deutschland, Arch. öff. R [1965] 440; G r ü n h u t , Das Minderheitsvotum, Festschrift f. E b S c h m i d t (1961) 620; H e u s i n g e r Z Z P 76 (1963) 388; M c W h i n n e y , Die Bedeutung des Sondervotums in der Verfassungsgerichtsbarkeit, JZ 1961 655; M a y e r , Zur Anonymität des Kollegialgerichts, DRiZ 1962 239; H e y d e , Das Minderheitsvotum des überstimmten Richters, Bielefeld 1966; R u p p , Zur Frage der dissenting opinion, Festschrift für L e i b h o l z 1966 Bd. II 532; M ö h r i n g , Die Anonymität des Richters, Ehrengabe für H e u s i n g e r , 1968 S. 63; A d a m , Die dissenting opinion in der Gerichtspraxis der USA, DRiZ 1968 201. Zum gleichen Thema u. a. B a r i n g DVB1. 1968 609; B e r g e r N J W 1968 961; C o h n JZ 1969 330; D i e t l e i n DVB1. 1971 126; F e d e r e r JZ 1968 511; 1969 369; G a u l FamRZ 1969 23; G i e s e n F a m R Z 1968 403; H a l l - P e t e r s JuS 1967 357; H e i d e n h a i n JZ 1968 757; P a k u s c h e r JR 1968 264; P a u l DÖV 1968 513; S e i b e r t M D R 1957 597; JZ 1960 479; V o l l k o m m e r JR 1968 241; W a g n e r DRiZ 1968 253. 3114

A. Deutsches Richtergesetz

§43 Anm. 1 , 2

Übersicht 1. Die Geheimhaltungspflichtigen a) Berufsrichter und ehrenamtliche Richter b) Referendare 2. Wesen und Zweck des Beratungsgeheimnisses 3. Das Sondervotum des überstimmten Richters a) Geltendes Recht b) Die Forderungen nach Zulässigkeit der Bekanntgabe der dissenting opinion c) Beschlüsse des 47. DJT d) Zulassung des Sondervotums beim BVerfG e) Eigene Stellungnahme 4. Zulässigkeit literarischer Erörterung von Rechtsfragen durch den überstimmten Richter

5. Das nicht zur Kenntnisnahme Dritter bestimmte Sondervotum 6. Ausnahmen vom Beratungsgeheimnis a) Offenlegung von Meinungsverschiedenheiten über die Art der Abstimmung und Gesetzesverstößen in den Urteilsgründen b) Offenbarung von Beratungsvorgängen außerhalb der Urteilsgründe aa) wenn der Richter wegen seiner Mitwirkung an der Entscheidung zur Verantwortung gezogen wird bb) bei Verdacht gesetzwidrigen Verfahrens bei der Abstimmung cc) Der Richter als Zeuge über Beratungsvorgänge 7. Folgen der Verletzung des Beratungsgeheimnisses

1. Kreis der Geheimhaltungspflichtigen, a) Eine Pflicht zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses war früher ausdrücklich nur für die Schöffen und die damaligen Geschworenen in § 198 G V G (jetzt § 4 5 Abs. 3 D R i G ) ausgesprochen*). Für die Berufsrichter und die nach § 193 G V G zulässigerweise bei der Beratung anwesenden Referendare fehlte es an einer entsprechenden Vorschrift. D a ß aber auch sie geheimhaltungspflichtig waren, war schon früher nicht zweifelhaft (vgl. die Ausführungen in der 20. Aufl. Anm. 2 zu § 198 GVG). Streit bestand nur über die rechtliche Begründung der Pflicht (Ableitung aus der dienstrechtlichen allgemeinen Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, aus der richterlichen'.Unabhängigkeit, aus einem argumentum a minore ad majus, aus Gewohnheitsrecht?). Durch § 43 D R i G wurde für die Berufsrichter die bisherige Rechtsauflassung legalisiert. b) An einer ausdrücklichen Vorschrift für die Referendare fehlt es auch jetzt noch. Selbstverständlich kann daraus, daß das D R i G die frühere Gesetzeslücke nur bezüglich der Berufsrichter geschlossen hat, nicht gefolgert werden, daß sie das Beratun^sgeheimnis nicht mehr zu wahren hätten. Im DRiG, das sich grundsätzlich (Ausnahme: § 122 D R i G ) nur mit der Rechtsstellung der Richter befaßt, war für eine ausdrückliche Regelung dieser Frage kein Raum. Wie bisher läßt sich die Pflicht der Referendare zur Wahrung des Beratungs- und Abstimmungsgeheimnisses, die über die auch die Referendare als Beamte im Vorbereitungsdienst treffende allgemeine beamtenrechtliche Amtsverschwiegenheitspflicht hinausgeht (unten Anm. 2), aus Gewohnheitsrecht, aus einem Schluß a maiore ad minus, aber auch aus der Natur der Sache herleiten. Denn das Beratungsgeheimnis ist im Interesse der richterlichen Unabhängigkeit vorgeschrieben (vgl. Anm. 2); es könnte nicht gewahrt werden, wenn zwar die Richter schweigen müßten, andere Teilnehmer an der Beratung aber reden dürften. 2. Wesen und Zweck des Beratungsgeheimnisses. Der (Berufs)Richter unterliegt kraft Dienstrechts der allgemeinen Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit nach Maßgabe der beamtenrechtlichen Vorschriften (§§ 46, 71 D R i G ; § 61 BGB; § 39 BRRG). Die Pflicht zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses ist aber kein Spezialfall der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht (wie sich schon aus ihrer Erstreckung auf die ehrenamtlichen Richter ergibt), sondern eine davon unabhängige eigenständige richterliche Pflicht. Die allgemeine Amtsverschwiegenheitspflicht besteht nicht gegenüber dem Dienstherrn, und sie entfällt auch gegenüber Dritten, wenn der Dienstherr den Beamten von der Amtsverschwiegenheit entbindet. Gerade das kann aber für das Beratungsgeheimnis nicht gelten. Schon entstehungsgeschichtlich verfolgt nämlich die Einführung des Beratungsgeheimnisses in Deutschland — nach den Erfahrungen im „Vormärz" (1848) — in erster Linie den Zweck, daß die Justizverwaltung in Prozessen mit politischem Einschlag nicht erfahren solle, wie *) Zur Entstehungsgeschichte des § 198 GVG vgl. G r ü n h u t , Minderheitsvotum S. 624; F e d e r e r JZ 1968 5 1 1 , 5 1 4 .

3115

§43 Anm. 3

Anhang (Schäfer)

der einzelne Richter gestimmt hat. Über diesen engeren Ausgangspunkt eines Schutzes des Richters vor möglichen Benachteiligungen durch die Justizverwaltung hinaus steht das Beratungsgeheimnis ganz allgemein im engsten Zusammenhang mit der richterlichen Unabhängigkeit: der Richter soll bei Beratung und Abstimmung sich frei und nur nach seiner Überzeugung äußern können, nicht gehemmt durch die Vorstellung, welche Resonanz sein Votum bei Außenstehenden, gleichviel ob es sich um die Justizverwaltung, öffentliche Meinung, Presse, Interessenverbände usw. handelt, finden könnte. Das Beratungsgeheimnis soll also den mitwirkenden Richtern die volle Unbefangenheit bei der Kundgabe ihrer Auffassung sichern*). So gesehen kann man von dem Beratungsgeheimnis als einem Palladium für die richterliche Unabhängigkeit (RGSt. 26 204) sprechen. Es dient schließlich aber auch — das ist grundsätzlich der Standpunkt des geltenden Rechts — dem Ansehen (der „Autorität") der vom Kollegium gefällten Entscheidung. Hat sich nach den Bedenken und Zweifeln der Beratung die gesetzmäßige Mehrheit des Kollegiums zu einer festen Überzeugung durchgerungen, so darf es um der Rechtssicherheit willen keine Urteile „erster Klasse", hinter denen das ganze Kollegium steht, und Urteile „zweiter Klasse", die mit einer geringeren Mehrheit gefaßt sind, mehr geben. Es müßte auf den Verurteilten verbitternd wirken und würde ihm Anlaß zu steten Klagen geben, wenn er wüßte, daß seine Verurteilung zu schwerster Strafe statt des erhofften Freispruchs von einer Stimme abhing. Wie ließe es sich rechtfertigen, dem rechtskräftigen Urteil (vorbehaltlich der engen gesetzlichen Ausnahmen) unverbrüchliche und endgültige Geltung beizulegen, wenn es den dissentierenden Richtern selbst gestattet wäre, vor aller Öffentlichkeit zu bekennen, daß sie gegen das Urteil gestimmt hätten, weil sie es für falsch hielten, wenn sie gar — welches Zerrbild — bei einer öffentlichen Kritik an dem Urteil in die Kritik einstimmen und ihre Bemühungen schildern dürften, die anderen Richter von der Fassung des „falschen" Urteils abzuhalten? An dieser Betrachtungsweise hat sich auch durch die besonderen für das Bundesverfassungsgericht geltenden Vorschriften nichts geändert (s. unten 3 a, e). 3. Das Sondervotum des überstimmten Richters. a) Nach geltendem Recht ist das Beratungsgeheimnis durchbrochen durch § 30 Abs. 2 BVerfGG i. d. F. vom 21. 12. 1970 (BGBl. I 1765). Danach kann beim Bundesverfassungsgericht ein Richter seine in der Beratung vertretene abweichende Meinung zu der Entscheidung oder zu deren Begründung in einem Sondervotum niederlegen, das der Entscheidung anzuschließen ist. Die Senate des BVerfG können ferner in ihren Entscheidungen das Stimmenverhältnis mitteilen. Das Nähere regelt die aufgrund des § 30 Abs. 2 Satz 3 vom Plenum des BVerfG beschlossene Verfahrensordnung für die Abgabe von Sondervoten vom 9. 2. 1971 (BGBl. I 99). Über die Entstehung und die Bedeutung dieser Vorschrift s. A r n d t DRiZ 1971 37 und und c bis e. b) Ob darüber hinaus in mehr oder weniger großem Umfang auch bei den übrigen Gerichten unter Zurückstellung der zu 2. dargestellten Bedenken eine Freigabe des Beratungsgeheimnisses zuzulassen sei, ist rechtspolitisch umstritten. Im Schrifttum erheben sich Stimmen, die — parallel zu den Forderungen nach Umgestaltung des deutschen Verfahrensrechts nach anglo-amerikanischem Vorbild (vgl. Einleitung S. 135ff.) — nach dem Muster ausländischer Rechte Öffentlichkeit der Beratung fordern oder wenigstens den überstimmten Richtern das Recht zugestehen wollen, ihre abweichende Auffassung — dissenting opinions bei Abweichung im Ergebnis, concurring opinions bei Abweichung in den Gründen — bei der Verkündung des Urteils bekannt zu geben. Wie im deutschen Recht besteht zwar das Beratungsgeheimnis auch u. a. in Belgien, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Österreich. Aber selbst auf dem Kontinent gibt es mehr oder weniger weitgehende Ausnahmen (so in der Schweiz, Schweden, Norwegen, Finnland, in gewissem Umfang auch in Spanien), und im anglo-amerikanischen Rechtskreis dürfen die überstimmten Richter allgemein ihre abweichende Auffassung öffentlich bekanntgeben (vgl. die eingehende Übersicht bei N a d e l m a n n Arch. öff. R 86 [1961] 39ff.; dort auch — S. 58f. — Übersicht über die verschiedenartige Behandlung der Frage bei internationalen Gerichten). Zwar wird als Schattenseite dieses Prinzips hervorgehoben, daß (in USA) einige Richter von dem Recht der dissenting opinion „in übertriebener Weise" Gebrauch gemacht hätten ( N a d e l m a n n aaO. 44), und auch die Folge verschiedener Wertung der Entscheidungen, je nach dem Stimmenverhältnis, *) Über eine andere Betrachtungsweise s. OVG Münster JZ 1973 242, 244 m. Anm. Erichsen. 3116

A. Deutsches Richtergesetz

§43 Anm. 3

mit dem sie beschlossen sind, wird zugegeben (einstimmige Entscheidungen haben besonderes Gewicht, N a d e l m a n n aaO.). Die Vorzüge dieses Prinzips aber sehen die anglo-amerikanischen Juristen darin, daß die öffentliche Bekanntmachung der abweichenden Auffassung jedes Mitglied des Kollegiums zwinge, die ihm zufallende Verantwortung voll zu übernehmen und seinen Standpunkt vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Es solle nicht durch eine „formelle" Einstimmigkeit eine in Wahrheit nicht vorhandene Einstimmigkeit vorgetäuscht und dem Schein einer Einmütigkeit das Gewissen des abweichenden Richters geopfert werden. Gerade die richterliche Unabhängigkeit sei es, die verlange, daß der Richter seine Auffassung auch der Öffentlichkeit gegenüber bekennen dürfe; das Recht der freien Meinungsäußerung (auch außerhalb des Kollegiums) sei geradezu „die Zitadelle der freien Richterpersönlichkeit" ( N a d e l m a n n 60). Charakter und Unabhängigkeit der Richter erhielten dem Gericht das öffentliche Vertrauen; es schmälere also nicht, sondern erhalte das Ansehen des Gerichts, wenn die Öffentlichkeit erkenne, daß der einzelne Richter seine Stimme so abgibt, wie nach seiner Meinung entschieden werden muß. Schließlich fordere das Prinzip die Rechtsfortbildung: die abweichende Stimme von heute könne die richtungweisende Stimme für die Zukunft sein ( N a d e l m a n n 59ff.), das dissenting vote beuge einer Versteinerung der Rechtsprechung vor. Diese Gedankengänge kehren auch in der deutschen Reformliteratur wieder. Von den Kritikern des geltenden Rechts wird auch geltend gemacht, daß seit der Einführung des Einzelrichters im deutschen Strafverfahren (1924) mit zweierlei Maß gemessen werde: der Einzelrichter könne sich seiner Verantwortung für seine Entscheidung vor der Öffentlichkeit nicht entziehen, während das Mitglied des Kollegialgerichts durch die Anonymität geschützt werde. c) Die Frage, ob es sich empfehle, die Bekanntgabe der abweichenden Meinung des überstimmten Richters in den deutschen Verfahrensordnungen zuzulassen, war Verhandlungsthema des 47. Deutschen Juristentages 1968 in Nürnberg, wo sich die verneinenden und die (z. T.) bejahenden Stimmen schroff gegenüberstanden (kurze Übersicht z. B. NJW 1968 2048). Mit erheblicher Mehrheit wurde das Minderheitsvotum den Richtern des BVerfG zugestanden, für erwägenswert erklärt seine Zulassung bei dem Gemeinsamen Senat und den Großen Senaten der obersten Gerichtshöfe des Bundes, vielleicht auch bei anderen Kollegialgerichten, die nur über Rechts- und Verfahrensfragen zu entscheiden haben, mit Mehrheit abgelehnt aber das Minderheitsvotum allgemein bei den Kollegialgerichten und in allen Fällen die Beschränkung des Sondervotums auf Rechtsfragen (also unter Ausschluß von Tatfragen) gefordert. d) Entsprechend den Empfehlungen des 47. DJT ist inzwischen das Minderheitsvotum beim BVeifGH zugelassen worden (oben zu a), nachdem bei früheren Anläufen zu einer entsprechenden Regelung — anläßlich der Schaffung des BVerfGG 1951 und des DRiG 1961 — dieses Ziel im Bundestag nicht erreicht worden war (vgl. dazu N a d e l m a n n Arch. öff. R 90 440, 444). Die Novelle 1970 war vorbereitet durch die praeter legem gehandhabte Praxis dieses Gerichts, in Fällen von besonderer Bedeutung das Stimmenverhältnis mitzuteilen, mit dem die Entscheidung getroffen wurde (vgl. z. B. BVerfGE 20 162 — „Spiegel-Affare" — BVerfGE 21 312, 328; BVerfGE 22 49, 83 - Strafgewalt der Finanzämter - ; BVerfG NJW 1969 1895 — Justitiabilität von Gnadenentscheidungen —). Als Grund, der die Mehrheit der Mitglieder des BT-Rechtsausschusses zu dem Antrag auf Zulassung des Sondervotums beim BVerfG veranlaßte, ist in dem Ausschußbericht vom 26. 11. 1970 (BT-Drucks. VI/ 1471 S. 4) ausgeführt, „daß dieses Verfahren die der Ferfassuw^srechtsprechung angemessene Offenheit der Entscheidungen und Auffassungen des Gerichts bringt und eine bessere Fortentwicklung und Anpassung des Verfassungsrechts verspricht". Als ein erster Schritt auf dem Wege, in mehr oder weniger weitem Umfang das Minderheitsvotum auch bei den Gerichten außerhalb der Verfassungsgerichtsbarkeit einzuführen, ist § 30 Abs. 2 BVerfGG aber weder gedacht, noch darf er so verstanden werden. Die Einführung des Sondervotums trägt vielmehr der Tatsache Rechnung, daß es sich bei dem BVerfG um ein (rechtsprechendes) oberstes Verfassungsorgan (§ 1 BVerfGG) handelt: wenn es dem Demokratieverständnis des GG entspricht, daß „die divergierenden Perspektiven und Tendenzen bei der Willensund Entscheidungsbildung eines kollegialen Verfassungsorgans nicht verdeckt, sondern auch nach außen hin manifestiert werden, indem die einzelnen Mitglieder des Organs sich zu ihren Argumenten und Uberzeugungen persönlich bekennen und sich mit ihnen einer kritischen 3117

§43 Anm. 3

Anhang (Schäfer)

Öffentlichkeit stellen", so handelt es sich bei der Institutionalisierung des Sondervotums um eine Maßnahme, die die Stellung des BVerfG als eines obersten Verfassungsorgans verdeutlicht (vgl. D i e t l e i n DVB1. 1971 126). Die hier eingreifenden Argumente sind so geartet, daß sie nicht die Brücke bilden für eine Einführung des Sondervotums bei anderen Kollegialgerichten mit anderer Struktur und Aufgabenstellung (vgl. dazu im einzelnen D i e t l e i n aaO.). e) Lassen sich somit aus der Einführung des Sondervotums beim BVerfG keine verallgemeinerungsfähigen Argumente für eine (auf Rechtsfragen beschränkte) allgemeine Einführung des offenen Minderheitsvotums bei den Gerichten außerhalb der Verfassungsgerichtsbarkeit gewinnen, so gilt dies auch für die Hinweise auf ausländische Rechtsvorbilder, die auf einer anderen Gerichtsorganisation oder anderen Rechtsvorstellungen aufbauen. Das ist in der Vorauflage (Anm. 3 a) näher dargestellt; darauf kann hier verwiesen werden. Wesentlich ist vor allem der Unterschied über die Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit, in dem sowohl das dissenting opinion = System des anglo-amerikanischen Rechts wie das Geheimhaltungsprinzip des § 43 D R i G seinen Ausgangspunkt hat. Aus der richterlichen Unabhängigkeit zieht das anglo-amerikanische Recht die Folgerung, daß der Richter jederzeit, auch nach der Entscheidung, frei aussprechen dürfe, was er für richtig hält. Dagegen will das deutsche Recht die innere Unabhängigkeit des einzelnen Mitglieds des Kollegiums bei der Fassung des Urteils dadurch schützen, daß es ihm — durch das Beratungsgeheimnis — die Sorge vor öffentlicher Kritik an seinem Votum nimmt, die ihn hindern könnte, frei und unabhängig in der Beratung seinen Standpunkt zu vertreten, ein Gesichtspunkt, der heute noch größeres Gewicht hat, wenn man bedenkt, bis zu welchen Formen die „öffentliche Kritik" — bis zu Anschlägen auf die Wohnung und auf das Leben eines Richters — ausarten kann. In dieser Hinsicht kann das sondervotenberechtigte Mitglied des Bundesverfassungsgerichts, das nur auf Zeit gewählt und dessen Wiederwahl ausgeschlossen ist (§ 4 BVerfGG), mit dem normalen „Laufbahnrichter" nicht verglichen werden (s. dazu N a d e l m a n n A ö R 90 448 f. und über den Zusammenhang zwischen der Freigabe des Sondervotums mit dem Ausschluß der Wiederwahl F e d e r e r JZ 1969 369, 371; A r n d t D R i Z 1971 37), aber auch nicht der Einzelrichter, der im allgemeinen nur mit Sachen von geringerer Bedeutung befaßt ist, etwa mit dem Mitglied eines Revisionsgerichts bei der Entscheidung in Staatsschutzstrafsachen. Im übrigen hat aber auch, sieht man von den Verfassungsgerichten ab, wo unerörtert bleiben mag, ob nicht doch — trotz gegenteiliger Behauptungen — ein „Autoritätsschwund" des Spruchs eintritt, wenn bekannt ist, daß er gegen die Stimmen einer gewichtigen Minderheit gefaßt ist, der Gedanke seine Bedeutung behalten, daß die „Autorität" des verkündeten Urteils nicht durch Kritik aus den eigenen Reihen der beteiligten Richter gefährdet werden darf. So wie der Richter des Kollegiums, wenn er überstimmt ist, die weitere Mitwirkung am Zustandekommen des Spruchs nicht verweigern darf (§ 195), soll er die Wirkung des Urteils nach außen nicht dadurch beeinträchtigen dürfen, daß er die Argumente gegen den Erlaß des Urteils, mit denen er nicht durchgedrungen ist, nunmehr gegen das erlassene Urteil richtet. Eine Häufung divergierender Voten müßte notwendig zu einer Gefahr für die Rechtssicherheit werden ( G r ü n h u t 633). Nicht ohne G r u n d wird daher auch von den Befürwortern einer weitgehenden Freigabe des Sondervotums betont, daß sie die diesem Prinzip nachgerühmten Vorteile nur entfalten könne, „wenn von ihr mit dem rechten M a ß Gebrauch gemacht wird" ( F e d e r e r JZ 1968 511, 521). Wie soll aber dieses rechte M a ß gewährleistet werden? Die günstigen Erfahrungen des englischen Rechts können dabei nicht in Anschlag gebracht werden, denn während dort wenige Richter (nach C o h n J Z 1969 331: 35) sondervotenberechtigt sind, diese auch nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von Entscheidungen fallen und auch nur von Zeit zu Zeit ihre abweichende Meinung verlautbaren ( C o h n aaO.), haben wir es in Deutschland mit einem „Richterheer" zu tun, das alljährlich eine unvergleichlich größere Zahl von Entscheidungen fallt, und bei dem — schon nach den bisher mit dem Sondervotum beim BVerfG gemachten Erfahrungen — bezweifelt werden kann, ob es die Zurückhaltung bei der Verlautbarung einer abweichenden Auffassung beobachten würde, die sich in England aus der nahen persönlichen Fühlungnahme unter den wenigen sondervotenberechtigten Richtern (s. C o h n aaO. 331) ergibt. Unter diesen Gesichtspunkten lassen sich auch für ein dissenting-vote-Recht, beschränkt auf Richter oberster Gerichte, etwa der Revisionsgerichte, wie dies schon vor dem 47. D J T z. T. vorgeschlagen oder zur Erwägung gestellt wurde (vgl. G r ü n h u t 632; H e u s i n g e r Z Z P 76 3118

A. Deutsches Richtergesetz

§ 43 Anm. 4—6

[1963] 388), schwerlich überzeugende und eine Differenzierung gegenüber den Richtern anderer Instanzen rechtfertigende Gründe finden (so auch G r ü n h u t aaO.). So gesehen, verlangt der Schutz der richterlichen Unabhängigkeit durch die Anonymität des Spruchs von dem überstimmten Richter zugleich ein „hohes Maß von Selbstlosigkeit", indem er seine Persönlichkeit und seine eigene Überzeugung im Interesse der Rechtssicherheit gegenüber dem als Entscheidung des Gerichts erlassenen Spruch zurücktreten lassen muß ( G r ü n h u t aaO. 623). 4. Der überstimmte Richter wird durch das Beratungsgeheimnis nicht gehindert, seine abweichende Auffassung in abstrakter Form, also frei von jeder Bezugnahme auf das konkrete Verfahren oder die in der Beratung zutage getretenen Auffassungen, öffentlich (z. B. in einem wissenschaftlichen Aufsatz in einer Fachzeitschrift) zu vertreten; eine solche Teilnahme an der wissenschaftlichen Behandlung eines Problems, die die Allgemeinheit nicht erkennen läßt, daß der betreffende Richter in einem bestimmten Einzelfall überstimmt worden ist, steht dem Richter wie jedem anderen zu (vgl. R a s e h o r n NJW 1961 398; W a s s e r m a n n NJW 1963 2363; abw. oder einschränkend E r d s i e k NJW 1960 2233; 1961 399; G e r n e r D e c k e r - K a u f f m a n n 2; S c h m i d t - R ä n t s c h 6 zu § 4 3 DRiG; E b S c h m i d t JZ 1963 80). 5. Mit der Frage des offenen dissenting vote hat die Frage nichts zu tun, ob ein überstimmter Richter berechtigt ist, seine abweichende Auffassung in einem schriftlichen, nicht zur Kenntnis Dritter bestimmten Sondervotum (Separatvotum) niederzulegen. Sie ist unbedenklich zu bejahen. Schon die Reichstagskommission hatte im Anschluß an ältere Vorbilder (vgl. darüber Anm. 5 zu § 193 GVG in der 20. Aufl. dieses Werkes) in 1. Lesung (Prot. 59ff.) eine Vorschrift vorgesehen: „Jeder Richter ist befugt, seine von dem Beschlüsse des Gerichts abweichende Ansicht in den Geheimakten desselben niederzulegen". Sie wurde zwar in 2. Lesung wieder gestrichen, weil sie teils als sachlich unangemessen, teils als unnötig bezeichnet worden war (Prot. 694). Ein solches Sondervotum ist aber auch ohne eine besondere, es zulassende Vorschrift statthaft, denn es widerspricht weder dem Grundgedanken des Beratungsgeheimnisses noch sonstigen gesetzlichen Vorschriften und hat praktische Bedeutung in den Fällen, in denen sich aus einer unrichtigen Entscheidung die Gefahr einer Inanspruchnahme der beteiligten Richter ergeben kann — unten Anm. 6 — (h. M.; vgl. R o t b e r g , Zu einem Richtergesetz 29; K o h l h a a s NJW 1953 404; S e i b e r t MDR 1957 597; E b S c h m i d t , Lehrkomm. I Rdn. 554; S c h m i d t - R ä n t s c h 6; G e r n e r - D e c k e r K a u f f m a n n 4, je zu § 4 3 DRiG). § 10 der Geschäftsordnung für den BGH bestimmt (wie schon vorher § 15 der GeschäftsO für das Reichsgericht): „Jedes Mitglied ist . . . berechtigt, seine von der gefaßten Entscheidung abweichende Ansicht mit kurzer Begründung in den Senatsakten (§ 19 Abs. 2) niederzulegen." Entsprechende Vorschriften enthalten z.B. § 9 der GeschäftsO des BAG vom 12. 4. 1957 (BAnz. Nr. 79 S. 1) und § 12 der GeschäftsO des BFH vom 22. 11. 1957 (BAnz. Nr. 229 S. 1). Bei den übrigen Gerichten gehört das Sondervotum, wenn landesrechtliche Aufbewahrungsvorschriften fehlen, entweder zu den Personalakten des Richters oder (bei den Oberlandesgerichten) zu besonderen Senatsakten oder zu den allgemeinen Präsidialakten des Gerichts, und zwar jeweils in verschlossenem Umschlag, jedenfalls nicht, auch nicht in verschlossenem Umschlag, zu den betreffenden Prozeßakten, wo schon die Tatsache des Vorhandenseins eines solchen Umschlags jeden, der die Akten einsieht, darauf hinweist, daß der Richter von der Mehrheit abwich. 6. Ausnahmen vom Beratungsgeheimnis. Beratung und Abstimmung sind innere Angelegenheiten des Gerichts. Kraft des Beratungsgeheimnisses darf grundsätzlich weder in den Entscheidungsgründen noch durch Aktenvermerke oder bei der Verkündung des Urteils irgendwie erkennbar gemacht werden, ob und welche Meinungsverschiedenheiten bestanden haben, und mit welcher Stimmenzahl entschieden worden ist; jede Entscheidung soll um ihrer Autorität willen (oben 2) nach außen als die Entscheidung des ganzen Kollegiums in Erscheinung treten (RG Rspr. 2 70). So verlockend es etwa einem Schwurgerichtsvorsitzenden bei der Verkündung einer auf Indizienbeweis gegründeten Verurteilung zu schwerer Strafe erscheinen mag, zur Erhöhung der Überzeugungskraft des Urteils hervorzuheben, daß es einstimmig beschlossen sei, so widerstrebt ein solches Verfahren doch dem Grundgedanken des Gesetzes, das ja gerade eine unterschiedliche Bewertung der Urteile, je nach der dahin3119

Anhang (Schäfer) §43 Anm. 6 ter stehenden Stimmenmehrheit, vermieden wissen will (vgl. H e i n i t z , Festschrift für Eb. S c h m i d t [1961] 278). S. dazu auch unten c). a) Dieser Grundsatz muß aber notwendigerweise eingeschränkt werden, wenn — neben dem in Anm. III 1 zu § 194 GVG erörterten Sonderfall — gerade die Art des Abstimmens (§ 194 Abs. 2 GVG) den Gegenstand einer Meinungsverschiedenheit bildet. Fällt die Entscheidung selbst verschieden aus, je nachdem die Abstimmung nach der einen oder der anderen Ansicht vorgenommen wird, so ist das Gericht befugt und verpflichtet, die von ihm bei der Abstimmung befolgten Grundsätze in den Entscheidungsgründen darzulegen, damit bei Anfechtung der Entscheidung die höhere Instanz dieser Grundsätze prüfen und eine aus einer unrichtigen Abstimmung hervorgegangene Entscheidung aufheben kann (vgl. Anm. 7 zu § 263 StPO; ebenso S p e n d e l ZStrW 65 [1953] 41 l f mit weiteren Schrifttumsnachweisen). Die Rechtsprechung hat solche Ausführungen im Urteil nicht beanstandet, sondern auf ihrer Grundlage die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung nachgeprüft (vgl. RG Rspr. 4 198; RGSt. 2 379; 5 404; 8 218). Erst recht ist es nicht nur zulässig, sondern geboten, daß die schriftliche Urteilsbegründung nicht schweigt, wenn bei Absetzung des Urteils feststeht, daß es auf einem offensichtlichen Gesetzesverstoß beruht, mag es sich um ein Versehen handeln (z. B. es wurde irrtümlich die nach § 263 StPO erforderliche Mehrheit als vorliegend angesehen), oder um einen bewußten Verstoß (z. B. eine Minderheit sieht zwar den Tatbestand eines Vergehens gegen §218 StGB als erwiesen an, stimmt aber gesetzwidrig für Freispruch, weil sie Vergehen gegen § 218 StGB nicht als strafwürdig ansehen könne). Ob in solchen Fällen Recht und Pflicht, die Vorgänge bei der Abstimmung zu offenbaren, schon aus dem richtig verstandenen Begründungszwang für Gerichtsentscheidungen (vgl. insbes. § 267 Abs. 5 StPO für den durch gesetzwidrige Abstimmung erzwungenen Freispruch) folgt (so S p e n d e l aaO 413 und die dort Anm. 46 angeführten; a. M. freilich A l s b e r g JW 1926 2164; s. auch JW 1930 762 u. 2521), oder ob das Offenbarungsrecht aus dem allgemeinen Satz herzuleiten ist, daß grundsätzlich (bei Landesverrat mit der aus § 93 Abs. 2 StGB sich ergebenden Beschränkung) jede Geheimhaltungspflicht entfallt, wenn infolge der Geheimhaltung ein höheres Rechtsgut nicht gewahrt werden könnte (so RGSt. 60 296: „Die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit hat ihre Grenze an der höheren Pflicht, ein gesetzwidriges Verfahren zu offenbaren, um dessen Besserung zu ermöglichen"; ferner BayObLG JW 1929 1062 mit zust. Anm. M a n n h e i m ; E b S c h m i d t , Lehrkomm. I Nr. 553), kann dabei hier auf sich beruhen. b) Auch außerhalb der Urteilsgründe (vorstehend zu a) kann den Teilnehmern an der Beratung und Abstimmung ausnahmsweise das Recht zustehen, die Vorgänge bei der Beratung und Abstimmung zu offenbaren. In der Rechtsprechung der Strafsenate des Reichsgerichts war zwar der Satz ausgebildet worden, daß die Verschwiegenheitspflicht den Richter im Strafverfahren hindere, als Zeuge über Vorgänge bei der Beratung und Abstimmung auszusagen, daß sich daraus für das Gericht ein Vernehmungsverbot ergebe und daß demzufolge eine Revision nicht auf die — aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht belegbare — Behauptung gestützt werden könne, es sei bei Beratung und Abstimmung gesetzwidrig verfahren worden, und zwar auch dann nicht, wenn unter Verletzung der Schweigepflicht ein Schöffe oder Geschworener eine diesbezügliche Äußerung getan habe (vgl. RGSt. 26 202; 36 373; 61 218; 67 267, 280; RG GA 56 212; 64 553; JW 1928 1310; 1930 2561; vgl. auch BGHSt. 4 282 und dazu Anm. l b zu § 173 GVG). Gegen das strikte Aussage- und Vernehmungsverbot sind aber seit langem im Schrifttum Bedenken erhoben worden. Die heute im Schrifttum herrschende Meinung ist sich, wenn auch zu verschiedenen Ergebnissen gelangend, doch einig in der Ablehnung eines solchen uneingeschränkten Verbots (vgl. E b S c h m i d t , Lehrkomm. I Rdn. 552f und 1 zu § 198 GVG; K o h l h a a s NJW 1953 401; S p e n d e l ZStrW 65 403ff; M ü l l e r - S a x 2 zu § 198; H e i n i t z , Festschrift für E b S c h m i d t 277; S c h m i d t - R ä n t s c h JZ 1958 329; derselbe, Komm. 12; G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 3; Kl 3, je zu § 43 DRiG). aa) Die Verschwiegenheitspflicht muß entfallen, wo es — über bloße Kritik hinaus — rechtlich möglich ist, den einzelnen Richter gerade wegen seiner Mitwirkung an einem Spruch persönlich zur Verantwortung zu ziehen. Das Beratungsgeheimnis würde sonst entweder ihm ein Schutzschild sein, sich der persönlichen Verantwortung zu entziehen und dem 3120

A. Deutsches Richtergesetz

§43 Anm. 6

Kollegialgericht eine nicht gerechtfertigte Vorzugsstellung vor dem Einzelrichter zu verschaffen, oder es würde umgekehrt ihm die Verteidigung und den als Zeugen angerufenen Kollegen die Entlastung unmöglich machen. RGZ 89 14 hat denn auch (sehr mit Recht) im Zivilprozeß wegen Amtspflichtverletzung den Beweis zugelassen, daß der Berufsrichter von den Schöffen überstimmt worden war. Die Bestrafung eines Schöffen, der in der Beratung seine Mitwirkung bei der Abstimmung verweigert, aus § 56 GVG (vgl. dort Anm. 3) kann nicht daran scheitern, daß damit ein Vorgang bei der Beratung offenbart werden muß. In einem Strafverfahren gegen einen Richter eines Kollegialgerichts wegen Rechtsbeugung (§ 336 StGB) ist nach ständiger Rechtsprechung zur Verurteilung der Nachweis erforderlich, daß der angeklagte Richter der Entscheidung zugestimmt hat; ein solcher Nachweis wäre nicht möglich und damit eine Verurteilung, aber auch eine sachgerechte Verteidigung in weitem Umfang ausgeschlossen, wenn das Beratungsgeheimnis einer Beweiserhebung über die Vorgänge bei Beratung und Abstimmung entgegenstünde ( H e i n i t z aaO.). Auch bei einem Disziplinarverfahren oder gar einer Richteranklage, wo für den betroffenen Richter wichtigste Belange auf dem Spiel stehen, darf die Verteidigung nicht durch das Beratungsgeheimnis gehindert werden. Wenn Art. 98 GG, obwohl bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates die Frage nach der Bedeutung des Beratungsgeheimnisses in dem Verfahren einer Richteranklage erörtert wurde (vgl. v. M a n g o l d t 4 zu Art. 98 GG), sich einer Regelung enthielt, so ist das aus der Erwägung verständlich, daß solche Einzelheiten jedenfalls nicht in das G G gehören. Es kann daraus aber kein anderer Schluß gezogen werden als aus dem Verzicht auf eine ausdrückliche Regelung der Grenzen der Geheimhaltungspflicht in § 300 StGB und ähnlichen die Geheimnisverletzung bedrohenden Strafvorschriften des Nebenrechts. So gut für § 300 StGB der ungeschriebene, aber nicht bezweifelte Grundsatz gilt, daß bei einer Rechts- oder Pflichtenkollision nach dem Prinzip der Güterabwägung die Geheimhaltungspflicht endet, wenn die Wahrung eines höheren Rechtsguts zur Offenbarung nötigt (vgl. statt vieler LK = M ö s l V 5 zu § 300 StGB; s. auch Anm. III 3 c zu § 53 StPO), so gut gilt dies auch hier: So wesentlich auch die Wahrung des Beratungsgeheimnisses für die Belange der Rechtspflege ist, so muß es doch ein noch wesentlicheres Anliegen sein, die Verteidigung des zur Verantwortung gezogenen Richters im Interesse einer gerechten Rechtsfindung nicht auszuschließen. Der Betroffene selbst und die als Zeugen aufgerufenen Beratungsteilnehmer — letztere gleichviel, ob sie ihn entlasten oder belasten — müssen also über die Beratungsvorgänge aussagen dürfen (so auch M ü l l e r - S a x 1 a zu § 5 4 StPO; S c h m i d t - R ä n t s c h 1 3 ; K 1 3 B j e z u § 4 3 DRiG und die nachstehend Genannten). Dabei wird es nicht darauf ankommen dürfen, ob im Einzelfall für den Betroffenen schwererer oder geringerer Nachteil droht (gl. M. — gegen M a n n h e i m JW 1929 1062; v. C o e l l n , Beratungsgeheimnis S. 85; K o h l h a a s NJW 1953 403 - E b S c h m i d t Lehrk. I Rdn. 553; S p e n d e l aaO. S. 419). bb) Nicht anders kann dann aber der Fall behandelt werden, daß — ohne daß dies aus den Urteilsgründen erkennbar wäre — aus gewichtigen Gründen ein hinreichender Verdacht besteht, es sei bei der Abstimmung gesetzwidrig verfahren worden. Auch hier erlaubt das höhere Interesse an einem gesetzmäßigen gerechten Urteil den beteiligten Richtern die Durchbrechung der Geheimhaltungspflicht. Die gleichen Gründe, die die Offenbarung von Abstimmungsvorgängen im Urteil rechtfertigen (oben 6 a), müssen auch hier gelten. Es ist in der Tat ein nicht wegzuleugnender Widerspruch in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, wenn es in dem einen Fall erlaubte, was es in dem anderen versagte. Der BGH hat in dem Urteil MDR 1955 272 (vgl. Anm. 5 zu § 193 GVG) dienstliche Äußerungen der Richter über Vorgänge in der Beratung nicht als unzulässig zurückgewiesen, sondern ihnen nur in dem entschiedenen Fall wegen der zu stellenden besonders hohen Beweisanforderungen die Beweiskraft abgesprochen. Von einem Vernehmungsverbot, das ja nur aus einer strikten Schweigepflicht hergeleitet werden könnte, kann dann keine Rede sein. Eine Flut von Revisionen, gestützt auf die bloße Behauptung, es sei falsch abgestimmt, ist dabei nicht zu befürchten. Dem steht schon § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entgegen, der konkrete Behauptungen erfordert, und ein Antrag, alle mitwirkenden Richter zu hören, wäre ein unbeachtlicher Beweisermittlungsantrag ( K o h l h a a s aaO.; Kl 4 zu § 43 DRiG). cc) Eine andere Frage ist, ob der Richter als Zeuge im Verfahren ein Aussagerecht oder auch eine Aussagepflicht hat, dergestalt, daß das vernehmende Gericht die Entscheidung 3121

§ 4 3 Anm. 7

Anhang (Schäfer)

Vor § 44 Anm. 1 trifft, ob ausnahmsweise die Voraussetzungen einer Offenbarung vorliegen und er, wenn es dies bejaht, die prozessuale Zeugenpflicht zu erfüllen hat. Nach § 54 StPO gelten „für die Vernehmung von Richtern, Beamten und anderen Personen des öffentlichen Dienstes als Zeugen über Umstände, auf die sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, und für die Genehmigung zur Aussage die besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften". Diese Vorschrift gilt nicht für das Beratungsgeheimnis, denn dafür gibt es keine „besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften" (vgl. Anm. 2), insbesondere entfallt die Möglichkeit einer Entbindung des Richters durch den Dienstvorgesetzten, da ja auch dem Dienstaufsichtsvorgesetzten gegenüber das Beratungsgeheimnis zu wahren ist und er infolgedessen keine Befugnis hat, über dessen Offenbarung zu befinden (so jetzt auch E b S c h m i d t JZ 1963 80 unter Aufgabe seines früheren abweichenden Standpunkts). Da auch ein besonderes Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich des Beratungsgeheimnisses den Richtern nicht eingeräumt ist, bejahen Sp e n d e l aaO. S. 419; H e i n i t z aaO. 227; S c h m i d t - R ä n t s c h JZ 1958 334 u. 13 zu § 43 DRiG; A l s b e r g - N ü s e 94 die aus den allgemeinen Vorschriften sich ergebende Aussagepflicht des Richters. Man wird indessen nicht soweit gehen dürfen. Freilich gibt es keine ein Zeugnisverweigerungsrecht aussprechende Vorschrift, aber das hat wenig Gewicht angesichts der Tatsache, daß auch keine Vorschrift besteht, die die Durchbrechung des Beratungsgeheimnisses regelt. Grundsätzlich korrespondiert der materiellrechtlichen Geheimhaltungspflicht ein prozessuales Zeugnisverweigerungsrecht des Geheimnisträgers, das bei der allgemeinen beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht dahin abgewandelt ist, daß nicht der einzelne Beamte, sondern der Dienstherr, vertreten durch den Dienstvorgesetzten, das Verweigerungsrecht in der Form der Erteilung oder Verweigerung der Aussagegenehmigung ausübt. Da das Beratungsgeheimnis, unverzichtbar durch Dritte, den Beratungsteilnehmern anvertraut ist, wird man es den einzelnen Beratungsteilnehmern, in deren Interesse es im übrigen ja auch besteht, überlassen müssen, die Interessenabwägung selbst vorzunehmen (so auch E b S c h m i d t Lehrk. I Rdn. 553; P e t e r s 384; M ü l l e r S a x l a zu § 5 4 StPO; K o h l h a a s NJW 1953 403; Anm. 7 zu § 263 StPO im vorl. Werk). — Soweit Mitglieder eines Gerichts freiwillig Angaben über die Vorgänge bei Beratung und Abstimmung gemacht haben, sind sie ohne weiteres verfahrensrechtlich verwertbar (OGHSt. 1 222 f. = MDR 1949 305 u. BGH oben bb). c) Der Grundsatz der Güterabwägung erlaubt unter ganz besonderen Umständen schließlich eine Durchbrechung des Beratungsgeheimnisses auch in anderen als den vorstehend zu 6 a und b behandelten Fällen, so wenn ein Mitglied eines (nicht mehr bestehenden) Gerichts lange Zeit nach Erlaß eines viel angegriffenen Urteils die Ausnahmelage offenbart, aus der die Entscheidung erwachsen ist (vgl. die Darlegungen von H ä r t u n g JZ 1954 430 über die Hintergründe von RGSt. 74 85). Eine solche Durchbrechung kommt aber nur in seltensten Ausnahmefallen in Betracht (Bedenken gegen jede Verallgemeinerung bei Eb. S c h m i d t 2 zu § 198 a. F. GVG). 7. Die Verletzung des Beratungsgeheimnisses kann gegenüber den Berufsrichtern dienststrafrechtlich, gegenüber den ehrenamtlichen Richtern mit Ordnungsstrafe nach § 56 GVG, § 53 VwGO usw. geahndet werden (vgl. S c h m i d t - R ä n t s c h 6 zu § 4 5 DRiG). SECHSTER ABSCHNITT Ehrenamtliche Richter Vorbemerkung 1. Der Auftrag des G G (Art. 98 Abs. 1,3),"die Rechtsstellung der Richter des Bundes und der Länder durch besondere Gesetze zu regeln und die Ermächtigung des Bundes, für die die Landesrichter betreffenden Landesgesetze Rahmenvorschriften zu erlassen, bezieht sich nur auf die Berufsrichter. Demgemäß gelten auch die Vorschriften des DRiG grundsätzlich nur für die Berufsrichter (§ 2). Die Rechtsstellung der ehrenamtlichen Richter ist in den gerichtsverfassungsrechtlichen Vorschriften derjenigen Gesetze geregelt, die die Mitwirkung solcher Richter vorsehen (vgl. die Aufzählung bei S c h m i d t - R ä n t s c h 5 und G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 3 zu §44). An diesen Vorschriften, die namentlich in 3122

A. Deutsches Richtergesetz

V o r § 4 4 Anm. 2 § 44 Anm. 1,2

der Regelung persönlicher Voraussetzungen für das Amt, der Berufung in das Amt des ehrenamtlichen Richters und der Heranziehung zu den einzelnen Verfahren und zu einzelnen Verrichtungen (z. B. als beauftragter Richter), aber auch sonst in Einzelheiten auseinandergehen (z. B. in der Frage, inwieweit es der Unterschrift des ehrenamtlichen Richters unter Entscheidungen bedarf; vgl. dazu BGHZ 42 163, 174), hat das DRiG nichts geändert und sie durch Verweisungen in §§ 44, 45 Abs. 2 aufrechterhalten, obwohl der Bundesgesetzgeber kraft seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung zu vereinheitlichenden Maßnahmen in der Lage gewesen wäre (vgl. M ü l l e r DRiZ 1964 337). Das DRiG hat sich vielmehr darauf beschränkt, die Bedeutung der ehrenamtlichen Richter für die Rechtspflege (vgl. dazu Einleitung S. 181 ff.) durch die Aufnahme einiger Hauptgrundsätze zu betonen, die für die ehrenamtlichen Richter aller Gerichtszweige gelten. Diese enthalten — abgesehen von § 45 a — keine Neuerungen gegenüber dem bis dahin geltenden Recht, bringen vielmehr zum Ausdruck, was sich bereits aus dem Grundgesetz oder aus den übereinstimmenden Regelungen der gerichtsverfassungsrechtlichen Vorschriften ergibt. 2. Gewisse gemeinsame Regeln für die ehrenamtlichen Richter ergeben sich aus Vorschriften des DRiG außerhalb des 6. Abschnitts und aus Vorschriften außerhalb des DRiG. a) Grundsätzlich wirken die ehrenamtlichen Richter als Beisitzer neben Berufsrichtern mit. Vorsitzender eines Gerichts darf, wenn ehrenamtliche Richter beteiligt sind, nur ein Berufsrichter sein (§ 28 Abs. 2 Satz 1). Die einzige Ausnahme von diesem Grundsatz bildet die Besetzung des Ehrengerichts und des Ehrengerichtshofs für Rechtsanwälte (vgl. Anm. 3 a zu § 28). b) Die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter für Zeitversäumnis, Verdienstausfall usw. ist durch Ges. vom 1. 10. 1969 (BGBl. I 1753) geregelt. Landesrechtlich geregelt ist die Unfallfürsorge für ehrenamtliche Richter (vgl. z. B. § 14 Bad.-Württ. LRiG). Schrifttum: K l a u s a , Ehrenamtliche Richter. Ihre Auswahl und Funktion — empirisch untersucht, Frankfurt 1972. § 44. Bestellung und Abberufung des ehrenamtlichen Richters (1) Ehrenamtliche Richter dürfen bei einem Gericht nur auf Grund eines Gesetzes und unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen tätig werden. (2) Ein ehrenamtlicher Richter kann vor Ablauf seiner Amtszeit nur unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen und gegen seinen Willen nur durch Entscheidung eines Gerichts abberufen werden. 1. Absatz 1 ist eine Folgerung aus dem Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Dieser Grundsatz beinhaltet, daß das im Einzelfall zuständige Gericht, seine Besetzung und die in ihm mitwirkenden Einzelpersonen nach abstrakten gesetzlichen Merkmalen im voraus festgelegt sein müssen. Das die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter und die Voraussetzungen der Mitwirkung regelnde Gesetz kann ein Bundesgesetz oder ein Landesgesetz sein. Die „gesetzlich bestimmten Voraussetzungen" umfassen die Vorschriften über die Besetzung der Gerichte mit ehrenamtlichen Richtern, über ihre Heranziehung zu den einzelnen Sitzungen und die Vorschriften über die notwendigen persönlichen Eigenschaften und das Verfahren bei der Berufung in das Ehrenamt. 2. Zu Absatz 2: Art. 97 Abs. 1 G G garantiert allen, auch den ehrenamtlichen Richtern, die sachliche Unabhängigkeit. Absatz 2 des Art. 97 spricht die persönliche Unabhängigkeit zwar nur den Berufsrichtern auf Lebenszeit oder Zeit zu. Aber schon zum Begriff der sachlichen Unabhängigkeit gehört ein Mindestmaß an persönlicher Unabhängigkeit (vgl. Vorbem. 2 b vor § 1 GVG); dieses Mindestmaß legt Absatz 2 fest. Absatz 2 schließt gesetzliche Vorschriften, nach denen eine Amtszeit kraft Gesetzes endet (z. B. bei Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, bei Eintritt der Amtsunfahigkeit oder des Verlusts öffentlicher Ämter als Folge strafgerichtlicher Verurteilung) nicht aus. Das gerichtliche Verfahren bei der Abberufung vor Ablauf der Amtszeit gegen den Willen des ehrenamtlichen Richters regeln die gerichtsverfassungsrechtlichen Vorschriften der einzelnen Gerichtszweige (vgl. z. B. §§ 52, 3123

§45 Anhang (Schäfer) Anm. 1—3 77 Abs. 3 Satz 2, 84 GVG, § 24 VwGO, § 27 ArbGG). Absatz 2 besagt nicht, daß ein ehrenamtlicher Richter mit seinem Willen stets aus dem Amt entlassen werden könne oder auf sein Verlangen entlassen werden müsse, vielmehr entscheiden die genannten gerichtsverfassungsrechtlichen Regeln darüber, ob und wieweit das Verbleiben eines ehrenamtlichen Richters im Amt bis zum Ablauf der Amtszeit von seinem Willen abhängt. So können z. B. Schöffen nur unter den in §§52 bis 54 GVG genannten Voraussetzungen vom Amt überhaupt oder von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen entbunden werden, ehrenamtl. Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit das Amt nur gemäß § 24 ArbGG niederlegen. § 45. Unabhängigkeit und besondere Pflichten des ehrenamtlichen Richters (1) Der ehrenamtliche Richter ist in gleichem Maße wie ein Berufsrichter unabhängig. Er hat seine Pflichten getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz zu erfüllen, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen. (2) Im übrigen bestimmen sich die Rechte und Pflichten der ehrenamtlichen Richter nach den für die einzelnen Gerichtszweige geltenden Vorschriften. (3) Der ehrenamtliche Richter hat das Beratungsgeheimnis zu wahren (§ 43). 1. Zu Absatz 1: Daß der ehrenamtliche Richter, nicht anders als der Berufsrichter, sachlich unabhängig (keinen Weisungen, sondern nur dem Gesetz unterworfen) ist, spricht bereits Art. 97 Abs. 1 G G aus. Wenn § 45 Abs. 1 Satz 1 diesen Grundsatz unter Hinweis auf die Stellung der Berufsrichter wiederholt, so geschieht dies vornehmlich im Hinblick auf solche ehrenamtlichen Richter, bei denen für ihre Berufung die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen maßgebend ist (vgl. z. B. § 6 ArbGG: Besetzung der Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit mit Beisitzern aus den Kreisen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer). Sie werden ermahnt, ihr Amt nicht als Interessenvertreter entsprechend den Wünschen der von ihnen repräsentierten Gruppen, sondern in voller Unabhängigkeit und Unvorgenommenheit auszuüben. Absatz 1 Satz 2 umschreibt die vom Ehrenamtsrichter geforderte Einstellung mit den Worten des Richtereids (§ 38). Eine Eidesleistung schreibt § 45 nicht vor. Insofern verbleibt es bei den bundes- und landesrechtlichen Bestimmungen der gerichtsverfassungsrechtlichen Regelungen außerhalb des DRiG, die eine Beeidigung oder eidliche Verpflichtung vorsehen (vgl. z. B. §§ 51, 77, 84 GVG, §§ 20, 37, 43 ArbGG, § 31 VwGO usw.). Eine allgemeine Beeidigung der ehrenamtlichen Richter, soweit der Eid nicht bundesrechtlich geregelt ist, sehen z. B. § 13 Bad.-Württ. RiG, § 8 Nds. RiG vor. Darüber, daß der Grundsatz des § 4 - entgegen der Auffassung von M a i er NJW 1962 1999 — für die ehrenamtlichen Richter (vorbehaltlich abweichender Vorschriften in Einzelgesetzen) nicht gilt, vgl. BGHSt. 22 85; Anm. 1 b zu § 34 GVG und T s a t s o s DRiZ 1964 25. 2. Wegen der Rechte und Pflichten der ehrenamtlichen Richter im übrigen verweist Absatz 2 auf die einschlägigen Vorschriften für die einzelnen Gerichtszweige. Nach ihnen richtet sich die Pflicht zur Eidesleistung, zum rechtzeitigen Erscheinen zu den Sitzungen, zur ordnungsmäßigen Wahrnehmung des Amts und die Möglichkeit, Pflichtverletzungen durch Ordnungsstrafen zu ahnden (§ 56 GVG, § 33 VwGO usw.). 3. Von den besonderen Pflichten des Berufsrichters (§§ 38 bis 43) wird in Absatz 3 nur die Pflicht zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses (bisher § 198 GVG, aufgehoben durch § 85 Nr. 13) auf die ehrenamtlichen Richter erstreckt (vgl. dazu Anm. 7 zu § 43). § 39 ist zwar nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt. Indessen ergibt sich auch für den ehrenamtlichen Richter, dem das Gesetz die sachliche und (im Rahmen des § 44 Abs. 2) die persönliche Unabhängigkeit zuerkennt, die selbstverständliche Pflicht, daß er das Vertrauen der Öffentlichkeit in seine Unabhängigkeit und sein Bestreben nach unparteiischer, objektiver Amtsführung (§ 45 Abs. 1 Satz 2) nicht — und schon gar nicht im Amt — bewußt oder leichtfertig gefährden darf (vgl. G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 2). S. auch OLG Celle DRiZ 1961 363, wonach eine grobe Amtspflichtverletzung des ehrenamtlichen Richters, die zur Amtsenthebung durch gerichtliche Entscheidung führt (vgl. § 7 LwVerfG, § 27 ArbGG), nicht nur bei Verletzung der unmittelbar mit der Amtsausübung verbundenen Pflichten — Teilnahme an Sitzungen, Amtsverschwiegenheit —, sondern auch bei Gefahrdung des zum Amt erforderlichen Vertrauens durch Begehung strafbarer Handlungen während der Amtszeit vorliegt. 3124

A. Deutsches Richtergesetz

§ 45 a § 4 6 Anm. 1

§ 45 a. Bezeichnung des ehrenamtlichen Richters. Die ehrenamtlichen Richter in der Strafgerichtsbarkeit führen die Bezeichnung „Schöffe", in der Zivil-, Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit die Bezeichnung „ehrenamtlicher Richter". Entstehungsgeschichte. § 45 a wurde durch Art. I Nr. 4 des Ges. vom 26. 5. 1972 (BGBl. I 841) eingefügt. Vgl. zur Entstehungsgeschichte die Darstellung bei § 19 a. Vor dem Inkrafttreten des § 45 a führten die ehrenamtlichen Richter in den einzelnen Gerichtszweigen unterschiedliche Bezeichnungen, z. B. in der Strafgerichtsbarkeit die Bezeichnung „Schöffe" bei Verwendung im Schöffengericht und in der Strafkammer, „Geschworener" bei Tätigkeit im Schwurgericht, in der Zivilgerichtsbarkeit als Beisitzer der Kammern für Handelssachen die Bezeichnung „Handelsrichter", in der Arbeits-, Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit Bezeichnungen wie Arbeits-, Verwaltungs-, Finanz- und Sozialrichter, die je nach der Stufe des Gerichts sich ändern konnten (z. B. Landes- und Bundesarbeitsrichter, Landes- und Bundessozialrichter). Im Zusammenhang mit der Regelung der berufsrichterlichen Amtsbezeichnungen (§ 19 a) erhielten die ehrenamtlichen Richter einheitlich die Bezeichnung „ehrenamtlicher Richter". Eine Ausnahme gilt für die ehrenamtlichen Richter in der Strafgerichtsbarkeit. Auch sie sollten nach der zunächst vom Bundestag beschlossenen Fassung die Bezeichnung „ehrenamtlicher Richter" erhalten. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat führte dazu, daß sie nunmehr — unter Wegfall der bisherigen Bezeichnung „Geschworener" — einheitlich die die Bezeichnung „Schöffe" tragen. Soweit es nach den Vorschriften des GVG darauf ankommt, bei welcher Gerichtsstufe sie tätig werden sollen, wird zwischen Schöffen beim Schöffengericht, bei der Strafkammer und beim Schwurgericht unterschieden (vgl. z. B. § 90 GVG), ohne daß dies auf die Bezeichnung (nur) als „Schöffe" Einfluß hat.

ZWEITER TEIL Richter im Bundesdienst ERSTER ABSCHNITT Allgemeine Vorschriften § 46. Geltung des Bundesbeamtenrechts Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, gelten für die Rechtsverhältnisse der Richter im Bundesdienst bis zu einer besonderen Regelung die Vorschriften für Bundesbeamte entsprechend. 1. Über die Bedeutung der Vorschrift im allgemeinen vgl. Vorbem. 1 vor § 1. Ihre Auswirkungen, soweit sie gerichtsverfassungsrechtlich bedeutsam sind, sind im allgemeinen jeweils bei den Erläuterungen des DRiG, insbesondere der §§ 1 bis 43, an gehöriger Stelle vermerkt. Zusammenhängende Übersichten, inwieweit die einzelnen für Bundesbeamte geltenden Vorschriften insbes. des BBG, der §§ 121—123 BRRG, auf Richter entsprechend anwendbar sind, oder ihre Anwendbarkeit durch die besonderen für Richter geltenden Vorschriften oder die Besonderheit des Richterdienstverhältnisses ausgeschlossen ist, bei S c h m i d t - R ä n t s c h 4ff., G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 6 zu § 46. Wegen der Richter im Landesdienst vgl. §71. Nach allgemein anerkannter Auffassung sind Richter an bestimmte Dienststunden nicht gebunden; der Richter hat seine Anwesenheit im Gericht so einzurichten, daß er sein Amt ordnungsgemäß bei Widmung seiner ganzen Arbeitskraft wahrnehmen kann (BayDGH DRiZ 1969 292). Dies gilt indessen nur für Richter, denen ein konkretes Richteramt übertragen ist und nur hinsichtlich der Wahrnehmung der ihnen bei einem bestimmten Gericht zugewiesenen Geschäfte, also z. B. nicht für einen Richter auf Probe, der zunächst ohne Übertragung von Rechtsprechungsaufgaben bei einem Gericht zur Einarbeitung verwendet wird - Anm. 1 zu § 13 - (Bay. D G H aaO.). 3125

§ 47

Anhang (Schäfer)

§ 48 Anm. 1 - 4 § 47. Bundespersonalausschuß in Angelegenheiten der Richter (nicht abgedruckt) § 48. Eintritt in den Ruhestand (1) Die Richter auf Lebenszeit an den obersten Bundesgerichten treten mit dem Ende des Monats in den Ruhestand, in dem sie das achtundsechzigste Lebensjahr vollenden, die übrigen Richter mit dem Ende des Monats, in dem sie das fiinfundsechzigste Lebensjahr vollenden. (2) Der Eintritt in den Ruhestand kann nicht hinausgeschoben werden. (3) Auf seinen Antrag ist der Richter auf Lebenszeit drei Jahre vor Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand zu versetzen. 1. Wegen der geschichtlichen Entwicklung der Altersgrenze, der Zulässigkeit unterschiedlicher Altersgrenzen bei Richtern und der Grenzen, die dem Gesetzgeber bei der Ausübung seines Rechts, Altersgrenzen festzusetzen (Art. 97 Abs. 2 Satz 2 GG) durch Art. 33 Abs. 5 GG gezogen sind, vgl. Anm. 1, 2 zu § 48 in der Vorauflage. — Wegen der Altersgrenzen für Richter im Landesdienst vgl. § 76. 2. Der mit Anspruch auf Ruhegehalt verbundene Eintritt in den Ruhestand erfolgt, wenn die allgemeinen Voraussetzungen einer Gewährung von Ruhegehalt (§ 46 DRiG, § 106 BBG, in der Regel also eine mindestens 10jährige Dienstzeit) erfüllt sind. Ist dies nicht der Fall, so tritt an die Stelle des Eintritts in den Ruhestand als Folge der Erreichung der Altersgrenze die obligatorische Entlassung nach § 21 Abs. 2 Nr. 5 DRiG. 3. Über- und Unterschreitung der Altersgrenze. Während nach § 41 BBG Beamte zwar auch grundsätzlich mit der Erreichung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand treten, aber nach Ermessen der Verwaltung aus dringenden dienstlichen Rücksichten der Eintritt für eine bestimmte Zeit herausgeschoben werden kann, verbietet Absatz 2 eine solche Hinausschiebung, weü eine Einflußnahme der Exekutive mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit unvereinbar wäre. Gegen diesen Grundsatz verstößt es aber nicht, wenn Absatz 3 dem Richter das Recht einräumt, schon bestimmte Zeit vor Erreichung der Altersgrenze seine Zurruhesetzung herbeizuführen, in dem er, ohne daß es einer Begründung bedürfte, einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand stellt, dem die Behörde nachkommen muß (während es nach § 42 Abs. 3 BBG bei Beamten im Ermessen der Behörde steht, ob sie dem Antrag stattgeben will). Dieser Anspruch entspricht dem jederzeit zulässigen Anspruch des Richters auf Entlassung kraft schriftlichen Verlangens (§21 Abs. 2 Nr. 4). Von der Entlassung unterscheidet sich die Zurruhesetzung dadurch, daß letztere mit Ruhegehaltsansprüchen verbunden ist. Auch der Anspruch auf Zurruhesetzung aus § 48 Abs. 3 setzt deshalb voraus, daß die allgemeinen Voraussetzungen einer Gewährung von Ruhegehalt (oben Anm. 2) vorliegen; auch kann die Zurruhesetzung frühestens auf einen Zeitpunkt von 3 Jahren vor der Altersgrenze, im übrigen zu jedem von dem Richter bezeichneten Zeitpunkt, begehrt werden. 4. Mit der Erreichung der Altersgrenze tritt der Richter ipso jure in den Ruhestand. Eine etwaige Entfkssungsurkunde hat — anders als im Fall des § 48 Abs. 3 — keine konstitutive Bedeutung, sondern stellt nur deklaratorisch den kraft Gesetzes sich vollziehenden Vorgang fest. Eine weitere Verwendung des in den Ruhestand getretenen Richters in einem Richterverhältnis ist ausgeschlossen, da zum Richter auf Probe oder kraft Auftrags nur ernannt werden kann, wer später als Richter auf Lebenszeit verwendet werden soll (§§ 12, 14) und eine Verwendung als Richter in anderen Statusformen als denen des § 8 nicht zulässig ist. Ein (versehentlich) nach Erreichung der Altersgrenze berufener Richter ist nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 zu entlassen. Der im Ruhestand befindliche Richter darf seine letzte Amtsbezeichnung mit dem Zusatz „außer Dienst D.)" weiterführen (§ 46 DRiG, § 81 Abs. 3 BBG), doch ist es weithin üblich, daß sich die Ruhestandsrichter der Bezeichnung „i. R." bedienen, um sich äußerlich von den entlassenen Richtern zu unterscheiden, denen von der obersten Dienstbehörde die Erlaubnis erteilt werden kann, ebenfalls die letzte Amtsbezeichnung mit dem Zusatz „a. D." zu führen (§ 46 DRiG, § 81 Abs. 4 BBG).

3126

A. Deutsches Richtergesetz § § 4 8 a — 5 1 ; § 5 2 Anm. 1, 2 § § 5 3 , 5 4 ; § 5 5 Anm. 1 § 48 a. Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung von Richterinnen (nicht abgedruckt) ZWEITER ABSCHNITT Richtervertretungen § 49. Richterrat und Präsidialrat Bei den Gerichten des Bundes werden als Richtervertretungen errichtet 1. Richterräte für die Beteiligung an allgemeinen und sozialen Angelegenheiten, 2. Präsidialräte fiir die Beteiligung an der Ernennung eines Richters. § 50. Zusammensetzung des Richterrats und § 51. Wahl des Richterrats (nicht abgedruckt) § 52. Aufgaben des Richterrats Für die Befugnisse und Pflichten des Richterrats gelten § § 5 5 bis 68, 73 des Personalvertretungsgesetzes sinngemäß. 1. Von den in § 52 für sinngemäß anwendbar erklärten Vorschriften des Personalvertretungsges. (PersVG) vom 5. 8. 1955 (BGBl. I 477) kommen als gerichtsverfassungsrechtlich bedeutsam hauptsächlich die §§ 56, 73 in Betracht. Nach § 52 DRiG, § 56 PersVG haben Gericht und Richterrat darüber zu wachen, daß die Richter nach Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere daß jede unterschiedliche Behandlung wegen Abstammung, Religion, Herkunft, politischer Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts unterbleibt. In den gesetzlichen Aufgabenbereich des Präsidiums sowie des Vorsitzenden (§ 21g GVG) kann der Richterrat nicht eingreifen. Er kann aber, wenn Richter sich an ihn wenden, weil sie sich durch — gerichtlich nicht anfechtbare — Maßnahmen des Präsidiums oder des Vorsitzenden (vgl. Anm. V zu § 26) nicht nach Recht und Billigkeit behandelt glauben (§ 57 Abs. 1 c PersVG), sich unmittelbar an das Präsidium (den Vorsitzenden) wenden und die Vorstellungen des Richters um Abhilfe unterstützen. Das Präsidium könnte aber, soweit es sich nicht um die Aufstellung des Plans vor Beginn des Geschäftsjahres handelt, Änderungswünschen nur im Rahmen des § 21 e Abs. 3 G V G entsprechen. Nach § 52 DRiG, 73 PersVG wirkt der Richterrat mit bei der „Auflösung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung von Dienststellen oder wesentlichen Teilen von ihnen". Die sinngemäße Anwendung des § 73 PersVG bedeutet, daß der Richterrat bei der Aufhebund und Zusammenlegung von Gerichten, bei der Änderung von Bezirksgrenzen, bei der Verlegung des Gerichtssitzes und der Bildung oder Aufhebung auswärtiger Spruchkörper oder von gerichtlichen Zweigstellen zu beteiligen ist (vgl. S c h m i d t - R ä n t s c h 4 ) . 2. Wegen der Aufgaben der Richterräte in den Ländern vgl. § 73. § 53. Gemeinsame Aufgaben von Richterrat und Personal Vertretung — und § 54. Bildung des Präsidialrats (nicht abgedruckt) § 55. Aufgabe des Präsidialrats Vor jeder Ernennung oder Wahl eines Richters ist der Präsidialrat des Gerichts, bei dem der Richter verwendet werden soll, zu beteiligen. Das gleiche güt, wenn einem Richter ein Richteramt an einem Gericht eines anderen Gerichtszweigs übertragen werden soll. 1. Die Beteiligung (§ 57) des Präsidialrats erfolgt bei Personen, die zum Richter an einem obersten Bundesgericht gewählt werden sollen, vor der Wahl durch den Richterwahlausschuß. Eine Ernennung i. S. des § 55 (vgl. § 17 Abs. 2) liegt vor, wenn einem Richter an einem obersten Bundesgericht ein Richteramt mit höherem Endgrundgehalt (Präsident, Vorsitzender Richter) verliehen wird. Bei den übrigen Richtern im Bundesdienst liegt eine Ernennung vor bei der Begründung des Richterverhältnisses, bei der Umwandlung des Rich3127

§ 5 5 Anm. 2 Anhang (Schäfer) § 5 6 ; § 57Anm. 1 terverhältnisses in ein solches anderer Art und bei der Verleihung eines anderen Amtes mit anderem Endgrundgehalt. Einer Beteiligung des Präsidialrats bedarf es ferner nach Satz 2, wenn einem Richter im Bundesdienst ein Richteramt an einem Gericht eines anderen Gerichtszweiges (im Bundesdienst) übertragen werden soll (z. B. einem Vorsitzenden Richter an einem Truppendienstgericht das Amt eines Richters am Bundespatentgericht; eine Ernennung liegt hier nicht vor, weil es sich um ein Amt mit gleichem Endgrundgehalt handelt). Eine Richteramtsübertragung i. S. des Satzes 2 ist auch die Übertragung eines weiteren Richteramts an einem Gericht eines anderen Gerichtszweiges (§ 27 Abs. 2). Die Beteiligung des Präsidialrats entfallt aber, wenn die Übertragung durch Maßnahmen des Präsidiums erfolgt (vgl. § 61 Abs. 3). In anderen als den in § 55 bezeichneten Fällen findet eine Beteiligung des Präsidialrats nicht statt, also z. B. nicht bei Versetzung innerhalb des gleichen Gerichtszweigs; die Aufzählung ist abschließend. 2. Wegen des Aufgabenbereichs der Präsidialräte in den Ländern vgl. § 75. § 56. Einleitung der Beteiligung (nicht abgedruckt) § 57. Stellungnahme des Präsidialrats (1)Der Präsidialrat gibt eine schriftlich begründete Stellungnahme ab über die persönliche und fachliche Eignung des Bewerbers oder Richters. Die Stellungnahme ist zu den Personalakten zu nehmen. (2) Der Präsidialrat hat seine Stellungnahme binnen eines Monats abzugeben. (3) Ein Richter darf erst ernannt oder gewählt werden, wenn die Stellungnahme des Präsidialrats vorliegt oder die Frist des Absatzes 2 verstrichen ist. 1. § 57 umschreibt abschließend den Umfang der Beteiligung des Präsidialrats am Wahloder Ernennungsverfahren (§ 55). Seine Beteiligung beschränkt sich auf eine schriftliche Stellungnahme über die persönliche und fachliche Eignung des Bewerbers, hinsichtlich dessen eine Stellungnahme gemäß § 56 beantragt ist, und diese Stellungnahme ist für den Richterwahlausschuß und für die zur Ernennung zuständige Stelle unverbindlich. Weitergehenden Vorschlägen des Deutschen Richterbundes (DRiZ 1960 65), in bestimmtem Umfang ein Zustimmungsrecht des Präsidialrats vorzusehen, ist der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen, aber auch aus rechtspolitischen Gründen nicht gefolgt (s. Begr. zu § 54 RegEntw. 1958). Die verfassungsrechtlichen Erwägungen gehen dahin, Art. 95 Abs. 2 G G gestatte nicht, daß der Richterwahlausschuß in der Auswahl durch ein Veto anderer Stellen beschränkt werde. Auch wo ein Wahlausschuß nicht mitwirkt, folge aus dem Grundsatz, daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG), daß der Volkswille bei der Berufung der Richter in der Ernennung durch die parlamentarisch verantwortliche Regierung zum Ausdruck komme, die in ihrer Entschließungsfreiheit nicht durch ein Veto außerhalb stehender Stellen beeinträchtigt werden dürfe (so z.B. auch S c h m i d t - R ä n t s c h , Vorbem. 6 vor § 8). Ob diese Folgerung zwingend ist, wird bezweifelt (vgl. E b S c h m i d t J Z 1963 78). Der Präsidialrat kann die ihm vorgelegte Frage nach der persönlichen und fachlichen Eignung des ihm genannten Bewerbers nur mit ja oder nein beantworten. Er kann auch nicht andere Bewerber, für die ein Beurteilungsantrag (§ 56) nicht gestellt ist, in seine Stellungnahme einbeziehen und bei Bejahung der Eignungsfrage einen nicht benannten Bewerber als besser geeignet bezeichnen oder bei Verneinung der Eignungsfrage einen ihm geeignet erscheinenden Bewerber vorschlagen (Begr. zu § 56 RegEntw. 1958; s. auch Anm. 3 zu § 75). Ein Recht auf Teilnahme an der Sitzung des Präsidialrats zwecks Darlegung ihres Standpunkts hat die oberste Dienstbehörde nicht (anders z. T. die Landesrichtergesetze, vgl. Anm. 4 zu § 75). Selbstverständlich kann sich der Präsidialrat aber mit einer solchen Aussprachemöglichkeit einverstanden erklären oder sie erbitten. Andererseits hat auch der Präsidialrat über eine schriftliche Stellungnahme hinaus — wiederum entgegen weitergehenden Vorschlägen des Richterbundes (aaO.) — kein Recht darauf, daß ihm die oberste Dienstbehörde oder der Richterwahlausschuß Gelegenheit zur mündlichen Begründung der Stellungnahme gibt. Dies schließt nicht aus, daß ihn in geeigneten Fällen die oberste Dienstbehörde (der Richterwahlausschuß) zu mündlicher Ergänzung der schriftlichen Stellungnahme zuläßt ( S c h m i d t - R ä n t s c h 6, G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 3). 3128

A. Deutsches Richtergesetz

§ 5 7 Anm. 2, 3 § 5 8 - 6 0 ; § 6 1 Anm. 1 - 3

2. Eine ihm ungünstige Beurteilung der Eignungsfrage durch den Präsidialrat kann der Bewerber nicht anfechten. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Beurteilung keinen Verwaltungsakt darstellt, weil sie nicht gestaltet, nicht unmittelbare Rechtswirkungen entfaltet, denn trotz ablehnender Stellungsnahme kann der Bewerber ernannt oder gewählt werden ( G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 8). Unabhängig davon ist die Anfechtbarkeit aus den gleichen Erwägungen zu verneinen, die für die Anfechtbarkeit von Beschlüssen des Präsidiums gelten (vgl. Anm. IX zu § 21 e GVG), denn auch der Präsidialrat ist ein Organ der gerichtlichen Selbstverwaltung, das unter richterlicher Unabhängigkeit handelt. 3. Zu Absatz 3: Die Nichtbeteiligung des Präsidialrats oder, was dem gleichkommt, die Vornahme der Wahl oder Ernennung vor Ablauf der Frist des § 57 Abs. 2, wenn noch keine Stellungnahme des Präsidialrats vorliegt, berührt die Wirksamkeit der Wahl oder Ernennung nicht. Dies ergibt sich aus § 19 Abs. 1 Nr. 2 (vgl. dazu Anm. 2 b zu § 19) und findet seine Rechtfertigung darin, daß eine ungünstige Beurteilung, wenn die Stellungnahme beantragt oder abgewartet worden wäre, den Richterwahlausschuß (die oberste Dienstbehörde) nicht gebunden hätte. § 58. Geschäftsführung, Rechtsstellung der Mitglieder, § 59. Abgeordnete Richter, § 60. Rechtsweg in Angelegenheiten der Richtervertretungen (nicht abgedruckt) DRITTER ABSCHNITT Dienstgericht des Bundes § 61. Verfassung des Dienstgerichts (1)Für die Richter im Bundesdienst wird als Dienstgericht des Bundes ein besonderer Senat des Bundesgerichtshofs gebildet. (2) Das Dienstgericht des Bundes verhandelt und entscheidet in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei ständigen Beisitzern und zwei nichtständigen Beisitzern. Der Vorsitzende und die ständigen Beisitzer müssen dem Bundesgerichtshof, die nichtständigen Beisitzer als Richter auf Lebenszeit dem Gerichtszweig des betroffenen Richters angehören. Der Präsident eines Gerichts und sein ständiger Vertreter können nicht Mitglied des Dienstgerichts sein. (3) Das Präsidium des Bundesgerichtshofs bestimmt den Vorsitzenden und die Beisitzer sowie deren Vertreter für fünf Geschäftsjahre. Bei der Hinzuziehung der nichtständigen Beisitzer ist es an die Reihenfolge in den Vorschlagslisten gebunden, die von den Präsidien der oberen Bundesgerichte aufgestellt werden. (4) Das Dienstgericht gilt in Disziplinarverfahren (§ 63) als Strafsenat, in Versetzungsund Prüfungsverfahren (§§ 65, 66) als Zivilsenat im Sinne der §§ 132 und 136 des Gerichtsverfassungsgesetzes. 1. Der besondere Senat (Absatz 1) ist trotz seiner von den Regelvorschriften des GVG (§ 139) abweichenden Besetzung kein Sondergericht, sondern ein Spruchkörper eines ordentlichen Gerichts (vgl. Anm. 3b zu § 13 GVG, BGHZ 34 382, 385; BGH NJW 1964 1569). Es gelten also, soweit nichts abweichendes bestimmt ist (vgl. außer den oben erwähnten Abweichungen § 63 Abs. 1 DRiG i. V. mit § 73 BDO betr. Ausschluß der Öffentlichkeit im Disziplinarverfahren gegen Richter; dazu Vorbem. 1 a zu § 169 GVG), die allgemeinen Vorschriften des GVG. 2. Zu Absatz 4: Da der besondere Senat weder ein Zivil- noch ein Strafsenat ist, bedurfte es — nach dem Vorbild anderer Gesetze, vgl. Anm. 2 zu § 136 GVG — besonderer Vorschriften, um zur Erhaltung einer einheitlichen Rechtsprechung des BGH Auslegungsdivergenzen, die bei der Rechtsprechung des Dienstgerichts hervortreten, auf dem in §§ 132, 136 GVG gewiesenen Weg durch die Großen Senate zu bereinigen. 3. Durch besondere Vorschriften ist der personelle Zuständigkeitsbereich des Dienstgerichts über die Richter im Bundesdienst hinaus erweitert. Das Dienstgericht entscheidet auch 3129

§62 Anm. 1,2

Anhang (Schäfer)

nach § 11 a des Ges. über den Bundesrechnungshof vom 27. 11. 1950 (BGBl. I 765) i. d. F. von § 93 DRiG im förmlichen Disziplinar- und im Prüfungsverfahren gegen Mitglieder des Bundesrechnungshofs (s. dazu auch Anm. 2 zu § 78) und nach § 122 Abs. 4, 5 DRiG im formlichen Disziplinarverfahren gegen Staatsanwälte und die dort bezeichneten Vertreter des öffentlichen Interesses in der Verwaltungs- und Disziplinargerichtsbarkeit (vgl. dazu Anm. 4 zu § 122). In diesen Fällen richtet sich die Besetzung des Dienstgerichts mit nichtständigen Beisitzern nach den genannten Vorschriften. § 62. Zuständigkeit des Dienstgerichts (1) Das Dienstgericht des Bundes entscheidet endgültig 1. in Disziplinarsachen, auch der Richter im Ruhestand; 2. über die Versetzung im Interesse der Rechtspflege; 3. bei Richtern auf Lebenszeit oder auf Zeit über die a) Nichtigkeit einer Ernennung, b) Rücknahme einer Ernennung, c) Entlassung, d) Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfahigkeit; 4. bei Anfechtung a) einer Maßnahme wegen Veränderung der Gerichtsorganisation, b) der Abordnung eines Richters gemäß § 37 Abs. 3, c) einer Verfügung, durch die ein Richter auf Probe oder kraft Auftrags entlassen, durch die seine Ernennung zurückgenommen oder die Nichtigkeit seiner Ernennung festgestellt oder durch die er wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wird, d) der Heranziehung zu einer Nebentätigkeit, e) einer Maßnahme der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3, f) einer Verfügung über die Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung von Richterinnen (§ 48 a). (2) Das Dienstgericht des Bundes entscheidet auch über die Revision gegen Urteile der Dienstgerichte der Länder (§ 79). 1. a) Die Zuständigkeitsaufzählung in § 62 ist abschließend. Dienstrechtliche Streitigkeiten, die nicht darunter fallen, gehören vor die Verwaltungsgerichte (§ 46 DRiG, § 172 BBG, § 126 BRRG). Eine Erweiterung der Zuständigkeit des Dienstgerichts durch entsprechende Anwendung der einzelnen Ziffern des § 62 ist mit der Tendenz der abschließenden Aufzählung nicht verträglich; eine erweiternde Auslegung des § 62 wird dadurch nicht ausgeschlossen (s. die folgenden Anm.). b) Über eine Erweiterung der Zuständigkeit des Dienstgerichts in personeller Beziehung s. Anm. 3 zu § 61. 2. Nach Absatz 1 Nr. 1 entscheidet das Dienstgericht endgültig (d. h. erst- und letztinstanzlich) in Disziplinarsachen der Richter im Bundesdienst, und zwar gemäß § 63 Abs. 1 in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der BDO. Es entscheidet demgemäß in förmlichen Disziplinarverfahren (§§ 28 ff. BDO), in den in § 63 Abs. 2 DRiG bezeichneten Angelegenheiten und über Beschwerden gegen Disziplinarverfügungen des Dienstvorgesetzten - vgl. § 64 Abs. 1 DRiG - ( § 3 1 BDO). Bei Richtern auf Probe und kraft Auftrags kommt nur die Entscheidung über Beschwerden gegen Disziplinarverfügungen in Betracht. Ein förmliches Disziplinarverfahren findet bei ihnen nicht statt. Dies ergibt sich für Richter auf Probe aus § 63 Abs. 1 DRiG, § 126 BDO. Es gilt dies aber auch für Richter kraft Auftrags, denn auch sie können, ebenso wie die Richter auf Probe, bei einem Verhalten, das bei einem Richter auf Lebenszeit eine im förmlichen Disziplinarverfahren zu verhängende Disziplinarstrafe zur Folge hätte, entlassen werden (§§ 22 Abs. 3, 23). Die Landesrichtergesetze sprechen z. T. ausdrücklich aus, daß gegen Richter (der Länder) auf Probe und kraft Auftrags ein förmliches Disziplinarverfahren entfalle (so z. B. § 63 Bad.-Württ. RiG, § 58 Hamb. RiG). Für Disziplinarsachen von Landesrichtern, die an ein Gericht des Bundes abgeordnet sind (§ 37), ist das Dienstgericht des Bundes nicht zuständig, denn die Abordnung läßt die bisheri3130

A. Deutsches Richtergesetz

§62 Anm. 3 , 4

ge disziplinarrechtliche Unterstellung unberührt (vgl. Anm. 5 b zu § 37). Dagegen erstreckt sich seine Zuständigkeit auch auf Verhaltensweisen von Richtern im Ruhestand, die nach § 46 DRiG, § 77 BBG als Dienstvergehen gelten. Wegen des hier in Betracht kommenden Personenkreises vgl. S c h m i d t - R ä n t s c h 4. vgl. dazu § 65). Die Vorschrift zieht die 3. Zu Absatz 1 Nr. 2 (Versetzungsverfahren, Folgerung aus § 30 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 3, § 31. Die Zuständigkeit des Dienstgerichts wäre aber — a minore ad majus — erst recht gegeben, wenn die Dienstbehörde ohne vorgängige gerichtliche Entscheidung eine unfreiwillige Versetzung oder Amtsenthebung verfügen würde, ohne sich auf einen Rechtfertigungstatbestand i. S. der §§ 30, 34 zu beziehen (ebenso im Ergebnis G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 13e). Der betroffene Richter würde sich solcher Maßnahmen auch aus §§ 26 Abs. 3, 62 Abs. 1 Nr. 4 erwehren können. Das Dienstgericht entscheidet auch über die vorläufige Untersagung der Führung der Amtsgeschäfte ( § 3 5 ; vgl. dort Anm. 1). Es ist ferner auch nach Erlaß der in § 65 Abs. 3 vorgesehenen Zulässigkeitserklärung kraft Sachzusammenhangs zuständig, wenn sich aus der Versetzungsverfügung der Dienstbehörde eine Streitigkeit ergibt, die auf den Tatbestand des § 31 Bezug hat oder die Versetzung als solche betrifft, wie z. B. bei einer Streitigkeit, ob die Verfügung sich im Rahmen der Zulässigkeitserklärung hält, oder bei einer Streitigkeit über den Zeitpunkt der Versetzung ( S c h m i d t - R ä n t s c h 5). Dagegen gehören Streitigkeiten aus dem Vollzug der Verfügung, z. B. über die besoldungs- oder versorgungsrechtlichen Auswirkungen der Versetzung, über Umzugskosten usw. vor das Verwaltungsgericht. 4. Zu Absatz 1 Nr. 3, 4 (Prüfungsverfahren, vgl. dazu §§ 66, 67). a) auf Antrag der obersten Dienstbehörde (Absatz 1 Nr. 3). Die Nr. 3 a) nimmt Bezug auf § 18 Abs. 3, die Nr. 3 b) auf § 19 Abs. 3, die Nr. 3 c) auf § 21 Abs. 3, die Nr. 3 d) auf § 34. Das Dienstgericht ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch zuständig, wenn die Dienstbehörde unter Berufung auf die Zustimmung des Richters eine der bezeichneten Maßnahmen ohne gerichtliche Entscheidung ausspricht, der betroffene Richter aber das Vorliegen oder die Wirksamkeit einer Zustimmung in Abrede stellt (ebenso S c h m i d t - R ä n t s c h 8). Mindestens würde auf dem Weg der §§ 26 Abs. 3, 62 Abs. 1 Nr. 4 e die Zuständigkeit des Dienstgerichts zu begründen sein. Wenn nicht nichtige Ernennung i. S. des § 18, sondern die davon zu unterscheidende Nichternennung (vgl. Anm. 1 b zu § 18) in Frage steht, gilt zwar § 18 Abs. 3 nicht, vielmehr kann jedermann jederzeit formlos das Vorliegen einer Nichternennung geltend machen. Aber auch hier muß der Betroffene, der z. B. Nichternennung wegen fehlender Einwilligung in die Ernennung bestreitet, insbesondere das Vorliegen oder die Wirksamkeit der Einwilligung behauptet, mindestens gegenüber den die Wahrnehmung des Amts hindernden Maßnahmen der Dienstaufsichtsbehörde in der Lage sein, über §§ 26 Abs. 3, 62 Abs. 1 Nr. 4 e das Dienstgericht anzurufen (ebenso im Ergebnis G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 13a). Entsprechendes gilt, wenn (ausnahmsweise) Streit darüber entsteht, ob ein Richterdienstverhältnis gemäß § 24 mit der Rechtskraft eines Straf- oder bundesverfassungsgerichtlichen Urteils beendet ist, zumal eine solche Beendigung in ihren Wirkungen einer Entlassung kraft Gesetzes (§ 21 Abs. 1) entspricht, über deren Eintritt deklaratorisch (§ 67 Abs. 2) zu entscheiden in die Zuständigkeit des Dienstgerichts fallt (vgl. G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 13b). b) auf Antrag des Richters (Absatz 1 Nr. 4). Nr. 4 betrifft Maßnahmen, bei denen es einer vorgängigen richterlichen Entscheidung nicht bedarf, vielmehr nur eine Anfechtung der getroffenen Maßnahmen durch den betroffenen Richter in Betracht kommt. Nr. 4 a bezieht sich auf Maßnahmen gemäß §§ 30 Abs. 1 Nr. 4, 32; sie sind durch § 30 Abs. 2 von dem Erfordernis vorgängiger gerichtlicher Entscheidung freigestellt. In Nr. 4 b kann die Verweisung auf § 37 Abs. 3 naturgemäß nicht bedeuten, daß die Anfechtung nur dann zulässig ist, wenn die Abordnungsanordnung sich im Rahmen des § 37 Abs. 3 hält — dann hätte die Anfechtbarkeit nur geringe Bedeutung —, vielmehr muß sie auch und gerade dann zulässig sein, wenn der Richter geltend macht, daß die Voraussetzungen einer zustimmungsfreien Abordnung im Rahmen des § 37 Abs. 3 nicht vorlägen, wenn er z. B. geltend macht, daß ein Vertretungsfall nicht gegeben sei, sondern die Abordnung wegen erhöhten Geschäftsanfalls erfolge, oder daß die Dreimonatsdauer des § 37 Abs. 3 überschritten werde, oder daß er einer Abordnung an das Gericht eines anderen Gerichtszweiges oder an eine Verwaltungsbehörde nicht oder nicht wirksam zugestimmt habe 3131

§ 6 2 Anm. 4— 7

Anhang (Schäfer)

§63 (ebenso im Ergebnis G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 13d, enger S c h m i d t - R ä n t s c h 11, wonach Abordnungen, die nicht „zur Vertretung" verfügt werden, nur bei den allgemeinen Verwaltungsgerichten angefochten werden können). Unabhängig von Nr. 4 b kann eine Abordnungsverfügung stets unter dem Gesichtspunkt der Nr. 4 e angefochten werden (vgl. Anm. I 2 zu § 26, so auch S c h m i d t - R ä n t s c h aaO.), so daß der Frage nach der Tragweite der Nr. 4 b keine entscheidende Bedeutung zukommt. Nr. 4 c. Bei Entlassung wegen mangelnder Eignung (§ 22 Abs. 2 Nr. 1) prüft das Dienstgericht nur, ob die oberste Dienstbehörde den Begriff der mangelnden Eignung und den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Tatbestand ausgegangen ist, ob sie allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat (BVerwG DVB1. 1963 552; BGH MDR 1971 298 = DRiZ 1971 91 = JZ 1971 189). Würde die oberste Dienstbehörde die mangelnde Eignung aus den von dem Richter erlassenen Entscheidungen herleiten, so könnte er die Entlassung auch nach § 62 Abs. 2 Nr. 4 e anfechten. Nr. 4 c erwähnt nicht die Anfechtbarkeit einer feststellenden Verfügung, daß ein Richter auf Probe oder kraft Auftrags kraft Gesetzes entlassen sei (§ 21 Abs. 1). Es handelt sich dabei nur um ein Redaktionsversehen ( S c h m i d t R ä n t s c h 12). Einer entsprechenden Anwendung der Nr. 4 c (so G e r n e r - D e c k e r K a u f f m a n n 13 c) bedarf es nicht. Aber auch eine feststellende Verfügung, daß das Dienstverhältnis gemäß § 24 beendet sei, unterliegt der Anfechtung beim Dienstgericht (oben 4 a). Anordnungen über die Verwendung eines Richters auf Probe oder kraft Auftrags, die sich im Rahmen der §§13, 16 Abs. 2 halten, mögen Verwaltungsakte sein, entziehen sich aber grundsätzlich einer Anfechtung, weil sie zulässigerweise im Rahmen eines „besonderen Gewaltverhältnisses" erfolgen. Jedenfalls ist, soweit Anfechtbarkeit in Betracht kommt, das Dienstgericht nicht zuständig (a. M. G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 130- Wird aber die richterliche Unabhängigkeit berührt, z. B. bei Nichtbeachtung des § 70 Abs. 2 GVG, so ist Nr. 4 e anwendbar. Nr. 4 d knüpft an § 42 an. Eine anfechtbare Heranziehung zu einer Nebe.ntätigkeit ist auch die Übertragung eines weiteren Amts (§ 27 Abs. 2 f zu § 27). Nr. 4 d ist hier unmittelbar anwendbar (a. M. G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 13d, die Nr. 4 d entsprechend anwenden wollen; s. auch Anm. 1 zu § 78). Die Versagung der Genehmigung für eine genehmigungsbedürftige Nebentätigkeit (§§ 40, 41 DRiG, § 46 DRiG, §§ 65, 66 BBG) ist bei den Verwaltungsgerichten anfechtbar, es sei denn, daß der Richter eine Beeinträchtigung seiner Unabhängigkeit durch diese Maßnahme behauptet (Nr. 4 e und dazu Anm. I 2 zu § 26). Zu Nr. 4e, insbesondere über das Verhältnis der Nr. 2, 3 , 4 a—d zu Nr. 4 e wird auf die Anm. zu § 26 verwiesen. 5. Wegen der Zuständigkeit Anm. 1 a zu § 35.

des Dienstgerichts für Zwischenentscheidungen

6. Das Dienstgericht ist auch für die Entscheidung über sprechenden Verfahren zuständig, die vor dem Inkrafttreten ständigen Gerichten rechtskräftig abgeschlossen wurden. In dies für die Landesdienstgerichte z. T. ausdrücklich bestimmt § 112, Hamburg § 71, Niedersachsen § 90).

vgl.

die Wiederaufnahme von entdes DRiG von den bisher zuden Landesrichtergesetzen ist (Hessen § 83, Bad.-Württemb.

7. Wegen der Zuständigkeit der Landesdienstgerichte vgl. § 78. § 63. Disziplinarverfahren (1)Für das Verfahren in Disziplinarsachen gelten die Vorschriften der Bundesdisziplinarordnung sinngemäß. (2) Über die Einleitung oder Einstellung des förmlichen Disziplinarverfahrens, über die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienstbezügen sowie über die Aufhebung dieser Maßnahmen entscheidet auf Antrag der obersten Dienstbehörde das Dienstgericht durch Beschluß. Der Beschluß ist der obersten Dienstbehörde und dem Richter zuzustellen. (3) Die Aufgaben des Bundesdisziplinaranwalts nimmt der Generalbundesanwalt wahr. § 30 b Abs. 2 =§ 38 Abs. 2 der Bundesdisziplinarordnung findet keine Anwendung. 3132

A. Deutsches Richtergesetz § 6 3 Anm. 1—3 § 6 4 Anm. 1 - 3 ; § 6 5 Anm. 1, 2 1. Über das Verhältnis der disziplinarrechtlichen Verantwortlichkeit zur richterlichen Unabhängigkeit vgl. Anm. IX zu § 1 GVG. 2. Das materielle Disziplinarrecht entspricht, soweit § 64 keine abweichenden Vorschriften enthält, gemäß § 46 dem für Bundesbeamte geltenden Recht. Auch das Verfahren richtet sich — mit den Abweichungen gemäß § 63 Abs. 2, 3 — nach den für das Verfahren gegen Bundesbeamte geltenden Vorschriften der BDO. Sie gelten indessen nur sinngemäß, d. h. nur insoweit, als es mit der besonderen Rechtsstellung der Richter und der Art und Zusammensetzung des Dienstgerichts vereinbar ist. Aus der sinngemäßen Anwendbarkeit ergibt sich z. B., daß Untersuchungsführer im förmlichen Disziplinarverfahren (§ 56 Abs. 2 BDO) nur ein Richter sein kann. An dem das Disziplinarverfahren beherrschenden Opportunitätsprinzip hat sich auch im Verfahren gegen Richter nichts geändert. Die oberste Dienstbehörde befindet nach pflichtmäßigem Ermessen, ob es der Einleitung disziplinarischer Maßnahmen bedarf. Uber die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens entscheidet zwar nach § 63 Abs. 2 das Dienstgericht, aber nur, wenn die oberste Dienstbehörde einen entsprechenden Antrag stellt. An dem Prinzip der Verhängung von Dienststrafen durch Disziplinarverfügung des Dienstvorgesetzten in dem durch § 64 gezogenen Rahmen hat das DRiG trotz bestehender Bedenken festgehalten (vgl. dazu die Begr. zu § 62 RegEntw. 1958). Das ist vertretbar, da auf Beschwerde das Dienstgericht über die Rechtmäßigkeit der Disziplinarverfügung entscheidet (§ 63 Abs. 1 DRiG, § 31 BDO). 3. Wegen des Disziplinarverfahrens gegen Landesrichter vgl. § 83. § 64. Disziplinarstrafen (1) Durch Disziplinarverfügung kann nur ein Verweis ausgesprochen werden. (2) Gegen einen Richter bei einem obersten Bundesgericht kann nur Verweis, Geldbuße oder Entfernung aus dem Dienst verhängt werden. 1. Zu Absatz 1: Die im förmlichen Disziplinarverfahren gegen Richter der Bundesgerichte (mit Ausnahme der Richter an den obersten Bundesgerichten, Abs. 2) zulässigen Disziplinarstrafen ergeben sich aus § 5 Abs. 1 BDO. 2. Zu Absatz 2: Gegen Richter an einem obersten Bundesgericht kann durch Disziplinarverfügung nur Verweis, im förmlichen Disziplinarverfahren außerdem nur Geldbuße oder Entfernung aus dem Dienst ausgesprochen werden. 3. Wegen der Bedeutung des § 64 Abs. 1 für die Richter im Landesdienst vgl. § 83. § 65. Versetzungsverfahren (1)Für das Verfahren bei Versetzung im Interesse der Rechtspflege (Versetzungsverfahren) gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sinngemäß. (2) Das Verfahren wird durch einen Antrag der obersten Dienstbehörde eingeleitet. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Der Oberbundesanwalt wirkt an dem Verfahren nicht mit. (3) Das Gericht erklärt eine der in § 31 vorgesehenen Maßnahmen für zulässig oder weist den Antrag zurück. 1. Zu Absatz 1: Vgl. Anm. 1 zu § 66. 2. Zu Absätzen 2, 3: Die oberste Dienstbehörde muß den Antrag auf eine bestimmte der in § 31 bezeichneten Maßnahmen richten (§ 82 VwGO). Geht der Antrag auf Versetzung in ein anderes Richteramt (§ 31 Nr. 1), so genügt es, wenn mehrere Ämter alternativ bezeichnet werden ( S c h m i d t - R ä n t s c h 9). Das Dienstgericht erklärt lediglich eine Maßnahme für zulässig. Es kann in entsprechender Anwendung des § 88 VwGO (ne eat iudex . . . ) keine in der Reihenfolge des § 31 strengere als die beantragte Maßnahme, wohl aber eine mildere für zulässig erklären. Sache der Dienstbehörde ist es, auf der Grundlage der rechtskräftigen Zulässigkeitserklärung die Maßnahme auszusprechen. Sie ist dazu berechtigt, aber nicht verpflichtet, kann vielmehr z. B. bei veränderter Sachlage nunmehr von weiteren Maßnahmen absehen. Die Versetzungsverfügung ist nur insoweit anfechtbar, als sie in einer den Betrofife3133

§ 6 5 Anm. 3 § 66 Anm. 1 - 4 ;

Anhang (Schäfer)

§ 67

nen beschwerenden Weise von der Ermächtigung in der Zulässigkeitserklärung abweicht (vgl. Anm. 3 zu § 62). Da eine Zustimmung des Richters das Verfahren nach § § 3 0 Abs. 2, 65 nicht entbehrlich macht (vgl. Anm. 4 zu § 30), hat, wenn der Richter sich von vornherein mit der in Aussicht genommenen Versetzungsmaßnahme einverstanden erklärt, die Zulässigkeitserklärung den Charakter eines Formalakts. Die Kosten des Verfahrens sind dann in sinngemäßer Anwendung des § 156 VwGO der Bundeskasse aufzuerlgen (vgl. BGH DRiZ 1963 440; a. M. S c h m i d t - R ä n t s c h 6, vgl. auch Anm. 7 zu § 21). 3. Wegen der Regelung des Verfahrens bei Richtern im Landesdienst vgl. § 83. § 66. Priifungsverfahren (1) Für das Verfahren in den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 3 und 4 (Priifungsverfahren) gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sinngemäß. Der Oberbundesanwalt wirkt an dem Verfahren nicht mit. (2) Ein Vorverfahren findet nur in den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 4 statt. (3) Das Verfahren wird in den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 3 durch einen Antrag der obersten Dienstbehörde, in den Fällen der Nummer 4 durch einen Antrag des Richters eingeleitet. 1.Zu Absatz 1: Die Unterscheidung zwischen Versetzungsverfahren (§65) und Prüfungsverfahren (§§ 66, 67) entbehrt einer inneren Berechtigung, da beide Verfahren praktisch keine Unterschiede aufweisen. Die Unterscheidung erklärt sich historisch: das Versetzungsverfahren sollte sich nach dem Reg.-Entw. nach den Vorschriften über das Disziplinarverfahren, das Prüfungsverfahren nach den Vorschriften der VwGO abspielen. Nachdem der Bundestag sich auch im Versetzungsverfahren für die Anwendung der VwGO entschlossen hatte, ist eine Vereinigung der beiden Verfahren aus Zeitgründen unterblieben (vgl. S c h m i d t - R ä n t s c h 3 zu § 65). 2. Zu Absatz 2: Nach § 46 DRiG, § 126 BRRG findet - abweichend von § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO — das Vorverfahren auch dann statt, wenn die anzufechtende Verfügung von der obersten Dienstbehörde erlassen ist. 3. Zu Absatz 3: Der Antrag der obersten Dienstbehörde, die Rücknahme der Ernennung für zulässig zu erklären (§ 62 Abs. 1 Nr. 3 b, § 67 Abs. 2), kann nur innerhalb einer Frist von 6 Monaten seit Erlangung der Kenntnis von der Ernennung und dem Grund der Rücknahme gestellt werden (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BBG, § 46 DRiG). Der Antrag des Richters ist grundsätzlich innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (§ 66 Abs. 2 DRiG) zu stellen (§§ 74—76 VwGO). Im übrigen ist weder der Antrag der obersten Dienstbehörde noch der des Richters fristgebunden. 4. Wegen der Regelung des Verfahrens bei Landesrichtern vgl. § 83. § 67. Urteilsformel im Prüfungsverfahren (1) In dem Fall des § 62 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a stellt das Gericht die Nichtigkeit fest oder weist den Antrag zurück. (2) In den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 3 Buchstaben b bis d stellt das Gericht die Zulässigkeit der Maßnahme oder die Entlassung fest oder weist den Antrag zurück. (3) In den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 4 Buchstaben a bis d hebt das Gericht die angefochtene Maßnahme auf oder weist den Antrag zurück. (4) In dem Fall des § 62 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe e stellt das Gericht die Unzulässigkeit der Maßnahme fest oder weist den Antrag zurück. Zu Absatz 4. Aus dem Zweck des DRiG und dem Zusammenhang seiner Vorschriften ist zu entnehmen, daß dem Dienstgericht durch § 26 Abs. 3 eine umfassende Prüfungsbefugnis eingeräumt ist. Das bedeutet, daß das Dienstgericht, wenn es zu dem Ergebnis kommt, die beanstandete Maßnahme sei nicht nach § 26 Abs. 2 unzulässig, auch zu prüfen hat, ob die Maßnahme sachlich gerechtfertigt ist (BGHZ 51 280 = DRiZ 1969 124 = MDR 1969 479 = LM Nr. 7 zu § 26 DRiG m. Anm. B a l d u s ; BGHZ 57 344 = NJW 1972 634 = DRiZ 1972 101 = MDR 1972 320 = JZ 1972 215). Kommt z. B. das Dienstgericht zu dem

3134

A. Deutsches Richtergesetz

§§68-71

Ergebnis, daß in einem Dienstleistungszeugnis die Beurteilung des Richters so gehalten ist. daß sie — entgegen der Rechtsbehauptung des Richters — die richterliche Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt, so hat das Dienstgericht nunmehr auch über die inhaltliche Richtigkeit der Beurteilung zu befinden, wenn sie von dem Antragsteller angegriffen w i r d ; § 6 8 D R i G steht dem nicht entgegen (BGHZ 57 344, 347). Dagegen ist es nicht Sache des Dienstgerichts, in einen Streit um die Auslegung gesetzlicher Vorschriften einzugreifen, der zur Zuständigkeit anderer Gerichtszweige gehört (BGHZ 46 66; Anm. I 2 zu § 26). So ist zwar der Antrag eines Richters nach § 26 Abs. 3 zulässig, wenn er behauptet, ein Besoldungsbescheid der Dienstaufsichtsbehörde sei unrichtig und beeinträchtige seine richterliche Unabhängigkeit; das Dienstgericht ist aber, wenn es eine solche Beeinträchtigung verneint, zur Entscheidung über die Richtigkeit des Bescheides nicht zuständig. § 68. Aussetzung von Verfahren (1) Ist eine Maßnahme der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3 angefochten und hängt die Entscheidung hierüber von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen Verfahrens bildet oder bilden kann, so hat das Dienstgericht die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Verfahrens auszusetzen. Der Aussetzungsbeschluß ist zu begründen. (2) Ist das Verfahren bei dem anderen Gericht noch nicht anhängig, so setzt das Dienstgericht in dem Aussetzungsbeschluß eine angemessene Frist zur Einleitung des Verfahrens. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist weist es den Antrag ohne weitere Sachprüfung zurück. (3) Hängt die Entscheidung eines anderen Gerichts als eines Dienstgerichts davon ab, ob eine Maßnahme der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3 unzulässig ist, so hat das Gericht die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Dienstgericht auszusetzen. Der Aussetzungsbeschluß ist zu begründen. Absatz 2 gilt sinngemäß. S. dazu die Anm. zu § 67. Wegen der Bedeutung des § 68 im übrigen wird auf die Anm. in der Vorauflage Bezug genommen.

VIERTER ABSCHNITT Richter des Bundesverfassungsgerichts § 69. Beschränkte Geltung dieses Gesetzes, § 70. Bundesrichter als Richter des Bundesverfassungsgerichts (nicht abgedruckt)

DRITTER TEIL Richter im Landesdienst § 71. Bindung an Rahmenvorschriften (1) Die Länder sind verpflichtet, die Rechtsverhältnisse der Richter gemäß § § 7 2 bis 84 und, soweit dieses Gesetz nicht anderes bestimmt, auf der Grundlage der §§ 1 bis 120 des Beamtenrechtsrahmengesetzes zu regeln. Sie haben dabei die gemeinsamen Interessen von Bund und Ländern zu berücksichtigen. (2) Soweit die unabhängige Stelle (§§ 61,62 des Beamtenrechtsrahmengesetzes) für Angelegenheiten der Richter zuständig ist, muß mindestens die Hälfte ihrer Mitglieder Richter sein. (3) Für die Richter im Landesdienst gelten §§ 123 bis 132 des Beamtenrechtsrahmengesetzes entsprechend, soweit dieses Gesetz nicht anderes bestimmt. 3135

§ 7 1 Anm. 1 - 3 §§ 7 1 a ; 7 2 Anm. 1

Anhang (Schäfer)

1. Über den Umfang der Befugnis des Bundesgesetzgebers, die Rechtsverhältnisse der Berufsrichter bei den Gerichten der Länder zu regeln, vgl. Vorbem. 1 vor § 1. Unmittelbar für Richter der Länder geltende Vorschriften hat das DRiG in §§ 1 bis 43, 71 Abs. 3, 71 a, 79 Abs. 2, 80 und für den Fall, daß die Landesgesetzgebung in Disziplinarsachen die Revision an das Dienstgericht des Bundes vorsieht, in §§ 81, 82 aufgestellt. Unmittelbar geltendes Recht aufzustellen liegt noch im Bereich der Rahmengesetzgebung (BVerfGE 4 115). Außerdem läßt sich die Gesetzgebungszuständigkeit insoweit mindestens teilweise aus Art. 74 Nr. 1 G G (Gerichtsverfassung und — betr. § § 8 0 bis 82 — gerichtliches Verfahren) herleiten. Im übrigen enthält das DRiG die Weisung an den Landesgesetzgeber, die Rechtsverhältnisse der Richter in bestimmter Weise zu regeln ( § 7 1 Abs. 1, 2). Da durch das BRRG eine verhältnismäßig weitgehende Übereinstimmung des Beamtenrechts der Länder und des Bundesbeamtenrechts erreicht ist, bedeutet die Verpflichtung, die Rechtsverhältnisse der Landesrichter auf der Grundlage der §§ 1—120 BRRG zu regeln, daß auch insoweit die Rechtsstellung der Landesrichter in weitem Umfang derjenigen entspricht, die sich für die Richter des Bundes aus der Verweisung auf das Bundesbeamtenrecht in § 46 DRiG ergibt. Soweit es sich um die Regelung auf der Grundlage der §§ 1—120 BRRG handelt und soweit der Landesgesetzgeber im übrigen frei ist in der weiteren Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse, ist er berechtigt, nach dem Vorbild des § 46 die Regelung vorläufig (s. § 46 „bis zu einer besonderen Regelung") durch Verweisung auf die Vorschriften des Landesbeamtenrechts durchzuführen, wie dies auch bisher durchweg geschehen ist (so z. B. § 8 Bad.-Württ. RiG, § 4 HambRiG, § 4 Nds. RiG). 2. Inwieweit die §§ 1 bis 120 BRRG, auf deren Grundlage die Rechtsverhältnisse der Richter zu regeln sind, mit den Vorschriften des DRiG und mit der besonderen Rechtsstellung des Richters vereinbar sind, ist z. T. bereits bei der Erläuterung der Vorschriften des 1. und 2. Teils des DRiG im Zusammenhang mit der Frage nach den Auswirkungen des § 46 DRiG darglegt. Eine in die Einzelheiten gehende Erörterung gibt S c h m i d t - R ä n t s c h 9ff. zu § 71, auf die hier verwiesen werden muß. Die gleichen Fragen erheben sich, wenn das Landesrichtergesetz (wie z. B. § 8 Bad.-Württ. RiG, § 2 Hess. RiG) auf die entsprechend anwendbaren Vorschriften des Landesbeamtenrechts verweist, das bereits den Vorschriften des BRRG angeglichen ist. 3. Zu Absatz 2: Nach §§ 61, 62 BRRG ist in jedem Land eine unabhängige, an Weisungen nicht gebundene Stelle zu errichten, die nach ihrem Aufgabenbereich dem Bundespersonalausschuß entspricht. Wie § 4 7 DRiG für den Bundespersonalausschuß, so regelt § 71 Abs. 2 DRiG die Zusammensetzung des Landespersonalausschusses durch Aufstellung von Mindestforderungen in den Fällen, in denen er in Angelegenheiten der Richter tätig wird. § 71 a. Unmittelbar geltende Vorschriften Die unmittelbar für den Bereich der Länder geltenden Vorschriften des Versorgungsrechts der Bundesbeamten gelten auch für die Richter im Landesdienst, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Entstehungsgeschichte: § 71a ist eingefügt durch Ges. vom 28. 7. 1972 (BGBl. I 1288). Vgl. dazu Art. 74 a Abs. 4 GG. § 72. Bildung des Richterrats In den Ländern sind Richterräte zu bilden. Ihre Mitglieder werden durch die Richter unmittelbar und geheim aus ihrer Mitte gewählt. Schrifttum: W a s s e r m a n n , Zur Wahl der Richtervertretungen DRiZ 1963 2 2 7 ; S c h i l g e n , Richtervertretungen, DRiZ 1963 101. l . D a s DRiG begnügt sich mit dem Auftrag an die Landesgesetzgeber, Richterräte zu bilden, umschreibt ihren Mindestaufgabenbereich (§ 73) und enthält eine Grundregel für die Wahl. Alle übrigen Einzelheiten wie Organisation, Aufbau und Zusammensetzung der Rich3136

A. Deutsches Richtergesetz

§ 7 2 Anm. 2; § 7 3 Anm. 1 § 74; § 75 Anm. 1 - 2

terräte, die Wahlberechtigung und Wählbarkeit der Richter, das Wahlverfahren, die Amtszeit, der Rechtsweg aus Rechtsstreitigkeiten aus der Bildung und Tätigkeit der Richterräte, das Verfahren, wenn der Richterrat und die zur Entscheidung zuständige Stelle der Gerichtsverwaltung sich nicht einigen können, usw., sind der Regelung des Landesgesetzgebers überlassen. 2. Die Landesrichtergesetze folgen dem DRiG (§§ 52, 58 Abs. 3) darin, daß sie wegen der Befugnisse und Pflichten des Richterrats und der Rechte und Pflichten der Mitglieder ergänzend auf die sinngemäß anwendbaren Vorschriften des Landespersonalvertretungsges. verweisen (so z. B. § 21 Bad.-Württ. LRiG, § 25 Abs. 2 Hess. RiG). In der Regelung der Einzelheiten des Wahlverfahrens und vor allem der Organisation der Richterräte sind sie uneinheitlich (vgl. dazu — nach dem damaligen Stand der Landesgesetzgebung — Anm. 2, 3 der Vorauflage). § 73. Aufgaben der Richterrats Der Richterrat hat mindestens folgende Aufgaben: 1. Beteiligung an allgemeinen und sozialen Angelegenheiten der Richter, 2. gemeinsame Beteiligung mit der Personalvertretung an allgemeinen und sozialen Angelegenheiten, die sowohl Richter als auch Bedienstete des Gerichts betreffen. Schrifttum: P e n t z , Rechte und Aufgaben des Richterrats, JVB1. 1972 59. 1. § 73 entspricht in abgewandelter Form den §§ 52, 53. Die Übertragung weiterer Aufgaben („mindestens") ist zulässig, soweit diese ihrer Art nach in den Aufgabenbereich einer Richtervertretung fallen. Zulässig ist z. B. die Übertragung der Wahl eines Teils der Mitglieder des Präsidialrats oder der Aufstellung von Vorschlagslisten für die Berufung der Mitglieder der Dienstgerichte, aus denen die benennungsberechtigten Präsidien ihre Auswahl treffen. Die Landesgesetzgebung hat es im allgemeinen bei dem in § 73 bezeichneten Mindestumfang der Aufgaben belassen (vgl. z. B. § 20 Bad.-Württ. LRiG, § 35 Hess. RiG). § 74. Bildung des Präsidialrats (1) Für jeden Gerichtszweig ist ein Präsidialrat zu bilden. Für mehrere Gerichtszweige kann durch Gesetz die Bildung eines gemeinsamen Präsidialrats vorgeschrieben werden. (2) Der Präsidialrat besteht aus dem Präsidenten eines Gerichts als Vorsitzenden und aus Richtern, von denen mindestens die Hälfte durch die Richter zu wählen sind. § 75. Aufgaben des Präsidialrats (1) Der Präsidialrat ist an der Ernennung eines Richters für ein Amt mit höheren Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamts zu beteiligen. Er gibt eine schriftlich begründete Stellungnahme ab über die persönliche und fachliche Eignung des Richters. (2) Dem Präsidialrat können weitere Aufgaben übertragen werden. Schrifttum: P h i l i p p , Zur Auslegung des § 75 DRiG, DRiZ 1965 251. 1. Abweichend von § 55 besteht die bundesgesetzliche Mindestaufgabe eines Landespräsidialrats nicht in der Beteiligung bei jeder Ernennung und bei jeder Übertragung eines Richteramts an den Richter eines anderen Gerichtszweiges, sondern nur in der Beteiligung bei der Übertragung von Beförderungsstellen. Die Landesgesetzgebung kann dem Präsidialrat aber nach Absatz 2 weitere Aufgaben übertragen. Sie kann seine Beteiligung bis zum Umfang des § 55 erweitern, sie kann aber auch noch darüber hinausgehen und für andere Angelegenheiten die Einholung einer Stellungnahme des Präsidialrats vorschreiben oder zulassen, z. B. außer bei Ernennungen und Beförderungen auch in Disziplinarangelegenheiten und außer bei Personalangelegenheiten auch eine Beteiligung an Haushaltsangelegenheiten. 2. Wo nach Landesrecht zur Ernennung die Zustimmung eines Richterwahlausschusses notwendig ist, bedarf es, wenn dies auch — abweichend von § 55 — nicht ausdrücklich ge3137

§ 7 5 Anm. 3 , 4 § 7 6 Anm. 1,2

Anhang (Schäfer)

sagt ist, der Beteiligung des Präsidialrats, bevor die oberste Dienstbehörde den Bewerber dem Richterwahlausschuß vorschlägt (so z. B. § 47 Hess. RiG). 3. Die bundesgesetzliche Mindestbeteiligung des Landespräsidialrats bei Ernennungen erschöpft sich, wie nach dem insoweit wörtlich mit § 75 übereinstimmenden § 57 Abs. 1, in der Abgabe einer für die Ernennungsbehörde (den Richterwahlausschuß) unverbindlichen Stellungnahme über die persönliche und fachliche Eignung des von der obersten Dienstbehörde in Aussicht genommenen Bewerbers. Eine landesrechtliche Erweiterung des Aufgabenbereichs (Absatz 2) im Sinn der Einräumung eines unbeschränkten Vetorechts oder eines Rechts zu Gegenvorschlägen, an die die Ernennungsbehörde oder der Richterwahlausschuß gebunden wären, ist nicht möglich (vgl. Anm. l e zu § 17). Innerhalb dieses Rahmens besteht Regelungsrecht des Landesgesetzgebers (Übersicht über die unterschiedlichen Regelungen in den Ländern bei T i m m DRiZ 1970 120). Ein Beispiel einer weitgehenden Beteiligung des Präsidialrats bietet § 43 Bad.-Württ. LRiG (Beteiligung bei allen „Beförderungen", Recht zu Gegenvorschlägen im Rahmen aller Bewerber um die Stelle, Einigungsverhandlung zwischen Präsidialrat und dem für den Gerichtszweig zuständigen Minister, wenn letzterer einem Gegenvorschlag des Präsidialrats nicht folgen will, Entscheidung des Ministers gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß bei ergebnisloser Einigungsverhandlung). Selbstverständlich muß (vgl. § 57 Abs. 3) vor Ernennung und vor Vorschlägen an den Richterwahlausschuß die gesetzlich vorgeschriebene Stellungnahme des Präsidialrats oder der ungenutzte Ablauf der Frist zur Stellungnahme abgewartet werden. 4. Das DRiG überläßt den Ländern auch die Regelung des internen Betriebs des Präsidialrats, der Art seiner Beschlußfassung und seiner Geschäftsführung, der Voraussetzungen der Beschlußfähigkeit und der zur Beschlußfassung erforderlichen Mehrheit (Beispiel einer solchen Regelung: § 44 Bad.-Württ. LRiG). Der Landesgesetzgeber bestimmt auch die Frist, binnen deren der Präsidialrat Stellung zu nehmen hat (regelmäßig 1 Monat). Die Landesrichtergesetze ermächtigen z. T. den Präsidialrat, seine Beschlußfassung und Geschäftsführung in einer Geschäftsordnung zu regeln (Bad.-Württ. § 42 Hamburg § 27, Hessen § 45, Niedersachsen § 47; eine derartige Geschäftsordnung ist in DRiZ 1963 406 abgedruckt). Die Richtergesetze sehen z. T. ausdrücklich das Recht der obersten Dienstbehörde vor, zur Sitzung des Präsidialrats einen Vertreter zu entsenden, der gegenüber dem Präsidialrat zu den seiner Begutachtung obliegenden Fragen Stellung nehmen kann, aber ohne das Recht der Anwesenheit bei der anschließenden Beratung und Beschlußfassung (Bad.-Württ. § 45, Hamburg §31, Niedersachsen § 42, Bremen § 34). § 76. Altersgrenze (1) Die Altersgrenze der Richter ist durch Gesetz zu bestimmen. (2) Der Eintritt in den Ruhestand kann nicht hinausgeschoben werden. 1. Zu Absatz 1: Anders als bei den Richtern im Bundesdienst (§ 48) hat das DRiG — obwohl es nach Art. 98 Abs. 3 Satz 2 G G dazu in der Lage gewesen wäre — für die Richter der Länder keine Altersgrenzen festgesetzt, sondern sich damit begnügt, den Landesgesetzgebern die Festsetzung von Altersgrenzen aufzugeben. Die Altersgrenze ist im allgemeinen auf das Ende des Monats nach Vollendung des 65. Lebensjahres festgelegt worden (Ausnahme: — 68. Lebensjahr — § 4 Hamb. RiG). In Übereinstimmung mit § 48 Abs. 3 und in Abwandlung des sich aus § 71 DRiG, § 26 Abs. 3 BRRG ergebenden Rechtszustandes ist im allgemeinen bestimmt worden, daß ein Richter auf Lebenszeit frühestens 3 Jahre vor Erreichung der Altersgrenze auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen ist. 2. Zu Absatz 2: In Übereinstimmung mit § 48 Abs. 2 verbietet Abs. 2, der unmittelbar geltendes Recht darstellt, der Exekutive, den Eintritt in den Ruhestand kraft Erreichens der Altersgrenze im Einzelfall hinauszuschieben (vgl. dazu Anm. 3 zu § 48). Unberührt bleibt selbstverständlich die Möglichkeit, durch Gesetz für alle Richter oder für bestimmte, nach generellen Merkmalen bezeichnete Gruppen die bisherige Altersgrenze zu erhöhen. Auch bleibt der Landesgesetzgebung die Befugnis, den Richtern oder — unter Beachtung des Grundsatzes gleichmäßiger Behandlung und unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsrichtertums (Art. 33 Abs. 5 GG) — bestimmten, eindeutig und gene3138

A. Deutsches Richtergesetz

§ 7 6 a; § 7 7 Anm. 1 § 7 8 Anm. 1

rell bezeichneten Gruppen das Recht einzuräumen, durch einen Antrag, dem die Exekutive ohne Ermessensspielraum Rechnung tragen muß, die Altersgrenze bis zu einem festbestimmten Zeitraum hinauszuschieben (vgl. § 85 Hess. RiG über die Altersgrenze wiedergutmachungsberechtigter Richter und dazu BGH NJW 1955 1317). Daß generelle Merkmale dieser Art nicht in „dringenden dienstlichen Notwendigkeiten" u. ä. bestehen können, bedarf kaum der Hervorhebung, denn das liefe auf eine Einflußnahme der Exekutive hinaus, die § 76 Abs. 2 gerade ausschließen will. § 76 a. Sondervorschriften für Richterinnen (nicht abgedruckt) § 77. Errichtung von Dienstgerichten (1) In den Ländern sind Dienstgerichte zu bilden. (2) Die Dienstgerichte entscheiden in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und je zur Hälfte mit ständigen und nichtständigen Beisitzern. Alle Mitglieder müssen auf Lebenszeit ernannte Richter sein. Die nichtständigen Mitglieder sollen dem Gerichtszweig des betroffenen Richters angehören. (3) Die Mitglieder der Dienstgerichte werden von dem Präsidium des Gerichts bestimmt, bei dem das Dienstgericht errichtet ist. Die Landesgesetzgebung kann das Präsidium an Vorschlagslisten, die von den Präsidenten anderer Gerichte aufgestellt werden, binden. Der Präsident eines Gerichts oder sein ständiger Vertreter kann nicht Mitglied eines Dienstgerichts sein. 1. Wegen der Besetzung der Dienstgerichte im förmlichen Disziplinarverfahren gegen Staats- und Landesanwälte vgl. § 122 Abs. 4, 5. Im Verfahren gegen Mitglieder der Landesrechnungshöfe (vgl. Anm. 2 zu § 78) gelten für die Besetzung landesrechtliche Vorschriften, die den entsprechenden bundesrechtlichen Vorschriften (vgl. Anm. 3 zu § 61) angeglichen sind. § 78. Zuständigkeit des Dienstgerichts Das Dienstgericht entscheidet 1. in Disziplinarsachen, auch der Richter im Ruhestand; 2. über die Versetzung im Interesse der Rechtspflege; 3. bei Richtern auf Lebenszeit oder auf Zeit über die a) Nichtigkeit einer Ernennung, b) Rücknahme einer Ernennung, c) Entlassung, d) Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit; 4. bei Anfechtung a) einer Maßnahme wegen Veränderung der Gerichtsorganisation, b) der Abordnung eines Richters gemäß § 37 Abs. 3, c) einer Verfügung, durch die ein Richter auf Probe oder kraft Auftrags entlassen, durch die seine Ernennung zurückgenommen oder die Nichtigkeit seiner Ernennung festgestellt oder durch die er wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wird, d) der Heranziehung zu einer Nebentätigkeit, e) einer Maßnahme der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3, f) einer Verfügung über die Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung von Richterinnen (§ 48 a in Verbindung mit § 76 a). 1. § 78 entspricht wörtlich dem § 62 Abs. 1. Der Zuständigkeitskatalog des § 78 ist ebenso abschließend wie der des § 62. Der Landesgesetzgeber kann ihn nicht einschränken, aber auch nicht erweitern. Gegen diesen Grundsatz scheinen § 50 Hess. RiG, § 63 Bad.-Württ. RiG zu verstoßen, wenn dort dem Dienstgericht auch die Entscheidung bei Anfechtung der Übertragung eines weiteren Richteramts (§ 27 Abs. 2) zugewiesen wird. In Wahrheit handelt es sich dabei aber nur um einen Unterfall der Anfechtung der Heranziehung zu einer Ne-

3139

§ 7 8 Antn. 2 §§ 7 9 - 1 2 2 Anm. 1 - 4

Anhang (Schäfer)

bentätigkeit (vgl. Anm. 4 zu Nr. 4 d zu § 62); die Vorschriften des Bad.-Württ. und des Hess. RiG dienen also nur der Klarstellung. Solche Klarstellungen, wie ferner z. B. der Zuständigkeit des Dienstgerichts aus Folgeverfahren kraft Sachzusammenhangs (vgl. Anm. 3 zu § 62) liegen noch im Rahmen der landesrechtlichen Gesetzgebungsbefugnis (ebenso S c h m i d t R ä n t s c h 2; G e r n e r - D e c k e r - K a u f f m a n n 1; zweifelnd Richter DRiZ 1963 214). Im übrigen darf auf die Anm. zu § 62 verwiesen werden. 2. Nach § 11 a des Ges. über den Bundesrechnungshof i. d. F. von § 93 DRiG ist das Dienstgericht des Bundes auch zuständig für förmliche Disziplinar- und für Prüfungsverfahren gegen Mitglieder des Bundesrechnungshofs (vgl. Anm. 4 zu § 61). Da nach § 134 BRRG den Mitgliedern der Landesrechnungshöfe die gleiche Unabhängigkeit zu gewährleisten ist, wie sie die Mitglieder des Bundesrechnungshofs besitzen, kann der Landesgesetzgeber den Richterdienstgerichten des Landes die Zuständigkeit in entsprechenden Verfahren gegen Mitglieder des Landesrechnungshofs zuweisen. Wegen der Zuständigkeit der Richterdienstgerichte im förmlichen Disziplinarverfahren gegen Staats- und Landesanwälte vgl. § 122 Abs. 4, 5. §§ 79 bis 121 (nicht abgedruckt) § 122. Staatsanwälte (1)Zum Staatsanwalt kann nur ernannt werden, wer die Befähigung zum Richteramt (§§5 bis 7) besitzt. (2) Dem richterlichen Dienst im Sinne des § 10 Abs. 1 steht eine staatsanwaltschaftliche Tätigkeit gleich. (3) Auf die Staatsanwälte ist § 41 entsprechend anzuwenden. (4) In förmlichen Disziplinarverfahren gegen Staatsanwälte entscheiden die Dienstgerichte für Richter. Die nichtständigen Beisitzer müssen auf Lebenszeit berufene Staatsanwälte sein. Der Bundesminister der Justiz bestellt die nichtständigen Beisitzer beim Dienstgericht des Bundes. Die Bestellung der nichtständigen Beisitzer bei den Dienstgerichten der Länder regelt die Landesgesetzgebung. (5) Absätze 1 bis 4 und § 110 Satz 1 gelten entsprechend für den Oberbundesanwalt und die Bundesanwälte beim Bundesverwaltungsgericht, den Bundesdisziplinaranwalt, den Bundeswehrdisziplinaranwalt, die Staatsanwälte und die Landesanwälte bei den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Länder; der Bundesminister der Justiz bestellt die nichtständigen Beisitzer beim Dienstgericht des Bundes im Einvernehmen mit dem zuständigen Bundesminister. Schrifttum: R i c h t e r , DRiZ 1963 214. 1. Wegen der allgemeinen Bedeutung der Vorschrift, die die „Nähe" des staatsanwaltlichen Amtes zum Richteramt zum Ausdruck bringt, s. S. 63 der Einleitung zum vorliegenden Werk, ferner die Anm. zu § 146 GVG. S. auch Anm. 2 c zu § 23 EGGVG. 2. Staatsanwälte i. S. des § 122 sind alle Beamten, die das Amt der Staatsanwaltschaft ausüben (§ 142 GVG), nicht nur diejenigen mit der Amtsbezeichnung „Staatsanwalt" (vgl. Anm. 2 zu § 142 GVG), gleichviel, ob sie im Dienst des Bundes (§ 142 Nr. 1) oder eines Landes stehen. Absatz 1 ersetzt ohne sachliche Änderung den durch § 85 Nr. 13 aufgehobenen § 148 Abs. 2 GVG. Amtsanwälte (§ 142 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 GVG) gehören nicht hierher. 3. Zu Absatz 1: Die Vorschrift gilt für Anwärter auf das Amt eines Staatsanwalts auf Lebenszeit, die als Beamte — im Gegensatz zu den Richtern auf Probe (vgl. § 13) — auf Probe bei der Staatsanwaltschaft verwendet werden (vgl. Anm. 2 zu § 12). 4. Zu Absatz 4: Die Vorschrift nimmt die Staatsanwälte, obwohl sie Beamte sind, für das förmliche Disziplinarverfahren von der Zuständigkeit der Bundes- und Landesdisziplinargerichte für Beamte aus und begründet statt dessen die Zuständigkeit der Richterdienstgerichte. Landesrecht kann — entgegen S c h m i d t - R ä n t s c h 7 — entsprechend § 62 Abs. 1 Nr. 1 bestimmen, daß dies auch für die Staatsanwälte im Ruhestand gilt (so z. B. § 90 Bad.3140

A. Deutsches Richtergesetz B. Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung

§§ 123—126 V o r § 1 Anm. 1—2

Württ. LRiG; § 4 1 Rheinl.-Pf. RiG; § 5 1 Nds. RiG). In der Zuständigkeitsverschiebung erschöpft sich aber die Bedeutung der Vorschrift. Es fehlt hier an einer Vorschrift, daß auf das Verfahren vor dem Richterdienstgericht die Vorschriften des DRiG anzuwenden seien, wie sie § I I a Abs. 3 des Ges. über den Bundesrechnungshof vom 27. 11. 1950 (BGBl. I 765) i. d. F. von § 93 DRiG enthält. Infolgedessen gelten für das Verfahren gegen Staatsanwälte im Bundesdienst die Vorschriften der BDO uneingeschränkt. §§ 63, 64 DRiG sind unanwendbar. Für alle dienstrechtlichen Streitigkeiten sind die Verwaltungsgerichte zuständig. Die Auffassung, im Disziplinarverfahren gegen Staatsanwälte der Länder könne die Revision an das Dienstgericht des Bundes mangels einer dem § 79 Abs. 3 entsprechenden Vorschrift nicht vorgesehen werden (so S c h m i d t - R ä n t s c h 7; zweifelnd R i c h t e r DRiZ 1963 215), ist nicht zutreffend (so auch W e s t e n b e r g e r DRiZ 1962 410; E b S c h m i d t JZ 1963 80, Fußnote 88). Die Vorschrift des § 122 Abs. 4 Satz 1, daß die Dienstgerichte für Richter entscheiden, läßt sich zwanglos dahin auslegen, daß auch die Rechtsmittelgerichte in gleichem Umfang wie im Disziplinarverfahren gegen Richter entscheiden, und mithin auch das Dienstgericht des Bundes, wenn und soweit Landesrecht für Richter die Revision an dieses vorsieht. Es ist also rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Landesrichtergesetze (z. B. § 94 Abs. 3 Bad.-Württ. LRiG; § 67 Berl. RiG, § 61 Rheinl.-Pf. RiG) auch den Staatsanwälten die Revision zum Dienstgericht des Bundes eröffnen. §§123 bis 126 (nicht abgedruckt)

B. Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung GVG VO vom 20. 3. 1935 (RGBl. I 403). Vorbemerkung 1. Bedeutung. Mit dem Übergang der Justizhoheit der Länder auf das Reich i. J. 1934 ergab sich das Bedürfnis, eine Reihe von das Gebiet der Gerichtsverfassung betreffenden oder berührenden Angelegenheiten, die bis dahin durch Landesrecht geregelt oder Landesorganen zur Wahrnehmung zugewiesen waren, im Interesse der Rechtseinheit, aber auch wegen des Wegfalls der bisher zum Erlaß von Anordnungen und zur Erfüllung von Aufgaben berufenen Landesorgane reichseinheitlich zu regeln. Diese Aufgabe übernahm auf einem Teilgebiet die VO vom 20. 3. 1935. Sie war nach ihren Eingangsworten nur als Übergangsregelung („übergangsweise") gedacht, blieb aber, da die umfassende Neuordnung des Verfahrens- und Gerichtsverfassungsrechts, die das „Dritte Reich" plante, nicht zustande kam, bis zum 8. 5. 1945 unverändert bestehen. Durch die Ereignisse des Jahres 1945 fiel die Justizhoheit an die Länder zurück; damit verlor ohne weiteres der Artikel 5 des 1. Gesetzes zur Überleitung der Rechtspflege auf das Reich vom 16. 2. 1934 (RGBl. I 91), der die Rechtsgrundlage für den Erlaß der VO vom 20. 3. 1935 bildete, seine Bedeutung. Der Wegfall der Ermächtigungsgrundlage berührte indessen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen (vgl. BGHSt. 5 14; OLG Tübingen NJW 1949 957; Oldenburg NJW 1953 1318). die Weitergeltung der zur Zeit des Bestehens der Ermächtigungsgrundlage wirksam erlassenen VO nicht. 2. Das Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 (BGBl. 455) hob in Art. 8 II Nr. 7 die § 5, 6, 10, 11 und 20 der VO 1935 auf. Das war zwangsläufig im Hinblick auf die damals bundesrechtlich in §§ 10, 22äff., 36ff., 70 Abs. 3 GVG, § 7 9 Abs. 3 StPO getroffenen Regelungen. Ferner wurde durch § 87 DRiG 1961 der § 7 Abs. 4 aufgehoben. Unzweifelhaft haben aber auch andere Vorschriften, obwohl nicht formlich aufgehoben, durch die vom Vereinheitlichungsges. vorgenommene Neutextierung des GVG ihre Bedeutung verloren, so z.B. § 7 Abs. 3 der VO betr. Bestellung der Untersuchungsrichter durch § 61 Abs. 2 a. F. GVG und § 7 Abs. 5 der VO betr. Bestellung der Mitglieder der detachierten Strafkammer durch § 87 Abs. 2 GVG. Es kann also keine Rede davon sein, daß der Katalog der in Art. 8 II Nr. 7 des Vereinheitlichungsges. aufgehobenen Vorschriften erschöpfend sei mit der Wirkung, daß die nicht erwähnten Vorschriften der VO 1935 — immer mit dem Vorbehalt der 3141

V o r § 1 Anm. 3 § 1 Anm. 1 § 2

Anhang (Schäfer)

Anpassung an die staatsrechtlichen Veränderungen — in vollem Umfang nach der Vorstellung des Bundesgesetzgebers als fortgeltend anzusehen seien. Inwieweit andere Vorschriften der VO auch ohne förmliche Aufhebung überholt sind, ist bei der Erläuterung der einzelnen Vorschriften dargelegt. 3. Nach Art. 125 G G ist altes Recht, das Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, Bundesrecht geworden. Da die Gerichtsverfassung nach Art. 74 Nr. 1 G G zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes gehört, ist die VO Bundesrecht geworden und damit einer Abänderung durch die Landesgesetzgebung entzogen, soweit sie (wie z. B. § 9) Gerichtsverfassungsrecht enthält. Eine andere Frage ist, ob — worauf die Überschrift der VO hinzudeuten scheint — der gesamte Inhalt der VO dem Gerichtsverfassungsrecht zuzurechnen ist. Das ist zu verneinen. Die VO enthält auch Vorschriften gerichtsorganisationsrechtlichen Inhalts (z. B. § 3), die nach den Ausführungen in Vorbem. 2 zum GVG über die Abgrenzung des Gerichtsverfassungsrechts gegenüber dem Gerichtsorganisationsrecht in das Regelungsgebiet des Landesrechts fallen. Vor allem enthält sie auch Justizverwaltungsrecht, das seit jeher die eigentliche Domäne landesrechtlicher Betätigung darstellt (vgl. § 4 EGGVG). Das gilt vor allem für die Organisation der Dienstaufsicht (§§4, 13—17), wenn sich auch in Einzelheiten (vgl. Anm. 1 zu § 4) Zweifel ergeben können, inwieweit die Bestimmung der Dienstaufsichtsbehörden dem Gerichtsverfassungsrecht zuzurechnen ist. In Bayern und im Saarland sind die § § 4 Abs. 2, 7 Abs. 1 und 2, 8, 12—18 aufgehoben (Art. 42 Abs. 2 Nr. 5 Bay. AGGVG vom 17. 11. 1956, GVB1. 249 = BayBS III 3); § 20 Nr. 8 Saarl. AGGVG vom 4. 10. 1972, ABl. 601). In Niedersachsen sind die §§ 4 Abs. 2, 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, § 8 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, § § 1 2 - 1 8 durch § 2 AGGVG vom 5. 4. 1963 (GVB1. 225), in Bremen und Hamburg ist die VO, „soweit sie Landesrecht enthält", aufgehoben durch § 31 Abs. 2 Nr. 2 Brem. AGGVG vom 11. 10. 1960 (GBl. 123) i. d. F. vom 20.6. 1972 (GBl. 145); § 2 5 Hamb. AGGVG vom 31.5. 1965 (GVB1. 99). In anderen Ländern ist der Wortlaut einzelner Vorschriften geändert, z. B. ist in Schlesw.-Holstein in § 14 Abs. 1 Nr. 6 der letzte Halbsatz gestrichen durch VO vom 30. 12. 1970 (GVB1. 1971 2), in Hessen der Worlaut des § 15 geändert (vgl. Anm. 2 zu §§ 14, 15). Soweit solche Aufhebungen und Änderungen nicht erfolgt sind, gelten die Justizverwaltungsrecht betreffenden Vorschriften in den Ländern als Landesrecht fort. Auf Grund des Artikels 5 des ersten Gesetzes zur Überleitung der Rechtspflege auf das Reich vom 16. 2. 1934 (RGBl. 191) wird für den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit übergangsweise verordnet: Artikel I. Gliederung der Gerichte §1 (1) Die Errichtung und Aufhebung eines Gerichts und die Verlegung eines Gerichtssitzes wird durch [Reichslgesetz angeordnet. (2) Änderungen in der Abgrenzung der Gerichtsbezirke verordnet der [Reichs]minister der Justiz. (3) Stadt- und Landgemeinden, die mit ihrem ganzen Gebiet einheitlich einem Amtsgericht zugeteilt sind, gehören dem Bezirk dieses Gerichts mit ihrem jeweiligen Gebietsumfang an. 1. Absatz 1 und 3 sind geltendes Recht, Abs. 1 mit der Maßgabe, daß es bei Landesgerichten (der ordentlichen Gerichtsbarkeit) eines Landesgesetzes bedarf. Wegen der Bedeutung des Absatzes 2 vgl. Anm. IV zu § 59 GVG. §2 Der [Reichs]minister der Justiz entscheidet über 1. die Zuweisung von Strafsachen aus den Bezirken mehrerer Amtsgerichte an ein Amtsgericht (§ 58 des Gerichtsverfassungsgesetzes), 2. die Errichtung von Strafkammern bei den Amtsgerichten (§ 78 des Gerichtsverfassungsgesetzes), 3142

B. Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung

§ 2 Anm. 1 § § 3 ; 4 Anm. 1

3. die Zusammenlegung von Landgerichtsbezirken zu einem Schwurgerichtsbezirk (§ 92 des Gerichtsverfassungsgesetzes), 4. die Bildung von Kammern für Handelssachen (§ 93 des Gerichtsverfassungsgesetzes), 5. die Zuweisung von Hoch- und Landesverratssachen aus den Bezirken mehrerer Oberlandesgerichte an ein Oberlandesgericht (§ 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes), 6. die Zuweisung von Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit aus den Bezirken mehrerer Oberlandesgerichte an ein Oberlandesgericht. 1. Die Vorschrift hat ihre Bedeutung verloren. Sie beschränkte sich von vornherein auf den deklaratorischen Ausspruch, daß die nach den genannten Vorschriften des G V G bisher der Landesjustizverwaltung zustehenden Befugnisse infolge des Übergangs der Justizhoheit auf das Reich und den Wegfall der Landesjustizverwaltungen nunmehr der Reichsjustizverwaltung zuständen. Die Nr. 3 und 5 wurden aufgehoben durch Art. 5 § 21 Nr. 14 der VO vom 13. 3. 1940 (RGBl. I 489). Im übrigen wurde die Vorschrift schon mit dem Rückfall der Justizhoheit auf die Länder gegenstandslos, und vollends auch förmlich dadurch, daß jetzt die in Nr. 1, 2, 4 bezeichneten Angelegenheiten wieder im G V G selbst abschließend geregelt sind. Artikel II. Amtsgerichte §3 Der [Reichs]minister der Justiz kann anordnen, daß außerhalb des Sitzes eines Amtsgerichts Zweigstellen errichtet oder Gerichtstage abgehalten werden. § 3 gab dem Reichsjustizminister die Befugnis, im Verwaltungsweg Anordnungen über die Errichtung von Zweigstellen und die Abhaltung von Gerichtstagen zu treffen, und zwar unabhängig davon, welcher Form (Gesetz, Verordnung, Verwaltungsanordnung) es nach bisherigem Landesrecht zu entsprechenden Maßnahmen bedurfte. Die Anordnungsbefugnis steht jetzt der Landesjustizverwaltung zu. § 3 gilt, da es sich um ausgesprochene Justizverwaltungsangelegenheiten handelt, als Landesrecht weiter (vgl. Vorbem. 3 vor § 1). Landesrecht ist daher befugt, den § 3 durch neue Vorschriften zu ersetzen. Vgl. im übrigen Anm. 2 zu § 22 GVG. §4 (1) Bei den mit mehreren Amtsrichtern besetzten Amtsgerichten bestellt der [Reichs]minister der Justiz den aufsichtführenden Amtsrichter. (2) Der [Reichs]minister der Justiz kann einen oder mehrere Amtsrichter zu ständigen Vertretern des aufsichtführenden Amtsrichters bestellen. Wird kein ständiger Vertreter bestellt, oder ist dieser behindert, so wird der aufsichtführende Amtsrichter durch den dem Dienstalter, bei gleichem Dienstalter durch den der Geburt nach ältesten Amtsrichter vertreten. Der [Reichs]minister der Justiz kann Grundsätze für die Vertretung des aufsichtführenden Amtsrichters aufstellen. 1. Absatz 1 ist gegenstandslos im Hinblick auf § 22 Abs. 3 GVG. Diese letztere Bestimmung hält sich noch im Rahmen der bundesgesetzlichen konkurrierenden Zuständigkeit auf dem Gebiet des Gerichtsverfassungsrechts (Art. 74 Nr. 1 GG), weil sie klarstellt, wer aufsichtführender Richter i. S. des § 2 1 a Abs. 2 Satz 1 ist (vgl. aber E y e r m a n n - F r ö h l e r zu § 38 Abs. 1 VwGO, wo verfassungsrechtliche Bedenken dagegen erhoben werden, daß § 38 die Organisation der Dienstaufsicht auch für die Verwaltungsgerichte der Länder regelt). Dagegen enthält Absatz 2 frei abänderbares Landesrecht, gilt also nur, soweit die Länder nicht abweichende Vorschriften getroffen haben (vgl. Vorbem. 3 vor § 1) oder künftig treffen. Aus § 22 Abs. 3 G V G kann nicht entnommen werden, daß der Bundesgesetzgeber allgemein die Regelung der Dienstaufsicht als zum Gerichtsverfassungsrecht gehörig ansehe und demgemäß nach Art. 125 G G der § 4 Abs. 2 der VO Bundesrecht darstelle. Das Institut der Dienstaufsicht greift zwar in die Gerichtsverfassung ein, soweit es sich um das Verhältnis der Dienstaufsicht zur richterlichen Unabhängigkeit handelt. Dieser Bereich ist aber als Angelegenheit der Gerichtsverfassung abschließend durch §§ 26, 62 Abs. 1 Nr. 4e, 3143

§ § 5—7 Anm. 1, 2

Anhang (Schäfer)

§8 78 Nr. 4 e DRiG geregelt; hinzutritt § 151 Satz 2 GVG (Ausschluß der Staatsanwälte von der Dienstaufsicht über Richter). Im übrigen ist die Organisation der Dienstaufsicht grundsätzlich Justizverwaltungsangelegenheit und fallt in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers. Davon geht auch das GVG aus. Es überläßt es z. B. in § 22 b Abs. 4 stillschweigend dem Landesgesetzgeber, zu bestimmen, daß — abweichend von § 22 Abs. 3 — die Dienstaufsicht nicht dem Präsidenten des übergeordneten Landgerichts, sondern dem Präsidenten eines anderen Amtsgerichts übertragen wird (s. § 14 Abs. 3 der VO). Es geht ferner in § 21 c Abs. 1 GVG zwar davon aus, daß der aufsichtführende Richter einen Vertreter hat, überläßt aber (vgl. § 21 h GVG) dem Landesrecht die Bestimmung des Vertreters durch Bestellung eines oder mehrerer ständiger Vertreter. §§5,6 (aufgehoben durch Art. 8 II Nr. 7 des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950, BGBl. 455) Artikel III. Landgerichte §7 (1) Der [Reichs]minister der Justiz kann Grundsätze für die Verteilung der Geschäfte bei den Landgerichten und für die Vertretung des Landgerichtspräsidenten aufstellen. Er bestellt den ständigen Vertreter des Präsidenten (§ 66 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes). (2) Die Zahl der Zivil- und Strafkammern bei den Landgerichten bestimmt der Landgerichtspräsident; der Oberlandesgerichtspräsident kann ihm Weisungen hierfür erteilen. (3) bis (5) — gegenstandslos — 1. Der frühere Absatz 4 (Bestellung der Vorsitzenden der Kammern für Handelssachen) ist durch § 87 DRiG 1961 aufgehoben. Die Absätze 3 (Bestellung der Untersuchungsrichter) und 5 (Bestellung der Mitglieder der auswärtigen Strafkammer, § 78 GVG) waren schon durch die späteren die Präsidialverfassung betreffenden Vorschriften überholt (vgl. jetzt § 21 e GVG). Die Absätze 1, 2 sind z. T. landesrechtlich aufgehoben (vgl. Vorbem. 3 vor § 1). Auch wo dies nicht geschehen ist, ist Absatz 1 Satz 1 betr. Aufstellung von Grundsätzen für die Verteilung der Geschäfte überholt, weil mit § 21 e GVG unverträglich. Auch ist Absatz 1 Satz 1 insoweit überholt, als er die Landesjustizverwaltung ermächtigt, Grundsätze für die Vertretung des LGPräs. in den ihm nach dem GVG obliegenden Geschäften aufzustellen, denn die Vertretung des LGPräs. in diesen Geschäften ist abschließend durch § 21 h GVG geregelt. Die Ermächtigung bezieht sich also nur auf die Geschäfte, die der LGPräs. als Justizverwaltungsorgan zu erfüllen hat (vgl. § 13 Satz 2). 2. Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2, soweit sie nicht inzwischen von der Landesgesetzgebung aufgehoben und durch neue Vorschriften ersetzt sind, stellen fortgeltendes (Landes) Recht dar (BGHSt. 20 134). Das gilt von Absatz 1 Satz 2, dessen Weitergeltung der § 66 Abs. 2 a. F. GVG (=jetzt § 21h) geradezu voraussetzt, wie auch von Absatz 2, denn die Festsetzung der Zahl der Kammern ist — unbeschadet der Zuständigkeit des Präsidiums zur vorübergehenden Errichtung einer Hilfskammer und zur Errichtung von Ferienkammern — von jeher Justizverwaltungsangelegenheit gewesen (vgl. Anm. III zu § 60 GVG und § 130 Abs. 1 Satz 2 GVG). Artikel IV. Oberlandesgerichte §8 (1)Der [Reichs]minister der Justiz kann Grundsätze für die Verteilung der Geschäfte bei den Oberlandesgerichten und für die Vertretung des Oberlandesgerichtspräsidenten aufstellen. Die ständige Vertreter des Präsidenten ( § 6 6 Abs. 2, § 117 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ist der Vizepräsident des Oberlandesgerichts. (2) Die Zahl der Zivil- und Strafsenate bei den Oberlandesgerichten bestimmt der Oberlandesgerichtspräsident; der [Reichs]minister der Justiz kann ihm hierfür Weisungen erteilen. 3144

B. Verordnung zur einheitlichen Regelung § 8 Anm. 1 ; § 9 Anm. 1 der Gerichtsverfassung § § 10—13 Anm. 1; § 14 1. Vgl. die Anm. zu § 7. § 8 ist z. T. landesrechtlich aufgehoben (vgl. Vorbem. 3 vor § 1). Die Amtsbezeichnung „Vizepräsident" (Abs. 1 Satz 2) ist durch § 19 a DRiG beseitigt. Artikel V. Staatsanwaltschaft §9 Die Beamten der Staatsanwaltschaft sind nichtrichterliche Beamte. 1. Die Weitergeltung der Vorschrift, die den § 148 GVG ergänzt (vgl. dort Anm. 1), unterliegt keinen Bedenken. Auch kann im Hinblick auf § 148 GVG nicht zweifelhaft sein, daß sie Gerichtsverfassungsrecht enthält und deshalb nach Art. 74 Nr. 1, Art. 125 G G als Bundesrecht weitergilt. Artikel VI. § 10 (Hilfsrichter) und Artikel VII. § 11 (Schöffen und Geschworene) - aufgehoben durch Art. 8 II Nr. 7 des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950 (BGBl. 455) Artikel VIII. § 12 (Geschäftsstellen und Gerichtsvollzieher) — gegenstandslos — Artikel IX. Justizverwaltung Vorbemerkungen Zur Frage der Weitergeltung und der Bedeutung der §§ 1 3 - 1 7 vgl. zu § 4 und Vorbem. 3 vor § 1 der VO. § 13 Die Präsidenten der Gerichte, die aufsichtführenden Amtsrichter, der [Oberreichs]anwalt, die Leiter der Staatsanwaltschaften und die Vorsteher der Gefangenenanstalten haben nach näherer Anordnung des [Reichs]ministers der Justiz die ihnen zugewiesenen Geschäfte der Justizverwaltung zu erledigen. Sie werden im Falle der Behinderung in diesen Geschäften durch ihren ständigen Vertreter vertreten und können die ihrer Dienstaufsicht unterstellten Beamten zu den Geschäften der Justizverwaltung heranziehen. 1. Eine Heranziehung von Richtern unter Entbindung von Rechtsprechungsaufgaben ist bei ihrem Einverständnis ohne Einschränkung zulässig. Bleiben sie in der Rechtsprechung tätig, so ergeben sich hinsichtlich der Art der Geschäfte, zu denen sie herangezogen werden können, Schranken aus § 4 DRiG. Hinsichtlich des Umfangs der Heranziehung ohne Einwilligung des Richters vgl. § 42 DRiG. Wegen der Anfechtbarkeit der Heranziehung vgl. §§62 Abs. 1 Nr. 4d, 78 Nr. 4 d DRiG. Über die Heranziehung von Richtern auf Probe und kraft Auftrags s. §§ 13, 16 Abs. 2 DRiG. § 14 (1) Die Dienstaufsicht üben aus: 1. der [Reichslmi nister der Justiz über sämtliche Gerichte, Staatsanwaltschaften und Gefangenenanstalten, 2. die Präsidenten des Reichsgerichts und des Volksgerichtshofs über das Gericht, dem sie angehören, 3. der Oberlandesgerichtspräsident und der Landgerichtspräsident über die Gerichte ihres Bezirks mit Ausnahme der in Nr. 2 genannten, 4. der aufsichtführende Amtsrichter über das Amtsgericht, 5. der Ober[reichs]anwalt über die [Reichs]anwaltschaft, 6. der Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht und der Oberstaatsanwalt beim Landgericht über die Staatsanwaltschaft, der Generalstaatsanwalt auch über die Gefangenenanstalten des Bezirks, 3145

§ 15 Anm. 1,2

Anhang (Schäfer)

7. der Vorsteher des badischen Notariats, der Leiter der Amtsanwaltschaft und der Vorsteher der Gefangenenanstalten über die unterstellte Behörde. (2) Dem Landgerichtspräsidenten steht die Dienstaufsicht über ein mit einem Präsidenten besetztes Amtsgericht nicht zu. (3) Der [Reichslminister der Justiz bestimmt, bei welchen Amtsgerichten der Präsident die Dienstaufsicht über andere zum Bezirk des übergeordneten Landgerichts gehörige Amtsgerichte an Stelle des Landgerichtspräsidenten ausübt. § 15 Die Dienstaufsicht über eine Behörde erstreckt sich zugleich auf die bei ihr angestellten oder beschäftigten Beamten, Angestellten und Arbeiter. Die Dienstaufsicht des aufsichtführenden Amtsrichters beschränkt sich jedoch, wenn ihm nicht die Zuständigkeit für die im § 5 Abs. 1 bezeichneten Anordnungen übertragen worden ist, auf die bei dem Amtsgericht angestellten oder beschäftigten nichtrichterlichen Beamten, die Angestellten und Arbeiter; die Dienstaufsicht des Leiters der Amtsanwaltschaft, sofern er nicht Oberstaatsanwalt ist, beschränkt sich auf die nicht dem höheren oder dem Amtsanwaltsdienst angehörigen Beamten. zu §§ 14,15. 1. Zu § 14 Abs. 1 Nr. 1. Die Dienstaufsicht über Richter liegt in der Ministerialinstanz allein in der Hand des Ministers oder in der „seines Vertreters im Amt" (BGHZ 47 275, 284; BGHZ 51 363 = NJW 1969 1303 = MDR 1969 756 = LM Nr. 8 zu § 26 DRiG m. Anm. B a l d u s ) . 2. Über die Bedeutung des § 15 Satz 2 bestehen Meinungsverschiedenheiten. Nach § 14 Nr. 4 der VO übt der „aufsichtführende Amtsrichter" die Dienstaufsicht über das Amtsgericht aus. Nach dem ursprünglichen Wortlaut des § 15 Satz 2 galt die Beschränkung der Dienstaufsicht auf die nichtrichterlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter nur für diejenigen aufsichtführenden Richter beim Amtsgericht, die nicht Amtsgerichtspräsidenten waren; dies war, dem damaligen Rechtszustand entsprechend, mit den Worten „wenn ihm nicht die Zuständigkeit [zur Geschäftsverteilung]... übertragen worden ist" zum Ausdruck gebracht. Diese Kennzeichnung ist durch die Aufhebung des § 5 Abs. 1 der VO gegenstandlos geworden. Daraus wird (vgl. W e i s t DRiZ 1968 48) gefolgert, daß, soweit nicht Landesrecht dem Amtsgerichtspräsidenten inzwischen auch die Dienstaufsicht über die Richter beim Amtsgericht beigelegt hat (vgl. Vorbem. 3 vor § 1), auch der Amtsgerichtspräsident keine Dienstaufsichtsbefugnisse hinsichtlich der Richter habe.*) Dieser Auffassung kann aber nicht gefolgt werden, vielmehr ist § 15 Satz 2 sinngemäß dahin auszulegen, daß sich durch die Aufhebung des § 5 der VO an dem Umfang der Dienstaufsichtsbefugnisse des Amtsgerichtspräsidenten nichts geändert hat, weil der Zwischensatz lediglich die Stellung des aufsichtführenden Richters als Amtsgerichtspräsident bezeichnen, nicht aber die Dienstaufsichtsbefugnisse inhaltlich von dem Recht zur Geschäftsverteilung abhängig machen wollte (vgl. N i e h u u s DRiZ 1968 277). Bei anderer Auslegung wäre offen, wer überhaupt die Dienstaufsicht über die Richter des Amtsgerichts führt, denn nach § 15 Abs. 2 steht dem LGPräsidenten die Dienstaufsicht über ein mit einem Präsidenten besetztes Amtsgericht nicht zu; diese Vorschrift schließt, soweit und solange sie gilt, aus, daß die Dienstaufsicht über die Richter des mit einem AGPräsidenten besetzten Amtsgerichts gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 GVG dem LGPräsidenten übertragen wird (vgl. dazu Anm. 5 zu § 22 GVG).

*) Das Hess. Ges. „zur Bereinigung des Landesrechts aus Reichsverkündungsblättern" vom 31. 10. 1972 (GVB1.1 349) bringt eine Neufassung des § 15, die die durch den Wegfall des § 5 bedingten textlichen Unstimmigkeiten durch eine ausdrückliche Vorschrift des Inhalts bereinigt, daß die Richter einer Dienstaufsicht des aufsichtführenden Richters nur unterstehen wenn er Präsident des Amtsgerichts ist (vgl. da/u W e i s t DRiZ 1973 22).

3146

B. Verordnung zur einheitlichen Regelung § 16 Anm. 1 ; § 17 Anm. 1 der Gerichtsverfassung § 18 Anm. 1; § 19 Anm. 1, 2 § 16 (1) Wer die Dienstaufsicht über einen Beamten ausübt, ist Dienstvorgesetzter des Beamten. (2) In der Dienstaufsicht liegt die Befugnis, die ordnungswidrige Ausführung eines Amtsgeschäfts zu rügen und zu seiner sachgemäßen Erledigung zu ermahnen. 1. Abs. 2 ist, soweit es sich um die Dienstaufsicht über Richter handelt, überholt durch § 26 Abs. 2 DRiG. § 17 (1) Beschwerden in Angelegenheiten der Justizverwaltung werden im Dienstaufsichtswege erledigt. (2) Über Aufsichtsbeschwerden, die sich gegen einen im ersten Rechtszuge vom Präsidenten eines Amtsgerichts erlassenen Bescheid richten, entscheidet der Oberlandesgerichtspräsident endgültig, wenn für Beschwerden dieser Art bestimmt ist, daß die Entscheidung des Landgerichtspräsidenten endgültig ist. 1. Zu Absatz 2. Daß der OLGPräs. „endgültig" entscheidet, gilt nur für den Verwaltungsweg. Unberührt bleibt die Möglichkeit der gerichtlichen Nachprüfung nach §§23 ff. EGGVG. Artikel X. Schluß- und Übergangsvorschriften § 18

Der [Reichs]minister der Justiz kann die Ausübung der ihm in dieser Verordnung übertragenen Befugnisse auf die ihm unmittelbar nachgeordneten Präsidenten der Gerichte und Leiter der Staatsanwaltschaften übertragen. 1. § 18 hat nur noch Bedeutung für die §§ 3, 4 und 14 Abs. 3. Er gestattet der Landesjustizverwaltung, die an die Stelle des Reichsjustizministers getreten ist, ihre dort geregelten Befugnisse auf die Oberlandesgerichtspräsidenten zu übertragen. Vgl. im übrigen Vorbem. 3 vor § 1. § 19 (1) Richter, die auf Grund des § 22 Abs. 2, § 59 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes oder des § 3 des Neunten Teils der Verordnung des Reichspräsidenten vom 1. Dezember 1930 (RGBl. I S. 517, 604) zugleich zu Richtern bei einem anderen Gericht ernannt worden sind, scheiden mit Ablauf des 30. April 1935 aus den Gerichten aus, bei denen sie keine Planstelle innehaben. (2) Soweit in Ländern das Amt eines Staatsanwalts von Richtern auf Grund eines Auftrags ausgeübt wird, treten diese Beamten mit Ablauf des 30. April 1935 endgültig zur Staatsanwaltschaft über. Bis zu diesem Zeitpunkt verbleibt es bei der landesrechtlichen Regelung.

1. Absatz 1 des § 19 hob die damals geltenden Vorschriften über die Doppelrichterbestellung (§§ 22 Abs. 2, 59 Abs. 2, § 3 des 9. Teils der VO vom 1. 12. 1930, RGBl. I 517, 604) nicht auf. Seine Bedeutung bestand ausschließlich darin, daß er die auf Grund der genannten Vorschriften ausgesprochenen Doppelrichterbestellungen zum 30.4.1935 beseitigte, weil für solche Doppelämter damals kein Bedürfnis bestand. Einer erneuten Bestellung bei eintretendem Bedürfnis hätte § 19 Abs. 1 nicht im Wege gestanden. Anstelle der vorgenannten Vorschriften gelten jetzt die §§ 22 Abs. 2, 59 Abs. 2 in neuer Fassung. 2. Absatz 2 zog die Folgerung aus § 9 der VO 1935 in der Weise, daß er die mit dem Amt eines Staatsanwalts beauftragten Richter zur Staatsanwaltschaft überführte. Der Sinn der §§9, 19 war, den Richter als Staatsanwalt kraft Auftrags als eine ständige landesrechtliche Einrichtung zu beseitigen. Dagegen ist die aus besonderen Gründen erfolgende zeitweilige Wahrnehmung der Aufgaben des Staatsanwalts durch Richter auf Lebenszeit, die von ihren richterlichen Aufgaben entbunden sind, nicht ausgeschlossen (vgl. Anm. 3 zu § 148 GVG). Wegen der Verwendung von Richtern auf Probe und kraft Auftrags bei der Staatsanwaltschaft vgl. §§ 13, 16 Abs. 2 DRiG. 3147

§§20,21

Anhang (Schäfer)

Vor § 1 Anm. 1 §20 (aufgehoben durch Art. 8 II Nr. 7 des Vereinheitlichungsges. vom 12.9. 1950, BGBl. 455). Vgl. dazu die Anm. in der Vorauf!. § 21. Inkrafttreten, Übergangsvorschriften (nicht abgedruckt)

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen Vom 2. Mai 1953 (BGBl. 1161). Vorbemerkung 1. Entstehungsgeschichte und allgemeine Bedeutung. a)Die Ausgangsposition. Durch die Ereignisse des Jahres 1945 ist nach der in Rechtsprechung und Schrifttum herrschenden Auffassung das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 nicht untergegangen, sondern nur durch Wegfall der früheren Reichsorgane handlungsunfähig geworden, während die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit berufenen deutschen Organe bestehen geblieben sind. Diese Erwägung führt im Grundsatz dazu, daß Deutschland auch heute noch ein gemeinsames Rechtspflegegebiet darstellt und daß die Entscheidung jedes deutschen Gerichts und die Anordnung jeder deutschen Strafverfolgungsbehörde über die Grenzen ihres Bezirks und des Staates, dem sie angehören, hinaus überall wirksam sind, wo deutsche Gerichtsbarkeit ausgeübt wird (vgl. Vorbem. I u. III 2 vor § 12 GVG). Daran hat sich auch durch die Bildung einer weiteren Staatsgewalt — der D D R — neben der der BRD nichts geändert. Die DDR ist im Verhältnis zur Bundesrepublik nicht „Ausland", die Deutschen in der BRD und in der D D R haben eine gemeinsame deutsche Staatsangehörigkeit (BGH NJW 1964 650, 651), die dortigen Gerichte sind deutsche Gerichte und üben nicht die Staatsgewalt eines ausländischen Staates aus (BVerfGE 12 = JZ 1961 420; BGHZ 20 323,31 1, 5,34 134, 136, 139, 164; BGH JZ 1964 101; BAG JZ 1957 714). Infolgedessen wirkt die Verbindlichkeit, die einem rechtskräftig gewordenen DDR-Strafurteil zukommt, prozessual vor einem Gericht der Bundesrepublik ebensoweit wie das Strafurteil eines Gerichts im Geltungsbereich des G G (BVerwG MDR 1965 233, 234), und es hat ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichts der D D R die gleichen über die Rechtskraft hinausgehenden Wirkungen, die nach gesetzlicher Vorschrift dem Urteil eines Gerichts der BRD zukommen (vgl. BGH St. 5 364; NJW 1964 2169), soweit nicht, wie z. B. in § 17 StGB, ausdrücklich bestimmt ist, daß die fraglichen Wirkungen nur an ein im Geltungsbereich der BRD ergangenes Urteil anknüpfen. Auf Straftaten, begangen in der DDR, finden nicht die §§ 3 ff. StGB, sondern die Regeln des interlokalen Strafrechts Anwendung (BGHSt. 20 5; JZ 1964 101; D r e h e r 5 B vor § 3). Ferner ist die Uberlieferung eines in der Bundesrepublik ergriffenen Deutschen an die Strafverfolgungsbehörden der D D R zur Aburteilung durch die dortigen Gerichte ebensowenig eine durch Art. 16 Abs. 2 G G verbotene Auslieferung eines Deutschen an das Ausland (BVerfG NJW 1955 1673 = JZ 1955 670) wie die Überlieferung eines etwa in der Bundesrepublik ergriffenen Ausländers an die deutschen Strafverfolgungsbehörden der D D R keine nach den Vorschriften des deutschen Auslieferungsges. vom 23. 12. 1929 zu behandelnde Auslieferung darstellt. Auf der anderen Seite war jedoch zu berücksichtigen, daß im Verhältnis der Bundesrepublik zur D D R im Laufe der Zeit in zunehmendem Maße die nach 1945 zunächst noch vorhandene Rechtseinheit auf dem Gebiet des materiellen und des Verfahrensrechts geschwunden war und die Rechtshandhabung, namentlich in politischen und Wirtschaftsstrafsachen, sich von den rechtsstaatlichen Vorstellungen der BRD entfernte. Eine Unterstützung der deutschen Strafgerichtsbarkeit in der DDR durch Rechts- und Amtshilfe seitens der Gerichte und Behörden der Bundesrepublik war daher nur mit Einschränkungen möglich, weil eine uneingeschränkte Rechts- und Amtshilfetätigkeit selbst einen Verstoß gegen die Grundsätze des Rechtsstaats (vgl. Art. 28 Abs. 1 3148

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

Vor § 1 Anm. 1

G G ) bedeutet hätte. Dabei wurde zunächst von einer gesetzgeberischen Umgrenzung der zulässigen Rechts- und Amtshilfe abgesehen und das Problem im Verwaltungswege in der Weise angegangen, daß die Landesjustizverwaltungen die Generalstaatsanwälte bei den Oberlandesgerichten mit der Nachprüfung und Bescheidung von Rechts- und Amtshilfeersuchen aus der D D R betrauten (vgl. C r e i f e l d s JR 1953 204f). Nur Berlin traf eine gesetzliche Regelung (Berliner Gesetz über die Behandlung der Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen von Behörden außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes vom 9. 1. 1951, VOB1.1 251), deren Grundgedanke sich später das vorliegende Bundesgesetz weitgehend anschloß. Die Praxis, Rechts- und Amtshilfe zu leisten, aber nur in dem Umfang, als sie dem ordre public in der Bundesrepublik nicht widerspricht, fand die Zustimmung des BVerfG, das die Ausführung von Ersuchen um Vollstreckungshilfe bei der Vollziehung von Urteilen der D D R für zulässig erklärte, soweit sie nicht Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundsätze, Grundrechte des G G oder Bundesgesetze enthielten (BVerfG 1 332 = N J W 1952 1129). Nachdem auf diese Weise genügende Erfahrungen gesammelt waren, brachte die Bundesregierung den Entw. des vorliegenden Gesetzes ein (BTDrucksache Nr. 3820 der 1. Wahlperiode vom 28. 10. 1952). In der Begr. wird ausgeführt, bei der Unterschiedlichkeit der Rechtsanwendung in der D D R gegenüber der in der Bundesrepublik „handelt es sich nicht nur um Verschiedenheiten, wie sie auch in Gebieten mit gleichen Rechtsanschauungen bestehen mögen, sondern um die Ausflüsse einer anderen Weltanschauung. Das [Gebiet der D D R ] paßt sich in seiner politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Struktur bewußt immer stärker der Ideologie und dem Aufbau der Sowjetunion und der sog. Volksdemokratien an. Diese Ideologie bestimmt Form und Inhalt der erlassenen neuen Gesetze, die geänderte Gerichtsorganisation und die Ausübung der Rechtspflege. Diese wird in immer stärkerem Maße gehalten, ihre Entscheidungen in Ubereinstimmung mit den politischen Richtlinien der SED zu treffen . . . Damit entsteht die Gefahr, daß vor allem in politisch beeinflußten Verfahren nicht mehr Recht im rechtsstaatlichen Sinne gesprochen, sondern die Rechtspflege als ein Mittel benutzt wird, die Gegner der Ideologie des Kommunismus zu bekämpfen und zu vernichten. Eine Gewährung von Rechts- und Amtshilfe in solchen Fällen würde den im Grundgesetz verbürgten Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit widersprechen... Die grundsätzliche Pflicht zur Leistung von Rechts- und Amtshilfe muß daher dort ihre Grenzen finden, wo die Rechtsstaatlichkeit in einem Verfahren nicht gewahrt erscheint oder wo im Zusammenhang mit dem Verfahren dem Betroffenen erhebliche Nachteile zu entstehen drohen, die sich nicht mit den im Geltungsbereich des Grundgesetzes anerkannten rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbaren lassen". Der Rechtsausschuß des Bundestags stand nach den Ausführungen des Berichterstatters, Abg. Dr. W e b e r , in der 258. Sitzung des Bundestags vom 26. 3. 1953 (Prot. S. 12527ff.) „vor der schwierigen Frage, ob der Grundgedanke des Gesetzes überhaupt noch bejaht werden könne, nachdem das ostzonale Rechtswesen in den letzten Monaten eine weitere Entwicklung zu einer erschreckenden Abkehr von dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit durchgemacht h a t . . . " Trotz dieser Bedenken habe aber der Rechtsausschuß dem Grundgedanken des Entwurfs aus der Erwägung zugestimmt, daß „auf dem Gebiete des materiellen Rechts vorerst noch eine der letzten Klammern gegeben sei, die dem Gedanken der Einheit Deutschlands einen sinnfälligen Ausdruck gebe, und man diese Klammer, die gerade in der Gewährung von Rechts- und Amtshilfe ihre besondere Wirkung zeige, nicht ohne zwingende Not aufgeben solle". Die Anderungsvorschläge des Rechtsausschusses (zusammengestellt in BT-Drucksache Nr. 4185), die der Bundestag sich zu eigen machte, betrafen hauptsächlich die Änderung der § § 1 , 2 des Entwurfs und die Einfügung der § § 1 4 , 15 des Gesetzes und beruhten auf dem Gedanken, Personen, die in der D D R verurteilt wurden und sich im Bundesgebiet befinden, Schutz gegen die über die körperliche Strafvollstreckung hinausgehenden tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen einer rechtsstaatswidrigen Verurteilung zu gewähren (§§ 14, 15) und die Grenzen zulässiger Rechts- und Amtshilfe enger zu ziehen ( § § 1 , 2). b) Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes sind in der D D R , namentlich seit der Errichtung der Mauer in Berlin im August 1961, wesentliche Veränderungen der rechtlichen und politischen Verhältnisse eingetreten, durch die die Kluft zwischen den Rechtsvorstellungen in West- und Ostdeutschland verbreitert wurde (vgl. dazu u. a. J e s c h e c k , Strafrecht und Strafrechtsanwendung in der sowj. besetzten Zone Deutschlands, Tübingen 1962, R o s e n -

3149

Vor § 1

Anhang (Schäfer)

Anm. 1 t h a l , Die Justiz in der SowjZone, Bonn 1962; A d a m , Der Richter in der BRD und in der SBZ, JR 1962 241; R. L a n g e , Was bedeutet die Änderung des GVG in der Sowjetzone? in Festschrift für EbSchmidt 1961; D i e l e v i c z , Rechts Verständnis und Funktion der Rechtspflege in der DDR, JuS 1972 369). So sind in der D D R an die Stelle des GVG 1952 das GVG vom 17. 4. 1963 (GBl. 45) mit 1. DVO vom 8. 6. 1963 (GBl. 385), an die Stelle des Ges. über die Staatsanwaltschaft 1952 das Ges. vom 17. 4. 1963 (GBl. 57) getreten. Nach dem GVG 1963 „verfolgt unser Recht keine anderen Ziele und kennt keine anderen Gesetzmäßigkeiten als die sozialistische Gesellschaftsordnung selbst". Die Rechtsprechung aller Gerichte der D D R untersteht der Leitung durch das Oberste Gericht, das seinerseits der Volkskammer und dem Staatsrat „verantwortlich" ist (§ 11). Die Richter werden von den Volksvertretungen auf 4 Jahre gewählt, sie stehen in voller Abhängigkeit von der staatlichen Politik und ihren Trägern ( H e r r m a n n und S c h ü s s e l e r in „Neue Justiz" 1963 129), sie können vor Ablauf ihrer Amtszeit von der Wahlkörperschaft wegen Verstoßes gegen die Gesetze oder sonstiger gröblicher Pflichtverletzung abberufen werden (§§ 48 ff.). Die Richter „erstatten der Volksvertretungen Bericht darüber, wie sie ihre Tätigkeit mit der gesellschaftlichen Entwicklung beim umfassenden Aufbau des Sozialismus verbinden und diese Entwicklung aktiv fordern". Die alte StPO ist 1968 durch eine neue ersetzt worden (GBl. 49). Materiellrechtlich haben sich besonders tiefgreifende Unterschiede ergeben durch das neue „sozialistische Strafgesetzbuch" der DDR vom 12. 1. 1968, GBl. I S. 21 (vgl. dazu L K - T r ö n d l e Vorbem. 76, 77 vor § 3 StGB; S c h r o e d e r JZ 1970 393; über Verbrechen und Strafe im Rechtssystem der DDR s. auch J e s c h e c k , Allg. Teil 65 ff.). Diese Unterschiede haben zu den Bedenken geführt, ob nicht die bisher von der h. M. vertretene Auffassung von der Anwendbarkeit der Grundsätze des interlokalen Strafrechts zugunsten einer entsprechenden Anwendbarkeit der §§ 3ff. StGB aufzugeben sei (vgl. L K - T r ö n d l e Vorbem. 76ff.; D r e h e r Vorbem. 5 B, jeweils vor § 3 StGB), oder ob nicht überhaupt das Gebiet der D D R als Ausland i. S. des StGB anzusehen sei (vgl. W i e d e n b r ü g NJW 1973 301 m. Nachw.). Durch solche und andere Entwicklungen wurden auch die schon im Entstehungsstadium des Gesetzes erwogenen Bedenken, ob aus rechtsstaatlichen Erwägungen die Gewährung von Rechts- und Amtshilfe überhaupt noch vertretbar sei, verschärft. Aber die damals schließlich für die Bejahung ausschlaggebende Erwägung, daß die gedankliche Bejahung eines einheitlichen Rechtspflegegebiets eine der letzten Klammern für die Einheit Deutschlands sei, die nicht ohne äußerste Not aufgegeben werden solle, behielt ihre Bedeutung (vgl. auch Z o r n NJW 1958 1222 gegen G u r a d z e NJW 1958 817, 1912). Es trifft auch nicht zu, daß das Rechts- und Amtshilfegesetz 1953 durch die in der Bundesrepublik zeitlich später (am 3. 9. 1953) in Kraft getretene Menschenrechtskonvention vom 4.11. 1950 ganz oder teilweise außer Kraft gesetzt worden sei (so aber G u r a d z e NJW 1958 817, 1912; 1960 2091; S c h o r n DRiZ 1963 53 und Schutz der Menschenwürde im Strafverf. [19631 138ff.; s. auch W e n g e r JZ 1961 3). Denn der Sinn des vorliegenden Gesetzes ist es ja gerade, Rechts- und Amtshilfe nur zu gewähren, wenn das DDR-Urteil im Ergebnis nach den rechtsstaatlichen Vorstellungen in der Bundesrep., wie sie auch in der Menschenrechtskonvention niedergelegt sind, nicht entscheidend zu beanstanden ist. Demgemäß sind sowohl der Bundesgesetzgeber (zuletzt in § 52 Abs. 3 des Bundeszentralregisterges. vom 18. 3. 1971, BGBl. I 243; s. auch Art. 92 des Reg. Entw. eines EG StGB vom 4.4. 1972, BT-Drucks. VI/ 3250), als auch das BVerfG (E. 11 150 = NJW 1960 1611; 1961 1203; E 12 62, 67) und die Oberlandesgerichte (vgl. die in den Erläuterungen angeführten Entscheidungen) von der Fortgeltung des Gesetzes ausgegangen. c) Bedeutung des Grundvertrags. Auch die jüngste, durch den Vertrag vom 21. 12. 1972 zwischen der BRD und der D D R über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der BRD und der D D R - „Grundvertrag" - und den Entw. des Zustimmungsges. (BT-Drucks. 7/153 vom 9.2. 1973) gekennzeichnete Entwicklung hat an der Weitergeltung des vorliegenden Gesetzes nichts geändert. Die BRD hält unter dem Leitgedanken „Zwei Staaten, aber eine Nation" daran fest, daß die Bewohner der BRD wie die der D D R Deutsche i. S. des Art. 116 GG sind, eine verschiedene Staatsangehörigkeit also nicht besteht, und daß die DDR im Verhältnis zur BRD nicht Ausland ist. In Art. 7 des Grundvertrags erklären die Vertragsschließenden „ihre Bereitschaft, im Zuge der Normalisierung ihrer Beziehungen praktische und humanitäre Fragen zu regeln. Sie werden Abkommen schließen, um auf der Grundlage 3150

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

V o r § 1 Anm. 2 § j Anm. 1

dieses Vertrages und zum beiderseitigen Vorteil die Zusammenarbeit auf dem G e b i e t . . . des Rechtsverkehrs . . . zu entwickeln und zu fördern. Einzelheiten sind in dem Zusatzprotokoll geregelt". In dem Zusatzprotokoll zu Art. 7 erklären unter Nr. 4 die Vertragsschließenden „ihre Bereitschaft, im Interesse der Rechtssuchenden den Rechtsverkehr, insbesondere in den Bereichen des Zivil- und des Strafrechts, vertraglich so einfach und zweckmäßig wie möglich zu regeln". Inwieweit solche künftigen vertraglichen Regelungen zu Änderungen des vorliegenden Ges. über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe führen, bleibt abzuwarten. 2. In Berlin wurde das vorliegende Ges. durch Berliner Ges. vom 12. 5. 1953 (GVB1. 293) übernommen und das bis dahin geltende Ges. vom 9. 1. 1951 (vgl. Anm. 1) aufgehoben. Berliner DurchfVO vom 7. 1. 1954 (GVB1. S. 2). Schrifttum: N ü s e Bundesanz. Nr. 215/52 S. 4 (zum Entw. des Ges.); derselbe MDR 1953 453 und DRiZ 1968 85, 88; C r e i f e l d s JR 1953 204; Z o r n Bundesanz. 1953 Nr. 80 S. 8 und „Das Deutsche Bundesrecht" II B 71 S. 7ff.; P o l z i n JR 1954 448; S c h o r n , Rechts- und Amtshilfe gegenüber sowjetzonaler Strafjustiz DRiZ 1963 5 3 ; D a l c k e F u h r m a n n - S c h ä f e r (37) Erläuterungen zu dem Gesetz S. 1377ff.; S t ö t t e r , Die Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen im Verhältnis zur sowj. besetzten Zone Deutschlands, Bonn 1960; R L a n g e , Zur Frage der Anerkennung von Strafurteilen der sowj. Besatzungszone in der Bundesrep., Jahrb. d. Ostrechts 1960 9fF.; W e n g l e r , Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Vollstreckung von Strafurteilen nach dem Rechtshilfegesetz, JZ 1961 3; L i e se r, Sowjetzonales Strafrecht und ordre public, 1962; S c h r a m m , Das Verhältnis der BRD zur D D R nach dem Grundvertrag, Heymann's Verlag 1973. Reform Vorschläge: F u h r m a n n JR 1965 97. § 1. Allgemeines (1) Den Ersuchen deutscher Gerichte und Behörden außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes um Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen ist unter den in § 2 bezeichneten Voraussetzungen zu entsprechen. (2) Wird einem Ersuchen entsprochen, so gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. 1. Allgemeine Bedeutung. Die Fassung des Absatzes 1 beruht auf der Erwägung, daß die Versagung der Unterstützung nicht als die ausnahmsweise zulässige Durchbrechung des aus dem Gedanken des einheitlichen Rechtspflegegebietes (vgl. Vorbem. 1 vor § 1) sich ergebenden Grundsatzes der Pflicht zur Rechtshilfe aufzufassen, sondern daß umgekehrt als Grundsatz aufzustellen sei, Rechts- und Amtshilfe dürfe nur geleistet werden, wenn sie (unter den in § 2 umschriebenen Merkmalen) unbedenklich ist (vgl. Berichterstatter Abg. Dr. Weber, Prot. 12 528). Die gesetzliche Grundlage für die Leistung von Rechtshilfe i. S. der §§ 156ff. GVG, bilden danach nicht mehr primär die §§ 156 GVG, sondern die §§ 1,2 des vorliegenden Gesetzes. Nur wenn das Ersuchen im Hinblick auf die §§ 2 ff. keinen Bedenken unterliegt und ihm deshalb zu entsprechen ist, gelten gem. § 1 Abs. 2 die die Rechts- und Amtshilfe betreffenden Vorschriften des GVG und der StPO (vgl. dazu Anm. 5 zu § 15). Die §§ 156ff. GVG gelten aber auch dann nur insoweit, als das vorliegende Gesetz nichts anderes bestimmt (§ 1 Abs. 2). Danach ist § 158 Abs. 2 GVG insoweit unanwendbar, als er dem Amtsgericht die Entscheidung überträgt, ob die vorzunehmende Handlung nach dem in seinem Bezirk geltenden Recht verboten ist und es zur Ablehnung des Ersuchens verpflichtet, wenn es das Verbotensein bejaht, sofern das Verbot aus den in § 2 bezeichneten Umständen hergeleitet wird. Denn ob die Rechtshilfe unter diesem Gesichtspunkt verboten ist, entscheidet grundsätzlich der Generalstaatsanwalt im Genehmigungsverfahren (§ 3 Abs. 1) und das Oberlandesgericht im Fall des § 5 Abs. 1. Dies gilt auch bei nicht genehmigungsbedürftigen Rechtshilfeakten, da nach § 3 Abs. 3 Ersuchen um solche dem Generalstaatsanwalt zur Entscheidung vorzulegen sind, wenn sich Bedenken (nämlich im Hinblick auf § 2) gegen die Gewährung der Rechtshilfe ergeben. Die Entscheidungen des Oberlandesgerichts und die abschließenden Verfügungen des Generalstaatsanwalts binden aber nach § 16 alle Gerichte. Das Amtsgericht kann daher, wenn die Rechtshilfe durch Vernehmung eines Zeu3151

§ 1 Anm. 2—4 § 2 Anm. 1, 2

Anhang (Schäfer)

gen genehmigt worden ist, sie nicht unter Berufung auf § 2 wegen Verbotenseins ablehnen, während es Verbotsgründe anderer Art (vgl. Anm. 1 b zu § 158 GVG) zu beachten hat. Treten nach der Genehmigung bei der Durchführung des Rechtshilfeersuchens Umstände, die Bedenken erwecken, neu hervor, so muß das Amtsgericht eine neue Verfügung des Generalstaatsanwalts herbeiführen. 2. Ersuchen deutscher Gerichte und Behörden um Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen. a) Über die Begriffe „Rechtshilfe" und „Amtshilfe" vgl. Vorbem. 1 ff. vor § 156 GVG. Über „Strafsachen" vgl. Anm. 1, 2 zu § 13 GVG. b) Zu den ersuchenden „Behörden" gehören nicht nur die Staatsanwaltschaft und die Polizei als Strafverfolgungsorgan, sondern alle zur Mitwirkung bei einer Strafverfolgung berufenen Behörden wie Finanzämter, Wirtschaftsämter usw., gleichviel, an welche Stelle sie ihr Ersuchen richten. Amtshilfeersuchen i. S. des § 1 Abs. 1 sind demgemäß auch Ersuchen, die nicht an Gerichte oder Staatsanwaltschaften in der Bundesrepublik, sondern z. B. an die Polizei oder an Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) außerhalb des Kreises der Polizei gerichtet werden (vgl. Anm. 1 zu § 3). 3. „Außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes". Das vorliegende Gesetz hat (nach der Wiedereingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik und der Einführung des Rechts- und Amtshilfeges. durch Ges. vom 22. 12. 1956, ABl. 1667) nur die Rechts- und Amtshilfeersuchen von Gerichten und Behörden der D D R zum Gegenstand. 4. Über die Bedeutung des Absatzes 2 vgl. Anm. 5 zu § 15. § 2. Grenzen der Rechts- und Amtshilfe (1) Rechts- oder Amtshilfe ist zu leisten, wenn 1. ihre Gewährung dem Zweck eines Bundesgesetzes nicht widerspricht, 2. keine Bedenken gegen die Annahme bestehen, daß von der Rechts- oder Amtshilfe nur im Einklang mit rechtsstaatlichen Grundsätzen Gebrauch gemacht wird, und 3. nicht anzunehmen ist, daß dem Betroffenen aus der Gewährung der Rechts- oder Amtshilfe erhebliche Nachteile erwachsen, die im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen stehen. (2) Eine Zulieferung wegen einer Handlung, die im Gebiet der ersuchenden Stelle mit Todesstrafe bedroht ist, darf nur genehmigt werden, sofern die Gewähr gegeben ist, daß die Todesstrafe nicht vollstreckt wird. (3) Wird die Zulieferung eines Verfolgten nicht genehmigt, so darf der Verfolgte der ersuchenden Stelle auch nicht allein zu dem Zwecke zugeführt werden, um eine Hauptverhandlung oder eine andere Maßnahme gegen ihn durchzuführen. (4) Ein Zeuge darf, auch wenn er sich in Haft befindet, zum Zwecke der Vernehmung oder Gegenüberstellung nicht gegen seinen Widerspruch zugeführt werden. (5) Eine Strafe ist nur insoweit zu vollstrecken, als ihre Art und Höhe nach rechtsstaatlichen Grundsätzen angemessen sind und nicht dem Zweck eines Bundesgesetzes widersprechen. Die Strafe kann in einer milderen Strafart vollstreckt werden. (6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch für Verfahren, die gegen Abwesende durchgeführt worden sind. 1. Absatz 1 enthält die in Strafsachen für Rechts- und Amtshilfeersuchen jeder Art geltende Grundregel über die Voraussetzungen, unter denen den Ersuchen entsprochen werden darf und, sofern die Voraussetzungen vorliegen, entsprochen werden muß. Diese Voraussetzungen sind negativ gefaßt; nur wenn keiner der drei Ausschließungsgründe vorliegt, ist die Beistandsleistung zulässig und geboten. Die Absätze 2 bis 6 ergänzen die Grundregel durch Vorschriften für bestimmte Ersuchen (Absätze 2 bis 5) oder bestimmte Verfahren (Absatz 6). 2. Zu Absatz 1 Nr. 1. a) Die Gewährung darf nicht dem Zweck eines Bundesgesetzes widersprechen. Während bei den Ausschließungsgründen der Nr. 2 und 3 der Widerspruch zu 3152

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§2 Anm. 2

rechtsstaatlichen Grundsätzen, zu dem die Gewährung von Rechts- und Amtshilfe führen könnte, ihre Versagung erforderlich macht, kommt es bei dem Ausschließungsgrund der Nr. 1 nicht darauf an, ob die Gewährung von Rechts- und Amtshilfe zu rechtsstaatswidrigen Ergebnissen führen könnte, sondern lediglich darauf, ob bei Gewährung der Unterstützung ein Ausgang der Sache in Frage steht, den ein Bundesgesetz auszuschließen bezweckt. Der hier aufgestellte Versagungsgrund hat eine Parallele in Art. 30 E G BGB, wonach die Anwendung eines ausländischen Gesetzes ausgeschlossen ist, wenn es gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde. Ein solcher Verstoß ist nach der Rechtsprechung (vgl. R G Z 119 263 mit Nachweisen) nur anzunehmen, wenn die dem deutschen und dem ausländischen Gesetz zugrunde liegenden staatspolitischen oder sozialen Anschauungen so verschieden sind, daß die Anwendung des ausländischen Gesetzes unmittelbar die Grundlagen des deutschen staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens angreifen würde. Ahnliche Gesichtspunkte sind auch für die Auslegung der Nr. 1 maßgebend. Entscheidend ist danach, ob die Gewährung von Rechts- und Amtshilfe dazu führen würde, daß außerhalb der Bundesrepublik geltendes Recht angewendet oder durchgesetzt würde, das wesentlichen Grundgedanken des in der Bundesrepublik geltenden Rechts widerspricht (BGH N J W 1964 2170; O L G Braunschweig G A 1966 217) Der wichtigste hier in Betracht kommende Fall hat in § 2 Abs. 2 eine Sonderregelung erfahren. Die Verhängung und Vollstreckung einer Todesstrafe bei Kapitalverbrechen widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht (vgl. BVerfG E 18 112 = N J W 1964 1783); rechtsstaatswidrig wäre sie nur da, wo sie unangemessen hart wäre und in keinem Verhältnis zu der Schwere und Bedeutung der Tat stünde. D a die Abschaffung der Todesstrafe aber im G G (Art. 102) ausgesprochen ist, ergibt sich, daß die Ausschließung der Todesstrafe zu den das Strafrecht der Bundesrepublik kennzeichnenden Vorschriften gehört. Die Bedeutung des Absatzes 2 besteht in der Klarstellung, daß der zu erwartende Ausspruch der Todesstrafe die Amtshilfe durch Uberstellung des Beschuldigten nicht ausschließt, sofern (durch Zusicherung der Umwandlung der Todesstrafe in Freiheitsstrafe im Gnadenweg, wenn gegen die Erfüllung der Zusage keine Bedenken bestehen) Gewähr gegeben ist, daß eine erkannte Todesstrafe nicht vollstreckt wird. Aus Absatz 2, der, soweit es sich um die Todesstrafe handelt, als lex specialis gegenüber Absatz 1 Nr. 1 anzusehen ist, muß daher entnommen werden, daß Rechts- und Amtshilfeersuchen um andere Unterstützungsmaßnahmen als die Zulieferung nicht deshalb abzulehnen sind, weil in dem Verfahren mit der Verhängung der Todesstrafe zu rechnen ist. In einem in der D D R anhängigen Verfahren wegen Mordes ( § 1 1 2 D D R = StGB) ist also, soweit nicht Versagungsgründe nach Nr. 2, 3 vorliegen, Rechtshilfe z. B. durch Vernehmung von Zeugen zu leisten, auch wenn mit der Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe zu rechnen ist. b) Jugendliche. Das J G G der BRD beruht auf dem Grundgedanken, daß ausnahmslos die Straftat eines Jugendlichen mit anderen Maßstäben zu messen ist als die gleiche Tat eines Erwachsenen. Die Vollstreckung eines in Anwendung des allgemeinen Strafrechts gegen einen Jugendlichen erlassenen DDR-Urteils widerspricht nach K G JR 1961 470 dem Zweck des westdeutschen J G G mit der Folge, daß nicht nur eine Teilvollstreckung (§ 2 Abs. 5), sondern die Vollstreckung schlechthin unzulässig ist (a. M. D ü n n e b i e r Anm. aaO.; N ü s e DRiZ 1968 89). Ein tragender Grundgedanke des westdeutschen J G G ist ferner die unterschiedliche Behandlung des Heranwachsenden gegenüber dem Erwachsenen. Die Vollstrekkung eines DDR-Urteils, das einen Heranwachsenden mit Erwachsenenstrafe belegt, verstößt jedenfalls dann gegen den Zweck des J G G , wenn bei Aburteilung durch ein Gericht der BRD eine günstigere Behandlung nicht auszuschließen wäre (BGHSt. 20 5 = N J W 1964 2169; a. M. K a i s e r N J W 1965 475). c) Amnestie. Der Ausschließungsgrund nach Nr. 1 kann ferner gegeben sein, wenn eine Zulieferung mit dem Zweck eines in der Bundesrepublik erlassenen Straffreiheitsgesetzes nicht vereinbar wäre (ebenso Z o r n , Das Deutsche Bundesrecht II B 71 S. 9, Anm. 2 zu § 8). Allerdings erstreckt sich ein durch Straffreiheitsgesetz der Bundesrepublik ausgesprochener Straferlaß nicht auf Strafen, die von DDR-Gerichten verhängt sind (vgl. Vorbem. V 1 c vor § 12 GVG) und ebensowenig steht die durch ein solches Gesetz angeordnete Niederschlagung der Durchführung eines DDR-Strafverfahrens entgegen, wenn sie erfolgt, nachdem dort ein Gericht gemäß § 12 StPO ausschließlich zuständig geworden ist (vgl. Vorbem. VI 1 und VI 5 b vor § 12 GVG). Geht aber der Zweck eines solchen Gesetzes dahin, unter allen Um3153

§2

Anhang (Schäfer)

Anm. 3 ständen unter die Vergangenheit im Interesse des Rechtsfriedens einen Schlußstrich zu ziehen, so verbietet § 2 Abs. 1 Nr. 1 die dem Zweck eines solchen Gesetzes widersprechende Unterstützung der deutschen Strafgerichtsbarkeit außerhalb der Bundesrepublik durch Gewährung von Rechts- und Amtshilfe. d) Der Umstand allein, daß die Tat, derentwegen um Unterstützung ersucht wird, nach dem Recht der Bundesrepublik keinen Straftatbestand erfüllt, begründet die Versagung nach Nr. 1 noch nicht; die § § 2 , 34 Abs. 2 des Deutschen Auslieferungsges. vom 23. 12. 1929 sind auch nicht entsprechend anwendbar. Sofern also in der D D R eine durch Strafdrohungen gesicherte Bewirtschaftung bestimmter Waren durch Verbrauchsregelung und Bezugsbeschränkung besteht, sind Rechts- und Amtshilfeersuchen nicht deshalb abzulehnen, weil in der Bundesrepublik eine entsprechende Bewirtschaftung nicht besteht und einschlägige Strafdrohungen fehlen; auch von einem Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze kann hier keine Rede sein, es sei denn, daß durch Art und Höhe der Strafe oder sonstige Folgen des Strafverfahrens (z. B. die Einziehung des gesamten Vermögens) Unrecht begangen wird (h. M.; vgl. z. B. Begr. zu § 1 RegEntw. S. 8; C r e i f e l d s JR 1953 206). Es gilt hier nichts anderes, als wenn innerhalb des Bundesgebiets ein Gericht das Gericht eines anderen Landes in einem Verfahren wegen einer Tat, die nach dem Recht des ersuchten Gerichts nicht strafbar ist (Verstoß gegen ein Landesgesetz), um Rechtshilfe ersucht (vgl. Anm. 1 c am Ende zu § 158 GVG). Auch der Umstand, daß ein Gesetzesverstoß nach dem Recht der ersuchenden Stelle eine kriminelle Straftat darstellt, während sie nach dem Recht der Bundesrepublik nur eine Ordnungswidrigkeit bildet, bewirkt allein noch nicht, daß die Gewährung der Unterstützung dem Zweck eines Bundesgesetzes widerspricht, denn hierbei handelt es sich nicht um Abweichungen in grundlegenden Rechtsvorstellungen, sondern um Fragen kriminalpolitischer Zweckmäßigkeit. Der Grad der Rechtsstaatswidrigkeit (Abs. 1 Nr. 2) wird bei einer solchen Rechtsverschiedenheit erst erreicht, wenn die Wertung eines Gesetzesverstoßes als Kriminalstraftat nach Art und Höhe der angedrohten Strafe nach den Wertvorstellungen des Rechts der Bundesrepublik unangemessen ist (vgl. O L G Braunschweig NdsRpfl. 1957 177). e) Soweit es sich um die Vollstreckungshilfe handelt, ist der Grundsatz, daß sie nicht im Widerspruch zu den Zwecken eines Bundesgesetzes geleistet werden darf, in § 2 Abs. 5 nochmals ausgesprochen. Vgl. dazu unten Anm. 8. 3. Zu Absatz 1 Nr. 2. Es muß ferner die Annahme unbedenklich sein, daß von der Rechts- und Amtshilfe nur im Einklang mit rechtsstaatlichen Grundsätzen Gebrauch gemacht wird. Die zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Hilfe berufene Stelle muß also davon überzeugt sein, daß ein rechtsstaatswidriger Gebrauch nach Lage der Sache ausgeschlossen ist; jeder Zweifel führt zur Versagung (anders im Fall der Nr. 3; s. unten Anm. 4). a) Ein rechtsstaatswidriger Gebrauch der Rechts- und Amtshilfe liegt vor, wenn das Verfahren, in dem sie begehrt wird, nach Ziel und Zweck, nach der Art seiner Durchführung und dem Inhalt der Entscheidung mit den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens, das den Erfordernissen der Gerechtigkeit, der Menschlichkeit und der Achtung der Menschenwürde Rechnung trägt, nicht vereinbar ist. Die Begr. zu § 2 des RegEntw. führt hierzu aus: „Der Begriff der rechtsstaatlichen Grundsätze ist bereits in den §§ 234 a und 241 a StGB enthalten, die durch das Ges. zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 15.7.1951 (BB1.1 448) in das Strafgesetzbuch eingefügt worden sind. In der Denkschrift des Bundesjustizministeriums zu diesem Gesetz (Bundesanz. Nr. 122 vom 28. 6. 1951) ist er näher erläutert worden. Danach ist ein Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze anzunehmen, wenn der Betroffene Kräften ausgeliefert werden soll, die bereit sind, mit ihm nach ihren Zwecken und Vorstellungen zu verfahren, ohne sich an die Grundsätze der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit zu halten. In Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen stehen insbesondere ein nicht rechtsstaatlich geordnetes oder geführtes Verfahren und die Verhängung einer grob ungerechten oder im Gesetz nicht vorgesehenen Strafe oder Maßnahme. Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen ist es auch nicht zu vereinbaren, einen politisch Andersdenkenden nur wegen seiner Gesinnung zu verfolgen, einen wirklichen oder vermeintlichen Gegner des herrschenden Systems wegen einer abfalligen Äußerung oder seines Eintretens 3154

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§2 Anm. 3

für Recht und Freiheit mit schweren Freiheitsstrafen zu belegen oder das Strafverfahren als Mittel für eine Enteignung zu benutzen. Neben rein politischen gehören demnach auch wirtschaftliche, kulturpolitische und gesellschaftliche Zwecke hierher, sofern sie der Anlaß für eine Verfolgung sind. — Rechtsstaatliches Denken setzt ferner voraus, daß ein Beschuldigter nur wegen einer bestimmten Straftat abgeurteilt werden darf, daß strafbare Handlung und Strafe vor dem Begehen der Straftat gesetzlich bestimmt, Straftat und ihre Folgen also vorhersehbar sind. Tat und Strafe müssen unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Täters in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen. Dem Verfolgten muß die Möglichkeit gegeben werden, sich nach den Vorschriften der bisher insoweit im wesentlichen noch in allen deutschen Gebieten übereinstimmenden Strafprozeßordnung sachgemäß zu verteidigen. Es kommt folglich nicht allein entscheidend darauf an, um was für eine Straftat es sich handelt. Auch wenn der Verfolgte ein kriminelles Verbrechen begangen hat, kann die Verfolgung oder die Art ihrer Durchführung im Einzelfall rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechen. Das gilt vornehmlich, wenn politische Ziele für die Strafverfolgung maßgebend sind oder mit einer ungerecht hohen oder grausamen Strafe zu rechnen ist." b) Bei der Prüfung, ob der Ausführung eines Rechts- oder Amtshilfeersuchens Bedenken wegen rechtsstaatswidrigen Gebrauchs entgegenstehen, ist zu unterscheiden. Ein materielles Strafgesetz, dessen Verletzung verfolgt wird, kann schon nach seinem Inhalt, z. B. wegen völliger Unbestimmtheit der Tatbestandsmerkmale, wegen der übermäßig hohen Strafandrohung oder weil ein solcher Verstoß nicht als strafwürdiges Unrecht erscheint, den rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechen. Namentlich ist das der Fall bei Gesetzen zum Schutz eines faktisch ausgeübten politischen Machtsystems oder eines Wirtschaftssystems, das auf die Umgestaltung der gesellschaftlichen Struktur im kommunistischen Sinn gerichtet ist (BVerfGE 11 150 = N J W 1960 1611; s. dazu W e n g l e r JZ 1961 3). Bei Gesetzen solchen Inhalts führt allein die Tatsache, daß das Ersuchen die Durchsetzung eines solchen Gesetzes bezweckt, ohne weitere Prüfung der Umstände des Einzelfalls zur Ablehnung des Ersuchens. Es geht dabei, wie das BVerfG gegenüber der früher z. T. abweichenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ausführt, nicht an, die einzelnen Tatbestände nur unter dem Gesichtspunkt einer formalen Rechtsstaatlichkeit zu würdigen. Denn auch ein Unrechtssystem muß alltägliche Fragen des Gemeinschaftslebens auf weite Strecken in einer Weise lösen, die sich äußerlich von einer formal rechtsstaatlichen Lösung fast nicht unterscheidet (BVerfG aaO.; s. auch BGHSt. 6 166; 14 104). Zu den „schlechthin rechtsstaatswidrigen" Gesetzen wurden z. B. gerechnet die Vorschriften gegen „Republikflucht" (BGHSt. 14 104, 106; JZ 1964 101), das Gesetz zum Schutz des innerdeutschen Handels vom 2 1 . 4 . 1950 (GBl. 327) trotz seiner Milderungen durch das Strafrechtsergänzungsges. 1957 (BVerfGE 11 150, 326), die WirtschaftsStrafVO vom 2 3 . 9 . 1 9 4 8 , ZVOB1. 439 (BVerfG 11 150, 163, s. dazu L i e s e r N J W 1960 2183), die Strafvorschriften wegen Verletzung des Einkommensteuerrechts in der D D R und des Devisenges, vom 8 . 2 . 1956, GBl. I 321 (BVerfGE 12 99 = N J W 1961 653). Über „schlechthin rechtsstaatswidrige" Gesetze vgl. weiterhin die eingehenden Ausführungen von N ü s e M D R 1953 455 (ihm im wesentlichen zustimmend P o l z i n JR 1954 452) und H e i n i t z , Probleme der Rechtsbeugung (1963) 16. (Aufzählung solcher Vorschriften in Anm. 3 b der Vorauflage). Erfolgte die Verurteilung wegen Verletzung eines rechtsstaatswidrigen Gesetzes in Tateinheit mit Verletzung eines nicht rechtsstaatswidrigen Gesetzes, so ist nach K G J R 1962 191 die Vollstreckung nicht im ganzen unzulässig, vielmehr (vgl. § 2 Abs. 5) die Strafe herabzusetzen, soweit sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar erscheint; nach O L G H a m m vom 3 1 . 5 . 1961 — 1 Ws. 429/60 — ist in der Regel die Vollstreckung im ganzen unzulässig, wenn nicht im Einzelfall ausnahmsweise das Schwergewicht auf der Verletzung des nichtrechtsstaatswidrigen Gesetzes ruht; die Auffassung des K G verdient den Vorzug (vgl. N ü s e D R i Z 1968 88; dort auch zur Behandlung des Schuldspruchs bei der Eintragung in das Zentralregister) Bei den übrigen materiellen Strafvorschriften kommt es darauf an, wie sie im Einzelfall gehandhabt werden; es wird also im allgemeinen erst nach erfolgter Aburteilung aus Anlaß eines Vollstreckungsersuchens, eines Antrags aus § 15 oder des Eingangs einer Strafnachricht (§ 14) Möglichkeit und Anlaß zu einer Nachprüfung bestehen, ob eine rechtsstaatsmäßige Gesetzesanwendung erfolgt ist. Dies gilt auch, soweit die Prüfung der Zulässigkeit einer Rechts- oder Amtshilfe im Hinblick auf die in der D D R geltenden 3155

§ 2 Anm. 4

Anhang (Schäfer)

Gerichtsverfassungs- und Verfahrensvorschriften in Frage steht. Die Zulässigkeitsprüfung hat sich auch hier in der Regel darauf zu erstrecken, ob die Handhabung der Verfahrensgesetze im Einzelfall zu rechtsstaatlich unannehmbaren Ergebnissen geführt hat (so auch N ü s e MDR 1953 456). Vgl. dazu unten Anm. 9 und Anm. 4 b zu § 15. 4. Zu Absatz 1 Nr. 3 a) Die Leistung von Rechts- und Amtshilfe ist schließlich ausgeschlossen, wenn anzunehmen ist, daß dem Betroffenen aus der Gewährung der Rechtsoder Amtshilfe erhebliche Nachteile erwachsen, die im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen stehen. Während Nr. 2 eine Unterstützung des Verfahrens in der D D R verbietet, wenn die Gefahr besteht, daß der Verfolgte gerade durch die Einleitung oder Durchführung des Verfahrens oder den darin ergehenden oder ergangenen Spruch rechtsstaatswidrige Einbußen erleidet, will Nr. 3 rechtsstaatswidrige Nachteile anderer Art, also solche außerhalb des Verfahrens ausschließen. Die Begr. zu § 2 des RegEntw. führt hierzu aus: „Rechts- und Amtshilfe ist auch dann zu versagen, wenn zu erwarten ist, daß dem Betroffenen im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen erhebliche Nachteile drohen. Dadurch soll verhindert werden, daß der Verfolgte etwa aufgrund eines Ersuchens in einem gegen ihn eingeleiteten Verfahren wegen einer kriminellen Straftat in das Gebiet der ersuchenden Stelle zugeliefert wird, während das Verfahren in Wirklichkeit nur dazu dienen soll, des Betroffenen habhaft zu werden, um ihn außerhalb des Verfahrens willkürlich zu verfolgen. Voraussetzung ist, daß die drohenden Nachteile erheblich sind. Die über die Gewährung der Rechts- und Amtshilfe entscheidende Stelle wird daher unter Umständen zwischen der Schwere der kriminellen Tat, derentwegen der Betroffene zugeliefert werden soll, und seiner Gefahrdung durch andere Nachteile abzuwägen haben. Es soll zwar jede ungerechte und willkürliche Verfolgung verhindert werden. Doch darf sich z. B. nicht ein Schwerverbrecher der ihm drohenden berechtigten Strafverfolgung entziehen können, indem er aus dieser Berechnung heraus das im Gebiet der ersuchenden Stelle bestehende System beschimpft. Wenn auch die §§ 10, 11 die Möglichkeit einer Übernahme des Verfahrens vorsehen, so wird dem Täter doch nicht immer mit den im Geltungsbereich des Grundgesetzes zur Verfügung stehenden Beweismitteln seine Tat nachzuweisen sein. Der Gedanke der Rechtssicherheit und das Gerechtigkeitsgefühl der gesamtdeutschen Bevölkerung verlangen aber, daß kriminelle Verbrechen nicht ungesühnt bleiben." b) Die geschützte Person. Nr. 3 bezieht sich nicht nur auf den Verfolgten, dessen Straftat das Hilfeersuchen zum Gegenstand hat und nicht nur auf eine Hilfeleistung in Form der Zulieferung. Die Nr. 3 will vielmehr jeden schützen, dem aus der Leistung von Rechts- und Amtshilfe rechtsstaatswidrige Nachteile (außerhalb des Verfahrens) erwachsen können, also jeden, der in dieser Weise „betroffen" werden kann. Die in § 2 Abs. 7 des RegEntw. vorgesehene Begriffsbestimmung: „Betroffen ist, wer durch die Leistung der Rechts- und Amtshilfe benachteiligt werden kann" ist zwar nicht in das Gesetz aufgenommen worden — der Bundesrat, auf dessen Anregung die Streichung beruht (vgl. Anl. 2 zu BT-Drucks. Nr. 3820), befürchtete, der Kreis der Betroffenen könne durch eine Legaldefinition ungerechtfertigt erweitert werden, es sei besser, die Umgrenzung des Begriffs der Praxis zu überlassen —, gilt aber der Natur der Sache nach auch ohne Legaldefinition. Unter Nr. 3 fällt also z. B. der Fall, daß einem Zeugen aus seiner Aussage erhebliche politische Benachteiligungen drohen oder daß ein Ersuchen um Zeugenvernehmung in Wirklichkeit nicht bezweckt, den Sachverhalt bezüglich der erhobenen Beschuldigung aufzuklären, sondern Material gegen andere Personen zur Verfolgung aus einem „schlechthin rechtsstaatswidrigen" Gesetz (vgl. Anm. 3) zu beschaffen oder ihren Aufenthalt zu ermitteln (weitere Beispiele bei N ü s e MDR 1953 456). Besonders bei Ersuchen um Aktenübersendung ist zu prüfen, ob ihr Inhalt nicht den Anlaß zu außerverfahrensmäßigen Nachteilen der in Nr. 3 bezeichneten Art bilden kann. — Zur Versagung genügen hier — anders als nach Nr. 2 — nicht schon Bedenken, ob erhebliche Nachteile nicht ausgeschlossen sind, vielmehr muß die Annahme begründet sein, daß solche Nachteile erwachsen. Das entspricht dem Sinn der Vorschrift, die Verfolgung wirklich Krimineller nicht auszuschließen, mögen damit auch für sie oder andere zwangsläufig gewisse, aber unerhebliche Nachteile rechtsstaatswidriger Art verbunden sein. 3156

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§2 Anm. 5—8

5. Über die Bedeutung des Absatzes 2 vgl. oben Anm. 2 a. Das Grundrecht der Freizügigkeit steht der Zulieferung eines deutschen Staatsangehörigen an die Strafverfolgungsbehörden der D D R wegen einer kriminellen Straftat nicht entgegen ( B G H G A 1965 295). Wird die Zulieferung, d. h. die Überantwortung, die körperliche Übergabe an die ersuchende Stelle unter endgültiger Entlassung aus dem Machtbereich der ersuchten Stelle nicht genehmigt, so findet § 10 Anwendung. Eine Zulieferung liegt aber nur vor, wenn der Betroffene sich aufgrund eigner Entschließung in der Bundesrepublik aufhielt und hier ergriffen wurde. § 2 Abs. 2 hindert demgemäß nicht die Rücküberstellung eines Beschuldigten, der von den Behörden der D D R den Behörden der Bundesrepublik nur (gegen Zusicherung der Rückführung) zugeführt wurde, auch wenn die DDR-Stellen eine Zusicherung, eine etwaige Todesstrafe werde nicht vollstreckt werden, ablehnen ( O L G Braunschweig vom 22. 7. 1953 — Ws. 98/53 —; in dem dort entschiedenen Fall war ein eines Mordes in der D D R Beschuldigter den Strafverfolgungsbehörden in der Bundesrepublik zu einem hier anhängigen Verfahren gegen einen anderen ebenfalls eines Mordes Beschuldigten zugeführt worden). 6. Zu Absatz 3. In § 2 Abs. 3 des RegEntw. war folgende Bestimmung vorgesehen: „Wird die Zulieferung eines Verfolgten nicht genehmigt, so darf er zur Hauptverhandlung zugeführt werden, wenn sich die ersuchende Stelle verpflichtet, ihn unverzüglich nach der Hauptverhandlung zurückzuüberstellen. Dabei kann die Zuführung von der Zusicherung abhängig gemacht werden, daß der Verfolgte spätestens nach Ablauf einer bestimmten Frist zurücküberstellt wird." Dieser Vorschlag knüpft an eine früher in Berlin mit Erfolg geübte Praxis an (vgl. N ü s e M D R 1953 456f.). Es sollte damit Vorsorge für die Fälle getroffen werden, in denen zwar einer Zulieferung Bedenken entgegenstehen, eine Aburteilung im Bundesgebiet (vgl. § 10) aber auf Schwierigkeiten stößt, weil sich die Beweismittel überwiegend in dem Gebiet der ersuchenden Stelle befinden. Der Bundestagsrechtsausschuß hat eine solche Bestimmung als „nicht mehr vertretbar" abgelehnt (vgl. Berichterstatter Abg. Dr. W e b e r Prot. 12528); Z o r n („Das Deutsche Bundesrecht" II B 71 Anm. 6 zu § 2) sieht den Grund für das Zuführungsverbot darin, daß „mit der Zulieferung jede Einflußnahme auf das Schicksal der Betroffenen verloren geht" (aber es handelt sich j a nicht um Zulieferung, sondern um Zuführung!). Nach N ü s e aaO. 457 ist die Zuführung an Stelle einer Zulieferung zulässig, wenn die Zulieferung selbst zulässig ist. Indessen muß, wenn eine begehrte Zulieferung zulässig ist, dem Ersuchen auch stattgegeben, also zugeliefert werden („Rechtsoder Amtshilfe ist zu leisten..."); eine Zuführung an Stelle einer an sich zulässigen Zulieferung kann also nur in Frage kommen, wenn das Ersuchen sich, obwohl es auf Zulieferung hätte gerichtet werden können, auf eine Zuführung beschränkt. — Der Auffassung von N ü s e aaO. 457, daß das zum Schutz des Verfolgten aufgestellte Zulieferungs- und Zuführungsverbot entfalle, wenn er selbst aus beachtlichen Gründen die Zulieferung oder Zuführung beantragt, dürfte zuzustimmen sein (vgl. auch § 7 D A G , wonach eine Auslieferung nur bewilligt werden darf, wenn das Gericht sie für zulässig oder der Verfolgte sich zu richterlichem Protokoll mit ihr einverstanden erklärt hat). 7. Zu § 2 Absatz 4. Nach Absatz 4 ist die Genehmigung der Zuführung eines Zeugen in allen Fällen davon abhängig, daß er ihr nicht widerspricht. Ein Zeuge, der zunächst nicht widersprochen hat, kann auch noch nach Genehmigung der Zuführung diese durch nachträglichen Widerspruch unzulässig machen. Aber auch wenn der Zeuge mit der Zuführung einverstanden ist, darf die Zuführung nicht genehmigt werden, wenn sie zur Durchführung eines Verfahrens erbeten worden ist, dem Bedenken der in § 2 Abs. 1 bezeichneten Art entgegenstehen. 8. Zu Absatz 5. a) Hält sich ein zu einer Freiheitsstrafe Verurteilter außerhalb des Bezirks der Strafvollstreckungsbehörde auf, so kann letztere nach §§ 162, 163 G V G die Staatsanwaltschaft des Aufenthaltsorts darum ersuchen, entweder die Strafe selbst zu vollstrecken oder den Verurteilten zum Zweck der Strafverbüßung zu ergreifen und abzuliefern („zuzuliefern"). Für den Fall, daß ein Ersuchen einer Strafvollstreckungsbehörde der D D R um unmittelbare Vollstreckung oder um Vollstreckungshilfe durch Zulieferung aus den Gründen des § 2 Abs. 1 abgelehnt wird, schreibt § 11 die Durchführung eines neuen Verfahrens vor. § 2 Abs. 5 sieht eine Durchbrechung dieses Grundsatzes für den Fall vor, daß keine Bedenken gegen den Schuldspruch bestehen — sei es auch nur deshalb, weil nicht das 3157

§2

Anhang (Schäfer)

Anm. 8 angewendete, sondern ein anderes Gesetz die Verurteilung rechtfertigt —, dagegen Art und Höhe der erkannten Strafe rechtsstaatswidrig erscheinen. Dann ist zwar Vollstreckungshilfe durch Zulieferung ausgeschlossen, aber (auch wenn um Zulieferung ersucht wurde) Amtshilfe in der Form zu leisten, daß nur eine Strafe in der Strafart und Strafhöhe vollstreckt wird, wie es nach rechtsstaatlichen Grundsätzen und ohne Widerspruch mit den Zwecken eines Bundesgesetzes dem Schuldspruch angemessen ist. Wegen der Vollstreckungstitel, auf die sich § 2 Abs. 5 erstreckt, vgl. Anm. 2 b zu § 15. Die Durchführung eines neuen Verfahrens nach § 11 ist dann ausgeschlossen; es fehlt an der dort aufgestellten Voraussetzung, daß die Vollstreckung nicht (d. h. überhaupt nicht) genehmigt worden sei. Satz 2 des Absatzes 5, der die Vollstreckung in einer milderen Strafart gestattet, hat keine selbständige Bedeutung, sondern spricht nur der Verdeutlichung halber aus, was sich bereits aus Satz 1 („insoweit zu vollstrecken, als ihre A r t . . . " ) ergibt. Unter „Strafe" ist der gesamte Umfang der festgesetzten oder an die Verurteilung anknüpfenden Unrechtsfolgen (vgl. § 4 Abs. 1) zu verstehen. Die Milderung kann also darin bestehen, daß die Hauptstrafe der Höhe nach herabgesetzt oder in eine mildere Strafart umgewandelt wird oder daß Maßregeln der Sicherung und Besserung, Nebenstrafen und Nebenfolgen in ihrem Umfang herabgesetzt oder in Fortfall gebracht werden. Bei der Milderung kann die in einer Strafdrohung der D D R festgesetzte erhöhte Mindeststrafe unterschritten werden; es kann auch Umwandlung in eine Strafart erfolgen, die in der DDR-Strafdrohung nicht vorgesehen ist, also z. B. die Umwandlung einer Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe, auch wenn in der DDR-Strafdrohung Geldstrafe nicht vorgesehen ist. Zulässig und geboten ist es auch, die Vollstreckung einer Strafe, gegen deren Höhe und Art keine Bedenken bestehen, zur Bewährung auszusetzen, wenn die Voraussetzungen einer gerichtlichen Aussetzung nach § 23 StGB gegeben sind und die Aussetzung in einem solchen Fall zweifellos der Praxis der BRD-Gerichte entspricht. Denn die bedingte Aussetzung in geeigneten Fällen zur Vermeidung des kriminalpolitisch unerwünschten Vollzugs kurzfristiger Freiheitsstrafen bildet einen wesentlichen Bestandteil des Strafensystems der Bundesrepublik: die Gewährung von Amtshilfe durch Vollstreckung einer Strafe, die, hätte ein Gericht der BRD erkannt, ohne Zweifel bedingt ausgesetzt worden wäre, widerspricht daher dem Zweck eines Bundesgesetzes (ebenso O L G Braunschweig G A 1966 216 und im Ergebnis K G vom 6. 12. 1954 - 1 Ws. 1107/54 u. P o l z i n 449: Ablehnung einer bei Anlegung rechtsstaatlicher Grundsätze unbedingt gebotenen bedingten Aussetzung mache die Vollstreckung rechtsstaatswidrig). Aus dem gleichen Grunde ist ein aus rechtsstaatswidrigen Gründen in der D D R erfolgter Widerruf einer zunächst gewährten bedingten Aussetzung unbeachtlich (ebenso P o l z i n JR 1954 449 u. Verfg. des Generalstaatsanwalts Stuttgart vom 28. 10. 1954 - J R H 32/53 - ) . Wegen der Aussetzung einer Reststrafe s. unten e). Eine Anwendung des § 2 Abs. 5 ist nach OLG Braunschweig Nds.Rpfl. 1957 177 geboten, soweit die Strafe wegen Unterschlagung von „Volkseigentum" als Folge der Empfindlichkeit der D D R gegenüber der Verletzung sozialistischen Eigentums ohne Berücksichtigung gegebener Milderungsgründe festgesetzt wurde. b) Wirkung der Anordnung nach § 2 Abs. 5. Die abschließende Verfügung des Generalstaatsanwalts und die nach §§ 5, 8 Abs. 2 ergehende Entscheidung des Oberlandesgerichts sind nach § 16 für alle Gerichte und Behörden des Bundesgebiets bindend. Nach § 13 Abs. 2 richtet sich die zentralregisterliche Behandlung einer DDR-Verurteilung nach Art und Höhe der Strafe, deren Vollstreckung für zulässig erklärt worden ist. Daraus wie aus Sinn und Zweck des § 2 Abs. 5 ist zu folgern, daß eine Anordnung, die die Vollstreckungsfahigkeit der DDR-Entscheidung einengt, sich nicht nur auf eine Regelung des Vollzugs und der Wirkungen für das Zentralregister beschränkt, den Bestand der DDR-Entscheidung im übrigen aber unberührt läßt, sondern daß sie den Inhalt der Entscheidung und die daran anknüpfenden Rechtswirkungen unmittelbar ändert, dergestalt, daß für die Gerichte und Behörden der Bundesrepublik das DDR-Urteil nur in der Weise gilt, als sei es von vornherein mit dem Inhalt erlassen, der sich aus der Anordnung über den Umfang der Vollstreckbarkeit ergibt. Die Durchführung dieses Grundsat- s wird dadurch ermöglicht, daß die Anordnungen nach § 2 Abs. 5, § 8 Abs. 2, § 15 insoweit zur Tilgung des alten Strafvermerks im Zentralregister führen und an seine Stelle der Vermerk über die Strafe tritt, wie sie nach der abschließenden Verfügung des Generalstaatsanwalts oder der Entscheidung des Oberlandesgerichts vollstreckungsfähig ist (vgl. Anm. 1 a zu § 13). 3158

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§ 2 Anm. 9 § 3

c) Zu der Frage, welche Bedeutung die „Herabsetzung" einer Strafe gemäß § 2 Abs. 5, § 8 Abs. 2, § 15 hat, wenn eine Amnestie in der D D R Strafen bis zu einer bestimmten Höhe erfaßt, die erkannte Strafe die Amnestiegrenze überschritt, die herabgesetzte Strafe aber in den Amnestiebereich fallt, wird auf die Ausführungen in Anm. 8 c der Vorauflage verwiesen. d) Für eine Vollstreckungsanordnung nach Absatz 5 von Amts wegen ist kein Raum, wenn ein Ersuchen der Strafvollstreckungsbehörde der D D R nach § 162 oder 163 G V G nicht gestellt wird. In diesen Fällen ist stets nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 zu verfahren. Unberührt bleibt aber das Antragsrecht des Verurteilten nach § 15. e) Nachträglich eintretende Unzulässigkeit der Vollstreckung. Eine zunächst mit Recht auf Amtshilfeersuchen begonnene Vollstreckung kann unzulässig werden, wenn die zuständigen Stellen der D D R die bedingte Aussetzung eines Strafrests in einem Fall versagen, wo nach der Praxis der westdeutschen Gerichte eine bedingte Entlassung (nach § 26 StGB) unzweifelhaft erfolgt. Hier gelten die oben zu a) angestellten Erwägungen bezüglich der Aussetzung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe entsprechend: der weitere Vollzug einer solchen Strafe widerspräche dem Zweck eines Bundesgesetzes; auch die bedingte Aussetzung von Reststrafen in geeigneten Fällen gehört zu den kennzeichnenden Merkmalen des westdeutschen Strafen- und Vollzugssystems (ebenso OLG Braunschweig G A 1966 216 = J R 1966 73). Die Entscheidung trifft auch hier der Generalstaatsanwalt (§ 3), gegebenenfalls das Oberlandesgericht (§ 5, 8 Abs. 2). Dagegen ist weder eine Entscheidungszuständigkeit eines westdeutschen Amts- oder Landgerichts (§ 26 StGB, § 454 StPO) gegeben, da sie nicht als erstinstanzliche Gerichte in der Sache tätig waren und eine Zuständigkeitserstreckung über § 12 hinaus nicht stattgefunden hat, noch entscheidet — aus den gleichen Gründen — das Oberlandesgericht unmittelbar nach § 26 StGB (ebenso P o l z i n JR 1954 449; K G NJW 1957 356). Eine vorherige Fühlungnahme mit den zuständigen DDR-Gnadenstellen, wie sie die Begr. des Reg.Entw. S. 8 empfiehlt, sieht O L G Braunschweig aaO. mit Recht als nicht erforderlich an. 9. Zu Absatz 6. Die Bedeutung des Absatzes 6 besteht in der Klarstellung, daß Abwesenheitsverfahren nicht deshalb schlechthin rechtsstaatswidrig sind und ihre Unterstützung sowie die Vollstreckung der Abwesenheitsurteile oder die Zulieferung zur Vollstreckung nicht schon deshalb dem Zweck eines deutschen Bundesgesetzes widersprechen, weil außerhalb der Bundesrepublik das Abwesenheitsverfahren in weiterem Umfang als nach §§ 276 ff. StPO zulässig ist. Diese Folgerung ergibt sich, wie die Begr. zu § 2 RegEntw. mit Recht hervorhebt, daraus, daß auch außerdeutsche Gesetzgebungen das Abwesenheitsverfahren in erheblich weiterem Umfang zulassen als die StPO i. d. F. des Vereinheitlichungsges. vom 12. 9. 1950. Es bedarf deshalb in gleicher Weise wie bei den in Anwesenheit des Beschuldigten durchgeführten Verfahrens einer Prüfung im Einzelfall, ob sich aus der Art der Durchführung des Verfahrens und dem Inhalt der ergangenen Entscheidung Gründe der in § 2 Abs. 1 bezeichneten Art gegen die Gewährung von Rechts- und Amtshilfe ergeben (ebenso O L G Köln vom 12. 3. 1954 - 1 AR 305/53 - ; O L G Nürnberg vom 26. 10. 1954 - Ws. 345/54 - ; N ü s e M D R 1953 456; P o l z i n JR 1954 449). Die bei P o l z i n aaO. angeführte Entscheidung des OLG München vom 22. 5. 1954 — Ws. 544/54 —, die die Rechtshilfefähigkeit auf solche Abwesenheitsurteile beschränkt wissen will, die nach §§ 232, 277 der im Bundesgebiet geltenden StPO zulässig sind, widerspricht der aus der Begr. des RegEntw. deutlich erkennbaren Absicht des Gesetzgebers. Jedoch ist bei Abwesenheitsverfahren eine besonders strenge Prüfung der Rechts- und Amtshilfevoraussetzungen geboten (vgl. N ü s e aaO. und OLG Köln N J W 1954 1298 betr. Entscheidungen im Kassationsverfahren). Die Begr. zu § 2 RegEntw. empfiehlt, Abwesenheitsurteile, (gegen die keine Bedenken bestehen), im allgemeinen nur im Geltungsbereich des G G zu vollstrecken, ohne daß dies ausschließt, in geeigneten Fällen den Verfolgten der ersuchenden Stelle zuzuliefern. § 3. Genehmigung (1) Die Rechts- und Amtshilfe bedarf der Genehmigung, wenn sich das Ersuchen richtet auf Zulieferung, Verhaftung, Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung, Zuführung oder Vernehmung eines Beschuldigten oder Zeugen, Aktenübersendung oder Auskunft 3159

§3

Anhang (Schäfer)

Anm. 1—3 über einen Beschuldigten oder Zeugen mit Ausnahme von Auskünften aus dem Strafregister.*) (2) Die Genehmigung erteilt der Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Rechts- oder Amtshilfe geleistet werden soll. In den Fällen der Aktenübersendung kann die oberste Behörde der Landesjustizverwaltung die Befugnis zur Genehmigung auch anderen Stellen übertragen. (3) Auch abgesehen von den Fällen des Absatzes 1 ist ein Ersuchen dem Generalstaatsanwalt zur Entscheidung vorzulegen, wenn sich Bedenken gegen die Gewährung der Rechtsoder Amtshilfe ergeben. 1. Umfang der Genehmigungsbedürftigkeit, a) § 3 will die Einhaltung der Grundsätze des § 2 Abs. 1 dadurch gewährleisten, daß er bei allen Ersuchen, deren Ausführung nach den gemachten Erfahrungen in besonderem Maße zu Gefahren der in § 2 Abs. 1 bezeichneten Art führen kann, eine vorgängige Genehmigung des Generalstaatsanwalts vorschreibt. Ohne Bedeutung ist, an welche Behörde das Rechts- oder Amtshilfeersuchen gerichtet ist. Unter § 3 Abs. 1 fällt z. B. eine in einer Strafsache an ein städtisches Einwohnermeldeamt oder den Bürgermeister einer Gemeinde gerichtete Anfrage nach dem Aufenthalt eines Beschuldigten oder Zeugen („Auskunft über einen Beschuldigten oder Zeugen"). Ersuchen um Verhaftung sind auch Ersuchen an die Polizeibehörden um Ausschreibung im Fahndungsbuch; sie bezwecken entweder die Ergreifung aufgrund eines Haftbefehls der D D R oder die vorläufige Festnahme zwecks Erlassens eines Haftbefehls; bei der Genehmigung solcher Ausschreibungsersuchen trifft der nach § 3 Abs. 2 örtlich zuständige Generalstaatsanwalt in der Regel zugleich die Entscheidung über die Zulässigkeit der Verhaftung, die dann nach § 1 6 für die Gerichte und Behörden des Ergreifungsorts bindend ist (ebenso Z o r n , Das Deutsche Bundesrecht II B 71 Anm. 3 zu §3). Eine gerichtliche Entscheidung i. S. des Absatz 1 ist auch der rechtskräftige Strafbescheid einer Verwaltungsbehörde (vgl. dazu Anm. 2 b zu § 15). b) Ist die Genehmigung erteilt, so ist eine selbständige Nachprüfung der die Rechtsoder Amtshilfe leistenden Stelle, ob Verbotsgründe nach § 2 vorliegen, ausgeschlossen, unbeschadet ihrer Pflicht, die genehmigende Stelle auf nachträglich hervortretende Bedenken aufmerksam zu machen (vgl. Anm. 1 zu § 1). Bei Ersuchen um Vernehmung von Beschuldigten und Zeugen kann sich der Generalstaatsanwalt auch die abschließende Genehmigung in der Weise vorbehalten, daß er sie erst trifft, wenn ihm die Niederschrift vorliegt. 2. Ausgenommen von der Genehmigungsbedürftigkeit sind nur die nicht in Absatz 1 aufgeführten Ersuchen, z. B. um Beschlagnahme und Durchsuchung, und — kraft ausdrücklicher Bestimmung in Absatz 1 — um Auskunft aus dem Bundeszentralregister. Bei diesen Maßnahmen sind im allgemeinen keine nachteiligen Folgen für den Betroffenen zu befürchten. Wenn sich jedoch Bedenken der in § 2 Abs. 1 bezeichneten Art ergeben, hat die ersuchte Stelle nach Absatz 3 das Ersuchen dem Generalstaatsanwalt zur Entscheidung vorzulegen. Ob Bedenken bestehen, entscheidet die ersuchte Stelle; Bedenken, die der Verfolgte oder ein vermeintlich Betroffener geltend macht, haben nur die Bedeutung einer Anregung. 3. Die örtliche Zuständigkeit des Generalstaatsanwalts richtet sich nach Absatz 2 danach, in welchem Bezirk die Rechts- oder Amtshilfe geleistet werden soll, d. h. in welchem Bezirk die Behörde liegt, der die Leistung der Unterstützung obliegt (vgl. Anm. 4 a zu § 158 GVG). Kraft der bindenden Wirkung der Genehmigung (§ 16) bedarf es keiner erneuten Entscheidung eines anderen Generalstaatsanwalts, wenn das Amtsgericht ein Rechtshilfeersuchen gem. § 158 Abs. 2 GVG wegen örtlicher Unzuständigkeit an das Amtsgericht eines anderen Oberlandesgerichtsbezirks abgibt oder wenn die Durchführung einer genehmigten Maßnahme unter Mitwirkung von Behörden außerhalb des Oberlandesgerichtsbezirks erfolgt (vgl. oben Anm. 1 und Begr. zu § 3 RegEntw.).

*) an die Stelle des Strafregisters ist das Bundeszentralregister getreten (§ 69 B Z R G vom 18. 3. 1971, BGBl. I 243).

3160

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen § 4. Verfahren des Generalstaatsanwalts (1) Vor Erteilung der Genehmigung ist der Betroffene zu hören, wenn um seine Zulieferung oder Zuführung oder um die Vollstreckung einer Strafe, Maßregel der Sicherung und Besserung, Nebenstrafe oder sonstigen Folgen einer Verurteilung ersucht wird. (2) In den übrigen Fällen soll der Betroffene gehört werden, wenn es zur Entscheidung über das Ersuchen oder zur Verhütung von Nachteilen geboten ist, die über die gewöhnlichen Folgen der Rechts- oder Amtshiife hinauszugehen. (3) Ist der Betroffene zum Zwecke der Durchführung eines Ersuchens nach Absatz 1 verhaftet worden, so ist die Anhörung alsbald nach der Verhaftung nachzuholen und über die Fortdauer der Haft zu entscheiden. Handelt es sich um Untersuchungshaft, so ist der Verhaftete außerdem unverzüglich, spätestens am Tage nach der Ergreifung, dem nächsten Amtsrichter vorzuführen; § 115 Abs. 2 und 3 sowie § 115 a Abs. 2 Satz 3 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend. (7) Der Betroffene kann sich eines Rechtsanwalts bedienen. Diesem ist Einsicht in die Akten zu gestatten, soweit der Betroffene ein berechtigtes Interesse daran hat und nicht durch die Einsicht der Zweck der Untersuchung oder der Prüfung gefährdet wird. Ist der Betroffene ein Beschuldigter, so gilt § 147 der Strafprozeßordnung. (5) Die Verfügung des Generalstaatsanwalts soll dem Betroffenen schriftlich bekanntgemacht werden. Sie ist ihm zuzustellen, wenn in den Fällen des Absatzes 1 die Rechtsoder Amtshilfe genehmigt wird. Ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 5) zulässig, so ist der Betroffene in der Verfügung über sein Recht sowie über Frist und Form des Antrags zu belehren. Spätere Änderungen: Die Fassung des § 4 Abs. 3 letzter Halbsatz beruht auf Art. 12 des StPÄG vom 19. 12. 1964 (BGBl. I 1067). 1. Die Absätze 1—4 regeln die Rechtsgarantien des Betroffenen (vgl. über diesen Begriff Anm. 6 zu § 2) im Genehmigungsverfahren. Es bedurfte hier besonderer Vorschriften, da es allgemein anwendbare Vorschriften der StPO in diesem Verfahren, in dem der Generalstaatsanwalt zu einer formellen (§ 5 Abs. 1) und teilweise auch der materiellen Rechtskraft (§ 9 Abs. 2) fähigen Entscheidung („abschließende Verfügung", § 16) berufen ist, nicht gibt. 2. Zu Absatz 1, 2. a) Nach Absatz 1 besteht eine Anhörungspflicht, wenn es sich um die Genehmigung eines Ersuchens um Zulieferung (d. h. endgültige körperliche Überstellung, vgl. Anm. 5 zu § 2), Zuführung (d. h. Uberstellung unter dem Versprechen der Rücküberstellung), um die Vollstreckung einer Strafe, einer Maßregel der Sicherung und Besserung, einer Nebenstrafe oder einer sonstigen Folge, die eines besonderen Vollziehungsaktes bedarf — etwa Buße oder Wertersatz — handelt. Die Anhörung muß einer Genehmigung vorangehen („vor der Genehmigung"); eine Ablehnung des Ersuchens ist auch ohne Anhörung zulässig. Die Anhörungspflicht ist hier ausgesprochen, weil ein Eingriff in die Freiheit der Person oder sonstige Rechte in besonders empfindlicher Weise in Frage steht. Betroffener ist der Beschuldigte, gegen den in der D D R ein Verfahren betrieben wird, der dort Verurteilte, wenn um Vollstreckung im Bundesgebiet oder Zulieferung zur Vollstreckung in der DDR ersucht wird, und der Zeuge, dessen Zuführung zwecks Vernehmung oder Gegenüberstellung verlangt wird (§ 2 Abs. 4). Die Pflicht zu vorheriger Anhörung ist eine unbedingte (Ausnahme Abs. 3). Ist also eine Anhörung, gleichviel aus welchen Gründen, nicht möglich, so ist zwar eine Ablehnung, keinesfalls aber eine Genehmigung des Ersuchens möglich. Anhörung bedeutet auch hier nichts weiter als: Gelegenheit zur Äußerung geben; insbes. ist eine mündliche Anhörung nicht vorgeschrieben. Erteilung der Genehmigung ohne Anhörung begründet die Anfechtbarkeit der Verfügung nach § 5 Abs. 1 und rechtfertigt, wenn dieser Weg nicht beschritten wird, das Verlangen nach erneuter Entscheidung gemäß § 9 Abs. 2. — Im übrigen trifft der Generalstaatsanwalt von Amts wegen die nötigen Ermittlungen, er kann Zeugen hören oder im Wege der Amtshilfe durch die Polizei oder einen Staatsanwalt vernehmen lassen, auch eine eidliche richterliche Vernehmung eines Zeugen in entsprechender Anwendung der §§ 65, 162 StPO beantragen. b) In den übrigen Fällen eines nach § 3 Abs. 1, 3 genehmigungsbedürftigen Ersuchens soll nach Absatz 2 unter den dort genannten Voraussetzungen der Betroffene gehört werden. 3161

§ 4

Anhang (Schäfer)

Anm. 3, 4 Eine Anhörungsp77/c/!/ konnte hier schon deshalb nicht ausgesprochen werden, weil der Kreis der Betroffenen nicht ohne weiteres übersehbar ist. D a es sich nur um eine Soll-Vorschrift handelt, kann der Generalstaatsanwalt von einer an sich möglichen Anhörung absehen, wenn nach seinem pflichtmäßigen Ermessen gewichtige Gründe einer Anhörung entgegenstehen, z. B. wenn durch sie der Untersuchungszweck gefährdet würde (ebenso Begr. zu § 4 RegEntw.), denn die rechtmäßige Verfolgung wirklicher krimineller Verfehlungen darf nicht behindert oder erschwert werden. Unterbleibt die Anhörung, so ist der Generalstaatsanwalt zu einer Änderung seiner Verfügung in der Lage, wenn der Betroffene nachträglich berechtigte Einwendungen erhebt, z. B. der Zeuge nach der durchgeführten Vernehmung, aber vor Absendung der Niederschrift. 3. Zu Absatz 3. Vor einer Verhaftung zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zwecks Durchführung eines Ersuchens nach Absatz 1 ist eine vorherige Anhörung des Betroffenen der Natur der Sache nach ausgeschlossen, weil er, durch die Mitteilung des Ersuchens gewarnt, sich einer rechtmäßigen Verfolgung oder Vollstreckung entziehen könnte. In diesem Fall hat der Generalstaatsanwalt alsbald, d. h. so rasch, als es nach Lage der Sache möglich ist, die Anhörung nachzuholen und über die Haftfortdauer zu entscheiden; lehnt er die Entlassung ab, so kann der Verhaftete schon vor der Entscheidung des Generalstaatsanwalts über die Gewährung der Rechts- oder Amtshilfe die Entscheidung des Oberlandesgerichts herbeiführen (§ 5 Abs. 2). Handelt es sich um Untersuchungshaft, so ist in Befolgung des Art. 104 Abs. 3 G G der Verhaftete außerdem von Amts wegen unverzüglich, spätestens am Tage nach der Ergreifung, dem nächsten Amtsrichter vorzuführen, der ihn nach Maßgabe des § 115 Abs. 2, 3 StPO zu vernehmen, die Rechtmäßigkeit des Haftbefehls der D D R jedoch nicht zu prüfen hat, sondern zur Freilassung nur befugt ist, wenn sich herausstellt, daß der Haftbefehl aufgehoben oder der Ergriffene nicht die im Haftbefehl bezeichnete Person ist (§ 4 Abs. 3 Satz 2 i. Verb, mit § 115 a Abs. 2 Satz 3 StPO). Vgl. im übrigen § 5 Abs. 3 und Anm. 3 b zu § 5. 4. Zu Absatz 4. a) Z u Satz 1, 2. Jeder Betroffene kann sich zur Wahrnehmung seiner Rechte, d. h. zur Geltendmachung seiner Gründe gegen die Zulässigkeit der Rechts- oder Amtshilfe eines Rechtsanwalts bedienen. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts von Amts wegen ist — anders als im gerichtlichen Verfahren (§ 7 Abs. 2) — im Verfahren vor dem Generalstaatsanwalt nicht vorgesehen. Der gewählte Rechtsanwalt muß bei einem deutschen Gericht (vgl. § 138 Abs. 1 StPO), aber nicht notwendig bei einem solchen in der B R D zugelassen sein. Ein Akteneinsichtsrecht hat der Rechtsanwalt nur a) soweit der Betroffene ein berechtigtes Interesse daran hat und b) soweit nicht durch die Einsicht der Zweck der Untersuchung oder der Prüfung gefährdet wird. Die letztere Einschränkung knüpft an § 147 Abs. 2 StPO an, wonach dem Verteidiger vor Vermerk des Abschlusses der Ermittlungen ein Akteneinsichtsrecht insoweit zusteht, als der Untersuchungszweck nicht gefährdet wird. Die in § 4 Abs. 4 vorgesehene weitere Beschränkung des Akteneinsichtsrechts durch das Erfordernis eines berechtigten Interesses des Betroffenen beruht auf der Erwägung, es könne „nur so verhindert werden, daß z. B. durch eine Akteneinsicht eines von einem gefahrlichen Dritten beauftragten Rechtsanwalts möglicherweise wichtige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen verletzt werden" (Begr. zu § 4 RegEntw.); das kommt nur in den Fällen des § 4 Abs. 2 in Betracht. b) Zu Satz 3. Für den Fall, daß der Betroffene Beschuldigter ist, verweist Satz 3 auf § 147 StPO. Der Sinn der Verweisung ist nicht ganz eindeutig. Offenbar ist es nicht Zweck der Vorschrift, dem beauftragten Rechtsanwalt ein je nach dem Stand des Strafverfahrens in der D D R abgestuftes Akteneinsichtsrecht zuzubilligen, denn es handelt sich j a nicht um die Verteidigung des Beschuldigten in dem außerhalb der Bundesrepublik anhängigen Verfahren, sondern um die Wahrnehmung der Rechte des Beschuldigten in dem bei dem Generalstaatsanwalt anhängigen Prüfungsverfahrens, das lediglich die Zulässigkeit der Gewährung von Rechts- oder Amtshilfe zum Gegenstand hat. Wenn also Satz 2 des Absatzes 4 an § 147 Abs. 2 StPO anknüpft, so muß die mit Satz 3 bezweckte Erweiterung des Akteneinsichtsrechts wohl so verstanden werden, daß der Rechtsanwalt des Beschuldigten'in dem Umfang ein Einsichtsrecht hat, wie ein Verteidiger vor Vermerk des Abschlusses der Ermittlungen, also soweit der Untersuchungs- und Prüfungszweck nicht gefährdet wird und daß außerdem die Absätze 3 3162

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§4 Anm. 5, 6

(unbedingtes Einsichtsrecht in die Protokolle über eine Vernehmung des Beschuldigten) und 4 (Zulässigkeit einer Aktenübergabe zwecks Mitnahme in Wohnung oder Geschäftsräume des Rechtsanwalts) entsprechend anzuwenden sind. Die Bedeutung des Satzes 3 besteht dann hauptsächlich darin, daß das Erfordernis eines berechtigten Interesses des Beschuldigten an der Akteneinsicht entfällt, weil er immer ein berechtigtes Interesse hat (so wohl auch Z o r n , „Das Deutsche Bundesrecht" II B 71 Anm. 10 zu § 4 und D a l c k e - ( F u h r m a n n ) Anm. 12 zu § 4). Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht steht dem beauftragten oder dem nach § 7 Abs. 2 beigeordneten Rechtsanwalt eines Beschuldigten dann folgerichtig das Akteneinsichtsrecht in dem Umfang zu wie einem Verteidiger nach Vermerk des Abschlusses der Ermittlungen gemäß § 147 Abs. 1, 2 (vgl. auch § 32 Abs. 3 Satz 1 DAG). Im übrigen ist § 4 Abs. 4 Satz 3 lex specialis in dem Sinn, daß ein etwa in dem DDR-Verfahren zum Verteidiger bestellter Rechtsanwalt kein weitergehendes Akteneinsichtsrecht hat. — Ist der Beschuldigte in Haft, so steht dem Rechtsanwalt auch, wenngleich § 4 Abs. 4 darüber schweigt, das Recht des schriftlichen und mündlichen Verkehrs mit ihm in dem Umfang zu, wie nach § 148 StPO einem Verteidiger. 5. Z u Absatz 5. a) Bekanntgabe der Verfügung des Generalstaatsanwalts. Ihre Zustellung ist nach Absatz 5 Satz 2 vorgeschrieben, wenn nach § 5 Abs. 1 dagegen gerichtliche Entscheidung beantragt werden kann; unterbleibt hier die Zustellung, so wird die Antragsfrist nicht in Lauf gesetzt. Die Zustellung erfolgt in entsprechender Anwendung (vgl. § 1 Abs. 2) der §§ 37, 145 a StPO. In den übrigen Fällen — also, wenn die Rechts- und Amtshilfe genehmigt wird, ohne daß eine Anfechtung nach § 5 Abs. 1 zulässig ist, wenn ein genehmigungsbedürftiges Ersuchen abgelehnt wird und wenn der Generalstaatsanwalt nach § 4 Abs. 3 Satz 1 über die Haftfortdauer entschieden hat — wird die Verfügung dem Betroffenen (formlos) schriftlich bekannt gemacht, denn er hat in der Regel auch im Fall der Ablehnung ein berechtigtes Interesse daran, über den Ausgang des Prüfungsverfahrens unterrichtet zu werden. Diese Bekanntmachung ist jedoch nicht durch Muß-, sondern durch Sollvorschrift vorgeschrieben. Die Sollvorschrift ermöglicht es dem Generalstaatsanwalt, von einer schriftlichen Bekanntmachung abzusehen, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen erhebliche Gründe sie als untunlich erscheinen lassen, z. B. wenn der Betroffene oder dritte Personen durch eine schriftliche Bekanntmachung gefährdet werden würden (Begr. zu § 4 RegEntw.). b) Ist gegen die Verfügung die Anrufung des Oberlandesgerichts nach § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 möglich, so ist nach § 4 Abs. 5 Satz 3 der Betroffene in der Verfügung darüber zu belehren. Die Belehrung bedarf also nach § 4 Abs. 5 Satz 2 in den Fällen des § 5 Abs. 1 der Zustellung, während sie in der nach § 4 Abs. 5 Satz 1 formlos bekannt zu machenden schriftlichen Verfügung enthalten sein muß, wenn der Generalstaatsanwalt im Fall des § 4 Abs. 3 Satz 1 die Entlassung aus der Haft abgelehnt hat. Unterbleibt die Rechtsbehelfsbelehrung im Fall des § 5 Abs. 1, so kann zweifelhaft sein, ob die für gerichtliche Entscheidungen geltenden §§ 35 a, 44 Satz 2 StPO gemäß § 1 Abs. 2 entsprechend anwendbar sind oder ob man in § 172 Abs. 2 Satz 2 StPO, wo ebenfalls die fristgebundene Anrufung des Oberlandesgerichts gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft in Frage steht, eine Vorschrift von allgemeiner Bedeutung zu sehen hat, die überall entsprechend anwendbar ist, wo das Gesetz die fristgebundene Anrufung des Gerichts gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft ermöglicht und die Erteilung einer Rechtsbelehrung vorschreibt. Im ersteren Fall würde die Antragsfrist durch die Zustellung der Genehmigungsverfügung in Lauf gesetzt, dem Betroffenen aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist zu gewähren sein, während im letzteren Fall die Unterlassung der Belehrung bewirken würde, daß die Antragsfrist nicht in Lauf gesetzt wird. Näher liegt die letztere Auffassung. 6. Nachträgliche Abänderung der Verfügung. Im Fall des § 5 Abs. 1 wird, wenn ein fristgemäßer und formgerechter (§ 5 Abs. 4) Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht gestellt wird, die Verfügung des Generalstaatsanwalts abschließend. Eine Änderung ist dann nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 möglich; auch die geänderte Verfügung muß, mit Rechtsbehelfsbelehrung versehen, zugestellt werden, soweit sie den Betroffenen ungünstiger stellt als die frühere, und setzt erneut die Antragsfrist des § 5 Abs. 1 in Lauf. Im übrigen sind Verfügungen des Generalstaatsanwalts — etwa auf Gegenvorstellung oder auf Weisung

3163

§5

Anhang (Schäfer)

Anm. 1—3 des Justizministers aus Anlaß einer Dienstaufsichtsbeschwerde — in Ermangelung einer abweichenden Vorschrift nach allgemeinen Grundsätzen frei abänderbar. Es kann also z. B. der Generalstaatsanwalt, wenn er ein Rechtshilfeersuchen um Vernehmung eines Zeugen genehmigt hat, die Genehmigung in Abänderung seiner Verfügung versagen, wenn sich aus der Zeugenaussage Bedenken i. S. des § 2 Abs. 1 ergeben, und er kann umgekehrt, wenn er ein Ersuchen um Zeugenvernehmung abgelehnt hat, nach nochmaliger Prüfung die Genehmigung erteilen. § 5. Antrag auf gerichtliche Entscheidung (1) Genehmigt der Generalstaatsanwalt in den Fällen des § 4 Abs. 1 die Rechts- oder Amtshilfe ganz oder teilweise, so kann der Betroffene innerhalb einer Woche nach Zustellung der Verfügung gerichtliche Entscheidung beantragen. (2) In dem Falle einer Verhaftung kann der Betroffene bis zur Entscheidung über die Gewährung der Rechts- oder Amtshilfe das Gericht anrufen, wenn der Generalstaatsanwalt die Entlassung ablehnt. (3) § 117 Abs. 1, 3 bis 5 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. (4) Zuständig ist das Oberlandesgericht. Der Antrag ist zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts oder schriftlich bei diesem oder dem Generalstaatsanwalt zu stellen. Spätere Änderungen: Die Fassung des Absatzes 3 beruht auf Art. 12 des StPÄG vom 19. 12. 1964 (BGBl. I 1067). 1. § 5 beruht auf dem Gedanken, daß die Genehmigung der Zulieferung oder Zuführung und der Vollstreckung der Entscheidung eines Gerichts oder des Strafbescheides einer Verwaltungsbehörde (vgl. Anm. 1 zu § 3), mag dem Ersuchen ganz oder nur teilweise (vgl. § 2 Abs. 5) stattgegeben werden, sowie eine Verhaftung nach § 4 Abs. 3 einen schwerwiegenden Eingriff der öffentlichen Gewalt in die Rechtssphäre des Betroffenen darstellt, gegen den nach Art. 19 Abs. 4 GG der Rechtsweg offen stehen muß. 2. Zu Absatz 1. Über den Lauf der Antragsfrist, wenn die in § 4 Abs. 5 Satz 3 vorgeschriebene Belehrung unterblieben ist, vgl. Anm. 5 b zu § 4. Die Frist wird nach § 5 Abs. 4 Satz 2 gewahrt, wenn bis zu ihrem Ablauf der Antrag zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts gestellt wird oder wenn bis dahin ein schriftlicher Antrag bei dem Oberlandesgericht oder dem Generalstaatsanwalt eingeht. Den schriftlichen Antrag kann außer dem Betroffenen selbst auch ein Rechtsanwalt (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 1) oder ein sonstiger Bevollmächtigter stellen. §§ 297, 298, 302 StPO sind entsprechend anwendbar. Dem Generalstaatsanwalt ist es unbenommen, bis zur Befassung des Oberlandesgerichts mit der Sache, also bis zur Abgabe seiner Vorgänge an das Gericht, seine genehmigende Verfügung aufzuheben und die Genehmigung zu versagen (vgl. Anm. 6 zu § 4); dann erübrigt sich eine gerichtliche Entscheidung (ebenso Z o r n , „Das Deutsche Bundesrecht" II B 71 Anm. 2 zu § 9; D a l c k e - F . - S c h . 3; a. M. P o l z i n JR 1954 450, der zu Unrecht aus § 9 Abs. 2 folgert, daß der Generalstaatsanwalt nur seine abschließend gewordene Verfügung aufheben und deshalb nur selbständig entscheiden könne, wenn der Betroffene auf Anregung des Generalstaatsanwalts seinen Antrag zurücknimmt). Der Betroffene kann den Antrag auf gerichtliche Entscheidung bis zu deren Ergehen zurücknehmen; ist mündliche Verhandlung anberaumt (§ 7 Abs.) Satz 2), so schließt nach dem entsprechend anwendbaren § 303 StPO der Beginn der mündlichen Verhandlung die einseitige Zurücknahme des Antrags aus. 3. Zu Absatz 2, 3. a) Ist der Betroffene zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung verhaftet worden und lehnt der Generalstaatsanwalt bei seiner Entscheidung über die Haftfortdauer nach § 4 Abs. 3 Satz 1 die Entlassung ab, so kann auch dagegen der Betroffene die Entscheidung des Oberlandesgerichts beantragen. Und zwar ist der Antrag zulässig bis zu der Entscheidung des Generalstaatsanwalts über die Gewährung der Rechts- oder Amtshilfe. Wird diese nämlich versagt, so ist der Betroffene ohnedies aus der Haft zu entlassen, falls nicht nach § 10 das Verfahren übernommen oder nach § 11 ein neues Verfahren durchgeführt wird. Wird dagegen die Rechts- oder Amtshilfe genehmigt, so kann der Betroffene dagegen nach § 5 Abs. 1 auf gerichtliche Entscheidung antragen und die Nachprüfung der Ver-

3164

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§ 6 Anm. 1 § 7 Anm. 1

fügung des Generalstaatsanwalts umfaßt auch die der Inhaftnahme. Einer Entscheidung über den Antrag aus Absatz 2 bedarf es nicht, wenn der Generalstaatsanwalt nachträglich die Haftentlassung anordnet. b) Handelt es sich um Untersuchungshaft, so wird ferner gemäß Absatz 3 — unabhängig von der Entscheidung des nächsten Amtsrichters nach § 4 Abs. 3 Satz 2 und unabhängig von einem etwaigen Haftprüfungsverfahren durch das zuständige deutsche Gericht außerhalb der Bundesrepublik — das Haftprüfungsverfahren vor dem Oberlandesgericht in entsprechender Anwendung des § 117 StPO durchgeführt. c) § 5 umgrenzt abschließend die primäre Entscheidungsbefugnis des OLG im Fall der Untersuchungshaft. Im übrigen ist es nicht zuständiges Gericht i. S. der §§ 119. 126 StPO. Die Briefkontrolle bei einem aufgrund eines Haftbefehls der D D R einsitzenden Untersuchungshaftgefangenen erfolgt also durch den Generalstaatsanwalt, nicht durch das OLG (OLG Hamm JZ 1958 252 = GA 1958 119). § 6. Aufschub der Rechts- und Amtshilfe (1) Durch die Anrufung des Gerichts wird der Vollzug einer vom Generalstaatsanwalt genehmigten Zulieferung oder Zuführung gehemmt. (2) Im übrigen kann das Gericht oder dessen Vorsitzender anordnen, daß die Rechtsoder Amtshilfe auszusetzen ist. 1. Der frist- und formgerechte Antrag auf gerichtliche Entscheidung aus § 5 Abs. 1 hat kraft Gesetzes hemmende Wirkung, wenn der Generalstaatsanwalt die Zulieferung oder Zuführung genehmigt hat, weil andernfalls durch Ausführung des Ersuchens vor der Entscheidung des Oberlandesgerichts vollendete Tatsachen geschaffen würden. Bei Vollstrekkungsersuchen dagegen steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts oder seines Vorsitzenden, den Vollzug der genehmigenden Verfügung des Generalstaatsanwalts zu hemmen und eine Haftentlassung anzuordnen. § 7. Verfahren vor dem Oberlandesgericht (1) Das Gericht oder in dringenden Fällen dessen Vorsitzender kann Ermittlungen anordnen und Beweiserhebungen selbst oder durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vornehmen. Art und Umfang der Beweiserhebung bestimmt das Gericht. Es kann auch eine mündliche Verhandlung anberaumen; bei einem Ersuchen um Zulieferung ist auf Antrag des Betroffenen nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden. Zeit und Ort der mündlichen Verhandlung sind dem Generalstaatsanwalt und dem Betroffenen bekanntzumachen. (2) Der Vorsitzende ordnet dem Betroffenen unter den Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 der Strafprozeßordnung einen Rechtsanwalt bei. (3) Vor der Entscheidung ist dem Generalstaatsanwalt Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 1. Über das oberlandesgerichtliche Nachpriifungsverfahren im Fall des § 5 Abs. 1 enthalten die §§ 7, 8 nur wenige Vorschriften. Es ist als formloses Beschluß verfahren gestaltet, bei dessen Durchführung dem Gericht ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt worden ist. Wenn die Begr. zu § 7 Abs. 1 Satz 2, wonach das Gericht Art und Umfang der Beweisaufnahme nach freiem Ermessen bestimmt, bemerkt: „Die allgemeinen Grundsätze der Strafprozeßordnung lassen sich nicht ohne weiteres durchführen", so gilt dies auch für die Gestaltung des Verfahrens im übrigen. Soweit die Ermittlungen des Generalstaatsanwalts ergänzungsbedürftig erscheinen, insbes. im Hinblick auf die Einwendungen der Betroffenen, ordnet das Gericht Ermittlungen an; die Durchführung einer solchen Anordnung obliegt dem Generalstaatsanwalt (§ 36 StPO). Nur in dringenden Fällen kann der Vorsitzende allein einen Aufklärungsbeschluß erlassen. Das Gericht kann ferner richterliche Beweiserhebungen (durch Vernehmung des Beschuldigten oder von Zeugen usw.) selbst vornehmen öder durch ein Mitglied des Senats („beauftragten Richter") oder einen ersuchten Richter (§§ 156, 157 GVG) vornehmen lassen. Der Betroffene oder der von ihm bestellte oder ihm nach § 7 Abs. 2 beigeordnete 3165

§ 7 Anm. 2, 3 § 8 Anm. 1

Anhang (Schäfer)

Rechtsanwalt hat kein Recht auf Anwesenheit. Da das Gericht nicht nur (wie nach § 384 Abs. 3 StPO) über den Umfang, sondern auch über die Art der Beweiserhebung nach freiem Ermessen bestimmt, kann es unabhängig von §§ 62, 65, 66 StPO Zeugen insoweit beeidigen oder ihre Beeidigung anordnen, als es dies für erforderlich hält. Es kann auch von Amts wegen und ohne Bindung an Anträge des Betroffenen oder des Generalstaatsanwalts eine mündliche Verhandlung anordnen. Handelt es sich aber um ein vom Generalstaatsanwalt genehmigtes Ersuchen um Zulieferung, so muß es nach Halbsatz 2 des Abs. 1 Satz 3 auf Antrag des Betroffenen eine mündliche Verhandlung anberaumen; der Antrag kann jederzeit bis zur Entscheidung gestellt werden. Auch bei mündlicher Verhandlung entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen über Art und Umfang einer Beweiserhebung und über die sonstige Durchführung der mündlichen Verhandlung. Öffentlichkeit der Verhandlung (§§ 169 ff. GVG) ist nicht erforderlich; sie könnte zu einer Gefährdung der Belange des Betroffenen führen (vgl. auch § 8 Abs. 1 Satz 3). Aus Absatz 1 Satz 4, wonach Zeit und Ort der mündlichen Verhandlung dem Generalstaatsanwalt und dem Betroffenen bekanntzumachen sind, ergibt sich, daß ihnen (und dem nach § 4 Abs. 4 Satz 1 bestellten oder nach § 7 Abs. 2 beigeordneten Rechtsanwalt), wenn sie erscheinen, das Recht auf Anwesenheit zusteht und ihnen Gelegenheit zu geben ist, sich zur Sache zu äußern, doch ist weder die Anwesenheit der Staatsanwaltschaft noch die des Betroffenen oder seines Rechtsanwalts erforderlich. Den Betroffenen, dessen Erscheinen es als zur Aufklärung erforderlich ansieht, kann das Gericht vorführen lassen. Die Aufnahme eines Protokolls über die mündliche Verhandlung ist — abweichend z. B. von § 26 Abs. 3 letzter Satz D A G — ebensowenig vorgeschrieben wie die Zuziehung eines Protokollführers. Auch nach mündlicher Verhandlung ergeht die Entscheidung durch Beschluß (§ 8 Abs. 1), der am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet, aber auch schriftlich erlassen werden kann, insbes. wenn das Gericht nach dem Ergebnis der Verhandlung zu weiteren Ermittlungen oder Beweiserhebungen findet. 2. Zu Absatz 2. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts erübrigt sich, wenn der Betroffene einen Rechtsanwalt bestellt hat (§ 4 Abs. 4 Satz 1). Der beigeordnete Rechtsanwalt erhält Gebühren aus der Staatskasse (§ 19). Über das Akteneinsichtsrecht des (bestellten oder beigeordneten) Rechtsanwalts s. Anm. 4 zu § 4. 3. Zu Absatz 3. Findet mündliche Verhandlung statt und ergeht die Entscheidung in dieser oder (ohne weitere Ermittlungen) im Anschluß an sie, so ist dem Absatz 3 dadurch genügt, daß dem Generalstaatsanwalt nach Absatz 1 Satz 4 Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung bekanntgemacht wird. Die Anhörung des Generalstaatsanwalts vor der endgültigen Entscheidung entspricht im übrigen dem Grundsatz des § 33 StPO. Eine entsprechende Anhörung des Betroffenen, wenn keine mündliche Verhandlung stattfindet, ist zwar nicht vorgeschrieben. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gebietet aber, daß das Gericht seine Entscheidung auf neue, dem Betroffenen ungünstige Tatsachen, die sich aus den angestellten Ermittlungen und aus der Anhörung des Generalstaatsanwalts ergeben, nur stützen darf, nachdem zuvor der Betroffene gehört ist (vgl. § 33 Abs. 3 StPO). § 8. Entscheidung des Gerichts (1) Das Gericht entscheidet über die Zulässigkeit der Rechts- oder Amtshilfe durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Eine schriftliche Begründung erfolgt nicht, jedoch sind die Gründe der Entscheidung aktenkundig zu machen. (2) In den Fällen des § 2 Abs. 5 setzt das Gericht Art und Dauer der zu vollstreckenden Strafe fest. 1. a) Bei Rechts- und Amtshilfeersuchen um Zulieferung oder Zuführung lautet die Entscheidung des Oberlandesgerichts, wenn es gegen die genehmigende Verfügung des Generalstaatsanwalts weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Beziehung Bedenken hat, auf Zurückweisung des Antrags als unbegründet, andernfalls auf Erklärung, daß die Rechts- oder Amtshilfe unzulässig sei unter Aufhebung der Verfügung des Generalstaatsanwalts. b) Bei Vollstreckungsersuchen kommt als weitere Möglichkeit hinzu, daß es eine vom Generalstaatsanwalt in vollem Umfang genehmigte Hilfe nur zum Teil als zulässig ansieht (§ 2 Abs. 5) oder daß es, wenn bereits der Generalstaatsanwalt das Ersuchen nur in einge3166

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§ 8 Anm. 2, 3 § 9 Anm. 1

schränkter Form genehmigt hatte, eine weitere Einschränkung fiir erforderlich hält; in diesen Fällen setzt — was sich bereits aus § 8 Abs. 1 Satz 1 ergeben hätte, der Verdeutlichung halber aber ausdrücklich ausgesprochen ist — das Oberlandesgericht nach § 8 Abs. 2 „Art und Dauer der zu vollstreckenden Strafe fest". Diese Fassung bringt deutlicher als die des § 2 Abs. 5 zum Ausdruck, daß es sich bei der Entscheidung, die die Vollstreckungsfahigkeit einer außerhalb der Bundesrepublik ergangenen Verurteilung einengt, in Wahrheit darum handelt, daß für den Bereich der Bundesrepublik die DDR-Entscheidung im Strafausspruch durch eine neue ersetzt wird (vgl. Anm. 8 b zu § 2). Der Begriff der zu vollstreckenden „Strafe" umfaßt auch hier Inhalt und Wirkung der DDR-Entscheidung in dem in § 4 Abs. 1 bezeichneten Umfang (vgl. Anm. 8 a zu § 2). Hat bereits der Generalstaatsanwalt die Vollstreckung nur in eingeschränktem Umfang genehmigt und begehrt der Betroffene mit seinem Antrag aus § 5 Abs. 1 eine Unzulässigkeitserklärung in weiterem oder in vollem Umfang (z. B. durch Fortfall der Anordnung eines Berufsverbots, nachdem der Generalstaatsanwalt eine Herabsetzung der Hauptstrafe angeordnet hatte), so kann das Oberlandesgericht die Verfügung des Generalstaatsanwalts nicht zuungunsten des Betroffenen ändern (ebenso D a l c k e - F - S c h 1). Die Begr. zu § 8 RegEntw. bemerkt; „In den Fällen des § 2 Abs. 5 bestimmt das Gericht Art und Dauer der zu vollstrekkenden Strafe, ohne an die Anträge des Verurteilten oder an eine vom Generalstaatsanwalt bereits zu seinen Gunsten getroffene Verfügung gebunden zu sein." Wenn dies dahin zu verstehen sein sollte, daß die genehmigende Verfügung des Generalstaatsanwalts zum Nachteil des Verurteilten abänderbar sei, so könnte dieser Auffassung, die im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden hat, nicht zugestimmt werden. Das Verbot der reformatio in peius ist ein allgemeiner strafverfahrensrechtlicher Grundsatz, der auch im vorliegenden Gesetz ( § 1 1 Abs. 3) anerkannt ist. Wo das Gesetz Ausnahmen zugelassen hat — aber dann ausdrücklich (vgl. § 411 Abs. 3 StPO) — beruhen sie auf der Erwägung, daß eine vorläufige Festsetzung in einem summarischen Verfahren unbeachtlich sei, wenn sie nach dem Ergebnis einer Hauptverhandlung ungerechtfertigt ist, eine Erwägung, die im vorliegenden Fall nicht Platz greift. A. M. N ü s e , JR 1956 438, wonach das Verschlechterungsverbot stets nur auf ausdrückliche Bestimmung gilt, an der es hier fehle. 2. Zu Absatz 1 Satz 3 bemerkt die Begr. zu § 8 RegEntw.: „Eine schriftliche Begründung soll nicht erfolgen, um nicht etwa dadurch den Betroffenen bei der Ablehnung seines Antrags zu gefährden. Mit Rücksicht auf die in § 9 vorgesehene Möglichkeit einer erneuten Entscheidung des Gerichts erscheint es jedoch geboten, die Gründe der Entscheidung aktenkundig zu machen." Daraus folgt, daß der Ausschluß einer schriftlichen Begründung — eine mündliche Begründung wenn der Beschluß in einer mündlichen Verhandlung verkündet wird, ist nie ausgeschlossen — nur insoweit reicht, als eine Gefährdung des Betroffenen durch Ausführungen in der Begründung zu besorgen ist. Das ist bei der allgemeinen Erörterung von Rechtsfragen, die die Auslegung des Gesetzes zum Gegenstand haben, nicht der Fall. Insoweit gilt daher nach der ratio legis das Begründungsverbot nicht (ebenso OLG Köln NJW 1954 571). 3. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist den Beteiligten bekanntzumachen (vgl. § 35 StPO). Vgl. ferner §§ 13, 17. § 9. Erneute Entscheidung (1) Werden nach der Entscheidung des Gerichts neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht, die allein oder in Verbindung mit den früher vorgebrachten Beweisen oder durchgeführten Ermittlungen eine wesentlich andere Entscheidung zu begründen geeignet sind, so hat das Gericht auf Antrag des Generalstaatsanwalts oder des Betroffenen erneut zu entscheiden. (2) Hat der Generalstaatsanwalt abschließend entschieden, so hat er unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 zu prüfen, ob Anlaß besteht, seine Verfügung aufzuheben oder zu ändern. 1. a) § 9 Abs. 1, der sich im Wortlaut an § 359 Nr. 5 StPO anlehnt, läßt unter den dort bezeichneten Voraussetzungen trotz Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Oberlandesgerichts (§ 8 Abs. 1 Satz 2) eine erneute gerichtliche Nachprüfung zu. Voraussetzung ist ein

3167

§9

Anhang (Schäfer)

Anm. 2 Antrag des Generalstaatsanwalts oder des Betroffenen. Der Antrag ist an keine Frist gebunden; der Betroffene wird ihn in der Form des § 5 Abs. 4 zu stellen haben. Hemmende Wirkung kann dem Antrag des Betroffenen auch bei Genehmigung einer Zulieferung oder Zuführung — anders als nach § 6 Abs. 1 — nicht zukommen, sonst hätte es der Betroffene in der Hand, durch stets erneute Anträge die Durchführung der gerichtlich genehmigten Hilfe unmöglich zu machen; dagegen ist § 6 Abs. 2 entsprechend anwendbar. Ein Antrag des Betroffenen wird daher gegenstandslos, wenn inzwischen die Zulieferung oder Zuführung bereits durchgeführt ist. Dagegen schließt die Durchführung einer genehmigten Strafvollstrekkung den Änderungsantrag nicht aus, da der Verurteilte wegen der zentralregistermäßigen Auswirkungen einer Entscheidung, die die Strafvollstreckung nachträglich für unzulässig erklärt (§13 Abs. 2 Satz 2), auch nach beendeter Vollstreckung ein Interesse an nachträglicher Unzulässigkeitserklärung haben kann und das selbständige Antragsrecht nach § 15 hier ausgeschlossen ist (vgl. Anm. 3 c zu § 15). b) Der Antrag des Generalstaatsanwalts kann auf eine Abänderung der Entscheidung zugunsten wie zuungunsten des Betroffenen abzielen. Hat der Betroffene oder zu seinen Gunsten der Generalstaatsanwalt den Antrag gestellt, so ist nach dem entsprechend anwendbaren § 373 Abs. 2 StPO eine Abänderung des Beschlusses zum Nachteil des Betroffenen ausgeschlossen. Führt ein Antrag des Generalstaatsanwalts dazu, daß ein Beschluß, durch den eine Strafvollstreckung für unzulässig erklärt worden war, aufgehoben und die Strafvollstreckung ganz oder teilweise (§ 8 Abs. 2) für zulässig erklärt wird, so ist der nach § 13 Abs. 2 getilgte Registervermerk wieder einzutragen —. Für das Verfahren des Oberlandesgerichts gelten die §§ 6—8. c) § 9 ist — wenn nicht unmittelbar (so BVerfGE 12 338), so doch mindestens entsprechend (OLG Schleswig SchlHA 1961 273; P r e i s er NJW 1962 844; S c h o r n DRiZ 1963 55; a. M. OLG Düsseldorf NJW 1962 881) — auch anwendbar gegenüber Entscheidungen, die von der Rechtsstaatsgemäßheit einer DDR-Strafnorm ausgingen, wenn (auf Verfassungsbeschwerde) das BVerfG die Unzulässigkeit der Vollstreckung ausspricht, weil die Norm rechtsstaatswidrig sei (vgl. dazu näher Einleitung S. 199). Eine Verweisung auf den Gnadenweg kommt hier nicht in Betracht, weil gegenüber DDR-Urteilen eine Gnadenzuständigkeit in der Bundesrepublik nicht begründet ist ( P o p p e NJW 1961 1442). 2. a) Ist die Genehmigungsverfiigung des Generalstaatsanwalts dadurch abschließend geworden, daß der Betroffene nicht frist- und formgerecht gerichtliche Entscheidung beantragt (§ 5 Abs. 1) oder seinen Antrag zulässigerweise zurückgenommen hat (vgl. Anm. 2 zu § 5), so ist auch der Generalstaatsanwalt zu erneuter Entscheidung zugunsten oder bei Teilgenehmigung zuungunsten des Betroffenen verpflichtet, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel der in Absatz 1 bezeichneten Art anfallen. Zu einer Abänderung zugunsten des Betroffenen bedarf es keines Antrags. Der Generalstaatsanwalt wird, wenn (auch ohne Zutun des Betroffenen) neue Umstände hervortreten, von Amts wegen tätig, und ein Antrag des Betroffenen hat nur die Bedeutung einer Anregung. Ändert der Generalstaatsanwalt seine Verfügung zum Nachteil des Betroffenen ab, so erwächst dem Betroffenen das Recht des Antrags auf gerichtliche Entscheidung (§ 5 Abs. 1). Eine Abänderung der abschließend gewordenen Verfügung des Generalstaatsanwalts, ohne daß neue Umstände der in Abs. 1 genannten Art hervortreten ist nicht zulässig, und auch eine dahingehende Weisung des Justizministers (etwa auf Dienstaufsichtsbeschwerde hin) wäre unzulässig. b) Absatz 2 bezieht sich nur auf den Fall, daß eine nach § 5 Abs. 1 anfechtbare, aber nicht angefochtene Verfügung des Generalstaatsanwalts, also eine das Ersuchen ganz oder teilweise genehmigende Verfügung vorliegt. Absatz 2 gilt also nicht, wenn der Generalstaatsanwalt eine Genehmigung um Zulieferung, Zuführung oder Strafvollstreckung gänzlich versagt hat. Eine solche Verfügung ist — unter Beachtung des § 4 — frei abänderbar (vgl. Anm. 6 zu § 4) und macht die abändernde Verfügung nach § 5 Abs. 1 anfechtbar. Das bedeutet auch hier (vgl. Anm. 1), daß ein Vermerk über eine Strafe, die im Zentralregister getilgt worden war, weil der Generalstaatsanwalt die Genehmigung zur Strafvollstreckung versagt hatte (§13 Abs. 2 Satz 2), wieder einzutragen ist, wenn die neue Verfügung des Generalstaatsanwalts die Vollstreckung (ganz oder teilweise) genehmigt und diese Verfügung, weil sie nicht angefochten wird, abschließend wird.

3168

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§ 10 Anm. 1 , 2

§ 10. Übernahme des Verfahrens ( 1 ) D a s Verfahren ist im Geltungsbereich dieses Gesetzes nach den in diesem Gebiet geltenden Vorschriften durchzuführen, wenn 1. die Zulieferung oder Zuführung zum Zweck der Strafverfolgung abgelehnt oder 2. ein Zulieferungsersuchen nicht gestellt wird. Die Eröffnung der Untersuchung durch ein Gericht außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes steht dem nicht entgegen. (2) Wenn ein Gericht außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bereits die Untersuchung eröffnet hat, darf die öffentliche Klage erst erhoben werden, nachdem das Oberlandesgericht auf Antrag des Generalstaatsanwalts die Durchführung des Verfahrens im Geltungsbereich dieses Gesetzes für zulässig erklärt hat. Hat das Oberlandesgericht bereits die Zulieferung oder Zuführung für unzulässig erklärt, so liegt hierin die Ermächtigung zur Durchführung des Verfahrens. 1. Grundgedanke der Vorschrift. § 10 beruht auf dem Gedanken, daß die Ahndung strafbaren Unrechts nicht daran scheitern darf, daß die Durchführung eines in der D D R anhängigen Verfahrens infolge Versagung der Zulieferung oder Zuführung des Beschuldigten aus den Gründen des § 2 nicht möglich ist oder allenfalls die Durchführung eines Abwesenheitsverfahrens möglich wäre, dessen Anerkennung wiederum § 2 entgegenstünde. Dem Fall der Versagung der Zulieferung oder Zuführung muß der gleichgestellt werden, daß ein Zulieferungsersuchen überhaupt nicht gestellt wird, insbesondere weil die Behörden der D D R mit seiner Ablehnung rechnen. In diesem Fall wird das anhängige Verfahren in dem Sinne von den Strafverfolgungsbehörden in der Bundesrepublik „übernommen" (vgl. die Uberschrift des § 10), daß ein neues Verfahren nach Maßgabe des in der Bundesrepublik geltenden materiellen und prozessualen Rechts durchgeführt wird. War in der D D R die Untersuchung bereits im Sinn des § 12 Abs. 1 StPO (durch Eröffnung der Voruntersuchung oder des Hauptverfahrens, §§ 184, 203 StPO) eröffnet, so wäre aus dem Gedanken des einheitlichen Rechtspflegegebiets (vgl. Vorbem. 1 vor § 1) abzuleiten, daß damit der Gerichtsstand eines Gerichts der BRD ausgeschlossen ist; eine Übertragung der Untersuchung und Entscheidung auf ein nach den §§ 7 bis 11 StPO zuständiges Gericht im Bereich der Bundesrepublik nach § 12 Abs. 2 StPO durch „das gemeinschaftliche obere Gericht" ist ausgeschlossen, weil es ein solches Gericht nicht gibt. § 10 Abs. I des vorliegenden Gesetzes versagt indessen ausdrücklich der Eröffnung der Untersuchung durch ein Gericht außerhalb des Bundesgebiets die in § 12 Abs. 1 StPO bezeichnete Wirkung; einen Ersatz für die in § 12 Abs. 2 StPO vorgesehene Übertragung durch das gemeinschaftliche obere Gericht bietet § 10 Abs. 2, wonach in dem neuen in der Bundesrepublik eingeleiteten Verfahren die öffentliche Klage nur erhoben werden darf, wenn das Oberlandesgericht die (weitere) Durchführung des Verfahrens für zulässig erklärt hat. Eine entsprechende Regelung trifft § 11 für den Fall, daß die Vollstreckung eines sowjetzonalen Erkenntnisses infolge Versagung der erbetenen Vollstreckungshilfe (oder der Unterlassung eines Vollstreckungshilfeersuchens, z. B. in der Erwartung seiner Ablehnung) unterbleibt, die Tat aber nicht ungesühnt bleiben darf. 2. Voraussetzung für die Durchführung eines Verfahrens in der Bundesrepublik ist a) daß die Zulieferung oder Zuführung (vgl. Anm. 2 zu § 4) zum Zweck der Strafverfolgung abgelehnt wird. Ohne Bedeutung ist, ob die Ablehnung durch Verfügung des Generalstaatsanwalts oder durch das Oberlandesgericht nach Antrag auf gerichtliche Entscheidung ( § § 5 Abs. 1, 8) erfolgte; doch hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts im Hinblick auf § 10 Abs. 2 Satz 2 eine weitergehende Wirkung als die Verfügung des Generalstaatsanwalts. Nur bei Versagung der Zulieferung oder Zuführung des Beschuldigten gilt § 10; die Versagung der Zuführung eines Zeugen oder die Ablehnung sonstiger Rechts- oder Amtshilfeersuchen begründet die Anwendung des § 10 auch dann nicht, wenn dadurch die Durchführung des DDR-Verfahrens unmöglich gemacht werden sollte; b) oder daß ein Zulieferungsersuchen zur Strafverfolgung nicht gestellt wird. Gedacht ist dabei vorzugsweise an den Fall, daß das Ersuchen in der Erwartung seiner Ablehnung aus den Gründen des § 2 Abs. 1 nicht gestellt wird. Die Voraussetzung zu b) ist aber z. B. auch dann gegeben, wenn in dem Verfahren in der D D R eine Einstellung aus rechtsstaats-

3169

§ io

Anhang (Schäfer)

Anm. 3 , 4 widrigen Erwägungen erfolgt sein sollte oder wenn nach an sich ordnungsmäßiger Einstellung neue, die Wiederaufrollung des Verfahrens rechtfertigende Umstände in der Bundesrepublik hervortreten. Dagegen schließt die Niederschlagung des Verfahrens durch ein Amnestiegesetz der D D R die Durchführung eines Verfahrens im Bundesgebiet aus, wenn gemäß § 12 Abs. 1 S t P O ein Gericht der D D R ausschließlich zuständig geworden war (vgl. Anm. 2 c zu § 2, Anm. 3 zu § 11). 3. § 10 hat, da sein Zweck j a darin besteht, die nach § 12 Abs. 1 S t P O begründete Präventionswirkung auszuschließen, konstitutive Bedeutung nur für die Fälle, in denen die Eröffnung der Untersuchung durch ein Gericht außerhalb der Bundesrepublik erfolgt ist. Solange das nicht der Fall ist, schließt weder die Anhängigkeit eines Ermittlungsverfahrens in der D D R noch der Umstand, daß ein in einem solchen Ermittlungsverfahren gestelltes Zulieferungs- oder Zuführungsersuchen abgelehnt worden ist, die Betreibung eines Strafverfahrens nach den allgemeinen Vorschriften durch die Staatsanwaltschaft in der Bundesrepublik aus, in deren Bezirk ein Gerichtsstand nach den §§ 7 bis 11 StPO begründet ist. Denn der Präventionsgrundsatz des § 12 Abs. 1 StPO gilt nicht, wenn mehrere Staatsanwaltschaften örtlich zuständig sind. Für diese Fälle beschränkt sich die Bedeutung des § 10 Abs. 1 auf die Feststellung, daß bei Versagung der Rechts- und Amtshilfe die Staatsanwaltschaft, bei der nach §§ 7ff. StPO eine Zuständigkeit begründet ist und die bisher mit Rücksicht auf das Ermittlungsverfahren in der D D R untätig blieb, nunmehr zur Prüfung der Durchführung eines Verfahrens in der Bundesrepublik gezwungen ist (§ 152 StPO). § 10 hat im Hinblick auf § 12 Abs. 1 S t P O auch keine Bedeutung, wenn bei einem Gericht in der B R D zuerst die Untersuchung eröffnet worden ist und erst später auch ein Gericht der D D R sie eröffnet. Das gilt auch, wenn das DDR-Gericht gegenüber demjenigen in der Bundesrepublik ein Gericht höherer Ordnung ist; ein etwaiger Grundsatz, daß § 12 Abs. 1 S t P O nur eingreife wenn es sich um mehrere örtlich zuständige Gerichte gleicher Ordnung handelt (vgl. Anm. I 2 zu § 12 StPO), gilt hier nicht. § 10 schließt die Anwendbarkeit des Präventionsgrundsatzes des § 12 Abs. 1 S t P O im Verhältnis zu den deutschen Gerichten außerhalb der Bundesrepublik nicht schlechthin aus, verbietet also nicht, daß ein Gericht der Bundesrepublik im Wege der Vereinbarung dem Gericht der D D R , bei dem die Untersuchung zuerst eröffnet worden ist, das weitere Verfahren überläßt. Das gilt aber nicht, wenn die in diesem Verfahren begehrte Zulieferung oder Zuführung des Beschuldigten abgelehnt wird; dann wird das Verfahren bei dem Gericht der Bundesrepublik, das die Untersuchung bereits eröffnet hatte, weiterbetrieben, ohne daß es einer neuen Anklage unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 bedarf. 4. Die „Durchführung" des Verfahrens erfolgt unter Anwendung des in der Bundesrepublik geltenden materiellen und formellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft stellt also das Verfahren ein, wenn der Tatbestand eines in der Bundesrepublik geltenden Strafgesetzes nicht erfüllt, die Tat vielmehr nur nach D D R - R e c h t strafbar ist und eine Ahndung der außerhalb der Bundesrepublik begangenen Tat nach den Grundsätzen des interzonalen Strafrechts ausgeschlossen ist, weil die Anwendung des materiellen Strafrechts der D D R den in der Bundesrepublik herrschenden rechtlichen und sittlichen Grundsätzen widerspricht (vgl. Vorbem. 1 a); a. M.anscheinend Z o r n , „Das Deutsche Bundesrecht" II B 71 Anm. 4 zu §§ 10, 11, wonach das Verfahren a limine einzustellen ist, wenn für die Durchführung des Verfahrens in der Bundesrepublik geltende Strafbestimmungen fehlen; aber die Durchführung des Verfahrens „nach den in diesem Gebiet geltenden Vorschriften" erfordert auch die Anwendung der Grundsätze des interlokalen Strafrechts. Einstellung erfolgt auch, wenn nach dem Recht der Bundesrepublik das in Frage stehende Verhalten nur den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit begründet, da die nach § 37 O W i G örtlich durch Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt des Betroffenen zuständige Verwaltungsbehörde grundsätzlich keine Ahndungsbefugnisse für außerhalb der Bundesrepublik begangene Tatbestandsverwirklichungen hat (§ 4 OWiG). Einstellung erfolgt schließlich auch, wenn die hier zur Verfügung stehenden Beweismittel nicht zur Uberführung ausreichen oder wenn eine Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153 Abs. 2 S t P O ) begründet ist. Die Einstellung kann schon der Generalstaatsanwalt bei der Versagung der Rechts- und Amtshilfe verfügen. Verfahrenshindernisse werden — wiederum nach den Grundsätzen des interzonalen Strafrechts — nach dem in der Bundesrepublik geltenden Recht beurteilt. Eine in der Bundesrepublik angeordnete Nieder3170

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§ 10 Anm. 5

schlagung durch Straffreiheitsgesetz steht also der Durchführung des Verfahrens entgegen (vgl. B G H NJW 1952 1146), dagegen ist eine in der D D R angeordnete Niederschlagung unbeachtlich, wenn sie erfolgt, nachdem — unter Wegfall einer DDR-Gerichtszuständigkeit gemäß § 10 Abs. 1 — ein Gericht der Bundesrepublik durch Eröffnung der Untersuchung ausschließlich zuständig geworden ist (vgl. oben Anm. 2 b, ferner Vorbem. VI 5 b vor § 12 GVG). 5. Die Erhebung der öffentlichen Klage (§ 170 StPO) setzt nach Absatz 2, wenn nicht das OLG, sondern der Generalstaatsanwalt die Zulieferung oder Zuführung abgelehnt hatte oder ein Zulieferungsersuchen überhaupt nicht gestellt war, voraus, daß das OLG auf Antrag des Generalstaatsanwalts die Durchführung des (weiteren) Verfahrens für zulässig erklärt. a) Darüber, unter welchen Voraussetzungen das O L G die Durchführung für zulässig erklären darf oder muß, schweigt das Gesetz. Auch die Begr. zu § 10 RegEntw. gibt darüber keinen Aufschluß. Sie führt aus: „Wenn es auch an einem gemeinschaftlichen oberen Gericht nach § 12 Abs. 2 StPO fehlt, so soll die Fortführung des Verfahrens vom Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage an doch von der Ermächtigung eines oberen Gerichts abhängig sein. § 10 Abs. 2 sieht daher vor, daß das O L G auf Antrag des Generalstaatsanwalts die Durchführung des Verfahrens für zulässig erklärt." Danach würde das O L G eine Entscheidung von der Art zu treffen haben, wie sie nach § 12 Abs. 2 StPO sonst dem gemeinschaftlichen oberen Gericht obliegt. Dieses entscheidet aber nur darüber, ob aus erheblichen Gründen der Zweckmäßigkeit die Übertragung von einem an sich durch Prävention zuständig gewordenen Gericht auf ein anderes Gericht geboten ist (vgl. Anm. III 1 zu § 12), und das Verfahren geht in der bisherigen Verfahrenslage auf das andere Gericht über (vgl. Anm. III 5 aaO.), Gedankengänge, die offensichtlich im Fall des § 10 Abs. 2 nicht passen. N ü s e M D R 1953 457 sieht die ratio des § 10 Abs. 2 darin, daß „in eine richterliche Entscheidung so weitgehend nur durch ein Gericht eingegriffen werden soll". Aber das trifft nicht einmal für § 11 Abs. 2 zu, wo der „Eingriff in die richterliche Entscheidung" (des DDR-Gerichts) bereits praktisch dadurch erfolgt ist, daß die Vollstreckung des DDR-Urteils nicht genehmigt wurde (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 3 Satz 2), geschweige denn für § 10 Abs. 2. Eine Prüfung der Anklageerhebung unter dem Gesichtspunkt der Opportunität ist offenbar nicht Gegenstand der Entscheidung des OLG, wie sich ohne weiteres daraus ergibt, daß der das Zulieferungs- oder Zuführungsersuchen ablehnenden Entscheidung des OLG (vgl. § 8) die Wirkung einer Ermächtigung zur Anklageerhebung beigelegt ist, ohne daß das O L G auf das weitere Verfahren Einfluß hat. Aus dem gleichen Grunde kann die Zulässigkeitserklärung des O L G nicht die nach erhobener Anklage dem eröffnungszuständigen Gericht obliegende Prüfung zum Gegenstand haben, ob der Beschuldigte einer strafbaren Handlung hinreichend verdächtig erscheint (§ 203 StPO). Der Gegenstand der Zulässisigkeitsprüfung ergibt sich vielmehr aus § 10 Abs. 2 Satz 2. Wenn dort einer aus Anlaß eines Zulieferungs- oder Zuführungsersuchens ergehenden Entscheidung, die das Vorliegen von Versagungsgründen nach § 2 Abs. 1 feststellt, die Wirkung einer Ermächtigung zur Erhebung der öffentlichen Klage beigelegt wird, so folgt daraus, daß die Erteilung der isolierten Ermächtigung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 von entsprechenden Feststellungen abhängt. Die Entscheidung des O L G hat also die Frage zum Gegenstand, ob ein rechtfertigender Grund zur Durchbrechung des Präventionsgrundsatzes gegeben ist, weil von dem D D R Gericht eine rechtsstaatsgemäße oder dem Zweck eines Bundesgesetzes nicht widersprechende Durchführung des Verfahrens und Entscheidung nicht zu erwarten ist, oder weil dem Betroffenen erhebliche rechtsstaatswidrige Nachteile außerhalb des Verfahrens (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) drohen. Sollte das O L G diese Frage im Gegensatz zum Generalstaatsanwalt, der das Zulieferungs- oder Zuführungsersuchen abgelehnt hatte, verneinen, so würde er Veranlassung zu einer Überprüfung seiner ablehnenden Verfügung nehmen müssen (vgl. Anm. 6 zu § 4, Anm. 2 b zu § 9). Zu dieser Auffassung muß man kommen, wenn man nicht der Zulässigkeitserklärung des O L G rein formale Bedeutung beimessen will. — Zu eingehenden Ermittlungen und Beweiserhebungen wie im Fall des § 7 ist das O L G nicht verpflichtet; es wird im allgemeinen auf der Grundlage des vom Generalstaatsanwalt vorgelegten Materials entscheiden können, ob genügend Gründe für die Durchbrechung des Präventionsgrundsatzes vorliegen. 3171

§ 11

Anhang (Schäfer)

Anm. 1—3 b) Unterläßt es der Generalstaatsanwalt, den Antrag auf Zulässigkeitserklärung zu stellen, so kann der Betroffenene nicht etwa seinerseits den Antrag stellen; es fehlt nicht nur an einer Rechtsgrundlage hierfür, sondern es entspricht dies auch dem Grundsatz, daß der Beschuldigte keine Recht hat, die Staatsanwaltschaft als die Inhaberin des Anklagemonopols durch Anrufung des Gerichts zur Erhebung der öffentlichen Klage zu zwingen ( O L G Köln NJW 1954 405). § 1 1 . Durchführung eines neuen Verfahrens nach Verurteilung (1) Gegen einen Verurteilten ist im Geltungsbereich dieses Gesetzes nach den in diesem Gebiet geltenden Vorschriften wegen der strafbaren Handlung ein neues Verfahren durchzuführen, wenn 1. weder die Vollstreckung eines Urteils oder einer ihm in der Wirkung gleichstehenden richterlichen Entscheidung noch die zu diesem Zweck verlangte Zulieferung genehmigt oder 2. weder um Vollstreckung eines ergangenen Urteils noch um Zulieferung zu diesem Zweck ersucht wird. Die Rechtskraft der außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ergangenen Entscheidung steht dem nicht entgegen. (2) § 10 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. (3) Art und Höhe der Strafe dürfen in dem neuen Verfahren nicht zum Nachteil des Betroffenen geändert werden. § 373 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. Eine Strafverbüßung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist anzurechnen. Schrifttum: P o l z i n , Strafregisterliche Folgen der Durchführung eines neuen Verfahrens nach § 11 Rechts- und Amtshilfeges., JR 1956 452. 1. Grundgedanke. § 11 sieht in folgerichtiger Ergänzung des dem § 10 zugrunde liegenden Gedankens (vgl. Anm. 1 zu § 10) die Durchführung eines neuen Verfahrens in der Bundesrepublik vor, wenn durch ein DDR-Gericht eine rechtskräftige Verurteilung erfolgte, die Vollstreckung aber infolge Versagung der Vollstreckungshilfe (oder weil ein entsprechendes Ersuchen, z. B. in der Erwartung der Ablehnung überhaupt nicht gestellt wird) unmöglich wird, während andererseits begangenes Unrecht nicht ungesühnt bleiben darf. Während § 10, um die Durchführung des Verfahrens zu ermöglichen, den Prioritätsgrundsatz (§ 12 Abs. 1 StPO) beiseite schieben mußte, erfordert die Durchführung eines neuen Verfahrens trotz rechtskräftiger Aburteilung insoweit die Außerkraftsetzung des Grundsatzes ne bis in idem; dies ist in § 11 Abs. 1 geschehen (vgl. unten Anm. 4), jedoch mit der Maßgabe, daß die Bestrafung in der D D R nicht zum Nachteil des Verurteilten verschärft werden darf (Absatz 3). Im übrigen tritt, wenn es zu einem neuen Urteil kommt, mag es auf Verurteilung, Freisprechung, Absehen von Strafe oder Einstellung lauten, dieses für den Bereich der Bundesrepublik (vgl. § 16) an die Stelle des früheren Urteils. Die Durchbrechung des Grundsatzes ne bis in idem widerspricht nicht dem Art. 103 Abs. 3 G G . Die DDR-Gerichte sind zwar deutsche Gerichte, Art. 103 Abs. 3 G G gilt aber nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur, wenn die frühere Aburteilung durch ein Gericht in der Bundesrepublik erfolgt ist (BVerfGE 12 62 = JZ 1961 420 = BGBl. I 1961 455). 2. Absatz 1 Nr. 1 setzt voraus, daß ein Ersuchen um Vollstreckungshilfe (durch Übernahme der Vollstreckung oder Zulieferung) in vollem Umfang abgelehnt wird. § 11 ist also unanwendbar, falls, wenn auch unter Ablehnung eines Zulieferungsersuchens, Teilvollstrekkung (§ 2 Abs. 5, § 8 Abs. 2) genehmigt ist. - Dem DDR-Urteil setzt Abs. 1 Nr. 1 „eine ihm in der Wirkung gleichstehende richterliche Entscheidung" gleich, z. B. einen Strafbefehl. Der Natur der Sache nach gehören hierher aber auch rechtskräftige Strafbescheide der Verwaltungsbehörden, die in ihrer Wirkung einem Urteil gleich stehen, weil sie die Strafklage verbrauchen und einen Vollstreckungstitel bilden (vgl. Anm. 1 zu § 3). 3. Die Durchführung eines neuen Verfahrens ist nach Absatz 1 Nr. 2 ferner möglich, wenn weder um Vollstreckung eines ergangenen Urteils noch um Zulieferung zur Strafvollstreckung ersucht wird. Wenn hier — im Gegensatz zu Absatz 1 Nr. 1 — nur vom Urteil die 3172

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§ 11 Anm. 4—6 Rede ist, so bedeutet das offensichtlich eine sprachliche Vereinfachung, die die Einbeziehung der in Absatz 1 Nr. 1 genannten anderen (und sonstiger, vgl. Anm. 2) Vollstreckungstitel nicht ausschließt. Der Weg der Durchführung eines neuen Verfahrens muß auch — anders als im Fall des Absatzes 1 Nr. 1 — beschritten werden, wenn die Behörden in der Bundesrepublik durch eine beim Zentralregister eingehende Mitteilung oder durch einen Antrag nach § 15 Kenntnis von einer Verurteilung erlangen, gegen die nicht im Schuldspruch, sondern nur wegen der Art und Höhe der Strafe und der sonstigen Unrechtsfolgen Bedenken bestehen. Eine 7e/7vollstreckung (§ 2 Abs. 5), wenn eine solche geboten erscheint, ein Vollstreckungs- oder Zulieferungsersuchen aber ausbleibt, ist hier ausgeschlossen, denn nach § 451 StPO, §§ 162, 163 GVG wird eine örtlich nicht zuständige Strafvollstreckungsbehörde nicht von Amts wegen, sondern nur auf Amtshilfeersuchen tätig. Ist aber bereits in der D D R die Strafe teilweise vollstreckt worden und wegen der Anrechnungspflicht (§ 11 Abs. 3 Satz 3) nicht zu erwarten, daß ein neues Verfahren zu einer den verbüßten Teil übersteigenden Strafe führt, so unterbleibt die Durchführung eines neuen Verfahrens. Ist die erkannte Strafe in der D D R in vollem Umfang verbüßt oder durch Amnestie oder Einzelgnadenerweis erlassen, so entfallt, da ein Vollstreckungsersuchen überhaupt nicht möglich ist, die Anwendbarkeit des § 11 (BGHSt. 15 72); vgl. aber § 15. Zu der Frage, ob dies auch gilt, wenn ein Gnadenerweis aus rechtsstaatswidrigen Erwägungen erteilt ist, vgl. P o l z i n JR 1954 450. 4. Zu Absatz 2 vgl. Anm. 5 zu § 10. Entsprechend dem dort Ausgeführten prüft das OLG, wenn der Generalstaatsanwalt Vollstreckungshilfe abgelehnt hatte oder ein Amtshilfeersuchen nicht gestellt worden ist, ob das ergangene Urteil nach der Art seines Zustandekommens oder seinem Inhalt Bedenken nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 erweckt oder die Mitwirkung zu einer Vollstreckung in der D D R im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Nr. 3 unterbleiben mußte und deshalb die Durchbrechung des Grundsatzes ne bis in idem gerechtfertigt ist. Die Wirkung eines Beschlusses nach Absatz 2 erschöpft sich darin, daß er — die Sperrwirkung der Rechtskraft des DDR-Urteils beiseite schiebend — die Durchführung eines neuen Verfahrens für zulässig erklärt. Nach Absatz 1 ist dann ein neues Verfahren durchzuführen. Das bedeutet aber nicht, daß das neue Verfahren bis zum Urteil durchgeführt werden müßte. Das Verfahren kann vielmehr auch im Ermittlungsstadium durch Einstellung (§171 StPO) enden, wenn die Staatsanwaltschaft, z. B. wegen Beweisschwierigkeiten, keinen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage sieht ( P o l z i n JR 1956 452). Zur völligen Beseitigung des DDR-Urteils mit der Folge, daß der Strafvermerk im Zentralregister zu tilgen ist (Anm. 2 zu § 13), führt erst ein in dem durchgeführten Verfahren ergehendes rechtskräftiges Urteil ( P o l z i n aaO.). Eine Abänderung des Beschlusses gemäß § 11 Abs. 2 nach § 9 Abs. 1 ist auch noch möglich, nachdem in dem neuen Verfahren die gerichtliche Untersuchung eröffnet worden ist, und führt zur Einstellung des Verfahrens (§ 206 a StPO). Eine unwiderrufliche Rechtslage wird hier erst geschaffen, wenn in dem neuen Verfahren ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist. 5. Für das neue Urteil spricht Absatz 3 Satz 1 das Verbot der reformatio in peius aus, wie es sonst im Rechtsmittel- und Wideraufnahmeverfahren (§§ 331, 358, 373 StPO) gilt; auch die in Absatz 3 Satz 2 in bezug genommene Vorschrift des § 373 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht einem allgemein geltenden Grundsatz (vgl. §331 Abs. 2, § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Auf die Anmerkungen zu diesen Vorschriften wird verwiesen. Absatz 3 Satz 3 ist dem § 7 a. F, = § 60 StGB nachgebildet, so daß die Egebnisse der Auslegung dieser letzteren Vorschrift auch für die Auslegung des Satzes 3 sinngemäß verwendbar sind. Vgl. dazu oben Anm. 3. — Durch Absatz 3 nicht berührt wird die Möglichkeit, bei einer Entscheidung mit begrenzter Rechtswirkungskraft (Strafbefehl) ein neues Verfahren in der Bundesrepublik einzuleiten, wenn ein rechtlicher Gesichtspunkt nicht berücksichtigt ist, der eine erhöhte Strafbarkeit begründet (vgl. BVerfG NJW 1954 69). Die Anrechnung der bereits vollstreckten Strafe aus dem Strafbefehl usw. auf die neu festgesetzte Strafe richtet sich nach den zu § 410 StPO herausgebildeten Grundsätzen. 6. Unanwendbar ist § 11, wenn ein Urteil nicht nur nach seinem Inhalt oder der Art seines Zustandekommens rechtsstaatswidrig ist, sondern in einem solchen Maße gegen unabdingbare Gebote der Gerechtigkeit und elementare Grundsätze eines geordneten Verfah3173

§ 1 2 Anm. 1 , 2

Anhang (Schäfer)

§ 13 rens verstößt, daß es schlechthin nicht als Urteil gewertet werden kann. Dann bedarf es nicht erst der Zerstörung eines Rechtsscheins nach § 11 Abs. 2; vgl. dazu Näheres Anm. 2 c z u § 15.

§ 12. Bildung einer Gesamtstrafe Kommt es auf die Festsetzung einer Gesamtstrafe an (§ 460 StPO), so steht die Entscheidung in den Fällen, in denen die Vollstreckung einer außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes erkannten Strafe nach § 2 Abs. 1, 5 oder 6 ganz oder teilweise unzulässig ist, stets den Gerichten innerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zu. 1. Nach § 462 Abs. 3 StPO ist zur Bildung einer Gesamtstrafe aus Einzelurteilen verschiedener Gerichte das erstinstanzliche Gericht zuständig, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die schwerste Strafe erkannt hat und bei Strafen gleicher Höhe das Gericht, das zuletzt erkannt hat. In Durchbrechung dieser Zuständigkeitsregel bestimmt § 12, daß, wenn die Vollstreckung eines an sich in die Gesamtstrafe einzubeziehenden Urteils der D D R ganz oder teilweise ( § 2 Abs. 5) durch den Generalstaatsanwalt ( § § 4 Abs. 1, § 15) oder das Gericht (§ 5 Abs. 1. §§ 8. 15. § 11 Abs. 2 - vgl. Anm. 4 zu § 11 - ) für unzulässig erklärt ist, eine Zuständigkeit von Gerichten der D D R für die Bildung der Gesamtstrafe entfällt. Und zwar gilt das („stets") auch dann, wenn mehrere DDR-Urteile ergangen sind und nur bei einem von ihnen die Vollstreckung ganz oder teilweise unzulässig ist (Begr. zu § 12 RegEntw.); die Entscheidungszuständigkeit eines nach der Regel des § 462 Abs. 3 StPO zuständigen DDR-Gerichts entfällt also in diesem Fall auch dann, wenn dessen Urteil keinen Bedenken begegnet. In der Bundesrepublik ist nunmehr das Gericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig, das nach § 462 Abs. 3 StPO zuständig ist, wenn die D D R Urteile außer Betracht bleiben; dieses Gericht bezieht auch die DDR-Urteile ein, gegen deren Vollstreckung (ganz oder zum Teil) keine Bedenken bestehen. 2. Auch wenn § 12 keine Anwendung findet, muß abweichend von § 462 Abs. 3 StPO verfahren werden, wenn zuletzt ein DDR-Gericht entschieden hat und dieses nicht zugleich nach § 4 6 2 Abs. 3 StPO zuständig wäre; aus der Regelung in § 12 des vorliegenden Gesetzes ergibt sich, daß dann dasjenige Gericht im Bundesgebiet über die Gesamtstrafenbildung zu entscheiden hat, dessen Zuständigkeit nach § 462 Abs. 3 StPO gegeben ist, wenn die DDR-Verurteilung nicht erfolgt wäre (vgl. dazu P o l z i n JR 1954 450)

§ 13. Strafregister*) (1) Entscheidungen des Gerichts und abschließende Verfügungen des Generalstaatsanwalts, durch die die Genehmigung einer Vollstreckung oder einer Zulieferung zum Zwecke der Vollstreckung erteilt oder versagt oder die Beschränkung der Vollstreckung angeordnet worden ist, sind, wenn die zuständige Strafregisterbehörde ihren Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, dem Strafregister mitzuteilen und in ihm zu vermerken. (2) Die Fristen, nach deren Ablauf über eine in das Strafregister aufgenommene Verurteilung nur noch beschränkte Auskunft zu erteilen oder der Vermerk im Strafregister zu tilgen ist, richten sich nach der Art und Höhe der Strafe, deren Vollstreckung für zulässig

*) Durch die Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) vom 18. 3. 1971 (BGBl. I 243) ist § 13 nicht berührt worden (vgl. § 52 Abs. 3 des genannten Ges.). An die Stelle der Vorschriften und Bezeichnungen des Straftilgungsges. vom 9. 4. 1920 (RGBl. 507), auf die sich die §§ 13, 14 des Rechts- und Amtshilfeges. beziehen, sind die entsprechenden Bestimmungen und Bezeichnungen des BZRG getreten (§ 69 aaO.).

3174

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§ 13 Anm. 1—3

erklärt worden ist. Der Vermerk über eine Strafe, deren Vollstreckung für unzulässig erklärt worden ist, ist zu tilgen. 1. § 13 hat eine zweifache Bedeutung. a) Ist im Zentralregister die in der D D R verhängte Strafe vermerkt und wird durch abschließende Verfügung des Generalstaatsanwalts oder durch gerichtliche Entscheidung (§ 8) die Genehmigung der nachgesuchten Vollstreckung oder Vollstreckungszulieferung versagt oder die Vollstreckung nur in eingeschränktem Umfang (§ 2 Abs. 5, § 8 Abs. 2) genehmigt, so regelt § 13 Abs. 2 die Folgen, die sich daraus für die registermäßige Behandlung des Strafvermerks ergeben. Ist die Vollstreckung in vollem Umfang für unzulässig erklärt, so wird der Vermerk in vollem Umfang getilgt. Wird dagegen die Beschränkung der Vollstrekkung angeordnet, so ergibt sich aus der Regelung in § 1 Abs. 3 der DurchfVO vom 23. 12. 1953, daß der Vermerk über die DDR-Verurteilung insoweit getilgt wird, als er mit der nach § 2 Abs. 5, § 8 Abs. 2, § 15 getroffenen Regelung in Widerspruch steht. An die Stelle des getilgten Vermerks über Höhe und Art der erkannten Strafe tritt der Vermerk über die Strafe, deren Vollstreckung genehmigt wurde, und dieser Vermerk wird registermäßig in vollem Umfang so behandelt, als habe nicht das DDR-Gericht geurteilt, sondern ein Gericht in der Bundesrepublik eine Strafe verhängt, wie sie dem Inhalt der Teilvollstreckungsgenehmigung entspricht. Nach Art und Höhe dieser Strafe richtet sich also die Dauer der Fristen für die Nichtaufnahme von Verurteilungen in das Führungszeugnis und die Tilgung (§§ 31 ff., 43 ff. BZRG). Soweit für den Beginn der Frist der Tag der Verurteilung maßgebend ist (§§ 34, 45 BZRG), ist der Zeitpunkt der DDR-Verurteilung (nicht etwa der der Genehmigungsverfügung des Generalstaatsanwalts oder der Entscheidung des O L G — § 8 Abs. 2 —) maßgebend. Ebenso ist zur Anordnung vorzeitiger Nichtaufnahme in das Führungszeugnis oder Tilgung (§§ 37, 47 BZRG) ausschließlich der Generalbundesanwalt zuständig (§ 2 der DurchfVO vom 23. 12. 1953). — Die Tilgung des Vermerks über die D D R Verurteilung nach § 13 hat die gleiche Wirkung, wie sie nach §§ 49, 51 BZRG einer Tilgung aufgrund des B Z R G zukommt (vgl. Anm. 1 zu § 16). b) Wird dagegen die Vollstreckung genehmigt, so wird durch Mitteilung und Vermerk der Entscheidung im Zentralregister sichergestellt, daß der Verurteilte nicht an anderer Stelle mit der Behauptung hervortreten kann, er sei zu Unrecht verurteilt. Eine Nachprüfung durch andere Stellen ist — unbeschadet des § 9 — ausgeschlossen (§ 16). 2. Anwendungsbereich des § 13. § 13 regelt die registermäßigen Auswirkungen einer Entscheidung aus Anlaß eines Vollstreckungs- oder Zulieferungsersuchens. Er wird ergänzt durch § 15 Abs. 4 für den Fall, daß nicht ein Vollstreckungsersuchen, sondern ein Antrag des Verurteilten zu einer Entscheidung über die Zulässigkeit der Vollstreckung führt. Dagegen ist nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 der Fall ungeregelt geblieben, daß beim Ausbleiben eines Vollstreckungs- oder Zulieferungsersuchens von Amts wegen nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 ein neues Verfahren durchgeführt wird. Hier ist § 13 entsprechend anzuwenden und der Vermerk über die DDR-Strafe ist zu tilgen, sobald in dem neuen Verfahren eine rechtskräftige Entscheidung ergangen i s t ( N ü s e JR 1956 438; P o l z i n J R 1956 452). 3. Beschränkung der Mitteilungspflicht. § 13 Abs. 1 schreibt die Mitteilung nur für den Fall vor, daß „die zuständige Strafregisterbehörde ihren Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat". Das bedeutete nach der Rechtslage zur Zeit des Erlasses des vorliegenden Gesetzes, daß die Mitteilungspflicht nach § 13 nur Platz griff, wenn der Geburtsort des Verurteilten in der Bundesrepublik liegt (§ 1 der StrafregisterVO vom 8. 3. 1926). Bei anderen Personen sollte durch die Pflicht zur Mitteilung an das Bundesstrafregister nach § 17 des Ges. in Verb, mit §§ 1, 4 der DurchfVO ein entsprechendes Egebnis erreicht werden wie durch die Mitteilung an das örtliche Strafregister in der Bundesrepublik. Die Einschränkung in § 13 Abs. 1 verlor bereits ihre Bedeutung, als die Zuständigkeit des Bundesstrafregisters durch AV d. BJM vom 6. 7. 1954 (BAnz. Nr. 129) auf die Personen ausgedehnt wurde, deren Geburtsort in der D D R liegt. Nach § 52 B Z R G werden jetzt in das Zentralregister auch strafgerichtliche Verurteilungen durch Gerichte außerhalb der BRD eingetragen, wenn sie sich auf Deutsche (Art. 116 G G ) oder in der BRD geborene oder wohnhafte Ausländer beziehen und die Straftat nach dem Recht der BRD ein Verbrechen oder Vergehen ist. 3175

§ 14

Anhang (Schäfer)

Anm. 1—4 § 14. Eintragung in das Strafregister*) Geht eine Strafnachricht über einen durch ein deutsches Gericht außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes Verurteilten bei einer Strafregisterbehörde ein, so soll der Verurteilte, wenn er seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, vor der Eintragung des Vermerks in das Strafregister gehört werden. Ergeben sich aus den Gründen des § 2 Abs. 1, 5 und 6 Bedenken gegen die Eintragung oder widerspricht ihr der Verurteilte, so ist die Entscheidung des Generalstaatsanwalts einzuholen. Hierdurch wird das Antragsrecht nach § 15 nicht berührt. 1. Während § 13 Abs. 2, § 15 Abs. 4 das Schicksal bereits eingetragener Vermerke im Strafregister über Verurteilungen in der D D R regeln, wenn die Strafvollstreckung für unzulässig erklärt wird, will § 14 zur Vermeidung von Nachteilen für den Betroffenen verhindern, daß es zur Eintragung von Strafvermerken über rechtstaatswidrige Verurteilungen überhaupt kommt. Zu diesem Zweck schreibt § 14 vor, daß die Registerbehörde (vgl. §§ 1, 71 Abs. 2 BZRG) vor der Eintragung einer bei ihr eingegangenen Strafnachricht den Verurteilten hören (= Gelegenheit zur Äußerung geben) soll, wenn er seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat; darauf, ob die mitgeteilte Verurteilung Bedenken zu erwecken geeignet ist oder nicht, kommt es dabei nicht an. Eine Pflicht zu Nachforschungen über Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Verurteilten begründet § 14 nicht; wo jedoch Anhaltspunkte für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gegeben sind, muß die Registerbehörde sie auswerten. Widerspricht der Verurteilte bei seiner Anhörung der Eintragung des Vermerks, so muß die Registerbehörde, gleichviel ob sie die geltend gemachten Gründe für berechtigt hält oder nicht, die Entscheidung des für den Sitz der Registerbehörde örtlich zuständigen Generalstaatsanwalts einholen. Auch wenn der Verurteilte nicht widerspricht und ebenso, wenn er nicht angehört wurde, muß die Registerbehörde von Amts wegen die Entscheidung des Generalstaatsanwalts herbeiführen, wenn sich aus dem Inhalt der „eingegangenen" Strafnachricht Bedenken gegen deren Rechtsstaatlichkeit ergeben, z. B. bei ungewöhnlicher Höhe der Strafe, bei Einziehung des gesamten Vermögens oder bei Verurteilung aus einem schlechthin rechtsstaatswidrigen Gesetz (vgl. Anm. 3 zu § 2). 2. Der Generalstaatsanwalt kann, wenn er den Widerspruch oder die von Amts wegen geäußerten Bedenken für begründet hält, sich darauf beschränken, die Nichteintragung des Vermerks anzuordnen. Eine solche Anordnung ist für die Registerbehörde verbindlich (§ 16), enthält aber keine Entscheidung über die Zulässigkeit der Vollstreckung und ist jederzeit frei abänderbar. Hat der Generalstaatsanwalt nur wegen der Art oder Höhe der Strafe Bedenken, so wird er zugleich dem für den Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verurteilten örtlich zuständigen Generalstaatsanwalt die Durchführung eines neuen Verfahrens nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 anheimstellen. Weist der Generalstaatsanwalt dagegen die Registerbehörde zur Eintragung an, weil er den Widerspruch oder die von Amts wegen geäußerten Bedenken für unbegründet hält, so bleibt dem Verurteilten, abgesehen von der Dienstaufsichtsbeschwerde, nur der Weg des § 15. 3. Die Entscheidung des Generalstaatsanwalts ist dem Generalbundesanwalt (Bundeszentralregister) mitzuteilen (§ 17, § 1 der DurchfVO vom 23. 12. 1953). 4. Ist die Eintragung erfolgt, gleichviel ob unmittelbar durch die Registerbehörde oder auf Weisung des Generalstaatsanwalts, so hat weder der Verurteilte, wenn er davon erfährt, ein nachträgliches Widerspruchsrecht (KG vom 10. 3. 1954 — l a Ws. 445/54 —; P o l z i n *) Vgl. Fußnote zu § 13. Zwischen der B R D und der D D R findet-kein Strafnachrichtenaustausch statt. Verurteilungen in der D D R werden nur ausnahmsweise den deutschen Behörden bekannt und gehen durch Weitergabe der Kenntnis „beim Strafregister ein", z. B. bei Verurteilungen von Bewohnern der B R D , die nach Strafverbüßung oder Begnadigung zurückkehren oder von Bewohnern der D D R , die in die B R D fliehen oder denen die Ausreise gestattet wird (vgl. G ö t z Anm. 9 zu § 1, Anm. 14 zu § 52, Anm. 13 zu § 53 BZRG). Wegen der registermäßigen Gleichstellung (§ 52 Abs. 2 B Z R G ) von Strafarten der D D R mit solchen der B R D vgl. § 25 der 1. allg. Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des BZRG vom 12. 11. 1971 (BAnz. Nr. 216, auch abgedr. bei G ö t z , B Z R G S. 142).

3176

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§ 15 Anm. 1

aaO. 451) noch kann der Generalstaatsanwalt seine Verfügung ändern oder die Registerbehörde, die von sich aus den Vermerk eingetragen hatte, zu seiner Tilgung anweisen; dem Verurteilten bleibt vielmehr, soweit es nicht zu einer Entscheidung nach § 13 Abs. 1 kommt, nur der Weg des § 15 oder eines Antrags auf vorzeitige Tilgung nach § 47 BZRG. § 15. Selbständiges Antragsrecht des Verurteilten*) (1) Ist außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch ein deutsches Gericht auf eine Strafe erkannt worden, deren Vollstreckung nach § 2 ganz oder teilweise unzulässig wäre, so kann der Verurteilte ohne Rücksicht darauf, ob die Strafe bereits vollstreckt ist oder ein Vollstreckungsersuchen gestellt wird, beantragen, die Unzulässigkeit der Vollstreckung festzustellen. Zuständig ist der Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz hat; fehlt ein solcher Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes, so ist der gewöhnliche Aufenthaltsort maßgebend. (2) (aufgehoben durch § 28 des Straffreiheitsges. vom 17. 7. 1954, BGBl. I 203). (3) Die Verfügung des Generalstaatsanwalts ist dem Verurteilten schriftlich bekanntzumachen. Sie ist ihm zuzustellen, wenn der Antrag abgelehnt wird. § 5 und §§ 7 bis 9 sind entsprechend anzuwenden. (4) Die Entscheidungen des Gerichts und die Verfügungen des Generalstaatsanwalts sind, wenn die zuständige Strafregisterbehörde ihren Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, dem Strafregister mitzuteilen und in ihm zu vermerken. § 13 Abs. 2 ist anzuwenden. 1. Allgemeine Bedeutung. Die Bedeutung des § 15 besteht vornehmlich darin, daß er eine Nachprüfung der Rechtsstaatsmäßigkeit einer Verurteilung in den Fällen ermöglicht, in denen die §§ 4, 5, 11, 14 keine Grundlage dafür bilden. Denn das Nachprüfungsverfahren nach §§4ff. setzt ein Vollstreckungs- oder Zulieferungsersuchen aus der D D R voraus, entfällt also, wenn ein Ersuchen nicht gestellt wird, sei es, weil sich die Vollstreckungsbehörden der D D R davon keinen Erfolg versprechen, sei es, weil die Vollstreckung, soweit sie besonderer Vollstreckungsakte bedarf, bereits durchgeführt ist, oder weil sie durch eine Begnadigung (infolge Amnestie oder Einzelgnadenerweis) in der D D R ausgeschlossen ist. Der Verurteilte kann aber, auch wenn er mit einer (weiteren) Vollstreckung nicht zu rechnen hat, schon durch die Tatsache der Verurteilung als solche stark beeinträchtigt werden, denn der im Zentralregister eingetragene Vermerk kann ihm bei seinem Fortkommen Hindernisse bereiten. Über diese allgemeine mittelbare Urteilswirkung hinaus ist der Verurteilte beeinträchtigt, wenn auf Nebenstrafen und Sicherungsmaßregeln erkannt ist, die einer besonderen Vollstreckung nicht bedürfen, sondern mit der Rechtskraft des Urteils ihre Wirkung entfalten, und diese Wirkung nicht auf Urteile beschränkt ist, die von Gerichten in der BRD erkannt sind. So läuft z. B. nach § 35 BZRG die Frist, nach deren Ablauf ein strafvermerkfreies Führungszeugnis erteilt wird, nicht ab, solange ein Verurteilter, der infolge der Verurteilung das Wahlrecht verloren hat, das Wahlrecht nicht wiedererlangt hat. Diese Hemmungswirkung kommt auch dem Verlust des Wahlrechts aufgrund einer Verurteilung durch ein DDR-Gericht (§§ 58, 112 DDR-StGB) zu ( G ö t z 6 zu § 35 BZRG). Auch die Hemmungswirkung des § 36 BZRG (betr. mehrere im Register eingetragene Verurteilungen) bezieht sich in gleicher Weise auf Verurteilungen in der BRD und in der D D R ( G ö t z Anm. 14 zu § 36). Ebenso liegt es, wenn an die Rechtskraft eines Urteils kraft Gesetzes Rechtsminderungen oder andere Rechtsnachteile (Nebenfolgen) geknüpft sind, bei denen es besonderer Vollzugshandlungen nicht bedarf, wie bei den sog. Sperrfristen, wo nach gesetzlicher Vorschrift die für bestimmte Tätigkeiten vorgeschriebene behördliche Erlaubnis für Zeit oder auf Dauer versagt werden muß oder kann, wenn der darum Nachsuchende wegen bestimmter Delikte verurteilt worden ist. In diesen Fällen bietet auch § 11 keine genügende Möglichkeit, berechtigten Wünschen der Verurteilten auf Nachprüfung der Rechtsstaatsmäßigkeit einer Verurteilung Rechnung zu tragen. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 ist zwar die Einleitung eines neuen Verfahrens auch dann möglich, wenn weder um Vollstreckung noch um Zulieferung ersucht wird. Voraussetzung ist aber, daß ein Vollstreckungsersuchen (von der Rechtsstaatlichkeit der Bestrafung abgesehen) überhaupt möglich wäre, was nicht der Fall ist, wenn die erkannte Strafe, soweit es dazu besonderer Vollstreckungshandlungen bedarf, *) Vgl. die Fußnoten zu §§ 13, 14

3177

§ 15

Anhang (Schäfer)

Anm. 2 bereits vollständig vollstreckt oder aber die Vollstreckung aus Rechtsgründen (Amnestie, Einzelgnadenerweis usw.) ausgeschlossen ist (vgl. Anm. 3 zu § 11). Denn § 11 Abs. 1 Nr. 2 will nur ausschließen, daß sühnebedürftiges Unrecht nur deshalb ungesühnt bleibt, weil die Vollstreckungsbehörde in der D D R sich untätig verhält. Im übrigen genügt § 11 Abs. 1 Nr. 2 auch deshalb nicht dem Interesse des Verurteilten an einer Nachprüfung des Spruchs, weil Strafverfolgungsbehörde und Gericht (§ 11 Abs. 2) nur prüfen, ob im öffentlichen Interesse eine erneute Bestrafung möglich und geboten ist. Der Verurteilte hat daher keine Möglichkeit, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, wenn der Generalstaatsanwalt die Erhebung einer öffentlichen Klage ablehnt (vgl. Anm. 5 b zu § 10) und infolgedessen die DDR-Entscheidung zwar nicht vollstreckt wird, im übrigen aber unberührt bleibt, da die Entschließung des Generalstaatsanwalts, die öffentliche Klage nicht zu erheben, keine registermäßigen Auswirkungen hat (vgl. § 13). Wegen der sehr beschränkten Bedeutung des § 14 schließlich vgl. die Anm. dort. Die Verweisung auf den Weg des § 8 Straftilgungsges. — jetzt § 47 BZRG — schien dem Gesetzgeber keine rechtsstaatlich angemessene Lösung. Die sonach bestehenden Lücken im Rechtsschutz des Verurteilten füllt § 15 aus (vgl. aber auch Anm. l b zu § 16); mit dieser Vorschrift wurden der Generalstaatsanwalt und das Oberlandesgericht bei Anwendung des vorliegenden Gesetzes früher am häufigsten befaßt; sie hat deshalb die meisten Probleme aufgeworfen. 2. § 15 setzt zunächst eine auf Strafe (allein oder in Verbindung mit den weiteren in § 4 Abs. 1 bezeichneten Unrechtfolgen) lautende Entscheidung eines deutschen Gerichts voraus» a) auf Strafe lautende Erkenntnis. Wegen der Überprüfungsfahigkeit von Verurteilungen durch „Strafkammern nach SMA-Befehl 201" aus der Kontrollratsdirektive 38 (betr. Sühne aktiver nationalsozialistischer Betätigung); vgl. eingehend Anm. 2 a in der Vorauflage. b) Bestrafung durch ein deutsches Gericht. § 15 findet auch Anwendung, wenn die Strafe nicht durch Urteil, sondern durch gerichtlichen Strafbefehl festgesetzt ist. Dagegen gehen die Auffassungen auseinander, ob auch der Strafbescheid einer Verwaltungsbehörde nachprüfbar ist. Verneint wird dies unter Berufung auf den „klaren" Wortlaut des § 15, der nur von gerichtlichen Verurteilungen spreche, von OLG München vom 20. 4. 1954 — Ws. 387/54 OLG Düsseldorf vom 5. 5. 1954 - Ws. 234/54 - und OLG Oldenburg vom 15. 11. 1954 — Ws. 373/54 —, bejaht dagegen in einem Rundschreiben des BJustMin. vom 15.3. 1954, vom K G vom 28. 12. 1953 - l a Ws. 667/53 - , 6. 3. 1954 - l a Ws. 3 1 1 / 5 4 u. vom 4. 6. 1954 - 1 Ws. 509/54, ferner von P o l z i n aaO. 451; N ü s e JR 1956 438; DRiZ 1968 88). Der bejahenden Auffassung ist zuzustimmen. Denn sowenig in § 11 Abs. 1 Nr. 1 und in § 14 die Beschränkung des Gesetzeswortlauts auf gerichtliche Verurteilungen die Ausdehnung der genannten Vorschriften auf die ihnen in der Wirkung gleichstehenden rechtskräftigen Strafbescheide der Verwaltungsbehörden ausschließt, so wenig ist dies in § 15 der Fall. Wie oben in Anm. 1 dargelegt, ist es die ratio legis, in den Fällen, in denen ein Vollstreckungsersuchen nicht gestellt wird, sei es, weil die Vollstreckungsbehörde der D D R untätig bleibt, sei es weil körperliche Vollstreckungsakte nicht mehr in Betracht kommen oder rechtlich ausgeschlossen sind, mit Rücksicht auf die Auswirkungen des Strafvermerks im Register eine Nachprüfung der Bestrafung durch den Generalstaatsanwalt und gegebenenfalls durch das Oberlandesgericht auf Antrag des Verurteilten in dem Umfang zu ermöglichen, wie sie stattfände, wenn ein Vollstreckungsersuchen gestellt worden wäre. Und wenn der Gesetzgeber den § 15 schuf, weil ihm die Verweisung der Betroffenen auf die Möglichkeit, eine vorzeitige Tilgung im Register zu beantragen, nicht ausreichend erschien, um die Rechtsschutzbelange des Verurteilten zu wahren, so geht es nicht an, den durch Strafbescheid Verurteilten auf diesen Weg zu verweisen (s. dazu ausführlicher in Anm. 2 c der Vorauflage). c) Nichtige Urteile. Das vorliegende Gesetz beruht auf dem Grundgedanken, daß ein DDR-Strafurteil auch dann ein gerichtliches Urteil ist, wenn es in einem rechtsstaatswidrigen Verfahren zustande gekommen oder nach seinem Inhalt rechtsstaatswidrig ist. Es wird wegen solcher Verstoße in der Bundesrepublik nicht etwa ignoriert, vielmehr muß ihm, wenn und soweit es nicht hinnehmbar erscheint, in dem dafür vorgesehenen Verfahren durch einen rechtsgestaltenden Akt (vgl. Anm. 1 zu § 16) die Urteilswirkung entzogen werden. Bei 3178

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§ 15 Anm. 3

den sog. „Waldheim-Urteilen" wird jedoch angenommen, daß sie „wegen einer Summe schwerster verfahrensrechtlicher Verstöße, die jeder geordneten Rechtspflege Hohn sprechen" und als Urteile gesetzwidriger Ausnahmegerichte absolut nichtig seien, daß diese Nichtigkeit überall und in jeder Form geltend gemacht werden könne und es daher eines Antrags nach § 15 nicht nur nicht bedürfe, ein solcher vielmehr, da er immerhin ein „Urteil" voraussetze, als unzulässig zurückzuweisen sei (vgl. K G vom 15. 3. 1954 — l a Ws. 26/54; N J W 1954 1901; Generalstaatsanwalt Frankfurt N J W 1955 155; P o l z i n aaO. 450; N ü s e M D R 1953 457; D R i Z 1968 88; vgl. auch Einleitung zu diesem Werk S. 184 Fußnote 130). 3. Antragsrecht des Verurteilten. a) Nur der Verurteilte hat das selbständige Antragsrecht aus § 15, nicht andere „Betroffene", also z. B. nicht seine Witwe nach seinem Tod ( K G J R 1954 71). Vertretung in der Ausübung des Antragsrechts durch einen bevollmächtigten Dritten ist selbstverständlich möglich; in Ausnahmefallen (z. B. ein Verurteilter mit Wohnsitz in der Bundesrepublik verbüßt die Strafe aus dem in Frage stehenden Urteil in der D D R ) kann stillschweigende Bevollmächtigung der nächsten Angehörigen angenommen werden (so auch P o l z i n aaO. 451). Auf den gesetzlichen Vertreter des Verurteilten ist § 298 StPO entsprechend anzuwenden. b) Nur ein Verurteilter, der seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort (vgl. Anm. 1,2 zu § 8 StPO) in der Bundesrepublik hat, kann den Antrag stellen, wie Abs. 1 Satz 2 ergibt (BGH G A 1967 263). Denn § 15 bezweckt nur, Nachteile abzuwenden, die einem Verurteilten aus einer DDR-Verurteilung in der Bundesrepublik erwachsen können und solche kommen nicht in Betracht, wenn er sich überhaupt nicht oder nur vorübergehend hier aufhält. Eine Inhaftierung im Westen begründet also kein Antragsrecht, wenn der Verurteilte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der D D R hat ( K G J R 1954 233). Erst recht steht einem im Ausland wohnhaften Verurteilten, dessen Geburtsort in der Bundesrepublik liegt, und dessen Bestrafung in der D D R daher im Register in der Bundesrepublik vermerkt ist (§ 52 BZRG), ein Antragsrecht aus § 15 nicht zu ( O L G Celle N J W 1958 1455), mag er auch auf diese Weise seine Einreise in die Bundesrepublik vorbereiten wollen (Verfg. des Generalstaatsanwalts Bremen vom 11. 8. 1954 — R A Reg. 9/54 —). Für solche Fälle bleibt der Weg des § 47 B Z R G . Verlegt aber ein Verurteilter nach Einleitung des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht seinen Wohnsitz ins Ausland, so wird die einmal begründete gerichtliche Zuständigkeit dadurch nicht berührt ( O L G Celle aaO.). c) Der Antrag setzt, wie jeder Rechtsbehelf, eine Beschwer voraus; seine Zulässigkeit ist also davon abhängig, daß der Antragsteller durch die Verurteilung noch in irgendeiner in der Bundesrepublik spürbaren Weise beeinträchtigt ist. Ein Straferlaß (durch Amnestie oder Einzelgnadenerweis) in der D D R schließt den Antrag nicht aus, da trotz einer etwaigen Eintragung des Straferlasses im Zentralregister (§ 16 B Z R G und dazu G ö t z Anm. 9 zu § 16) eine Beschwer durch die Eintragung der Strafe im Register verbleibt. D a ß der Generalstaatsanwalt gemäß § 14 die Nichteintragung eines Strafvermerks angeordnet hat, schließt ebenfalls eine Beschwer nicht aus, denn einmal ist diese Verfügung abänderbar (vgl. Anm. 2 zu § 14) und im übrigen hindert die Nichteintragung höchstens faktisch, nicht rechtlich die Entfaltung sonstiger Urteilswirkungen der oben in Anm. 1 aufgezählten Art. Entsprechendes gilt, wenn der Generalbundesanwalt die Nichtaufnahme der Verurteilung in das Führungszeugnis gemäß § 37 B Z R G anordnet (vgl. G ö t z Anm. 4 zu § 37). Auch die Tilgung der Strafe im Strafregister der D D R macht den Antrag nicht unzulässig (vgl. dazu O L G Karlsruhe N J W 1960 2354 und G ö t z N J W 1961 378). Ist dagegen über ein Vollstreckungsersuchen ganz oder teilweise (§ 2 Abs. 5, § 8 Abs. 2) versagend oder in vollem Umfang genehmigend durch abschließende Verfügung des Generalstaatsanwalts oder durch das Oberlandesgericht entschieden, so steht die bindende Wirkung der Entscheidung (§ 16) in Verbindung mit der Tilgung des Vermerks ( § 1 3 Abs. 2) im Falle der Versagung einer erneuten Befassung mit der Sache auf einen Antrag nach § 15 hin entgegen; ist die Genehmigung ganz oder teilweise erteilt worden, so bleibt dem Verurteilten nur gegebenenfalls der Weg, eine Änderung der Entscheidung nach § 9 anzustreben. Ist der Strafvermerk im Register aufgrund .einer Anordnung nach § 47 B Z R G oder kraft Anordnung eines Straffreiheitsgesetzes der B R D getilgt, so entfallt ein Antragsrecht aus § 15 mit Rücksicht auf die 3179

§ 15 Anm. 4

Anhang (Schäfer)

in § § 4 9 , 51 B Z R G einer solchen Tilgung beigelegte Wirkung. Dies gilt indessen nur dann, wenn die Strafvollstreckung im engeren und im weiteren Sinn (also auch bzgl. der gesetzlichen Nebenfolgen der Verurteilung) in vollem Umfang erledigt ist. Denn die Tilgung bewirkt als solche keinen Erlaß der noch bestehenden Straffolgen (vgl. B a y O b L G N J W 1955 642). Ist dagegen die Strafvollstreckung in vollem Umfang erledigt und die Tilgung des Strafvermerks angeordnet, so bleibt nichts, was durch ein Verfahren nach § 15 noch beseitigt werden könnte (vgl. dazu ausführlicher Anm. 3 c der Voraufl.) d) Der Antrag ist weder an eine Form gebunden — die Verweisung in § 15 Abs. 3 Satz 3 auf § 5 (Abs. 4) bezieht sich nur auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen eine ablehnende Verfügung des Generalstaatsanwalts — noch an eine Frist. e) Der Antrag muß sich auf Feststellung der Unzulässigkeit der Vollstreckung richten (im Anschluß an § 458 Abs. 1 StPO, der von Einwendungen „gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung" spricht). Es wird die Feststellung begehrt, daß das Urteil nicht in der Form, in der es ergangen ist, Urteilswirkungen äußert. Ein Antrag nach § 15 kann daher von vornherein auf die Feststellung beschränkt sein, daß gemäß § 2 Abs. 5 nur eine mildere als die erkannte Strafe vollstreckt werden dürfe (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1: „deren Vollstrekkung nach § 2 ganz oder teilweise unzulässig wäre"). Ein solcher Antrag ist aber für den Generalstaatsanwalt nicht bindend und hindert ihn nicht, die Vollstreckung in vollem Umfang für unzulässig zu erklären, wie andererseits der Verurteilte nicht gehindert ist, gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel einer weitergehenden Feststellung auch dann zu beantragen, wenn der Generalstaatsanwalt seinem Antrag entsprechend die Strafe „herabgesetzt" hat. 4. Verfahren des Generalstaatsanwalts a) Örtlich zuständig für die Entscheidung über den Antrag ist der in Absatz 1 Satz 2 bezeichnete Generalstaatsanwalt. Nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen wird die einmal ordnungsmäßig begründete Zuständigkeit nicht dadurch berührt, daß der Verurteilte im Lauf des Verfahrens seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Oberlandesgerichtsbezirk verlegt. Doch ist die Abgabe an den Generalstaatsanwalt des neuen Wohn- oder gewöhnlichen Aufenthaltsortes aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht ausgeschlossen (vgl. auch § 12 Abs. 2 StPO) und es entscheidet, wenn dieser die Übernahme ablehnt, die Landesjustizverwaltung, wenn die beiden Generalstaatsanwälte demselben Land angehören, andernfalls in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 3 G V G der Generalbundesanwalt (so Verfg. des Generalbundesanwalts bei dem B G H vom 24. 7. 1954 — A R 204/54). b) Der Umfang der Nachprüfung im Fall des § 15 ist insofern enger als der bei Nachprüfung aus Anlaß eines Vollstreckungsersuchens, als den Gründen des § 2 Abs. 1 Nr. 3 hier keine Bedeutung zukommt; nur die Rechtsstaatsmäßigkeit der Verurteilung steht zur Entscheidung (vgl. Anm. 6). Die Aufklärung des Sachverhalts (vgl. dazu Anm. 2 a zu § 4) erfolgt von Amts wegen; den Antragsteller trifft keine Beweislast, aber er trägt die Folgen, wenn er keine Beweismittel hat, auch keine Beweisanträge stellen kann und nicht erkennbar ist, wie von Amts wegen weiteres Material beschafft werden könnte. Die Aufklärung, die ohnedies in vielen Fällen erheblichen Schwierigkeiten begegnet, wird besonders problematisch, wenn der Verurteilte nicht in der Lage ist, eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils mit Gründen vorzulegen. Es wäre aber verfehlt, in solchen Fällen eine Urteilsnachprüfung von vornherein als nicht möglich anzusehen und den Antrag aus § 15 ohne weitere Erörterungen abzulehnen. Das würde dem Zweck des Gesetzes und der oft bestehenden echten Beweisnot des Verurteilten nicht gerecht (ebenso O L G Celle vom 6 . 4 . 1955 — 2 Ws. 143/54 - und O L G Oldenburg vom 24. 10. 1955 - Ws 140/55 - ) . Es muß vielmehr im Einzelfall geprüft werden, ob und inwieweit die Angaben des Verurteilten unter Zuhilfenahme anderer Erkenntnisquellen (etwa Erklärungen seines Verteidigers, Aussagen von Zeugen über den Verlauf des Verfahrens, Vorlage der Anklageschrift, Zeitungsnachrichten usw.) eine Grundlage für die Entscheidung abgeben können. — Die Prüfung des Urteils hat lediglich unter dem Gesichtspunkt seiner Rechtsstaatsmäßigkeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 u. 2, Abs. 5, 6) zu erfolgen. Es ist also ebensowenig Aufgabe des Generalstaatsanwalts wie des

3180

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen

§ 15 Anm. 5

später etwa nach Antrag auf gerichtliche Entscheidung zur Nachprüfung berufenen Oberlandesgerichts, das Urteil wie ein Revisionsgericht auf materiell- oder verfahrensrechtliche Gesetzesverstöße hin zu prüfen und etwa mangelnde Feststellungen zum inneren Tatbestand oder zur Frage, ob Mittäterschaft oder Beihilfe vorliegt, zum Anlaß zu nehmen, die Vollstreckung für unzulässig zu erklären (OLG Nürnberg vom 26. 10. 1954 — Ws. 345/54 —; O L G Celle vom 6. 4. 1955 - 2 Ws. 162/54 - ; O L G Schleswig vom 30. 6. 1955 - Ws. 104/54 —). Der Bereich der Rechtsstaatswidrigkeit wird erst erreicht, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Urteils offensichtlich den Schuldspruch nicht tragen können und deshalb ein reines Willkürurteil vorliegt (OLG Neustadt vom 17. 12. 1954 - A R II 276/53 —; enger Polzin aaO. 452: nur bewußt falsche Beweiswürdigung, Tatsachenfeststellung und falsche Rechtsanwendung mache das Urteil rechtsstaatswidrig). Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem (vgl. Art. 103 Abs. 3 G G ) macht das zweite Urteil rechtsstaatswidrig (KG vom 4. 6. 1 9 5 4 - 1 Ws. 509/54 - ) . c) Die Entscheidung des Generalstaatsanwalts. Der Generalstaatsanwalt kann den Antrag als unbegründet zurückweisen oder die Vollstreckung teilweise (§ 2 Abs. 5) oder in vollem Umfang für unzulässig erklären. Nach O L G Köln NJW 1954 571 kann er aber auch die Entscheidung auf unbestimmte Zeit aussetzen, wenn kein Vollstreckungsersuchen vorliegt, und eine abschließende, dem Antrag stattgebende oder ihn ablehnende Verfügung nur aufgrund weiteren Beweismaterials aus der D D R möglich ist. dieses aber auf verständlichen Wunsch des Antragstellers (z. B. um den dort verbliebenen nahen Angehörigen keine Nachteile zu bereiten) zur Zeit nicht eingeholt werden soll. Mit einer solchen Aussetzung soll eine Teilentscheidung in der Form verbunden werden können, daß eine Vollstreckung in Höhe der erkannten Strafe nicht erfolgen dürfe, wenn diese eindeutig über die in der Bundesrepublik in gleichen Fällen erkannten Strafen hinausgeht, während die endgültige Entscheidung, ob und in welcher Höhe die Vollstreckung zulässig ist, vorbehalten werden dürfe. Die Aussetzung soll in gleicher Weise wie eine Ablehnung des Antrags anfechtbar sein (§ 15 Abs. 3, § 5 Abs. 1). Mit P o l z i n aaO. 452 ist indessen im Hinblick auf § 9 Abs. 2, § 15 Abs. 3 ein Bedürfnis für eine solche Aussetzung auf unbestimmte Zeit zu verneinen. 5. Gegen eine Verfügung, die die Vollstreckung nicht in vollem Umfang für unzulässig erklärt, kann der Antragsteller auf gerichtliche Entscheidung antragen (vgl. dazu oben Anm. 3e). Bei Ablehnung des Antrags ist Rechtsbehelfsbelehrung erforderlich; § 4 Abs. 5 Satz 3 ist zwar nicht ausdrücklich für entsprechend anwendbar erklärt, jedoch ergibt sich die entsprechende Anwendbarkeit aus der Natur der Sache (vgl. auch §§ 35 a, 171 StPO). Bei unverschuldeter Versäumung der Antragsfrist kann der Antragsteller in gleicher Weise wie bei einer Verfügung des Generalstaatsanwalts, die ein Vollstreckungsersuchen ganz oder teilweise genehmigt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 44 StPO) beantragen. Dem steht nicht etwa § 1 Abs. 2 entgegen, wonach die Bestimmungen der StPO gelten, wenn einem Ersuchen um Rechts- oder Amtshilfe entsprochen wird. Diese Vorschrift bedeutet nicht, daß bei Anwendung des vorliegenden Gesetzes allgemein die Bestimmungen des G V G und der StPO nur dann anwendbar seien, wenn einem Rechts- oder Amtshilfeersuchen entsprochen wird, sondern sie besagt lediglich, daß, wenn und insoweit Rechts- und Amtshilfe geleistet wird, weil die nach § 3 erforderliche Genehmigung erteilt ist oder bei nicht genehmigungsbedürftigen Ersuchen um Rechts- und Amtshilfe die ersuchte Stelle sie nach § 2 als zulässig ansieht, die Leistung der Rechts- und Amtshilfe unter Anwendung der Vorschriften des G V G (§§ 156f.) und der StPO geschieht. Das ergibt sich, wie in Anm. 5 der Vorauflage ausführlich dargelegt worden ist, eindeutig aus der Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 2. Unabhängig davon ergibt sich die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung bei Versäumung der Antragsfrist auch aus § 15 Abs. 3 Satz 3, denn die entsprechende Anwendung des § 5 bedeutet, daß die den Antrag aus § 15 ablehnende Verfügung des Generalstaatsanwalts einer ein Rechts- oder Amtshilfeersuchen genehmigenden Verfügung nach jeder Richtung gleichstehen soll; im Fall des § 5 Abs. 1 aber wird die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung nicht in Zweifel gezogen, obwohl der Wortlaut des § 1 Abs. 2 nur scheinbar nicht entgegensteht, denn durch eine nicht abschließende Verfügung des Generalstaatsanwalts wird dem Ersuchen ja nicht entsprochen (ebenso im Ergebnis O L G Frankfurt vom 6. 10. 1955 - 2 Ws. 276/55). 3181

§ 15 Anm. 6 § 1 6 Anm. 1

Anhang (Schäfer)

6. Die abschließende Verfügung des Generalstaatsanwalts und die Entscheidung des Oberlandesgerichts schließt kraft der Bindungswirkung (§ 16) eine erneute N a c h p r ü f u n g durch ein anderes Gericht oder eine andere Behörde aus, soweit es sich um die Rechtsstaatsmäßigkeit oder Rechtsstaatswidrigkeit der Verurteilung handelt. Geht also ein Vollstrek kungsersuchen ein, nachdem auf Grund eines Antrags aus § 15 die Unzulässigkeit der Vollstreckung ganz oder teilweise festgestellt worden ist, so ist die Genehmigung ohne weiteres zu versagen, auch wenn infolge Wechsels des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts ort des Betroffenen ein anderer Generalstaatsanwalt für die Entscheidung über das Vollstreckungsersuchen örtlich zuständig geworden ist; neu hervorgetretene Gesichtspunkte können nur dazu führen, daß die Stellen, die die frühere Entscheidung getroffen haben, sie im Rahmen des § 9, § 15 Abs. 3 Satz 3 nachprüfen. Dagegen schließt eine Entscheidung, durch die der Antrag aus § 15 in vollem U m f a n g als unbegründet zurückgewiesen worden ist, nicht aus, ein nachträglich eingehendes Vollstreckungsersuchen unter dem Gesichtspunkt des § 2 Abs. 1 Nr. 3 (vgl. dazu Anm. 4 zu § 2) zu prüfen, denn mit der Frage, ob bei Zulieferung zur Vollstreckung aus einem an sich rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Urteil dem Betroffenen aus der Gewährung der Vollstreckungshilfe rechtsstaatswidrige erhebliche Nachteile außerhalb des Verfahrens erwachsen können, hat sich die Entscheidung aus § 15 nicht zu befassen (ebenso P o l z i n aaO. 452). Wegen des umgekehrten Falles, daß zuerst über ein Vollstreckungsersuchen entschieden wurde und dann ein Antrag aus § 15 gestellt wird, vgl. oben Anm. 3 c. Ist gleichzeitig über ein Vollstreckungsersuchen und einen Antrag aus § 15 zu entscheiden, so sind beide Verfahren zu verbinden.

§ 16. Bindende Wirkung Die Entscheidungen des Gerichts und die abschließenden Verfügungen des Generalstaatsanwalts binden alle Gerichte und Behörden im Geltungsbereich dieses Gesetzes. 1. a) Entscheidungsmonopol. Für die Fragen, die nach dem vorliegenden Gesetz Gegenstand einer abschließenden Verfügung des Generalstaatsanwalts oder einer Entscheidung des Oberlandesgerichts sind, hat das Gesetz diesen Stellen ein Entscheidungsmonopol eingeräumt, weil diese Fragen der Natur der Sache nach, aus zwingenden praktischen Gründen, nicht Gegenstand verschiedener Beurteilung durch andere Stellen und Gerichte sein können. Soweit es sich um die Bindung anderer Gerichte an die Entscheidung des O L G handelt, hat BVerfGE 12 67 = BGBl. I 1961, 270 mit Gesetzeskraft die Vereinbarkeit mit Art. 97 G G festgestellt. Aber auch die Bindung der Gerichte an abschließende Verfügungen des Generalstaatsanwalts verstößt nicht gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit. Die Verfügungen sind konstitutiver Natur. Soweit sie abschließend eine Rechts- oder Amtshilfe genehmigen oder die Zulässigkeit der Vollstreckung (durch Zurückweisung des Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit der Vollstreckung, § 15) feststellen, schaffen sie erst die Voraussetzungen für den Vollzug des Titels der D D R (vgl. BVerfG N J W 1960 1611, s. auch Anm. 1 zu § 1). Soweit sie eine Vollstreckung für unzulässig erklären, entziehen sie dem DDR-Titel nicht nur die Vollstreckungsfähigkeit, sondern sie beseitigen ihn rechtlich, was in der Tilgung des Strafvermerks ( § § 1 3 Abs. 2, 15 Abs. 4) und in dem Wegfall der an ein rechtskräftiges Urteil anknüpfenden Nebenfolgen seinen Ausdruck findet (vgl. Anm. 1, 3 c zu § 15). Eine Bindung des Gerichts an unanfechtbare konstitutive Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde widerspricht aber nicht dem G G (vgl. Einleitung S. 126 unter e; ebenso K a i s e r N J W 1965 474). BGHSt. 20 5 = N J W 1964 2169, 2170 läßt die Frage, ob die Bindung der Gerichte an abschließende Verfügungen des GStA mit Art. 97 G G vereinbar ist, offen. b) Aus dem Entscheidungsmonopol der in § 16 bezeichneten Stellen ergibt sich, daß andere Gerichte der Bundesrepublik nicht befugt sind, die Frage der Rechtsstaatswidrigkeit von Urteilen der D D R als Vorfrage zu entscheiden, wenn die Vollstreckbarkeit eines solchen Urteils als Grundlage für die eigene Entscheidung in Betracht kommt; das Gericht muß es dann ggf. dem Angekl. überlassen, eine Entscheidung aus § 15 herbeizuführen. Nach BGHSt. 20 5 ist aber das Revisionsgericht, wenn aus verfahrensrechtlichen Gründen eine

3182

C. Gesetz über die innerdeutsche Rechts- § 16Anm.2; § 17Anm.l und Amtshilfe in Strafsachen § 1 8 Anm. 1; § § 19—22 solche Klärung auf dem Weg über § 15 nicht mehr in Betracht kommt, in der Lage, in sinngemäßer Anwendung des § 2 die Rechtsstaatlichkeit einer DDR-Verurteilung zu prüfen, weil andernfalls in der Heranziehung des DDR-Urteils als Grundlage für die Entscheidung eines Gerichts der Bundesrepublik eine Anerkennung läge, die der Rechtshilfe für ein Urteil eines Gerichts der D D R nicht nachsteht. Wo dagegen nicht die Vollstreckbarkeit (im weiteren Sinn) des DDR-Urteils, sondern nur seine Beweisfunktion für ein bestimmtes Verhalten des Verurteilten in Frage steht, ist jedes Gericht (z. B. im Ehescheidungs- oder im verwaltungsgerichtl. Verfahren) frei in der Bewertung der im DDR-Urteil getroffenen tatsächl. Feststellungen und ihrer rechtlichen Beurteilung (BVerwG MDR 1965 233; NJW 1969 1730). 2. Der Grundsatz des § 16 gilt nicht nur für die Entscheidungen des Oberlandesgerichts (§§ 8,9 Abs. 1, § 10 Abs. 2, § 11 Abs. 2, § 15 Abs. 3) und die Verfügungen des Generalstaatsanwalts, die dadurch abschließend werden, daß ein wirksamer Antrag aus § 5 Abs. 1, § 15 Abs. 3 nicht gestellt oder ein wirksam gestellter Antrag zulässigerweise zurückgenommen wird (vgl. Anm. 2 zu § 5), sondern auch für die übrigen Verfügungen des Generalstaatsanwalts (§ 3, § 14 Satz 2), die mit ihrem Ergehen abschließend werden, d. h. so lange gelten, wie nicht der Generalstaatsanwalt sie abändert (vgl. Anm. 6 zu § 4, Anm. 2 zu § 14). Entscheidungen und abschließende Verfügungen, durch die ein Vollstreckungsersuchen ganz oder teilweise abgelehnt oder die Vollstreckung auf Antrag aus § 15 ganz oder teilweise für unzulässig erklärt wird, haben rechtsgestaltende Wirkung (s. Anm. 1). Gleichzeitig ersetzen Verfügungen und Entscheidungen nach § 2 Abs. 5, § 8 Abs. 2, § 15 Abs. 3 und die im durchgeführten Verfahren (§11) ergehende Entscheidung die bisherigen Entscheidungen. Die Verfügungen und Entscheidungen binden nicht nur die Justizbehörden (Gerichte, Staatsanwaltschaften, Zentralregisterbehörden), sondern wirken über diesen Bereich hinaus: die Polizeibehörde darf z. B. Fahndungen nicht im Widerspruch zu einer Verfügung oder Entscheidung betreiben, die die Genehmigung zur Vollziehung eines Haftbefehls oder zur Zulieferung zur Strafvollstreckung versagt oder die Unzulässigkeit der Vollstreckung feststellt. § 17. Mitteilungspflicht Alle auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Entscheidungen des Gerichts und abschließenden Verfügungen des Generalstaatsanwalts, die sich auf ein Rechts- oder Amtshilfeersuchen um Strafverfolgung oder Strafvollstreckung beziehen oder sonst nach § 10, 11, 14,15 getroffen sind, sind dem Generalbundesanwalt mitzuteilen. 1. Die Sammlung an einer zentralen Stelle bezweckt, der Vorschrift des § 16 Beachtung zu verschaffen. Unberührt bleibt die Mitteilungspflicht nach § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 4. Vgl. im übrigen §§ 1, 4, 5 der DurchfVO vom 23. 12. 1953. § 18. Ermächtigung Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Verordnung mit Zustimmung des Bundesrates 1. die Mitteilungspflicht nach § 17 auch auf andere Entscheidungen und Verfugungen zu erstrecken, die sich auf den Rechts- und Amtshilfeverkehr mit deutschen Gerichten und Behörden außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes beziehen, 2. die Sammlung und Verwertung der in § 17 genannten Mitteilungen zu regeln, 3. Bestimmungen über die Ausstellung von Führungszeugnissen für Personen zu erlassen, deren Strafregister außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes geführt wird. 1. Aufgrund des § 18 ist die DurchfVO vom 23. 12. 1953 (BGBl. I 1569) ergangen (hier nicht abgedr.). § 19 (Kosten und Gebühren), § 20 (Übergangsvorschrift), § 21 (Berlin-Klausel), § 22 (Inkrafttreten) — nicht abgedruckt.

3183

Sachregister

Sachregister Die Zahlen hinter den Stichwörtern weisen auf die Seiten hin Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 Bd. II = S. 1135-2313 Bd. III = S. 2315-3183

A Abänderbarkeit von Entscheidungen 73 f. s. im übrigen unter Änderungen Abberufung des Pflichtverteidigers 917 des ehrenamtlichen Richters 3123 f. Abbestellung Mitteilung von der — eines Zeugen oder Sachverständigen 1165 Abbildungen Bezugnahmen auf — in den Urteilsgründen 1814 Abführung eines Geldbetrages 562 des Ergriffenen nach Verfolgung in das Gebiet eines anderen Landes 2930 der Parteien usw. zur Haft wegen Ungehorsams 2960 f., 2973 f. Abgabe wegen sachlicher Unzuständigkeit 225 von Papieren an die StA 633 f. der Verhandlungen der Polizei an die StA durch den Richter beim Amtsgericht im Strafverfügungsverfahren 2198 einer Strafsache durch den Generalbundesanwalt 2877 ff. eines Rechtshilfeersuchens wegen örtlicher Unzuständigkeit 2915 Abgabenordnung s. Reichsabgabenordnung Abgaben und Gefälle früheres Verwaltungsstrafverfahren nach der RAbgO 2202f., 2589 s. Näheres Reichsabgabenordnung Abgekürztes Urteil Zulässigkeit 1506 Abgekürztes Verfahren s. beschleunigtes Verfahren Abgeordneter als Beschuldigter (Immunität) 122 f.

Vernehmungsort 407 f. Kostentragung und Ordnungsstrafe wegen Ausbleibens als Zeuge 412 Zeugnisverweigerungsrecht 415, 428 f. Beschlagnahmegegenstände 558 Beschlagnahmefreiheit 576f., 579 Durchführung der Beschlagnahme 591 Durchsuchung 618, 620, 625 vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis 641,643 Beschlagnahme des Führerscheins 649 Beschlagnahme bei Flagrantendelikten 650 Haftbefehl 684, 688 Unterbringungsbefehl 815 vorläufige Festnahme 818 f. Vorführung zur Vernehmung 843 landesgesetzliche Vorschriften über die Strafverfolgung 951 Eröffnung der Voruntersuchung 1057 Immunität, Prüfung durch das Revisionsgericht 1799 als Beschuldigter im Privatklageverfahren 2000 f., 2002 Widerklage im Privatklageverfahren 2021, 2025 Strafvollstreckung 2327f. Mißbrauch der —Stellung, Anklage 2633 f. Ordnungsstrafen wegen Ungebühr 2962 f. Richter, Annahme eines —mandats 3085 f. s. im übrigen Bundestagsabgeordnete, Immunität, Landtagsabgeordnete Abhängigkeit des Verteidigers 891 s. im übrigen unter Unabhängigkeit Abhängigmachen der Einstellung von Kostenübernahme 2446 Abhilfe bei Antrag des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung über Verfahrenseinstellung 1043 3187

Abh

Sachregister

Abhilfe (Fortsetzung) bei Verletzung des rechtlichen Gehörs 347 bei einfacher Beschwerde 1646, 1655 f. grundsätzlich nicht bei sofortiger Beschwerde 1669 f. Ausnahme vom —verbot bei sofortiger Beschwerde 1670 Antrag auf Entscheidung des Berufungsgerichts über die Verwerfung der Berufung 1712 Abhören des Fernsprechverkehrs 609 Abkommen internationale — über Exterritorialität 2646 Abkürzung s. Verkürzung Ablehnung der Eröffnung der Voruntersuchung oder des Hauptverfahrens wegen vorheriger Eröffnung bei einem anderen Gericht 244 von Ablehnungsgesuchen 320, 322 Angabe der Gründe bei ablehnenden Entscheidungen 349 ff. von Wiedereinsetzungsgesuchen 398 der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis 651 der Beschwerde des Verletzten gegen Einstellungsverfügung der StA 1034 f. der öffentlichen Klage Voraussetzung für Antrag auf gerichtliche Entscheidung 1039 der Wiederaufnahme der Klage, Antrag auf gerichtliche Entscheidung 1040 des Antrags auf Eröffnung der Voruntersuchung 1056 ff., 1061 f. Ergänzung der Voruntersuchung 1080 Eröffnung des Hauptverfahrens 1101 ff., 1112 f., 1122 Wiederaufnahme der Klage 1123 ff. der Aburteilung im beschleunigten Verfahren 1132 f. von Beweisanträgen des Angeklagten vor der Hauptverhandlung 1155, 1156 ff. unzulängliche Gründe für die — von Beweisanträgen in der Hauptverhandlung 1277fF. von Beweisanträgen durch Gerichtsbeschluß 1279 Bekanntmachung 1279 ff. 3188

von Beweisanträgen aus bestimmten Gründen 1284ff.; s. Näheres unter Beweisaufnahme oder Beweisanträge von Beweisanträgen auf Vernehmung eines Sachverständigen 1303ff.; s. Näheres unter Beweisaufnahme oder Sachverständige gesetzwidrige — von Beweisanträgen, Revision 1312 f. der Beweiserhebung bei präsenten Beweismitteln 1320 f. keine — von Beweisanträgen wegen zu späten Vorbringens 1321 von Maßregeln der Sicherung und Besserung im Urteilsspruch 1411 des Wiederaufnahmeantrags nach dem Tod des Verurteilten ohne Erneuerung der Hauptverhandlung 1951 f. des Anschlusses als Nebenkläger 2052 f. des Antrags auf Zuerkennung einer Buße 2082 des Strafbefehlsantrags 2148 des Strafverfügungsantrags 2198 f. des Antrags auf Unterbringung im Sicherungsverfahren 2212 ff. der Verfahrensbeteiligung bei Einziehung 2242 von Anträgen auf nachträgliche Anordnung der Strafaussetzung zur Bewährung 23 70 f. der Aussetzung des Strafrests 2377 des Strafaufschubes 2384ff. des Aufschubes oder der Unterbrechung der Untersagung der Berufsausübung 2394 der Begnadigung 2621 f. der Berufung zum Schöffenamt 2735, 2742ff„ 2768 des Ersuchens um Rechtshilfe 2904 f. der Ausschließung der Öffentlichkeit 2948 f. einer Maßnahme, Antrag nach § 2 8 EGGVG 3048 f. Ablehnung (von Gerichtspersonen) allgemein 271 ff. Gerichtspersonen 272 Staatsanwalt 273 f. Reform 2 74 f. Richter 293 f. ausgeschlossener Richter 293 Befangenheit des Richters 293 f. Vortätigkeit des Richters 294 ff.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Ablehnung (von Gerichtspersonen) (Forts.) Vollstreckungsrichter 296 persönliche Verhältnisse 296 f. politische Bindung 297 Anzeigen gegen Richter 297 Ablehnungsberechtigte 297 f. Namhaftmachung von Gerichtspersonen 298 Zeitpunkt der — wegen Besorgnis der Befangenheit in der Hauptverhandlung 299 ff. unbedingtes —recht bis zum Beginn der Vernehmung des Angeklagten zur Sache,Konzentrationsgebot 300 f. bedingtes —recht 301 f. absolutes Erlöschen des —rechts 302 f. Gesuch (Gericht, Form, Begründung, Glaubhaftmachung, dienstliche Äußerung) 303 ff. Verwerfung der — als unzulässig, vereinfachtes Verfahren (unter Mitwirkung des abgelehnten Richters) 306 ff. Unzulässigkeitsfälle 308 ff. Verspätung 308 Wiederholung 308 fehlende Begründung 308 f. fehlende Glaubhaftmachung 309 Verschleppung 309 f. verfahrensfremde Zwecke 310 des Gerichts als Ganzes 311 verfrühte Gesuche 311 vereinfachtes Verfahren 311 ff. Entscheidung über das Gesuch im Regelverfahren (ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters) 313 ff. zuständiges Gericht 315 entscheidender Gerichtskörper 315 f. OLG und BGH 316 Strafkammer und Schwurgericht 316 Untersuchungsrichter 316 f. Amtsrichter 317 Beschlußunfähigkeit 317 obere Gerichte 317 f. Regel verfahren 318 ff. zuständiges Gericht 318 f. entbehrliche Entscheidung 319 Entscheidung durch Beschluß 319 Reihenfolge der Entscheidungen bei mehreren — 319 f. ablehnende Entscheidungen 320 stattgebende Entscheidungen 320f.

Abi

Bekanntmachung von Entscheidungen 321 Anfechtbarkeit von Entscheidungen 321 ff. Unanfechtbarkeit stattgebender Beschlüsse 322 Anfechtung ablehnender Beschlüsse 322 sofortige Beschwerde 322f. Beschwerdeentscheidung 323 Verbrauch 323 erkennende Richter 323 f. in den besonderen Verfahrensarten 324 Anfechtung mit dem Urteil 325 Entscheidung des Rechtsmittelgerichts 325 f. Vornahme unaufschiebbarer Handlungen durch den abgelehnten Richter 326ff. Entscheidung auch bei Anzeige des Richters von einem Ablehnungsgrund oder bei Zweifel über einen Ausschließungsgrund 328 ff. der Schöffen und Urkundsbeamten 332 ff. Sachverständige 493 ff.; s. Näheres unter diesem Wort bei erfolgreicher — des Sachverständigen erneute Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen 540 abgelehnter Sachverständiger als sachverständiger Zeuge 542 f. Prüfung durch das Revisionsgericht 1789 unbedingter Revisionsgrund 1829 f. Recht des Nebenklägers zur — 2057 des Richters beim Amtsgericht als Vollstreckungsbehörde 2346 f. von Schöffen, keine Mitwirkung 2733 Beschlußfähigkeit der auswärtigen Strafkammer 2799 von Mitgliedern des Großen Senats beim BGH 2854 keine — des Gerichtsvollziehers 2902 des Dolmetschers 2985 Ablenkung eines mitwirkenden Richters, vorschriftsmäßige Gerichtsbesetzung 1829 Ablichtungen Pflichtverteidiger, Erstattungsfähigkeit von — 2464 Ablieferung von Beschlagnahmegegenständen an den Richter 588 f. von Papieren an den Richter 631 ff. Ersuchen um Ergreifung und — des Verurteilten 2922 ff. 3189

Abo

Sachregister

Abolition Allgemeines 115 f. Begriff 2617 Massen — 2622 s. im übrigen Niederschlagung, Begnadigung, Begnadigungsrecht Abordnung Wahl des Präsidiums, Wahlberechtigung und Wählbarkeit bei - 2660f. Präsidium, Eintreten von Nächstberufenen bei — 2665 von Richtern an das Oberlandesgericht 2821 Besetzung der Gerichte mit abgeordneten Richtern 3096 f. von Richtern auf Lebenszeit und auf Zeit 3107 ff. Heranziehung zu Nebentätigkeiten an anderer Stelle 3114 Anfechtung 3131 f., 3139 f. Abschiebung Absehen von der Vollstreckung bei — 2387 Abschluß Vernehmung des Beschuldigten vor — der Ermittlungen 1007 Vermerk über — der Ermittlungen 1017 f. Auslagenerstattung bei Verfahrenseinstellung nach Mitteilung des — der Ermittlungen 2523 ff. Abschnitte zuständige Gerichte in verschiedenen — des Verfahrens 2630 Abschriften Erteilung von — verkündeter Entscheidungen 352 Zustellung beglaubigter — 364 bei Öffnung eines Briefes 612 des Haftbefehls an den Beschuldigten 694 von Zustellungen an Verteidiger oder Beschuldigten 928 f. aus den Akten 931, 933 f. beglaubigte — von Strafanträgen 990 Erteilung von Protokoll— in der Voruntersuchung 1070 des Beschlusses über Ablehnung eines Beweisantrages 1281 Verlesung von — 1333 f. des Urteils im Anhangsverfahren 2078 der Urteilsformel als Grundlage der Vollstreckung 2354 f. Pflichtverteidiger, Erstattungsfähigkeit von — 2464 3190

Absehen von der Beeidigung 448ff.; s. Näheres unter diesem Wort von der Erhebung der öffentlichen Klage 9 5 2 f f ; s. Näheres unter öffentliche Klage von Strafe, Einstellung 960 ff. von der Verfolgung von Auslandstaten 962 ff. von der Verfolgung von Taten im Ausland mit Inlandswirkung 963 f. von der Verfolgung von Staatsschutzsachen 964 ff. von der Verfolgung einer Tat des Genötigten oder Erpreßten 976f. Urteilsspruch bei — von Strafe 1409 Urteilsgründe bei — von Strafe 1505 Beschwer bei — von Strafe 1607 von Strafe durch das Revisionsgericht 1892 von einer Entscheidung über den Entschädigungsantrag des Verletzten 2075 f. Verlangen nach Buße, — von der Entscheidung 2082 selbständige Einziehung bei — von Strafe 2286 von der Vollstreckung bei Auslieferung und Ausweisung 2387 f. von Strafe, Kostentragungspflicht des Angeklagten 2482 von der Auslagenüberbürdung 2510 ff. Absender einer Sendung bei Postbeschlagnahme 597,611 Absetzung Frist für - des Urteils 1557 ff. Abstammung Untersuchungen Nichtbeschuldigter zur Feststellung der — 534 f. Abstimmung Verwerfung der Ablehnung als unzulässig wegen Verschleppung usw. 310 im Berufungsverfahren 1774 Annahme der Begründetheit der Revision 1877 beim erweiterten Schöffengericht 2732 Beratung und — 2985ff.; s. Näheres unter Beratung Leitung durch den Vorsitzenden 2994 ff. Art der — (— nach Gründen oder nach dem Endergebnis?) 2994 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Abstimmung (Fortsetzung) ungeteilte — über die Schuldfrage 2996 ff. bei verschiedener rechtlicher Beurteilung des Beweisergebnisses 2996 f. bei Wahlfeststellung 2997 Schuldgrade 2997 Beweisfrage 2997 f. Strafaufhebungsgründe 2998 Umstände, die die Strafbarkeit erhöhen oder vermindern 2998 Änderung der Stimmabgabe 2998 f. Umlaufverfahren 2999 Verpflichtung des vorher Uberstimmten zur Stimmabgabe 2999 ff. Verbindlichkeit des Mehrheitsbeschlusses 2999 f. überstimmter Richter als Berichterstatter 3001 Sondervotum 3001 absolute Stimmenmehrheit 3001 mehrere Meinungen (in Beziehung auf Summen, abgesehen von der Schuldfrage, Straffrage) 3001 f. Stimmengleichheit beim erweiterten Schöffengericht 3002 Reihenfolge der - 3002 Beratungsgeheimnis 3115 ff.; s. Näheres unter diesem Wort Abteilung Zurückverweisung an eine andere - 1897ff. Abtrennbare Teile Beschränkung der Verfolgung bei — einer Tat 973 ff. einer Tat, Eröffnungsbeschluß 1112 f. Abtrennung von Tatteilen, Eröffnungsbeschluß 1112 f. des Verfahrens gegen einen Mitangeklagten 1193, 1834 Abtreten des Angeklagten während der Vernehmung von Mitangeklagten, Zeugen, Sachverständigen 1325 ff. Aburteilung im beschleunigten Verfahren 1126ff.; s. Näheres unter beschleunigtes Verfahren Abweichung der nachgereichten Anklage vom Eröffnungsbeschluß 1141 von der zugelassenen Anklage 1458 ff.

Abw

vom Antrag der StA bei Erlaß des Strafbefehls 2148 ff. vom Geschäftsverteilungsplan, Revision 2676 Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte 2834 zwischen verschiedenen Senaten eines OLG (Innendivergenz) 2834 f. eines OLG von einer Entscheidung eines anderen OLG oder des BGH, Vorlegungspflicht 2835 ff. Begriff der - 2842 ff. eines Senats des BGH von einer Entscheidung, Anrufungspflicht 2856 ff. Entscheidung auf Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG, Vorlegungspflicht 3050 Abwesende Einwand der Unzuständigkeit 261 Zeitpunkt der Ablehnung 301 notwendige Verteidigung 903 f., 1573 Ausbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung 1191 Hinweis auf Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes 1476 f. Verfahren gegen — 15 64 ff. Steuersachen 1566 Jugendsachen 1566 Begriff der Abwesenheit 1567 f. nicht ausführbare oder nicht angemessene Gestellung 1567f. Ausland 1568 f. Geltung der allgemeinen Vorschriften 1569 Hauptverhandlung 1570 Strafbefehlsverfahren 1571 Antrag der StA 1571 Beschränkung auf Bagatelldelikte 15 72 f. Steuer- und Jugendsachen 1573 Anklageschrift 1573 Eröffnungsbeschluß 1574 Ladung 15 74 ff. Ausführung (Bekanntmachung) der Ladung 1575 f. Angehörige als Vertreter 1576f. Beendigung der Hauptverhandlung, Gestellung des Angeklagten 1577f. Urteilsunreife, Einstellungsbeschluß 1578 Abwesenheitsurteil 1578 f. Rechtsmittel 1580 erneute Zustellung bei Ergreifung oder Gestellung 15 80 ff. 3191

Abw

Sachregister

Abwesende (Fortsetzung) Wiederaufnahme des Verfahrens 1581 ff. Beschlagnahme wegen Geldstrafe und Verfahrenskosten 1583 ff. Beschlagnahme einzelner Gegenstände 1585 Beschlagnahme des Vermögens 1585 Aufhebung der Beschlagnahme 1585 f. Beschlagnahme, Rechtsmittel 1586 Beweissicherungs verfahren 1586 ff. Ausschluß der Hauptverhandlung gegen — 1586 f. Ermittlungsverfahren, Voruntersuchung 1588 nachträgliche Abwesenheit 1588 Benachrichtigung des —, Verteidiger, eidliche Zeugenvernehmung 1589 Vermögensbeschlagnahme zum Zwecke der Gestellung 15 90 ff. Bekanntmachung der Vermögensbeschlagnahme zum Zwecke der Gestellung 1591 f. Beschlagnahme, Wirkung, Abwesenheitspflegschaft 1592 Vermögensbeschlagnahme, Aufhebung 1592 f. Maßnahmen zur Sicherung künftiger Vermögensstrafen 2430 f. Kosten 2582f. Verfahren gegen — in der D D R (Sowjetzone), Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3159 Abwesenheit des Beschuldigten als Verfahrenshindernis 121 f. Ablehnungszeitpunkt bei — des Angeklagten 301 Einzelvernehmung in — der später abzuhörenden Zeugen 442 f. des Inhabers von Räumen bei Durchsuchung 628 vorläufige Einstellung wegen — des Angeschuldigten 1104 ff. Ausbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung 1190 ff. Beendigung der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten bei Sichentfernen 1198 ff. Hauptverhandlung in — des Angeklagten (Ungehorsamsverfahren) 1201 ff. der Zeugen während der Hauptverhandlung 1245 f. 3192

Verlesung früherer Aussagen zur Unterstützung des Gedächtnisses 1373 Verfahren gegen Abwesende 15 64 ff. Begriff der - 1567, 1594 nachträgliche — 1588 sicheres Geleit 1594 ff.; s. Näheres unter Abwesende und sicheres Geleit des Angeklagten bei der Urteilsverkündung, Berufungsfrist 1686 Vortrag des Berichterstatters in der Berufungsverhandlung in — der Zeugen 1722 gesetzwidrige — in der Hauptverhandlung als absoluter Revisionsgrund 1832 ff. Revisionsfrist 1843 f. Zustellung des in — des Nebenklägers verkündeten Urteils 2060 f. Strafbefehlsverfahren 2140, 2182 ff. Strafverfügungsverfahren 2197 Sicherungsverfahren 2215 ff. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe, —verfahren 3159 s. auch Abwesende, Anwesenheit, Ausbleiben Abwesenheitsgeld eines auswärtigen Rechtsanwalts, Erstattung 2472 Abwesenheitspflegschaft Vermögensbeschlagnahme 1592 Abwesenheitsurteil Inhalt 1579 Kennzeichnung als — 1579 Zustellung 1579 Vollstreckung 1579 Sachrüge, Revisionsbegründung 1853 s. im übrigen unter Abwesenheit Adhäsionsverfahren s. Anhangsverfahren Adressaten der Anschlußerklärung des Nebenklägers 2052 von Druckschriften, Einziehungsbeteiligung 2237 fr. Änderungen von Entscheidungen 75 f. von Beschlüssen 163, 348 des Haftbefehls 692 f. der Verhältnisse bei Sicherheitsleistung und Zustellungsvollmacht 717 f. der Ablehnung der Fortdauer der Untersuchungshaft 788 f. der öffentlichen Klage 982

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Änderungen (Fortsetzung) der Anklageschrift 1107 der Anklage vor Zulassung 1112 des rechtlichen Gesichtspunktes, Eröffnungsbeschluß 1122 des Termins, Ladungsfrist 1145 des rechtlichen Gesichtspunktes auf Grund der Hauptverhandlung 1460 ff. Hinweis auf — des rechtlichen Gesichtspunktes, Aussetzung 1467ff,; s. Näheres unter Hauptverhandlung Urteil, — und Berichtigung 1513 ff. des Verhandlungsprotokolls 153 7 f. der Urteilsgründe 1560 f. von Beschlüssen und Verfügungen 1635 ff., 1655 f. Verbot von — bei sofortiger Beschwerde, Ausnahme 1669 f. bei Antrag auf Entscheidung des Berufungsgerichts über Verwerfung wegen verspäteter Berufungseinlegung 1712 des Verwerfungsbeschlusses 1717 Verbot von — erstinstanzlicher Urteile zum Nachteil des Angeklagten 1755ff.; s. Näheres unter Verschlechterungsverbot des angefochtenen Urteils im Verwerfungsbeschluß des Revisionsgerichts 1875 f. rechtskräftiger Verwerfungsbeschlüsse 1876 des Verfahrensrechts nach dem mit der Revision angefochtenen Urteil 1902 Verbot der — der Strafe zum Nachteil des Angeklagten bei Revision 1912 ff. Ausschluß der Wiederaufnahme zwecks bloßer - der Strafe 193 7 f. Verbot der — der Strafe zum Nachteil des Verurteilten bei Wiederaufnahme 1958 des Strafbefehls 2161 Anrechnung der Untersuchungshaft bei - des Urteils 2340 der Übertragung nachträglicher Entscheidungen über Strafaussetzung zur Bewährung auf das Amtsgericht 2365 des nachträglichen Gesamtstrafenbeschlusses 2414 verfahrensrechtlicher Vorschriften 2585 des Geschäftsverteilungsplanes im Laufe des Geschäftsjahrs 2678 f. Weitertätigwerden trotz — der Geschäftsverteilung 2679 ff.

Äuß

der Wahl des Gerichts durch die StA bei Anklageerhebung 2719 der Sitzungstage des Schöffengerichts 2756 der Reihenfolge der Schöffen 2758 f. der Revisionszuständigkeit des OLG 2830 des Gesetzes, Vorlegungspflicht des OLG 2843 f., 2849 Anrufungspflicht der Senate beim BGH 2860, 2864 des die Öffentlichkeit betreffenden Beschlusses 2944 der Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2971 der Verfügung des Generalstaatsanwalts nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3163 f., 3167f. der ostdeutschen Strafe im neuen Verfahren 3173 Ärzte Zeugnisverweigerungsrecht 426 f. Hilfspersonen 433 f. als Sachverständige 503 f. körperliche Eingriffe nur durch — 523 körperliche Untersuchung 533 f Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung und Entnahme von Blutproben 534 f. körperliche Untersuchung der Frau 536 ff. Zuziehung bei Leichenschau und Leichenöffnung 546 ff. Verdacht einer Vergiftung 549 Beschlagnahmefreiheit 575 f., 577, 580 Wahl der — während der Untersuchungshaft 756 Meldung von Todesfällen 992 Vernehmung eines — vor Unterbringung oder Sicherungsverwahrung 1323 ff. Vernehmung eines — nach Verweigerung der Aussage eines Zeugen 1367 Verlesung von Attesten über Körperverletzungen 13 84 ff. Ablehnung der Berufung zum Schöffenamt 2743 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG wegen ärztlicher Versorgung 3036, 3038 Äußerungen schriftliche — des Beschuldigten 857 Gelegenheit zu schriftlichen — in einfachen Sachen 1007

3193

Äuß

Sachregister

Äußerungen (Fortsetzung) Verwertung von — gegenüber einem Sachverständigen nach Zeugnisverweigerung 1369 Beurkundung des Wortlauts 1549 ff. Auslegung, Prüfung durch das Revisionsgericht 1812 Ungebührliche — 2966 s. auch Anhörung Akten des Vorverfahrens und Grundsatz der Mündlichkeit 153 f. Abschriften verkündeter Entscheidungen 352 Vorlegung oder Auslieferung von — durch Behörden, Sperrerklärung 568 ff. Beschlagnahmefreiheit 576 Recht auf-einsieht 930 ff. Verpflichtung der Behörden zur Vorlegung oder Auslieferung von — an die StA 998 Übersendung der — an StA nach Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen 1001 Vorlage der — der StA im Klageerzwingungsverfahren 1044 Übersendung der — an StA nach Schluß der Voruntersuchung 1080 Vorlage der — durch die StA nach Voruntersuchung zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens 1083 Vorlage der — bei unmittelbarer Anklageerhebung mit der Anklageschrift 1084 Vorlage durch den Amtsrichter an die Strafkammer, Voruntersuchung 1098 Vorlage der — an das Gericht höherer Ordnung zur Eröffnung des Hauptverfahrens 1118 f. im beschleunigten Verfahren übergebene Anklageschrift 1129 Verpflichtung zur Verlesung 1316 Vorlage an StA nach Ablauf der Frist zur Rechtfertigung der Berufung 1713 f. Übersendung der — an StA bei dem Berufungsgericht, Übergabe an den Vorsitzenden 1714 f. behaupteter Verfahrensfehler bei Verlust der - 1805 Nichtberücksichtigung des —inhalts durch das Revisionsgericht 1813 3194

Zuleitung an das Revisionsgericht im Privatklageverfahren 2031 Übersendung der — an den Amtsrichter zwecks Strafverfügung 2195 Abgabe der — durch Amtsrichter an StA bei Nichterlaß der Strafverfügung 2198 Mitteilung der — an das Gericht eines anderen Landes 2930 f. s. auch Handakten, Übersendung Aktenauszüge Aushändigung an den Beschuldigten durch den Verteidiger 934 Akteneinsicht durch den Sachverständigen 511 Recht auf — des Verteidigers 930 ff. Art der Akten 931 f. Durchführung 932 f. Verwertung des Akteninhalts 933 f. Fertigung von Abschriften oder Fotokopien 931, 933 Verschlußsachen 933 f. keine Überlassung von Originalakten an den Beschuldigten 933 Aushändigung von Aktenauszügen an den Beschuldigten 934 Versagung der — im Vorverfahren 934 f. bevorzugte Urkunden 935 Ort der - 935 im Büro des Verteidigers 935 Verfahren bei Antrag auf — 935 f. Rechtsmittel gegen Entscheidungen über -936 nach Abschluß des Verfahrens 937 außerhalb eines anhängigen Verfahrens oder durch andere Personen als Verteidiger 937 in Steuersachen durch das Finanzamt 938 Einsicht der StA in Behördenakten 998 Vermerk über Abschluß der Ermittlungen 1018 der StA und des Verteidigers in der Voruntersuchung 1079 im beschleunigten Verfahren 1131 Ablehnung der - nach § 147 StPO, Revision 1790 nach Zulassung der Wiederaufnahme des Verfahrens 1948 durch den Privatkläger 2014 im Strafbefehlsverfahren 2141 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3022

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1 1 3 5 - 2 3 1 3 ; Bd. 111= S. 2 3 1 5 - 3 1 8 3 Akteneinsicht (Fortsetzung) des Rechtsanwalts im Verfahren nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3 1 6 2 f. Aktenkundigmachen der Beschränkung der Verfolgung auf Teilakte 974 des Ergebnisses des Schlußgehörs 1023 der Änderung der Reihenfolge der Schöffen 2 7 5 8 der Auslosung von Hilfsschöffen zu außerordentlichen Sitzungen 2 7 6 0 der Entbindung der Schöffen von der Dienstleistung 2 7 6 9 der Gründe der Entscheidung des Oberlandesgerichts nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3 1 6 7 Aktenordnung Verzeichnis und Kenntlichmachung von Verwahrstücken 631 Handakten der Staatsanwaltschaft 931 Anheftung an die Gerichtstafel 1575 Aktensteüen Widersprüche zu bestimmten —, erweiterte Revision (Reform) 1777 Aktenübersendung in die D D R (Sowjetische Besatzungszone) 3 1 6 0 s. auch Übersendung Aktenverlust s. Verlust Aktenvermerk über Strafantrag 989 über Abschluß der Ermittlungen der StA 1017 ff., 1026, 1127 Aktenvorlage wegen sachlicher Unzuständigkeit 2 2 4 Übergabe zustellungs- und vollstreckungsbedürftiger Entscheidungen an die StA 361 Ruhen der Sechsmonatsfrist für Untersuchungshaft nach — an O L G 775 f. Untersuchungshaft, - an O L G 781 ff. Verpflichtung aller öffentlichen Behörden zur-998 der StA im Klageerzwingungsverfahren 1044 f. an StA nach Schluß der Voruntersuchung 1079 f. an Berufungsgericht nach Verwerfung wegen verspäteter Einlegung 1712

Arne

bei rechtzeitiger Berufung an StA 1713 f. an StA bei dem Berufungsgericht, Übergabe an den Vorsitzenden 1714 f. an Revisionsgericht 1865, 1868 f. an StA im Privatklageverfahren 1978, 2031 der Polizeibehörde an Amtsrichter im Strafverfügungsverfahren 2 1 9 1 ff. des Amtsrichters an StA 2 1 9 8 s. auch Übersendung Aktiengesetz Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer 2 7 9 3 f. Alkoholsüchtige landesrechtliche Vorschriften über die Unterbringung — 2 2 0 9 f. Alkoholverträglichkeit Anstaltsbeobachtung 5 1 6 Allgemeinbekannte Tatsachen s. allgemeinkundige Tatsachen Allgemeine Feiertage Fristende 381 Allgemeine Vereidigung von Sachverständigen 5 0 8 f. Allgemeine Vertreter eines Rechtsanwalts 879, 915 Allgemeinheit vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bei Gefährdung der — 641 Allgemeinkundige Tatsachen Mangel der Beweisbedürftigkeit bei — 1295 f. Feststellung 1423 nicht im Rang von Rechtsnormen 1795 Alter Einfluß auf Eidesmündigkeit 4 4 9 Absehen von der Beeidigung 4 5 6 Befragung des Zeugen über — 4 7 0 Mindest— für Richter 3 0 6 4 Alternative Feststellung s. Wahlfeststellung Altersgrenze für Richter 3 0 8 6 , 3 1 2 6 , 3 1 3 8 f. Amerika, Vereinigte Staaten Fernwirkungen des Verwertungsverbots 175 Verbot der Beeinträchtigung der Willensfreiheit 8 6 0 Beratungsgeheimnis 3 1 1 6

3195

Amn

Sachregister

Amnestie Freispruch trotz — 92 f. Eröffnung der Voruntersuchung 1057 Wiederaufnahme des Verfahrens 1925 f., 1950 Kostenpflicht im Privatklageverfahren 2541 notwendige Auslagen des Beschuldigten bei Nebenklage 2541 als generelle Begnadigung (Straffreiheit) 2617 Wirkung 2622 f. Erlaß 2624 Verfassungsmäßigkeit der — durch einfaches Bundes—gesetz 2624 f. Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe 3153 f., 3159 s. im übrigen Straffreiheitsgesetze Amtsanwälte Antrag auf Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen 1000 Strafvollstreckung 2344 Nichtberufung zum Schöffenamt 2741 bei den Amtsgerichten 2870, 2874 f. Zuständigkeitsstreit 2881 Zeichnungsbefugnis 2882 Beschränkung des Beauftragungsrechts 2884 Dienstaufsicht 2890 Wahrnehmung der Aufgaben durch Referendare 2891 Befähigungsvoraussetzungen 2891 Unterstellung der Hilfsbeamten der StA 2896 Amtsanwaltschaft Strafvollstreckung 2344 bei den Amtsgerichten 2870, 2874 f., 2884,2890,2891,2896 s. auch Amtsanwälte Amtsbezeichnung der staatsanwaltschaftlichen Beamten 2872 f. der Richter 3081 ff. Gesetz zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte vom 26. 5. 1972 3081 Angabe der — im Urteil 3097 Weiterführung der — im Ruhestand 3126 Amtsbezirk s. Bezirk

3196

Amtsdauer des Präsidiums 2662 Amtsenthebung von Richtern 3097 ff. im Verfahren über die Richteranklage 3099 ff. im förmlichen Disziplinarverfahren 3101 bei Veränderung der Gerichtsorganisation 3097, 3103 f. Amtsfähigkeit Verlust der —, Verschlechterungsverbot 1771 Vollstreckung bei Verlust der — 2316 Schöffenunfahigkeit bei Verlust der — 2736 f. Nichtigkeit der Ernennung zum Richter bei fehlender - 3077 Beendigung des Richterverhältnisses bei Aberkennung der — 3088 f. Amtsgerichte Entgegennahme von Anzeigen 987 f. Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem — durch das Landgericht 1118 Entgegennahme von Rechtsmittelerklärungen des verhafteten Beschuldigten 1615 f. Einlegung der Berufung 1685 Verweisung durch Berufungsurteil an das zuständige — 1734 ff. Privatklage 2000 Anhangsverfahren 2071 Übertragung nachträglicher Entscheidungen über Strafaussetzung zur Bewährung 2364f., 2372 keine Überschreitung der Strafgewalt der — bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung 2424 f. Forst- und Feldrügesachen 2587 Ausübung der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit 2628 ff. allgemeine Vorschriften über Präsidium und Geschäftsverteilung 2651 ff. Zusammensetzung des Präsidiums 2654f.; s. im übrigen unter Präsidium Zweigstellen, Gerichtstage 2707 Einzelrichter 2707 Amtsrichter mit weiterem Richteramt bei einem anderen — oder einem Landgericht 2707 f. allgemeine Dienstaufsicht 2708 f. Verwendung von Richtern auf Probe und kraft Auftrags 2710

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Amtsgerichte (Fortsetzung) aus allen wählbaren Richtern bestehendes Präsidium, Präsident als Vorsitzender 2711 ff. nur mit einem Richter besetztes —, ständige Vertretung 2712 f. vorübergehende Vertretung durch Richter eines anderen Gerichts 2713 Bestellung eines zeitweiligen Vertreters in Eilfällen 2713 f. Gültigkeit der Handlung eines anderen als nach der Geschäftsverteilung zuständigen Amtsrichters 2714f. erstinstanzliche Zuständigkeit in Strafsachen 2716 ff. Strafgewalt 2720 f. Zuständigkeit des Einzelrichters 2721 ff. Strafgewalt des Einzelrichters 2723 f. Zuständigkeit der Jugendgerichte in Jugendschutzsachen 2725 ff. Zuständigkeit und Geschäftskreis der — im übrigen 2728 Schöffengerichte 2729ff.; s. Näheres unter diesem Wort Zuständigkeitskonzentration 2772 ff. StA, Amtsanwaltschaft 2870, 2874 f. Ersuchen um Rechtshilfe an das — 2911 Ablehnung von Vollstreckungsersuchen 2918 Mitwirkung der Geschäftsstelle bei Beauftragung des Gerichtsvollziehers 2920 Zustimmung zu Amtshandlungen des Gerichts eines anderen Bezirks 2926 ff. VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 3142 ff. Amtsgerichtspräsident Änderung der Amtsbezeichnung 3081 ff. s. im übrigen Präsident des Amtsgerichts Amtsgerichtsrat Änderung der Amtsbezeichnung 3081 ff. Amtsgeschäfte Vorhaltung und Ermahnung nach dem DRiG 2605 ff., 3089 vorläufige Untersagung 3105 Amtshandlung ausgeschlossener Richter 285, 292 f. Festnahmebefugnis bei — an Ort und Stelle 1010 f. der örtlich unzuständigen StA 2880 f.

Amt

als Gegenstand der Rechts- und Amtshilfe 2902 ff.; s. Näheres unter diesem Wort Ablehnung des Ersuchens um Rechtshilfe wegen Verbots der vorzunehmenden Handlung 2911 ff. außerhalb des Gerichtsbezirks 2926 ff. außerhalb der Sitzung, sitzungspolizeiliche Befugnisse 2970 Amtshilfe Gutachten von Fachbehörden 540 Vorlegung und Auslieferung von Behördenakten 568 ff. Vollziehung des Vorführungs- oder Haftbefehls durch die Polizei 2397f. Rechtshilfe und — 2902 ff.; s. Näheres unter Rechtshilfe Begriff 2902 f. Wesen 2902 f. der Behörden des Bundes und der Länder 2903 Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund — 3148 ff.; s. Näheres unter Rechtshilfe, Gesetz Amtslokal Festnahme von Störern 1010 Amtspflichtverletzung eines Richters oder Schöffen als Wiederaufnahmegrund 1928 f. unrichtige Sachbehandlung, Mehrkosten 2485 Vorentscheidung (Konflikt) 3012 f. Ausnahmen vom Beratungsgeheimnis 3121 Amtsrichter Änderung der Bezeichnung 3083 s. im übrigen Richter beim Amtsgericht Amtssiegel Verwendung bei Beschlagnahme 630 f. bei Durchsicht von Papieren 631 ff. Amtssitz Vernehmung der Regierungsmitglieder am - 407 gleicher — von Amts- und Untersuchungsrichter bei Voruntersuchung 1064 s. im übrigen unter Sitz Amtstracht Auftreten von Rechtsanwälten ohne Robe 2956 f. Amtsunfähigkeit s. Amtsfähigkeit 3197

Amt

Sachregister

Amtsverlust Strafprozeß und Disziplinarverfahren 61 f. Wiederaufnahmeverfahren 1957 Begnadigung 2618 f. Amtsverschwiegenheit der Richter und Beamten, Aussagegenehmigung 434 ff. Vernehmung als Sachverständiger 503 s. auch Geheimhaltung, Schweigepflicht, Zeugnispflicht Amts wegen, von Verfahrensvoraussetzungen, Prüfung 81 f., 98 Sachliche Zuständigkeit, Prüfung 221 ff. örtliche Zuständigkeit, Prüfung 264 f., 266 Ausschließungs- und Ablehnungsgründe, Prüfung 328 ff. Änderung einer Entscheidung bei unterbliebener Anhörung 348 Zustellung 365 Wiedereinsetzung nicht — 395 Ordnungsstrafe gegen Zeugen 480 Unbefangenheit des Sachverständigen, Prüfung 496 f. Beobachtung in einer Heil- oder Pflegeanstalt 514 f. Tätigkeit der Post oder Fernmeldeanstalt hinsichtlich Beschlagnahme und Auskunft 597 f. Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände an den Verletzten 636 f. Benachrichtigung der Angehörigen oder Vertrauenspersonen von der Verhaftung 694 ff. Haftprüfung 721, 726 f. mündliche Verhandlung über den Haftbefehl 727 ff. Erlaß des Haftbefehls durch Amtsrichter bei Gefahr im Verzuge 805 ff. Aufhebung des Haftbefehls 764 ff. Bestellung eines Pflichtverteidigers 904 Wiederaufnahme des nach § 154 StPO vorläufig eingestellten Verfahrens 971 Richter muß — (Inquisitionsmaxime) den Sachverhalt erforschen 980 Prüfung des Strafantrags 989 f. Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen bei Gefahr im Verzuge 1006, 1011 f. mit Eröffnungsbeschluß zugleich Beschlußfassung über Untersuchungshaft 1114 3198

Ladungen und Herbeischaffung von Beweismitteln zur Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden 1162 f. Erforschung der Wahrheit durch das Gericht 1262 ff. Beweisermittlungsanträge 1275 ff. Aussetzung wegen zu späten Vorbringens 1322 Wort zu den Schlußvorträgen 1392 ff. Entscheidung über die Haftdauer bei der Urteilsfällung 1522 f. Verweisungsbeschluß 1529 Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen durch das Revisionsgericht 1796 ff. Erstreckung der Urteilsaufhebung auf weitere Verurteilte 1909 Prüfung, ob Privatklagevergehen 2026 Aufschub der Vollstreckung von Freiheitsstrafen 2382 gerichtliche Entscheidung bei Zweifeln über die Auslegung eines Strafurteils oder über die Berechnung der Strafe 2400 nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe 2413 Gerichtsbarkeit 2634 Gründe für Ablehnung der Berufung zum Schöffenamt 2742 f. Ausschließung der Öffentlichkeit 2946 f. Entfernung usw. wegen Ungehorsams 2961 Feststellung einer strafbaren Handlung in der Sitzung 2975 Amtszimmer keine Hauptverhandlung im — des Richters 1137 Anberaumung der Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren 1128 des Termins zur Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden 1137f. vorrangige — in'Haftsachen 1138 Strafbefehlsantrag, — einer Hauptverhandlung 2151 Einspruch gegen Strafbefehl, — einer Hauptverhandlung 2176 Androhung körperlicher Gewalt, Verwertungsverbot 178 der gesetzlichen Folgen des Ausbleibens von Zeugen 404 f. der Vorführung des Beschuldigten 842 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Androhung (Fortsetzung) der Einstellung des Privatklageverfahrens 2037 Anerbieten Überwachung der Erfüllung 23 72 f. Anerkenntnis im Anhangsverfahren 2072 Anerkennung einer Leiche durch den Beschuldigten 548 f. ausländischer Prüfungen 3063 der ersten juristischen Prüfung in den anderen Bundesländern 3067 f. der Befähigung zum Richteramt in den übrigen Bundesländern 3068 Anfechtbarkeit der Entscheidungen über Ablehnungsgesuche 321 ff., 330f., 334 bei nachgeholter Anhörung 349 Angabe der Gründe bei — 349 ff. Rechtsmittelbelehrung bei — 355 ff. der Sperrerklärung für Behördenakten 571 der Entscheidung über Genehmigung der Wahl eines Verteidigers 887 der Entscheidung über Verteidigerausschluß 894 f. der Beiordnung eines Verteidigers 912 der Zurücknahme der Verteidigerbestellung 918 der Entscheidungen bei Ausbleiben des Verteidigers im Fall notwendiger Verteidigung 925 des Beschlusses über Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens 1103 des Verweisungsbeschlusses 1531 des Einstellungsbeschlusses im Abwesenheitsverfahren 1578 der Zurücknahme von Rechtsmitteln und Rechts mittelverzichten 1626 f. der Zustimmung zur Rechtsmittelzurücknahme 1632 der Entscheidung über Verfahrensbeteiligung bei Einziehung 2242 f. der Entscheidung über Beiordnung eines Vertreters im Einziehungsverfahren 2259 der Maßnahmen der Strafvollstreckung und des Vollzugs nach § 23 EGGVG 2321 ff. nachträglicher Entscheidungen über Strafaussetzung zur Bewährung 2366ff.

Anf

der Kosten- und Auslagenentscheidung bei unanfechtbarer Hauptentscheidung 2457 ff. der Entscheidung über Kosten im Verfahren über Entschädigung des Verletzten 2556 von Amtshandlungen der Referendare 2613 der Ablehnung und des Widerrufs von Gnadenentscheidungen 2621 f. der Wahl des Präsidiums 2663 f. von Beschlüssen und Maßnahmen des Präsidiums 2683 ff. Mitwirkung eines unfähigen Schöffen 2735 der Entscheidung über die Einsprüche gegen die Vorschlagsliste für Schöffen 2751 der Wahl der Schöffen 2752 der Streichung in der Schöffenliste oder der Nichtheranziehung 2766 der Ablehnung des Rechtshilfeersuchens 2904 f., 2916 ff. des Beschlusses über die Ausschließung der Öffentlichkeit 2948 f. des Schweigebefehls 2949 der Entscheidung des OLG im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG 3049 f. der Stellungnahme des Präsidialrats 3129 s. im übrigen Anfechtung, Rechtsmittel Anfechtung des Freispruchs 152 der Ablehnung der Namhaftmachung von Gerichtspersonen 298 f. der Entscheidung über Ablehnungsgesuch 321 ff., 330f., 334 Belehrung über Möglichkeit der — 355 ff. der Entscheidung über Wiedereinsetzungsgesuch 397 der Sperrerklärung von Behörden bei Ersuchen um Aktenvorlage 571 verfahrensrechtlicher Willenserklärungen 872 f. der Verteidigerbestellung 918 der Entscheidung über Zulassung als Beistand 943 keine — des Verzichts auf den Strafantrag 990 Belehrung des verletzten Antragstellers über Klageerzwingungsverfahren 1031

3199

Anf

Sachregister

Anfechtung (Fortsetzung) keine — der Verwerfung des Einwandes des Angeschuldigten oder der Eröffnung der Voruntersuchung, Ausnahme 1060 f. des Beschlusses über Anträge und Einwendungen des Angeschuldigten 1094 f. der Anordnungen zur besseren Aufklärung im Zwischenverfahren 1098 der Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens 1103 der vorläufigen Einstellung des Verfahrens 1105 der Entscheidungen über die Eröffnung des Hauptverfahrens 1120 ff. Berichtigungsbeschluß 1517 des Urteils mit der Revision statt mit der Berufung (Sprungrevision) 1784 f. Verfahren bei verschiedenartiger — eines Urteils 1786 f. der Entscheidung über Zulassung des Wiederaufnahmeantrags 1945 des Sühnevergleichs 1999 der Rücknahme der Privatklage 2033 des gerichtlichen Vergleichs im Privatklageverfahren 2036 von Entscheidungen, die vor dem Nebenklägeranschluß ergangen sind 2059 f. der Kosten- und Auslagenentscheidung im allgemeinen 2451 Verhältnis der — der Sachentscheidung zur — der Kosten(Auslagen)entscheidung 2453ff. der Kosten- und Auslagenentscheidung bei unanfechtbarer Hauptentscheidung 2457 ff. Kosten- und Auslagenentscheidung, Bindung des Beschwerdegerichts an die tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts 2460 ff. Kosten- und Auslagenentscheidung, Rechtsmittelgericht als Beschwerdegericht 2462 der Ablehnung und des Widerrufs von Gnadenentscheidungen 2621 f. der Entscheidung über Rechtshilfeersuchen 2916 ff. der Entscheidung über die Öffentlichkeit 2944, 2948 f. des Schweigebefehls 2948 f. der Justizverwaltungsakte 3017 ff., 3024 ff., 3049 ff. 3200

Zuständigkeit des Dienstgerichts 3131 f., 3139 f. s. im übrigen Anfechtbarkeit, Rechtsmittel Anfragen vor Anrufung der Großen Senate oder Vereinigten Großen Senate 2858 Angaben des Wohn- oder Aufenthaltsorts weiterer geladener Personen 1163 f. Strafbarkeit falscher — des Angeklagten 1247 gegenüber Sachverständigen bei Zeugnisverweigerungsrecht 1369 Angehörige Zeugnisverweigerungsrecht 416 ff. Absehen von der Beeidigung 457 Eidesverweigerungsrecht 461 f. Verweigerung der Untersuchung 533, 535 Zuziehung bei körperlicher Untersuchung einer Frau 538 Beschlagnahmefreiheit 574 Anwesenheit eines erwachsenen — bei Beschlagnahme, Widerspruch 588 Zuziehung eines erwachsenen — bei Durchsuchung 628 Benachrichtigung von der Verhaftung 695 f. als Verletzte bei Tötungsdelikten 1036 f. als Vertreter im Abwesenheitsverfahren 1576 f., 1580 Befugnis zum Wiederaufnahmeantrag 1934 Fortsetzung der Privatklage wegen Beleidigung nach Tod des Privatklägers 2041 Befugnis zur Nebenklage 2047 f. Angeklagter Einwand der Unzuständigkeit 260 f. Ablehnung bis zum Beginn der Vernehmung des — zur Sache 300 f. Ablehnungszeitpunkt bei abwesenden — 301 als Zeuge 401 f. Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen kein Schutzrecht für den — 439 Antrag auf Vereidigung des Sachverständigen 508 Ehegatte und gesetzlicher Vertreter als Beistände 941 ff. Begriff 982 andere — bei Einstellung wegen Verfahrenshindernisses 1109

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Angeklagter (Fortsetzung) Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses 1120 Zustellung des Eröffnungsbeschlusses und der nachgereichten Anklageschrift 1141 Ladung zur Hauptverhandlung 1142 ff. Ladungsfrist, Verzicht 1145 f. Ladung des Verteidigers 1147 f. Ladung des gemeinschaftlichen Verteidigers 1148 f. Antrag auf Ladung von Zeugen und Sachverständigen zur Hauptverhandlung 1151ff. Befugnis zur unmittelbaren Ladung von Personen 1156 ff. Mitteilung über die Ladung weiterer Zeugen oder Sachverständiger 1163 ff. Benachrichtigung von der Vernehmung durch den beauftragten oder ersuchten Richter, Anwesenheit 1171 ff. Ausbleiben des — in der Hauptverhandlung 1190 ff., 1197 fF. Sichentfernen aus der Hauptverhandlung 1196ff. Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen, kommissarische Vernehmung 1207 ff. Vertretung durch bevollmächtigten Verteidiger 1213 ff. Vernehmung durch den Vorsitzenden 1225 Fragerecht 1233 ff. Vernehmung des — über seine persönlichen Verhältnisse 1246 f. Hinweis auf das Recht, sich zur Anklage zu äußern oder zu schweigen 1250 ff. Vernehmung zur Sache 1252 ff. Erörterung der Vorstrafen 1253 f. Rechte, die nur bis zum Beginn der Vernehmung des — zur Sache gegeben sind 1255 Verkehr mit dem Verteidiger in der Hauptverhandlung 1255 Berechtigung zu Beweisanträgen 1271 Verzicht auf Beweiserhebung 1318 ff. Antrag auf Aussetzung wegen zu späten Vorbringens 1321 ff. Vernehmung eines Arztes vor Unterbringung 1323 ärztliche Untersuchung vor der Hauptverhandlung 13 24 f.

Ang

Zwangsentfernung aus dem Sitzungszimmer 1325 ff. Anhörung vor Entlassung der vernommenen Zeugen und Sachverständigen 1331 f. Einverständnis mit der Verlesung von Niederschriften über frühere richterliche Vernehmungen 1357 Verlesung richterlich protokollierter Erklärungen des — über ein Geständnis und bei Widerspruch mit der früheren Aussage 13 74 ff. auf Antrag des — Protokollierung der Verlesung und ihres Grundes 13 78 f. Befragung nach jeder Vernehmung und Verlesung 1387 f. Wort zu den Schlußvorträgen, das letzte Wort, Befragung 1390 ff. Verdolmetschung von Anträgen 1399 f. Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes 1467 ff. Befragung, wenn Auflagen oder Weisungen in Betracht kommen 1482 ff. Befragung nach Einwilligung in Heilbehandlung, Entziehungskur, Heimoder Anstaltsaufenthalt 1482 ff. Zustimmung zur Nachtragsanklage 1486 f. Antrag auf Unterbrechung bei Nachtragsanklage 1488 persönliche Verhältnisse und Werdegang, Urteilsgründe 1499 Gestellung im Abwesenheitsverfahren 1577f. Zusammentreffen von Berufung und Wiedereinsetzungsgesuch bei Ausbleiben 1686 f. Ladung zur Berufungsverhandlung 1719 Vernehmung in der Berufungsverhandlung 1722 Antrag auf wiederholte Vorladung von Zeugen und Sachverständigen zur Berufungsverhandlung 1724 f. Zustimmung zur Verlesung von Schriftstücken und Protokollen in der Berufungsverhandlung 1725 Schlußvorträge, letztes Wort in der Berufungsverhandlung 1727 Ausbleiben in der Berufungsverhandlung 1736 ff. genügende Entschuldigung des Ausbleibens 1740 ff. 3201

Ang

Sachregister

Angeklagter (Fortsetzung) Vertreter in der Berufungsverhandlung 1743 ff. Berufung des gesetzlichen Vertreters, Vorführung des — 1754 Verschlechterungsverbot bei Berufung des - 1758 f. Einlegung der Revision 1780 Abwesenheit des — in der Hauptverhandlung als unbedingter Revisionsgrund 1833 f. Revision der StA wegen Verletzung von Rechtsnormen, die lediglich zugunsten des — gegeben sind 1841 f. Form der Revisionsbegründung 1856 Benachrichtigung von Ort und Zeit der Revisions-Hauptverhandlung 1878 ff. Anwesenheit und Vertretung in der Revisions-Hauptverhandlung 1879 f. Ausführungen in der Revisions-Hauptverhandlung, letztes Wort 1881 f. Erstreckung der Aufhebung zugunsten eines — auf andere Verurteilte 1904 ff. Verschlechterungsverbot bei Revision des 1912 ff. Wiederaufnahmeantrag 1939 Anwesenheitsrecht im Wiederaufnahmeverfahren 194 7 f. rechtliche Stellung im Privatklageverfahren, Pflicht zum Erscheinen 2018 Rechtsmittel des Privatklägers zugunsten des - 2030 Zustimmung zur Rücknahme der Privatklage 2033 f. Zustimmung zur Einstellung wegen unterstellter Rücknahme der Privatklage 2038 Tod des — im Privatklageverfahren 2042 Rechtsmittel des Nebenklägers zugunsten des - 2063 Armenrecht im Anhangsverfahren 2075 Rechtsmittel im Anhangsverfahren 2078 ff. Wiederaufnahme im Anhangsverfahren 2081 Anwesenheit in der Hauptverhandlung im Strafbefehlsverfahren 2179 f. Ausbleiben, Verwerfung des Einspruchs 2183ff. nachträgliche Belehrung über Strafaussetzung zur Bewährung 2371 f. Kostentragungspflicht des — 2479ff. 3202

Übernahme der Kosten bei Zurücknahme des Strafantrags 2534 ff. Kosten des Rechtsmittels 2562 ff. Anhörung durch die Großen und die Vereinigten Großen Senate 2863 Anhörung über Ausschließung der Öffentlichkeit 2947 Aufzeichnungen in der Sitzung 2948 Entfernung wegen Ungehorsams 2959 f. Ordnungsstrafen wegen Ungebühr 2961 ff. Aufstehen des — 2965 s. auch Angeschuldigter, Beschuldigter, Mitangeklagte, Mitbeschuldigte Angemessenheit Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer über — der Gebühren 2470, 2472 Überprüfung der — der Gebühren des Rechtsanwalts 2470 f. Angeschuldigter Einwand der Unzuständigkeit 260 ff. Zustimmung zur Einstellung bei Absehenkönnen von Strafe 961 Begriff 982 Recht zur Erzwingung der Voruntersuchung 1053 Antrag auf Voruntersuchung in Strafkammer- und Schöffengerichtssachen 1053 f. Beschwerde gegen Erpffnung der Voruntersuchung 1055 Anhörung vor Eröffnung der Voruntersuchung 1056,1060 Einwand gegen Eröffnung der Voruntersuchung 1059 f. sofortige Beschwerde gegen Verwerfung des Einwandes der örtlichen Unzuständigkeit 1061 sofortige Beschwerde gegen Ablehnung des Antrages auf Eröffnung der Voruntersuchung 1061 f. Zuziehung eines Urkundsbeamten bei Vernehmung des — in der Voruntersuchung 1067 Notwendigkeit der Vernehmung, Bekanntmachung der EröffnungsVerfügung 1074 Anwesenheit des nicht auf freiem Fuß befindlichen — in der Voruntersuchung 1076 Ausschluß bei Verhandlungen in der Voruntersuchung 1077

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Angeschuldigter (Fortsetzung) Antrag auf Ladung von Sachverständigen zur Augenscheinseinnahme in der Voruntersuchung 1077 ff. Benachrichtigung vom Schluß der Voruntersuchung 1080 Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nach Voruntersuchung 1082 ff. Bezeichnung in der Anklageschrift 1086f. Mitteilung der Anklageschrift, Anträge und Einwendungen 1091 ff. Bekanntmachung des Beschlusses über Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens 1103 vorläufige Einstellung wegen Abwesenheit 1104 ff. Eröffnungsbeschluß entgegen dem Antrag der StA auf Außerverfolgungsetzung des - 1115 ff. Nebenfolge der Tat des —, Festsetzung von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen 2305 ff. Kosten bei Freispruch, Außerverfolgungsetzung und Verfahrenseinstellung 2502 ff. Auslagenerstattung bei Einstellung des Verfahrens nach Zurücknahme der öffentlichen Klage oder Mitteilung des Abschlusses der Ermittlungen 2519 ff. s. auch Beschuldigter Anglo-amerikanisches Recht Beweisaufnahme im — 135 ff. dissenting opinion 3116 f. Anhängigkeit zusammenhängender Strafsachen 211, 248 f. bei Gericht 1135 beim Revisionsgericht 1869 beim Schwurgericht 2805 s. auch Rechtshängigkeit Anhalten von Briefen Strafgefangener 2323 Anhaltspunkte für mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfahigkeit, Sicherungsverfahren 2206 im vorbereitenden Verfahren für Einziehungsbeteiligung 2245 ff. Anhangsverfahren (Adhäsionsverfahren) Allgemeines 58

Anh

Prozeßfähigkeit des Antragstellers 124 Ablehnung eines Sachverständigen durch Verletzten 497 im Privatklageverfahren 1962 Entschädigung des Verletzten (—) 2066 ff. Geltendmachung im Strafverfahren (nicht im Strafbefehlsverfahren) 2069 Nachricht an den Berechtigten 2069 Begriff des Verletzten 2069 f. vermögensrechtliche Ansprüche 2070 Anspruch gegen den Beschuldigten 2070 f. Zuständigkeit 2071 Verfahren vor dem Amtsgericht 2071 f. Widerklage 2072 Vergleich; Verzicht, Anerkenntnis 2072 Antragstellung 2072 ff. Absehen von einer Entscheidung über den Antrag 2075 ff. Stattgeben des Antrages durch Urteil 2077 f. Rechtsmittel 2078 ff. Vollstreckung 2080 Wiederaufnahme 2081 sinngemäße Anwendung der Vorschriften des — bei Verlangen einer Buße 2081 f. Vollstreckbarkeit vor Eintritt der Rechtskraft 2326 Kosten 2555f. Anheftung (an die Gerichtstafel) öffentliche Zustellung 3 74 öffentliche Ladung im Abwesenheitsverfahren 1575 Zustellung des Abwesenheitsurteils 1579 Anhörung Grundsatz des rechtlichen Gehörs 159 ff. vor Ergehen gerichtlicher Entscheidungen 336 ff., 345 ff. eines Sachverständigen und eines Verteidigers vor Unterbringung und Beobachtung in einer Heil- oder Pflegeanstalt 515 der Beteiligten vor Erlaß des Haftbefehls 687 bei Haftbeschwerde 691 vor Unterbringungsbefehl 815 Verteidiger, —recht 882 des Ehegatten oder des gesetzlichen Vertreters als Beistand 941 f. des Beschuldigten vor Einstellung wegen geringer Schuld 957

3203

Anh

Sachregister

Anhörung (Fortsetzung) des Beschuldigten bei Absehen von der Verfolgung bestimmter Staatsschutzsachen 968 der StA durch das Gericht im Klageerzwingungsverfahren 1045 des Beschuldigten im Klageerzwingungsverfahren 1046 vor Eröffnung der Voruntersuchung 1058, 1060 des Angeschuldigten nach Antrag der StA auf Außerverfolgungsetzung 1116 eines weiteren Sachverständigen 1306 ff. der StA und des Angeklagten vor Entlassung der vernommenen Zeugen und Sachverständigen 1331 f. des Gegners zur Beschwerde 1658 ff. der StA bei dem Beschwerdegericht 1661 Ausnahme vom Änderungsverbot bei sofortiger Beschwerde 1670 nachträgliche — 1671 f. des Gegners bei Revision 1868 des Gegners beim Wiederaufnahmeantrag 1944 des Privatklägers vor Einstellung wegen Geringfügigkeit 2006 der StA vor Zulassung des Nebenklägers 2052 des Beschuldigten im Strafbefehlsverfahren 2143 f. im Strafverfügungsverfahren 2196 f. des Einziehungsinteressenten 2245 des Verurteilten und der StA vor nachträglichen Entscheidungen über Strafaussetzung zur Bewährung 2364 der Beteiligten vor Entscheidung über Aussetzung des Strafrestes 2375 des Verurteilten bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung 2413, 2422 der StA und des Verurteilten vor gerichtlichen Entscheidungen über Strafvollstreckung 2422, 2434 des Anzeigenden vor Kostenauferlegung 2531 des Antragstellers vor Kostenauferlegung bei Zurücknahme des Strafantrags 2536 des Antragstellers vor Kostenauferlegung nach Klageerzwingungsverfahren 2554 f. von Verfahrensbeteiligten durch Referendare 2609 ff. 3204

von Richtern vor Geschäftsverteilung 2677 Änderung der Geschäftsverteilung, — betroffener Vorsitzender Richter 2667 des beteiligten Schöffen und der StA vor Streichung in der Schöffenliste oder Nichtheranziehung 2767 der StA vor Verurteilung der Schöffen und Vertrauenspersonen zur Ordnungsstrafe 2771 des Generalbundesanwalts durch die Großen und die Vereinigten Großen Senate 2863 der Beteiligten über Ausschließung der Öffentlichkeit 2947 des Betroffenen vor Entfernung usw. wegen Ungehorsams 2961 vor Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2967 vor Genehmigung ostdeutscher Rechtsund Amtshilfeersuchen 3161 f. innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe, — des Generalstaatsanwalts vor Entscheidung durch das OLG 3166 des Verurteilten vor Eintragung ostdeutscher Verurteilungen in das Bundeszentralregister 3175 f. s. im übrigen Gehör Ankläger als Prozeßbeteiligter (Prozeßsubjekt) 66 Klagerecht und Prozeßfähigkeit, Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters 123 f. StA und Privatkläger als — (Anklagegrundsatz, Anklagemonopol der StA) 944 f. Anklage als Verfahrensvoraussetzung 93 ff. Wirkung der - 138 Verbindung, Rechtsmittel 250 Ablieferung von Beschlagnahmegegenständen an den Richter nach —erhebung 588 f. Anklagegrundsatz 944 Erhebung der - , Begriff 983 Vermerk und Mitteilung der StA über Abschluß der Ermittlungen vor — 1017 ff. Erhebung der — auf Beschwerde des Verletzten gegen Einstellungsverfügung der StA 1034 auf Antrag auf gerichtliche Entscheidung 1046 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135—2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Anklage (Fortsetzung) unmittelbare Erhebung der — bei Fehlen der Voruntersuchung 1084 f. Änderung der — vor Zulassung 1112 Erhebung der — im beschleunigten Verfahren 1128 f. Hinweis auf Recht des Angeklagten, sich zur — zu äußern oder zu schweigen 1250 ff. Gegenstand der Urteilsfindung, Verhältnis des Urteils zur — 1454 ff. Hinweis bei verändertem rechtlichen Gesichtspunkt 1467 ff. Aussetzung bei veränderter Sachlage zur besseren Vorbereitung der — 1480 Nachtrags- 1484 ff. Prüfung durch das Revisionsgericht 1788, 1798 f. Antrag auf Sicherungsverfahren 2210 f. gegen den Bundespräsidenten 2633 Richter- 2633 f. Minister— 2633 f. gegen Abgeordnete wegen gewinnsüchtigen Mißbrauchs ihrer Stellung 2633 f. zum Landgericht wegen besonderer Bedeutung des Falles 2718 ff. zum Einzelrichter 2723 f. s. auch Anklagesatz, Anklageschrift, öffentliche Klage, Strafklage Anklagebank Verweisung in die - 1198, 2958 Weigerung, Platz auf der — einzunehmen; Ungebühr 2965 f. Anklageerzwingungsverfahren s. Klageerzwingungsverfahren Anklagegrundsatz als Prozeßmaxime 132ff. gesetzliche Verankerung 944 Erstreckung der Untersuchung und Entscheidung auf die in der Klage bezeichnete Tat und Person 979 Anklagemonopol der StA, Grundsatz 138 f., 1032 Anklagesatz Inhalt 1086 ff. Verlesung 124 7 f. Verweisungsbeschluß 1530 Anklageschrift Verbindung, Rechtsmittel 250 Zeitpunkt der Verteidigerbestellung 907

Ank

Aktenvermerk und Mitteilung der StA über Abschluß der Ermittlungen vor Einreichung der — 1017 ff. am Ende des vorbereitenden Verfahrens Erhebung der öffentlichen Klage durch Einreichung einer — 1026 ff. bei begründetem Antrag des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung über Einstellung 1047 Antrag des Angeschuldigten auf Voruntersuchung 1053 Erfordernisse einer — für Antrag der StA auf Eröffnung der Voruntersuchung 1056 Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens 1081 ff. als Prozeßvoraussetzung 1081 nach Voruntersuchung Antrag der StA auf Eröffnung des Hauptverfahrens durch Einreichung einer — 1083 bei unmittelbarer Erhebung der Anklage — mit Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens 1085 Erfordernisse einer — 1086ff. Zweck 1086 Bezeichnung der Person 1086 f. Bezeichnung der Tat 1087 gesetzliche Merkmale der strafbaren Handlung 1087 f. anzuwendende Strafvorschriften 1088 Angabe der Beweismittel 1088 f. Angabe des Gerichts, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll 1089 Nennung des Verteidigers 1089 Aufnahme des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen 1089 Beginn und Ende einer vorläufigen Festnahme 1089 Antrag auf Erlaß oder Aufhebung des Haft- oder Unterbringungsbefehls 1089 Unterschrift des Staatsanwalts 1089f. Fehlen und Mängel der —, Revision 1090 Mitteilung der — an den Angeschuldigten 1091 f. Fristsetzung zur Erklärung 1092 Besonderheit bei Minderjährigen 1092 f Anträge auf Vornahme einzelner Beweiserhebungen, Einwendungen, Recht zum Antrag auf Voruntersuchung 1092 f. Gerichtsbeschluß über die Anträge und Einwendungen 1093 f. Besonderheiten für den Amtsrichter 1094 3205

Ank

Sachregister

Anklageschrift (Fortsetzung) Folgen der Nichtmitteilung der — 1095 Eröffnungsbeschluß und - 1098 f., 1107 Änderung der Anklage vor Zulassung 1112 f. Einreichung einer neuen — 1114 Eröffnungsbeschluß entgegen dem Antrag der StA auf Außerverfolgungsetzung, Einreichung einer — 1116 f. nicht erforderlich im beschleunigten Verfahren 1128 f. bei Ablehnung der Aburteilung im beschleunigten Verfahren Einreichung einer — 1132 Herbeischaffung der in der — angegebenen Beweismittel 1139 f. Abweichung der nachgereichten — vom Eröffnungsbeschluß 1141 Zustellung der nachgereichten — mit der Ladung 1141 f. Überlassung der — an Schöffen 1422, 2733 Nachtragsanklage 1485 im Abwesenheitsverfahren 1573 f., 1588 Mängel der —, Prüfung durch das Revisionsgericht 1788, 1798 f. im Privatklageverfahren 2000 Antragsschrift im Sicherungsverfahren 2210f. Einziehung, Beschränkung der Verfolgung nach Einreichung der — 2228 Mitteilung an Einziehungsbeteiligte 2261 f. Anklagezwang s. Legalitätsprinzip Anknüpfungstatsachen bei Sachverständigengutachten 506, 510, 512 f. bei Schriftvergleichung 551 Anlage Kurzschriftprotokoll als — 1069 f. Protokollierung wichtiger Aussagen und Erklärungen auch in der fremden Sprache 2981 Annahme Präsidium, Pflicht zur - der Wahl 2661 f. Annahme als wahr Ablehnung von Beweisanträgen 1296 ff. Annahme an Kindes Statt Ausschließung des Richters 276 Zeugnisverweigerungsrecht 418 Anonyme Anzeige Prüfung 986 f. 3206

Anordnung Begriff 336 Wegfall des rechtlichen Gehörs bei bestimmten — 344 f. der Zustellung 360 des Vollstreckungsaufschubes bei Wiedereinsetzungsgesuch 399 der körperlichen Untersuchung 524 f., 535 f. der Überwachung und Aufnahme des Fernmeldeverkehrs 609 f. der Notveräußerung 614 f. der Benachrichtigung von der Verhaftung 694 ff. der Polizei 1004 ff. der Voruntersuchung und einzelner Beweiserhebungen zur besseren Aufklärung 1095 ff. der Entschädigung unmittelbar geladener Personen aus der Staatskasse 1158 ff. der Ladung und Herbeischaffung von Beweismitteln zur Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden von Amts wegen 1162 f. der Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter 1166 f. des persönlichen Erscheinens des Angeklagten 1218 f. der Verbindung zusammenhängender Strafsachen nach Eröffnung des Hauptverfahrens 1220 f. Beanstandung von sachleitenden — des Vorsitzenden durch die Beteiligten 1226 ff. der Beweisaufnahme 1262 der Unterbringung oder Sicherheitsverwahrung 1323 ff. der Verlesung von Niederschriften über Vernehmungen und von schriftlichen Erklärungen 1360f„ 1373, 1377 der Verlesung von Erklärungen öffentlicher Behörden und ärztlicher Atteste 1385 f. der Vermögensbeschlagnahme wegen Abwesenheit 1590 f. der Vorführung oder Verhaftung des in der Berufungsverhandlung ausgebliebenen Angeklagten 1749 Aufschub und Unterbrechung der Vollstreckung bei Wiederaufnahmeantrag 1933 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Anordnung (Fortsetzung) der Wiederaufnahme 1949 ff. der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt 2212; s. Näheres unter Sicherungsverfahren Beteiligung bei Einziehung 2230ff. des persönlichen Erscheinens des Einziehungsbeteiligten 2254 der selbständigen Einziehung 2283 ff. der Vermögensbeschlagnahme 2304 über die Einforderung und Beitreibung von Vermögensstrafen und Verfahrenskosten 2317, 2426, 2438 nachträgliche —, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung beziehen 2370 fr. des Bundespräsidenten über die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes 2624, 2625 über Organisation und Dienstbetrieb der StA (OrgStA) 2870, 2874, 2882 der StA gegenüber ihren Hilfsbeamten 2893 fr. Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3024ff., 3033ff. Anrechnung der im Ausland vollzogenen Strafe, Absehen von Verfolgung 963 der Untersuchungshaft, Beschränkung der Berufung 1706 der Untersuchungshaft, Verschlechterungsverbot 1765 f. der Untersuchungshaft im Strafbefehl 2133,2147 der Untersuchungshaft auf die Strafhaft 2334ff., 2414; s. Näheres unter Strafvollstreckung der Nichtrückgabe des Führerscheins auf das Fahrverbot 2342 der Untersuchungshaft bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung 2414 einer Ausbildung für den gehobenen Dienst auf die Ausbildung 3066 von Leistungen im Vorbereitungsdienst bei der großen Staatsprüfung 3067 von Zeiten bei Ernennung zum Richter auf Lebenszeit 3070 f. Anrede des Angeklagten 1225 Anrufung des Gerichts bei auf die Sachleitung be-

Ans

züglichen Anordnungen des Vorsitzenden 1226 ff. des Gerichts bei Ablehnung der Protokollierung 1551 Unterlassen der — des Gerichts 1822 f. der Großen Senate oder Vereinigten Großen Senate beim BGH 2844, 2856ff., 2860ff. Anschluß als Nebenkläger s. AnSchlußerklärung AnSchlußerklärung Voraussetzung für den Anschluß als Nebenkläger, Ausnahmen 2048 ff. Form und Adressat der — 2052 Entscheidung über den Anschluß 2053 Fortgang des Verfahrens trotz Anschlusses 2058 f. Bekanntmachung von und Rechtsmittel gegen Entscheidungen, die vor der — ergangen sind 2059 f. Prüfung der Anschlußbefugnis auch durch das Rechtsmittelgericht 2064 Widerruf d e r - 2 0 6 5 Nebenkläger, Strafbefehlsverfahren 2138 ff. Auslagenerstattung bei Widerrur der — des Nebenklägers 2548 Widerrur der — nach Rechtsmittel des Angeklagten, Kosten 2579 Ansprüche des Verletzten oder seines Erben 58 Dritter bei Rückgabe von Gegenständen an den Verletzten 636 Entschädigung vermögensrechtlicher — des Verletzten 2070, 2555 f. wegen Amtspflichtverletzung 3013 Anstalt Bezeichnung im Unterbringungsbefehl 815 r. Befragung des Angeklagten nach Einwilligung zum — aufenthalt 1482 ff. Rechtsmittelerklärung des in einer — Verwahrten 1615 f. Anstaltsleiter nicht beschwerdeberechtigt wegen Verfügungen über den Vollzug der Untersuchungshaft 762 Belehrung über Aussetzung des Strafrestes 2378 Anstifter Gerichtsstand 231 Beschlagnahmefreiheit 578 3207

Ans

Sachregister

Anstifter (Fortsetzung) Absehen von der Verfolgung bestimmter Staatsschutzsachen 967 Bezeichnung in der Anklageschrift 1087 f. Anstößigkeit Versagung des Zutritts zu öffentlichen Verhandlungen bei — der Kleidung 2950 f. Anträge auf gerichtliche Entscheidung bei Justizverwaltungsakten auf dem Gebiet der Strafrechtspflege 66 als Verfahrensvoraussetzung 95 f., 124 ff., 141 auf Änderung wegen unterbliebener Anhörung 348 Begründung der Ablehnung von — 349 ff. auf Erteilung einer Abschrift der verkündeten Entscheidung 353 auf Entbindung von der Sachverständigenpflicht 502 f. der Prozeßbeteiligten auf Vereidigung des Sachverständigen 508 der StA auf Anordnung der Beschlagnahme 586 f. der StA usw. auf Verwertung in anderer Weise bei Notveräußerung 615 auf Aussetzung des Haftvollzugs gegen Sicherheitsleistung 714 ff. auf Haftprüfung 720 f., 73 7 f. auf mündliche Verhandlung im Haftprüfungsverfahren 728 Aufhebung des Haftbefehls auf — der StA 7 70 f. der StA auf Vorlage an OLG wej en Haftfortdauer über sechs Moni te 784 auf Erlaß des Haftbefehls 805 ff. auf Genehmigung des Gerichts fü • Zulassung als Verteidiger 886 auf Bestellung eines Verteidigers i 99, 904 f., 908 f. Bestellung eines Verteidigers auf - - der StA 908 f. des neuen Verteidigers auf Unterbrechung oder Aussetzung bei notwendiger Verteidigung 923 der StA auf Einstellung, wenn Strafe oder Maßregel neben einer anderen nicht ins Gewicht fällt 971 auf Wiederaufnahme des nach § 154 StPO eingestellten Verfahrens 971

3208

der StA auf vorläufige Verfahrenseinstellung bei Auslieferung und Ausweisung 976 keine Bindung der Gerichte an die gestellten — (Inquisitionsmaxime) 979 ff. auf Strafverfolgung 986 ff.; s. Näheres unter Anzeigen und Strafantrag der StA auf Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen 1001 des Beschuldigten auf Beweiserhebungen 1008,1019 des Beschuldigten bei der amtsrichterlichen Vernehmung auf Erhebung von Entlastungsbeweisen 1012 f. aufSchlußgehör 1020 ff. der StA auf Voruntersuchung am Ende des vorbereitenden Verfahrens 1026 Ablehnung des — auf Erhebung der öffentlichen Klage, Bescheidung 1030 f. des Verletzten auf Bewilligung des Armenrechts für — auf gerichtliche Entscheidung 1042 f. des Angeschuldigten oder der StA auf Durchführung einer Voruntersuchung 1051, 1053 ff. der StA auf Übertragung der Voruntersuchung auf Amtsrichter 1065 auf Eröffnung der Voruntersuchung an Untersuchungsrichter beim OLG 1066 des Angeschuldigten auf Ladung von Sachverständigen zur Augenscheinseinnahme in der Voruntersuchung 1077 ff. der StA in der Voruntersuchung 1079 der StA auf Ergänzung der Voruntersuchung 1080 der StA über Eröffnung des Hauptverfahrens 1083 der StA auf Eröffnung des Hauptverfahrens in der Anklageschrift 1085 des Angeschuldigten auf Vornahme einzelner Beweiserhebungen nach Mitteilung der Anklageschrift 1092 f. keine Bindung des Gerichts an — der StA 1106 f. der StA auf Außerverfolgungsetzung 1115 ff. auf Aburteilung im beschleunigten Verfahren 1126 f. Beweis— des Angeklagten vor der Hauptverhandlung 1151 ff. auf Entschädigung unmittelbar geladener Personen aus der Staatskasse 1160 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Anträge (Fortsetzung) auf Aussetzung der Hauptverhandlung 1185 f. des Angeklagten auf Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung 1208 auf Kreuzverhör 1233 Beweis— 1270ff.; s. Näheres unter diesem Wort Antrag auf Aussetzung wegen zu späten Vorbringens 1321 ff. auf Protokollierung der Verlesung und ihres Grundes 1378 f. der StA im Schlußvortrag 1394 Verdolmetschung 1399 f. des Angeklagten auf Aussetzung bei veränderter Sach- und Rechtslage 1479 Nachtragsanklage 1484 ff. auf Unterbrechung bei Nachtragsklage 1488 neue — vor Urteilsverkündung 1510 auf Beweiserhebungen nach amtsrichterlichem oder schöffenrichterlichem Verweisungsbeschluß 1531 f. Protokollberichtigung 1540 Beurkundung der im Laufe der Verhandlung gestellten — 1548 auf Protokollierung 15 50 f. der StA auf Hauptverhandlung gegen einen Abwesenden 1571 des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Abwesenheitsverfahrens 1582 auf Entscheidung des Berufungsgerichts über Verwerfung wegen verspäteter Berufungseinlegung 1711 ff. auf wiederholte Vorladung von Zeugen und Sachverständigen zur Berufungsverhandlung 1724 f. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungsverhandlung 1752ff. Unterlassen der Wiederholung von —, Revision 1822 auf Entscheidung des Revisionsgerichts über Verwerfung als unzulässig 1864 ff. der StA auf Verwerfung der Revision als offensichtlich unbegründet 1873 ff. des Angeklagten auf Bestellung eines Verteidigers für die Revisions-Hauptverhandlung 1879f.

Ant

auf Wiederaufnahme des Verfahrens 1926; s. Näheres unter diesem Begriff des Verletzten auf Entschädigung vermögensrechtlicher Ansprüche, Anhangsverfahren 2072ff.; s. Näheres unter diesem Wort auf Zuerkennung einer Buße 2081 f. der StA auf Erlaß eines Strafbefehls 2136f.; s. Näheres unter diesem Wort des Einziehungsbeteiligten 2250 auf selbständige Einziehung 2287 ff. des Verurteilten auf Strafaufschub 2384 ff. auf Aufschub oder Aussetzung der Untersagung der Berufsausübung 2393 f. auf Kostenfestsetzung 2476 f. auf Auslagenerstattung bei Zurücknahme der öffentlichen Klage und Einstellung 2522 ff. der StA auf Zuziehung eines zweiten Amtsrichters, erweitertes Schöffengericht 2731 f. des Präsidiums auf Zuweisung eines Hilfsrichters 2783 der Beteiligten oder des ersuchenden Gerichts auf Entscheidung über Ablehnung des Ersuchens 2916 ff. der Beteiligten auf Ausschließung der Öffentlichkeit 2946 f. auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23ff. EGGVG 3013 ff.; s. Näheres unter Einführungsgesetz zum GVG des Richters auf Entscheidung durch das Dienstgericht über Beeinträchtigung der Unabhängigkeit durch Maßnahme der Dienstaufsicht 3089 ff. auf vorläufige Untersagung der Dienstgeschäfte 3105 f. des Richters auf Versetzung in den Ruhestand 3126 der obersten Dienstbehörde oder des Richters, Prüfungsverfahren durch das Dienstgericht 3131 f., 3134 Disziplinarverfahren 3133 Versetzungsverfahren 3133 f. auf gerichtliche Entscheidung nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe 3164f., 3167 f. auf Zulässigkeitseiklärung für Durchführung des Verfahrens in der Bundesrepublik Deutschland 3171

3209

Ant

Sachregister

Anträge (Fortsetzung) auf gerichtliche Entscheidung wegen Feststellung der Unzulässigkeit der Vollstreckung 3176 ff. s. auch Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG Antrag auf gerichtliche Entscheidung Berechnung der Frist für — 381 gegen vorläufige Verwahrung und Beamtenbeschlagnahme 592 f. gegen Notveräußerungsanordnung 615 gegen Verfügungen über Vollzug der Untersuchungshaft 761 Klageerzwingungsverfahren 1035 ff.; s. Näheres unter diesem Wort gegen Strafbescheid des Finanzamts 2203 Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG gegen Justiz verwaltungsakte auf dem Gebiet der Strafrechtspflege 66 gegen Maßnahmen der Vollstreckung und des Vollzuges 361, 762f., 2320ff., 2346, 2381 f. gegen Vollstreckungsreihenfolge 2391 bei Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehl 2398 Verhältnis zu § 458 StPO 2400 bei Ablehnung der Unterbrechung der Strafvollstreckung 2420 gerichtliche Nachprüfbarkeit von Gnadenentscheidungen 2620 ff. Ablehnung der Einsichtnahme in die Schöffenliste 2757 dienstliche Anweisungen der Vorgesetzten der StA 2885 s. im übrigen Einführungsgesetz zum GVG Antragsberechtigte Haftprüfungsverfahren 720 f. Benachrichtigung vom Haftbefehl 834 f. Beweisanträge 1271 f. Wiederaufnahmeantrag nach dem Tod des Verurteilten 1934 Strafantrags- und Privatklagerecht 1967 f., 1971 f. Antragsdelikte vorläufige Festnahme 826 f. Haftbefehl 834 f. Opportunitätsprinzip 948 Strafantrag 988f.; s. Näheres unter diesem Wort 3210

Privatklagerecht 1961 ff. Nebenklage 2046 Sicherungsverfahren 2207 ff. Kostenauferlegung an den Antragsteller bei Zurücknahme des Strafantrags 2533 ff. Antragsfrist Strafantrag 988 Antrag des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung über Einstellung 1041 f. Strafantrag bei Widerklage 2021 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3043 nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3163, 3164 Antragsmündigkeit bei Antragsdelikten 988 Antragsschrift im Sicherungsverfahren 96, 2210 f. Antragsteller im Klageerzwingungsverfahren, Wiedereinsetzung 388 f. Unterzeichnung des Strafantrags 991 Bescheidung über die Einstellung des Verfahrens, Belehrung des verletzten — über Klageerzwingungsverfahren 1031 Klageerzwingungs verfahren 1031 ff.; s. Näheres unter diesem Wort und Verletzter Stellung des — im Anhangsverfahren 2074 s. im übrigen unter diesem Wort Kostenauferlegung an — bei Zurücknahme des Strafantrags 2533 ff. Kostenpflicht des — nach Klageerzwingungsverfahren 2554 f. Kosten der Wiedereinsetzung 2582 Antritt der Untersuchungshaft, der Strafhaft oder des Maßregelvollzuges, Aufhebung der der Aussetzung des Haftvollzuges dienenden Maßnahmen und Freiwerden der Sicherheit 791 ff. Verfall der Sicherheit 797 ff. Ladung zum Straf— 2396 Anvertrautsein von Mitteilungen oder Tatsachen, Zeugnisverweigerungsrecht 427 Beschlagnahmefreiheit 576 Anwaltsassessor im Privatklageverfahren 1982 s. auch Assessor

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Anwaltszwang Antrag auf gerichtliche Entscheidung über Verfahrenseinstellung 1041 Anhangsverfahren 2074 Anweisungen Entfernung der vernommenen Zeugen und Sachverständigen 1331 f. dienstliche — der Vorgesetzten der StA 2884 ff. Anwendung keine Bindung des Gerichts an die gestellten Anträge bei — des Strafgesetzes 979 ff. Nichtanwendung, unrichtige — von Rechtsnormen als Revisionsgrund 1778 ff. Erstreckung der Aufhebung wegen Gesetzesverletzung bei — des Strafgesetzes auf weitere Verurteilte 1906 f. eines milderen Strafgesetzes als Ziel des Wiederaufnahmeantrags 193 2 f. Anwesenheit des Beschuldigten als Verfahrensvoraussetzung 121 f. Verkündung gerichtlicher Entscheidungen in — des Betroffenen 351 f. der Verfahrensbeteiligten bei Vernehmung des Bundespräsidenten 406 des Sachverständigen in der Hauptverhandlung 512 des Protokollführers bei Leichenöffnung 548 des Beschuldigten bei Unverdächtigen, Durchsuchung 620 des Inhabers von Räumen bei Durchsuchung 628 bei Vernehmung des Beschuldigten 855 f. des Verteidigers 882 Anspruch auf — bei richterlicher Vernehmung und sonstigen richterlichen Handlungen 1016 f. beim Schlußgehör 1022 bei Vernehmung des Angeschuldigten in der Voruntersuchung 1074 f. der Prozeßbeteiligten sonst in der Voruntersuchung 1075 ff. vorläufige Einstellung wegen Abwesenheit des Angeschuldigten 1104 ff. der Beteiligten bei Vernehmung durch beauftragten oder ersuchten Richter 1173 der zur Urteilsfindung berufenen Personen in der Hauptverhandlung 1180 ff.

Anz

dauernde — des Angeklagten in der Hauptverhandlung, Ausbleiben 1190 ff. Sichentfernen aus der Hauptverhandlung 1196 ff. Hauptverhandlung ohne den Angeklagten 1201 ff. Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung 1207 ff. Vertretung durch einen bevollmächtigten Verteidiger in der Hauptverhandlung 1213 ff. Vernehmungspflicht bei Ladung und — der Zeugen und Sachverständigen 1314 f. Zwangsentfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer 1325 ff. bei der Urteilsverkündung 1509 in der Hauptverhandlung, Revision 1798, des Angeklagten in der Revisions-Hauptverhandlung 1879 bei Beweisaufnahme nach Zulassung des Wiederaufnahmeantrags 1947 f. Pflicht des Privatklägers zur — in der Hauptverhandlung 2016 f. des Verletzten bei Erhebung der Widerklage 2023 des Nebenklägers in der Hauptverhandlung 2057, 2060 f., 2063 f. des Angeklagten im Strafbefehlsverfahren 2179 f., 2182 ff. des Beschuldigten im Sicherungsverfahren 2215 ff. des Einziehungsbeteiligten in der Hauptverhandlung 2250 f. in Sitzungen des Präsidiums 2665 der Dienstaufsichtsbeamten der Justizverwaltung trotz Ausschließung der Öffentlichkeit 2951 des Dolmetschers in der Hauptverhandlung 2980 bei Beratung und Abstimmung 2990 ff. s. auch Abwesender, Abwesenheit, Ausbleiben. Anzahl s. Zahl Anzeigen, Strafanzeigen Besorgnis der Befangenheit 297 des Richters von einem Ablehnungsgrund 329 der StA an den Richter von Beschlagnahme 589 3211

Anz

Sachregister

Anzeigen, Strafanzeigen (Fortsetzung) des Bürgen von Fluchtabsicht des Beschuldigten 794 f. Absehen von der Verfolgung leichter Vergehen, Bescheidung 955 Benachrichtigung von der Fristsetzung zur Austragung von Vorfragen 979 Absehen von Verfolgung wegen Drohung des Erpressers 977 Einleitung der Untersuchung 984 Strafanträge 986ff. Form und Herkunft der — (anonyme —, Querulanten) 986 f. vertrauliche — 987 Beurkundung der mündlichen — 987 Behörden, bei denen — angebracht werden können (StA., Polizei, Amtsgericht) 987 f. gegen unbekannt, gegen immune oder der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterworfene Personen 988 Anzeigepflicht von Behörden oder deren Beamten 992 Anzeigepflicht der Polizei- und Gemeindebehörden bei bestimmten Todesfallen 992 nach Eingang der — Erforschung des Sachverhalts 994 ff. der Polizei an StA 1005 f. Ablehnung des Antrags auf Erhebung der öffentlichen Klage, Bescheidung 1030 f. Ladung des Verteidigers zur Hauptverhandlung bei — der Wahl 1147 f. Aktenvorlage an die StA im Priavatklageverfahren als — im Sinne des § 191 StGB 1978 Erhebung der Privatklage 2000 Kostenauferlegung bei vorsätzlich oder leichtfertig erstatteter unwahrer — 2528fF. an Amtsgericht von Amtshandlungen des Gerichts eines anderen Bezirks 2926 f. Anzeigender Bescheidung des — bei Einstellung des Verfahrens 955 Benachrichtigung des — von der Fristsetzung zur Austragung von Vorfragen 979 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3031 3212

Anzeigepflicht der Behörden und Beamten 992 der Polizei- und Gemeindebehörden bei bestimmten Todesfällen 992 ff. des Staatsanwalts bei außerdienstlicher Kenntnisnahme 994 f. des polizeilichen Vorgesetzten 1005 Apotheker Zeugnisverweigerungsrecht 426 f. Hilfspersonen 433 f. Beschlagnahmefreiheit 575f., 577 Ablehnung der Berufung zum Schöffenamt 2742 Arbeit während der Untersuchungshaft 738, 753 f. Trennung von Straf- und Untersuchungsgefangenen während der — 742 Arbeitszwang während der Untersuchungshaft 738, 753 f. Arglist Verfahrensfehler, Rügeverlust wegen — 1823 f. Annenrecht für Bürgen im Verfahren wegen Verfalls der Sicherheit 801 für Antrag des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung über Einstellung 1042,1048 Privatklage 1985 ff. Nebenkläger 2055 f. Anhangsverfahren 2074 Antrag nach § § 23 fT. EGGVG 3051 f. Armenrechtsgesuch Fristwahrung bei Antrag auf gerichtliche Entscheidung über Verfahrenseinstellung 1042 f. s. im übrigen unter Armenrecht Armutszeugnis Klageerzwingungsverfahren 1042 Arrest dinglicher — zur Sicherung der künftigen Kostenforderung 2431 Arztwahl während der Untersuchungshaft 756 Asservate Herausgabe, Rechtsweg 3029 Assessor als Anwaltsvertreter im Privatklageverfahren 1982 Recht zur Bezeichnung als — 3065

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Atomgesetz Zuständigkeit des Schwurgerichts 2803 Atteste Verlesung ärztlicher — über Körperverletzungen 13 84 f. Aufbewahrung Wahl des Präsidiums, — der Wahlunterlagen 2660 Aufenthalt gewöhnlicher —, Gerichtsstand 235 Untersuchungshaft bei mangelndem festen -628 Zuständigkeit zum Erlaß des Haftbefehls 805 ff. Zuständigkeit für weitere richterliche Entscheidungen (Untersuchungshaft, Aussetzung des Haftvollzugs) 808 ff. Sicherstellung der Strafverfolgung und Strafvollstreckung bei Beschuldigten ohne — im Geltungsbereich der StPO 839 ff. unbekannter —, Wegfall der Pflicht zum Schlußgehör 1024 Unmöglichkeit der Ermittlung des —, Verlesung von Niederschriften über frühere richterliche Vernehmungen 1354 Befragung des Angeklagten über Einwilligung in Heim— oder Anstalts— 1482 ff. Anzeige des —wechseis bei Strafaussetzung zur Bewährung 1519 Abwesenheitsverfahren bei unbekanntem — und Auslands— 1567 ff. Ausschreibung in Fahndungsblättern zur —ermittlung 2399 Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Vollstreckung ostdeutscher Erkenntnisse 3179, 3180 s. auch Aufenthaltsort Aufenthaltsort Gerichtsstand 235 Zustellung 364 f. Angabe des — der weiteren geladenen Zeugen und Sachverständigen 1164 des Verurteilten, Übertragung nachträglicher Entscheidungen über Strafaussetzung zur Bewährung auf Amtsgericht 2364 f. Ersuchen um Vollstreckung einer Freiheitsstrafe im Bezirk des — des Verurteilten 2920 ff.

Auf

Ersuchen um Ergreifung und Ablieferung des Verurteilten 2922 ff. des Verurteilten in der Bundesrepublik Deutschland, Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Vollstreckung ostdeutscher Erkenntnisse 3179 f. s. auch Aufenthalt Auferlegung von Kosten der Aussetzung 1323 der Verfahrenskosten 2443 ff.; s. Näheres unter Kosten Auffassung abweichende — des überstimmten Richters 3116ff.; s. Näheres unter Beratungsgeheimnis Aufforderung zur Erklärung vor Entscheidung über Verfall der Sicherheit 801 zur Erklärung über die Anklageschrift 1092 zur Erklärung nach Antrag der StA auf Außerverfolgungsetzung 1115 f. Aufgaben der Verteidigung 877 des Präsidiums, Grundgedanken der Neuregelung 2652 des Präsidiums 2668 ff. Freistellung für — der Justizverwaltung 2681 Richter, unvereinbare — 3060 ff. Aufhebung der Verbindung 251 f. der Zwangshaft 478 f., 567 der Zwangsmittel wegen Verweigerung der Herausgabe von Beschlagnahmegegenständen 567 der Beschlagnahme 593 f. der Postbeschlagnahme 605 der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis 645 ff, 651 f. des Haftbefehls 763 ff. des Haftbefehls nach Ablauf der Sechsmonatsfrist 771 ff. von Maßnahmen, die der Aussetzung des Haftvollzugs dienen, bei — des Haftbefehls 792 f. des Haftbefehls durch das Revisionsgericht 810 f. des Haftbefehls durch den Vorsitzenden 812 des Unterbringungsbefehls 816 f. des Haftbefehls bei Antragsdelikten 835 3213

Auf

Sachregister

Aufhebung (Fortsetzung) der Verteidigerbestellung 905 des Haftbefehls bei Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens 1103 des Eröffnungsbeschlusses bei Unterlassung der Voruntersuchung 1121 der Beschlagnahme im Abwesenheitsverfahren 1585 f., 1592 f. des erstinstanzlichen Urteils durch das Berufungsgericht 1730 f. Revision, keine — des Verwerfungsbeschlusses durch den Tatrichter 1863 des angefochtenen Urteils durch Beschluß des Revisonsgerichts 1876ff. des angefochtenen Urteils durch das Revisionsgericht 1885 ff. von Urteilsfeststellungen durch das Revisionsgericht 1888 ff. des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die zugrunde liegenden Feststellungen 1890 ff. des Urteils durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung 1896ff., 2567f. wegen Gesetzesänderung nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung 1900 ff. Erstreckung der Urteils— auf weitere Verurteilte, die nicht Revision eingelegt haben 1904fT. Bindung durch das Revisionsurteil 1910 f. des früheren Urteils im Wiederaufnahmeverfahren 1953, 1955 ff. des Urteils auf Rechtsmittel des Nebenklägers 2064 f. des strafrechtlichen Teils des Urteils durch das Rechtsmittelgericht, Wirkung auf den zivilrechtlichen Teil (Anhangsverfahren) 2079 Einziehung 2282 Anrechnung der Untersuchungshaft bei - des Urteils 2340 eines Gerichts 2778, 3142 des Schweigebefehls 2949 der Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2971 des Justiz verwaltungsaktes auf Antrag nach §§ 23fT. EGGVG 3047 f. der Verfügung des Generalstaatsanwalts nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3167f. Aufklärung weitere — zur Vorbereitung des Gutachtens 510 ff. 3214

Anordnungen zur besseren — vor Eröffnung des Hauptverfahrens 1095 ff. Pflicht des Gerichts zur - 1262 ff. des Sachverhalts durch das Beschwerdegericht 1660 vor Erlaß des Strafbefehls 2152 vor Erlaß der Strafverfügung 2198 besondere Auslagen durch Untersuchungen zur — bestimmter Umstände 2486 ff. nach Festsetzung einer Ordnungsstrafe wegen Ungebühr usw. 2974 s. auch Aufklärungspflicht Aufklärungspflicht des Gerichts 1262 ff. Überzeugungsbildung unter Verletzung d e r - 1265 ff. Beweisrecht der Beteiligten (Beweisanträge) im Verhältnis zur — 1270f. Revision wegen Verletzung der — (Aufklärungsrüge) 1269 f., 1311 ff. Beweisanträge Einziehungsbeteiligter 2264 Einziehung, Beschränkung der — in der Berufungsinstanz 2270 s. auch Aufklärung Aufklärungsrüge Revision 1311 f. Auflagen Befragung des Angeklagten, wenn — in Betracht kommen 1482 ff. Beschluß 1519 ff. Beschwerde gegen —beschluß 1650 ff. Überwachung der Erfüllung 23 72 f. Auflösung von Gesamtstrafen 2409 f., 2423 der Tatbestandsmerkmale im Urteil in Handlungen und Tatsachen 1814 f. Aufnahme des Fernmeldeverkehrs auf Tonträger 606 ff. des Protokolls in der Voruntersuchung 1068 Aufrechnung im Anhangsverfahren 2072 bei einer Vermögensstrafe 2427 Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung (Sitzungspolizei) 2952 ff. Aufruf der Sache 1244

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Aufschiebende Wirkung keine — des Wiedereinsetzungsgesuchs 398 f. der sofortigen Beschwerde gegen Anordnung der Anstaltsbeobachtung 518 keine — der Beschwerde gegen Aufhebung des Haftbefehls 768 der Beschwerde, Aussetzung der Vollziehung 1634, 1657 Rechtskraft als Voraussetzung der Vollstreckbarkeit 2326 ff. der sofortigen Beschwerde der StA gegen Aussetzung des Strafrests 2376 keine — der Beschwerde gegen Schweigebefehl 2946, 2949 gegen Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2972 s. auch Hemmung Aufschub keinen — duldende Handlungen abgelehnter Richter 328 der Vollstreckung bei Wiedereinsetzungsgesuch 399 bei Beschwerde 1934, 1657 bei Wiederaufnahmeantrag 1933 f. der Strafvollstreckung 2379ff., 2384ff.; s. Näheres unter diesem Wort des Inkrafttretens der Untersagung der Berufsausübung 2392 ff. der Vollstreckung von Vermögensstrafen 2426 der Vollstreckung von Maßregeln 2433 Gesuch um — der Strafvollstreckung an ersuchte StA 2923 der Rechts- und Amtshilfe auf ostdeutsche Ersuchen 3165 Aufsicht durch Referendare unter — wahrnehmbare Geschäfte 2609 ff. s. im übrigen Dienstaufsicht Aufsichtführender Richter Vorsitz im Präsidium 2654 f. Präsidium, Vertretung bei Verhinderung 2665 Ernennung eines gewählten Mitglieds des Präsidiums zum —, Eintritt des Nächstberufenen 2665 Vertretung des - 2702 f., 3143 f. Aufstehen während der Sitzung 2965 Auftrag Gerichtsstand des — 255 ff.

Aug

an den Gerichtsvollzieher zur unmittelbaren Ladung 371 f. der StA an Polizei zu Ermittlungen 999 des Untersuchungsrichters an die Polizei 1071 der ersten Beamten der StA zur Wahrnehmung von Amtsverrichtungen 2883 f. an Gerichtsvollzieher unter Mitwirkung der Geschäftsstelle des Amtsgerichts 2920 Richter kraft — s. unter diesen Worten Auftreten von Rechtsanwälten ohne Robe 2956f. Aufwand Einziehung, Beschränkung der Verfolgung bei unangemessenem — 2225 ff. Aufw andsentschädigung für Zeugen 482 für Sachverständige 541 bei unmittelbarer Ladung 1157 Aufzeichnungen des Zeugen 474 Beschlagnahmefreiheit 574 des Angeklagten in der Hauptverhandlung 1225,2958 Verwertung von — höchstpersönlichen Charakters 1288 f. Gebrauch schriftlicher — bei Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen 1346 Beweiswürdigung, — über die Verhandlung 1422 in der Sitzung durch Zuhörer 2958 Augenschein Sachverständige und — 482 ff. auftragloser — durch ein Mitglied des erkennenden Gerichts 1175 f. s. Näheres unter Augenscheinseinnahme Augenscheinseinnahme richterliche 543 ff. Begriff 544 Tonbänder 544 f. andere Augenscheinsobjekte 545 Verfahren, Protokoll 545 f. Leichenschau und Leichenöffnung 546 ff. Feststellung der Persönlichkeit des Verstorbenen vor der Leichenöffnung 548 f. Öffnung der Kopf-, Brust- und Bauchhöhle 549 Öffnung der Leiche eines neugeborenen Kindes 549

3215

Aug

Sachregister

Augenscheinseinnahme (Fortsetzung) bei Verdacht einer Vergiftung chemische Untersuchung der Leiche 549 Münzdelikte, Gutachten 550 bei Durchsuchung durch einen Richter 617 Zuziehung eines Urkundsbeamten durch Untersuchungsrichter 1067 Anwesenheit Prozeßbeteiligter 1076 Antrag des Angeschuldigten auf Ladung von Sachverständigen zur — in der Voruntersuchung 1077 ff. durch einen beauftragten oder ersuchten Richter 1175 f. gleichzeitige Anwesenheit bei der — 1182 Beweis durch —, Verletzung der Aufklärungspflicht 1269 Beweisanträge auf—, Ablehnung 1308 ff. Verlesung des Protokolls über die — in der Hauptverhandlung 1336 f. Anwesenheit im Wiederaufnahmeverfahren 1947 f. Augenscheinsobjekte an den Sachverständigen 511 Augenscheinseinnahme 545 Augenscheinsprotokoll Abfassung 546 Ausbildung Anwesenheit der zur juristischen — beschäftigten Personen bei Beratung und Abstimmung 2991 ff. Vorbereitungsdienst, Verwendung der — 3064 f. Ländervorschriften über die Juristen — 3065 einstufige — 3065 f. Anrechnung einer — für den gehobenen Dienst 3066 Ausbleiben des Angeklagten 122 Ladung der Zeugen unter Hinweis auf die gesetzlichen Folgen des — 404 f. Kostentragung und Ordnungsstrafe wegen — des Zeugen 408 ff. Widerruf der Haftverschonung bei — des Beschuldigten 713 f. Vorführung wegen unentschuldigten — des Beschuldigten 842 ff. des Verteidigers bei notwendiger Verteidigung 920 Wegfall der Pflicht zum Schlußgehör 1025 3216

Hinweis auf Folgen unentschuldigten — des Angeklagten in der Hauptverhandlung 1142 f. unentschuldigtes — unmittelbar geladener Personen 1158 des Angeklagten in der Hauptverhandlung 1190 ff., 1197 fr. Rechtfertigung des — im Abwesenheitsverfahren, Wiederaufnahme 1581 f. Zusammentreffen von Berufung und Wiedereinsetzungsgesuch 1686 f. Hinweis auf Folgen des — bei Ladung des Angeklagten zur Berufungsverhandlung 1719 des Angeklagten in der Berufungsverhandlung 1736 ff., 1754 Zusammentreffen von.Revision und Wiedereinsetzungsgesuch bei — des Angeklagten 1844 f. Rücknahme der Privatklage bei — des Privatklägers 2015, 2037f. Rücknahme der Privatklage in der Berufungsinstanz 2038 f. des Nebenklägers 2057, 2060 f., 2063 f. des Angeklagten im Strafbefehlsverfahren, Verwerfung des Einspruchs 2183 ff. des Einziehungsbeteiligten in der Hauptverhandlung 2254, 2263 f. des Verurteilten auf Ladung zum Strafantritt 2397 Hinweis auf die Folgen des — der Schöffen 2757 f. Ordnungsstrafe wegen — der Schöffen und Vertrauenspersonen 2770f. s. auch Abwesende, Abwesenheit Ausdehnung der Voruntersuchung 1056, 1071 f., 1073 Ausfertigung Zustellung 364 des vom Gericht in der Hauptverhandlung erlassenen Haft- oder Vorführungsbefehls 1196 der Urteile 1563 f. des Strafbefehls 2159 s. auch Abschriften Ausführung der Zustellung 360 von Untersuchungsgefangenen 753 Ausgleichshandlung Absehen von der Verfolgung bestimmter Staatsschutzsachen 966

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Ausgrabung einer Leiche 546 Aushändigung von Postsendungen 612 Aushang s. Anheftung Auskunft statt Beschlagnahme 565 der Post über Briefe, Sendungen, Telegramme und Fernmeldeverkehr 599 ff., 605 Befugnis der StA, von allen Behörden — zu verlangen 988 vertrauliche — an StA, Aufnahme in die Gerichtsakten 1029 Verlesung von — aus dem Bundeszentral-, Erziehungs- und Verkehrszentralregister 1336 fernmündliche —, Einführung in die Hauptverhandlung 1346 auf ostdeutsche Ersuchen 3160 Auskunftsbeschränkung bei ostdeutschen Verurteilungen 3174 f. Auskunftspflicht der Zeugen hinsichtlich der Personalfragen 471 der Postbehörden 599 ff. der Behörden gegenüber der StA 998 f. Auskunftsrecht gegenüber Postbehörden 596, 599ff. der StA gegenüber allen öffentlichen Behörden 998 f. Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen bei Gefahr strafrechtlicher Verfolgung 438ff., 533 Ausländer Gerichtsunterworfenheit als Verfahrensvoraussetzung 96 f. Benachrichtigung der diplomatischen oder konsularischen Vertretung von der Verhaftung 699 gesetzliche Vertretung 880 Absehen von der Verfolgung 962 f. Abwesenheitsverfahren 1570 ff. Sicherheitsleistung als Privatkläger 1984 f. Gewährung des Armenrechts bei Nebenklage 2055 Unfähigkeit zum Schöffenamt 2734 Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser —, Gerichtssprache 2977

Aus

Ausländergesetz Begriff der Ausweisung 2387 Ausländische Behörde oder Regierung Beschränkung der Verfolgung Ausgelieferter 128 Münzdelikte, Gutachten einer — 550 Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage bei Auslieferung an — 975 f. Ausländische Fahrausweise vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, Beschlagnahme 652 Beschlagnahme zur Eintragung eines Vermerks 2435 Ausländische SeehandelsschifTe Beschlagnahme 591 Verhaftung 688 Absehen von der Verfolgung von Ausländern 963 Maßgeblichkeit des Rechts zum Führen einer anderen Flagge 963 Ausländische Streitkräfte Verhandlungen gegen Mitglieder —, Anwesenheit von Vertretern ausländischer Behörden 2951 Ausländische Urteile Absehen von der Verfolgung im Inland 969 Auslagen Erteilung von Abschriften verkündeter Entscheidungen 353 Privatkläger,—Vorschuß 1983 f. Vorschußpflicht des Widerklägers 2024 außergerichtliche — bei Zurücknahme der öffentlichen Klage nach rechtzeitigem Einspruch gegen Strafbefehl 2177 des Gerichts, Bemessung und Ansatz 2437ff.; s. im übrigen unter Kosten der Staatskasse und Beteiligter 2463 ff. Vergütung des Pflichtverteidigers als — der Staatskasse 2464 Pflichtverteidiger, —pauschale 2464 von zu Verteidigern bestellten Referendaren 2464 Vorbereitung der öffentlichen Klage 2464 ff. von Behörden außerhalb der Justiz 2465 Entschädigung und Belohnung Dritter 2465 f. der Vollstreckung 2466 Festsetzung der gerichtlichen — 2466

3217

Aus

Sachregister

Auslagen (Fortsetzung) notwendige — eines Beteiligten im allgemeinen 2466 f. eines Beteiligten 2466 Begriff der notwendigen — 2466 Dritter 2466 f. Rechtsschutzversicherung 2467 Entschädigung für Zeitversäumnis 2467f. gesetzliche Gebühren und — des Rechtsanwalts 2469 ff. andere Verteidiger als Rechtsanwälte 2472 auswärtiger Rechtsanwalt 2472 f. Verteidigung von Mitangeklagten durch denselben Verteidiger 2473 mehrere Verteidiger 2473 f. Rechtsanwalt als Verteidiger oder Vertreter in eigener Sache 2474 des Verteidigers, Erstattungsfahigkeit 2474 sonstige notwendige — 2474 Festsetzung der —, die ein Beteiligter einem anderen zu erstatten hat 2474 ff. Gegenstand des —festsetzungsverfahrens 2475 Zweck des —festsetzungsverfahrens 2475 Kostenausspruch als Grundlage des Festsetzungsverfahrens 2476 Antrag auf Festsetzung 2476 f. Antrag auf Verzinsungsausspruch 2476 f. Festsetzungsverfahren, Zuständigkeit 2477 Festsetzungsverfahren, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel 2477 f. Geltendmachung von notwendigen — des Beschuldigten durch den Rechtsanwalt 24 78 f. Kostentragungspflicht des Angeklagten 2479 ff; s. Näheres unter Kosten besondere — durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter Umstände 2486 ff. Quotelung 2487 ff. Haftung des Nachlasses des Verurteilten 2494 Erstattung der — des Nebenklägers 2494 Gesamthaftung mehrerer verurteilter Mitangeklagter 2494 ff. keine Kostentragungspflicht des Angeschuldigten bei Freispruch, Außerverfolgungsetzung und Verfahrenseinstellung 2500 ff. 3218

Zusammentreffen mehrerer Erstattungsansprüche des Angeschuldigten 2503 Tod des Angeschuldigten 2504 ff. bei erfolgreicher Beschwerde 2507 Erstattungspflicht, - Dritter 2507 Erstattungspflicht, — Nebenbeteiligter 2507 zeitlicher Bereich der Erstattungsentscheidung 2507 Form der Erstattungsentscheidung 2507 die erstattungspflichtige Staatskasse 2508 Auferlegung der durch schuldhafte Säumnis verursachten Kosten des Verfahrens 2508 f. Ausschluß der —erstattung bei täuschender Selbstanzeige 2509 f. Absehen von —überbürdung bei Selbstbelastung oder Verschweigen wesentlicher Umstände 25 lOff. Absehen von —überbürdung bei Nichtverurteilung wegen Verfahrenshindernisses 2512 ff. Auferlegung der notwendigen — bei Verfahrenseinstellung nach gerichtlichem Ermessen 2516 ff. Auferlegung der notwendigen — bei Einstellung nach Zurücknahme der öffentlichen Klage 2518 ff. Auferlegung der notwendigen — bei Einstellung nach Mitteilung des Abschlusses der Ermittlungen 2523 ff. Auferlegung der notwendigen — eines Nebenbeteiligten bei Einstellung nach Zurücknahme der öffentlichen Klage oder Mitteilung des Abschlusses der Ermittlungen 2525 f. sofortige Beschwerde gegen Entscheidung über —auferlegung 2526 Auferlegung der — bei unwahrer Anzeige 2530ff. Auferlegung der — an Antragsteller bei Zurücknahme des Strafantrags 2533 ff. Zurücknahme des Strafantrags, Bereiterklärung zur Übernahme der 2534 IT. bedingte Zurücknahme des Strafantrags 2536 Zurücknahme des Strafantrags, Entscheidung über —, vorherige Anhörung, Anfechtung 2536 Privatklageverfahren 2537ff.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Auslagen (Fortsetzung) Privatkläger als gesetzlicher Vertreter 2539 Privatklage, —festsetzung 2539 Entscheidung über — bei Verurteilung im Privatklageverfahren 2539 Straffreierklärung im Privatklageverfahren 2539 Nichtverurteilung im Privatklageverfahren 2539ff. Tod des Privatklägers 2540 Übernahme der Verfolgung des Privatklagedelikts durch die StA 2541 Einstellung des Privatklageverfahrens kraft Straffreiheitsgesetzes 2541 vorläufige Einstellung des Privatklageverfahrens 2541 Zurücknahme der Privatklage vor Eröffnung des Hauptverfahrens 2541 Beendigung des Privatklageverfahrens durch Vergleich 2541 ff. Beendigung des Privatklageverfahrens durch Zurücknahme des Strafantrags 2542 Beendigung des Privatklageverfahrens durch Zurücknahme der Privatklage 2542 f. keine Bindung des Gerichts an Kostenvereinbarung 2543 Privatklageverfahren, —entscheidung nach Ermessen 2544 ff. Anträgen des Privatklägers nur zum Teil entsprochen 2544 ff. Einstellung des Privatklageverfahrens wegen Geringfügigkeit 2546 Erhebung der Widerklage im Privatklageverfahren 2546 f. gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Privatkläger 2547 Jugendliche als Privatkläger und Widerbeklagte 2547 f. Nebenklage, —erstattung 2548 ff. Verurteilung auf Nebenklage 2548 ff. Nebenklage, Freispruch und Außerverfolgungsetzung 2550 Einstellung des Verfahrens bei Nebenklage 2 5 50 ff. Nebenkläger als Mitangeklagter 2552f. Nebenklage, —festsetzungsverfahren 2553 Anordnung der Einziehung, des Vorbehalts der Einziehung, der Vernichtung,

Aus

Unbrauchbarmachung, Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes 2557-ff. Festsetzung einer Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung 25 57 ff. des Rechtsmittels im Offizialverfahren im allgemeinen 2562ff. Erstattung der — bei Zurücknahme oder Erfolglosigkeit des Rechtsmittels der StA 2565 ff. Erfolglosigkeit oder Zurücknahme des zuungunsten des Beschuldigten eingelegten Rechtsmittels 2565 f. Verteidigerhonorar, wenn StA vorsorglich zur Fristwahrung eingelegtes Rechtsmittel vor Begründung zurücknimmt 2566 Rechtsmittel zuungunsten eines Nebenbeteiligten 2566 Rechtsmittel der StA zugunsten oder mit Wirkung zugunsten des Beschuldigten 2566 f. Begriff des Erfolgs eines Rechtsmittels 2567 f. voller Erfolg, Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels 2567 Teilerfolg eines Rechtsmittels 2567 Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung 2567 f. Aufhebung eines Formalurteils 2568 Einstellung des Verfahrens in der Rechtsmittelinstanz wegen Verfahrenshindernisses 2568 auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränktes Rechtsmittel 2568 ff. anfangliche Beschränkung des Rechtsmittels 2569 f. Beschränkungssurrogat bei verfahrensrechtlich nicht möglicher Beschränkung des Rechtsmittels 2570 nachträgliche Rechtsmittelbeschränkung 2570 ff. Auferlegung der — bei teilweisem Erfolg eines Rechtsmittels 2573 ff. Staatskasse, Auferlegung der — bei Unbilligkeit 2574 f. Teilfreispruch 2575 Zusammentreffen von Rechtsmitteln 2575 f. Erfolg des gleichzeitig von StA und Angeklagtem eingelegten Rechtsmittels 2575 f.

3219

Aus

Sachregister

Auslagen (Fortsetzung) Erfolglosigkeit des gleichzeitig von StA und Angeklagtem eingelegten Rechtsmittels 2576 Rechtsmittel mehrerer Mitangeklagter 2576 Rechtsmittel im Privatklageverfahren 2576 ff. Anwendbarkeit der §§ 471, 473 StPO im Privatklageverfahren 25 76 f. erfolglose gleichzeitige Rechtsmittel des Privatklägers und des Angeklagten 2578 Rechtsmittel bei Nebenklage 2578 ff. selbständiges Rechtsmittel des Nebenklägers 2578 unselbständige Beteiligung des Nebenklägers an dem durch Rechtsmittel der StA veranlaßten Rechtsmittelverfahren 2578 f. Nebenklage, Rechtsmittel des Angeklagten 2579 f. Teilerfolg des vom Nebenkläger selbständig eingelegten Rechtsmittels 2580 Zusammentreffen von Rechtsmitteln der StA und des Nebenklägers 2580f. Zusammentreffen von Rechtsmitteln des Angeklagten und des Nebenklägers 2581 Zusammentreffen von Rechtsmitteln des Angeklagten und der StA bei Nebenklage 2581 Wiederaufnahme des Verfahrens 2581 f. Nachverfahren 2582 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 2582 Erstattung der Kosten und — der Rechtsund Amtshilfe 2924 ff. s. im übrigen Kosten Auslagenentscheidung im Urteil oder verfahrensabschließenden Beschluß 2447 ff. Folgen der Unterlassung einer — 2448 ff. Umdeutung der Kostenentscheidung in eine Kosten- und — 2449 f. isolierte — 2451 Anfechtung im allgemeinen 2451 f. Verhältnis der Anfechtung der Sachentscheidung zur Anfechtung der — 2453ff. Anfechtbarkeit der — bei unanfechtbarer Hauptentscheidung 2457 ff. 3220

bei Freispruch, Außerverfolgungsetzung und Verfahrenseinstellung 2502 bei Tod des Angeschuldigten 2504 ff. bei Einstellung nach Zurücknahme der öffentlichen Klage oder Mitteilung des Abschlusses der Ermittlungen 2518 ff. sofortige Beschwerde 2526 bei Einstellung wegen Zurücknahme des Strafantrags 2533 ff. Privatklageverfahren 25 3 8 ff. Nebenklage 2548 ff. nach Klageerzwingungsverfahren 2554 f. Verfahren auf Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs oder einer Buße 2555 f. Anordnung der Einziehung, des Vorbehalts der Einziehung, der Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes oder Verfallerklärung 2557 ff. Festsetzung einer Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung 2557 ff. zurückgenommene oder erfolglos eingelegte Rechtsmittel 2562 ff. Wiederaufnahme des Verfahrens 2581 Nachverfahren 2582 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 2582 s. im übrigen Auslagen, Kosten Auslagenfestsetzungsverfahren s. Auslagen Auslagenvorschuß des Nebenklägers 2057 s. im übrigen unter Auslagen Ausland Gerichtsstand der Presse 232 exterritoriale Deutsche und Beamte im —, Gerichtsstand 240 Zustellungen im — 368 f. Ladung aus dem — 405 Vernehmung im — 465 Begriff 963 Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen im — 1168 Beweisaufnahme über ausländisches Recht 1260 Ablehnung von Beweisanträgen wegen Unerreichbarkeit 1299 f. Niederschrift über Vernehmung im —, Verlesung 13 52 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Ausland (Fortsetzung) Abwesenheitsverfahren wegen Aufenthalts im - 1567 f. nachträgliches Sicherungsverfahren bei Taten im — beseitigt 2220 Beginn der Strafhaft bei Festnahme im -2339 Absehen von der Vollstreckung bei Auslieferung und Ausweisung 2387 f. Rechtshilfeverkehr mit dem — in Strafsachen 2905 ff. Nacheile ins — 2930 Wohnsitz des Richters im —, Entlassung 3085 Auslandsbes trafung Absehen von der Verfolgung einer Tat wegen — 963 Auslandstaten Absehen von der Verfolgung 962 ff. eines Deutschen 962 eines Ausländers 962 f. Auslastung Änderung des Geschäftsverteilungsplanes wegen ungenügender — 2678 Auslegung des Protokolls 1556 einer Rechtsmittelerklärung, Bindung 1630 Wiedereinsetzung oder Berufung 1687 der Erklärungen zur Beschränkung der Berufung 1693 f. Revision 1812 Revisionsbegründung 1848 f. Zweifel bei der — eines Strafurteils, Entscheidung des Vollstreckungsgerichts 2400 ff. des Rechts 2602 der Vorschlagsliste für Schöffen 2746 des Rechts, Anrufung beim BGH 2861 f. Auslieferung von Beweismitteln und Einziehungsgegenständen 565 ff. von Behördenakten, Sperrerklärung 568ff. von Postsendungen durch die StA an den Richter 601 Absehen von der Verfolgung bei — 975 f. Absehen von der Vollstreckung bei — 2387 f. keine Strafsache 2586 Mitwirkung der StA 2867

Aus

GewährungVon Rechtshilfe gegenüber dem Ausland durch —, Deutsches Auslieferungsgesetz 2905 Verfahren nach — durch das Ausland 2906 f. s. auch Auslieferungsgesetz Auslieferungsbedingungen Prüfung durch das Revisionsgericht 1799 Auslieferungsbewilligung Umfang der Verfolgbarkeit 1799 kein Justizverwaltungsakt 3022 Auslieferungsgesetz Einfluß verfassungsmäßiger Grundrechte 7 f. Gründe der Nichtauslieferung eines Nichtdeutschen 975 auslieferungsrechtliche Beschränkungen, Prüfung durch das Revisionsgericht 1799 Amtsgerichte 2728 Zuständigkeit des OLG 2833 Mitwirkung der StA 2867 Gewährung von Rechtshilfe gegenüber dem Ausland durch Auslieferung nach dem Deutschen — 2905 ordentliche Gerichte 3005 Zuweisung an ein OLG oder an das oberste Landesgericht durch Landesgesetzgebung 3011 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3032 s. auch Auslieferung Auslieferungshaft Anrechnung von — 2339 Maßnahmen im Vollzug der —, Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3036 Auslieferungsverträge Geltung 2905 f. Auslosung fehlerhafte — der Schöffen, Revision 1827 \ t a h l des Präsidiums, — bei Stimmengleichheit 2656, 2659 der Schöffen 275 6 f. Benachrichtigung der Schöffen 275 7 f. für außerordentliche Sitzungen des Schöffengerichts 2759 f. Bestimmung durch Landesjustizverwalttung 2771 Strafkammerschöffen 2796 der Schöffen beim Schwurgericht 2812 f. Ausnahmegerichte Verbot v o n - 2 6 3 8 ff.

3221

Aus

Sachregister

Ausnahmegerichte (Fortsetzung) Entwicklungsgeschichte 2638 Begriff der — 2638 f. Abgrenzung von den Sondergerichten 2639 Auspumpen des Magens 524 Auss agegenehmigung Verwertung einer Aussage ohne — 179 Widerruf der - 179 Erteilung oder Versagung, Verwaltungsakt 435 ff. Umfang der —, Prüfung durch das Revisionsgericht 1807 Aussagen des Beschuldigten als Prozeßhandlung 70 Verwertbarkeit von — unter Verletzung einer Pflicht zur Belehrung über ein Aussageverweigerungsrecht 171 f. Aussageverweigerung 174 f. Fernwirkungen des Verwertungsverbots 175f.; s. auch unter Beweisverbote Pflicht der Zeugen zu — über Tatsachen 413 Belehrung über Wahrheits- und Eidespflicht 441 f. Absehen von der Beeidigung bei — von nicht wesentlicher Bedeutung 458 Verbot der Verwertung unzulässiger — 474 keine —pflicht des Beschuldigten 849 Art und Form der — des Beschuldigten 851 f. Beeinträchtigung der Willensfreiheit usw., Verwertungsverbot 857 ff. Belehrung bei zur —Verweigerung berechtigten Personen 1010 Entschädigung unmittelbar geladener Personen bei Dienlichkeit der — zur Sachaufklärung 1159 Verweigerung der — durch den Angeklagten 1251 Grenze zwischen Zeugen— und Sachverständigengutachten 1303 f. Verbot der Verlesung und Verwertung früherer — bei Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung 1362 ff., 1369 Vernehmung von Verhörsbeamten über frühere - 1366 f., 1377 f. Verlesung früherer — zur Unterstützung des Gedächtnisses und bei Widersprüchen 1370ff. 3222

Verlesung früherer — zur Beweisaufnahme über ein Geständnis und bei Widerspruch mit früheren — des Angeklagten 13 74 ff. Beurkundung des Wortlauts 1549 ff. Verlesung der — erstinstanzlicher Zeugen und Sachverständiger in der Berufungsverhandlung 1723 ff. Protokollierung auch in fremder Sprache 2981 s. auch Aussagepflicht, Aussageverweigerungsrecht, Zeugnispflicht Aussagepflicht keine — des Beschuldigten 849 keine — bei der Polizei 1004 Verletzung der — als Wiederaufnahmegrund 1927 f., 1935 Aussageverweigerungs recht Belehrung über — durch die Polizei 1010 s. auch Auskunftsverweigerungsrecht, Zeugnisverweigerungsrecht Ausscheiden aus dem Präsidium, Eintreten von Nächstberufenen 2665 f. Ausschließlichkeit Beweiskraft des Protokolls 1556 Ausschließung der Öffentlichkeit 1836ff., 2931 ff.; s. Näheres unter diesem Wort eines Richters von rechtsprechender Tätigkeit 2670 s. auch Ausschluß Ausschließung (der Gerichtspersonen) Strafprozeßänderungsgesetz 28,271 ff. Gerichtspersonen 272 Staatsanwalt 273 f. Reform 274 f. Richter 275 Verletzter 276 Verwandte des Beschuldigten 277 Richter als Beschuldigter 278 nichtrichterliche Vortätigkeit 278 ff. Wirkung und Folgen der Ausschließungsgründe 281 ff. Ausschluß von der Rechtsmittelentscheidung 285 ff. Ausschluß im Wiederaufnahmeverfahren 287 ff. Ausschluß des Untersuchungsrichters 289 ff. Ablehnung bei Ausschließungsgrund 293, 300

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Ausschließung (der Gerichtspers.) (Forts.) unaufschiebbare Handlungen 326 ff. Prüfung von Amts wegen bei Zweifeln über einen Ausschließungsgrund 328 ff. entsprechende Geltung der Vorschriften über — für Schöffen und Urkundsbeamte 332 ff. keine Ausschließung von Sachverständigen 494 des Verteidigers 893,929 Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters am Eröffnungsbeschluß 1100 Mitwirkung ausgeschlossener Richter, Revision 1789 Ablehnung oder Nichtbescheidung des Antrages auf Benennung der mitwirkenden Richter, Revision 1789 Entscheidung über Ablehnungsgesuche gegen Richter, Revision 1789 f. der Richter als unbedingter Revisionsgrund 1829 Mitwirkung des früheren Richters nach Zurückverweisung 1898 von Richtern im Wiederaufnahmeverfahren 1956 von Schöffen, keine Mitwirkung von Schöffen 2733 von Mitgliedern des Großen Senats 2854 des Gerichtsvollziehers 2902 Beleidigung eines Richters, Mitwirkung am Ordnungsstrafbeschluß 2966 des Dolmetschers 2985 Ausschluß von Gerichtspersonen 271 ff.; s. Näheres unter Ausschließung der Gerichtspersonen des Angeschuldigten bei Verhandlungen in der Voruntersuchung 1077 der Entschädigung aus der Staatskasse bei unmittelbarer Ladung 1159 f. der Beschwerde 1641 f., 1646 ff. der Berufung bei amtsrichterlichen Bagatellurteilen 1674 ff. des Wiederaufnahmeantrags weder durch Strafvollstreckung noch durch Tod 1934 der Wiederaufnahme zwecks bloßer Änderung der Strafe oder Strafmilderung wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit 193 7 f.

Aus

der Auslagenerstattung 2508 ff.; s. Näheres unter Auslagen der Öffentlichkeit 1836ff, 2931 ff.; s. Näheres unter diesem Wort Ausschlußfristen Handlungsfristen 376 Erklärung zur Anklageschrift, keine — 1092 Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung Verurteilter in Fahndungsblättern 2399 Ausschuß zur Wahl der Schöffen 2749 ff. Entscheidung über die Einsprüche gegen die Vorschlagsliste 2751 Wahl der Schöffen und Hilfsschöffen 2751 ff. Landesjustizverwaltung 2771 Außenwirtschaftsgesetz vorläufige Festnahme 825 Zuständigkeitskonzentration bei einem Amtsgericht 2775 Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer 2793 f. Hilfsbeamte der StA 2898 Außerordentlicher Einspruch bei grober rechtlicher Unrichtigkeit eines rechtskräftigen Urteils, Entwürfe, Kriegsgesetzgebung 195 Außerverfolgungsetz ung Aufhebung des Haftbefehls 766 Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nach Voruntersuchung 1084 Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens 1102 Eröffnung des Hauptverfahrens entgegen dem Antrag der StA auf - 1115 ff. Kosten bei — 2502ff.; s. Näheres unter Kosten Auferlegung der durch schuldhafte Säumnis verursachten Kosten 2508 f. Privatklage, Kosten bei — 2539 f. Nebenklage, Kosten bei — 2550 Besetzung des Strafsenats beim OLG 2850 Aussetzung des Disziplinarverfahrens bis zur Beendigung des Strafverfahrens 62 des Verfahrens bei Verhängung von Zwangshaft gegen Zeugen 479

3223

Aus

Sachregister

Aussetzung (Fortsetzung) des Vollzugs des Haftbefehls 707 ff. Wirkung der — 712 Lauf der Sechsmonatsfrist für Untersuchungshaft bei — des Vollzugs 774 des Haftvollzugs durch OLG 787 f. Aufhebung der der — des Haftvollzugs dienenden Maßnahmen, Freiwerden der Sicherheit 791 ff. Zuständigkeit für — des Haftvollzugs 808 ff. bei fehlender Verteidigung im Fall notwendiger Verteidigung 921 f. bei neuem Verteidiger 923 Kosten einer vom Verteidiger verschuldeten - 924 Entscheidung über Eröffnung des Hauptverfahrens nach Voruntersuchung 1084 auf Antrag des Angeklagten bei Nichteinhaltung der Ladungsfrist 1146 auf Antrag des Verteidigers bei Nichteinhaltung der Ladungsfrist 1149 f. Ladung und Herbeischaffung von Beweismitteln zur Hauptverhandlung 1163 f. Entscheidung über Anträge auf — einer Hauptverhandlung durch das Gericht 1185 ff. der Urteilsverkündung 1190 der Hauptverhandlung wegen zu späten Vorbringens 1321 ff. der Untersuchung wegen Abwartens des Ausgangs eines Zivil- oder Verwaltungsrechtsstreits 1441 ff. Vorlage bei einem Verfassungsgericht und - 1448 ff., 1796 der Hauptverhandlung bei veränderter Sach- und Rechtslage 1479 ff. Beschwerde gegen — 1649 der Vollziehung der Entscheidung bei Beschwerde 1657 der Hauptverhandlung im Privatklageverfahren 2011 bei Übergang vom Sicherungs- zum Strafverfahren 2219 der Untersagung der Berufsausübung 2394 f., 2400 bei Untätigkeitsantrag nach § 27 EGGVG 3046 Dienstgericht 3135 der Rechts- und Amtshilfe nach dem Ge3224

setz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3165 Aussetzung der Reststrafe Reihenfolge der Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen 2333 Entscheidung über die — 2373 ff. Verfahren 23 73 ff. Pflicht zur Entscheidung von Amts wegen oder auf Antrag? 2373 f. Anträge Nichtverfahrensbeteiligter 2375 Einwilligung des Verurteilten 2375 Zeitpunkt der Entscheidung 2375 Anhörung Beteiligter 2375 Beginn der Wirksamkeit des Beschlusses über — 2376 Rechtsmittel 23 76 f. Wirkung der Rechtskraft ablehnender Entscheidungen 2377 Festsetzung der Bewährungszeit, Auflagen 2377 Zuständigkeit 2377 f. Belehrung über Bedeutung der — 2378 erneute Anordnung nach Widerruf 2378 im Gnadenwege 2378 Festsetzung des Beginns 2378 Jugendliche, Heranwachsende 2378 f. Vollstreckung ostdeutscher Strafen 3159 Austauschbarkeit von Beweismitteln 1282 Auswärtiger Strafsenat Bildung 2820f., 2853 Versetzung 3098 f. Auswärtige Strafkammer Ablehnung von Richtern 317 Einsetzung 2798 Bezirk, Geschäftskreis 2798 f. Verhältnis zum Landgericht 2799 Verhinderung 2799 Ablehnungsgesuch, Beschlußfähigkeit 2799 Einlegung der Revision 2799 f. Zurückverweisung 2800 Besetzung mit Mitgliedern des LG oder Richtern beim Amtsgericht 2800 Bestimmung der Zahl der Mitglieder 2800 Richter beim Amtsgericht, Übertragung eines weiteren Richteramts 2800 Auswahl der Mitglieder durch das Präsidium 2800 Vertretung 2800 f. Bestellung des Vorsitzenden 2801

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Auswärtige Strafkammer (Fortsetzung) Urkundsbeamter 2801 StA 2870 f. Versetzung 3098 f. Auswahl bei Gerichtsstand des Zusammenhangs 248 bei Gerichtsstand des Auftrags 257 der Sachverständigen 490 ff. der Schriftsachverständigen 551 f. der Pflichtverteidiger 912, 914 ff. der Dolmetscher 2980 Auswechseln des Pflichtverteidigers 917 f. Ausweis Untersuchungshaft bei mangelndem — über die Person 682 Zutritt zum Sitzungssaal nach Prüfung des - 2934 Ausweisung Absehen von der Verfolgung 976 Absehen von der Vollstreckung 2387f. Begriff 2387 Auszüge aus Akten für den Verteidiger 932 Verlesung von — aus Kirchenbüchern und Personenstandsregistern 1335 f. aus Urteil im Anhangsverfahren 2078 s. auch Abschriften

Baden Nachkriegsrecht 20 Baden-Württemberg Presse, Zeugnisverweigerungsrecht 429 Sühneverfahren 1993 Strafverfügung 2192 Unterbringung gemeingefährlicher Geisteskranker 2209 Zuständigkeitkonzentration in Wirtschaftsstrafsachen 2794 Hilfsbeamte der StA 2898 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG, Vorschaltverfahren 3039 Richtergesetz 3058 Justizausbüdung 3065 Richterwahlausschuß 3075 Richteranklage 3101

Bay

VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 3142 Bagatelldelikte Opportunitätsprinzip 139 f. Beeidigung 459 Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr 681 ff. Aufhebung des Haftbefehls 767 Legalitätsprinzip 984 Abwesenheitsverfahren 15 72 f. Ausschluß der Berufung 1674 ff. Vertretung des Angeklagten in der Berufungsverhandlung 1743 f. Ersatzrevision 1782 Strafverfügung 2189 ff.; s. Näheres unter diesem Wort Bagatellurteile Ausschluß der Berufung bei amtsrichterlichen - 1674 ff. Ordnungswidrigkeiten 1678 Freispruch oder ausschließlich Geldstrafe 1678 f. irrige Rechtsmittelbezeichnung 1679 f. Bahnpolizeibeamte Befugnis zur vorläufigen Festnahme 826 Entgegennahme von Anzeigen 987 f. selbständige Erforschung strafbarer Handlungen und sog. erster Angriff 1005 Strafverfügung, Antragsrecht 2193 Bankgeheimnis bei Auskunftsverlangen der StA 998 Bankrott Verbrauch der Strafklage 113 f. Bankwesen Gesetze über das —, Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer 2793 f. Bartabnahme Zulässigkeit 524 Barttracht Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2965 Bauchhöhle Öffnung 549 Bayerisches Oberstes Landesgericht Revisionsgericht 1781, 1783 Zuständigkeit für Staatsschutzstrafsachen 2826 Weisungsbefugnis des Generalstaatsanwalts beim - 2889 Zuweisung von Strafsachen 3010 f. Bayern Nachkriegsrecht 18 f. 3225

Bay

Sachregister

Bayern (Fortsetzung) Bayerisches Oberstes Landesgericht, Wiedererrichtung 19 Vernehmungsort 407 f. Presse, Zeugnisverweigerungsrecht 429 Sühneverfahren 1993 Strafverfügungen 2192 Unterbringung gemeingefährlicher Geisteskranker 2209 Gnadenordnung 2380 Ausführungsgesetz zum GVG 2593 Vorbereitung dör Sitzungen der Schöffengerichte, Strafkammern, Schwurgerichte, Jugendschöffengerichte 2744 Gerichtsorganisationsgesetz 2778 Zuständigkeitskonzentration für Wirtschaftsstrafsachen 2794 Staatsschutzstrafsachen, Zuständigkeit 2826 Hilfsbeamte der StA 2898 Richtergesetz 3058 Justizausbildung 3065 VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 3142 Beamte Strafprozeß und Disziplinarverfahren 61 f. im Ausland, Gerichtsstand 240 Schweigepflicht, Aussagegenehmigung 434 ff. als Sachverständige 503 Vorlegung von Akten, Sperrerklärung 570 Anordnung der Beschlagnahme 587f., 592 Durchsicht von Papieren 631 ff. vorläufige Maßnahmen des Vollzuges der Untersuchungshaft 759 vorläufige Festnahme durch — 823 f. Steckbrief bei Entweichung 837 f. Anzeigepflicht 992, 1005 Festnahmebefugnis bei Amtshandlungen an Ort und Stelle 1010 f. Amtsverlust, Begnadigung 2618 Schöffen 2734 Nichtberufung zum Schöffenamt 2741 f. der StA, Stellung 2890 f. Hilfsbeamte der StA 2894 ff. Vorentscheidung vor Verfolgung der — wegen Amtspflichtverletzung 3012 f. Anordnungen eines —, Antrag nach §§23 ff. EGGVG 3016 ff. Geltung bestimmter Vorschriften des Deutschen Richtergesetzes für — 3059 3226

Ernennung von — zu Richtern kraft Auftrags 3073 f. Beamtenrechtsrahmengesetz Amtsverlust und Begnadigung 2619 f. Amtspflichtverletzung 3013 Abordnung 3108 Geltung für Richter im Bundesdienst, Deutsches Richtergesetz 3125 Geltung für Richter im Landesdienst 3135 fr. Beanstandungen des Briefinhalts während der Untersuchungshaft 749 ff. der Sachleitung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung, Entscheidung durch das Gericht 1226 ff. Dienstaufsicht 2605 Beauftragter oder ersuchter Richter Verwerfung der Ablehnung als unzulässig 313 sonstige Entscheidung über Ablehnung des-319 Beeidigung 464 f. Maßregeln gegen ungehorsame Zeugen 480 Vernehmung durch — vor Haftentscheidungen 812 Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen durch einen — 1165ff.; s. Näheres unter Vernehmung Augenschein durch einen — 1175 f. Vernehmung des Angeklagten nach Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung 1210 f. Verpflichtung zur Verlesung des Protokolls 1317 f. Verlesung früherer Aussagen durch — zur Unterstützung des Gedächtnisses oder bei Widersprüchen 1373 Beweissicherung bei Abwesenheit 1589 f. Beschwerde gegen Verfügungen des — 1645, 1648 Abhilfe bei Beschwerde 1655 f. Beweisaufnahme nach Zulassung des Wiederaufnahmeantrags 1946 Vernehmung des Beschuldigten im Sicherungsverfahren 2216 nachträgliche Belehrung über Strafaussetzung zur Bewährung, Belehrung bei nachträglichen Anordnungen 2371 f. Rechtshilfe 2909 f., 2911

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Beauftragter oder ersuchter Richter (Forts.) Beweiserhebungen im Verfahren nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3165 f. Bedeutung der Aussage, Nichtbeeidigung 458 ff. körperliche Untersuchung zur Feststellung von Tatsachen, die für das Verfahren von — sind 523 Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von — sein können, Sicherstellung, Beschlagnahme 559 f. Postbeschlagnahme bei — für die Untersuchung 598 f. Belehrung über — der Strafaussetzung 1520 f. der Rechtsmittel 1598 f. von Verfahrenshindernissen für Sicherungsverfahren 2206 ff. der richterlichen Unabhängigkeit (sachliche, persönliche) 2599 f. gesetzlicher Richter, — des Entziehungsverbots 2639 f. Anklage beim Landgericht wegen besonderer - des Falles 2718 ff. Übernahme der Verfolgung in Staatsschutzsachen durch Generalbundesanwalt wegen besonderer — des Falles 2791,2824 Anrufung der Großen Senate des BGH in Rechtsfragen von grundsätzlicher — 2860 ff. Abgabe von Sachen ohne besondere — durch Generalbundesanwalt 2879 Bestellung von Hilfsbeamten der StA 2895 f. Bedienstete der Exterritorialen, Gerichtsbarkeit 2649 f. Bedingte Entlassung s. Aussetzung der Reststrafe Bedingung bei Prozeßhandlungen 78 Erteilung sicheren Geleits 1595 Einlegung von Rechtsmitteln 1602, 1617 Zurücknahme von Rechtsmitteln und Rechts mittel verzieht 1624 Einlegung der Revision 1781 Widerklage 2023 Zurücknahme der Privatklage 2035

Bee

Übernahme der Kosten bei Zurücknahme des Strafantrags 2536 Bedingungen der Strafbarkeit Stimmenmehrheit 1453 Bedrohung Privatklage 1964, 1992 ff. Bedürfnis Bestellung von Untersuchungsrichtern beim OLG nach - 1066 Beeidigung der Zeugen 444 ff. Pflicht z u r - 4 4 4 f. Umfang der —, Teil— 445 f. Einzel— 446 Form des Eides 446 Zuständigkeit und Begründung der Entscheidung über die — 446 Verstoß gegen die Bestimmungen und Revision 447 Ausnahmen vom Beeidigungszwang 447 ff. Entscheidung durch den Vorsitzenden, bei Beanstandung durch das Gericht 448 Nicht— bei Eidesunmündigkeit 449 Eidesunfähigkeit wegen ungenügender Vorstellungen vom Wesen des Eides 449 Tat und Teilnahme verdächtiger Personen 449 ff. Begünstiger 452 f. Hehler 453 Verdächtige oder bereits Verurteilte 453 f. Begründung der Nicht— wegen Tat- oder Teünahmeverdachts 454 Rechtsmittel 455 Absehen von — nach Ermessen 455 ff. bei Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren 456 bei Verletzten sowie Angehörigen des Verletzten oder Beschuldigten 456 ff. bei nicht wesentlicher Bedeutung der Aussage 458 bei Verurteilung wegen Meineides 458 f. bei Übertretungen und im Privatklageverfahren 459 ff. Eidesverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten, Belehrung 461 f. Protokollierung des Grundes der Nicht— 462 f. im vorbereitenden Verfahren und in der Voruntersuchung 463 f. 3227

Bee

Sachregister

Beeidigung (Fortsetzung) bei — außerhalb der Hauptverhandlung Protokollierung des Grundes 464 bei Vernehmung durch beauftragten oder ersuchten Richter 464 f. Eidesform, Eidesleistung 465 f. Eidesleistung durch Stumme 466 f. Eidesleistung durch Mitglieder bestimmter Religionsgesellschaften 467 f. Berufung auf früher geleisteten Eid 468 ff. Ermessensentscheidung des Vorsitzenden oder des Gerichts 469 Versicherung auf früheren Eid 469 f. irrtümliche Annahme der Voraussetzungen, Folgen 470 Verweigerung der Eidesleistung ohne gesetzlichen Grund 475 ff. Ordnungsstrafe, Kostenverurteilung 476 ff. Zwangs- oder Beugehaft 478 f. Identität der Tat und des Verfahrens, keine Wiederholung bei Erschöpfung der Maßregeln 479 f. Zuständigkeit für Verhängung von Ordnungsstrafen usw. 480 Anfechtung der Maßregeln 480 f. Zeugenentschädigung 481 f. der Sachverständigen 507 ff. Sachverständigen— nach Ermessen des Gerichts 507 Entscheidung über Sachverständigen— 507 f. Sachverständigen— auf Antrag Prozeßbeteiligter 508 Zeit und Form der Sachverständigen—, Berufung auf geleisteten Eid 508 Umfang des Sachverständigeneides 509 Revision 509 f. Vernehmung, aber keine — durch die StA 998 des Protokollführers in der Voruntersuchung 1067 von Zeugen im Zwischenverfahren 1097 von Zeugen oder Sachverständigen durch den beauftragten oder ersuchten Richter 1170 Zwangsentfernung des Angeklagten bei der - 1326 f. Feststellung und Nachholung der — bei Verlesung von Vernehmungsniederschriften 1362 freie Beweiswürdigung 1429 f. 3228

von Zeugen zur Beweissicherung bei Abwesenheit 1588 im Privatklageverfahren 2010 im selbständigen Einziehungsverfahren 2300 keine — durch Referendare 2612 der Schöffen 2764 ff. der der deutschen Sprache nicht mächtigen Personen 2983 des Dolmetschers 2983 f., 2984 der Berufsrichter 3085 f., 3110 der ehrenamtlichen Richter 3124 Beeinflussung von Zeugen oder Mitschuldigen, Untersuchungshaft 673 f. Beeinträchtigung der Willensentschließung und Willensbetätigung 857 ff., 1008 des Erinnerungsvermögens oder der Einsichtsfähigkeit 870 keine — des Verfahrensfortgangs durch Einziehungsbeteiligung 2243 f. Befähigung zum Richteramt 2594, 3062 ff., 3068 f., 3140 zum Schöffenamt 2735 ff. zum Staatsanwalt 2891 zum Amtsanwalt 2891 Rücknahme der Ernennung wegen Fehlen der — zum Richteramt 3079 Befangenheit eines Richters als Ablehnungsgrund 28, 271 ff., 293 ff.; s. Näheres unter Ablehnung der Gerichtspersonen eines Sachverständigen 493 ff. des Sachverständigen, Prüfung durch das Revisionsgericht 1807 Befehl Verwendung des Ausdrucks — in der StPO 336 Befehlstheorie Begnadigung 2618 f. Beförderungsmittel Beschlagnahme von — Beschuldigter, die im Geltungsbereich der StPO keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt haben 841 Befragung Hinweis auf Recht des Beschuldigten zur — eines Verteidigers 852 ff.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Befragung (Fortsetzung) des eingesperrten Angeklagten bei Bekanntmachung des Termins zur Hauptverhandlung 1143 f. des Angeklagten durch beauftragten oder ersuchten Richter über Aufrechterhaltung des Antrags auf Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen 1210 des Angeklagten, der Zeugen und Sachverständigen durch die Mitwirkenden und Beteiligten 1233 ff. des Angeklagten nach jeder Vernehmung und Verlesung 1387f. des Angeklagten nach eigenen Ausführungen zu seiner Verteidigung 1396 des Angeklagten, wenn Auflagen oder Weisungen in Betracht kommen 1482 ff. nach Einwilligung in Heilbehandlung, Entziehungskur, Heim- oder Anstaltsaufenthalt 1482 ff. Befreiung Zeugnispflicht (Weigerungsrecht) 414 ff. Eidesleistung von Mitgliedern bestimmter Religionsgesellschaften 467 f. des Mitangeklagten von der Anwesenheit in der Hauptverhandlung 1197 des Angeklagten vom Erscheinen in der Hauptverhandlung 1207 ff. des Privatklägers vom Sühneversuch 1998 der Mitangeklagten von der Mithaftung für Auslagen 2495 ff., 2499 des Antragstellers von den Kosten nach Klageerzwingungsverfahren 2554 von der deutschen Gerichtsbarkeit 2646ff.; s. Näheres unter Exterritorialität Befriedetes Besitztum Durchsuchung 617, 620, 622ff., 626 Begriff 617 f. vorläufige Festnahme 824 Befugnis zur unmittelbaren Ladung, Auftrag an den Gerichtsvollzieher 371 f. zur Veröffentlichung, Verschlechterungsverbot 1771 f. zum Wiederaufnahmeantrag nach dem Tode des Verurteilten 1934 zur Privatklage 1963 ff.; s. Näheres unter diesem Wort zur Nebenklage 2045ff.; s. Näheres unter diesem Wort

Beg

zur Veröffentlichung, Strafbefehl 2134 der Einziehungsbeteiligten 2247 ff. zur Urteilsbekanntmachung, Vollstreckung 2431 f. sitzungspolizeiliche — 2952 ff. Befundtatsachen Begriff, Vernehmung über — 1345 Begehungsort Gerichtsstand des — 231 Beginn Einwand der Unzuständigkeit bis zum — der Vernehmung zur Sache 260 f. Beginn der Ablehnungsbefugnis 300 Ablehnung bis zum — der Vernehmung zur Sache 300 f. der Frist bei Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte 370f. der Frist bei Zustellung an die StA 375 Frist—, Wochenende und Feiertage 380 Strafantragsfrist usw. 381 der Sechsmonatsfrist bei Untersuchungshaft 775 Hinweis auf Recht zum Schweigen und zur Befragung eines Verteidigers bei — der ersten Vernehmung des Beschuldigten 848 bei — der ersten Vernehmung des Beschuldigten Mitteilung des Vorwurfs 848 f. Entlassung zwei Wochen vor — der Hauptverhandlung, notwendige Verteidigung 901 f. Aussetzung wegen Nichteinhaltung der Ladungsfrist bis zum — der Vernehmung zur Sache 1145 der Hauptverhandlung 1244 Rechte, die nur bis zum — der Vernehmung des Angeklagten zur Sache gegeben sind 1255 Fahrverbot, Belehrung über — der Verbotsfrist 1523 f. Zurücknahme eines Rechtsmittels nach — der Hauptverhandlung 1630 ff. der BerufungsVerhandlung 1737 der Rechtsmittelfrist im Privatklageverfahren 2030 f. der Vernehmung des Angeklagten zur Sache im Privatklageverfahren, Zustimmung zur Rücknahme 2033 f. Zurücknahme der öffentlichen Klage und des Einspruchs im Strafbefehlsverfahren bis zum — der Hauptverhandlung 2176 ff. 3229

Beg

Sachregister

Beginn (Fortsetzung) der Vollstreckbarkeit mit Rechtskraft 2326 f. der Strafzeit 2334ff., 2359 Aussetzung der Reststrafe, Festsetzung des-2378 Aufschub des — der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe 23 79 ff. der Vollstreckung einer Gesamtstrafe 2414 Bestellung der richterlichen Mitglieder des Schwurgerichts vor — des Geschäftsjahres 2806 der Sitzung, Sitzungspolizei 2953 s. auch Geschäftsverteilung, Präsidium Beglaubigte Abschriften s. Abschriften Begnadigung s. Begnadigungsrecht, Gnade Begnadigungsrecht des Bundes und der Länder 2361 f. Formen der Begnadigung 2617 Anwendungsbereich der Gnade 2617 Einzelgnadenerweis 2617 f. Reichweite der Gnade 2618 ff. Befehls- und Verzichtstheorie 2618 f. Restitutionstheorie 2619 f. Gnadenzuständigkeit bei der Restitution im Beamten- und Disziplinarrecht 2620 gerichtliche Nachprüfung von Gnadenentscheidungen 2620 ff. Niederschlagung, Bedeutung 2622 f. Sachentscheidung und Verfahrensfortsetzung trotz Niederschlagung 2623 bundeszentralregisterliche Maßnahmen, keine Gnadenakte 2624 des Bundes 2624 f. Rechtsgrundlagen des — des Bundes 2624 Zuständigkeit zur Ausübung des — des Bundes 2624 Bundesamnestien 2624 f. Umfang des Bundes— 2625 der Länder 2625 ff. Umfang des — der Länder 2625 f. Ausübung des — bei Beteiligung mehrerer Länder 2626 Zuständigkeit zur Ausübung des — in den Ländern 2626 Inhalt des Landes— 2626 f. Wirkung der Niederschlagung durch ein Land, wenn die Gerichte mehrerer Länder zuständig sind 2627 f. 3230

Übertragung von Tätigkeiten auf die Gerichte 3009 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3023 s. auch Gnade Begriffe unbestimmte —, Revisibilität 1809 Rechtsprechung 2595 Rechtspflege 2595 Gerichtsverwaltung 2595 Justizverwaltung 2595 Gerichtsbarkeit 2596 Richter, Gericht 2596 richterliche Gewalt 2599 gesetzlicher Richter 2640 Willkür 2644 Abweichung, Vorlegungspflicht 2842 ff. Rechts- und Amtshilfe 2902 f. Verfolgung, Nacheile 2929 Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis 2940 f. Ungebühr 2963 f. Justizbehörde 3017 ff. Nebentätigkeit 3113 Begründetheit offensichtliche — der Revision 1876 f. einstimmige Annahme der — der Revision 1876 ff. Begründung s. Gründe Begünstiger Zusammenhang 215 Nichtbeeidigung 452 f. Durchsuchung 616 f. Begünstigung Zusammenhang von Strafsachen 215 Gerichtsstand 231 Nichtbeeidigung 452 Beschlagnahmefreiheit 578 durch Verteidigung 891 f. Begutachtung notwendige Verteidigung bei Unterbringung zur — 903 s. im übrigen unter Sachverständiger Behandelnder Arzt Leichenöffnung 547 f. Behandlung unrichtige — einer Sache (Nichterhebung von Kosten) 2485 Behaupten der nicht genügenden Vorbereitung auf die Verteidigung, Aussetzung 1479 Behörden Strafantrag, Ermächtigung 126

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111 = S. 2315-3183 Behörden (Fortsetzung) Wiedereinsetzung bei Verschulden von — 386 Zeuge nur der Beamte 404 Gutachten von —, Besorgnis der Befangenheit 496 Gutachten bei Münzdelikten 550 Vorlegung von Akten, Sperrerklärung 570 Durchsuchung 620 Briefe Untersuchungsgefangener an — 749 f. Entgegennahme von Strafanträgen 990 Übersendung einer beglaubigten Abschrift des Strafantrags 990 Anzeigepflicht 992 Auskunftspflicht gegenüber der StA 998 Benachrichtigung von kommissarischer Vernehmung 1172 Verlesung der Erklärungen von — 1379 ff. Strafverlangen und Ermächtigungen, Prüfung durch das Revisionsgericht 1799 Auslagen von — außerhalb der Justiz 2465 Amtshüfe 2902 ff. Aktenmitteilung 2930 f. Ordnungsstrafen wegen Ungebühr gegen Vertreter am Verfahren beteiligter — 2962 Anordnung eines —angehörigen als Anordnung der — 3019 interne Vorgänge keine Justizverwaltungsakte 3025 f. für die Ernennung von Richtern zuständige - 3075 f., 3077 Ersuchen ostdeutscher — um Rechts- und Amtshilfe 3151 f. s. auch Fachbehörden, Polizeibehörden Beiakten Einsicht durch Verteidiger 931 Beifall Kundgebungen des —, Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2966 Beihilfe Gerichtsstand 231 Bezeichnung in der Anklageschrift 1087 f. Beiordnung eines Rechtsanwalts bei notwendiger Verteidigung 897 ff. Anfechtung 912

Bei

eines Rechtsanwalts zur Unterzeichnung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung 1042 Einziehungsbeteiligter, — eines Vertreters 2258 f. im Verfahren nach dem Gesetz über innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3166 Beisein des Richters bei Leichenöffnung 547 f. Durchsuchung ohne — des Richters oder Staatsanwalts 623 ff., 626 s. a ch Anwesenheit Beiseiteschaffen von Beweismitteln, Untersuchungshaft 673 Beisitzer Fragerecht 1233 ff. keine Zurückweisung unzulässiger Fragen durch den Vorsitzenden 1237 Unterzeichnung des Verhandlungsprotokolls 1535 Vermerk über die Verhinderung eines Richters zur Unterzeichnung des Urteils 1561 f. Vorsitzende Richter als — 2691 Bestellung der richterlichen — des Schwurgerichts und ihrer Vertreter 2808 f., 2818 ehrenamtliche Richter 3123 Dienstgericht 3139, 3140 s. auch Mitglieder, Richter am Landgericht Beistände im Sinne des J G G als Zeugen 404,443 Benachrichtigung vom Termin der mündlichen Verhandlung über den Haftbefehl 733 Anwesenheit bei der Vernehmung des Beschuldigten 856 Stellung des Verteidigers als - 875 f., 882 Ehegatte und gesetzlicher Vertreter als — 941 ff. ausgeschlossener — 942 Anwesenheit in der Voruntersuchung 1075 Mitteilung der Hauptverhandlung 1151 Fragerecht 1234 als Zeuge 1246 Abwesenheit in der Hauptverhandlung, unbedingter Revisionsgrund 1835 des Privatklägers 1982 f. 3231

Bei

Sachregister

Beistände (Fortsetzung) des Angeklagten im Privatklageverfahren 2018 f. des Nebenklägers 2056 Beitreibung von Vermögensstrafen und Kosten 2317 einer Geldstrafe, nachträgliche Umwandlung in eine Freiheitsstrafe 2404 f. von Vermögensstrafen 2425 ff. von Verfahrenskosten 2438 Beitritt zur Privatklage 1972, 1999 zur Widerklage 2024 Bekanntgabe s. Bekanntmachung Bekanntmachung der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters 306 der Entscheidung über Ablehnung 313, 321 der gerichtlichen Entscheidungen 351 ff. Betroffener 351 Verkündung bei Anwesenheit 351 f. Erteilung einer Abschrift 352 f. Zustellung bei anderen Entscheidungen 353 formlose Mitteilung 354 Vorlesung bei dem nicht auf freiem Fuß Befindlichen 3 54 f. gleichzeitige Belehrung des Betroffenen über befristete Rechtsmittel 355 ff. Belehrungsmängel 358 f. Übergabe zustellungs- und vollstreckungsbedürftiger Entscheidungen an die StA 359 ff. innerdienstliche Entscheidungen 361 f. unmittelbare Veranlassung der Zustellungen und der Vollstreckung durch Untersuchungsrichter und Vorsitzenden 362 entsprechende Geltung der Vorschriften der ZPO für das Verfahren bei Zustellungen 362 ff.; s. Näheres unter Zustellung Zustellung der Ladung ladungsbefugter Verfahrensbeteiligter durch Auftrag an den Gerichtsvollzieher 371 f. öffentliche Zustellung 3 72 ff. Zustellung an die StA 374 f. der Anordnung der Unterbringung und Beobachtung in einer Heil- oder Pflegeanstalt 518 3232

der Anordnung der Beschlagnahme 589 der Postbeschlagnahmeanordnung 602 f. der Notveräußerungsanordnung 615 der Durchsuchung 628 des Haftbefehls 693 der Entscheidung der Haftprüfung 723 f. der Entscheidung nach mündlicher Verhandlung über den Haftbefehl 736 des Unterbringungsbefehls 815 der Entscheidung über Verteidigerbestellung 910 der StA zur Erforschung des Sachverhalts oder des Täters 999 des Bescheides an Antragsteller bei Einstellung 1031 der Eröffnung der Voruntersuchung 1074 der Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens 1103 des Termins zur Hauptverhandlung an den eingesperrten Angeklagten 1143 der Verfügung über Beweisantrag des Angeklagten vor der Hauptverhandlung 1155 des Angeklagten mit der Befugnis, Aussetzung der Hauptverhandlung wegen Nichteinhaltung der Ladungsfrist zu verlangen 1187 der Zeit für die Fortsetzung der alten oder den Beginn einer neuen Hauptverhandlung 1189 f. des Urteils bei Sichentfernen des Angeklagten aus der Hauptverhandlung 1200 keine Hauptverhandlung ohne den Angeklagten bei Ladung durch öffentliche — 1203 der Ablehnung eines Beweisantrages 1279 ff. des Urteils 1411 des Verkündungstermins 1510 des Verweisungsbeschlusses 1530 der Ladung im Abwesenheitsverfahren 1575 der Vermögensbeschlagnahme 1591 f. Beginn der Frist für sofortige Beschwerde mit — der Entscheidung 1669 Urteils—, Verschlechterungsverbot 1771 f. öffentliche — der Aufhebung des Urteils im Wiederaufnahmeverfahren 1954 der Beteiligungsanordnung im Einziehungsverfahren 2230

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Bekanntmachung (Fortsetzung) Einziehungsbeteiligter, — des Hauptverhandlungstermins 2260 ff. der Vermögensbeschlagnahme 2303 des Urteils, Vollstreckung 2431 f. Wahl des Präsidiums, — des Wahlergebnisses 2659 der Auslegung der Vorschlagsliste für Schöffen 2746 des Justizverwaltungsakts 3043 der Verfügung des Generalstaatsanwalts nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3163, 3177 Bekanntsein von Mitteilungen oder Tatsachen, Zeugnisverweigerungsrecht 427 Belehrung über Aussageverweigerungsrecht, Verwertbarkeit von Aussagen bei Verletzung dieser Pflicht 171 f. richterliche Vernehmung nach —, nachträgliche Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts 177 der Beteiligten über Recht auf nachträgliches Gehör 345 über befristete Rechtsmittel 357 über Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen 419 ff. über Zeugnisverweigerungsrecht der Vertrauenspersonen 424 ff. über Zeugnisverweigerungsrecht der Regierungsorgane 437 über Auskunftsverweigerungsrecht der Zeugen 43 9 f. über Wahrheits- und Eidespflicht 441 f. über Eidesverweigerungsrecht der Angehörigen 461 über Versicherung auf den früheren Eid 470 des Sachverständigen über Bedeutung des Eides 508 des Nichtbeschuldigten über Recht zur Verweigerung der Untersuchung 533, 535 über Beschlagnahmefreiheit 581 f. über Beschwerde gegen Haftbefehl, Haftprüfung usw. 703 f. des Verhafteten bei Vorführung zum nächsten Amtsrichter 706 des Beschuldigten vor Vernehmung 845 ff., 1010

Bei

bei Vernehmung durch StA und Polizei 1008ff. über Recht aufSchlußgehör 1022 des verletzten Antragstellers über Klageerzwingungsverfahren 1031, 1035 des Angeklagten, wegen Nichteinhaltung der Ladungsfrist Aussetzung der Hauptverhandlung zu verlangen 1187 des Angeklagten bei Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung 1210 über Anspruch auf Wiedereinsetzung bei Hauptverhandlung ohne den Angeklagten 1217 des Angeklagten, sich zur Anklage zu äußern oder zu schweigen 1250 über Bestellung eines Pflichtverteidigers bei Hinweis auf Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes 1476 über Recht zum Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung bei Nachtragsanklage 1484 über die Bedeutung der Strafaussetzung 1520 f. Fahrverbotsfrist, — 1523 f. über Wiederaufnahme des Abwesenheitsverfahrens 1581 über Einspruch gegen Strafbefehl 2158 über Säumnisfolgen im Strafbefehlsverfahren 2184 des Einziehungsinteressenten 2247 nachträgliche — über Strafaussetzung zur Bewährung 2371 f. bei nachträglichen Entscheidungen bei Strafaussetzung zur Bewährung 2371 f. über Bedeutung der Aussetzung der Reststrafe 2378 über Beschwerdemöglichkeit bei Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2969 über Rechtsbehelf bei Justizverwaltungsakten, Frist für Antrag nach § 23 ff. EGGVG 3044 über Rechtsbehelf gegen Verfügung des Generalstaatsanwalts nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3163, 3181 s. auch Hinweis Beleidigung Rufwiederherstellung 5 8 f. durch Druckschriften, Gerichtsstand 233

3233

Bei

Sachregister

Beleidigung (Fortsetzung) Ausschließung von der Ausübung des Richteramts 277 in Briefen Untersuchungsgefangener 751 f. Verletzter 1038 Privatklage 1963 f., 1992ff.,2022 Fortsetzung des Verfahrens nach Tod des Privatklägers 2041 f. Kostenpflicht bei Straffreierklärung 2527 f. Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2964, 2966 Belohnungen Kosten der Vorbereitung der öffentlichen Klage, - Dritter 2465 f. Bemängelung Dienstaufsicht 2605 Benachrichtigung der Beteiligten von der Postbeschlagnahme usw. 611 der konsularischen Vertretung von der Verhaftung 688 der Angehörigen oder Vertrauenspersonen von der Verhaftung 694 ff. Beschwerde gegen Versagung der — bei Verhaftung 698 f. vom Termin zur mündlichen Verhandlung über den Haftbefehl 733 der Antragsberechtigten vom Haftbefehl bei Antrags- und Ermächtigungsdelikten 834 f. des Verteidigers 882 des Anzeigeerstatters von Fristsetzung zur Austragung von Vorfragen 979 des Beschuldigten von der Einstellung 1030 der Prozeßbeteiligten von Beweisterminen in der Voruntersuchung 1076 des Angeschuldigten vom Schluß der Voruntersuchung 1080 der Beteiligten von Ort und Zeit der Vernehmung durch den beauftragten oder ersuchten Richter 1171 ff., 1211 Verlesung von Vernehmungsniederschriften bei Mängeln der — 1355 f. des Abwesenden von Beweissicherung 1589 der Verfahrensbeteiligten über den Umfang der Beweisaufnahme in der Berufungsverhandlung 1718 f. der Beteiligten von der Revisions-Hauptverhandlung 1878 f. 3234

des Verletzten oder Erben vom Strafverfahren 2069 des Antragstellers im Anhangsverfahren von der Hauptverhandlung 2074 der Beteiligten von der Vernehmung des Beschuldigten im Sicherungsverfahren 2216 Wahl des Präsidiums, — der gewählten Richter 2659 der Schöffen von ihrer Auslosung und den Sitzungstagen 2757 f., 2797, 2812 Benehmen Zwangsentfernung des Angeklagten wegen ordnungswidrigen — 1328 Benennung Ablehnung oder Nichtbescheidung des Antrags auf — der mitwirkenden Richter, Revision 1789 Beobachtung in einer Heil- oder Pflegeanstalt 514 ff. aller wesentlichen Förmlichkeiten, Protokoll 1544 ff. ausschließliche Beweiskraft des Protokolls für — der vorgeschriebenen Förmlichkeiten 1553 ff. Bequemlichkeiten während der Untersuchungshaft 753 ff. Beratung und Abstimmung am Tatort 1183 Schlußvorträge und — 1397 f. Urteilsverkündung nach — 1400 f. Zweidrittelmehrheit bei Schuld- und Straffrage, einfache Stimmenmehrheit bei Strafaussetzung zur Bewährung 1450 ff. Übereinstimmung der Urteilsgründe mit dem Ergebnis der — 1495 Revisionsgericht 1882 beim erweiterten Schöffengericht 2732 beim Schöffengericht 2733 Mitwirkung der Richter bei Entscheidungen nur in der gesetzlich bestimmten Anzahl 2986 Zuziehung von Ergänzungsrichtern 2986 ff.; s. Näheres unter diesem Wort Teilnahme an der Verhandlung 2988 Eintritt der Ergänzungsperson bei Verhinderung 2988 f. beim Kollegialgericht; Einzelrichter 2990 ff. Beratung und Beratungszimmer 2990 f. Vorberatung 2991

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. III = S. 2315-3183 Beratung und Abstimmung (Fortsetzung) Gestattung der Anwesenheit der zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigten Personen durch den Vorsitzenden 2991 f. Anwesenheit von Studenten 2992 f. Verstoß, Revision 2993 f. keine Beweisaufnahme im Beratungszimmer 2994 Verpflichtung zum Stillschweigen über den Hergang bei — 2994 Leitung der — durch den Vorsitzenden 2994ff. Art der Abstimmung (Abstimmung nach Gründen oder nach dem Endergebnis?) 2994 f. ungeteilte Abstimmung über die Schuldfrage 2996 fT. Strafaufhebungsgründe 2998 Umstände, die die Strafbarkeit erhöhen oder vermindern 2998 Änderung der Stimmabgabe 2998 f. Umlaufverfahren 2999 Verpflichtung des vorher Überstimmten zur Abstimmung 2999 ff. Sondervotum 3001 absolute Stimmenmehrheit 3001 mehrere Meinungen (in Beziehung auf Summen, abgesehen von der Schuldfrage, Straffrage) 3001 f. Stimmengleichheit beim erweiterten Schöffengericht 3002 Reihenfolge der Abstimmung 3002 Beratungsgeheimnis, § 43 DRiG 3114ff.; s. Näheres unter Beratungsgeheimnis Beratungsergebnis Urteilsgründe 1495 Beratungsgeheimnis Laienrichter 434, 3124 Fehler bei der Abstimmung 1454 Geheimhaltungspflichtige 3115 Berufs- und ehrenamtliche Richter 3115 Referendare 3115 Wesen und Zweck 3115 f. Sondervotum des überstimmten Richters 3116 ff. Forderung nach Zulässigkeit der Bekanntgabe der dissenting opinion 3116 f. Zulassung des Sondervotums beim BVerfG 3117 f. Zulässigkeit literarischer Erörterung durch überstimmten Richter 3119

Ber

nicht zur Kenntnisnahme Dritter bestimmtes Sondervotum 3119 Ausnahmen vom — 3119 ff. Offenlegung von Meinungsverschiedenheiten über die Art der Abstimmung und Gesetzesverstöße in den Urteilsgründen 3120 Offenbarung von Beratungsvorgängen außerhalb der Urteilsgründe 3120 ff. zur Verantwortung gezogener Richter 3120f. Verdacht gesetzwidrigen Verfahrens bei der Abstimmung 3121 Richter als Zeuge über Beratungsvorgänge 3121 f. Folgen der Verletzung des — 3122 Beratungszimmer keine Anwesenheit der Ergänzungspersonen 2988 Zurückziehung in das — zur Beratung und Abstimmung 2990f.; s. Näheres unter diesem Wort Berechnung von Fristen bei mehrfacher Zustellung 3 70 f. einer nach Tagen bestimmten Frist 379 f. einer nach Wochen und Monaten bestimmten Frist 3 80 f. der Ladungsfrist 1145 der Strafzeit 2358 ff.; s. Näheres unter diesem Wort Zweifel über — der erkannten Strafe, Entscheidung des Vollstreckungsgerichts 2400 ff. Bereiterklärung des Sachverständigen 501 Verfahrenseinstellung wegen Zurücknahme des Strafantrags, — zur Kostenübernahme 2536 Bereitschaftsdienst Geschäftsverteilung 2687 Berichterstatter Vorbereitung der Hauptverhandlung 1135 f. Vortrag in der Berufungsverhandlung 1721, 1723 f. Vortrag in der Revisions-Hauptverhandlung 1881 Überstimmung des — 3001 Reihenfolge der Stimmabgabe 3002 Berichtigung des Eröffnungsbeschlusses 1115 3235

Ber

Sachregister

Berichtigung (Fortsetzung) des Urteils 1513 ff. des Verhandlungsprotokolls 1538 ff., 1556 f. der Urteilsformel durch das Revisionsgericht 1893 Schuldspruch— durch das Revisionsgericht 1893 f. des Straf- und Maßregelausspruchs durch das Revisionsgericht 1894 f. Wahl des Präsidiums, — des Wahlergebnisses 2659 der Vorschlagsliste für Schöffen 2748, 2751 Berlin Landespresserecht, Redaktionsgeheimnis 429 Abwesenheitsverfahren, beide Teile — als Inland 1568 Sühneverfahren 1993 Strafverfügungen 2192 Unterbringung gemeingefährlicher Geisteskranker 2209 Geltungsraum der StPO 2585 Begnadigung 2626 Bezeichnung des Oberlandesgerichts zu — (Kammergericht) 2628 Staatsschutzsachen 2791 Hilfsbeamte der StA 2898 Tätigkeit von Polizeibeamten anderer Länder 2929 Richtergesetz 3058 Justizausbildung 3065 Richterwahlausschuß 3075 Berlin-Klausel Übernahme von Bundesgesetzen, Text der - 2585 Berufsausübung Untersagung der —, notwendige Verteidigung 901 Urteilsspruch 1411 f. Beschränkung der Berufung 1707 f. Aufschub der Untersagung der — 2392 ff. Aufschub der Untersagung durch Gerichtsbeschluß 2393 f. Aussetzung der Untersagung durch die Vollstreckungsbehörde 2394, 2400 Aufschub für alle Fälle der gerichtlichen Untersagung? 2395 Berufsgeheimnis Wahrung 179 Zeugnisverweigerungsrecht 424 3236

Berufsgerichtsverfahren keine Strafsache 2586 Berufskonsuln Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit 2650 s. auch Konsuln Berufsrichter vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung, unbedingter Revisionsgrund 1826 Deutsches Richtergesetz 3059 Amtsbezeichnungen 3081 ff. Beratungsgeheimnis 3115 Regelung der Rechtsstellung 3122 s. auch Richter Berufsverbot Beschränkung der Berufung 1707 f. s. auch Berufsausübung Berufung des Zeugen auf einen früher geleisteten Eid 468 ff. des Sachverständigen auf den Eid (allgemeine Vereidigung) 508 f. N i c h t - von Schöffen 2735 ff., 2739 ff., 2766 f. des Dolmetschers auf den früher geleisteten Eid 2984 auf den allgemein geleisteten Eid 2984 in das Richterverhältnis 3069 ff; s. Näheres unter Deutsches Richtergesetz Berufung (Rechtsmittel) bei Unterlassung der Ladung des Verteidigers 1150 als Rechtsmittel im engeren Sinn 1603 f. Zulässigkeit der — gegen Urteile des Amtsrichters und des Schöffengerichts 1673 f. bei Ordnungswidrigkeiten 1673, 1678 Ausschluß der — bei amtsrichterlichen Bagatellurteilen 1674 ff. Urteile, die ausschließlich Übertretungen zum Gegenstand haben 1674 f. Bagatellurteil, Freispruch, ausschließlich Geldstrafe 1678 ff. irrige Rechtsmittelbezeichnung 1679 f. Einlegung zu Protokoll oder schriftlich 1680 ff. fernmündliche Einlegung 1683 f. telegrafische Einlegung 1684 Einlegung durch Fernschreiben 1685 Einlegung bei dem Gericht des ersten Rechtszuges 1685

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Berufung (Rechtsmittel) (Fortsetzung) Frist 1685 f. Zusammentreffen von — und Wiedereinsetzungsgesuch 1686 f. Hemmung der Rechtskraft 1688 Zustellung des Urteils mit Gründen 1688 f. Begründung, Frist und Form 1689 f. Beschränkung auf bestimmte Beschwerdepunkte 1691 ff.; s. Näheres unter Beschwerdepunkte Wesen der Beschränkung, Teilverzicht, Teilrücknahme 1692 f. Form der Beschränkung 1693 Auslegung der —erklärung 1693 ff. bestimmte Beschwerdepunkte 1695 f. Teilrechtskraft 1696 ff. Unwirksamkeit der —beschränkung in besonderen Fällen 1698 ff. Schuldfrage 1701 f. Tateinheit, Tatmehrheit 1702 f. Beschränkung auf Strafausspruch 1703 ff. Anrechnung der Untersuchungshaft 1706 Strafaussetzung zur Bewährung 1706 f. Maßregeln der Sicherung und Besserung 1707 f. Entziehung der Fahrerlaubnis 1708 Entschädigung, Buße 1709 mehrere Angeklagte 1709 Beachtlichkeit der Verfahrensvoraussetzungen 1709 f. Beschränkung auf die Nachprüfung der Verfahrens Voraussetzungen 1710 Verwerfung wegen Verspätung 1710 ff. Antrag auf Entscheidung des —gerichts bei Verwerfung (Verfahren, kein weiteres Rechtsmittel, keine Vollstreckungshemmung) 1711 ff. Untersuchungshaft, Anrechnung bei verspäteter — 1713 Wiedereinsetzung bei Verwerfung der — als verspätet 1713 Vorlage der Akten an die StA 1714 Ubersendung der Akten an die StA beim -gericht 1714 f. Verwerfung als unzulässig durch Beschluß des —gerichts 1715 ff. sofortige Beschwerde gegen Verwerfung 1717 Vorbereitung der Hauptverhandlung 1717 ff. Ladung 1719

Ber

Hauptverhandlung (Vortrag des Berichterstatters, Verlesung des Urteils, Vernehmung des Angeklagten, Beweisaufnahme) 1720 ff. Verlesung von Schriftstücken und Protokollen über Aussagen von erstinstanzlichen Zeugen und Sachverständigen 1723 ff. Schlußvorträge, letztes Wort 1727 Gegenstand des —Verfahrens 1728 Teilanfechtung 1728 f. Entscheidung des —gerichts 1730 ff. Sachurteil 1730 f. Zurückverweisung wegen Verfahrensverletzung 1731 ff. Verweisung wegen Unzuständigkeit 1734 ff. Ausbleiben des Angeklagten in der —Verhandlung 173 6 ff. Ausbleiben beim Beginn der —Verhandlung 1737ff. ordnungsmäßige Ladung 1739 f. Vorführung des verhafteten Angeklagten 1740 genügend entschuldigtes Ausbleiben 1740 ff. zulässige Vertretung 1743 ff. des Angeklagten, sofortige Verwerfung bei Ausbleiben 1746 ff. der StA, Verhandlung, Vorführung oder Verhaftung bei Ausbleiben des Angeklagten 1749 f. des Angeklagten und der StA 1750 Ausbleiben, Revision 1750 ff. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Ausbleiben 1752 ff. des gesetzlichen Vertreters, Ladung des Angeklagten, Vorführung 1754 Verschlechterungsverbot 1755 ff; s. Näheres unter diesem Wort Verfahren 1773 f. Geltung der Vorschriften über die Hauptverhandlung erster Instanz 1773 f. Ersatzrevision 1782 Sprungrevision 1783 ff. Aufhebung eines —Urteils und Zurückverweisung 1899 im Privatklageverfahren 2030 Verwerfung der — des Privatklägers wegen seines Ausbleibens 2038 f.

3237

Ber

Sachregister

Berufung (Rechtsmittel) (Fortsetzung) bei — des Angeklagten unterstellte Rücknahme der Privatklage wegen Ausbleibens des Privatklägers 2038 f. Verwerfung der — wegen Ausbleibens des Nebenklägers 2057, 2061 des Nebenklägers 2062, 2063 f. gegen Verwerfung des Einspruchs gegen Strafbefehl 2188 im Einziehungsverfahren 2268 ff. Anrechnung der Untersuchungshaft bei Änderung des Urteils 2340 gegen Urteil bei sofortiger Beschwerde • gegen Kosten- und Auslagenentscheidung 2462 Rechtsmittelkosten 2562ff.; s. Näheres unter Kosten Beschränkung der — auf das Strafmaß, Kosten 2569 Revisionszuständigkeit des OLG bei nicht mit der — anfechtbaren Urteilen 2830 s. auch Berufungsgericht Berufungsgericht, Berufungsinstanz Verbindung und Trennung 217 f. Form der Unzuständigkeitserklärung 222 f. örtliche Zuständigkeit 226,246, 268 f. Ausschluß im Wiederaufnahmeverfahren 287 Zeitpunkt der Ablehnung 300 erkennender Richter, Ablehnung 324, 326 Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes 1458 f. Nachtragsanklage 1486 Entscheidung über Bewährungsanordnungen 1521 f. Beschwerde im Berufungsverfahren 1639 Beschwerde gegen Auflagenbeschluß 1652 f. Zuständigkeit 1674 Antrag auf Entscheidung des — bei Verwerfung der Berufung als verspätet 1711 f. Übersendung der Akten an StA bei dem - 1714 f. Verwerfung der Berufung als unzulässig 1715 ff. Entscheidung 1729 ff. Einstellung 1730 Sachurteil 1730 f.

3238

Zurückverweisung wegen Verfahrensverletzung 1731 ff. Verweisung wegen Unzuständigkeit 1734 ff. Zuständigkeit für das Wiederaufnahmeverfahren 1942 f. Einstellung wegen Geringfügigkeit im Privatklageverfahren 2007, 2031 f. Einstellung wegen Geringfügigkeit 2031 f. Ausbleiben des Privatklägers 2038 f. Ausbleiben des Nebenklägers 2057 f. Anhangsverfahren 2071 f. Zuständigkeit für Entscheidung über sofortige Beschwerde gegen Kosten- und Auslagenentscheidung 2462 Strafgewalt der Strafkammer 2720 Zuständigkeit des OLG für Beschwerde 2832 s. auch Berufung, Rechtsmittel Berufungsschrift Zustellung im Privatklageverfahren 2031 s. im übrigen unter Berufung Beruhen des Urteils auf Gesetzesverletzung, Revisionsgrund 1793f., 1818f., 1825ff.; s. Näheres unter Revision Beruhigungszelle Unterbringung in einer —, Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3025 Besatzungsgerichte Besatzungsgerichtsbarkeit 18 ff., 22 f., 97 Absehen von der Verfolgung 963, 969f. Anzeigen 988 Besatzungsrecht Rechtsnormen, Revision 1794 Beschädigter Frage nach Beziehungen des Zeugen zum — 470f. Beschäftigungen während der Untersuchungshaft 754 f. Bescheidung des Anzeigenden bei Absehen von der Verfolgung leichter Vergehen 955 von Anträgen des Beschuldigten auf Beweiserhebungen 1008 des Beschuldigten über die Einstellung 1029 f. des Antragstellers über die Einstellung des Verfahrens 1031

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Bescheidung (Fortsetzung) der Anträge Verfahrensbeteiligter auf nachträgliche Bewährungsanordnungen 2371 von Anträgen Dritter bei der Vollstrekkung von Maßregeln 2434 Verpflichtung zur N e u - (§ 28 EGGVG) 3048 f. Bescheinigung über Erfolglosigkeit der Durchsuchung 629 des Sühneversuchs 1995 f. der Vollstreckbarkeit eines Urteils 2343 ff. Beschlagnahme Gründe für das —verbot 180 Wegfall des rechtlichen Gehörs 344 f. Entstehungsgeschichte 552f. Durchsuchung, — und Überwachung des Fernmeldeverkehrs 552 ff. Inhalt 553 Geltung 553 vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis 553 f., 638 ff.; s. Näheres unter vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis Reform 554 bei der Presse 554 ff. Beweisverbote 556f. Gegenstände der Sicherstellung 558 Sicherstellung von Beweismitteln (Untersuchung, Bedeutung, Sachen) 559f. Sicherstellung von Einziehungsgegenständen (Voraussetzungen, Einziehungsgegenstände, Presse—) 560ff. Sicherstellung (Begriff, Verwahrung, geschäftsmäßige Behandlung, Legalitätsprinzip usw.) 5 62 ff. Auskunft statt — 565 Zwangsmittel 565 ff. zeugnisverweigerungsberechtigte Personen, Zwangsmittel 566 f. Privatkläger 568 Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden 568 ff. Sperrerklärung der obersten Dienstbehörde, Folgen, Anfechtbarkeit 5 70 f. gesperrte Schriftstücke, kein Beweisverwertungsverbot 571 f. Gegenstände, die nicht der — unterliegen 5 72 ff.

Bes

schriftliche Mitteilungen, Aufzeichnungen, sonstige — freie Gegenstände 573 f. Beschränkung der — bei Gewahrsam zeugnisverweigerungsberechtigter Personen 5 74 ff. Voraussetzungen und Hindernisse der —freiheit 576 ff. Gewahrsam von Abgeordneten 577 Gewahrsam von Ärzten usw., Krankenanstalt 577 bei Presseangehörigen 577 Gewahrsamsaufgabe und Gewahrsamsverlust 578 Mitbeschuldigte 578 f. Deliktsgegenstände 579 Wegfall der —freiheit, Einverständnis des Beschuldigten 5 80 f. Folgen der —freiheit (—verbot, Belehrung, Durchführung, Beweisverbot, Einverständnis, Widerruf) 581 ff. Anordnung und Bestätigung der — 583 ff. Begriffe der — und der vorläufigen Verwahrung 584 f. Anordnung durch den Richter 585 f. bei Gefahr im Verzuge Anordnung der — auch durch StA und ihre Hilfsbeamten 587 f. richterliche Bestätigung 588 Ablieferung von —gegenständen 588 f. Verfahren bei Anordnung und Bestätigung der - 589 ff. bei der Bundeswehr 591 bei Abgeordneten in Parlamentsräumen 591 an Bord ausländischer Seehandelsschiffe 591 Beendigung der — 593 ff. Erlöschen 593 Aufhebung 593 f. von Briefen, Sendungen und Telegrammen 595 ff. Post- und Fernmeldegeheimnis 596 von Sendungen auf der Post, Verhältnis zu anderen —Vorschriften 596 f. Einwilligung des Postbenutzers in Auskunft usw. 597 bei der Post nicht von Amts wegen 597 f. auf der Post und den Telegrafenanstalten 598 f. Briefe, Sendungen, Telegramme 599

3239

Bes

Sachregister

Beschlagnahme (Fortsetzung) Briefe usw., an den Beschuldigten gerichtet, von ihm herrührend oder für ihn bestimmt 599 Auskunft über Briefe usw. sowie über den Fernmeldeverkehr 599 ff., 605 f. Post—anordnung 601 ff. kein Gehör bei Post—anordnung 602 f. Zuständigkeit für Post—anordnung 603 Durchführung der Post— 603 ff. Beendigung der Post— 605 Rechtsmittel gegen Post—anordnung 605 Überwachung und Aufnahme des Fernmeldeverkehrs auf Tonträger 606 f. Überwachung des Fernmeldeverkehrs usw. bei Verdacht bestimmter Straftaten 607 f. Überwachung des Fernmeldeverkehrs usw., Subsidiarität, Betroffene 608 f. Anordnung der Überwachung des Fernmeldeverkehrs usw. durch den Richter, bei Gefahr im Verzug durch die StA 609 ff. Durchführung der Überwachung des Femmeldeverkehrs usw. 610 Überwachung des Fernmeldeverkehrs usw., Vernichtung des Materials 610 f. Überwachung des Fernmeldeverkehrs usw., Kosten, Beschwerde 611 Benachrichtigung der Beteiligten von P o s t - usw. 611 ff. Aushändigung von Postsendungen, deren Eröffnung nicht angeordnet oder soweit Zurückbehaltung nicht erforderlich ist 612 abschriftliche Mitteilung des Teiles eines zurückbehaltenen Briefes an Empfangsberechtigten 612 Notveräußerung sichergestellter oder beschlagnahmter Einziehungsgegenstände 613fr. Zeit der Notveräußerung 613 Voraussetzungen der Notveräußerung 614 Wirkung der Notveräußerung 614 Anordnung der Notveräußerung 614 f. Notveräußerung, Gehör, Bekanntmachung 615 Durchführung der Notveräußerung 615 Verwertung in anderer Weise 615 Anfechtung der Anordnung der Notveräußerung 615 3240

Durchsuchung 615ff.; s. Näheres unter diesem Wort Post, Durchsuchung 620 Durchsuchung bei Nichtverdächtigen, —gegenstände 621 einstweilige — verdächtiger Gegenstände bei Durchsuchung 630 Verzeichnis und Kenntlichmachung beschlagnahmter Gegenstände 630 f. Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände an den Verletzten 634 ff. durch strafbare Handlung entzogene Gegenstände 635 ff. Verfahren bei Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände 636 ff. vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis 638 ff.; s. Näheres unter vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis des Führerscheins bei Abgeordneten 649 f. von Briefen Untersuchungsgefangener 752 f. von Beförderungsmitteln und anderen Sachen Beschuldigter, die im Geltungsbereich der StPO keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt haben 841 Aufhebung der — bei Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens 1103 im Abwesenheitsverfahren wegen Geldstrafe und Verfahrenskosten 1583 ff. Zulässigkeit der — im Abwesenheitsverfahren 1584 Zeitpunkt der — im Abwesenheitsverfahren 1584 Zuständigkeit im Abwesenheitsverfahren 1585 einzelner Gegenstände und des Vermögens im Abwesenheitsverfahren 1585 Aufhebung der — im Abwesenheitsverfahren 1585 f. Rechtsmittel im Abwesenheitsverfahren 1586 Vermögens— zum Zwecke der Gestellung 1590 fr. Bekanntmachung der Vermögens— zum Zwecke der Gestellung 1591 f. Wirkung der Vermögens— 1592 Abwesenheitspflegschaft 1592 Aufhebung der — zwecks Gestellung 1592 f. Abschluß der Beweissicherung, Entscheidung über die — 1593 in Privatklagesachen 2012

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135—2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Beschlagnahme (Fortsetzung) Anrechnung der — des Führerscheins auf Fahrverbot 2342 Maßnahmen zur Sicherung einer künftigen Vermögensstrafe 2430 f. eines zu verwahrenden Führerscheins 2434 f. ausländischer Fahrausweise zur Eintragung eines Vermerks 2435 in einem anderen deutschen Land 2919 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3034 Beschleunigtes Verfahren Entstehung 8 Präventionswirkung 242 Gerichtsstand durch Übertragung 245 Beginn der Eigenschaft als erkennender Richter, Anfechtung der Ablehnungsentscheidung 3 24 f. Anordnung der Beschlagnahme 586 Verhältnis zur mündlichen Verhandlung über den Haftbefehl 732 f. Aburteilung im — 1126 ff. vor dem Amtsrichter und dem Schöffengericht 1126 f. Antrag der StA 1126 f. Einfachheit des Sachverhalts 1127 Möglichkeit sofortiger Aburteilung 1127 Unzulässigkeit in Jugendsachen 1127 Wegfall des Eröffnungsbeschlusses 1127 kein Schlußgehör 1127 Prüfung der sachlichen Zuständigkeit 1127 f. Prüfung der Prozeßvoraussetzungen 1128 sofortige Durchführung der Hauptverhandlung, Anberaumung der Hauptverhandlung mit kürzester Frist 1128 Erhebung der Anklage schriftlich oder mündlich 1128 f. Verhandlung ohne vorherige Ladung bei freiwilliger Gestellung oder Vorführung 1129f. Ladung zur Verhandlung (Mitteilung des Vorwurfs, Frist) 1130 Rechtshängigkeit 1130 f. Recht auf Akteneinsicht 1131 Rechtsmittel 1131 Ablehnung der Aburteilung im —, Wirkung 1131 ff. Einziehungsbeteiligte im — 2255, 2262 f. Beschleunigung Grundsatz der — 120

Bes

Beschlüsse rechtliches Gehör 163, 337, 346, 348 Verbindung und Trennung von Strafsachen 214, 218 f. Regelung der örtlichen Zuständigkeit 230,266 Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters 282 Verwerfung der Ablehnung als unzulässig 313 Entscheidung über Ablehnung im Regelverfahren 319, 321 Anfechtbarkeit von — über Ablehnung 322 Begriff 335 f. Rechtsmittelbelehrung 355 Zustellung und Vollstreckung 359 ff. öffentliche Zustellung ohne Entscheidungsgründe 374 Wiedereinsetzung gewährende oder ablehnende - 398 Maßnahmen gegen ausgebliebene Zeugen 410 Entscheidung über Beeidigung 448, 460 Verhängung von Zwangs- oder Beugehaft gegen Zeugen 480 Entscheidung über Ablehnung eines Sachverständigen 498 f. Kostenersatz und Ordnungsstrafe gegen Sachverständige 505 Unterbringung und Beobachtung in einer Heil- oder Pflegeanstalt 518 Überwachung und Aufnahme des Fernmeldeverkehrs 609 Entscheidung über Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände an den Verletzten 637 f. vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis 643, 647 Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls 714 Haftprüfungsentscheidung 724 Entscheidung nach mündlicher Verhandlung über den Haftbefehl 736 Haftfortdauer über sechs Monate hinaus 787 Verfall der Sicherheit 802, 804 Genehmigung zur Wahl eines Verteidigers 886 Einstellung wegen geringer Schuld nach Erhebung der öffentlichen Klage 956 3241

Bes

Sachregister

Beschlüsse (Fortsetzung) Einstellung wegen Absehenkönnens von Strafe 961 Einstellung, wenn Strafe oder Maßregel neben einer anderen nicht ins Gewicht fällt 971 Entscheidung über Armenrechtsgesuch des Verletzten für Antrag auf gerichtliche Entscheidung 1042 Entscheidung über Antrag auf gerichtliche Entscheidung 1045 ff. Eröffnung der Voruntersuchung 1058, 1061 f. Übertragung der Voruntersuchung auf Amtsrichter 1065 Entscheidung über Eröffnung des Hauptverfahrens nach Voruntersuchung 1084 Anträge und Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens 1093 ff. Anordnung einzelner Beweiserhebungen vor Entscheidung über Eröffnung des Hauptverfahrens 1095 ff. über Voruntersuchung und Beweiserhebungen 1095 ff. Eröffnung des Hauptverfahrens 1098 ff. Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens 1101 ff. vorläufige Einstellung des Verfahrens 1104 ff. keine Bindung des Gerichts an die Anträge der StA 1106 ff. Einstellung wegen Verfahrenshindernisses 1108 ff. Untersuchungshaft bei Eröffnungsbeschluß 1114 bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung 1136 f. Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter 1166 Anordnung des persönlichen Erscheinens 1219 Verbindung zusammenhängender Strafsachen nach Eröffnung des Hauptverfahrens 1220 f. Beanstandung von sachleitenden Anordnungen des Vorsitzenden 1229 Zulässigkeit einer Frage 1241 Beweisbeschluß 1262 Ablehnung von Beweisanträgen 1279

3242

Ablehnung der Beweiserhebung bei präsenten Beweismitteln 1320 Zwangsentfernung des Angeklagten 1326 Aussetzung wegen Beurteilung eines bürgerlichen Rechtsverhältnisses 1444 f. Einbeziehung nach Nachtragsanklage 1487 Urteilsberichtigung 1517 f. Bewährungsanordnungen 1519 ff. Haftfortdauer 1522 f. Verweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit 1526ff. Beurkundung der — im Verhandlungsprotokoll 1548 Beschlagnahme im Abwesenheitsverfahren 1585, 1590 f. sicheres Geleit 1595 f. Rechtskraft von - 1601 bei Zurücknahme des Rechtsmittels 1630, 1632 gegen — Beschwerde, Ausnahmen 1633 f., 1639 f. Änderung von —, Rechtskraft 1635 ff. Beschwerde gegen — der Oberlandesgerichte und des BGH 1646 weitere Beschwerde gegen — über Verhaftung und einstweilige Unterbringung 1664 ff. Verwerfung der Berufung als unzulässig 1715 unzulässige Beschränkung der Verteidigung durch — in der Hauptverhandlung als unbedingter Revisionsgrund 1840 f. Verwerfung der Revision als unzulässig durch den Tatrichter 1862 f. Verwerfung der Revision durch das Revisionsgericht als unzulässig 1871 f. Verwerfung offensichtlich unbegründeter Revisionen durch das Revisionsgericht 1872 ff. Aufhebung des Urteils durch — des Revisionsgerichts 1876 ff. Zulassung oder Verwerfung des Wiederaufnahmeantrages 1945 Freisprechung ohne Erneuerung der Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren 1953 Beitritt zur Privatklage 1972 Eröffnung des Hauptverfahrens oder Zurückweisung der Privatklage 2003 f. Einstellung wegen Geringfügigkeit im Privatklageverfahren 2006 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Beschlüsse (Fortsetzung) Zulassung als Nebenkläger 2053 Absehen von einer Entscheidung über den Entschädigungsantrag des Verletzten mangels Eignung 2076 f. Verwerfung des Rechtsmittels des Angeklagten im Anhangsverfahren 2079 Entscheidung über Wiederaufnahmeantrag im Anhangsverfahren 2081 Beteiligungsanordnung im Einziehungsverfahren 2230 ff., 2242 Beiordnung eines Vertreters im Einziehungsverfahren 2259 Höhe der Entschädigung im Einziehungsverfahren 2272 f. selbständige Einziehung 2289 f., 2298 Vollstreckbarkeit von Ordnungs- und Erzwingungsstraf— 2333 Eintritt der Rechtskraft mit dem Tage der Beschlußfassung über das Rechtsmittel 2340 f. nachträgliche Entscheidungen über Strafaussetzung zur Bewährung 2364 Aussetzung des Strafrests 23 76 ff. Aufschub und Aussetzung der Untersagung der Berufsausübung 2393 f. nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe 2406ff. im Auslagenfestsetzungsverfahren 2477 Auferlegung von Kosten und Auslagen bei unwahrer Anzeige 2530 ff. Kosten nach Klageerzwingungsverfahren 2555 Kosten eines zurückgenommenen Rechtsmittels 2562 ff. des Präsidiums 2681 ff.; s. im übrigen unter Präsidium Mitwirkung der Schöffen 2732ff. Vorbereitung des — über die Einsprüche gegen die Vorschlagsliste für Schöffen 2748 Änderungen des die Öffentlichkeit betreffenden - 2944 über die Ausschließung der Öffentlichkeit (Verhandlung, Verkündung, Begründung, Anfechtbarkeit) 2946 ff. Gestattung des Zutritts zu nicht öffentlichen Verhandlungen 2951 Entfernung wegen Ungehorsams 2959, 2973 ff. Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2961 f f , 2973 ff.

Bes

Eintritt der Ergänzungsperson 2988 f. im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG 3051 im Disziplinarverfahren 3132 f. s. auch Einstellungsbeschluß, Eröffnungsbeschluß Beschlußfähigkeit des Präsidiums 2703 f. Beschlußstrafkammer ordnungsmäßige Zusammensetzung, Prüfung durch das Revisionsgericht 1799 Besetzung 2795 Beschlußunfähigkeit des Gerichts bei Ablehnungsgesuch 317 der auswärtigen Strafkammer bei Ablehnung 2799 s. auch Beschlußfähigkeit Beschränkung der Bewegungsfreiheit bei körperlichen Eingriffen 525 des Untersuchungsgefangenen 743 f. der Verfolgung auf Teilakte 973 ff. der Verfolgung auf abtrennbare Tatteile, Eröffnungsbeschluß 1112 f. der Verfolgung bei Tateinheit, Eröffnungsbeschluß 1113 der Zahl der Verteidiger 1184 des Rechtsmittels 1600, 1624 des Rechtsmittels auf Übertretungen 1677 der Berufung 1677, 1691 ff. auslieferungsrechtliche —, Prüfung durch das Revisionsgericht 1 99 unzulässige — der Öffentlichkeit, unbedingter Revisionsgrund 1837 f. unzulässige — der Verteidigung als unbedingter Revisionsgrund 1839 ff. Prüfung der — der Berufung durch das Revisionsgericht 1883 der Strafverfolgung im Privatklageverfahren 2014 der Verfolgung, Anschluß als Nebenkläger 2058 des Rechtsmittels bei Anhangsverfahren auf den zivil- oder strafrechtlichen Teil 2079 Anhangsverfahren, — des Wiederaufnahmeantrags 2081 des Einspruchs gegen Strafbefehl 2162 f. der Rechtskraft des Strafbefehls 2168 ff. Einziehung, — der Verfolgung 2225 ff. des Umfangs der Verfahrensbeteiligung bei Einziehung 2239 ff.

3243

Bes

Sachregister

Beschränkung (Fortsetzung) Einziehung, — der Nachprüfung des Schuldspruchs 2268 ff. der Grundrechte Strafgefangener 2323 Kosten bei — des Rechtsmittels 2568 ff., 2577 der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung 2933 ff. s. auch Auskunftsbeschränkung Beschuldigter als Prozeßbeteiligter (Prozeßsubjekt) 68 Willenserklärungen unter Einfluß von Irrtum, Täuschung und Drohung 74 ff. Lebensalter des — 120 f. Verhandlungsfahigkeit, Anwesenheit 121 Immunität 122 f. rechtliches Gehör 159 ff. Vernehmung ohne Hinweis, Verwertbarkeit 171 Bedeutung der Aussageverweigerung 174 Ausschließung wegen Verwandtschaft oder Schwägerschaft des — 276 f. Richter als —, Ausschließung 278 öffentliche Zustellung an den — 3 72 f. eidesstattliche Versicherung des — bei Wiedereinsetzung 392 Zeugnisverweigerungsrecht wegen Beziehungen zum — 418 f. Absehen von der Beeidigung bei Angehörigen des — 457 Eidesverweigerungsrecht der Angehörigen d e s - 4 6 1 f. Unterrichtung des Zeugen über die Person des — 473 Befugnis zur Ablehnung des Sachverständigen 497 Vernehmung des — zur Vorbereitung des Gutachtens 511 bei eventueller Unterbringung des — Vorbereitung des Gutachtens schon im Vorverfahren 513 f. Unterbringung und Beobachtung in einer öffentlichen Heil- oder Pflegeanstalt 514 ff. Beschlagnahme von Postsendungen 598, 599, 602 Überwachung und Aufnahme des Fernmeldeverkehrs 608 f. Gehör bei Notveräußerung 615 Durchsuchung bei Unverdächtigen zwecks Ergreifung des — 616, 620 Teilnahme an der Durchsuchung 628 3244

Bezeichnung im Haftbefehl 684 f. Anhörung vor Erlaß des Haftbefehls 687 Beschwerde gegen Haftbefehl 690 ff. Bekanntmachung des Haftbefehls, Aushändigung einer Abschrift 694 Gehör bei der Haftprüfung 723 Antrag auf mündliche Verhandlung über den Haftbefehl 727 ff. Benachrichtigung vom Termin der mündlichen Verhandlung über den Haftbefehl 733 Gehör bei Haftfortdauer über sechs Monate hinaus 785 Gestellung (Freigabe der Sicherheit) 795 Erklärung im Verfahren wegen Verfalls der Sicherheit 801 Flucht oder Verbergen (Steckbrief) 835 ff. Vernehmung des — 842ff.; s. Näheres unter Vernehmung Schweigerecht, Recht zur Beauftragung eines Verteidigers 845 ff. Begriff des - 847 Beeinträchtigung der Willensentschließung und Willensbetätigung 857 ff. Wahl eines Verteidigers 881 ff. Zustimmung zur Übertragung der Verteidigung auf Referendar 897 Pflichtverteidiger 898 ff. Verteidigung meh erer — durch einen gemeinschaftlichen Verteidiger 929 f. Verkehr des nicht auf freiem Fuß befindlichen — mit dem Verteidiger 938 ff; s. Näheres unter Verkehr Anhörungsrecht vor Einstellung wegen geringer Schuld 957 Einstellung des Verfahrens, wenn Strafe oder Maßregel neben anderer nicht ins Gewicht fallt; Beschwerderecht 971 Angeschuldigter und Angeklagter, Begriffe 982 Vernehmung des - 1006 ff., 1015 ff. Begriff des — im vorbereitenden Verfahren 1009 f. Vernehmung des — durch den Amtsrichter, Antrag auf Erhebung von Entlastungsbeweisen 1012 f. Mitteilung der StA von dem Abschluß der Ermittlungen 1018 f. Schlußgehör 1020ff, 1023 ff. Benachrichtigung von der Einstellung 1029 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Beschuldigter (Fortsetzung) Mitteilung des Antrages des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung 1044 f. Anhörung im Klageerzwingungsverfahren 1046 Recht auf Voruntersuchung 1051, 1053 Bezeichnung eines Bestimmten — im Antrag der StA auf Eröffnung der Voruntersuchung 1055 Abwesenheit des —, Abwesenheitsverfahren 1567 ff. Gestellung 1577 sicheres Geleit 15 94 ff. Rechtsmittelbefugnis 1604 Beschwer 1606 ff. Rechtsmittel der StA zugunsten des — 1609 f. Rechtsmittel des Verteidigers für den —, nicht gegen dessen ausdrücklichen Willen 1610 ff. Rechtsmittel des gesetzlichen Vertreters 1612 ff. Rechtsmittel des nicht auf freiem Fuß befindlichen - 1615 f. durch jedes Rechtsmittel der StA weitere Rechtshängigkeit zugunsten des — 1619 ff. Zurücknahme eines von der StA zugunsten des — oder eines vom gesetzlichen Vertreter des — eingelegten Rechtsmittels nur mit dessen Zustimmung 1627 f. Zurücknahme durch den Verteidiger nur mit ausdrücklicher Ermächtigung 1628 ff. Beschwerdeberechtigung 1643 f. Sicherheitsleistung des Privatklägers auf Verlangen des — 1985 Mitteilung der Privatklageschrift 2000 f. sofortige Beschwerde gegen Einstellung wegen Geringfügigkeit im Privatklageverfahren 2007 Bekanntmachung der Zurücknahme, des Todes des Privatklägers sowie der Fortsetzung 2042 Entschädigung vermögensrechtlicher Ansprüche gegen den — 2070 f. Anhörung im Strafverfügungsverfahren 2196 f. Sicherungsverfahren wegen Zurechnungsunfahigkeit des — 2205 ff. Anwesenheit in der Hauptverhandlung im Sicherungsverfahren 2215 ff.

Bes

gesamtschuldnerische Haftung im Privatklageverfahren 2547 Entfernung wegen Ungehorsams 2959 f. Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2961 ff. Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG gegen Einstellung 3031 Zulieferung oder Zuführung in die D D R (Sowjetzone) 315 7, 3160,3162 f. s. auch Angeklagter, Angeschuldigter, Mitangeklagte, Mitbeschuldigte Beschwer bei Verfahrenshindernis 93 als Voraussetzung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln 1606 Maßgeblichkeit des Entscheidungssatzes 1606 ff. bei Einstellung des Verfahrens 1 08 bei Freispruch 1608 f. Beschwerde 1640 bei Revision 1780f., 1808 des Beschuldigten bei Einstellung wegen Geringfügigkeit im Privatklageverfahren 2007 des Privatklägers bei Rechtsmitteln 2030 Verfahren bei Festsetzung von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen 2308 des Verurteilten für Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Vollstrekkung ostdeutscher Erkenntnisse 3179 Beschwerde rechtliches Gehör 162 Verbindung zusammenhängender und Trennung verbundener Strafsachen 211,214,219 bei Zuständigkeitsstreit 254 bei Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Unzuständigkeit 267 Gehör der StA bei außerhalb der Hauptverhandlung ergehenden Entscheidungen 342 Wegfall des rechtlichen Gehörs 345 Verletzung des rechtlichen Gehörs 346, 348 f. gegen Anordnung der öffentlichen Zustellung 374 im Klageerzwingungsverfahren 383 gegen Ablehnung der Wiedereinsetzung 397 gegen Kostenverteilung und Ordnungsstrafe wegen Ausbleibens des Zeugen 411 3245

Bes

Sachregister

Beschwerde (Fortsetzung) gegen Ablehnung des Antrages auf Vereidigung im vorbereitenden Verfahren und in der Voruntersuchung 464 bei Maßregeln gegen ungehorsamen Zeugen 480 gegen Entscheidung über Ablehnung eines Sachverständigen 499 über Entbindung des Sachverständigen 504 gegen Entscheidung über Kostenersatz und Ordnungsstrafe 505 gegen richterliche Anordnung der körperlichen Untersuchung und körperlicher Eingriffe 525 f. gegen Aufnahme von Lichtbildern und Fingerabdrücken des Beschuldigten sowie gegen Vornahme von Messungen usw. zur Durchführung des Strafverfahrens 528 gegen Anordnung der Untersuchung Nichtbeschuldigter 536 gegen Beschlagnahme, Bestätigung und Ablehnung der Anordnung 592 gegen Durchsuchung 627 f. gegen Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände an den Verletzten 638 gegen vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis 644 f. gegen Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis 647 gegen Haftbefehl 690 ff. gegen Unterlassen der Benachrichtigung von der Verhaftung 698 f. gegen Widerruf der Aussetzung des Vollzugs eines Haftbefehls 714 Ausschluß der — neben Antrag auf Haftprüfung 721 f. Entscheidung im Haftprüfungsverfahren 725 nach mündlicher Verhandlung über den Haftbefehl 737 gerichtliche Verfügungen über Vollzug der Untersuchungshaft 760 f. Aufhebung des Haftbefehls 768 Aufhebung von Maßnahmen, Freiwerden der Sicherheit 796 Verfall der Sicherheit 802 f. gegen Ladung des Beschuldigten und gegen Androhung der Vorführung 843 gegen Entscheidungen über die Genehmigung zur Wahl eines Verteidigers 887 3246

Ausschluß des Verteidigers 894 f. Ablehnung der Bestellung eines Pflichtverteidigers 912 f. gegen Entscheidung wegen Ausbleibens des Verteidigers usw. bei notwendiger Verteidigung 925 Verkehr des Verteidigers mit dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten 940 gegen Nichtzulassung als Beistand 943 Absehenkönnen von Strafe 961 gegen Verfügungen des Amtsrichters und des Ermittlungsrichters im vorbereitenden Verfahren 986 Ablehnung richterlicher Untersuchungshandlungen 1003 Zwangsmittel der Polizei im vorbereitenden Verfahren 1004 Verfügungen des Emittlungsrichters 1015 an den vorgesetzten Beamten der StA bei Einstellung des Verfahrens 1032 ff. Entscheidungen in der gerichtlichen Voruntersuchung 1050 gegen Eröffnung der Voruntersuchung 1055 während der Voruntersuchung 1064 Nichtmitteilung der Anklageschrift 1095 gegen vorläufige Einstellung des Verfahrens 1105 gegen Unzuständigkeitserklärung bei Eröffnung des Hauptverfahrens 1118 f. Ablehnung des beschleunigten Verfahrens 1133 Anberaumung oder Verlegung des Hauptverhandlungstermins 1138 f. Antrag auf Ladung von Personen 1161 Entscheidung über kommissarische Vernehmung 1170 f. Zwangsmaßnahmen gegen ausgebliebenen Angeklagten 1196 Verbindung zusammenhängender Strafsachen nach Eröffnung des Hauptverfahrens 1222 Zurückweisung von Fragen 1240 Aussetzung des Verfahrens zur Erhebung einer Zivilklage 1445 Berichtigungsbeschluß (Urteil) 1517 f. Beschluß über Bewährungsanordnungen 1522 bei Verweisung an ein gleichgeordnetes Gericht 1531

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. II = S. 1135-2313; Bd. III = S. 2315-3183 Beschwerde (Fortsetzung) bei Ablehnung eines Protokollberichtigungsantrags 1541 f. Beschlagnahme im Abwesenheitsverfahren 1586 sicheres Geleit 1596 als Rechtsmittel im engeren Sinne 1603 Übersicht 1633 ff. gegen Beschlüsse und Verfügungen 1633 nicht mit — anfechtbare Entscheidungen 1633 f. Gegenstand 1634 Berechtigte 1634, 1643 Gericht 1634,1636,1644 Verfahren 1634 f. Begründung 1634, 1645 f. Wirkung 1634 Einlegung 1634 f. Frist 1635 Verschlechterungsverbot 1635 Änderung von Beschlüssen und Zwischenverfügungen 1635,1636 f. Fälle der einfachen — 1635 Fälle der sofortigen — 1635 f. Begriff 1638 Zulässigkeit 1638 ff. Beschlüsse im ersten Rechtszug und im Berufungsverfahren 1639 Verfügungen des Vorsitzenden, Untersuchungsrichters, ersuchten oder beauftragten Richters 1639 f., 1645 Beschwer 1641 Ausschluß der — 1641 f. K o s t e n - 1642 f. Beispiele 1644 Abhilfe 1646 Beschlüsse der OLG und des BGH 1646 gegen Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfallung vorausgehen; Ausnahmen 1646 ff. eingeschränkte — gegen Auflagenbeschluß bei Strafaussetzung zur Bewährung 1650 ff. Einlegung der — 1653 ff. zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich 1654 f. Verfahren (Abhilfe, Vorlegung) 1655 f. keine aufschiebende Wirkung, Aussetzung der Vollziehung 1657 Anhörung des Gegners, Ermittlungen durch das —gericht 1658 ff.

Bes

Entscheidung im schriftlichen Verfahren 1661ff. weitere — gegen —entscheidungen des LG und OLG 1664 ff. weitere — wegen Verhaftung oder einstweiliger Unterbringung 1666 ff. sofortige — 1668ff.; s. Näheres unter diesem Begriff nachträgliche Sicherung rechtlichen Gehörs 1671 f. nach Zulassung des Wiederaufnahmeverfahrens 1948 des Privatklägers gegen Versagung des Armenrechts 1988 im Privatklageverfahren 2030 keine — gegen landgerichtliche Einstellung wegen Geringfügigkeit im Privatklageverfahren 2031 f. Nichteinsteilung trotz Rücknahme der Privatklage 2039 gegen Entscheidung über Zulassung als Nebenkläger 2053 ff. des Nebenklägers 2062 keine — gegen Anberaumung der Hauptverhandlung im Strafbefehlsverfahren 2153 Beiordnung eines Vertreters im Einziehungsverfahren 2259 gegen Vermögensbeschlagnahme 2304 Verfahren bei Festsetzung von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen 2308 gegen nachträgliche Entscheidungen über Strafaussetzung zur Bewährung 2366ff. Kosten- und Auslagenentscheidung, —berechtigung 2452 Rechtsmittelkosten 2562ff.; s. Näheres unter Kosten gegen Verurteilung der Schöffen und Vertrauenspersonen zur Ordnungsstrafe 2771 Zuständigkeit der Strafkammer 2786 gegen Verfügungen und Beschlüsse der Staatsschutzkammer 2825 f. Zuständigkeit des OLG 2832f., 2835 Zuständigkeit des BGH 2855 f. gegen Entscheidung über Rechtshilfeersuchen 2916 ff. gegen Beschluß über die Ausschließung der Öffentlichkeit 2948 f. gegen Schweigebefehl 2949

3247

Bes

Sachregister

Beschwerde (Fortsetzung) gegen sitzungspolizeiliche Maßnahmen 2958 Entfernung usw. wegen Ungehorsams 2961 Ordnungsstrafen wegen Üngebühr 2969, 2970 ff. Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3028, 3038ff., 3046 gegen vorläufige Untersagung der Amtsgeschäfte 3106 s. auch Beschwerdegericht, Rechtsmittel, sofortige Beschwerde, weitere Beschwerde Beschwerdeführer Anhörung des Gegners des — durch das Beschwerdegericht 1658 ff. Zustellung des Urteils mit Gründen an — nach rechtzeitiger Einlegung der Berufung 1688 f. Schlußvortrag 1727 Vertretung 1754 Zustellung des Urteils mit Gründen an — nach rechtzeitiger Einlegung der Revision 1845 f. Zustellung der Revisionsschrift an den Gegner des —, Gegenerklärung 1867 ff. Anhörung des — in der Revisions-Hauptverhandlung 1881 f. Beschwerdegericht, Beschwerdeinstanz rechtliches Gehör 162, 345, 1658 ff. Fehlen von Entscheidungsgründen 350 f. mündliche Verhandlung über den Haftbefehl 728 f. mündliche Verhandlung über Verfall der Sicherheit 802 f. Eröffnung des Hauptverfahrens 1122 Zuständigkeit 1634, 1644 f. Änderung der Beschwerdeentscheidung 1634 f., 1656 Entscheidung über Auflagen bei Strafaussetzung zur Bewährung 1651 Entscheidung über Aussetzung des Vollzugs 1657 Aufklärung des Sachverhalts 1660 Einlegung der sofortigen Beschwerde 1669 nachträgliche Sicherung rechtlichen Gehörs 1671 f. Einstellung wegen Geringfügigkeit im Privatklageverfahren 2006 f.

3248

Zurückweisung des Strafbefehlsantrags 2153 f. Kosten- und Auslagenentscheidung, Rechtsmittelgericht als — 2462 Kosten und Auslagen, Bindung des — an die tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts 2460 ff. Nachprüfung der Angemessenheit von Rechtsanwaltsgebühren 2470 f. Béschwerde gegen Ordnungsstrafen wegen Ungebühr 2971 f. s. auch Beschwerde Beschwerdepunkte Beschränkung der Berufung auf bestimmt e - 1691 ff. Begriff 1691 f. Wesen der Beschränkung auf bestimmte - 1692 f. Grundsätzliches 1695 f. Teilrechtskraft 1696 ff. Unwirksamkeit der Beschränkung auf bestimmte - 1698 ff. Schuldfrage 1701 f. Tateinheit, Tatmehrheit 1702 f. Strafausspruch 1703 ff. einzelne — innerhalb des Strafausspruchs 1705 ff. kurzfristige Freiheitsstrafe 1705 Rückfall 1705 f. Ersatzfreiheitsstrafe 1706 Gesamtstrafe 1706 Anrechnung der Untersuchungshaft 1706 Strafaussetzung zur Bewährung 1706 f. Maßregeln der Sicherung und Besserung 1707 f. Entziehung der Fahrerlaubnis 1708 einzelne Verfahrensverstöße 1708 Entschädigung des Verletzten, Buße 1709 Verfahrensvoraussetzungen 1709 f. auf bestimmte — beschränktes Rechtsmittel, Kosten 2568 ff., 2577 Beseitigung des Hindernisses bei Wiedereinsetzung 391,392 eines gesetzwidrigen Zustandes, Verfahren 2302 eines gesetzwidrigen Zustandes, Auferlegung von Kosten und Auslagen 2557 ff. Besetzung bei Verwerfung der Ablehnung als unzulässig 311, 312 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 1 1 = S. 1 1 3 5 - 2 3 1 3 ; Bd. 111= S. 2 3 1 5 - 3 1 8 3 Besetzung (Fortsetzung) bei Entscheidung über Ablehnung im Regelverfahren 314, 315 f., 318 f. nicht vorschriftsmäßige — des Gerichts, unbedingter Revisionsgrund 1825 ff. Wiederaufnahmeverfahren bei Verurteilung in zeitweilig besetzten Gebieten 1941 der Spruchkörper, gesetzlicher Richter 2 6 4 2 f. Bestimmung der — der Spruchkörper durch das Präsidium 2 6 6 8 ; s. Näheres unter diesem Wort des Schöffengerichts 2 7 2 9 f . , 2 7 4 4 , 2747 der Landgerichte 2 7 7 5 ff. der Strafkammern 2 7 9 4 f. des Schwurgerichts 2 8 0 4 , 2817 f. der Strafsenate des O L G 2 8 5 0 des B G H 2851 f., 2 8 6 5 der Strafsenate des B G H 2 8 6 5 der Senate beim obersten Landesgericht 3012 der Gerichte mit Richtern auf Lebenszeit 3 0 9 4 f. der Gerichte mit Richtern auf Probe, Richtern kraft Auftrags und abgeordneten Richtern 3 0 9 6 f. des Dienstgerichts 3 1 2 9 f., 3139 Besichtigung nichtrichterliche — 546 einer schon beerdigten Leiche, Ausgrabung 5 4 6 f. von Beweisstücken durch den Verteidiger 932 Besitzer Einziehungsbeteiligung 2 2 3 5 Besoldung der Richter kraft Auftrags 3 0 7 3 f. angemessene und feste — als Voraussetzung der persönlichen Unabhängigkeit 3 1 0 1 bei Veränderung der Gerichtsorganisation 3 1 0 4 Besonderes Gewaltverhältnis Untersuchungshaft 743 f. Strafgefangene, Anfechtbarkeit von Vollzugsmaßnahmen 2 3 2 2 f. Besorgnis der Befangenheit s. Ablehnung der Gerichtspersonen, Befangenheit

Bes

Bestätigung richterliche — von Beschlagnahmen 588, 590,603 nicht von Durchsuchungsanordnungen 625 der nichtigen Ernennung zum Richter 3077 nachträgliche — der Ernennung durch den Richterwahlausschuß 3 0 8 0 , 3081 Bestätigungswille des Gesetzgebers bei vorkonstitutionellem Recht 1796 Bestand Bestrebungen gegen den — der Bundesrepublik Deutschland, Einziehungsbeteiligung 2 2 3 5 Bestattung Genehmigung 993 Bestattungsscheine Anhörung der Staatsanwaltschaft vor Ausstellung von — 993 Bestechung Rücknahme der Ernennung zum Richter 3080 Besteller von Druckschriften, Einziehungsbeteiligung 2 2 3 7 f f . Bestellung öffentliche — eines Sachverständigen 501 eines Verteidigers bei mindestens dreimonatiger Untersuchungshaft 725 ff. eines Verteidigers für die mündliche Verhandlung über den Haftbefehl 733 ff. eines Pflichtverteidigers 897ff., 905 ff.; s. Näheres unter notwendige Verteidigung, Verteidiger der Ermittlungsrichter 1015 der Untersuchungsrichter 1066 Antrag auf — eines Verteidigers 1093 Ladung des bestellten Verteidigers zur Hauptverhandlung 1147 eines Verteidigers für die RevisionsHauptverhandlung 1879 f. von Sondergerichten 2 6 3 3 der Mitglieder der auswärtigen Strafkammer 2 8 0 0 der Mitglieder des Schwurgerichts 2 8 0 6 fr., 2 8 1 8 der Mitglieder des B G H 2 8 5 2 der Mitglieder der Großen Senate des BGH 2854 der Hilfsbeamten der S t A 2 8 9 4 ff. 3249

Bes

Sachregister

Bestellung (Fortsetzung) der Gerichtsvollzieher 2901 f. der ehrenamtlichen Richter 3123 f. der nichtständigen Beisitzer der Dienstgerichte im Disziplinarverfahren gegen Staatsanwälte 3140 Bestrafung Absehen von der Verfolgung einer Tat wegen — im Ausland 963 Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland usw., Einziehungsbeteiligung 2234 f. Bestreiten der neu hervorgetretenen Umstände, Aussetzung 1479 Besuche während der Untersuchungshaft 745 Besucher Maßnahmen gegen — während der Untersuchungshaft, Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3036 Besuchszeiten Beachtung der — in einer Anstalt durch den Verteidiger 940 Beteiligte Eigenschaften und Beziehungen der — als Verfahrensvoraussetzungen 120 ff. Beweisantragsrecht 156 ff. Kenntnis von der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters 306 Anhörung vor Erlaß gerichtlicher Entscheidungen 340, 342 f. Nachholen des rechtlichen Gehörs 346 unmittelbare Ladung durch — 371 f. Einziehungs— als Zeugen 404 Benachrichtigung von der Postbeschlagnahme 611 in der mündlichen Verhandlung über den Haftbefehl 735 Verfall der Sicherheit 803 f. Stellung in der Hauptverhandlung 1179 Beanstandung von sachleitenden Anordnungen des Vorsitzenden 1226 ff. Fragerecht 1233 ff. Beweisrecht der — im Verhältnis zur Aufklärungspflicht des Gerichts 1270 f. Verzicht auf Beweiserhebung 1318 ff. Einverständnis mit der Verlesung von Niederschriften über frühere richterliche Vernehmungen 1356 f. 3250

Frist für — zur Erhebung der Zivilklage 1445 f. Benachrichtigung von der RevisionHauptverhandlung 1878f. Antrag auf Kostenfestsetzung 2476 Beschwerde gegen Entscheidung über Rechtshüfeersuchen 2918 f. Antrag auf Ausschließung der Öffentlichkeit 2946 f. Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Ausschließung 2948 f. der deutschen Sprache nicht mächtige —, Dolmetscher 2978 ff. am Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG 3051 s. auch Verfahrensbeteiligte, Einziehungsbeteiligte Beteiligung an der Tat, Gerichtsstand 231 Nichtbeeidigung 449 ff. des von einer Durchsuchung Betroffenen 628 der StA vor Anordnung der Untersuchungshaft 687 des Verletzten am Verfahren 1960 ff; s. Näheres unter Privatklage, Nebenklage Dritter am Einziehungsverfahren 2220 ff. des Präsidialrats vor Ernennung oder Wahl eines Richters 3128 f. des Richterrats 3137 s. auch Beteiligte Beteiligungsanordnung Einziehungs verfahren 2230 ff. Zurücknahme 2242 f. summarische Verfahren 2273 Verfahren bei Festsetzung von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen 2307 ff. Beteuerungsformel statt des Eides der Zeugen 467 f. Betreffen des zu Verhaftenden, Zuständigkeit für den Erlaß des Haftbefehls 805 ff. vorläufige Festnahme bei — auf frischer Tat 813 ff, 820 Betroffener Verkündung in Anwesenheit des — 351 Rechtsmittelbelehrung 356 Anwesenheit bei Beschlagnahme, Widerspruch 588 Postbeschlagnahme, Gehör 602 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135—2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Betroffener (Fortsetzung) Überwachung und Aufnahme des Fernmeldeverkehrs 608 f. Mitteilung des Grundes der Durchsuchung 628 f. Rechtsmittel der StA zugunsten anderer - 1610 Beschwerdebefugnis 164 3 f. Betrug Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer 2793 f. Betrunkene Versagung des Zutritts zu öffentlichen Verhandlungen 2950 f. Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2964 Beugehaft gegen Zeugen zur Erzwingung des Zeugnisses oder des Eides 478 f. gegen Gewahrsamsinhaber zur Erzwingung der Herausgabe von Beschlagnahmegegenständen 566 f. weitere Beschwerde 1666 f. Beugestrafen keine Strafsachen 2586 Beurkundung gerichtlicher Entscheidungen 339 der Entscheidungsgründe 350 der Verkündung 352 der Rechtsmittelbelehrung 358 der Zustellung durch Übergabe 369f. der Vorlegung und Beantwortung der Personalfragen an Zeugen 471 der Anzeigen 987 der richterlichen Untersuchungshandlungen 1013 f. von Entscheidungen in der Hauptverhandlung 1180 der Zwangsentfernung des Angeklagten 1330 der Verlesung von Schriftstücken 1340 der Verlesung der Niederschrift über frühere Vernehmung zur Unterstützung des Gedächtnisses und bei Widerspruch mit früherer Aussage 1373 der Verlesung zum Zwecke der Beweisaufnahme über ein Geständnis und bei Widerspruch mit der früheren Aussage des Angeklagten 1378 auf Antrag — der Verlesung und ihres Grundes 1379 der Schlußvorträge 1398 der Verdolmetschung 1400

Bew

des Hinweises auf Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes 1477 der Nachtragsanklage, der Zustimmung des Angeklagten und des Einbeziehungsbeschlusses 1488 der Urteilsverkündung 1513 Protokoll über die Hauptverhandlung 1533ff.; s. Näheres unter Protokoll betr. die Öffentlichkeit 2936 Verhandlung und Beschluß über die Ausschließung der Öffentlichkeit 2947 Schweigebefehl 2949 Festsetzung einer Ordnungsstrafe wegen Ungebühr usw. und deren Veranlassung 2973 ff. strafbare Handlung in der Sitzung 2975 f. wichtiger Aussagen und Erklärungen auch in fremder Sprache 2981 Beratung und Abstimmung 2991 s. auch Protokoll, Protokollierung Beurlaubung vorläufige — von Zeugen und Sachverständigen 1332 Strafvollzug, kurzfristige — 2382 eines Richters bei Aufstellung für die Wahl zum Abgeordneten 3107 von Richterinnen 3127 Anfechtung einer Verfügung über — 3130, 313 9 f. Beurteilungen dienstliche —, richterliche Unabhängigkeit 3091 f. Beurteilungsspielraum Zuständigkeit in Jugendschutzsachen, - der StA 2726 s. auch Ermessen Bevollmächtigter als Vertreter im Verfahren 879 f. Bekanntmachung des Bescheides an — des Antragstellers bei Einstellung 1031 Einlegung von Rechtsmitteln für den Beschuldigten 1611 Privatklage 1982,2000 Bewachung des Angeklagten in der Hauptverhandlung 1198 Bewährung Bewährungsanordnungen s. unter Strafaussetzung Bewährungshelfer Briefe Untersuchungsgefangener an — 749

3251

Bew

Sachregister

Bewegungsfreiheit Beschränkung der — bei körperlichen Eingriffen 525 Beweis Streng- 12 der Schuld 149 eines Verstoßes gegen die Willensfreiheit bei Vernehmung 871 f. Voruntersuchung 1071 ff. der Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten 1553 ff. über Verfahrenstatsachen in der Revisionsinstanz 1883 f. s. auch Freibeweis, Strengbeweis Beweisanträge Beweisantragsrecht der Beteiligten 156 ff. des Angeklagten vor der Hauptverhandlung 1151 ff. bei der kommissarischen Vernehmung nach Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung 1212 Verfahren gegenüber — 1270 ff. Beweisrecht der Beteiligten im Verhältnis zur Aufklärungspflicht des Gerichts 1270 f. Begriff der - 1271 Antragsberechtigte, Zusammenwirken 1271 Zeit, Ort und Form der - 1272 f. Bezeichnung der Tatsachen und Beweismittel 1273 ff. mangelhafte —, Klarstellung 1275 Beweisermittlungsanträge 1275 ff. Gang der Prüfung 1277 unzulängliche Ablehnungsgründe, Unzulässigkeit der Vorwegnahme der Beweiswürdigung 1277 ff. Erfordernis eines Gerichtsbeschlusses 1279 Bekanntgabe der Ablehnung von — (Begründung, Urteilsgründe) 1279 ff. Zurücknahme eines Beschlusses 1281 Ausführung eines Beweisbeschlusses 1281 f. Austauschbarkeit der Beweismittel 1282 Hilfsbeweisantrag 1282 f. besondere Verfahrensarten 1283 Ablehnung aus bestimmten Gründen 1284ff. Unzulässigkeit der Beweiserhebung, allgemein 1284 ff. 3252

Verfahren bei unzulässigen — 1286 Einzelfalle der Unzulässigkeit 1286 ff. Unzulässigkeit der Beweiserhebung wegen Stellung im Verfahren 1286 Verbote im Interesse der Wahrheitsfindung 1286 Bindung an fremde Feststellungen 1286 f. vorrangige öffentliche Interessen 1287 besonders geschützte Privatinteressen 1287 Verletzung der Grundrechte 1287 f. Aufzeichnungen höchstpersönlichen Charakters 1288 f. Tonbandaufnahmen 1289 f. verbotene Beweismethoden 1290 Mißbrauch für verfahrensfremde Zwecke 1291 Verschleppungsabsicht 1291 ff. Ablehnungsgrund der Unerheblichkeit der behaupteten Tatsache 1293 ff. Ablehnungsgrund des Mangels der Beweisbedürftigkeit der behaupteten Tatsache 1295 ff. Offenkundigkeit (allgemeinkundig oder gerichtskundig) 1295 f. Erwiesenheit 1296 Annahme als wahr, zur Entlastung des Angeklagten 1296 ff. Ablehnungsgrund der Unbrauchbarkeit des angebotenen Beweismittels 1299 ff. Unerreichbarkeit 1299 f. Ungeeignetheit 1300 ff. Behandlung von — auf Vernehmung eines Sachverständigen 1303 ff. Zeugenaussage und Sachverständigengutachten 1303 f. Sachverständiger, Ablehnungsgründe (Unzulässigkeit, Sachkunde des Gerichts) 1304 ff. Pflicht zur Anhörung eines weiteren Sachverständigen (Zweifel an der Sachkunde, unzutreffende tatsächliche Voraussetzungen, Widersprüche, Forschungsmittel) 1306 ff. Notwendigkeit der Zuziehung eines Sachverständigen kraft Gesetzes 1308 Augenschein 1308 ff. Antrag auf Vorführung von Tonbandaufnahmen 1309 f. Anträge auf Vornahme von Handlungen oder Versuchen 1310 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Beweisanträge (Fortsetzung) Revision wegen Verletzung der Aufklärungspflicht und gesetzwidriger Ablehnung von — 1311 ff. keine Ablehnung von — wegen zu späten Vorbringens, Antrag auf Aussetzung 1321 ff. Beurkundung der — im Protokoll 1548 Ablehnung, Prüfung durch das Revisionsgericht 1790 im Privatklageverfahren 2009 f. des Einziehungsbeteiligten 2250, 2264 Beweisaufnahme Beweisverbote 167ff.; s. Näheres unter diesem Wort nach anglo-amerikanischem Recht 135 bei der mündlichen Verhandlung über den Haftbefehl 733 keine Bindung der Gerichte an die gestellten Anträge 980 f. Veranlassung der — durch die StA bei Besorgnis des Verlustes 997 Anträge des Beschuldigten auf — 1008, 1019 Verpflichtung des Amtsrichters zur — über Entlastungsbeweise 1012 f. in der Voruntersuchung 1071 ff. vor Eröffnung des Hauptverfahrens 1095 ff. in der Hauptverhandlung 1179 f., 1256 ff. durch den Vorsitzenden 1225 Fragerecht 1233 ff. Gegenstand der — 1259 f. Arten 1260 f. Notwendigkeit, Anordnung, Reihenfolge 1261 f. Pflicht zur Erforschung der Wahrheit 1262 ff. Erfolglosigkeit der — 1264 f. Überzeugungsbildung unter Verletzung der Aufklärungspflicht 1265 ff. Revision wegen Verletzung der Aufklärungspflicht 1269 f. Verfahren gegenüber Beweisanträgen 1270 ff. Beweisrecht der Beteiligten im Verhältnis zur Aufklärungspflicht des Gerichts 1270 f. Begriff des Beweisantrages 1271 Antragsberechtigte, Zusammenwirken 1271 Zeit, Ort und Form des Antrages 1272 f.

Bew

Unterlage und Inhalt des Antrages (Bezeichnung der Tatsachen und Beweismittel) 1273 ff. mangelhafte Beweisanträge 1275 Beweisermittlungsanträge 1275 ff. Gang der Prüfung 1277 unzulängliche Ablehnungsgründe 1277 f. Erfordernis eines Gerichtsbeschlusses 1279 Bekanntgabe der Ablehnung eines Beweisantrages (Begründung, Urteilsgründe) 1279 ff. Zurücknahme eines Beschlusses 1281 Ausführung eines Beweisbeschlusses 1281 f. Hilfsbeweisanträge 1282 f. Ablehnung von Beweisanträgen aus bestimmten Gründen 1284 ff. Unzulässigkeit der Beweiserhebung 1284 ff. Verschleppungs absieht 1291 ff. Ablehnungsgrund der Unerheblichkeit der behaupteten Tatsache 1293 ff. Mangel der Beweisbedürftigkeit der behaupteten Tatsache 1295 ff. Offenkundigkeit (allgemeinkundig oder gerichtskundig) 1295 Erwiesenheit 1296 Annahme als wahr, zur Entlastung des Angeklagten 1296 ff. Ablehnungsgrund der Unbrauchbarkeit des angebotenen Beweismittels 1299 ff. Unerreichbarkeit 1299 f. Ungeeignetheit 1300 ff. Behandlung von Beweisanträgen auf Vernehmung eines Sachverständigen 1303 ff. Zeugenaussage und Sachverständigengutachten 1303 f. Pflicht zur Anhörung eines weiteren Sachverständigen 1306 ff. Notwendigkeit der Zuziehung eines Sachverständigen kraft Gesetzes 1308 Augenschein 1308 ff. Antrag auf Vorführung von Tonbandaufnahmen 1309 f. Anträge auf Vornahme von Handlungen oder Versuchen 1310 f. Revision (Aufklärungsrüge, gesetzwidrige Ablehnung von Beweisanträgen) 1269 f. 1311 ff. Verpflichtung zur — 1313 ff. 3253

Bew

Sachregister

Beweisaufnahme (Fortsetzung) Voraussetzungen der Vernehmungspflicht, Ladung und Anwesenheit 1314 f. Zeugen und Sachverständige 1315 f. andere herbeigeschaffte Beweismittel 1316 fF. Wegfall der Verpflichtung zur - 1318 ff. Unzulässigkeit der — 1318 Verschleppungsabsicht 1318 Verzicht 1318 ff. Umfang der — bei Einstellung des Verfahrens 1320 keine Ablehnung, nur Aussetzung wegen zu späten Vorbringens 1321 ff. Pflicht zur Vernehmung eines Arztes als Sachverständigen, ärztliche Untersuchung des Angeklagten vor Unterbringung usw. 1323 ff. Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer 1325 ff. Entfernung Angeklagter zum Zwecke wahrer Aussagen 1325 f. Entfernung Angeklagter bei der Vernehmung von Mitangeklagten, Zeugen, Sachverständigen 1327 f. Entfernung Angeklagter nicht bei der Verlesung einer Urkunde 1328 Entfernung wegen ordnungswidrigen Benehmens 1328 Unterrichtung des Angeklagten nach Wiedereintritt 1328 ff. Pflicht der vernommenen Zeugen und Sachverständigen zum Verbleiben an der Gerichtsstelle, Entlassung 1331 f. Urkundenbeweis 1332 ff. Begriff der Urkunden 1333 Begriff der anderen als Beweismittel dienenden Schriftstücke 1333 ff. Verlesbarkeit früher ergangener Strafurteile 133 5 f. Straflisten 1336 Auszüge aus Kirchenbüchern und Personenstandsregistern 1336 Protokoll über die Vornahme des richterlichen Augenscheins 1336 f. Besonderheit beim Beweis durch fremdsprachige Schriften 1338 f. Unzulänglichkeit der bloßen Vorlegung einer Schrift 1339 Entscheidung über das Erfordernis der Verlesung 1339

3254

Ausführung der Verlesung 1339 Beurkundung der Verlesung 1340 formfreier Vorhalt 1340 ff. Gebot der Vernehmung, Verbot der Ersetzung durch Verlesung früherer Vernehmungsprotokolle oder einer schriftlichen Erklärung 1342 ff. Zulässigkeit der Vernehmung eines „Zeugen vom Hörensagen" 1343 f. Zulässigkeit des Gebrauchs einer schriftlichen Aufzeichnung bei der Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen 1346 schriftliche Erklärungen 1346 Verlesbarkeit von Niederschriften über frühere richterliche Vernehmungen eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten 1347 ff. Begriff der Niederschrift über eine frühere richterliche Vernehmung 1349 f. Umfang der verlesbaren Niederschriften 1351 Vernehmung im Ausland 1352 f. Voraussetzungen der Verlesbarkeit von Niederschriften 1353 ff. Unmöglichkeit der Vernehmung in der Hauptverhandlung (Tod, Geisteskrankheit, Unauffindbarkeit) 1353 f. Krankheit, Gebrechlichkeit usw., große Entfernung 13 54 ff. Einverständnis der Beteiligten mit der Verlesung 13 56 f. Verlesung von Niederschriften über nichtrichterliche Vernehmungen und von schriftlichen Erklärungen 1357 ff. unbeschränkter Gebrauch schriftlicher Beweismittel zur Feststellung von Tatsachen, die nicht Grundlage der Sachentscheidung sein sollen 1359f. Verfahren bei der Verlesung (Gerichtsbeschluß, Vereidigung) 1360 ff. Verbot der Verlesung und Verwertung einer früheren Aussage bei Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung 1362 ff. Vernehmung von Verhörsbeamten über die frühere Aussage 1366 f. Verwertung der Niederschrift bei der Vernehmung des Richters 1368 Verwertung anderer Erklärungen des zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen 1368 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Beweisaufnahme (Fortsetzung) Äußerungen gegenübereinem Sachverständigen 1369 Untersuchungs verweigerungsrecht 1369 Verlesung von Vernehmungsniederschriften zur Unterstützung des Gedächtnisses und bei Widerspruch mit der früheren Aussage 13 70 ff. Verlesung von richterlich protokollierten Erklärungen des Angeklagten zum Zwecke der — über ein Geständnis und bei Widerspruch mit der früheren Aussage 1374 fr. formfreier Vorhalt, auf Antrag Protokollierung der Verlesung und ihres Grundes 13 77 f. Verlesung von Erklärungen öffentlicher Behörden, die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthalten 1379 ff. keine Verlesung von Leumundszeugnissen 1383 f. Verlesung von ärztlichen Attesten über Körperverletzungen 1384 f. Vertretung des Gutachtens einer kollegialen Fachbehörde 1386 Befragung des Angeklagten nach jeder Vernehmung und Verlesung 1387 f. Erklärungsrecht 1388 ff. nach dem Schluß der — Schlußvorträge 1390 ff. Umfang der — bei Einstellung des Verfahrens durch Urteil 1415 f. Grundsatz der freien Beweiswürdigung 1416fr.

Geltung auch für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten 1441 ff. in der Berufungsverhandlung 1718 f., 1721 ff., 1774 Revision, Bindung an Feststellungen über die - 1805 f. keine Wiederholung oder Ergänzung durch das Revisionsgericht 1805 in der Revisionsverhandlung 1881 nach Zulassung des Wiederaufnahmeantrages 1946 ff. nach Anordnung der Wiederaufnahme 1951 ff. im Privatklageverfahren 2003,2009 f. Anhangsverfahren 2073 f. Strafbefehlsverfahren 2153, 2184 keine — im Beratungszimmer 2994

Bew

im Verfahren nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3165 f. Beweisbedürftigkeit Ablehnung von Beweisanträgen wegen Mangels der — 1295 ff.; s. Näheres unter Beweisaufnahme Beweisbeschluß Begründung 1262 Ausführung 1281 Beweisergebnisse Anhörung vor Verwertung zum Nachteil 342f., 346 f. Beweiserhebungen Durchführung 361 Anträge auf — im vorbereitenden Verfahren 1008,1012f. Anträge des Beschuldigten auf — nach Abschluß der Ermittlungen 1019 Anordnung einzelner — durch das Gericht vor Eröffnung des Hauptverfahrens 1085, 1095 ff. Antrag des Angeschuldigten auf Vornahme von — nach Mitteilung der Anklageschrift 1092 Durchführung von — vor Eröffnung des Hauptverfahrens 1096 f. Unzulässigkeit von —, allgemein 1284 ff.; s. Näheres unter Beweismittel Wegfall der Verpflichtung zur - 1318 ff. Unzulässigkeit der — 1318 Verzicht a u f - 1318ff. verspätetes Vorbringen, Aussetzung 1321 ff. einzelne — nach Verweisung 1531 f. in der Berufungsverhandlung 1723 f. im Privatklageverfahren 2003 nach Strafbefehlsantrag 2153 des Gerichts vor Entscheidungen bei der Strafvollstreckung 2422 durch Referendare 2609 ff. nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3165 f. Beweiserhebungsverbote Beweisverwertungsverbote und — 170 Beweisermittlungsanträge Begriff 1275 f. Sachdienlichkeit 1276 Anstellung von Versuchen 1276 f. Unterscheidung von Beweisanträgen und - 1304

3255

Bew

Sachregister

Beweisfrage Beratung und Abstimmung 2996 ff. Beweisgründe in den Urteilsgründen 1496 ff. Abstimmung 2997f. Beweiskraft Berichtigungen, die die — des Protokolls nicht berühren 1539 f. ausschließliche — des Protokolls für die Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten 1553 ff. Voraussetzungen der ausschließlichen — des Protokolls 1553 Umfang der — des Protokolls 15 54 f. Wirkung der ausschließlichen — des Protokolls 1555 f. Wegfall der - des Protokolls 1556 unterschiedliche Wiedergabe einer Aussage in Protokoll und Urteil 1806 Beweislast nicht im Strafverfahren 147 f., 980 Beweismethode Verbot 169 Unzulässigkeit 1284 f. Beweismittel Verbot 169 keine Notveräußerung 613 Vernichtung oder Beeinträchtigung 673 des Mittelalters 859 Erhebung von Beweisen, deren Verlust zu besorgen steht 997 Verpflichtung des Amtsrichters zur Beweiserhebung 1012 f. Antrag des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung über Einstellung 1040 Angabe der — in der Anklageschrift 1088 f. Herbeischaffung der — zur Hauptverhandlung 1139 f. Herbeischaffung durch den Vorsitzenden von Amtswegen 1162 f. Arten der - 1260 f. Pflicht des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit, Beweisaufnahme 1262 ff. Bezeichnung der — im Beweisantrag 1274 f. Beweisermittlungsanträge 1275 ff. Unzulässigkeit des — 1284 ff. Austauschbarkeit 1282 Ablehnung von Beweisanträgen wegen Unbrauchbarkeit des angebotenen —, 3256

Unerreichbarkeit oder Ungeeignetheit 1299 ff. Pflicht des Gerichts zur Beweiserhebung bei herbeigeschafften — 1313 ff. keine Ablehnung, nur Aussetzung wegen zu späten Vorbringens 1321 ff. Verlesung der als — dienenden Schriftstücke in der Hauptverhandlung 1332 ff. Angabe der — im Wiederaufnahmeantrag 1939 f., 1943 f. Herbeischaffung der — im Privatklageverfahren durch den Vorsitzenden 2013 Bezeichnung im Strafbefehl 2157 Bezeichnung im Strafverfügungsantrag der Polizei 2196 s. auch Beweisstücke, neue Tatsachen oder Beweismittel Beweismittler Verwendung eines — 537, 542 Beweis recht Allgemein 57 der Beteiligten und Aufklärungspflicht des Gerichts 1270 f. Beweisregeln Unterscheidung von den Beweisverboten 169 f. Bindung an — 1441 Beweissicherung bei vorläufiger Einstellung des Verfahrens 1106 im Abwesenheitsverfahren 1586 ff. Arten des Verfahrens 1587 f. Verteidiger 1589 eidliche Zeugenvernehmung 1589 Benachrichtigung des Abwesenden 1589 nach Eröffnung des Hauptverfahrens 1589 f. Vermögensbeschlagnahme zwecks Gestellung 15 90 ff. Bekanntmachung der Vermögensbeschlagnahme 1591 f. Wirkung der Vermögensbeschlagnahme 1592 Abwesenheitspflegschaft 1592 Aufhebung der Vermögensbeschlagnahme 1592 f. Verfahren nach Abschluß der — 1593 Beweisstücke Beschlagnahme 559f., 593f. Besichtigung durch den Verteidiger 932

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Beweisstücke (Fortsetzung) keine Mitnahme in die Wohnung des Verteidigers 935 s. auch Beweismittel Beweistatsachen Urteilsgründe 1496; s. auch Tatsachen Beweisthema Verbot 169 Unzulässigkeit 1284 f. Beweisverbote Allgemeines 167 ff. Einordnung der — 169 f. Verwertbarkeit von Aussagen unter Verletzung einer Pflicht zur Belehrung über ein Aussageverweigerungsrecht 171 f. aus dem GG 172 f. zur Fernwirkung der — (Aussageverweigerung, Verwertungsverbot, nachträglich eingetretenes —) 173 ff. Einteilung der — nach den Gründen für ihre Aufstellung 177 ff., 1285 Rollenvertauschung 180 f. Verfahrensrechtliches 181 fehlende Aussagegenehmigung 436 Verstöße bei körperlicher Untersuchung und Eingriffen 526 f. bei Beschlagnahme 556f. bei Herausgabe von Beschlagnahmegegenständen 568 bei Vorlage von Behördenakten trotz Sperrerklärung 571 f. bei Beschlagnahmefreiheit 582 gesetzliche Grundlage 1285 f. Beweisverfahrensverbote Begriff 170, 1285 Beweisverfolgungsverbote Begriff 170, 1285 Beweisverwertungsverbote Begriff 170 Beweiswert einer ausländischen Vernehmungsniederschrift 1353 s. im übirgen Beweiswürdigung Beweiswürdigung Vorwegnahme der —, Beweisantragsrecht 156 ff. nachteilige Schlüsse gegen den Angeklagten bei Zeugnisverweigerung 422 Verbot der Vorwegnahme der — bei Beweisanträgen 1278 f.

Bew

Unerheblichkeit der behaupteten Tatsache bei Beweisanträgen 1294 Verlesung von Vernehmungsprotokollen zur Unterstützung des Gedächtnisses und bei Widerspruch mit der früheren Aussage 1374 Entscheidung über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach freier, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpfter Überzeugung (Grundsatz der freien —) 1416ff. Wesen der richterlichen Überzeugung 1417fr. Inbegriff der Verhandlung 1420 ff. Gesamteindruck der Hauptverhandlung 1420 f. außerhalb der Hauptverhandlung erworbene Kenntnisse 1421 f. Aufzeichnungen über die Hauptverhandlung 1422 offenkundige Tatsachen 1423 ff. allgemeinkundige Tatsachen 1423 gerichtskundige Tatsachen 1423 f. Erfahrungssätze 1425 f., 1427 f. Umfang und Grenzen freier — 1426 ff. Wesen der freien — 1426 gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse 1426 f. Einzelfragen 1428 ff. Indizienbeweis 1431 in dubio pro reo 1431 ff. Verfahrensvoraussetzungen 1434 Wahlfeststellung 1434 ff. Fälle alleiniger Tatsachenalternativität 1434 f. gleichwertige Tatbestandsmerkmale 1435 Fälle eines Stufenverhältnisses 1435 ff. Alternativität der Straftatbestände 143 7 ff. Ausnahmen vom Grundsatz der freien — 1440 f. Geltung des Grundsatzes auch für bürgerliche Rechtsverhältnisse, Aussetzung 1441 ff. Vorfragen des öffentlichen Rechts 1442 Urteilsgründe 1498 ausschließliche Beweiskraft des Protokolls für die Beobachtung der Förmlichkeiten, nur Nachweis der Fälschung 1553 ff. Revisibilität der - 1809 ff. Bewirkungshandlungen Begriff 70 f. 3257

Bew

Sachregister

Bewirkungshandlungen (Fortsetzung) der StA, Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3026ff., 3033 Bezeichnung des zuständigen Gerichts durch das gemeinschaftliche obere Gericht 269 des Beschuldigten im Haftbefehl 685 der Heil- und Pflegeanstalt im Unterbringungsbefehl 815 f. des Verfolgten usw. im Steckbrief 838 des Beschuldigten im Vorführungsbefehl 843 f. des Beschuldigten und der Tat im Antrag der StA auf Eröffnung der Voruntersuchung 1055 f. des Angeschuldigten, der Tat usw. in der Anklageschrift 1086 f. Eröffnungsbeschluß 1112 der weiteren geladenen Zeugen und Sachverständigen 1163 ff. der Tatsachen und Beweismittel im Beweisantrag 1273 ff. Beweisermittlungsanträge 1275 ff. der Tat im Urteilsspruch 1407 ff. des Berufs usw. bei Untersagung der Berufsausübung 1412 f. der Tat usw. im Verweisungsbeschluß 1530 der verlesenen Schriftstücke im Protokoll 1544 ff. der Rechtsmittel 1602 f. Unschädlichkeit eines Irrtums in der — des zulässigen Rechtsmittels 1616 ff. irrige — bei der Berufung 1679 f. irrige - bei der Revision 1778 f., 1782 f. Irrtum in der — als Sach- oder Verfahrensrüge 1848 irrige — bei Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts bei Verwerfung der Revision durch Tatrichter 1864 f. der strafbaren Handlung, des Strafgesetzes und der Beweismittel im Strafbefehl 2157 der strafbaren Handlung, des Strafgesetzes und der Beweismittel im Strafverfügungsantrag 2196 des Einziehungsgegenstandes 2293 f. besondere — von Gerichten 2628 Gesetz zur Änderung der — der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte 3081

3258

der Hilfsrichter im Geschäftsverteilungsplan 3096 f. der ehrenamtlichen Richter 3125 Beziehungen zum Beschädigten oder Verletzten, Frage an Zeugen 470 f. Bezirk Gerichts- 229, 231,257 der Gemeinde, Durchsuchung 623 ff. Wohnung des Zustellungsbevollmächtigten im — des Gerichts 716 f. Zuständigkeit zum Erlaß des Haftbefehls 805 f. Vorführung des Festgenommenen 833 Anträge der StA beim Amtsrichter des —, in welchem die beantragte Untersuchungshandlung vorzunehmen ist 1000 Ersuchen des Amtsrichters um Beweiserhebung in einem anderen Amts— 1013 Übertragung der Voruntersuchung auf Amtsrichter innerhalb des Landgerichts- 1065 Eröffnung des Hauptverfahrens durch Gericht höherer Ordnung innerhalb des — 1117 f. Entgegennahme von Rechtsmittelerklärungen durch das Amtsgericht, in dessen — die Haftanstalt liegt 1615 f. Sühneversuch bei verschiedenem Gemeinde- 1999 Vollstreckung von Vermögensstrafen außerhalb des — der Vollstreckungsbehörde 2430 Bestimmung der — der Gerichte 2630 des Amtsgerichts, Vertrauenspersonen im Ausschuß zur Wahl der Schöffen 2750 Zuweisung der Strafsachen für die — mehrerer Amtsgerichte an ein Amtsgericht 2772 ff. Änderung des — 2778 Staatsschutzstrafkammer für OLG— 2788 ff. einer auswärtigen Strafkammer 2798 des Oberlandesgerichts, Bestellung der richterlichen Mitglieder des Schwurgerichts 2806 gemeinsames Schwurgericht für — mehrerer Landgerichte 2817 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135—2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Bezirk (Fortsetzung) Oberlandesgerichte, in deren — die Landesregierungen ihren Sitz haben; Zuständigkeit für Staatsschutzstrafsachen 2822 ff. der StA 2880f. Ersuchen um Rechtshilfe an das Amtsgericht des — der Amtshandlung 2911 örtliche Zuständigkeit des ersuchten Gerichts 2909, 2914 f. Entscheidung des OLG oder BGH über Beschwerde gegen Ablehnung des Rechtshilfeersuchens 2916 ff. Ersuchen um Vollstreckung einer Freiheitsstrafe außerhalb des — der Strafvollstreckungsbehörde 2920 ff. Ersuchen um Ergreifung und Ablieferung des Verurteilten 2922 ff. Amtshandlungen des Gerichts außerhalb seines — 2926 ff. der Beschwerdebehörde, Antrag nach §§23 ff. EGGVG 3042 f. Veränderung der Gerichtsorganisation 3103 f. des Amtsgerichts, VO vom 20. 3. 1935 3142 des Oberlandesgerichts, Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Vollstreckung ostdeutscher Erkenntnisse 3180 s. auch Gerichtsbezirk Bezirksjugendrichter Bestimmung zum — 2772f., 2774 Bezirksrevisor Gelegenheit zur Stellungnahme im Auslagenfestsetzungsverfahren 2477 Bezugnahme des Zeugen auf frühere Aussage 474 auf frühere Aussage des Beschuldigten bei der richterlichen Vernehmung 852 auf andere Schriftstücke bei Antrag des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung über Einstellung 1041 bei Antrag der StA auf Eröffnung der Voruntersuchung 1055 des Berufungsgerichts auf die erstinstanzlichen Urteilsgründe 1491 f., 1774 in den Urteilsgründen auf Schriftstücke, Abbildungen usw. 1814 in der Revisionsbegründung 1849 im Wiederaufnahmeantrag 1940 in der Privatklage 2000

Bin

Bildaufnahmen aus dem Gerichtssaal 163 f., 1180 Billigkeit Niederschlagung usw. von Gebühren und Auslagen aus —gründen 2440 Einziehung, Vernichtung usw., Auferlegung der dem Nebenbeteiligten erwachsenen Auslagen 2558 Bindung des Disziplinargerichts an tatsächliche Feststellungen des Strafurteils 62 keine — des Revisionsgerichts an tatsächliche Feststellungen hinsichtlich Verfahrensvoraussetzungen 84ff.; s. im übrigen Revision, Revisionsgericht Vorabentscheidungen 126 f., 150 des Staatsanwalts an Rechtsprechung 141 ff. des Staatsanwalts an dienstliche Weisungen 145 des beauftragten und ersuchten Richters hinsichtlich der Vereidigung 464 des Amtsrichters an den Antrag der StA auf Aufhebung des Haftbefehls 770 f. an zivil- und öffentlichrechtliche Entscheidungen, Einstellung 978 keine — des Richters an die gestellten Anträge 979 ff. Beschluß über Erhebung der öffentlichen Klage 1047 des Gerichts an Anträge der StA bei Beschlußfassung über Eröffnung des Hauptverfahrens 1106 f. Unzulässigkeit der Beweiserhebung bei — an fremde Feststellungen 1286 f. des Strafgerichts an Entscheidungen anderer Gerichte 1441 ff., 1446 ff. des Strafgerichts an Hoheitsakte von Verwaltungsbehörden 1447 f. an Eröffnungsbeschluß bei Urteilsfindung 1454 ff. an Urteilsfeststellungen bei Beschränkung der Berufung auf den Strafausspruch 1703 ff. des Berufungsgerichts an Entscheidung über sofortige Beschwerde gegen Verwerfung der Berufung wegen Verspätung 1717 keine — durch Verweisung wegen Unzuständigkeit im Berufungsurteil 1734 der Verweisung an das zuständige Revisionsgericht 1870 3259

Bin

Sachregister

Bindung (Fortsetzung) durch das Revisionsurteil 1910 f. keine — an Zulassung des Wiederaufnahmeantrags 1950 der StA an Einstellungsurteil im Privatklageverfahren 2027 f. des Richters an den Strafbefehlsantrag 2148 f. Vorschlag zum Strafmaß im Strafverfügungsantrag 2199 Kosten und Auslagen, — des Beschwerdegerichts an die tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts 2460 ff. des Gerichts an die Kostenvereinbarung im Vergleich 2543 des Richters an das Gesetz 2601 ff. des Richters an Vorentscheidungen, Rechtsgrundsätze 2604 f. an Niederschlagung durch anderes Land 2627 f. keine Verlegungspflicht des OLG bei verfahrensrechtlicher — an seine abweichende Auffassung 2846 des OLG an Rechtsauffassung des BGH nach Vorlegung 2849 des Großen Senats beim BGH an Vorlegung 2862 der erkennenden Senate an Entscheidung des Großen Senats 2864 keine — an die Auffassung des das Rechtshilfeersuchen wegen örtlicher Unzuständigkeit abgebenden Gerichts 2915 an den Mehrheitsbeschluß bei der Abstimmung 2999 f. an Rahmenvorschriften für Richter im Landesdienst 3135 ff. des Präsidiums an Vorschlagslisten für Dienstgericht 3139 an Entscheidungen und Verfügungen nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3181 f., 3182f. Binnenschiffahrtsgesetz Gerichtsstand 227 f. Rheinschiffahrtsgerichte 2635 Moselschiffahrtsgerichte 2636 Zuständigkeitskonzentration bei einem Amtsgericht 2775 Revision 2830

3260

Binnenschiffe strafbare Handlung auf einem —, Gerichtsstand 238 f. Blatt deutsches oder ausländisches —, öffentliche Zustellung 374 Blindheit Mitwirkung eines blinden Richters 1828 Blutentnahme körperliche Untersuchung zur Feststellung von für das Verfahren bedeutsamen Tatsachen 519 ff. durch einen Arzt 523 Anordnung der — 525 Voraussetzungen der Zulässigkeit 534 f. Blutprobe als körperlicher Eingriff 519ff., 523, 525, 534 f. s. auch Blutentnahme Börsenwesen Gesetze über das —, Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer 2793 f. Bordfunkstellen Beschlagnahme von Telegrammen 598 Bremen Nachkriegsrecht 18 f. Zeugnisverweigerungsrecht der Presse 429 Sühneverfahren 1994 Strafverfügungen 2192 Unterbringung gemeingefährlicher Geisteskranker 2209 Ausführungsgesetz zum GVG 2593 Begnadigung 2626 Gerichtsorganisationsgesetz 2778 Zuständigkeitskonzentration für Wirtschaftsstrafsachen 2794 Staatsschutzstrafsachen, Zuständigkeit 2826 Hilfsbeamte der StA 2898 Tätigkeit von Polizeibeamten anderer Länder 2929 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG, Vorschaltverfahren 3039 Richtergesetz 3058 Justizausbildung 3065 Richterwahlausschuß 3075 Richteranklage 3100 f. VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. 3. 1935 3142

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Briefannahmestelle Fristen, Empfangsberechtigung 378 gemeinsame — 1685 Briefe Postbeschlagnahme, Auskunft 598 ff., 601 ff., 612 Beschränkung des —Verkehrs in der Untersuchungshaft, —kontrolle 749 ff. als Beweismittel 1288 f. Anhalten von — Strafgefangener 2323 Beschränkung des —Verkehrs, Antrag nach §§ 23 fT. EGGVG 3025 Briefgeheimnis Beschränkung durch Gesetz vom 13. 8. 1968 29 Einschränkung des — in der Untersuchungshaft 749 Verletzung des —; Privatklage 1964, 1992 ff. bei Auskunftsverlangen der StA 1998 s. auch Briefe Briefkästen Bereithalten von —, Nacht— 377f. Einwurf in den Haus—, Eingang 1625 Briefkontrolle in der Untersuchungshaft 749 ff. im Strafvollzug 2323 Briefwahl Wahl des Präsidiums 2658f. Brusthöhle Öffnung 549 Buchprüfer Zeugnisverweigerungsrecht 426 Hilfspersonen 433 f. Beschlagnahmefreiheit 575 f. Bücher Bezug durch Untersuchungsgefangene 754 Bücherrevisoren Zeugnisverweigerungsrecht 426 Hilfspersonen 433 f. Beschlagnahmefreiheit 575 f. Bürge Haftverschonung 715 f. Freigabe der Sicherheit 794 Bürgerliches Recht, Rechtsverhältnis Einstellung nach fruchtlosem Ablauf der Frist zur Austragung einer nach — zu behandelnden Frage 978f. Beurteilung eines —, Aussetzung 1441 ff. Bürgermeister Sühneversuch 1993

Bun

Bund Aufteilung der Gerichtsbarkeit zwischen Gerichten des — und der Länder 2614 Strafgewalt, Strafverfolgungsrecht 2615 f., Begnadigungsrecht 2361 f., 2624 f. Gerichtsbarkeit in Staatsschutzstrafsachen 2826 f., 2877 Interessen des —, Abgabe an Landesstaatsanwaltschaft 2879 Deutsches Richtergesetz 305 7 ff. Dienstgericht 3129 ff. Bundesanwalt Amtsbezeichnung 2872f. Dienstaufsicht durch den Bundesjustizminister 2889 beamtenrechtliche Stellung 2890 Ernennung 2891 f. Befähigung zum Richteramt, Disziplinarverfahren 3140 f. Bundesanwaltschaft Amtsbezeichnungen 2872 f. Zuständigkeit 2873 Aufsicht und Leitung 2889 beamtenrechtliche Stellung des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte 2890 Ernennung des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte 2891 f. Bundesanzeiger Veröffentlichung der Vermögensbeschlagnahme 1585,1592,2303 Bekanntmachung der Urteilsaufhebung im Wiederaufnahmeverfahren 1954 Bundesarbeitsgericht Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte 2834 Bundesbahn Beschlagnahme von Telegrammen 598 Anträge auf Erlaß von Strafverfügungen von —Polizeibehörden 2193 Bundesbeamte Wiederaufnahmeverfahren, Amtsverlust 1957 Begnadigung, Amtsverlust 2618 ff. Abordnung 3108 Geltung von Vorschriften für Richter im Bundesdienst, Deutsches Richtergesetz 3057,3125 Bundesdienst Richter i m - 3 1 2 5 f. 3261

Bun

Sachregister

Bundesdienst (Fortsetzung) Geltung der Vorschriften für Bundesbeamte 3125 Bundespersonalausschuß 3126 Eintritt in den Ruhestand 3126 Bundesdisziplinaranwalt Generalbundesanwalt 3132 f. Bundesdisziplinargerichtsbarkeit Dienstgericht des Bundes 3129 f. Zuständigkeit des Dienstgerichts 3130 ff. Geltung der Vorschriften der Bundesdisziplinarordnung 3132 f. Bundesdisziplinarordnung Aussetzung eines Disziplinarverfahrens 62 Gnadenerweis 2619 Dienstgericht des Bundes 3129 f. Geltung d e r - 3 1 3 2 f. Bundesentschädigungsgesetz Ergänzungen des Gerichtsstandes 229, 253 Bundesfinanzhof Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte 2834 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Gebühren des Pflichtverteidigers 2464 Erstattungsfähigkeit der gesetzlichen Gebühren und Auslagen 2469 f. vereinbarte Honorare 2469 Bestimmung der gesetzlichen Gebühr 2470 Feststellung der Angemessenheit der Gebühr 2470 f. Mittelwert 2471 Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer 2472 Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse 2472 auswärtiger Rechtsanwalt 2472 Verteidigung von Mitangeklagten durch den selben Verteidiger 2473 mehrere Verteidiger 2473 f. Rechtsanwalt als Verteidiger oder Vertreter in eigener Sache 2474 Bundesgerichte Ausübung der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit 2628 ff. Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten —, Divergenzausgleichsmaßnahmen 2834 f.; s. Näheres unter Abweichung 3262

Mindestalter für Übertragung eines Richteramts 3064 Berufung der Richter 3075 Eintritt in den Ruhestand 3126 Dienstgericht 3129 ff. Bundesgerichtshof Übernahme der Aufgaben des Reichsgerichts 21 Bestimmung des Gerichtsstandes durch den-252ff. örtliche Unzuständigkeit durch Zurückverweisung 269 Entscheidung über Ablehnungsgesuch 316 Ermittlungsrichter des —, Tätigkeit im vorbereitenden Verfahren 894, 1014 f. Bestellung der Ermittlungsrichter und Geschäfts Verteilung 1015 kein Rechtsmittel gegen Entscheidungen des - 1646 Ausübung der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit 2628 ff. allgemeine Vorschriften über Präsidium und Geschäftsverteilung 2651 ff. Zusammensetzung des Präsidiums 2654f.; s. im übrigen unter Präsidium Wahl des Präsidiums, Entscheidung über Wahlanfechtung 2663 f. Bestellung der Ermittlungsrichter 2668, 2853 Vorsitz in den Senaten 2688 ff. Zuständigkeit für Staatsschutzstrafsachen 2822 f. Zuständigkeitsstreit zwischen — und OLG 2831 Begründung der Revisionszuständigkeit durch Landesrecht 2831 Revisionszuständigkeit des OLG, Vorlegungspflicht 2833 ff.; s. Näheres unter Oberlandesgericht Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte 2834 Prüfung der Vorlegungsvoraussetzungen 2847 f. weitere Behandlung der vorgelegten Sache 2848 f. Errichtung des — 2850 f. Zuständigkeit 2851 Sitz 2851 Besetzung 2851 f. Verwendung von Hilfsrichtern 2851 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Bundesgerichtshof (Fortsetzung) Berufung und Ernennung der Mitglieder 2852 Bildung von Zivil- und Strafsenaten 2852 f. Errichtung und Aufhebung auswärtiger Senate 2853 Großer Senat für Zivilsachen und Großer Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate 2853 f. Revisionszuständigkeit 2855 Beschwerdezuständigkeit 2855 f. Anrufung des Großen Senats oder der Vereinigten Großen Senate bei beabsichtigter Abweichung von einer Entscheidung in einer Rechtsfrage (Anfrage, Feriensenat, Identität der Rechtsfrage) 2856 ff. Anrufung des Großen Senats in einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (Fortbildung des Rechts, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) 2860fF. Verfahren vor den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten 2863ff. Besetzung der Senate 2865 Geschäftsordnung 2865 f. StA b e i m - 2 8 7 1 ff. Geschäftsstelle 2900 f. Gerichtsvollzieher 2901 f. Entscheidung über Rechtshilfeersuchen, Beschwerde 2917 f. Übertragung der Gerichtsbarkeit auf den — durch die Landesgesetzgebung 3008 Vorlegung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG 3050 f. Niederlegung der abweichenden Ansicht 3119 Dienstgericht 3129 f. Bundesgesetze Straffreiheitsgesetze, Verfassungsmäßigkeit 2624 f. Sondergerichte 2632 Übertragung der Gerichtsbarkeit durch - 3 0 0 8 f. Deutsches Richtergesetz 3057 ff. Ernennung zum Richter auf Zeit 3071 Besetzung der Gerichte 3094 f. Rechts- oder Amtshilfe nicht im Widerspruch zum Zweck eines —, Gesetz

Bun

über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3152 ff., 3158 ff. Bundesjagdgesetz Hilfsbeamte der StA 2898 Bundesjustizminister Berufung der Mitglieder des BGH 2852 Bestimmung der Zahl der Senate beim BGH, Bildung von auswärtigen Senaten 2852 f. Dienstaufsicht über den Generalbundesanwalt und die Bundesanwälte 2889 Geschäftsstelle beim BGH 2900 f. Gerichtsvollzieher beim BGH 2901 f. Bundespersonalausschuß 3126 Dienstgericht, Disziplinarverfahren gegen Staatsanwälte 3140 f. Bundeskriminalamt Einrichtung 30 Sachverständige, Ablehnung 495 Münzdelikte 550 Strafverfolgung 2880 Hilfsbeamte der StA 2898 Nacheile 2928 Bundeskriminalblatt Vollstreckungssteckbrief, Veröffentlichung 2398 Bundes kriminalstatistik Zählkarten zur Aufstellung der — 2325 Bundespersonalausschuß in Angelegenheiten der Richter 3126 Bundespost Beschlagnahme bei der — 598 Überwachung und Aufnahme des Fernmeldeverkehrs auf Tonträger 607, 610 Beteiligung an einer Durchsuchung 626 Bundespräsident Vernehmung als Zeuge 406 f. Zeugnisverweigerungsrecht 437 Nebenklagebefugnis 2048 Begnadigungsrecht 2624 Anklage gegen den — 2633 f. Nichtberufung zum Schöffenamt 2740 Ernennung der Mitglieder des BGH 2852 Ernennung des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte 2891 f. Ernennung der Richter im Bundesdienst 3075 Bundesrat Mitglieder des — als Zeugen, Vernehmungsort 407 f. Mitglieder des —, Ablehnung der Berufung zum Schöffenamt 2742 f. 3263

Bun

Sachregister

Bundesrat (Fortsetzung) Bestätigung der Geschäftsordnung des BGH 2865 f. Zustimmung zum Ernennungsvorschlag des Bundesjustizministers für Generalbundesanwalt und Bundesanwälte 2891 f. Bundes rechnungshof Dienstgericht 3129 f., 3140 Bundesrecht Aussetzung und Vorlage ans BVerfG bei Zweifeln, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des — ist 1449 Fortgelten von Recht als — 1449 Inkrafttreten der StPO, Verdrängung der Landesrechte durch — 2588 Gerichtsverfassungsrecht 2593 Sondergerichte 2632 Zuständigkeit des OLG, Vorlegungspflicht 2830 ff., 2837, 2840 f., 3050 VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung von 20. 3. 1935 3142 Bundes rechtsanwaltsordnung Organ der Rechtspflege 876 allgemeiner Vertreter eines Rechtsanwalts 879 Zulassung als Rechtsanwalt 883 f., 896 Bestellung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger, allgemeiner Vertreter 914 f. Ungebühr 924 Bundesregierung Sitz der — als Gerichtsstand für exterritoriale Deutsche usw. 240 Vernehmungsort für Zeugenvernehmung 407 f. Zeugnisverweigerungsrecht 437 Vernehmung als Sachverständige 503 Nichtberufung zum Schöffenamt 2740 Richter als Mitglied der - 3106 f. Bundesrepublik Deutschland Rechtsentwicklung 20 ff. bei den Gerichten der — zugelassene Rechtsanwälte und Rechtslehrer an Hochschulen der — als Verteidiger 884 Absehen von der Verfolgung bei Gefahr eines schweren Nachteils für die — 964 Begriff des Inlands 1568 Geltungsraum der StPO 2585 als einheitliches Rechtspflegegebiet 2614 f. bei der — beglaubigte diplomatische Vertretungen, Exterritorialität 2647

3264

Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe 3148ff.; s. Näheres unter Rechtshilfe, Gesetz Bundesrichter Änderung der Amtsbezeichnung 3081 ff. s. im übrigen Richter am Bundesgerichtshof Bundesschuldenverwaltung Münzdelikte 550 Bundessozialgericht Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte 2834 Bundesstrafregister s. Bundeszentralregister Bundestag Vernehmungsort für Mitglieder des — als Zeugen 407 f. Zeugnisverweigerungsrecht 428 f. Genehmigung zur Strafvollstreckung gegen —abgeordnete 2327 s. auch Bundestagsabgeordnete Bundestagsabgeordnete Eigenschaft als — als Verfahrenshindernis 122 f. als Zeugen, Vernehmungsort 407 f. Zeugnisverweigerungsrecht 415,428f. Maßregeln wegen Zeugnis- oder Eidesverweigerung 481 Strafvollstreckung 2327 f. Ablehnung der Berufung zum Schöfifenamt 2742 f. Ordnungsstrafen wegen Ungebühr 2962 f. Richterais - 3 1 0 6 f . s. auch Abgeordneter, Bundestag, Immunität Bundesverfassungsgericht Überprüfung von Strafentscheidungen 30 Entscheidung als „neue Tatsache" 110 Zurückverweisung 227 Entscheidung betr. Haftverschonung bei Verbrechen wider das Leben 712 Entscheidung betr. Bindung an die Untersuchungshaftvollzugsordnung 740 keine Pflichtverteidigung im Normenkontrollverfahren 899 Anrufung im Zwischenverfahren 1099 f. Aussetzung und Vorlage beim — 1448 ff., 1796 richterliches Prüfungsrecht auf Verfassungsmäßigkeit 1795 f. Entscheidung betr. Strafvollzug 2321

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Bundesverfassungsgericht (Fortsetzung) für nichtig erklärtes Gesetz, keine Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung 2402 Entscheidungsmonopol des — bei Annahme der Unwirksamkeit eines Gesetzes 2603 Verfassungswidrigkeit, konkrete Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 GG) 2604 Vorlegung nach Art. 100 Abs. 2 GG (Regeln des Völkerrechts) 2604 Entscheidung des — nach Art. 126 G G (Fortgelten von Recht als Bundesrecht) 2604 Anklage gegen den Bundespräsidenten, Richteranklage 2633 f. Entziehung des gesetzlichen Richters 2645 Mindestalter für Übertragung eines Richteramts 3064 Versetzung und Amtsenthebung, Richteranklage 3099 Minderheitsvotum 3117 f. beschränkte Geltung des Deutschen Richtergesetzes 3135 Richter des - 3135 Rechtsstaatswidrigkeit ostdeutscher Normen 3168 Bundesverfassungsgerichtsgesetz Rechtsfehlerhaftigkeit des Urteils als Wiederaufnahmegrund 197 Vorlegung wegen Verfassungswidrigkeit 2604 Bundesverwaltungsgericht Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte 2834 Bundeswehr Zustellung 368 Beschlagnahme in Einrichtungen der — 591 Durchsuchung 624 ff. Strafvollzug 2325,2350 Wehrstrafgerichte, oberstes Bundesgericht 2855 Bundeszentralregister Justizverwaltungsakte auf dem Gebiet der Strafrechtspflege 66 f. Tilgung, Auskunftsverweigerungsrecht des verurteilten Zeugen 472 Verlesung von Auskünften 1336 Mitteilungen zum — 2325

Büß

Steckbriefnachricht, Suchvermerk, Niederlegung 2399 Maßnahmen, keine Gnadenakte 2624 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3022, 3043 Beschwerde gegen ablehnende Entscheidungen 3042 Auskünfte auf ostdeutsche Ersuchen 3160 strafgerichtliche Verurteilungen durch Gerichte außerhalb der Bundesrepublik Deutschland 3175 f. Mitteilung der Entscheidungen und Verfügungen über Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Vollstreckung 3177 s. auch Bundeszentralregistergesetz, Erziehungsregister Bundeszentralregistergesetz (BZRG) keine Erörterung getilgter oder tilgungsreifer Vorstrafen 1254 Auskünfte aus dem Bundeszentral- und dem Erziehungsregister 1336 Buße Beschränkung der Berufung 1709 Verschlechterungsverbot 1773 Antrag auf Zuerkennung einer — 2081 f., 2555 f. Festsetzung durch Strafbefehl 2134 f., 2136 Bußgeldbescheide, Bußgeldverfahren (OWiG) Strafverfahren und —, allgemein 31 ff. Rechtshängigkeit 105 sachliche Zuständigkeit der Behörde 130 Wiederaufnahme des Verfahrens 1926 materielle Rechtskraft 2171 f. Vollstreckung 2324 f., 2327 Kosten 2440 Auslagenerstattung bei Einstellung 2520 keine Strafsache 2586 Zuständigkeit und Geschäftskreis der Amtsgerichte 2728 Verweigerung der Amtshilfe 2904 s. auch Ordnungswidrigkeiten, Gesetz

3265

Car

Sachregister

c Carolina s. Constitutio criminalis Carolina Charaktereigenschaften Erforschung der — des Beschuldigten 997 Chemiker Zuziehung bei Verdacht der Vergiftung 549 Untersuchung eines Schriftstücks 551 Constitutio criminalis Carolina peinliche Frage 859, 871

D Darbieten der gesetzlichen Entschädigung bei unmittelbarer Ladung 1157 Dauer des Strafaufschubs 2383, 2385 Geschäftsverteilungsplan für die — des Geschäftsjahres 2674 des richterlichen Probedienstes 3071 f. der Verwendung als Richter kraft Auftrags 3074 s. im übrigen unter Zeit Dauerstraftat Begriff 114 f. Abweichung von der zugelassenen Anklage 1465 Beschränkung der Berufung 1703, 1729 Verschlechterungsverbot 1757 Delikte Einteilung und Einordnung 207 Deliktsgegenstände keine Beschlagnahmefreiheit 579 Denkgesetze Normen ungeschriebenen Rechts? 1794 Verstoß gegen —, Prüfung durch das Revisionsgericht 1811 f. Depotwesen Gesetze über das —, Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer 2793 f. Deutsche Gerichtsstand der exterritorialen — 240 Absehen von der Verfolgung von Auslandstaten 962 Auslieferung und Ausweisung 975 f. Exterritorialität 2649 f. 3266

nur — als Schöffen 2734 als Berufsrichter 3069, 3077, 3085 Deutsche Bundesbank Münzdelikte 550 Deutsche Demokratische Republik (Sowjetische Besatzungszone Deutschlands) Wirksamkeit von Strafurteilen 198 ff. Verlesung von Vernehmungen der — 444, 1352 f. Rechtsanwälte und Rechtslehrer der — nicht als Verteidiger 884 Absehen von der Verfolgung von Auslandstaten 963 Absehen von der Verfolgung bei Auslieferung und Ausweisung 976 Abwesenheitsverfahren, — als Inland 1568 Sicherheitsleistung als Privatkläger 1984 f. Vollstreckungshilfe 2351 Absehen von der Vollstreckung bei Auslieferung und Ausweisung 2387 f. Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung 2403 Geltungsraum der StPO 2585 Deutschland als einheitliches Rechtspflegegebiet 2616 keine Anwendung der Straffreiheitsgesetze auf Strafen der — 2625 Verbindlichkeit von Gnadenmaßnahmen 2625 f. Bindung an Niederschlagung 2627 Klagen gegen die — 2648 Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe 3148 ff.; s. Näheres unter Rechtshilfe, Gesetz Deutsches Gericht bei einem — zugelassene Rechtsanwälte als Verteidiger 884 Deutsches Land Wohl eines —, Zeugnisverweigerungsrecht 437 Wohl eines —, Verweigerung der Vorlage von Akten 5 69 ff. Deutsche Sprache als Gerichtssprache 2977 f. der — nicht Mächtige, Zuziehung eines Dolmetschers 2978 ff. Eidesleistung in fremder Sprache 2983 Deutsches Reich Inkrafttreten der StPO und des GVG 2585

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Deutsches Reich (Fortsetzung) Weiterbestehen 2585, 3148 Geltungsbereich der Gesetze 2585 Deutsches Richtergesetz Strafprozeß und Justizverwaltung 63, 64 Rechtsstellung der Richter 2594 Unabhängigkeit und Dienstaufsicht 2599, 2605 ff. Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare 2609 ff. Vorsitzender des Schöffengerichts 2730 Mitglieder des BGH 2852 beamtenrechtliche Stellung der Staatsanwälte 2890 f. Vorbemerkung 3057 f. Richteramt in Bund und Ländern 3059 ff. Berufsrichter und ehrenamtliche Richter 3059 Geltung für Berufsrichter 3059 Dienstherr 3059 unvereinbare Aufgaben 3060 ff. Aufgaben der Gerichtsverwaltung 3060 f. Aufgabenzuweisung durch Gesetz 3062 Aufgaben der Forschung und Lehre, Prüfungsangelegenheiten 3062 Erwerb der Befähigung zum Richteramt 3063 f. Prüfungen, Studium 3063 f. Anerkennung ausländischer Prüfungen 3063 Mindestalter 3064 Vorbereitungsdienst 3064 f. Ländervorschriften über die Juristenausbildung 3065 Zulassung zum Vorbereitungsdienst 3065 Vorverlegung von Prüfungsteilen 3066 f. Anrechnung von Leistungen im Vorbereitungsdienst bei der großen Staatsprüfung 3067 Anerkennung von Prüfungen in anderen Bundesländern 3067 f. Wiederholung von Prüfungen 3068 Universitätsprofessoren 3068 Richterverhältnis 3069 ff. Rechtsformen des Richterdienstes 3069 Voraussetzungen für Berufungen 3069 Ernennung auf Lebenszeit 3070 Ernennung auf Zeit 3071 Ernennung auf Probe 3071 f. Bezeichnung der Richter auf Probe 3071 f. Dauer des richterlichen Probedienstes 3072

Deu

Verwendung der Richter auf Probe 3072 Ernennung zum Richter kraft Auftrags, Wirkungen auf das Beamtenverhältnis 3073 f. Dauer der Verwendung als Richter kraft Auftrags 3074 Ernennung durch Urkunde 3074 ff. Richterwahlausschuß 3075 f. Nichtigkeit der Ernennung (gerichtliche Feststellung) 3077 f. Rücknahme der Ernennung 3079 ff. Amtsbezeichnungen 3081 ff. allgemeines Dienstalter 3084 f. Entlassung aus dem Dienstverhältnis 3085 ff. Entlassungsgründe 3086 f. gerichtliche Feststellung der Entlassung 3087 Entlassung eines Richters auf Probe 3087 f. Entlassung eines Richters kraft Auftrags 3088 Beendigung des Dienstverhältnisses durch richterliche Entscheidung 3088 f. Unabhängigkeit des Richters 3089 ff. Dienstaufsicht (Antrag des Richters auf gerichtliche Entscheidung) 3089 ff. Übertragung eines weiteren Richteramts bei einem Gericht 3093 f. Besetzung der Gerichte mit Richtern auf Lebenszeit (Vorsitz) 3094 f. Besetzung der Gerichte mit Richtern auf Probe, Richtern kraft Auftrags und abgeordneten Richtern 3096 f. Versetzung und Amtsenthebung 3098 ff. Versetzung im Interesse der Rechtspflege 3101 f. Veränderung der Gerichtsorganisation 3103 f. Belassung des vollen Gehalts 3104 Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfahigkeit 3104 f. vorläufige Untersagung der Amtsgeschäfte 3105 Mitgliedschaft in einer Volksvertretung oder Regierung 3106 f. Abordnung 3107 ff. besondere Pflichten des Richters 3110 ff. Richtereid 3110 Wahrung der Unabhängigkeit 3110 f. Schiedsrichter und Schlichter 3111 Rechtsgutachten, Rechtsauskünfte 3112 3267

Deu

Sachregister

Deutsches Richtergesetz (Fortsetzung) Nebentätigkeiten m der Rechtspflege 3112fF. Beratungsgeheimnis 3115 ff. die Geheimhaltungspflichtigen 3115 Wesen und Zweck des Beratungsgeheimnisses 3115 f. Sondervotum 3116 ff. Zulässigkeit literarischer Erörterung von Rechtsfragen durch den überstimmten Richter 3119 nicht zur Kenntnisnahme Dritter bestimmtes Sondervotum 3119 Ausnahmen vom Beratungsgeheimnis 3119 ff. Folgen der Verletzung des Beratungsgeheimnisses 3122 ehrenamtliche Richter 3122 ff. Bestellung und Abberufung des ehrenamtlichen Richters 3123 f. Unabhängigkeit und besondere Pflichten des ehrenamtlichen Richters 3124 Bezeichnung des ehrenamtlichen Richters 3125 Richter im Bundesdienst 3125 ff. Geltung des Bundesbeamtenrechts 3125 Bundespersonalausschuß in Angelegenheiten der Richter 3126 Eintritt in den Ruhestand 3126 Richtervertretungen 3127 ff. Richterrat und Präsidialrat 3127 Zusammensetzung, Wahl und Aufgaben des Richterrats 3127 gemeinsame Aufgaben von Richterrat und Personalvertretung 3127 Bildung und Aufgabe des Präsidialrats 3127 f. Einleitung der Beteiligung 3128 Stellungnahme des Präsidialrats 3128 f. Geschäftsführung, Rechtsstellung der Mitglieder der Richtervertretungen 3129 abgeordnete Richter, Richtervertretung 3129 Rechtsweg in Angelegenheiten der Richtervertretungen 3129 Dienstgericht des Bundes 3129 ff. Verfassung des Dienstgerichts 3129 f. Zuständigkeit des Dienstgerichts 3130 ff. Disziplinarverfahren 3133 Disziplinarstrafen 3133 Versetzungsverfahren 3133 f. 3268

Priifungsverfahren 3134 Urteilsformel im Prüfungsverfahren 3134 f. Aussetzung von Verfahren (Maßnahme der Dienstaufsicht) 3135 Richter des Bundesverfassungsgerichts, beschränkte Geltung des Gesetzes 3135 Bundesrichter als Richter des Bundesverfassungsgerichts 3135 Richter im Landesdienst 3135 ff. Bindung an Rahmenvorschriften 3135 f. Versorgung 3136 Bildung des Richterrats 3136 f. Aufgaben des Richterrats 3137 Bildung des Präsidialrats 3137 Aufgaben des Präsidialrats 3137 Altersgrenze 3138f. Errichtung von Dienstgerichten 3139 f. Zuständigkeit des Dienstgerichts 3139 f. Staatsanwälte 3140 f. s. auch Richter, Staatsanwälte Deutschland Einheit des Rechtspflegegebiets 2616, 3148 s. auch Deutsches Reich, Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (Sowjetische Besatzungszone Deutschlands) Devisenbewirtschaftungsgesetze Zuständigkeit der Wirtschaflsstrafkammer 2793 f. Hilfsbeamte der StA 2898 Devisenrechtliche Genehmigung für Zeugengeld 482 Devolutions- und Substitutionsrecht der ersten Beamten der StA 2882 ff. Devohitivwirkung von Rechtsmitteln 1600 der sofortigen Beschwerde 1634 Dialekte Gerichtssprache 2977 Diebstahl Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer 2793 f. Dienstalter Verhinderung des Vorsitzenden, Vertretung 2697 f. Präsident oder aufsichtführender Richter, Vertretung 2702 f. Abstimmung der Richter nach dem — 3002

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Dienstalter (Fortsetzung) allgemeines — eines Richters 3084 f. Dienstaufsicht über Richter usw. 63, 64 über Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde 2345 f. allgemeine - 2598 ff., 3089 ff. Entwicklung und Bereich der richterlichen Unabhängigkeit 2598 f. Weisungsgebundenheit bei Geschäften außerhalb der richterlichen Gewalt 2599 Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit 2599 f. sachliche Unabhängigkeit 2599 f. persönliche Unabhängigkeit 2600 Unterwerfung der Richter unter das Gesetz 2601 ff. Unabhängigkeit und — 2605 ff. Befugnisse der — 2605 Vorhaltung der ordnungswidrigen Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts 2605 f. Gegenstand der Vorhaltung 2606 f. offensichtliche Nachlässigkeiten und Rechtsfehler 2607 zulässige und unzulässige Maßnahmen d e r - 2 6 0 7 f. Ermahnung zu ordnungsgemäßer Erledigung der Amtsgeschäfte 2608 Rechtsbehelf gegen Maßnahmen der — 2608 f. Unabhängigkeit und disziplinarische Verantwortlichkeit 2609 über Mitglieder des Präsidiums 2669 f. beim Amtsgericht 2708 f. als Aufgabe der Justizverwaltung 2709 Vorsitz in einem aus allen wählbaren Richtern bestehenden Präsidium 2711 f. Vertreterbestellung bei Amtsgerichten, über die der Präsident eines anderen Amtsgerichts die — ausübt 2713 f. beider StA 2889 f. keine Übertragung der — über Richter auf Staatsanwälte 2892 Geschäft der Justizverwaltung 3009 Rücknahme der Übertragung der — 3098 Zuständigkeit des Dienstgerichts 3132, 3139 f. Aussetzung von Verfahren 3135 VO vom 20.3. 1935 3143 f r

Die

Dienstaufsichtsbeamte Zutritt zu nicht öffentlichen Verhandlungen 2951 Dienstaufsichtsbehörde Dienstaufsicht über Richter 3089 ff. Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Anordnung der körperlichen Untersuchung oder körperlicher Eingriffe durch die StA oder ihre Hilfsbeamten 526, 536 bei Nichtvorlegung von Behördenakten 569 gegen Anordnungen der Anstaltsbeamten über Vollzug der Untersuchungshaft 761 bei Verfahrenseinstellung 970 gegen Fristsetzung zur Austragung von Vorfragen 978 Klageerzwingungsverfahren 1031, 1033 gegen Verneinung des öffentlichen Interesses bei Privatklagedelikten 1974, 1976 gegen Ablehnung des Strafaufschubs 2385 gegen Vollstreckungsreihenfolge 2391 gegen Versagung des Aufschubes der Untersagung der Berufsausübung 2394 wegen Auslegung eines Strafurteils, Strafzeitberechnung, Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung usw. 2400 gegen Kostenansatz 2438 Entscheidung über — gegen die StA 2889 wegen Verweigerung der Vollstreckung in einem anderen deutschen Land 2919 wegen Ablehnung des Ersuchens an die StA um Ergreifung und Ablieferung des Verurteilten 2923 wegen Ablehnung der Aktenmitteilung durch Behörde eines anderen Landes 2931 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3027 f., 3039 in Justizverwaltungsangelegenheiten, VO vom 20. 3. 1935 3147 Dienstbehörde Beteiligung des Präsidialrats 3128 Prüfungsverfahren des Dienstgerichts auf Antrag der — 3131 Disziplinarverfahren 3133 Versetzungsverfahren 3133 f. Prüfungsverfahren 3134 3269

Die

Sachregister

Dienstbehörde (Fortsetzung) Entsendung eines Vertreters zur Sitzung des Präsidialrats 3138 Dienstbezeichnung der Richter bei Beschlüssen 339 Dienstgebäude Beschlagnahme in einem — der Bundeswehr 591 Durchsuchung 624 ff. Dienstgerichte Anrufung gegen Maßnahmen der Dienstaufsicht 2608 f. Entlassung des Richters auf Probe 3071 Verwendung des Richters auf Probe 3072 Feststellung der Nichtigkeit der Ernennung 3078 Rücknahme der Ernennung 3079, 3081 Feststellung der Entlassung 3086 f. Entscheidung über Maßnahme der Dienstaufsicht 3089 ff. Versetzung und Amtsenthebung 3099 Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfahigkeit 3105 vorläufige Untersagung der Amtsgeschäfte 3105 f. des Bundes 2856, 3129 ff. Verfassung 3129 f. Zuständigkeit 3130 ff. Disziplinarverfahren 3133 Disziplinarstrafen 3133 Versetzungsverfahren 3133 f. Prüfungsverfahren 3134 Urteilsformel im Prüfungsverfahren 3134 f. Aussetzung von Verfahren (Maßnahme der Dienstaufsicht) 3135 der Länder. Errichtung 3139f. Zuständigkeit 3139f. Disziplinarverfahren gegen Staatsanwälte 3140 f. Dienstherr der Richter 3059 mehrere — 3086 Dienstleistungsbericht richterliche Unabhängigkeit 3091 f. Dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters 305 f., 319 Dienstliche Anweisungen der Vorgesetzten der StA 145, 2884ff. s. auch Weisungen, Weisungsgebundenheit

3270

Dienstordnungen für Geschäftsstellen 2900 Dienststelle, vorgesetzte Beschlagnahme in Einrichtungen der Bundeswehr 591 Ersuchen der — der Bundeswehr um Durchführung der Durchsuchung 624 ff. Dienststrafen keine Strafsachen 2586 Dienststrafrecht Strafprozeß und — 61 f. richterliche Unabhängigkeit und —liehe Verantwortung 2609 Dienststunden Hauptverhandlung außerhalb der — 1137 keine Bindung der Richter an bestimmte -3125 Dienst- und Vollzugsordnung Schaffung, Geltungsbereich 2319 f. Beschwerden 2321 Ermessensüberprüfung 2323 Disziplinar(Haus)strafen 2323 Dienstaufsichtsbeschwerde, Antrag nach §§ 23ff. EGGVG 3039f. Dienstunfähigkeit Versetzung in den Ruhestand wegen — 3104f., 3131,3139f. Dienstverhältnis Entlassung aus dem — 3085 ff. Beendigung des — durch richterliche Entscheidung 3088 f. Dienstvorgesetzter Aussagegenehmigung 436 Dienstzeit keine Bindung der Richter an bestimmte -3125 Differenztheorie Verteidigergebühren 2490 f. Dingliche Rechte Einziehung 2237 Diplomatische Vertretungen Benachrichtigung von der Verhaftung eines Ausländers 699 Leiter und Mitglieder von —, Exterritorialität 2647 Direktorium (Vositzendenkollegium) Abschaffung 2652 früher Verteilung des Vorsitzes in den Spruchkörpern 2668 Dissenting opinion im anglo-amerikanischen Recht 3116

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Disziplinarsachen keine Strafsachen 61 f., 2586 Zuständigkeit der Dienstgerichte 3130f., 3139 f. Disziplinarverfahren 3133 s. auch Disziplinarstrafen Disziplinarstrafen kein Verbrauch der Strafklage 61 f. gegen Strafgefangene, Antrag nach § 23 EGGVG 2323 Rücknahme der Ernennung zum Richter 3080 Entlassung eines Richters auf Probe 3088 gegen Richter im Bundesdienst 3133 Disziplinarverfahren Strafprozeß und — 61 f. keine Strafsache 2586 gegen Richter 2609 Ausschluß der Öffentlichkeit 2931 Rücknahme der Ernennung zum Richter 3080 Entlassung eines Richters auf Probe 3088 Versetzung und Amtsenthebung 3101 Beratungsgeheimnis 3121 Dienstgericht 3129f., 3130f., 3133 gegen Staatsanwälte 3140 f. Disziplinarverfügung gegen Richter im Bundesdienst 3133 Divergenz s. Abweichung Dolmetscher kein Sachverständiger 281,486 als Zeuge 404 Mitwirkung bei Vernehmung des Beschuldigten 856 Verlesung fremdsprachiger Schriften 1338 f. Schlußvorträge 1399 f. bei der Urteilsverkündung 1512 ausreichende Übersetzungstätigkeit, Prüfung durch das Revisionsgericht 1807 Abwesenheit in der Hauptverhandlung, Revisionsgrund 1835 Kostenpflicht, Menschenrechtskonvention 2484 Auslagen, Befreiung Mitangeklagter von der Mithaftung 2497 Gerichtssprache 2976ff.; s. auch dieses Wort Zuziehung eines — 2978 ff.

Dri

Dauer der Anwesenheit 2978 f. Hauptverhandlung, Übertragung wesentlicher Verfahrensakte 2979 f. Verzicht des der deutschen Sprache nicht Mächtigen auf Übertragung 2980 Anzahl der - 2980 Auswahl des - 2980 Übersetzung von Schriftstücken 2980 Unbefangenheit des — 2980 Protokollierung der Zuziehung eines — 2980 f. Niederschrift in fremder Sprache 2981 Unterbleiben der Zuziehung eines —, wenn Beteiligte der fremden Sprache mächtig sind 2981 Verhandlung mit Tauben oder Stummen 2981 f. Beeidigung des - 2983 f. Urkundsbeamter der Geschäftsstelle zugleich als - 2984 entsprechende Anwendung der Vorschriften über Ausschließung und Ablehnung der Sachverständigen 2985 Doppelbestrafung s. ne bis in idem Doppelhaft Untersuchungshaft, Überhaft 688 f. Doppelrelevante Tatsachen Bindung des Revisionsgerichts an festges t e l l t e - 1797 Doppelrichter Amtsgericht 2707 f. Landgericht 2776 gesetzliche Zulassung 3093 f. Doppelverfolgung s. ne bis in idem Dreistufigkeit des Gerichtsaufbaus Anpassung des Rechtsmittelsystems an die - 1777 Dringende Fälle Vollzug der Untersuchungshaft 759 f. Haftbefehl, Vorsitzender 811 f. Vornahme von Untersuchungshandlungen durch den Untersuchungsrichter 1073 Einlegung der Beschwerde bei dem Beschwerdegericht 1653 f. Dringende Gründe für Annahme der Entziehung der Fahrerlaubnis 640 f. für einstweilige Unterbringung durch Unterbringungsbefehl 814 3271

Dri

Sachregister

Dringende Gründe (Fortsetzung) Dringlichkeit von Vollstreckungsmaßnahmen 2348 Dringender Tatverdacht Begriff 668 als Voraussetzung eines Haftbefehls 668 f. s. auch Tatverdacht, Verdacht Dringlichkeit Auslosung von Hilfsschöffen wegen — 2760 Dritte als Prozeßbeteiligte 6 7 f. Prozeßhandlung durch Drohung eines — 77 Erklärungen — als Verfahrensvoraussetzungen 124 ff. Zeugenvernehmung — bei Zeugnisverweigerung 421 Ansprüche — bei Rückgabe von Gegenständen an den Verletzten 636 Verbot der Beeinträchtigung der Willensfreiheit 862 Anzeige gegen Erpresser, Absehen von der Verfolgung 976 f. Zulässigkeit der Beschwerde 1650 Einziehung des Eigentums oder beschränkt dinglicher Rechte von — 2220ff., 2230ff.; s. Näheres unter Einziehung Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung 2402 Vollstreckung von Einziehung, Verfallerklärung, Unbrauchbarmachung und Vernichtung 2430 Anträge wegen Vollstreckung von Maßregeln 2434 Kosten der Vorbereitung der öffentlichen Klage, Entschädigung und Belohnung - 2 4 6 5 f. Auslagen - 2466 f., 2507 Kostenpflicht 2484 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3038 Dritteigentümer Einziehung 2220ff., 2230ff.; s. Näheres unter diesem Wort Drohung Einfluß von — auf Prozeßhandlungen 75 ff. bei der Vernehmung 868 f. mit der Offenbarung einer Straftat, Absehen von der Verfolgung 976 f. 3272

Drucker periodischer Druckschriften, Zeugnisverweigerungsrecht 430 Beschlagnahmefreiheit 576 Druckschriften Gerichtsstand 232 ff. Zeugnisverweigerungsrecht 430,562 Einziehung 223 7 ff. s. auch Drucker Durchgriffserinnerung im Auslagenfestsetzungsverfahren 2477 f. Durchlieferung Absehen von der Strafverfolgung bei — 975 Durchschläge Verlesung von — eines Schriftstücks .1333 f. Durchsicht der Papiere 631 ff.; s. Näheres unter Papiere Durchsuchung vorläufige Verwahrung bei — 585 Beschlagnahme und — 553, 615 ff. Verdächtiger 615 Begriff der - 617 Gegenstand der — 617 f. Zweck und Voraussetzungen 618 f. Beendigung 619 in Pressesachen 619 Postbeschlagnahme anstelle von — 620 bei Unverdächtigen 620 f. bei Behörden 620 zur Spurenverfolgung 621 bei zeugnisverweigerungsberechtigten Personen 621 bei Presseangehörigen 621 in Räumen, in denen sich eine unter Polizeiaufsicht stehende Person aufhält 620, 621 bei Gefahr im Verzug 621 ff. zwecks Wiederergreifung eines Gefangenen 621 ff. zur Nachtzeit 621 ff. Anordnung der — 623 ff. von Spielklubs, Bordellen, Verbrecherquartieren 623 Gesetz über Fernmeldeanlagen 623 Durchführung der — 625 ff. Durchsuchungspersonen; Bundeswehranlagen usw. 625 f. beizuziehende Personen 626

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Durchsuchung (Fortsetzung) Gang der —, Gewaltanwendung, Festnahme, Beschlagnahme 626 f. Rechtsmittel 627 f. Zuziehung Beteiligter 628 Mitteilung, Verzeichnis, Bescheinigung 628 f. Bekanntmachung des Zwecks der — 628 einstweilige Beschlagnahme verdächtiger Gegenstände 629 f. Verzeichnis der in Verwahrung oder in Beschlag genommenen Gegenstände 630 f. Durchsicht von Papieren 631 ff. Papiere, Inhalt und Begriff 631 f. Durchsicht durch Beamte und durch Richter 633 Versiegelung 633 Verfahren nach der Durchsicht, Abgabe der Papiere an die StA 633 f. Rückgabe von Gegenständen an den Verletzten 634 ff. durch strafbare Handlung entzogene Gegenstände 635 Rückgabe, Verletzter 636 Verfahren 636 ff. Zulässigkeit der Beschwerde 1650 in Privatklagesachen 2012 einer Wohnimg bei Vollzug eines Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehls 2398 in einem anderen deutschen Land 2919 nach Waffen vor Zutritt zum Sitzungssaal 2934 Anordnung der —, Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3033 f. Durchsuchungsanordnung bei Vollzug eines Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehls 2398 s. auch Durchsuchung Durchsuchungsbefehl Erforderlichkeit 624 s. auch Durchsuchung Durchsuchungsbeschluß Inhalt 624 s. auch Durchsuchung

E Echtheit Unechtheit oder — eines Schriftstücks, Schriftvergleichung 550 ff.

Ehr

Ehe Verfahrensvoraussetzung 126 Gültigkeit der —, Beweiswürdigung 1442 f. Ehegatte Ausschließung des Richters 276 f. Anwesenheit bei Vernehmung des Beschuldigten 856 Beistand in der Hauptverhandlung und im Vorverfahren 941 ff. als Verletzter bei Tötungsdelikten 1037 Anwesenheit in der Voruntersuchung 1075 Benachrichtigung von Ort und Zeit der Hauptverhandlung 1151 Befugnis zum Wiederaufnahmeantrag 1934 Fortsetzung der Privatklage wegen Beleidigung 2041 Ehemann Strafantrags- und Privatklagerecht 1967 Eheschließung von Untersuchungsgefangenen 753 Ehre Zurückweisung von Fragen 1238 Ehrenamtliche Richter Mitwirkung bei der Rechtsprechung 181 ff. Schöffen 2734 Berufung zum Schöffenamt 2741 Deutsches Richtergesetz 3059; s. auch unter diesen Worten Beratungsgeheimnis 3115, 3124 Allgemeines 3122 f. Entschädigung 3123 Bestellung und Abberufung 3123 f. Unabhängigkeit und besondere Pflichten 3124 Eidesleistung 3124 Bezeichnung 3125 Ehrenamtliche Richter (Kammer für Handelssachen) Reihenfolge der Abstimmung 3002 s. im übrigen ehrenamtliche Richter Ehrengerichtsverfahren Klageerz wingungsverfahren 1044 keine Strafsache 2586 Rücknahme der Ernennung zum Richter 3080 Ehrenrechte Unfähigkeit zum Schöffenamt 2737 f. 3273

Ehr

Sachregister

Ehrenwort Entlassung auf — 711 Eid Voreid und Nacheid 12 Glaubhaftmachung von Ablehnungsgründen 305,498 Form des — 446 ungenügende Vorstellungen vom Wesen des —, Nichtbeeidigung 449 keine wesentliche Aussage unter —, Absehen von der Beeidigung 458 religiöse oder weltliche Form des —, —leistung 465 ff. Berufung auf früher geleisteten — 468 ff. Berufung des Sachverständigen auf geleisteten — (allgemeine Vereidigung) 508 f. Unterschied zwischen Zeugen- und Sachverständigen 509 keine Abnahme eines — durch Referendare 2612 Entlassung bei Verweigerung des Richter-3085, 3110 s. auch Beeidigung Eidesfähigkeit des Zeugen 449; s. Näheres unter Beeidigung des Sachverständigen 492 f. Aberkennung der —, Verschlechterungsverbot 1772 Prüfung durch das Revisionsger cht 1807 Eidesformel religiöse und weltliche Form 465 f., 467 f. Stumme 466 Sachverständige 507 f. Schöffen 2765 in fremder Sprache 2983 Dolmetscher 2984 s. im übrigen unter Beeidigung Eideshelfer in der fränkischen Zeit 859 Eidesleistung religiöse und weltliche Form 465 f. in fremder Sprache 2983 der ehrenamtlichen Richter 3124 s. im übrigen Beeidigung Eidesmündigkeit Personen unter 16 Jahren 449 Eidesnorm s. Beeidigung 3274

Eidespflicht des Zeugen 440 Belehrung über — 441 f. Verletzung der — als Wiederaufnahmegrund 1927 f., 1935 Eidesstattliche Versicherung Glaubhaftmachung der Voraussetzungen der Ablehnung 305 des Beschuldigten bei Wiedereinsetzungsgesuch 393 des Zeugen zum Nachweis des Zeugnisverweigerungsrechts 441 keine wirksame Entgegennahme durch die StA 999 Eidesverweigerung Recht zur — 416 ff., 461 f. ohne gesetzlichen Grund 475 ff. s. im übrigen unter Beeidigung Eideszwang s. Beeidigung Eidliche Versicherung zum Nachweis des Zeugnisverweigerungsrechts 441 s. im übrigen eidesstattliche Versicherung Eigentümer, Eigentum Einziehungsgegenstände 561 Herausgabepflicht des Gewahrsamsinhabers 566 Rechtsmittel gegen Beschlagnahme 592 Notveräußerung 614 Durchsuchung 618 Verfall der Sicherheit 800 Einziehung des Eigentums Dritter 2220ff., 2230 ff. Übergang auf den Staat 2280, 2429 Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung 2402 Vollstreckung von Einziehung, Verfallerklärung, Unbrauchbarmachung und Vernichtung 2429 f. s. auch Einziehung Eigentumsdelikte Verletzter 1038 Eignung der Sache zur Verhandlung im beschleunigten Verfahren 1132 des Antrags des Verletzten auf Entschädigung zur Erledigung im Strafverfahren, Absehen von einer Entscheidung 2076

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Eignung (Fortsetzung) Entlassung eines Richters auf Probe wegen fehlender — 3088 Eilmaßnahmen des Präsidenten oder aufsichtführenden Richters, Genehmigung des Präsidiums 2704 ff. Amtsgericht, Bestellung eines zeitweiligen Vertreters 2713 f. Einäscherung besondere Erklärung der Staatsanwaltschaft oder des Amtsrichters 994 Einberufung der Mitglieder des Präsidiums 2681 f. der Schöffen beim Schwurgericht 2813 f. Einbeziehung von Tatteilen, Eröffnungsbeschluß 1112 f. von Gesetzesverletzungen (Tateinheit), Eröffnungsbeschluß 1113 Nachtragsanklage 1487 f. weiterer Taten, Verschlechterungsverbot 1768 Einbeziehungsbeschluß s. Einbeziehung Einfachheit des Sachverhalts, beschleunigtes Verfahren 1127 Einfluß Führung des Vorsitzes in Spruchkörpern, richtunggebender — auf die Rechtsprechung 2688 ff. Einforderung der Vermögensstrafe 2317, 2426 der Verfahrenskosten 2317, 2438 von Auslagen bei Gesamthaftung 2499 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) Justizverwaltungsakte auf dem Gebiet der Strafrechtspflege, Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte 66 f. körperliche Untersuchung und Eingriffe durch StA 526 Lichtbilder, Fingerabdrücke und Messungen 528 Untersuchung Nichtbeschuldigter 536 Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden 2320 Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Strafvollzugsbehörden 2321 ff. Anfechtbarkeit von Vollzugsmaßnahmen 2321 ff.

Ein

Generalstaatsanwalt als Beschwerdeinstanz für Amtsrichter als Vollstrekkungsbehörde, Vorschaltverfahren 2346 Antrag auf gerichtliche Entscheidung, keine Strafsache 2586 Zeitpunkt des Inkrafttretens des GVG 3005 Geltung des GVG nur für die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit 3005 f. Landesgesetze 3006 f. Übertragung der Gerichtsbarkeit in Sondergerichtssachen auf die ordentlichen Gerichte, insbesondere BGH, durch die Landesgesetzgebung 3007 f. Übertragung jeder anderen Art der Gerichtsbarkeit sowie von Geschäften der Justizverwaltung durch die Landesgesetzgebung 3008 f. Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch die Richter 3009 Militärgerichtsbarkeit 3010 Zuweisung von Entscheidungen in Strafsachen an eines der mehreren OLG oder an das oberste Landesgericht durch die Landesgesetzgebung 3010f. Vorschriften für die obersten Landesgerichte 3012 landesgesetzliche Vorschriften über Vorentscheidung vor Verfolgung öffentlicher Beamter 3012 f. gerichtliche Nachprüfung von Justizverwaltungsakten 3013 ff. Verhältnis der Maßnahmen der Vollzugsbehörden zu denen der Justizbehörden 3017 Begriff der Justizbehörde 3017 ff. Anordnungen eines Behördenangehörigen, der die Behörde repräsentiert 3019 StA als Justizverwaltungsbehörde 3019 Polizei und Hilfsbeamte der StA als Organe der Strafverfolgung; Abgrenzung gegen präventiv-polizeiliche Maßnahmen 3019 ff. Tätigwerden auf Ersuchen der StA oder des Untersuchungsrichters 3019 Tätigwerden des Hilfsbeamten der StA aus eigener Initiative bei Maßnahmen, die er nur als Hilfsbeamter treffen kann 3019 f.

3275

Ein

Sachregister

Einfiihrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) (Fortsetzung) Tätigwerden des Polizeibeamten ohne Hilfsbeamteneigenschaft aus eigener Initiative 3020 Tätigwerden der Polizei gleichzeitig zur Strafverfolgung und präventivpolizeilich 3020 f. polizeiliche Verwarnung mit Verwarnungsgeld bei Übertretungen 3021 Strafverfolgungsmaßnahmen des Finanzamts 3021 f. Bewilligung der Auslieferung 3022 Strafrechtspflege, Gebiet 3022 f. Bundeszentralregisterentscheidungen 3022 Ordnungsstrafen des Schiedsmanns 3023 Gnadenentscheidungen 3023 Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen 3023 Maßnahmen im Vollzug von Freiheitsstrafen 3023 gerichtliche Nachprüfung von Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten 3023 f. Nachprüfung von Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen 3024 ff. Begriff der Maßnahme 3024 f. Wissenserklärungen 3025 behördeninterne Vorgänge 3025 f. Verfahrenshandlungen der StA 3026 f. doppelfunktionelle Prozeßhandlungen der StA 3027 unselbständige Einzelmaßnahmen der StA 3027 Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung bei Dienstaufsichtsbeschwerde, förmlicher Beschwerde oder Gegenvorstellung 3027 f. Verpflichtungsantrag (§ 23 Abs. 2) 3028 Subsidiarität des § 23 gegenüber anderen Zuständigkeiten 3028 Ausschluß des § 23 durch Klageerzwingungsverfahren 3028 f. Verhältnis des § 23 EGGVG zu § 458 StPO 3029 Herausgabe von Asservaten 3029 Bedeutung des § 23 Abs. 3 für Prozeßhandlungen der StA 3029 ff. Justizverwaltungsakt und Prozeßhandlung 3029 f. 3276

Unanwendbarkeit des § 23 bei Einstellung des Ermittlungsverfahrens 3030 ff. staatsanwaltschaftliche Rechtshilfehandlungen zugunsten des Auslands 3032 Erhebung der Anklage und prozeßgestaltende Akte der StA 3032 f. Erwirkungshandlungen der StA 3032 f. Bewirkungshandlungen der StA 3033 Entschließung der StA, von prozessualen Einwirkungsmöglichkeiten keinen Gebrauch zu machen 3033 Untätigkeit der StA im Ermittlungsverfahren 3033 Sonderfalle, doppelfunktionelle Maßnahmen der StA im Ermittlungsverfahren 3033 ff. Anordnung der Durchsuchung 3033 f. Anordnung der Beschlagnahme 3034 körperliche Untersuchung (§ 81 a StPO) 3034 f. Kasuistik 3035 f. Maßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft 3036 Reformbestrebungen, Strafvollzugsgesetz, Strafvollstreckungskammer 3036 f. Zulässigkeit des Antrags nach § 23 3037 ff. Geltendmachung einer Verletzung in seinen Rechten 3037 f. vorausgehendes Beschwerdeverfahren bei Antrag nach § 23 (Vorschaltverfahren), wenn Maßnahmen der Beschwerde oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren unterliegen (Vollzugs- und Vollstreckungsmaßnahmen) 3040 ff. sachliche Zuständigkeit zur Entscheidung über Antrag nach §§ 23 ff. 3042 f. Antragsfrist, Rechtsbehelfsbelehrung 3043 f. Wiedereinsetzung bei Versäumung der Frist zum Antrag nach §§ 23 ff. 3044 f. Untätigkeitsantrag 3045 f. Entscheidung über die Rechtmäßigkeit (Aufhebung, Folgenbeseitigung, Feststellung der Rechtswidrigkeit nach Erledigung, Verpflichtung; Ermessensentscheidung) 3047 ff.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Einfiihrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) (Fortsetzung) Unanfechtbarkeit der Entscheidung des OLG nach §§23 ff., Vorlegungspflicht, Verfahren, Armenrecht 3049 ff. Kosten des Verfahrens nach §§ 23 ff. 3052 f. Einführungsgesetz zürn OWiG Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen 2304 Einführungsgesetz zur StPO Geltungsraum der StPO 2585 sachliches Geltungsgebiet der StPO 2586 f. Begriff der Strafsache 2586 Begriff der ordentlichen Gerichte 2586 f. Forst- und Feldrügesachen 2587 Verhältnis der StPO zu früheren Reichsgesetzen 2588 Verhältnis der StPO zu den Landesgesetzen 2588 f. Gesetz im Sinne der StPO und des —, Begriff der Rechtsnorm 2590 Eingang von Erklärungen über die Zurücknahme von Rechtsmitteln und Rechtsmittelverzicht bei Gericht 1624 f. Einwurf in den Hausbriefkasten 1625 Eingriffe s. körperliche Eingriffe Einheitlichkeit Wahrung der — der Rechtsprechung, Divergenzausgleichsmaßnahmen 2834 ff; s. Näheres unter Abweichung Sicherung der — der Rechtsprechung beim BGH 2856 ff, 2860 ff. Einheitsstrafe bei Jugendlichen 2326,2332,2415 f. Einlaßkarten zu öffentlichen Verhandlungen 2934 Einlassung Verweigerung der — nach Einspruch gegen Strafbefehl 2184 Einlegung von Rechtsmitteln 1601 ff, 1604ff.; s. Näheres unter diesem Wort der Beschwerde 1634f., 1653ff. der sofortigen Beschwerde 1668 ff. der Berufung 1680 ff. der Revision 1779f., 1842ff., 1872

Ein

Übernahme der Verfolgung durch — eines Rechtsmittels der StA im Privatklageverfahren 1979 des Einspruchs gegen Strafbefehl 2161 ff. des Einspruchs gegen Strafverfügung 2200 f. der Revision gegen Urteile der auswärtigen Strafkammer 2799 f. Einlieferung Begriff 128 Entscheidung über — 1567 Einlieferungshaft Anrechnung von — 2339 Einreichung einer neuen Anklageschrift 1114 Einziehung, Beschränkung der Verfolgung nach — der Anklageschrift 2228 s. auch Vorlegung Einrichtung Anlage oder — der Bundeswehr, Beschlagnahme 591 Durchsuchung 624 ff. außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der StPO, Einziehungsbeteiligung 2234 f. Einsender einer Veröffentlichung, Zeugnisverweigerungsrecht 431 einer Rundfunksendung 432 Beschlagnahmefreiheit 576 Einsichtnahme des Zeugen in Schriftstücke 474 in Gnadenvorgänge 2627 Auslegung des Geschäftsverteilungsplans z u r - 2 6 8 6 f. des Rechtsanwalts in die Schöffenliste 2757 s. auch Akteneinsicht Einsichtsfähigkeit Verbot der Beeinträchtigung der — bei der Vernehmung 870 Einspruch Verfahren ohne Abwesenheitshauptverhandlung 1571 kein — des Nebenklägers gegen einen Strafbefehl 2065 gegen Strafbefehl 2158, 2160ff., 2174 ff., 2183 ff.; s. Näheres unter diesem Wort gegen Strafverfügung 2200 f. Zurücknahme des — gegen Strafbefehl, Kosten 2562

3277

Ein

Sachregister

Einspruch (Fortsetzung) gegen die Vorschlagsliste für Schöffen 2747 f., 2751 Einstellung (des Verfahrens) wegen Fehlens einer Prozeßvoraussetzung 79,84, 91 f., 95 wegen Priorität eines anderen Gerichtsstandes 243 Aufhebung des Haftbefehls bei — 766 f. bei Übertretungen mit geringer Täterschuld 953 ff. öffentliches Interesse an der Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung bei Übertretungen 953 f. bei besonders leichten Vergehen 954 f. Zustimmung des zuständigen Gerichts zur — bei besonders leichten Vergehen 954 f. bei Tateinheit und Tatmehrheit 955 kein Verbrauch der Strafklage bei — bei Vergehen mit geringer Täterschuld 955 Bescheidung des Anzeigenden bei — 955 Einstellungsbefugnis der Polizeibehörden bei Übertretungen? 955 f. durch das Finanzamt 956 nach Erhebung der öffentlichen Klage mit Zustimmung der StA 956 in jeder Lage des Verfahrens 956 f. keine Revision bei Nichteinstellung 95 7 f. Zustimmung der StA zur — nach Klageerzwingungsverfahren 957 Gehör des Nebenklägers vor — 957 Gehör des Privatklägers vor — 958 Anhörung des Finanzamts vor — 958 keine Zustimmung der StA oder des Privatklägers zur — im Privatklageverfahren 958 Anfechtbarkeit des —beschlusses 958 beschränkte Rechtskraft des —beschlusses 958 f. Absehen von der Verfolgung bei Ordnungswidrigkeiten 959 gegen Zahlung einer Geldbuße 959 gebührenpflichtige Verwarnung 959 Kosten der Entscheidung 959 f. bei Absehenkönnen von Strafe 960 ff. kein Verbrauch der Strafklage bei — wegen Absehenkönnens von Strafe 960 Absehen von der Verfolgung von Auslandstaten 962 ff. Absehen von der Verfolgung von Taten im Ausland mit Inlandswirkung 963 f. 3278

bei bestimmten Staatsschutzsachen 964 ff. wenn Strafe oder Maßregel neben einer anderen nicht ins Gewicht fallt 969 ff. Absehen von der Verfolgung von Taten des Genötigten oder Erpreßten 976 bei bürgerlich- oder öffentlichrechtlichen Vorfragen 978 f. wenn Ermittlungen keinen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten 1029 f. Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nach Voruntersuchung 1084 vorläufige — wegen Abwesenheit des Angeschuldigten 1104 ff. Wiederaufnahme nach vorläufiger — 1105 f. keine Kostenentscheidung bei vorläufiger -

1106

Beweissicherung bei vorläufiger — 1106 teilweise — 1107 wegen Verfahrenshindernisses außerhalb der Hauptverhandlung 1108 ff. Umfang der Beweisaufnahme bei — 1320 wegen Verfahrenshindernisses durch Urteil 1412 ff. Freispruch oder — 1412 ff. Fassung des Urteilsspruchs 1414 f. Umfang der Beweisaufnahme bei — durch Urteil 1415 f. Urteilsgründe 1507 gegen Abwesende 1578 Beschwer bei —, Rechtsmittel 1608 durch das Revisionsgericht 1856, 1892 als Ziel des Wiederaufnahmeantrages 1929 nach Anordnung der Wiederaufnahme 1951 wegen Geringfügigkeit im Privatklageverfahren 2004 ff., 2031 wegen Offizialdelikts durch Urteil im Privatklageverfahren 2027 f. wegen erklärter oder unterstellter Rücknahme der Privatklage durch Beschluß 2037f., 2039 wegen Todes des Privatklägers 2041 Nebenklage bei — des Privatklageverfahrens 2046 bei Strafbefehlsantrag 2150 im neuen Verfahren nach Erlaß eines Strafbefehls 2174

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Einstellung des Verfahrens (Fortsetzung) wegen Geringfügigkeit nach Einspruch gegen Strafverfügung 2200 selbständige Einziehung bei — 2287 Kosten 2445 f., 2502 f. Erstattung notwendiger Auslagen 2502 ff. Auferlegung der durch schuldhafte Säumnis verursachten Kosten 2508 f. Auferlegung der notwendigen Auslagen bei — nach gerichtlichem Ermessen 2516fF. Auferlegung der notwendigen Auslagen bei — nach Zurücknahme der öffentlichen Klage 2519 ff. Auferlegung der notwendigen Auslagen bei — nach Mitteilung des Abschlusses der Ermittlungen 2523 ff. Auferlegung der notwendigen Auslagen Nebenbeteiligter bei — nach Zurücknahme der öffentlichen Klage oder Mitteilung des Abschlusses der Ermittlungen 2525 f. Kostenauferlegung bei Zurücknahme des Strafantrages 2533 ff. Kostenpflicht bei — des Privatklageverfahrens 2539 f. notwendige Auslagen des Beschuldigten, Nebenkläger 2550 ff. Kosten bei — des Nebenklageverfahrens wegen Geringfügigkeit 2550 ff. Kostenpflicht des Antragstellers nach Klageerzwingungsverfahren 2553 ff. nach Einlegung eines Rechtsmittels, Kosten 2568 wegen Niederschlagung 2622 durch OLG, Besetzung des Strafsenats 2850 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3030 ff. des übernommenen Verfahrens nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe 3170 f. Einstellungsbeschluß wegen Verfahrenshindernisses 79, 84, 91 f., 95 Anfechtbarkeit, beschränkte Rechtskraft 95 8 f. wegen geringer Schuld 958 f. wenn Strafe oder Maßregel neben einer anderen nicht ins Gewicht fallt 972 bei Auslieferung und Ausweisung 976

Ein

Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nach Voruntersuchung 1084 Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens 1102 wegen Abwesenheit des Angeschuldigten 1104 ff. wegen Verfahrenshindernisses 1108 ff. im Abwesenheitsverfahren 1578 Prüfung durch das Revisionsgericht 1790 wegen Geringfügigkeit in Privatklageverfahren 2006,2032 wegen erklärter oder unterstellter Rücknahme der Privatklage 2034, 2038, 2039 wegen Todes des Privatklägers 2041 bei Zurücknahme der öffentlichen Klage nach rechtzeitigem Einspruch gegen Strafbefehl 2177 Kostenpflicht bei Rücknahme der Privatklage 2542 f. Kosten bei — wegen Geringfügigkeit im Nebenklageverfahren 2550 ff. wegen Niederschlagung 2623 s. auch Einstellung Einstellungsurteil bei Privatklage 2027 f. Einstelhingsverfiigung der StA 1029 f., 1033 Einstimmigkeit bei Verwerfung der Ablehnung als unzulässig wegen Verschleppung usw. 306 Verwerfung der Revision als offensichtlich unbegründet 1872 ff. Annahme der Begründetheit der Revision, Aufhebung des angefochtenen Urteils durch Beschluß 1877 Einstweilige Beschlagnahme bei Durchsuchung 629 f. Einstweilige Unterbringung Zweck 654 ff. in einer Heü- oder Pflegeanstalt 813 ff. Inhalt 813 f. Verhältnis zur Untersuchungshaft 814 dringende Gründe 814 öffentliche Sicherheit 814 f. Unterbringungsbefehl 815 Anstaltsbezeichnung 815 f. Unterbringungsprüfung 816 Aufhebung des Unterbringungsbefehls 816 f. Umstellung 817 3279

Ein

Sachregister

Einstweilige Unterbringung (Fortsetzung) Zuständigkeit 817 Ausbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung 1195 f. Entscheidung über die Fortdauer der — bei Urteilsfällung 1522 f. Zulässigkeit der Beschwerde 1650 Zulässigkeit der weiteren Beschwerde 1666 f. Gesamtschuld für Auslagen; Kosten 2495 Maßnahmen im Vollzug der —, Antrag nach §§ 23 ff EGGVG 3036 Eintreten Ausscheiden aus dem Präsidium, — von Nächstberufenen 2665 f. von Ergänzungsrichtern 2988 f. Einverständnis des Beschuldigten mit dem Wegfall der Beschlagnahmefreiheit 580 des Gewahrsamsinhabers bei Beschlagnahmefreiheit 582 f. der Beteiligten mit Absehen von der Beweiserhebung 1318 ff. mit der Verlesung von Niederschriften über frühere richterliche Vernehmungen 1356 f. des Angeklagten mit der Zuständigkeit im Anhangsverfahren 2072 Einwand der Unzuständigkeit 258 ff., 264ff. des Angeschuldigten gegen Eröffnung der Voruntersuchung 1058 ff. sofortige Beschwerde gegen Verwerfung des Einwandes der örtlichen Unzuständigkeit 1061 s. auch Einwendungen Einwendungen gegen Eröffnung des Hauptverfahrens 1092 im Einziehungsverfahren 2243, 2246, 2269 gegen Nachholung der Vollstreckung nach früherer Auslieferung und Ausweisung 2388 gegen Versagung der Aussetzung der Untersagung der Berufsausübung 2394 gegen Zulässigkeit der Strafvollstreckung 2400 ff. *

gegen Vollstreckungsmaßnahmen der Gerichtskasse 2438 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3039 ff.

3280

Einwilligung des Beschuldigten in körperliche Eingriffe 524 des Nichtbeschuldigten in Untersuchung 532 f., 535 der Frau in körperliche Untersuchung 536 in Postbeschlagnahme 597 in Durchsicht der Papiere durch Beamte 632 f. bei Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände an den Verletzten 63 6 f. Unbeachtlichkeit der — des Beschuldigten in Beeinträchtigung seiner Willensfreiheit usw. 870 des Beschuldigten in Untervollmacht des Verteidigers 879 des Angeklagten in Heilbehandlung, Entziehungskur, Heim- oder Anstaltsaufenthalt, Befragung 1482 ff. des Verurteilten in Aussetzung des Strafrests 2375 des Verurteilten in Aufschub oder Aussetzung der Untersagung der Berufsausübung 2393 f. s. auch Zustimmung Einwirkung auf Zeugen usw., Untersuchungshaft 673 f. Einzelhaft Untersuchungsgefangene 742 f. Einzelrichter Verwerfung der Ablehnung als unzulässig 313 Vermerk über Abschluß der Ermittlungen, Anklage beim — 1018 wesentliches Ermittlungsergebnis in der Anklageschrift nicht erforderlich 1086 Mitteilung der Anklageschrift 1091 f. Zuständigkeit zur Eröffnung des Hauptverfahrens 1118 f. Beanstandung von Anordnungen des — 1229 f. im Strafbefehlsverfahren 2137 im Strafverfügungsverfahren 2200 f. als Vollstreckungsbehörde 2345 bei dem Amtsgericht 2707 Zuständigkeit 2721 ff Strafgewalt 2723 f. Zuständigkeit des Amtsanwalts 2874 f. Beratung 2990, 2993 Zurückziehen ins Beratungszimmer 2991

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Einzelrichter (Fortsetzung) s. auch Amtsgerichte, Richter beim Amtsgericht Einzelstrafen Selbständigkeit 2331 Anrechnung der Untersuchungshaft 2338 nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe 2406ff.; s. Näheres unter Gesamtstrafe Einzelvernehmung der Zeugen 442 f. Einziehung von Gegenständen, Präventionswirkung für den Gerichtsstand 242 Beteiligte als Zeugen 404, 2241 Sicherung durch Beschlagnahme 558, 5 60 ff. Herausgabepflicht 565 ff. Wirkung des rechtskräftigen Urteils über — auf die Beschlagnahme 593 Notveräußerung vor rechtskräftiger Entscheidung über die — 613 Hauptverhandlung ohne Angeklagten 1203 Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung 1207 ff. Urteilsspruch 1410 f. Urteilsgründe 1506 Abwesenheitsverfahren 1572 f. Rechtsmittelbefugnis 1604 Beschränkung der Berufung 1706 Verschlechterungs verbot 1770 ff. Wiederaufnahme des Verfahrens 1933, 1938 Strafbefehl 2133 f., 2160, 2174 f. Strafverfügung 2194 Verfahren bei — und Vermögensbeschlagnahmen 2220 ff. Allgemeines 2220 ff. tatunbeteiligte Dritteigentümer 2220 f. Reformforderungen 2221 ff. OWiG 2222 f., 2225 Entschädigung 2224 Vollstreckungsrechtliches 2224 f. Entstehungsgeschichte der §§ 430 ff. StPO 2225 Beschränkung der Verfolgung 2225 ff. Rechtsmittel bei Beschränkung der Verfolgung oder Wiedereinbeziehung 2229 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 2229 Beteiligungsanordnung 2230 f.

Ein

Voraussetzungen der Beteiligung Dritter 2231fr. Ausnahmen von der Beteiligungsanordnungspflicht 2234 f. die —beteiligten im einzelnen 2235 ff. Eigentümer, Rechtsinhaber 2235 f. Teilnehmer 2236 erweiterte - nach § 40 a StGB 2236 ohne Rücksicht auf Eigentumsverhältnisse 2236 Mit-, Gesamthand-, Sicherungs-, Vorbehaltseigentum 2236 Erlöschen von Rechten 2236f. beschränkte dingliche Rechte 2237 Besteller und Adressaten von Druckschriften 2237ff. Umfang der Verfahrensbeteiligung, Beschränkung 223 9 ff. erweiterte Verfahrensbeteiligung 2241 zeitliche Grenzen der Beteiligungsanordnung 2241 f. Entscheidung über Verfahrensbeteiligung, Anfechtbarkeit 2242 f. Zurücknahme der Beteiligungsanordnung 2242 f. Beteiligungsverzicht 2243 keine Beeinträchtigung des Verfahrensfortgangs durch Beteiligung 2243 f. vorbereitendes Verfahren 2244 ff. Rechtsstellung des —interessenten 2245 f. Vernehmung des —interessenten 2246 f. Beginn der Beteiligungsbefugnisse 2247f. Rechtsstellung des —beteiligten im normalen Strafverfahren 2248 ff. Geschäftsfähigkeit des —beteiligten 2248 ff. Rechtsstellung des —beteiligten im Hauptverfahren 2250 f. Befugnis des —interessenten zum Betreiben der Wiederaufnahme 2251 ff. Tod des —beteiligten 2253 Anordnung des persönlichen Erscheinens des —beteiligten 2254 f. Beginn der Befugnisse der —beteiligten bei besonderen Verfahrensarten 2255 Vertretung des —beteiligten 2255 ff. Terminsnachricht an —beteiligten 2260 ff. Ausbleiben des —beteiligten in der Hauptverhandlung 2263 Beweisantragsrecht des —beteiligten 2264 Entschädigung 2265

3281

Ein

Sachregister

Einziehung (Fortsetzung) Zustellung des Urteils an —beteiligten 2267 f. Rechtsmittel des —beteiligten 2268 ff. durch Strafbefehl oder -Verfügung, Zustellung 2273 ff. Entschädigungsentscheidungen im summarischen Verfahren 2273 summarische Verfahren, — ohne Anordnung der Verfahrensbeteiligung 2273 f. Strafbefehl und Strafverfügung mit Beteiligungsanordnung 2274 f. Verfahren nach Strafbefehlserlaß, Einspruch 2275 f. Nachverfahren 2277 ff. Übergang des Rechts auf den Staat 2280 Aufhebung 2282 Wiederaufnahme des Verfahrens 2283 zivilprozessuale Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen 2283 selbständiges —verfahren 2283 ff. Voraussetzungen der selbständigen — 2284 ff. Antrag auf selbständige — 2287 ff. keine selbständige — im Strafbefehls- und Strafverfügungsverfahren 2289 Anschluß als Nebenkläger 2289 gerichtliches Verfahren 2289 ff. Zulässigkeitsprüfung im selbständigen -verfahren 2290 ff. Beteiligte im selbständigen —verfahren 2291 gerichtliche Entscheidung im selbständigen —verfahren 2293 Bezeichnung des —gegenständes 2293 f. Kosten im selbständigen —verfahren 2294 Übergang vom Verfahren gegen bestimmte Personen zum selbständigen —verfahren 2294 ff. Zuständigkeit im Nachverfahren 2297 f. Form der Entscheidung im Nachverfahren 2298 ff. Rechtsmittel 2301 Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes, Verfallserklärung 2302 Vermögensbeschlagnahme 2302ff.; s. Näheres unter diesem Wort bei juristischen Personen und Personenvereinigungen 2305 f. Vollstreckung 2316, 2425 ff., 2429 f. 3282

Aufhebung des Vorbehalts der — 2421 f. nachträgliche Anordnung der — eines Gegenstandes oder des Wertersatzes 2421 f. Eigentumsübergang mit Rechtskraft 2429 Auferlegung von Kosten und Auslagen 2557 ff. Einziehungsbeteiligte als Zeugen 404, 2241, 2246, 2255 Befugnis zur Ablehnung eines Sachverständigen 497 beschlagnahmefreie Gegenstände 575 Zustellungsermächtigung des Vertreters 927 Benachrichtigung von kommissarischer Vernehmung 1172 Anwesenheit in der Hauptverhandlung 1246 Schlußausführungen 1392 Beschwerdeberechtigung 1643 Zuziehung zum Verfahren 2222 ff., 2229 ff. Begriff des - 2230 Parteien, Vereinigungen, Einrichtungen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der StPO 2234 f. Besitzer 2235 juristische Person, Personenvereinigung 2235 Täter, Teilnehmer 2235 f. erweiterte Einziehung nach § 40 a StGB 2236 Mit-, Gesamthands-, Sicherungs-, Vorbehaltseigentümer 2236 sonstige Berechtigte 223 6 f. Besteller und Adressaten von Druckschriften 2237 f. Umfang der Verfahrensbeteiligung, Beschränkung 2239 ff. erweiterte Verfahrensbeteiligung 2241 zeitliche Grenzen der Beteiligungsanordnung 2241 f. Entscheidung über Verfahrensbeteiligung, Anfechtung 2242 f. Zurücknahme der Beteiligungsanordnung 2242 f. Beschwerdeberechtigung 2242 Beteiligungsverzicht 2243 keine Beeinträchtigung des Verfahrensfortgangs durch Beteiligung 2243 f. vorbereitendes Verfahren 2245 ff.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1 1 3 5 - 2 3 1 3 ; Bd. 111= S. 2 3 1 5 - 3 1 8 3 Einziehungsbeteiligte (Fortsetzung) Beginn der Beteiligungsbefugnisse 2247f. Rechtsstellung im normalen Strafverfahren 2248 ff. Befugnisse wie der Angeklagte 2248 Geschäftsfähigkeit 2248 ff. Rechtsstellung im Hauptverfahren 2250 f. Befugnisse in der Hauptverhandlung 2250 f. Wiederaufnahme des Verfahrens 2251 ff. Tod während des Verfahrens 2253 Anordnung des persönlichen Erscheinens 2254 Vorführung 2254 Ladung 2254 nicht natürliche Person 2255 Beginn der Befugnisse bei besonderen Verfahrensarten 2255 Vertretung des — 2255 ff. gewählter Vertreter 2257 schriftliche Vollmacht 2257 Inhalt der Vertretungsbefugnis 2257 Beiordnung eines Vertreters 2258 f. Beiordnungsgründe 2259 Umfang der Beiordnung 2259 Beschlüsse über Beiordnung, Anfechtbarkeit 2259 Zurücknahme der Beiordnung 2259 Vertreter, entsprechende Anwendung von Vorschriften über Verteidigung 2260 Terminsnachricht 2260 ff. Benachrichtigung des Vertreters 2260 Benachrichtigungsfrist 2261 Mitteilung von Anklageschrift und Eröffnungsbeschluß 2261 f. öffentliche Zustellung der Terminsnachricht 2262 Hinweise an — 2262 Ausbleiben in der Hauptverhandlung 2263 f. Beweisantragsrecht 2264 Aufklärungspflicht des Gerichts 2264 Entscheidungen über Entschädigung 2265 ff. Zustellung des Urteils 2267f. Rechtsmittelbefugnis 2268 ff. beschränkte Nachprüfung des Schuldspruchs 2268 ff. Berufungsverfahren 2271 Revisionsverfahren 2271 f. Anfechtung der Entschädigungshöhe 2272 f.

Emm

Einziehung durch Strafbefehl oder -Verfügung, Zustellung 2273 ff. Entschädigungsentscheidungen in summarischen Verfahren 2273 summarische Verfahren, Einziehung ohne Anordnung der Verfahrensbeteiligung 2273 f. Strafbefehl und Strafverfügung mit Beteiligungsanordnung 2274 f. Verfahren nach Strafbefehlserlaß, Einspruch 2275 f. Nachverfahren 2277ff. zivilprozessuale Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen 2283 in selbständigen Einziehungsverfahren 2291 Kosten im selbständigen Einziehungsverfahren 2294 Auffuhrung im Rubrum 2294 selbständige Einziehung, Nachverfahren 2298 Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes, Verfallerklärung 2302 s. auch Einziehung Einziehungsgegenstände Beschlagnahme 558, 560ff., 593 f. Notveräußerung 613 Durchsuchung 619 Führerschein 650 f. Einziehungsinteressenten im vorbereitenden Verfahren 2230, 2245 ff.; s. auch unter Einziehungsbeteiligte Rechtsstellung 2245 f. Vernehmung 2246 f. Belehrung 2247 Beweisanträge 2247 Vertretung des — 2256f. Eltern als gesetzliche Vertreter 880 als Verletzte bei Tötungsdelikten 1037 Fortsetzung der Privatklage wegen Beleidigung 2041 Befugnis zur Nebenklage 2045 ff. s. auch Angehörige Emminger Verordnung VO über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 4. 1. 1924 6 f. Strafkammern, Schwurgerichte 37 Laienbeteiligung 182 f. Verfahren gegen Abwesende 1564 3283

Emm

Sachregister

Emminger Verordnung (Fortsetzung) Zuständigkeit der Strafkammer, des Schöffengerichts und des Amtsrichters 2716 Einfuhrung des erweiterten Schöffengerichts 2730 Empfänger einer Sendung bei Postbeschlagnahme 597,611 der Benachrichtigung von der Verhaftung 697 der Zustellung des Urteils, Beschwerdeführer 1689 Empfangsberechtigter mehrfache Zustellung 37 einer Sendung bei Postbeschlagnahme 597,611 Endurteil Entscheidung im Anhangsverfahren 2078 s. im übrigen Urteil Englischer Strafprozeß Stellung des Richters, Beweisaufnahme 136 Entbindung von der Schweigepflicht bei beruflichen Vertrauenspersonen, Zeugnisverweigerungsrecht 427, 433 f. von der Verpflichtung zur Gutachtenerstattung 502 f. von der Beschlagnahmefreiheit 580 vom Erscheinen in der Berufungsverhandlung 1743, 1773 f. vom Erscheinen im Privatklageverfahren 2018 im Strafbefehlsverfahren 2187 der Schöffen von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen 2768 f. Entblößung schamlose —, Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2965 Entdeckung der Tat, Absehen von der Verfolgung bestimmter Staatsschutzsachen bis zur Kenntnis von der — 966 f. Entfernung des Verteidigers bei notwendiger Verteidigung 920 f. Sichentfernen des Angeklagten aus der Hauptverhandlung 1196 ff. Zwangs— des Angeklagten 1325 ff. der vernommenen Zeugen und Sachverständigen 1331 f. 3284

des Privatklägers aus der Hauptverhandlung 2037 von Personen aus dem Sitzungssaal, Sitzungspolizei 2953 f. von Parteien usw. wegen Ungehorsams 2959 ff. aus dem Dienst als Disziplinarstrafe gegen Richter 3133 Entfernung (große, weite) bei Nichtzumutbarkeit des Erscheinens des Zeugen Beeidigung in der Voruntersuchung 463 f. als Hinderais für die Vorführung des Beschuldigten zur mündlichen Verhandlung über den Haftbefehl 733 ff. Schlußgehör 1024 f. Anwesenheit der Prozeßbeteiligten bei Vernehmung in der Voruntersuchung 1076 Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter 1169 f. Verlesung von Niederschriften über frühere richterliche Vernehmungen wegen — 13 54 ff. Entlassung der Zeugen 409 des Verhafteten oder Festgenommenen; s. unter Freilassung der vernommenen Zeugen und Sachverständigen 1331 f. des Verurteilten bei Aussetzung des Strafrests 2376 des Richters aus dem Dienstverhältnis 3085 ff. eines Richters auf Probe 3087 f. eines Richters aukraft Auftrags 3088 Zuständigkeit des Dienstgerichts 3131 ostdeutsches Rechts- oder Amtshilfeersuchen 3164 f. Entlastung Tatsachen zur — bei der Vernehmung des Beschuldigten 854 Ermittlung auch der zur — dienenden Umstände 996 f. Verpflichtung des Amtsrichters zur Erhebung von —beweisen 1012 f. Annahme von Tatsachen als wahr zur — des Angeklagten 1296 f. Absehen von Auslagenüberbürdung bei Verschweigen wesentlicher entlastender Umstände 2510 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Entmündigte Privatklage 1969 Unfähigkeit zum SchöfFenamt 2738 Nichtigkeit der Ernennung zum Richter 3077 Rücknahme der Ernennung 3080 Entmündigungssachen Ausschluß der Öffentlichkeit 2938 f. Entschädigung der Zeugen 481 f. der Sachverständigen, Gesetz über die — von Zeugen und Sachverständigen 541 für Sachverständige bei Augenscheinseinnahme in der Voruntersuchung 1078 Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens, — für unschuldig erlittene Untersuchungshaft 1103 neues Hauptverfahren, — für unschuldig erlittene Untersuchungshaft 1125 Gesetz über die — für Strafverfolgungsmaßnahmen 1139 der unmittelbar geladenen Personen 1156 ff. des Verletzten, Beschränkung der Berufung 1709 Verschlechterungsverbot 1773 Wiederaufnahme des Verfahrens 1951, 1953 f., 1958 des Verletzten 2066ff.; s. Näheres unter Anhangsverfahren des Tatunbeteiligten für Einziehung seines Eigentums oder eines beschränkt dinglichen Rechts 2224, 2265 ff., 2272 f., 2283 Kosten der Vorbereitung der öffentlichen Klage, - Dritter 2465 f. für Zeitversäumnis 2467 f. der Schöffen und Vertrauenspersonen 2769 des Betroffenen bei erfolgreicher Beschwerde gegen Strafbeschluß wegen Ungebühr 2972 für unschuldig erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen, Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3023 der ehrenamtlichen Richter 3123 Entschädigungsverfahren s. Anhangsverfahren Entscheidungen abschließende und vorangehende — 71 unanfechtbare — 73 Änderung von — 73 f.

Ent

Irrtum 75 Täuschung und Drohung 77 f. über Zuständigkeit für Voruntersuchung, Erstreckung auf Hauptverfahren 263 f. Ausschluß des Richters von — 284ff.; s. Näheres unter Ausschließung (von Gerichtspersonen) Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig 313 stattgebende und ablehnende — über Ablehnungsgesuch, Anfechtung 322 des Beschwerdegerichts 323 des Rechtsmittelgerichts 325 f. Erledigung des Ablehnungsgesuchs, Mitwirkung des abgelehnten Richters 327 Prüfung der Ablehnungs- und Ausschließungsgründe von Amts wegen 330 Ausschließung und Ablehnung von Schöffen und Protokollführern 333 f. gerichtliche — und ihre Bekanntmachung 335 ff.; s. Näheres unter gerichtliche Entscheidungen Wiedereinsetzung 396 keine Hemmung der Vollstreckung gerichtlicher — durch Gesuch um Wiedereinsetzung 398 f. über Vereidigung des Sachverständigen 507 f. über Bestellung eines Verteidigers 909 f. Berechtigung und Verpflichtung der Gerichte zur selbständigen Tätigkeit; keine Bindung an die gestellten Anträge 979 ff. Verkündung und Beurkundung von — in der Hauptverhandlung 1180, 1548 Rechtsmittel gegen gerichtliche —1604 ff.; s. Näheres unter Rechtsmittel Beschwerde 1633 ff.; s. Näheres unter diesem Wort Prüfung durch das Revisionsgericht 1788 ff. Wirkung jeder — in der Sache selbst gegenüber anderen Privatklageberechtigten 1973 Bekanntmachung der — an den Privatkläger 2013 Absehen von einer — über den Entschädigungsantrag des Verletzten 2075 f. nachträgliche — über Strafaussetzung zur Bewährung 2362 ff., 2371 f.

3285

Ent

Sachregister

Entscheidungen (Fortsetzung) Vollstreckungsgericht 2421 ff.; s. Näheres unter Strafvollstreckung Kostenausspruch bei jeder eine Untersuchung einstellenden — 2445 Kostenauferlegung an Anzeigenden 2532 über Kosten und Auslagen im Privatklageverfahren 2539 über die Einsprüche gegen die Vorschlagsliste für Schöffen 2751 Übertragung der — in Strafsachen mehrerer Amtsgerichtsbezirke auf ein Amtsgericht 2773 f. O L G als Beschwerdeinstanz 2832f. des Gerichts in deutscher Sprache 2978 Zahl der bei — mitwirkenden Gerichtspersonen 2986 ff. Mitwirkung von Richtern auf Probe, Richtern kraft Auftrags und abgeordneten Richtern 3096 f. des Oberlandesgerichts nach dem Gesetz über die innerdeutschte Rechts- und Amtshilfe 3182f.; s. Näheres unter Rechtshilfe, Gesetz Entscheidungsgründe bei anfechtbaren und ablehnenden Entscheidungen 350 öffentliche Zustellung 374 Entscheidungssatz Rechtskraft 1601 s. auch Urteilsformel Entschuldigung genügende, des Ausbleibens des Zeugen 411 f. des Beschuldigten, Widerruf der Haftverschonung 713 f. Wegfall der Pflicht zum Schlußgehör 1025 Erzwingung des Erscheinens des Angeklagten zur Hauptverhandlung wegen Ausbleibens ohne — 1194 f. des Ausbleibens des Angeklagten in der Berufungsverhandlung 1740 ff. im Strafbefehlsverfahren 2185 ff. der Schöffen und Vertrauenspersonen 2770,2771 Entsiegelung von beschlagnahmten Papieren 631, 633

3286

Entstehungsgeschichte und weitere Entwicklung der StPO und des G V G 3 ff.; s. im übrigen bei den einzelnen Vorschriften Entweichen Steckbrief 837 Anrechnung der Zeit seit erneuter Festnahme oder Gestellung auf die Strafhaft 2339,2418 Nacheile 2928 Entziehung von Gegenständen, Rückgabe an den Verletzten 634 ff. vorläufige — der Fahrerlaubnis 553, 638 ff.; s. Näheres unter Fahrerlaubnis und vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis im beschleunigten Verfahren 1132 Hauptverhandlung ohne den Angeklagten, — der Fahrerlaubnis 1203 Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung 1207 ff. der Befugnis bei Mißbrauch des Kreuzverhörs 1236 f. des Wortes bei den Schluß Vorträgen 1397 der Fahrerlaubnis im Urteilsspruch 1412 der Fahrerlaubnis im Abwesenheitsurteil 1579 der Fahrerlaubnis, Zulässigkeit der Beschwerde 1650 der Fahrerlaubnis, Beschränkung der Berufung 1708 der Fahrerlaubnis, Verschlechterungsverbot 1770 der Fahrerlaubnis durch Strafbefehl 2135 der Fahrerlaubnis, Sicherungsverfahren 2204 des gesetzlichen Richters 2639 ff. der Schöffen und Vertrauenspersonen von ihren Obliegenheiten 2770 f. s. auch Freiheitsentziehung Entziehungsanstalt Unterbringung in einer — 513 f. Vernehmung eines Arztes vor Unterbringung in einer —, Untersuchung 1323 ff. Unterbringung in einer —, Verschlechterungsverbot 1760 Revision, Verschlechterungsverbot 1912ff.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Entziehungsanstalt (Fortsetzung) Unterbringung in einer — im WiederAufnahmeverfahren 1956, 1958 Reihenfolge der Vollstreckung 2389, 2433 s. auch Unterbringung Entziehungskur Befragung des Angeklagten nach Einwilligung 1482 ff. Enzephalographie Zulässigkeit 521 f., 523 Erben Beschlagnahmefreiheit 578 Herausgabe verwahrter Gegenstände 595 kein Recht zum Antrag auf gerichtliche Entscheidung über Einstellung 1039 Kosten bei Einstellung des Verfahrens wegen Todes des Privatklägers 2041 Entschädigung des — des Verletzten 2069 f. Buße 2081 f. Einwendungen gegen Zulässigkeit der Strafvollstreckung 2402 Tod des Angeschuldigten vor rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens, Auslagenerstattung 2504 ff. Erfahrungssätze Offenkundigkeit 1425 ff. Normen ungeschriebenen Rechts? 1794 f. Verstoß gegen —, Prüfung durch das Revisionsgericht 1811 f. beabsichtigte Abweichung des OLG, Vorlegungspflicht 2842 Erfolg hinreichende Aussicht auf — bei Antrag des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung, Armenrecht 1042 eines Rechtsmittels, Kosten 2564ff. Erfolglosigkeit der Beweisaufnahme 1264 f. von Rechtsmitteln, Kosten 2562ff.; s. Näheres unter Kosten Erfolgsaussicht für Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Armenrecht 1042 für Privatklage, Armenrecht 1986 Erforschung des Sachverhalts durch die StA 995 ff. strafbarer Handlungen durch die Polizei 1003 ff. s. auch Wahrheitserforschung

Erg

Ergänzung des Gerichts bei Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch 318 sofortige Beschwerde gegen Ablehnung des Antrags auf — der Voruntersuchung 1061 f. der Voruntersuchung 1080, 1097 Entscheidung über Eröffnung des Hauptverfahrens, — der Voruntersuchung 1084 des Urteils 1403 des Verhandlungsprotokolls 1537 f. des Wiederaufnahmeantrags 1945 Ergänzungsgeschworene s. Ergänzungsschöffen Ergänzungsklage Vervollständigung einer Teilaburteilung 101 Ergänzungsrichter Ausschließung und Ablehnung eines Richters, Eintritt eines — 283 Vertretungsregelung 2672 Verhinderung des Vorsitzenden 2698 Zuziehung von — 2986 Zahl und Art 2986 f. kein Ersatz des einzigen Berufsrichters durch - 2987 Bestimmung des — 2987 Zurücknahme der Heranziehungsanordnung 2987f. Anwesenheit in der Verhandlung in amtlicher Eigenschaft 2988 Eintritt in das Richterkollegium 2988 f. Zuziehung mehrerer —, Reihenfolge 2989 Ergänzungsschöffen Zuziehung 2986 ff. Ergebnis Aufnahme des wesentlichen — der Ermittlungen in die Anklageschrift 1089 der Hauptverhandlung, Protokoll 1545 Wahl des Präsidiums, Feststellung, Bekanntgabe und Berichtigung des Wahl— 2659 Ergehen gerichtlicher Entscheidungen, rechtliches Gehör 338 f. Ergreifung Gerichtsstand des —orts 236 f. Durchsuchung zwecks — 616, 618 ff., 622 f. eines Verdächtigen 616 3287

Erg

Sachregister

Ergreifung (Fortsetzung) eines Beschuldigten 616 eines Strafgefangenen 617 eines Verurteilten 617 Vorführung und Vernehmung nach — 699 ff. erneute Zustellung des Abwesenheitsurteils bei — 1581 Ersuchen um — und Ablieferung des Verurteilten 2922 ff. eines Flüchtigen in einem anderen Land 2928 ff. des Täters bei strafbarer Handlung in der Sitzung 2976 Erheblichkeit der behaupteten Tatsache bei Beweisanträgen 1293ff. einer Beweisbehauptung, Prüfung durch das Revisionsgericht 1807 der neuen Tatsachen oder Beweismittel, Wiederaufnahmegrund 1932 Erhebung der öffentlichen Klage s. unter diesem Wort der Privatklage s. unter diesem Wort Erinnerung Verlesung des Protokolls über frühere Vernehmung zur Unterstützung des Gedächtnisses 1370ff. gegen Entscheidungen der Rechtspfleger 2423 f. gegen Kostensatz 2438 gegen Art und Weise der Zwangsvollstreckung wegen Kosten 2438 Nachprüfung der Angemessenheit von Rechtsanwaltsgebühren 2470 f. gegen Beschluß im Auslagenfestsetzungsverfahren 2477 f. Durchgriffs— im Auslagenfestsetzungsverfahren 2477 f. Erinnerungsgericht s. Erinnerung Erinnerungsvermögen Verbot der Beeinträchtigung des — bei der Vernehmung 870 Erkennende Gerichte erkennender Richter, Anfechtung des Beschlusses, der Ablehnungsbesuch für unbegründet erklärt, nur mit dem Urteil 323 ff. Augenscheinseinnahme vor der Hauptverhandlung 1175 3288

Beschwerde gegen Entscheidungen der —, die der Urteilsfällung vorausgehen 1633,1646 fr. nicht vorschriftsmäßige Besetzung, unbedingter Revisionsgrund 1826 Öffentlichkeit der Verhandlung vor dem — 2932 ff. Erkennungsdienst Lichtbilder, Fingerabdrücke, Messungen für Zwecke des — 527 f. Erklärungen Dritter als Verfahrensvoraussetzung 124 ff. der StA bei außerhalb der Hauptverhandlung ergehenden Entscheidungen 341 f. Wahrung der Erklärungsfristen 376 ff. des Beschuldigten zum Antrag des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung 1044 f. des Angeschuldigten zur Anklageschrift 1092 Verwertung von — des zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen 1368 f. gegenüber dem Sachverständigen 1369 Verlesung von — des Angeklagten über ein Geständnis und bei Widerspruch mit der früheren Aussage 13 74 ff. Verlesung von — öffentlicher Behörden 1379ff. des Angeklagten nach jeder Vernehmung und Verlesung 1387 f. Recht der StA und des Verteidigers zur Abgabe von - 1388ff. des verhafteten Beschuldigten, die sich auf Rechtsmittel beziehen 1615 f. Zurücknahme des Rechtsmittels, Rechtsmittelverzicht 1621 ff.; s. Näheres unter Rechtsmittel oder Zurücknahme des Gegners auf den Wiederaufnahmeantrag 1945 nach Beweisaufnahme im Wiederaufnahmeverfahren 1948 Übernahme der Verfolgung durch die StA im Privatklageverfahren durch ausdrückliche — 1979 des Einziehungsinteressenten 2246 schriftliche —, Gerichtssprache 2978 Protokollierung auch in fremder Sprache 2981 s. auch Erklärungspflicht, Willenserklärungen

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Erklärungsfristen Wahrung von — 376ff. Erklärung zur Anklageschrift 1092 s. im übrigen Fristen Erklärungspflicht keine — des Beschuldigten zur Sache 843 Erläuterung des Eröffnungsbeschlusses 1248 f. Erlaß einer gerichtlichen Entscheidung, rechtliches Gehör 337 f. von Maßnahmen gegen ausgebliebene Zeugen 410 des Haftbefehls und sonstiger Haftentscheidungen, Zuständigkeit 805 ff. des Strafbefehls 2148 f., 2161 der Strafverfügung 2198 ff. der Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit, Anfechtbarkeit 2367 Aufschub der Untersagung der Berufsausübung bei — des Urteils 2393 nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe b e i - d e r Strafe 2408 f. von Gerichtskosten 2440 s. auch Entscheidungen Erledigung des Ablehnungsgesuchs, Mitwirkung des abgelehnten Richters 327 f. der Sache 1135 Erledigung der Hauptsache bei Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3046, 3048 Erlös aus Notveräußerung 614 s. auch Mehrerlös Erlöschen des Ablehnungsrechts 302 f. der Beschlagnahme 593 der Postbeschlagnahme 605 des sicheren Geleits 1596 des Strafantrags- und Privatklagerechts 1971 von Rechten, Einziehungsbeteiligung 2236 f. s. im übrigen unter den einzelnen Rechten und Verfahrensarten Ermächtigung als Verfahrensvoraussetzung 126 öffentliche — zur Ausübung, Sachverständiger 501 des Verteidigers zur Zurücknahme von Rechtsmitteln 1628 ff.

Erm

zur Strafverfolgung, Prüfung durch das Revisionsgericht 1799 der Landesregierungen zur Zuständigkeitskonzentration 2772 ff., 2793 f. Ermächtigungsdelikte Opportunitätsprinzip 948 Kosten 2533 Ermäßigung von Gebühren und Auslagen 2440 Ermahnung zu ordnungsgemäßer Ausführung der Amtsgeschäfte nach dem DRiG 2608, 3089 zur Wahrheit s. Wahrheitsermahnung Ermessen bei Beweisaufnahme 12 bei Verbindung zusammenhängender und Trennung verbundener Strafsachen 209,214 Angabe der Gründe bei —entscheidungen 350 Strafaufschub bei Wiedereinsetzungsgesuch 399 Höhe der Geldstrafe gegen Zeugen 410 genügende Entschuldigung des Zeugen für Ausbleiben 411 f. Belehrung über Auskunftverweigerungsrecht des Zeugen 440 Verlangen der Glaubhaftmachung des Zeugnisverweigerungsrechts 441 Tat- oder Teilnahmeverdacht gegen Zeugen, Nichtbeeidigung 453, 454 Absehen von der Beeidigung nach — 448, 455 ff. Nichtvereidigung im Verfahren wegen Übertretungen und bei Privatklageverfahren 460 Annahme der Versicherung auf den früheren Eid 469 Verhängung der Zwangs- oder Beugehaft gegen Zeugen 478 Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen 500 Vereidigung des Sachverständigen 507 Beobachtung in einer Heil- oder Pflegeanstalt 515, 518 Untersuchung Nichtbeschuldigter 536 Anordnung einer neuen Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen 539 f. Augenscheinseinnahme 546

3289

Erm

Sachregister

Ermessen (Fortsetzung) Unterbleiben der Zuziehung eines Arztes bei der Leichenschau 547 Zwangsmittel wegen Weigerung der Herausgabe von Beschlagnahmegegenständen 567 Zuziehung eines Gemeindebeamten oder zweier Gemeindemitglieder bei der Durchsuchung 626 Zulassung als Verteidiger 885 ff. Akteneinsicht im Büro des Verteidigers 935 Zulassung als Beistand im Vorverfahren 942 Absehen von der Verfolgung bei Auslandstaten 963 bei Einstellung, wenn Strafe oder Maßregel neben einer anderen nicht ins Gewicht fällt 971 Fristsetzung zur Austragung einer nach bürgerlichem Recht oder Verwaltungsrecht zu behandelnden Frage 978 f. des Behördenleiters bei Mitteilung von Straftaten an die Staatsanwaltschaft 992 Zwangsmittel bei richterlichen Untersuchungshandlungen 1003 Schlußgehör in Schöffengerichtssachen 1021 Vorlage der Akten der StA im Klageerzwingungs verfahren 1044 Festsetzung der Höhe der Sicherheit im Klageerzwingungsverfahren 1047 f. Zustimmung der StA zum Wegfall der Voruntersuchung in OLG- und Schwurgerichtssachen 1053 Anhörung des Angeschuldigten vor Eröffnung der Voruntersuchung 1058 Protokollfassung 1069 Gestattung der Anwesenheit der Prozeßbeteiligten in der Voruntersuchung 1075 Ladung von Sachverständigen zur Augenscheinseinnahme in der Voruntersuchung 1078 Anordnungen im Zwischenverfahren zur besseren Aufklärung 1096 Antrag der StA auf Aburteilung im beschleunigten Verfahren 1126 Bestimmung des Orts und Termins der Hauptverhandlung 1138 3290

Entscheidung des Vorsitzenden über Beweisanträge des Angeklagten vor der Hauptverhandlung 1153 Entbindung des Angeklagten von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung 1209 Anordnung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten 1218 f. Verbindung zusammenhängender Strafsachen nach Eröffnung des Hauptverfahrens 1220 Trennung von nach Eröffnung des Hauptverfahrens verbundenen Sachen 1222 Ablehnung eines Beweisantrages auf Einnahme des Augenscheins 1308 ff. Aussetzung wegen zu späten Vorbringens 1322 Fassung des Urteilsspruchs 1403 ff. Aussetzung des Verfahrens zur Erhebung einer Zivilklage 1444 Aussetzung der Hauptverhandlung bei veränderter Sachlage 1480 Nachtragsanklage, Einbeziehung einer weiteren Straftat 1487 Ermittlungen des Beschwerdegerichts 1660 Prüfung der Ausübung des — durch das Revisionsgericht 1806 ff. neues Sachverständigengutachten als neues Beweismittel, Wiederaufnahmegrund 1930 f. eidliche Vernehmung nach Zulassung des Wiederaufnahmeantrags 1947 öffentliches Interesse bei Privatklagevergehen 1974 Höhe der Sicherheitsleistung des Privatklägers 1985 Sicherungsverfahren 2209 Antrag der StA auf selbständige Einziehung 2288 Vermögensbeschlagnahme 2303 Antrag nach § 23 EGGVG gegen Maßnahmen der Strafvollstreckung und des Vollzuges 2321 ff. Ausnahmen von der Vollstreckungspflicht 2327 Strafaufschub wegen erheblicher Nachteile 2385 Bestimmung der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren nach billigem — 2470 f. Auslagenquotelung 2493

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Ermessen (Fortsetzung) Absehen von der Auslagenüberbürdung bei Freispruch, Außerverfolgungsetzung und Verfahrenseinstellung 2510 ff. Verteilung der Kosten und notwendigen Auslagen im Privatklageverfahren 2544 ff. Kosten im Verfahren über die Entschädigung des Verletzten 2556 gerichtliche Nachprüfung von Gnadenentscheidungen 2620 f. Verteilung der Geschäfte durch das Präsidium 2672 erweitertes Schöffengericht, Antrag der StA auf Zuziehung eines zweiten Amtsrichters 2731 Entbindung der Schöffen von der Dienstleistung 2768 f. Vorlegung an Großen Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung 2862 Ausschließung der Öffentlichkeit wegen Besorgnis einer Gefahrdung der öffentlichen Ordnung 2942 Zuziehung von Ergänzungspersonen 2986 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG wegen Verletzung des - 3037,3049 Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens nach §§ 23 ff. EGGVG 3052 f. Ermittlung der persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten 854 f. Ermittlungen der StA im vorbereitenden Verfahren 998 Vernehmung des Beschuldigten vor Abschluß der - 1007 Aktenvermerk und Mitteilung der StA über Abschluß der - 1017ff, 1020ff. Erhebung der öffentlichen Klage, wenn — genügenden Anlaß bieten 1027 Beauftragung des Untersuchungs- oder des Amtsrichters mit der Vornahme weiterer — im Klageerzwingungsverfahren 1044 f. selbständige — der StA während der Voruntersuchung 1063 f. selbständige — der Polizei während der Voruntersuchung 1071 Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der — in der Anklageschrift 1089

Erm

der StA während der Vorbereitung der Hauptverhandlung 1136 f. des Beschwerdegerichts 1660 zur Feststellung des öffentlichen Interesses bei Privatklagedelikten 1976 im Strafverfügungsverfahren 2198 Ergebnis der —, Antrag auf selbständige Einziehung 2288 f. Auslagenerstattung bei Verfahrenseinstellung nach Mitteilung des Abschlusses der - 2 5 2 3 ff. im Verfahren nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3165 f. Ermittlungsergebnis bei Erhebung der öffentlichen Klage 1028 f. Anklageschrift 1089 Ermittlungsrichter Verwerfung der Ablehnung als unzulässig 313 sonstige Entscheidung über Ablehnung des-317 Tätigkeit im vorbereitenden Verfahren 984 f. Wahrnehmung der amtsrichterlichen Geschäfte 1014 Bestellung und Geschäftsverteilung 1015 Beschwerde gegen Verfügungen des — 1015 Bestellung durch das Präsidium 2668 Bestellung bei den Oberlandesgerichten 2820 Beschwerde gegen Verfügungen des — des BGH 2855 f. Amtshandlungen überall ohne Zustimmung des örtlichen Amtsgerichts 2927 f. Ermittlungsverfahren rechtliches Gehör 159 Verbindung zusammenhängender Strafsachen 210 f. örtliche Zuständigkeit 230, 243, 245, 252,258,266 Beeidigung 463 Beschlagnahme 590 vorbereitendes Verfahren und —, Begriffe 984 gegen Abwesende 1587 Prüfung durch das Revisionsgericht 1788 Übernahme des — durch die StA, Strafverfügung 2195 3291

Erm

Sachregister

Ermittlungsverfahren (Fortsetzung) Kosten des — 2437 Auslagenerstattung bei Einstellung nach Mitteilung des Abschlusses der Ermittlungen 2523 ff. Unfähigkeit zum Schöffenamt bei — 2737f. Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3026, 3033 s. auch vorbereitendes Verfahren Ermüdung bei der Vernehmung 863 f. Ernennung zum Sachverständigen, Verpflichtung 502 der Mitglieder des BGH 2852 des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte 2891 f. der Richter 3070 ff., 3127 ff., 3131, 3134, 3137ff.; s. Näheres Deutsches Richtergesetz Erneuerung der Hauptverhandlung 1189 der Hauptverhandlung bei Abwesenden, Kosten 2582 f. Eröffnung Strafprozeßänderungsgesetz 27 Verbindung nach — der Voruntersuchung oder des Hauptverfahrens 211,217, 250 Trennung 219 Prüfung der sachlichen Zuständigkeit bei — des Hauptverfahrens 221 f., 224 Präventionswirkung für den Gerichtsstand 242 f., 244 Prüfung der örtlichen Zuständigkeit bis zur — des Hauptverfahrens 265 ff. Ausschließung des Richters des —Verfahrens? 274 f. der Voruntersuchung, Ausschluß des Untersuchungsrichters 291 ff. Anfechtung der Ablehnungsentscheidung mit dem Urteil, erkennender Richter 323 f. Zurücknahme der öffentlichen Klage nicht nach — der Voruntersuchung oder des Hauptverfahrens 981 f. nach — des Hauptverfahrens „Angeklagter" 982 nach — der Voruntersuchung oder des 3292

Hauptverfahrens, Zuständigkeit des Ermittlungsrichters 1015 der Voruntersuchung durch den Untersuchungsrichter 1054, 1059, 1062 ff. Antrag der StA auf — der Voruntersuchung 1055 f. Rechtsmittel gegen — der Voruntersuchung 1060 f. Ablehnung der Voruntersuchung, sofortige Beschwerde 1061 f. Antrag auf — der Voruntersuchung an Untersuchungsrichter beim OLG 1066 Bekanntmachung der — der Voruntersuchung 1074 Entscheidung über die — des Hauptverfahrens 1081 ff.; s. Näheres unter Eröffnung des Hauptverfahrens des Hauptverfahrens bei Privatklage 2002 ff., 2038 selbständiges Sicherungsverfahren 2205 Zuziehung des zweiten Amtsrichters mit der — des Hauptverfahrens 2731 f. Eröffnung des Hauptverfahrens Entscheidung über die — 1081 ff. Entscheidung über die — nach Voruntersuchung 1082ff. Entscheidung des Gerichts 1082, 1084 Antrag der StA 1083 Gegenstand der Entscheidung 1083,1085 örtliche und sachliche Zuständigkeit 1083 ff. Form der Entscheidung 1084 f. unmittelbare Erhebung der Anklage, Antrag a u f - 1084f. Anklageschrift 1086ff.; s. Näheres unter diesem Wort Mitteilung der Anklageschrift an den Angeschuldigten 1091 f. Fristsetzung zur Erklärung 1092 Besonderheit bei Minderjährigen 1092 f. Anträge auf Vornahme einzelner Beweiserhebungen, Einwendungen, Antrag auf Voruntersuchung 1093 f. Gerichtsbeschluß über die Anträge und Einwendungen 1093 f. Besonderheiten für den Amtsrichter 1094 Anfechtung des Beschlusses 1094 f. Folgen der Nichtmitteilung der Anklageschrift, keine Beschwerde 1095

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Eröffnung des Hauptverfahrens (Forts.) Anordnung einer Voruntersuchung, einer Ergänzung der Voruntersuchung oder einzelner Beweiserhebungen zur besseren Aufklärung vor — 1095 ff. Durchführung von Beweiserhebungen vor - 1096 f. Anordnung oder Ergänzung der Voruntersuchung vor — 1097 f. Beschlüsse vor —, Anfechtbarkeit 1098 Eröffnungsbeschluß, Voraussetzungen 1098 ff. rechtliche Bedeutung des Eröffnungsbeschlusses 1100 Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses 1100 f. mehrere Eröffnungsbeschlüsse 1101 Eröffnungsbeschluß nicht erforderlich in besonderen Fällen 1101 Eröffnungsbeschluß im Privatklageverfahren 1101 Zustellung des Eröffnungsbeschlusses 1101 Ablehnung der - 1101 ff. Begründung der Ablehnung der — 1102 Kosten des Verfahrens bei Ablehnung der - 1103 Aufhebung des Haft- oder Unterbringungsbefehls, einer Beschlagnahme bei Ablehnung der — 1103 Bekanntmachung des Beschlusses über Ablehnung der —, Anfechtbarkeit der Entscheidung 1103 Einstellung wegen Abwesenheit des Angeschuldigten oder eines anderen in seiner Person liegenden Hindernisses 1104 ff. Anfechtung des Beschlusses auf vorläufige Einstellung 1105 Wiederaufnahme nach vorläufiger Einstellung 1105 f. keine Kostenentscheidung bei vorläufiger Einstellung 1106 Beweissicherung bei vorläufiger Einstellung 1106 keine Bindung des Gerichts an die Anträge der StA 1106 f. endgültige Einstellung außerhalb der Hauptverhandlung wegen eines Verfahrenshindernisses, Rechtskraft, Kosten 1108 ff. Eröffnungsbeschluß 1111 ff.

Erö

Bedeutung und Inhalt des Eröffnungsbeschlusses (Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung), Bezeichnung des Gerichts der Hauptverhandlung, Begründung 1111 f. Änderung der Anklage 1112 Einreichung einer neuen Anklageschrift 1114 Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung 1114 Unvollständigkeit des Eröffnungsbeschlusses 1114 f. Eröffnungsbeschluß entgegen dem Antrag der StA auf Außerverfolgungsetzung, Einreichung einer nachträglichen Anklageschrift 1115 ff. Zuständigkeit zur — 1117 ff. durch Gericht höherer Ordnung 1117 f. durch das Landgericht 1118 Vorlegung der Akten an das Gericht höherer Ordnung 1118 f. Zuständigkeitskonzentration, Jugendrichter 1119 Vorlage an OLG 1119 Zusammenhang (Verbindung, Trennung) 1120 Beschwerderecht der StA gegen Ablehnung der —, Verweisung oder Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes 1120 ff. durch das Beschwerdegericht 1122 nach unanfechtbarer Ablehnung der — Wiederaufnahme der Klage nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel 1123 ff. Fortsetzung des Verfahrens 1124 neues Hauptverfahren 1125 Aburteilung im beschleunigten Verfahren vor dem Amtsrichter und dem Schöffengericht 1126 f. Abwesenheits verfahren 1574 bei Privatklage 2002 ff., 2038 selbständiges Sicherungsverfahren 2205 Befugnisse des Einziehungsbeteiligten von der — an 2247 ff. Zuziehung des zweiten Amtsrichters mit d e r - 2 7 3 1 f. s. auch Eröffnung, Eröffnungsbeschluß EröfFnungsbeschluß Verordnung zur Beseitigung 16 Strafprozeßänderungsgesetz 27 als Verfahrensvoraussetzung 93,1082 Zweckmäßigkeit 132 f. 3293

Erö

Sachregister

Eröffhungsbeschluß (Fortsetzung) Zustellung des — spätestens mit der LaUnzuständigkeitserklärung 268 dung zur Hauptverhandlung 1141 Mitwirkung eines ausgeschlossenen Gegenstand der Urteilsfindung 1454 ff. Richters 283 f. Hinweis an Angeklagten auf VerändeMitwirkung eines abgelehnten Richters rung des rechtlichen Gesichtspunkts 328 1467 ff. Verweisungsbeschluß und — 1531 Entscheidung über die Eröffnung des im Abwesenheitsverfahren 1574 Hauptverfahrens 1082ff.; s. Näheres Prüfung durch das Revisionsgericht 1790, unter Eröffnung des Hauptverfahrens 1798 f. Kritik 1082 Verlesung in der erneuten Hauptvernach Voruntersuchung 1084 handlung beim WiederaufnahmeverGerichtsbeschluß über Anträge und Einfahren 1956 wendungen gegen die mitgeteilte AnHeilung des Mangels des Sühneversuchs klageschrift 1093 f., 1095 1998 Voraussetzungen des — 1098 ff. hinreichender Verdacht 1099 Privatklageverfahren 2003 f. Ergebnisse der Voruntersuchung oder des bei Widerklage 2023 Strafbefehlsverfahren 2151 f. vorbereitenden Verfahrens 1099 f. Strafverfügungsverfahren 2200 rechtliche Bedeutung 1100 Einziehungsverfahren 2261 Unwirksamkeit 1100 f. Kostenpflicht, wenn der Umfang der Vermehrere — 1101 urteilung hinter dem — zurückbleibt nicht erforderlich in besonderen Fällen 2485 ff. 1101 Zuziehung eines zweiten Amtsrichters, im Privatklageverfahren 1101 erweitertes Schöffengericht 2731 f. Zustellung 1101 Besetzung des Strafsenats beim OLG Ablehnung der Eröffnung des Haupt2850 verfahrens 1101 ff. s. auch Eröffnung keine Bindung des Gerichts an die AnErpressung träge der StA 1106 f. Bedeutung und Inhalt des — 1111 f. Absehen von der Verfolgung eines Strafkeine Begründung 1112 täters bei - 976 f. Unvollständigkeit 1114 Errichtung Aufhebung 1111, 1121 von Sondergerichten 2632 f. zugleich von Amts wegen Beschlusses über eines Gerichts 2778, 3142 Untersuchungshaft oder einstweilige Error in procedendo Unterbringung 1114 Entziehung des gesetzlichen Richters entgegen dem Antrag der StA auf Außer2644 Ersatz einziehung verfolgungsetzung 1115 ff. von dem Angeklagten nicht anfechtbar W e r t - , Vollstreckung 2425 ff. 1120 Ersatzfreiheitsstrafe Widerruf 1121 gegen Zeugen wegen Ausbleibens 410 Sicherheitsleistung 798 f. Beschwerderecht der StA 1121 f. Beschränkung der Berufung 1706 Eröffnung des Hauptverfahrens durch Strafbefehl 2132, 2147 das Beschwerdegericht 1122 Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde Wiederaufnahme der Klage nur auf 2347 Grund neuer Tatsachen oder Beweisnachträgliche Umwandlung einer Geldmittel 1123 ff. strafe in eine Freiheitsstrafe 2404 f. Wegfall des — bei Aburteilung im beOrdnungsstrafe gegen Schöffen und schleunigten Verfahren 1127 f. Vertrauenspersonen 2770 Anhängigkeit der Sache bei Gericht Ersatz revision durch den — 1135 gegen amtsrichterliche Urteile 1779, 1782 3294

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Ersatzschöffen Ausschließung und Ablehnung von Schöffen 334 Entbindung eines Schöffen von der Dienstleistung 2768 f. Ersatzstrafe gegen Zeugen (Haft) 410,476,478,2968 Ersatzzustellung rechtliches Gehör 160 Geltung von Vorschriften der ZPO 365 ff. Wiedereinsetzung 389 an Zustellungsbevollmächtigten bei Haftverschonung gegen Sicherheitsleistung 717 Ladung zur Hauptverhandlung 1143 des Urteils auf Grund Hauptverhandlung ohne den Angeklagten 1206 Erscheinen Pflicht der Zeugen zum — 409 des Angeschuldigten vor dem Untersuchungsrichter 1074 von Zeugen und Sachverständigen, Vernehmung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter 1169 Erzwingung des — des in der Hauptverhandlung ausgebliebenen Angeklagten 1193 ff. Befreiung des Angeklagten vom — in der Hauptverhandlung 1207 ff. Anordnung des persönlichen — des Angeklagten 1218 f. Vemehmungspflicht bei — der Zeugen und Sachverständigen 1314 f. Verlesung von Niederschriften über frühere richterliche Vernehmungen bei —hindernissen 13 54 ff. Entbindung des Angeklagten vom — in der Berufungsverhandlung 1743, 1773 f. des Angeklagten in der Revisions-Hauptverhandlung 1879 f. des Privatklägers in der Hauptverhandlung 1982 f., 2015 f., 203 7 f. des Angeklagten im Privatklageverfahren 2018 des Nebenklägers 2057, 2060, 2063 f. des Angeklagten im Strafbefehlsverfahren 2179,2186 zur Hauptverhandlung im Sicherungsverfahren 2215 ff.

Ers

Erscheinungsformen der Tat, Bezeichnung in der Anklageschrift 1087 f. Erscheinungsort von Druckschriften als Gerichtsstand 233 Erscheinungspflicht der Zeugen 408 ff. der Sachverständigen 504 des Beschuldigten zur richterlichen Vernehmung 842 des Beschuldigten usw. nicht zur Vernehmung durch die StA 999 bei der Polizei 1004 des Angeschuldigten in der Voruntersuchung 1074 der Zeugen und Sachverständigen bei unmittelbarer Ladung durch den Angeklagten 1156 f., des Privatklägers 2015 f. des Angeklagten im Privatklageverfahren 2018 des Nebenklägers 2057, 2060,2063 f. des Angeklagten im Strafbefehlsverfahren 2179,2186 s. auch Erscheinen Erschöpfung des Rechtswegs als Voraussetzung einer Verfassungsbeschwerde, Privatklageverfahren 2032 Erschwerung Einziehung, Beschränkung der Verfolgung bei — der Entscheidung über andere Rechtsfolgen 2225 ff. Erstattung von Gutachten, Verpflichtung 500 ff. Weigerungsrecht 502 ff. Folgen der Weigerung 504 f. Sachverständigeneid nach — des Gutachtens 508 schriftliche oder mündliche — des Gutachtens im Vorverfahren 538f. eines neuen Gutachtens durch einen anderen Sachverständigen 539 f. der Kosten und Auslagen 2438, 2440ff., 2464 ff., 2474 ff. Geltendmachung von notwendigen Auslagen des Beschuldigten durch den Rechtsanwalt 2478 f. Haftung des Nachlasses des Verurteilten 2494 der Auslagen des Nebenklägers 2494

3295

Ers

Sachregister

Erstattung (Fortsetzung) der notwendigen Auslagen des Angeschuldigten bei Freispruch, Außerverfolgungsetzung und Verfahrenseinstellung 2502 ff. Zusammentreffen mehrerer —ansprüche des Angeschuldigten 2503 zeitlicher Bereich der —entscheidung 2507 Auslagen— bei schuldhafter Säumnis 2508 f. Ausschluß der Auslagen— bei täuschender Selbstanzeige 2509 f. Auslagen— bei Selbstbelastung oder Verschweigen wesentlicher entlastender Umstände 2510 ff. Auslagen— bei Nichtverurteilung wegen eines Verfahrenshindernisses 2512 ff. Auslagen— bei Einstellung des Verfahrens nach gerichtlichem Ermessen 2516 ff. Auslagen— bei Einstellung des Verfahrens nach Zurücknahme der öffentlichen Klage 2519 ff, 2525 f. Auslagen— bei Einstellung des Verfahrens nach Mitteilung des Abschlusses der Ermittlungen 2523 ff, 2525 f. sofortige Beschwerde gegen Entscheidung über Auslagen— 2526 der Auslagen bei Einstellung des Verfahrens wegen Zurücknahme des Strafantrags 2533 ff. Auslagen— im Privatklageverfahren 2537ff. Auslagen— bei Nebenklage 2548 ff. der Kosten und Auslagen der Rechts- und Amtshilfe 2924 ff. s. auch Kosten Erster Staatsanwalt Amtsbezeichnung 2873 Ersuchen an vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um Durchführung der Beschlagnahme 591 Durchsuchung 624 ff. der StA an Polizei um Ermittlungen 999 des Amtsrichters an Amtsrichter eines anderen Amtsbezirks um Beweiserhebung über Entlastungsbeweise 1012 f. von Untersuchungsrichter an Amtsrichter um einzelne Untersuchungshandlungen 1066

3296

des Untersuchungsrichters an die Polizei 1071 um Vertretung des Gutachtens einer kollegialen Fachbehörde 1386 um Rechtshilfe 2902 ff, 2909, 2911 ff, 2922 ff; s. Näheres unter diesem Wort ostdeutscher Gerichte und Behörden um Rechts- und Amtshilfe, Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3148 ff; s. Näheres unter Rechtshilfe, Gesetz Ersuchter Richter Auswahl eines Sachverständigen 492 Bindung an Aufträge des Untersuchungsrichters 1067 Begriff 2909 f. Zuständigkeit 2911 s. im übrigen beauftragter Richter Erteilung von Abschriften gerichtlicher Entscheidungen 352 des Wortes zu den Schluß Vorträgen 1390ff. Erweiterte Revision Reformbestrebungen 1777 Erweiteres Schöffengericht Entwicklungsgeschichte, Zweck 2730 Antrag der StA 2731 Zuständigkeit zur Entscheidung über Zuziehung eines zweiten Richters 2731 f. kein - nach J G G 2732 Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung 2734 Abstimmung 3002 Erwiderungsrecht des Staatsanwalts 1394 f. Erwiesenheit von Tatsachen, Ablehnung von Beweisanträgen 1296 des Gegenteils behaupteter Tatsachen, Ablehnung der Anhörung eines weiteren Sachverständigen 1306 Erwirkungshandlungen Begriff 70 f. der StA, Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3026 f., 3032 Erziehungsberechtigte Rechtsmittelbelehrung 356f. unabwendbarer Zufall, Wiedereinsetzung 385 als Zeuge 404

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Erziehungsberechtigte (Fortsetzung) Anwesenheit bei der Vernehmung anderer Zeugen 443 Benachrichtigung von der Verhaftung eines Jugendlichen oder Heranwachsenden 699 Benachrichtigung vom Termin der mündlichen Verhandlung über den Haftbefehl 733 Anwesenheit bei der Vernehmung des jugendlichen Beschuldigten 856 Mitteilung der Anklageschrift 1092 f. Ladung zur Hauptverhandlung 1151 Benachrichtigung von der Vernehmung durch den beauftragten oder ersuchten Richter 1172 Fragerecht in der Hauptverhandlung 1234 Schlußausführungen 1392 Einspruch gegen Strafbefehl 2162 Ausbleiben nach Einspruch gegen Strafbefehl 2184 Kosten des Rechtsmittels 2564 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3044 Erziehungsheim Unterbringung Jugendlicher in einem — bei Haftverschonung 712 Erziehungsmaßregeln Verschlechterungsverbot 1764 Erziehungspflichtige s. Erziehungsberechtigte Erziehungsregister Verlesung von Auskünften 1336 Milderung der Registrierung 2624 Beschwerde gegen ablehnende Entscheidungen 3042 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3043 s. auch Bundeszentralregister Erzwingung des Erscheinens der in der Hauptverhandlung ausgebliebenen Angeklagten 1193 ff. des Bleibens des Angeklagten in der Hauptverhandlung 1197 ff. des persönlichen Erscheinens des Angeklagten 1218 f. des Erscheinens des Beschuldigten zur polizeilichen Vernehmung 2197 Hilfsbeamte der StA 2899 Erzwingungshaft Vollstreckung 2324 f., 2348 Vollstreckungsaufschub 2386

Ext

Erzwingungsstrafe Vollstreckung urid Vollzug 2324, 2333 keine Strafsache 2631 Essen während der Sitzung, Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2965 Europäische Kommission für Menschenrechte Verfahrensordnung 3 Briefe Untersuchungsgefangener an die -749 s. im übrigen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Rechtsgrundlagen des Verfahrens 3 Wahl eines Verteidigers 884 Eventualanträge s. Hilfsantrag Eventualbeweisanträge s. Hilfsbeweisantrag Evokation Generalbundesanwalt, — in Staatsschutzsachen 2791,2824 Exemptionen selbständige Einziehung 2286 s. auch Gerichtsbarkeit Exterritoriale Gerichtsstand 240 Ladung 405 Kostentragung und Ordnungsstrafe wegen Ausbleibens als Zeuge 412 Beschlagnahmegegenstände 558 Durchsuchung 618, 620 Haftbefehl 684 Anzeigen gegen — 988 Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit 2646ff.; s. Näheres unter Exterritorialität Exterritorialität Gerichtsstand 240 Ladung von Zeugen 405 vorläufige Festnahme 818 Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit 2646 ff. Abkommen 2646 Leiter und Mitglieder diplomatischer Vertretungen 2647 andere Personen nach Völkerrecht oder Staatsvertrag 2647 f. 3297

Ext

Sachregister

Exterritorialität (Fortsetzung) verfahrensrechtliche Wirkung der Befreiung 2648 Dauer der Befreiung 2648 Verhalten gegenüber exterritorialen und anderen bevorrechtigten Personen 2649 Erstreckung der — auf Familienmitglieder, Geschäftspersonal und nichtdeutsche Bedienstete 2649 f. dinglicher Gerichtsstand 2650 Konsuln, Konsularverträge 2650 s. auch Exterritoriale

Fachbehörde in wichtigeien Fällen Gutachten einer — 540 chemische Untersuchung einer Leiche bei Verdacht einer Vergiftung 549 Vertretung des Gutachtens einer kollegial e n - 1386 Fähigkeit Vollstreckung bei Verlust von — 2316 Wiederverleihung verlorener — 2421 f. s. auch Befähigung Fälschung von Protokollen 1557 Fahndungsblätter Vollstreckungssteckbrief, Veröffentlichung 2398 Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung 2399 Fahndungsbuch Vollstreckungssteckbrief, Veröffentlichung 2398 Fahrausweise, ausländische vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, Beschlagnahme 652 Fahrerlaubnis vorläufige Entziehung 553 f., 638ff.; s. Näheres unter diesem Wort Entziehung der — im beschleunigten Verfahren 1132 Hauptverhandlung ohne den Angeklagten, Entziehung der — 1203

3298

Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung 1207 ff. Entziehung im Urteilsspruch 1412 Entziehung im Abwesenheitsurteil 1579 Entziehung der —, Zulässigkeit der Beschwerde 1650 Beschränkung der Berufung 1708 Entziehung der —, Verschlechterungsverbot 1770 Entziehung durch Strafbefehl 2135 Entziehung im Sicherungsverfahren 2204 Fahrlässigkeit strafbare Beteiligung an —vergehen, Nichtbeeidigung 451 Abstimmung 2997 Bezeichnung in der Anklageschrift 1087 Fahrtkostenentschädigung für Zeugen und Sachverständige 482 bei unmittelbarer Ladung 1157 für Schöffen und Vertrauenspersonen 2769 Fahrverbot Unterschied zwischen — nach § 37 StGB und § 25 StVG 33 f. keine Abgeltung des — durch Sicherheitsleistung 827 Hauptverhandlung ohne den Angeklagten 1203 Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung 1207 ff. Belehrung über Beginn der Verbotsfrist 1523 f. Verschlechterungsverbot 1771 Strafbefehl 2133, 2150 Belehrung bei Strafbefehl 2159 Strafverfügung 2194 Vollstreckung 2316 Anrechnung der Verwahrung usw. des Führerscheins 2342 kein Aufschub und Aussetzung 2395 Fairness im Strafverfahren 50, 76 Fallenlassen s. Zurücknahme Falschaussage Verletzter 1038 Falsche Anschuldigung Vorentscheidung 127 Verletzter 1038 Kostenauferlegung 2528

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Familienmitglieder unaufschiebbare Verpflichtungen gegen —, Entschuldigung für Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungsverhandlung 1742 von Exterritorialen, Gerichtsbarkeit 2649 s. im übrigen Angehörige Fassung der Protokolle 1069 des Urteilsspruchs 1400 ff., 1414 f. s. im übrigen Form Favor defensionis Rechtsmittel der StA 1619 Fehlen, Fehler s. Mangel Fehlurteil Allgemeines 45 f. Feiertage Einfluß auf die Fristberechnung 379 f., 381 Feldkonunandantur Strafverfügungen einer —, Wiederaufnahme 1959 Feld- und Forstpolizeigesetz Strafbefehl 2145 Strafverfügung 2193 Beschränkung der Revision 2830 Feldrügesachen s. Forst- und Feldrügesachen Feriensachen Strafsachen 3003 Feriensenate des BGH, Anrufungspflicht bei Abweichung 2859 Bildung 3003 f. Ferienstrafkammern Weitertätigwerden trotz Änderung der Geschäftsverteilung 2680 Bildung von - 2781, 3003 f. Fernmeldeanlagen Gesetz über —, Beschlagnahme und Durchsuchung (Reform) 554 Beschlagnahme von Telegrammen 598 Auskunftsrecht 600 f. Durchsuchung 623, 626 Fernmeldegeheimnis Verwertungsverbot 180 bei Beschlagnahme 596 s. auch Fernmeldeanlagen, Femmeldeverkehr

Fes

Fernmeldeverkehr Verwertungsverbot 176 Überwachung und Aufnahme des — 553, 554, 593,606 ff., 609,612 Gesetz über Fernmeldeanlagen, Beschlagnahme von Telegrammen 599 Auskunft über den — 600 f. Durchsuchung 623 Fernmündliche Erklärungen Einführung in die Hauptverhandlung 1346 Einlegung der Berufung 1683 f. Einlegung der Revision 1843 Revisionsbegründung 1859 Fernschreiben Einlegung der Berufung durch — 1685 Einlegung der Revision durch — 1843 Fernschreibstelle des Gerichts 378 Eingang der Berufung 1685 Fernschreibverkehr Überwachung 607 Fernsehaufnahmen aus dem Gerichtssaal 28, 1180 Unzulässigkeit 2932, 293 7 f. Fernsehempfang während der Untersuchungshaft 755 Fernsehgerät Einzelempfang durch eigenes — während der Untersuchungshaft 755 Fernsprecher Wahrung der Erklärungsfrist 376f., 378 Anzeigen 986 f. Strafanträge 991 Berufung 1683 Revisionsbegründung 1859 Fernsprechverkehr Auskunft über — 600 f. Fertigstellung Vermerk des Tags der Protokoll— 153 6 f. des Protokolls und Urteilszustellung 1552 des Urteils 1557ff. Fesselung der Untersuchungsgefangenen 748 bei vorläufiger Festnahme 823 f. des Angeklagten in der Hauptverhandlung 1198 Festhalten des Zeugen 410 des vorgeführten Beschuldigten 845 bei Amtshandlungen an Ort und Stelle 1010 3299

Fes

Sachregister

Festhalten (Fortsetzung) wegen Ungehorsams 2960 f. Festlandsockel Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechte am —, Hilfsbeamte der StA 2899 Festnahme Gerichtsstand 236 Absehen von der — Beschuldigter ohne festen Wohnsitz bei Sicherheitsleistung 827 fT. Voraussetzungen des Ersatzes der Untersuchungshaft durch Sicherheitsleistung 827 bei Amtshandlungen an Ort und Stelle 1010 Angabe in der Anklageschrift 1089 zum Zwecke der Vorführung 1195 Anrechnung der Freiheitsentziehung auf die Strafhaft 23 3 8 f. s. im übrigen vorläufige Festnahme, Verhaftung Festnahmegriinde beim Betreffen oder Verfolgen auf frischer Tat 821 Festsetzung der Entschädigung für Zeugen 482 der Strafe im Strafbefehl 2157 Verfahren bei — von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen 2305 ff. Aussetzung der Reststrafe, — des Beginns 2378 der Ersatzfreiheitsstrafe, nachträgliche Umwandlung 2404 f. der gerichtlichen Kosten und Auslagen 2466; s. Näheres unter Kosten und Auslagen der Kosten 2474 fr. Beschwerde gegen Ordnungsstrafe 2970ff. Festsetzungsverfahren s. Kosten Feststellung der Zuständigkeit für Voruntersuchung, Hauptverfahren 264 körperliche Untersuchung und körperliche Eingriffe zur — von Tatsachen 522 der Persönlichkeit des Verstorbenen vor Leichenöffnung 548 der Vereidigung bei Verlesung von Vernehmungsniederschriften 1362 3300

schriftliche — der Urteilsgründe 1513 Verfahrensvoraussetzungen, keine Bindung des Revisionsgerichts an tatrichterliche - 1797 Revision, Bindung an — über die Beweisaufnahme 1805 f. Revisibilität der Tatsachen— 1812 ff. Aufhebung der Urteils- 1888 ff. Aufhebung des Urteils, Bestehenbleiben von - 1890 Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die zugrunde liegenden — 1890 ff. Antrag auf — des Schadenersatzanspruchs im Anhangsverfahren 2078 Wahl des Präsidiums, — des Wahlergebnisses 2659 der Verhinderung, Vertretung 2694 der Tage der ordentlichen Sitzungen des Schöffengerichts 2755 f. Verfolgung eines Flüchtigen in das Gebiet eines anderen Landes zur — der Person 2929 des Tatbestandes einer strafbaren Handlung in der Sitzung 2975 der Rechtswidrigkeit des Justizverwaltungsakts 3048 der Nichtigkeit einer Ernennung zum Richter 3077 f. der Entlassung eines Richters 3087 der Unzulässigkeit der Vollstreckung ostdeutscher Erkenntnisse 3176 ff. s. auch Feststellungen Feststellungen keine Bindung des Revisionsgerichts an tatsächliche — hinsichtlich von Verfahrensvoraussetzungen 84 ff., 1797 Wirksamkeit des Urteils bei unrichtigen tatsächlichen — 190 f. in den Urteilsgründen 1491 ff. Nachprüfung der — durch das Revisionsgericht 1797 ff; s. auch Revision, Revisionsgericht Kosten und Auslagen, Bindung des Beschwerdegerichts an die tatsächlichen — des erkennenden Gerichts 2460 ff. s. auch Feststellung Feuerbestattung besondere Erklärung der Staatsanwaltschaft oder des Amtsrichters 994

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Filmaufnahmen in der Hauptverhandlung 28,444 als Beweismittel 1288 Unzulässigkeit 2937 f. Finanzamt Bußgeldverfahren, Antrag auf Strafbefehl (Strafbescheid beseitigt) 59 f. als Prozeßbeteiligter 67 Bindung der Entscheidung 127 Beschlagnahme 588 Durchsuchung 625 Akteneinsicht durch Verteidiger 933 Einsicht in Akten, die dem Gericht vorliegen 938 Einstellung des Verfahrens, Zustimmung des Gerichts 956 Anhörung des — vor Einstellung des Verfahrens 958 Recht auf Teilnahme an richterlichen Vernehmungen 1015 f. Nebenklagebefugnis 2043 Verwaltungsstrafverfahren nach der Reichsabgabenordnung 2202 f.; s. Näheres unter Reichsabgabenordnung Einziehung, Beschränkung der Verfolgung 2228 Antrag auf selbständige Einziehung 2287 Hilfsbeamte der StA 2898 Strafverfolgungsmaßnahmen des —, Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3021 f. Finanzgerichte Bindung an Entscheidungen der — 127 Fingerabdrücke für Zwecke des Strafverfahrens oder des Erkennungsdienstes auch gegen den Willen des Beschuldigten 528 Flaggen ausländische Schiffe 963 Flagrantendelikte Genehmigung des Parlaments bei — von Abgeordneten 650 Flagrantenfestnahme vorläufige - 817ff. s. auch Flagrantendelikte Flucht Begriff; Untersuchungshaft 670; s. Näheres unter Haftbefehl, Untersuchungshaft Anzeige des Bürgen 794 f. Steckbrief 83 7 f. Erlöschen des sicheren Geleits bei Anstalten zur — 1596

For

Fluchtgefahr Strafprozeßänderungsgesetz 25 Untersuchungshaft wegen — 671 f. Begriff 671 bei Bagatelldelikten 682 f. Erörterung der — bei Vernehmung des Verhafteten 702 f. Aufhebung des Haftbefehls 764 f. vorläufige Festnahme 822 s. auch Fluchtverdacht Fluchtverdacht Untersuchungshaft wegen — 670 ff. vorläufige Festnahme 818 ff. Haftfortdauer bei Urteilsfallung 1522 Vermögensbeschlagnahme wegen Abwesenheit 1591 Vorführungs- oder Haftbefehl zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe 2397 s. auch Fluchtgefahr Flüchtiger Begriff; Untersuchungshaft 670 f. Verfolgung in das Gebiet eines anderen Landes 2929 Flughafen nächster Gerichtsstand 239 Flugzeuge s. Luftfahrzeuge Förmlichkeiten des Verfahrens Beurkundung in der Voruntersuchung 1069 Beurkundung in der Hauptverhandlung 1255,1544 ff. ausschließliche Beweiskraft des Protokolls 1553 ff., 1804 f. s. auch Protokoll Folgen der Tat, Bedeutung für Verfahrenseinstellung 953 Folgenbeseitigung im Verfahren nach § § 2 3 ff. EGGVG 3047 f. Folter Bestimmungen über — in früheren Prozeßordnungen 859 Forderungen Beschlagnahme 558, 563 Form der Trennung verbundener Sachen 214 der Unzuständigkeitserklärung 221 ff. der Regelung der örtlichen Zuständigkeit durch oberes Gericht 229 f. 3301

For

Sachregister

Form (Fortsetzung) der Verbindung und Trennung, Gerichtsstand 249, 251 f. des Einwands der Unzuständigkeit 261 f. des Ablehnungsgesuchs 304, 305 der Anfechtung der Entscheidung über Ablehnungsgesuch gegen erkennenden Richter 325 der Bekanntmachung gerichtlicher Entscheidungen 351 Belehrung über — der Rechtsmittel 357, 382 der Rechtsmittelbelehrung 358 des Wiedereinsetzungsgesuchs 391 der Zeugenladung 404 ff. des Eides 446,465 ff. der Vereidigung des Sachverständigen 508 f. Verletzung der — bei Beschlagnahme und Durchsuchung 557 der Beschlagnahmeanordnung 589 der Postbeschlagnahmeanordnung 601 f. der Anordnung der Überwachung und Aufnahme des Fernmeldeverkehrs 609 f. der Entscheidung über Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände an den Verletzten 637 f. der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis 643 der richterlichen Vernehmung des Verhafteten 702 des Antrags auf Haftprüfung 721 der Entscheidung bei Haftprüfung 723 f. der Entscheidung nach mündlicher Verhandlung über den Haftbefehl 736 der vorläufigen Festnahme 824 f. der Ladung des Beschuldigten zur Vernehmung 842 f. des Vorführungsbefehls 844 der Aussage des Beschuldigten 851 f. der Genehmigung des Gerichts zur Wahl eines Verteidigers 886 der Vorlage an den Generalbundesanwalt bei Absehen von der Verfolgung bestimmter Staatsschutzsachen 968 der Protokolle über Untersuchungshandlungen 1013 f. der Anklageerhebung 1027 des Antrages des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung über Einstellung 1041 3302

des Beschlusses bei begründetem Antrag auf gerichtliche Entscheidung 1046 f. der Erhebung des Einwands gegen Eröffnung der Voruntersuchung 1060 der Entscheidung über Eröffnung des Hauptverfahrens nach Voruntersuchung 1084 Entscheidung bei unmittelbarer Erhebung der Anklage 1085 des Antrags der StA auf Aburteilung im beschleunigten Verfahren 1126 f. der Anzeige der Wahl eines Verteidigers 1147 f. der Ausübung des Fragerechts 1235 der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Frage 1241 des Beweisantrages 1273 der zu verlesenden behördlichen Erklärung 1383 der Urteilsverkündung 1511 des Antrags auf Wiederaufnahme des Abwesenheitsverfahrens 1582 der Rechtsmittel 1602 der Entscheidung bei Rechtsmittel der StA zuungunsten des Beschuldigten 1620 f. der Zurücknahme des Rechtsmittels und des Rechtsmittelverzichts 1622 der Beschwerde 1654 f. der Berufung 1680 ff. der Berufungsbegründung 1690 der Beschränkung der Berufung auf bestimmte Beschwerdepunkte 1693 der Verweisung wegen Unzuständigkeit durch Berufungsgericht 1736 des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Ausbleiben in der Berufungsverhandlung 1752 f. der Revision 1843 der Revisionsbegründung 1856 ff. der Verweisung wegen Unzuständigkeit durch das Revisionsgericht 1903 des Urteils und der Verkündung durch Revisionsgericht 1904 des Wiederaufnahmeantrags 1939 f., 1944 des Beitritts zum Privatklageverfahren 1972 der Erhebung der Privatklage 2000 der Widerklage 2022 f. der Rechtsmittel des Privatklägers 2031

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Form (Fortsetzung) der Anschlußerklärung des Nebenklägers 2052 des Antrags des Verletzten auf Entschädigung, Anhangsverfahren 2072 der Zustellung des Strafbefehls 2160 f. des Verzichts auf Beteiligung im Einziehungsverfahren 2243 des Antrags auf selbständige Einziehung 2289 f. selbständige Einziehung, — der Entscheidung im Nachverfahren 2298 f. der Entscheidung über Kosten und Auslagen im Privatklageverfahren 2539 der Entscheidung über Kosten im Verfahren über Entschädigung des Verletzten 2556 der außerhalb der Hauptverhandlung des Schöffengerichts ergehenden Entscheidungen 2733 des Antrags nach §§ 23 ff. EGGVG 3044 der Ernennung zum Richter 3075 f. des Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit der Vollstreckung ostdeutscher Erkenntnisse 3179 Formalurteil Aufhebung, Kosten 2568 Formlose Mitteilung Bekanntmachung von Entscheidungen durch — 354 s. ferner Mitteilung Formulare Kurzanzeigen, —mäßige 2196 Forschungs- und Lehraufgaben Wahrnehmung durch Richter 3062 Forschungsmittel Zuziehung eines weiteren Sachverständigen mit überlegenen — 1307 f. Forstdiebstahlsgesetz Strafbefehl 2145 Strafverfügung 2193 Beschränkung der Revision 2830 Forst- und Feldrügesachen Gerichtsbarkeit in — 2587 Begriff der — 2587 Zuständigkeit 2725 Forstschutzbeamte als Polizeibeamte bei Verfolgung eines Flüchtigen 2928 Fortbestand Ausspruch des — des Strafbefehls in neuem Verfahren 2174

Fot

Fortbildung des Rechts durch Richter 2601 f. des Rechts, Anrufung der Großen Senate 2860 ff. Fortgang Anschluß des Nebenklägers, — des Verfahrens 2058 f. Fortgesetzte Delikte Verbrauch der Strafklage 112 f. Absehen von der Verfolgung 970 Bezeichnung der Tat in der Anklageschrift 1087 Eröffnungsbeschluß 1101 Urteilsspruch 1406 f., 1408 Abweichung von der zugelassenen Anklage 1463 f. Beschränkung der Berufung 1703 Gegenstand des Berufungsverfahrens 1729 Verschlechterungsverbot 1729, 1757 Aufhebung des Urteils durch das Revisionsgericht 1889 Rechtskraft des Strafbefehls 2170 Kostenpflicht 2486 ff., 2498 Verteilung der Kosten und der notwendigen Auslagen im Privatklageverfahren 2545 Fortsetzung des Verfahrens trotz Amnestie 92 f. bei Wiederaufnahme nach Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens 1124 der Hauptverhandlung nach Unterbrechung spätestens am elften Tage 1188 ff. der Privatklage wegen Beleidigung nach Tod des Privatklägers 2041 f. der Verfolgung eines Flüchtigen auf das Gebiet eines anderen Landes 2928 ff. Fortsetzungszusammenhang s. fortgesetzte Delikte Fotografische Aufnahmen Hauptverhandlung 2938 im Zuhörerraum, Wegnahme der Geräte 2957 Fotokopien Sachverständiger, der sich auf — verläßt 552 Verteidiger, — aus den Akten 933 Übersendung von — eines Strafantrags 990 Verlesung von — 1333 f. 3303

Fra

Sachregister

Fragen an Zeugen 473 des Sachverständigen an Zeugen oder Beschuldigten 510, 532,533 bei der Vernehmung des Beschuldigten 847 ff. nach bürgerlichem Recht oder Verwaltungsrecht zu behandelnde —, Einstellung 978 f. Protokollierung in der Voruntersuchung 1069 an Angeklagte, Zeugen und Sachverständige, Fragerecht der Beteiligten 1233 ff. Befragung eines Angeklagten durch einen Mitangeklagten unzulässig 1235 f. Zurückweisung unzulässiger — 1237ff. bei Zweifel über die Zulässigkeit von — Entscheidung des Gerichts 1241 an den Zeugen über frühere Aussagen, Vorhalt 1340 f., 1343 bei Beratung und Abstimmung 2994 ff., 2999 f. Fragerecht der Prozeßbeteiligten in Beweisterminen der Voruntersuchung 1076 in der Hauptverhandlung 1233 ff. des Angeklagten nach Zwangsentfernung 1239 f. Französisches Recht Entwicklung der Revision aus der Kassation des — 1775 Frauen körperliche Untersuchung 533 f., 536ff. als Schöffen 2729 f., 2734, 2742 Freibeweis Verfahrensvoraussetzungen, Prüfung von Amts wegen 82 Verstoß gegen Beweisverbot 181 Nachweis des Zeugnisverweigerungsrechts 441 frühere Eidesleistung 470 Ablehnungsgrund bei Sachverständigen 498 Vereidigung des Sachverständigen 508 Sachverständigengutachten 539 Verstoß gegen die Willensfreiheit 871, 873 Nachweis der Unrichtigkeit der Übertragung von Kurzschriftprotokollen 1069 bei Verlust des Eröffnungsbeschlusses 1115 in der Hauptverhandlung 1259 3304

genügende Entschuldigung des Ausbleibens in der Berufungsverhandlung, Revision 1751 im Revisionsverfahren 1797, 1805 selbständiges Einziehungsverfahren 2298 Freigabe beschlagnahmter Gegenstände 634, 636 Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung 85 7 ff. Freiheiten des Untersuchungsgefangenen 753 ff. Freiheitsentziehung Vorlesen von zugestellten Schriftstücken 354 f. notwendige Verteidigung 901 ff. Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren bei - 2209 Vollzug der mit — verbundenen Maßregeln der Sicherung und Besserung 2317 ff. Anrechnung einer anderen — als Untersuchungshaft auf die Strafhaft 2338 f. Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde nicht bei mit — verbundenen Maßregeln 2347 Vollstreckungshilfe 2350 f. Aufschub und Unterbrechung der mit — verbundenen Maßregeln 2384 Absehen von der Vollstreckung bei Auslieferung und Ausweisung 2387 f. Reihenfolge der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe und einer mit — verbundenen Maßregel 2389 ff. Herbeiführung des Vollzuges 2396ff. Einrechnung des Aufenthalts in einer Krankenanstalt 2420 Freiheitsstrafe Erstes Strafrechtsreformgesetz 29 f. im beschleunigten Verfahren 1132 Hauptverhandlung ohne den Angeklagten 1203 Entbindung des Angeklagten von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung 1207 ff. kurzfristige —, Urteilsbegründung 1503 Abwesenheitsverfahren 1572 f. sicheres Geleit 15 94 ff. Verschlechterungsverbot 1762 f. Festsetzung durch Strafbefehl 2132 Strafverfügung 2194 Vollzug 2317 ff.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Freiheitsstrafe (Fortsetzung) Reihenfolge der Vollstreckung mehrerer selbständiger — 2332 f. Anrechnung der Untersuchungshaft 2334 ff. Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde 2347 Vollstreckungshilfe 2349 ff. junge Verurteilte, Vollzug 2357f. Aussetzung der Reststrafe 2373 ff. Aufschub und Unterbrechung der Vollstreckung 2379 ff. Absehen von der Vollstreckung bei Auslieferung und Ausweisung 2387 f. Reihenfolge der Vollstreckung einer — und einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel 2389 ff. Vorführungs- oder Haftbefehl, Steckbrief 23 95 ff. nachträgliche Umwandlung einer nicht beitreibbaren Geldstrafe in eine — 2404 ff. nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe 2406 ff. Strafgewalt des Amtsgerichts 2720 Strafgewalt des Einzelrichters 2723 f. Schöffenunfahigkeit bei Verurteilung zu -2737 Ersuchen um Vollstreckung einer — 2920 ff. Ersuchen um Ergreifung und Ablieferung des Verurteilten 2922 ff. Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3017 Beendigung des Richterverhältnisses 3088 f. Freilassung durch den nächsten Amtsrichter 706 durch die StA bei Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls 771 durch den Vorsitzenden 812 des Festgenommenen 833 f., 835 zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung, notwendige Verteidigung 905 Verpflichtung des Amtsrichters zur Erhebung von Entlastungsbeweisen, wenn diese die — begründen können 1012f. bei Einstellung des Verfahrens 1029 s. auch Haftbefehl, Untersuchungshaft Freisprechung, Freispruch trotz fehlender Prozeßvoraussetzung (Amnestie) 92 f.

Fre

Wahrheitserforschungspflicht und — 151 f. Aufhebung des Haftbefehls 766 durch Urteil 1404 teilweise — 1404 ff. Einstellung oder — 1412 ff. Urteilsgründe 1506 f. Beschwer bei —, Rechtsmittel 1608 f. Ausschluß der Berufung bei Bagatellurt eilen 1678 f. durch das Revisionsgericht 1891 Eignung neuer Tatsachen oder Beweismittel zur —, Wiederaufnahmegrund 1932 f. Geständnis des Freigesprochenen als Wiederaufnahmegrund 1935 f. Ablehnung des Antrags auf Wiederaufnahme bei Tod des Verurteilten oder — 1951 f. sofortige — eines lebenden Verurteilten im Wiederaufnahmeverfahren 1952 f. Kostentragung bei - 2483,2502 ff, 2553 ff.; s. Näheres unter Kosten Wiederaufnahmegrund 193 5 f. oder Ablehnung des Antrags auf Wiederaufnahme bei Tod des Verurteilten 1951 f. sofortige — eines lebenden Verurteilten im Wiederaufnahmeverfahren 1952 f. Kostentragung bei - 2483, 2502 ff, 2553ff.; s. Näheres unter Kosten Auferlegung der durch schuldhafte Säumnis verursachten Kosten 2508 f. Privatklage, Kosten bei — 2539 f. Nebenklage, Kosten bei — 2550 Abwesende, Erneuerung der Hauptverhandlung, Kosten bei — 2582 f. Wirkung der Niederschlagung 2623 Freistellung eines Richters für Aufgaben der Justizverwaltung, Präsidium 2681 Freiwerden der Sicherheit 791 ff. Freiwillige Gerichtsbarkeit Anfechtung der Wahl des Präsidiums, sinngemäße Anwendung des Gesetzes über die Angelegenheiten der — 2664 Freizeit Trennung von Straf- und Untersuchungsgefangenen während der — 742 Fremde Sprache Verlesung von Schriften 1338f. 3305

Fre

Sachregister

Fremde Sprache (Fortsetzung) Unterbleiben der Zuziehung eines Dolmetschers, wenn Beteiligte der — mächtig sind 298; s. im übrigen unter Dolmetscher und Gerichtssprache Friedensgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg 19, 197 Strafverfügungen 2190 Friedensrichter keine Entgegennahme von Strafanträgen 990 s. auch Friedensgerichtsbarkeit Friedensverrat Zuständigkeit 2788 ff., 2822 ff. Friedrich der Große Untersagung des Geständniszwangs 859 Frische Tat Beschlagnahme des Führerscheins bei Abgeordneten 649 f. vorläufige Festnahme bei Betreffen oder Verfolgen a u f - 8 1 7 f r . s. auch Tat Fristablauf Berechnung 3 80 f. Fristen für Einwand der Unzuständigkeit 262 für Ablehnung 299 ff., 308 Berechnung bei mehrfacher Zustellung 3 70 f. Belehrung über Rechtsmittel — 357 Beginn bei Zustellung an die StA 375 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 375 ff. Handlungs-, insbesondere Erklärungs— 375 f. Wahrung der Erklärungs— 376 ff. Versäumnis von —, Wiedereinsetzung 378 f. Berechnung einer nach Tagen bestimmten - 3 7 9 f. Berechnung einer nach Wochen oder Monaten bestimmten — 3 80 f. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im einzelnen 381 ff.; s. Näheres unter Wiedereinsetzung für Wiedereinsetzungsgesuch und Glaubhaftmachung 391, 393 f. für Ablehnung eines Sachverständigen 498 für Erlöschen der Postbeschlagnahme 605 für Vorführung des ergriffenen Beschuldigten vor den Richter 700 f. 3306

Haftprüfung von Amts wegen 726 Antrag auf mündliche Verhandlung 731 Sechsmonatsfrist für Untersuchungshaft 774 für weitere Prüfung bei Haftfortdauer über sechs Monate hinaus 791 für Gestellung des Beschuldigten, Bürgenbefreiung 795 für Vorführung und Vernehmung des Festgenommenen 833 Wiederaufnahme des vorläufig eingestellten Verfahrens 971 f. für Wiederaufnahme des Verfahrens nach Einstellung wegen Auslieferung oder Ausweisung 976 Austragung einer nach bürgerlichem Recht oder Verwaltungsrecht zu behandelnden Frage, Einstellung 978 f. Schlußgehör 1022 unterbliebene Belehrung über Klageerzwingungsverfahren 1031 für Beschwerde des Verletzten gegen die Einstellung an den vorgesetzten Beamten der StA 1034 Antrag auf gerichtliche Entscheidung 1041 f. Sicherheitsleistung für Kosten im Klageerzwingungsverfahren 1047 f. Erklärung des Angeschuldigten zur Anklageschrift 1092 Anberaumung der Hauptverhandlung mit kürzester — im beschleunigten Verfahren 1128 Ladung im beschleunigten Verfahren 1130 Nichteinhaltung der Ladungs—, Aussetzung der Verhandlung 1145 ff. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Urteil bei Hauptverhandlung ohne den Angeklagten 1217 Erhebung der Zivilklage 1445 Urteilsverkündung 1510 f. Fahrverbot, Belehrung 1523 f. Urteilsabsetzung 1557 ff. Antrag auf Wiederaufnahme des Abwesenheitsverfahrens 1582 Rechtsmittel 1601 f. für Rechtsmittel des gesetzlichen Vertreters 1613 f. Rechtsmittel des verhafteten Beschuldigten 1616 Beschwerde 1635, 1654

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Fristen (Fortsetzung) Vorlegung der Beschwerde 1656 f. sofortige Beschwerde 1669 Berufung 1685 f. Berufungsbegründung 1690, 1714 Antrag auf Wiedereinsetzung nach Ausbleiben in der Berufungsverhandlung 1752 Einlegung der Revision 1843 f. Revisionsbegründung 1854 ff. für Gegenerklärung auf Wiederaufnahmeantrag 1943,1945 nach Anordnung der Wiederaufnahme 1951 für Sicherheitsleistung des Privatklägers 1985 für Gebührenvorschuß des Privatklägers 1989 f. für Rechtsmittel im Privatklageverfahren 2030 f. unterstellte Rücknahme der Privatklage bei Nichteinhaltung einer — 203 7 f. für Fortsetzung der Privatklage wegen Beleidigung nach Tod des Privatklägers 2041 f. Einspruch gegen Strafbefehl 2160 f. Einziehungsverfahren 2261, 2279 für richterliche Bestätigung der Vermögensbeschlagnahme durch die StA 2304 Beginn der — für Höchstdauer des Strafaufschubes 2385 f. Einspruch gegen Vorschlagsliste für Schöffen 2747 Ablehnung der Berufung zum Schöffen' amt 2768 Beschwerde gegen Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2971 Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3043 ff. Ernennung des Richters auf Probe zum Richter auf Lebenszeit 3072 Rücknahme der Ernennung 3081 Versetzung und Amtsenthebung 3104 für Auskunftsbeschränkung und Tilgung ostdeutscher Verurteilungen 3174 f. für Antrag auf gerichtliche Entscheidung wegen Feststellung der Unzulässigkeit der Vollstreckung 3179 Führerschein Beschlagnahme 647 ff. Abnahme des — nach Polizeirecht 648

Geb

Rückgabe 650 f. Anrechnung der Verwahrung auf Fahrverbot 2342 Beschlagnahme eines zu verwahrenden — 2434 f. Führung der Voruntersuchung durch den Untersuchungsrichter 1063 Übertragung der — der Voruntersuchung 1064 Führungszeugnisse Ermächtigung zum Erlaß von Bestimmungen über die Ausstellung von — 3183 Fürsorgeerziehung Verschlechterungsverbot 1764 Jugendarrest, Jugendstrafe und — 2392 Fürsorgepflicht des Gerichts und des Staatsanwalts 51 in der Hauptverhandlung 1178 f. Funkanlage s. Fernmeldeverkehr Funktionsbezeichnung Amtsbezeichnung und — der Richter 3083 Funkverkehr Auskunft über — 600 f.

G Gebietsabtretungen Zuständigkeit für Wiederaufnahme des Verfahrens 1941 Gebrauchsmustergesetz Privatklage 1965 Straftaten nach § 3 a Abs. 2, Zuständigkeit 2822 ff. Gebrechlichkeit Anwesenheit der Prozeßbeteiligten bei Vernehmung in der Voruntersuchung 1076 Vernehmung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter wegen — 1168 f. Verlesung von Niederschriften über frühere richterliche Vernehmungen 1354 ff. Nichtberufung zum Schöffenamt 2739 Gebühren nachträgliche Gesamtstrafenbildung 2416 des Gerichts, Bemessung, Ansatz 2437ff. 3307

Geb

Sachregister

Gebühren (Fortsetzung) eines Rechtsanwalts als notwendige Auslagen eines Beteiligten 2463 ff. Vergütung des Pflichtverteidigers 2464 Rechtsanwalts- 2469 ff. gesetzliche — des Rechtsanwalts, Erstattungsfähigkeit 2469 f. Bestimmung der gesetzlichen — 2470 Mittelwert 2471 Angemessenheit der Rahmen—, Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer 2472 Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse 2472 andere Verteidiger als Rechtsanwälte 2472 auswärtiger Rechtsanwalt 2472 f. Verteidigung von Mitangeklagten durch denselben Verteidiger 2473 mehrere Verteidiger 2473 f. Rechtsanwalt als Verteidiger oder Vertreter in eigener Sache 2474 des Pflichtverteidigers, Mithaftung Mitangeklagter 2495 ff. Gebührenpflichtige Verwarnung s. unter Verwarnung Gebührenvorschuß des Privatklägers 1989 ff. des Widerklägers 2021 des Nebenklägers 2057 Gedächtnis Unterstützung des — bei Zeugenvernehmung durch Verlesung früherer Aussage 13 70 ff. Tonbandaufnahmen zur —stütze 2938 Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, Gerichtsstand 256 des Untersuchungserfolges, Anordnung der körperlichen Untersuchung und körperlichen Eingriffe auch durch die StA und ihre Hilfsbeamten 525 der Urteilsvollstreckung, Sicherstellung von Einziehungsgegenständen 560 f. des Untersuchungszwecks bei Postbeschlagnahme usw. 611 vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bei — der Allgemeinheit 641 eines Kindes oder Jugendlichen, Zuständigkeit der Jugendgerichte in Jugendschutzsachen 2726 3308

der äußeren Sicherheit, Zuständigkeit 2822 ff. Ausschluß der Öffentlichkeit wegen — der öffentlichen Ordnung 2939 ff, 2949 Gefälle s. Abgaben Gefängnis s. Haftanstalt, Strafanstalt Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung, Auskunftsverweigerungsrecht 438 ff. Sicherstellung von Gegenständen 564 Begriff der — bei Anordnung der Untersuchungshaft 669 f. Abwendung einer — für Bestand oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, Absehen von der Verfolgung einer Straftat 967 s. auch Gefahr im Verzuge Gefahr im Verzuge einzelne Untersuchungshandlungen eines unzuständigen Gerichts 270 f. Beeidigung im vorbereitenden Verfahren und in der Voruntersuchung 463 Zwang zur Untersuchung Nichtbeschuldigter bei — 536 Beschlagnahme durch die StA bei — 587, 590 Postbeschlagnahme durch die StA bei — 603 Anordnung der Überwachung und Aufnahme des Fernmeldeverkehrs 610 Anordnung der Notveräußerung durch die StA bei - 614 Durchsuchung zur Nachtzeit 621 ff. Begriff der - 622 Anordnung der Durchsuchung durch StA und Hilfsbeamte 623 ff. Durchsuchung der Wohnung 625 bei Beschlagnahme des Führerscheins 648 vorläufige Festnahme 825 f. Zwangsgewalt der Polizei 1004 Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen von Amts wegen 1011 f. Untunlichkeit der Benachrichtigung von der Vernehmung durch beauftragten oder ersuchten Richter wegen — 1172 f. Vermögensbeschlagnahme 2304 Amtshandlungen der örtlich unzuständigen StA 2880 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135—2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Gefahr im Verzuge (Fortsetzung) Amtshandlungen des Gerichts außerhalb seines Bezirks 2926 ff. Gefangener Durchsuchung zur Nachtzeit zwecks Wiederergreifung 621 ff. Begriff 622 Steckbrief bei Entweichung 837 Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Vollzugsbehörden 2320f. s. auch Strafvollstreckung, Untersuchungshaft Gegenbeweis gegen Urteilsfeststellungen über Beweisaufnahme 1805 f. Gegenerklärung auf die Beschwerde 1659 keine — bei der Berufung 1714 bei der Revision 1868 auf Antrag der StA, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen 1875 Gegenseitigkeit Nebenklage, Gewährung des Armenrechts an Angehörige fremder Staaten 2055 Gegenstände Beschlagnahme 558 Herausgabepflicht 565 Beschlagnahmefreiheit 574 Aufhebung der Beschlagnahme 595 Postbeschlagnahme 601 Notveräußerung 613 ff. Durchsuchung 621 Befugnisse des Inhabers zu durchsuchender - 628 Verzeichnis der weggenommenen — 629 bei Gelegenheit einer Durchsuchung gefundene verdächtige — 629 f. Verzeichnis der in Verwahrung oder in Beschlag genommenen — 630 f. Rückgabe an den Verletzten 634 ff. der Urteilsfindung 1454 ff. Beschlagnahme einzelner — im Abwesenheitsverfahren 1585 Bagatellurteile, die ausschließlich Übertretungen zum — haben 1674 ff. des Berufungsverfahrens 1728 Einziehung 2220 ff. Einwendungen gegen Einziehung bei Rechten an — 2246 Nachverfahren bei Einziehung 2278 selbständige Einziehung 2283 ff., 2293 f.

Geh

nachträgliche Anordnung der Einziehung 2421 f. Gegenstandslosigkeit Beschwerde, Vollstreckung einer Ordnungsstrafe 2971 Gegenüberstellung des Zeugen mit anderen Personen 414 im Vorverfahren 443 von Zeugen mit dem Beschuldigten 856 von Mitbeschuldigten 856 Zuführung von Zeugen in die D D R (Sowjetische Besatzungszone) zur — 3157 Gegenvorstellung Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3028, 3039 Gegner Zustimmung zur Zurücknahme des Rechtsmittels 1630 ff. Anhörung zur Beschwerde 1658 f. Anhörung zum Wiederaufnahmeantrag 1944 f. s. im übrigen unter den einzelnen Rechtsmitteln Gehalt Belassung des vollen — bei Veränderung der Gerichtsorganisation 3104 Geheimhaltung Erteilung von Abschriften verkündeter Entscheidungen 352 Zeugnisverweigerungsrecht der Vertrauenspersonen 423 ff. Zeugnisverweigerungsrecht der Hilfspersonen 432 ff. geheime Wahl des Präsidiums 2656 Schweigebefehl 2939, 2949 Beratungsgeheimnis, Geheimhaltungspflichtige 3115 s. auch Beratungsgeheimnis Geheimnisse Beschlagnahmefreiheit 581 Privatklage wegen Verletzung fremder — 1964,1992 ff. Ausschließung der Öffentlichkeit wegen Gefährdung eines wichtigen Geschäfts- oder Betriebs- 2939ff. Schweigebefehl 2939, 2949 Geheimschriften Zuziehung eines Sachverständigen 1339 Geheimvermerke der Staatsanwaltschaft 1090 3309

Geh

Sachregister

Gehilfe Beschlagnahmefreiheit 578 Absehen von der Verfolgung bestimmter Staatsschutzsachen 967 Gehör, rechtliches Sicherung des —, Strafprozeßänderungsgesetz 25 f., 27 f. Zusammenhang mit der Wahrheitserforschungspflicht 146 f. Grundsatz des - 159ff. bei Entscheidung über Ablehnungsgesuch 306,319 bei Erlaß gerichtlicher Entscheidungen 336ff., 345 ff. Hinweis auf etwaige Sachkunde der Richter 402 bei Maßregeln gegen ungehorsame Zeugen 480 bei Unterbringung und Beobachtung in einer Heil- oder Pflegeanstalt 515 bei Anordnung der Beschlagnahme 589 bei Postbeschlagnahme 602 f. bei Notveräußerung 615 bei vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis 643 vor Erlaß des Haftbefehls 687 bei Beschwerde gegen den Haftbefehl 691 Vorführung vor den Richter 704 f. Haftprüfung 723 mündliche Verhandlung über den Haftbefehl 735 f. Entscheidung über Haftfortdauer über sechs Monate hinaus 785 Unterbringungsbefehl 815 bei Absehen von der Verfolgung bestimmter Staatsschutzsachen 968 in der Hauptverhandlung 1177, 1190 Wiederaufnahme des Abwesenheitsverfahrens 1582 bei der Beschwerde 165 8 ff. Ausnahme vom Änderungsverbot bei sofortiger Beschwerde 1670 nachträgliche Sicherung 1671 f. bei der Revision 1868, 1879 des Einziehungsbeteiligten 2250,2267 Nachverfahren bei Einziehung 2277 ff. Festsetzung von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen 2308 vor gerichtlichen Entscheidungen über Strafvollstreckung 2422 im Auslagenfestsetzungsverfahren 2477 3310

bei Entscheidung durch die Großen und Vereinigten Großen Senate 2863 f. bei Entscheidung über Ausschluß der Öffentlichkeit 2947 bei Entscheidung über Ordnungsstrafe wegen Ungebühr 2967, 2972 Gerichtssprache 2976 s. auch Anhörung Geisteskranke einstweilige Unterbringung 813 ff. als Anzeigeerstatter 987 als Privatkläger 1969 landesrechtliche Vorschriften über die Unterbringung gemeingefährlicher — 2209 f. Einrechnung der Verbringung eines — in eine Heil- oder Pflegeanstalt in die Strafzeit 2417 ff. Vollzug der Unterbringung in einer Heilund Pflegeanstalt 2434 Versagung des Zutritts zu öffentlichen Verhandlungen 2950 f. Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 3044 s. auch Geisteskrankheit Geisteskrankheit des Richters, nichtiges Urteil 187 Haftunfähigkeit 680 Einstellung des Verfahrens wegen — 1105,1109 Verlesung von Niederschriften über frühere richterliche Vernehmungen 1353 Aufschub und Unterbrechung der Strafvollstreckung wegen — 23 82 f. Einrechnung der Verbringung in eine Heil- oder Pflegeanstalt in die Strafzeit 2417fr. Ausschluß der Öffentlichkeit 2938 f. s. auch Geisteskranke Geistesschwäche Ausschluß der Öffentlichkeit 2938'f. Versagung des Zutritts zu öffentlichen Verhandlungen wegen — 2950 f. Geisteszustand des Zeugen 475 Beobachtung in einer Heil- oder Pflegeanstalt 516 körperliche Untersuchung 523 Untersuchung Nichtbeschuldigter 532 notwendige Verteidigung 901 Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen 1305 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Geistliche Zeugnisverweigerungsrecht 424 f. Pflicht zur Herausgabe von Beschlagnahmegegenständen 566 Beschlagnahmefreiheit 575 Nichtberufung zum Schöffenamt 2741 f. Geld Sicherheitsleistung durch — 715 Geldbelohnungen Aussetzung von — durch die Staatsanwaltschaft 996 Geldbuße Einstellung des Verfahrens bei geringer Schuld gegen - 959 Verschlechterungsverbot 1763 gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung, Strafbefehl 2134 f. Verfahren bei Festsetzung von — gegen juristische Personen und Personenvereinigungen 2304 ff. Beteiligungsanordnung 2307 Verfahrensbeteiligung 2310 f. juristische Person, Rechtsmittel 2311 f. selbständiges Verfahren 2312 f. Festsetzung einer — gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung, Auferlegung von Kosten und Auslagen 2557 ff. keine Strafsache 2586,2631 als Disziplinarstrafe gegen Richter 3133 s. auch Bußgeldbescheide, Bußgeldverfahren Geldstrafe gegen Zeugen wegen Ausbleibens 410 Hauptverhandlung ohne den Angeklagten 1203 Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung 1207 ff. Urteilsspruch 1410 Abwesenheitsverfahren 1572 f. Beschlagnahme zur Deckung der — im Abwesenheitsverfahren 1584 Bagatellurteile, Ausschluß der Berufung 1679 Verschlechterungsverbot 1762 f. Festsetzung durch Strafbefehl 2132 f., 2147 Festsetzung durch Strafverfügung 2194 nachträgliche Umwandlung in eine Freiheitsstrafe 2404 f.

Gern

Vollstreckung von — 2425 ff.; s. Näheres unter Strafvollstreckung Vollstreckung von — außerhalb des Bezirks des erkennenden Gerichts 2923 f. wegen Ungebühr 2967 Geleit sicheres — 1594ff.; s. Näheres unter diesen Worten Geleitbrief 1595 Geltungsbereich des GVG 2593 f., 3006 des Gesetzes über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3169, 3172, 3174 ff.; s. Näheres unter Rechtshilfe, Gesetz s. auch Geltungsbereich der StPO Geltungsbereich der StPO Begrenzung 239 Zustellungsvollmacht 716 f. Sicherstellung der Strafverfolgung und Strafvollstreckung bei Beschuldigten ohne festen Wohnsitz oder Aufenthalt i m - 8 3 9 ff. Absehen von der Verfolgung von Taten außerhalb des - 962 ff. Absehen von der Verfolgung bestimmter Staatsschutzsachen 964 Parteien, Vereinigungen, Einrichtungen außerhalb des —, Einziehungsbeteiligung 2234 f. Absehen von der Vollstreckung bei Ausweisung aus dem — 2387f. Inkrafttreten der StPO im ganzen Umfang des Reichs gleichzeitig mit dem GVG 2585 Gemeindebeamte Zuziehung bei Durchsuchungen 623 ff, 626 Gemeindebehörden Anzeigepflicht bei bestimmten Todesfällen 992 Gemeindebezirke Sühneversuch 1992 Gemeindegerichte Sühneversuch 1993 Strafgerichtsbarkeit 2190 besondere Gerichte 2637 Gemeindemitglieder Zuziehung bei Durchsuchungen 626 Gemeindevertretung Zustimmung zur Aufnahme in die Vorschlagsliste für Schöffen 2745 ff. 3311

Gern

Sachregister

Gemeingefährlichkeit Unterbringung 2209 Unterbrechung der Strafvollstreckung bei gemeingefährlich Geisteskranken 2419 s. auch Geisteskranke, Geisteskrankheit Gemeinsamer Senat Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte 2834 mündliche Verhandlung 2864 Gemeinschaftlicher Verteidiger Verteidigung mehrerer Beschuldigter 929 f. Ladung 1148 Gemeinschaftliches oberes Gericht Verbindung und Trennung 219 Regelung der örtlichen Zuständigkeit 229 f. Übertragung des Gerichtsstandes 245 f. Verbindung zusammenhängender Strafsachen 249 f. Trennung 252 Zuständigkeitsstreit 254 f. Bestimmung durch — bei mehreren Unzuständigkeitserklärungen 269 Bedenken gegen Übernahme nachträglicher Entscheidungen über Strafaussetzung zur Bewährung 2365 Gemeinschaftshaft Untersuchungsgefangene 742 f. Gemeinschaftsrundfunk während der Untersuchungshaft 755 Gemeinschuldner Unfähigkeit zum Schöffenamt 2738 Genehmigung des Bundestages usw. zur Abweichung vom Vernehmungsort bei Abgeordneten und Ministern 408 zur Aussage von Beamten 435 ff. devisenrechtliche — für Zeugenentschädigung 482 des Richters für Haftanordnungen durch Beamte 760 des Gerichts zur Wahl eines Verteidigers 885ff. der Bestattung bei bestimmten Todesfällen 993 der Entfernung der vernommenen Zeugen und Sachverständigen 1331 f. des Protokolls 1549 ff.

3312

des Bundestages zur Strafvollstreckung gegen Bundestagsabgeordnete 2327 Eilmaßnahmen des Präsidenten oder aufsichtführenden Richters, — des Präsidiums 2704 fr. der Nebentätigkeit des Richters als Schiedsrichter und Schlichter 3111 zur Erstattung von Gutachten und zur Erteilung von Rechtsauskünften 3112 der Rechts- und Amtshilfe gegenüber der D D R (Sowjetzone) 3160, 3174 f. Generalakten •über Beeidigung der Schöffen 2766 Generalbundesanwalt Staatsschutzstrafsachen 30 Absehen von der Verfolgung bestimmter Staatsschutzstrafsachen 964, 967 Zuständigkeit des Ermittlungsrichters beim BGH 1014 Einstellung durch den —, Klageerzwingungsverfahren 1044 als Vollstreckungsbehörde 2344, 2351 Übernahme der Verfolgung in Staatsschutzstrafsachen 2791 f., 2824 Anhörung durch Große Senate oder Vereinigte Große Senate 2863 Amtsbezeichnung 2872 f. Ausübung des Amtes der StA beim OLG 2876 f. Abgabe von Verfahren an die Landesstaatsanwaltschaft 2877 ff. Berichterstattung der Landesstaatsanwaltschaft an - 2879 f. Weisungsrecht 2888 Dienstaufsicht durch den Bundesjustizminister 2889 beamtenrechtliche Stellung 2890 f. Ernennung 2891 f. Hilfsbeamte der StA 2896 Bundesdisziplinaranwalt 3132f. Generalfragen an Zeugen 470 f. Generalstaatsanwalt Antrag des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung über Einstellung 1044 als Vollstreckungsbehörde 2344 Beschwerdeinstanz für Amtsrichter als Vollstreckungsbehörde 2346 Amtsbezeichnung 2873 Devolutions- und Substitutionsrecht 2882ff. Aufsicht und Leitung 2889 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135—2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Generalstaatsanwalt (Fortsetzung) Zuständigkeit nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3160 ff.; s. Näheres unter Rechtshilfe, Gesetz s. auch Staatsanwaltschaft Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen Verhandlungen gegen Kriegsgefangene, Anwesenheit von Vertretern der Schutzmacht 2951 Gerichtssprache 2977 Genossenschaftsgesetz Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer 2793 f. Genügende Entschuldigung s. Entschuldigung Genugtuung Leistungen des Angeklagten zur — für Unrecht 1482 ff. Gerechtigkeit formelle Rechtskraft und materielle — 1599 Gerichte als Prozeßbeteiligte 68 Untersuchungspflicht 140 Begriff 181,2596 des ersten Rechtszuges 206 verschiedener Ordnung 208 f. höherer Ordnung 220 f. Prüfung der sachlichen Zuständigkeit 221 ff. Gerichtsstand des Zusammenhangs 248 Prüfung der örtlichen Zuständigkeit 264 f. Entscheidung über Ablehnungsgesuche 303 f., 311 ff., 315 ff., 318 f. Ablehnung des — als ganzes 311 Absehen von der Beeidigung 448 Prüfung der Voraussetzungen der Beschlagnahme 565; s. im übrigen unter Beschlagnahme Maßnahmen des Vollzuges der Untersuchungshaft 757f.; s. im übrigen unter Untersuchungshaft bei deutschen — zugelassene Rechtsanwälte als Verteidiger 884 Einstellung bei Absehenkönnen von Strafe 961 Einstellung, wenn Strafe oder Maßregel neben einer anderen nicht ins Gewicht fällt 971 Anbringung des Strafantrags 988 f.

Ger

Voruntersuchung 1049ff.; s. Näheres unter diesem Wort in der Anklageschrift Angabe des —, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soU 1089 Unabhängigkeit des — vom Antrag der StA bei vorläufiger Einstellung des Verfahrens 1105 keine Bindung an die Anträge der StA bei Beschlußfassung über Eröffnung des Hauptverfahrens 1106 f. im Eröffnungsbeschluß Bezeichnung des —, vor welchem die Hauptverhandlung stattfinden soll 1112 Eröffnung des Hauptverfahrens durch — höherer Ordnung 1117 f. Verteilung der Geschäfte zwischen dem — und dem Vorsitzenden bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung 1136 Ladung und Herbeischaffung von Beweismitteln 1140 Aussetzung der Hauptverhandlung 1185 Hauptverhandlung ohne den Angeklagten 1205 Entscheidung über Beanstandungen von sachleitenden Anordnungen des Vorsitzenden 1229 Entscheidung über Zulässigkeit einer Frage 1240 f. Pflicht des — zur Erforschung der Wahrheit, Beweisaufnahme 1262 ff. Sachkunde der - 1304 ff. Hinweis auf Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes 1474 ff. Eingang der Zurücknahme des Rechtsmittels und des Rechtsmittelverzichts bei - 1624 f. nicht vorschriftsmäßige Besetzung als unbedingter Revisionsgrund 1825 ff. Einlegung der Revision, Revisionsbegründung 1843,1856 Wartepflicht bei Säumnis 2186 Überwachung bei Strafaussetzung zur Bewährung 23 72 f. Entscheidungen über Strafvollstreckung durch — des ersten Rechtszuges 2420 ff. besondere Namen 2628 Gliederung und Geschäftskreis 2629 f. Bestimmung des Sitzes und Bezirks 2630 allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung 2651 ff. 3313

Ger

Sachregister

Gerichte (Fortsetzung) Bildung eines Präsidiums bei jedem — 2654 Zusammensetzung des Präsidiums 2654f.; s. im übrigen unter Präsidium Errichtung und Aufhebung, Bestimmung des Sitzes, Änderung der Bezirksgrenzen 2778 StA bei j e d e m - 2 8 7 0 f. Unabhängigkeit der StA von den — 2892 Geschäftsstelle 2900 f. Rechts- und Amtshilfe 2902 ff. Rechtshilfepflicht zwischen deutschen — der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit 2910 f. Nichtablehnung des Rechtshilfeersuchens des vorgesetzten — 2913 f., 2918 Amtshandlungen des — außerhalb seines Bezirks 2926 ff. Aktenmitteilung zwischen Behörden und — eines anderen Landes 2930 f. Gestattung des Zutritts zu nicht öffentlichen Verhandlungen 2951 sitzungspolizeiliche Befugnisse 2959 Entfernung wegen Ungehorsams 2959 Ordnungsstrafe 2961 ff. Zuständigkeit der ordentlichen — für Nachprüfung von Justizverwaltungsakten 3013 ff. Besetzung der — mit Richtern auf Lebenszeit 3094 f. Besetzung der — mit Richtern auf Probe, Richtern kraft Auftrags und abgeordneten Richtern 3096 f. Veränderung der Gerichtsorganisation 3103 f. Gliederung der — (Errichtung, Aufhebung), VOv. 20.3. 1935 3142 s. im übrigen unter den verschiedenen Arten von Gerichten Gerichtliche Entscheidungen Widerruflichkeit 73 f. Irrtum 75 Täuschung und Drohung 77 f. Bekanntmachung 335 ff., 351 ff. Sprachgebrauch 335 f. Sicherung des rechtlichen Gehörs 337 Inhalt und Begriffe (Entscheidungen, Ergehen, Beurkundung) 337 im Laufe einer Hauptverhandlung ergehende —, Anhörung der Beteiligten 340 f.

3314

außerhalb der Hauptverhandlung ergehende — 341 ff. mit dem Prozeßzweck nicht zu vereinbarendes Gehör 344 f. Nachholen des rechtlichen Gehörs 345 ff. Angabe der Gründe bei anfechtbaren und ablehnenden — 349 ff. Verkündung bei Anwesenheit 351 f. Erteilung einer Abschrift 352f. Zustellung bei anderen Entscheidungen 353 formlose Mitteilung 354 Vorlesung bei dem nicht auf freiem Fuß Befindlichen 354 f. gleichzeitige Belehrung des Betroffenen über befristete Rechtsmittel 355 ff. Belehrungsmängel 358 f. Ubergabe zustellungs- und vollstreckungsbedürftiger - an die StA 359 ff. innerdienstliche — 361 f. unmittelbare Veranlassung der Zustellung und der Vollstreckung durch Untersuchungsrichter und Vorsitzenden 362 entsprechende Geltung der Vorschriften der ZPO für das Verfahren bei Zustellungen 362 ff; s. Näheres unter Zustellung Zustellung der Ladung ladungsbefugter Verfahrensbeteiligter durch Auftrag an den Gerichtsvollzieher 371 f. öffentliche Zustellung 372 ff. Zustellung an die StA 3 74 f. Mitwirkung von Richtern auf Probe, kraft Auftrags oder abgeordneten Richtern 3096 f. s. auch Antrag auf gerichtliche Entscheidung Gerichtsarzt Zuziehung bei Leichenöffnung 546, 548 Gerichts assessoren Änderung der Bezeichnung 3081 ff. s. im übrigen Richter auf Probe Gerichtsbarkeit Beschränkung der deutschen — 22 f. als Verfahrensvoraussetzung 96 der ordentlichen Gerichte 225 f. Anzeigen gegen nicht der deutschen — unterworfene Personen 988, 996 Unzulässigkeit einer Untersuchungshandlung bei fehlender — 1002 Einstellung des Verfahrens bei fehlender - 1029

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Gerichtsbarkeit (Fortsetzung) Voruntersuchung bei fehlender — 1057 Prüfung durch das Revisionsgericht 1799 des Bundes, Begnadigungsrecht 2361 f. Organisation der gesamten — durch das Grundgesetz 2593 f. Allgemeines 2594 Rechtsgrundlagen der richterlichen Unabhängigkeit 2594 ff. Begriffe der Rechtsprechung, Rechtspflege und - 2594 ff. Begriffe des Richters und des Gerichts 2596 Richter und Beamte, Rechtsstellung 2597 Referendare, Erledigung von Rechtshilfeersuchen usw. 2609 ff. Bundes- und Landesgerichte 2614 f. Aufteilung der — 2614 des Bundes 2614 f. das Strafverfolgungsrecht der Länder in ihrem Verhältnis zueinander 2615 f. Bundesländer, einheitliches Rechtspflegegebiet 2615 Zuständigkeit für die Strafverfolgung 2615 einzelne Untersuchungshandlungen, Einheit des Bundesgebietes 2615 f. Wirkung der Rechtshängigkeit und Rechtskraft im ganzen Bundesgebiet 2616 räumlicher Bereich der Rechtsprechungsgewalt 2616 Begnadigungsrecht 2616 ff. Formen der Begnadigung 2617 Anwendungsbereich der Gnade 2617 Einzelgnadenerweis 2617 f. Reichweite der Gnade 2618 ff. gerichtliche Nachprüfung von Gnadenentscheidungen 2620 ff. Niederschlagung, Bedeutung 2622 f. Sachentscheidung und Verfahrensfortsetzung trotz Niederschlagung 2623 bundeszentralregisterliche Maßnahmen, keine Gnadenakte 2624 Begnadigungsrecht des Bundes 2624 f. Rechtsgrundlagen des Begnadigungsrechts des Bundes 2624 f. Zuständigkeit zur Ausübung des Gnadenrechts des Bundes 2624 Bundesamnestien 2624 f. Umfang des Bundesgnadenrechts 2625 Begnadigungsrecht der Länder 2625 ff.

Ger

Umfang des Gnadenrechts der Länder 2625 f. Ausübung des Gnadenrechts bei Beteiligung mehrerer Länder 2626 Zuständigkeit zur Ausübung des Gnadenrechts in den Ländern 2626 Inhalt des Landesgnadenrechts 2626 f. Wirkung der Niederschlagung durch ein Land, wenn die Gerichte mehrerer Länder zuständig sind 2627 f. Ausübung der ordentlichen streitigen — durch Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte und durch den Bundesgerichtshof 2628 ff. Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Strafsachen 2631 ff. Abgrenzung der Strafsachen im Sinne des § 13 GVG von nichtkriminellem Ungehorsam 2631 Sondergerichte 2632 f. Jugendgerichte 2633 Bundesverfassungsgericht 2633 f. Sondergerichte für alle Rechtszüge 2634 ordentliche Gerichte zugleich als Sondergerichte 2634 Verhältnis der ordentlichen zu den Sondergerichten 2634 Anwendbarkeit der StPO auf das Verfahren vor den Sondergerichten 2635 Zulassung von Schiffahrts- und Gemeindegerichten als Sondergerichte 2635 ff. Ausnahmegerichte 2638 f. gesetzlicher Richter 263 9 ff. Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges, Verweisung 2645 f. Kompetenzkonfliktsgerichtshöfe 2646 Exterritorialität, Befreiung von der deutschen - 2646 ff. Leiter und Mitglieder diplomatischer Vertretungen 2647 verfahrensrechtliche Wirkung der Befreiung 2648 Dauer der Befreiung 2648 Nato-Truppenstatut 2649 Verhalten gegenüber exterritorialen und anderen bevorrechtigten Personen 2649 Erstreckung der Exterritorialität auf Familienmitglieder, Geschäftspersonal und nichtdeutsche Bedienstete 2649 f. dinglicher Gerichtsstand 2650 Konsuln, Konsularverträge 2650 Staatsschutzsachen 2826f., 2877 3315

Ger

Sachregister

Gerichtsbarkeit (Fortsetzung) Übertragung der — in Sondergerichtssachen auf die ordentlichen Gerichte, insbesondere BGH, durch die Landesgesetzgebung 3007 f. Übertragung jeder anderen Art der — durch die Landesgesetzgebung 3008 f. Gerichtsbezirk Gerichtsstand 229, 231, 257 Ladung aus einem anderen — 405 Bestellung der im — zugelassenen Rechtsanwälte als Pflichtverteidiger 914 f. Augenscheinseinnahme außerhalb des — 1176 Umgestaltung des —, Zuständigkeit für Wiederaufnahme 1941 s. auch Bezirk Gerichtsferien Allgemeines 3003 Dauer 3003 Feriensachen 3003 Ferienkammern und Feriensenate 3003 f. kein Einfluß der — auf Kostenfestsetzungs-, Mahn-, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsverfahren 3004 Gerichtsgebühren s. Gebühren, Gerichtskostengesetz Gerichtskasse Mitwirkung bei der Überwachung der Erfüllung einer Auflage 2373 Beitreibung der Gerichtskosten 2438 Gerichtskostengesetz Auslagenvorschuß des Privatklägers 1983 f. Gebühren und Auslagen der Gerichte 2437ff.; s. Näheres unter Kosten Gerichtskundige Tatsachen bei Ablehnung 305 bei Wiedereinsetzung 392 Mangel der Beweisbedürftigkeit bei — 1295 f. Feststellung 1423 f. Gerichtsorganisation Versetzung bei Veränderung der — 3097, 3103 f. Anfechtung einer Maßnahme wegen Veränderung der — 3131, 313 9 f. Gerichtsorganisationsgesetze der Bundesländer 2778

3316

Gerichtspersonen Ausschließung und Ablehnung 271 ff. Befugnisse des Vorsitzenden gegenüber anderen — 2959 Zahl der bei Entscheidungen mitwirkend e n - 2 9 8 6 ff. Gerichtsreferendare s. Referendare Gerichtssaal Presseberichterstattung, Rundfunk- und Fernseh Übertragungen aus dem — 1180 Gerichtssprache Bekanntmachung von Anträgen durch Dolmetscher bei den der — nicht mächtigen Angeklagten 13 99 f. Allgemeines 2976 f. Menschenrechtskonvention, Genfer Abkommen usw. 2976 f. deutsche Sprache als — 2977 f. Zuziehung eines Dolmetschers 2978 ff. Protokollierung wichtiger Aussagen auch in der fremden Sprache 2981 Zuziehung eines Dolmetschers kann unterbleiben, wenn die Beteiligten sämtlich der fremden Sprache mächtig sind 2981 Zuziehung eines Dolmetschers zur Verhandlung mit tauben oder stummen Personen 2981 f. Eidesleistung der der deutschen Sprache nicht mächtigen Personen 2983 Beeidigung des Dolmetschers 2983 f. Urkundsbeamter der Geschäftsstelle zugleich als Dolmetscher 2984 entsprechende Anwendung der Vorschriften über Ausschließung und Ablehnung der Sachverständigen auf den Dolmetscher 2985 Gerichtsstand als Verfahrensvoraussetzung 130 nach §§ 7 ff. StPO 226 ff. örtliche Zuständigkeit der Gerichte erster Instanz 226 der Rechtsmittelgerichte 226 f. weitere — 227 f. Konkurrenz der — 228 Dauer des — 229 Gerichtsbezirk 229 Entscheidung des oberen Gerichts 229 f. Vorverfahren 230 des Tatorts 231 der Presse 232

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Gerichtsstand (Fortsetzung) des Wohnsitzes, gewöhnlichen Aufenthaltsortes und letzten Wohnsitzes 234 ff. des Ergreifungsorts 236 des Heimathafens 237 ff. des fingierten Wohnsitzes von Exterritorialen und im Ausland angestellten Beamten 240 Vorrang des Gerichts, das die Untersuchung zuerst eröffnet hat 240 ff. Übertragung auf ein anderes der zuständigen Gerichte durch das gemeinschaftliche obere Gericht 245 f. des Zusammenhangs 247 f. Verbinden und Trennen 248 ff. Hilfs— der Zuständigkeitsbestimmung durch den BGH 252 ff. bei Streit Bestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht 254 des Auftrags 255 Einwand der Unzuständigkeit 258 Feststellung der Zuständigkeit für Voruntersuchung, Erstreckung auf das Hauptverfahren 263 f. Prüfung der örtlichen Zuständigkeit 264 f. gerichtliche Entscheidung 265 ff. Wirkung 267 f. örtliche Unzuständigkeit des Rechtsmittelgerichts 268 f. bei mehreren unanfechtbaren Unzuständigkeitserklärungen Bezeichnung des zuständigen Gerichts durch das gemeinschaftliche obere Gericht 269 Gültigkeit einzelner Untersuchungshandlungen eines unzuständigen Gerichts 270 Untersuchungshandlungen eines unzuständigen Gerichts bei Gefahr im Verzuge 270 f. vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis 644 Erlaß des Haftbefehls 805 ff. Erlaß der weiteren richterlichen Entscheidungen über die Untersuchungshaft und die Aussetzung des Haftvollzuges 808 ff. Vorführung des Festgenommenen 829 ff. Verweisung durch Berufungsurteil 1734 Widerklage 2022 dinglicher — 2650

Ger

Staatsschutzstrafsachen 2826 s. auch Revision, Revisionsgericht, Zuständigkeit (örtliche und sachliche) Gerichtsstelle Anwesenheit des nicht auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten bei kommissarischer Vernehmung an der — des Verwahrungsorts 1173 f. Entfernung der vernommenen Zeugen und Sachverständigen von der — 1331 f. Gerichtstafel s. Anheftung Gerichtstage Abhalten von 2707, 3143 Gerichtsunterworfenheit als Verfahrensvoraussetzung 96 f. Gerichtsverfassung Quellen des deutschen Strafverfahrensrechts 2 f. VO zur einheitlichen Regelung der — vom 20. 3. 1935 64, 3141 ff. Gesetzgebungszuständigkeit 2593 Gliederung der Gerichte (Errichtung und Aufhebung; Amtsgerichtsbezirk) 3142 Amtsgerichte (Zweigstellen und Gerichtstage) 3143 aufsichtführender Amtsrichter, Vertreter 3143 f. Landgerichte 3144 Oberlandesgerichte 3144 f. StA 3145 Justizverwaltung (Dienstaufsicht) 3145 ff. Übertragung von Befugnissen auf OLGPräsidenten 3147 s. auch Gerichtsverfassungsgesetz und Einführungsgesetz zum GVG Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) Entstehungsgeschichte und Entwicklung 4 ff. Nachkriegsgesetzgebung bis zur Entstehung der Bundesrepublik Deutschland 18 ff. Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland 20 ff. Reformversuche und Reformbestrebungen 34 ff. Inkrafttreten mit der StPO 2585 Allgemeines 2593 f. Gesetzgebungszuständigkeit 2593 Geltungsbereich 2593 f., 3006 Gerichtsbarkeit 2594 ff. 3317

Ger

Sachregister

Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) (Fortsetzung) Rechtsgrundlagen der richterlichen Unabhängigkeit 2594ff., 2597ff. Begriffe der Rechtsprechung, Rechtspflege und Gerichtsbarkeit 2594 ff. Begriffe des Richters und des Gerichts 2596 Richter und Beamte, Rechtsstellung 2597 Präsidium und Geschäftsverteilung 2651 ff. Amtsgerichte 2706ff. Schöffengerichte 2729 ff. Landgerichte 2775 ff. Schwurgerichte 2801 ff. Kammern für Handelssachen 2818 Oberlandesgerichte 2818 ff. Bundesgerichtshof 2850 ff. Geschäftsstelle 2900 f. Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte 2901 f. Rechtshilfe 2902 ff. Öffentlichkeit und Sitzungspolizei 2931 ff. Gerichtssprache 2976 ff. Beratung und Abstimmung 2985 ff. Gerichtsferien 3003 f. Einführungsgesetz zum — 3005ff.; s. Näheres unter diesem Wort Verhältnis des — zu den Landesgesetzen 3006 f. Staatsverträge vor Inkrafttreten des — 3007 Militärgerichtsbarkeit 3010 s. auch Gerichtsbarkeit, Gerichtsverfassung Gerichtsverwaltung Begriff 64 Rechtspflege 2595 Heranziehung von Richtern zu Aufgaben der - 3072 als Teil der Justizverwaltung 3009, 3060 f. Verpflichtung des Richters zu einer Nebentätigkeit in der — 3112 ff. s. im übrigen Justizverwaltung Gerichtsvollzieher Beauftragung mit der Zustellung der unmittelbaren Ladung durch Verfahrensbeteiligte 371 f. Notveräußerung 615 Dienst- und Geschäftsverhältnisse 2901 f. Ausschließung 2902

3318

Vollstreckungen, Ladungen und Zustellungen ohne Rechtshilfeersuchen an anderes deutsches Land 2919 Beauftragung unter Mitwirkung der Geschäftsstelle des Amtsgerichts 2920 Gerichtsvollzi eherkostenordnung Amtshilfe, Kostenerstattung 2925 Gerichtsvollzieherordnung Geltungsbereich 2901 Gerichtswachtmeister s. Justizwachtmeister Geringe Schuld Ausnahmen vom Legalitätsprinzip 952 f., 959 Einstellung im Privatklageverfahren 2005 f. Geringfügigkeit Ausnahme von der Verfolgungspflicht 140f.; s. Näheres unter öffentliche Klage Einstellung wegen — im Privatklageverfahren 2004 ff, 2031 Einstellung wegen — nach Einspruch gegen Strafverfügung 2200 Nebenklage, Kostenverteilung bei Einstellung wegen — 2550 ff. Gesamthaftung mehrerer verurteilter Mitangeklagter 2494 ff. für Pflichtverteidigergebühren 2495 ff. für Dolmetscherauslagen 2497 Kostenentscheidung 2499 Befreiung Mitangeklagter von der Mithaftung 2495 ff, 2499 Gesamthandsberechtigte Einziehung 2236 Gesamthandseigentum Einziehung 2236 Gesamtnote gioße Staatsprüfung, Anrechnung von Leistungen im Vorbereitungsdienst 3067 Gesamtschuldner Haftung mehrerer verurteilter Mitangeklagter für Auslagen als — 2494 ff. Haftung mehrerer Privatkläger und Verurteilter als - 2547 Gesamtstrafe Urteilsspruch 1409 Urteilsgründe 1501 Beschränkung der Berufung 1706 Verschlechterungsverbot 1766 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Gesamtstrafe (Fortsetzung) Zuständigkeit für das Wiederaufnahmeverfahren 1943 bei Strafbefehl 2132,2164 Teilrechtskraft, Vollstreckbarkeit 2330ff. Anrechnung der Untersuchungshaft 2338 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 2332, 2357 Berechnung der Strafzeit 2359f. Begnadigungsrecht 2361 Zuständigkeit für Aussetzung des Strafrests 23 77 f. nachträgliche Bildung einer — 2406 ff. Verhältnis des § 76 StGB zu § 460 STPO 2406 f. Voraussetzungen der —bildung durch Urteil 2406 f. Bildung einer — durch Beschluß 2407 einzubeziehende Einzelstrafen 2407 ff. vollstreckte, verjährte, erlassene Strafen 2407 f. Strafen, die in dem nach § 76 StGB maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig waren 2409 nachträglich vollstreckbar gewordene Strafen 2409 Strafen Ausgelieferter ohne Strafvollstreckungsbewilligung 2409 Auflösung früherer — 2409 f. Bemessung 2410 Berücksichtigung von Rechtsfehlern in früheren Urteilen 2410 f. Behandlung der Nebenfolgen im —beschluß 2411 f. Strafaussetzung zur Bewährung 2412 Verfahrensfragen bei nachträglicher -bildung 2413 f. Begründung 2413 f. Beschluß, Rechtsmittel, Rechtskraft, Vollstreckbark eitsbescheinigung 2414 Strafzeitberechnung 2414 Beginn der Vollstreckung 2414 Anrechnung von Untersuchungshaft 2414 jugendgerichtliches Verfahren 2415 f. nachträgliche Entscheidung nach § 66 JGG 2415 Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen 2415 f. nachträgliche —bildung, Kosten 2416 Zuständigkeit zur nachträglichen Bildung d e r - 2 4 2 2 f.

Ges

keine Überschreitung der Strafgewalt der Amtsgerichte 2424 f. Begnadigungsrecht der Länder 2626 Strafgewalt des Amtsgerichts 2720 Zuständigkeit des Einzelrichters 2722 f. Zuständigkeit nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3174 Gesamtvorsatz Aufhebung der Urteilsfeststellungen 1889 Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher 2901 Geschäftsfähigkeit des Privatklägers 1968 f. des Beschuldigten im Anhangsverfahren 2071 des Einziehungsbeteiligten 2248 ff. Geschäftsjahr Stichtag für Größe des Präsidiums 2666 Aufstellung des Geschäftsverteilungsplanes vor Beginn des — 2674 Änderungen des Geschäftsverteilungsplanes im Laufe des — 2678 f. Auslosung der Schöffen 2757 Benachrichtigung der Schöffen 2757 f. Verpflichtung zur Amtstätigkeit über das -r hinaus 2764 weitere Mitwirkung der Schöffen beim Schwurgericht bei Tagung über den Endtermin des — hinaus 2815 s. auch Geschäftsverteilung Geschäftskreis der einzelnen Arten von Gerichten 2629 ff. der Amtsgerichte 2728 der Strafkammern 2779 der auswärtigen Strafkammer 2798 der Urkundsbeamten der Geschäftsstelle 2900 f. Geschäftsmäßigkeit Strafklageverbrauch 114 f. Urteilsspruch bei geschäftsmäßigen Handlungen 1407 Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis Ausschluß der Öffentlichkeit, Verbot von Veröffentlichungen 2939, 2940 f. Schweigebefehl 2949 Geschäftsordnung des Präsidiums 2681 f. beim BGH 2864,2865 f., 3119 der Richtervertretungen 3138 Geschäftspapiere Durchsicht 631 f.

3319

Ges

Sachregister

Geschäftspapiere (Fortsetzung) gesetzlich aufzubewahrende — 632 s. auch Durchsuchung Geschäftspersonal der Exterritorialen, Gerichtsbarkeit 2649 f. Geschäftsräume Ersatzzustellung 366 Durchsuchung 617, 620, 622ff., 626 Mitnahme von Akten in die — des Verteidigers 935 Geschäftsstelle Ablehnungsgesuch 304 Erteilung einer Abschrift 353 Übertragung der Zustellung 360 Hinterlegung der gesetzlichen Entschädigung bei der — für unmittelbar geladene Personen 1157 Entgegennahme von Rechtsmittelerklärungen des verhafteten Beschuldigten 1615 f. Einlegung der Beschwerde 1654 f. Einlegung der Berufung 1680 f. Berufungsbegründung 1690 Einlegung der Revision 1843 Revisionsbegründung 1858 f. Wiederaufnahmeantrag 1939 f. Erhebung der Privatklage 2000 Ladungen im Privatklageverfahren durch die - des Gerichts 2013 Revisions- und Wiederaufnahmeanträge im Privatklageverfahren 2031 Einspruch gegen Strafbefehl 2161 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 2354 beim Amtsgericht 2728 bei jedem Gericht 2900 Geschäftskreis 2900 f. Dienstordnung 2900 Auftrag an Gerichtsvollzieher unter Mitwirkung der — des Amtsgerichts 2920 Urkundsbeamter der — zugleich als Dolmetscher 2984 Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe 3164 s. auch Protokoll, Urkundsbeamter Geschäftsunfähige Privatklage 1968 f. Geschäftsverteilung durch Vorsitzenden 28 Rechtsnatur 65 3320

Ermittlungsrichter des BGH und der OLG 1015 zwischen Gericht und Vorsitzendem bei Vorbereitung der Hauptverhandlung 1136 Plan keine Rechtsnorm 1795 Nachprüfung der Gesetzmäßigkeit der —pläne durch das Revisionsgericht 1795 Voraussetzungen für Änderungen, Prüfung durch das Revisionsgericht 1807 vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung, unbedingter Revisionsgrund 1826 f. gesetzlicher Richter 2642 f. allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die — 2651 ff. Grundgedanken der Neuregelung 2651 ff. falsche Zusammensetzung des erlassenden Organs 2663 Bestellung der Untersuchungs- und Ermittlungsrichter 2668 allgemeine Bedeutung des —plans 2669 Rechtsnatur der Tätigkeit des Präsidiums 2669 f. Rechtsnatur des —plans 2670 keine Übertragbarkeit der Aufgaben des Präsidiums 2670 Besetzung der Spruchkörper 2670 f. überbesetzte Spruchkörper 2670 Hilfsrichter 2671 Regelung der Vertretung 2671 f. Verteilung sämtlicher anfallenden Geschäfte 2672 „Streik" des Präsidiums bei Mangel an Richtern? 2672 f. Verteilung nach allgemeinen abstrakten Merkmalen 2673 Jahres—plan, Zeitpunkt der Aufstellung. Geltungsdauer 2674 Bestimmung des Spruchkörpervorsitzes des Präsidenten 2674 Zugehörigkeit zu mehreren Spruchkörpern 2674 f. fehlerhafte —, Auswirkungen, Heilung 2675 f. Abweichung von gesetzmäßigem —plan 2676 Anhörung von Richtern, die nicht Mitglieder des Präsidiums sind, vor der Änderungen des —plans im Laufe des Geschäftsjahrs 2678 f.

Zahlen = Seiten. Bd. I = S. 1 - 1 1 3 3 ; Bd. 11= S. 1135-2313; Bd. 111= S. 2315-3183 Geschäftsverteilung (Fortsetzung) Änderung wegen Überlastung 2678 Formen der Änderung 2678 Bildung von Hilfsstrafkammern 2678 Überlastung einzelner Mitglieder eines Spruchkörpers 2678 ungenügende Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers 2678 Wechsel einzelner Richter 2678 f. dauernde Verhinderung 2679 Weitertätigwerden trotz Änderung der - 2 6 7 9 ff. Freistellung für Aufgaben der Justizverwaltung 2681 Beschlußfassung des Präsidiums 2681 ff.; s. Näheres unter Präsidium Anfechtbarkeit von Beschlüssen und anderen Maßnahmen des Präsidiums 2683 Auslegung des —plans zur Einsichtnahme 2686 f. Bereitschaftsdienst 2687 Vorsitz in den Spruchkörpern 2688ff.; s. Näheres unter Vorsitz Vertretung des verhinderten Vorsitzenden Richters 2692ff.; s. Näheres unter Verhinderung innerhalb des Spruchkörpers 2698 ff. Vertretung des Präsidenten oder aufsichtführenden Richters 2702 f. Beschlußfähigkeit des Präsidiums 2703 f. Eilmaßnahmen des Präsidenten oder aufsichtführenden Richters, Genehmigung des Präsidiums 2704 ff. Amtsgerichte mit einem aus allen wählbaren Richtern bestehenden Präsidium, Präsident als Vorsitzender 2711 f. nur mit einem Richter besetztes Amtsgericht, ständige Vertretung 2712 ff. Amtsgericht, vorübergehende Vertretung durch Richter eines anderen Gerichts 2713 Amtsgericht, Bestellung eines zeitweiligen Vertreters in Eilfallen 2713 f. Amtsgericht, Abweichung von —, Gültigkeit der Handlung 2714 f. Untersuchungsrichter 2781 f. Staatsschutzstrafkammer 2790 Wirtschaftsstrafsachen 2793 f. bei der StA 2874 Kenntlichmachung der Hilfsrichter im - p l a n 3096f.

Ges

Geschäftsverteilungsplan s. Geschäftsverteilung Geschäftswert im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG 3053 Geschlechtliche Vorgänge Beweisaufnahme 1267 f. Erörterung —, Ausschließung der Öffentlichkeit 2941 Geschmacksmustergesetz Privatklage 1965 Geschwister Wiederaufnahmeantrag nach dem Tode des Verurteilten 1934 Fortsetzung der Privatklage wegen Beleidigung 2041 Anschluß als Nebenkläger 2048 Geschworene Änderung der Bezeichnung 3125 s. im übrigen Schöffen (beim Schwurgericht) Gesellschaften Verletzter bei —, Ausschließung vom Richteramt 277 als Privatkläger 1969 f. Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gesetz betr. die —, Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer 2793 f. Gesellschafter Straftaten und Ordnungswidrigkeiten vertretungsberechtigter — 2305 Gesetz Verfassungswidrigkeit und Urteilsnichtigkeit 196 ff. Verletzung des — als Revisionsgrund 1791 ff.; s. Näheres unter Revision Ausschluß der Wiederaufnahme zwecks anderer Strafbemessung auf Grund desselben S t r a f - 193 7 f. im Sinne der StPO und des Einführungs— 2590 Unterwerfung des Richters unter das — 2601 ff. Zuweisung anderer Aufgaben als Rechtsprechung an Richter 3062 Übertragung eines weiteren Richteramts 3093 f. Bestellung und Abberufung des ehrenamtlichen Richters 3123 f.

3321

Ges

Sachregister

Gesetzesänderung nach der angefochtenen Entscheidung, Sachentscheidung durch das Revisionsgericht 1901 f. kein Wiederaufnahmegrund 1923 s. auch Änderungen Gesetzeskonkurrenz Verfahrenshindernis 93 zwischen Privatklage- und Offizialdelikt 1966, 1976 f. zwischen Nebenklage- und Offizialdelikt 2045 Rechtsmittel bei Zusammentreffen eines Nebenklagedelikts mit anderen Straftaten 2062 f. Strafbefehl 2170 Verteilung der Kosten und notwendigen Auslagen im Privatklageverfahren 2545 Gesetzesverletzung Beschränkung der Verfolgung bei mehreren — in Tateinheit 973 ff. als Revisionsgrund 1791 ff.; s. Näheres unter Revision Gesetzgebende Körperschaften Mitgliedschaft eines Richters 3106 f. Gesetzgeber Bestätigungswille bei vorkonstitutionellem Recht 1796 Gesetzgebungszuständigkeit Gerichtsverfassung 2593 Gesetzliche Fristen s. Fristen Gesetzlicher Richter Prozeßmaxime 166 f. Verbindung und Trennung 213,216 stattgebender Ablehnungsbeschluß 322 Anzeige eines Ablehnungsgrundes, Zweifel über einen Ausschließungsgrund 330 Entscheidung über nichtstrafrechtliche Vorfragen 1450 vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung, unbedingter Revisionsgrund 1825 ff. Bedeutung des Entziehungsverbots 2639 f. Begriff" des - 2640 Vorausbestimmbarke